Skip to main content

Full text of "Zeitschrift Für Medizinal Beamte 21.1908"

See other formats



Harvard Medical Library 
in the Francis A.Countway 
Library ofMedicine ^Boston 










































ZEITSCHRin 

für 

MEDIZINAL-BEAMTE. 


ZMrinlUitt flir du (uurte BuiMltitniuM, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heraasgegeben 

Ton 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Otto Rapmnnd 

Beg.* nnd Ifedizmabrat in Minden. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussisohen, 
Bayerischen, Württembergischen, Badischen und Mecklenburgischen 
Medizinalbeamten • Vereins. 


XXI. Jahrgang. 1008. 



Berlin W. 35. 

FISGHEB’S MEDIZIN. BUCHHANDLUNG. 

H. KOBMVELD. 

flersogl. Bejer. Sof- mad BrsherBOgL Kammer-Baehhladler. 


HARVARD KECiCAL f-MrDL 

LIBRARY DF LEGAL MEEiGiriE 




J. C. C. Bram, Herzopi. Sächs.«. FürtU. Soh.«L. Hofbuohdruckorci In Minden. 



Inhalt; 


I. Original-'Mitteilungeii.* 

• . A. .OeriOlitUoA« VedlslB« • • 8*ite. 

Ueber Pettemlx^e vom geriefats&rztlichen Standpankt. Dr. Hadlioh 1 

Traamatbche Leak&mie. Dr. Sieber. 41 

Wichtigkeit gericbtaärsüicher Photographie. Dr. Stiller.217 

Ein angeblicher üafaUverletzter als Simolant. Dr. B. Thomalla . . 261 

Wismathrergifiang; Indifferentismas gegen Nitroglyzerin. Dr. Wilcke 268 
Anatomische Diagnose des Todes durch Erstickung. Prof. Emnt Ziemke 858 

Nicht tödliche Schoßrerletzong der Aorta. Dr. Berg.889 

Selbstmord dnrcb Verbrennung.' Dr. Camillo Toro . .898 

Der Kelalnk. Ein Apparat zum Fixieren des Kopfes bd der Sektion. 

Dr. Oscar Horn.397 

Das hdraufäfaige Alter. Dr. Ahlfeld.421 

Sifflzlation'oder GeisteskrankhdtP Dr. Gerlach.493 

Schidelbroeh dnrch Hnndebifi. Dr. Pfleger und Dr. Harz. . . . 669 

Erfabrnngen bei Kohlenoxyd Vergiftungen. Dr. Kart v. Snry . . . . 571 

Selbstmord dnrch Schuß mit einer Platzpatrone. Dr. Bosenbanm 605 
Kongenitale Hantdefdtte am Kopfe des Neugeborenen. Dr. Liedig . 607 

Kindermord durch Einstechen dner Hutnadel in den Kopf. Dr. £. Bihler 647 
Tod eines Schulkindes dnrch Alkoholvergiftung. Dr. Vollmer . . . 707 

Aether als Schlaf- und Betäubungsmittel. Dr. B. Thomalla . . . 709 

Giftmord mit Kalium bichromicum. Dr. S. Mita.747 

Tödliche Verletzung durch - Flobertschuß. Dr. Zelle.749 

Stichwunde in die Brust. Dr. Zelle.751 

Schuß Verletzungen mit Flobertpistolen. Dr. Seitz.863 

Simulation eines Nierenlddens. Dr. Doepner . .-.864 


B. Hygiene nnd öffentllohes SanltAtswesen. 

Wasserantersaehung an der Entnahmestelle. Dr. Karl Schreiber 6 

Tagebuch und Jahresbericht. Dr. Berger . 20 

Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten dnrch die Schulen. 

Dr. Arbeit . 46 

Vergleichende Desinfektioosversncbe zwischen Lysol ifnd' der neuen 
Kresolseife des Preußischen Hinisterial-Erlasses vom 19. Oktober 

1907. Dr. Hans Schneider . 53 

Das Hedizinalwesen im Etat 1908/1909. Bpd. 57 

Meldepflicht der Hebammen bei Wochenbettflebet. G.'WitftcTr ... 78 

Behandlung der epidemischen Genickstarre mit Heilserum. Dr. K r o h n e 78 

Die Genickstarre in Bothenburg. Dr. Zelle . 84 

Zur Verbreitungsweise des Typhus. Dr. Sta^emann ...... 118 

Kurpfuschereigesetz. Bpd.115 

Dienstalters-, Pensionierungs- und Sterblichkeitsverhältnisse der Medizinal- 


Der Medizioaletat im Abgeordnetenhause. Bpd.160, 185 

Geber das Eczema vaccinatum. Dr. Georg Neumann.269 

























IV 


Inhalt. 


Seile. 

VenoUeppnng von Schalblasen durch Hebammen. Dr. Richter . . 271 

Zar Aetloiogie des Paratyphns B. Dr. Dreves.801 

Zar Frage der Myiasis interna. Dr. Th. Scharpli.802 

Vergleichende Analysen yon Eresolseilen. Prol. Dr. Carl Arnold . . 305 
Vernnreinigung der Stubenlnlt dnreh Ofenhelanng. Dr. Roller . . 367 
Gesnndheitsschädignngen durch bleilaibenhaltige Tapeten. Dr. Becker 402 

Ueber Milzbrand. Dr. Heidenhain.409 

Anlbewabrnng der Lymphe bei Landreisen. Dr. Fielitz.410 

Mitwirkung der Hebammen bei der Säuglings-Pflege und -Ernätunng. 

Dr. Wegner.437 

Beanlsichtignng der Bergwerksbetriebe dnreh die Kreisärzte. Dr. C n r t i n s 457 

Uebertragnng ansteckender Krankheiten durch Bibliotheken. Dr. Hil¬ 
lenberg .500 

Unsere Hebammen. Dr. E. Angerer.529 

Ein bakterioloffisch-chemischer Wasserkasten. Dr. Beninde . . . 542 

Sanitätspollzeiiicbe Maflnahmen bei Typhnsbazillenträgem. Dr. Kurp- 

juweit.676 

Bekämplung der Tuberkulose anl dem Lande durch Tuberknloseausschflsse. 

Dr. Helwes. 578 

Beitrag zur Sänglingslflrsorge. Dr. Deipser.581 

Qesundbeitsschädlicbkeit zbzhaltiger Sanghtttchen. Dr. Rieb. Hadlich 607 

Desinlektion in Stadt und Landkreis Worms. Dr. Fertig.612 

Zar Kasuistik der Bensinyergiltnngen. Dr. Federschmidt. . . . 653 

Das Kreis-Krankenhaus auf dem Lande. Dr. Wengler.654 

Leitsätze zur Tagesordnung Iflr die XXV. HauptTersammlung des 
Prenfiischen Medizinubeamtenyereins. Dr. Dtttschke, Dr. 

Lochte, Dr. Gutknecht .656 

Der Unterleibstyphus in Berlin. Dr. Nesemann.677 

Die Jubiläamsloier des Preuflischen Medizbalbeamtenvereins. Rpd. . 692 

Zur Wohnnngslrage armer Leute. Dr. Heidenhain.711 

Der praktische Wert des positiven Widal. Dr. Eyfl.755 

Diensteinkommensverbessernngen in Prenflen. Rpd.760 

Das Kreis-Krankenhaus anl dem Lande. Dr. Meyer.779 

Erwiderung auf vorstehenden Aufsatz. Dr. Wengler.783 

Antwort anl vorstehende Erwiderung. Dr. Meyer.7H4 

Die Büchereien der Krankenhäuser. Dr. Pilf.784 

Gebühren der Medizinalbeamten. Rpd.. .... ..789 

Gebühren der Medizinalbeamten, Besoldung der Kreisärzte. Rpd. . . 819 

TyphusbazUlenträgerin als Infektionsqaelle. Dr. Troeger.867 

Vakzine-ImpllnfektioD. Dr. Troeger. 869 

Kurpfuscherei im 18. Jahrhundert. Dr. Zelle.870 


H. Kleinere Mitteilimgen und Referate ans 
Zeitsohriften n. s. w.O 

A. flerlohtliohe Medisln. 

Biologische Untersuchung kleinster Blatspuren. Dr. Th. Carnwarth 

(Rost). . .. 20 

Die Lungenschwimmprobe. Dr. Käthe (Räuber). 21 

Reifezeliben der Frucht. Dr. Hugo Nothmann (Rump). 21 

Mikroskopische Vorgänge bei der Abstoflung der Nabelschnur. F. Cobliner 

(Ramp). 22 

Vergütung mit Benzoldampf. L. Lewin (Waibel). 88 

Schädigung der Leber dnreh EssigsäurevergUtung. J. Parisot und 

A. Harter (Mayer). 89 

Toxische Wirkang der Kalisalze. A. Frouin u. A. Maut^ (Mayer). . 89 

Giftwirkung des Stovakokaingemisches. Piquand und L. Dreylns 

(Mayeu. 89 


*) Die Namen der Referenten sind in Klammern beigefttgt. 



































Inhalt V 

Seit«. 

Bleirari^niig in chemiich*toxischer ffinsioht Dr. 0. HeilHre 

^Ibrig). 90 

ChlonlnklOsnagenbei derBehandlnngderEndometritlB. ILHofmeier 

(Wnibel) . ; . .. 90 

OnngrinSse PeriomtioneB des Utems infolge Ton Aborten. L. Thoinot 

und Cb. Paul (P. Fraenckel). 91 

Der Herzinhalt bei mechanischer Erstiekang. Romant und Ensiöre 

(P. Fraenckel).. 92 

Fremdkörper in der Nase. Dr. Hflhlenkamp (Waibel). 92 

Fremdkörper im Oberkiefer als Ursache von Bindehanteiteningen. Dr. 

Thörey (Waibel). 93 

Wirkung des Kall chiorienm anf den Erelslanf. J. KAbelons und 

£. Bardier (Nayer) . .. 203 

Chlorneihyl im Binte im Verlanfe der Narkose. L. Camns n. Maurice 

Nioloax (Mayer). 203 

Zar Oiftwirkong nikotinfreier Tabakssorten. Georges Qaillain nnd 

Abel Gy (Mayer) . ..204 

Bedentnng der kOostlichen Atmung iQr die Diagnose des Ertrinknngs* 

todes. Dr. Arthur Schulz (Fraenckel).204 

Fragmentation nnd Segmentation des Herzmuskels. A. Stamer (Merkel) 205 
Chorionepitheliom - ihnliche GeschwOlste. W. Riesel (Merkel) . . . 205 

Fremdkörper in der Nase. Dr. Klaußner (Waibel).205 

Verletzungen • des Kehlkopfes vom gerichtsärztlichen Standpunkt Dr. 

Heuduek (Hoffmann).205 

Die Kriterien des Nahschusses. Dr. W. Meyer (Fraenckel) .... 206 

Gntaehten der Wiss. Deputation f. d. Medizinaiwesen über eine angebliche 

Impfbeschädigung. Kraus, Kirchner, KOnig (Kraemer) . . 206 

Zar Kasuistik der Knnstfehler. Dr. jur. et med. F. Kirohberg (Troeger) 207 
Heilmagnetismns in forensischer Beziehung. Dr. Alb. Moll (Fraen<mel) 207 

Haft* und Terminfähiffkeit. Dr. Hugo Marx (Räuber).207 

Modifikation der Teienmannschen Methode zur Gewinnung von Hämin- 

krystallen. Aktinson und Kendail (RevenstorQ ■.272 

Akute Alkoholvergiftung. Dr. med. Pentz (Schenk).272 

Plötzliche und unerwartete Todesfälle. Wynn Westeott (RevenstorD 272 
üeberzähiige Brustdrüse beim Manne. Dr. Cesare Mannini (Solbrig) 272 
Wirkung von Reduktionsmitteln nuf Hämoglobin. Dr. Beintker 

(P. Fraenckel).868 

Redaktion des Ozyhaemoglobins bei verschiedenen Todesarten. Jean 

Gautrelet und Pierre Lande (Mayer) . . . ..369 

Verdünnung des Blutes beim Ertrinken. A. De Dominicis (Revenstorf) 869 
Stickoxydal im Blut beider Narkose. Manrice Nieloux (Mayer) . . 369 
Vorkommen von Urobilin im Blute menschlicher Leichen. Biffi 

(Revenstorf).870 

Bestimmung des Alters von Blutflecken. A. Lecha*Marzo (Revenstorf) 370 

Ein Fall von Heroinvergiftung. Dr. med. Glasow (Klare).870 

Vergiftung mit EukalyptnsOL Dr. Schröder (Troeger).371 

Ausscheidang des Stlckoxyduls bei der Narkose. Maurice Nieloux 

(Mayer). 489 

Bildung praezipitierender Substansen bei Injektion von Aleuronat. 

J. Cantacnzöne (Mayer).439 

Vergiftung durch Tbiosinamin. Dr. Paul Große (Waibel).439 

Mors subita der Herzkranken. Prof. Dr. H. Kisch (Waibel) .... 440 

Spontane Heilung der Herswaaden. Attilio Cevidalli (Fraenckel) 440 

Zar Lehre von der Gehirnerschütterung. Dr. Baller (Fraenckel) . . 440 

Intrakranielle Blutergüsse Neugeborener. P/ivatd. Dr. Seitz (Waibel) 441 

Rigor morUs bei Totgeborenen. Parkinson (Revenstorf).442 

Entstehung des Geschlechtstriebes. Dr. Angelo De Dominicis (Mayer) 442 
Persistenz des ^mens nach der Verehelichung und Schwangerschaft. 

Dr. Marx (Kurpjaweit) ...» .442 

Konservierung der Farbe anatomischer Präparate. Giuseppe Fornario 

(Mayer).443 

Untennehung von Leichen zu römischer Zeit Hingerichteter. Wood 
Jones (Revenstorf). 






























VI 


Inhalt. 


Seite. 

BlntaparenTitalerEntstehnng aufE^nochen. WoodJones(BeTenatorf) 506 
Ueber den Naehweis tob Kohlenoxyd im Blute. 0. Schümm (Bpd.) . 606 

Identltitenachweis bei Vergiftung. Bahadur (BeTenatorf) .... 607 

Flobertpiatole und ihre gerichteärxtliche Bedeutung. C. A. Wolter 

(BeTenatorf).507 

BeaorziBTergiftnng bei äußerer Anwendung. Dr. Nöthen (Bpd.) . . 607 

AraenwanaeratoffTergiftoog. Wiley Jonea (BeTenatorf).508 

Vergiftung mit Kautabakaaft. M. Arnold (BeTenatorf)..508 

Vergiftung dnrch Beiladonnainlua. Dr. Ealmua (Kurpjuweit) . 508 

LaugenTorätzungen und deren Verhütung. Dr. K. Preieitner (Wolf) 509 
Lyaolrergiftung durch Diernsapttliuig. Dr. W. Piltz (Waibel) . . . 509 

Zur Aetiologie der BleiTorgiftong. Dr. Bleyer (Bpd.).510 

Zur BleiTergiftnng. E. Brumpt (Mayer).510 

FeatatelJung nach dem BOntgenbiide, ob ein Neugeborener gelebt hat. 

VaiTlant (BeTenatorf).510 

Die Bedeutung der Lungenprobe. C. Schmoll (Wolf).510 

Bedeutung der Barbeiioacben Spermareaktion. Earl Fraenkel und 

Budolf Müller (Liebetrau).510 

Eine neue chemische Blutprobe. Del6arde und A. Benoit (Mayer) 644 
Chemiache Prüfung auf Blut in organiachen Sekreten. Del5arde und 

Benoit (Mayer).545 

Erkennung dea Todea dnrch Ertrinken mittela Blutkürperehenzählung. 

L. Verdereau (BeTenatorf).545 

Beduktion dea Ozyhaemoglobina nach dem Tode. Jean Oautrelet 

und Pierre Lande (Mayer).546 

Vergiftung nach Pormaminttabletten. Dr. Glaaer (Bpd.).540 

Vergiftung oder Idioaynkraaie nach Formamint. Dr. Boaenberg (Bpd.) 646 
Tod dnrch Sturz ana der Höhe. Dr. Camillo Toto (Fraenckel) . . . 547 

Beitrag zu der Frage Selbatmord oder Unfall. Prof. Dr. £. Qieae 

(Fraenckel).547 

Kongenitale Hautdefekte am Kopfe dea Neugeborenen. Baimund Keller 

(Fraenckel).547 

Chlorhämin, Jodbämin und Bromhämin. A. Lecha>Marzo (BeTenatorf) 584 
Voranaaage dea Todea bei allgemeiner Paralyse. N. Vaaohide und 

Baymond Mennier (Mayer). 584 

Experimentelle AlkoholTergiftnng; Vergrößerung der Leber mit Olykogen« 

anaammlong. Cb. Aubertin und Pierre Höhert (Mayer) . . 585 

MentholTergiftung des Menschen. Prof. Dr. Schwenkenbecher (Waibel) 585 

Tod dnrch Ertrinken. E. Martin (BeTenatorf).585 

Tod dnrch Erwürgen Tom gerichtaärztlichen Standpunkt. Dr. Lösener 

(Fraenckel).586 

Selbaterdrosselnng. Dr. Kurpjuweit (Fraenckel).586 

Kaanistik dea Selbatmordea während der Geburt. Dr. Kurt Ton Snry 

(Waibel).586 

Vollendung der Geburt im Sinne dea § 11 B.G.B. Dr. P.Fraenckel 

(Antoreferat).587 

Mora thymica. Dr. Kurt Ton Sury (Fraenckel).587 

Pathologische Anatomie der AtoxylTergiitnng. A.Birch-Hirschfeld 

und G. Köster (Bpd.).614 

Chemische Vorgänge bei der Phosphorrergiftung. 0. Pirges und 

E. Pribram (WolO.614 

Kasuistik der sogenannten FleischTergiftungen. Prof. Wachholz (Bpd.) 614 

Erstickung durch Quetschung des Thorax. G. Brun (Beyenstorl) . . 615 
Barberiosche Spermareaktion. A. Lecha>Marzo (Bevenstorf) . . . 615 
Ursachen des Öescblechtstriebea. A. de Dominicis (BeTenatorf) . . 615 

Zur Technik der Sektion Ton Fällen Ton Wirbelfraktur. Prof. H. Chiari 

(Hecker).698 

PanoptiscbeUniTersalfärbungfürBlutpräparate. A.Pappenheim(Bpd.) 698 

Ueber die Abstoßung der Nabelschnur. Dr. Otto Leere (Troeger) . . 699 

Böntgendorchleucbtung Ton Neugeborenen. Bordas, Bonchacourt, 

Vaillant (Fraenckel).699 

Die histologische Dntersuchnng beim Studium der pulmonalen Atelektasie 

der Neugeborenen. Dott. Franc. Leoncini (Solbrig) .... 760 




























lahaU. 


VII 

Saite, 

üeber Photometbimoc^biD. Dr. Otto Leen (Berenitorl).712 

VergiftoBg durch PhQsphoroxjehlorid.. Prof. Dr. Rumpf (Rpd.). . . 718 

Beitrug uur Kenntnis der plOtsliehen Todesfälle. A. Asourelli (Be* 

. renstori). 718 

Fettembolie als Todesursache. Q. 8. Qraham (BeTonstorf) .... 718 

Zerreißung.der Vena cocouaria cordis.. DoU. Alb. Pepere (Solbrig) . 714 

Finlius der quergestreiften Muskulatur. A. Ascarelli (Berenstorf) . 716 

Häoicjytische Erscheinungen an der Leiche. Prof.8chlagenhaafer(Woll) 715 
Blutgehalt der Leber und Lunge als Zeichen des Erstickungstodes. 

A. Ascarelli (Beuenstorf)...716 

Akute Brustkorberweiternng Ertrunkener. A, M. Cenciarini (BeTenstorf) 716 

Lnngenbefund bei Ertrunkenen, de Dominicis (Berenstorf) . . . 716 

Yerletsnngen und Verstttuunelnngen Ton Leichen im Wasser. L. Thoinot 

(Praenckel).717 

üeber F/nchtabtreU>nng. E. 8tpekis (Berenstorf). . 717 

Beiträge sur Kenntnis der Asooepermie. Hans L. Posner (BeTsnstorl) 717 

Nachweis des VeronaL Theodor. Pn ns er (Fiaenckel). 888 

Das Alter tou Bintspnren. A. Leeha*Marso (Speiser) . , . . . 888 

Antisernm fflr d«n forensischen Blntaachweis. 0. Modiea (Beuenstorf) 884 

Die Blutadern des Handrückens als Identititsmerkmal. Prof. Arrigo 

, Xamassia (BeuenstorD.884 

Ein ungew5hnlicher 8elb8tmordTersncb. East G. B. (Berenstorf) . . 886 

Tod durch Erwürgen. Dr. F. 8traßfflann (Praenckel).886 

Brüche des Schädeldaches.. Dr. Hugo Marx (Praenckel). 886 

Indirekte Orbitaldachfraktur. Prof. Dr. Fischer (Weibel).886 

Zerr^ong vergrößerter Müsen. J. Cantlie (Bevenstorf).886 

Eklampsie der ^bwangeren und Gebärenden. Dr.Schröder (Praenckel) 887 

Fäulnis der Lungen Neugeborener. Dr. Carl Bühs (Fraenekel) . . . 887 

Forensische Photographie. Prof. B. A. Beiss (Bevenstorf) .... 876 

Beeinßnssnng der Totenstarre durch Calcium und Magnesium. Meltser 

und Auer (Bevenstorf).876 

PlOtslicheTodesBLlle im Säuglingsalter, Prof. Dr. Finkeistein (Troeger) 876 
Syphilis bei den prähistorischen Aegyptem. G. ElUot Smith (Bevenstorf) 877 
Beehtshändigkeit. G^ Elliot Smith (Bevenstorf) . 877 


B. OerlehtliolM'PsyohUlrle.' 

Snksessivo Kombination von PHychosen. Dr. Blum (Kaliseher) ... 22 

Alkohol.und Paralyse. Dr. Delbrück.(Schenk). 22 

Schmersempflndlichkeit der Gesichtsknochen bd Degeneranten. Dr. 

M. Schaikewics (Kalischer). . . 28 

Dauernde hysterische Betentio urinae. Dr. J. Bheinisch (Kalischer) 28 
Fehlen der. Patellarrefleze bei Hysterie. Dr. Wiegand (Kaliscber) 28 
üeber Fehlen des AchUlessehnenpbinomens. Dr. G. Platan (Kallseher) 24 
Ergographenversuche bei Katatonie und melancholischer Verstimmung. 

Dr. A. Gregor und Dr. B. Hänsei (Többen).185 

Zwangsneurose. Dj. Wolf gang Warda (Tobhen).136 

Herdersch^nngen bei genuiner Epilepsie. 0. Binswanger (TObben) 186 
Symptomatologie der Paralysis agitans. Dr. Otto Ludwig Kliene* 

berger (TObben) .. 187 

Die Paralyse im ünteroffizierstand.. Dr..E. Ben necke (TObben) , . 187 

üeber hysterische Worttanbheit. Dr. Albert Knapp (TObben) . . . 138 

Psychosen des Klimakteriums. ProL Hans Berger (TObben) .... 188 

Abnormitäten der Assendens in Besiehnug nur Desiendenz. Dr. Tigges 

(TObben).188 

Jahresl^richt der psychiatrischen Klinik in München (Klare) .... 189 
Simulation von Geisteskrankheit. Walther Biehm (TObben) .... 278 
Dementia praecox und manisch-depressives Irresein.. Prol Dr. Thomsen 

(TObben).274 

Deber Dementia infantilis. Dr. Th. Heller (Wolf) 274 

Jugendirresein. Dr. Biaor (TObben).274 

Debet Gefängnispsychoeen. Karl Wilmanns (TObben).275 

Eine VagabundenBunilie. Dr. MOnkemOller (Gerlacb).275 






















Vm Inhalt. 

Seile. 

Psjehifche nnd BerrOse Kmüdieiteii im japtniBch-iiuslicheii Kriege. 

Prot Dr. 8. Araky (WoÜ) . ..276 

Geiateazustand der Schwaageren nad Gebärendea. Dr. Biachoff (Hoppe) 276 

AUcohol nad Selbatmord. Dr. Walther Kftrbitz (Többen).277 

Zum Stadium der Koraakowschea Paychoae. Frau Bergmann- 

Kaaperowica (Schenk).277 

Eiateilaog der Homoaexaeliea. Dr. Nicke (T6bben).277 

Einige Lären dea Harden-Proieaaes. Dr. Albert Moll (Lohmer) . . 278 

Payäoloflda der Zeaaen. Dr. C. B. Mariaai (Solbrig).278 

Zorn Stadiam Aber die Falaohheit der ZeageaanaBagea. Dr. Anaolmo 

Sacerdote (Solbrig).278 

Paychologie and Paychopathologie im Polizeiweaen. Dr. Uebl (Waibel) 
ünterbriagong getateakranker Verbrecher. Dr. F. Kr im er (TObben) . 279 

Neaea regreaaiTea Stigma bei Degeaerierteo. Dr. G. L. Gaeparina 

(SMbrig). 279 

Anomalien der Gliedmaßen bei Gelateakranken. Dr. Ceaare Pianetta 

(Solbrig).280 

Sehidelmaaae and Beruf. Dr. Georg Lomer (Tobben).280 

I^gnoae der progreealyen Paralyae. Dr. A. Steyerthal (Troeger) . 371 

Angeabefonde bei Paralytikern. Dr. H. Dayida (TObben).371 

Körpergewicht bei Psyenoaen. Dr. Otto PlOrringer (TObben) ... 372 

Forachnngen hi der Aoaaagepaychologie. Dr. Albert Moll (Treuer) . 372 

KliBilr der arterioaklerouBchen SeelenatOrungen. Prof. Dr. Weber 

(TObben).443 

PoliomyeliUa anterior anbacata adaltoram. E. Medea (TObben) . . . 444 

Poettiaamatiache, tranaitoriaehe BewoßtaeinastOrongen. Dr. Carl Wen¬ 
den barg (TObben) . ..444 

Dementia poettraamatica mit ungewöhnlichen ^gleiterscheinongon. Dr. 

Treape (Waibel).445 

Paychopath^ sexaalia and Epilepaie. Dr. E. Andenino (Solbrig) . . 445 

Pathologie der Zwangabewegungen bei zerebralen Herderkranknagen. 

W. A. Muratow (TObben).611 

Zeitainn bei der KoraakofEachen GeiateaatOrnng. Dr. Adalbert Gregor 

(TObben).511 

üaterbringang gemeingefibrlicherGeiateakranken. Dr. MOnkemOller 

(Liebetraa).511 

IV. paychlatriacher Fortbildangaknraaa in üchtapringe. Dr. Friedei. 512 

Hyateriacber Dämmerznatand mit retrograder Amneaie. Dr. Mathiea 

(TObben).548 

Die Erwartoaganeoroae. Dr. Max laaerlin (Waibel).549 

Paycbiache Storungen im Eindeaaiter. Dr. A. SchOller (Wolf) . . . 549 

Aaabildang in der gerichtlichen Paychiatrie. W. Weygandt (Waibel) 549 

Seltene Fälle yon sexueller Frühreife. G. Boaaenda (Solbrig) . . . 616 

Fenüaine Homoeexnalität. Dr. 6. L. Gayiarini (Solbrig) 616 

GeiateaatOrungen bei Gehimaypbilis. Dr. Hugo Birnbaum (TObben) . 617 

Konjugale Paralyse nnd Paralyse-Tabes. Dr. Paul Junius und Dr. 

Maar Arndt (TObben). 618 

Prognose bei Dementia praecox. Marie Emma Zablocka (TObben) . 618 

Zur pemidOs yerlaufenden Melancholie. Dr. DOblin (TObben) ... 619 

Myasthenia grayis und Muakelatrophie. Dr.' Cb. De Montet und Dr. 

W. Skop (TObben).619 

Ein Fall yon Bromismus. Dr. Hankein (TObben).619 

Art der Delikte bei krankhaften Geisteszuständen HeeresangehOriger. 

Dr. Bennecke (Wolf)..620 

Das Symptom des Gedankensichtbarwerdens. Dr. Kurt H a 1 b e y (TObben) 620 

üeber Zureebnun^ähigkeit Prof. Friedenreich (TObben). . . . 620 

Die forensische Bedeutung der Dementia praecox. Dr. Bichard Sar¬ 
torius (TObben) ..700 

Die phantastische Form des degeneratiyen Irreseins. Dr. Bernh. Bisch 

(TObben).700 

Traumatische Bindendefekte der Stirn- nnd Zentralwindungen. Dr. 

Vollend (TObben)..* 701 

Der pathologische BauscL Dr. Kutner (Bpd.).701 





























Inhalt. IX 

Bette. 

läowainuig Ton genoisgeflhrliehen GeistnnkrnnkeB in Anstnlton. Dr. 

Sfcoltenholl und Dr. Pappe (Többen).701 

Okolintisebe Bdtr&ge zor Wertung der Degenemtionneichen. Dr. 

Albrand (Többen).717 

Nene Steilung der Verbrecher. Dr. Ingegnieroa (Solbrig) . . . 718 
Der Schädel•Qesichtn-Typoa bei 300 Mördern. Dr. As carelli (Solbrig) 718 
Dai Verbrechen bei den Jagendlichen. Dr. Agosti (Solbrig) . . . 719 
Spiegelschrift bei einem normalen Knaben. Dr. 8acerdote (Solbrig). 719 

Ine ieradiagnostik in der Psychiatrie and Neoiologie. Dr. Sterz (Többen) 837 
Klinischer Beitrag zor psychischen Epilepsie. Dr. Bandettini di 

Poggio (Solbrig) .. 838 

Epilepsie und LinkshtatUgkeit. Prof. Dr. Emil Bedllch (Többen). . 889 

Epilepsie bei Oeschwlstem. Dr. Vollend (Wolf).839 

Eine besondere Form von Folie ä deoz. Dr. Enrico Birari (Solbrig) 839 
Kongenitale Lues and progressive Paralyse. Dr. Cbr. Müller (Waibm) 840 
Wesen des moralischen Schwachsinns. Prof. Dr. Hans Gndden (Többen) 840 
IHe Diagnose der Homosexoaliiät. Dr. Naecke (Kalischer) .... 840 

Gdstesnörangen bei den Jaden. Dr. M. Sichel (Kalischer) .... 841 

Das Oreisenalter in forensischer Bezlehnng. Prof. Dr.Asohaffenbnrg 

(Waibel) ..841 

Abstinenz - Delirien. Dr. Holitsoher (Schenk).842 

Heilangeaassichten in der Irrenanstalt. Dr. Alt (Kalischer) .... 842 

Zar Läire von der Amentia. Dr. A. Zweig (Többen).877 

DÜerentialdiagnose des katatonischen und hysterischen Stapors. Kart 

Löwenstein (Többen).• . . 878 

Sniges über Exhibitionismas. Dr. Otto Leers (Hoppe).878 

Dementia praecox jenseits des 30. Lebensjahres. Dr. A. Z w e i g (Többen) 878 

Delirinm tremens. Dr. Wassermeyer (Többen).879 

Sgenartige Form des Tremors bei Epileptikern. Dr. v. Leapoldt (Wolf) 879 
B^ehongen von Epilepsie and Alkoholismos. M. S e r r g (Wolf) . . . 879 

Ist die Beligionspsychologie eine besondere Wissenschaft? Prof. Dr. 

G. Banze (Wolf).879 

Die Minderwertigen im Strafvollzage. Dr. Leppmann (Troeger) . . 880 

Behandlung der kriminellen Geisteskranken in New York. Dr. Fritz 

Hoppe.880 


0. Saohventindlgen* Tätigkeit In ünüall* and Invalldltätssaohen. 

. 1 . Gbutachten nnd Referate.*) 

Hautemphysem and Phthisis palmonam nach Brastverletznng. F. Aron* 

heim (Thomalla).* . . 24 

Hamleitetverengerang als Spätfolge eines Beckenbruchs. Dr. Heinr. 

Mohr (Thomwa) . .. 24 

Aetiologie und Pathogenese des Ulcus corneae serpens. Dr. Mil Ter 

(Thomalla).. . 24 

Anwendung des Elektrotherms. Dr. Kühne (Thomalla). 25 

Tabes und Unfall. Dr. Kart Mendel (Többen) . 93 

Spätläsion des Ulnaris. Dr. H. Brassert (Waibel). 93 

Akute traumatische Psychosen. Dr. Max Sommer (Többen) .... 208 

Nervöse und poychische Erkrankangen nach Betriebsanfällen. Dr. 

Götze (Wolf).208 

Hysterische Einzelsymptome (lokalisierte Krämpfe, Lähmangen osw.) als 

Folge von Unfällen. Dr. Kern (Fraenckei).* . . 209 

Syringomyelie nnd Unfall. Dr. Kort Mendel (Többen).209 

MalUple Sklerose and Unfall. Dr. Kart Mendel (Többen).209 

Sarkom nnd Trauma. San.-Bat Dr. Linow (Thomalla). 210 

Spät* und Nachwirkang eingeatmeten Kohlengases. L. Lewin (Bäaber) 210 

Gewöhnung nach Unfaliverletzangen. Dr. Wolf (Troeger).210 

Glykosurien in der Lebensversicherungspraxis. Dr. E. B1 o c h (Troeger) 3ll 

Myelitis und Unfall. Dr. Kart Mendel (Többen) . ..281 

Amyotrophische Lateralsklerose und Unfall. Dr. Kart Men d e 1 (Többen) 281 


*> Die Namen der Beferenten sind in Klammern beigefügt. 


























X 


lohftlt. 


8 * 11 « 

Progreasive Maskelatrophie und üofall. Dr. Kart Mendel (Tflbben) . 281 

DystrophiamnscaUria progresiiiTa n. Unfall. Dr. Kart Mendel (TObben) 281 
Primäre akate Osteomyelitia der Rippen. Dr. Fiedler (Waibei) . . 281 

Traamat. Laxation des Keryos nlnaris dexter.. Dr. Qaadflieg(Waibei) 282 
Zeitliche Verteilang der BetriebeunläUe. Prof. Dr. O. Pleracoini n. 

Dr. B. Maffei (Solbrig).282 

üebettragaog des Milzbrands als. Betriebaanfall. Obergatachten. Qeh. 

Med.'Rat Prof. Dr. Fflrbringer.288 

Nearitis and Unfall. Dr. Kart Mendel (Tdbben).372 

Arbeitsbehandlang Unfalineryenkranker ki Beiistätten. Dr. Worbs 

(Troeger) . 873 

Traomatiscbe Langentnberkaloae. Dr. Köhler (Troeger) * . . . . 878 

Verachlimmemng der Taberkolose darch Unfall. Dr. Feilchenfeld 

(Liebetraa).873 

Paralysis agitans and Unfall. Dr. Kort Mendel (Többen).445 

Tabes and Traama. Dr. Paal Köppen (Tbomalla).446 

Traomatische Accessorinslähmang darch stampfe Gewalt. Dr. Emst 

Steinitz (Thomalla).446 

Lähmang nach Dolchstich. Dr. Haas Hirschfeld (Thomalla) . . . 446 

Trachom and Unfall. Dr. Paal Koejyien (Thomalla). 446 

TendiniUs ossificans traamatiea. Dr. Ho er in g (Waibei).447 

Basedowsche Krankheit, Akromegalie, Epilepsie and Unfall. Dr. Kort 

Mendel (Többen).613 

Höhlenbildang im Bockenmark nach Unfall. 8an.>Bat Dr. L a q a e r (Troeger) 513 

Scharlach and Traama. Dr. Bejnstein (Troeger).514 

Bbeamatische Beschwerden als Unfallfolgen. Dr. Laaenstein (Bpd.) 614 
Simalation einer Tastlähmang. Dr. Alb. Knapp (Liebetraa) .... 550 

Zerreißong des Dactas thoracicas Infolge Brustqaetschong. Dr. Oeken 

(Waibei).550 

Langenerkrankang nach UnfalL Dr. Wilh. Baamann and Dr. M. 

Qroedel (Liebetraa). 551 

Simalation bei Unfalinervenkranken. Dr. Th. Becker (Wolf) . . . 621 

Hysterische L&bmang darch einen Schaß. Dr. Hammerschmidt 

(Thomalla).621 

Traamat. Lähmang der Oberscholterblattnerven. Dr. Kühne (Thomalla) 621 
Beitrag zar Nervenchirargie nach Unfällen. Dr. Heinr. Mohr (Thomalla) 622 
Stenose des Palmonalostiams nach Traama. Dr. Brano Leick (Waibei) 622 
Kohlenoxydvergiftang and Diabetes mellitas. Dr. H.Zieschö (Thomalla) 622 
Radiographie der Fraktaren zar Diagnose bei Unfällen. Dr. A. Bien* 

fait (Solbrig).623 

Atypisch yerlaafende Psychosen nach Unfall. Dr. Hasche (Többen) . 720 
Diabetes mellitas nach psychischem Trauma. Dr. Boepke (Troeger) . 720 
Traamatische Erkrankung oder Maskeldefekt. Dr. A. Zweig (Troeger) 720 
Traomatische Insolflzienz der Mitralklappen. Prof. Ziemke (Mayer) . 720 

Appendiritis nach Traama. Dr. F. Brttning (Wolf).721 

Begaiachtong der Wirbelsäaleverletzangen. Dr. A. Zweig (Troeger) 721 

Indirekte Mittelfaßbrüche. Dr. Na st-Kalb (Waibei).722 

Verfahren, Faßabdrücke za gewinnen. £. Stockis (Beyenstorf) . . 722 

Poeamokükken*Meningitis als Unfallfolge. Dr. J. Babin (Waibei). . 843 

Neryöae and psychische Erkrankungen nach Betriebsanfälien. Dr. B. 

Götze (Woli).843 

Neuritis and Myositis bei Leacbtgasyergiftang. Dr. Mayer . . . . 843 

Die Sehschärfe and das entscbädigangspflichtige Minimum. Prof. Dr. 

Gino Bichi (Solbrig) . ' .844 

Mesenterialabreißang bei Konlasion des Abdomens. Dr. Beinicke (Waibei) 844 
Atrophie des großen Oesäßmaskels darch Ueberanstrengang. Prof. Dr. 

Cesare Biondi (Solbrig).844 

Vergiftung durch Morphin and Opinm. Prof. Dr. L. Lewin (Bpd.) . 8 h0 

Einatmung von Kohlendanst. Dr. Philipp Kissinger (Thomalla) . . 881 

Neryöse Störungen .nach. Unfällen. Dr. B. Schönfeld (Thomalla) . . 881 

Eine seltene Verletzung des Kniegelenks. San.*Bat Dr. Bartsch (Thomalla) 881 
Aerztllcbe Begatachtang in Inyaliden* and Krankenyersicherongssachen. 

Assessor Seelmano (Thomalla).882 


























lolialt. XI 

Seite. 

e. Bntsolieldangen la UnfUl- und InTalldltfttasaohen.*) 

1906. 2. Aag.: Behandelnder Arzt als Gutachter. 25 

1907. 14. MArz: Unfall und Geisteskrankheit. 26 

, 15. April: Entseheidong auf Grand eines noch ansstehenden irzt« 

liehen Gatachtens. 25 

, 2. Mal ; Unfall darch Einatmen giftiger Gase. 27 

, 27. „ : Nearasthenie veranltifit durch Bentensacht.26 

, 9. Okt. : Selbstmord aus Lebensttberdrnß.211 

, 21^ „ : Einholung ärztl. -Gutachten seitens der Bemfegenossen* 

schäften von schiedsgerichtlichen Vertrauensärzten. . 447 

. 24. . : Entstellung des Aussehens rechtfertigt Entschädigung 

nicht.285 

, 6. Not. : Warmkrankheit kein BetriebsunfaUjWohl aber Erblindung 

des Wurmbehafteten durch die ^handlang .... 94 

7t , : Porto bei Zusendung yon Gebühren.449 

, 21. : Tod an Unterleibst^hns — Betriebsunfall . 284 

r, 22. „ : Verschlimmerung einer Lungentuberkulose als Betriebs* 

Unfall ..285 

., 11. Dez.: Bemessung der Unfallfolgen bei schon Torber beein* 

trächtigter Erwerbsfähigkeit.846 

, 12. , : Unfall und Lungentuberkulose.874 

, 27. , : Anhörung des behandelnden Arztes gemäß § 69, Abs. 3 

des G. U. G. 448 

1908. 30. Jan. : Erwerbsrerminderung bei Verlast des linken Armes. . 447 

.. 26. Febr.: Herabminderung der Bente.722 

2. März: Hchenkelbrnch und Unfall.551 

, 12. „ : Blatyergiftaug infolge geringer Haatyerletzang als 

Betriebsunfall.702 

, 18. „ : Inhalt des ärztlichen Gatachtens im Bentenstreitrerfahren 448 

, 21. Mai : Obduktion von Leichen Onfallserletzter.552 

, 6. Juni : Verscblimmeruog schon bestehender Unfallfolgen. . . 703 

, 6. , : Anhörung des behandelnden Arztes.846 

., 10. , : Neurose infolge der Einstellung der Bente.845 

, 19. „ : Verlast des kleinen Fingers.845 

19. „ : Verlast von 1*/« Gliedern des Zeigefingers.846 

.. 3. Juli : Gebühren für ärztliche Gutachten.723 


D. Bakteriologie) InfekUonskrankhelten und öffentUohea 

Saultitswesen *}• 

1. Bakteriologie und Bekämpfung der Infektionekrank- 

beiten. 

a. Allgemeines. 

Disposition und Virulenz. Prof. Dr. Finkler (Liebetran).224 

Zytotoxische und zytotrope Serum wukao gen. Prof. Dr. F. Neufeld 


und Dr. Bickel (Bost).224 

Ursachen der Phagozytose. Prof. Dr. F. Neufeld (Bost).224 

Wirkung des Atozyls auf die Spirillose der Hübner. Prof. Dr. Uhlen* 

huth und Dr. Groß (Rost).226 

HOhnerdiphtberie und Gtfiügelpocken. Dr. Tb. Carnwatb (Bost) . . 227 

Die Tetsefiiege. Dr. Frans Stahlmann (Bost) ..227 

Opsonine. J. G. Steeswijk (Hirscbbruch).807 

Die Giftigkeit der Heilsern. Dr. Besredka (Hirschbrach).807 

Intrayenöse Eollargolinjektionen bei Infektionskrankheiten. Dr. Arnold 

Lemberg (Wo)f).*.308 

Jahresbericht des Untersachungsamtes in Heidelberg. Prof. Dr. B. 0. 

Neumann (Eurpjuweit).308 

Jahresbericht des Untersachungsamtes zu Göttiogen. Dr. Albert 

Fromme (Eurpjuweit).309 


*) Wo kein besonderer Vermerk gemimht ist, sind die nachstehenden 
Entschddungen solche des BeichsTersicherung'samts. 

*) Die Namen der Referenten sind in Kammern boigefflgt 


































XU ) lolialt. 

Seit«. 

Heleinlektioa der Meoiogeo. Dr. Willi. Tflrk (Lohmer).311 

Angina und septische Infektion. Prof. Dr. B. Kretz (Wolf) .... 828 

Bleiben die Erreger ansteckender Krankhdten in KrankenrSnmen infek* 

tionstflchtig? Prof. Lernoine (Dohm). 341 

Durch Helminthen abgesonderte giftige Sabstanzen. Weinberg (Mayer) 87G 
Jahresbericht des chemischen üntersachongsamtes Halle a. S. Dr. phil. 

Max Klostermann (Karpjaweit).623 

Jahresbericht des hygienischobakterioiogischen Institnts in Dortmund. 

Dr. 0. Stade (Karpjaweit).624 

Jahresbericht des üntersachongsamtes in Preiborg i. Br. Dr. E. K tt s t e r 

(Karpjaweit). 624 

Jahresbericht dos Uatersachnngsamtes in Heidelberg. Prof. Dr. B. 0. 

N e am an n (Karpjaweit).. 625 

Krankentransport and Epidemiedienst in großen Städten. Dr. B Öhm (Bpd.) 731 

Ein neuer Filtrationsapparat. Dr. Hilgermann (Bpd.).781 

Präzisionssangvorrichtnng für Meßpipetten. Dr. Woitke (Bpd.) . . 731 

Anfwärtswandem der Bakterien im Verdaaongskanal. Dr. F. Dieterlcn 

(Lentz).882 

Antifermentreaktion des Blates. Dr. Wiens (Wolf).882 

b. Cholera, Pest, Gelbfieber, Lepra, Fleckfieber. 

Die Pestinfektion von Fischen. Emst Fflrth (Hirschbrach) .... 95 

Die Pest in Japan und Formosa. Prot Dr. Oshida (Eigenbericht) 95 

Die Pestepidemie in Japan. Dr. T. No da (Oshida). 95 

Aetiologie einer unbekannten (an Fiecktyphas erinnernden) Krankheit 

in der Mandscharei. Horiachi (Oshida). 101 

El*Tor Vibrionen. Prof. Dr. Neufeld a. Dr. Haendel (Bost) . . . 225 
Agglutinierende Wirkung des Serams bei Immonisiemng gegen Pest. 

Dr. A. Franchetti (Solbrig).813 

Die Cholera in Petersburg. Major z. D. G o eb e 1 (Solbrig). \ . . . 313 

Cholera* und Pseadocholeravibrionen in Austern und Miesmuscheln. 0. 

Bemlinger und Osman Nonri (Mayer) ......... 618 

Die Pest in Zanzibar 1907. Dr. Friedrichsen (Dohrn).589 

c. Pocken, Impfung. 

SabkutaneVakzineinjektionen. Dr. W.Knoepfelmacher (Kurpjuweit) 96 
Protahierte Inkubationszeit bei Vakzine. Dr. Simon (Waibei) ... 96 

Subkutane Vakzineinjektionen. Dr. Knoopfelmacher (Wolf) . . . 813 

Vaccination against Plague. Prof. Dr. Strong (Dohrn).554 

Ekzema vaccinicum. Dr. Paul Schenk (Hoffmann).554 

Varizellen bei Erwachsenen. Dr. Tripold (Bpd.).723 

Za welcher Jahreszeit sollen wir impfen? Dr. Walther Kampe (Solbrig) 847 

d. Typhus, Paratyphas. 

Wachstum des Bacterium typhosum and des Vibrio cbolerae in Abfall* 

stoffen. Gerda Trnili*Peterson (Lentz). 97 

Bacteriam coli commune als Sepsiserreger. Dr.Ernst Kremker (Waibei) 97 
Typhasdiagnose dureh Blatuntersuchang Dr. Bainer Mttller und Dr. 

Heinr. Gräf (Lentz). 97 

Untersachung des Blutes auf TyphusbaziUen und Agglatination. Wolf* 

gang Veil (Liebetrau) . 98 

Typhasdiagnose mittels Bazillenemulsion and Fickerschen Diagnosticums. 

Dr. P. Schrumpf (Waibei). 9S 

Typhusbakteriämie u. Agglutinationsrcrmögen. Dr.V.B. Stüh lern (Lentz) 98 
Beobachtangen bei Abdominaltyphus. Dr. G. Benecke (Wolt) ... 99 
Wann steckt der Typhuskranke an? Dr. H. Conrad! (Liebetrau). . 99 
Bakteriologie des Typhus in Beziehung zur Prophylaxe. Dr. William Q. 

Sa vage (Mayor). 99 

Verbreitung des Typhus durch Bazillenträger. Dr. Kossel (Liebetrau) 100 
Typhosbazilientrager und •Schatzimpfang aaf dem Kriegsschiff „Iwate“. 

Momose (Oshida) . i . . ... 100 

Bazillenträger und Disposition. Prof. Dr. E. Levy und Oberstabsarzt 

Dr. Wieber (Lentz)... . 101 

Fleischvergiftung durch Paratyphus. Dr. Albert Fromme (Lentz) . 101 

Diagnose and Verlauf des Paratyphas. S. M. Poggenpohl (Hirschbrueb) 102 





























Inhalt 


xni 

Seite. 

Bakteriologbche Dingnos« des Typhös. Dr. Frits Moyer (Lohmet) 814 
TjphosfSUe mit geiii^er nnd fehlender Agglutination. Dr. H. y. H061in 

(Lohmer).814 

Beobachtungen beim Abdominaltyphus. Dr. H. Bennecke (Lohmer) . 815 

Koffein-Anreicherungsyerfshren snm Nachweise yon Typbusbakteiien. 

Dr. C. Loben an (Kurpjaweit).315 

Malachit grttnpräparato als Näbrbodensnsatz bei Untersuchung yon Typhus- 

Stühlen. Dr. F. Vial (Kurpjuweit).816 

Wert der Oallenbintknltnr neben der Qruber-Widalschen Beaktion. 

Dr. Venema (Kurpjuweit).316 

Nachweis der Typhnsbasillcn mittels der Gallenanreichernng. Dr. £. 

Gildemeister (Kurpjuweit).317 

Cholecystitis parstypbosa. Dr. Lorey (Waibel).318 

Bazillenträger bei Typhus. Prof. Dr. Förster (Hecker).318 

TyphnsbazUienträger in Irrenanstalten. Dr. Grimme (Waibel) ... 319 

T^husirage in München. H. Mandelbaam (Waibel).320 

Stwnng des Paratyphns in der lyphnsgruppe. Dr. Jürgens (Blnber) 821 
Paratypbus nnd NahmngsmitteliniektJonen. Dr. Kutscher (Bänber) 821 
Typbusdiagnose mit Bintaussaat auf Ghdlenagar. Dr. Stefansky (Bpd.) 515 
Cholangitis und Cholecystitis typbosa bei einer Basillentrigerin. Dr. 

Max Schüller (Kurpjuweit).515 

Typhnsbazillen in der Zerebrotipmalflflssigkeit. Dr. A. Nieter (Waibel) 516 
Verspiteter Eintritt der Agglutination nnd abnorm lange Bakteriämie. 

Charlotte Müller (Bpd.).516 

Typhnsbazillmi im Blute nicht Typbnskranker. Prof. Dr. 0. Busse (Waibel) 516 
Misebinfektionen bei Typhus abdominalis. Dr. F. Port (Liebetran). . 517 

Zur Metatyphnsfrage. Dr. Nieter (Waibel).517 

Eine bakteriologisch interessante Eigeiuehaft des Lezithins. Dr. B. 

Bass enge (Liebetran).*.517 

Sehadenersatspflicht bei Typhus nach Eintritt yon Abwässern in die 

Wasserleitung (Mayer). «... 618 

Paratyphosepidemie beim Feld-Art.-Be^. Nr. 75. Dr. Baehr (Kurpjuweit) 589 
Mischinfektion mit Typhus n. Paratypbu. J. K. Beckers (Kurpjuweit) 590 
Diagnostischer Wert der Ophthalmoreaktion. Dr. Osc. 0 r s z ä g (Liebetran) 591 

Ophthalmoreaktion. Dr. Amatore Moroni (Waibel).591 

Wert der Gallenblntknltnr in der Diagnostik. Dr. Bnchholz (Bpd.) . 703 

Herabsetzung der Agglntinierbarkeit beim Typhnsbacillus. Dr. Hirsch• 

brnch (Bpd.) ..703 

Bazillenträger und l^phnsyerbreitung. Dr. Baumann (Bpd.) . . . 704 

Die Greiser Typhusepidemle. Dr. Schenbe (Bpd.).704 

Epidemiologische Beobachtungen bei Typhus und Paratyphns. Dr. Otto 

Mayer (Waibel).706 

Vorkommen der Paratyphus-Bijtterien in der Außenwelt. Dr. Hüben er 

(Liebetran). 706 

Verbreitung der Paratyphnsgmppe. Dr. Bimpan (Liebetran) . . . 706 
Klinik nnd Bakteriologe des Paratypbus. Dr. Wolf Bingel (Waibel) 706 

Bakteriämie bei Typhus. Dr. 8. A. Silberberg (Wolf).883 

Immnnisation durch Injektion yon Typhnsbazillen. Prof. P. iPessaiio 

und 'Dr. C. Qnadrone (Wolf).883 

e. Bückfallfieber. 

Die Bekurrensspirochaeten nnd ihre Immnnsera. Dr. Mantenfel (Bost) 225 
Die enropäisehen, amerikanischen u. afrikanischen Beknrrenzspirochaeten 

Dr. phil. 0. Schellack (Bost) . .226 

Die Bückfalliyphns-Epidemie in Kiew. Dr. Babinowitsch (Bänber) 314 

f. Bnhr^ Dysenterie. 

Bohrepidemie in St. Johann • Saarbrücken. Dr. Otto L e n t z (Autoreferat) 29 

Die AmBben-Enteritis nnd ihre Beziehnngen zur Dysenterie. Dr. Jür¬ 
gens (Wolf) . ..313 

Die Bohr in Tsingtau 1906—1908. Dr« Trembnr (Dohm). .... 589 

Toxin nnd Antitoän der Dysenteriebasillen. Dr. Scnottelius (Bpd.) 725 

Differenzierung der Buhrburterien. Dr. Haendel (Bpd.).^5 

Paradysenterie. Dr. Knoepfelmacher (Bpd.) ..726 

¥Üii TlwMAnf Arfff •*RM9ri1lAiif.TftarAr Dr irftutAi* ^Wft.fbAtV 726 





























XIV Inhalt. 


Seit«. 

g. Diphtherie, Scharlach, Masern, Böteln. 

Diphtherie als Volkssenche. Dr. Ed. Btt sing (Hirschbrucb) .... 823 

Diphtheriebazillen auf Lakmns'Natrose'N&brbödent Dr. Thiel<Enrpjaweit) 328 
Eigelboähfböden fOr Diphtherie- and Taberkelbazillen. C. Labenaa 

(Karpjaweit).•.324 

Pyocyanosebehandiong der Diphtherie. Dr. Bich. Mühsam (Liebetraa) 5l8 

Marpmanns Scbarlachsemm. Prof. Monti (Karpjaweit).519 

Bhinitis chron. atrophi a. Diphtherie. Verwendbarkeit der Pyocyanose 

bei Ozaena. Dr. Wolf (Bpd.).726 

Ein diphtherie&hnlkher Bacillns. Dr. F .Ditthorn a. Dr. A. Laerfien 

(WolO.883 

h. Epidemische Genickstarre. 

Meningokokken-l^ermatocistitis. Dr L. Pick (Bäaber).103 

Bedeatang der &tchenerkrankang bei Genickstarre. Dr. Westen- 

hoeffer (Bäaber).103 

Ueber das Wesen asw. der Genickstarre. Dr. Weidanz (Kraemer) . 104 

Prophylaxe der ttbertragbaren (Genickstarre. Dr. Brammand (Dohrn) 104 
Sporadische MeningitM cerebrospbalis. Dr. Eölker (Bäaber) . . . 104 

Eifahrangen mit dem Meningokokken-Heilserom. Prof. Dr. A. Wasser- 

maon (Liebetraa). 104 

Agglatiaationsphänomen bd Genickstarre. Dr. Fr. Ditthorn n. Dr. 

W. Schnitz (Karpjaweit).812 

Erfahraagen mit Meningitis cerebiospinaUs bei Kindern. San.-Bat Dr. 

Casse'l (Liebetraa) 812 

Der Wert der Lambalponktion. Prof. Dr. t. Bokay (Liebetraa) . . 312 

Erfahrangen mit Meningokokkenserom. Dr. Werner Schulz (Bäaber) 812 
Schwierigkeiten der Diagnose. Dr. L. F. Dmitrenko (Karpjaweit) . 452 

Erfahrangen mit Koile^Wassermannachem Meningokokkenserom. Dr. 

F. Lery (Liebetraa).453 

Meningitis cerebrospinalis im höheren Lebensalter. Dr. Herrn. Schle¬ 
singer (Karpjaweit) ‘.453 

Behandlang mit Meningokokkenheilseram. Dr. V. Arnold (Wolf). . 554 

Therapie der Genickstarre. Dr. W. Arnold (Woli) ..... . . 554 

Wirkangsweise and Wertbestimmong des Genickstarreserams. Prof. Dr. 

iTeafeid (Bpi.).723 

Komplikationen and Seramtherapio bei Meningitis cerebrospinalis. Dr. 

Stephani Weiß-Eder (Bpd.) . , 724 

üeber Carebröspinalmeningitis. Dr. Leo'Cohn (Bpd.).724 

i. Wochenbettfie-ber. 

Kindbettfieber and dessen Anzeigepfiicht. Otto y. Her ff (Waibel) . . 322 

Infektion von.Matter aof Kind im Wochenbett. . Dr. Mayer (Bpd.) 555 

Die Anzeigepflicht beim Kindbetifieber. Dr. Veit (Bpd.).555 

k. Taberkalose.- > 

Gefäßstreifen — Erkennnngsmittel der Schwindsacht. Dr. Karl Francke 28 

(Waibel). 23 

Wachstam des Badllas bei niederen Wärmegraden. C. Fraenckel 

(Karpjaweit).105 

Wirkung des Formaldehyds ahl fiehBacillas asw. Prot G. Martinotti 

(Lentz).•.105 

Stand der Taberkaloseforscbang. Lydia Babinowitsch (Korpjaweit) 105 
Bedeatang der Atmangsorgane and des Verdaaongstraktns Ittr die 

Taberkoloseinfektion. B. Pfeiffer o. £. Friedberger (Liebetraa) lOß 

Planmäßige Taberkalosebekämpfhng. Prof. Dr. Petraschky (Wolf). 106 

Ophthalmoreaktion der Taberkalose. Dr. Wiens and Oberarzt Günther 

(Waibel). 107 

Bedeatang der Ophthalmoreaktion. Dr. C. Klineberger (Waibel) 107 

Haut- and Ophthalmoreaktion aaf Taberkalin. Dr. Carlos Mainlni 

(Waibel). 107 

Heilstätten oder Inyalidenheime für Taberkalose?. Beg.*Bat Biele* 

leid (Dohrn). 108 

Taberkalose and Syphilis in Nordafrika. Dr. Boigey (Dohrn) . . . 108 
Pleomorphie des Taberi:s!bacillas. Dr. A. B. Welsmayr (Lohmer) . 325 



























Ttthalt XV 

Beite. 

WirkoHg der TaberkelbeiUlen ron der lUTerletsken Heut eoa. Prot 

C. Freeskel (Earpjawdt).825 

Geseee der taberkolOseii LangeDphthise. Dr. Carl Hart (Llebetras) . 826 

Endometritis decidualis tnbercolosa. P. Sebrnmpl (Merkel) .... 326 

Laesioo der Nebenieren bei Tabeikalose. V. Babes (Mayer) .... 826 

Neae Methode der Haatreaktioo. B. Lautier (Mayer).326 

Die kutane Taberkuliuprobe im Kindesalter. Prof.Dr.K Fe er (Weibel) 827 

Ueber Ophthalmoreaktion. A. Woll-Eisner (Waibel).827 

Wert der Ophthalmoreaktion für die Diagnose. Dr. Blum und Medi- 

disinalpraktikant Schlippe (Waibel).828 

Empfindlichkeit gegen die Ophthalmoreaktion lange Zeit nach Entfer¬ 
nung tuberkuiSeer Herde. O. Btienue (Mayer).828 

Absorption des Tuberkulins vom Maatdarm aus. A. Calmette und 

M. Breton (Mayer).* . . . 829 

Tuberkulose im S&ugiingsaiter. Dr. Sebach (Waibel).829 

Behandlung Ton Tuberkuldsen in den Kranks^iuaern. Prof. Dr. O. 

Hoppe-Seyler (Liebetran).829 

Bekimpfung der Tuberkulose. Dr. F. Jessen (Waibel).880 

Obligatoris^e Anseigepflicht der Schwindsucht in Sidney. W. O. Arm¬ 
strong (Mayer).380 

Das TuberkuUn in der Hand des praktischen Arztes. Dr. H. Weioker 

(Kurpjuweit).449 

Dosierung bes Alt-Tuberkulins zu diagnostischen Zwecken. Dr. LOwen- 

stein (ELlare).449 

Frühzeitige Diagnose der Tuberkulose und die Ophthalmoreaktion. Dr. 

Qlovanni Cocci (Kurpjuweit).450 

Ophthalmoreaktion nach Calmette bei Kindern. Dr. Bayaerd (Lohmer) 451 
KonjanktiTalreaktion und Salbenrektion. Dr. H. Hei ne mann (Waibel) 452 
Wert und Oelahren der OpUthalmoreaktion. Dr. A. Siegrist (Klare) 452 
Stellung des Augenarztes zur Ophthalmoreaktion. Dr. P. Schultz- 

Zehden (Klare).452 

Qleiehzeitig angestellte kutane, konjonktiVale und subkutane Tuber- 

knlinreaktionen. Dr. Boepke (Bpd.).591 

Ophthalmoreaktion und Allergieprobe. Dr. Hammerschmidt (Bpd.) 592 
Opbthalmosytodiagnose, Dr. Dietschy (Waibel) 592 

Ophthalmoreaktion in Beziehung zum Sektlonnergebnis und zur Tuber- 

kulininjektion. Dr. Q. Fehsenfeid (Waibel).598 

Die kutane Tuberkulinimpfung bdi Kinderh. Dr. Morgenr oth (Waibel) 598 

Die angeblichen Gefahren der Konjnnktiralreaktionen. Dr. Teich¬ 
mann (Bpd.). ..-.593 

Ist die konjunktirale Tnberknlinreaktion ungef&hrlich ? Dr. Max QOr- 

llch (Waibel).594 

Die Tuberkulose im schulpflichtigen Alter. Dr. Ascher (Kurpjuweit) 594 

Bekimpfung der Tuberkulose auf dem Lande. Dr. Hillenberg (Dohrn) 595 
Heilstittenbehandlung. Dr. A. Frankenburger (Waibel) .... 595 

Bedeutung der Kontaktinfektion bei Tubeik^ose. Dr. Ostermann 

(Autoreferat).848 

Infektion beim Genoß yon Milch perlsflchtiger Kühe. Dr. Oster¬ 
mann (Autoreferat).848 

Beziehnngen zwischen Siuglingsemihrung und Tuberkulose. Dr. Bruno 

Heymann (Ostermann). 849 

Disposition der Longe zur Erkrankung an Tuberkulose. Dr. Oettinger 

(Ostermann).849 

Infektion durch Inhalation yon Sputnmstaub. Dr. Kffhlisch (Ostermann) 849 

Aufnahme inhalierter Tuberkelbazülen in die Lunge. Dr. Hey mann 

(Ostermann).850 

Schicksal inhalierter Schimmelpilz^orCn.’ Dr. Ballin (O^itermann) . . 850 

Durehgingigkeit des Darmes fttr TobetkelbazUlen. Dr. Beichenbah 

und Dr. Bock (Ostermann).850 

Verhalten des Kaninchens gegenüber den yerschiedenen Infektionswegen. 

Dr. Alexander (Ostermann). 

Eintrlttswege der Tuberkulose. Dr. Eeichenbach (Ostermann) . . 851 

TuberkelbaiUlen in der Milch tuberkulöser Tiere. Dr. A.de Jong (Lents) Sol 




























XVI 


Inhalt. 


SeiU. 

Kutane TaberkuUnreaktion bei Säuglingen. Dt. Ellenbeck (Epd.) 861 
Wert der BOntgendiagnoetik der Frflhtuberkalose der Lungen. Prof. 

Dr. Krause (Bpd.).862 

Röntgenverfahren und Diagnostik der Tuberkulose. A. Kjritz (Wolf) 862 

Konjunktiralreaktion. Dr. G. Lttdke (Wolf).. . 8.63 

Ophthalmoreaktion. Dr. Wiens und Dr. Günther (Waibel) . . . 853 

Gefährliche Fol^n der Ophthalmoreaktion. Dr. Schrumpf (Waibel). 863 

Bedeutung der Konjunktiralreaktion. Dr. A. Wolf-Eisner (Waibel) 868 
Primäre Darmtuberkulose bei Erwachsenen. Prof. Dr. B. Fischer (Widbel) 864 
Tuberkulose - Immunblut (I.-K.)*Behandlnog. Dr. Carl Spengler (Budloff) 864 
Harmoreks Antituberkuloseserum. Dr. Damanskyu. Dr. Hilenko(Bpd.) 865 
Operative Beeinflussung einseitiger Lungenphthise. Prof. Dr. P. L. 

Friedrich (Wolf).855 

Kampf gegen die Tuberkulose. Unterbringung Schwerkranker. Dr. 

Bumpf (^d.).855 

Bekämpfung der ^berkuiose und Fürsorge für Phthisiker. Prof. Dr. 

Martin Kirchner (Dohrn).. 856 

Bekämpfung der Tuberkulose im Kreise Neustadt a. Bbge. Dr. D o h r n (Wolf) 866 

Kontrolle der Lungenschwindsucht in Schottland (Mayer).858 

Anzeigepflicht für Tuberkulose in England. G. F. Mc. üleary (Mayer) 858 
Kritische Untersuchung der Sputumgläser. Dr. Busch (Bpd.) . . . 859 

L Syphilis, Prostitution. 

Beweglichkeit und Agglutination der Spirochaete pallida. Dr. Zabo« 

lotny und Dr. Maslakowetz (Lentz). 27 

Vitale Färbung der Spirochaete pallida. M. Handelbaum (Waibel). 27 

Atoxylrersuche bei Piroplasmose der Hunde. Dr. G. Gonder (Bost) . 228 

Untersuchungen über Dourine; Atoxylbehandlung. Prof. Dr. Uhlen* 

huth, Dr. Hübner und Dr. Woithe (Bost).228 

Präventive Wirkung des Atozyls. G. Uhlenhuth, E. Hoffmann 

und 0. Weida nz (Liebetran).828 

Atozyl bei Syphilis und Framboesie. Prof. Albert Neisser (Liebetran) 228 
Nagelpigmentation bei sekundärer Syphilis. Hans Voerner (Waibel). 229 
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in Oesterreich. Dr. L. Sofer 

(Dohm).229 

Ist eine Gonorrhoekontrolle mOgUchP Dr. Magnus Möller (Dohrn) . 830 

Sexuelle Prophylaxe beim Heer im 17. Jahrhundert. Dr. Frhr. v. Nott- 

haft (Dohrn).331 

Gesindeordnnng und Geschlechtskrankheiten. Dr. Springer (Dohm) 381 
Die Häufigkeit und Prophylaxe der Syphilis. A. Renault (Dohm) . 381 

Spirochaete pallida und Cytorrhyktus luis. Dr. Jancke. Bemerkungen 

dazu. Dr. C. T. Neeggerath (Klare).376 

Häuflgkeit der Geschlechtskrankheiten. Dr. Dohrn (Wolf) .... 376 

Dianose der Syphilis. Dr. Naegeli und Dr. Vernier (Qare) . . 663 

Sinu SyphiUs und Framboesie verschiedene Krankheiten? Prof. Dr. 

A. Neisser (Dohrn).554 

Scharlach und Serodiagnostik auf Syphilis. Dr. Meier (Bpd.) . . . 727 

Bedeutung der Serodiagnostik für die Praxis. Dr. Blaschko (Bpd.). 727 

Bedeutung der Serodiagnostik für den Praktiker. Dr. Goldstein (Bpd.) 728 

Der serologische Luesnachweis. Dr. Hinrichs (Bpd.).728 

Prostitution und Staat. 0. Münstermann (Bpd.).728 

Geschlechtskrankheiten und Heilschwindel. Dr. K. Alexander (^d.) 729 

Serodiagnostik der Syphilis. Prof. Dr. F. Ballner und Dr. A. v. De* 

castello (Wolf).883 

Ueber die sexuelie Verantwortlichkeit. Prof. K. Tonton (Dohm) . . 884 

Verbreitung der Geschlechtskrankheiten an den Mittelschulen. Dr. Hugo 

Hecht (Dohm). 884 

Prostitntionspolitik und SittenpolizeL Dr. Güth (Dohm).884 

Animierkneipenwesen in Frankfurt a. M. Dr. Th. Baer (Dohm). . 885 

Ueber Animierkneipen. Münsterberg (Dohm). 885 

Kampf gegen die Animierkneipen. Marie Eggers-Schmidt (Dohm) 885 

m. Granulöse. 

Trachom und seine Behandlung. Dr. Pick (Klare) 3S2 























Inhalt. XVII 

Salt«. 

Der erste Trachomkongrefl ln Palermo. Prof. B. Greef nnd Dr. 

Claaeen ^ohm).882 

Bekimplong der Granulöse. Dr. Cohn (Bpd.).847 

n. Malaria und Tropenkrankheiten. 

Malaria im nördlichen Jeverlande. Dr. H. Weydemann (Lentz) . . 80 

Aetiologie der Tsatsnganmshikrankheit Prof. M. Ogata und Dr. 

S. Ishiwara (Liebetran). 30 

Ankylostoma und andere Darmparasiten der Kameronneger. Dr. Efllz 

(Dohm).229 

Erfolge der Abtreibangskoren bei Ankylostomiasis. Dr. Dieminger 

(Dohm).280 

Sehlangengiftschatzsemm. Dr. M. Krause (Dohrn).286 

Malariabekämpfnng in den deutschen Kolonien und der Marine. Prof. 

Dr. Besold Buge (Dohm).286 

Malariaprophylaxe in unkultiTierten Gegenden. Prol Dr. Ziemann 

(Lohmer).287 

Bilharxiosis in Deutsch •Ostafrika. Dr. C. Mense (Dohrn).287 

Aetiologie der Schlafkrankheit Dr. Kudicke (Doora).287 

Erzeugung eines fttr den Europäer günstigeren Klimas der Wohn* nnd 

Arbeitsränme in den Tr^en. Dr. C. E. Banke (Dohm) . . . 287 

Schulen fttr Tropenmedizin in England. Dr. Clans 8 chilling (Dohm) 288 
Die Bekämpfung der Malaria in Oesterreich. Dr. L. Sofer (Wolf). . 882 
Behandlung der Schlafkrankheit. F. Mesnil und M. Nicolle 

(Hirschbruch).888 

Ancbylostomiasis. Dr. Calogero (Solbrig).520 

Semmbehandlnng der Schlangenbisse. Dr. KOrbel (Knrpjuweit) . . 621 

Malaria ohne Parasitenbefund nnd Parasitenbefnnd ohne Malaria. Dr. 

Kttls (Dohm).688 

Wesen der Beriberikrankheit Dr. F. Tsuzuki (Dohrn).688 

Atozylfestigkeit der Trypanosomen. A. Breinl nnd M. Nierenstein 

(Liebetran).626 

Wirkungsweise des Atoxyls bei Trypanosomiasis. C. Leyaditi nnd 

T. Tamanonchi (Mayer).626 

Die Bekämpfung der Malaria in Italien (Bpd.).729 

Prophylaxe der Beriberi. Dr. H. Sünder (Dohm).886 

VolKskrankheiten in Kamerun. Dr. Kttlz (Dohm).886 

Ueber das Sommerfieber. Dr. Mennella (Dohrn).887 

0 . Zoonosen (Tollwut, Milzbrand, Botz pp.). 

Besiatena gegen Milsbrand. Max Gruber n. Kenzo Futaki (Liebetran) 80 
Jahresbericht der Wntschntzabteiinng des Lutituts fttr Infektionskrank« 

heiten. Dr. H. TSpfer (Dohm).809 

Jahresbericht der Wntschutzabtcunng am Hygienischen Institut Breslan. 

Dr. Ostermann (Dohrn).810 

Wntschntzimpfungyon der PeritenealhShle ans. Dr. Bemlinger (Mayer) 310 
Zum biologischen Studium des MUzbrandbacillns. Nonnote n. Sar> 

tory (Mayer).311 

Schweinerotlauf beim Menschen nnd dessen Heilung durch Schweinerot- 

laubernm. Dr. A. Wetzel (Waibel).811 

p. Sonstige Krankheiten. 

UlzetOse Hantaffektion, yemrsacbt durch den Bacillns pyocyanens. Dr. 

Felix Lewandowsky (Waibel). 28 

Infiuenzasepsis. Dr. Saathofl (Waibel). 28 

Infinenzabazillen im Bronchialbanm. Dr. Friedr. Wohlwill (Waibel) 824 
Sklerom, Vorkommen nnd Behandlung. Prof. Dr. Gerber (Klare) . . 876 

Blinddarmentzttndnng in Preußen. 876 

Juckepidemie, beding durch Leptns antnmnalis. Dr. Frh. y. Notthaft 

(Waibel).619 

Tmehocephali^e Enteritis. Dr. Ch. Garise (Knrpjuweit) .... 620 

Influenza Encephalitis. Prof. Dr. Berger (Bpd.).689 

q. Desinfektion. 

Thoms .Ptyoohason“. Dr. Artur Lissaner (Liebetran).280 

































xvm 


Inhalt. 


Saite. 

Para-Lysol. Dr. Nieter (Karpjaweit).230 

OniTersal-Dampfdesinfektionsapparat. Dr. Christian (Knrpjnweit) 230 

Desinfektion durch Wasserdämpfe nnd floohtige Desinfektionsmittel bei 

erniedrigtem Druck. Dr. Christian (Snrpjuweit).281 

Leistungsfähigkeit einiger neuen Desinfektionsarten. Dr. Christian 

(Kraemer).232 

Verwendung alter Aetzkalkpräparate. Prof. Dr. t. Esma r ch (Kurpjaweit) 232 
Die festen Polymeren des Formaldehyds. Dr. Fr. Auerbach und 

Dr. H. Barschall (Bost).233 

Schrankdesinfektionen mit Formaldebyd. Dr. Hilgermann und Dr. 

Eirchgässer (Dobrn).* . . 233 

Desinfektionsrersuche mit Antan. Dr. ln gelfinger (Dohrs) . . . 233 
Prüfung des Antan. Prof. Dr. 0. Frank (Dohrn) ........ 233 

DesinfektionsTersucbe mit Antan. Prof Dr. Proskaner und Dr. phii. 

Hans Schneider (Dohrn).234 

Formaldebyddesinfektion mit Autan. Dr. Eirchgässer nnd Dr. Hil¬ 
germann (Dohrn).234 

Desinfektionswirkung des Antans. Dr. F. Bock (Dohm).234 

Wirkung von Tbymoi nnd Tannothymol; Verhalten einiger Substanzen 

zur Scbwefelwasserstoffsildnng. Dr. Herrn. Hildebrandt (Elare) 378 

Lysol und Eresolseife. Prof. Dr. H. Schottelius (Waibel) .... 378 

Zur Händedesinfektion. Dr. Lenzmann (Wolf).379 

Untersuchungen über „Festoform". Dr. E. Walter (Daske) .... 379 

Händedesinfektion mit Chirosoter. Dr. 0. Becker (Waibel) .... 411 

Händedesinfektion nur mit Alkohol. Dr. Schum bürg (Liebetran). . 411 

DesinfektionsTermOgen des Autans. B. Oalli (Elare).412 

Verbesserung der Hantdesinfeklion. Dr. H. 7. Brunn (Waibel). . . 556 
Formaldehyddampfdesinfektion. Prof. Dr. O. Bischoff (Wolf) . . . 556 
Baumdesinfektion mit dem neuen Autanpräparat. Dr. Fr omme (Wolf) 557 

Zur Autanfrage. Dr. Christian (Enrpjuweit).557 

Antan in der Desinfektionsprazis. Dr. Langermann (Enrpjuweit) 557 

Amandesinfektion. Dr. Selter (Enrpjuweit). 558 

Bakterizide Wirkung des Glyzerins. Prof. Dr. E. Levy und Dr. E. 

E renk er (Enrpjuweit).. . 626 

Bakterizide Wirkung des Hygienols. Dr. 0. Biasius (Eurpjnweit) 627 
Desinfektionswert der drei Eresol-lsomeren. Dr. H. Schneider (Bpd.) 627 
Desinfektion der Hände nnd Bant mittels Jodtetrachlorkohlenstoff und 

Dermagnmmit. Dr. Wederbake (Bpd.).627 

Desbfektion mit Autan. Dr. A. Lleoy Morera (Döli).628 

Zwei einfache Desinfektionsyerfahren durch Formaldebyd. Dr. Fi6döric 

Eilliet (DöU).628 

Earbolaänretabletten. Dr. F. Croner u. Dr. G. Schindler (Wolf) . 732 

Zwei neue Formaldebydseifenpriparate. Dr. E. Seligmann (Wolf) . 732 

Des HeiBluftzimmer, ein TrockenstetUisator. Dr. 0. B. y. Wunsch¬ 
heim (WoU).732 

Zur Sterilisation yon Gummihandschuhen. Dr. A. Fiefiler und Dr. 

Iwase (Waibel).732 

Jahresbericht der Desinfektionsgenossenschaft der Gemeinden Dieden- 

hofen Ost. Dr. Gifi (Hecker). 732 

Desinfektionswert des Hygienols. Dr. Wolf (Lentz).887 

Desinfektion mit Formalin auf kaltem Wege. Dr. B. Dörr nnd Dr. H. 

Banbitschek (Lentz).887 

Wohnnngsdesinfektion mit Formaldebyd ohne Apparate. Dr. LOsener 

(Wolf).887 

ft. Wohniuigahyglene, Heisang, Ltlftaiig. 

B^gienische Untersuchung der japanischen Hanswand. C. Yokote 

(Oshida).235 

Eanalisation in der Stadt Tokio (Oshida).235 

Ventilatoren mit Branseyorrichtung. Dr. Debelmesser (Enrpjuweit) 237 

Fugenlose FnfibOden. Stadtbanrat Peters (Liebetran).341 

Trodienstellnng der Eleinwobnnngen. Prof. H. Chr. Nnßbaum (Wolf) 880 
Bauordnungen nnd Wohnnngsrefoim. Heg. - Assessor Becbtel (Wolf) 380 






























Inhalt. 


Mitialbare Gaahelsiug. Oberingenienr F. Sohaefer (Wolf) . . . . 
Maßnahmen gegen Banchsohiden. Prof. O. Wislieenns (Wolf) . . 
Die Baacbplage in den Großstädten. Prof. Dr. Bahner (Kypke* 

Bnrchardi). 

QaantitatiTe Stanb* and Baßbestimmang. Prof. Dr. M. Hahn (Wolf) . 

Laftreinigang darch Oson. Dr. O. Erlwein (Wolf). 

Schatz der Schornsteine gegen die Witterang. Prof. Naßbaam (Wolf) 
Aufgaben der Gemeinden bei Aasgestaitong des Bebaangsplanes. Bei* 

geordneter Schilling (Liebetraa). 

Einfloß schlechter Wobnnngen aaf die Gesandbeit. Dr. F. Lebram (Wolf) 
Slanbzersetzang auf Heizkörpern. Prof. Dr. Ohr. Naß baam (Wolf) . 
Die WohnongsTOrhältnisse in Frankreich. Dr. Jaqaes Bertilion (Dohrn) 

Die Bowton Hoases in London. G. Albrecht (Wolf). 

Gartenstadt and Gesundheit. Dr. A. Fischer (Wolf). 

Grandsätze Aber die Bebaubarkeit des Grand and Bodens. Prof. Ewald 

Genzmer (Liebetraa). 

Die Genehmigung ron Eotwttrfen fhr Stadtgesondheitswerke. Prirat- 

dozent Max Kn an ff (Liebetraa) . 

Wohnangsmangel und Eleinwohnangsbau. Dr. A. Fischer (Wolf) 
Schlafborschenonwesen und Ledigenheime. Dr. Wandel (Bpd.) . . . 
Zentrale Ent- and Belttftong bei Niederdrackdampfhelzang. Ingenieur 

E. Bitt (Wolf). 

Heizung and LUftang ron Bestaarationen. Ingenieur G. Bo ose (Wolf) 

Die Gartenstadt-Bewegung. F. E. Fremantle (Marer). 

Zentralheizang oder BinzeUieizang. Prof. Dr. E. Wolf (Wolf) . . . 
Zeratörongsfähigkeit lufthaltigen Wassers in Zentralheizungen. P. Ta- 

kasa (Wolf). . 

8. WMaerTersorgong. 

Der Trinkspringbronnen. Dr. Steinhaus (Solbrig). 

üeber TrinKwasser. Dr. Otto Leers (Bamp). 

Beobacbtongen an einer Wasserleitong. Dr. Kißkalt ^arpjaweit) . 
Zorn Nachweis des Bacteriam coU. Dr. J. Thomann (Karpjaweit) 
Löslichkeit ron Bleirerblndangen in Wasser. Dr. H. Pleißner (^st) 
Basche Entbrionong and Enteisenung ron Gmndwasser. Prof. Bernhard 

Fischer (Eurpjaweit). 

Bedeatang des (lebraachswassers fttr die Eatstehang ron Infektions¬ 
krankheiten. Dr. Hillenberg (Wolf). 

Zar Enthirtang des Wassers. Dr. Elut (Kraemer). 

Wasserrersorgong and Entwässerung der Gemeinden. Ziril-Ingeniear 

Geißler (Wolf). 

Zinkhaltige Trinkwässer. A. Brttnig (SymansU). 

Ueber ein zinkhaltiges Trinkwasser. F. Schwarz (Symanski) . . . 

Enteisenong des Wassers. G. Oesten (Wolf). 

üeber Bäckhaltebecken. Dr. ing. Tb. Hejd (Wolf) . . . . ‘ . . 
Gefährliche Anordnung des üeberlHufrohres. Ing. H. Goodson (Wolf) 

Eine neae Taachelektrode. Dr. Pleißner (Bpd.). 

Trinkwasserrersorgang der Städte. Prof. W. Hempel (Wolf) . . . 
Beinigang des Tr^kwassers ron Hangan. Dr. G. Noll (Wolf) . . . 
Schwankungen der Grandwasserstände. Cbr. Hezger (Wolf). . . . 
Sehwanknngen der Grandwasserstände and QaellenaasflOsse. Chr. Mezger 

(Wolf). 

Saaierang des Breslauer Grandwasserwerkes. Dr. Ltihrig (Wolf) . . 
4. Beseitigung der AbfAUstofre, Abwässer 
(MAllbeseitigang, Kanalisation, Beinhaltong der Flösse). 


Kanalisation der Stadt Tokio (Oahida). 

SchlammrerzehruDg. Dr. W. Farre (Wolf). 

Verwertang des Klärschlamms (Wolf). 

Einleitung ron Abwässern in Gewässer. Dr. Haller (Wolf) 

Beinigang der Abwässer. A. Beich (Wolf). 

Torßtpissoirs. Dr. Peters (Earpjuweit). 

Mailbeseitigung. Dr. Thlesing (Wolf). 




XIK 

Saite. 

881 

881 

881 

883 

476 

476 

558 

559 
559 
629 
629 
629 

629 

629 

733 

783 

784 

734 
888 
889 

839 


287 

238 

289 

889 

240 

240 

384 

884 

885 
479 

479 

480 
480 
630 
680 
784 

735 

736 

786 

889 


235 

285 

286 

236 
286 
286 

888 

ooc 
































XX 


Inhalt. 


Seite. 

Versnchsreinigiuigaanlage Dresden. Dr. ing. Ensch (Wolf) .... 885 

Erfolge der Abwasserklärong. Prof. Dr. Schmidtmann (Bpd.) . . 476 

Kadaververwortnng. Ing. P. Naumann (Wolf).479 

Abwässerbeseitignng in Kadaver •Verwertnngsanatalten. Prof. Dr. 

Thiesing (Bpd.).630 

Abwässer der Znckerraffinerie in Dessau. Prof. Dr. B u b n e r und Prof. 

Dr. V. Buchka (Bpd.).681 

Yernnreinigung durch gewerbliche Abwässer. Prof. Dr. v. Buchka und 

Prot Dr. Benk (Bpd.).682 

Mftllbeaeitignng. Prof. Dr. Thiesing (Wolf).682 

Kampf gegen die Stechmücken. Fr. Begensberg (Wolf).632 

Emscherbrnnnen. Oberingenieur Paul Korgefi (Wou).786 

Schlammbeseitigung ans Kläranlagen. Dr. mg. Kusch (Wolf) . . . 736 

Kanalisation von Landgemeinden, v. Boehmer (Wolf).889 

Maschinelle Abwasserreiniger. Dr. F. Jastrow (Idebetrau) .... 890 

MflUverbrennnngsversuche (Wolf).890 

6. NAhrtmg 8 mltteUi 7 glene. 

Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. Dr. Pros* 

kauer, Seligmann und Croner (Hirschbrnch). 33 

Alimentäre Vergiftungen. E. Sacqu[6p6e (Mayer). 88 

Verpflegung der römischen Soldaten in Deutschland. H. Dr agendorff 

(Symanski). 34 

Nachweis von Pferdefleisch. Dr. J. Fiehe (Symanski). 84 

Nachweis tierischer Fette in Gemischen. Dr. F. Polenske (Bost) .85 

Wein-Statistik 1905/1906 (Bost). 85 

Anforderungen an alkoholfreie Getränke. A. Beythien (Symanski) . 85 

Zur Frage des kleinsten Eiweißbedarfes. Prof. Dr. Förster (Waibel) 241 

Eindringen der Bakterien in Hühnereier. Dr. G. Menini (Solbrig). . 241 

Ichthyismus choleriformis. Dr. 0. Boepke (Wolf).241 

Neuere Konservierungsmittel für Fleisch. Dr. Doepner (Troeger) 242 

Die Fabrikation von Fleiscbkonserven. Dr. Wilh. D o i q u e t (Liebetrau) 243 
Fleischvergiftung und Widalsche Beaktion. Dr. H.Liefmann (Waibel) 480 
Ueberleben von pathogenen Bazillen in dem Brod nach dem Back- 

prozefl. J. Boussel (Fraenkel).481 

Biologische Milchdifferenziernng. Dr. J. Bauer (Waibel).481 

Verunreinigung der Milch durch Holz* u. ZinnteUe. Dr. F. Beiß (Symanski) 481 

Ziegenmilch und Ziegenbutter. K. Fischer (Symanski).482 

Schaf* und Ziegenbutter. B. E. Dons (Symanski).482 

Eier * Konservierung. Dr. Prall (SymansU).482 

Beurteilung des konservierten Eigelbs. A. Brüning (Symanski) . . 483 

Enrilo, ein EaffeeersatzmitteL L. Beitter (Symanski).483 

Zichorie. Dr. Heinrich Zeller (Solbrig).484 

Ueber alkoholfreie Getränke. 0. Mezger (Symanski).484 

Zichoriengenuß unschädlich? Dr. L. Horwitz (Autoreferat) .... 633 

Die Bewegung für reine Milch in den Vereinigten Staaten. Dr. Ernst 

Schulze (Eypke-Burchardi).633 

Untersuchung der in Montevideo eingeführten Milch. H. van de 

Venne (Speiser).634 

Vergiftungen durch Fleisch kranker Tiere. Dr. Mann (Bpd.). . . . 737 

Wurstzubereitung und Wurstvergiftung. William G. Sa vage (Solbrig) 737 
Dynamogener Wert des Zuckers. Dr. A. Casarlni (Dohrn) .... 78S 

Zichorie. Dr. H. Zellner (Solbrig).738 

Geheime Bleivergiftung (Wolf).788 

Nahrungsmittelhygiene in offenen Verkaufsstellen. Dr. Körner (Wolf) 891 

Fleischvergiftung. Dr. Bitterband (Wolf).891 

G^ahren der Verwendung von Essigessenz. Dr. L. Bleibtrcu (Waibel) 892 

6. (äeverbehyglene. 

Luftdruckerkrankungen. Dr. Klineberger (Kurpjuweit).288 

Gewerbliche Bldvergiftung. E. Mosny und Ch. Laubry (Solbrig) 289 

Arbeiterinnen der Blmbergwerke in Sardinien. Dr. GildoFr ongia (Solbrig) 290 
Gießfleber. Dr. Otto Graeve (Eraemer).291 


































Inhalt 


XXI 

Seite. 

Heratellang Ton Filz and ihre Gefahren. Joseph Espanet (Oohrn) . 291 

Einwixlnuig des berolsm&Blgen Telephonierens anf den Organismns. Dr. 

N. Bh. Blegrad (Badloff).292 

Professioneller Nystagmus. Dr. Q. Y. Giglioli (Solbrig).292 

EinfloB des Steinpalvers anf die Steinhaner. S. Sasakr(Oshida) . . 298 

Stigmata der Eopfiastttägerinnen in Kalabrien. Dr. Filippo Bepaoi 

(Solbrig).298 

Physiopathologie der Nachtarbeit. Dr. Ambrogio Mori (Solbrig) . . 294 

Arbeit und Buhe. Georg Hahn (Dohrn).296 

(Jntersachnngen Uber berufliche Arbeitsleistung. Prof. Dr. A. Imbert 

(Wolf).296 

Eänilaß der Berufsarbeit auf die Herzgröße. Dr. Schiefier (Lohmer) 660 
Blutrcränderungen bei den Seidenspinnerinnen. Dr. Vincenzo Correnti 

(Solbrig).660 

Statistik über Bleivergiftungen. Dr. W. Heubner (Klare) .... 661 

Stadien Aber den chronischen Phosphorismus. Prof. Dr. Casara Biondi 

(Solbrig).661 

Angenerkrankung durch kttnstliches DOngemittel. Dr. Maximilian 

Bondi (Waibel).662 

Augoierkrankung durch ktlnstliches Dttngemittel. Dr. B. Heßberg 

(Waibel).. 892 

Kraakheltsgefiüiren der Glashflttenarbelter. Dr. Klocke (Bpd.) . . 892 

Opfer des Leuchtgases und anderer Energletriger. Fr. Schäfer (Be> 

venstorO.898 

Die Hdmarbett in England. Dr. Francis J. Allan (Mayer) .... 898 

7. SAagllngspflege, HslteUndervesen. 

Heilung der Blenorrhoea neonatorum. Dr. Vinzenz Fukala (Waibel) 81 

MBchkttchen und Beratungsstellen. Prof. Salge (Wolf). 81 

Milch für kleine Kinder in Washington. Prof. Dr. G. Kober (Wolf) . 81 

Das Fttrsorgewesen fär Säuglinge. Dr. A. Szana (Wolf). 81 

Mutterschaftsversicherung. Dr. Alfons Fischer (Liebetrau) .... 32 

Frauenmilch und Kuhmilch in der Sänglingsemährung. Ferdinand 

Hueppe (Liebetrau). 82 

Einfluß der ^nährnng auf das Stillungsvermögen. Dr. Weißmann (Klare) 83 

Debergang von Arzneimitteln in die Frauenmilch. Dr. C. J. Bucara 

(Klare). 33 

Säuglingssterblichkeit in Bostock. Dr. B r tlnin g und Dr. B alck (Wolf) 83 
Säuglings - Milchkflchen in Hamburg. Dr. Sieveking (Thomalla) . . 248 

Unfähigkeit der Frauen, zu stillen. G. v. Bunge (Thomalla) . . . 248 

Einfluß der Ernährung auf die Milchsekretion. Prof. Dr. F i n k 1 e r (Solbrig) 244 

Mutterschaftsversicherung. Dr. Alfons Fischer (Dohrn).244 

Säuglingssterblichkeit in Mflnchen; Einfluß der Witterung darauf. Walter 

Fuerst (Liebetrau).246 

SäuglingsfUrsorge in Charlottenburg.412 

Sänglingsfürsorge in Weißenburg T B; Dr. Hans Doerfler (Waibel) 418 
Säuglingssterblichkeit und Kostkinderwesen in Mecklenburg. Dr. 

G. Brflning (Wolf).414 

Säuglingsfflrsorgestellen in Berlin. Dr. G. Tugendreich (Wolf) . . 414 

Pasteurisierung der Säuglingsmilch. Dr. A. Luerssen (Wolf) . . . 686 

Keflrmilch als Säuglingsnahrung. Dr. D real er (Bpd.).636 

Das Säuglingsheim zu Barmen. Dr. Th. Hoffa ^olf).636 

Störende Einwirkungen von Brotsuppen anf die Ernährung junger Or* 

ganismen. G. Variot und P. Lassabli^re (Mayer) .... 636 

Städtische Sänglingsfflrsorge in Berlin. Dr. G. Tagendreich (Kypke- 

Buxchardi).687 

Entwickelung der Säuglingsfttrsorge. Dr. Nesemann (Bpd.). . . . 788 

Städtische Säuglingspflege in Bixdorf. Dr. M. Cohn (Wolf) .... 739 

Säuglingssterblichkeit in Kiel. Dr. Spiegel (Wolf) ....... 789 

Nervosität und Ernährung im Kindesalter. F. Siegert (Waibel) . . 894 

Säuglingsfürsorge in Freibarg L B. Dr. Hans Scheible (Wolf) . . 894 

IGlchversorgung, Säuglingsfürsorge und Mütterberatung. G. Kolleck 


Anstaltspflege kranker Säuglinge. Dr. A. Szana (Wolf).895 




























XXII Inhftlt. 


Seite, 

8. Sohulhygiene. 

NerTodtftt bei Sehnlkiiideni. Dr. G. Pan 11 (Wolf).296 

VorbeugaDg der Myopie. Dr. Berger (Waibel). 296 

UeberbUrdong und wahlfreier Unterricht. Prof. Dr. Eeeaebitter (Wolf) 296 
IMentnng des Handarbeitsanterrichts in der Hilfsechole. Dr. Paba t (Wolf) 296 

Sdiolhygiene. Ingenienr Zyka (Wolf).296 

Scholarztweaen in Dreaden. Dr. B. Flacha (Wolf).297 

Hie Arzt — hie Lehrer. Dr. Cron(Wolf) .297 

Geachleebtliche Aofklärong der Jugend. Dr. Neumann (Wolf). . . 297 

SehOlerapeiaungen. F. Lorentz (Wolf).297 

Die Säuberung der Schulbank. H. Suck (Wolf).298 

Scbulbäder. Dr. F. E. Hopf (Wolf).298 

Heizung und Lüftung einer Gruppe von öffentlichen Schulhäuaem. S. 

B. Lesria (Wolf).298 

Vom Stottern. Prof. Bud. Debnbardt (Hoffmann).333 

Selbatmord u. SelbatmordTerauche yon Schillern. Prof. Dr. C h 1 o p i n (Solbrig) 333 

Hygieniache Bedeutung dea fttnfattlndigen Vormittagaunterrichta. Dr. 

Steinhaua (Solbrig).334 

Zum Problem der Sezuaibelehmng. Dr. D. Saraaon (Solbrig) . . . 336 

Zur Schularztfrage. Dr. 0. Dornbltttb (Kypke*Burchardi) .... 336 

Daa engUache ünterrlchiageaetz. Dr. Arthur New ab o Im e (Mayer) . 337 

Anaftthrungabeatimmungen zum engliaehen ünterrichtageaetz. Bobert L. 

Morant (Mayer).337 

Wirkung ataubbindender Fufibodenöle. Dr. Arnold Mayer (Liebetrao) . 339 
Beziebnngen zwlacben Schwachainn und Schwerhörigkeit. Dr. Franz 

Kobrak (Solbrig).414 

Ueber den jugendlichen Schwachainn; Unterauchungen an Kindern der 

Göttinger Hilfaachule. Dr. Karl Vix (Többen).416 

Entwickelung und Ziele der Schulhygiene. Dr. W. Hanauer (Wolf). 484 

Aua der achulhygieniacheu Prazia. Dr. H. Wolff (Wolf).485 

Die körperliche Züchtigung der Schulkinder. Dr. Traug. Pilf . . . 486 

Die neryöae Jugend in höheren Lehranatalten. Bich. Flacher (Solbrig) 485 

Die Organiaation der Hilfaachule. Bektor Henze (Wolf).486 

Bekämpfung dea Alkoholiamua in den Volkaachulen. Kurt F. W. Boaa 

(Solbrig).487 

Orthopädiach'gymnaatiacher Spielkurana. Dr. Her bat (Solbrig) . . . 487 

SpeigefäOe in der Schule. Dr. Fürat (Wolf).488 

Siatbtik über Volkaschul>Brauaebäder. Ing. Grnnow (Wolf), , . . 488 

Ohrunterauchung bei Schulkindern. Prof. Dr. Preyaing (Solbrig) . . 637 

Kurzaichtigkeit und ihre Verhütung, Prof. Dr. Beat (Waibel) . . . 638 

Die Schulzahnpflege (Wolf).638 

Die freiere Geataltung der Oberklaaaen der höheren Schulen. Dr. 

Benda (Solbrig).638 

Füraorge für die achulentlaaaene Jugend. Dr. Feliach (Klare). . . 639 

Anleitung zur hygieniachen Erziehung. Frau Dr. W. Geißler (Solbrig) 639 
Erholungaheim für kränkliche Schulkinder. G. Büttner (Solbrig) . . 640 

Schulärztliche Erfahrungen. Dr. Bayerthal (Pilf).640 

Der Kampf gegen den Staub in den Schulen. Stadtbau-Inap. Uhlig (Bpd.) 640 
Einrichtung der höheren Schulen. Prof. A. Flacher (Wolf) .... 740 

ffiifaachulzöglinge u. Militärdienateignung. Dr.E.Mattauachek (Wolf) 740 
Bückgratunterauchungen von Schulkindern. Dr. E. Kiracb (Wolf) 740 

Die achulärztliche Tätigkeit in Dortmund. Dr. Steinhaua (Solbrig) . 740 

Schularzt im Haupt* oder Nebenamt. Dr. Juba (Solbrig).742 

9. Füraorge für Kranke, Gebreohllohe, Rettnngaveaen. 

Soziale Auageetaltung der Armenpflege. Stadtrat H. t: Franken* 

berg(Wolf) .340 

Krüppelfüraorge und ihre Bedeutung für Volkawirtschaft (Wolf) . . . 340' 

Füraorge für Krüppel. Dr. Leonhard Boaenfeid (Liebetrau). . . . 340 

Aerztliche Füraorge für Taubatumme. Prof. Dr. Oatmann (Budloff) . 840 

Deainfektionaanlagen für Abwäaaer ana Krankenanatalten. Dr. Wolf* 

holz (Wolf).641 

Krankenhaua*Büchereien. Dr. Emat Schnitze (Kypke-ßurcbardi) . 895 




























Inhalt XXm 

Mte. 

10. Bnkftmpfang dM JUkohoUnman. 

Wirkongan des Alkohols. Bold Haut (Schenk) .... v ... . 86 

Dar Alkoholismns ln Umbrien. Dr. Camillo-Yltnli (Solbrig) .... 87 

Alkoholismos and toflere Taberkalosen. Beynier (Schenk) .... 841 

Der Kampf gegen den AikohoUsmos. Dr. L. Viand a. H. A. Vasnier 

(Schenk). 841 

Aiukonfu* and Fflrsorgestellen für Alkobolkranke. Dr. Waldschmidt 

(Schenk).842 

Die Behaadiaog der Alkohollaten. Dr. Waldschmidt (Schenk) . . 842 

Das Osterreichidche Trankenhettsgesetz. Gfirtler (Schenk) .... 742 

Alkoholismos• Sterblichkeit. Ch. Fernet (Schenk).742 

11. Körperpflege. Oeffentllohes Badewesen, Kurorte, Heilquellen. 

Hygienische Erziehang. Dr. Neamann (Wolf) ..848 

Körperkoltar in Krakaa. Prof. Haz Qatmann (Solbrig) . . . . . 344 
Heihiaftbäder als Volksbäder. iMeniear W. Qranow (Wolf) . . . 844 

Einrichtang yon Badeanstalten (Wolf). 344 

Sicherhetts*Mischapparat für Badeaniagen. K. Eaaffmann (Woll) . 344 

15. Verkehrehjglene. 

Herstellang staubfreier Straßen. Oberiog. Fraoz Schlfer (Liebetran) 286 
Der Verkehr and die Verkehrsschäden. Prof. Dr. Bahner (Xarpjawelt) 846 
Staabbekimpfang der Steinschlagstraßen in Bristol. Leonhard (Wolf) 883 

Straßenstaab. B. Websel (Wolf).8‘)3 

Beitrag zur Eisenbahnhygiene. Dr. Pichenbach (Bpd.).748 

18. aefftngnlsh 7 glene. 

Staatsgefängnis in Buenos‘Ayres.' Direktor Antonie Bally^ (Solbrig) 845 

14. lieiohenaoliau und Begr&bnlnwesen. 

Die Leicheneinäschemog yom sozialhygienischen Stindponkt. Dr. Moritz 

Fürst (Liebetran)..846 

Einrichtang yon Leichenhäasern. Dr. Haberstolz (Karpjaweit) . . 347 

Leichenschaa in Elsaß •Lothringen. Dr. Albert Hamm (Aatoreferat) . 562 

Der moderne landschaftliche Zentralfriedhof. Emil Oie na pp (Liebetran) 564 
15. Soslale Hjglene, Statistik. 

Patholorie n. Therapie der weiblichen Sterilität. Ernst Fr änkel(Dohrn) 245 
Notwendigkeit eines hygienischen Maseums. S. Miyake (Oshida) . . 245 

Volkshygienische Weihnachtsgedanken. Dr. E. Beerwald (Woli) . . 246 

Beform der sozialen Oesetzgebang. Prof. Dr. Bampf (Dohrn) . . . 246 

Die soziale Wertung des Aerzteatandes. Dr. Liebetran (Dohrn) . , 247 

Ergebnisse des Impfgeschäfts 1905. Dr. Breger (Bost).247 

Sterblichkeit in Frankfurt a. M. yom Mittelalter bis zam 19. Jahr* 

hundert. Dr. Hanauer (Dohrn).249 

Sozialmedizinisehe AaskanftssteUen. Dr. A. Babe (Liebetran) . . . 743 

Von ärztlicher Ethik. Dr. E. S. Mc. Kee (Mayer). 748 

16. Hobammenwenen. 

Prüfung der geistigen Fähigkeiten der Hebammenalpirantinnen. Dr. 

Bißmann (Bpd.).848 

Die Zahl der Hebammen in den europäischen Staaten. Dr. Prinzing 

(Dohm) . . . . ,.348 

Vom englischen Hebammenwesen (Mayer). 348 

Syphilis der Hebammen und Hebammeayersieherung. Dr. A. B la s c h k o 

(Lohmer).349 

17. Kurpfusoherel. 

Bekämpfung der Kurpfuscherei. Dr. Siefart (Dohm) 849 


m. Bespredumgen. 0 

Abel, Dr. Budolf: Bakteriologisches Taschenbuch (Lentz). 67 

— u. Ficker, Dr.: Hilfsmittel für bakter. Untersuchungen (Lentz) . . 774 

Aerztiiche Bechtskunde (Bpd.).250 


^) Die Namen der Beferenten sind in Klammem beigefttgt. 























XXIV 


Inhalt. 


Beite. 


Alkoholismna, sebe Wirknng und seine Bekimpfong (Schenk) . . 523 

Bandelier Dr. und Boepke, Dr.: Diagnostik and Therapie der 


Barnoooy Dr. Nie.: Die sexaelle Neurasthenie (TObben).140 

Banmm, s. Lebbin. 


Biedert, Prof. Dr. Pb. und Wiegand, Dr. 0.: Das Medizinalwesen 

in Elsaß •Lothringen (Bpd.). 66 

Blaschko, Dr. n. Jacobson, Dr.: Taschenbach der Haat* and Ge* 

schleuitskrankheiten (Bpd.).181 

Boeokel, Dr. jar. Pritz: Alkoholismos and Becht (Schenk) .... 523 

B Ott ge r, Prof. Dr.: Lehrbach der Nahrungsmittel-Chemie (Bpd.). . 182 

Borntraeger, Dr.: Diät-Vorschriften für Gesunde und Kranke (Bpd.) 744 

Gramer, Prof. Dr. Gerichtliche Psychiatrie (Bpd.).596 

Gr&mer, Dr. Friedrich: Einwirkung der Geniumittel auf den Or* 

ganismus (Schenk).385 

Deichert, Dr. H.: Geschichte desHedizinalwesens inHannorer (Dohm) 668 

Desssauer, Friedrich: Heilende Strahlen (Boepke).672 

Dornblttth, Dr. Otto: Gesunde Nerren (Pollitz).773 

Dunbar, Prof. Dr.: Leitfaden der Abw&nerreinigungsfrage (Bpd.). . 180 

Elsner, Dr. F.: Praxis des Chemikers bd Untersuchung Ton Bah- 
mngsmitteln pp. und bei hygienischen und bakteriologischen 

Untersuchungen (Bpd.).142 

Entscheidungen des Preußischen Ehrengerichtsbof;es 

für Aerzte (Bpd.).668 

Eulenbarg,Prof. Dr.: B^-Ensyklopldie der gesamten Heilkunde(Rpd.) 596 
Ficker, s. AbeL 

Finkh, Dr. J.: Das heutige Irrenwesen (Klare).108 

Forel, Prof. Dr. August: Der HypnoUsmus (TObben).139 . 

Fürst, Dr. Moritz u. Pfeiffer, Dr. E: Swulhygienisches Taschen¬ 
buch (Schenk). 67 

Fürst, Dr. L., San.-Bat: Vademecum der weiblichen Gesundheits¬ 
pflege (Boepke).565 

Gesundheitswesen des Preußischen Staates 1906 (Bäuber). 668 

Grotjahn, Dr. und Kriegei, Dr.: Jahresbericht über Hy^ene, De¬ 
mographie und MedizuialBtatistik für 1906, 1907 (Bpd.) . . 181, 597 

Haefke, Dr.: Handbuch des Abdeckereiwesens (Bpd.).252 

Hartman, s. Kiskalt 

Hayelock Ellis: Gbsehlechtsbetrieb und Schamgefühl (TObben) . . 68 

— Die krankhaften Geschlechtsempflndungen (Pollitz).773 

Hensgen, Dr.: Anleitung zur Desinfektion (Lentz). 522 ' 

Hetsch, s. Kolle. 

Hildebrandt, Dr. H.: Neuere Arzneimittel (Boepke).598 

Hopf, Dr. Ludwig: Das speziflsch Menschliche (Thomalla).386 

HoTorka, y., Dr. C. und Kronfeld, Dr. A.: Vergleichende Volks¬ 
medizin (Bpd..).744 

Huetlin, Dr. C. Th.: Mnemotechnik der Bezeptologie (Bpd.). ... 69 

Jaeobsohn, s. Blaschko. 

Joachim, Justizrat und Joachim, Dr.: Gebührenordnung für 

Aerzte (Bpd.).180 

Joire, Prof. Dr.: Handbuch des H^notismus (Pollitz). 773 i 

Jallien,Prof.Dr.L.: Seltene u. weniger bekannte Trippeiformen (Boepke) 523 ' 

Katz, Dr. L.: Krankheiten der Nasenscheidewand (Boepke) .... 744 

Kaufmann, Dr.: Handbuch dei Unfallmedizin (Bpd.). 249 < 

Kirchner, Prof. Dr.: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchen- { 

bek&mpfung (Bpd.).251 

Kirstein, Dr. Fritz: Leitfaden für Desinfektoren (Lentz) .... 522 

Kiskalt, Dr. K. und Hartmann, Dr. A.: Praktikum der Bak¬ 
teriologie und Protozoologie (Bpd.) . .. 66 

Klut, Dr. Hartwig: Untersucbung des Wassers an Ort und Stelle 

(Schultz-Schultzenstein).859 

Kolle, Prof. Dr. W. und Hetsch, Dr. H.: Die experimentelle Bak¬ 
teriologie und die Infektionskrankheiten (Lentz). 774 1 

Kringel, s. Grotjahn. I 































Inhalt XXV 

Seit«. 

Kroafeld, a. HoTOika. 

Knbats, Dr. Alfred: Zar Frage einer AlkoholtoaenniHtatlrtlk (Schenk) 528 
Karts, Amtsgeriohterat: üntersachong Ton KOrperrerletsongen (Bpd.) 260 
Laaggaard, e. Liebreich. 

Lebbin, Dr. and Baam, Dr.: Deatsches Nahrnngsmittelrecht (Bpd.). 262 

Leere, Dr. Otto: Forensische Biat* and EiweiOdifferenzierang dorch 

Antiseram (Bpd.).899 

Lenharts, Prof. Dr.: Mikroskopie a. Chemie am Krankenbett (Bpd.) 249 
Lenhartz, Prof. Dr. and Bappel, Baarat: Der moderne Kranken* 

hansbaa (Bpd.).672 

Lew in, Prof. Dr. L.: Vergiftnngs* and Infektionskrankheiten im Be¬ 
triebe (Thomalla).142 

Liebreich, Dr. Oscar and La>ggaard, Dr. Alexander: Compen- 

diom der Arzneiyerordnnng (Bomp).141 

Liefmann, Dr.: Die Baach- and BaSfrage (Bpd.).671 

Lomer, Dr. Q.: Batgeber für Irrenirzte (^d.).669 

Langwitz, Dr. med. et phil. Hans: StofmechselTersuche über den 

Eiweißbedarf des Kindes (Boepke).670 

Mamlock, Dr.: Friedrichs d. Gr. Korrespondenz mit den Aerzten (Bpd.) 253 
Meyer, Prof. Dr. E.: Die (Trsachen der Geisteskrankheiten (Klare) 140 
Meyer, Dr. and Boeder, Prot Dr.: Atlas der klinischen lUkrokospie 

des Blates (Bpd.).249 

Mindes, J.: Manoale der neaen Arzneimittel (Bpd.).263 

Mombert, Dr. Paal: BeTölkerongsbewegang in Deatschland (Graßl) . 268 

M tili er, Prof. Dr. Bobert: Sezaslbiologle (Uare). 69 

Mtiller, Dr. Wilhelm: Kompendiam der Longentaberkolose (Boepke). 598 
N&dor, s. Pollatschek. 

Neißer, Dr. J.: Internationale Uebersicht über Gewerbehygiene (Bpd.) 521 
Haßbaum, Prof. H.: Hygiene des Wohnonnwesens (Boepke) . . . 622 

Orlowski, Dr.: Die Behandiung der Gonorrhoe des Mannes (Boepke) 623 

— Die Geschlechtsschwäche (Boepke).523 

Phar, Dr. Adalbert St: Angst (hüare).109 

Pfeiffer, Dr.: Taschenbach der Krankenpflege (Bpd.).181 

— Fortschritte und Leistangen in der Hygiene. Jahrg. 1906 (Bpd.) 669 
Pfeiffer, s. Fürst 

Pietrzikowski, Dr.: DieBegatachtaiwen der Unfallverletzangen(Bpd.) 250 
Pollatschek, Dr. A. and Nädor, Dr. H.: Die therapeaUsdien Lei¬ 
stangen 1907 (^Boepke).669 

Bamboasek, Dr. J.: üeber die Verhfltong der Bleigefahr (Bpd.) . . 671 

Bap^mond, Prot Dr.: Kalender für Medizinalbeamte (Fielitz). . . . 899 

— Das Preoßischo Medizinal- and Gesandheitswesen in den Jahren 

1883—1908 (Gomprecht).896 

Boeder, s. Meyer. 

Boepke, s. Bandelier. 

Bahner, Prot Dr. Max: Lebensdaaer, Wacbstam and Emährang (Boepke) 669 

— Volksemihrangsfragen (Lentz).670 

Bange, Prot Dr.: Lehrbnch der Gynäkologie (Bpd.). 38 

Bappel, s Lenhartz. 

Schmidt, Prot Dr. Adolf: Die Fanktlonsprtlfang des Darmes mittels 

der Probekost (Boepke).671 

Schneider, Dr.: Das preoßische Seachengesetz (Bpd.).251 

Simon. Helene: Schale and Brot (Dohrn).598 

Sternberg, Dr. Wilhelm: Kochkanst and Heilkonst (Thomalla) . . 142 

Stier, Dr.: Trankenheit and ihre strafrechtliche Begatachtang (Bpd.) 180 

Saltan, Dr.: Grandriß and Atlas der speziellen Chirargie (Bpd.) . . 182 

SzOllSzny, t., Dr. L.: Mann and Weib, zwei Natarprinzipien (Pollitz) 778 

Twistei, Bflrgermstr.: Volksbad and Schalbad für kleine Städte and 

das flache Land (Solbrig).671 

Weiehardt,Dr. Wolfg.: Ergebnisse der Immonitätsforschong (Boepke) 664 
Wiegand, s. Biedert 

Wolf f-Eisner, Dr. A.: Ophthalmo- and Katan - Diagnose der Taber- 

kolose (Boepke).597 

Ziehen, Prot Dr. Th.: Psychiatrie (Becker). 67 


























XXVI Inhalt. 


Seii«. 

Tagesnaohrioliten. 

Ans dem Beichstage und dem Bondesrate: 

Abtnderang der Qewerbeordnang, Arbeiterschatz. 38, 900. 

Kontraeexoalität. 110 

Gteeetzentwarl ttber Karpfascher und Qeheimmittelserkehr. . . 110, 817 

Abgabe starkwirkender Arzneien in Apotheken ..142 

Hebammenwesen, 8chlacht?leh* and Fleischbeschaa.212 

Weingesetz. 212, 265, 350, 774 

Essigessenz, Unfallrenten, E rankenpflegewesen . .. 212,255, 

Vergiftangskrankheiten, Vereidigung der Sacbrerständigen .... 212 

Kinderschats, gesande Ern&hrong, AlkohoUsmas, Tabakraacben, 

Bleivergiftung, Heilstätten.255 

WochnerinnenfUrsorge.775 

Bekämpfung der Tuberkulose. 255, 8l7 

Einwirkung der Armenunterstfltznng auf bffentliche Hechte. . . . 860 

Etat . ..■ . . . . 860 

Aus dem preußischen Landtage: 


Pflege der Leibesflbungen in Schalen, Gehälter der Gefängnis* und 

Strafanstaltsärzte. 212 

Gesetz, betreffend die Gebühren der Hebammen . . . .213, 256, 415 

Medizinische Prttfungsordnung, Nahrungsmittelkontrolle.256 

Gesetzentwurf über die Gewährung von Wohnaogsgeldzuschttssen . 816 

Beamtenbesoldungsgesetz.8^ 

Gesetz über die Gebühren der Medizinalbeamten.900 

Aus anderen gesetzgebenden Kürperscbaiten: 

Bayern: Gehaltsordnung der Medizinalbeamten. 183, 565 

Apothekenwesen.215, 387 

■Kindersterblichkeit, Säuglingspflege, Kurpfuscher, Stellung der 

Amtsärzte.257 

Beamtengesetz.416 

Prüfungsordnung für den ärztlichen Staatsdienst.860 

Wttrttem^rg: Apothekenwesen.215, 417 

Krankenversicherung der land* und forstwirtschaftlichen Arbeiter 417 

Pharmazeutische Standesvertretung.417 

Sachsen: Besoldungsordnung. 258, 416 

Baden: Gehaltstarif für die Staatsbeamten.489 

Gesetz ttber Irrenfttrsorge. 599, 861 

Braunschweig: Scblußdesinfektion.417 

Hamburg: Aerztliches Ehrengericht.299 

Bremen: VoUbesoldeter Kreisarzt ..454 

Elsaß «Lothringen: Medizinalroform.183 


Krankheiten, ansteckende, Wochenübersichten 40. 71, 144, 184, 216, 260 

362, 3a8, 466, 492, 525, 643, 708, 778, 818, 861, 902 
Kongresse und Versammlnngen: 

I. internationaler Kongreß zur Bekämpfung der Nahrangs* und 


Arzneimittelfälschungen..525 

VII. internationaler Kongreß fflr Kriminalanthropologie .... 777 

VIII. n Kongreß fttr Hydrologie, Klimatologie, Geologie und 

physikalische Therapie. 817 

II. Internat. Kongreß zur Bekämpfung der Schlafkrankheit 39, 70,184, 214 

XI. . n fttr Augenheilkunde.8l8 

„ TuberknlosekoDgreß . 143, 352, 666, 708 

III. , Kongreß fttr Irrenpflege.. . 524, 673 

XVI. , medizinischer Kongreß. 259, 777 

I. „ Kongreß fttr Bettungswesen. 300, 455 

XIV. „ Kongreß fttr Hygiene und Demographie.466 

IX. Deutscher Kongreß fttr Volks- und Jugendspiele.420 

25. Kongreß fttr innere Medizin.111 

37. , der Deutschen Gesellschaft fttr Cttirnrgie .... 143 

n. „ der Deutschen Gesellschaft fttr Urologie.861 

80. Baineologenkongreß.817 

8. Krankenpflegekongreß.525 











































>lnhalt XXVII 

Beit«. 

II. InteniatioiMler Kars der gerichUiehee Psychologie und Psy* 
ehietrie..902 


XII. Generelrereammlnog des Zeatralkomitees rar Bekämpfnog der 


QeserelTersemmloog des Deatschen Vereins für Volksbygiene . . 387 

V. a der intenntionnlen V ereinigong für gesetz« 

liehen Arbeiterschats.674 

IX. JnhresTersnmmlang des Deutschen Vereins Ittr Scholgesondheits- 

pflege...851 


HraptTersemmlong der Deatschen Oesellschsft Ifir Volksbider 184,887,420 

_ a des Niederrhein. Vereins fttr Öffentliche Oesondheitspflege 350 

XXXTTT- „ des Deatschen Vereins ittr Öffentliche Oesondheitspflege 464,708 


Jabü&amsyersamDuang des Deatschen Vereins gegen den Mifibraach 

geistiger Getränke.707 

26. Haopt-(Jabiläams>)Versamialnng des Preafiiscben Medisinal* 


V. LandesTersammlang des Bayerischen MedizinalbeamtenTereins 488 

VJJL Jahresyersammlang des Wflrttemberg. Medizbalbeamtenyereins 862 

IV. Tagung der Deutschen QeselUchalt ftlr gerichtliche Medizin . 491 

80. Versammlong Deutscher Naturforscher und Aerzte . . . 299, 601 

Tagura der deatschen Otologischen Gesellschaft.666 

ll. Konferenz der Zentralstelle für Volkswohlfahrt.887 

XIV. Delegiertentag der Vereinigung Deutscher Hebammen . . . 465 

Perstmalien: Engelmann 901, Georg 777, Flttgge 901, Holle 776, 

Koch 143, 800, 699, Meder 699, Bubner Wl, Salomon 611, 

TObben. . ..489 

TodesfäUle: Althoff 776, Baer, y. Esmarch 184, Lassar ... 89 

Abiaderung der Dienstanweisung fflr die preußischen Kreisärzte ... 89 

Beiehsapothekengesetz.. . 39 

Gescbättsjubiläum Hofbuebhändler Kornfeld . 39 

Arsneitaze. 40 

Milsbrandgefahr in Gerbereien und Lederfabriken.69, 416 

Prostitutionsfrage. 70 

Bobert Koeh-SUftung. 70, 148, 184, 268, 489, 699 

Zentralstelle für Volks Wohlfahrt. 70 

Preisermäßigung des Autans. 70 

Begelung des Hebammenwesens.109 

Approbation für Zahntechniker.110 

Apothekenreform und Kommunalapotheke.111 

Kreisärztliche Prflfung 1902—1907 . 143 

Ehrung Bobert Kochs . 143, 300, 699 

Fortbilduagakurse in Psychiatrie und gerichtlicher Medizin.188 

Sänglingsfflrsorge.2'2 


BeichsausschuB fflr das ärztliche Fortbildungswesen.214, 816 

Bakteriologischer Kurs fflr Amtsärzte.2'>9 

Wissenschaftliche Kurse zum Studium des Alkoholismus.259 

Bauschyergfltungen fflr Beisekosten der Kreisärzte.298 

__L.—__ i _ 


Kalender fflr Medizinalbeamte. 300, 778, 818 

GehUtsyerbesserung der Medizinalbeamten in Preußen.349 

Kurs Aber Familienforschung und Vererbungslehre.361 

Verbot des Korsetttragens beim Tarnen.387 

Zusammenschluß der Lehreryereioigungen fflr Schulhygiene.388 

Ferienkurse Aber Schulhygiene.388 

Neuere Arzneimittel und Spezialitäten.888 


Krankenkassen und Apotheken. 524, 642 

Abwässerreinigung in Zellulosefabriken.416 

Internationale Vereinigung fflr B^rebsforschung.^1^ 













































xxvm 


Inhalt. 


Seit«. 

Wohnnngsinapektion In Erfurt 420, in Worms.599 

BlelTorgiftangen.420 

Internationale Hyffiene^Aosstellnng in Dresden. 465 

Epidemische Haarkrankheit.455 

Bericht über das Gesundheitswesen ln Preußen 1906 488 

Internationales Bureau fttr die öffentliche Hygiene.489 

Zentrale fttr balneologische Forschungen.490 

Schutz des reellen Arzneimittelrerkehrs.492 

Deutscher Medlzinalbeamtenyerein.492 

Medizinische Beisestipendien in Bayern.524 

Festschrift zum 25 jähriuen Jubiläum des Prenß. Med.-Beamten^Verein 527, 604 
Verfahren bei gerichtlichen Leichenuntersuchnngen in Bayern .... 565 

Aerztliche Atteste fOr Schulbehörden.666 

Sexuelle Belehrung in der Volksschule.5^ 

Hebammenordnung in Sachsen.567 

Fftrsorgeeinrichtungen der Arbeitgeber.567 

Monatsschrift „Desinfektion“. 567 

Zeitschrift fttr Krttppelfttrsorge. 567 

Prüfung fttr den ärztlichen Staatsdienst in Bayern. 599, 860 

Verkehr mit gebrauchten Verbandstoffen. 600 

Ernährung der Säuglinge. 600 

AnssteUnnu fttr Säuglings- und Kinderpflege. 600 

Pockenimpfung in Spanien. 600 

Massenvergiftung durch Pökelfleisch. 600 

Cholera in Bußland.600, 642, 674, 707, 746 777 

Zentralprttfungsstelle fttr Arznei- und Qebeimmittel.642 

Landesgewerbearzt in Bayern.642 

Desinfektionswesen in Bayern.642 

Vereinigung der in städtischen Diensten tätigen Aerzte.707 

Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte.707 

Beform der ArbeiterTersicherung.416, 454, 524, 642, 745, 775 

Bekämpfung der Schlafkrankheit.746 

Apothekerrat und Kammerausschuß.776 

Medaille fttr Verdienste um die Einderfttrsorge.776 

Anisichtsbeamter zur Oeberwachung der Beinhaltung der Gewässer . . 776 

Cholerasernm. 777 

Venerische Krankheiten in Oesterreich-Ungarn.777 

Sächsisches Landes - Medizinalkollegium.817 

Nobelpreis fttr Mediziner.861 

Verwaitungsfragen der InralidenTersicherung.900 

Krebsforschung, Leydenstiftung.901 

Vertrauensärzte der Schiedsgerichte fttr ArbeiterTersicherung .... 901 

Desinfektionskurse.901 

Aerztlicher Sachyerständiger beim Obersten Schulrat in Bayern . . . 902 

Säuglingsfttrsorge und Mutterschutz in Hessen.902 

Stadtarzt in Münster i. W. 902 

Physikatsärzte in Deutsch - Ostafrika.902 

Ausstellung gegen Alkoholismus und Kurpfuscherei in Dresden . . . 902 

VerscMedenes. 

Sprechsaal 40, 71, 111, 144, 216, 456, 525, 668, 602, 643, 746, 778, 818, 862 

Berichtigungen. 72, 260, 818 

Mitteilungen an die Leser. 300, 492, 676, 818 


Sach'-Register. 


Abdeckerelwesen 252. 

Abnormitäten der Aszendenz zur Des¬ 
zendenz 138. 

Abort, krimineller, Perforation des 
Uterus 91. 


AbfaUstoffe, Torfitpissoirs 236, Mttil- 
beseitigung 383. 

Abwässer, Beinigung 180, Kanalisation 
yon Tokio 235, Schlammyerzehmng 
235, Klärschlamm 285, Einleitung 















































Sach-Register. 


XXIX 


in öffentliche Gewisser 2S6, Be* gong von Arbeiterinnen n. jagendl. 

seitigong 186, 236, Entw&ssernng Arbeitern 38, 900, berufliche Yer* 

von Gemeinden 385, Reinigung durtm giftungskrankheiten 212, Luitdruck* 

Fischteiche 385, Versucbsreinigungs* erkrankungen 288, gewerbliche Blei* 

anlage Dresden 385, Zellulosefabri* Vergütung 289, Arbeiterinnen in 

ken 416, Erfolge der Klärung 476, | Bleibergwerken 290, Gießfieber 291, 
Beseitigung in Kadaververnichtungs* Gefahren bei Herstellung von Filz 

anstalten 630, in Zuckerraffinerien 291, Telephonistinnen 292, pro* 

631, Desinfektion in Erankenanstal* fessioneller Nystagmus 292, Stein* 

ten 641, Emscher * Brunnen 786, hauer 293, Kopflastträgerinnen ^3, 

Schlammbesdtignns' 736, Kanalisa* Physiopathologie der Nachtarbeit 
tion in Landgemeinden 889, ma* 294, Arbeit und Ruhe 295, und Ge* 
schindle Abwässerreiniger 890. werbehygiene 521, Fttrsorgeeinrich* 

Achillessehnenphänomen tungen der Arbdtgeber 567, Landes* 

Aether, Schlaf- und Betäubungsmittd gewerbeaizt 642, internationale 
709. Vereinigung 674. 

Aetzkalk 232. Arbdterverdchemng, Jahresbericht 

Akromegalie und Unfall 513. 181, 597, Reform 246, 416, 745, 775, 

Alkohol und Paralyse 22. Heilstätten 255, Inhalt des ärzt* 

Kontrolle alkohourder Getränke 35, liehen Gutachtens im Bentenstrdt* 

Wirkungen 36, in Umbrien 37, akute verfahren 448, Krankengdd und 

Tmnke^dt 180, Gefahren des Ge* Invalidenrente 862, Verwaltnngs* 

nusses 255, Studum des Alkoholis* fragen 900, Vertrauensärzte der 

mus 259, Vergiftung 272,585, eines Schiedsgerichte 901. 

Schulkindes 707, Selbstmord 277, Tn* Arbdtsleistung, Höhe 295. 
berknlose 841, Bekämpfung 342,528, Armenpflege, soziale Ausgestaltung 
in den Schulen 487, Fürsorge* 840, Einwirkung der Unterstützung 

stellen 342, Behandlung der Alko* auf öffentliche Rechte 860. 

holisten 842, Konsumstatistik 523, Arsen Wasserstoff, Vergütung 508. 

Alkoholismus n. Recht 523, patho* Arteriosklerose, Sedenstörungen 443. 
logischer Rausch 701, Deutscher Arzneimittel, Uebergang in die Frauen* 
Verein gegen den Misbrauch geistiger milch 83, stark wirkende 142, 

Getränke 707, österr. Trunksnehts* Handbuch 253, Riedels Mentor 888, 

gesetz 742, Alkoholismn8*Sterblich* Abgabe 456, Verkehr 492, Fälschung 

kdt 742, Abstinenz*Delirien 842, 525, neuere 598, für Krankenkassen 

Delirium tremens 879, Ausstellung 642, Zentralprüfungsstelle 642, Hien* 

in Dresden 902. fong-Essenz 818, Aufbewahrung 818. 

AlkohoUrde Getränke 484. Abgabe von Unguentum Hydiargyri 

Amtsärzte in Bayern 257, 416, Fort* flavnm 862. 
bildung 259, Prüfung 599, 860, in Arzndtaze 40. 

Sachsen 258, 416, Baden ^9, Lan* Arzndverordnung 69, 141. 
desgewerbearzt in Bayern 642. Arzt, Anhörung in Unfallsachen 25, 

Amöben*Bnteritis 313. 448, Gebührenordnung 180, Straf* 

Anatonüsche Präparate, Konservierung anstalts- und Gefängnisärzte 213, 

der Farbe 443. Fortbildungswesen 214, 816, soziale 

Angina und septische Infektion 823. Wertung des Aerztestandes 247, 

Angst 109. ärztliche Rechtskunde 250, Fried- 

An&iierkneipenwesen 886. richs des Großen Korrespondenz mit 

Ankylostoma in Kamerun 229, Ab* Aerzten 253, Doktorpromotion 200, 

trdbungskuren 230. mediz. Prüfungsordnung 256, Scbul- 

Aorta, Sckußverletzung 889. arztwesen. Hie Arzt — hie Lehrer 

Apotheker und Apotheken, Rdchs* 297, Ehrengerichte 299, Beziehung 

gesetz 39, Reform, Kommunal- zu Krankenkassen 416,454,491,52^ 

apotheke 111, 215, 417, Apotheker- Versicherungs - Gesellschaften 491, 

nunmem 387, 417, Ausschuß 776, Versammlung deutscher Naturfor* 

Verein 566, 678, Beschäftigung von scher und Aerzte 299, 601, 707, 

Drogisten 602, Besichtigung 678, Aerztetag 350, 490, 902, Inh^tdes 

Apothekerrat 776, Beschäftigung ärztlichen Gutachtens im Renten- 

von Pharmaziestudierenden in Apo- streitverfahren 448, Abzug des 

theken 862, Name des Apothekers Portos bei Uebersendung von Ge- 

auf Rezepten 862. bühren 449, Reisestipendien 524, 

Appendidtis nach Unfall 721. Atteste für Schulbehörden 566, 



XXX 


Sach*Begister. 


668, Ratgeber fttr Irrenärzte 669, 
Meäizinalbeamter und ärztl. Praxis 
667, Vereinigang der in städtischen 
Diensten stehenden Aerzte 707, 
gerichliche Vernehmang in Unfall* 
Sachen 723, ärztliche Ethik 713, 
Abgabe yon Medikamenten 746, 
Nobelpreis 861, Begntachtang in 
Invaliden* n. Krankenversichernngs* 
Sachen 882, Stadtarzt in Mttnster 902. 

Atmung, kdnstliche, bei Ertrinkung 
204. 

Atoxyl, Wirkung bei Spirillose der 
Hdhner 226, bei Piroplasmose der 
Hunde 228, Dourine, Affen* n. Ka* 
ninchent«yphilis, Syphilis und Pram- 
boesie 228, Vergiftung 614, Atoxyl* 
festigkeit der Trypanosomen 625, 
Wirkung 626. 

Auge, Ulcus corneae serpens 24, 
Qranulose 199, 847, Augenbefunde 
bei Paralytikern 871, Erkrankung 
bei Arbeit mit kttnstl. Dttogemitteln 
662, 892, Degenerationszeichen 717, 
Augenheilkunde, Kongreß 818, pro* 
fessionelle Sehschärfe und das ent* 
schädigungspflichtige Minimum 844. 

Autan 70, 233, 284, 667, 558. 

BadeweseU) Schulbäder 298, Heißluft* 
bäder, Blischapparat 344. Einrichtung 
T. Badeanstalten 844, Volkbäder 184, 
387, 420, Statistik der Volksscbul* 
Brausebäder 488, Zentrale für bal* 
neologische Forschungen 490, Volks* 
bad u. Schulbad 671, Baineologen* 
kongreß 817. 

Bakteriologie, Praktikum 66, Taschen* 
buch 67, Lehrbuch 774, Institute 
198, Opsonine 307, Jahresberichte 
yon Uotersachungsämtern 808, 809, 
624, 625, Filtrationsapparat, Meß* 
pipette 731, Hilfsmittel zu Unter* 
Buchungen 774, Aufwärtswandem 
der Bakterien im Verdauungskanal 
882. 

Bauordnung u. Wobnungsreform 380, 
Bebauungsplan 558, Bebaubarkeit 
des Grund und Bodens 629. 

Begräbnis, landschaftlicher Zentral* 
friedbof 664. 

Balladonnainfus, Vergiftung 508. 

Benzinyergiftung 668. 

Beozoidampf, Vergiftung 88. 

Beriberikrankheit 588, Prophylaxe 886. 

Bevölkerungsbewegung 263. 

Bibliotheken, Uebertragung anstecken* 
der Krankheiten 600, 784, 896. 

Bilharziosis 287. 

Bindehauteiterung 93. 

Blei, Vergiftung 90. 265, 289, 420, 
510, 561, 788, Löslichkeit in Wasser 

Oi.n riAsafi'otAvrTAviA sIap A rKaltArinnMi 


in Bleibergwerken 290, Gießfieber 
291, i bleifarbenhaltige Tapeten 402, 
Verhütung der Bieigefahr 671. 

Blenorrhoea neonatorum 31. 

Blinddarmentzündung in Preußen 876. 

Blut, Untersuchung yon Spuren 20, 
Chioraetbyl darin 203, klinische 
Mikroskopie 249, Gewinnung yon 
Hämiokrystallen 272, Reduktion des 
Hämoglobins 368, des Oxyhämoglo* 
bins 369, 546, Verdünnung teim 
Ertrinken 369, Gehalt an Stickoxydul 
bei der Narkose 369, 439, Urobilin 
fan Blut von Leichen 370, Alter von 
Blutflecken 370, 833, intrakranielle 
Blutergüsse Neugeborener 441, Blut* 
spuren vitaler Entstehung a. Knochen 
505, 606, Nachweis von Kohlenoxyd 
606, Identitätsnachweis 507, neue 
chemische Blutprobe 544, Blut in 
organischen Sekreten 545, BlntkOr* 
perchenzählung zur Erkennung des 
Ertrinkungstodes 545, Blutverände- 
rungen bei Seidenspinnerinnen 560, 
Chlor*, Jod*, Bromhämin 584. Blut¬ 
druck vor dem Tode von Paralytikern 
584, Färbung yon Blutpräparaten 
698, Photometbämoglobin 712, Anti* 
Serum für Blutnachweis 834, Blut¬ 
adern des Handrückens als Identitäts¬ 
nachweis 834, Antifermentreaktion 
882. 

Brot, Bazillen überleben den Back¬ 
prozeß 481. 

Bromismus 619. 

Bronnen, für Schulen 287. 

Brust, Stichwunde 751. 

Brustdrüse, überzählige beim Mann 272. 

Büchereien der Krankenhäuser 784,895. 

Butter, Schaf*, Ziegen* 482. 

Chemie, Praxis bei Untersuchung von 
Nahrungsmitteln etc. 142. 

Chirurgie 143, Grundriß u. Atlas 182. 

Chloraethyl, Narkose 208. 

CblorzinklÖRungen 90. 

Cholera, Wachstum des Vibrio cholerae 
97, EUTor Vibrionen 225, in Ru߬ 
land 600, 642, 674, 707, 746, 777, 
in Petersburg 313, Vibrionen in 
Austern und Miesmuscheln 518, 
Serum 777. 

Darm, Funktionsprüfong 671, Durch¬ 
gängigkeit für TnberkelbazÜlen 850, 
Darmtuberkulose bei Erwachenen 
854. 

Darmparasiten der Kamerunneger 229. 

Degenerierte, Schmerzempflndlichkeit 
23, neues Stigma 279, Anomalien 
der Gliedmaßen bei Geisteskranken 
280, Degenerationszeicben 717. 

DAfiioarMhiA. .lAhrAflhAriAlit. Iftl. ftQ7. 




Saeh'BegiBter. 


XXXI 


DesbfekUoa, mit Lysol a. Eresolseife 
53, 305, 878, Aatan 70, 233, 234, 
412, 5ö7, 658, 628, Schlaßdusinfek- 
tion 216,417, Piyophagoo, Paxalysol, 
Universal* Dampfdesiofektions-Appa* 
rat 230, bei ktinsüicb erniedrigtem 
Lnltdrack 231, neue Desinfektions* 
arten, Aetzkalk 232, Formaldebyd 
233, 234, 379. 628, 837, Thymol, 
Tannothymol 378, Handedesinfektion 
378, Festoform 379, Cbirosoter, Al¬ 
kohol 411, Anleitang 522, Leitfaden 
522, Haatdesinfektion 556, Formal- 
debyddampf 556, Formaldebydseifen 
732, Zeitschrift 567, im Landkreis 
Worms 612. Wert der drei Rresol* 
Isomeren 627, Jodtetrachlorkohlen- 
stofF, Dermagnmmit 627, von Ab* 
wissem in Krankenanstalten 641, 
Aasgestaltang in Bayern 642, Kar- 
boisftaretabletten 732, Heidloftzim- 
mer 732, Sterilisation von Gammi- 
handschohen 732, Bericht Kreis 
Diedenhofen O^t 732, Hygienol 887, 
Desinfektionsknrse in Bayern 901. 

Diabetes, darch Koblenoxydvergiftnng 
62ii, nach psychischem Tranma 720. 

Diphtherie, als Volkssenche, Zttchtnng 
der Bardllen 323, 324, Pyozyanose- 
behandlang 518, 726, Besiehnngen 
za Bhinitb chron. atrophica 726, 
diphtherie&hnlicher Bazilias 883. 

Dispositon and Viralenz 224. 

Doktorjabil&am, Qeh. Hed.-Bat Dr. 
Meder 599. 

Doarine, AtozylTersnche 228. 

Drogenhandlongen, Formalere für 
Beviaion 862. 

Dttngemittel, Aogenerkrankongen 562, 
892. 

Dystrophia mosealaris a. Unfall 281. 

Ecieoin Tarclnntam 269. 

Ehrengericht 299, Entscheidangen 668. 

Eier, Eigelb* Konservierana 482. 

Eiweis, kleinster Bedarf 241, Bedarf 
des Kindes 670. 

Eisenbahnhygiene 748. 

Eklampsie 837. 

Elektrotherm 25. 

Elektrizität, Unf&lle 893. 

Emsoher-Brnnnen 736. 

Endometritis 90. 

Enteritis, tnchozephalische 520. 

Epilepsie, Herderscbeinangen 136, 
Psyehopathia seznalis 445, Unfall 
513, Bromismos 619, psychische 838, 
Linksbiadigkeit 889, bei Geschwi¬ 
stern 839, Tremor 879, Alkoholismos 
879. 

Emährong, Eänflafl aaf das Stillangs- 
TormOgen 83, Eiweißbedarf 241,670, 

ORR a.L«!... 


speisangen 297, Schale a. Brot 598, 
der ErstimpfUnge 600, Brotsappen 
636, Beziehongzar Lebensdaaer 669, 
Yolksernährangsfragen 670, Diät- 
yorscbriften 744. 

Brsticknng, Ht-rzinbalt 92, Diagnose 
353, Biatgehalt der Leber a. Lange 

716. 

Ertrinkaog, künstliche Atmang 204, 
Verdannnng des Blotes 869, Blnt- 
kOrperchenzählang 545, Tod 585, 
darch Qaetscbang des Thorax 615, 
Brastkorberweitorong 716, Langen- 
befand 716, Verletzungen and Vers- 
tümmelangen yon Leihen 717. 

Erwürgen, Selbaterdrosselang 586,835. 

Essigessenz 212, 892. 

Essigsäare, Vergiftang 89. 

Eakalyptasbl, Vergiftang 371. 

Exhibitioniamos 878. 

FümlUenforsehang 851. 

Fett, Nachweis in Gemischen 35. 

Fettembolie 1, 718. 

Fenerbestattong 800,346, 386,524,860. 

Filtrationsapparat 731. 

Filz, Gefahren der fierstellang 291. 

Finger, Verlast, Gewübnang 845, 846. 

Fisäe, Peatinfektion 95, Fischyergif- 
tang 241. 

Fischteiche, Beinlgnng yon Abwässern 
885. 

Fleisch, Nachweis yon Pferdefleisch 34, 
Fleischyergiftang 101, 480, 600, 614, 
737, 891, Konseryierangsmittel 242, 
Konserven 243. 

Flobertpistole, Schaßwirkang 507, töd¬ 
liche Verletzang 749, 863. 

Flüsse, Veranreinigang 632, Ueber- 
wachang der Beinhaitang 776. 

Formaldehyd 233, 234, 879, Dampf 
556, Wirkang aal Tuberkelbacillas a. 
Stapbylococcas pyogenes aareos 105. 

Formamint, Vergiftang 546. 

Fortbildang, Psychiatrie and gericht¬ 
liche Medizin 183. ärztliche 214, 
bakteriologische 259. 

Framboesie, Behandlang mit Atoxyl 
220, Syphilis 564. 

Fremdkörper, in Nase 92, 205, Ober¬ 
kiefer 93. 

Fracht, Beifezeicben 21, Abtreibang 

717. 

Faß, indirekte Hittelfaßbrüche 722, 
Faßabdrücke 722. 

Faßboden, fagenloser 341. 

Gartenstadt n. Gesundheit 629, Garten- 
stadtbewegang 888. 

Gas, Einatmen von Gasen als Unfall 
27, Heizung 381. 

Gebärende, Geisteszostand 276. 

-I—fr--.:-»— a.-. rn -40 a mor 



TCTCTni 


Sach'Begifter. 


bei Konzessionierong gewerblicher 
Anlagen 71, Beisekoaten 71, Ein* 
Ziehung der Gebühren 72, Gebühren« 
ordnnng für Aerzte und Zahnarzte 
180,491, der Hebammen 213, Abzug 
des Portos bei üebersendung 449, 
für Obduktion UnfaUverletzter 552, 
Prüfung als Schwimmlehrerin 568, 
für Dienstreisen 648, Taubstummen* 
Statistik 643, für ärztliche Gutachten 
in Unfallsachen 728, Gesetzentwurf 
789, 819, 828, 900, für Tereitelte 
Yorbesudie 818. 

Geburt, Abstofiung der Nabelschnur 22, 
699, Selbstmord 586, Bedeutung: 
„Vollendung der Geburt" 587. 

Geburtshilfe, Wiederholungsbuch 181, 
898. 

Gefängnis, in Buenos-Ayres 845. 

Geflügelpocken und Htthnerdiphtherie 
227. 

Geheimmittel, Gesetzentwurf 110,115, 
656, 673. 

Gehirn, Erschütterung440, Orbitaldach* 
fraktur 836. 

Geisteszustand, Schwangerer und Ge¬ 
bärender 276. 

Geisteskrankheit, Unfall 26, Irren* 
wesen 108, Ergographenversuche bei 
Katatonie und melancholischer Ver* 
Stimmung 135, Ursachen der Geistes* 
krankheiten 140, Simulation 273,498, 
Dementia praecox 274, 618, 700,878, 
manisch * depressives Irresein, De¬ 
mentia infantilis, Jugendirresein 274, 
Gefängnispsychosen 275, Unterbrin* 
gung von Verbrechern 279, Gemein* 
gefährlichen 511, 701, Anomalien 
der Gliedmafien ^0, Schädelmafie 
280, Gehirnsyphilis 617, Melancholie 
619, Heeresangehörige 620, Gedan* 
kensichtbarwerden 620, degeneratives 
Irresein 700, Bindendefekte der 
Stirn* und Zentralwindnngen 701, 
Folie ä deux 839, bei den Juden 
841, Amentia 877, hatatoniscber u. 
hysterischer Stupor 878, Strafvollzug 
bei Minderwertigen 880, bei Geistes* 
kranken 880. 

Genickstarre, epidemische 84, 724, 
Therapie 554, Heilserum 78,104,812, 
458,554,723,724, Wesen, Verhütung, 
Bekämpfung 104, Meningokokken- 
Spermatocistitis 103, Prophylaxe 104, 
Bedeutung der Bachenerkrankong 
103, Agglutination 312, Abgrenzung 
von anderen meningealen Erkran* 
kungen 104, bei Kindern 312, Lum* 
badpnnktion 312, im höheren Lebens* 
alter 458, Komplikationen 724. 

Gerichtliche Medizin, Fettembolie 1, 
Fortbildungskurse 183, Kehlkopf* 
verletzunsren 205. Heilmasmetismus 


207, Haft- und Terminfähigkeit 207, 
Wichtigkeit der Photographie 217, 
Untersuchungen v. Körperverletzun* 
gen 250, IV. Tagung der Deutschen 
Gesellschaft 491. Ausbildung in 
Psychiatrie 549, Zurechnungsfähig¬ 
keit 620, Kongreß für Kriminu* 
anthropologie 777, forensische Pho¬ 
tographie 875. 

Gerichtlicher Termin, Ladung 144. 

Geschäitsjubiläum 89. 

Geschlechtsempfindungen, krankhafte 
773. 

Geschlechtskrankheiten, Beziehung zur 
Neurasthenie 140, Taschenbuch 181, 
in Oesterreich 229, 777, Aufklärung 
der Jugend 297, o8A Prophylaxe, 
Gesindeordnung 331, Häufigkeit 375, 
Heilschwindel 729, Verbreitung an 
den Mittelschulen 884, Prostituuons* 

E olitik u. Sittenpolizei 884, Animier* 
neipenwesen 

Geschlechtsschwäche 523. 
Geschlechtstrieb 68, Sexualbiologie 69, 
Entstehung 442, Ursachen 615. 
Geschwülste, Chorionepitheliom - ähn¬ 
liche 205, s. auch Ulcus. 
Gesundheitswesen, Bericht, Preußen 
488, 668. 

Gewerbekrankheiten, Beurteilung des 
Zustandekommens von Vergiftnngs* 
u. Infektionskrankheiten im Betriebe 
142, Blutverändernngen bei Seiden* 
Spinnerinnen 560, Phosphorismus 561, 
Bleierkrankungen 561, 671, Arbeit 
mit künstlichen Düngemitteln 562, 
892, Steinhauer 293,Studium 777, Ver¬ 
giftung durch Morphin und Opium 
880, Glashttttenarbeiter 892. 
Gewerbehygiene und Arbeiterschutz 
521, Landesgewerbearzt 642. 
Gewöhnung nach Unfallverletzungen 
210 . 

Gießfieber 291. 

Gifte, Handel in Filialgeschäften 111, 
Wirkung nikotinlreien Tabaks 204. 
Glashüttenarbeiter, Krankheitsgefah¬ 
ren 892. 

Gliedmaßen, Anomalien bei Geistes¬ 
kranken 280. 

Glykosurien, Lebensversicherung 211. 
Glyzerin, bakterizide Wirkung 626. 
Gonorrhoe, Kontrolle 330, Behandlung 
523, seltene Formen 5^. 

Granulöse 199, 847. 

Greisenalter, in forensischer Besiehnng 
841. 

Grnndwasser, Schwankungen 785. 
Gummihandschuhe 732. 

Gynäkologie, Lehrbuch 88. 

Haarkrankheit, epidenrische 455. 
Haft* und TerminfäluKiioll 207. 



Sach-BegiBter. 


XXXIIl 


HaadarbeiUuntorricht in der Hills* 
schale 296. 

HarnleiterTerengong nach Unfall 24. 

Haas Wirtschaft, Unterricht 387. 

Haatdosinfektion 556. 

Hautkrankheiten, Taschenbach 181. 

Hebammen, Bestrafung 40, Meldepflicht 
bei Wochenbettfleber 73, beim Tode 
der Wöchnerin 112, Begelang des 
Hebammenwesens 109, 193, 212, 
Gebühren 213, 256, 415, Versehlep- 
ang Ton Schälblasen 271, Fähig- 
eiten der Aspirantinnen 348, Zahl 
348, in England 348, Syphilis 349, 
Mitwirkung bei der Säuglingspflege 
437, Delegiertentag 455, in Bayern 
529, Hebammenordnang 567. 

Hefeinfektion der Meningen 311. 

Heilkanst und Kochkunst 142. 

Heilsera, Giftigkeit 307. 

HeUstättenbehandlong 595. 

Heimarbeit in Enp'land 893. 

Heirat, heiratsfähiges Alter 421. 

Heiflluftzimmer, im Trockensterilisator 
782. 

Heizung, von Schalen 298, Verunreini¬ 
gung der Luft durch Kohlenoxyd 
367, durch Gas 881. Staubzersetzung 
auf Heizkörpern 559, Ton Bestaura- 
tionen 734, Zentralheizungen 889. 

Helminthen. Absonderung giftiger Sub¬ 
stanzen 376. 

Heroin. Vergiftung 370. 

Herz, Inhalt bei Erstickung 92, Frag¬ 
mentation und Segmentation des 
Muskels 205, Mors subita der Herz¬ 
kranken, spontane Heilung der Herz¬ 
wunden 440, Einfluß der Berufsarbeit, 
des Militärdienstes auf die Herzgröße 
560, Stenose des Pulmonalostiams 
622, Zerreißung der Vena coronaria 
cordis 714. 

Himhautentzflndung und Unfall 848. 

Homosexuelle 277, 616, Hardenprozeß 
278. 

Hühner, Spirillose 226, Hühnerdiphthe- 
lie und Geflügelpocken 227, Bak¬ 
terien in Eiern 241. 

Hygiene, schalhygienisches Taschen¬ 
buch 67, Jahresbericht 181,597,669, 
Museum 245, yolksbygienische Weih- 
nachtsgedanken 2^, Schulhygiene 
296, Bedeutung des fünfstündigen 
Vormittagsunterrichts 834, hygien. 
Erziehung 348,639, Volkhygiene 387, 
Kongreß 350, 351, 454, 456, 708, 
Ausstellung 455, internationales Bu¬ 
reau 489, Gewerbehygiene 521, Weh- 
nungshy^ene 522, weibliche 565, 
Gartenst^t 629, Verzögerung der 
Genehmigung gesundheitlicher An¬ 
lagen 629, Eisenbahnbyg^ene 743, j 
in Nahrangsmittelhandlangen 891. I 


Hygienol, bakterizide Wirkungen 627. 

Hymen, drei Fälle von Persistenz in 
derselben Familie 442. 

Hypnotismus 189, 773. 

Hysterie, Betentio urinae 23, Patellar- 
reflexe 23, Worttaubheit 188, 
hysterische Einzelsymptome nach 
Unfall 209, Dämmerzustand 548, 
Lähmung durch einen Schuß 621. 

Jahresbericht der Kreisärate 20. 

Ichthyismus choleriformis 241. 

Immunitätsforschung, Jahresbericht 
564. 

Impfung, subkutaneVakzineinjektionen 
96, 313, protrahierte Inkubations¬ 
zeit 96, Impfbeschädigung 205, 
Statistik 247, 568, Eczema yacdna- 
tum 269, 554, Aufbewahrung der 
Lymphe bei Landreisen 410, aus¬ 
ländischer Aerzte, mit ausländischer 
Lymphe 568, Ernährung der Erst- 
impdingeOOO, Spanien 600, Impfarzt 
keu Beamter 778, Jahreszeit der 
Impfung 847, Vakme-Impfinfektion 
869. 

Influenza 28, Bazillen in den Bronchien 
324, encephalitis 589. 

Inyalidenyersicherung, Verwaltungs- 
fragen 900. 

Irrenwesen, Leitfaden 108, Kongreß 
524, Fürsorge, Baden 599.'861, &it- 
geber für Irrenärzte 669, Irren- 
pflegekoDgreß 673, Heilangsanssich- 
ten in der Irrenanstalt 742. 

Jackepidemie in München 519. 

Kadayer, Vernichtung — Verwertung 
479, Abwässer - Beseitigung 630. 

Kaffeeersatzmittel 483, Zichorie 484, 
638, 788. 

Kalender für Medizinalbeamte 778, 
818, 899. 

Kali chloricum, Wirkung auf den 
Kreislauf 208. 

Kalisalze, Vergiftung 89. 

Kamerun, Ankylostoma und andere 
Darmparasiten 229. 

Kautabaksaft, Vergiftung 508. 

Keflrmilch als Säuglingsnahrung 635. 

Kehlkopf, Verletzungen 205. 

Kindbettfieber, Begriff 322. 

Kinder, Schatz 255, Sterblichkeit 257, 
psychische Störungen 549, Fürsorge 
für die schulentlassene Jagend 639, 
Kindermord 647, Eiweißbedarf 670, 
jugendliche Verbrecher 719, Spiegel¬ 
schrift 719, Medaille für Kinder- 
fürsorge 776, Kontaktinfektion mit 
Taberkulose 848, Neryosität 296, 
485, 894, Ernährung 894. 

Klimakterium, Psychosen 138. 

Kniegelenk, seltene Verletzung 881. 



XXXIV 


Sach'Begiater. 


Eoeh, Robert Koch > Stiftaag 70, 143, 
18^ 268, 489, 599, Kommers 148, 
Ehrong in Amerika 800, in Japan 
599. 

Kochknnat and Heilkonat 142. 

KOrperkoltor, in Krakau 344, Volks¬ 
und Jugen^piele 420. 

Kohlenoxyd, Spät- und Nachiritkung 
des im Betriebe eingeatmeten 210, 
Vergiftung 571, 622, 881, 893. 

KoUargolinjektionen bei Infektions¬ 
krankheiten 308. 

Kopflastträgerinnen 293. 

Kostkinderwesen 414. 

Krankenanstalten, Infektion durch 
Erankenräumo 841, Desinfektion Ton 
Abwässern 641, das Kreiskranken¬ 
haus auf dem Lande 654, 779, 
moderner Krankenhausbau 672, 
Büchereien 784, 895. 

Erankenpflegewesen, Taschenbuch 181, 
Verbesserung 212,255, Kongreß 525. 

Krankenversicherung, der land- und 
forstwirtschaftl. Arbeiter 417, An- 
neiversorgung 642, Bezug von Inva¬ 
lidenrente und Krankengeld 862. 

Krankhdten, ansteckende. Wochen- 
nachweisungen 40, 71,144,184,216, 
260, 352, 389, 456, 492, 525, 643, 
708, 777, 818, 861, 902, Verhütung 
der Verbreitung durch Schalen 46, 
unbekannte, an Flecktyphus er¬ 
innernde Krankheit in der Mand¬ 
schurei 101, Disposition u. Virulenz 
224, Seuchengesetze 251, Infektion 
durch Erankenräumo 341, Verbrei¬ 
tung durch Wasser 384, üebertre- 
tung von Absperrongsmaßregoln 456, 
IJebertragang durch Bibliotheken 
500, Krankentransport u. Epidemie¬ 
dienst in großen Städten 731, Lehr¬ 
buch 774, Volkskrankbeiten in Ka¬ 
merun 886. 

Krebsforschung 418, 901. 

Kreisärzte, Tagebuch u. Jahresbericht 
20, Abänderung der Dienstanweisung 
39, Gebühren bei Konzessionierung 
ewerblicher Anlagen 71, Ergebnisse 
er kreisärztlichen Prüfung 148, 
Dienstalters-, Pensionierungs-, Sterb- 
üchkeitsverhältnisse 145, amtliche 
Stellung, Gehalts-, Pensionsverbält- 
nisse, Gebühren 59, 160, 525, 760, 
778,789,819, Dienstaufwand 59,160, 
Bauschvergtttungen 298, Gehaltsver¬ 
besserung 849, in Bremen 464, Be- 
au&ichtigung der Bergwerke 457, 
Gebühren für Obduktion Unfallver¬ 
letzter 552, Medizinalbeamter und 
ärztliche Praxis 667, Untersuchung 
des Gesundheitszustandes von Leh¬ 
rern 746, Wählbarkeit zum Stadt¬ 
verordneten 746, Reisen wegen 


Schnlsohließongen 862, Dienstweg 
für Berichte 862. 

Kreislauf, Wirkung von Kali chloricum 
203. 

Kresolseife 58, 805, 878. 

Krüppelfürsorge 1^, 840, Zeitschrift 
567. 

Kunstfehler Kasuistik 207. 

Kurpfuscher 456, Gesetzentwurf 110, 
115, 257, 656, 673, 817, Bekämpfung 
349, 491, Geschlechtskrankheiten 
729, im 18. Jahrhundert 870, Aus¬ 
stellung in Dresden 902. 

Kurzsichtigkeit 296,' 688. 

ütudgemelnden, Kanaliaation 889, 

Landesgewerbearzt 642. 

Lateralsklerose und Unfall 281. 

Laugenverätzu^en 509. 

Lebensdauer, Wachstum, Ernährung 
669. 

Lebensversicherung, Glykosurien 211. 

Leibesübungen 212, 344, Volks- und 
Jagendspiele 420. 

Leichen, Leichenschau 186, 562, Ein¬ 
äscherung 300, 346, Leichenhäuser 
847, Urobilin ün Blut 370, Leichen 
in Nubien zu römischer Zeit Hin¬ 
gerichteter 505, landschaftlicher 
Zentralfriedhof 564, Fäulnis 714, 
hämolytische Erscheinungen 715, 
Verletzungen u. Verstümmelungen 
im Wasser 717. 

Leuchtgas, Vergiftung 843, 898. 

Leukämie, nach Unfall 41. 

Leyden-Stiftung f. Krebsforschung 901. 

Lezithin, bakteriologisch interessante 
Eigenschaft 517. 

Luft, Verunreinigung mit Kohlenoxyd 
durch Heizung 367, Reinigung durch 
Ozon 476, LiUtung von Schalen 298, 
zentrale Lüftung 731, Lüftung von 
Restaurationen 734. 

Langen, Schwimmprobe 21, Lungen¬ 
probe 510, Erkrankung nach Unfall 
551, Fäulnis bei Neugeborenen 837. 

Lupus, Bekämpfung 214, 776. 

Lysol 53, 305, 378, Vergiftung 509. 

Magnetismus, Heilmagnetismas und 
Heilmagnetiseure 207. . 

Malaria in Jever 80, Bekämpfung 286, 
332,729, Prophylaxe 287, Parasiten- 
träger 588. 

Mann und Weib 773. 

Massöse 602. 

Medizin, innere 111. Handbuch der 
Unfallmedizin 249, intemat. Kongreß 
259, soziale Medizin 200, Schalen 
für Tropenmedizin 288, Reisestipen¬ 
dien 524, Real-Enzyklopädie 596, 
vergleichende Volksmedizin 744. 

Medizinalbeamte, Gehaltsordnung in 



Sach-B«giiter. 


XXXV 


BAyera 188, 565, FoAbildaag 183, | 
Kalender 778,818,899, Einkommens* | 
Terbesserong in Prenßen 760, 789, j 
819,899, Wohnongsgeldzascbaß 816, . 

Medixinalbeamtenyereine, preaß. 260, i 
492, 526, 603, 644, 645, 675, Leit- I 
sitze zar Tagesordnong der XXV. i 
Hanptrersammlang 656, Jabilinms- 
feier 692, bayer. 488, wflrttemb. I 
352. 

Medizinalkolleginm Sachsen 817. 

Medizinalstatistik, Jahresbericht 181, 
597. 

Medizinaiwesen, im preofiischen Staats- 
hanshalt 57, 161, 185, in ^aB* 
Lothringen 66, 183, in Bayern 257, 
im früheren Königreich Hannoyer 
668, das preußische Medizinal* u. Ge* 
sundheitswesen 1888—1908, Fest* 
Schrift 896. 

Melancholie 619. 

Meningismus, Diagnose 452. 

Meningokokken * Spermatodstitis 108. 

Mensch, das spezifisch Menschliche 386. 

Menthol, Vergiftung 585, 

Meßpipetten 731. 

Milch, fttr Säuglinge 31, 82, 33, 685, ' 
dänische 88, Milchkttdien 81, 243, i 
üebergang yon Arzneimitteln in die 
Fraueiunllch 88, Verkehr 186, biologi* 
sehe MUchdifferenzierung 481, Ver* 
nnreinigung durch Holz u. Zinn 481, 
Ziegen^ch, Ziegen-, Schafbutter 
482, Milch in Amerika 683, in Mon* 
teyideo 634, Kefirmilch 685, perl- ; 
sflditiger Kfihe 848, 851, Milohyer- | 
sorgnng 895. 

MHk. Zerreißung 886. I 

Milzbrand, 30, 409, 416, Bekämpfung 
69, als DnfaU 283, Bacillus 811. 

Minderwertige, StrafyoUzug 880. 

Mitralklappen, Insuffizienz nach Unfall 
720. 

Mord, yon Kindern durch eine Hut¬ 
nadel 647, Giftmord mit Kalium 
bichromicum 747. 

MOrder, Schädel-Gesichtsi^pus 718. 

MttUbeseitigung 383,682, Verbrennung 
890. 

Mttskelatrophie 619, Unfall 281. 

Mutterschaftsyersichernng 82, 244. 

Myasthenia grayis 619. 

Myelitis und Unfall 281. 

Myiasis interna 802. 

Myopie 296, 688. 

Myositis bei Leuchtgasyergiftung 848. 

Kabelsduimr, Abstoßung 22, 699. 

Nachtarbeit, Physiopathologie 294. 

Nagelpigmentation bei Syphilis 229. 

Nahmngs* u. Genußmittel, Vergiftun¬ 
gen Fleischyergiftung 101, 480, 


Deutschland 84,Chemie 182, Schlacht* 
yieh- u. Fleischbeschau 212, Essig¬ 
essenz 212, Bakterien in Hühner¬ 
eiern 241, Ichthyismus choleriformis 

241, Fleisch - Eonseryierungsmittel 

242, Fleischkonseryen 243, Nahrungs¬ 
mittelrecht 252, Kontrolle 189, 256, 
Fälschung 525, Infektion mit Typhus 
821, Einwirkung der Genußmittel 
auf den Organismus 385, Bazillen 
im Brot nach dem Backen 481, 
Eierkonseryierung 482, Unter- 
suchungsanstalt 628, Wurst-Zube¬ 
reitung, -Vergiftung 787, Hygiene 
in offenen Verkaufsstellen 891. 

Narkose, Chloraethyl 208, Stickozydul 
869, 439. 

Nase, FremdkSrper darin 93, 205, 
Krankheiten der' Nasesoheidewand 
744. 

Naturforscher, Versammlung 299, 601, 
707. 

Neryenchirurgie nach UnBUlen 622. 

Neryenkranke, Neurasthenie u. Unfall 
26, Angst 109, sexuelle Neurasthe¬ 
nie 140, im russ.-japan. Kriege 276, 
Arbeitsbehandlung in Heiutätten 
378, Erwartungsneurose 549, Simu¬ 
lation 621, Belehrungen 778, neryOse 
Störungen nach Unfall 881. 

Neryosität bei Schulkindern 296, 485, 
894. 

Neugeborene, Blenorrhoea 3L intra¬ 
kranielle Blutergüsse 441, Ermitte¬ 
lung nach dem BöntgenbUde, ob er 
geatmet 510, kongenitale Haut¬ 
defekte 647, 607, Böntgendurch- 
leuchtung 699, pulmonale Atelek- 
tasie 700, Fäulnis der Lungen 887. 

Neuritis und Unfall 872, 848. 

Neurose infolge Einstellung der Bente 
845. 

Nierenleiden, Simulation 864. 

Nitroglycerin, Indifferentismus dagegen 
268. 

Nobelpreis 861. 

Nystagmus, professioneller 292. 

ObduktioBy Apparat zum Fhderen des 
Kopfes 897, Unfallyerletzter 552, 
gerichtliche in Bayern 565, Technik 
bei Fällen yon Wirbelfraktur 698. 

Ohr, Schulohrenärzte 566, Ohrunter¬ 
suchung bei SchulUndem 687. 

Opsonine 807. 

Osteomyelitis der Bippen 281. 

Otologische Gesellschaft 566. 

Ozon, Luftreinigung 476. 

Paralyse, u. Alkohol 22, Symptoma¬ 
tologie 187, im Unterofflsierstand 
187, Prognose 871, Augenbefunde 

m «1 A kW 1 n_i__ 





XXXVI 


Sach'BegiBter. 


dem Tode 584, konjagale Paralyse | 
618, kongenitale Lues 840. 

Patellarreflexe, Hysterie 23. 

Parlamente, Verhandlangen s. 8. XXVL 

Personalien, Althoff 776, Baer 184, 

▼. Esmarch 184, Qeorg 777, Holle ' 
776, Koch 143, 300, 599, Kornfeld 
39, Lassar 39, Meder599, Salomon 641. 

Pest, in Japan 95, Infektion von 
Fischen 95, Immnnisiemng 313, 554, 
in Sansibar 589. 

Phagozytose 224. 

Phosphor, Vergiftung 561, 614, Phos- 
phorozychlorid 713. 

Photographie, Wichtigkeit für gericht¬ 
liche Medizin 217, 875. 

Physikatsärzte in Deutsch-Ostafrika 
902. 

Piroplasmose, AtozyWersuche 228. 

Pissoirs mit Torfit 236. 

Pocken 185, Varizellen b. Erwachsenen 
723. 

Poliomyelitis anterior 444. 

Polizeiwesen, Paychologie u. Psycho¬ 
pathologie 279. 

Praezipitierende Substanzen, Bildung 
bei Injektion yon Aleuronat 439. 

Prostitution 70, und Staat 728, Pro- 
stitutionspolitik u. Sittenpolizei 884. 

Protozoologie, Praktikum 66. 

Psychiatrie, Lehrbuch 67, Abnormitäten 
der Aszendenz in Beziehung zur 
Deszendenz 138, Jahresbericht der 
Münchener Klinik 139, Fortbildungs¬ 
kurse 183, 512, Psychotherapie 139, 
Ausbildung in gericbtlicher 549, 
Leitfaden 596, Serodisgnostik 837. 

Psychologie, der Aussage 278, 372,666, 
im Polkeiwesen 279, Beligionspsy- 
chologie 879, internationaler Kurs 
für Psychologie u. Psychiatrie 902. 

Psychosen, Kombination 22, Zwangs¬ 
neurose 136, im Klimakterium 138, 
Ursachen 140, akute traumatische 
208, nervöse u. psychische Erkran¬ 
kungen nach Betriebsunfällen 208, 
843, Qefängnispsychosen 275, psy¬ 
chische u. nervöse Krankheiten im 
ruBS.-japan. Kriege 276, Korsakow- 
sdie 277, 511, Körpergewicht 372, 
arteriosklerotische Seelenstörnngen 
443, Poliomyelitis 444, posttraumati¬ 
sche Bewußtseinsstörungen 444, De¬ 
mentia posttraumatica 445, Psycho- 
pathia sezualis u. Epilepsie 445, im 
Kindesalter 549, Zwangsbewegungen 
bei zerebralen Herderkrankungen 
511, atypische Psychosen nach Un- 
faU 720. 

Qaellen^ Schutzgesetz 69, 182, 256, 
298, 415, Schwankungen der Aus- 

I7QK 


Baueb) Belästigung 188, Baucbscbftden, 
Bauwplage 381, Staub- und Buß- 
bestimmnng 883, Bauch- und Buß- 
frage 671. 

Bechtshändigkeit 877. 

Bechtskundo, ärztliche 250. 

Bekurrensspirochäten 225, 226. 

Beisekosten, Berechnung 71, 112, 
Bauschvergütungen 298. 

Beligionsp^ychologie 879. 

Besorzin, Vergiftung 507. 

Bettungswesen, internat Kongreß 300, 
455. 

Bezeptologie 69, 141. 

Bheumatismus, entstanden während 
Krankenbansbehandlung wegen Un¬ 
falls 514. 

Böntgcngesellschaft 143. 

Bückfalltyphus, Bekurrensspirochäten 
225, 226. in Kiew 314. 

Buhr 813, Epidemie 29, in Tsingtau 589, 
Tozin u. Antitozin der Bazillen 725, 
Differenzierung d.Biüiter. 725, Para¬ 
dysenterie 726, Bazillenträger 726. 

Saehverständlge) Vereidigung 212. 

Sarkom nach Unfall 210. 

Säuglinge, Milchküchen u. Beratungs¬ 
stellen 31, 243, 895, Fürsorge 31, 
212, 257, 412, 413, 414, 581, 637, 

788, 894, 895, Ernährung 32, Sterb¬ 
lichkeit 33, 245, 739, Mutterschafts- 
Versicherung 244, Häufigkeit der 
Tuberkulose 329, Mitwirkung der 
Hebammen bei der Sänglingspfiege 
487, Säuglings- u. Kinderpfiege 600, 

789, zinkhaltige Saughütchen 607, 
Pasteurisierung der Milch 635, Kefir¬ 
milch 635, Säuglingsheim 636, 
Schädlichkeit von Brotsuppen 636, 
Ernährung und Tuberkulose 849, 
kutane Tnberknlinreaktion 851, 
plötzliche Todsfälle 876, Anstalts- 
pfiege kranker Säuglinge 895, Zen¬ 
tralstelle für Säuglingsfürsorge und 
Mutterschutz in Hessen 902. 

Schädel, Maße und Beruf 280, Bruch 
durch Hundebiß 569, Bruch des 
Schädeldaches 835. 

Schälblasen, Verschleppung durch 
Hebammen 271. 

Schamgefühl 68. 

Scharlach, Unfall 514, Serum 519, 
Serodiagnostik auf Syphilis 727. 

Schenkelbrnch durch Unfall 551. 

Schiedsgericht, Würdigung des ärzt¬ 
lichen Gutachtens 25. 

Schimmelpilzsporen, Inhalierung 850. 

Schlachtvieh- u. Fleischbeschau 212. 

Schlafkrankheit 39, 70, 184, 214, 287, 
833, 746. 

Schlafburschenunwesen 783. 

.QaKI AnnfAtiorHf flsvliviiwaAvnm QAß f\91 



Sach« Register. 


xxxvn 


Schmerzempfindlicbkeit, bei Degene- ' während der Qeburi 686, dnrdi Er« 

rauten 23. j schießen 605, ongewOhnlieher 885. 

Schornsteine, Schatz geg. Witterangs- ; Septische Infektion and Angina 828. 

einflttsse 476. Senun, zytotoxische a. zytotoope Wir« 

Schalärzte 297. 336, 490, 742, Schal« hangen 224, Qewinnang yon Anti« 
Ohrenärzte 566, Erfahrongen 640, sernm 899. 

Bericht 740. Sexasüileben 68, Biologie 69, Kontra«, 

Schalen, VerhUtang der Verbreitang Homo-Sexaalität 110, 277, 278, 616, 

ansteckender Erankhdten 46, schal- 840, Belehrang 297, 336, 566, 884, 

hygienisch. Taschenbach 68, Hygiene i sexaelle NearMthenie 140, Frtthreife 
296, 388, 484, 485, 490, Kongreß | 616. 

351, Scholschließong 216, Trink- | Simalation, Unfall 261, Qeisteskrank- 
springbrannen 237, Nervosität 296, ! beiten 273, 493, Tastläbmang 550, 
4%, 894, Erziehangsfragen 296, | bei Unfallneryenkranken 621, Nieren- 
Vorbengang der Myopie, Ueberbttr- i leiden 864. 
dang o. wahlfreier Unterricht 296, { Sklerom 375. 

638, Bedeatnng des Handarbeits- ' Sklerose, moltiple and Unfall 209. 
onterrichts 296, Hie Arzt — hie | Sommerfieber 887. 

Lehrer 297, geschlechtliche Aafklä« ' Sozialmedizinische Aoskanftsstellen 
mag 297, 336, 566, 884, SchOler- | 743. 

speisangen 297, Säaberang der Soldaten, römische, Verpflegong in 
Schalbank, Schalbäder 298, Heizong Deatschland 34, Geisteskranke 620, 
a. Lflftong 298, Stottern 833, Selbst- HUfsschalzOglinge a. Militärdienst¬ 
mord 333, fttnfstOndiger iVor- eignang 740. 

mittagsonterricht 334, englisches Sperma, Fcststellang 510, 615, Azoo« 
Unterrichtsgesetz 337, fagenlose spermie 717. 

Faßboden 341, Verbot des Korsetts Spiegelschrift 719. 
beim Tarnen 387, haaswirtschafü. Spirüiose der Hühner 226. 

Unterricht 387, Schwachsinn, Schwer- Spirochaete pallida 27,375, Rekorrens- 
hOrigkeit 414, 415, körperliche Zttch« spirochaeten 215, 226. 
tigang 485, Schatz der nervösen Staatshaasbalt, Deatsches Reich 212, 
Jagend 485, Hilfsschalen 415, 486, 255, 860, Preußen 57, 160,185, 212, 

740, Alkohol-Bekämpfang 487, ortho- 256. 

pädischerSpieikarsas 487, Speigefäße Stadtarzt in Münster 902. 

488, Brausebäder 488, Uebertragong Stadtgesandheitswerke, Verzögerung 
ansteckender Krankheiten durch der Genehmigong 629. 

Schalbibliotheken 500, Atteste für Staub, Straßenteerang 236, 383, qoan- 
SchnlbehOrden 566, Taberkolose im titative Bestimmung 383, Staabzer- 
scholpflichtigen Alter 594, Schale setzang aaf Heizkörpern 559, in 
and Brot 598, Ohrontersachangen Schalen 839, 640. 

637, Fürsorge f. d. schulentlassene Stechmücken, Bekämpfang 632. 
Jagend 639, hygienische Erziehnng Steiahaaer,EinflDßde8Steinpalvers293. 

639, Erholungsheim f. schwächliche, Sterblichkeit, im Mittelalter in Frank¬ 
kränkliebe Schüler 640, Kampf gegen fart a. M. 249. 

den Staub 839, 640, Schalbäder 671, Sterilität, weibliche 245. 
Alkoholvergiftung eines Schulkindes Stillen, Einflaß der Ernährung 33,^, 244, 
707, Einrichtang der höheren Schalen Unfähigkeit 243. 

740, Rückgratsantersuchangen 740. Stoffwechsclversuche 670. 

Schüsse, Kriterien des Nahschusses , Stottern 333. 

206, Verletzung der Aorta 389, Storakokain, Vergiftang 89. 
Flobertpistole 507, 749, 863, bysteri- Strafvollzug, bei Minderwertigen 880 
sehe Lähmong 621. | Geisteskranken 880. 

Schwachsinn 414, 415, moralischer Straßen, Teerung 236. 

840. Saggestion 139. 

Schwangerschaft. Geisteszastand 276. Syphilis, in Nordafrika 108, Atoxyl 
Schweinerotlaaf 311. bei Affen- u. Kaninchensypbilis, bei 

Schwerhörigkeit u. Schwachsinn 414. Syphilis und Framboesie 228, 554, 

Seidenspinnerinnen, Blatveränderan gen Nagelpigmentation 229, Bekämpfang 

560. in Oesterreich 229, Häufigkeit und 

Selbstmord, aas Lebensttberdruß, kein Prophylaxe 331, 375, der Hebammen 

Unfall 211, and Alkohol 277, yon 349, Diagnose 553, Gehimsyphilis 

Schülern 333, durch Verbrennung 617, Serodiagnostik und Scharlach 

393, Selbstmord oder Unfall 547, 727,^728, kongenitale Lues a. Para- 



XXXVUI 


Sach • Begister. 


lyse 840, bei prihistoriecheii Aegyp* 
tern 877, SerodUgnostik 888. 

Syringomyelie und Uniall 209, 618. 

Tnbftk) nikotinlreier, Wirkong 204, 
Gefahren des Qennsses 26b. 

Tabes und Unfall 98, 446. 

Tapeten, bleifarbenbaltige 402. 

Tanbstnmme, Fürsorge 840. 

Tancbelektrode 680. 

Telephonieren, Einwirkong auf die 
Tuephonistinnen 292. 

Tendinitis 447. 

Tetanns 589. 

Therapie, Leistangen i. J. 1907 669, 
heilenae Strahlen 672, KonneA für 
Hydrologie, Klimatologie, Geologie 
and physikalische Therapie 817. 

Tbiosinamin, Vergiftong 439. 

Todesfälle, plötzliche, anerwartete 272, 
718,876, bei Herzkranken 440, durch 
Sturz aus der Hohe 547, im Ündes* 
alter 587, 876, Mors thymica 687. 

Todesorsacbe, Diagnose d. Erstickung 
368, Fettembolie 713. 

Tollwut, Schutzimpfung 810, Jahres* 
berichte der Wutschutzabteilangen 
809, 810. 

Torfitpissoirs 286. 

Totenstarre 442, Beeinflussung durch 
Calcium und Magnedum 876. 

Totgeborene, Bigor mortis 442. 

Trachom, Behandlung, Kongreß 832, 
Unfall 446. 

Trinkspringbrunnen 287. 

Trunkenhdt, akute 180. 

Trypanosomen 626. 

Tsetsefliege 227. 

Tsutsugaumshikrankheit 30. 

Tuberkulin 449, 460, kutane Impfung 
698. 

Tuberkulose und Unfall 24, 286, 378, 
874, 446, Erkennungsmittel 28, des 
Bamllns Wachstum 106, Zttchtung 
824, Pleomorphie 325, Wirkung 
auf die Haut 325. Formaldehyd 105, 
Tuberkuloseforscnung 105, Longen* 
phthise 325, Bekämpfung 106, 330, 
Haut* und Ophthalmoreaktion 107, 
827, 828, 450, 451, 452, 591, 592, 
598, 594, 697, 851, 853, Bedeutung 
der Atmungs* u. Verdauungsorgane 
für die Inf^tion 106, Heilstätten- u. 
InraUdenheime 108, Tuberkulose in 
'Nordafrika 108, Diagnostik u. The¬ 
rapie 141, 816, Lupusbekämpfung 
214,776, Ptyophagon 230, Belehrung 
266, Anzeigepflicht *,.330, Endome¬ 
tritis decidualis, Laesion der Neben¬ 
nieren, Hautre^tion gegen Tuber¬ 
kulin 326, Absorption d. Tuberkulins 
vom Mastdarm aus 329, Häufigkeit 
im Säoglingsalter 329, Behandlung 


in den allgemeinen Krankenhäusern 
329, Alkoholismus 341, Bekämpfung 

817, Deutsches Zentralkomitee 300, 
361,418, Internat. Kongreß 143, 862, 
666, 708, Bekämpfung auf d. Lande 
578, 695, 856, im schulpflichtigen 
Alter 594, Heilstättenbehandlung 
596, Kompendium der Lungentuber¬ 
kulose 598, Kontaktinfektion im 
Kindesalter 848, Infektion durch 
Milch perlstichtiger Ktlhe 848, 851, 
Inhalieren von Sputumstaub 849, 
860, Säuglingsemährnng n. Tuber¬ 
kulose 849, Disposition 849, Durch¬ 
gängigkeit des Darms für Bazillen 
850, Infektionswege 850, 851, Wert 
der BOntgendiagnostik 852, primäre 
Darmtaberkulose bei Erwachsenen 

854, Immanblat854| Antituberkulose- 
serum 855, operative Beeinflussung 

855, Unterbringung Schwerkranker 
855, Bekämpfung, Fttrsorge fflr 
Phthisiker 856, Kontrolle in Schott¬ 
land 858, Anzeigepflicht in England 
858, Sputumgläser 859. 

Turnen, Verbot des Korsetts 387, 
orthopädischer Spielkursus 487. 

Typhus, Wachstum des Bakterium 
typhosum 97, Bakterium coli com¬ 
mune als Sepsiserreger 97, Diagnose 
durch Blutuntersuchung 97,814,615, 
Agglutination 98, 314, mittels Ba- 
ziUenemulsion u. Fickerscbem Diag- 
nosticum 98, Bakteriaemie 98, 888, 
Agglutination 98, Anreicherun g durch 
Gallenkultur 98,708, Komplikationen 
99, Zeit der Ansteckung 99, Pro¬ 
phylaxe 99, Bazillenträger )00, 101, 

818, 704, 867, in Irrenanstalten 319, 
polizeiliche Maßnahmen bei Bazillen¬ 
trägern 576, Fleischvergiftung 101, 
Verbreitungsweise 113, Tod an 
Typhus ^ Betriebsunfall 284, 
Aetiologie des Parat^hus 301, 
klinische u. bakteriologische Beob¬ 
achtungen 815, Koffein - Anreiche- 
mngsverfahren 315, Malachitgrün 
als Nährbodenzusatz 316, Gallen- 
blutknltur 316, 317, Cholecystitis 
paratyphosa 318, in München 320, 
Nabrungsmittelinfektionen 321, Cho¬ 
langitis u. Cholecystitis bei|Bazillen- 
trägerin 515, Bazillen in der Zere¬ 
brospinalflüssigkeit 516, im Blute 
nicht typhuskranker Personen 516, 
^äte Agglutinationsreaktion 516, 
Herabsetzung der Agglutinierbarkeit 
703, Miscbinfektionen 517, Meta- 
typhuB 517, Paratyphus 101, 102, 
321, 706, Epidemie 589, Mischinfek¬ 
tion 590, Schadenersatzpflicht bei 
Eintritt von Abwaaser in me Wasser¬ 
leitung 518, Ophthalmoreaktion 



Steh« Register. 


XXXIX 


591, TTplms ia Berlin 677, in Qreiz 
704, in der Pfalz 705, Wert dos 
positiyen Widal 756, BazillentrBgerin 
als Infektionsquelle 867, akÜTO Im- 
munisation 888. 

UeberbflrduBg u. wahlfreier Unter¬ 
richt 296. 

Ulcus 28, corneae serpens 24, s. auch 
OescbwtÜste. 

Unfall, Hautemphysem u. Phtisis 24, 
Hamleiterrerengung 24, Ulcus cor¬ 
neae 24, Anhörung des behandelnden 
Arztes 448,846, Urteil auf Grund 
eines noch abzugebonden ärztlichen 
Gutachtens 26, Geisteskrankheit 26, 
Neurasthenie 26, Elinatmen giftiger 
Gkse beim Rettnngswerk 27, Leu¬ 
kämie 41, Tabes 93, 446, Spätläsion 
des Ulnaris 98, Wurmbebaftung u. 
Wurmkrankbeit 94, akute traumati¬ 
sche Psychosen 208, nervOse und 
psychische Erkrankungen 208, 843, 
hysterische Einzelsymptome 209, 
Syringomyelie 209, 518, multiple 
Sklerose 209, Sarkom 210, Spät- n. 
Nachwirkung von Kohlenoxyd 210, 
Gewöhnung nach Verletzungen 210, 
Selbmord ans LebensOberdrnß 211, 
Sinken der Unfallrenten 212, beruf¬ 
liche Vergiftungskrankheiten 212, 
Ebmdbuch der Unfallmedizin 249, 
Begutachtung von Verletzungen 260, 
Untersuchungen von Körperver¬ 
letzungen 250, Simulation 261, von 
Nervenkranken 621, Myelitis, 
teralsUerose, Muskelatrophie, Dy¬ 
strophia muscularis, Osteomyelitis 
der Rippen 281, Luxation des Nervus 
ulnaris 282, Verteilung auf Jahres¬ 
zeiten, Tage u. Stunden 282, Milz¬ 
brand 288, Tod nach Genuß ver¬ 
seuchten Trinkwassers 284, Ent- 
stellnng des Aussehens nach Unfall 
285, Lungentuberkulose 285, 378, 
374, 446, Lungenerkrankung 551, 
Arbeitsbehandlnng Nervenkranker 
378, Neuritis 372,843, posttraumati¬ 
sche BewustseinsstOrungen 444, 
Dementia posttraumatica 446, Pa¬ 
ralyse 445, Lähmungen 446, Trachom 
416, Tendinitis ossificans 447, Er- 
werbsverminderung bei Verlust des 
linken Arms 447, Einholung von 
Gutachten schiedsgerichtlicher Ver¬ 
trauensärzte seitens der Berufs- 

f enossenschaften 447, Basedowsche 
[rankheit, Akromegalie, Epilepsie 
518, Scharlach 514, rheumatische 
Beschwerden, entstanden während 
Hoepitalbehandlnng 514, Selbstmord 
oder Unfall 547, Tastlähmung 660, 
Zerreißung des Ductus tboracicus 


550, Schenkelbrnch 551, Leichen¬ 
obduktion 552, Lähmung des Ober- 
schulterblattnerven 621, Nerven- 
Chirurgie 622, Stenose des Pul- 
monalostiums 622, Radiographie zur 
Diagnosenstellung 623, Rinden¬ 
defekte d. Stirn-u. Zentral Windungen 
701, Blutvergiftung infolge Haut- 
verletznng 702, Verschlimmerung 
bestehender Unfallfolgen 708, atypi¬ 
sche Psychosen 720, Diabetes nadi 
psychischem Trauma 720, Insuffizienz 
der Mitralklappen 720, Appendicitis 
721, Wlrbelsäulenverletzungen 721, 
Gewinnung von Fnßabdrttcken 722, 
Herabsetzung der Rente 722, Höhe 
der Gebühren für ärztl. Gutachten, 
gerichtl. Vernehmung von Aerzten 
728, Pneumokokken-Meningitis 848, 
Neuritis u. Myositis bei Leuchtgas¬ 
vergiftung 848, professionelle Seh¬ 
schärfe u. d. entschädigungspflichtige 
Minimum 844, Mesenteriiüabreiflnng 
bei Kontusion des Abdomens 844, 
Atrophie des großen Gesäßmuskels 
nach Ueberanstrengung 844, Neurose 
infolge Einstellung der Rente 845, 
Verlust des kleinen Fingers, Vjt 
GUeder des Zeigefingers, Angewöh¬ 
nung 845,846, Bemessung der Rente 
bei schon vorher beeinträchtigter 
Erwerbsfähigkeit 846, Vergiftung 
durch Morphin n. Opium 880, Ein¬ 
atmung von Koblendunst 881, Ner¬ 
vOse Storungen 881. 

Urin, bysterisäe Retention 23. 

Urologie, Kongreß 861. 

Uterus, Perforation infolge kriminellen 
Aborts 91, Vergiftung durch Spülung 
mit Lysol 509. 

Vngnbuiideiifnmllle 275. 

Ventilatoren mit Bransevorrichtnng 
237. 

Verbandstoffe, Vernichtung gebrauch¬ 
ter 600. 

Verbrecher, Unterbringung geistes¬ 
kranker 279, Einteilung 718, Schädel- 
Gesichtstypus von Mördern 718, 
jugendliche 719. 

Verbrennung, Selbstmord 398. 

Vererbungslehre 851. 

Vergiftungen, durch Nahrungsmittel 
83, Benzoldampf 88, Essigsäure 89, 
892, Kalisalze 89, Stovakokäin 89, 
Blei 90, 255, 289. 420, 510, 561, 788, 
Cblorzink 90, Fleischvergiftung 101, 
480, 600, 614, 737, 891, berufUche 
Vergiftungskrankheiten 212, Wis- 
mnth268, Heroin 370, Eukalyptusöl 
371, Thiosinamin 439, Identitäts¬ 
nachweis 507, Resorzin 507, Arsen- 
wasserstoff 508, Kautabaksaft 508, 



XL 


Namen» Veraeicbnis. 


Belladonnainfns 608, Lysol 509, ' 
Fomamint 646, Kohlenoxyd 671. 1 
622, 881, 898, Alkohol 585, Menthol t 
685, zinkhaltige Sanghütchen 607, 
Atoxyl 614, Benzin 653, Phosphor 
561, 6l4, Phosphoroxychlorid 713, 
WarstTorgiltnng 737, Qiftmord mit 
Kaliom bichroinicom 747, Leuchtgas 
843, 893, Morphin u. Opium 880. 

Verkehr u. Verkehrsschäden 846. 

Veronal, Nachweis 883. 

Versammlungen u. Kongresse s. Tages¬ 
nachrichten s. S. XX VL 

Virulenz u. Disposition 224. 

Volkskrankheiten in Kamerun 886. 

Volks Wohlfahrt 70, 887, Volks» und 
Jugendspiele 420. 

WachftuD, Beziehung zur Lebens¬ 
dauer 669. 

Wasser, Untersuchung Ton Trink¬ 
wasser 6, an Ort und Stelle 859, 
bakteriologisch-chemischer Wasser¬ 
kasten 542, Trinkspringbrunnen 237, 
Uber Trinkwasser 238, Beobachtun¬ 
gen an einer Wasserleitung 239, 
Nachweis des Bakterium coli 239, 
Löslichkeit von Blei 240, Bntbräu- 
nung und Enteisenung 240, 480, 
Bedeutung für die Entstehung von 
Krankheiten 384, Enthärtung 384, 
Versorgung Ton Oemeinden 386, 
zinkhaltiges 479, Bttckhaltebecken 
480, gefährliche Anordnung des 
Ueberlaufrohrs 630, Tauchelektrode 
630, Trinkwasseryersorgung der 
Städte Tom chemischen Standpunkt 
734, Reinigung tou Mangan 735, 
Schwankungen der Qrundwasser- 
stände 736, Qmndwassergewinnungs- 
uilagen in Breslau 889. 


Weib und Mann 778. 

Wein, Statistik 35, Gesetz 212, 255, 
360, 774. 

WirbelsäulenTerletzungen 721. 

Wismutb, Vergiftung 268. 

Wochenbett, Lifektion Ton Mutter u. 
Kind 555, Wöebnerinnenfttrsorge 
775. 

Wochenbetlfiober, Meldepflicht der 
Hebammen 73, Anzeigepflicht 555. 

Wohnungen, hygienische Dntersnehung 
der japanischen Eauswand 235, der 
Arbeiter 185, in heißen Gegenden 
287, Trockenerhaltung 880, Bau¬ 
ordnungen u. Wohnungsreform 380, 
W ohnungsinspektor 420,Hygiene 522, 
Bebauungsplan 559, Einfluß schlech¬ 
ter Wohnungen auf die Gesundheit 
559, Wohnnngsinspektorin 599, Woh- 
nungsTerhältnisse in Frankreich 629, 
Rowton Houscs 629, Wohnungsfrage 
armer Leute 711, Wohnungsmangel, 
Eieinwohnungsbau, Ledigenheime 
733. 

Worttaubheit, hysterische 138. 

Wurmkrankheit 620, als Unfall 94. 

Wurst, Nachweis Ton Pferdefleisch 84, 
Zubereitung, Vergiftung 737. 

Zahnärzte) Gebührenordnung 180. 

Zahnpflege, in Schulen 638. 

Zahntechniker 110, 568. 

Zeugenaussagen, Psychologie, Falsch¬ 
heit 278, 372. 

Zichorie 484, 633, 738. 

Zinkhaltige Sanghütchen 607. 

Zucker, dynamogener Wert 738. 

Zuckerraffinerie, Abwässerbeseiligung 
631. 

Zurechnungsfähigkeit 620. 


N amen^ V erzeichnis. 


Abel 67, 774. 
Abelous 208. 
Adenino 446. 

Agosti 719. 

Ahlfeld 421. 
Albrecht 629. 
Aktinson 272. 
Albrand 717. 
Alexander 729, 850. 
AUau 893. 

Alt 842. 

Angerer 529. 

Araky 276. 

Arbeit 40. 
Armstrong 380. 


Arnold, Prof. 305. 
Arnold, M. 508. 

Arnold, V. 554. 

Arndt 618. 

Aronheim 24. 

Ascarelli 713, 714, 715, 
718. 

Aschaffenborg 841. 
Asebenbom 250. 

Ascher 694. 

Aubertin 685. 

Auer 876. 

Auerbach 233. 

Babes 326. 


Baebr' 689. 

Baer 886. 

Bahadnr 507. 

Balck 33. 

Baller 440. 

BalUn 850. 

Ballner 883. 

Bsllvö 846. 

Bandelier 141, 816. 
Bandettino di Poggio 838. 
Bardior 203. 

Barschall 238. 

Bartsch 881. 

Barucco 140. 

Bassenge 617. 



Namen • VerEeicbnis. 


XLI 


Bauer 481. 

Baum 252. > 

Baomann (Uttncben) 551. 
Banmann (Stabsarzt) 704. 
Baomm 181, 808. 

Bayaard 451. I 

Bayerthal 640. 

Bechtel 380. 

Becker (Hildesheim) 402. 
Becker (Halle) 411. 
Becker (Qiefira) 621. 
Beckers 590. I 

Beerwald 246. 

Beintker 368. 

Beitter 483. 

Benda 638. 

Benecke 99.- 
Beninde 542. 

Beanecke, E. 137, 630. | 
Bennecke, H. 315. 

B^ooit 5^, 545. 

Berg 389. 

Berger (Crefeld) 20, 296. 
Berger, Prof. -138, 589. | 
Bernmann'Easperowicz j 
277. ; 

Bernstein 514. 

Bertilion 629. • 

Besredka 307. 

Best 638. 

Beythien 35. j 

Bickel 224. I 

Biedert 66. 

Bielefeld 108. ! 

Bieafait 623. 

Biffi 370. 

Bibier 617. 

Bingel 706. 

Binswanger 136. 

Biondi 561, 844. 

Birch-Hirschfeld 614. | 

Birnbanm 617. 

Bischof 276. ' 

Bischof, Prof. 556. 
Blaschko 181, 349, 727. 
Blasios 627. ! 

Blegrad 292. 

Bleibtren 892. ! 

Bleyer 510. t 

Bloch 211. ! 

Blom 22, 328. 

Boas 487. , 

Bock 234, 850. I 

Boeckel 523. i 

Böhm 731. I 

y. Böhmer*889. ! 

Böttger 182. 

Boigey 108. 

Bokay 312. 

Bonchacoort 699. 

Bondi 562. 

Bordas 699. j 

Bomtr&ger 744. i 


Brassert 93. 

Breger 247. 

Breinl 625. 

Breton 329. 

Brfining (Rostock) 33, | 

414. ] 

Brttning (Dttsseldoif) 479, 
488. 

Brttning (Freibarg) 721. 
Brommond 104. 

Brampt 510. 

Brun 615. 

V. Bronn 556. 

Bacara 33. 

Bachholz 703. 
y. Bachka 631, 632. 
Bttsing 323. 

Bttttner 640. 
y. Bange 243. 

Basch 859. 

Basse 516. 

Calmette 329. 

Calogew 520. 

Camus 203. • 
Cantacozöne 439. 

Cantlie 836. 

Carnwarth 20, 227. 
Casarini 738. 

Cassel 312. 

Cenciarini 716. 

CeyidalU 440. 

Chiari 698. 

Chlopin 333. 

Christian 230, 231, 232, 
557, 558. 

Claasen 332. 

Cleary 858. 

Cobllner 22. 

Cocci 450. 

Cohn (Heydekrag) 847. 
Cohn, Leo 724. 

Cohn, M. 739. 

Conradi 99. 

Comheim 385. 

Correnti 660. 

Crämer 385. 

Cron 297. 

Croner 33, 732. 

Cortios 457. 

Damanakl' 855. 

Davids 371. 
y. Decastello'883. 
Debnhardt 333. 
Deicherti668. 

Deipscr o81. 

Delbrück 22. 

Delöarde 544,'545. 
Dessaaer 672.' 

Dieminger. 230. 

Dieterlen 882. 

Dietrich 250. 


Dietschy 592. 

Ditthom 312, 883. 
Dmitrenko 452. 

Döblin 619. 

Doepner 242, 864. 
Doerfler 413. 

Dörr 887. 

Dohm 375, 856. 

Doiqoet 243. 
de Dominicis 369, 442, 
615, 716. 

Dons 482. 

Dornblttth 336, 773. 
Dragendorf 84. 

Dresler 635. 

Dreves 301. 

Dreylos 89. 

Dtttschke 656. 

Danbar 180. 

East 835. 

Eggers'Schmidt 88.5. 
EiUenbeck 851. 

EUis 68, 773. 

Ebner 142. 

Erlwein 476. 
y. Esmarch 232. 

Espanet 291. 

Etienne 328. 

Ealenbnrg 596. 

Enzbre 92. 

Eyff 755. 

Favre 235. 

Federschmidt 653. 

Feer 327. 

Fehsenfeid 693. 
Feilchenfeld 378. 

Felbch 639. 

Fernet 742. 

Fertig 612. 

Ficker 774. 

Fiedler 281. 

Fiehe 34. 

Fielitz 410. 

Fiessler 732. 

Finkeistein 876. 

Finkh 108. 

Finkler 224, 244. 

Fbcher (Bentheim) 482. 
Fischer (Cöli.) 836, 854. 
Fischer (Qlanchao) 485. 
Fischer (Hamborg) 740. 
Fischer (Earlsrahe) 82, 
244, 629, 738. 

Fischer (Eiel) 240. 
Flachs 297. 

Flatao 24. 

Fiorschtttz 250. 

Forel 139. 

Fornario 443. 

Förster 241. 318. 
Fraenckel 587. 




XLU 


Namen • Verieicbni«. 


Fraenkel, Emst 246. 
Fraenkel, Karl 610. 
Fraenkel, Prof. 106,826. 
Franchetti 818. 

Francke 28. 

Frank 238. 
y. Frankenberg 840. 
Frankenborger 696. 
Fremantle 8^. 
Friedberger 106. 

Friedei 512. 

Friedenreicb 620. 
Friedrich 866. 
Friedricbsen 589. 
Fromme, Albert 101, 809. 
Fromme, Oberarat 567. 
Frongia 290. 

Fronm 89. 

Fttrbringer 288. 

Fttrst (Berlin) 665. 

Fttrat (Hambarg) 67, 346, 
488 , 

Faeret (München) 246. 
Fürth 96. 

Fiikala.81. 

Fataki 80. 

Oarlse 620. 

Qaepariai 279, 616. 
Gantrelet 869, 646. 
Oeiäler, Fraa Or. 689. 
Geifiler 885. 

Genzmer 629. 

Gerber 876. 

Gerlach 498. 

Gienaph 664. 

Gieee 547. 

Giglioli 292. 

Gildemeister 817. 

Gifi 732. 

Glaser 546. 

Glasow 870. 

Goebel 818. 

Gürlicb 694. 

Götze 208, 848. 

Goldstein 728. 

Gonder 228. 

Gkrodson 680. 

GrM 97. 

Graeye 291. 

Graham 718. 

Greef 332. 

Gregor 136, 611. 

Grimme 919. 

Groedol 561. 

Groß 226. 

Grosse 439. 

Qrotjahn 181, 597. 
Gräber 80. 

Grunow 844, 488. 
Gadden 840. 

Günther 107, 853. 
Gürtler 742. 


Güth 884. 

Guillain 204. 

Gatkneoht 667. 

Gatmann 844. 

Gy 204. 

Haberetoli 847. 

Hadlich 1, 607. 

Haefke 252. 

Haendel 226, 726. 

Hansel 136. 

Hahn (Jena) 295. 

Hahn (Münzen) 883. 
Halbey 620. 

Haller 236. 

Hamm 662. 

Hammerscbmidt 692,621. 
Hanauer 249, 484. 
Hankein 619. 

Hart 826. 

Harter 89. 

Hartmann 66. 

Hasche 720. 

Hebert 586. 

Hecht 884. 

Heidenhain 409, 711. 
HeUer 274. 

Hellwig 250. 

Helwes 678. 

Hempel 734. 

Hensgen 622. 

Henze 486. 

Herbst 487. 
y. Herff 322. 

Heßberg 892. 

Hetsch 774. 

Heubner 661. 

Heuduck 205. 

Heyd 480. 

Heymann 849, 850. 
Hildebrandt 878, 598. 
Hilgermann 233,234,781. 
Hillenberg 884, 500,695. 
Hinrichs 728. 
Hirschbruch 703. 
Hirscbfeld 446. 

HOlker 104. 

Hoering 447. 
y. HöBlin 314. 

Hoffa 686. 

Hoffmann 228. 

Hofmeier 90. 

Holitscher 842. 

Hopf (Dresden) 298. 
Hopf (Ludwig) 386. 
Hoppo 880. 

Hoppe|-Seyler 329. 
HoriuchillOl. 

Horn 397. 

Horwitz 633. 
y. Hoyorka 744. 

Hübener 706. 

Hübner 228. 


I Hueppe 32. 

Huetun 69. 

Hunt 86. 

Jaeebsolu 181. 

Jaenecke 236. 

Jancke 876. 

I Jastrow 890. 

I Jessen 330. 

Imbert 296. 

I Ingegnieros 718. 

I ingelflnger 288. 

Joachim 180, 

Joire 773. 

JoUy 250. 

Jones 506, 506, 508. 
de Jong 861. 

Ishlwara SO. 

Isserlin 549. 

Juba 742. 

Jürgens 318, 821. 

Juluen 623. 

Junins 618. 

Iwase 732. 

Kalmu 508. 

Kampe 847. 

Käthe 21. 

Katz 744. 

Kauffmann 844. 
Kau(mann£249. 

Kee 743. 

Keesebitter 296. 

Keller 647. 

KendaU 272. 

Kern 209. 

I Kirchberg 207. 
Kirchgässer 233, 234. 
Kirchner 206, 250, 251, 
856. 

Kirsch 740. 

Kirstein 522. 

Kisch 440. 

Kiskalt 66, 239. 

I Kissinger 881. 

' Kiaußner 205. 

I Klieneberger 187. 

! Klineberger 107, 288. 

I Klocke 892. 

1 Klostermann 623. 

I Klut 884, 859. 

I Knapp 188, 650. 

! Knauff 629. 

I £[nöpfelmacher 96, 318, 
1 726. 

I Kober 81. 

Kobrak 414. 

Köhler 873. 

I Köb lisch 849. 

König 206. 

I Koeppen 446. 

Körbel 521. 

Körner 891. 



Namen • V erzeichnii. 


XLIU 


Kteter 614. 

KoUe 774. 

Kolleck 8K. 

Ko^ß 786. 

Kessel 100. 

Kr&mer 279. 

Kraepelin 139. 

Kraos 206. 

Kraose, M. 286. 

Kranse, Prof. 862. 
Kremker 97. 

Krencker 626. 

Kreta 328. 

Kriegei 181, 697. 
Krohne 78w 
Kronleld 744. 

Kabatz 528. 

Kndicke 287. 

Kfthne 25, ^1. 

Kttia 229, 588, 886. 
Kftrbitz 277. 

Ktkster 624, 726. 

Knhner 250. 

Knrpjaweit 576, 586. 
Kurts 260. 

Kusch 885, 786. 

Kutner 701. 

Kutscher 321. 

J^ritz 852. 

Lude 369, 646. 
Lugermann 557. 
Luggaard 141. 

Laquer 513. 

LassabUöre 636. 

Laubiy 289. 

Laueastein 514. 

Lautier 326. 

Lebbin 252. 

Lebram 569. 
Lecha-Marzo 870, 584, 
615, 838. 

Leere 238,699, 712, 878, 
899. 

Leick 622. 

Lemberg 308. 

Lmaoine 341. 

Leahartz 249, 672. 

Leatz 29. 

Leazmann 378. 

Leondni 700. 

Leonhard 383. 

Leppmann 880. 

Leapoldt 879. 

Leraditi 625. 

Levy (Straßborg) 101,626. 
Lery (Essea) 458. 
Lewaadoirsky 28. 

Lewin 88. 142, 210, 880. 
Lewis 298. 

Liebetrau 247. 

Liebreich 141. 

Liedig 607. 


liefmaan 480, 671. 
Linow 210. 

LIssauer 230. 

▼. Liszt 260. 

Lochte 666. 

LOsener 586, 887. 
Löwenstein (Beelitz) 450. 
Löwenstein, Kurt 878. 
Lomer 280, 669. 

Loreatz 297. 

Lorey 318. 

Lubenau 815, 324. 

Lttdke 858. 

LtOirig 889. 

Luerßen 685, 883. 
Lnngwitz 670. 

Muffel 282. 

Mainioi 107. 

Hamlock 258. 
Mandelbaum 27, 320. 
Mann 737. 

Mannini 272. 

Mantenfel 225. 

Mariani 278. 

Martin 585. 

Martinotti 105. 

Marx (Berlin) 207, 569, 
885. 

Marx (Paris) 442. 
Maslakowetz 27. 

Mathies 548. 
Mattauschek 740. 

Mautö 89. 

Mayer (Marburg) 555. 
Mayer, Oberarzt 705. 
Mayer (Simmein) 848. 
Medea 444. 

Meier (Berlin) 727. 
Meilli^re 90. 

Meitzer 876. 

Mendel 93, 209, 281,372, 
445, 518. 

Menini 241. 

Menneila 887. 

Mense .87. 

Meroni 591. 

MesnU 333. 

Metzger 484. 

Meunier 584. 

Meyer (Königsberg) 140. 
Meyer (Potsdam) 206. 
Meyer (München) 249. 
Meyer, Fritz 314. 

Meyer (Bremen) 389. 
Meyer (Münden) 779, 784. 
Mezger 735. 

MUenko 855. 

Miller 24. 

Miades 253. 

Mita 747. 

Miyake 245. 

Modiea884. 


MöUer 880. 

MöakemöUer 275, 511. 
Mohr 24, 622. 

MoU 207, 250, 278, 372. 
Mombert 258. 

Momose 100. 

Montet 619. 

Monti 519. 

Morant 387. 

Morera 628. 

Morgenroth 598. 

Mori 294. 

Mosny 289. 

Mühlenkamp 92. 

Mühsam 51o. 

Müller (Dresden) 69. 
Müiler, Baiaer 97. 
Müller, Rudolf 510. 
Müller, Charlotte 516. 
Müller, Wilh. 598. 
Müller, Cbristian 840. 
Münsterberg 728, 886. 
Mngdan 260. 

Muratow 511. 


Nddor 669. 

Näcke 277, 840. 

NaegeU 558. 

Nast-Kalb 722. 

Naumann 479. 

Neißer, Prof. 228, 554. 
Neißer, J. 621. 

Nesemann 677, 738. 
Nenfeld 224, 225, 723. 
Nenmann (Landsberg)269. 
Neamann (Bromberg) 297, 
848. 

Neumann, Prof. 808,.625. 
Newsholme 337. 

Niclonx 203, 869, 489. 
NicoUe 333. 

Nierenstein 625. 

Nieter 280, 516, 517. 
Noda 95. 

NoU 736. 

Nonnotte 811. 

Nöthen 507. 

Notbmann 21. 

V. Notthaft 331, 519. 
Nouri 518. 

Naßbaum 880, 476, 522, 
559. 


Oeken 550. 

Gesten 480. 
Oettinger 849. 

Ogata 30. 

Orlowski 523. 
Orszag 591. 

Oshida 95, 235. 
Ostermann 810, 848. 
Ostmann 340. 



XLIV 


Pabst 296. > 

Panzer 833. i 

Pappenheim 698. t 

Parisot 89. | 

Parkinson 442. 

Paul 91. I 

Pauli 296. ! 

Pentz 272. I 

Pepere 714. I 

Pessarolo 883. ! 

Feters 236, 841. | 

Petruachky 106. 

Pfeiffer (Wieabadea) 669. 
Pfeiffer (Hamburg) 67. 
Pfeiffer (Königsberg) 106. 
Pfeiffer (Weimar) 151. 
Pfleger 569. 

Pförringer 372. 

Phar 109. 

Pianetta 280. 

Pick 103, 832. 

Pickenbacb 743. 

Pleraccioi 282. 
Pietrzikowski 250. 

PjU 485, 784. 

Piltz 509. 

Piquandt 89. 

Pirges 614. 

Pistor 250. 

Pleißner 240, 630. 
Poggenpohl 102. 

Poleoako 35. 

PoUatschek 669. 

Port 517. I 

Posner 717. 

PraU 482. 

Preleit.ner 509. ; 

Preysing 637. 

Pribram 614. 

Prinzing 348. 

Proskauer 33, 234. 

Puppe 701. 

Qaadflieg 282. 

Quadronc 883. | 

Babe 743. | 

Babinowitsch 105, 314. I 
Rambouaek 671. i 

Ranke 287. j 

RapmuDd 57, 115, 145, 
160, 185, 645, 692, 760, i 
789, 819, 896, 899. 
llaubitscbek 887. 

Redlich 839. 

Regeusberg 632. 
Reichenbach 850, 851. 
Reinicke 844. 

Reiß, F. 481. 

Reiß, R. A. 875. 
Remlinger 310, 518. 
Renault 331. 

Renk 632. 


Namen ‘Verzeichnis. 


Repaci 293. 

Reynier 841. 

Rheinisch 23. 

Richi 844. 

Richter 271. 

Riehm 278. 

Riesel 205. 

Rilliet 628. 

Risch 700. 

Rißmann 348. 

Ritt 734. 

Ritterband 891. 

Rivari 839. 

Rizor 274. 

Roasenda 616. 

Boeder 249. 

Roepke 141, 241, 591. 

720, 816. 

Roller 367. 

Romant 92. 

Roose 734. 

Rosenbaum 605. 
Rosenberg 546. 

Rosenfoid 340. 

Roth 250. 

Roussel 481. 

Rubner 345, 381, 631 
669, 670. 

Rubin 843. 

Rtths 837. 

Rage 286. 

Rumpf 246, 713, 855. 
Runge 88. 

Runze 879. 

Ruppel 672. 

Saathoff 28. 

Sacerdote 278, 719. 
Sacquöpee 33. 

Salge 31. 

Sarason 336. 

Sartorius 700. 

Sasaki 293. 

Sdvage 99, 737. 

Schaefer 381. 

Schäfer 236, 893. 
Schaikewicz 23. 

Scharpff 302. 

Schelble 894. 

Schellack 226. 

Schenk 554. 

Schenbe 704. 

Schieffer 560. 

Schilling (Berlin) 288. 
Schilling (Trier) ööH. 
Schindler 732. 
Schlageuhaufer 715. 
Schlc.singer 453. 

Schlippe 328. 

Schmidt (Halle) 671. 
Schmidtmann 476. 
Schmoll 510. 

Schneider (Hamburg) 53. 


I Schneider, Dr. phil. 234, 
627. 

Schneider (Breslau) 251. 

I Schönfeld 881. 

Schottelias 378, 725. 

: Schreiber 6. 

' Schröder 371, 837. 
Schrumpf 98, 826, 853. 
SchttUer 549. 

' Schüller 515. 

' Schultz, W. -312. 

' Schultz‘Zehden 452. 

! Schultze 633. 

I Schulz (Halle) 204. 

I Schulz (Posen) 812. 
Schulze 895. 

Schnmbnrg 411. 

Schümm 506. 

Schwarz 479. 
Schwenkenbecher 585. 
Sebach 329. • 
j Seelmann 882. 

Seitz (München) 441. 
Seitz (Eberbach) 863. 
Seligmann 33, 732. 

Selter 558. 

Serrg 879. 

\ Sichel 841. 

I Sieber 41. 

I Siefart 349. 

I Siegert 894. 

Siegrist 452. 

Siereking- 243. 

I Silberberg 883. 

Simon (Plauen) 96. 

I Simon, Helene 598. 
j Skop 619. 

I Smith 877. • 
i Sofer 229, 332. 

Sommer 208.- 
Spengler 854. 

Spiegel 789. 

Springer 331. 

Stade 624. 

Stahlmann 227. 
Stakemann -113. 

Stamer 205.- 
Stceswyk 307. 

Stefansky 515. 

Steinhaus -237, 334, 740. 

I Steioitz 446. 

' Sternberg 142. 

Sterz 837. 

Steyerthal 371. 

Stier 180. 

Storkis 717, 722. 
Stoltcnboff 701. 
Straßmann 835. 

Strong 554. 

Stüblern 98. 

Stüler 217. 

Sack 298. 

Sultan 182. 






Sander 886. 

V. Soiy 671. 686, 687. 
Szana 81, 896. 
SzOliSuy 773. 

TaksM 889. 

Tunassia 834. 
Teichmann 593. 

Thiel 323. 

Thiesing 383, 630, 632. 
Thoinot 91. 717. 
ThomaUa 261, 709. 
Thomann 239. 

Thomsen 274. 

Thörey 93. 

Tigges 138. 

Töpfer 309. 

Toaton 884. 

Tovo 393, 547. 
Trembor 589. 

Trespe 445. 

Tripold 723. 

Tröger 867. 

Troili • Peterson 97. 
Tsazold 688. 

Tttrk 311. 

Tagendreich 414, 637. 
Twistel 671. 

Uebelmesser 287. 

Uebl 279. 

üblenhnth 226, 228. 
Dhlig 640. 

Taillant 610, 699. 
Vaiiot 636. 

Vaschide 684. 

Yasnier 342. 


Namen - Yeraeichnis. 


YeU 98. 

Yeit 555. 

Yenema 316. 
yan de Yenne 634. 
Yerderean 645. 
Yernier 553. 

YUl 816. 

Yiand 842. 

YitaU 37. 

Yix 415. 

Yoemer 229. 
YoUand 701, 889. 
Yollmer 707. 

Waehholi 614. 
Waldschmidt 342. 
Walter 379. 
Wandel 788. 
Warda 186. 
Wassermann 104. 
Wassermeyer 879. 
Weber 448. 
Wederhake 627. 
Wegner 437. 
Weichardt 664. 
Weicker 449. 
Weidanz 104, 228. 
Weinberg 376. 
Weismayr 326. 
Weißmann 83. 
Weiß-Eder 724. 
Welzel 383. 
Wendenbarg 444. 
Wengler 654, 783. 
Westcott 272. 
Westenhöffer 103. 
Wetzel 811. 
Weydemann 30. 


XLY 


' Weygandt 649. 

Wieber 101. 

! Wiegand 23. 

' Wiens 107, 853, 882. 
Wigand 66. 

Wilcke 268. 

Wilmanns 275. 

Winter 73. 

Wislicenas 381. 

Wohlwill 324. 

Woithe 228. 

Woitke 781. 

Wolf (Danzig) 210. 

Wolf (Frankfort) 726. 

I Wolf (Marburg) 887. 

Wolf (Tübingen) 889. 

I Wolff.Eisner 327, 462, 
697, 853. 

Wolff, H. 486. 

; Wolfsholz 641. 

I Wolter 507. 

Worbs 373. 
y. Wanschheim 732. 

Tanumovehl 625. 

Yokote 235. 

Zabloeka 618. 

Zabolotny 27. 

! Zeidler 99. 

! ZeUe 84, 749, 870. 

' ZeUer 484. 

. Zöllner 788. 

! Ziehen 67. 

1 Ziemann 287. 

I Ziemke 353. 

I Zieschö 622. 

! Zweig 720, 721, 877, 878. 
, Zyka 296. 








21. Jahrg. 


1908. 


Zeitschrift 

fflr 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zmtralblitt für das gasaarte OssundlKiitsistm, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegeben 

too 

Dt. OTTO RAPMÜND, 

Mefleiiuifs- and Geh« Ifedtdaelrel In Minden« 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WOrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fisohers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld, 

Hmoifi. Bayer. Sof- o. BnHwioaL Kamm« 

Berlin W. S5, Lützowstr. 10. 


Inaereie nehmen die Ti 


eriefihendhmg sowie eile Annoncen-Expeditionen des Xn- 
nnd Aulendei entgegen« 


Nr. 1. 


Snchelnt am 9. and EO. Jeden Monats. 


5. Januar. 


Ueber Fettembolie vom gerichteärztlichen Standpunkt. 

Von Dr. Hadlieh, prakt. Arzt in Weimar, staatalrztlich approbiert. 

Die Lehre Ton der Fettembolie ist ein wichtiges Kapitel fttr 
den Gferichtsarzt, flber das er genau orientiert sein muß. Er 
muß im Stande sein, im gegebenen Falle die oft nicht eindentigen 
Symptome richtig aofzafassen und das, was auch auf andere Ur¬ 
sachen zorttckgefOhrt werden kann, von diesem Gesichtspunkte ans 
zu beurteilen. 

Wenn dies bei Lebzeiten des betreffenden Patienten oft schon 
mancherlei Schwierigkeiten machen kann, so ist es natOrlich 
noch viel mehr der Fall, wenn der Gerichtsarzt über die Ursache 
eines Todesfalles sein Gutachten abzngeben hat, bei dem mit dei* 
Möglichkeit einer Fettembolie zu rechnen ist. Es heißt dann 
gewissenhaft alle anderen Ursachen aasschließen, wenn man die 
Fettembolie, deren Nachweis an sich keine großen Schwierig¬ 
keiten bietet, als alleinige Todesursache ansprechen will. 

Zunächst wird es nötig sein, sich genau über die Anamnese 
des betreffenden Falles zu informieren. Man muß hierbei fest¬ 
stellen, ob Denatas vor dem Unfall, um den es sich ja in der 
Begel handelt, vöUig gesund war, oder ob ein Leiden vorlag, 
dn^ das sich der Ezitns erklären läßt, wobei der Unfall evtl, 
alz anslösende Ursache in Betracht kommen kann. 

Ist ersteres der Fall, läßt sich in keiner Weise ein Anhalts- 











2 


Dr. Hadltch. 


pnnkt fflr letztere Annahme gewinnen, so hat man dann weiter 
die Art des Unfalls selbst zn berttcksichtigen. Es wird sich hier 
fast ansnahmslos nm Enochenbrüche handeln. Doch ist zn be¬ 
merken, daß Flonrnoy^) einen Ezitns mit hochgradiger Fett¬ 
embolie bei einer Geisteskranken beobachtete, die sich bei ihren 
Tobsnchtsanfällen zahlreiche Hant- nnd Weichteilqnetschnngen zn- 
gezogen hatte, ohne daß es dabei zn einer Fraktur gekommen 
wäre. 

Jolly’) teilt analoge Beobachtungen mit, ja, er will anch 
Fettembolie infolge eiternder Hautwnnden bei solchen Kranken 
gesehen haben. 

Somit erscheint es möglich, daß auch infolge einer Schlägerei 
oder einer schweren körperlichen Züchtignng Fettembolie ohne 
EnochenTerletzung eintreten kann. 

Die Schwere der Fraktur steht dabei in keiner Beziehung 
zn der Wahrscheinlichkeit der Fettembolie als Todesursache, da 
man schwere Frakturen sämtlicher Extremitäten sehen kann, die 
mit mehr oder weniger Lipurie zur Heilung gelangen, während 
anderseits schon eine einfache Fibulafraktur von einer letal yer- 
laufenden Fettembolie gefolgt sein kann. Man kann in einem solchen 
Falle auch nicht eine starke Erschütterung des gesamten Knochen¬ 
gerüstes als Ursache betrachten; denn die Fälle von Hnfschlag 
oder von Osteoklasie bei orthopädischen Operationen mit nach¬ 
folgender Fettembolie schließen eine derartige allgemeine Er- 
schfltternng ohne weiteres aus (Busch).’) 

Weiterhin ist das freie Intervall zwischen dem Trauma 
nnd dem Auftreten der ersten Emboliesymptome zu beachten, das 
innerhalb weiter zeitlicher Grenzen schwanken kann: Sofort oder 
nach wenigen Stunden, wie anch erst am 9. Tage hat man das 
Eintreten dieser Symptome beobachtet, so daß man also nur bei 
noch späterem Eintreten der betreffenden Erscheinungen berech¬ 
tigt wäre, eine Fettembolie anszuschließen. 

Wie diese verschiedene Länge des Intervalls zu erklären 
ist, steht noch nicht fest. Weder eine mangelhafte Herzaktion 
noch Veränderungen der Lunge konnten für eine schlechtere 
Lnngenpassage des Fettes nnd daher für längeres Intervall als Grund 
herangezogen werden. Ebenso wenig erwies es sich zutreffend, 
daß durch die Erschütterungen eines längeren Wagentransports 
diese Passage begünstigt nnd das Interwall abgekürzt würde 
(Hämig)’). 

Gegebenenfalls wird also für den Gerichtsarzt zur Diagnose 
der Fettembolie von anamnestischen Daten nur ein statt gehabtes 
Trauma erforderlich sein, an das sich nach einer Beihe von 
höchstens 9 Tagen die nun zn besprechenden ersten Symptome 
anschließen. 

Ueber den Eintritt der ersten Symptome wird der Gerichts- 


1) Contribation & Pitode de rembolie gralseose. Tböse. Straßboorg 1878. 
’) Siehe Nr 6 des Litt.-Verz. 

') üeber Fettembolie. Virehows Archiv; 1866. 

Siehe Nr. 6 des Ijitt.-VerK., S. 849. 



üeber Fettembolie Tom geiichte&rztlichen Standpunkt. 


arzt wohl meist nicht durch eigene Beobachtung orientiert sein. 
Er wird z. B. von seiten des behandelnden Arztes oder der An¬ 
gehörigen erfahren, daß so und so viel Stunden oder Tage nach 
dem Unfall der Verletzte, der sich bis dahin ganz wohl befanden 
hatte, angefangen habe. Über Kopf- und Rückenschmerzen zu 
klagen, und unter mehr oder weniger hohem Anstieg von Puls- 
und Bespirationsfrequenz bald in Delirien und Aufregungszustftnde 
geraten sei, denen nach einer gewissen Zeit das letale Eoma 
folgte. Dieses kann jedoch auch mehr oder weniger unvermittelt 
anftreten, ohne vorhergegangene Reizerscheinungen, direkt mit 
plötzlicher intensiver Dyspnoö, Zyanose und baldigem Exitus unter 
den Zeichen von Herz- und Lungeninsuffizienz. 

Sonstige zerebrale Symptome, wie Lähmungen, Erampf- 
zustände, Erbrechen und dergl. sind selten. Dagegen stellt sich 
häufig Husten mit sanguinolentem Sputum ein. Das fast stets 
vorhandene Fieber ist zwar manchmal z. T. durch lobulär-pneumo¬ 
nische Prozesse bedingt, aber diese sind doch wohl stets mehr 
sekundärer Natur, nach bereits eingetretener Embolie. 

Das Fieber stellt sich mit zuerst ein und steigt oft derartig 
schnell an, daß man häufig geneigt sein wird, eine andere Ursache 
als die Embolie dafür anzunehmeo. Eine recht plausible Erklärung 
findet dieser auffallende Temperaturanstieg in der Annahme, daß 
es durch die Embolie zu einer Läsion des Wärmereguliemngs- 
zentrnms gekommen sei (H ä m i g).^) Wenn andere Autoren dem ent¬ 
gegenhalten, daß sie in ihren beobachteten Fällen, wie auch im Tier- 
ezperiment stets eine Temperatur er niedrigung festgestellt haben, 
ja diese als allein charakteristisch ansehen, so löst sich dieser 
Widerspruch, wenn man annimmt, daß solcher Temperatnrabfall 
nur einer vorübergehenden Reizung des Wärmezentrums ent¬ 
spricht, auf die naä einem gewissen Zeitraum eine Lähmung mit 
dem dadurch bedingten Fieber folgt. 

Wenn man die Resultate des Tierezperiments nicht für den 
Menschen als maßgebend gelten lassen will, so könnten nur direkt 
nach dem Unfall vorgenommene Temperatnrmessnngen hier völlige 
Elärnng schaffen, und das wird, wie leicht begreiflich, meist nicht 
gut möglich sein. 

Man sieht also, daß sich das Bild der Fettembolie aus einer 
Reihe von Symptomen zusammensetzt, die eigentlich nicht sehr 
charakteristisch sind; denn sie sind einmal nur zum Teil konstant 
und können außerdem auch sämtlich bei anderen Erankheitsformen 
Vorkommen. Da wird nun der Gerichtsarzt sich durch 4ie Sektion 
volle Elarheit zu schaffen suchen. 

Liegt wirklich eine Fettembolie vor, so ist ihr Nachweis 
nicht schwer. Während man sonst, abgesehen von der Verletzung, 
durchweg einen normalen Befund hat, finden sich ziemlich kon¬ 
stant in Herz, Lunge und Gehirn die charakteristischen Ekchy- 
mosen: in der Lunge unter Pleura und Bronchialschleimhaut; im 


•) L. c.; S. 858. 



4 


Dr. HAdUeh. 


Herzen unter Epi- and Endo*, sowie auch im Myokärd, im Gehirn 
in den Hemisphären, in der Geg^end der großen Ganglien, im 
Kleinhirn, event anch in der Medulla obloogata. Aach Nieren, 
Milz und andere innere Organe können die gleichen Yerände* 
rangen zeigen. 

Aber aach das Fehlen makroskopischer Veränderangen ist 
noch kein Gegenbeweis; denn aaf frischen Schnitten läßt sich 
dann noch oft eine hochgradige Fettembolie feststellen. 

Das einfachste Verfahren der Färbung, das ein schnelles 
and sicheres Resaltat ergibt, ist das mit Sudan. Viel kompli¬ 
zierter and nar fär wissenschaftliche Zwecke in Betracht kommend 
ist die Safraninfärbang nach voraufgegangener Härtung in 
Flemmingscher Lösung, wobei man jedoch prachtvolle Bilder 
erhält. 

Im übrigen wird man oft noch eine beginnende lobuläie 
Pnenmonie oder pleuritische Veränderungen feststellen können. 

Liegt der Fall so, daß man auf Grund einer sorgfältigen Ob¬ 
duktion keine andere Todesursache feststellen kann, so ist die Dia¬ 
gnose „Fettembolie mit tödlichem Ausgang** gerechtfertigt. 

Schwieriger wird aber die Sache, wenn neben der nach¬ 
gewiesenen Fettembolie noch Veränderungen festgestellt werden, 
die auch eine andere Todesursache als möglich erscheinen lassen. 
Aach die intra vitam beobachteten Symptome werden dabei nicht 
immer Aafklärung geben können. 

Nur bei einem ganz plötzlichen Exitus wird man auch bei 
tatsächlich festgestellter Fettembolie diese nicht als Todesursache 
ansprechen können. Man wird in solchen Fällen wohl in erster 
Linie aaf Veränderangen am Herzen zu fahnden haben und dann 
oft eine schwielige Myocarditis mit oder ohne Koronarsklerose fest¬ 
stellen können, wenn nicht gar ein schwerer Klappenfehler oder 
gar ein geplatztes Aneurysma vorliegt. Auch ein Herzgamma 
kann Ursache eines ganz plötzlichen Todes sein. 

Ebenso wird eine Apoplexie meist za anvermittelt auftreten, 
am als Fettemboiie angesehen werden za können, obwohl bei 
dieser neben dem Sopor zuweilen auch Lähmungs- und Krampf- 
erscheinangen beobachtet werden, die im ersten Augenblick irre- 
fflhren können. Die Anamnese wird da Ellarheit schaffen können, 
namentlich aber der tatsächliche Nachweis einer Apoplexie durch 
die Obduktion. 

Man hat ferner bei einem plötzlichen Exitus die Möglichkeit 
eines Thymnstodes zu berücksichtigen. Der Befand einer per¬ 
sistenten Thymus, sowie Hyperplasie d^es lymphatischen Apparates, 
eventuell mit gleichzeitiger Enge der Aorta und Herzdilatation 
würden eine solche Diagnose rechtfertigen. Besonders in bestimmten 
Gegenden, wie z. B. in Steiermark, wo der sog. Status tbymicas 
nicht selten ist, wird man mit dieser Möglichkeit za rechnen 
haben (Payr^). 

*) üeber tödliche Fettembolie nach Streckung von Eontraktnren. — 
MOnchener med. Wochenschrift; 1898, Nr. 28. 



üeber Fettembolio rom geriobtsintliehen Standpunkt. 


5 


In vielen Fftllen tritt aber der Tod nicht so plötzlich ein, 
sondern es werden vorher Erscheinnngen beobachtet, wie sie bei 
der Fettembolie anftreten. Hier kann die Anamnese, selbst die 
gfenaneste klinische Beobachtnngr im Stich lassen nnd erst die 
Obduktion Anfklärnng bringen. 

Da ist es besonders die intrakranielle Blntnng, mit der eine 
Fettembolie verwechselt werden kann, wie es tatsäc^ch in einem 
von Erönlein^) mitgeteilten Falle geschah, bei dem man mit 
negativem Resnltat trepanierte, nnd erst die Sektion eine hoche 
gradige Fettembolie feststellen ließ. Hier war die klinisch- 
Diagnose kanm richtig zn stellen, da die bei der Fettembolie doch 
nnr selten vorkommenden Lähmnngserscheinnngen weit eher an 
ein Hämatom denken ließen, das höchstens durch das Fehlen jeder 
Spur einer Scbädelverletznng in Frage gestellt werden konnte. 
Nnr dann läßt sich eine Fettembolie mit Sicherheit ansschließen, 
wenn ein längeres freies Intervall vorhergegangen ist, das bei 
einem Hämaton bis zn 2 Monaten dauern kann, während im 
andern Fall höchstens 9 Tage beobachtet worden sind (Hämig)*). 

Hecht kompliziert wird auch die Entscheidung sein in Fällen 
von Diabetes, die im Koma zugrunde gehen, nachdem sie vorher 
zufällig einen Uoiall erlitten haben, sich auch hierbei ans- 
gebreitete Fettembolie der inneren Organe in feineren nnd größeren 
Tropfen finden kann (Ebstein)*). Hat der Gerichtsarzt selbst 
das Koma beobachten können, so kann das charakteristische »große 
Atmen* (Enssmanl*) oder ein stärkerer Azetongemch die Dia¬ 
gnose: ,Coma diabeticum* sichern. 

Eine Urämie dürfte intra vitam wohl kanm verkannt werden. 
Bei der Obduktion, besonders bei unvollkommener Anamnese, muß 
man immerhin daran denken; ebenso an die Möglichkeit einer 
Pankreasblntnng oder Fettgewebsnekrose, die intra vitam 
wohl nur in den seltensten Fällen diagnostiziert werden. 

Dagegen wäre noch die Möglichkeit eines Vergiftnngstodes 
Giftmord oder Suizid — zu beachten, z. B. durch Narcotica oder 
giftige Gase. So wird man auch bei den Fällen von Fettembolie, 
die im Anschluß an eine Osteoklasie ad ezitum kommen, häufig die 
Möglichkeit eines Chloroformtodes nicht ausschließen können, zumal 
sich die Chloroformvergiftnng in solchen Fällen überhaupt oft als 
alleinige Ursache der Fettembolie auffassen läßt, hervorgernfen 
durch die bekannten Verfettnngsprozesse in den inneren'Organen. 
Man findet auch hier Fett in den Windungen der Lungenkapillaren, 
sowie im Gehirn mit Fettmetamorphose der Ganglienzellen; be¬ 
sonders aber auch Verfettung der Herzmusknlatur mit rapidem 
Verfall, wodurch sich eine plötzliche tödliche Herzschwäche vollauf 
erklärt. Die Nierenglomenili finden sich jedoch meist frei, was bd 


*) Siehe Nr. 7 dee Litt-Verz. 

*) I<. c. { 8.849. 

*) Siehe Nr. 4 dee L{tt.>Verz. 

*) Deutechee AroUv klie. Medizio; Bd. 14, S. 4. 



6 


Dr. Schreiber. 


einer Fettembolie gewöhnlieb nicht der Fall ist; Tielmehr sieht 
man hier in der Regel eine sehr hochgradige Fettanhäafongy wobei 
allerdings zn bemerken ist, daß es aach Fälle von Fettembolie 
gibt, bei denen die Nieren tlberhanpt nicht betroffen werden. 

Man sieht also, daß die Diagnose der FettemboHe oft sehr 
leicht, in anderen Fällen aber nur sehr schwer zn stellen sein 
kann. Ehe der Gerichtsarzt sie gegebenenfalls als Todesursache 
anspricht, muß er jede andere der verschiedenen Möglichkeiten 
wohl bedacht und ausgeschlossen haben. 

Literatur: 

I. Arnold: Zur Morphologie und Biologie der Zellen des Knochen* 
marks. Virch.>Arch.; Bd. IM, 8. 411. 

8. Colley: Ueber Fettembolie nach gewaltsamer; Qelenkbengong. 
Deutsche Zeitschr. lOr Chi^ 1898, Bd. 82, 8. 82A 

8. Eberth: Zar Kenntnis der Fettembolie. Fortschr. der Medix.; 
1898, Jahrg. 16, 8. 261. 

4. Ebstein: Beitrag zur Lehre von der Lipfimie, der Fettem* 
bolie und der Fettthrombose bei der Zackerkrankheit. Yirch. Arcb.: Bd. 156, 
8eite 671. 

6. HSmig: Ueber die Fettembolie des Qehims. Beitr. z. klin. Chir.; 
1900, Bd. 27, 8. 888. 

6. Jollj: Fettembolien bei aufgeregten Geisteskranken. Archir für 
Payohiatrie u. Nerrenkrankbeiten; 1881, Bd. 11, 8. 201. 

7. ErOnlein: Beferat in einer Sitzang der Gesellschaft der Aerzte 
in Zürich. Eorrespondenzbl. für Schweiz. Aerzte; 1898; 8. 629. 

8. Lücke: Bericht über die chirurgische Universitätsklinik von Bern 
von Ostern 1865 bis Ostern 1872. Deutsche Zeitschr. für Ohirargie; 1878,' 
Bd. U, 8. 220. 

9. B. Müller: Markologie. Leipzig*Bendnitz 1905. 

10. Pomatti: Ueber einen Fall von Fettembolie des Gehirns. Diss. 
Zürich 1895. 

II. Becklinghansen: Handbuch der allgemeinen Pathologie des 
Kreislanfs. 

12. 8chlokow, Both u. Leppmann: Der Kreisarzt. 1901. 

18. Tillmanns: Lehrbach der Chirargie. 1900. 

14. Wahneau: Ein Fall tödlicher Fettembolie. Diss. Halle; 1886. 


Die chemische Untersuchung von Trinkwasser an der 

Entnahmestelle. 

Von Prof. Dr. med. Karl Schreiber, wissenschaftliches Mitglied 
der Königlichen Versachs* and Prttfangsanstalt für Wasserversorgang and 

Abwässerbeseitigang. 

Die Grundige für die hygienische Begutachtung eines 
Brunnens oder einer Quelle bilden die örtlichen Verhältnisse, 
d. h. die geologische und hydrologische Beschaffenheit der Wasser¬ 
entnahmestelle und ihrer Umgebung, sowie die Konstruktion und 
der Zustand der Wasserfassungsanlage. Die Untersuchung der¬ 
selben ist durch geeignete Sachverständige an Ort und Stelle 
ausznfähren. Zur Unterstützung des Urteils dienen die Ergeb¬ 
nisse der chemischen, bakteriologischen und mikroskopischen Unter¬ 
suchung des Wassers. Diesen Standpunkt, den zuerst Flügge 
1895 auf der Versammlung des Vereins für öffentliche Gesnndheits- 



Die chemisebe üntennchang des Trinkwassers an der Entnahmestelle 7 


pflegte in Breslan^) präzisiert hatte, nehmen zurzeit wohl alle 
praktischen Hpgieniker ein.*) Aach der Reichsgesnndheitsrat hat 
sich in seiner im vorigren Jahre heransgegebenen „Anleitang ifir 
die Einrichtang, den Betrieb and die üeberwachang öffentlicher 
Wasser^ersorgangsanlagen, welche nicht ansschließlich technischen 
Zwecken dienen** za'ähnlichen Grandsätzen bekannt. 

Handelt es sich daher am die Erschließang von Wasser fftr 
größere Wasserversorgangen, so sind nicht narmitBflck- 
sicht anf die Qaantitätsfrage, sondern anch zor Entscheidong, ob 
das Wasser den hygienischen Anfurderangen entspricht, zunächst 
die geologischen and hydrologischen Verhältnisse der Wasser¬ 
entnahmestelle and seiner ümgebnng hinreichend klar za stellen. 
Das erschlossene Wasser wird ein oder mehrere Male chemisch, 
bakteriologisch and mikroskopisch nntersncht. 

Ist bei größeren Wasserfassangsanlagen eine solche genaue, 
mit dem ganzen Rüstzeug der modernen Wissenschaft yor- 
genommenen Prüfung schon von dem Gesichtspunkte ans geboten, 
daß, je größer die Wasserversorgungsanlagen, desto schwerer anch 
die Verantwortlichkeit ist für Schädigungen gesundheitlicher und 
wirtschaftlicher Art, die durch ungenügende Vorarbeiten heraof- 
beschworen werden, so wird anch die Beantwortung der in Betracht 
kommenden technischen, wirtschaftlichen, sowie anch der hygieni¬ 
schen Fragen am so schwieriger, je größer die Wasserentnahme 
ist. Man denke nur an die gewaltigen Veränderongen in den 
natürlichen FiltrationsYorgängen im Boden, welche durch die Ent¬ 
ziehung großer Wassermengen hervorgemfen werden können. 
Gerade in neuester Zeit, bei der Breslauer Wasserkalamität, hat 
es sich gezeigt, wie außerordentlich schwierig es ist, derartige 
Vorgänge richtig zu beurteilen. Aber auch £e hygienische Be¬ 
urteilung sehr ergiebiger Quellen bieten ungeheure Schwierigkeiten; 
sie erwecken häufig schon von vornherein den Verdacht, daß es 
sich um mangelhaft filtriertes Oberflächenwasser handelt; nur 
durch sorgfältige ausgedehnte Untersuchungen unter Zuziehung 
aller in Betracht kommenden Methoden gelingt es darüber Klar¬ 
heit zu schaffen, ob das Wasser großer Quellen gesundheitsschäd¬ 
lichen Infektionen aasgesetzt ist oder nicht. Die erheblichen Un¬ 
kosten, welche derartige, im Interesse der Sicherstellung der hy¬ 
gienischen Urteile umfassende Voruntersuchungen der für große 
Wasserversorgangen heranzuziehenden Wässer erfordern, sind aber 
gegenüber dem Anlagekapital gering. 

Anders liegen die Verhältnisse, wenn es sich um Beurteilung 
von Haus- und Straßenbrunnen oder auch kleiner Wasser¬ 
leitungen handelt, die für die Versorgung einzelner Anwesen 
oder kleiner Ansiedelungen dienen sollen. In diesen Fällen mit 


1) Viertelj&bnebrift für öffentliche Gesandheitapflege; Bd. XXYIU, Heft 1. 
*) Ernmmaoher, F.: Streit über die chemuche WaeBemntenaohimg. 
Zeitscbmt för Medizinalbeamte; 1904, 8. 501 ff. und 665. 

Salomen: Noch ein Beitrag zar Waaserontersnchnngsfrage Zeitschrift 
für Medisinaibeamte; 1904, 8.506. 



8 


Or. Schreiber. 


derselben Ansffthrlichkeit za yerfahren and Qeologeny Techniker, 
Chemiker nnd Bakteriologen znr Untersnchong def einschlftgigen 
Verhältnisse heranznziehen, ist mit Rhcksicht aaf die hierfür er¬ 
forderlichen Aafwendnngen von vornherein ansgeschlossen. Die 
Entscheidang der Frage, ob das in Betracht kommende Wasser 
als hygienisch einwandsfrei zn betrachten sei, maß hier vielmehr 
tnnlichst in die Hand eines einzigen Gatachters gelegt werden, 
ln dieser Beziehang kommt vermöge seiner Aasbildang and amt¬ 
lichen Stellang in erster Linie der zoständige Medizinal¬ 
beamte, in Preußen der Kreisarzt, in Betracht. Ihm ist es 
verhältnismäßig am leichtesten, sich über die gesamten örtlichen 
Verhältnisse der Wasserentnahmestelle ein Urteil zn verschaffen 
and er wird deshalb bei der Bearteilang von kleinen Wasser- 
versorgongsanlagen die Zaziehang von Spezialsachverständigen 
meist entbehrlich machen. Der Medizinalbeamte kennt überdies 
die Lebensgewohnheiten and die Bedürfnisse der Bevölkerung, 
sowie die landesübliche Art des Brannenbaaes and der Qaell- 
fassangen seines Dienstbezirkes. Er ist über die epidemiologischen 
and allgemein hygienischen Verhältnisse orientiert nnd kann daher 
beurteilen, ob ein mehr oder weniger energisches Vorgehen in 
der Wasserversorgnngsfrage angezeigt ist. Werden Mängel oder 
Veranreinigangen bei in Gebrauch befindlichen Bronnen oder 
Quellen festgestellt, so wird der Kreisarzt am ehesten in der 
Lage sein, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage Ver¬ 
besserungen an bestehenden Wasserversorgangsanlagen vorzu- 
schlagen oder aaf die Schaffung von Neuanlagen za dringen. 

Die hygienische Beaufsichtigung der Wasser¬ 
versorgangsanlagen, welche dem Medizinalbeamten dienstlich 
anferlegt ist, erfordert, daß er sich aach die Spezialkenntnisse 
aneignet, welche zar Bearteilang von Brunnen- und Quellfassungen 
nnd von kleinen leicht za übersehenden Wasserleitungen in hygi¬ 
enischer Hinsicht notwendig sind. Hierzu gehört auch die Aus¬ 
führung einfacher Wasseranalysen. Sicherlich wird es jedem, der 
eine Wasserversorgungseinrichtung beurteilen soll, am ange¬ 
nehmsten sein, wenn ihm hierfür auch eine ausführliche chemische 
Analyse zur Verfügung steht. In kleinen Verhältnissen fehlen 
jedoch häufig die Mittel für genaue, darch irgend ein chemisches 
lustitat aasgeführte Untersuchungen. Soll man nun in solchen 
Fällen von der chemischen Untersachung des Wassers ganz ab- 
sehen? 

In manchen Fällen erscheint in der Tat, wie schon Flügge 
hervorhebt, eine chemische Untersachung für die Beurteilung, 
ob ein Bronnen- oder Quellwasser einwandsfrei ist, nicht 
dorehaus erforderlich. Um z. B. ein hygienisches Urteil über einen 
neuen, mindestens 5 m tiefen Rohrbrunnen abzngeben, der etwa 
im Sandboden ^ erbohrt und von allen in Betracht kommenden 
•Qaellen einer etwaigen Verunreinigung hinreichend entfernt ist, 
genügt, abgesehen von den Ergebnissen der örtlichen Untersuchung, 
unter Umständen die Feststellung, ob die äußere Beschaffenheit 
des Wassers billigen Ansprüchen entspricht. Findet man anderseits 



Die chemische üntenoehoBg des Trbkwsssers an der EntDahmrstelle 9 

offensiditliche Veranreinig^aDg eines Brnnnens oder gibt schon die 
Umgebnng eines Bronnens Anlaß znr Beffirehtnng, daß das 
Bronnenwasser yeronreinigt werden kann, so ist eine chemisdie 
üntersochong des Wassers ebenfalls überflüssig. 

Sehr hänflg ist jedoch auch für die hygienische Benrteilnng 
eines Bronnens- oder Qoellwassers die Aosfflhmng einer chemi¬ 
schen Üntersochong desselben dorchaos erforderlich. Insbesondere 
kommen hier Bronnen oder Qoellen in mehr oder weniger dicht 
bewohnten Qagenden oder in sehr dnrchlässigen geologischen 
Formationen in Betracht. Meist wird man in solchen Fällen, 
wenn möglich anch eine bakteriologische nnd mikroskopische 
Üntersochong des Wassers vornehmen; aber anch da, wo es sich 
nm vielbenotzte öffentliche Bronnen oder om kleine Wasser¬ 
leitongen handelt, die einer größeren Menge Menschen Trink- nnd 
Wirtschaftswasser liefern, wird man znr größeren Sicherheit aof 
die chemische Üntersochong nicht verzichten wollen, selbst wenn 
die Giefahr einer Vemnreinigong des Wassers nnwahrscheinÜch 
ist. Nor von Fall zo Fall läßt sich hier beorteilen, welche Unter- 
l^en für das hygienische Urteil zn beschaffen sind. Kommt end- 
li^ bei Wasserleitnngen die Verwendong von Bleiröhren in Be¬ 
tracht, so mnß man sich anch darüber orientieren, ob eventnell 
die Gefahr besteht, daß das Wasser Blei löst. 

Daß, ebenso wie der Kreisarzt, anch andere Sachverständige, 
die sich die erforderlichen Kenntnisse angeeignet haben, für die 
hygienische Benrteilnng von Bronnen nnd Qoellen herangezogen 
werden können, braocht nicht besonders hervorgehoben zo werden. 
Wünschenswert ist es onter allen Umständen, daß derjenige, 
welcher ein hygienisches Urteil abzngeben hat, sich die hierftbr 
erforderlichen Unterlagen womöglich schon an Ort nnd Stelle 
beschafft. Denn wenn es sich heraosstellt, daß eine Veronreini- 
gnng des Wassers z. Z. der Üntersochong besteht, oder späterhin 
zn befürchten ist, so kann man sich in kleineren Verhältnissen 
nicht damit begnügen, diese Tatsache festznstellen. Der Sach- 
versUndige mnß vielmehr anch in der Lage sein, sofort zo ent¬ 
scheiden, ob es notwendig ist, den betreffenden Bronnen oder die 
Qoelle zo schließen, oder ob ond wodnrch es möglich ist, Ver- 
onreinigongen von dem Wasser fernznhalten. Hänflg gelingt es 
ja dnrch verhältnismäßig einfache Maßnahmen die Wasserentnahme¬ 
stelle nnd die Fassnngsanlagen so omzo gestalten, daß eine weitere 
Vemnreinigong ansgeschlossen ist. Man darf sich nicht damit 
begnügen, einen Bronnen, dessen Wasser vernnreinigt ist, korzer 
Hand zn schließen, sondern wird sich hierbei stets vor Aogen 
halten müssen, daß ein Bronnen oder eine Qoellfassong für die 
Besitzer hänflg eine verhältnismäßig hohe Kapitalsanlage darstellt, 
nnd daß es daher Anfgabe des Sachverständigen sein moß, wenn 
möglich die Wege anzngeben, nm dieses Kapital anch fernerhin 
nach Möglichkeit notzbar zo machen. 

Die AosfÜhrang ond Beendignng der chemischen Üntersochong 
an Ort and Stelle ist jedoch nicht nor ans dem Grande wünschens¬ 
wert, daß ihre Ergebnisse anch die Üntersochong der örtlichen 



10 


Dr. Schrellwr. 


Verhältnisse wirksam nnterstfltzen, sondern sie hat aneh nicht 
nnwesentliche Vorteile im Gefolge gegenüber der chemischen 
üntersnchang an Proben, die längere Zeit anibewahrt nnd trans¬ 
portiert worden sind. Es ist bekannt, daß infolge des Zutritts 
von Sanerstoff znm Wasser nnd des Entweichens gasf&rmiger 
Bestandteile chemische Umsetzungen in manchen Wässern hervor- 
gemfen werden. Gerade die stickstoffhaltigen Substanzen, die fttr 
die hygienische Beurteilung eines Triokwassers in erster Linie 
in Betracht kommen, können bei der Antbewahrung der Wasser¬ 
proben Verändernneren eingehen, die leicht zn falschen Schlüssen 
yerleiten. Tonige Trübungen nnd Färbungen des Wassers lassen 
sich meist überhaupt nnr an frisch entnommenen Proben richtig 
bearteilen. Die Gepflogenheit, die chemische üntersnchnng an 
eingesandten Proben vorznnehmen, hat wohl anch dazu geführt, 
daß von vielen Analytikern die Feststellung der äußeren Be¬ 
schaffenheit des Wassers mehr oder weniger vernachlässigt wird. 
Dennoch sind die Ergebnisse der Prüfung des Wassers durch die 
Sinne (Gesicht, Geruch, Geschmack, Temperatur-Sinn) von nicht 
zn nnterschätzender Bedeutung. Für eine vollkommene 
chemische Untersuchung eines zu Trinkzwecken 
dienenden Wassers ist daher eine teilweise Unter¬ 
suchung desselben an Ort und Stelle nicht zu ent¬ 
behren. Mit Rücksicht hierauf läßt die Königliche Versuchs- 
und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung nnd Abwässerbeseitigung 
in Berlin denn auch in allen Fällen, wo eine genauere chemische 
Untersuchung des Wassers erforderlich ist, möglichst bereits an 
Ort und Stelle durch einen Sachverständigen die Untersuchung 
der äußeren Beschaffenheit, der Temperatur des Wassers, seines 
Gehaltes an stickstoffhaltigen und gasförmigen Bestandteilen, sowie 
der Reaktion vornehmen. 

Wenn man anch prinzipiell auf dem Standpunkt steht, daß 
zur hygienischen Beurteilung eines Trinkwassers eine sachver¬ 
ständige Besichtigung der Entnahmestelle notwendig ist, wird 
man diesen Standpunkt doch in vielen Fällen zurzeit aus äußeren 
Gründen nicht aufrecht erhalten können und sich auf Grund der 
Untersnchnngsergebnisse eingesandter Proben über die Brauch¬ 
barkeit des Wassers äußern müssen. In solchen Fällen hilft man 
sich damit, daß man einen möglichst eingehenden Fragebogen 
über die örtlichen Verhältnisse der Wasserentnahmestelle durch 
eine geeignete Person an Ort nnd Stelle beantworten läßt. Häufig 
wird jedoch dann ein abschließendes Urteil nicht abgegeben werden 
können nnd eine nachträgliche örtliche Üntersnchnng gefordert 
werden müssen. 

Dem Bedürfnisse einer einfachen, am Ort der Entnahme leicht 
ausführbaren chemischen Untersuchung eines Trinkwassers ist 
bisher in verschiedener Weise versucht worden, zu entsprechen. 
Am meisten Anklaug hat die Untersuchnngsmethode von Dr. John 
Thresh in London gefunden, die mit einer von der Firma 
Wellcome, Burronghs & Go. in den Handel gebrachten Zu¬ 
sammenstellung von Chemikalien und Apparaten ausgefflhrt wird. 



Die ehemifclie Unteraachiug dei Trinkwusen an der Entnahmestelle 11 


Die Methode, bei der die Beagentieii in Tablettenform verwendet 
werden, verzichtet anf die Genanigkeit der chemischen Analyse, 
die bei der üntersnchnngf von Trinkwftssem in Deatschland sonst 
im allgemeinen ttblich ist; sie ergibt jedoch Werte, die für die 
Abgabe eines hygienischen Urteils meist genau genug sind. Die 
Methode von Thresh ist daher von dem Beg.> und Geh. Med.- 
Bat Dr. Salomon in Coblenz den ihm unterstellten Kreisärzten 
empfohlen worden und hat sich nach und nach auch in anderen 
Begiernngsbezirken eingefUhrt. Eine große Beihe der nach der 
Threshschen Methode ausgefflhrten Analysen von Wässern, die 
fdr kleine Wasserleitungen der Bheinprovinz in Aussicht genommen 
waren, hat bei der Prüfung der Projekte der hiesigen Prttfnngs- 
anstalt Vorgelegen, und zwar häaflg zusammen mit den Besultaten 
ausführlicherer, von chemischen üntersuchungsanstaUen gelieferter 
Analysen. Ich habe nicht nur auf Grund der Kenntnis dieser 
Analysen, sondern auch durch eigene, sowie durch andere An* 
staltsmitglieder ausgetührte vergleichende Untersuchungen die 
Ueberzeugung gewonnen, daß die Thresh sehe Methode tatsäch- 
lidi in vielen Fällen für die hygienische Beurteilung der Wässer 
ausreichende Unterlagen ergibt. Nur in einigen wenigen Fällen 
schien eine genauere Analyse wünschenswert, wo es sich z. B. 
darum handelt, festznstellen, ob eine Quelle mit einem Ober* 
flächenwasser in Verbindung steht, läßt sich eine genauere chemi* 
sehe Anal^e der beiden Wässer nicht entbehren. In solchen 
Fällen kommen jedoch neben der Klarlegung der geologischen 
Verhältnisse auch andere Untersnehnngsmethoden, z. B. die An* 
Wendung chemisch leicht nachweisbarer Zusätze (Kochsalz, Ura* 
nin nsw.), sowie die bakteriologischen und mikroskopischen 
Prflfungsmethoden in Betracht. 

Wenn mau sich daher im Prinzip mit der Threshschen 
Untersuchnngsmethode für die vorliegende Zwecke einverstanden 
erklären kann, so lassen sich im einzelnen doch noch einige Ver* 
bessemngen vornehmen, welche den Wert der Methode nicht un¬ 
wesentlich erhöhen. Vor allem ist die Anwendung der englischen 
Maße und Gewichte, welche in dem von der oben genannten 
englischen Firma znsammengestellten Untersnehnngskasten ver¬ 
wendet werden, für den Gebrauch in Deutschland unbequem; sie 
erfordern eine Umrechnung der gefundenen Werte, um die Analysen¬ 
ergebnisse allgemein verständlich zu machen. Auch in der Aus¬ 
wahl und vor allem in der Anordnung der Utensilien schienen 
einige Abänderungen wünschenswert, wie sich diese in Verfolg 
der von der Prüfungsanstalt für Wasserversorgung gestellten 
Aufgabe, einen für den praktischen Gebrauch, insbe¬ 
sondere der Medizinalbeamten, geeigneten Unter- 
snehungskasten zu konstruieren, sehr bald zeigte. 

Bevor ich mit meinem Kollegen Dr. Klnt, der mir seinä 
reichen Erfahrungen in der chemischen Untersuchung von Trink¬ 
wasser bereitwilligst zur VerfQgnng stellte, hierbei an die Nach¬ 
prüfung der einzelnen Untersnehnngsmethoden ging, wurde zunächst 
noch einmal die Frage geprüft, ob es vorteilhaft ist, die Bea- 



12 


Dr. Sehreiber. 


gfentien in der Form von Tabletten oder Ton Ldsnngen zn ver* 
wenden. Die Bmintzang von Tabletten besitzt den Nachteil, daß 
sie sich, wenigstens teilweise, im Wasser langsam lösen nnd daher 
kflnstiich zerkleinert werden mflssen. Dieser nnlengbare Nachteil 
verschwindet jedoch gegenüber den vielen Vorzügen, welche ^e 
Tablettenform bietet. Zunächst nehmen die Tabletten, welche für 
dieselbe Zahl von üntersnchnngen ansreichen, einen viel geringeren 
Banm ein, als die entsprechenden Lösungen, ein Vorteil, der für 
einen Untersuchnngskasten, der leicht transportabel sein soll, von 
großer Bedeutung ist. Ueberdies besteht beim Transport von 
Lösungen in Flaschen die G-efahr, daß bei Bruch einer Flasche 
meist der ganze Vorrat verloren geht und unter Umständen, 
zumal wenn es sich um eine Säure handelt, auch andere Uten* 
silien des Ustersuchungskastens beschädigt werden. Dasselbe 
kann eintreten, wenn eine Flasche nicht genügend geschlossen 
ist. Daß Tabletten ferner haltbarer sind, ids die entsprechenden 
Lösungen, dürfte besonders für die Aufbewahrung des Silbemitrats 
in Frage kommen. Endlich ist auch die Ergänzung fehlender 
Tabletten bequemer, als die Nachlieferung von Lösungen, wc^ 
sich die ersteren leicht als Muster ohne Wert in Ährchen und 
Holzhülsen versenden lassen. 

Der Einwand, der früher von manchen Seiten gegen die 
Verwendung von Tabletten erhoben wurde, daß die Dosierung zu 
ungenau sei, trifit für die in Frage kommenden Präparate der 
Firma E. Merck keineswegs zu. Wie durch eine Beihe von 
Untersuchungen festgesteilt wurde, ist die Genauigkeit vielmehr 
weit größer, als sie bei der beabsichtigten Verwendung der 
Tabletten überhaupt von Belang sein köonte.^) Man konnte somit 
nicht in Zweifel sein, daß es für die vorliegenden Zwecke vor¬ 
teilhafter sei, die Beagentien in Tablettenform anzuwenden. 

Wir haben daher durch die erwähnte Firma E. Merck in 
Darmstadt, deren Buf von vornherein eine sichere Gewähr fO^ die 
Zuverlässigkeit und Güte der chemischen Präparate bot, eine 
etwas veränderte Ausrüstung für die chemische Untersuchung 
nach den Prinzipien der Treshsehen Methode zusammenstellen 
lassen.*) Die kompendiöse Form des Untersuchuugskastens’) 
und die dauernde Haltbarkeit der Beagentien werden nicht nur dem 
Kreisarzt angenehm sein, sondern lassen diese Ausrüstung zur 


>) Eine Permanganat-Tablette verbraachte im Mittel 0,12, im HSchst- 
lalle 0,18 ccm Thiosnliatlösang; das entspricht 0,96 bezw. 0,98 mg 

Sauerstoff statt eines Milligrammes. Ferner wurden 86 Argentumnitrieom- 
tabletten zusammen auf ihren Wirkungswert geprüft. Sie verbrauchten 10,21 
*/io N. Bhodanammoniomlüsung, entsprechend 10;2,9 mg Chlor (statt 100 mg). 
Bel der Prüfung der einzelnen Tabletten wurden im Durchschnitt 0,29 ccm 
*/io N. Bhodanammoniumlösung verbraucht, entsprechend 1,029 mg Chlor (statt 
1 mg). Die größte Abweichung entsprach 1,065 mg Chlor. 

*) Der Analysenkasten ist bei der Firma E. Merck, chemische Fabrik 
in Darmstadt für den Preis von 60 Mark erh&ltlich. Das Analysenmaterial 
reicht für etwa 40 voliständige Analysen ans. 

*) Siehe Abbildung auf Seite 18. 




Die chemiBche UntereachuDg des Trinkwasseii an der Entnahmestelle. 13 


chemischen Wasserantersnchungf auch fQr den Gebranch in der 
Marine, in den Tropen nnd im Innern unserer Kolonien gut ver¬ 
wenden, d h. überall da, wo die unbedingte Haltbarkeit der Rea- 
gentien and der 


ln Anbetracht 
der Bedentnng, 
welche die Unter- 
snchnng der äuße¬ 
ren Beschaffen¬ 
heit des Was¬ 
sers für seine hy¬ 
gienische Beortei- 
Inng bietet, ist be¬ 
sonderes Gewicht 
auf die Ausstat¬ 
tung zur mög¬ 
lichst genauen 
Ausführung der¬ 
selben gelegt wor¬ 
den. In dieser Be¬ 
ziehung verdiente 
namentlich die ün- 
tersnchung der 
Farbe des Was¬ 
sers eine größere 
Beachtung, als ihr 
bisher überhaupt 
in den üblichen 
chemischen Ana¬ 
lysen zuteil ge¬ 
worden ist. Wenn 
man viele Trink¬ 
wässer, insbeson¬ 
dere ans Brunnen, 
untersucht bat, 
wird man die Be¬ 
obachtung machen, 
daß fast alle Wäs¬ 
ser, die sofort nach 
der Entnahme aus 
dem Untergründe 
einen gelblichen 
Farbenton zeigen, 
auch einen höhe- 





14 


Dr. Sdirelber. 


ren Gehalt an organischer Substanz besitzen. Schon bei einem Ver¬ 
brauch von mehr als 12 mg Permauganat wird man im frischen 
Wasser bereits eine Färbung wabmehmen. Im allgemeinen ent¬ 
spricht) wenigstens bei Brunnenwässern, der Menge des Per- 
manganatverbranches auch die Intensität der Farbe. Kann man 
daher in einem unter den üblichen Eantelen frisch entnommenen 
Wasser eine solche Färbung feststellen, so darf man in vielen 
Fällen die an sich zeitraubende und unbequeme Untersuchung des 
Wassers auf seinen Permanganatverbranch entbehren. 

Allerdings ist es hierfür notwendig festzustellen, daß die 
Färbung nicht durch ausfallendes, fein suspendiertes Eisen bedingt 
ist. Zur Bildung des im Wasser unlöslichen Eisenoxydhydrates 
ist der Zutritt von Sauerstoff notwendig; deshalb findet 
man in einer Wasserprobe, die eben dem Untergründe entnommen 
ist, im allgemeinen kein ausfallendes Eisen. Die Oxydation der 
Eisenverbindung ruft im übrigen neben der gelblichen Färbung 
auch eine mehr oder weniger starke Opaleszenz oder Trübung 
des Wassers hervor, die als solche durch eine Untersuchung des¬ 
selben mittelst einer mindestens 10—15fach vergrößernden Lupe 
unter Benutzung der Dunkelfeldbeleucbtung (s. Anleitung) zu er¬ 
kennen ist und durch feine suspendierte Eisenteilchen hervor- 
gerufen wird. Bei einiger Uebung wird man eine tonige Trübung 
von einer Eisentrübnng unterscheiden lernen. Ist das Wasser ganz 
klar, so beruht eine etwa beobachtete Färbung des Wassers bei 
hygienisch einwandfreier Lage und Konstruktion des Brunnens 
fast immer auf der Anwesenheit von sogenannten Huminstofien. 

Zur genaueren Feststellung der Farbe eines Wassers ist es 
notwendig, dieselbe vor allem im durchfallenden Licht zu unter¬ 
suchen und dafür Sorge zu tragen, daß nicht durch die Befiexe 
in der Nähe befindlicher farbiger Objekte (Bäume, Hanswände etc.) 
Täuschungen entstehen. Zu diesem Zwecke ist dem Untersnchnngs- 
kasten eine schwarze Hülse beigegeben, welche in den Meßzylinder 
hineingestellt wird, um die seitlichen Lichtstrahlen abzuhalten. 
Als Unterlage dient ein Stück weißen Papiers. 

Zur Feststellung der Temperatur, die manchmal beijder 
Beurteilung des Wassers, besonders eines Qaellwassers von großer 
Bedeutung sein kann, dient ein einfaches Thermometer. 

Die Reaktion wird im allgemeinen nur mit Lackmnspapier 
festgestellt. Wo jedoch eine Forlleitung des Wassers in Bleiröbren 
in Frage kommt, ist es notwendig, sich auch über den Gehalt 
des Wassers an freier Kohlensäure zu orientieren. Hierfür 
ist eine Prüfung mit Bosolsäure ausreichend. Da sich dieses 
Reagens weder in Tabletten form herstellen, noch auf Papierstreifen 
fixieren läßt, ist es in Lösung beigegeben worden. Von der be¬ 
quemeren Anwendung, welche der Einschluß der für die jeweilige 
Untersuchung erforderlichen Quantität in Ampullen ermöglicht, 
wie sie für das Neßlersehe Reagens in Anwendung kommen, 
ist mit Rücksicht auf die seltenere Verwendung des Reagenz und 
die teure Herstellung der Ampullen abgesehen worden. 

Die Feststellung der Reaktion mittelst Rosolsäure ist inso- 





Die ehemUclie ünterrachong des Trinkwassers ab der Eotaahmestelle. 15 

fern besonders empfehlenswert, weil ein Gehalt von etwa 10 mg: 
freier Eohlens&nre sich bereits durch eine deutliche Gelbfärbung 
beim Zusatze des Reagens bemerkbar macht, während kleinere 
Mengen von freier Kohlensäure, die durch das Reagens nicht an¬ 
gezeigt werden, ifir die Frage der bleilösenden Fähigkeit des 
Wassers bedeutungslos sind. Fällt daher die Rosoleäureprüfung 
positiv aus, so daß mehr als 10 mg freier COa im Liter Wasser 
Torhanden sind, so wird Blei in sanitär bedenklicher Menge 
gelöst. Anderseits besteht bei Wässern, die eine deutliche Rosol- 
säurereaktion nicht ergeben und außerdem noch eine Earbonat- 
härte von nicht unter 7^ aufweisen, während Nitrate fehlen, die 
Gefahr der Bleilösung nicht. Sehr weiche Wässer — das mag 
an dieser Stelle sogleich erwähnt werden — können aber auch 
ohne Anwesenheit von 00^ bei Zatritt von Sauerstoff, der in der 
Praxis niemals verhindert werden kann, das Blei angreifen. 

Sollen nun Wässer, bei denen eine Bleilöslichkeit ver¬ 
mutet werden kann, in ungeschtttzten Bleiröhren fortgeleitet werden, 
wie sie für Hausanschlftsse vielfach verwendet werden, so ist es 
notwendig, daß das Wasser genauer auf seine Fähigkeit, Blei zu 
lösen, untersucht wird. Die hierfär erforderliche quantitative 
chemische Untersuchung Überlasse man einem Bernfschemiker. 
Da jedoch die Untersuchung bereits an Ort und Stelle eingeleitet 
werden muß, ist es manchmal wünschenswert, daß der Sachver¬ 
ständige die hierfür erforderliche Vorarbeit selbst übernimmt. 
Die in den Ausführungsbestimmungen zu der anfangs genannten, 
vom Reichsgesnndheitsrat herausgegebenen „Anleitung** enthal¬ 
tene Vorschrift hierzu lautet: 

„Man stellt in einen mit schr&e sbgeschoittenem Glasstopfen rerschließ- 
baren Standzylinder Ton ungefähr 1 Liter Inhalt ein der Höhe des Zylinders 
entsprechendes Sttlck eines halbierten, etwa 1—2 cm starken Bleirohres ein, 
nachdem seine Oberfläche mit stark verdünnter Salpetersäure gerebigt, in 
destilliertem Wasser sorgfältig längere Zeit abgewaschen und darauf mit ebem 
sauberen Tuch abgetrocknet und blank poliert ist. Dann wbd das zu unter¬ 
suchende Wasser b den Zylinder längere Zeit unter möglichster Vermeidung 
des Miteintritts von Luft eingeleitet (bis sich der Inhalt des Zylinders mehrere 
Male erneuert hat). Der Zylinder wird dann mit dem Qlasstopfen so ge¬ 
schlossen, dafi kebe Luft zwischen dem Stopfen und dem Wasser mitein- 
g^hlossen wird. Nach frühestens 24 Stunden wird der Zylinder geöffnet, das 
mit einer reinen Pbzette gefaßte Bleirohr mehrere Male durch das Wasser 
auf- und Biedergezogen, um etwa anhaftende ungelöste Bleisalze von dem 
Bleirohr abzuschütteln, und das unflltrierte Wasser nach den bekannten 
Methoden auf seben Bleigehalt untersucht.''*) 

Der Untersuchung des Wassers auf das Vorhandensein von 
Ammoniak, salpetriger Säure und Salpetersäureist vom 
hygienischen Gesichtspunkte aus die größte Bedeutung beizu¬ 
messen. 

Die Untersuchung auf Ammoniak wird mit dem bekannten 
Neßlersehen Reagens ansgefüh.rt. Die für eine jeweilige Unter¬ 
suchung von 60 ccm erforderliche Menge ist in eine Ampulle ein- 


*) VergL Ministerialblatt für Medizinal- und medbbbche ünterrichts- 
Angelegenhdten, VIL Jahrg. 1. Juni 1907, Nr. 11, 8.183, sowie Beilage zu 
Nr. 12 der Zeitschrift für Medlsbalbeamte; Jahrg. 1907, S. 86. 



16 


Dr. SehrcllMr. 


gesdilossen, die durch zwei Feilenschnitte beim Oebraoch gebffiaet 
wM. Bei der Untersnchang: ist darauf za achten, ob sich eine 
weißliche Trttbnng oder FlockeobildaDg einstellt. Dieser Befand, 
der darauf beruht, daß sich infolge des Gehaltes des Neßlersehen 
Beagens an Natronlauge, Kalk- und Magnesiaverbindungen ans« 
scheiden, spricht, wie'Dr. Klut festgestellt hat, datfir, daß die 
Härte des Wassers über 18 deutsche Härtegrade beträgt. Auf 
eine derartige Untersuchung der Härte wird man sich für die 
vorliegenden Zwecke in den meisten Fällen beschränken können, 
zumal bei einiger Uebung aus dem Grade der Trübung oder 
Flockenbildung auch ein gewisses Urteil über höhere vorkommende 
Härtegrade gebildet werden kann. 

Wird in einem Wasser salpetrige Säure in größerer 
Menge festgestellt, so ist auch Salpetersäure anwesend. Fto 
die hygienische Beurteilung des Wassers ist in solchen Fällen die 
Menge der vorhandenen Salpetersäure meist so wenig maßgebend, 
daß man auf eine Untersuchung auf Salpetersäure üWhaupt ver¬ 
zichten kann. 

Die Menge der vorhandenen stickstoffhaltigen Substanzen 
wird im übrigen nach dem Grade der entstehenden Färbung und 
der Schnelligkeit des Eintritts der Reaktion geschätzt. Genauere 
quantitative Bestimmungen sind für die vorliegenden Zwecke wohl 
fast stets überflüssig. 

Haben nun die bisher erwähnten Untersuchungen 
eines Wassers ein günstiges Resultat ergeben, so 
wird man häufig von einer weiteren chemischen 
Untersuchung desselben absehen dürfen; denn eine 
Wasserprobe, die klar, geruch- und farblos ist, eine neutrale oder 
schwach alkalische Reaktion und eine normale, der mittleren 
Jahrestemperatur des Ortes ungefähr entsprechende Temperatur 
besitzt, keinen abnormen Geschmack zeigt, frei ist von stickstoff¬ 
haltigen Substanzen und weniger als 18 Härtegrade auf weist, 
kann im allgemeinen als nicht verunreinigt gelten. Die quanti¬ 
tative Bestimmung des Chlors, des Permanganatverbranches, der 
sich übrigens bei höherem Gehalt an organischen Substanzen, wie 
erwähnt, auch in der Färbung des frisch dem Untergründe ent¬ 
nommenen Wassers zu erkennen gibt, und der Härte wird dann 
meist keine neuen Gesichtspunkte für die hygienische Beurteilung 
des Wassers ergeben. Wo jedoch Zweifel bestehen sollten, oder 
eine möglichst vollständige Analyse wünschenswert erscheint, sind 
diese drei quantitativen Bestimmungen noch auszulühren. 

Für die Permanganatbestimmung hatte Thresh 
Tabletten vorgesehen, die nach deutschem Gewicht 5,2 mg Per- 
mangananverbrauch im Liter Wasser anzeigen. Mit Rücksicht 
darauf, daß 4 mg Permanganatverbrauch etwa 1 mg Sauerstoff 
entsprechen, haben wir Stufen von 4 zu 4 mg gewäUt. Häufig 
wird man jedoch sofort mit 2 Tabletten (= 8 mg) beginnen können, 
da reine Wässer aus nicht moorigem Boden nach den meist 
geltenden Anschauungen bis zu 8—10 mg Permanganat- 
verbrauch aufweisen können. Ein Permanganatverbrauch von mehr 



Die chemische UntenachoDg des Trlnkwassexs sa der Entnahmestelie. 17 


als 12 mg im Liter Iftßt jedenfalls auf einen höheren Gehalt an 
organischen Sabstsnzen schließen. Ob diese dann ans hygienisch 
bedeoklichen Vemnreinignngen stammen, oder nnr als sogenannte 
Hominsnbstanzen anznsprechen sind, wie man sie in Wässern ans 
brannkohlenhaltigem oder moorigem Untergründe oder auch ln 
Schlickablagerangen bei völligem Fehlen frischer Yernnreinigongen 
findet, maß aof Grand der übrigen AaalysenergebniBse nnd der 
örtlichen Verhältnisse entschieden werden. 

Die Tabletten fOr die Chlorbestimmnng sind so dosiert, 
daß eine üntersnchnng von 10 zn 10 mg Chlor pro Liter möglich 
ist, während eine Tablette nach Thresh 28,6 mg Chlor anzeigt. 
Es gibt nämlich Bezirke, in denen reine Grand- nnd Qa^- 
wasser stets einen weit niedrigen Chlorgehalt als 80 mg anf- 
weisen, so daß man schon ans einem Chlorgehalt von beiläufig 
15 mg an eine Venmreinignng denken muß. In solchen Fällen 
erscheint es wünschenswert, auch geringere Mengen Chlor be¬ 
stimmen zu können, als es Thresh vorgesehen hat. Zu diesem 
Zweck ist durch die Dosierimg in unserem Analysenkasten die 
Möglichkeit gegeben, Chlor von 10 zu 10 mg im Liter festzn- 
stellen. Meist wird man jedoch ohne Schaden für die hygienische 
Beurteilung mit 8 Tabletten = 80 mg Chlor die üntersnchnng 
beginnen können. 

Für die Härtebestimmung ist es bei Wässern, die 
eventuell in Bleiröhren fortgeleitet werden sollen, wie bereits 
erwähnt, vorteilhaft zu wissen, ob das Wasser sehr weich ist. 
Daher sind unsere Tabletten ebenso wie die von Thresh so 
bemessen, daß jede 4 Grad angibt. In diesen Fällen, wo die 
Bleilöslichkeit des Wassers in Frage kommt, und eventuell auch 
da, wo man eine künstliche Enteisenung des Wassers für erforder¬ 
lich hält, empfiehlt es sich, auch die transitorische Härte 
(Gesamthärte minus permanente Härte) zu ermitteln. 

Eine quantitative Bestimmung des Eisengehaltes ist nnr 
mit Hilfe von komplizierten Methoden möglich, die an Ort und 
Stelle schwer auszuführen sind. Eine Notwendigkeit Älr eine 
genaue Bestimmung des Eisengehaltes liegt jedoch nur bei Wässer 
vor, die fdr größere Wasserleitungen verwendet werden sollen, 
und wo daher durch die Analyse ein Anhalt für die Konstruktion 
nnd Dimensionierung der Anlage gegeben werden soll. Wo es 
sieh um kleinere ländliche Wasserleitungen handelt, wird man 
sehen, soweit als möglich ohne Enteisenungsanlage auszukommen, 
weil der sachgemäße Betrieb einer Enteisenungsanlage, zumal da, 
wo die Einfögung derselben in das Drucksystem nicht angängig 
ist, immerhin geschalte Kräfte erfordert. Bei einem Eisengelmlt 
bis zu ungefä^ 1 mg FetOg im Liter, der sich im allgemeinen 
durch den Geschmack noch nicht unangenehm bemerkbar macht 
und nur mäßige Bisenozydhydratausscheidungen im Bohrnetz her¬ 
vorruft, wird man sich bei kleinen Wasserleitungen damit be¬ 
gnügen, das Leitungsnetz regelmäßig durch Spülungen von dem 
aasgeschiedenen Schlamm zu reinigen. Die Gefahr, daß durch 
Wucherungen von Grenothriz polyspora in dem aasgeschiedenen 



18 


Dr. Sehreiber. 


EiBensehlamm schwere Ealamitftten eintreten, wird man ftbrigens 
bei QaellWasserleitungen nach ▼. Banmer^ nicht zn hoch yer- 
anschlagen dftrfen. Anf jeden Fall empfiehlt es sich aber znr 
Vorsicht, wenn möglich, das für die spätere Einschaltnng einer 
Enteisennngsanlage erforderliche QefäUe bei dem Projekt der 
Wasserleitung mit in Bficksicht zn ziehen. 

Bei Brunnen mit eisenhaltigem Wasser kann man die An¬ 
bringung einer Enteisennngsvorrichtnng, die mit nicht geringen 
Kosten verknüpft ist nnd daher noch wenig Anwendung in der 
Praxis gefunden hat, erst dann fordeim, wenn der Eisengehalt, 
der Geschmack und das Aussehen des Wassers in so hohem Maße 
beeinträchtigt, daß es als hygienisch einwandfreies Gennßmittel 
nidit angesehen werden kann, oder wenn die Verwendung des 
' Wassers zu Wirtschaftszwecken ohne Entfernung des Eisens nicht 
möglich ist. Das trifft im allgemeinen auch erst bei Eisenmengen 
j im Wasser von mehr als 1 mg zu. 

Es ist daher nicht nur ffir den Bau kleiner Wasserleitungen, 
sondern auch bei Brunnen von besonderem Interesse festzasteUen, 
ob der Eisengehalt über 1 mg im Liter beträgt Das läßt sich 
in dem eben ans dem Untergründe geschöpften, mit Sauerstoff 
noch nicht in Berührung gekommenen Wasser, mit einer gewissen 
Sicherheit durch den Zusatz der in dem Analysenkasten befind¬ 
lichen Eampescheholztabletten feststellen. Bei einem Gehalt von 
über 1 mg Eisen geben sie dem untersuchten Wasser eine blaurote 
bis blanschwarze Färbung. Diese Reaktion, welche meist mit den 
weniger empfindlichen Lösungen von Kampescheholzextrakt an¬ 
gestellt wird, hat sich in der Praxis auch zur Feststellung der 
Leistungsfähigkeit von Enteisenungsanlagen mittelst Hoch^nck- 
filtem allgemein eingeffihrt, weil es bei einiger Uebnng gelingt, 
ans dem Grade der weinroten Färbung auch niedrigere Mengen 
Eisen abzuschätzen. Wir haben daher geglaubt, auch dieses 
Reagens der Ausrüstung znr chemischen Analyse hinznfdgen zn 
sollen. 

Im allgemeinen gibt es eine viel einfachere Methode, um 
sich für praktische Zwecke über den Eisengehalt zu informieren; 
sie hat leider den Nachteil, daß zu ihrer Ausführung eine gewisse 
Zeit, mindestens doch 24 Stunden, erforderlich ist. Man schüttelt 
das Wasser in einer halbgefüllten Flasche energisch mit Luft und 
beobachtet dann, ob sich eine Trübung und späterhin ein Nieder¬ 
schlag von Eisenoxydhydrat bildet. Bei der Verwertung dieser 
Methode wird man allerdings beobachten müssen, daß sich die 
Ausscheidung des Eisens in einem mit Luft geschüttelten eisen¬ 
haltigen Wasser nicht mit der Ansfällung des Eisens in einer 
Enteisennngsanlage oder im Rohrnetz deckt, weil hier neben 
anderen mehr oder weniger die Eisenausscheidung begünstigende 
Momente das bereits ausgeschiedene Eisenoxydhy^'at in der Ent- 
msennngsanli^e und im Rohrnetz in erster Lini e als Sanerstoff- 
übertrl^er die Enteisenung befördert. 

*) Zeitschrift Ittr analytische Chemie; XXII, Jahrg. 1903, 9. und 10. H., 
S. 591 ff. 



Die ehemlBdie ünterraehiiHg dei TrinkweBsen u der Eotoahmeetelle. 19 


Wendet man beide Methoden an, die Featstellnngf des ge¬ 
lösten Eisenoxydais mit iCampescheholztabletten und die Beob¬ 
achtung des mit Luft geschüttelten Wassers, so wird sowol in 
der Frage, ob ein Wasser einer künstlichen Enteisenung bedang 
als auch bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit einer Ent- 
eisenuDgsanlage bei einiger üebung ein sachgemäßes Urteil ge¬ 
winnen können; zu einer endgültigen Entscheidong ist jedoch in 
wichtigen Fällen die quantitative Feststellung des Eiseng^ltes 
des Boh- und Beinwassers durch einen Chemiker nicht zu ent¬ 
behren. 

Alle sonstigen Analysenmethoden, die teilweise mit mehr 
oder weniger Berechtigung bei der Untersuchung von Trinkwässem 
im Interesse einer hygienischen Beurteilung aasgeführt werden, 
insbesondere auch die Untersuchung auf metallische Beimengungen, 
wie Blei und Zink, überlasse man in den seltenen Fällen, wo 
eine solche Untersuchung erforderlich ist, dem Bernfschemiker. 
Die Feststellung des Abdampfrückstandes und das Verhalten beim 
Glühen desselben, wie ihn Thresh vorsieht, haben wir fallen 
gelassen, da die Ausführung dieser Untersuchung umständlich ist 
und keine wesentlichen Vorteile für die hygienische Beurteilung 
bietet. 

Hinsichtlich der Utensilien, welche zur Ausführung der 
Untersuchungen notwendig sind, haben wir uns nach Möglichkeit 
an Modelle gehalten, die stets im Handel zu haben sind: Einer¬ 
seits um den Ersatz zu erleichtern, anderseits, um nicht durch 
Schaffung besonderer Formen den Preis des Untersuchungskastens 
unnötig zu erhöhen. 

Die Verpackung und Anordnung der Beagentien und 
der UntersachangsutensUien ist so gestaltet, daß man jeden ein¬ 
zelnen Teil mit einem Griff aus dian Kasten entnehmen kann. 
Einsätze bewähren sich im allgemeinen in dieser Hinsicht nicht. 

Ehe man den Untersuchungsanalysenkasten in der Praxis 
verwertet, empfiehlt es sich, die einzelnen Untersuchungsmethoden 
zunächst an einem Wasser, dessen chemische Zusammensetzung 
bekannt ist, einzuüben. Es ist natürlich für die richtige Ver¬ 
wendung einer solchen Ausrüstung zur vereinfachten Analyse eine 
gewisse Geschicklichkeit und Erfahrung nicht zu entbehren. Ins¬ 
besondere bei der Untersuchung auf den Permanganatverbrauch 
muß man eine gewisse Uebung besitzen, um den Farbenschlag 
richtig erkennen zu können. Der Kasten ist aber nur für solche 
Untersacher berechnet, die die hierfür erforderliche Vorbildung 
besitzen. 

Stellt sich ein Ersatz der Beagentien als notwendig heraus, 
so ist derselbe nur durch die liefernde Firma zu bezi^en. Die 
flbrigen Utensilien lassen sich eventuell auch leicht aus jedem 
Gesdiäft für chemische Apparate ergänzen. 



20 . 


Dr. Berger: Tagebaoh and Jahresbericht. 


Tagebuch und Jahresbericht. 

Notiz Ton Dr. Berger in Krefeld. 

Für den Jahresbericht bildet das Tagebuch die wesentliche 
Qnmdlage. Die Uebersicht über die amtliche Tätigkeit im Jahre 
mit ihren zahlreichen Spalten baut sich auf dem Tagebuch allein 
auf. Bei der Aufstellung dieser Uebersicht hat aber wohl mancher 
ebenso geseufzt wie ich, und viele Stunden gesessen; besonders 
werden das die empfinden, die gleich mir 4000 bis 5000 Journal- 
Nummern zu verarbeiten haben. 

Ich habe mir nun ein Tagebuch auiertigen lassen, das hinter 
der letzten Spalte „Bezeichnung der Akten etc.“ durch Ziehen 
eines weiteren Striches von oben nach unten noch eine Spalte 
ohne üeberschrift schafft. In diese Spalte trage ich bei jeder 
Jonrnalnummer ein, in welche Spalte der Jahres-Uebersicht der 
Gegenstand gehört, und zwar einfach die Nummer der Spalte. 

Um diese Uebersicht immer zur Hand zu haben, habe ich 
mir an das Ende des Tagebuches ein Formular der Uebersicht 
über die amtliche Tätigkeit einheften lassen und die einzelnen 
Spalten mit den fortlaufenden Zahlen 1—24 bezeichnet. 

Das vorgeschriebene Formular ist in keiner Weise geändert; 
durch das Verfahren wird aber eine große Arbeit am Jahresschluß 
gespart. Die Arbeit geschieht unmerklich bei jeder Eintragung 
oder täglich; die Uebersicht wird dadurch ganz genau. Voraus¬ 
setzung dabei ist, daß jede Handlung ins Tagebuch eingetragen 
wird. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. OeriolitUohe Medizin. 

Zar Teehelk der Melogisehea Untersoohnng kletnzter Blatspvrea. 
Von Dr. mod. Th. Carnwarth-Belfast, frtlheren freiwilligem Hilfsarbeiter 
im E. G. A. Arbeiten aas dem Eaiseriichen Qesondheitsamt. XXVI. Bd., 
S. H. 

Der Blatfleck wird mit etwa 0,2 ccm 0,85 *7o Igor Eocbsalzlösong aos- 
gelaagt. Die jetzt anzoschliefiende EiweiOprobe wird in der Weise aosgefuhrt, 
daß man mit einer Kapillare Flüssigkeit bis ca. 2 cm Höhe aufziebt, dann 
die Kapillare, ohne die Flüssigkeit za erneuern, am unteren Ende zaschmilzt, 
in kochendes Wasser taacht and so zam Erhitzen bringt. Nunmehr wird das 
zogeschmolzene Ende abgebrochen, die erhitzte Eiweißlösang anf einen 
Objektträger mit etwa dem 4. Teil 25 "/o Salpetersäure zosammengebracht and 
gut gemischt. Tritt dabei eine opaleszierende Trübung anf, so haben wir die 
für «Ue Beaktion notwendige Verdünnung. Zur Austührang der biologischen 
Beaktion wird mit einem, an einem Ende zu einer langen Kapillare ansgezogenen 
BOhrcben in ein am unteren Ende zugescbmolzenen steriles Böhrchen von 2 mm 
Durchmesser und 6 cm Länge soriel präzipiterendes Serum gebracht, daß das¬ 
selbe etwa 8 mm hoch steht; hierzu werden dann die Untersucbungsflüssigkeiten 
nach den Ton Uhlen hu th angegebenen Vorschriften zugesetzt. Bei positivem 
Ausfall der Beaktion tritt nach einigen Standen an der Borührangsstelle 
zwischen Serum und Flüssigkeiten eine ringförmige Trübung auf, die sich 
allmählich nach oben hin immer mehr verbreitet. Bei dieser Kethode kann 
man beqaem mit 0,1 ccm Untersuchongsflüssigkeit aaskommen. 

Dr. Bost-Badolstadt. 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans ZdtBehriftea. 


21 


Oie LugenseliwlBiBiprolM ud ihre Bevrtellnif. Ana dem patho- 
logieehea Institut der üniTersit&t Halle a. S. Von Dr. Hans Käthe, Assisteaten 
des Instituts. Berliner klin. Wochenschrift; 1907, Nr. 86. 

Der positire Ausfall der Schwimmprobe ist nicht absolut beweisend für 
eztrauterines Leben. Lungen Ton Kindern, die selbst einige Tage gelebt, 
selbst geschrieen haben, können bei der Obduktion luftleer gefunden werden. 
Schwächliche Kinder gehen durch Asphyxie zugrunde; die Atmung sistiert 
ganz allmählich; die dastischeu Fasern im Lungengewebe wirken fortgesetzt 
passiv im Sinne einer Expirstion; es wird bei jeder Inspiration weniger Luft anf- 
genommen, als durch die Expiration ansgetriehen wird. Die beim Kollabieren der 
Lunge in den Alveolaren noch befindliche Besiduallnft (die feineren Bronchien 
sind meistens durch Schleim verlegt) wird vom Blut resorbiert, das in den 
die Lungenbläschen umspinnenden Kapillaren zirkuliert, da die Blntzirkulai^ 
noch genflgend Umge den respiratorischen Luftwechsel tiberdauert. Der Sach* 
verstihidige kann bei luftleeren Lungen nur anssprechen, daA Befunde, die 
ein Luftatmen nach der Geburt beweisen, nicht vorliegen, nur bei fanltoten 
Kindern ist Leben und Atmnng zu verneinen. 

Anderseits können Lungen von Kindern, die spontan llberhanpt nicht 
oder nach Verlassen des Geburtskanals nicht geatmet haben, sich schwinun* 
fähig erweisen. Sie können a) künstlich lufthaltig gemacht sein (Einblasen 
mittelst Tubulus, Schultzesche Schwingungen, Pa cini sehe Methode), b) durch 
Fäulnisgase (meist subdurale und interstiuelle große Bläschen), c) durch in¬ 
trauterine Luft- bezw. Gasatmung schwimmfähig werden. Abgesehen von 
künstlicher Einbringung atm. Luft in den üterns (Platzen eines mit Luft ^ 
füllten Kolpeurynters) müssen 8 Bedingungen erfüllt sein, damit Luft in die 
Gebärmutter eindringen kann: 1. Der abdominale Druck muß unter den der 
Atmosphäre sinken (plötzlicher Abfiuß des Frnditwassers bei Lagewechsel, 
üebergang der Bückenlage in die Seitenlage oder Knieellenbogenlage); 2. schlaffe 
Beschaffenheit der Uternswandnngen und der Bauchdecken; 8. Insuffizienz des 
äußeren Muttermundes. Das intrauterine Luftatmen wird am häufi^ten nach 
Wmdungen oder Anlagen der hohen Zange beobachtet, ja selbst ue geringe 
Kommunikation, die durch die touchierenden Finger zwischen der äußeren Lut 
nnd der unter vermindertem Atmosphärendruck stehenden UternshOhle her¬ 
gestellt wird, genügt, um Luft in die Gebärmutter ansangen zu lassen. Aber 
auch ohne Kunsthüffe kann Luft eindringen bei anormalem Bau der knöchernen 
Gebutswege (plattrachitische, ungleichmäßig verengte Becken) und durch 
einen anormalen Ablauf der Gebart, zumal wenn noch eine anormale Lage der 
Frucht dazu kommt (Verfall von Kindesteilen oder der Nabelschnur). Auch durch 
Zersetzung des Fruchtwassers kann sich im Anschluß an langdauemde Gehurten 
Gas in der Gebärmutter bilden (Tympania Uteri), das duch eingebrachte oder 
aingewanderte Keime (anaerobe Bakterien ans der Gruppe der Oedombazillen) 
betUngt ist. 

Findet der Gerichtsarzt teilweise entfaltete Lungen nnd aUe Anzeichen 
der Erstickung, bleibt die verdächtige Mutter bei der Behauptung, das Kind 
sei tot zur Welt gekommen, so ist an intrauterine Atmnng zu denken. Ano¬ 
malien des Beckens usw. sind bei seinem Gutachten zu berücksichtigen. 

Ein ziemlich sicheres Kriterium für intrauterine Atmung nnd Erstickung 
ist der Befand von Frachtwasserbestandteilen und Mekonium in den entfalteten 
Lungen. Dies trifft für viele Fälle zu; es ist jedoch auch denkbar, daß Frucht¬ 
wasser aspiriert wird, das Kind noch lebend zur Welt kommt, einige Atem¬ 
züge macht, dann aber stirbt. Der Befand würde dann dnrduchnittlich der 
gleiche sein, wie bei intrauteriner Lnftatmnng. Dr. Bäuber-KOslin. 


Zur Kritik der Belfezelcheu der Frucht. Von Dr. Hugo Nothmann. 
Fr. BL f. g. M. u. S.; 1907, Heft I, II, HL 

Die Kriterien der Beife, wie sie allgemein angegeben sind, sind niemals 
für sich allein, sondern nur in Berücksichtigung des gesamten Entwickelungs- 
grades des Spindes verwertbar. Wie bei einer Krankheit nicht ein Symptom, son¬ 
dern das Vorhandensein eines Symptomkomplexes die Diagnose sichert, ist auch 
bei der Diagnose der Beife das Zusammentreffen vieler Zeichen erforderlich. 
Außerdem ist zu beachten, d^ wie die Zustände der Gesundheit und Kruik- 
heit ineinander übergehen, sich auch mancherlei Brücken zwischen reif und 



28 Klelaer« WttdhuigeD uid Baferate ans ZeltaebUleaL 

nnif iad«. Die aUgemeiaeo ESrperajmptMBe, wie du VorliaadflBaeüi tob 
Lobbto, die JüliBiB- und ConiedoneBbildug, die Beecliaffealieit tob WinpeiB 
BBd liigelB siBd Bach Verfassen ErfahrOBgea so gut wie wertlos. Am meistea 
BeacbtBBg TordieBt Boch die Beschaffenheit des Genitale bei Knaben, doch nur 
insoweit, daiS sie lüs eiau der Tielea Hilfsmomente herugesogen werden darf. 
Die lAnge ist dn branchbares MaA znr Bestinunong der Beile, doch läfit dch 
die angegebene Qrease tob 48 cm nicht aufrecht erhalten, da sicher reife 
Kinder imt Biederen Maßen Torhonunen. Das Gewicht du Kindu darf als 
Beifeseiehea nnr daan gelten, wenn alle diejenigen Momute berttchsichtigt 
sind, welche seine Gestaltung beeiolliuseB. Ein butimmtu Gewicht der Pia* 
eenta buw. ein honstautu Verh&ltnls zwisehen diesem nnd dem Körpergewicht, 
kann als BeifezeicheB nicht aufrecht erhaltu werden. Die Schalter breite darf 
fnsofern als Kriteriom Terwendet werdu, daß man im allgemeinen tob einem 
rotfea Kinde eia bestimmtu Mindestmaß fordert, jedoch mit der Einschrinhang, 
daß auch diesu Maß nicht koutant ist. Aach T<m du Extremit&tu tu* 
loagu wir ein gewiuu Minimam, du allerdings auch in muchu FSllu 
nnterschrittu werdu kun. Ein Verhältnis der o^en zur unteren Extremität, 
wie u bei Erwachsuen Torkommt. spricht stark im Siue der Beife. Die 
Foßlänge kun für die Diagnue nicnt Terwendet werden. Die Nabelsebnar* 
iuertion ist für die Diajgnose der Beife belanglu. Von Wert sind die Be* 
fude der Kopfmaße. Die Verwudbarkeit des geradu Kopfomfugu maß 
nach Verfauers Erlahran|[u wuutlich einguchränkt werdu, insofern seine 
Konstanz eine za geringe ist. Aach die utere Greue tob 82 cm kun nicht 
anfrecht erhaltu werden; dun u kommen ureife Kinder mit einem Um* 
fuge bis n 84 cm Tor. Die Kopfdorchmeuer sind insofern tob Bedeatug, 
als dUi gewiues Mindutmaß bei reifu Kindern nnr selten anterschritten wird. 
Hinsiehtuch ihru Koutau rugieren sie nach der Verwendbarkeit folgender* 
maßu: der bitemporale, bimastoide, frontoocdpitale ud biparietale Dorchmuer. 

_ Dr. Bamp'Ouabrttck. 


Haben die ndkrukoplsehen Verginge bei der Abstoranng der 
üfabelachnnr ferenslsehu Interesut Von F. Cobliner. Fr. Bl.; 1907, Heft 
n, UL 

Verfassu ist auf Grud seiner üntersnchang u der Ueberzeugug ge- 
kommei^ daß mu durch die mikrukopische Untersachang der Nabelschnar 
keiau Hinweis dafür erhält, ob du Kind gelebt hat oder Seht. 

_ Dr. Bamp-Osnabrück. 


B. OertohttlblM Psyehlntrle. 

Beitrag nr Frage der snkzusiren Kemblutlon tob PsyehoMn* 

Vu Dr. Bl am. Nearologischu Zutralblatt; 1907, Nr. 14. 

Blam teilt elnu Fall mit, bei welchem Paralyse bei'^inem Menschu 
anftrat, der seit dem 18. Jahre u typischer Epilepsie ud epUeptischu 
Verwirrtheitszutändu litt. Er ergab sich mit 16 Jahren dem Tranke and 
seigte im 80. Lebensjahre du augeprägte Bild der Dementia paralytiu 
läne syphilitische Infektion war ebenfaUs Toraasgegugen. Einige Jahre Tor 
dem Aasbrach der Paralyse waren die epileptischen Anfälle fortgeblieben. 
Jarenile Paralyse war mit Sicherheit auzucfaließen. Aetiologisch kamen Lau 
ud Alkobolismu in Betracht für die Kntwicklug der Paralyse, bei einem 
seit der Pubertät EpUeptischu. 

S. Kalischer-Schlachteuee b. Bulin. 


Die Beilehugen zwiseheB Alkohol nnd Paralyse. Von Dr. Del¬ 
brück, Direktor der städtischen Irrenautalt Ellen bei Bremen. Separat- 
abdrack au dem Bericht über den IV. Deatschu Abstinutentag. Jeu 1907. 
GostaT Fischer. 

Nebu der Syphilis, du körperlichen und geistigen Ueberustrengang, 
Einwirkang übergrooer Hitze, Kopftraomen wird wohl auch der Alkohol als 
Ursache der Paralyse genaut. Doch war mu im allgemeinen bisher geneigt, 
nnr die Syphilis als wuentliehe Ursache geltu u lusen, ud bei Alkobolismu 
TU einer alkoholischen MPseado^paralyse za sprechen. Indessen hat Mongeri 



Kleinere Ifittellaiigen and Befemte nne Zeiteohriften. 


28 


neaerding« dannl nnfmerksein gemacht, daß in Lindem, wo die SjphiliB, wie 
s. B. in Algier, China, Japan, Tttrkei, recht hiodg, die Paraljae anßerordentlidi 
selten an linden ist. Es scheint nach Ifongeris Zahlen, als müsse snr 
Syphilis noch der Alkoholiamns hinznkommen, nm die Paralyse an eraengen. 
Anch Eraepelins Zahlen für München begünstigen diese Vennntnng; 
wenigstens kann die hohe Zahl weiblicher Paralysen in München mit dem 
Umstande in Verbindnng gebracht werden, daß München unter seinen Kellne* 
rinnen nach Qanpp eine große Zahl syphilitischer, alkoholischer Weiber hak 
Als ätiologisches Moment käme die schädigende Wirkung in Betracht, wel<^e 
sowohl Lues, wie Alkohol auf die Gefäßwände ausüben. Anch ist an die be¬ 
deutende Bolle an erinnern, welche der Alkoholiamns bei der Akquisition der 
Syphilis spielt. Dr. Paul Sehenk-Berlin. 


üeber SekmenempflndUelikelt der Gesiehtsknoehen bei Degeneruten* 
Von Dr. M. Schaikewies. Neurologisches Zentralblatt; 1907, Nr. 9. 

Sehaikewiea untersuchte bei kranken Soldaten und Degenerantmi die 
▼ersehiedenen Befleze und konnte bei diesen, wie auch bei Geisteskranken mit 
morphologischen Degenerationszeichen eine Schmerzempfindlichkelt feststellen, 
die schon beim lachten Beklopfen der Gesiehtsknoehen und besonders dm 
Jochbeins, des Kinns, der Mandibula auftrat. Bei Gesunden war das Beklopfen 
dieser Stellen nicht schmerzempfindlich, wenn es nicht übermäßig stark geschaL 
Diese Erscheinung tritt um so regelmäßiger und deuUicher hervor, je aus¬ 
gesprochener die psychischen und physischen Degenerationszeichen waren. 
Eine Blyperalgesie der Haut, wie sie häufig bei Degeneration TorUegt, bestand 
hier nicht. Bei allgemeiner und halbseitiger hysterischer Anaesthesie fehlte 
diese Schmerzempfindlichkeit beim Beklopfen, die Schaikewicz auf eine 
Hyperaesthesie des Gesichts zurückführt und als Analogon ansieht su 
degeneratiyen Veränderungen des Knochenbaues am SchädeL 

S. Kalischer-Schiachtensee b. Berlin 


Hb Pall TOB dauernder hysterischer Betentio arfaiae. Von Dr. J. 
Bheinisch. Neurologisehee Zentralblatt; 1907, Nr. 14. 

Während Däjärine die hysterische Betentio urinae meist nur 1—8 
Tage dauern sah, berichtet Binswanger von hartnäckigen Fällen mit 
woäenlangem Blasenkrampf bei Hysterischen, so daß der Urin nur durch 
regelmäßiges Katheterisieren entleert werden konnte. Beimisch beobachtete 
bei einem 16 jährigen jungen Manne nach einer hysterischen Paraplegie der 
Beine neben anderen Erscheinungen der Hysterie, eine 18 Monate bestehende 
Betentio urinae, so daß der Urin täglich zweimal durch den Katheter entleert 
werden mußte; durch schmerzhaftes Faradlsieren der Blasengegend konnte 
dieses Symptom scluell beseitigt werden. Auffallend war der Grad der kon- 
seatriseheB Gesiditsfeldeinengnng, die hier gleichzeitig bestand. 

S. Kalischer-Schiachtensee b. Berlin. 


Ueber einen weiteren Fall von seitweisem Fehlen der Pntellarre- 
flexe bei Hysterie- Von Dr. Wiegand. Neurologisches Zentrallblatt; 
1907, Nr. 7. 

Trotz der von Nonne, Pierre Marie, Souza-Seile und anderen 
beschriebenen Fällen erklärt Binswanger in seinem Handbuche über 
Hysterie, daß ein Verlast der Sehnenphänome bei hysterischer Lähmung 
nicht Torkomme. Wigand teilt hier einen neuen Fall von Grand Hysterie 
ans der Nonnesehen Abteilung mit, bei dem trotz aller Kautelen zeitweise 
das Kniephaenomen nicht auszalOsen war, ohne daß der geringste Hinweis auf 
mue Kombination mit einer Erkrankung des Bttckenmarkes, der peripheren 
Nerven usw. bestand. Der Fali wurde lange Zeit in der Klinik stationär be¬ 
handelt und beobachtet. Es handelte sich um einen Mann mit psychischem 
Trauma und hysterischen Stigmata, wie Anosmie, Geschmacksstörung, Sensibi- 
litätsstOrungen usw. Bei schlaffer Lähmung fehlten die Patellarreflexe zeit- 
weil^. Die Lähmung selbt konnte suggestiv beeinflußt werden. Dieser Fall 
lehrt sicher, daß bm Hysterie die PatelUrrefleze zeitweilig fehlen können. 

S. Kalischer-Schiachtensee b. Berlin. 



24 


Klelnne MitteUangen tmd Beferate ans Zeitaehriftea. 


lieber das Fehlea dea AehUlessehaeBpUbiOBieai. Voa Dr. O. Fl atao. 
Neuidogisehea Zeotralblatt; 1907, Nr. 22. 

IHe Anaicbten Aber die H&tiflgkeit dea Fehlena dea Aohilleaaehneareflezea 
wie Aber die Bedeatang dieaer Eracheinang achwankea aoeb, iadeaaea aeigt 
maa mehr za der Aaaicht, daB der AcbiUessehneareflex bei Qesoadea atota 
au fladea iat oad daß aeia Fehlea ebenao tob pathoiogiacher Wichtigkeit iat, 
wie daa Fehlea der Patellarrefleze. Bei Tabea aad Paralyae könaea die 
Aehilieaaebaeareflexe adtaater IrAher achwiadea, ala die Patellarrefleze. Am 
beatea prAft man dieae Befleze, indem man die zu Unteraaebendea auf einen 
Stahl knieea l&ßt, während die FAße lose an der Stuhlkante herabhängea. 
Daa AchiUeaaehnenphänomea kann fehlen bei Diabetea, Bleirergiftong, hohem 
Grad ron Alkohol- and NikotinTergiltang, hohem Alter, lachiaa, atarken Krampt* 
adern, PlattfAßen, FoßTerletpangen. Im großen ganzen iat der Achillessehnen- 
reflez nidit ganz so konstant wie der Patellarreflez; er wird ferner leichter darch 
periphere, auch nicht neryenbetreffende Ursachen geschädigt, als der Patellar* 
reflez. Das beiderseitige Fehlea ist als wichtige pathologische Erscheinnng 
ansnsehen. Dr. Kalis eh er-Schlachtensee b. Berlin. 


O. SMhwAntAad%«at&tlgk«lt ln Uaftül- and ZawaUdlt&tMtokwa. 

Anagedehntes Hantemphyaem and Manlfestatien einer latenten Phtbi- 
Bis palaonnm nach einer kleinen perforierenden BmstTerletznng bet einem 
19 Jahre alten Arbeiter. Von F. Aronheim-Gevelsberg. Monatsacbrift 
fflr ünfallheilkonde and Invalidenwesen; 1907, Nr. 11. 

Verfasser spricht erst von Haatempbysem im allgemdnen, dann vom 
Empbysema traomaticam, daa durch Elindringen von Luft and Gaa von innen 
her, durch spontanes oder traamatischea Einreißen der Wand eines laft* oder 
gashaltigen Organs entsteht. Darauf berichtet er Aber einen Full Ton aasge¬ 
dehntem Haatempbysem darch eine penetrierende ThorazTerletzong, indem ein 
abgeuprongenes StsihlstAckchen in die linke vordere Brasthälfte geflogen war 
and sofort eine heftige Blatang and stechenden Schmerz bis zwischen die 
Schalterblätter aassirwend, hervorgerufen hatte. Dieser Fall ist von beson¬ 
derem Interesse, weil durch das Trauma eine latente Pbthisis pulmonnm bei 
ehiem langen, völlig arbeitsfähigen Arbeiter manifest wurde. 

Hier konnte somit in gutachtlicher Beziehung der unzweifelhaft ver^ 
scblinunemde Einfluß des Traumas auf die schon latent bestehende Taberknlose 
nicht bestritten werden. Dr. B. Thomalla-Waldenburg (Schl.). 


Harnleiterverengang als Spätfolge eines Beekenbruehs. Yen Dr. 
Heinrich M o h r in Bielefeld. Monatsschrift fflr Unfallheilkunde und Invaliden- 
wesen; 1907, Nr. 11. 

Subkutane Hamleiterverletzungen sind seltene Vorkommnisse; Verfasser 
beschreibt eine solche. Ein Klempner hatte sich durch Stnrz von der Leiter 
ans größerer Höhe einen Beckenbruch neben anderen Verletzungen zugezogen. 
Im Anschluß an den Beckenbruch war eine langsame Entwicklung einer Hara- 
Mterverengang entstanden, wenn auch der strikte Beweis hierfür mangels 
einer Autopsie nicht erbracht werden konnte. M. bespricht die Ursachen, 
welche za der Verengung beigetragen haben können und vor allem die schweren 
Störungen die dadurch eintreten und fflr die Begutachtung des Beckenbruchs 
von grtßter Wichtigkeit sind. Dr. Thomalla-Waldenburg (ScbL). 


Zur Aetlologle und Pathogenese des ülens eomeae serpens. Von Dr. 
Miller-Bayreuth. Monatsschrift fflr UnfaUheilkunde und Invaliden wesen: 
1907, Nr. 11. 

Der Ansicht, daß Die. corn. serpens vornehmlich eine traumatische 
Augenerkrankung sei, schließt sich Verfasser nicht an. Bei pathologischen 
Prozessen wird oft erst der Boden für die Krankheit vorbereitet; es stellt 
sich dann eine besondere Empfänglichkeit ein. So auch bei Ulc. corn. serpens, 
bei dem Verfasser zwischen der Vorbereitung und der Auslösung der Ge- 
schwttrsentwicklung unterscheidet. Die Geschwflrsentwicklung vorbereitende 
pathologischen Vorgänge sind: 1) Altemiavoiutionen, 2) chronische Erkran¬ 
kungen der Bindehaut, 3) Narbenbildung in der Harnhaut. 



Kleinere Hittdliingett nnd Referate ans Zeitsohriften. 


25 


Die Oeeehwttnentwieklnog anelOeende Momente sind: 

1) Mechanisolie Sehftdignngen. 2) Thermische Schidignng. 8. Ohemisehe 
SehUigiug. 

Zorn Schlnfi gibt Verfasser noch einige Richtlisien für die Begntaehtnsg 
derartiger Fälle. Dr. B. Thomalla, Waldenburg (SchL). 


Erfahnngen ln der Anwendung des Eiektrotbenns. Von Dr. E11 h n e. 
Monatsschrift für Unfallheilkunde und Inralidenwesen; 1907, Nr. 10. 

Verfasser gibt erst eine Beschreibung des Apparates, bei dem lur Er* 
Beugung der Hitze der elektrische Storm gebraucht wird. Die Vorzüge gegen* 
über dem Bi er sehen Apparate sollen folgende sein: 

1) Die Hitzeentwickiung geht von der ganzen Bodenfläche des Appa¬ 
rates gleichmässig ans; Verbrennungen der zu behandelnden Glieder, wie bei 
dem Bierseben Apparat, sind daher unmöglich. 

2) Die Hitzeentwickiung geht schnell vor sich, auch entstehen keine Gase. 

8) Es besteht keinerlei Gefahr, daß die Kleidungsstücke in Brand geratoi. 

4) Der Apparat sieht sehr elegant ans. 

Dagegen hat der Bier sehe Apparat den Vorzug, daß er einfach und 
billig herznstellen ist. Dr. B. Thomalla*Waldenburg (Schl.). 


Die AnbSrung des bebandelnden Arztes muss nicht nur als Gut* 
aebter» sondern auch als saebrerstlndlger Zeuge erfolgen. Be*knrsent* 
Scheidung des Beichsyersicherungsamts vom 2. August 1906. 
Amtliche Nachrichten des Beichs-Yers.-A.; 1907, Nr. 10. 

Die im § 75, Abs. 8 des Unfüllyersicberungsgesetzes für Land* und 
Forstwirtschaft (§ 69 Abs. 8 des Gewerbe-ünfallyersicbernngsgesetzes) yorge- 
sehriebene Anhörung des behandelnden Arztes bat yor allem den Zweck, die 
unmittelbare Einwirkung des Unfalls und die erste Entwicklung seiner Folgen 
festsnlegen nnd somit zuyerlässige Anhaltspunkte für die Beurteilung des 
weiteren Einflusses des Unfalls zu sichern. Deshalb hat sich die Befragung 
des behandelnden Arztes in erster Linie darauf zu richten, was er yon seiner 
Behandlung her weiß. Der behandelnde Arzt ist, wenn seine gerichtliche 
Vernehmung erfolgen soll, in enter Linie als sachyerstludigcr Zeuge zu hören 
(zu yergleichen § 414 der Ziyilprozeßordnung). Daneben hat er sich, wie 
schon ans dem letzten Satze der in Bede stehenden Vorschrift erhellt, auch 
gutachtlich über die Wirkung des Unfalls auf den Verletzten und dessen Er* 
werbsfähigkeit zu äußern, wenigstens hinsichtlich der Zeit seiner Behandlung. 
Diesem Sinne der bezeichneten Bestimninog ist die Beklagte nicht gerecht 
geworden, als sie am 5. Sratember 1905 das Königliche Amtsgericht zu N. um 
Vernehmung des Arztes K. bloß „über die Arbeite- und Erwerbsunfähigkeit 
bezw.über die yerbliebenen Folgeznstände der Unfallyorletzung des Besitzers B.‘ 
yom 5. September 1908 ersuchte. Denn nach dom Inhalte dieses Beweisbe* 
Schlusses hatte der Arzt sich nur über die zur Zeit seiner Befragung noch 
bestehenden ünfallfolgen zu äußern, und es mußte den Anschein haben, als 
ob er lediglich als Sachyerständiger nnd nicht auch als Zeuge seine Aussage 
machen sollte. Dabei war der Arzt, obwohl er den Kläger damals schon seit 
langer Zeit nicht mehr ln Behandlung hatte, trotz seines wiederholten An¬ 
trages nicht einmal ermächtigt worden, zum Zwecke der Erstattung des er¬ 
forderten Gutachtens den Kläger nochmals zu untersuchen. 


Dm Scbtedsgeiiebt darf seine Entscheidung nicht im yoraus dayon 
abblugif machen, ob ein noch ansstehendes ärztliches Gutaebten sieh für 
oder gegen Erwerbsunfähigkeit ansspreeben werde. Beyisions-Ent¬ 
scheidung des Beichsyersicherungsamtes yom 15. April 1907. 
Amtliche Nachrichten des Beichs-Vers.-A.; 1907, Nr. 10. 

Es geht nicht an, daß das Schiedsgericht sich im yoraus, je nachdem, 
ob dM Gutachten sich für oder gegen Inyalidität entscheide. Das ärztliche 
Gutachten hat zum wesentlichen Bestandteile nicht nur die Erklärung, ob 
Inyalidität yorliege oder nicht, sondern yor allem diejenigen tatsächlichen 
Feststellungen nnd wissenschaftlichen Erwägungen, die zu uiesem Ergebnisse 
führen. Das Schiedsgericht soll seine Entscheidung treffen nicht lediglich nach 
der abschließenden Erklärung des Sachyerständigen über Bestehen oder nicht 



26 


Kleinere Mitteilnngen and Beferste »ns ZeltMhrlften. 


Bestehen der InTaliditit, sondern anf der Qroadlage aller jener Yoraassetann“ 
gen des abschließenden ärztlichen Urteils,, nnd indem es diesem gesamten In' 
halt des Gutachtens nachprOft, seinerseits beurteilt nnd gegen den übrigen 
Akteninhalt abwägt. Das aber ist naturgemäß erst möglich, wenn das ganze 
ärstliche Gutachten mit seiner Begründung bekannt ist. 


Unfall als anslßsendes Moment für den Ansbrneh der Geisteskrank¬ 
heit. Beknrs-EntscheidnngdesBeichsTersicherungsamtsTom 
14. März 1907. Kompaß; 1907, Nr. 19. 

Unstreitig ist der Kläger am 12. Dezember 1904 von den Zeugen K. 
nnd H. in der Fahrstraße neben seinem Förderwagen in bewnßtiosem Zu¬ 
stande anfgefunden worden. Daß der Bewußtlosigkeit eine Kopfverletzung 
nnmltteibar rorargegangen war, bat nicht mit Sicherheit festgestellt werden 
können; dafür spricht aber ein überwiegender Grad von Wahrscheinlichkeit. 
Denn einmal konnte eine Kopfverletzung, wie sie der Kläger am 12. Dezember 
1904 erlitten haben will, sehr leicht verkommen. Sodann fehlt es für einen 
Ohnmachtsanfall lediglich ans inneren Ursachen ohne äußeren Anlaß an aus¬ 
reichenden Anhaltspunkten. Der Kläger ist einzelnen seiner Arbeitskollegen 
allerdings schon immer etwas „komisch* vorgekommen. Das ist auch in 
einigen Zeugenaussagen mit Beispielen belegt. Daraus läßt sich aber nach 
den Ausführungen des Dr. Sch. noch nicht darauf schließen, daß der Kläger 
schon vor dem 12. Dezember 1904 geistig anormal gewesen seL SchließUch 
fällt besonders ins Gewicht, dsß der Kläger in der Provinzial-Irrenanstalt 
zu Eickelborn, wo er sich schon vom 28. Januar 19C5 bis 25. Mai 1905 b^ 
fanden hatte, die am 12. Dezember 1904 erlittene Kopfverletzung ausführlich 
geschildert und als Ursache der an diesem Tage bei der Betriebsarbeit ein¬ 
getretenen Bewußtlosigkeit bezeichnet bat, ohne aber seine Erkrankung, die 
seine Ueberfübrnng in die Anstalt notwendig gemacht hatte, mit diesem Vor¬ 
gänge in ursächlichen Zusammenhang zu bringen oder von Entsebändigungs- 
ansprüchen zu sprechen. Ist hiernach anzunebmen, daß der Kläger sich am 
12. Dezember 1904 bei der Betriebsarbeit den Kopf gestoßen hat und infolge¬ 
dessen in längere Bewußtlosigkeit verfallen ist, so fragt sich nur, ob die am 
26. Dezember 1904 plötzlich ausgebrochene Geisteskrankheit auf jenen Vorfall 
ursächlich zurttckzuftthren ist. Das B.-V.-A. hat diese Frage — ohne ihre 
Zweifelhaftigkeit zu verkennen — mit Rücksicht anf die Ausführungen in 
dem Gutachten des Oberarztes Dr. Sch. in dem Sinne bejaht, daß es dem Un¬ 
fall zwar nicht die Bedeutung der alleinigen Ursache der Geisteskrankheit 
des Verletzten, wohl aber diejenige eines anslösenden nnd wesentlich mit in 
Betracht kommenden Momentes zuerkannt hat. Im übrigen bat das Beknrs- 
gericht nach dem Gutachten des Dr. Sch. die Folgen des Unfalls für völlig 
beseitigt erachtet. _ 


Neurasthenie veranlasst durch Bentensueht ist nicht als entsekidU 
gungspfliebtige Unfallfolge anznseben. Rekurs-Entscheidung des 
Reichsvericherungsamt vom 27. Mai 1907. Kompaß; 1907, Nr. 21. 

Der Bescheid der Beklagten vom 22. August 1906, durch weichen der 
Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen des am 17. September 1904 
erlittenen Unfalles abgelebnt wird, stützt sich anf das Gutachten des Knapp¬ 
schaftsarztes Dr. R. in Laurahtttte vom 20. April 1906. Dieses Gutachten 
stellt fest, daß objektive Folgeerscheinungen des erlittenen Unfalls nicht nach¬ 
zuweisen sind, ferner, daß der Kläger mit Rentenneurasthenie behaftet ist, 
und daß diese Erkrankung indirekt auf den erlittenen Unfall zurückzufübren 
sei. Der von dem Schiedsgericht zugezogene Sachverständige, Sanitätsrat Dr. H. 
in Bentben. hat sich dem Gutachten des Dr. R. angescblossen und fügt noch 
hinzu, daß der Unfall die Gclegenbeitsursache für die jetzt bestehende Neu¬ 
rasthenie sei, und daß er eine Rente von SSVa'^/n für angemessen erachte. 
Anf Grund der ärztlichen Gutachten nahm das Schiedsgericht an, daß die 
Neurasthenie in der Hauptsache durch Rentensucht des Klägers ent¬ 
standen sei, und daß der Unfall am 17. September 1904 nur zum Teil für 
dieses Leiden verantwortlich gemacht werden könne; es erschien ihm danach 
eine Rente von 25**/e angemessen. Diese Schlußfolgernng ans den eingeholtea 
ärztlichen Gutachten zu ziehen, war nach Ansicht des R.-V.-A. nicht angängig, 
zumal das eine Gutachten einen direkten Zusammenhang annimmt, das andere 



Klelirare Mitteilmigen and Sefente ans Zeftsetariften. 


27 


den eriittenea üniall nu als die Gid^enlieitsanaehe bezelduiet. Es wurde 
deshalb die Einholung eines weiteren Gntachtens angeordnet. Dieses Qat- 
achten ist auf Grand mehrtägiger Beobachtang and üntersuchong in dem 
Enappschaftslazarett erstattet. Es stellt in aasftthrlicher Begründung and 
unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden ümstände fest, dim der 
Kläger allerdings an Nearasthenie leidet, daß dieses Leiden aber nicht im 
ursichlichem Zasammenhange mit dem am 17. September 1904 erlittenen Un« 
falle steht. Das B.-y.>A. hat sich diesem Gutacnten angeschlossen und den 
Bekois der Beklagten für begründet erachtet. 

Unfall durch Einatmen giftiger Gruben- nnd Brandgase beim Bet¬ 
tungswerk. Bekurs-Entseheidung des Beichsyersichernngsamts 
Tom 2. Hai 1907. Kompaß; 1907, Nr. 21. 

Voraussetzang für den Begriff eines Betriebsunfalls ist, daß der Ver¬ 
letzte durch organische Erkrankung eine Schädigung seiner körperlichen 
Gesundheit im Betrieb erlitten bat, yoransgesetzt, daß diese Schädigung auf 
dn plötzliches, d. h. zeitlich bestimmbares, in einen yerhältnismäßig kurzen 
Zeitraum eingeschlossenes Ereignis zurückzufOhren ist, welches in seinen — 
möglicherweise erst allmählich herrortretenden — Feigen die Schädigung yer- 
ursacht hat. Daß diese Voraussetzungen im yorliegenden Falle gegeben sind, 
hat das B.V.-A. mit dem Schiedsgericht bejaht. Für die Ueberzeugong des 
Senats war maßgebend das Gutachten des Priyatdozenten an der medizinischen 
üniyeTsitätskUnB: Dr. M. in Breslau vom 17. Oktober 1906, mit welchem der 
Vorsteher dieser Klinik Prof. Dr. yon St. sich einyerstanden erklärt hat, und 
die tatsächliche Feststellung, daß der yerstorbene G. längere Zeit unter 
großer Anstrengung während der Bettangsarbeiten zweier Henschen gesund- 
heitssehidliche Grubengase eingeatmet hat nnd daß sein Allgemeinbefinden 
seit dem Vorgänge yom 27. März 1905 sich allmählich yerschlechterte. Somit 
war mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die FeststeUung zu treffen, daß 
der Verstorbene infolge plötzlicher Einatmung einer größeren Menge Gruben¬ 
gase sich eine baktmeUe Eiteryergiftung zugesogea hatte, die seinen Tod 
zur Folge gehabt hat. _ 

D. Oaffantllohen Bualt&tawanan. 

Bakteriologie und InfektionskraXhhe'iten. 

Beobachtungen über Beweglichkeit nnd Agglutination der Splro- 
ehaete palllda. Ans dem sjphilidologischen Laboratorium des Instituts für 
experimentelle Medizin zu St. Petersburg (Vorsteher: Prof. Dr. Zabolotny). 
Vorläufige Mitteilung. Von Prof. Dr. Zabolotny und Dr. Maslakowetz. 
Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., Orig.-Bd. 44, H. 6. 

Die Verfasser beobachteten an der Spirochäte pallida Eigenbewegung 
nnd bei Zusatz yon Serum bereits längere Zeit an Syphilis Leidender aus¬ 
gesprochene Agglutination. In beiden Erscheinungen erblicken sie einen Beweis 
gegen die Ansicht yereinzelter Autoren, die auch heute noch in den Spirochäten 
Neryenfasem und darin auch ein Argument für die ätiologische Bedeutung der 
Spirochäten sehen wollen. 

Das üntersuchungsmaterial yerschafften sich die Verfasser mittelst des 
Biersehen Saugapparats in der Weise, daß sie den Glastubus über ein 
Schankergesebwür oder eine Papel setzten und nun mit einem Gnmmiballon 
oder einer mit Schlauch yersehenen Hetalipnmpe ansogen. Die so erhaltene 
Gewebsfiüssigkeit war stets außerordentlich reich an Spirochäten. 

Dr. Lentz-Berlin. 

Elae yltale Färbung der Splroebaete pallida. Von M.Mandelbaum- 
Müaehen. Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 46. 

Verfasser gibt eine Methode an, mittels welcher die Spirochaete in 
kürzester Zeit gefärbt und für das Auge gut sichtbar gemacht werden kann. 
Es bandelt sich um eine Färbung der Spirochaete pallida in vivo. Hierzu 
bringt man das zu untersuchende Material — Beizserum von einem Primär¬ 
affekt oder yon einer näßenden Papel — in Form eines hängenden Tropfens 
auf ein Deckgläschen. Nun setzt man mit der Platinnadel etwas Löfflers 
Methylenblau zu dem hängenden Tropfen, vermengt den Farbstoff und das zu 



38 


Kleinere Hitteilnngen nnd Befente nns Zeitseliriften. 


nntemieliende Material md fftgt eine Oeee V,. Nonnalnatronlange^O^a an 
dem ganzen hinzo. Unterraeht man hieranl mit Oelimmersion and Oknlar 4 
(Zeiß) den Rand des hängenden Tropfens, so siebt man die Spirochaete pallida 
alz zartes, feines, blafiblan gefärbtes Gebilde mit engen, unmittelbar aneinander 
gereihten Windungen, die nach beiden Ebiden zu immer niedriger werden und 
& einer feinen Spitze endigen. Eine Veiwecbslung mit anderen Spirochaeten 
ist ausgeschlossen. Der Vorteil dieser Färbmethode der Spirocbete pallida 
in vivo liegt erstens in der sofortigen Färbung derselben, zweitens 
in dem rollkommenen Erhaltenbleiben ihrer aatfirlichen 
Form und drittens in dem Erkennen yon Eigenbewegnngen der 

f efärbten Spirochaete, wodurch der Einwand, es handle sich um 
unstprodukte, wohl als widerlegt betrachtet werden kann. 

_ Dr. Wai bei* Kempten. 


Uaber einen Fall ren nlierßser Hantaffektlen beim Enraehsenen, 
yemrsaeht durch den Baelllns pjoeyanens« Von Dr. Felix Lewandowsky, 
1. Assistent der dermatologischen üniyersitäts* Klinik in Bern. Münchener 
med. Wochenschrift; 1907, Nr. 46. 

Verfasser berichtet über einen Fall, in welchem eine Hautkrankheit 
eines Erwachsenen durch lokale Pyocyanensinfektion bedingt war. Es handelte 
sich um eine 61 jährige Frau, welche in sehr herabgekommenem Zustande mit 
multiplen tuberkulösen Haut* und Knochenherden, hauptsächlich an den Ex¬ 
tremitäten in die Klinik kam. Daneben zeigte sie am rechten Unterschenkel, 
an dem sich drei tuberkulöse Fisteln befanden, noch eine andersartige Haut- 
erkrankung. Der ganze Unterschenkel war ttbersät mit Geschwüren yon Linsen* 
bis Fünfmarkstückgroße. Die Geschwüre waren flach, hatten kreisrunde Form, 
scbarfgeschnittene Bänder, einen schmalen roten Hof und einen schmierigen, 
grü nen, zäh anhaftenden Belag. An einigen Stellen waren mehrere Einzel¬ 
herde zu einem einzigen größeren Geschwüre mit polyziklischen Bändern kon- 
fluiert. Der grüne Belag ließ sofort an eine Pyozyaneusinfektion denken. Es 
fand sich ein Bacillus in Beinkultur, der nach allen kulturellen und morpho¬ 
logischen Eigenschaften als Bacillus pyocyaneus identifiziert werden konnte. 
Als weiterer Beweis hierfür galt die am linken Unterschenkel yorgenommene 
kleine Autoinokulation, wonach sich ein ganz gleiches Geschwür entwickelte. 
Auch wurde die ätiologische Bedeutung dieses Bacillus bestätigt durch die 
Blutnntersuchung auf Agglutinine. Dr. Waibel-Kempten. 


Inflaenznsepsls nnd experimentelle InflnenzabnzIllenseptlkSmie* Von 
Dr. Saathoff, ^sisent der 11. medizinischen Klinik in München. Münchener 
med. Wochenschrift; 1907, Nr. 46. 

Verfasser konnte einen Fall yon septischer, letal endender Erkrankung 
beobachten, deren Aetiologie Intra yltam trotz mehrfacher Blutnntersuchung 
dunkel blieb. Erst nach dem Tode konnte auf kulturellem nnd mikroskopischem 
Wege als Erreger der Inflnenzabacillas festgestellt werden. Schwere Allgemein¬ 
symptome und Bronchopneumonie eröffneten den Krankheitsprozeß, ans dem 
sich bald meningitiiiche Erscheinungen berau-shoben; weiterhin beherrschte eine 
fortschreitende Endocarditis das Bild, bis zum Schlüsse ein hämorrhagisches 
Exanthem auftrat, das an der Diagnose: Sepsis, keinen Zweifel überließ. Die 
Sektion ergab als Hauptbefand yerrnküse Endocarditis, enorme Mllzschwellung, 
hämorrhagische Meningitis und Encephalitis. 

Verfasser berichtet nach genauer Mitteilung der Krankengeschichte und 
des Sehtionsbefundes über yerschiedene Impfyersuche mit Influenzabazillen rein 
oder mit abgetöteten Bakterien zusammen. Dann schließt er mit der Be¬ 
merkung, daß der yorliegende Fall — vielleicht zum ersten Male — einwand¬ 
frei zeigt, daß eine typisch beginnende Influenza über Bronchopneumonie, Endo¬ 
carditis, Encephalitis und Meningitis in eine yollentwickelte Sepsis huüberführen 
kann, unter der alleinigen Aetiologie des Pfeifferschen Bacillus. 

Dr. Wa i b e 1 - Kempten. 


Oefässstrelfeii — ein Erkennnngsmittel der beginnenden Sohwlnd- 
snebt.' Von Dr. Karl Francke in München. Münchener med. Wochenschrift; 
1907, Nr. 46. 



Kletner« Mitteilangen and Befemte aus Zaltsohrlftaa. 


29 


Yerfaner berichtet Aber Qefäßstreifen in der Haut Aber den Longenepitcen 
als ein neues Diagnosticom aar Erkrankung der Spitzentnberkulose. Diese 
Oef&ßstreifen sind erweiterte Haargefäße, welche bald eine rOtliche, bald 
eine bläuliche Färbung zeigen, verschieden lang und breit sind, gerade 
oder meist ungerade vorlauten. Die dAnnen hochroten Streifen entsprechen 
Disch entzündeten, die breiten blauroten Streifen entsprechen solchen mit länger 
schon bestehenden oder schon abgelaufenen Gefäß wanden tzttndungen. 

Die Streifenbildnng in der Haut Aber den Lungenspitzen ist hervor* 
gerufen durch tuberkulöse Vorgänge in den obersten Teilen der Lungen. 
Daraus folgt: Das Vorhandensein von Qefäßstreifen in der Haut Aber den 
Lungenspitzen beweist, daß in nahe gelegenen Lungenteilen tuberkulöse Ent- 
zAndongen sich abspieien oder abgespielt haben. Ueber den Lungen ist also 
die Untersuchung auf Hautstreifen, „die Streifenschau* eine diagnostische 
Methode. Im einzelnen gelten folgende Sätze: 

1. Das Vorhandensein von Streifen beweist, daß in den oberfläch« 
liehen Teilen der Lungen tuberkulöse Herde sitzen oder gesessen haben. 

2. Das Fehlen von Streifen bei offenbarer Lungentuberkulose beweist, 
daß die EntzAndung in der Tief e der Lungen bronchitisch, peribronchitisch 
oder in den DrAsen abläuft. 

8. Die Maße und die Verteilung der Streifen erlaubt einen Schluß auf 
die Ausdehnung des tuberkulösen Herdes. 

4. Die Farbe und die Form der Streben zeigt das Alter der Ent¬ 
zAndung an. 

6. Die Form, die Farbe und die Häufung der Streifen ermöglicht einen 
Schluß auf die Intensität der EntzAndung. 

6. Eine Mischung von Streifen verschiedener Arten zeigiL daß neue und 
alte EntzAndungen nebeneinander bestehen. Dr. Waibel-lLempten. 


Ueber die Im Sommer 1906 in St Johann ■ SaarbrAcken beobaehtete 
Bnbrepldemte« Aus der Königlichen bakteriologischen Untersnchungsanstalt 
in SaarbrAcken). Von Dr. Otto Lentz, IrAherem Leiter der Anstalt, jetzigem 
Leiter der Wutschutzabteilnng beim KönigL Institut lAr Infektionskrankheiten 
in Berlin. Klin. Jahrbuch; 17. Band. 

Verfasser beschreibt eine kleine Bnhrepidemie, welche durch den zuerst 
von Hiss und Bussel in Amerika gefundenen Buhrbadllns „T* verursacht 
worden war. Klinisch war der Krankheitsverlauf im allgemeinen ein leichter; 
bei einem Kranken trat 4 Monate nach Ablauf der primären Attacke ein 
Bezidiv auf. Soweit festgestelit werden konnte, nahm die Epidemie ihren 
Ansgang von einem Ulanen, der bereits im Jahre zuvor eine Buhrattacke 
dnrchgemacht und im Sommer 1906 an Diarrhöen gelitten hatte. Von ihm 
aus verbreitete sich die Krankheit, wie in den meisten Fällen einwandsfrei 
nachgewiesen werden konnte, durch Kontakt. 

Energische Maßnahmen, bestehend in Isolierung der Kranken, Desinfektion 
ihrer Dejektionen, bakteriologischer Untersuchung ihrer Umgebung und bak¬ 
teriologischer Kontrolle ihrer Genesung, ferner Desinfektion der verseuchten 
Wohnungen und Aborte sowie Durchführung allgemeiner Beinlichkeitsmaßnahmen 
nach der Defäkation und vor dem Essen bei allen Personen der Umgebung 
der Erkrankten, brachten die Epidemie bald zum Erlöschen. 

Das Bezidiv äußerte sich in leichten Schmerzen im Verlauf des Colon 
descendens und 2 Tage währenden Durchfalls; es wurde durch eine gerade in 
diesen Tagen vorgenommene Nachuntersuchung eines Teils der früheren 
Kranken entdeckt. Die Behandlung des Bezidivs bestand in alle 8 Tage vor¬ 
genommenen hohen Darmeinläofen von Argent. nitric. 0,1:200,0 Aq. mit zwei 
Minuten später folgender Spttlnng mit 1 Liter Kochsalzlösung, während in den 
beiden dazwischen liegenden Tagen hohe Einläufe mit einer Mischung von 
EucalTptoli 1,6, Eucalypti gummi 2,6, Aq. dest. ad 1600,0 appliziert worden. 

Unter ^eser Behandlung verschwanden die Buhrbazillen ans dem Stuhl, 
desgleichen die Schmerzhaftigkeit im Verlairi des Colon descendens, so daß der 
Paoent als geheilt ans dem Lazarett entlassen werden konnte. Autoreferat. 



30 


Kleinere Mitteilungen nnd fiefente nne ZeitBohrlfteiL 


Die MnUrla im nOrdliehen JTeferlande. Von Dr. H. Weydemann, 
Arzt in Hohenkirchen. Zentralbiatt Ittr Bakteriologie; L Abteilnng, Original- 
Band 48, Heft 1. 

Martini hatte das Anschwellen der Malaria im oldenbargischen Amte 
Jerer im Jahre 1901 nnd 1902 aal den Zazng holländischer Arbeiter zurOck- 
geführt, unter denen er Malariakranke nnd Parasitenträger feststellte. Wey de- 
mann weist nan nach, daß diese Annahme von Martini onzatreffend ist, da 
das Auftreten der ersten Fülle jener Epidemie zeitlich mit dem Eintreffen der 
Holländer znsammenfiel, jedenfalls za einer Zeit erfolgte, in welcher etwa hei 
den Holländern infizierte Anopheles noch nicht die Krankheit anf andere Per¬ 
sonen übertragen haben konnten. Ueberdies traten die ersten Fälle der Epi¬ 
demie in einem Tom Aafenthaltsorte der Holländer einige Kilometer entfernten 
Dorfe anf in einem Hanse bezw. dessen Nachbarschaft, in welchem wenige 
Monate za?or ein yereinzelter Malariafall sich ereignet hatte. 

Da derartige sporadische Malariafälle alljährlich im nördlichen Jeyer- 
lande zur Beobachtung kommen (Weydemann selbst hat 1898 : 4, 1899 : 7 
and 19<X): 9 meist mikroskopisch sicbergestellte Malariafälle behandelt), so 
glanbt Weydemann, dafi auch die Epidemien yon 1901 and 1902 nur eine 
Häufung der alljährlich zar Beobachtang kommenden Fälle yon dort endemi¬ 
scher Malaria darstellt. 

Diese Häofang der Malariafälle ist anf die in den beiden Jahren für die 
Entwicklung der Malariabrat aafierordentlich günstigen Witterangsyerhältnisse 
im Verein mit den eigenartigen Abwässerungsyerhäiinissen des Landes znrück- 
zoführen. Das ganze Land (meist Weideland) ist nämlich yon yieien Kanälen 
darchzogen, die zagleich der Abwässerang und der Abgrenzung der Weiden 
dienen. Während eines heißen, dürren Sommers trocknen diese Kanäle ans 
und werden dann mit Seewasser gefüllt, beides Momente, welche zar Ver¬ 
nichtung der Anophelesbrat führt; anderseits werden in sehr wasserreichen 
Jahren die Kanäle häufig ins Meer entleert, wodurch ebenfalls ein großer Teil 
der Anophelesbrat hinaosgeschwemmt und vernichtet wird. In Sommern mit 
mittleren Niederschlagsmengen gestalten sich dagegen die Verhältnisse für die 
Entwicklung der Anophelesbrat außerordentlich günstig. Solche Verhältnisse 
boten die Sommer 1901 und 1902; daher das Ansteigen der Malaria in 
diesen Jahren. Schon die nächsten Jahre 1903 -1905 mit den anßerordentlich 
trockenen Sommermonaten brachten für die Entwicklung der Malariabrut un¬ 
günstige Verhältnisse and damit einen ganz auffallenden Bückgang der Malaria. 

Dr. Lentz-Berlin. 


Zweite Mitteilung Aber die Aetlologle der Tzutsugaumshiknuiklieit 
(Uebenehwemmungsfleber nach Beetz). Von Professor M. Ogata und 
Dr. K. Ishiwara in Tokio. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 88. 

Die Verfasser setzten die in Nr. 46 und 46 der , Deutschen medizinischen 
Wochenschrift“ yon 1906 (cf. Beferat in Nr. 6 dieser Zeitschrift von 1907) mit- 

S eteilten üntersuchungen fort und fanden die ätiologische Bedeutung der von 
gata entdeckten Tsutsugaumshi-Sporozoe bestätigt, deren Entwicklung und 
Morphologie sie an Präparaten aus dem Blut, aus Geschwüren und ans inneren 
Organen, sowie mit Hilfe von Beinkulturen studierten. Impfungen auf Kanin¬ 
chen, Ziegen, Affen, Mäuse und Meerschweinchen fielen meist positiv ans. 

Dr. Liebetrau-Hagen LW. 


Weitere Mitteilungen über die Besistenz gegen Milzbrand. Von 
Max Qruber und Kenzo FutakL Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr.89. 

Wie die Verfasser schon früher mitteilten (cf. Münchener med. Wochen¬ 
schrift ; 1907, Nr. 6), spielen beim Kampfe des mit Milzbrand infizierten Organis¬ 
mus gegen diesen die Leukozyten eine große Bolle, einmal durch Phagozytose, 
dann aber auch bei einzelnen Tierspezies (Huhn, Kaninchen), durch Sekretion 
eines bakteriziden Stoffes, des .Leukantbrakozidin“. Ferner enthalten bei 
einigen Gattungen (Batte, Kanincnen) die Blutplättchen eine gegen Milzbrand 
außerordentlich wirksame Substanz, das .Plakanthrakozidin“. Die Tatsache 
der geringen Besistenz des Tierkörpers gegen Milzbrandinfektion trotz all^r 
Schatzkräfte beruht neben der Vermehrungsfähigkeit der Bazillen auf ihrer 
ümkapselung. Es konnte im Experiment naebgewiesen werden, daß eine bei 



Klefaiere MltteUiiBgen und Refersta au Zeltadurlften. 


81 


weitem grOfiere Zahl angekapselter als gekapselter Erreger Tertrai^en werden. 
Bei den Veraachen zeigte sich ttbrigeu eine größere Toleranz bei mtraTenOser 
als bei intraarterieller Injektion. Bei ersterer nildet die Lange einen wichsen 
Schatzwall gegen die Bakterien. Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Hellong der Blenorrhoea neonatomm* Von Dr. Vinzenz Fakala- 
Wien. Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 41. 

Obwohl das Verfahren von Cred6 ansere vollste Anerkennang verdient, 
erreicht es doch nnr die Verhüten g von |leichteren Erkrankungen, be¬ 
sonders in der üblichen Anwendung einer 2 proz. Lösung; denn bei heftigen 
Blenorrhßen mit bedeutender Sekretion ist die Wirkung der 2 proz. Lösung 
sehr fraglich. Verfasser fand, daß die 4 proz. Lösung sowohl für leichtere, 
als auch für schwere Formen der Blennorrhoe eine absolut sicheres Mittel ist, 
und zwar erfolgt die Heilung in leichteren Fallen in 4 bis 5 Tagen, in schworen 
F&ilen in 10 bis 14 Tagen. Nach seinen letzten Untersuchungen führt bei sehr 
schweren Fällen die 5 prozentige Lösung noch rascher zur Heilung mit gleich 
sicherem Erfolge. Verfasser hat bei Anwendung der 5 proz. Lösung nie die so 
gefürchteten flornhautgeschwüre oder gar Hornhautvereiternng gesehen. Er 
bedient sich zum Tuchieren der umgestülpten Augenlider ausschUeßlich einer 
kleinen Sperrpinzette, mit der er ^ erbsengroßes Stück Watte erfaßt und 
taucht diese in die Lösung ein, welche am besten jedesmal frisch zu ver- 
wendu ist. Piuel wird verworfen. Dr. Waibel-Kempten. 


Säuglingspflege. 

Milehkflclieii ud Beratoofutcllen. Von Prof. Salge-OOttingen. 
Zeitschrift für Säuglingsfürsorge; Bd. I, Nr. 10. 

Verfasser faßt seine Auftthrungen kurz zu folgendem Urteil zuammen: 
Die Säuglingsfürsorge ist in erster Linie durch Beratung und Aufklärung zu 
betreiben. 

Milchkflehen haben eine Berechtigung nur in Verbindung mit ärztlich 
geleiteten Beratungsstellen, sind nicht als geeignete Einrichtungen der Saug- 
Ungsfürsorge anzusehen, ihre Schaffung beruht auf gänzlich falschen Voraus¬ 
setzungen, sie sind ein Versuch mit ungeeigneten Mitteln. Wo Geldmittel für 
die Säuglingsfürsorge aufgebracht werden, da sollen sie für die Beratung und 
die Miiwpropaganda in erster Linie verwendet werden, dann erst für die künst¬ 
liche Ernährung. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Die Herstellung reiner MUeh fdr kleine Kinder ln Washington, D. G. 
Von Professor Dr. G. Kob er-Washington. Zeitschrift für Säuglingsfürsorge; 
Band I, Heft 11. 

Die Milchkommission schlägt bis zur Vollendung der übrigen Reformen 
folgende Sicherheitsmaßregeln vor: 

1. Man kaufe um keinen Preis von einem Milchbändler, dessen Milch, 
wenn sie zwei Standen gestanden hat, einen sichtbaren Niederschlag auf dem 
Boden der Flasche zeigt. Dieser deutet auf schmutzige Handhabung hin und 
legt die Befürchtung von Gefahren nahe, die ohne erhebliche Vermehrung der 
Kosten durch sorgfältige, reinliche Methoden leicht zu vermeiden gewesen wären. 

2. Man Unterwerfe alle Milch häuslicher Pasteurisation, indem man sie 

fast zum Sieden bringt, und halte die Milch, nachdem sie kalt geworden ist, 
wenn die Temperatur 60 Grad F. übersteigt auf Eis. Dadurch werden die 
Krankheitskeime zerstört und die Gefahr einer durch den Genuß von Milch 
erzeugten Krankheit auf ein Minimum reduziert. Dr. Wolf-Marburg. 


Das Fflrsergewesen für Säuglinge. Fürsorge für ln üffentllche Ver¬ 
sorgung gelangende Sängltnge. Von Dr. A. Szana-Temesvar. Zeitschrift 
für Säuglingsfürsorge; Bd. I, H. 11. 

1. Die Säuglhi^fttrsorge muß einsetzen mit einer öffentlichen Versor¬ 
gung der bedürftigen Säuglinge. Die Mortalität dieser Säuglinge bestimmt die 
Höhe der allgemeinen Säogmgsmortalität, durch Hebung des Standart of 
Bfe dieser Scuchten hebt sich automatisch die Hygiene sämtlicher Säuglinge. 

2. Die Aufnahme und Versorgung von Säuglingen in die öffentliche 



32 


Kletaere Httteilangen und Referate aas ZeitsebrUtea. 


Fttraorge ist ia dem nngarischea System der staatlichen Fttrsorge mnstergdltig 
gelost. In Ungarn übernimmt der Staat die Versorgung der der OffentUchen 
Fttrsorge bedürftigen Säuglinge, für die er durch Einderasyle sorgt. Die 
Uebernahme in öffentliche Versorgung geschieht, sobald die Bedttrltigkeit an« 
gemeldet wird. Eine genaue behördUebe Prüfung der Bedürftigkeitsnmstände 
erfolgt erst nach der Aufnahme des Säuglings. 

8. Bei gleicher Art der Versorgung ist ein Unterschied zwischen der 
Sterblichkeit von ehelichen und unehelichen Säuglingen nicht zu konstatieren. 

4. Die Sterblichkeit der von einer Pflegemutter gesäugten Säuglinge ist 

um V« zweiten Jahre größer, als die von der eigenen Mutter 

gesäugten, um ti°ch noch im dritten Jahre und erst im vierten Jahre ver« 
schwinden die Unterschiede. 

5. Die in öffentlicher Versorgung befindlichen Säuglinge haben, wenn 
sie gegen Stillprämien bei ihrer Hutter belassen werden, ein Durchschnitts¬ 
gewicht, das höher ist, als das Aufoahmegewicht der in öffentliche Versorgung 
kommendeu Säuglinge gleichen Alters. Werden die in öffentlicher Versorgung 
befindlichen Säuglinge mit der säugenden Mutter zusammen in Anßenpfiege 
gegeben, so ist ihr Durchschnittsgewicht beiläufig gleich dem Anfnahmegewicht 
der in öffentliche Versorgung kommenden Sängl^ge. Werden diese Säuglinge 
aber durch eine Pfiegemntter gesäugt, so ist ihr Durchschnittsgewicht (immer 
nach mindestens 4 wöchiger Versorgung) niedriger, als selbst das Anfnalune- 
dnrchschniitsgewicht der in öffentliche Versorgung gelangender Kinder. 

6. Unter den durch eine Pfiegemntter gesäugten Kindern ist die Sommer¬ 
sterblichkeit größer als die des übrigen Jahres. verstorbenen Säng- 

Ibge starb einen Monat nach seiner Aufnahme. 

7. Die Prinzipien einer richtigen Statistik von Sänglinrachntzinstitntionen 
sind einheitlich festzustellen. Diese Statistik muß das Aufnahmealter und die 
Dauer des Aufenthaltes berücksichtigen. Das Schicksal der aus der Beob¬ 
achtung Scheidenden ist zu berücksichtigen. 

Das ungarische System des Schutzes der verlassenen Kinder, d. h. der 
Aufbau der gesamteu öffentlichen Säuglings- und Kinderfttrsorge auf dem 
Kinderasylprinzip, ist anzustreben. Dr. Wolf-Marburg. 


Staatliehe und private Mutterschaftsverslehemng. Von Dr. Alfons 
Fis eher-Karlsruhe. Deutsche mediz. Wochenschrift; 1907, Nr. 88, 84, 85. 

Zweifellos haben viele Tausende von Schwangeren und Wöchnerinnen 
nicht die Schonung, die im Interesse der Mutter und der Kinder wünschenswert 
wäre. Die durch die Krankenkassen gewährleistete Unterstützung genügt 
nicht. Man hat deswegen schon lange eine besondere Mutterschaftsversichernng 
ins Auge gefaßt. Die Kosten bei staatlicher Organisation würden sehr große 
sein. F. ist deshalb, wenn er jene auch als die ideale Forderung ansieht, der 
Ansicht, daß zunächst die nationalökonomisch und sozialhygienisch so wichtige 
Frage auf privatem Wege (Stiftungen mit kommunaler und staatlicher Snbven- 
tiOD, Beteiligung der höheren Stände an der Verwaltung etc.) in Angriff ge¬ 
nommen werden solle. Er stützt sich dabei besonders auf die eklatanten &• 
folge der 1891 gegründeten französischen MutterscbaftsversicherungsgeseUschaft 
„Mutualitö maternelle.“ Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Frnuenmlleh und Kuhmilch ln der Slngllugsemfihrung. Von Ferdi¬ 
nand Hueppe in Prag. Deutsche medizin. Wochenschrift; 1907, Nr. 89. 

Die Arbeit gibt einen kritischen Ueberblick über die Wandlungen in der 
theoretischen Beurteilung und praktischen Handhabung der künstlichen Säng- 
lingsernährung. Sie warnt vor einseitiger Bewerbung von Versuebsergebnissen 
des Laboratoriums. Das Ideal der allgemeinen Selbststillung wird trotz aller 
intensiven Bemühungen noch lange nicht erreicht werden, deshalb muß die 
künstliche Ernährung möglichst günstig gestellt werden. H. tritt energisch 
für die gekochte Kuhmilch nach einwandfreier Gewinnung ein. Daneben 
aber betont er mit Recht den Wert der Verbesserung allgemeiner hygienischer 
Verhältnisse, vor allem des Wohnungswesens, und der Beseitigung tiefelnge- 
wurselter Vorurteile in der Behandlung der Säuglinge. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 



Seinere lOtteiloDgen nnd Referate aoi Zeitschriften. 


3S 


lieber dea Elafliun der Emihnug auf das StOlragsreniSgeB. Von 
Dr. W ei fi mann •Lindenfels. Deutsche Aerste-Zeitnug; 1907, Nr. 28. 

Verfasser berichtet über günstige Erfolge, die er durch Darreiehong 
Yon Halztropon an schwangere Eranen ersielt hat: das StillnngsTermOgen, das 
ihnen infolge schlechter Ernibrong verloren gegangen war, kehrte zurück. 
Br empfiehlt, daß die Ernährung ärmerer Sdwangerer aus üffentUchen 
Mitteln aufgebessert werde. Auch sollte seiner Ansicht nach jede Frau bei 
der EheschUeßnng durch ein Merkblatt oder in sonst geeigneter Form auf die 
Wichtigkeit des Selbststillens anfmerksam gemacht werden. Gerade in den 
gebildeteren Kreisen würde ein Hinweis auf die B Ose sehen Feststellnngen, 
daß die durch Muttermilch ernährten Kinder geistig (besseren Zensuren) und 
körperlich (gute Zähne etc.) den künstlich emäu'ten überlegen sind, viel 
Nutz» stiften kOnnen. Dr. Klare>Haina (Bez. Cassel). 

üeber den Uebergang tob AranelBiltteln ln die FraueBmlleb. Von 
Dr. G. J. Bucara-Wien. Zeitschrift für experimentelle Therapie; 4.Bd., 2.H. 

Bd Verabrdchnng von medikamentösen Dosen gehen in die Frauenmilch 
folgende Arsndmittd über: Jod, Salizyl, Aether, Quecksilber, Antipyrin, Aspirin, 
Arsen, Brom. _ Dr. Wolf‘Marburg. 

Die SingllBgssterbllelikeit 1 b Bostoek* Von Privatdozent Dr.Brüning 
und Dr. Balck. Zdtschrift für Säuglingsfürsorge; Bd. I, Nr. 10—11. 

Verfasser teilen mit, daß von 1704 in 1904 lebendgeborenen Kindern Im 
1. Jahre 16,78 **/, gestorben sind, und zwar 15,4% eheliche nnd 24,06% un¬ 
eheliche Säuglinge. Als Ursache für die relativ hohe Säuglingssterblitmdt 
führen de an: 

1. Das Nachlassen der natürlichen Säu^ingsemähmng; 

2. Die unzweckmäßige künstliche Ernährung; 

8. die mangelhafte Beschsffenhdt der Kindermilch; 

4. die mangelhafte Organisation des Zieh- und Kostkinderwesens; 

6. Das FeUen einer Krankenanstalt für Säuglinge. 

Daher ist die Schaffung einer Säuglingsmilchküche und Nenregdnng des 
Ziehldndwwesens unter allen Umständen zu erstreben. 

_ Dr. Wo If- Marburg. 

Nahrungsmittelhygiene. 

Uebor die BesebaffoBheit der Ib Berlin elBgeflUirteB dlnisebeB 
Milob* Von Dr. Proskauer, Seligmann nnd Croner. Zdtschr. 1 Hyg. 
nnd Infekt.-Krankheiten; Bd. 67, psjg. 178. 

Die dänische Milch ist hy^enisch zulässig, sie eignet dch aber zur Er¬ 
nährung von Säuglingen durchaus nicht. Der Schmntzgdialt der dänischen 
Milch Ist hoher, als bd der Berliner Handelsmilch oder der pommerschen 
Milch. Dr. Hirschbruch-Metz. 

Alimentire Vergiftungen durch den Enterocoeens« Von E. Sac- 
quOpOe (Val-de-Orace). Comptes rendus de la soo. de bioliologie; LXIIL 
1907, Nr. 29. 

Die meisten Nahrungsmittdvergiftungen verursachen schwere klinische 
S^ptome; gutartige Intoxikationen werden ebenfalls beobachtet, nur sind de 
bisher weniger eingehend studiert worden. Verfasser hat gemdnsam mit 
Dr. Navarre eine Epidemie nach Genuß von gesalzenem Schinken be¬ 
obachtet. Von 200 Menschen, die davon genossen hatten, erkrankten nach 6 
bis 7 Stunden 160. Alle Symptome waren Idcht, bis auf einige diarrhOische 
Stühle bd allen Kranken, die höchstens 20 Stunden lang anhidten — andere 
Beschwerden bestanden nicht. Im verdächtigen Schwebefleisch nnd im Stuhl 
der Kranken wurde der Enterococcus Thieralin nachgewiesen. Die patho¬ 
gene Wirkung dessdben wurde an der Maus demonstriert. Ebenso wie die 
Bazillen der Enteridb-Gruppe war auch der hier gefundene Erreger per os 
für versehiedoie Tierarten pathogen. Beide verlieren rasch eben Teil ihrer 
Vimleas, beide scheiden thermostabfle Tozbe ab. 

Dr. Mayer-Simmem. 



84 


Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zettsohrlften. 


Elaiges Uber die Terpflegimf der rSmlMhen Soldaten In Dentseli* 
land« Yen H. Dragendorft-Frankfort a. H. Zeitschrift lär Untersachong 
der Nahrongs* nnd Gennßmittel; Bd. 14, H. 1 und 2., S. 11. 

Die großen Schwierigkeiten, die zur römischen Kaiserzeit sich der Ver« 
pflegang der römischen Soldaten bei Feldzügen nach Dentschland in den Weg 
stellten, haben die Börner schon früh dazn geführt, Eriegsvorräte namentlich 
auf dem Wasserwege den operierenden Truppen nachzosenden. Einen solchen 
Stapelplatz ehemaliger Eriegsvorräte hat man in den letzten Jahren bei Haltern 
an der Lippe aofgefnnden. ln einem durch Eastelle geschützten Landeplatz 
sind Graben mit Massen römischen Geschirrs nnd auch Sparen eines Getreide* 
Speichers, in denen Millionen verkohlter Weizenkömer lagen, aafgefanden 
worden. Von den verschiedenen Getreidearten hat offenbar in jenen Zeiten 
fast aosschließlich der Weizen zar Nahrung gedient, der in mitgenommenenen 
sehr schwer transportabeln Handmühlen gemi^en wurde. Ebenso fanden sich 
Gefäße, die ihrer ganzen Form nach zu nichts anderem dienen konnten, wie 
zur Herstellung des Breies, der Polenta oder richtiger des Puls, des National¬ 
gerichtes des Italiker. AuJßer dem Brodgenuß machte sich bei den Trappen 
m dem nördlichen Deutschland auch ein stärkerer Fleischkonsum bemerkbar. 
Die Hauptrolle in der Fieischnahrung spielte das Schwein; daneben wurde 
jedoch außer dem Fleische allen möglichen anderen Schlachtviehes nnd Wild- 
prets auch Pferdefleisch recht reichlich genossen, was aus den Vorgefundenen 
Besten mit Sicherheit zu schließen ist. Außer Fischen sind auch große Mengen 
von Muscheln, vor allem Austemreste, gefunden worden, wobei man sieb aller¬ 
dings fragen muß, wie es möglich war, derartiges Material noch genießbar bis 
an Ort und Stelle zu bringen. Der Obstkonsum war ein reichBcher; nach 
Wein wurde in beträchtlichen Quantitäten mitgeführt. Die Vorgefundenen 
Meti^efäße sind als Luxusgeschirre anzusehen, der gemeine Mann behalf sieh 
mit irdenem, nicht einmal glasiertem Tongeschirr; Ueine Glasgefäße sind als 
Luxus und Offlziershabe zu betrachten. Erst in der späteren Eaiserzeit 
bürgerte sich glasiertes TongescÜrr mehr nnd mehr ein, während der wohl¬ 
habende Mann medemm sich in steigendem Maße an das Metallgerät gewöhnte. 

Dr. Symanski-Metz. 

Ueber den Nachweis von Pferdefleisch in Fleisch- nnd Wnrstwaren 
mittels der PriMpitat-Beaktlen* Von Dr. J. Fiehe. Mitteilung ans dem 
Institut für Hygiene nnd Bakteriologie der Universität Straßburg. Zeitschrift 
für Untersuchung der Nahmngs- und Gcnußmittel; Bd. 18, H. 12, S. 744. 

Fiehe hat mit selbst bergestelltem Pferdeantiserum durch ue Präzipitat¬ 
reaktion den Nachweis von Pferdefleisch wohl bei einer Beihe von im Handel 
erhaltenen Wurst- nnd Hackfleischprobenj wie auch zur Eontrolle an mehreren 
dgens zu dem Zwecke hergestellten reinen nnd gefälschten Fleischwaren zu 
ernringen versucht und hierbei recht gute Besultate erhalten, so daß sich 
diese Methode gegenüber dem verhältnismäßig schweren und unsicheren Nach¬ 
weis mit Hilfe der Glykogen - Methode voraussichtlich bald in der Praxis dn- 
bürgern wird. Die Schwierigkeiten, ein hochwertiges derartiges Antiserum 
zu gewinnen, sind, selbst wenn die Arbeit in dem kleinsten Laboratorium vor¬ 
genommen werden, nicht groß; noch mehr allerdings dürfte es sich empfehlen, 
wenn größere Institute bezw. Fabriken sich mit der Herstellung dieses Präp 
parates im großen befassen möchten. Die Hauptsache ist, ein hochwertiges, 
aber auch klares Serum zu gewinnen. Zur Erlangung eines solchen sind bei 
einem großen Eaninchen, wenn unter anti* nnd aseptischen Eantelon gearbeitet 
wird, & der Begel 7—8 intraperitoneale Einspritzungen (in Intervallen von 
6 Tagen) von je 15 ccm Pferdeblutserums (absolut steril gemacht mittels Fil¬ 
tration durch Tonfilter) erforderlich. Auf derartige Weise gelingt es, ein hoch¬ 
wertiges Pferde-Antiserum zu erlangen, das Pferdeblut noch in einer Ver¬ 
dünnung von 1:10000 präzipitiert. Zur völligen Eeimfreimachung empfiehlt 
■ich außer chirurgisch einwandfreiem Arbeiten bei der Entnahme auch hier eine 
Filtration durch Berkefeidfilter und nachträgliche Eonservierung mit Earbol- 
läure (auf je 10 com Serum 1 com einer 3 proz. Earbolkochsalzlösung). Be¬ 
züglich der Methodik gibt F. an, daß er die von Fornet aasgearbeitete üeber- 
seuohtungsmethode (Serum vondehtig überschichtet mit dem zu prüfenden 
klaren Extrakt) angewendet hat. Von besonderem Interesse bei F.’s Versuchen 



Klebiere Hitteiliuigeii imd Befertiie au Zattubriftm« 


85 


waren tefaie Ergebnlne bei gekochter PferdeoerreUtwnrat, iuofem hier 
der eharakterietuche Eiweißring erst nach einer Stande minimal herrortrat, 
and erst nach 2 Standen dentlich warde (w&hread sonst die Beaktion je nach 
der Menge des zagesetzten Pferdefleisches schon nach 5 bezw. 80 Minaten 
deatlich and stark ist). Es zeigte sich nan bei der Prflfang aaf den Eiweiß* 
gehalt (Kochen mit Essigsäare and Natriamsalfat) eine ganz geringe weißUdie 
Trflbug, während die Auzflge nicht gekochter Wflrste bei ^leioher Behänd* 
lang deatlich flockige Niederschläge ergeben. Mithin waren bei den gekochten 
w£zten nar minimale Eiweißmengen in LOsang gegangen and die BeidEtion 
dementsprechend augefallen. In zweifelhaften Fällen empfiehlt es sich deshslb, 
den Warstauzag hieraaf za prüfen, and gegebenen Falles mit kouentrierten 
Anazflgen and längeren Beobaehtangszeiten za arbeiten. Die Besaitete F.s 
sind aber gflutig, insofern es ihm anter Beobachtug aller Vorsichtsmaßregeln 
gelug, noch Fäuchugen mit 10^/, Pferdefleisch nuhzaweisen. 

_ Dr. Symanski'Metz. 


Ueber den Nachweis einiger tierischer Fette ln Gemischen mit 
anderen tlerlsehen Fetten. Von Dr. F. Polenske, technischem Bat im 
Kaiserlichen Gesudheitsamt. Arbeiten au dem Kaiserlichen Gesandbeitsamte. 
(Beihefte za den VerOffentlichugen des KaiserL Gesundheitsamts; XXYL Bud, 
3. Heft. Berlin 1907. Verlag von J. Springer. 

Während Pflauenfette in Gemischen mit tierischen Fetten oftmals schon 
dnreh Spezialreaktionen, allgemein aber dorch die Phytostearinazetatprobe 
nacbgewiesen werden können, ist der Nachweis des Fettes einer Tiergattnng 
in Gemischen mit uderen tierischen Fetten znrzeit noch mit Schwierigkeiten 
Terknüpft. Diese Lücke wird in der Praxis vielseitig augenützt, am wert¬ 
vollere Tierfette mit solchen von geriuerem Werte zn fälschem. Dem Mugel 
in der chemischen Untersachong der Fette will P. durch ein nenes Verfahren 
abhelfen, welches anf der Beobachtug beruht, daß die Temperatnrdiffereu 
(D. Z.) zwischen dem Schmelz- ud Erstarru^ukte bei den Fetten ver¬ 
schiedener Tierarten nicht gleich groß ist, aber für du Fett einer Tierart 
eine aemlich konstante Größe besitzt. ’ 

So ist, nach P., ein Schweineschmalz als verfälscht mit Talg ud uderen 
Fetten, welcme eine niedrigere D. Z. als Schweineschmalz haben anzuehen, 
weu die in dem Schmalz gefudene D. Z. kleiner ist, als 18,6. ünd eine 
Bntter ist mit Schweineschmalz oder uderen Fetten, die eine höhere D. Z. 
als Bntter haben, als gefälscht uzuehen, weu in dem ursprünglichen Butter- 
fette eine höhere D. Z. als 14,6, oder ^ dem au 75 Tdlu Butterfett ud 
25 Teüu Bindertalg hergestellten Gemisch eine höhere D. Z. als 15 erhaltu 
wird. Dr. Bost-Badolstadt. 


Ef^ebnlsu der amtlichen Welnztatlstlk. Berlehtsjahr 1806/1906 
(TeQ I). Welnstatistlsehe Dntersachugen (Teil II). HoststatlstlBohe Vnter- 
saehugen. Ebenda. XXVn. Bd.; 1. Heft. 

Die Berichte enthalten die analytischen Daten von 567 Weinen ud 
1137 Mosten. Es entfallen auf Preußen 100 Weine ud 142 Moste, auf Bayern 
84 Weine, 233 Moste, anf Sachsen 7 Moste, auf Württemberg 77 Weine, 43 Moste, 
auf Badu 52 Weine, 151 Moste, auf Hessen 95 Weine, 199 Moste und anf 
Elsaß-Lothringen 149 Weine, 362 Moste. Die Güte reichte nicht u die des 
vorhergehenden Jahres heru, doch sind sie im Durchschnitt als ng^t* zu 
bezeichnen. Die gesetzliche Greuzahl für den Gesamteztrakt, sowie ifür 
du Extrakt nach Abzag der nicht flüchtigu Säure ud der Gesamtsäare 
wurde in allen Fällen erreicht. Dr. Bost-Budolstadt. 


Welche Anforderangen sind von der amtllehen Nahrugsmittel- 
kontroUe an die alkoholfreien Getränke zn stellen. Von A. Beythion 
in Dresden. Zeitschrift für üntersuchung der Nahrugs- ud Genußmittel; 
Bd. 14, H. 1 ud 9, S. 26. 

Die alkoholfreien Getränke sind als Gunßmittel zn bueichnen and als 
solche du Bestimmugu des Nahrungsmittelgesetees uterworfen. ZnrzMt 
jedoch besteht ein fester Begriff der normalen Beschaffenheit, der jeder Be- 



86 


Kleinere Mitteilangen nnd Befente ane Zeiteehriften. 


artefflaiig tob NalinuigiinittelB im Sinne des BeiohBMsetzes vom 14. Mai 1879 
saffrande ^egt werden mnfi, fflr die Hehnahl der alkoholfreieB OetiiBke 
niut. Naw iurt des Ansgangemateiiale lassen die alkoholfreien Getrlnke 
■ich in Tier Hanptgmppen einteilen: die sogenannten alkoholfreien Biere tud 
Weine, ferner die ans dem Safte Ton Aepfeln and einigen Beerenfrttchten 
hergestellten Gtotrinke nnd sehliefilich Erzengnisse Ton der Art der k1inst> 
liehen Brauselimonaden. Wenn man sich fragt, welche Anfordemngen Ton der 
amtlichen Nahmngsmittelkontrolle an die Beschaffenheit der alkoholfreien Ge¬ 
tränke an stellen seien, so erscheint es znm Schatze des Pnbliknms im all- 
gemdnen für yOllig ausreichend, wenn dafür gesorgt wird, dafi die zurzeit noch 
Tielfach beliebten täuschenden Bezeichnungen aus dem Handel Terschwinden, 
nnd daß Tor allem die Kunstprodukte nicht unter dem Namen echter Frucht¬ 
saftgetränke in den Verkehr gelangen. Im speziellen wäre folgendes zu fordern: 
1. Alkoholfreie Biere oder Halzgetränke nnd Erzeugnisse, die im wesentlichen 
ans Wasser, Hopfen und Malz, event. unter teilweisem Ersatz des Malzes durch 
Zucker beraestellt werden und mit Kohlensäure Impräniert sind. Mindestens 
die Hälfte des Extraktes soll ans Malz bestehen; sonstige Zusätze Ton Stärke- 
symp. Färb- und Aromstoffen (exkL HopfenOl) sind unzulässig. 2. Alkoholfreie 
Weine sind Erzeugnisse, die durch Sterilisation yon Tranbenmost oder durch 
Entgeisten ron Wein und nachträglichen Zusatz von Zucker hergestellt und 
event. mit Kohlensäure impräniert sind. 8. Alkoholfreie Getränke, die ihrer 
Bezeichnung nach aus natürlichen Frachtsäften (z. B. Heidelbeermost, Apfd- 
sait etc.) bestehen sollen, dürfen nur aus dem entsprechenden Preßsaft frischer 
Früchte hergestellt werden. Beimischung von Wasser und Zucker ist nur 
insofern statthaft, als eine erhebliche Vermehrung hierdurch nicht erfolg. 
Sonstige Zusätze, sowie DOrrobstauszüge, sind ohne Deklaration unzulässig. 
4. Kohlensäurehaltige Getränke von der Art der Brauselimonaden mit Namen 
einer bestimmten Frachtart dürfen nur Mischungen von echten Frachtsäften 
mit Zucker und kohlensänrehaltigem Wasser darstellen. 5. Alkoholfreie Ge- 
tri^e, die neben oder ohne Zusatz von natürlichem Frachtsaft, Zucker und 
kohlensäurehaltigem Wasser noch organische Säuren oder Farbstoffe oder 
natürliche Aromastoffe enthalten, dürfen nur unter entsprechender Deklaration 
in den Handel gebracht werden. 6. Die Verwendung künstlicher Frachtsäfte 
und saponinhaltiger Schanmmittel ist unzulässig. 7. Bei der technischen ün- 
ihOglichkeit, die sogen, alkoholfreien Getränke vollkommen alkoholfrei darzu- 
steUen, darf als alkoholfrei ein solches Getränk bezeichnet werden, das in 
100 ccm nicht mehr als 0,48 g, entsprechend 0,6 Volumen-Prozent Alkohol, 
enthält. _ Dr. Symanski-Metz. 


Bekämpfung des Alkoholismns. 

Untennohnngen Uber die Wirkungen des Alkohels* Von BeidHunt. 
Washim^n; bygienic laboratory, Bulletin, 1907. Nr. 88. 

Verfasser hat an Mäusen, Tauben, Kaninchen, welche einige Zeit lann 
kleine Alkobolgaben erhielten, Versuche über die Giftwirkung des Azetonitru 
angestellt Die Giftwirkung dieses Stoffes beruht auf der durch Oxy¬ 
dation im Organismus erfolgten Abspaltung von Blausäure. Die Versuchs¬ 
tiere waren für das Gift weit empfänglicher, als nicht alkoholisierte. Diese 
erhöhte Empfänglichkeit beruht nicht auf einer Herabsetzung der Widerstands¬ 
fähigkeit des Körpers, sondern vielmehr auf einer gesteigerten Oxydationz- 
fähigkeit. Die gegebenen Alkoholmengen waren so gering, daß sie weder 
anatomisch, noch physiologisch irgendwelche Zeichen von Alkoholvergiftung 
hervorbrachten. Damit ist der Beweis geliefert, daß sehr geringe Alkohol¬ 
gaben inutande sind, den Stoffwechsel für gewisse Substanzen, wie z. B. Aze- 
tonitril zu beschleunigen. Je mehr unsere Kenntnis über bestimmte Oxydations- 
Torgänge im KOrper wächst, um so augenscheinlicher wird es, daß Ausdrücke, 
wie „dieser Stoff beschleunigt oder hemmt die Oxydation* viel zu allgemein 
sind. Es müssen stets nur bestimmte Stoffe untersucht werden. Für den 
Alkohol ist es wahrscheinlich, daß er wie beim Azetonitril auch noch bei 
anderen Stoffen oxydationssteigemd wirkt. Voraussichtlich werden daher auch 
schon bei den „mäffigen* Trinkern gewisse physiologische Prozesse anders ab- 
laufen wie bei den Abstinenten. Dr. Paul Schenk-Berlin. 



Eldnere Mitteilungen und Referate ans Zeitaohrlften. 87 

Der Alkeholimu In Umbrlea. Yen Dr. Camillo Yltali-Pemgla. 
n Bamaniiii; Faai. 9, 1907. 

Der Alkoholiamiu in Italien ist nicht wenig yerbreitet, die antialkoho« 
lische Bewegung jedoch eigentlich erst im Entstehen begriffen. Das Verständ¬ 
nis daftir f^t eben noch, die Voistellnng von dem stärkenden EinfloB des 
stärkenden Weins ist bei Arm und Reich ^gemein yerbreitet, wird auch yon 
Aeraten geteilt; fast alle Mütter geben ihren kleinen Kindern etwas Wein sa 
trinken. Statistische Angaben über den Alkoholyerbranch in Itidien fehlen 
noch; ans einer neuen Zusammenstellung geht heryor, daß, was die Zahl der 
Betriebe yon alkoholischen Getränken betrifft, Belgien mit 1 auf 86 Bewohner 
an der Spitze marschiert, Schweden und Norwegen mit 1 auf 6000 Bewohner 
am günstigsten steht und Italien mit 1 auf 300 noch ziemlich gut abschneidet, 
jedenfalls besser daran ist als Deutschland fmit 1 : 190). 

Verfasser hat nun seine Heimatproyinz Umbrien, in deren Hauptstadt 
Perugia er als Arzt der hier befindlichen Proyinzialirrenanstalt tätig ist, ge¬ 
nauer auf die Frage nach dem Alkoholismus studiert. Da andere statistisäe 
Unterlagen fehlen, hat er das Krankenmaterial der Irrenanstalt zu Grunde ge¬ 
legt, und zwar yom Jahre 1824 an bis 1905. Die Ergebnisse, sorgfältig be- 
arMtet und in Tabellen wiedergelegt, sind interessant genug, um kurz darauf 
einzngehen. Im Jahre 1885 wurde der erste Fall einer Alkoholspychose (ein 
Fall yon Delirium tremens bei einer Frau) festgestellt, der nächste dahin ge¬ 
hörige Fall ereignete sich 1869 (ein Fall yon Manie auf alkoholischer Basis) 
und yon 1866 an findet sich eine Steigerung der Alkoholpsychosen, die zu¬ 
nächst noch langsam, in den achtziger Jahren aber schnell ansteigt und im 
Durchschnitt der letzten 20 Jahre bei den männlichen Geisteskranken 

und 8,7*/« der Geisteskranken überhaupt ausmacht. Die absoluten 2^1en der 
alkoholischen Irren stieg bei den Männern yon 15 im Jabre 1886 auf 48 im 
Jahre 1905; die Zahl der Frauen war meist eine yerhältnismäßig geringe, 
aber auch bei ihnen ist eine merkliche Steigerung in den letzten Jahren fest¬ 
zustellen. 

Von 613 alkoholischen Irren, die während des 20 jährigen Zeitraums in 
der genannten Irrenanstalt yerpfiej^ wurden, worden geheilt 64 "/o» gebessert 
6,5 */o, yerfielen in Demenz O**/« und starben 18 Die Zahl der Geheilten 
erscheint recht hoch, jedoch macht Verfasser darauf aufmerksam, daß die Zahl 
der Kranken, die rückfällig wurden (im ganzen 26,7*’/o) und eine nicht zu be¬ 
stimmende Zahl yon solchen, die nach ihrer Entlassung in das Laster des 
Trinkens zurückfallen, ohne grade wieder geisteskrank zu werden, in Abzug 
zu bringen seL 

^merkenswert war die Beobachtung, daß die größte Zahl jener Kranken 
aus der Hauptstadt und deren Umgebung stammte. Die Zunahme des Alkohol- 
mißbrauchea wird besonders auf die Militärpfiichtigen und die Wanderarbeiter 
zurückgeführt; diese beiden Klassen lernen die Trinkunsitten draußen und 
bringen sie in die Heimat mit, wo aie reichlich Nachahmer finden. 

Die yermehrte Kindersterblichkeit wird gleichfalls auf den Abusus 
spirituoeorum zurückgeführt. Allerdin^ ist die Kindersterblichkeit in Italien — 
und dies ist, die Richtigkeit der statistischen Angaben yorausgesetzt, einiger¬ 
maßen beschämend für das kulturell doch bei weitem höher stehende König¬ 
reich Preußen (d. Bef.) — weit geringer als bei uns, wenigstens für das erste 
Lebensjahr. Dafür folgende Zahlenangaben nach der yorliegenden Arbeit, 
denen yergleichsweise die für Preußen aus dem »Gesundheitswesen des Prenßi- 
sdien Staates* gegenübergestellt werden: 

Kindersterblichkeit für das Jahr 1901: 

^wohner- Es starben im 

Land zahl ca. 1. Lebensj. 2. Lebensj. 8. Lebensj. zusammen 
ItaUen 32600000 176785 64828 27092 267776 

Preußen 84500000 261696 47791 18709 818195 

Unter den yerschiedenen Berufsständen stehen bezüglich der Erkrankung 
an alkoholischem Irresein an erster Stelle die italienischen Schuhmacher; 
letztere müssen also wohl dort einen besonderen Hang zum Trinken haben, was 
man yon ihren deutschen Kollegen nicht gerade wird behaupten können. 

Die Heredität, die gerade bei den Alkoholpsychosen yon Bedeutung ist, 
wurde yom Verfasser besonders erforscht; er ermittelte bei 200 Fällen unter 
613 erbliche Belastung. _ Dr. Solbrlg-Allenstein. 



88 


Be«preohangen. 


Besprechungen. 

ProC Dr. BttBfe'Götthigeii: I^ehrbaoh der Gyaftkologle. Mit zahl¬ 
reichen Abbildungen im Text. Dritte Auflage. Berlin 1907. Verlag von 
J. Springer. 8**; 522 8. Preis: geb. 10 M. 

Das vorliegende Lehrbuch der Gynäkologie reiht sich in jeder Weise 
würdig dem Lehrbuch der Oeburtshülfe des wohlbekannten Verfassers an. Es 
gibt in klarer, sachlicher Weise einen alle Vorschläge umfassenden Ueber- 
blick über das gesamte Gebiet der Frauenkrankheiten, bei dem Verfasser 
nach Möglichkeit einen objektiven Standpunkt anzunehmen bemüht ist und 
sich besonders auf eigene Erfahrungen stützt. Das Verständnis wird durch 
zahlreiche und gut ausgeführte Abbildungen erleichtert, die in der neuen 
Auflage noch wesentliche Verbesserungen gefunden i^ben. Sorgfältige Lit^ 
raturangaben ermöglichen es dem Leser in Kapitel, die ihn besonders inter¬ 
essieren, tiefer einzudringen. _ Bpd. 

Tagesnachrichten. 

Dem Beloluitaifa ist jetzt der angekündigte Entwurf eines Gesetzes, 
betreffend die Ablndemng der Gewerbeordnung, nebst Begründung zu- 

ä egangen. Von hygienischem Standpunkte aus wichtig sind davon namentlich 
ie Bestimmungen zu § 120 (Regelung der täglichen Arbeitszeit in 
Gewerben, in denen durch übermäßige Dauer der Arbeitszeit die Gesundheit 
der Arbeiter geschädigt wird), zu den §§ 187—139 (Beschäftigung von 
Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern; lOstündiger Mazimal- 
arbeitstag und 11 stündige ununterbrochene Nachtruhe für Frauen) und die als 
neu unter Abschnitt VII a, §§ 189 n—139 y, eingefügten Vorschriften über die 
Hausarbeit. Danach sollen die Werkstätten (dazu gehören auch Räume zum 
Schlafen, Wohnen oder Kochen, falls darin gewerbliche Arbeit verrichtet wird), 
so eingerichtet und unterhalten werden, daß die Haosarbeiter gegen Gefahren 
für Leben und Gesundheit so weit geschützt sind, wie es die Natur des Be¬ 
triebes gestattet. Insbesondere ist für genügendes Licht, ausreichenden Luft¬ 
raum und Luftwechsel, Beseitigung des bei dem Betrieb entstehenden Staubes, 
der dabei entwickelten Dünste und Gase, sowie der dabei entstehenden Abfälle 
Sorge zu tragen. Ebenso sind diejenigen Vorrichtungen herzustellen, welche 
zum Schutze gegen gefährliche Berührungen mit Maschinen oder Maschinen¬ 
teilen oder gegen andere in der Natur der Betriebsstätte oder des Betriebes 
liegende Gefahren erforderlich sind. — Auf die Gesundheit der Hausarbeiter 
unter achtzehn Jahren müssen diejenigen besonderen Rücksichten genommen 
werden, welche durch das Alter dieser Arbeiter geboten sind. — Arbeiten, bei 
denen dies zur Verhütung der sonst mit ihnen verbundenen Gefahren für Leben 
oder Gesundheit erforderlich erscheint, dürfen nur in solchen Räumen ver¬ 
richtet werden, welche ausschließlich hierfür benutzt werden. — Für Gewerbo- 
zweige, die der Herstellung, Verarbeitung oder Verpackung von Nahrungs- oder 
Geniämilteln dienen, kann durch die zuständigen Polizeibehörden im Wege 
der Verfügung für einzelne Werkstätten angeordnet werden, daß die Werk¬ 
stätten und Lagerräume, einschließlich der Betriebsvorriebtungen, Maschinen 
und Gerätschaften ao eingerichtet und unterhalten werden und der Betrieb so 
geregelt wird, daß Gefahren für die Öffentliche Gesundheit ausgeschlossen sind. 
Außerdem kann angeordnet werden, daß Räume, in denen Nahrungs- oder Ge- 
nußmittel hergestellt oder verarbeitet worden, zu bestimmten anderen Zwecken 
nicht benutzt werden dürfen. Den bei Erlaß dieses Gesetzes bereits bestehenden 
Betrieben gegenüber können, solange nicht eine Erweiterung oder wesent¬ 
liche Veränderung eintrit, jedoch nur Anforderungen gestellt werden, die zur 
Beseitigung erheblicher, das Leben oder die Gesundheit der Hausarbeiter oder die 
öffentliche Gesundheit gefährdender Mißstände erforderlich oder ohne unver¬ 
hältnismäßige Aufwendungen ausführbar erscheinen. Durch Beschluß des 
Bundesrats kann aber die Verrichtung solcher Arbeiten in der Hausarbeit ver¬ 
boten werden, welche mit erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit oder 
Sittlichkeit der Hausarbeiter oder für die öffentliche Gesundheit verbunden 
sind. Desgleichen können durch Bundesratsbesebluß Vorschriften in bezug auf 
die für bestimmte Werkstätten zu stellenden Anforderungen erlassen werden. 



Tagesnaebrlohtoit. 


99 


Abladerug der DlenstonwelniBg fttr die preieelsoheii KreleAnte. 

Infolge des Gesetzes ttber die Bek&mpfnng der ttbertragbaren Krankheiten Tom 
28. Aagast 1905 and der daza erlassenen Aosftthrangsbestimmangen vom 
15. September 1906 haben die in dieses Gebiet gehörigen Vorschriften der 
Dienstanweisung für die Kreisärzte verschiedene Aendernngen erfahren^ aaf 
die vom Herausgeber dieser Zeitschrift in den Erläuterungen zur Dienst¬ 
anweisung in dem Kalender fttr Medizinaibeamte bereits aufmerksam gemacht 
ist. Jetzt sind vom Herrn Minister die betreffendenBestimmungen der Dienst¬ 
anweisung durch Erlaß vom 22. Dezember v. J. abgeändert, so daß sie jenen 
gesetzlichen und Ausftthrungsvorschriften entsprechen; in Betracht konunon 
die §§ Id, Abs. 5, 28, Abs. 8, 86, Abs. 2—4, 87, 82—86 und 96. Wir werden 
die Abänderungen in der Beilage zur nächsten Nummer bringen; für die Ab¬ 
nehmer des Kalenders ffir Medizinalbeamte werden sie außerdem auf Blättern 
im Format des Kalenders abgedruckt werden, so daß sie dem Kalender ffir 
1908 an zutreffender Stelle eingeffigt werden kOnnen. 


Der bayerische erweiterte Obermedizinalansschuß hat 
sich in seber am 16. und 17. v. Mts. stattgehabten Beratung fiber den Ent¬ 
wurf eines Beichsapothekengeseties ffir me unveräußerliche Personal- 
hoBzeesion als Grundlage der reichsgesetzlichen Begelung ausgesprochen, 
dagegen stimmten nur die 8 Vertreter der Apothekergremien, welche Verkäuf¬ 
lichkeit verlangten. 

Einstimmig wurde beschlossen, daß in der Begel auch das Apotheken- 
Anwesen sd>zalösen und (bei Vollapotheken) fttr die Uebergabe des Ge¬ 
schäftes eine Abfindung zu leisten sei. Bei der Festsetzung des Betrages 
dieser Abfindung sei neben dem Beinertrag insbesondere zu berficksichtigen, 
was der bisherige Eigentfimer fttr die Errichtung oder fttr den üebergang des 
Geschäftes, sowie fttr dessen Hebung selbst geleistet hat. 

Mit allen Stimmen gegen die der 8 Apotbekergremienvertreter beschloß 
die Versammlung ferner, die landesrechtliche Ablösung der Bealrechte und der 
mit Geschäftswerten ttberlasteton Personalapotheken und zu diesem Zwecke 
die Einftthrung von Apotheken - Betriebsabgaben zu befttrworten. 

- Im ttbrigen wurde eine Beihe von Einzeländerungen des Gesetzentwurfes 
— fast durchweg mit Stimmeneinheit — in Vorschlag gebracht, z. B. gutacht¬ 
liche Mitwirkung der Standesvertretung der Apotheker bei Besetzung von 
Apothekenkonzessionen, Anstellung von beamteten Apothekern als Beferenten 
bei den Kreisregierangen usw. 


An dem im Januar d. J. in London stattfindenden ü* internationalen 
Kongress zur Bekimpfnng der Schlafkrankheit wird Geh.-Bat Dr. Koch als 
Vertreter des Deutschen Beiches teilnehmen. 


Am 6. d. M. feiert der Verleger dieser Zeitschrift, Herr Hofbuch- 
händier H. Kornfeld in Berlin, sein w jähriges Gesehiftsjnbilfinni. Seiner 
Anregimg ist hauptsächlich die Grttndung der Zeitschrift fttr Medizinalbeamte 
und seiner geschäftskondigen Mitwirkung wie seines stets bereitwilligen Ent¬ 
gegenkommens den Wttnsäen der Bedaktion gegenfiber nicht zum geringsten 
Teile die so erfreuliche Entwicklung der Zeitschrift im Laufe der Jahre zu 
verdanken. Mit den aufrichtigsten Glttckwttnschen zu seinem Jubiläum sprechen 
wir ihm daher gleichzeitig den herzlichsten Dank fttr jene Mitwirkung aus 
und knüpfen hieran den Wunsch, daß es ihm noch viele Jahre vorgOnnt sein 
mOge, die Leitung seiner Verlagsbuchhandlung in der bisherigen erfolgreidien 
Weise zu führen! 


Todesfllle* Am 21. v. M. ist an den Folgen eines Antomobilunfalles 
Prol Dr. La ssar in Berlin gestorben. Abgesehen von seinen großen wissen¬ 
schaftlichen Leistungen auf seinem Spezialgebiete der Dermatologie, hat er sich 
aber auch außerordentliche Verdienste auf volkshygienischem Gebiete, ins¬ 
besondere als Gründer und langjähriger Leiter der Deutschen Gesellschaft fttr 
Volksbäder, erworben. Die mächtige Förderung, die das Volksbadewesen 



40 


Tagetaaehriehtea 


wihrend des leisten Jahrzehntes in Deatschland erfahren hat, ist in erster 
Linie seinem tatkriftigen und zielbewaßtem Vorgehen zn Terdanken; sie wird 
ihm bis in die weitesten Kreise ein bleibendes Andmiken sichern! Fast 
gleichzeitig am 20. ▼. M. ist der langjährige Vorsitzende der Berlin-Branden- 
barger Aerztekammer, Qeb. San.-Eat Dr. Becker in Berlin, ein eifriger 
Vertreter und Förderer der ärztlichen Standesinteressen, nnd wenige Tage 
später (am 23. y. M.) der Senior der Berliner medizinischen Fakoltät und 
der Deutschen Laryngologen, Geh. Med.-Eat Prof. y. Tob old, gestorben, nach¬ 
dem er noch kurz yorher bei seinem SOjäbrigen Geburtstage yon Sr. Majestät 
in den erblichen Adelstand erhoben war. Einen weiteren schweren Verlust hat 
die Berliner medizinische Fakultät mit Beginn des neuen Jahres durch den am 
1. d. M. in Köln (auf der Ettckreise) erfolgten plötzlichen Tod des Geh. Med.- 
Bats Prof. Dr. Hoffa erlitten; seine Verdienste um die Förderung der 
Orthopädie werden ihm nicht minder ein bleibendes Andenken sichern, wie 
seine unermfldlichen und erfolgreichen Bemühungen um die KrUppelffiisorge in 
Deutschland. 


Die neue Deutsche Amieitaxe für 1008 bringt, abgesehen yon d«i 
Preisyerändemngen einzelner Arzneimittel (868Erhöhungen, darunter yer- 
hiltnismäßig yiele yegetabilische Arzneimittel, und 196 Ermäßigungen) wenige 
Veränderungen, yon denen nur die Erhöhung der Preise für Gläser wesentlich 
in Betracht kommt. Der Preis für Gläser bis zu 100 g beträgt künftighin 


10 Pf. 
20 Pf, 


gestr 


bisher 10), für Gläser yon 100—2(X) g: 16 Pf. (10), yon 200—800 g: 
16), yon 800-400 g: 26 Pf. (26), yon j^-600 g: 80 Pf. (86) und 


bei größeren für je 6(X) g 20 Pf. (15) mehr. Neu aufgenommen sind 6, 


chen 8 ArzneimitteL 


Erkrankungen und Todesfllle an ansteekenden Krankheiten ln 
Prenssen« Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit yom 1. bis 14. Dezember y. J. erkrankt 
(gestorben) an: Cholera, Gelbfieber, Eückfallfieber, Pest, Eotz 
nnd Tollwut: — (—); Aussatz: — (—), 1 (—); Fleckfieber: — 
(—), 1 (—); Pocken: 1 (—), — (—); Bißyerletzugen durch toll- 
wutyerdächtige Tiere: 8 (—), 1 (—); Milzbrand: 1 (—), 1 (—); 
Euhr: 6 (1), 8 (—); Unterleibstyphus: 292 (29), 806 (81); Diphthe¬ 
rie: 1888(128), 1901 (181); Scharlach: 1921 (86), 2008 (100); Genick¬ 
starre: i2 (8), 22 (9); Kindbettfieber: 113 (22), 107 (^); Wurst- 
9(—), — (—): Körnerkrankheit (erkrankt): 188,186; Tuberkulose 
(gestorben): 612, 5l8. 


MpruohuaaL 

Anfirage des Krelsarites Dr.K. in G.: Auf Grund welcher Be¬ 
stimmungen kann die Hebamme yon der OrtspolizeibehOrde 
wegen Verstöße gegen ihre Dienstanweisung in Geldstrafe 
genommen werden? 

Antwort: Eine Bestrafung ist nur anf Grund einer Polizeiyerordnung 
über die Bernfspflichten der Hebammen möglich, wie solche gemäß Nr. 6 der 
Instruktion zur Ausführung der früheren allgemeinen Ministerial-Verfügung yom 
6. August 1888 in den einzelnen Eegierungsbezirken erlassen sind. Verstöße 
in bezug auf Anzeige usw. bei Kindbettfieber (s. § 2, Nr. 8 nnd § 8, Nr. 8 des 
Gesetzes yom 28. August 1905), können jedoch auch anf Grund der §§ 85, 
Nr. 1, nnd 86, Nr. 2 nnd 4 dieses Gesetzes bestraft werden. 


Das Inhalta-Vorselolinls fftr die ZeitsoErlft, Jahrgang 1007 
urlrd der Nr. ft beigelegt werden. 


Verantwortl. Eedakteur: Dr. Eapmnnd, Eeg.- n. Geh. Med.-Hat in Minden i. W. 
J. a 0. Braas, HanosL Stena n. T. aelL,-L. Hofbnebdrnclnm ta MliwUa 



2L Jthrg. 


1908. 


Zeitschrift 

ittr 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZMiinUlatt fir du {uanti InmdMtsintn, 

fOr gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenweeen. 

Heratugegebea 

Dt. OTToIaPMUND, 

Bgfieruff- nnd (Mu Medlstauüral In lllndan. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag yon Fischer s medis. Buehhandlg, H. Kornfeld, 

HinogL Bvtr. HOf* o. BiriiinDgL 

Berlin W. S5, Lützowstr. 10. 

TbitmIi dl« Tolafakaadlnf aowl« alU A muMiOMi - Mwpedttlottan dm !«• 

and ▲«uaadee eatfegen« 


Np. 2. 


BmieKeüit mm S. u4 SO. Jeden Monnta. 


20. Januar. 


Ein Fall von traumatischer Leukämie bei einem 12 jährigen 

Knaben. 

Von Dr. Sieber, piakt. Arzt in Betsche (Begbz. Poeen), kreiifaitL appreblert. 

Während bei den Verletzungen, deren Behandlung dem 
Chimrgen obliegt, der ursächliche Zusammenhang zwischen Tranma 
nnd Verletzung meist klar auf der Hand liegt, ist diese Ent« 
Bcheidung für innere Leiden, welche nach einem Tranma in die 
EtTscheinung getreten sind, meistens sehr schwer, ja, häufig ganz 
nnmOgiich. Ganz besonders gilt dies für diejenigen inneren Krank* 
heilen, die eine gewisse Zeit zu ihrer Entwickelung brauchen, 
BO daß zwischen ihrer Erkennung und dem Tranma eine Zeit* 
spume liegt, in der sich der Verletzte anscheinend völligen Wohl* 
befindens erftent. Erst die praktische Erfahrung, wie sie nament* 
lieh auf Grund des Unfallversichernugsgesetzes in so ansgedehntem 
MÄße gesammelt werden konnte, hat einiges Licht in diese noch 
recht dunklen Verhältnisse gebracht. So war es auch mit der¬ 
jenigen Krankheit des Blutes, mit der wir uns im folgenden be¬ 
schäftigen wollen, mit der Leukämie. Je häufiger Fälle be¬ 
schrieben werden, in denen das Anitreten der Leukämie nach 
einem Trauma einwandsfrei beobachtet worden ist, mit desto 
größerer WAbrscheinlichkeit wird der ärztliche Gutachter vor* 












42 


Dr. Sieber. 


kommendenfalls einen nrsächlichen ZuBammenbang zwischen der 
Entwicklung dieser Krankheit und einem voraufgegaugenen Trauma 
annehmen können. Von dieser Erwägung ausgehend, habe ich 
mich entschlossen, einen Fall von Leukämie, den ich in meiner 
Praxis zu beobachten Gelegenheit hatte und der in unzweideutiger 
Weise sich im Auschluß an ein Trauma entwickelt bat, hier zu 
veröffentlichen, obwohl bereits etwa ein Viertelhnndert gleich¬ 
artiger Fälle ans der Literatur bekannt geworden sind. Ich habe 
mich meiner Aufgabe mit um so größerer Freude unterzogen, 
weil ich beim Studium der Literatur erfahren habe, wie wichtig 
die Entscheidung jener Frage für den ärztlichen Gutachter in 
TJnfallsachen ist; ich setze voraus, daß auch für den gerichtlichen 
Sachverständigen die Kenntnis dieses Zusammenhanges gegebenen 
Falles von Bedeutung sein kann. 

Krankengeschichte. Am 13. April 1907 kam der 12 Jahre alte 
Sohn des Zigarrenmacbers P. io Begleitung seines älteren Bruders in meine 
Wohnung: er blutete heftig ans der linken MasenOffoong; anf Tamponade mit 
in EitnenchloridlOsuog getancbter Watte stand die Blntnng alsbald. Trotzdem 
der Knabe nicht gerade übermäßig viel Bint verloren haben mochte, bekam 
er eine Ohnmacbtsanwandlnng, die jedoch nur leichter Art war und bald vor- 
ttberging Der Knabe, der eine eigentümlich fahle Gesichtsfarbe hatte und 
eine anffallende Schlaffheit zur Schan trog, machte mir gleich damals den 
Eindruck, als wenn ein inneres Leiden bei ihm vorläge; ich hielt es aber mit 
Bücksicht auf seinen Scbwäcbeznstand nnd nm das Nasenbluten nicht wieder 
anznfachen, in diesem Augenblick nicht für geraten, eine eingehende Unicr- 
Sücbung vorznnehmen, bat jedoch den Brnder des Knaben, mich zn benach¬ 
richtigen, wenn die Blntnng sich wiederholen oder die Schwäche nach einigen 
Tagen nicht schwinden sollte. Am 25. April wurde ich zn dem Knaben ge¬ 
rufen, Weil das Nasenbluten sich wiederholt hatte, das Allgemeinbefinden stetig 
schlechter geworden war. Die Eltern des Knaben erzählten mir, daß derselbe 
stets gesund gewesen sei und ein blähendes Aussehen gehabt habe: dies be¬ 
stätigte mir später anch der Lehrer des Knaben, den ich danach befragte und 
der mir angab, daß er bis zn den Osterferien nicht die geringste Veränderung 
in dem Wesen desselben bemerkt habe, wohl aber sei ihm bald nach den 
Osterferien eine sichtliche Müdigkeit nnd Abgescblagenbcit bei dem Schüler 
aufgefallen, die so erheblich war, daß der Knabe nicht mehr mittnrnen konnte. 
Ans den Berichten der Eltern konnte ich weiterhin folgendes entnehmen : Kurz 
vor Ostern (31. März) des Jahres hatte der Knabe die Erlaubnis bekommen, 
das Radfahren zn erlernen, eine Aufgabe, der er sich mit großer Ansdaner 
unterzog. Hierbei ist er non mehriach gefallen und bat sich, wie er selbst 
zngibt, recht tüchtig geschlagen. So beobachtete eine Nachbarin, wie er mit 
dem Bade mit ziemlicher Wucht gegen eine Hansecke fahr nnd sich hierbei 
offenbar eine starke Erschütternng des ganzen KOrpers znzog. Der Knabe 
erzählte seinen Eltern von dem Unfälle zunächst nichts, wahrscheinlich ans 
Furcht, daß diese Mitteilnng ein Verbot des Radfahrens znr Folge haben 
konnte; die Eltern scheinen wohl eine Veränderung in dem Wesen ihres Sohnes 
bemerkt zn haben, schenkten dieser aber keine weitere Beacbtnng, bis das 
Anftreten der Nasenblatnngen nnd die znnebmende Hinfälligkeit des Knaben 
sie besorgt machte und sie bewog, ärztlichen Bat in Anspruch zn nehmen. 

Untersnehnngsbefand am 25. April 1907. Die objektive Unter- 
suchnng hatte folu^endes Ergebnis: Der Knabe ist für sein Alter groß und 
kräftig, der Ernährnngsznstand ziemlich gnt. Die Gesichtsfarbe ist fabl, die 
Hane des gesamten Körpers blaß, ebenso die sichtbaren Schleimhänte, nur die 
Lippen sind verhältnismäßig rot. Die Znnge ist leicht belegt, etwas trocken. 
Die Temperatur beträgt 38** C Die Lymphdrüsen des Halses, wie diejenigen 
des Nackens sind angeschwollen; am Halse bilden die Drüsen bereits zn- 
aammenbängende Pakete, die einzelnen Drüsen sind erbsen- bis dattelgroß. 
Dieser Befand an den Lymphdrüsen des Halses führte znr Untersuchnog weiterer 
Lymphdrfisenregionen; es ergibt sich, daß alle peripheren Lymphdrüsen ver- 



Ein Fall von traamatischer Leokämie bei einem 12j&hrigen Knaben. 4S 

grSßert sind, namentlich auch die Achsel* und Leistendrüsen. In der rechten 
ünterbanebgegend ist die Haut in einem 12 cm langen, 8,b cm breiten Bezirk, 
welcher an der Spina anterior snperior beginnt and sich über and parallel dem 
Ponpartschen Band hinziebt, dankclblaa verfärbt. AehnUch verfärbte, aber 
viel kleinere Haatstellen finden sich an der Außenfläche des rechten Vorder¬ 
armes, ebenso an den unteren Oliedmaßen. Der Kranke gibt zu, daß alle 
diese fiantverfärbungen von Quetschnogen infolge Sturzes mit dem Bade her- 
rührten. Die Dntersuchung der Brustorgane ergibt nichts Krankhaftes, die 
Herztöne sind zwar leise, jedoch frei von Geräuschen. Zam Zwecke der Blut- 
untersuchung werden der Fingerspitze mit einer ansgekoebten Nadel einige 
Tropfen Blut entnommen und auf mehrere Objektträger nach Möglichkeit 
gleichmäßig verteilt. Schon im frischen, ungefärbten Präparate konnte man 
sehen, daß weiße Blutkörperchen in unverhältnismäßig grober Zahl vorhanden 
waren. Hierauf färbte ich ein Präparat, nachdem ich da^selbo hatte lufttrocken 
werden lassen und einige Sekunden über der Spiritubllamme erhitzt hatte, 
mittels einer von Orth^) angegebenen Doppelfärbung (2 Minuten Färben mit 
konzentrierter alkoholischer Eosiulösung, 1—2 Minnten Nachfärben mit kon¬ 
zentriertem wässerigem Methyienblan). Diese einfache Färbung ergab ein 
sehr schönes Präp rat: Die roten Blutkörperchen waren hellgrün, die Kerne 
der weißen blauviolett gefärbt.*) Da mir ein Blatkörperchenzählapparat nicht 
zur Verfügung stand, war ich darauf angewiesen, mir durch Schätzung eine 
ungefähre Voretellang von dem Verhältnis der Zahl der weißen Blutkörperchen 
zu derjenigen der roten zu machen; ich zählte mehrere Gesichtsfelder, so gut 
ee ging, aus und zog dann den Durchschnitt. Die Zahl der weißen Blut¬ 
körper verhielt sich zu derjenigen der roten etwa wie 1 :10. Die Leukozyten 
hatten fast ausschließlich nur einen runden Kern; mehr- bezw. gelapptkernige 
Leukozyten waren im ganzen Präperat nur etwa zwei bis drei zu finden. Bei 
weitem die meisten einkernigen Leukozyten waren kaum größer, als die roten 
Blutkörperchen, einige wenige indeß erheblich größer. Zur genaueren Fest¬ 
stellung der Art der Leukozyten schien eine Färbung mit Ehrlicbs Drei¬ 
farbengemisch sehr wünschenswert. Da mir diese Farbmischung indes nicht 
zu Gebote stand, schickte ich ein Präparat an das bekannte Untersuchungs- 
institut des Herrn Dr. Piorkowski zu Berlin, welcher es nach der eben 
erwähnten Methode färbte; nach seiner Ansicht waren unter den Leukozyten 
viele Lymphozyten, wenig Myelozyten vorhanden, polynukleäre Leukozyten 
konnte er nicht eruieren. 

Die Leber ist nicht vergrößert, wenigstens überragt sie den Bippen- 
bogen nicht; dagegen ist der untere Band der Milz zwei Finger breit unter¬ 
halb des linken Bippenbogens zu fühlen; die Milz ist sehr hart, wenig druck¬ 
empfindlich. Der Urin ist frei von Eiweiß und Zucker. 

Erankheitsverlauf: Da auf Grund dieses Untersuchungsbefundes, 
insbesondere auch des charakteristischen Ergebnisses der Blutnntersncbung die 
Diagnose „Leukämie* außer Zweifel stand, leitete ich alsbald eine Arsen- 
Chininkur ein, welche Mittel ich dom Kranken in Form von Pillen verabreichen 
ließ. Irgendeinen Erfolg dieser Behandlnngsweise konnte ich nicht feststellen, 
die weitere Behandlung war eine roborierende und symptomatische. Im weiteren 
Verlauf der Erkrankung trat das Bild einer schweren hämorrhagischen Diathese 
immer mehr hervor. Das Nasenbluten nahm an Häufigkeit zu, so daß fast 
fortwährende Tamponade nötig war; es stellten sich Zahnfleischblutungen ein, 
die jeder Behandlung trotzend stetig an Ausdehnung und Stärke Zunahmen. 
Das Blut, welches aus der Nase oder dem Zahnfleisch hervortrat, hatte eine 
auffallend wässrige Beschaffenheit; in der Brustbein- und in der rechten Lenden¬ 
gegend traten petechiale Hautblutungcn auf. Die Milz nahm im weiteren 
Verlauf der Krankheit rasch an Größe zu, so daß ihr unterer Band bald in 
Höbe des Nabels zu fühlen war; besonders nach rechts hin dehnte sich 
die Milz unverhältnismäßig weit aus; bei oberflächlicher Palpation hätte man 


*) Pathologisch - anatomische Diagnostik. Berlin 1900. 

*) Diese Blutfärbung scheint mir ihrer großen Einfachheit und der 
leichten Herstellbarkeit der Farbstoffe wegen für den praktischen Arzt wert¬ 
voll und empfehlenswert. 



44 


Dr. Sieber. 


sie leicht lOr den vergrößerten linken Leberlappen halten kOnnen. Aneh glaubte 
ich im Abdomen eigenartige hOckrige Tomoren gefflhlt zn haben, die ich ids 
geschwollene MesenterialdrtUen dentete. Laß es KotbalJen waren, glaube ich 
aasschließen za können; denn erstens war der Stuhlgang des Kranken regel- 
mtßig and zweitens war die Konsistenz eine andere; auch die Lage der Tamoren 
mehr in der Mitte des Abdomens sprach wohl eher gegen, als für Kotmassen. 
Aaflallend war das Verhalten der Temperatur; dieselbe war fttr gewöhnlich 
mißig erhöht (88**—38,5** C.). Einigemal stieg sie aber aaf 40,6** C. Meist 
ließ sich dann allerdings nachweisen, daß der Kranke vorher seinem Magen 
zuviel zagemutet hatte. Sicher ist jedenfalls, daß das Fieber völlig unregel* 
mäßig war. Wer das subjektive befinden des Kranken infolge des schweren 
Allgemeinzustandes, der steten Furcht von Nasenblntnngen, des blatenden 
Zahnfleisches usw. an und für sich schon ein sehr schlechtes, so wurde der 
Zustand direkt qualvoll, als sich plötzlich kolossale Schmerzen in beiden Knie* 
gelenken einsteliten. Glücklicberweise verschafften dem Kranken warme Bader 
hiergegen Linderung. Auch am rechten Vorderarm, an dem, wie ob erwähnt, 
ebenfaUs Spuren der erlittenen Qnetschung zu erkennen waren, hatte der 
Kranke ab und zu heftige Schmerzen. Von seiten des Magendarmkanals waren 
die Störungen im ganzen gering; gegen Ende des Leidens trat einige Male 
Erbrechen auf; die Nahrungsaufnahme wurde immer geringer; nur nach Doppel* 
hier hatte der Kranke stets großes Verlangen; auch Hering aß er einmal ohne 
mein Wissen, wonach die Temperatur allerdings auf Uber 40 stieg. Wenige 
Tage vor dem Tode trat Schwerhörigkeit auf. Am 12. Mai war das Sensorium 
des Kranken etwas benommen; er warf sich im Bette hin und her. Der Puls 
war äußerst leicht zusammendrückbar und betrag 140 Schläge in der Minute. 
Aus dem Zahnfleisch des Unterkiefers sickerte das dUnne Blut stetig hervor. 
Der Tod erfolgte am 13. Mai 1907 unter den Erscheinungen des Kollapses. 
Eine Sektion konnte nicht vorgenommen werden. 

In der Literatur ist, wie schon zn Beginn dieser Arbeit 
angedentet, bereits eine größere Anzahl von Fällen bekannt ge¬ 
geben worden, in welchen das Auftreten einer Leukämie auf ein 
Trauma znrflckgefiihrt wird; allerdings ist nicht in allen diesen 
Fällen der Zusammenhang klar erwiesen. In einer sehr lehr¬ 
reichen und dankenswerten Arbeit hat Stempel^) bei Gelegen¬ 
heit der Mitteilung eines eigenen Falles 20 einschlägige FlÜle 
znsammengestellt und einer eingehenden Kritik unterworfen, 4 
weitere Fälle finden wir in Bekers Lehrbuch der ärztlichen 
Sachverständigen-Tätigkeit*) erwähnt nnd teilweise referiert. 
Näher auf die Literatur einzugehen, ist nicht meine Absicht nnd 
liegt auch außerhalb des Bereiches des Zweckes dieser Zeilen. 
Nnr möchte ich nicht versäumen, einige Punkte aus der Kranken¬ 
geschichte meines Falles, in welchen dieser von den bisher be¬ 
schriebenen Fällen ab weicht nnd welche daher besonders interessant 
erscheinen, kurz hervorznheben. Zunächst verdient der Umstand 
Beachtung, daß es sich im vorliegenden Falle nm einen zwölf¬ 
jährigen Knaben handelte; meines Wissens ist in der Literatur 
noch kein Fall von traumatischer Leukämie bei einem so jungen 
Individnnm beschrieben worden; meistens waren es wohl Arbeiter, 
die bei ihrer Berufsarbeit verunglückten nnd die dadurch, daß sie 
ihre später anftretende Leukämie auf einen Betriebsunfall zurftck- 
fflhren konnten, einen Anspruch auf ünfallrente gewannen. Wenn 
auch in einem Teile dieser Fälle der ursächliche Zusammenhang 

*) Monatzzchrift fflr ünfaUheilkunde und Invalidenwesen. Leipziff 1908; 
X. Jahrgang, Nr. 11. 

Berlin 1907, Seite 169. 



Ein Fall Ton traamatiseher Lenkimie bei einem 12jiUirigen Knaben. i5 


zwischen Leukämie and Unfall einwandsfrei dargetan ist, so ge¬ 
winnt der vorliegende Fall doch gerade dadurch an Beweiskraft, 
daß mein Kranker keinerlei Interesse daran hatte, sein Leiden 
anf einen Unfall znrfickzafiihren. 

Bekanntlich unterscheidet man drei Formen der Lenkämie» 
welche indes mehr oder weniger ineinander übergehen, nämlich 
die lienale, die myelogene and lymphatische. Während nun 
Stempel zn dem Schiasse kommt, daß nach Trauma fast ans* 
schließlich die myeloide Form zur Beobachtung gelangt und es 
ihm nicht sicher erscheint, ob unter den angeblich nach Trauma 
entstandenen Fällen sich anch solche rein lymphatischen Charakters 
befinden, so handelt es sich im vorliegenden Falle ohne Zweifel 
ganz vorwiegend um die lymphatische Form; die geradezu 
kolossalen Drüsenschwellnngen und das Verwiegen der Lympho¬ 
zyten nnter den Leukozyten des Blutes sprechen dafür. 

Anch der akute Verlauf gehört in dem Maße, wie es hier 
der Fall war, sicherlich zn den Ausnahmen; ist doch von dem 
Tage an, wo der Knabe mich das erstemal wegen seines Nasen- 
blntens anfsnchte, bis zn seinem Tode gerade nnr ein Monat 
verflossen! 

Zum Schluß möchte ich noch die Frage anf werten: Wie wäre 
der vorliegende Fall praktisch, wenn es sich um die Erstattung eines 
gmichtsärztlichen oder eines Unfallgutaehtens handelte, zn be¬ 
urteilen? Würde die Frage, ob die Leukämie bezw. der 
infolge dieses Leidens eingetretene Tod mit dem erlittenen Trauma 
in ursächlichem Zusammenhang stehe, zu bejahen oder zn ver¬ 
neinen sein ? Für den ersteren Fall muß das Erfülltsein gewisser 
Bedingungen als unerläßliche Forderung anfgestellt werden. Zu¬ 
nächst muß verlangt werden, daß der Verletzte znr Zeit der 
Verletzung anscheinend völlig gesund war; ferner darf der Zeit- 
pnnkt, an welchem die Leukämie zuerst in die Erscheinung trat, 
nicht allzuweit von dem Tage der Verletzung entfernt liegen — 
Stempel gibt ein Jahr als die Höchstgrenze an —, und schlie߬ 
lich muß &e Art der Verletzung eine derartige gewesen sein, 
daß diese geeignet war, eine Schädigung solcher Organe, welche 
mit der Blutbildung etwas zu tun haben, herbeizufUhren. Da in 
nnserem Falle diese drei Bedingungen erfüllt sind, so würde die 
Frage nach dem ursächlichen Zusammenhänge zwischen dem Tod 
an Lenkämie and dem Trauma bejaht werden müssen. Jedoch 
würde es sich empfehlen, diesen Zusammenhang nicht als absolut 
sicher, sondern nur als in hohem Grade wahrscheinlich hinzn- 
stellen; denn nach dem heutigen Stande der wissenschaftliche)^ 
Forschung auf diesem Gebiete steht es noch nicht fest, ob-,b^ 
den Fällen traumatischer Lenkämie das Trauma die alleijiifgif 
Ursache ist oder ob bereits eine gewisse Anlage vorhand/^p 
für deren Weiterentwicklung das Trauma die anmittelb^,ft.,X^ 
anlassnng abgegeben hat. , .ü a 

_ .. . . : t|M; 

1! .)! iM' HI.' li 



46 Dr. Arbeit: JDle oene preaS. Anweuang vom 9. Juli 1907, betr. die 


Die neue preueeische Anweisung vom 9. Juii 1907 betr. 
die Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten 

durch die Sohuien. 

Voa Med.-Bat Dr. Arbeit, Kreiearzt in Stargard (Pommern). 

Darch den Erlaß vom 9. Juli 1907 ist die seit dem 14. Juli 
1884 bestehende Verfü^j^ung aufgehoben. Er ist die Folge der 
Senchengesetze von 1900 und 1905 und bringt bemerkenswerte 
Abänderungen der bisherigen Bestimmungen; insbesondere ist vom 
schnlbygienischen Standpunkte der § 2 der „Anweisung“ freudig 
zu begrüßen, der zu der Hoffnung berechtigt, daß gemäß des 
Hinweises im § 1 die zur Durchführung der Anordnungen ver¬ 
pflichteten „Schulbehörden“ gegen den zumal in Landschulen von den 
Kreisärzten andauernd monierten Schlendrian in der Reinhaltung 
der Schulgrundstücke, Schulräume, Brunnen und Aborte Vorgehen 
werden. Der § 2 der „Anweisung“ hat in dieser Hinsicht nach 
seiner Fassung Geltung, nicht blos für die Zeit etwa auftretender 
Seuchen, sondern er trifft Bestimmungen genereller Bedeutung. 
Danach sind „die Klassenzimmer täglich ausziikehren und wöchent¬ 
lich mindestens zweimal feucht anfzuwischen;“ „die Bedürfnis¬ 
anstalten sind regelmäßig zu reinigen“. Jährlich mindestens 
dreimal hat eine gründliche Reinigung der gesamten Schulräume 
einschließlich des Schulhofs zu erfolgen“. Aufgabe der Kreisärzte 
wird es sein, bei den Schulbesichtigungen festzufttellen, ob und in 
welcher Weise den Forderungen des Min.*Erl. Genüge geschieht. 
Man findet in Pommerschen Landschulen, im Kreise Saatzig wenig¬ 
stens, fast durchgehends die Gepflogenheit, daß die Reinigung 
der Schulräume durch die Schulkinder erfolgt; die Schulgemeinde 
spart die Rcinmachefrau. Angesichts der dadurch bedingten 
Gesundheitsgefahr für die fast ausschließlich mit dem Fegen und 
Staub wischen beauftragten Schulmädchen — nicht immer die 
kräftigsten und blühendsten — wurde diesseits bei den Schul¬ 
besichtigungen regelmäßig dem Lehrer unter Hinweis auf die 
Gesuudheitsschädigung der Kinder gesagt, daß kein Kind zn 
diesen Arbeiten auch nur mit leisem Zwange herangezogen werden 
dürfe. Verlangt der Staat die Schulpflicht, so ist dafür zu sorgen, 
daß die Schulkinder in jeder Hinsicht denselben Schutz ge¬ 
nießen wie die Impflinge und mindestens ebenso einwandsfrei 
während der Schulstunden untergebracht sind, wie der Soldat in 
seiner Kaserne. Es wird künftig auf Grund des neuen, im Einver¬ 
ständnis mit dem Minister des Innern ergangenen Erl sses des 
Kultusministers nicht mehr erforderlich sein, die Lehrer bezüglich 
der Reinhaltung der Schnlgrundstücke gelegentlich der Besich¬ 
tigungen besonders anzuregeu; es war dies immer eine undank¬ 
bare Aufgabe, da der Lehrer vielfach achselzuckend bemerkte: 
„Ich kann das nicht ändern, dazu wird kein Geld von der Schul¬ 
gemeinde hergegeben.“ Der „Lehrer“ ist nach § 14 der „Anwei¬ 
sung“ für die Beobachtung der in dem § 2 . . . gegebenen ver¬ 
antwortlich. Daß aber die Forderungen des § 2 nicht durch 
Heranziehen der Schulkinder erfüllt werden können, bedarf keiner 



yerhatOBg der Verbreitaog ansteckender Krankheiten darch die Schalen. 47 


ErörteroDK. Aach die Stadtschal-Deputationen werden kttnftig 
sich za höherea Aafwendaogen für Reinigangszwecke entschließen 
rnftssen. Wir Mediziaalbeamte aber wissen dem Herrn Minister 
Dank fdr den energischen § 2 der Anweisung und hoffen, daß in 
nicht za ferner Zeit anch die Ueberwachung des Gesnndheits- 
Zustandes der Schulkinder der Resolution der diesjährigen Medi¬ 
zinalbeamten-Versammlung entsprechende Ber&cksichtignng finde, 
zum Segen der heran wachsenden Jugend. 

Die Abändernngen des neuen Erlasses gegenüber den bis¬ 
herigen Bestimmungen hinsichtlich der in Betracht kommenden 
Krankheiten (§ 3), Persönlichkeiten (§ 4 und 5) einerseits and 
der Schalaasschließung (§ 4 und 5) bezw. Wiederznlassung (§ 6) 
anderseits, sind mannigfach. Eine Gegenüberstellung der alten 
und der neuen Bestimmungen erleichtert die (Jebersicht. Der 
neue Erlaß trifft unterschiedslos die gleiche Anordnung für Schüler 
and Lehrer, sowohl hinsichtlich der Ausschließung, wie bezüglich 
der Wiederznlassung zur Schule, während der Min.-Erl. von 
1884 sich nur auf die Schulkinder bezog und in Ziff. 7 den Fall 
der Si'.hulschliessnng erörtert, „wenn eine im Schulhaose wohn¬ 
hafte Person** erkrankt. Dieser Fall findet im § 12 der neuen 
Anweisung seine besondere Vorschrift, anf die später noch zn- 
rückgekommen werden soll. 


Anwelxang ron 1884: Aniretsnng rom 9. Juli 1907: 

A. Aasgeschloasen Ton der Schale warea 1. Lehrer und Schaler (§ 4), 
1. Kinder, welche leiden an: welche erkrankt sind an: 


Ziff. la 


Ziff. Ib 


1. Cholera, 

2. Pucken, 

8. Fleckfieber, 

4. Bubr, 

6. Diphtherie, 

6. Scharlach, 

7. Bückfallfieber, 

8. Masern, 

. 9. Röteln, 

10. Typhös, 

11. Kenchhosten (.sobald 
and solange er krampf¬ 
artig auf tritt“), 

12. Krätze, 

13. Kontagiöse Aogenent- 
zündang. 


2. Kinder, in deren Hans- 
stand eine der Krankheiten 1 
bis 9 vorkommt 
„es sei denn ärztlich be¬ 
scheinigt, daß das Schulkind 
durch aasreichende Abson- 
derong vor der Gefahr der 
Ansteckang geschützt ist“. 


§ 8a' 


§3b 


' 1. Cholera, 7. Bahr, 

2. Pocken, 8. Diphtherie, 

H. Fieckfieber. 9. Scharlach, 

4. Gelbfieber*, >) 10. Bttckfallfieber, 

5. Pest*. 11. Typhus, 

6. Lepra“, 12. Genickstarre*, 

18. Favas*, 14. Krätze, 

15. Kenebhasten (ohne Einschrän¬ 
kung), 

16. Körnerkrankheit (.solange deat- 
liche Eiterabsonderung“), 

17. Langen- and Kehlkopftaberka- 
I lose* (.wenn and solange Tb.- 

Bazillen im Aaswarf*), 

IlS. Masorn, 22. Mureps*, 

19. Röteln, 28. Tollwut*, 

iO. Botz*, 24. Windpocken*, 

21. Milzbrand *, 


2. Gesunde Lehrer and Schaler 

(§ 6 ). 

„aas Beb aasan gen, in denen 
Erkrankungen der Ziffer 1—12 (§ 3a) 
Torgekommen“, 

„soweit und solange eine Wei 
terverbreitnng ans diesen Bebaa- 
sangen durch sie zu befürchten ist.“ 


*) Die mit * bozeichneten Krankheiten sind im Erlaß von 1907 neu hinza- 
gekommen, ab die Schalaaescbließang begründend, und zwar sind es aas dem 
preafi. Seuchengesetz: (ienickstarre, Tuberkulose, Botz, Mibbrand, Tollwat; 
aas dem Beichsgesetz: Gelbfieber, Pest, Lepra; außerdem: Grind (Fayas), 



48 Dr. Arbeit: Die eene prenfl. Anweisuig rom 9. Jnli 1907, betr. die 


Es ist also Scholaiisschliessiing Gesnnder bei Masern und 
BOtelnkrankheit im Hansstande fortgefallen, dagegen bei Genick¬ 
starre nnd Typhns in der Beb ansang gesnnder Lehrer nnd 
Schttler hinzngekommen. Auch ist bei den gesnnden Schfilem 
die «ärztliche Bescheinigung* fortgefallen, welche um den un¬ 
unterbrochenen Schulbesuch besorgte Familien- nnd Pensions- 
Torstände gern begehrten, nnd die Entscheidung tlber die Ans- 
schliessung entweder dem Leiter der Schale bezw. dem Einzel¬ 
lehrer oder der Ortspolizeibehörde überlassen. Der hierauf be¬ 
zügliche § 5 lässt diese Frage zwar offen, Abs. 2 des § 5 jedoch 
die Annahme zu, dass die Ortspolizeibehörde zuständig ist. Es 
dürfte in diesem Falle mit Rücksicht auf den ernsten Charakter 
der hierzu gehörigen Krankheiten (die 6 Reichsseuchen und 6 über¬ 
tragbare [§ 3a]) zu erwarten sein, dass das kreisärztliche 
Gutachten erfordert wurd. 


Anweisung ron 1884t Anweisung rom 9. Juli 1907: § 6. 

B. Die Wiederzulassung zur Schule darf erfolgen: 


a) wenn die Glefahr nach Ärztlicher 
Bescheinigung beseitigt, 


oder; 

b) die für den ErankheitsTerlanf als 
Begel geltende Zeit abgelaufen 
ist (Pocken, Scharlach 6 Wochen, 
Masern, Böteln 4 Wochen), 

nnd (gleiche Bedingung für 
a und b). 

c) wenn «das Kind nnd seine Klei* 
dnngsatftcke grflndlich gereinigt“ 
sind. 


1. (§ 6a) Krank gewesener 

Lehrer nnd Schttler: 

a) nach ärztlicher Bescheinigung 
ttber die Beseitigung der An« 
stecknngsgefahr, 

oder: 

b) nach Ablauf der als Begel gel¬ 
tenden Erankheitsdauer ^e 
bei der Anwebung Ton 1884), 

und (gleiche Bedingung fttr 
a nnd b), 

c) nach erfolgtem „Bad“ nnd „Tor- 
schriftsmäßiger“ Beinigung der 
„Wäsche, Kleidung und persOn« 
Üchen Gebranchsgegenstände* — 
„bezw. Desinfektion“. 

2. (§ 6b) gesunder Lehrer nnd 

Schüler: 

a) nach Genesung, Tod oder Kran- 
kenbausttberftthrung des Er¬ 
krankten und 

b) zuvoriger Torschriftsmäßiger Des¬ 
infektion ihrer Wolmränme, 
Wäsche usw. 


Die neue Anweisung: trifft also bezüglich der Wiederznlas- 
sung krankgewesener Lehrer nnd Schülerim wesentlichen die¬ 
selben Bestimmangen wie die von 1884 insofern, als eine ärztliche 
Bescheinigung für ausreichend erachtet wird oder die erfahrnngs- 
mässig für den Krankheitsverlauf geltende Frist verstrichen sein 
muss; doch ist sie wesentlich bestimmter in ihrer Forderung be¬ 
züglich der Reinigung und Desinfektion. Es fragt sich, wie ver¬ 
sichert sich der für die Durchführung dieser Bestimmung nach 
§14 «verantwortliche* Schulleiter bezw. Einzellehrer in Land- 


Ziegenpeter (Mumps), Win^ocken. Bei Lepra und Genickstare waren aller- 
dings schon frtther auf drnnd besonderer Min.-£rL ^e Yorschiiften der 
Anweisung von 1884 ausgedehnt. 



Verhfttug der VerbreitUDg ansteekeBder Krankheiten durch die Schalen. 49 

sehnleDy dass die Desinfektion erfolgt istP Die Ansschliessiing 
ans der Schale stellt sich nach dem Seachengesetz von 1905 ids 
eine polizeiliche Massregel dar; die OrtspolizeibehOrden sind gemäss 
§ 5 Abs. 2 des neuen Min.«Erl. vom 9. Juli 1907 „angewiesen, 
Yon jeder Femhaliang einer Person vom Schal- and Unterrichts- 
besnche dem Vorsteher der Schale asw. anverzOglich Mitteilong 
za machen.“ Mithin ist es auch das Recht and die Pflicht der 
Ortspolizeibehörde, sich über die erfolgte „Yorschriftsmässige“ 
Beinigang bezw. Desinfektion der zur Schale wieder zazalassenden 
Person Gewissheit za Yerschaffen and davon gleichfalls die Schale 
za benachrichtigen. Erst wenn dies geschehen ist — and 
zwar sowohl vor Ablauf der erfahrangsmässigen Frist mit ärzt¬ 
licher Bescheinigung, wie nach Ablauf —, darf die Wiederzu- 
lassung erfolgen. 

Die Wiederznlassnng gesnnderLehrer und Schfiler 
wird abhängig gemacht von der Tatsache des erfolgten Ablaafs der 
Krankheit durch Genesung oder Tod oder der erfolgten Eranken- 
haasfiberfhhrang and der „vorschriftsmässigen“ Desinfektion der 
„Wohnräame, Wäsche, Eleidang, persönlichen Gebraachsgegen- 
stände* der Erkrankten. Auch über diese Tatsachen wird vor 
der Wiederznlassnng von der Ortspolizeibehörde eine Mit¬ 
teilang abzawarten oder einzuholen sein. 

Im Einzelnen ist za den §§ 4 and 5 des Erlasses noch 
za bemerken: 

§ 4 des Erlasses gibt Kenntnis von der an die Polizei¬ 
behörden ergangenen Anweisung, von jeder Erkrankung eines 
Lehrers oder "Schülers an einer der im § 3 genannten (sämtlichen 24) 
Krankheiten — Granulöse nnr solange „deutliche“ Eiterabsonde- 
rong — und solcher, welche den Verdacht von Aussatz, Cholera, 
Gelbfieber, Fleckfieber, Pest, Pocken sowie von Rotz, Rückfall- 
fieber and Typhus erwecken, dem Schalvorsteher „unverzQglich“ 
Mitteilung zu machen. Die an den genannten Krankheiten lei¬ 
denden, bezw. den Verdacht der zuletzt genannten Krankheiten 
erweckenden Lehrer und Schüler „dürfen die Scholräome 
nicht betreten“. 

Unter „Vorsteher der Schale“ dürfte sinngemäß bei ein- 
klassigen Landschalen auch der Einzellehrer za verstehen sein, 
wie aus § 14 ersichtlich. Die ganze aaf die Meldepfiicht beim 
Schulleiter bezügliche Bestimmung des Erlasses, welche im Erlaß 
von 1884 fehlte, ist für die Prophylaxe von wesentlicher Bedeutung. 

§ 5 verpfiichtet die Polizeibehörde, auch über jede an¬ 
geordnete Scbnlaasschlieesnng „einer Person“ („vom Schul- und 
Unterrichtsbesache“) dem Schulleiter Mitteilang „(unverzüglich“) 
za machen, und zwar sowohl bezüglich erkrankter, wie bezüg¬ 
lich gesnnder Lehrer und Schüler ans Behansnngen, in denen 
Erkrankungen an einer der sechs Reichsseachen und an Rohr, 
l^hus, Rückfallfieber, GenickstaiTe, Diphtherie, Scharlach vor¬ 
gekommen. Für die Ansschließang* von Lehrern und Schülern, 
welche an einer der zwölf in den beiden Senchengesetzen nicht 
genannten, unter § 8b dieses Erlasses aber aufgeftthrten Krank- 



60 Dr. Arbeit; Die neae preaß. Anweiaang vom 9. Jali 1907 betr. die 


beiten leiden, ist der Schnlvorsteher zuständig. Anch ist 
„seitens der Schule“ dahin zu wirken, daß der Verkehr ans- 
geschlossener Schüler mit andern Kindern möglichst unterbleibe, 
daß Lehrer und Schüler nicht „Behausungen“ betreten, in denen 
sich Kranke der im § 8 a bezeichneten Art, oder Leichen an solchen 
E[rankheiten Gestorbener befinden; Leichenfolge und Singen am 
offenen Grabe ist den Schülern zu verbieten. 

Zn § 6 vergleiche vorher S. 48. 

Zn§7 und§U wäre statt des Wortlautes: „Kommt in 
einer Schule“ eine Erkrankung . . . vor, die Fassung bestimmter: 
„Erkrankt ein Zögling einer Schule oder anderen Unterrichts- 
anstalt an. 

Es wird im § 7 aut Diphtherie • Serum und im § 11 auf die 
Schutzpockenimpfung hingewiesen, im §8 auf den Gebrauch von 
Spülungen bei Diphtherie, Genickstarre und Scharlach. 

§ 9 entspricht bez. Platzanweisung bei Granulöse der 
alten Bestimmung. Daß ihr wegen Raummangel in Landschulen 
oft nicht entsprochen werden kann, ist bekannt. 

§ 10 gilt der Tuberkulosebekämpfung in der Schule. Es 
soll darauf gehalten werden, daß bei Verdacht auf Tuber¬ 
kulose Lehrer undSchüler veranlaßt werden, ihren Auswnrf 
bakteriologisch untersuchen zu lassen. Besonders dem Lehrer 
gegenüber wird die Schulaufsichtsbehörde mit stärkerem Nachdruck, 
als bisher möglich, diese Forderung vertreten können, zumal die 
Medizinal-Untersuchungsämter die Untersuchung auf Tuberkelba¬ 
zillen unentgeltlich ansführen dürften. 

Das Verlangen wassergefflllter „leicht erreichbarer“ Speise- 
gefässe in „ausreichender“ Anzahl, an „geeigneten“ Plätzen wird 
dem Kreisärzte Gelegenheit geben, darauf hiozuwirken, daß statt 
der in einsamen Winkeln stehenden und daher nicht benutz¬ 
bare Schalen zweckmäßigere Vorrichtungen getroffen werden. 
Kirchner hat in seiner Monographie „die Tuberkulose und die 
Schule“ zuerst darauf hingewiesen, daß an dem allgemein 
festgestellten Rückgänge an Tuberkulose*Sterblichkeit 
das jugendliche Alter keinen Anteil habe, dass die Zu¬ 
nahme der Sterblichkeit in den Altersklassen 5—15 Jahren größer 
sei, als in den übrigen und dass die Tuberkulose-Sterblichkeit im 
schulpflichtigen Alter von 11—15 Jahren gegenüber Scharlach, 
Masern, Keuchhusten, Diphtherie an höchster Stelle stehe. Ange¬ 
sichts dieser Tatsache, bedeutet der Erlass auch bezüglich der 
Tuberkulosebekämpfung durch die Schule einen erfreulichen Fort¬ 
schritt Zugleich darf wohl der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, 
dass dem einhelligen Beschloss der Medizinal beamten betreffs der 
Notwendigkeit der Bestellung von Schulärzten — auch für 
Landschuieu — seitens des Herrn Ministers Rechnung ge¬ 
tragen wird. Bedarf es doch nur einer Anregung dazu bei den 
Schulbehörden! Der Kostenpunkt kann kein Hindernis sein. 


*) Berlia 1906; Bich. Schötz. 




Verhätnog dor Verbreitong ansteckender Krankheiten dnrch die Schulen. 61 

Man rechne etwa 90 Scfanlen eines Landkreises; ein gewandter 
üntersncher erledigt an einem Keisetage 2—3 Schulen; innerhalb 
2 Monaten wären jährlich alle Schalkinder besichtigt mit einem 
Kostenaufwand von 30—40 Mark für eine Tagesreise, also mit 
10—20 Mark Beisteuer für den verpflichteten Schulverband. Zu¬ 
gleich wird, wenn der Kreisarzt anteilweise dabei mitwirkt, die 
schulbygienische Kontrolle intensiver nnd nutzbringender sein als 
bei dem fünfjährigen Turnus. Es kann diesseits der optimistischen 
Auffassung, wie herrlich weit wir es mit dem § 94 der Dienst- 
auweisung gebracht hätten, nicht zugestimmt werden: Die un¬ 
bedeutenden Mängel werden gern beseitigt — den großen, wichtigen 
in bezug auf Luftraum, Beleuchtung, Reinigung, Bankfrage, Turn¬ 
platz, Brunnenbescbafienheit wird vielfach, mit Hinweis auf die 
Finanzlage, aus dem Wege gegangen. Der Kreisarzt ei fährt da¬ 
von nur gelegentlich einmal etwas. Die Autorität der Medizinal¬ 
beamten aber gegenüber anderen wichtigen Forderungen z. B. 
aus § 35 Reiclisseuchengesetz und § 29 Prenß. Seuchengesetz 
gewinnt keinesfalls, wenn die Schulvorstände den Kreisarzt im 
Kampfe um das Notwendige ex officio unterliegen sehen. 

Warum soviel Schönfärberei! Wo hätten Landräte bezw. 
Kreisansschüsse von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, für das 
platte Land gemäß § 12 Kreisarztgesetzes Gesundheits-Kommis¬ 
sionen einzurichten? Zweifellos würde die Hygiene auf dem 
Lande, die der Ministerial-Erlaß vom 22. Juni 1907 zu heben 
bestrebt ist, im Wege fortgesetzten Gedankenaustausches zwischen 
Kreisarzt, Amtsvorsteher, Gemeindevorsteher, Geistlichen, Lehrer 
u. a. interessierten Persönlichkeiten innerhalb jährlich sich wieder¬ 
holender Sitzungen — nach Amtsbezirken — eine stetig wachsende 
nnd stärkere Förderung erfahren, als es im Wege der öjäbrigen 
Ortsbesichtignngen möglich ist, an denen sich oft niemand oder 
nur der Ortsschulze pfiichtgemäß „beteiligt“. Nur in sietem Kon¬ 
takt mit der Bevölkerung und nur in ganzer, voller Amtsstellung 
vermag der Medizinalbeamte seiner schweren Kulturaufgabe gerecht 
zu werden. 

Die §§ 12 und 15 des Erlasses behandeln die Schul- 
schließung bei Erkrankungen im, Schulgebäude selbst 
wohnhafien Personen (§ 12) bezw. bei Epidemien in Ortschaften 
(§ 15). Die Bestimmungen sind in beiden Fällen verschiedene; 
hinsichtlich der die Scbulschließung begründenden Krankheiten 
epidemischen Charakters scheiden im § 15 naturgemäß Lepra und 
EU)tz aus. Die Schnlschließuog unter der Voraussetzung des 
§ 12 (Erkrankung im Schulgebäude) ordnet der Direktor, in 
Landkreisen der Landrat, in Stadtkreisen der Bürgermeister an 
— nach vorgängiger .4ahörang des Kreisarztes und Begutachtung 
desselben über die Absonderung des Kranken. Dagegen ent¬ 
scheidet über die Schulschließung bei epidemischem 
Auftreten (§ 15) „die Schulaufsichtsbehörde“ (Re¬ 
gierung) nach Anhören des Kreisarztes; „bei Gefahr imVer- 
zuge“ kann „der Vorsteher der Schale“ (Rektor, Direktor) auf 
Grund eines ärztlichen Gutachtens die Schließung vorläufig an- 



52 Dr. Arbeit: Oie neue preoB. Aaweienag yom 9. Jnli 1907 new. 


ordnen, hat aber der SehnlanfsichtsbehOrde sowie dem Landrat 
(bezw. Bflrgfermeister in Stadtkreisen) Anzeige zn machen, anch 
ist er verpflichtet, alle gefahrdrohenden Erankheitsverhältnisse 
zur Kenntnis der Aufsichtsbehörde (Begierung) zu bringen (§15). 
Es bedeutet der § 15 insofern eine sehr wesentliche Aende- 
rong, als bisher bei epidemischem Auftreten ansteckender Krank¬ 
heiten der Ortsschulinspektor vorläufig, der Landrat nach Benehmen 
mit dem Kreisarzt endgültig die Schuischließung anordnete. Man 
wird im Interesse der Schule anuehmen dürfen, daß bei „Gefahr 
im Verzüge“ auch künftig der Ortsschulinspektor oder der Landrat 
zum vorläufigen Schließen der Schule die Befugnis behalten. 
Zur Wiedereröffnung — nur auf Grund des kreisärzt¬ 
lichen Gutachtens — ist nach § 16 des Erlasses der Schul¬ 
direktor (höhere Schulen), der Landrat bezw. in Stadtkreisen der 
Bürgermeiser zuständig. Es ist nicht ersichtlich, weshalb über 
die Schnlschließung wegen Epidemien eine andere Instanz zu 
entscheideu hat als bei der Wiedereröffnung; der Instanzenweg 
zur Schulaufsichtsbehörde ist für die Frage der Schließung er¬ 
schwert, verlängert, für die Eröffnung erleichtert, verkürzt; die 
umgekehrte Anordnung dürfte zweckdienlicher im Interesse der 
Verhütung der Verbreitung der Infektionskrankheiten scheinen. 

Nach § 17 der Anweisung gelten ihre sämtlichen Vor¬ 
schriften auch für Erziehungsanstalten, Kinderbewahran¬ 
stalten, Spielschnlen, Warteschulen, Kindergärten, 
Krippen. Auch in diesen der privaten Wohltätigkeit zumeist 
entstammenden Anstalten wird bei den kreisärztlichen Besich¬ 
tigungen mit mehr Nachdruck auf die Reinlichkeitsfordernngen 
hingewirkt werden dürfen. 

Die Empfehlung in § 18 der Anweisung, die Schüler über 
die Bedeutung, die Verhütung und Bekämpfung der übertragbaren 
Krankheiten gelegentlich des naturwissenschaftlichen Unterrichts 
aufznklären, setzt bei den Lehrern Kenntnisse voraus, die sie im 
allgemeinen auf dem Gebiete der Gesnndheitslehre nicht besitzen, 
da sie ihnen in der Ausbildungszeit in nur unzureichendem Maße 
übermittelt sind. Dem Kreisärzte erwächst zunächst die im § 14 
der Dienstanweisung berührte Aufgabe, an den Kreislehrer- 
Eonferenzen sich durch entsprechende Vorträge zu beteiligen. 
Es wäre erwünscht, daß, sofern Reisen erforderlich sind — und 
das ist in allen Kreisen der Fall — sie als Dienstreisen zoge- 
lassen würden, zumal sie mit baren Auslagen verbunden sind. 

Im übrigen gibt die Schule die beste Gelegenheit, die Lehren 
der Hygiene in die Familien hineinzutragen. Die Schule und die 
Kaserne sind die beiden gewaltigen Stützen, auf denen des Volkes 
Größe sich anfbaut. Die Tragfähigkeit beider im Gleichgewicht 
zu erhalten, ist des Schweisses wert. Jeder Schritt vorwärts in 
dieser Richtung bedeutet einen Gewinn für die nächste Generation 
und für die Anfwärtsentwickelnng des Vaterlandes. Videant 
consnles! 



Dr. Schneider: Vergleichende Vereache zwischen Lysol a. Kresolseile nsw. 58 


Vergleichende Desinfektioneversuche zwischen Lysol und 
der neuen Kresolseife des Preussischen Ministerial-Erlasses 

vom 19. Oktober 1907. 

Von Dr. Hans Schneider in Hamborg. 

Der von der Medizinalverwaltang des Enltasmiiusteriiiins 
erg^gene Erlaß bestimmt, daß seitens der Hebammen kftnftighiii 
an Stelle von Lysol eine Kresolseife, deren Darstellnng des nftheren 
beschrieben ist, Anwendung zn finden habe. 

Der erste Absatz der Verordnung lautet: 

„Nachdem die aageordneten üntereochongen ein Eresolseifenpriparat 
ergeben haben, welches dem Lyaol nicht allein in den allgemeinen Sagen* 
schäften gleichwertig, sondern in bezog aof seine deaiDflzierende Wirkong noch 
überlegen ist, bestimme ich in Abänderong der §§ 109, 113, Ziff. 7 bis 10 ond 
194, Zm. 11, sowie aoch der sonstigen Bestimmongen des Hebammen-Lehrboches 
(Aasgabe 1905), daß an Stelle des Lysols von non an die „Kresolseife* der 
nachstehenden Vorschrift gem&ß seitens der Hebammen zor Anwendong 
gelangt.* 

Zur Herstellung der Kresolseife findet ein Kresol vom Siede¬ 
punkt 199—204** Anwendung, das ans einem technischen Gemisch 
von meta- und para-Kresol (za. 60 meta und 40 para-Verbindung) 
besteht und im wesentlichen den Anforderungen entspricht, welche 
von Herzog*) und Emde*) in ihren Vorschlägen zur Au&abme 
eines neuen Kresolum crudum in das Deutsche Arzneibuch gestellt 
worden sind. — Beide haben nämlich gefordert, daß aus dem 
gleichzeitig ortho-, meta- und para-Kresol enthaltenden Tri-Kresol 
die ortho-Verbindung entfernt werden solle, da diese gegenüber 
der meta- und para-Verbindung an Desinfektionskraft erheblich 
minderwertig sei. — Eine derartige Minderwertigkeit von ortho- 
Kresol kann ich aber, soweit es sich um ein Gemisch desselben 
mit Seife handelt, nach meinen früheren Untersuchungen nicht 
bestätigen. Während meiner mehrjährigen Tätigkeit im König¬ 
lichen lostitut für Infektionskrankheiten habe ich mich eingehend 
mit dem Studium der Kresole und ihrer bakteriziden Wirksamkeit 
beschäftigt und hierüber in einer anfangs 1906 erschienenen Arbeit 
„Ein Beitrag zur Kenntnis der Phenole in Verbindung mit Säuren 
und Gemischen mit Seifen"*) ausführlich berichtet. In dieser 
gelangte ich auf Grund vergleichender Desinfektionsversuche zu 
dem Resiütate, daß in Gemischen mit Seife Unterschiede von 
praktischer Bedeutung zwischen ortho- und para-Kresol nicht be¬ 
stehen; nur das meta-Kresol fand ich etwas wirksamer als die 
bdden Isomeren, wie das auch schon früher von anderer Seite 
mehrfach nachgewiesen worden ist. 

Ich habe bereits im Jahre 1905, wie dies ans meiner oben 
zitierten Arbeit hervorgeht, durch Ausscheidung des ortho-Kresols 
versucht, eine desinfektorisch wirksamere S^resolseife zn erhalten, 
als es mit dem Tri-Kresol der Fall ist. Diese Versuche hatten 
ein durchaus negatives Ergebnis. Daher mußte ich mich beim Eh*- 

*) Apotheker-Zeitaiig; 1907, Nr. 8. 

*) Apotheker-Zeitang; 1907, Nr 11. 

*) Zeitachrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; 6d. 53, S. 116. 



54 Dr. Schneider: Vergleichende DesinfcktionsTersache zwischen Lysol nnd 


scheinen des Erlasses wnndern, als in diesem gesagt wurde, daß 
die neue, mit einem meta-para-Kresolgemisch hergestellte Eresol- 
seife dem Lysol, das ein außerordentlich wirksames und sorgfältig 
ansgewähltes Tri-Eresol enthält, und das in meine früheren 
Versuche einbezogen war, überlegen sei. In einem Gutachten, 
das der Geh. Regierangsrat Prof. Dr. Proskauer in seiner frü¬ 
heren Stellung als Abteilungsvorsteher am Institut für Infektions¬ 
krankheiten im Oktober 1906 abgegeben hat, nnd das an den 
Direktor des pharmazeutischen Instituts in Berlin, Prof Dr. 
Thoms, gerichtet ist, heißt es wörtlich (zitiert nach Herzog):^) 

„Die mir unter dem 30. Jali d. J. zageätellte Eresolaeifenlösang (aus 
60 "/o m-Kresol enthaltendem Bohkresol bereitet) hat mit Staphylokokken 
(Agar- und Boaillonkuituren) geprüft, eine etwas stärkere Wirkung gezeigt, 
wie das Leinölseifen-Eresoipräparat, das ich im vorigen Jahre von Ihnen er¬ 
hielt, und war wenig schwächer als Lysol. Dieser letztere Unterschied war 
BO unwesentlich, daß er für die praktischen Zwecke der Desinfektion nicht 
mehr in Betracht kommen würde.“ 

Die in diesem Gutachten zuerst erwähnte Eresolseifenlösung 
war dem neuen Erlaß entsprechend zusammengesetzt nnd es ist 
deutlich gesagt, daß sie schwächer wirke wie Ly^ol. Auf Grnnd 
welcher weiteren Gutachten die Medizinal^erwaltung des Mi¬ 
nisteriums dann zn der Ueberzengung gelangt ist, daß die neue 
Eresolseife wirksamer sei als Lysol, entzieht sich meiner Eennt- 
nis, es wäre aber wünschenswert, wenn diese Gutachten an die 
Oeffentlichkeit gelangen würden, damit sie einer exakten Nach¬ 
prüfung unterzogen werden könnten. 

Ich habe inzwischen bereits vergleichende Desinfektions- 
versnehe zwischen Lysol und der neuen Eresolseife, unter Be¬ 
nutzung verschiedener Eouzentrationen und verschiedener Prüfungs- 
methoden angestellt nnd nicht in einem einzigen unter 
21 Fällen eine Ueberlegenheit der neuen Eresolseife 
feststellen können. Im Gegenteil, fast durchweg zeigte das 
Lysol eine erheblich höhere Wirksamkeit. 

Das meta-para-Eresolgemisch, das ich zur Herstellung der 
neuen Eresolseife verwendete, stammte von der chemischen Fabrik 
Dr. F.Rascbig, Ludwigshafena.Rh., und war unter Garantie, 
als dem Erlaß entsprechend, geliefert worden. — Seih 
Siedepunkt lag innerhalb der geforderten Grenzen, nämlich bei 
199—201®. 

Bei Anfertignng der Eresolseife wurde genau nach der Vor¬ 
schrift des Erlasses verfahren. Ich gebe untenstehend in tabella¬ 
rischer Anordnung ein Protokoll über eine Versuchsreihe (I) und 
bemerke, daß das Ergebnis der übrigen Versuche hiervon nicht 
wesentlich ab weicht. 

Weitere Untersuchungen, welche mehrfach kontrolliert wurden, 
erstreckten sich auf die Wirkung von Lysol im Vergleich zu ver¬ 
schiedenen Handels-Eresolseifen, welche als dem Erlaß ent¬ 
sprechend geliefert worden waren. Es wurden bezogen: Ere¬ 
solseifen 

I. von der Firma Schneider <& Gottfried, Cassel; 


♦) 1. c. 




der Deaen Eresolscifc dea Preoß. Min.« Erlasses t. 10. Oktober 1907. 55 


11. von der Firma Bollmann & Gran, Berlin; 

III. Ton der ehern. Fabrik Ladenburg, G. m. b. H., Ladenbnrg 
bei Mannheim; 

IV. Yon Scherings ,Grüner Apotheke*^, Berlin (nach Rezept 
gefordert); 

y. Yon Ln ca es Apotheke, Berlin, Unter den Linden (nach 
Rezept frisch bereitet). 

Die Ergebnisse der damit ansgeführten Desinfektionsversnehe 
sind in der Versuchsreihe II zusammengestellt. 

Das Yollständige Material, sowie die Resnltate von noch nicht 
abgeschlossenen DesinfekiionsYersuchen, welche sich auf Eresol* 
seifen ans chemisch reinen Eresolen beziehen, werde ich in nächster 
Zeit in einer hygienischen Zeitschrift publizieren. Ich werde dann 
zugleich anf die Arbeiten vonFraenkel, Henle, Fischerand 
Koske, Hammer, Hammerl, Seybold, Fehrs and Rapp 
zurückkommen, welche sich mit der Desinfektionswirknng der drei 
isomeren Eresole beschäftigt haben und znm großen Teil zn ähn¬ 
lichen Resnltaten wie die meinen bezüglich der Wirksamkeit des 
ortbo-Eresols gelangt sind. 

Meine üntersuebungen sind unter Einhaltung exakter Prfifungs- 
methoden aasgeführt und basieren auf den Grundsätzen, wie sie 
Yon Seligmann und mir in einer im Eönigl Institut für In¬ 
fektionskrankheiten angefertigten und zurzeit im Druck befindlichen 
Arbeit: „Stadien zur Wertbestimmnng chemischer Desinfektions¬ 
mittel* *) niedergelegt sind. 

Bei den folgenden Tabellen ist sowohl die Art der Prüfung, 
wie das Yerwendete Testmaterial genannt, — in der Hauptsache 
benutzte ich zn meinen Versuchen, wie das jetzt allgemein üblich 
ist, Staphylokokken. 

Versnehsreihe I. 

Testmaterial: Stapbylococcas pyogenes anreos. 

100 ccm Boaillon worden mit 2 Normaiödcn Staphylokokken-Agarkultar 
beimpft and 24 Standen im Bratschrank belassen. 

Eine Abgemessene Menge der gleichmäßig dichten Bonillonkaltar warde 
jeweils mit der gleichen Menge Desinfektionslösong yon doppelter Konzentration 
als io der Tabelle yerzeichnet, yermisebt nnd zn den angegebenen Zeiten eine 
Oese yon 3 mm Darcbme8>er in 10 ccm Nährbonillon yerimpft. Die Versnehs- 
röbreben worden so lange bei Brotschrankwärme beobachtet, bis dieVersnebsreihe 
mehrere Tage bindorch ein konstantes Aassehen zeigte. 

Schloßresoltate in der folgenden Tabelle. 

Dos Zeichen -{- bedeutet Wsebstom, das Zeichen — AbtOtang. 


Dauer der Einwirknng 
des Desinfektionsmittels, Min.: 

3 

6 

9 

12 

15 

20 

25 

30 

35 

40 

45 

Lysol «/*% 

Kresolseife nach Erlaß „ 

+ 

+ 

+ 

T 

t 

+ 

+ 

-f 

+ 

+ 

+ 1 


+ 

.+ 1 

Lysol */4 7o 

Kresoaeife nach Erlaß „ 


+ 

+ 

+ 

— 

— 


— 

Lysol 17o 

Kresolseife nach Erlaß „ 

+ 

1 - 

— 


— 


') Zeitschrift für Hygiene and Infektionskrankheiten. 







56 Or. Schneider: Vergleichende DesinfektionsTerenche zwischen Lysol und 

Während also bei Lysol Vtprozentig eine Abtötnng in 30/'er* 
folgte, war bei der Eresolseiie in 45' noch keine Desinfektions* 
Wirkung za konstatieren. — Lysol ‘/«prozentig wirkte in 6', die 
Eresolseife in 15'; Iprozentig ersteres innerhalb 3', die letztere 
erst innerhalb 3—6'. 

.Versuchsreihe IL 

Testmaterial: Staphylococcns pyogenes aureus. 

100 ccm Bouillon wurden mit 2 Normalösen 24stllndiger Stapbylokokken- 
Agarknltur beimpft, 24 Stunden im Brutschrank belassen, und hierauf mit 60 ccm 
sterilen Leitnngswassers Terdttnnt. — Alsdann wurde wie bei Versuchsrdhe I 
rerlahren. 

Die Besultate blieben nach Verlauf Ton 48 Stunden während mehrtägiger 
Beobachtnngsdauer im Brutschrank konstant. 

i/s Prozent. 



Däner der Einwirkung 
des Desinfektionsmittels, Mbnten: 

24 

80 

86 

42 

48 

64 

1 

1 

66 

66 

72 

80 

1. Lysol V*'’/o 

2. Eresolseife 

+ ! 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

— 

— 


n. Erlaß, Schneider & Gottfried „ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

8. 

„ Bollmann & Gran „ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

4. 

„ Ladenbnrg , 

+ 

+ 

+ 


+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

5. 

„ Schering , 

+ 


+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

6. 

» Lucae , 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 



'/4 Prozent. 


Dauer der Einwirkung des Desinfektionsmittels, 

Hin.: 

6 

12 

18 

24 

80 

1. Lysol 


•/«7<» 

+ 

— 

— 

— 

— 

2. Eresolseife nach Erlaß, Schneider & Gottfried 

» 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

3. 

„ „ Bollmann & Grau 

n 

+ 

+ 

— 

— 

— 

4. 

, „ Ladenburg 

H 

+ 

— 

— 

— 

— 

5. 

, , Schering 

yi 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

6. 

„ „ Lucae 

fl 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 


1 Prozent. 


Dauer der Einwirkung des Desinfektionsmittels, Min.: 

2 

4 

6 

3 

10 

1. Lysol 

17. 

— 

— 

— 

— 

— 

2. Kresolseife nach Erlaß, Schneider & Gottfried „ 

+ 

— 

— 

— 

— 

fl 

„ „ Bollmann & Gran , 

+ 

— 

— 

— 

— 

4. 

„ „ Ladenburg „ 

+ 

— 

— 

—N 

— 

5. 

• , Schering . 

+ 

— 

— 

— 

— 

6. 

, , Lucae , 

+ 

+ 

““ 1 

— 

— 


Nach den yorstehenden Protokollen der Versachsreibe U 
— die verwendete Enltar zeigte höhere Resistenz als bei I —, 
war Lysol, ^/sprozentig, in 54' wirksam, während die übrigen 
Präparate noch bei 80' keine Abtötnng erzielt hatten. Das 
Präparat Ladenbarg zeigte in den Versuchsröhrchen langsameres 
Wachstum als die übrigen Eresolseifen. 

‘/«prozentig zeigte Lysol mit der Eresolseife Ladenbarg 
gleiche Wirkung, Abtötnng innerhalb 6 bis 12'. Das Präparat UI 







d«r Bea«ii Kresolfleife des Preofi. Hin.-ErlMses r. 19. Oktober 1907. 57 


wirkte innerhalb 12 bis 18'; nnd die übrigen wirkten innerhalb 
18 bis 24% bezw. 24' bis 30'. 

Bei 1 Proz. sind nnr geringe Unterschiede za verzeichnen; 
immerhin steht auch hier Lysol an der Spitze, während das Prä¬ 
parat Lncae am wenigsten wirksam ist. 

Das Schlnßergebnis meiner üntersnchangen ist, 
knrz zasammengefaßt, das folgende: 

Lysol, das als wirksamen Bestandteil Tri-Eresol enthält, ist 
der neuen Eresolseife des Hebammenerlasses, welche mit einem 
meta-para-Eresolgemisch hergestellt wird, an Desinfektionskraft 
überlegen, was sich besonders in schwächeren Losungen (Vi proz.) 
erheblich bemerkbar macht. 

Es liegt daher meiner Ueberzengong nach keine Veranlassung 
vor, dieses in der Hebammenprazis seit vielen Jahren bewährte 
und auf seine gleichmäßige Zasammensetzang und Wirksamkeit 
hin sorgfältig kontrollierte Präparat der neuen Eresolseife gegen¬ 
über als geringer wirksam zn bezeichnen and vom Gebranch durch 
die Hebammen auszuschließen, wie es in dem Erlaß geschieht; 
üntersnchangen von anderer Seite werden die Richtigkeit meiner 
Angaben bestätigen. 


Das preussische Medizinalwesen im Staatshaushalts-Etat 

für 1908/1909. 

Vom Heraasgeber. 

Wer sich der Verhandlnngen des Abgeordnetenhauses im 
vorigen Jahre erinnert, wird jedenfalls einen ganz anderen Etat 
für das Medizinalwesen erwartet haben, als den von der Staats- 
regiemng für das Jahr 1908/1909 vorgelegten. Von sämtlichen 
Betern, die bei der betreffenden Sitzung (17. April v. J.) das 
W(»t n^men, die Abg. Dr. Rnegenberg (Zentr.), Dr. Eeil- 
Halle und Meyer-Diepholz (nat.-lib.), Lüdicke-Potsdam(freikons.) 
and Münsterberg (freis. Verein.) —, also mehr oder weniger 
von Vertretern sämtlicher Parteien wurde damals die Reform¬ 
bedürftigkeit der amtlichen Stellung und der Pen¬ 
sionsverhältnisse der nichtvollbesoldeten Ereisärzte 
anerkannt nnd betont, daß die Grundsätze, von denen bei der 
Beratung nnd dem Erlaß des Ereisarztgesetzes ausgegangen sei, 
sich seit dem Inkrafttreten des Gesetzes als unhaltbar und un¬ 
richtig erwiesen hätten; dies gelte insbesondere von denjenigen, 
die f^ das Gehalts- und Pensionierungssystem der 
nicht vollbesoldeten Ereisärzte, für die Höhe der amtsärzt¬ 
lichen Gebühren nnd für die Bemessung der Dienstauf- 
wandsentschädigung als maßgebend angenommen seien. 
75% der Ereisärzte seien vollständig durch ihre Dienstgeschäfte 
in Anspruch genommen nnd lediglich anf die Einkünfte ans ihrem 
Amte angewiesen; das Durchschnittseinkommen ans amtsärztlichen 
Gebühren stelle sich aber in Wirklichkeit nur auf den vierten 
Teil des früher dafür angenommenen Betrages (500 Mark statt 
2000 Mark), so daß das pensionsfähige Einkommen der nicht voll- 



58 


Dm preofiiseh« ICediriiuüwMea 


besoldeten, aber yollbeschäftigten KreisArzte als nnzareiehend 
bezeichnet werden mftsse. Um so notwendiger sei daher, Überall 
da, wo der Nachweis der vollen Beschäftigung erbracht sei, die 
nicht vollbesoldeten Stellen in vollbesoldete nmznändem nnd mit 
dieser Umwandlung in schnelleren Tempo vorzugehen 
als bisher. Jedenfalls genüge die im vorjährigen Etat vorge* 
sehlagene Umwandlung von nur 5 nicht vollbesoldeten Kreisarzt- 
steilen nicht im entferntesten, nm jenen Mißstand zu beseitigen. 

Diese Forderungen, die sich vollständig mit den Wünschen 
der beteiligten Medizinalbeamten decken und von dem Vorstand 
des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins s. Z. dem Herrn Res¬ 
sortminister in einer besonderen Eingabe vorgetragen nnd ein¬ 
gehend begründet sind, wurden in jener Sitzung auch von dem 
Vertreter der Königl. Staatsregiernng, H. Ministerialdirektor Dr. 
Förster als berechtigt anerkannt Es wurde von ihm ausdrüdc- 
lich zugegeben, daß die Entwicklung der kreisärztlichen Verhält¬ 
nisse über den Rahmen des Ereisarztgesetzes insoweit herans- 
gegangen sei, als heute eine ganze Reihe nicht vollbesol¬ 
deter Kreisärzte wegen der Fülle der ihnen oblie¬ 
genden Dienstgeschäfte Privatprazis weder treiben, 
noch treiben können, und, obwohl vollbeschäftigt, 
doch nur auf halbe Staatsbesoldjing angewiesen seien. 
Es sei in der Tat eine Anomalie, ein Mißstand, der mit der 
Zeit beseitigt werden müsse, und zwai* dadurch, daß in Zukunft die 
Umwandlung der nicht vollbesoldeten Stellen in vollbe¬ 
soldete in größerem Umfange als bisher dnrchgeführt 
werde. Auch die zeitigen Mißverhältnisse in bezog der 
Pensionirung der nicht vollbesoldeten Kreisärzte wurden vom 
Herrn Vertreter der Staatsregiernng anerkannt und bedauert, daß 
die Verhandlungen über eine, in der Hauptsache den Wünschen 
der Kreisärzte Rechnung tragende Abänderung noch nicht zum 
Abschluß hätte gebracht werden können. Und was ist nun das 
Resultat der vorjährigen Verhandlungen? Ueber eine ander¬ 
weite Regulierung der Pensionsverhältnisse enthält der 
Etat nicht die geringste Andeutung nnd statt „fünf" vol^ 
beschäftigte Kreisärzte im Vorjahre sind in diesem Etat 
„sechs" vorgesehen! Von einer umfangreichen Umwandlung dieser 
Stellen ist also nichts zu merken, obwohl die jetzigen Verhält¬ 
nisse von Jahr zu Jahr unhaltbarer werden und ihre Abänderung 
keineswegs nur im Interesse der beteiligten Medizinalbeamten, 
sondern uooh weit mehr im Interesse des öffentlichen 
Wohls liegt, da die gedeihliche Entwicklung des Medizinalwesens 
und der ganzen öffentlichen Gesundheitspflege mehr oder weniger 
davon abhängt, daß die hierfür in erster Linie zuständigen Beamten 
nicht nur im Hauptamt angestellt, sondern auch ihrer vollbe¬ 
schäftigten Amtstätigkeit entsprechend besoldet werden. Es kann 
nach Lage der Sache wohl angenommen werden, daß die in dieser 
Hinsicht von Seiten des Kultusministeriums gemachten Vorschläge 
von dem Finanzministerium mit Rücksicht auf die ungünstige Finanz¬ 
lage abgelehnt sind. Aber wie reimt sich diese Ablehnung znsammmi 



im StMtsbMflhaltS'Etat fttr 1908/1909. 


69 


mit der Einstellimg von 86 neaen Begienmgeratsetellen in den Etat 
deren Beddrlnis im Abgeordnetenhanse bei der ersten Etatsberatnng 
Ton ▼erschiedenen Seiten anfs Lebhafteste bestritten istP Der dafllLr 
eingestellte Betrag yon 126000 Mark würde genügt haben, nm 
nicht weniger als 87^) nicht vollbesoldete Kreisarztstelleu in vollbe- 
soldete nmzawandeln! Sicherlich würde durch eine solche Aendernng 
des Etats dem öffentlichen Wohl und einem allseitig anerkannten 
Bedürfnisse mehr gedient sein, als durch die Neubeschaffung jener 
Stellen. Die Budgetkommission des Abgeordnetenhauses würde sich 
demzufolge ein großes Verdienst erwerben, wenn sie eine derar¬ 
tige Abftnderung des Etats beschließen würde; auf die Zustimmung 
des Plenum dürfte sie nach dem Verlauf der yorj&hrigen Ver¬ 
handlungen jedenfalls rechnen können. Von Seiten des Herrn 
Finanzministers wird zwar voraussichtlich einem derartigen Vorge¬ 
hen entgegengehalten werden, daß das Abgeordnetenhaus selbst bei 
den Beratungen des Ereisarztgesetzes s. Z. den Grundsatz ver¬ 
treten habe, der vollbesoldete Kreisarzt solle die Ausnahme und 
der nicht vollbesoldete die Hegel bilden. In dem Gesetz heißt 
es jedoch: ,wo besondere Verhältnisse es erfordern, können voll¬ 
besoldete &eisärzte angestellt werden;“ solche besonderen Ver¬ 
hältnissen müssen aber überall da angenommen werden, wo der 
Kreisarzt vollbeschäftigt ist und außer Stande ist, ärzt¬ 
liche Privatprazis zu treiben, also die Voraussetzungen für einen 
nicht vollbesoldeten Kreisarzt nicht mehr zutreffen. Der Wortlaut 
des Gesetzes würde demnach an sich nicht dagegen sprechen, wenn 
jetzt den veränderten Verhältnissen entsprechend der umgekehrte 
Weg eingeschlagen und der vollbesoldete foeisarzt die Regel und der 
nicht vollbesoldete die Ausnahme büden würde. Hat man aber 
trotzdem Bedenken gegen eine solche Gesetzesanslegnng, so dürfte 
es sich empfehlen, den § 3 des Kremarztgesetzes den jetzigen 
Verhältnissen entsprechend zu ändern und ihm etwa folgenden 
Wortlant zu geben: 

„Der Kreisant ist ein Tollbesoldeter Beamter. Br besieht ein festes 
Dienst^kommen unter Ausschlofi von Qebtthren. Soweit nach den bestehenden 
Gtebtthren zu entrichten sind, fließen diese ln die Staatskasse. Die Aasflbung 
der Ärztlichen PriTztpraxis usw. wie bisher. 

Wo besondere Verhältnisse vorliegen, können nicht vollbesoldete Ereis- 
ärste angestellt werden, denen die Aasflbung der ärztlichen Privatpraxis ge¬ 
stattet ist, soweit ihre amtliche Tätigkeit nicht darunter leidet. Bei ihrer Ver¬ 
setzung in den Buhestand steht ihnen das gleiche Buhegebalt wie das der 
ToUbesoldeten Kreuärzte von demselben Dienstalter zu. Die Berechnung von 
Witwen- und Waisengeldem aii die Hinterbliebenen erfolgt nach demselben 
Grundsätze.“ 

ünd vievid würde dem Staate die Durchführung einer 
solchen veränderten Stellung der Kreisärzte kosten? Nicht mehr 
als 600000 Mark,*) ein Betrag, der gegenüber den vielen Millionen, 
die jetzt in dankenswerter Weise für die Gehaltsaufbesserungen 


M Die Mehrkosten fflr einen voUbesoldeten Kreisarzt betragen nach dem 
Etat 8^ -f 690 — 2700 => rund 1500 M. 

*) Es ist hierbei angenommen, daß 75*’/o der Kreisärzte vollbeschäftigt 
sind und demnach voll boMdet werden mflßten; rund 875 bei eher Gesamtzahl 
von ^7. Da von diesen bereits 48 vollbesoldet sind, würden noch 889 Stellen 



60 


Das preußische Medizinalwesea 


der Beamten, Geistlichen, Lehrer nsw. in den Stat gestellt sind, 
wirklich nicht ins Gewicht fallen kann and außerdem den nicht zn 
unterschätzenden Vorteil hat, daß einer Beamtenklasse, deren 
Amtstätigkeit für das gesundheitliche Wohl der ganzen Bevölkerung 
von der allergrößten Bedeutung ist, endlich auch finanziell die 
Stellung gegeben wird, die sie durch ihre Vollbeschäftigong schon 
längst verdient. Bereits bei Erlaß des Ereisarztgesetzes ist von 
verschiedenen Seiten vorausgesagt, daß die hier mit Recht ge* 
stellten Aufgaben in der Mehrzahl der Kreise nur ein vollbe* 
soldeter Beamter gerecht werden könne; diese Ansicht hat sich 
schneller, als die Vertreter der gegenteiligen geglaubt haben, aJe 
zutreffend herausgestellt; sollen nun die Beamten infolge dieses 
Irrtums noch länger als bisher darunter leiden? Gerade das Ab¬ 
geordnetenhaus hat früher entgegen dem nrsprönglichen Vorschläge 
der Medizinalverwaltung, sämtliche Kreisärzte als vollbesoldete 
Beamte anzustellen, in seiner überwiegenden Mehrheit den Stand¬ 
punkt vertreten, daß der Kreisarzt nur halb besoldet zu sein brauche 
und ihm die Ausübung der Privatpraxis auch ferner gestattet 
werden könne; umsomehr ist auch Sache des hohen Hauses, Ab- 
hülfe zu schaffen, nachdem es selbst jene Voraussetzung als unzu¬ 
treffend anerkannt hat. 

Nach einer anderen Richtung hin ist die Königliche Staats¬ 
regierang dagegen den Wünschen des Abgeordnetenhauses bereit- 
wUlig entgegengekommen, d.L die Pauschalierung der Reise¬ 
kosten und Tagegelder der Kreisärzte, für die ein Betrag 
von 865000 Mark in den Medizinaletat eingestellt und dafür die 
gleich hohe Summe im Kap. 58, Tit. 11 des Etats des Finanz- 
miniteriums (Diätenfonds der Regierungen) abgesetzt ist. Es 
muß zunächst auffallen, daß eine Pauschalierung der Reise¬ 
kosten und Tagegelder bei den Kreistierärzten entgegen den 
Wünschen des Abgeordnetenhauses nicht stattgefunden hat, obwohl 
gerade die Verhältnisse in bezug auf die Notwendigkeit von Dienst¬ 
reisen bei den Kreistierärzten genau so liegen wie bei den Kreis¬ 
ärzten, nur mit dem Unterschiede, daß diese verhältnismäßig mehr 
Veranlassung zu Dienstreisen haben als jene, da ihnen außer den 
Ermittelungen bei ansteckenden Krankheiten auch noch viele andere 
Dienstreisen, z. B. wegen Ortsbesichtigungen, Teilnahme an 
Sitzungen der Gesundheitskommission, Revisionen von Kranken¬ 
anstalten, Wasserleitungen usw., erwachsen. Wenn sich nun auch 
für die Dienstreisen zu den eben genannten Zwecken im voraus eine 
angemessene Pauschalvergütung berechnen läßt, ähnlich wie dies 
bei den Kreisschulinspektoren, Gewerbeinspektoren und Kreisban- 
beamten geschehen ist, so ist dies mit Rücksicht auf die Be¬ 
kämpfung ansteckender Krankheiten gar nicht möglich; da die 
Notwendigkeit derartiger Reisen lediglich von der größeren oder 

in solche nmgewandelt werden mttssen und hierdurch 882 X 1ÖOO (s. vorher 
Anm. 1) = 497000 M. Mehrkosten entstehen. Die sonstiffen Mehrkosten 
fttr Pensionen und Beliktenversorgung durften mehr als reichlich durch die 
von den voUbesoldeten Kreisärzten an die Staatskasse abznfflhrenden amtsärzt¬ 
lichen Gebühren anfgewogen werden.^ 



im Staatshaiuh»lt8-£tat fttr 1908/1909. 


61 


geringeren Verbreitung jener Krankheiten abhängt. Alle diese 
Dienstreisen mflssen außerdem sofort erledigt werden, lassen sich 
demgemäß weder gelegentlich abmachen, noch mit anderen Be¬ 
sichtigungen, zu denen die Termine im voraus festzusetzen sind, 
verbinden. Jedenfalls sind diese Gesichtspunkte maßgebend ge¬ 
wesen, um von einer Pauschalvei^fltung der Reisekosten bei den 
Ereistierärzten abzusehen; daß die Menschen aber mindestens den 
gleichen Schutz gegen ansteckende Krankheiten beanspruchen 
können wie die Haustiere, wird doch wohl von keiner Seite be¬ 
stritten werden! Dieser ^hntz ist aber ein ungenügender, 
wenn der dafür in erster Linie verantwortliche Beamte bei den 
von ihm dieserhalb vorznnehmenden Ermittelungen usw. Rücksicht 
auf das ihm zngebilligte Reise-Pauschale nehmen muß. WUl man 
also an der Festsetzung einer solchen festhalten, so müsste den 
Regierungspräsidenten außerdem ein angemessener Fonds zur 
Veriügung stehen, um daraus den Kreisärzten Zulagen, für den 
Fall einei' größeren Steigerung ihrer Reisetätigkeit wegen ver¬ 
mehrten Auftretens ansteckender Krankheiten oder wegen anderer 
besonderer Ereignisse gewähren zu können. Ob dazu der im Etat 
vorgesehene Betrag ausreicbt, muß entschieden bezweifelt werden, 
zumal die Gesetze, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher 
und übertragbarer Krankheiten, erst zu kurze Zeit in Kraft sind, 
um schon jetzt die den Kreisärzten dadurch erwachsende Reise- 
Tätigkeit auch nur annähernd richtig bemessen zu können. Bei 
der Summe von 865000 Mark ergibt sich ein Reiseaversnm von 
durchschnittlich rund 1700 Mark für jeden Kreisarzt; dieser Durch- 
echnittssatz ist jedoch bereits im Etatsjahre 1905/1906 von den 
Kreisärzten erreicht worden, wie sich ans den Verhandlungen des 
Abgeordnetenhauses am 5. März 1906 ergibt. Schon damals 
äußerte aber der Abg. Krüger-Marienburg (kons.), daß jene 
Summe „geradesoviel betrage, wie die Reise-Pauschal Vergütung 
des Kreisbanbeamten, daß der Kreisarzt aber viel mehr 
als dieser reisen müsse". Seitdem wird sich jener Durch- 
schnittssatz zweifellos wesentUch erhöht haben, da das Gesetz 
über die Bekämpfung der übertrügbaren Krankheiten erst am 
1. Oktober 1905 in Kraft getreten ist; will man deshalb nicht 
noch einige Jahre mit dieser Pauschalierung warten, was u. E. 
richtiger sein dürfte, so sollte wenigstens der Durchschnitt ßir 
1906/1907 als Maßstab angenommen werden. Es ist dies nament¬ 
lich den nicht voUbesoldeten Kreisärzten gegenüber erforderlich; 
denn es darf nicht vergessen werden, daß diese infolge aus¬ 
wärtiger Dienstreisen mehr oder weniger erheblichen 
Verlust in ihrer ärztlichen Privatprazis erleiden, 
auf die sie doch vorläufig noch mit Rücksicht auf ihren Lebens¬ 
unterhalt angewiesen sind. Die Ueberschüsse aus den Vergütungen 
für Dienstreisen, die übrigens keineswegs so hoch sind, wie von 
mancher Seite angenommen wird, bilden also gleichsam einen 
Ersatz für jenen Verlust. 

Im übrigen bringt der Etat nur wenige Veränderungen im 
Vergleich zu dem vorjährigen. Für eine zeitgemäße Umgestaltung 



62 


Derjprenßiscbe Mediiinalwesea 


der ProTinzial-Medizinalkolleg^ieii ist wiedermn keine 
Position vorgesehen; ebenso ist, wie schon vorher erwähnt, 
die dringend notwendige Erhöhung der DienstanfwandS'Ent- 
Bchftdignngen ihr die Kreisärzte nicht erfolgt. Die Zahl der 
Ereisassistenzarztstellen ist um eine vermehrt (zwei neue 
in Gelsenkirchen und Essen, unter Fortfall derjenigen in Frank’ 
fort a. M), desgleichen eine neue Gerichtsarztstelle für die 
Kreise Buhrort und Duisburg (Stadt) eingerichtet. Zu Beihilfen 
zum Studium medizinaltechnischer Einrichtungen und 
Vorgänge sind wiederum 3000 Mark, fflr Fortbildungskurse 
29800 Mark eingestellt; um 37000 Mark ist der Fonds für 
medizinalpolizeiliche Zwecke erhöht, derjenige zur Ans- 
führung des Gesetzes, betr. die Bekämpfung übertragbarer 
Ejankheiten, um 20000 Mark herabgesetzt, da der bisherige Be* 
trag (250000 Mark) nach den gemachten Erfahrungen über das 
Bedürfnis hinausgeht. Für die Bekämpfung der Granulöse und 
des Typhus Anden sich dieselben Summen wie im Vorjahre; da¬ 
gegen ist der Betrag für die Erforschung des Krebses um 25000 
Mark erhöht, die dem Institut für experimentelle Therapie in 
Frankfurt a. M. zu diesem Zwecke gewährt werden sollen. Bei¬ 
hilfen zur Erforschung der Syphilis (je 10000 M.) sind nicht 
nur bei der Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Breslau, 
sondern auch bei der betreffenden Klinik der Charite vorgesehen, 
desgleichen 10000 Mark zur Förderung des gerichtsärzt¬ 
lichen Unterrichts und außerdem noch 5000 Mark für das 
gerichtsärztliche Institut in Eid. 

Neu sind endlich ein Betrag von 10000 Mark zu Beihilfen 
zur Anstellung von Weinkontrolleuren im Hauptbrnnfe zwecks 
Durchführung des Weingesetzes in den Weiugebieten am Rhein, 
an der Mosel, Saar, Nahe und Ahr, sowie 40000 Mark zur Unter¬ 
stützung des Bezirkshebammenwesens besonders in den 
östlichen Provinzen. Aus diesem Betrage sollen bedürftigen 
Kreisen und Hebammenbezirken staatliche Beihilfen zur Ausbildung, 
Fortbildung und Erhaltung eines ausreichenden und leistungs¬ 
fähigen Hebammenpersonals gewährt werden. Ob das beabsichtigte 
neue Hebammengesetz noch in diesem Jahre dem Landtage 
vorgelegt werden wird, scheint wieder zweifelhaft geworden zu sein; 
jedenfaUs findet erst am 20. d. Mts. im Kultusministerium eine 
Konferenz über die Frage der Regelung des Hebammenwesens 
statt, an der Vertreter der beteiligten Ministerien, sowie ver¬ 
schiedene Abgfordnete, Medizinalbeamte und Aerzte teilnehmen 
werden. Hoftentlich ist das Ergebnis dieser Konferenz ein solches, 
daß das betreffende Gesetz noch zur Vorlage gelangen kann! 

Die einzelnen Positionen des Etats ergeben sich aus der 
der nachfolgenden Zusammenstellung: 

A. Dauernde Ausgaben. 

1. Besoldang von 39 Mitgliedern (600—1200 H.) und 36 
Assessoren (600—1050 M.J der Provinzial'MedizinalkoUegien 59 850,— H. 

2. Besoldung von 37 Begierongs* und Medizinalr&ten mit 



im StMtshausbalte-Etot 1908/1909. 


63 


4200—^7200 M. and Ton 1 BegierungB* nod Hedizinalrat 

mh 1900 M. . 244200,- M. *) 

3. Besoldong tob 7 ToUbesoldetea Kreis&nteu als ständige 
Hilbarbeiter bei den Eegiernngen io Königsberg, Potsdam, 

Breelan, Oppeln, Arnsberg, Düsseldorf und beim Polisei* 

prisidiam in Berlin (mit 8600—5700 If.). 33850,— „ *) 

4. Besoldongron 487oll^oldeten Kreisärzten (36(X)—5700 M.), 

Ton 454 nicht Tollbesoldeten Kreisärzten (darnnter 1 künftig 
in Berlin fortfallend) and 16 nicht Tollbesoldeten Gerichts* 
ärzten mit mindestens 1800, höchstens 4200 H., im Darch* 

schnitt 8700 M. Gehalt, sowie für sonstige Besoldangen . 1498 571,— „ *) 
Yermerk: 1. Ersparnisse kOnnen za StellTertretongs- 
kosten Terwendet werden. 

2. Bei der Beratang des pensionsfähigen Dienstein- 
kommens der nicht ToUbesoldeten Kreisärzte werden 
die amtsärztlichen Gebühren, welche nach 9 3 des 
Gesetzes, betreffend die Dienststellang des Kreis¬ 
arztes nsw., Tom 16. September 1899 and den dazu 
erlassenen Aosführongsbestimmangen Ton den toU* 
besoldeten Kreisärzten zar Staatskasse abzoführen, 
beaw. nicht mehr aas der Staatskasse zu erbeben sind, 
nach ihrem darcbscbnittlichen Betrage während der 
drei letzten Etatsjahre Tor dem Etatsjahre, in welchem 
die Pension festgesetzt wird, mit der Maßgabe zar 
Anrechnung gebracht, daß das hiernach der Pension 
zagronde zu legende Diensteinkommen nicht das 
pensionsfähige Diensteiokommen eines ToUbesoldeten 
Kreisarztes Ton gleichem pensionsfähigen Dienstalter 
übersteigen darf. 

5. Wohnongsgeldzaschfisse. 59340,— „ *) 

6. Zar Remuneration Ton 42 Kreisassistenzärzten (mindestens 
900 H., höchstens 1800 M., im Darebscbnitt 1200 M.), 
sowie Ton Hilfsarbeitern im Bareaa*, Kanzlei- and Unter- 
beamtendienst bei den ProTitzial-MedisinalkoUegien und 
za Beihilfen für die Wahmebmang der Obliegenheiten des 

Kreisarztes durch Gemeinde-(Stadt-) Aerzte 64251,— „ *) 

7. Za (^escbäftsbedürfnbsen der ProTinzial-Medizinalkollegien, 
Dienstaufwandsentschädigang für 2 Begierangs- and Medi¬ 
ziaalräte in Berlin (je 1200 M.), für Vertretang Ton Beg.- 
ond Medizinalräten und Ton als ständige Hilfsarbeiter bei 
den Regierungen beschäftigte Tollbesoldete Kreisärzte, zu 
Bemanerationen für die Prüfung der Rezepte and Rech- 
annc^ über die für Staatsanstalten gelieferten Arzneien, 
za ^tschädignngen für Amtsnnkosten für die Tollbesol- 


') Mehr: 10200 M. nach Maßgabe des Dienstalters der Regierangs- 
and Medizinalräte. 

*) Mehr: 2200 M. nach Maßgabe des Dienstalters der Kreisärzte. 

') Mehr: 868(X) M., and zwar 216(X) M. für 6 vollbesoldete Kreisärzte 
(je 1 für die Stadtkreise Posen und HaUe, den Stadt- und Landkreis Ratibor, 
die Kreise Pleß, Dortmnnd (Land) und Saarlouis, 8600 M. Mindestgehalt), sowie 
2700 M. Darcbsehnittsgehalt für einen nicht Tollbesoldeten Gerichtsarzt für die 
Kreise Babrort und Daisbnrg (Stadt), sowie 12500 Mark nach Maßgabe des 
Dienstalters der ToUbesoldeten Kreisärzte, zusammen 86800 Mark. Weniger 
Dardisehnittsbesoldang (2700 M.) für 7 nicht vollbesoldete Kreisärzte (je 1 in 
Berlin, in den Stadtkreisen HaUe and Posen, den Kreisen Ratibor, Pleß, Dort- 
mond-Land and Saarlonis); bleibt also mehr: 17900 M. 

*) Mehr: 3540 Mark an Wohnangsgeldzoschüssen für 6 ToUbesoldete 
Kremärzte. 

') Mehr: 1200 M. Darchschnittsremoneration für 2 Kreisarztassistenten 
in den Stadt- and Landkreisen Gelsenkirchen und Essen. Weniger: 1200 M. 
für Fort^ TOB 1 Kreisassistenzarztstelle des Stadtkreises Frankfart a. M.; 
bleiht mehr: 1200 Mark. 







64 


Das preofiiscbe Mediainalwesen 


deten Kreisärzte bis za 1000 M., im Dorchschnitt 760 H., 
für die nicht Tollbesoldeten Kreuärate and Qerichtsärzte 
bis za 760 !£., im Dorchschnitt 260 M., sowie an Tase* 

Reldem and Beisekosten fttr aaswärtige Uitglieder der 
Proyinzial-Medizinalkollegien, an Tagegddern, Beisekosten 
and Entscbädigang für die Erstattung schriftlicher Gat* 
achten and Berichte an die psychiatrischen Mitglieder der 
Besachskommission für die Beaolsicbtigug der Privat- 
Irrenanstalten and za Tagegeldern and Itoisekosten für die 
aoswärtigen Mitglieder des Beirats für das Apotbekenwesen 176186,— 
7 a. Za Beihilfen zam Stadium medizinal-techniBcher Einrich* 


tongen and Vorgänge. 8000,— , 

7 b. Tagegelder und Beisekosten der Kreismedizinalbeamten 866000,— „ ') 

8. Zur Bemanerierang der Mitglieder and Beamten der Kom* 

mission für die Staatsprttfang der Aente, Zahnärzte osw. 208000,— • 

9. Zaschafi für das Cbaritd-Krankenhaos in Berlin ..... —,— „ 

10. Institut für Infektionskrankheiten. 288646,— . ") 

11. Institut für experimentelle Terapie in Frankfurt a. M. 86360,— „ 

12. Zar ünterbaltang einer staatlichen Versacbs- and Prüfung 

anstalt für die Zwecke der Wasserrersorgong und Ab* 
wisserbeseitigong. 162010,— „ '°) 

18. Bad Betrieb. 60650,— , 

14. Hygienisches Institut in Posen. 49662,— , ") 

16. Hygienisshes Institut in Benthen. 28260,— ^ *') 


16. MedizbaUUntersachangsSmter (3 rolibesoldete Kreisärzte 
in Gumbinnen, Stettin und Münster, 7 nicht Tollbesoldete 
Kreisärzte in Potsdam, Liegnitz, Magdeburg, HannoTer, 
Stade, Koblenz and Düsseldorf); 6 Kreisassistenzärste 
in Gambinnen, Potsdam, Stettin, HannoTer, Münster and 


Sigmaringen . 96120,— „ 

17. Zaschüsse für einige Krankenanstalten. 6288,47 „ 

a. Zar Vermehrung des hilfsärztlichen Personals in den Offent* 

liehen Irrenanstalten. 6000,— „ 

18. Für das Impfwesen (Bemanerierang der Vorsteher und 
Assistenten and Oewinnong tierischen Impbtoffes osw.) und 

sächliche Ausgaben. 105104,— „ ^*) 

19. Za Beagentien bei den Apothekenreyisionen. 19(X),— „ 

20. Za Unterstützongen für aktiTe Medizizinalbeamte (7600 M.) 


*) Mehr: 3260 M. an Dienstaafwands*Entscbädigang für 6 yollbesoldete 
Kreisärzte (Differenz zwischen den Darchschnittssätzen Ton 250 und 760 M.) 
and eine neue nicht Tollbesoldete Gericbtsarztstelle; bleibt mehr: 30(X) Mark. 

Mehr nea: 865000 M. Die Kreismedizinalbeamten haben bisher für dfe 
von ihnen innerhalb ihres Amtsbezirks eingeführten Dienstreisen Tagegelder und 
Beisekosten mit dem Fonds Kap. 58, Tit. 11 des Etats des Finanzministeriums 
(also den Diätenfonds der Beaierangen) erhalten. Es ist beabsiciitigt, dem 
Vorgänge bei anderen Beamtenklsssen folgend, nunmehr auch für die Dienst* 
reisen dieser Beamten, soweit die Kosten der Staatskasse zar Last fallen, 
gemä6 Artikel III des Gesetzes Tom 21. Jnni 1897 PaaschTergütungen fest* 
zasetzen. Der Fonds ist übertragbar. Der Fonds Kap. 68, Tit. 11 ist ent* 
sprechend ermäßigt worden. 

*) Weniger: 673672,86 M. Der Zaschafi wird Jetzt bei der UniTeraität 
Berlin yerreebnet. 

”) Mehr: 2610 M. für Bemaneration an Assistenten osw. 

>«) Mehr: 200 M. 

’*) Mehr: 118(X) M., darunter Anfangsgebalt für 1 wissenBchaftlicbcs 
Mitglied (3600 M.), 2000 M. für Tagegelder and Beisekosten. 

») Mehr: 2600 M. 

*») Mehr: 1100 M. 

Mehr: 4670 M. zar Erhöhung des Fonds für sächliche Aasgaben bei 
den Impfanstalten in Königsberg i. Pr. (320 M.), Berlin (1020 M.), Oppeln (1600 M.). 
Hannoyer (1600 M). 














im SUalsbaiuIialU'Etat für 1908/1009. 


65 


ond Idr ansgesohiedaae Hedüdnalbeamte (60000 H.), sowie 

Itlr Witwmi nnd Waisen von Hedizinalbeamten .... 67500,—M. 

21. Znr Untersttttzang für die auf Grand des § 15 des Kreis* 
arztgesetzes auf Wartegeld gestellten Medi^albeamten 

(bflnftig wegfallend). 50000,— „ 

22. Za Almosen an körperliche Gebrecbliobe zur Bbckkebr in 

die Heimat, sowie fttr arme Kranke. 900,— „ 

23. Fbr medizinalpolizeiliche Zwecke, einschließlich 8000 M. 
zur Bestreitang der Kosten der sanitätspolizeilicben Kon¬ 
trolle behols Abwehr der Choleragefahr und 19 810 M. fhr 

das Lepraheim im Kreise Hemel. 204810,— „ 

24. Zar Aosfflhrang des Gesetzes, betr. die Bekämpfang über* 

tragbarer Krankheiten. 280000,— „ 

25. Ha^* and Schiffsflberwachang einschließlich der Qaaran- 

täneanstalten. 51870,— „ 

26. ünterstfttzang des Bezirkshebammenwesens. 50000,— „ ’*) 

27. Verschiedene andere Ausgaben (Zoschoß fttr Arzt aaf der 
Karischen Nehrang, Qaarantäneanstalten, Beihilfe fttr 

ärztliche Fortbildongskorse (9000 M.) asw. 39736.17 M. ***) 


Znsammen: 4708421,64 M. 
im Vorjahre: 48^ 734,49 „ 

Darnach mehr: 823687,15 „ 

B. Blmnalige und aunaezordentliohe Aungaben. 

a) 2402200 M. (720700 H. mehr als im Vorjahre) fttr N'ea- and Umbauten 
▼ on klinischen üniTersitätsinstitaten, Ergänzung des Inven* 
tars derselben, Deckang von Fehlbeträgen nsw.; hiervon interessieren be¬ 
sonders ; Einriebtong von geeigneten Bäumen za gerichtsärztlichen 
Unterrichtszwecken in Breslau, Neubau einer Irrenklinik 
in Königsberg i.Pr., einer medizinischen Klinik und Poliklinik 
bei der Charitl in Berlin, Ankauf eines Grundstückes fttr ein zahn¬ 
ärztliches Institut in Berlin usw., Anmietung von Bäumen im 
Ksüserin Friedrich-Hause fttr das ärztliche Fortbildnngewesen fttr Zwecke 
der Universität in Berlin (15600 U.), je 10 (XX) U. zu Sypbilisforscbnngen 
in den Kliniken fttr Haut- und Geschlechtskrankheiten zu Breslau und in 
der Cbaritö zu Berlin, 3000 H. fttr die beim hygienischen Institut in Bonn 
zur Weiterftthrang der Forschungsarbeiten des Prof. Dr. Kruse behufs 
Auffindung eines wirksamen Schatz- und Heilmittels gegen 
die Bahr, 14000 M. zur Erforschung der Krebskrankheit Inder 
ersten medizinischen Klinik der Charitö, 5000 H. beim gerichtsärzt- 
licben Institut in Kiel zu Unterrichtszwedien und außerdem 10000H. 
zur Förderung des gerichtsärztlichen Unterrichts ttberbaupt. 

b) 298(X) M. zur AbhaUung von Fortbildungsku^rsen fttr 50 Hcdi- 


**) Mehr: 87000 M. zur Verstärkung des Fonds fttr medizinalpolizei* 
liebe Zweek^ da die Anforderungen auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung 
sich wesentlich gesteigert haben. 

'*) Weniger: 20(X)0 M., da die Erfahrungen ergeben haben, daß^der 
bisherige Betrag (250000 M.) ttbor das Bedttrfnis hinausgeht. 

”) Weniger: 1980 M. 

Hehr (neu): 50 000 H. Im Interesse einer guten Geburts- und 
Woehenbettshygiene ist die Ausgestaltung des Bezirkshebammenwe’sens, 
boMnders in den östlichen Provinzen erforderlich. Es handelt sich im wesent¬ 
lichen darum, den Kreisen und Hebammenbezirken die Aasbildang,^ Fortbildung 
und Erhaltung eines ausreichenden und leistungsfähigen Hebammenpersonals 
zu ermöglichen. Die Lösung dieser Aufgabe ist bisher vielfach an der Leistungs¬ 
fähigkeit der betreffenden Verbände gescheitert. Es ist daher in Aussiäit 
genommen, denselben durch Gewährung staatlicher Beihttlfen zu Httlfe zu 
koBunen. 

**) Hehr: 66(X) H., namentlich durch Erhöhung des Zuschusses an Idas 
Zentralkomittee fttr das ärztliche Fortbildungswesen von 9<X)0H.aul 15 000 H. 









66 Daß preoBische Medisinalwesen im StMtshaasbalts-Etat 1908/1909. 


zin albe amte und von Idtägigra InformatioDsknrsen für 12 Beg.- nnd 
Med.-Rite io der staatlichen versochs- and Prttfnngsanstalt fOr Wasser* 
yersorgnng and Abw&Bserbeseitigong (wie im Vorjahre). 

c) 8000 M. fttr Aasstattong des Hygienischen Instituts in Beathen 
i. Ob.-8chl. 

d) 6030 H. fttr innere Einricbtongen in den Impfanstalten in Berlin, 
Königsberg i. Pr. and Halle a. S. 

e) 18040 M. fttr banliche Veränderongen im Lepraheim in MemeL 

f) 26000 M. fttr Verbreitong von Druckschriften und Versandt* 
gef äßen gemiß der Aasftthrangsbesthnmangen zum Gesetz, betr. die 
Imklmpfang ttbertragbarer Krankheiten, vom 28. Aagast 1906 (6000 M. 
mehr wie im Vorjahre). 

g) 860000 H. zar Bekämpfang der Granulöse (wie im Vorjahre). 

b) 20000 M. zur Bekämpfung des Typhus im Beg.*Bez. Trier (wie im 
Vorjahre). 

i) 22000 M. zur Unterhaltung einer bakteriologische)n Anstalt in 
Saarbrttcken (wie im Vorjahre). 

k) 26000 H. Beihttlfe fttr das Institut fttr experimentelle Therapie in Frank* 
furt a. M. zur Veranstaltung von Forschangen ttber die Ursache nnd 
Verbreitung der Krebskrankheit (neu). 

l) 10000 M. Beibttlfen zur Krebsforschung (wie im Vorjahre). 

m) 16000 M. zar Bescbaffang yon je einem Motorboote (je OCiOO M.) fttr Zwecke 
der gesondheitspolizeilichen Hafen* und Schifbttberwachung in Stettin und 
Swinemttnde. 

d) 83200 M. fttr Neubau eines Badehaases und Umbau des Kurhauses 
:a Bad Bertrich (letzte Bäte). 

o) 10000 M. zu Beibttlfen zur Anstellung yon Weinkontrolleuren 
im Hauptberufe zwecks Durchftthrung des Beichsgesetzes yom 24. Hai 
1901 in den Weingebieten am Bhein, an der Mosel, Mar, Nahe und Ahr**). 


Besprechungen. 

Prol^ Dr. Ph. Bladart, Geh. Ob.*Med.-Bat u. Dr. O. Wigand, Generalober* 
arzt a. D. ln Straßburg: Das Medlsinalwesan ln Blaasa-IiOthrlngan. 
Straßburg i. Eis. 1907. Verlag yon C. Ben st. 8*; 217 8. 

Der Verfasser behandeln im yor liegenden Buche alle zum Medizinal wesen 
gehörigen Gegenstände unter Berttcksichti^ng der fttr Elsaß*Lothringen ein¬ 
schlägigen Gesetze und Bestimmungen. Die Materie ist alphabetisch geordnet. 
Die betreffenden Gesetze usw. sind auszugsweise in Kleindruck wiedergegeben, 
ttberall aber gleichzeitig genau angegeben, wo sie im Wortlaut yeröffentlicht 
sind. Auf diese Weise bildet das Werk ein fttr den Arzt, besonders fttr den 
beamteten Arzt Elsaß - Lothringens sehr wertyoUes kompendiöses Nachschlage* 
buch, in dem er sich sehr leicht zurechtfinden nnd Ober die einschlägigen Be* 
srimmungen unterrichten kann. Bpd. 

Dr. K. Klzkalt, Priyatdozent und Dr. A. Bartmann, Priyatdozent in 
Berlin: Praktlkiim der Bakteziologle und Protoaoologle. Mit 


**) In der Begrttndung heißt es hierzu: Bei der Durchftthrung des 
Beichs-Weingesetzes yom 24. Mai )901 hat sich die Notwendigkeit ergeben, 
an Stelle der zurzeit mit der Weinkellerkontrolle ehrenamüich betrauten 
Personen in den Hanptweingebieten des Staates, d. h. in den Beg.*Bezirken Kob¬ 
lenz, Trier und Wiesbaden Kontrolleure im Hauptberufe anzustellen. Dieselben 
sollen an öffentliche Nahrungsmitteluotersuchungsstellen angegliedert werden 
und ihre Dienstbezttge yon den die Anstalten unterhaltenden Verbänden er¬ 
halten, die ihrerseits yon den Polizeiyerwaltungen Gebtthren fttr die Bereit* 
steUung der Kontrolieinrichtung erheben. Hierlttr sollen zunächst staatliche 
Beihttlfen in Aussicht gestellt werden, um die bezüglichen Verhandlungen 
schnell zu dem erhofften Ziele zu fuhren. 



BeBprechnngen. 


67 


89 teils mehr farbigen Abbildungen im Text. Jena 1907. Verlag toq G. 

Fischer. Gr. 8*; 174 8. Preis: geh. 460, geb. 6,60 M. 

Das TorliegMide Werk soll dasn dienen, den Medisiner ani mbgliehst 
schnelle Art and Weise in den wichtigsten Gebieten der Bakteriologie and 
Ftotosoologie einzoltthren. Der bakteriologische, yon Dr. Eiskalt bearbeitete 
Teil ist ni^ Art eines Praktikams aof der üniyersit&t dargestellt and der 
Stoff aof 60 Tage mit einer Arbeitsseit yon je 2—8 Standen täglich yertdlt. 
Znnichst wird haaptsächlieh Gewicht daraaf gelegt, daß sich der Arzt aaf 
dmn Gebiete der Bakteriologie die grandlegenden Kenntnisse aneignet and 
dadarch befihigt wird, sich eine wissenschaftliche Betrachtangsweise der Bak« 
teiien ansagewOhnen. Der eigentlich wissensch^tliche Teil Bringt dann die 
Verwertang der gewonnenen Technik. Die zweite, yon Dr. Hart mann be* 
arbeite Hälfte des Werkes enthält das wichtigste Uber die Protozoen and 
macht den Arzt praktisch wie theoretisch damit bekannt. Die flott and 
in leicht yeiständucher Weise goschiiebemen Abhandlangen werden darch dne 
Anzahl gater Abbildnngea erläatert. Bpd. 


Dr. Bodolf AbnL Geh. Med.>Bat in Berlin: BnkterlologlsohM TMOhwit* 
baoh, enthaltena die wichtigsten technischen Vorschriften zor bakterlo* 
logischen Laboratoriomsarbeit. Elfte Anflage. Wflrzbarg 1907. A- 
Stabers Verlag (Gort Kabitssch). Preis: gw. and mit weißen Blättern 
dorcbschossen 1,^ M. 

Kaam 9 ttonate nach Erscheinen der 10. Aaflage ist jetzt bereits in 
11. Aaflage das bekannte bakteriologische Tasohenbaw, der »kleine Abel", 
erschienen, diesmal in donkelblaaem Gewände. Sein Inhalt ist den Fort* 
schritten der bakteriologischen Wissenschaft and Technik entsprechend ergänzt 
and erweitert worden. Nea aafgenommen sind besondere Abschnitte Trjpa* 
nosomen, Bekorrensspirillen and die bei der Handswat gefondenen Negri* 
sehen KOrperchen. Wie die früheren ist aach die neae Aaflage mit weißen 
Blättern for Notizen dorcbschossen worden. 

Aach diese neae Aofiage des kleinen Beraters sei all seinen Frennden 
wie allen bakteriologischen Praktikern warm empfohlen. 

Dr. Len ts «Berlin. 

Dr. Morlte Fürst* Hambarg and Dr. E. Pfalffer, VerwaltongsphTrikos in 
Hamborg: Solmlhygloiila^MTaBOlianbnoli. Mit Beiträgen yon B. Abel- 
Berlin, Th. Altsehai-Prag, Marie Baom-Heidelberg, C. Biesalski- 
Berlin,Fr. Crismann-Zürich, W. Feilchenfeld-Charlottenbnrg, Aagoste 
Fürster-Kassel, Fr. Frenzel*Stolp i. P., M. Fürst-Hambarg, A. Gaert- 
ner-Jena, H. Gatzmann-Berlin, A. Hartmann-Berlin, K. Jatfä- 
Hamborg, E. Jessen-Straßbarg i. Ela., A. Kraft-Zürich, W. Lacke¬ 
mann-Hambarg, 0. Lassar-Berlin, G. Leabascber-Meiningen, E. 
Lobedank-München, 0. Magen-Leipsig, G. Marr-Hambarg, George 
Meyer-Berlin, J. Moses-Mannheim, H. Chr? Naßbaam-Hannoyer, A. 
Pabst-Leipzig, J. Petersen-Hsmbarg, L.Pfeiffer-Weimar,E.Pfeiffer- 
Hambarg, A. POtter-Cbemnitz, E. Bo Iler-Darmstadt, J. Samosch- 
Breslaa, H. Sandi-Cbarlottenbarg, F. A. Schmidt-Bonn, W. Schal- 
thess-Züricb, H. Stadelmann-Dresden, C. Stamm-Hamborg, W. Zür- 
cher-Zürich. Hambarg and Leipzig 1907. Verlag yon Leopold Voss. 
384 8. Kl. 8«; Preis: 4 M. 

Unter den 37 Mitarbeitern an diesem sehr empfehlenswerten Tascbenbachc 
für den Scbalarzt treffen wir meist Namen, welche aof dem Gebiete der Hygiene 
bereits rühmlich bekannt sind. Das Taschenbuch zeichnet sich bei seiner 
Beichbaltigkeit durch erscüpfende Kürze yorteilhaft aas. Es gewährt einen 
gaten Uelmrblick über das weite Gebiet der Schulhygiene. 

Dr. Paal Schenk-Berlin. 


Tb. Ziobea, o. Professor an der Onyersität Berlin: Psjrohiatri«. 8. yoll- 
ständig nmgearbeitete Aaflage. Leipzig 1908. Verlag yon S. HirzeL 
Die 8. Aaflage des bekannten Lehrbaches yerfolgt ebenso wie die 
früheren den Zweck, den Stadierenden and den Arzt in die Psychiatrie ein- 



68 


Besprecbungon. 


zaitthren. Der 1. Teil, die allgemeine Psychopathologie, beginnt mit der Oar- 
stdlang der einzelnen Komponenten der Empfindung, streift dabei kurz das 
Gebiet des konträren Sezualgelübls und erläutert an der Hand von Beispielen 
die verschiedenen Formen der Sinnestäusebungen. Bin auslfibrliches Kapitel 
ist den Störungen der Ideenassoziation, ihren Beziehungen zur Anfienwelt und 
den mannigfaltigen ihre Geschwindigkeit beeinfiussenden Ursachen gewidmet; 
die lehrreichen Winke über Dissimulation der Wahnideen dürfte dabei be¬ 
sonders interessieren. Die Handlungen Geisteskranker empfiehlt Verf. stets 
genau zu analysieren und ihren Ursachen, namentlich etwaigen Affektstörungen, 
nachzuforschen. Die somatischen Begleiterscheinungen der Psychosen beruhen 
nach Ziehen teils als Komplikationen auf gleichzeitiger koordinierter Erkran¬ 
kung von Gebieten des Zontralnervensystems, die mit psychischen Prozessen 
nichts zu tun haben (Störungen der Motaliiät, der Befiexe), teils erscheinen 
sie als Nebeneinwirkungen der erkrankten Hirnrinde auf die übrigen Teile 
des Zentralnerven- und (durch Sympathicus-Vermittlung) des übrigen Organ« 
Systems, z. B. trophische oder vasomotorische Störungen. Das Kapitel enthält zu¬ 
gleich nützliche Hinweise auf einfache Hilfsmittel der Untersuchung bei soma¬ 
tischen Störungen wie Körpergewicht, Blutdruck usw. In dem klaren und um¬ 
fassenden Untersuchungschema hat sich gegen die 2. Auflage wenig geändert, 
die Aetiologie der Psychosen ist dagegen verschiedentlich ergänzt, worunter 
die Fehler in der Erziehung der fijnder, das Verabsäumen, diese an die 
Beherrschung der Affekte zu gewöhnmi und gegen physische Unlust abzu- 
härten, interessieren dürften. 

Im n. speziellen Teil klassifiziert Verfasser, wie bekannt, die Psychosen 
ausschließlich nach dem klinischen Verlauf in solche 1. ohne Intelligenzdefekt, 
2. mit Intelligenzdefekt. Ein erschöpfender Bericht dieses Teiles, welcher überall 
in klarer und scharf definierter Weise unter Voranstellung des didaktischen 
Ghwichtspunktes die Psychosen schildert, sie nach Möglichkeit zusammenfaßt 
und theor. Erörterungen über einzelne Schulen — nach Verfasser existieren 
etwa 60 Klassifikationen der Psychosen — vermeidet, würde zu umfangreich 
werden. Hervorgehoben zu werden verdient jedech die ausführliche Erörterung 
der Diagnose, der Therapie und der forensischen Bedeutung der einzelnen 
Psychosen; auch der pathologischen Anatomie ist bei den Defektpsychosen ein 
breiter Baum gewidmet. Von Einzelheiten ist noch erwähnenswert, die Be¬ 
deutung der Dämmerzustände wegen ihrer zahlreichen Konfiikte mit dem 
Str.-G.-B. sowie das Kapitel über die Behandlung der schwachsinnigen Kinder. 
Verfasser fordert hier methodischen Empfindungs-, Ansebauungs-, Aufmerksam- 
keits- und Bewegungsunterricht und frühzeitige ethische Erziehung, um na¬ 
mentlich Vergeben auf sexuellem Gebiet von Jugend auf zu verhindern. 

Ein Anhang enthält die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen für den 
psychiatrischen Sachverständigen ans dem Str.-G.-B., Mil.-Str.-G.-B., B.-G.-B., 
ans der Str.-Pr.-O. und Ziv.-Pr.«P. 

Das ganze Buch ist wegen seiner vorzüglich klaren Ausdrucksweise, der 
die streng wissenschaftliche Beobachtung und Erfahrung zu Grunde Uegt, 
vorzüglich geeignet zur Eii^übrung in die Psychiatrie und auch jedem beam¬ 
teten Arzt als Handbuch zu empfehlen. 

Stabsarzt Dr. F. Bock er-Metz. 

Hawnlook EUln: GMohleohtstrleb und Sohungeftthl. Autorisierte 
Uebersetznng Von J. E. KÖtscher. Dritte erweiterte und gänzlich nm- 
gearbeitete Auflage. Würzbnrg 1907. Verlag von A. Stüber. 

Die vorliegende Abhandlung enthält drei Studien, welche als Einleitung 
zu einer verständlichen Analyse der geschlechtlichen Pbaenomene dienen sollen. 
Die erste Studie betrifft die Entwicklung des Schamgefühls, die zweite be¬ 
schäftigt sich mit dem Phaenomen der Sexual-Periodizität und die dritte mit 
den spontanen Aeußerungen des Qeschlechtstriobes. Für den Verfasser ist bei 
Abfassung des Buches der Gesichtspunkt leitend gewesen, daß wir schon mehr 
als genug Darstellungen grober sexueller Perversität gehabt haben, seien 
nun ans der Irrenanstalt oder dem Bordell. Diese sind aber nur dann lehr¬ 
reich, wenn sie in der richtigen Perspektive gesehen werden, wo sie sich als 
die seltenen und äußersten Extreme einer Kette von Erscheinungen zeigen, 
die wir nutzbringender in unserer normalen Umgebung studieren können. Die 



Tagesnaohri ohten. 


69 


fldUge Arbeit tob Havelook Ellle hat awar fttr den Natorwlssensehaftler and 
Ptychologen ein hohes theoretisches Interesse, fttr den Gerichtsant and 
Medininalbeainten dftifte sie kaam Ton praktischem Wert sein. 

Dr. Többen-Mftnster. 


Dr. Bobnrt Mfiller, o. Professor für Tierzacht an der landwirtschaftlichen 
Akademie Tetschen^Liebwerd and Priratdozent an der Tierärztlichen Hoch- 
schale za Dresden: Sexnalblologle. Vergleichendentwicklangsgeschicht- 
liiche Stadien über das Geschlechtsleben des Menschen and der höheren Tiere. 
Berlin SW 61. 1907. Verlagsbachhandlang yon Ladas Marcas. 

Jedem Arzte, der ein besonderes Interesse für die Biologie der Ge* 
schlechtserscheinaogen hegtj kann das vorliegende Werk bestens empfohlen 
werden. Der Verfasser, gestützt durch seine fachliche Beschäftigang mt der 
Tierzaebt und durch eine gründliche Kenntnis der biologischen Literatur, be* 
leuchtet vom eniwickelongsgeschichtlichen Standpunkte aas die biologischen 
Grondarsachen der Geschlechtserschdnangen and wendet mit Vorsicht die an 
Tieren gemachten BeobachtonMn aaf den Menschen an. Die klare gemein* 
vemtändliche Darsteilang wird durch die Darbietung einer Fülle von Inter* 
easantea Tatsachen belebt. Dr. Kiare*Haina (Bez. Cassel). 


]>r. O. Th. HnetUn*Freibarg i. Br.: Mnemoteolmlk der Reaeptologle. 
Leicht faßliche Anleitung zum Erlernen der darch die Pharmakopoe vorge* 
schriebenen Mazimaldosen auf mnemotechnischem Wege. Dritte vermehrte 
and verbesserte Aoflage. Wiesbaden 1907. Verlag von J. F. Bergmann. 
12«; 81 S. Preis: 1,20 M. 

üeber den Wert einer derartigen mnemotechnischen Anleitung kann 
man verschiedener Ansicht sein; daß sie fttr viele eine wesentliche Erleichterong 
bedeutet, beweist die dritte Auflage des Schriftchens, das demnach auch zahl* 
reiche Anhänger gefunden hat. Die Methode ist jedenfalls einfach; mancher, dem 
die Maximaldosen früher Schwierigkeiten bereitet haben, wM sie danach 
spielend erlernen können. Rpd. 


Tagesnachrichtan. 

Die Kommission des Preußischen Abgeordnetenhaases 
zur Vorberatung des Qnellensehntzgesetzes hat in ihrer Sitzung vom 17. d. M. 
insbesondere die Frage erörtert, ob außer den Heilquellen auch andere Quellen, 
wie Tafelwässer und Queilen zur Versorgung von Städten schutzbedttrftig dnd. 
Von der Begiemng wurde darauf hingewiesen, daß für die Quellen zur Wasser* 
Versorgung der Städte das Enteignuogsgesetz genügenden Schatz biete. Aus 
der Kommission wurde hervorgehoben, daß die Begriffe „Heilquellen" und 
^afelwosserquellen* sehr flüssig seien. Schließlich wurde ein Antrag, das 
Gesetz nur auf die Heilquellea zu beschränken, angenommen. Als „gemein* 
ntttzige Quellen" sollen nur solche gelten, die im Interesse der leidenden 
Mensehheit unersetzlich sind. 


Unter Vorsitz des Präsidenten des Beichsversicherungsamts Dr. Kauf* 
mannn fand am 4. d. Mts. in Berlin im Reich sve reicher an gsamt eine 
Konferenz mit Vertretern der Lederinda8trie*Berafsgenos8en* 
Schaft über die Bekämpfung der Hilzbrandgefahr in Gerbereien und Leder* 
fhhrlken statt. Der Vorstand der Berufsgenossenschaft legte eine Statistik 
über die in diesen Betrieben in den letzten zwei Jahren beobachteten Milz* 
brandflüle, ihre Entstehung, ihre Behandlung und ihre Folgen vor, berief sich 
auf die günstigen Folgen einiger typischen Behandlungsmethoden und empfahl 
die Zustimmung des von Sun daraufhin aasgearbeiteten Entwurfs von 
Unfadlverhütungsvorschriften zur Bekämpfung der Milzbrandgefahr. Der Ent* 
warf fand im wesentlichen die Zustimmung der Versammlung; es soll jedoch 
nach drei Jahren auf Grund des bis dahin gesammelten weiteren statistischen 
Materials die Frage der Erweiterung der Vorschriften erneut geprüft werden. 


Am 7. d. M. hat im KönlgL Bayerischen Staatsministerium 
des Innern unter dem Vorsitz des Ministers eine Besprechung über die 



70 


TtgeBDacbriehteiL 


Pro9titatl«aBfltig6 BUttgelniideB, an der ander Vertretern der beteillgtea Staats* 
behOrden aneb Vertreter des Magistrats mehrerer grofien St&dte, sowie Ver* 
treter tod Vereinen teilgenommen haben. Die Beglementiemng, Kaserniemng, 
Untersnchong und Heubebandlang der Prostituierten worden sowohl vom 
Sitten«, als vom gesandheitspolizeilichen Standponkte ans eingehend erörtert, 
desgleichen die Frage, inwieweit eine Aendernng der einschlägigen Be« 
stlmmangen des Strafgesetzbuches geboten erscheine. Das Ergebnis der Ver« 
handlang soll die Grundlage weiterer Erwägungen seitens der Staats« 
regiemng bilden. 


Die IL intenattonale Kenfereni zur Bekimpfong der SeUafkraak« 
helty die am 9. d. Mts. in London beginnen sollte, ist um einige Monate rer« 
schoben, da die französischen Vertreter ihre Vorarbdtnngen dazu noch nicht 
abgeschlossen hatten. _ 


Der Senat der freien Hansestadt Hamburg hat bei der Bürgerschaft 
ie Bewilligung Ton 80000 für die Bebert Koeh« Stiftung beantragt. 


Zn Mitgliedern und stellrertretenden Mitgliedern des 'Beirats der 
Zentralstelle für Yolkswehlfkhrt sind ernannt worden: 

L Vom Beiehe: a) an Mitgliedern: 1. Dr. Althoff, Wirkt. Geh. Bat, 
Ezs., in Steglitz. 2. Dr. Becker, Ext., Oberbürgermeister a. D. in Coin a. Bh. 
8. Bielefeldt, Geh. Beg.«Bat, Vorsitzender der Landesrersichernngsanstalt 
der Hansestädte, in Lübeä. 4. Franz ins, Wirkl. Geh. Admiralitätsrat, in 
KieL 5. Giesberts. Arbeitersekretär, in München, Mitglied des Beichstags. 
6. D. Harnack, WirfcL Geh. Ob.«Beg.«Bat in Charlottenbnrg, Freiherr Heyl 
zu Herrnsheim, Gtoh. Kommerzienrat, in Worms, Mitglied des Beichstags. 
8. Kirdorf, Geh. Kommerzienrat, in Bheinelbe. 9. Charles de Wendel, 
Hüttenbesitzer, in Hayingen, Mitglied des Beichstags. b. zu steÜTertretenden 
Mitgliedern: 1. Behrens, Generalsekretär des Gewerkvereins christlicher 
Bergarbeiter Dentschlands, in Essen«Bttttenscheid, Mitglied des Beichstags. 
2. Cnno, Erster Bürgermeister von Hagen i. W., Mitglied des Beichstags. 
8. Haniel, Geh. Kommerzienrat, in Düsseldorf. 4. Dr. Hildebrandt, 
Senator in Bremen. 5. Junghans, Geb. Kommerzienrat, in Schramberg. 
6. Dr. Muff, Geh. Beg.«Bat, Bektor der Landesschnle zu Pforta. 7. Dr, 
Buegenberg, Geb. San.*Bat, in Bonn, Mitglied des Beichstags. 8. Schack, 
Vorsteher des Dentsch«Nationalen Haadlnngsgehilfenverbandes, in Hamburg. 
Mitglied des Beichstags. 9. Wodrig, Frau Vizeadmiral, Exzellenz, in 
Charlottenburg, Dernbnrgstraße 42. 

II. Von Preufien: a) zu Mitgliedern: 1. t. Dewitz, Landrata.D., Mit« 
glied des Hauses der Abgeordneten, In Berlin. 2. Henning, Bentier, Mit« 
glied des Beichstags, in Berlin. 3. Herold, Gutsbesitzer, Mitglied des 
Beichstags, in Loerelinklon b. Münster L W. 4. Kaftan, Generalsnperinten« 
dent, in Kiel. 5. Mnensterberg, Kommerzienrat, Mitglied des Hauses der 
Abgeordneten, in Danzig. 6. Prof. Dr. Bnbner, Geb. Med.«Bat, Direktor des 
hygienischen Instituts, in Berlin. 7. y. Schenckendorf f, Direktionsrat a. D., 
Mitglied des Hauses der Abgeordneten, in Görlitz. 8. Heinrich Prinz 
T. Schönaich«Carolatb, Landrat a. D., erbliches Mitglied des Herrenhauses, 
Mitglied des Beichstags, in Amtitz bei Guben. 9. Dr. Struckmann, Ober« 
bürgermeister, Mitglied des Herrenhauses, in Hildesheim, b) zu steilyertretenden 
Mitgliedern: 1. Dr. y. Böttinger, Geb. Beg.-Bat, Fabrikdirektor, Mitglied 
des Hauses der Abgeordneten, in Charlottenburg. 3. Prof. Dr. Fafibender, 
Mitglied des Hauses der Abgeordneten, in Friesdorf «Godesberg. 4. Karcher, 
Kommerzienrat, Fabrikbesitzer, in Beckingen a. d. Saar. 5. Leyin, Fabrik« 
hesitzer, in Göttingen. 6. Bothe, General der Artillerie z. D., Exz., In 
Charlottonburg. 7. Dr. Schiffer, Kammergerichtsrat, Mitglied des Hauses 
der Abgeordneten, in Berlin. 8. Dr. Schroeder, Landesrat, Mitglied des 
Hauses der Abgeordneten, in Cassel. 9. y. Schubert, Generalleutnant z. D., 
Exz,, io Berlin. 


Prelsermisslgung desAutans. Die Elberfelder Farbwerke, yormals 
Bayer tt. Comp., haben eine neue Antanpackung (Packung B.) in den Handel 



SpreduMl 


71 


g^nehky die eine weeenUieb höhere Deeinfektionswirkiug eie die frfihere be» 
sitti ud eilen ron emtilcher Seite gestellten Anfordenugen en Formel* 
dehjd- und Weeeerdempfentwieklang entspricht. Gleichz«itig heben eie 
nir eile MedizinelbehOrden, Stedtverweltangen, Gemeinden, Eisenbehn- nnd 
endere Verweltongen, Krenkenenstelteo, Militärbehörden etc. eine erhebUohe 
Preisherebsetsong eintreten lessen, so defl sich die Kosten einschl. Ammonieek* 
entwickiong für ^ cbm Benmeffekt enf 2,06 H. stellen, fttr 40 cbm enf 3,60 M., 
fSr 60 cbm enl 6,06 M., fttr 80 cbm enf 6,76 M., fOr 110 cbm enf 8,40 M. nnd 
für 176 cbm 14 M. Bei Kertonpeckong oder freier Bttcksendnng der Blech* 
bftehsen tritt noch eine weitere kleine Preisermifiignng ein, die bei 20—40 cbm: 
6 Pfg, bei 60 «bm: 10 Pfg., bei 80 nnd 110 cbm: 16 Pfg., bei 176 nnd mehr 
ebm: 26 Pfg. beträgt. _ 


ErkrnnknngeB nnd Todeefllle an ansteekenden Kraakhelten ln 
Prenaaen. Nech dem Ministerialblatt für MedldniJ* nnd medlzinisehe Unter* 
richts* Angelegenheiten sind in der Zeit vom 16. bis 28. Dezember ▼. J. erkrankt 
(geetorbein en: Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, Bttckfellfiober, 
Pest nnd Botz: — (—); Anssetz: — (—), — (1); Pocken: 10 (8), 
6 (1); Tollwnt: 1 (—^), — (1); Bißyerletzngen dnroh tollwnt* 
rerdächtige Tiere: 9 (—), 2 (—); Milzbrand: 8 (1), 8 (1); Bnhr: 
4 (—), 1 (—); Unterlelbstyphns: 801 (89), 189 (21); Diphtherie: 
1879 1184), 1621 (99); Soherlech: 1870 (106), 1420 (88); (jenicksterre: 
19(11), 16(10); jQndbettfieber: 184 (29),98(24);Fleisch*nnd Wnrst* 
Torgiftnng: 2 (—), — (1); KOrnerkrenkheit (erkrankt): 120, 78; 
Tnberknloae (geetorben): 611, 879. 


MpraohaaaL 

Anfirage des Sreisaratea Dr. D. In B.: Hat der Kreisarzt An- 
sprnch enf Terminsgebtthren in Hohe von 6 M., wenn er in 
seinem Wohnort yon dem Stadtanaschnß als Sachyerständiger 
eingeladen wird, ^behnfs Teiinahme an den Verhandinngen 
einer Konzessionssache bezw. Abgabe eines Gntaehtens ttber 
eine Konzessionssache, die wegen Einsprnchs yon Interessen¬ 
ten znr mttndlichen Verhandinng gelangt? Verneinenden 
Falles: Darf der Kreisarzt 1,60 M. Fnhrkosten — als yollbe 
solidster Kreisarzt — liquidieren? 

Antwort: Nach den Erlassen vom 9. Mai und 11. Dezember (Mia.-Bl. 
f. d. i. V. 1874 (8.119 und 1876, 8. 286) haben die Hedizinalbeamten fttr die* 
jeaigen Verrichtungen, die sie im allgemeinen staatlichen Interesse bisher im 
Aumage ihrer Vorgesetzten Behörde unentgeltlich zu vollziehen hatten nnd 
nunmehr auf Bequisition der Kreis- und Bezirksansschttsse usw. voUziehea, 
keinen Anspruch auf Gebtthren. Zu diesen Verrichtungen gehört nach dem 
Erlaß des Min. der Med.-Angel, vom 13. August 1902 und des Min. f. Handel 
nnd Gewerbe v. 26. Oktober 1904 — Ula 8448 — die Prttfnng der Unterlagen 
fttr Anträge auf Genehmigung gewerblicher Anlagen gemäß § 18 B.-G.-0. so- 
vrie die Teilnahme an den Verhandinngen der BeschlnßbehOrde gemäß § 118 
L.-V.-G. In letzterem Falle hat er jedoch Anspruch auf Fnhrkostenentschädignng 
(1^ M.) gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 9. März 1872, die nach dem 
MiB.-Erl. vom 2. Dezember 1902 auch dem vollbesoldeten Kreisärzte zusteht. 
Ist der Kreisarzt aber im Verlaufe des Genehmigungsverfahrens ansdrttcklioh 
als ßachverständiger vorgeladen, sei es zu einer 81tzung der Beschluß 
behOrde oder zu einer Örtlichen BesiehUgnng, so erhält er die fttr 8achver- 
ständige vorgesehenen Gebtthren und Entschädigungen. 


Anfrsge des Kreisarztes Dr. K. in 8eh.: Kann man, wenn der 
am Terminstage in Betracht kommende Zug im Winter bereits 
vor 7 Uhr frtth vom Wohnorte abgeht, mit beliebiger anderer 
Fahrgelegenheit (Automobil) zum Termins ort (8chiedsgerioht 
in Unlallsachen) reisen nnd dann fttr die Hinreise die Land* 
wegentsehidigung, soweit sie ein Tagegeld nicht flbersteigt, 
beanspruchen? 

Antwort: Naeh F 2 der AusfOhrungsbestiinfflUBgen an den Vorschriften 



72 


Berlchtigang. 


ttber die Tagegelder and Beieekoeten der Staatsbeamten rom 11. November 190S 
(G. 8. S. 248) erfolgt die Berechnong der Reisekosten ohne BOcksicht daranf, 
welchen Weg der Beamte tatsächlich eingeschlsgen nnd welches BelOrderongs- 
mittel er benutzt hat, nach demjenigen Wege, der sich für die Staatskasse 
unter Mitberhcksichtignng des Tagegmderbezuges als der’mindest kosupielige 
darstellt und nach dem Zweck der Reise und den Umständen des besonderen 
Failes auch von dem Beamten wirklich hat benutzt werden können. Da fan 
vorliegenden Falle die Reise am Terminstage mit dem schon vor 7 Uhr morgmis 
abgehenden FrOhzuge im Winter nicht angetreten zu werden braucht (B 2 a. a. 0.), 
mit einem späteren Zuge aber der Terminsort nicht rechtzeitig erreicht werden 
konnte, ist zu liquidieren, als ob die Reise mit der Eisenbahn am Tage vor 
dem Termin ausgefUhrt ist. Nach dem Landwege kann dann berechnet werden, 
wenn das Ziel am Terminstage ftberhaupt durä Fuhrwerk bei Antritt der 
Reise um 7 Ohr rechtzeitig zu erreichen ist, und sich die Kosten geringer stellen, 
als lOr die Fahrt mit der Eisenbahn am vorausgehenden Tage. 

Rechtsmittel: Im vorliegenden Falle Mschwerde an das Reichsver- 
sichemngsamt. 


Anfrage des Krelmrstes Dr. N. In N.t Können nicht bezahlte 
Gebühren für amtsärztliche Zeugnisse usw. auf dem Ver¬ 
waltungswege oingezogen werden? 

Antwort: Nein! Die Vorschriften über die materiellen Voraussetzungen 
der Anwendbarkeit des Verwaltungszwangsverfahrens (König!. Verordnung vom 
16. November 1899 — G. S. S. 545 —), insbesondere darüber, welche Abgaben, 
Gefälle und sonstigen Geldbeträge der Beitreibung unterliegen, sind teils in 
dnzelnen Verordnungen (z. B. für die Rheinprovinz vom 24. November 1843) 
enthalten, teils ist in den betreftenden Gesetzen usw. ausdrücklich ausgesprochen, 
daS das Verwaltungszwangsverfahren Anwendung finden kann. Für die Ge¬ 
bühren der Medizinalbeamten ist eine solche Anordnung aber nicht getroffen; 
es empfiehlt sich daher, derartige Zeugnisse nur gegen Barzidilang auszu- 
händigen, um etwaige spätere genchtliche Klagen zu vermeiden. 


Anfra^ des Dr. Br. In 8.t Ein Rechtsanwalt beauftragt 
mich zu einer amtsärztlichen Untersuchnng mit folgendem 
Schreiben: .Namens der Ehefrau N. N. habe ich gegen deren 
Ehemann den abschriftlich anliegenden Antrag auf Ent¬ 
mündigung gestellt. Das Kgl. Amtsgericht in S. hat die 
Beibringung eines ärztl. Zeugnisses angeordnet und bitte 
ich Sie deshalb, den p. N. untersuchen nnd mir das Gutachten 
übersenden zu wollen.“ Ist dor betr. Rechtsanwalt in diesem 
Falle mein Auftraggeber, an dem ich mich mit einer Liqui¬ 
dation zu wenden nabe? Der Rechtsanwalt hat mich an die 
Ehefrau verwiesen, diese ist aber zahlungsunfähig. 

Antwort: Der Rechtsanwalt hat im vorliegenden Falle als Mandator 
seines Klienten den Auftrag erteilt und ist demzufolge auch haftbar für die 
Kosten. Da der Kreisarzt aber nicht verpflichtet ist, amtsärztliche Zeugnisse 
an Privatpersonen — als solcher ist aueh der Rechtsanwalt trotz der gerioht- 
lichen Anordnung anzusehen — ohne sofortige Bezahlung aaszuhändigen, so 
empfiehlt es sich, in solchen Fällen entweder einen Kostenvorschuß zu verlangen 
oder die Anshändigang erst nach Entrichtung der Gebühr eintreten zu lassen. 


Berlchtlsmnii;. 

ln dem Artikel .Tagebuch und Jahresbericht* der vorigen Nummer ist 
ein verwirrender Druckfehler stehen geblieben: Es muß auf 8. 20 am SeUuß 
des dritten Absatzes nicht .1—24“, sondern ,)1—124** heißen, denn es sind im 
ganzen 124 Spalten. Alles, was unter die üeberschrift einer Spalte fällt, erhält 
einfach die Zahl dieser Spalte, event. auch zweier Spalten; die Zugehörigkeit 
zum Abschnitt A, B oder C ergibt sich dabei von selbst. Gegenstände, für 
die keine Spaltenüberschrift da ist, werden je nach der Zugehörigkeit mit A, 
B oder C bezeichnet. Dr. Berger. 


Verantwortl. Redakteur: Dr. Rapmund, Reg.-n. Geh. Ued.-Rat in Minden i. W. 
J. C C. Braaa fsnoal- OZeba n. V. Sek.-L. Hofbaebdrackerai ta Mlndsa. 




it Jahrg. 


Zeitschrift 


I90d. 


Mi 


MEDIZINALBEAMTE. 


ZMtralklatt für du gesurta BnnidlMibmsm, 

fQr gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Hemugegeben 

Dt. OTTO rapmünd, 

Bagtomg«- ud e«k. MedlUnalMt Ib JUnte. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussisohen, Bayerischen, Wörttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag Yon Flseher’s medis. Buehhandlg, H. Kornfeld, 

Bww* Bof* M» 8 nlMnO 0 l. 

Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

figgriti wfhMmu Be TtrIafAaadlmg sowlt alle iinaoneeib-IrpedltleBem dea ln* 

sDd AaMaade« entverea. 


Nr. 3 . 


s. 


•nA SO. J«Aeu Mraate. 


5. Februar. 


Ueber die Meldepflicht der Hebammen bei Wochenbettfieber. 

Von 8. Winter. 

Direktor der KOnigUcheii ünirerait&tS'Fraaeiiklinik und HebammmenleliraiutaU 

in Königsberg L Pr. 

Die neue Ausgabe des preußischen Hebammenlehrbuchs yon 
1905 bringt als eine ihrer wichtigsten Nenemugen im § 481 (Ver* 
lialten der Hebammen und Vorschriften) die Bestimmnng „bei 
jedem Fieber im Wochenbett yon mehr als 38^ dem 
Kreisarzt ungesäumt Anzeige zn erstatten.* Damit 
wurde die Bestimmung der Ausgabe 1904, daß die Hebamme 
den beim Ansbrach yon Fieber hinzugezogeuen Arzt fragen solle, 
ob Eindbettfieber yorliege und im bejahenden Falle sofort dem 
^eisarzt Meldung machen sollte, aufgehoben. 

Die grundsätzliche Aenderung des Meldungsyerfahrens, 
welches den Arzt als Quelle der Meldung ausscbließt und die Hebamme 
an seine Stelle setzt mit den daraus erwachsenden Konsequenzen, 
sowie die Schwierigkeiten und Bedenken, welche der allgemeinen 
Dnrchf&hrung dieser Bestimmung in der Praxis erwachsen könnten, 
waren die Veranlassung fär die „Vereinigong zur Förderung des 
Dentschen Hebammenwesens* auf ihrer letzten Tagung in Dresden, 
an der Hand eines yon Poten erstatteten Beferats eich über 
diese nene Art der Meldung auszusprechen. Die Stimmung der 
Versammlung, war dieser neuen Bestimmung nicht günstig. Die 
wichtigsten Ein wände, wdche gegen das neue Meldeyerfahren 
gemacht worden, waren: 














74 


Q. Winter. 


1. daß die Hebamme nicht pflichtgemäß melden würde, weil eie 
Belästignng iflr ihre Person und Schäden ittr ihre PraziB 

^ fürchten za müssen glaube; 

2. daß die Kreisärzte nicht im stände wären, den pflichtgemäß 
eingegangenen Meldungen das vorschriftsmäßige Ermitteinnga- 
vertahren folgen zu lassen, weil sie dazu nicht die nütige 
Zeit hätten. 

Wenn auch nene praktikable Vorschläge nicht gemacht 
werden konnten, so war doch die Unzufriedenheit mit dem neuen 
Meldungsverfahren so allgemein, daß es nicht unmöglich erscheint, 
daß das Kultusministerium dasselbe abermals zur Beratung stellt 
und, dem Druck der Unzufriedenheit nachgebend, Konzessionen 
macht oder die neue Meldepflicht wieder abschafft. 

Leider war ich verhindert, an den Dresdener Verhandlungen 
teilzunehmen; da ich aber als langjähriger Hebammenlehrer und 
als Mitglied der Kommission, in welcher diese Meldepflicht be* 
schlossen wurde, an ihrem Schicksal sehr interessiert bin, so 
möchte ich meine Ansichten und Erfahrungen über diese nicht 
zurflckhalten. 

Zunächst möchte auch ich mich dahin anssprechen, daß der 
Arzt als der für die Diagnose .Kindfettfleber“ verantwortliche 
Melder dauernd aasgeschaltet werden muß. Ich will dem betei* 
ligten Arzt nicht den Vorwurf bewußter Schönfärberei, geschweige 
denn den der absichtlichen Unterschlagung der Diagnose des ,Eind* 
bettflebers" machen; er wird aber, so lange seine Person als 
Leiter der Gebart in Frage kommt, geneigt sein, die Diagnose 
,Kindbettfleber*‘ zu umgehen oder möglichst lange hinauszu- 
schieben, weil heute jeder gebildete Laie über die Entstehungs- 
Ursachen desselben orientiert ist. Wenn die Hebamme dagegen 
entbanden hat, so wird die Meldung des Arztes dadurch beein¬ 
flußt werden können, daß ihm Rücksichtnahme auf die eine oder 
strenge Beurteilung der anderen opportun erscheint. Die Er¬ 
fahrungen, welche aus den beiden größten Bundesstaaten, Preußen 
(Bunge) und Bayern (Stampf), mitgeteilt wurden, sprechen 
dafür, daß wir mit der ärztlichen Meldepflicht nicht zu unserem 
Ziel, von jedem Kindbettfleberfall rechtzeitig Kenntnis zu be¬ 
kommen, gelangen. Weitere Versuche mit dieser Art der Mel¬ 
dung dürfen auch nicht mehr gemacht werden. 

Wenn nun die erste Meldung der Hebamme obliegt, so 
muß man die Hoffnung, von jeder wirklich vorhandenen Tem- 
peratursteigerung über 38^ Kenntnis zu bekommen, von vorn¬ 
herein aufgeben. Einmal gibt es noch immer eine Reihe von 
Hebammen, welche den Thermometer nicht regelmäßig gebrauchen; 
selbst wenn die Hebamme aber regelmäßig mißt, werden eine 
grosse Zahl von Temperatnrsteigerungen ihr entgehen, weil sie 
Uire Wöchnerinnen nur einmal täglich besucht (ein zweimaliger 
Besuch wird äusserst selten ausgeführt) und auf dem Lande die 
Besuche noch viel seltener ausgeführt werden. In einer Ver¬ 
sammlung von Hebammen aus dem Stadt- und Landkreis Königs¬ 
berg habe ich feststellen können. 



üeber die Meldepdicht der debammon bei Wockenbettfieber. 


75 


dM8 von 59 anwesenden Stadthebammen jede täglich einen, 
aber nnr zwei täglich zwei Besache gemacht haben 
dass von 16 anwesenden Landhebammen keine einzige die 
regelmässigen Besuche hat dnrchfdhren können. 

Mit diesen Verhältnissen wird man immer rechnen müssen, 
wenn sie sich auch im Laufe der Jahrzehnte, mit Aofbessernng 
des Hebammenstandes, etwas günstiger gestalten mögen. Viel 
wichtiger ist es, dass die Hebamme die Temperatarsteigernngen, 
welche sie findet, nnn auch wirklich anmeldet. Natürlich wird 
auch sie, ebenso wie ich es vorher vom Arzte annahm, schönftr- 
ben, d. h. Temperatarsteigernngen unterschlagen und sie wird 
es a priori wahrscheinlich viel häufiger als der Arzt tun, weil 
sie den Sinn der Sache nicht einsieht. Anf alle diese Gründe 
ist es nnn znrückzaführen, dass Meldungen von den Hebammen 
beim &eisarzt erstaunlich selten einlanfen. Ich kann nnr über 
zwei offizielle Daten aus dem Jahre 1907 verfügen, welche aber 
durch ihre Gegensätze (Grosstadt und Land) interessant sind: 

In Königsberg (Stadt) worden auf 6271 von Hebammen ge¬ 
leitete Entbindungen des Jahres 1907 19 mal Temperaturen über 
88 ^ gemeldet = 0,3 %. 

In Königsberg (Land) worden anf 1234 von Hebammen ge¬ 
leitete Entbindnngen des Jahres 1907 15 mal Temperatnren Über 
38^ gemeldet = l,2**/o* 

Das ist so erstaunlich wenig, daß man ohne weiteres den 
Schloß ziehen muß, daß nur der kleinste Teil der vorhandenen 
Temperaturen wirklich gemeldet worden ist; aus welchem Grande 
dies unterlassen wurde, kann ich natürlich nicht angeben. Jeden¬ 
falls nehme ich für die ostpreußischen Hebammen zum mindesten 
dasseloe Pflichtbewußtsein in Anspruch wie anderswo; der kate¬ 
gorische Imperativ der Pfiicht liegt dem Ostpreußen im Blut. 

Wir sind ja auch vorläufig gar nicht im stände, zn sagen, 
wieviel Temperatarsteigernngen nicht gemeldet worden sind, weil 
wir gar keine Anhaltspunkte über die Häufigkeit derselben in 
der Anßenpraxis haben. Vielfach, so auch bei der Tagung in 
Dresden, ist der Fehler gemacht worden, die Fieberfreqnenz der 
Klinik anf die Außenprazis zn übertragen. Daß ist ein großer 
Irrtnm, denn die in der Klinik so häufigen Eintagsfieber entstehen 
durch die zahlreichen üntersuchungen und Anhäofnngen von 
Wöchnerinnen in gemeinschaftlichem Saale; diese Gründe fallen 
außen weg. Brauchbare Statistiken über die Häufigkeit von 
Temperatursteigerungen in der Außenprazis fehlen noch voll¬ 
ständig; ich schätze sie vielleicht auf 5—lO^/o. Immerhinsehen 
wir, wie weit wir von unserem Ziele, alle Temperataren über 
88*^ kennen zu lernen, entfernt sind. 

Für uns ist nun als Hauptziel hinznstellen, daß die 
Hebamme die von ihr gefundene Temperatur auch 
wirklich meldet. Das wird davon abhängen, wie ihr dabei, 
namentlich vom Kreisarzt, begegnet wird. Vor allem muß ihr 
die Ansicht genommen werden, daß sie an jeder Temperaturstei- 
gerung Schuld ist. Wenn sie eben nur die Tatsache des Fiebers 



*76 


Ö. Wlatef. 


meldet and nicht immer das pater peecavi dahinter zn Ahlen 
brancht, so wird sie schon seltener Temperataren nnterschlagen; 
hierin kann ich Veit nar beistimmen. Noch viel wichtiger ist 
es, daß sie in ihrem Renommee and ihrem Srwerb keinen Schaden 
leidet and das hftngt wieder von der Anffassong and dem takt- 
Tollen Verhalten des Kreisarztes ab. Wenn dieser bei jeder 
Temperatar Aber 88 ® die Hebamme mit Sack and Pack sich des¬ 
infizieren läßt oder sie fttr längere Zeit saspendiert, so wird die 
Hebamme bald aufhören za melden. Anders wenn der Kreisarzt 
mit Sachkenntnis and Takt die Bedentong des Falles erkennt 
and sich die richtigen Hebammen Ar das strenge Verfahren 
heraoszaholen weiß. Als Beispiele Ar das verschiedene Vor¬ 
gehen des Kreisarztes fahre ich an, dass z. B. der Kreisarzt des 
Landkreises Königsberg bei 14 Meldungen nor eine Hebamme 
sich hat desmfizieren and pansieren lassen and der Elreisarzt 
des Stadtkreises nnter 19 Fällen 15 mal die Hebamme sich hat 
desinfizieren, aber niemals pausieren lassen (wobei natürlich die 
leichte Desinfektionsmöglichkeit in der Stadt ebenfalls eine Bolle 
spielt). Immerhm wird es m erster LAie von dem Vorgehen des 
&eisarztes abängen, wie die Hebamme sich mit ihren Meldungen 
verhalten wird. 

Wenn es non scheAt (wenigstens ans meAen beiden sta- 
tistmchen Angaben), als ob die Meldepfiicht der Hebamme eben¬ 
falls Fiasko machen könnte, so wäre es weit gefehlt, sie des¬ 
halb schon wieder auf heben za wollen; denn wir müssen doch be¬ 
denken, daß die Meldepfiicht nicht Selbstzweck ist, sondern nar 
eA Mittel za dem Zweck, die wirklich Afektiösen Puerperalfieber- 
Alle rechtzeitig zur Kenntnis za bekommen and Are Weiterver- 
breitang durch die Hebammen za verhindern. Darauf kommt es 
in letzter Linie an und was das jetzige System A diesem Punkte 
lerntet, können wA doch noch garnicht ttbersehen. Das werden 
ans erst die Berichte der Kreisärzte nach Jahren melden können. 

Aus diesen GrAnden würde ich es als einen schweren 
Fehler halten, wenn wesentlich auf Grund theoretmcher EAwen- 
dangen die segensreiche Bestimmung der Hebammenmeldepfiicht 
wieder aufgehoben würde. 

Ein weiterer Einwand der Gegner der neuen Meldepfiicht 
ut der, dass das Ermittelungsverfal^en, welches die Kreisärzte 
bei den Fiebermeldungen anstellen sollen, denselben eAe Arbeit 
aoferlegt, welche sie allein schon aus Mangel an Zeit nicht lernten 
könnten; Poten z. B. spricht für Hannover von Aglich 3—4 
Ermittelungsverfahren; er und alle anderen, welche dieselbe 
Meinung haben, gehen von der durch nichto bewiesenen Annahme 
gas, dass zAka 20®/o aller Wöchnerinnen Temperaturen über 
88® haben. Und wenn es wAklich der Fall wäre, so habe ich 
doch oben bewiesen, dass die Meldungen derselben beim Kreisarzt 
nicht eAgehen and niemals eAgehen werden. So wie die Ver¬ 
hältnisse jetzt liegen, kann von eAer Ueberlastnng des KreA- 
arztes keAe Bede seA. So z. B. hatte der Kreisarzt des Land- 
kreues Königsberg im ganzen Jahre 1907 nor 14 and der des 



üeber die Heldepflicht der Hebunmen bei Wocbeobettfleber. 


77 


Stadtkrdses nur 8 Ermittelon^verf&hren ang^eBtellt. Ist das flber- 
hanpt der Bede irertP Non wollen wir ja aber erreichen, dass 
die Zahl der Meldangen den wirklich vorhandenen Temperatnr- 
steigerangen näher kommt nnd es fragt sich, ob der ^eisarzt 
an<^ dann noch die von ihm verlangte Arbeit leisten kann ? Un¬ 
bedingt, wenn der richtige Masstab an dieselbe angelegt wird. 

Das Landessenchengesetz (vom 28. Angast) sa^ nun hier- 
Aber in § 6: 

«Auf Erkrankungen, Verdacht der Erkrankungen und Todes¬ 
fälle an Eindbettfleber usw. finden die in § 6 bis 10 des Beichs- 
gesetzes vom 30. Juni 1900 enthaltenen Bestimmungen fiber, die 
Ehmittelung der Krankheiten entsprechnnde Anwendung*," und 
diese verlangen, „dass der Kreisarzt unverzöglich an Ort nnd 
Stelle Ermittelungen über die Art, den Stand und die Ursache der 
Erkrankung vomimmt* usw. Danach wäre der Kreisarzt gesetz¬ 
lich gehalten, bei jedem Verdacht auf Kindbettfieber die örtliche 
Emittelung vorzunehmen. Wann liegt nun ein solcher Verdacht 
vorP Das ist doch dem Ermessen des &eisarztes überlassen. Hier¬ 
bei ist nun immer der Irrtum begangen, den Ausdruck „Kindbett- 
fieberverdacht* des Hebammenlehrbachs als Ausgangspunkt für seine 
Verpfiichtung zu nehmen. Das ist aber falsch; dieser Ausdruck hat 
mit dem in § 6 des Landesseuchengesetzes erwähnten „Verdacht auf 
Kindbettfieber, Typhus, Genickstarre usw.* nichts zu schaffen, son¬ 
dern ist erst nach der Formulierung des Landesseuchengesetzes in i 
das Hebammenlehrbach, wesentlich für didaktische Zwecke, aufge* 
nommen worden. Wenn der Kreisarzt von dem „Kindbettfieber¬ 
dacht* des Hebammenlehrbachs ausginge, so würde er allerdings 
ein Ermittelungsverfahren im weitesten Sinne zu leisten haben; 
das Landessenchengesetz überlässt es ihm aber, Verdacht zu 
schöpfen, wo er wiU. Die Kreisärzte denken auch gar nicht da¬ 
ran, bei jeden Fall von Kindbettfieberverdacht im Sinne des 
Hebamme^ehrbuchs ein Ermittelungsverfahren anzustellen. Zum 
Beispiel hat der Kreisarzt von Königsberg unter 19 Fällen von 
Kindbettfieberverdacht im Sinne des Lehrbuchs (d. h. Meldangen 
über 38*) nur 8 mal ein Elrmittelungsverfahren angestellt. 

Man muss den Geist der Verordnungen im Auge behalten, 
nnd der soll doch nur der sein, dass der l&eisarzt jeder Weiter- 
verbreitung des Kindbettfiebers entgegenwirkt. In diesem Sinne 
wird er natürlich sofort ermitteln, wann eine Hebamme, welche 
schon Fälle von Kindbettfieber gehabt oder welche ihm als an- 
sanber bekannt ist, Fieber meldet; im entgegengesetzten Falle 
wird er die Sache auf sich beruhen lassen oder wenigstens nur 
im Auge behalten; man kann und muss dem Kreisarzt in dieser 
Beziehung volle Freiheit lassen. Die Kommission, welche 1905 
die jetzt geltende Meldepfiicht der Hebamme formulierte, hat 
auch gar nicht daran gedacht, dass der Kreisarzt bei jeder 
Temperatur Aber 38* persönlich ermitteln soll, sondern sie hat 
ihm nur die Möglichkeit gewähren wollen es zu tun, wenn 
er es für nötig hält. Wenn man das Verhalten des Kreisarztes 
in diesem Sinne auffasst, kann von einer Belastung desselben mit 



78 Dr. Erobne: üeber die bisberigea Erfolge der Bebudliug der 

nnaiuifiUirbarer Arbeit gar nicht die Bede sein, selbst wenn die 
Fiebermeldangen von Seiten der Hebammen noch viel zahlreicher 
einlanfen, als es jetzt geschieht. 

Meine Ansfübrangen sollen verhindern^ dass die ansseror- 
dentlich segensreiche Meldepflicht der Hebamme den mehr oder 
weniger theoretischen Einwänden, wie sie namentlich in Dresden 
geänssert sind, zum Opfer fällt, und sollen die Anregung geben 
über den genannten Schwierigkeiten nicht den wahren Zweck der 
Verordnung ans dem Auge zu verlieren. Es wäre nun an der 
Zeit, dass die Kreisärzte sich in grosser Zahl darüber 
änsserten, wie die Meldepflicht in der Praxis in for¬ 
maler Hinsicht funktioniert und was mit derselben 
für den eigentlichen Zweck erreicht wird. Noch viel 
besser wäre es, wenn die Zentralbehörde, am besten 
das Ministerium, durch eine Enquete bei den Kreis¬ 
ärzten sich über beide Punkte informierte; ich habe 
das Vertrauen zu demselben, dass es nur auf Grund 
einer solchen etwaige weitere Aenderungen in der 
Meldepflicht verfügen wird. 


Ueber die bisherigen Erfolge der Behandiung der 
epidemischen Genickstarre mit Genickstarre-HeÜserum im 
Regierungsbezirk DUsseidorf. 

Von Kreisarzt Dr. Kroline, ständigem Httlfsarbeiter an der KOnigl. Begiemng 

zu DOsseldorf. 

Das seit 1904 in Preußen — und zwar vorwiegend in Ober¬ 
schlesien und dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet — zu 
beobachtende gehäufte Auftreten der epidemischen Genickstarre 
mit bis jetzt mehr als 6500 Erkrankungen und rund 4200 Todes¬ 
fällen hat uns mit den erschreckenden Sterblichkeitsziff'em der 
Seuche die fast vollkommene Machtlosigkeit der bisherigen Be¬ 
handlungsmethoden der übertragbaren Genickstarre wieder einmal 
recht drastisch vor Augen geführt. Die so außerordentliche, 
jeden Genickstarrekranken bedrohende Lebensgefahr macht es 
auch dem Medizinalbeamten zur Pflicht, nicht nur im Sinne der 
Bestimmungen des Landesseuchengesetzes vom 28. August 1905 alle 
nur irgendwie anwendbaren Maßnahmen zur Verhütung der Weiter¬ 
verbreitung der Genickstarre im Verein mit den Polizeibehörden 
zur Durchführung zu bringen, sondern auch die modernen Heil¬ 
versuche der Behandlung der Genickstarre mit Heilserum bezw. 
andere geeignete Methoden aufmerksam zu verfolgen und im 
Einvernehmen mit den praktischen Aerzten — soweit dies an¬ 
gängig und durchführbar erscheint — an den Versuchen zur 
Herabdrückung der Sterblichkeitsziffer der Genickstarre mitzu¬ 
arbeiten. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend hat der Herr 
Begiernngspräsident zu Düsseldorf bereits Anfang des Jahres 1907 
mit Bücksicht auf die bereits im Jahre 1906 im hiesigen Begie- 
mngsbezirk mit teilweise günstigem Erfolge gemachten einzelnen 



epidem. GeBiebtorre mit(}eiilck8tarr««HeU8eramimBeg.>Bez. Dtlsteldorf. 79 


Yenaelie^^ einer Behandlnng mit Genickstarre •Heilserum mittelst 
einer Yerngnng die sämtlichen Kreisärzte angewiesen, mit den 
Aerzten ihres Kreises — namentlich mit den Krankenhansärzten 
— in Yerbindnng zu treten and auf die Anwendong des Genick¬ 
starre •Heilserams in allen geeignet erscheinenden and sicher 
festgestellten Fällen hinzawirken. Gleichzeitig werden die Kreis¬ 
ärzte anfgefordert, Aber alle mit Heilsernm behandelten Genick- 
starreiälle bis za einem bestimmten Zeitpankt za berichten. Das 
j^zt non Yorliegende Ergebnis der bisher mit Genickstarre-Heil- 
serom behandelten Erkrankangen nnseres Begierungsbezirks ist 
ein im allgemeinen recht erfrenliches and interessantes, weshalb 
ich mit Rücksicht anf die Wichtigkeit der Angelegenheit and 
namentlich in Hinsicht daranf, daß bisher erst wenige Beobachton- 
gen über dies Gebiet veröffentlicht worden sind, nnser Material — 
das meines Wisgens das bisher nrnfangreichste ist — hiermit be¬ 
kannt geben möchte. 

Bis jetzt sind im Reg.-Bez. Düsseldorf in den Jahren 1906 
and 1907 135 dorchweg sicher diagnostizierte Erkrankangen an 
epidemischer Genickstarre mit Genickstarre-Heilsernm be¬ 
handelt worden. Yon diesen 135 Fällen sind 70 als geheilt ans 
der Behandlnng entlassen, 1 Erkranknng befindet sich seit 8 
Wochen noch in Behandlnng and ist soweit gebessert, daß ihre 
Hdlang mit Wahrscheinlichkeit za erwarten ist, während 64 der 
mit Sernm behandelten Erkrankangen tödlich verlaafen 
sind. Diese Zahl entspricht also einer Gesamtmortalität von 47,6 
gegenüber einer Sterblichkeit von rnnd 66 der übrigen im Reg.- 
Bez. Düsseldorf bezw. der in Oberschlesien vorgekommenen, nicht 
mit Heilsernm behandelten ca. 650 bezw. 4000 Erkrankangen. 
In den 64 tödlich verlaufenen, mit Sernm behandelten Fällen sind 
non allerdings auch alle diejenigen Fälle mit eingerechnet, die 
einmal vermöge der schweren, znm Teil apoplektitormen Krank- 
heitserscheinnngen, dann aber besonders wegen der viel za spät — 
manchmal erst nach 10—14 Tagen — einsetzenden Serambehand- 
lang von vornherein keine oder doch nur eine sehr geringe Ans¬ 
sieht auf einen Heilerfolg darboten. Betrachten wir dagegen 
unter Berücksichtignng dieses Umstandes nur diejenigen Fälle, 
in denen — soweit festgestellt werden konnte — die Behandlung 
mit dem Genickstarre-Heilserum schon in den ersten 3—4 Tagen 
nach dem Aaftreten der ersten Krankheitserscheinangen einge¬ 
leitet wurde, so ergibt sich, daß von den hier in Betracht kom¬ 
menden 72 Fällen 48 geheilt and nur 24 = SSVs^/o verstorben 
sind; im Gegensatz za dieser günstigen Zahl hätten wir dann 
für die erst im vorgeschrittenen E^rankheitsstadium mit Heilserum 
behandelten 63 Fälle, von denen allein 40 verstorben und nur 23 
geheilt sind, eine Mortalität von 63,2 °/o za berechnen, eine Ziffer, 
die demnach hinter der bisherigen dnrchschnittlichen Sterblich¬ 
keitsziffer der Genichstarre von 66 *’/o nar wenig zarückbleibt und 


1) Siehe die Arbeit des VerfMsers betr. dM Auftreten der epidemischen 
Qenickstarre im Beg.-Bex. DSsseldorl im Band XYU des Klio. Jahrbuches; 1907. 



80 


Dr. Krobne: Ueber die bisberigen Erfolge der Bebeadliug der 


erneut beweist, daß ebenso, wie z. B. bei Diphtherie und Tetanus, 
die Serumbehaudlung' im aligemeineu nur ^nn einen deutlichen 
Erfolg verspricht, wenn sie möglichst frühzeitig, d. h. noch ehe 
der erkrankte Körper von den toxischen Prod^ten des Krank- 
heitsprozesses gleichsam überschwemmt und in sdner Wider¬ 
standskraft gegen die fortschreitende deletäre Wirkung der infek¬ 
tiösen Stoffe total geschwächt ist, eingeleitet wird. 

Der Krankheitsverlauf der nach Serumanwendung geheilten 
und zwar besonders der im Frühstadium behandelten Fälle charak¬ 
terisierte sich meist durch eine bald nach den Injektionen des 
Mittelseintretende, manchmal sofortige Besserung des Fiebers 
und der übrigen Krankheitserscheinnngen. So wurde z. B. in 
einem völlig desolat ins Krankenhaus eingelieferten FaÜ, bei dem 
allerdings die Serumbehandlnng noch sofort am ersten Krankheits¬ 
tage begonnen wurde, noch Heilung erzielt. Aber auch unter 
den 23 noch im Spätstadinm geheilten Erkrankungen waren noch 
einige Fälle, bei denen trotz anfangs bestehender, äußerst schwerer 
Symptome schon unmittelbar nach der Injektion eine auffallende 
Besserung bemerkbar wurde, die dann relativ rasch zur Heilung 
führte. Des weiteren ist die Tatsache recht bemerkenswert, daß 
auch bei 10 von den 64 tötlich verlaufenen Sernmfällen nach den 
jedesmaligen Injektionen anfänglich eine deutliche Besserung der 
Krankheitserscheinnngen (sofortiger Fieberabfall, Nachlassen der 
Nackenstarre, der Bewußtseinsstörungen, der Kopfschmerzen etc.) 
beobachtet werden konnte, und daß überhaupt der Krankheits¬ 
verlauf der 64 tötlich endigenden Semmfälle im allgemeinen ein 
länger dauernder war bezw. der Tod später eintrat, als dies bei 
den anderen, nicht mit Serum behandelten ca. 400 tätlichen Er¬ 
krankungen im hiesigen Begiernngsbezirk beobachtet worden ist. 

Dies ist ans folgender Darstellung zu ersehen: 


Zeitpoakt 
des Todes 

Bei den ohne Heilserum 
behandelten, tödlich verlaufe¬ 
nen Erkrankungen. 

1 

Bei den mit Heilserum 
behandelten, tOtlich verlaufe¬ 
nen Erkrankungen. 

i 

in der 

1.—2. Woche 
in der 

75 »/o 


47,6% 

1 


8.-4. Woche 
im 

1.—2. Uonat 

i 

14,9 

10,1%. 

•26*/o 

28,7 %| 
23,77.] 

52,47. 


Während also in den tödlich endigenden, nicht mit Heil¬ 
serum behandelten Erkrankungen schon in 
Tod in der 1.—2. Woche nach dem Beginn der Rankheit erfolgt, 
trat in den tödlich verlaufenen Serumfällen — offenbar unter 
dem Einfluß des anfänglich günstig wirkenden Heilmittels — in 
mehr als der Hälfte der Fälle der Exitus erst nach Ablauf von 
mehreren Wochen bezw. später, in nahezu V« tödlichen Er¬ 
krankungen sogar erst einige Monate nach dem Beginn der Krank¬ 
heit ein. Jedenfalls beweisen selbst diese statistischen Betrach¬ 
tungen des Verlaufes der trotz Sernmbehandlung tödlichen Er- 








qiiden. GtoBiekstarre mit Gealolntarre-Hdlsenim im Beg.>Bet. Dftnddorf. 81 

krankmigreii) daß das Mittel geei^rnet ist^ den Erankheitsprozeß 
der GeniekstaiTe günstig zn beeinflussen. 

Nun geht allerdings aus den vorliegenden Berichten deutlich 
hervor, daß der Erfolg der eingeleiteten Heilsemmbehandlnng der 
Genickstarre wesentlich mit abhängt einmal von der Art und 
Menge des benutzten Serams und nicht znm wenigsten von der 
Art der Einführung des Heilmittels in den menschlichen EOrper. 
Von den 135 Düsseldorfer Fällen wurden 59 mit dem vom In- 
stitut für Infektionskrankheiten zn Berlin kostenlos gelieferten 
Wassermannschen Produkt, 57 mit dem Serum Merck-Darm* 
Stadt (Jochmann), 5 mit von der Firma Meister, Lucius 
& Brüning in Hdchst stammenden und 1 mit dem aus dem 
Schweizer Serum-Institut von Prof. Dr. Eolle in Bern stammenden 
Heilseram behandelt; außerdem wurden noch 11 Fälle abwechselnd 
bezw. zusammen mit dem Berliner und dem Merck-Serum und 
2 Fälle gleichzeitig mit dem Höchster und dem Merck-Serum 
behandelt. Die Behandlungserfolge dieser verschiedenen Sera 
ergeben sich aus nachstehender üebersicht: 



Senun 

Zahl der 
Fälle 

DaTon 

geheilt 

tot 

also 

Mortalität 

1 

Berlis (Wassemaon). 

69 

88 

21 

86,6«/, 

2 

Merck (Jochmann). 

67 

24 

88 

68,0 , 

8 

Höchst. 

6 

2 

8 

69,0 , (?) 

4 

KoUe-Bem. 

1 

1 

— 

P 

5 

Berlin u. Merck sosammen . . 

11 

6 

6 

46,4 . (?) 

6 

Höchst u. Merck susaouaen . . 

2 

— 

2 

46,0 , (?) 


Ans dieser üebersicht müssen nun zunächst die unter Nr. 3 
bis 6 aufgeführten, mit dem Höchster und EoIle-Bern-Semm 
oder mit den Mischungen des Berliner, des Merck- und des 
Höchster Serams behandelten Fälle für die Beurteilung der Frage, 
welches der angewendeten Mittel am wirksamsten ist, ansscheiden, 
da einmal die Anzahl der mit Höchster und mit Eolle-Bern ge¬ 
machten Beobachtungen für eine brauchbare Vergleichsstatistik 
zu gering ist und anderseits in den 13 abwechselnd mit zwei 
verschiedenen Heilserumpräparaten behandelten Fällen eine Ent- 
sdieidung der Frage nach der größeren Wirksamkeit des einen 
oder anderen Mittels aus den uns vorliegenden Berichten gar nicht 
möglich ist. 

Dagegen läßt einVm'gleich der mit Berliner Serum und 
der mit Merck-Serum behandelten Erkrankungen, deren Anzahl 
fto* beide Mittel nahezu gleich ist, deutlich erkennen, daß allem 
Anschein nach das Wassermannsche, aus dem Institut 
für Infektionskrankheiten zu Berlin stammende Heil¬ 
serum mit nur 35,5<^/o Mortalität gegenüber dem 
Jochmannschen, von Merck-Darmstadt stammenden 
Heilserum mit 58**/o Mortalität die günstigere Wir¬ 
kung hat 

Was zunächst die Menge des jeweilig verwendeten Heil¬ 
serums und die Zahl der an einem Kranken vorgenommenen In- 














82 Dr. Krohne: üeber die die blBlierlgea Erfolge der Behudliug der 

jektionen anbetrifft, so hat sieh gezeigt, daß die Anwendnng 
möglichst großer Dosen des Heilmittels nnd die öftere Wieder- 
holnng der Injedctionen wohl den meisten Erfolg yerspricht. Die 
kleinste, mehrmals angewendete Dosis beträgt 5 ccm, die größte, 
einmal verwendete Menge 70 ccm (!!); in den übrigen Fällen 
schwankt die einmalige Dosis zwischen 10 nnd 25 ccm Serum. 
Die Gesamtmenge des mit 8 Injektionen eingeführten Serums 
betrag in einem Falle 110 ccm. Die Anzahl der öfters wieder¬ 
holten Injektionen belief sich einmal auf 12, in mehreren anderen 
Fällen anf 11, 10 and 9 Anwendungen and bewegte sieh im all¬ 
gemeinen zwischen zwei- und viermaligen Injektionen. 

Von großer Bedeatang ist offenbar die Art der Einfühmng 
des Heilserams in den Körper. Das Mittel werde in 50 Fällen 
subkutan (meist in Brust oder Oberschenkel), in 59 Fällen intra- 
lambal (gewöhnlich nach Vornahme einer Lambalpanktion) and 
26 mal gleichzeitig oder abwechselnd snbkatan and intralombal 
dem Körper einverleibt. Das Ergebnis dieser Behandlungen war 
folgendes: 



Anzahl der 
F&Ue 

Geheilt 


Mortalität 

snbkniaa. 

60 

23 

27 

63,8 0,0 

intridambsl. 

snbkatsn und intralombal zu¬ 

59 

86 

24 

40,6 . 

sammen . 

26 

12 

14 

64-0 , 


Hieraus geht hervor, daß anscheinend die intralnmbale In¬ 
jektion, die mit 40,6 *^/o Sterblichkeit einer Mortalität von 53,3 */« 
der sabkatanen Anwendung gegenübersteht, auf den Krankheits- 
prozeß günstiger einwirkt, als die subkutane Applikation. Dies 
stimmt auch mit den Berichten der meisten Aerzte überein. 
Welche Anwendungsart in denjenigen Fällen, die gleichzeitig mit 
subkutanen und intralumbalen Injektionen behandelt wurden, am 
wirksamsten war, läßt sich aus den Berichten nicht feststellen, 
da die Dosierung und die zeitliche Aufeinanderfolge der beiden 
Injektionsarten in allen Fällen verschieden war. Dagegen ist es 
von Wichtigkeit, den Erfolg der subkutanen und intralumbalen 
Verwendung des Wassermannschen bezw. Berliner Serums 
mit dem Merckserum zu vergleichen, was sich aus folgender 
Uebersicht ergibt: 




Zahl der 
behandelten 

Geheilt 

Tot 

Mortalität 



Fälle 




Serum 

Berlin 

(Wassermann) 

subkutan . . 

30 

17 

13 

48,4 •/• 

iatralumbal. 

22 

16 

6 

27,8 . 

Serum 

Merck 

(Joehmann) 

subkutan . . 
intralombal. 

12 

37 

8 

18 

1 

9 

19 

76,1 •/• 
65,0 , 


Auch ans dieser Darstellung geht nicht nur die günstigere 






















epidem. OenicksUrre mit Oeniclcstarre'Hdlseriim im Beg.-Bez. Dttsseldorf. 88 


Wirknng: der intralambalen lojektionen ement heiror, sondern es 
kann snch hierans geschlossen werden, daß das Wasser- 
mannsche Sernm dem Jochmannschen Semm sowohl bei der 
subkutanen, wie bei der idtralambalen Anwendung an Wirksamkeit 
überlegen ist. Es mag noch erwähnt werden, daß in 6 Fällen 
(1 mal nach Sernm Merck, 4 mal nach Sernm Wassermann 
nnd 1 mal nach Eolle-Semm) als Nebenwirkungen nach der 
Injektion das Auftreten' von erythematOsem bezw. Urticaria¬ 
ähnlichem Ausschlag beobachtet wurde, daß aber nur in einem, 
später geheilten, Falle (einmalige Injektion von 70 ccm (!!) 
Wassermannschem Serum) damit auch eine erhebliche StOmng 
des Allgemeinbefindens verbunden war. 

Nach allen Mitteilungen der Kreisärzte bezw. der betreffen¬ 
den behandelnden Aerzte unseres Bezirkes scheint es außer¬ 
ordentlich wichtig, die Behandlung der Genickstarre mit Heil¬ 
semm streng systematisch und unter genauester Beobachtang 
aller in Betracht kommenden Momente (wie sie z. B. auch in 
der Veröffentlichung von Prof. Wassermann in Nr. 89 der 
Deutschen Medizinischen Wochenschrift; Jahrgang 1907, S. 1585 
eingehend dargelegt sind) durchzuführen. Es ist bemerkenswert, 
daß gerade einige Aerzte, die eine größere Anzahl von Genick- 
starreerkrankungen systematisch zu behandeln Gelegenheit hatten, 
besonders gute Erfolge gehabt haben. So hat z. B. der leitende 
Arzt eines Krankenhauses allein 17 Genickstarreerkrankungen 
mit intralumbalen Injektionen von Wasser mann sehen Serum 
behandelt, von denen nur 2 (= 21,7 °/o Mortalität) verstorben 
sind; dabei ist zu berficksichtigen, daß der eine von diesen beiden 
Todesfällen einen Patienten betraf, der schon moribund in das 
Krankenhaus eingeliefert wurde. 

Fassen wir das Ergebnis unserer bisherigen Feststellungen 
zusammen, so erscheint die Behauptung durchaus gerechtfertigt, 
daß das Gsnickstarre-Heilserum unter bestimmten VorausBetzungen 
sehr wohl imstande ist, den Krankheitsprozeß der allen anderen 
Behandlungsmethoden trotzenden epidemischen Genickstarre wirk¬ 
sam aufzubalten bezw. zur Heilung zu bringen. Berücksichtigen 
wir, daß die Gesamtmortalität aller mit Heilserum behandelten 
Genickstarrefälle 47,6% (auch entsprechend den anderswo ge¬ 
sammelten Beobachtungen) beträgt, daß dagegen die Sterblichkeit 
der schon in den ersten 3—4 Tagen behandelten Erkrankungen 
sich nur auf 33 Vs % beläuft, so erscheint doch zum 
mindesten die Hoffnung berechtigt, daß es bei all¬ 
gemeiner Anwendung des nahezu völlig unschäd¬ 
lichen Genickstarre-Heilserums und systematischer 
Durchbildung der Methode gelingen müßte, die bis¬ 
herige Sterblichkeit der Genickstarre von 65% auf 
wenigstens 40% (Mittelzahl zwischen 47,6% und 33V8%) 
bezw. um Vs herabzudrücken. Praktisch würde dies be¬ 
deuten, daß vielleicht in Zukunft von 1000 im Bheinisch-West- 
ftlischen Industriegebiet an Genickstarre erkrankenden Personen, 
von denen bisher ca. 650 starben, etwa 260 Personen C/» von 660) 



84 


Dr. Zelle. 


mehr als bisher am Leben wfirdmi erhalten werden können. Um 
dies nnd ein vielleicht noch günstigeres Besoltat zn erzielen, 
wftre allerdings erforderlich: 

1. Möglichst trflhzeitige Anwendung des Heilserums nnd zwar 
tnnlichst in den ersten 3—4 Tagen, 

2. Bevorzngnng der intralnmbalen ^jektion vor der snbcntanen 
nnd des Wassermannsehen Semms vor den ttbrigmi 
Präparaten, 

8. Verwendung großer Dosen des Heilmittels nnd — nach 
Bedarf — öftere Wiederholung der einzelnen Injektionen. 
Nach alledem möchte ich den Herren Kollegen mit Bücksicht 
darauf, daß doch die meisten GenickstarrefAlle den Kreisärzten 
rechtzeitig bekannt nnd von diesen an Ort nnd Stelle zum Zwecke 
der vorgeschriebenen Ermittelnngen nntersncht werden, dringend 
empfehlen, überall die rechtzeitige Einleitung der Heilserum- 
be^ndlnng, die freilich tnnlichst in einem Krankenhanse vor¬ 
genommen werden sollte, bei den behandelnden Aerzten anznregen 
bezw. diese auf die Branltate der bisherigen Statistik, die nicht 
allgemein bekannt sein dürfte, hinznweisen. 


Die Genickstarre-Epidemie im Kreise Rothenburg 1906/07. 

Von Kreisarzt Dr. Zelle in Hnskan. 

I. Vorkommen nnd Statistisches: Im oben genannten 
Kreise sind in der Zeit vom 11. Angnst 1906 bis 80. Mai 1907 
21 Fälle von epidemischer Genickstarre zur amtlichen Fest¬ 
stellung gelangt nnd fast alle bakteriologisch, dagegen nur znm ge¬ 
ringsten Teil klinisch als echte Genickstarre erkannt worden; 
eine ganze Reihe anderer als verdächtig gemeldeter Fälle er¬ 
wiesen sich durch die bakteriologische Untersnchnng z. T. als auf 
anderen Infektionsnrsachen beruhend, z. T. als nicht infektiöse 
Leiden. Sämtliche Kranke sind von mir amtlich untersucht worden, 
da der Herr Begierungspräsiden zu Liegnitz auf meinen Antrag 
genehmigte, daß über alle Genickstarrefälle inkl. der verdächtigen 
amtsärztliche Ermittelnngen an Ort und Stelle angestellt wurden. 

Von den Fällen kamen vor in: 

Weiswasser (einem größeren Fabrik* Sagar (2,5 km von Keula) 1, 
dorf von 10000 Einwohner) 9, Nochten (10 km Ton Weiswasser) 1, 

Kranschwitz (Dorf, 4 km von Weis- Trebendorf (6 km ron , ) 1, 

Wasser) 1, Schleife (8 km ron „ ) 8, 

Kenia (2 km ron Kransehwitz) 2, Yiereichen (16 km ron „ ) 1. 

Weiskeißel (8 km yon Kenia) 2, 

Die Krankheitsfälle kamen demnach fast alle in einem kleinen 
Radius von 4—10 km von Weiswasser vor; eine Ausnahme macht 
nur der Fall in Viereichen. 

Von den 21 Fällen gelangten zur Behandlung in das unter 
meiner Leitung stehende Wilhelm-Augusta-Stift 16, davon starben 
4 und zwar je 1 am 2., 3. und 4. Tage, sowie 8 Wochen nach 
der Aufnahme. Als geheilt wurden 11 entlassen. 

Demnach betrag die Sterblichkeit der in Hospitalpflege 



l>ie QeiüekatarM'fipidemie im Kieise fiotheabnrg 1906/07. 


86 


geUngenden Kranken nur 26,6eine anffatllend niedrige Ziffer, 
namentlich im Vergleich za den aaeserhalb des Erankenhvues 
verpflegten 6 Kranken, die sämtlich starben. Hit diesen Todes¬ 
fällen betrag demnach die Gesamtmortalität 48*/o. 

Von den Erkrankten standen im Alter von: 


V* Jahren 1 (Knabe, gestorben), 

1 Jahr 1 (Knabe, , ), 

2 . 2 (M&dehen, , ), 

7 „ 1 (Mädchen genesen), 

9 „ 8 (1 Mäddben , , 

1 Mädchen gestorben, 

1 Knabe genesen), 

10 a 1 (Mädchen, genesen). 

Es starben von 7 Kranken 
14 männlichen Geschlechts 6. 


18 Jahr 2 (1 Mädchen gestorben), 

1 Knabe genesen), 

14 a 1 (Knabe, , ), 

15 , 8 (Knabmi, 1 gestorben), 

16 a 2 (Knaben, 1 , ), 

18 a 1 (Mann genesen), 

19 a t (desgL 

29 a 1 (Mann, gestorben), 

81 a 1 (desgl.). 

▼eibüchen Geschlechts 4, von 


Die Erkrankten verteilen sich aaf die Altersklassen von: 


1— 6 Jahrw: 

4, 

§ 

1 

1 

1 

4 = 100,0 

6-10 . : 

6. 

H 

II 

1 = 20,0 

11—16 , : 

6, 

9 

9 

2 = 88 0 

16—20 , 

4, 

» 

fl 

1 = 25,0 

21—80 , 

1, 

9 

9 

1 = 100,0 

daribei: 

1, 

fl 

ff 

1 s 100,0 


II. Klinische Beobachtangen: Die Krankheit flng fast 
in allen Fällen mit Erbrechen an; Halsschmerzen worden als Vor¬ 
läufer etwa 10 mal angegeben; Herpes labialis war selten (2 mal). 
Hj^erästhesie der Beine beobachtete ich 5 mal. Die charak¬ 
teristische Stellung der gekrQmmten Beine sah ich fast immer; 
Ohrenerkrankangen worden 8 mal in Form vom Mittelohreiteran- 
gen beobachtet, dazu trat bei einem 9 jährigen Knaben absolute 
Taubheit ein, von der bei der Entisissang noch eine starke 
Schwerhörigkeit zurückgeblieben war. 

Gelenkergflsse kamen 5 mal vor, Blasenlähmungen 2 mal. 
In einem Fall trat eine eitrige Irido-Cyclitis auf, welche indessen 
einen gutartigen Verlauf nahm und eine Sehschärfe von Vio 
dem befallenen Auge hinterließ. Magenstörungen während der 
Krankheit, wie Erbrechen, Durchfall kamen sehr oft vor; ein 
14 jähriger Knabe behielt 4 volle Wochen lang nicht die ge¬ 
ringste feste oder flüssige Nahrung bei sich, sein Gewicht sank 
von 65 auf 40 Pfund. Trotzdem trat Genesung ein; bei der 
Ehitlassung wurden 68 Pfund notiert. 

Die Behandlung bestand in systematich gegebenen Bädern 
bis zu 40 Orad, ferner leisteten Eisbeutel und Quecksilbereinrein- 
reibungen gute Dienste. Bei Schwächezuständen erwiesen sich 
Kochsalzinfusionen als wertvoll; gegen die Schmerzen wurde 
Aspirin in großen Dosen sowie Ghloralbydrat verwendet. Dem 
meisten Erfolg aber sah ich von der Lumbalpanktion, welche bei 
jeden Kranken angewandt wurde. Sie ergab fast immer ein 
Exsudat, dessen Beschaffenheit von durchsichtig seröser bis dick 
eitriger Konsistenz wechselte. Nach der Punktion wurde meist 
ein promptes Ab&Uen des Fiebers beobachtet; die unerträglichen 




96 


Br. Zelle. 


Kopfschmerzen ließen nach, das Sensoriam wurde freier. Vielfach 
erbaten die Kranken deshalb eine Wiederholung der Prozedur. 
Bei dem schon erwähnten Fall von unstillbarem Erbrechen machte 
ich 4 Wochen lang jeden 2. oder 8. Tag die Punktion; es war 
sehr interessant; zu beobachten, wie das anfänglich dickeitrige 
Exsudat allmählich heller und klarer wurde und wie Hand in 
Hand damit eine Besserung des Erankheitszustandes ging. 

III. Bakteriologisches: In allen Fällen wurde Hachen* 
schleim, Blut aus einer Hautvene oder Lnmbalsekret eingeschickt, 
zuerst an das hygienische Institut der Universität Breslau, dann 
an die bakteriologische Untersuchungsstelle der Eönigl. Hegiemng 
zu Liegnitz. 

Sehr große Schwierigkeiten machte zuerst die Beschaffung 
von Versandmaterial; Glasröhrchen fdr Aspirintabletten, Pravazsche 
Spritzen, Medizingläser mußten aushelfen. Wegen Mangel an 
festen Umhüllungen kamen einige Proben zerbrochen am Be* 
stimmnngsort an. Auch die Vorräte in Liegnitz reichten nicht 
immer hin. Ans diesem Grunde konnte besonders anfangs 
die Untersuchung nicht auf die ganze Umgebung des Erkrankten 
ausgedehnt werden. 

Bemerkt sei, daß 4 mal Bazillenträger gefunden wurden. 

IV. Getroffene Maßnahmen: Da mein Amtssitz von 
dem des Landrats durch 38 km Bahn* und 8 km Landweg getrennt 
ist, war es nicht möglich, ohne schwer zu verantwortenden Zeit* 
Verlust die von mir für nötig erachteten Maßnahmen durch die 
Polizeibehörde anordnen zu lassen. Ich verfügte daher fast in allen 
Fällen selbständig durch schriftliche Anordnungen, die durchweg po* 
lizeiliche Billigung fanden. Obwohl ich vielfach über die Forderungen 
des Gesetzes vom 21. August 1905 hinausging, kann ich doch das 
verständnisvolle Entgegenkommen der Amts- und Gemeindevor* 
Steher besonders in Weiswasser nur rühmend anerkennen. 

Meine erste Maßnahme war die Anordnung sofortigen Trans* 
Portes des Kranken oder des Verdächtigen in die Isolierbaracke des 
von mir geleiteten Krankenhauses. Nur sehr selten nahm ich von 
dieser Forderung Abstand auf dringendes Bitten der Eltern und 
wenn tatsächlich eine wirksame Isolierung zu Hause möglich war. 
Zugleich mit dem Kranken wurden seine Kleider und seine Leib* 
wie Bett-Wäsche ins Krankenhaus transportiert zur Desinfektion 
im Dampfapparat. 

Die Säuberung der Wohnung schrieb ich bis ins einzebe 
vor, auch kontrollierte ich sie gelegentlich. In den Arbeiter¬ 
familien ließ ich die Angehörigen der Erkrankten isolieren und 
8 Tage lang der Arbeit fernbalten. Durch das Entgegenkommen 
der Fabrikleiter und der Gemeinden wurde den dergestalt Iso* 
lierten der Ti^elohn unverkürzt fortgezahlt. In besonders bedroh¬ 
lichen Fällen nahm ich die ganze Familie bezw. die Stuben* 
genossen auf 8 Tage zur Beobachtung ins Krankenhaus. Die 
Bazillenträger wurden sämtlich ins Krankenhaus übergeführt und 
dort solange bewahrt, bis zweimalige Untersuchung das Fehlen von 
Meningokokken im Rachenschleim erwiesen hatte. 



87 


pie ^«nickstArre* Epidemie im Kreiie Sothenborg 1906/07. 

leb bin d«r festen Ansieht) daß ohne diese etwas rigorose 
Kahnabmen die Seuche besonders in Weiswasser, wo sich die 
ErkrankiuiS&tUle anfänglich mit großer Schnelligkeit folgten) eine 
▼iel grö&ae Aasdehnnng gewonnen hätte. Denn W. wird in der 
Hanptsache voa Arbeitern bewohnt, welche zu vielen Hunderten 
auf großen Fabriken beschäftigt sind nnd eng gedrängt in Arbeiter- 
wohnnngen hansen, in denen es wie in einem Ameisenhaufen 
von HmucheD) besonders Hindern wimmelt. 

y. In epidemiologischer Beziehung konnten folgende 
Eig^ebnisse iestgestellt werden: 

Der seitliche erste nnd in seiner Aetiologie nnklar gebliebene FsU er« 
eignete eich nm 11. Angast 1906 in Weiswnsser. Hier erkrankte ein 19jlhr. 
bShmiscber Olnsnrbeiter, der seit einem h&lben Jahre den Ort nicht TerUssen 
hatte. Der sweite Fall wnrde am 16. Angnst ans Kranschwits (4 km von 
Weiswasser) gemeldet; hier war es ein ISj&hriger Steinsengarbeiter, der am 
21. Juli ans QOrlits zngezogen war. Bemerkt sei, daß in GOrlitz kefaierlei 
Gtoaickstarrel&Ue vorgekommen sind. 

Möglicherweise stehen diese beiden Fälle in Verbindnng mit Fall UL 
In Kenia (2 km Ton Kranschwitz) erkrankte am 6. Angnst ein 9 jihr. Mädchen 
an Kopfschmerz and Erbrechen. Ein Arzt wnrde nicht sn Bäte gezogen da 
der Znstand sich bald besserte; am 18. Angnst setzten dagegen wieder Aopf« 
schmerzen ein, nnd am 26. Angnst ergab sich, daß Genickstarre Torlag. 

Sehr interessant ist, daß eine 10jährige Schwester des Mädchens am 
28. Jnli einem Arzt Torgeführt wnrde mit Symptomen, die dieser als Polio¬ 
myelitis dentete; die Patientin starb am 21. Angnst. Der Arzt gab nachträg¬ 
lich zn, daß es anch eine atypische Genickstarre gewesen sein kOnne. Yid« 
leicht ist der Infektionsstoff in diese Familie nnd damit in den Kreis dnrch 
eine ältere Schwester ebgeschleppt, die Mitte Jnli ans Berlin sarückkehrte. 
Genaneres ließ sich leider nicht ermitteln. 

Der vierte Fall war leicht zn erklären, es handelte sich nm einen 29Jährigen 
Grabenarbeiter ans Kenia, in dessen Bebansong Kinder ans der Wohnnng von 
Fall III gespielt hatten (Erkranknng Anfang Oktober). Fall V (16. Oktober) 
and Fall Fl (81. Oktober) betrafen 2 jnnge Arbeiter ans Weiskeißel, weldie 
mit IV anf derselben Grabe and in derselben Belegschaft gearbeitet hatten. 

Zn diesen Fällen gesellte sich ein bakteriologisch nicht als Genickstarre 
veriflzierter Fall (Beginn 6. November), welcher aber klinisch das dentliche 
Kid einer Genickstarre bot nnd bei dem ich anch alle erforderlichen Ma߬ 
nahmen traf, ohne ihn als Genickstarre amtlich sn führen. Anch er hatte mit 
IV, V nnd VI znsammengearbeitet. 

'Eet trat non eine längere Panse in den Krankheitsmeldongen ein, welche 
erst am 6. Febrnar nnterbrochen wnrde. Es erkrankte in Sagar ein 18 ji^. 
Schnlknabe (Fall VU), dessen Vater anf dem Hüttenwerk Kenia mit den Er¬ 
krankten snsammen gearbeitet hatte. Leider gelang der Nachweis von Ba- 
sUlen bei dem Vater nicht. Etwa 14 Tage später erkrankte in Weiswasser, 
das in regstem Verkehr mit Kenia steht, ein 16jähr. Glasmacher and starb 
am 86. Febrnar (Fall VUI). An demselben Tage, als ich diesen Fall fest- 
stellte, wnrde mir ein anderer in Weiswasser gemeldet; es war ein 18jähriges 
Midien, das, soweit nachsnweisen, in keinerlei Beziehnng mit dem vorher¬ 
gehenden Falle gestanden hatte (Pall IX); anch dieser starb. 

Non folgten in besorgniserregendem Tempo Meldnngen anf Meldnngen 
ans Webwasser. 

Am 19. März erkrankte ein Ißjähriger Glasmacher (X), am 20. März 
ein ebenso alter Arbeiter (XI), dessen Matter and 8chwestem anf derselben 
Fabrik wie Fall VUI beschäftigt waren. Am 26. März erkrankte and starb 
eia 1 jähriges Kind eines Glasmachers, der anf derselben Glashütte wie FallX 
arbeitete. Ein zweiten Kind derselben Familie erkrankte am 28. März nnd 
starb am 1. Api^ (Fall XIU nnd XIV). Am 2. April erkrankte ein Ißjähr. 
Glasmacher (XV), der mit Fall XI snsammen gearbeitet hatte. Am 8. April er- 



88 


Kleiaere ttitteilnagen oad ftefente ans 2eitse1iri^o. 


kraakt« and starb an atehstea Tage ein iwei Jakre altes Kiad, dessea Woh¬ 
nung dicht neben Fall XV lag (Fall XVl). 

Mit diesen Fällen war aber anch die Zahl der Erkranknngen in Weia- 
wasser erschöpft; bis heute sbd keine neuen Torgekommen. 

laswischen war am 20. Hän ein 81 jähriger Forstarbeiter ans Nochten 
(1 km Ton Weiswasser), der yiel in Weiswasser Torkehrt hatte, erkrankt und 
starb am 2. April (Fall XII). 

Kaum war die Seuche in Weiswasser erloschen, so flammte sie in dar 
nächsten Bahnstation in Schleife auf. Hier erkrankte am 21. April ein 9 Jahre 
altes Mädchen (Fall XVII), das im Krankenhaus scheinbar ganz geheilt wurde 
und am 21. Juni entlassen werden sollte, als die Schwester sie am Morgen 
dieses Tages tot im Bette fand. Eine Obduktion wurde leider yerweigert. 

Ferner erkrankten in Schleife am 16. Mai in derselben Familie ein lOJähr. 
Schulmädchen (XVlll), das mit Fall XVII yerkehrt hatte sowie ihr kleiner 
Bruder, der am 17. sich legte und am 19. starb (Fall XIX). 

Auf diese S Fälle beschränkte sich die Epidemie in Schleife, jedoch 
wurde am 28. Mai noch eine Erkrankung (XXI) ans dem nahegelegenen Tre¬ 
bendorf gemeldet; es bandelte sich um ein 7jähriges Mädchen, das m Schleife 
zur Schule ging und mit Fall XVII in einer Klasse saß. 

Während bei all diesen Fällen der Uebertragnngsweg ziemlich klar 
war, blieb in seiner Entstehung unklar Fall XX. Ein 9jähriger Knabe 
aus einem Gasthof in Viereichen, einem 16 km yon Weiswasser gelegenen und 
mit diesem in keiner Verbindung stehenden Dorf, erkrankte am 20. Mai an 
Genickstarre. Der einzige Fingerzeig in diesem Fall ist der, dafi in Viereichen 
am 4. April ein der Genickstarre klinisch dringend yerdächtiger Fall sich 
ereignete. Es war ein 22 jähriger Bauernsohn, der yiel in Weiswasser yer- 
k^rt hatte. Die yerschiedensten Blut- und Mchenschleim - Untersudinngea 
blieben indes hartnäckig negatiy. 

Ich stehe am Ende meiner kurzen Üebersicht, sie zeigt 
meines Erachtens, wie nützlich eine Erweiterung der sanitären 
Zwangsmaßregeln bei Genickstarre wäre; insbesondere halte ich 
eine gesetzlich Torgeschriebene Absonderung der Erankheits- und 
Ansteckungsverdächtigen für dringend geboten. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oarlohtllohe Madlsiii. 

Die aknto tddliohe Vergiftung mit Benioldampf. Von L. Lewin- 
Berlin. Mttnohener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 48. 

Beim Beinigungsyersuche eines mit Benzol und a-Naphthjlamin beschickt 
und erwärmt gewesenen Extraktionskessels yerlor ein Arbeiter das Bewufitsc^; 
man sah ihn bewußtlos dasitzen. Mehrere Arbeiter machten den yergeb- 
liehen Versuch, den Bewußtlosen herausznholen. Bin Arbeiter, der sich hierbei 
beteiligte, war noch nicht ganz in den Kessel gekrochen, als er anch schon 
betäubt znsammenbrach; trotzdem er durch eigene Kraft wieder herauskro^, 
starb er nach 10 Minuten. Einem mit Sicherheitshelm ansgestatteten Ingenieur 
gelang es dann, den zuerst hineingekrochenen Arbeiter herauszuziehen und 
zu retten. 

Verfasser hatte nun in einem Gutachten die Frage zu beantworten, ^ob 
nach dem Obduktionsbefunde anzunehmen ist, daß der Tod des Arbeiters N. 
infolge Binatmens giftiger Gase eingetreten ist und ob es mOglidi ist, daß 
ein Herzschlag die Todesursache ist*. 

Zu diesem Zwecke wurde nun zunächst festgeatellt, daß Benzol in den 
Kessel gelang war und dieses mithin auch sdne Ebiwirknngen auf die in dem 
Kessel Mfladlichen Menschen entfalten konnte. Dann wurde die Frage zu 
beantworten gesucht, wie eingeatmeter Benzoldampf wirkt und dabei folgende 
yier Gruppen yon Erfahrungen herangezogen: 

1. Es kann ein Mensch durch Benzoleinatmung akut ye^iftet und 
wieder hergeetellt werden. 



Sldnttre Mittelliinfen. und Referate abs Zelteohrlften. 89 

2. Aneh nach einer leichten akuten Benaoleinwirkung kOnnen bei einem 
Meuchen laaganhaltende Nachkrankheiten dch eiutellen. 

8. Oorch die wiederholte Vergiftung mit Benaol im Betriebe sah man 
ein chronisehee Leiden entstehen. 

4. Menschen, die akut eine größere Menge konzentrierten Benzoldampfli 
ffa tMHMi, können innerhalb mehrerer Minuten bü zu einer Stunde sterben. 
Es wurde ferner fettgestellt, daß in dem Eztraktiooskessel eine Atmungslnft 
war, die durch den Gehalt an Benzol eine Oiftwirkung, nämlich Betäubung 
erzeugen konnte. Auch war der Beuolgehait des Kessels genügend, um 
einu Menschen toten zu können. 

Du Sektionsprotokoll über den verstorbenen Arbeiter yerzeiehnet unter 

anderem: 

a) Blutaustritte am Eingug der Gefäße in die rechte Lunge. 

b) ln der Mitte du Mageu stecknadelgroße rundliche schwärzlich ge- 
fiUbte Blutaustritte. 

c) Blutaustritte derselben Art in größerer Menge an 6 verschiedenen 
Stellea im Dünndarm. 

Selbst weu man die unter a) genauten als zufällige oder besser durch 
die zweifeUos bei N. vorhuden gewesenen AtmungtstOrungen bedingt et- 
klärm wollte, so fügen sich die unter b) und c) genannten so in du Bild der 
Benztdvergiftung passend ein, daß sie auch davon abgeleitet werden müssen. 

Verfuser gab sein Gutachten dahin ab, „daß der Tod durch akute 
Bnatmung von Benzoldampf erfolgt ist*. 

Der Gerichtshof nahm u, daß der Tod des Arbeiters N. und die KOrper* 
Verletzung des uderen geretteten Arbeiters durch Benzolvergiftung elngetretea 
seieBi veneiate aber eine Fahrlässigkeit der Beteiligten. 

_ Dr. Waib el«Kempten. 


Sehidfgaag der Leber durch experlmeutolle Esslgslurevergiftuug. 
(Läsioas ezpdrimentales du foie). Von J. Parisot und A. Harter. Comptu 
rendus de la soc. de bioL; LXUl, 1907, Nr. 84. 

Nach lujektion verdünnter Essigsäure in den Ductus choledoohus 
bei Kaninchen blieben die Tiere noch 1—18 Tage am Leben. Bei der histo* 
logischen Untersuchung der Leber fanden sich: Nekrotische Partien, starke 
BludUUnng der Zentralvenen und der intralobulären Kapillaren, Zellinflltration 
in der Umgebung der Gallengänge, außerdem aber junges zirrhotisches 
Gewebe, dessen Kennzeichen sehr ausgesprochen waren. 

Die Mil« war stark hypertrophketa, die Blutüberfüllung bedeutend, die 
Glomemli sehr groß, z. T. mit nekrotischem Zentrum mit Biutpigmentgualt. 

(In seinem Obduktioubefund einer Essigessensvergiftung benchtet 
Schiffer-Bingen in AerztL Sachv. Ztg. 1908, 8. 16 ebenfalls über Ver¬ 
größerung und starken Blutgehalt der MUz. Bet) 

_ Dr. Mayer-Simmem. 


Zar toxlseheu Wirkung der Kaltsalse. (SclOrose rOaale, drrhose hO- 
patigue et ascHe expOrimental par les sels de potuse). Von A. Fronin n. 
2k. MantA Comptes rendus de la soc. de bioL; LXUL, 1907, Nr. 88. 

Bekannt ist, daß man nach Vergiftung durch CbJoroform, durch Phosphor- 
oel und andere Mittel neben Läsionen der Leberzelle auch mehr oder weniger 
deutliche Nierenlaesionen antrifft. Lanceraux hat auf Entstehung von 
Lebercirrhose durch Aufnahme von Kaliumbulfat autmerksam gemacht. 
Die Autoren erzeugten im Versuche an Hunden durch Kaliamsolfat Leber- 
drrhoee und Ascites; — nach täglicher Aufnahme von 4 g K> SOi 10 Monate 
kialnreh starb der Hund und wies in der Bauchhöhle 1800 ccm freier Flüssig¬ 
keit aut 

Sind die Kt SOt-Dosen nicht ansreichend, um Leberschädigungen zu er- 
zielsa, so treten doch Nierenläsionen aut Dasselbe gilt für KCL 

_Dr. Mayer-Simmem. 


Untennehaigen Iber die Gtftwirkung des Stovakekalngemlsebes. 
Von Piquand und L. Dreyfus. (Ans dem Laboratorium des ProL 
Beclus). Oomptes rendus de la soc. bloL LZin.; 1907, Nr. 81. 



90 


Kldnen lOttollaiigen and Sefentn nos Znitsehrlftan. 


Du sar LokalaoneBtherie bnnntste StoTokoknln butebt bekanntlich 
au einem Gemisch Ton Kokain and Storoin. Die Antoren prüften beim 
Kuinchen dnrch intrarenOse Injektion, beim Meenchweinehen dorch intro* 
peritionale Injektion von Kokain, Storoin and ron einem Gemisch dieser beiden 
teils im VerbUtnis 1:1, teils in dem ron 8:4 nnd in einer LOsnng ron 
1:200, wie sie praktisch angewandt wird, die Giftwirknng. Es ergab sidi, 
daß du Gemisch swischen Kokain nnd Storoin in besag aal die Toxiittit 
etwa die Mitte hilt — (Ungefähr 2 g pro Kilo Tier bä intmrenOser An- 
wudug). 

Uu intereuiert du Symptomenbild in erster Lbiie, du dem Tode der 
Tiere roraugeht. Mu beobachtet snerst Anlregugssutände; du Tier 
flüchtet nach einem dnnklen Winkel seines Käflgs, wirft sich sur Säte, dann 
treten Krämpfe and Singaltu aaf. Manchmä stellen sich Trismu, Nacken- 
starre, Spächäflafl — und schließlich epUeptiforme Krämpfe ein. 

Dr. Mayer-Simmern. 


Beitrag rar Bleirerglftnng ln ehemlseh-toxluher Hlnaleht. Von 

Dr. G. Meill6re. La Tribane m6dicäe; 19u7, Nr. 27. 

Die Versache, die Verfuser über die Bleirergiftung in chemisch-toxi¬ 
kologischer Hinächt ustellte, besogen sich 1) anf die Anäue aller der Grand- 
itoffe und Zuammeuetxnngen, deren Herstellug oder Buntsong rorflber^ 
gehende oder chronische Bleirergiftang herrorrofen kOnnen, 2) anf die Unter- 
snchang der Nahrangsmittel (iw. Txinkwasser), 8) anf die Lokalisation des 
Bläes im Organismu and die Wege seiner Elimination. 

Verfasser sieht folgende Sclüaßfolgenugen au seinen Versachen: Die 
klinisdien Beobachtangen stimmen mit den experimentellen Festäellnngen 
darin überein, daß du Blä als ein Gilt sa gäten hat, welches du Nerren- 
system in seinem wichtigsten Element (graue Sabstau der Nerreuentren) 
schädigt and du Blatsystem in den hämatopo^tschen Orguen (Leber, Müs, 
Knochenmark) and den Blatelementen angreift. Die Wirkang des Bläes auf 
den KSrper ist teils unmittelbar, teils mittäbar. Im wuentlichen wird da- 
darch die Zuammeuetsang der yerschiedenen Sekrete verändert nnd eine 
Sklerose der Gefäßwände herbägeführt; Eisen ud Phosphate werdra oaf 
uormäe Weise eliminiert. Allu suammen raft eine Irühsätige Senilittt 
hervor und macht den KOrper weniger sriderstudsfähig gegen olle möglichen 
Krankheiten. Durch die Beharrlicliäät der Lokalisation und die Lugsamkät 
der Auschädang besrirkt du Blä änen unheilbaren Verfall des Organismu, 
der nar dun aufgehäten werden kun, wenn der KOrper du Einflüsun du 
Bläee gänslich entzogen wird. Die prophylaktischu Maßnahmu kOuu bis 
SU einem gewissu Grade die Eatwicklung der Bleivergiftug verhindern; 
eine rationelle Ernährang (vegetarische Kost) ud eine entspreehude medika¬ 
mentöse Behudlug (Salfotherapie) können die Entstehug des chronischu 
Satarnismu aufhalten oder abschwächen, alle diese Maßnahmu gewähru 
aber keine absoljite Sicherhät, ramä bä den Individaen, die ihre KOrper- 
beschaffenhät buonders empfänglich für die Einflüue du Bläu macht. 

_Dr. Solbrig-Allenstein. 

Ueber den Gebraneh von Chlonlnklßsnngen bei der Behandlug der 
Endometritis. Von M. Hofmeier. Münchuer med. Wocheuchrift; 1907, 
Nr. 48. 

Verfauer berichtet über zwä Fälle von Chlorsink-Vergiftung, weläw 
ihm rar forensischu Begutachtug kamu. 

Im ersten Fäl trat bei einer 20 jährigen Person noch der intrauterinen 
Anwendug von u. 2 ccm 60 proz. Chlorzink nach 12 Standen uter du 
heftigsten peritoätischen Erscheinu^u der Tod ein. Die Obduktion ergab 
eine äemlich intenäve Peritonitis, cue wätgehude Verätzug der Uterai^ 
Schleimhaut, aber weder eine Verätzug der Uteruwud, noch einem Dureb- 
tritt der Aetsflüsägkeit darch die Tabu, deren Schleimhaut guz normal 
wu. Weu auch ein Zweifel darüber ächt bestehu koute, daß diese Po- 
tiutin u den Folgu der Chlorzinkuwudug gestorbu war, so wu deeii 
die direkte Todesursache ächt gou klar. Die Aetzwirkug allein erklirto 



Kleinwe Mitteilnngeii and fieferote am ZeitMhriftea. 


91 


dm ■chmllm Tod nicht; rielmehr schien dne direkte Giftwlrknng Im Spiele 
na sein. 

Im swdtm Eelle handelte es sich nm eine Ton der Scheide am sa> 
Stande gekommene Chlomink- bmw. Zinkrergiftnng. Der Arst hatte sich die 
I^rÜo im Speknlom eingestellt und non mit einer 1 ccm fusenden Bmanschen 
Spritse 50 proo. Chloriink in den üterm injisiert. Da infolge mangelhaften 
mhlnsees des Ansaustttckes das meiste Torbeifloß, soll noch eine sweite Spritse 
angewendet worden sein. Bdm FfiUen dieser sweiten Spritze soll das ln 
der linken Hmd |[ehdtene Fl&schchen mit der 50 proz. ChlorzinklSsnng nm- 
gekippt sein and sich ein Teil seines Inhalts fyielleicnt einige Enbikzentimeter) 
n ue Scheide Tergossen haben. Hierauf folgte noch eine AmsptUnng der 
Schelde bei noch liegendem Speknlnm mit ‘/»P^ozentiger LysoUösong. Sehr 
hold stellten sich heftige Schmerzen ein, die immer mehr znnahmen, dann 
Kollaps, Erbrechen and nach 21—22 Standen Tod. 

Die Obdaktion ergab zanächst eine sehr heftige Peritonitis, zunehmend 
an Intensität nach dem ueinen Becken za. Ferner bestand Schwangerschaft 
in der 6. Woche. Aber mit Sicherheit waren das Innere des Uterm sowohl, wie 
die Taben vollständig inti^t and zeigten keine Spar von Verätzung. Ebemo 
sicher konnte eine Perforation irgend eines Organes aasgeschlossen werden. 
Dagegen warde im oberen Teile der Scheide ein über htthnereigrößer, am Ver¬ 
sehen Uegen gebliebener Wattebamch gefunden, um welchen hemm die game 
Scheidewand, besonders nach hinten zu, stark yerätzt war. Die chemische 
Anoljm der Baucheingeweide er^ab einen relativ sehr hohen Gehalt an Zink, 
der einer Henge von 8,21 ccm einer 50 proz. Chlorzinklbsung entsprach. 

Demnach bleibt die Tatsache bestehen, daß die Person nach dem Hinein¬ 
bringen größerer Mengen von Chlorzink in die Scheide (ohne Verletzung and 
ohne Durchtritt des Mittels darch den Uterm) unter schweren Vergiftungs- 
ersehelnongen verstorben ist. 

Der wegen der Giltwirkung zu Bat gezogene ProlDr. Straub meinte, 
daß bei der Anwesenheit von Cluoraink und bei einem gleichzeitigen Ueber- 
sehoß von Semm gewisse Zinkalbuminatverbindungen sich bilden kOnnen, 
welche leicht resorbierbar sind and denen eine intensiv toxische Eigemchaft 
mdcommt. Die nach dieser Bichtang hin angestellten Untersuchungen ergaben, 
daß es ln der Tat scheint, als ob es gerade £e spezifische Verbindang von Zink 
mit Albuminaten Ist, welche die Giftwirkang amflbt, so daß es sich in beiden 
FäUen nm eine rein toxische Wirkung gehandelt hat. 

Zorn Schlosse warnt Verfasser vor dem Gebrauche starker Chlorzink- 
iSzongen we|^ der unberechenbaren Tiefenwirkung und empfiehlt, den Gebrauch 
der konzentnerten ChlorsinklOsangen, sobald es sich nicht um eine rein Ört¬ 
liche Aetzwlrkong handeln soll, za verlassen, was nm so mehr angezeigt 
seia dftrfte, als man fttr die gewfinschte Aetzwirkung auf die Utermschleimhaat 
aadere, weniger gefährliche Mittel, wie Fonnalin und komentrierte alkoholische 
KorboUOsnngen (20proz.) zor Verfügung hat. Dr. Waibei-Kempten. 


Heber gongrinSse Perferattenen des Uterns infolge von kriminellen 
Aberten« Von L. Thoinot, Prof, der ger. Medizin in Paris und Ch. Paul, 
Gerichtsarzt ln Paris. Annales d’hygiOne publ. et de mOd. 10g. IV. Serie; 
Bd. VIIL; Dezember 1907. 

Im Anschloß an Abtreibongsversuche kommt es gelegentlich zu Per- 
foratloaen des Uterm mit größeren GewebszerstOmngen von besonderem aao* 
tomlsehea Verhalten, das nach den Untersuchungen der Verfasser als myko- 
tiache Gangrän zu bezeichnen ist. Obwohl bisher kein einziger Fall eines 
derartigea Defektes bekannt ist, bei dem eine traumatische Entstehung 
aiasgesdüossen wäre, so ist doch die Möglichkeit nicht abzulehnen, 
daß es nach einmal im Verlauf eines nicht kriminellen Abortes zu einer 
spontanen (Hagrän der Utermwand kommen könnte, die der Utermgangräa 
im Wochenbett an die Seite zu stellen wäre. Die pathologischen Prozesse 
■ind aber ln den typischen Fällen so deutlich unterscheidbar, daß für den 
gniichtlichen Sachverständigen daram keine Schwierigkeiten zu entstehen 
braoehea. Wohl aber kann dies bei nicht typischem Befunde der Fall sein. 
Bei gangränöser Perforation sddiem sich natürlich die Gangrän an 
die primäre Perfwatlon an und Ist deshalb an ihren Bändern am stärksten; es 



92 


Heinere Httellaiigen tind Referate ans 2eit8ehriReii. 


kommt zn einer auffällig raschen VerflQssignng; Fetzen nekrotischen Gewebes 
hängen in die Oeffnong hinein. Weiter entfernt Ton dieser schreitet die Nekrose 
langsamer Tor; es bildet sich zwar ein Schorf, aber er wird nicht abgestoOen, 
weil der Prozeß lange vordem Halt macht. Umgekehrt ist bei der perfor- 
rierenden Gangrän im Wochenbett die Nekrose eines mehr oder weniger 
großen GewebsstOdees das primäre und die Perforation die Folge der Ab¬ 
stoßung des nekrotitseben Sequesters, den man gelegentlich in der ütershShle 
findet. Auch der klinische Verlauf beider Erkrankungen ist verschieden, 
namentlich in bezug auf die Dauer. Bei gangränöser Perforation tritt der 
Tod innerhalb 48 Stunden, längstens nach 6 Tagen ein; bei perforierender 
Gangrän ist der früheste Todesuül, der bekannt ht, am 7. Tage erfolgt. 

Dr. P. Fraenckel-Berlin. 


Der Herzinhalt bei mechanischer Erstickung. Von Romant und 
Euzi^re. Ann. d’bygiöne publ. et d. m6d. Idg.; September 1907. 

Ob das Herzblut bei mechanischer Erstickung fiOssig oder geronnen ist, 
ist noch immer strittig. Der alten Walterschen Lehre, wonach beim Er¬ 
trunkenen das Blut stets flüssig, bei aus Wasser gelangten Leichen teilweise 
geronnen sein soll, stehen experimentelle Untersuchungen entgegen, die 
Gerinnsel im Blut ertränkter Tiere ergaben. Aber auch in Leichen Ertrunkener 
wurden von Brouardei und Loye Gerinnsel beobachtet. Sarda und seine 
Mitarbeiter erklärten auf Grund von Experimenten sogar den Befund von 
Gerinnseln sowohl bei Erhängten, Erwürgten, Erstickten, als auch bei Ertrunkenen 
für regelmäßig. Demgegenüber gelangten Wachholz und Horoczkiewicz 
neuerdings zu der Ansicht, daß beim Ertrinken wie bei allen plötzlichen Todes- 
flUlen überhaupt das Flüssig bleiben des Blutes die Regel sei, wenn man es 
vermeidet^ bei der Eröffnung des Herzens durch rauhe Instrumente, Berührung 
des Blutes mit Perikardiaiflüssigkeit und dcrgL Gerinnung hervorzurufen. 

Um diese Widersprüche aufzuklären, haben die Verfasser unter Berflck- 
sichtigung der von den letzten Autoren bervorgehobenen Fehlerquellen 
neue Versuche angestellt. Die Ergebnisse sind folgende: Nur unmittelbar 
nach dem Tode und bei weit vorgeschrittener Fäulnis ist ganz flüssiges Blut 
vorhanden. Die Herzhöhlen können völlig leer sein, wenn gleich nach dem 
Tode die Leiche in eine Lage mit abwärts gerichteten Oberkörper gebracht 
wurde und bis zum vorgeschrittenen Fäulnisstadium in ihr verblieb. Eine Aus¬ 
treibung des Blutes durch die Erstarrung der Muskeln, wie von einigen be¬ 
hauptet worden ist, kommt nicht vor. Auch wenn das Herz erst nach sorg¬ 
fältiger Abspüiung der Perikardialflüssigkeit und mit eingefetteten Instru- 

S enten, nach Unterbindung der großen Qefäßstämme geöffnet wurde, fanden 
eh sowohl bei langsam ertränkten, als bei erhängten Tieren 12 Stunden nach 
dem Tode Gerinnsel. Dieses nun von der Sardaschen Schule regelmäßig er¬ 
haltene Resultat dürfen daher gegenüber den inkonstanten Befunden von Wach- 
holz als das richtige gelten. Es fehlen noch Beobachtungen, ob es einen 
Unterschied für die Gerinnung ausmacht, ob der Tod durch Sauerstoffmangel 
oder durch systolischen Herzstillstand eintritt, wie es gelegentlich beim Er¬ 
trinken vorkommt. Experimentell ist diese Frage nicht zu prüfen, weil er¬ 
tränkte Tiere nicht an Synkope sterben. Dr. P. Fraecnkel-Berlin. 


Ueber einen interessanten Fall von einem FremdkSrper ln der Nase. 
Von Dr. Mühlenkamp-Düsseldorl Münchener med. Wochenschrift; 1907, 
Nr. 49. 

Bei der Untersnehnng eines Patienten, welcher über Brennen und 
Zucken in der Nase klagte, sah Verfasser in der linken Nasenhälfte direkt 
neben der Scheidewand, senkrecht zum Nasenbecken einen 8 mm langen und 

1 mm breiten schwarzgrauen Streifen, welcher sich bei der Operation als dne 
gut 5 mm lange und fast l^/i mm breite, abgebrochene Messerklinge heraus¬ 
stellte. Die Anamnese ergab, daß der Kranke bei einer Schlägerei vor 

2 Jahren gestochen worden war, wobei das Messer durch den Nasenrücken in 

den knöchernen Teil des Gaumenbogens eingedmngen und dort abgebrochen 
war. Auf den Nasenrücken fand sich bei genauerem Zusehen eine kleine 
winzige, striebförmige Narbe. Die Messerklinge hat also 2 Jahre lang reak¬ 
tionslos in der Nase verweilt. _ Dr. Waibei-Kempten. 



Kleinere Mitteilungen and Beferate ans Zeiteehiiften. 


98 


Alter FrendkSrper im Oberkiefer ala ürsaehe akat elaeetieBder 
bleaarrhoe-ihnltcher Bindebanteiternncen. Von Assistenaanct Dr. Tkorey- 
DOneldorf. MOnchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 49. 

Verfasser bietet 2 Röntgenaufnahmen dar, welche von einem 81 jihrigen 
Manne herrtthren, bei dem eine abgebrochene Messerklinge seit 4 Jahren in 
dar linken Augen*, Kiefer- und Nasenhöhle und der Nasenscbeidewand saS, 
o^e daß der Kranke davon wußte. Eine starke Bindehautsackeiterong, 
welche 8 Wochen lang erfolglos behandelt wurde und ein Ubier Oer ach ans 
der Nase, führte zu einer genaueren Untersuchung und zu obigem Befunde. 
Der Kranke wurde erfolgreich operiert und erzählte nun, daß er vor 4 Jahren 
einen Stich in die Gegend des 1. Auges bekommen habe, der von oben her 
geführt sein mttsse; die Klinge sei vermutlich an der Stirn abgeglitten und 
habe dann die Waage verletzt. Die Wunde sei am nächsten Tage genäht 
worden und in wenigen Tagen vollständig geheilt gewesen. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 

B. SaohwentftndiKeat&tlgkelt In Unfall- und ZnwalidltAtasaolian. 

Tabes und UnfalU Von Dr. Kurt Mendel. Monatsschrift fUr Psj- 
chiatrie und Neurologie; Band XXII, Heft 6. 

Ein sicherer Fall einer reinen Tabes traumatica ist bislang nicht be¬ 
schrieben; ein früher gesundes und insbesondere durch Syphilis nicht prae- 
disponiertes Individuum kann durch einen Unfall, welcher Art er auch sei, nie 
tablsch werden. Das Trauma kann aber bei einem zur Tabes durch Syphilis 
Disponierten die ersten Erscheinungen des BUckenmarksleidcns auslösen, es 
kann ferner bei bereits bestehender Tabes verschlimmernd und auf den Ver¬ 
lauf der Krankheit beschleunigend wirken. Die Verschlimmerung kann ent¬ 
weder das Trauma an sich herbeiftihren, oder es können das dem Trauma 
nachfolgende langdauernde Krankenlager, die veränderte Lebensweise, die 
erzwungene Buhtgstellung einzelner Glieder des Körpers und die Sorten 
ffir die Zukunft das schädigende Agons abgeben. Besonders eklatant zeigt 
sich die Verschlimmerung der Tabes durch den Unfall in denjenigen Fällen, 
in welchen direkt im Anschluß an die Verletzung eines Körperteils eine 
Zunahme der Beschwerden daselbst beobachtet wird oder wo zu früheren 
Symptomen neue, an dem Orte der Verletzung lokalisierte, hinzukommen. 

Dr. Többen-Mttnster. 

Si^ttlision des Ulnarls. Von Dr. H. Brassert. Münchener med. 
Wochenschrift; 1907, Nr. 63. 

Wenig beachtet sind nach Oppenheim Jene Spätläsionen des Ulnaris, 
die infolge von Verletzungen und Affekionen anderer Art am Ellbogengelenk, 
durch Kallasbildung oder narbige Verwachsungen hervorgerufen und unmittel¬ 
bar aasgelöst durch eine brüske Bewegung, Deberanstrengung oder Zerrung, 
nach vielen Jahren erst in die Erscheinung treten. Einen ähnlichen Fall teilt 
Verfasser mit. Ein 48jähriger Maschinist zeigte an der rechten Hand deut- 
lidie Atrophie des M. interosseus ezternus I und des Adductor pollicis, auch dies 
Spatia interossea am Handrücken waren etwas eingesunken, der Hypothenar 
leicht atrophisch. Spreizen und Adduktion der Finger waren stark beeinträchtigt, 
Beugen der Grandphalangen nicht möglich. Geringe Sensibilitätsstörungen an 
der ulnaren Handseite und an den vom Ulnaris versorgten kleinen Handmuskeln 
partielle EaB. Anamnestisch war besonders heivorzuheben, daß Pat. im Jahre 
1875 Scharlach durchgemacht hatte und sich im Laufe dieser Krankheit schwere 
eitrige Prozesse in beiden Ellbogengelenken mit starken Gelenkveränderungen 
angeschlossen hatten, besonders im rechten Ellbogengelenk. 

Es lag also bei dem Pat. eine Parese des rechten Ulnaris vor, 
welche angesichts der arthritisch - deformierenden Veränderungen am r. £11- 
bogengelenk zweifellos von hier ans ihren Ausgang genommen hatte, indem 
wahrscheinlich der Nervenstamm infolge eben dieser Gelenkveränderungen 
gedrückt oder sonstwie in seiner Lage, beeinträchtigt wurde. Für eine andere 
Aetiologie sprach nichts; denn weder Traumen noch Kompression und Zerrungen 
in bestimmten Situationen, bei besonderen Bewegungen oder Hantierungen, noch 
Inf^tionen, Intoxikationen, noch ein begbnendes Zentralleiden waren vorhanden. 

Dr. Waibel-Kempten. 



94 


Kleinere Mltteilnngen nnd Beferate am Zeitsohrlfleo. 


Wvmbehaftaiig nd WarmkravUeit iat aleht ala Betrlebaaalkll 
aanMhaa, wohl abor eine darah die Behaadlanf elagetreteae Brbliadaaf 
des Wnrmbehaftetea« Urteil des Beichsgerichts (V. Z.-S.) Tom 
6. Norember 1907. Joristische Woobenschrift 1907, Nr. 22. 

Der EUger hat bis zum 21. Mai 1902 anf der der Bergwerksaktiea- 

S aellschaft Eibemia gehSrigen Zeche Shamrok als Bergmann gearbeitet; aa 
esem Tage wurde er, „als mit der Wnrmkrankheit behaftet", in das katho¬ 
lische Krankenhaus in Bochum anfgenommen nnd dort an dieser Kraakheit 
irstlich nnd mit dem einzigen dafdr bekannten nnd gebrinchlichen Heilmittel 
— Extractnm filicis — behandelt, infolgedessen er (unheilbar) erblindete. 
Nach seiner Behanptnng hat Kläger sich die Inlektioa niit der Wnrmkrankheit 
hei der Bergarbeit zngezogen. Er nimmt den beklagten KnappschaftsTerdn, 
dessen ständiges Mitglied er war, anf Zahlung der statutenmäßigen Inraliden- 
rente und Schadensersatz' wegen von ihm zu yertretenden Verschnldem in 
Anspruch. Der erste Bichter wies die Klage ab, da die Wurmkrankheit nicht 
als eine Vernnglttcknng bei der Bergarbeit, vielmehr als eine allmählich ent¬ 
stehende bergmännische Berufskrankheit anzmehen; ein Verschulden des 
Beklagten aber nicht dargetan sei. Das Berufnngsgeridit nimmt im Gegen¬ 
satz zum ersten Bichter an, daß die in der Grube bei der Bergarbeit statt- 
gefundene Infektion des Wägers mit den Erzeugern der Wnrmkrankheit 
(Wurmlarven) als ein Betriebsunfall im Sinne des Unfallversichemngs- nnd des 
ünfallftirBorgegesetzes nnd folglich als eine Verunglflcknng bei der Bergarbeit 
im Sinne des § 25 des Knappschaftsstatuts anzmehen, daher der Beklagte dem 


Der Begriff des Unfalls im Sinne der Versicherungs- und Fftrsorge- 
gesetze ist durch Judikatur nnd Wissenschaft positiv und negativ dahin fMt* 
gelegt, daß darunter ein körperlich schädigendes zeitlich begrenztes mit 
dem Betriebe in innerem Zmammenhange stdiendes Ereignis, nicht aber 
eine Summe fortwirkender schädlicher Einflflsse des Betriebes zu verstehen ist, 
die allmählich zu einer Erkrankung der davon Betroffenen geführt haben. 
Der Bernfungaricbter ist sich audi dieser Unterscheidung wohl bewußt nnd 

f elangt von diesem Standpunkt aus an der Hand des erhobenen Sachverstin- 
igenbeweises zu dem Ergebnis, daß das Mndringen von einer oder mehreren 
’V^rmlarven in den menschlichen KOrper plötzlich, idso durch ein einmaliges 
Ereignis vor sich geht, und daß der so mit dem Krankheitsträger Behaftete 
von Bergarbeit so lange amzmchließen ist, bis er sich der vorgescbriebmea 
Kur mit Erfolg unterzogen bat. Er erachtet deshalb die durch ein ebmaligea 
Ereignis entstehende Wnrmbehaftung (die er von der eigentlichen Wnrm¬ 
krankheit unterscheidet) ab eben Unfall im Sbne des Versicherungs- 

f esetzes nnd demgemäß ab Verunglückung im Sbne des Statuts. Das B.^. 

at sich dieser Auffassung nicht anznschließen vermocht. Es fehlt zunächst 
die Feststellung nnd auä die Feststellbarkeit desjenigen Zeitpunkts, 
b welchem sich die Invasion der Wnrmlarven voUzogen hat, und damit 
zeitliche Begrenzung und Individnalbiernng des Ereignbses, wie sie zum 
Begriff des Betriebsunfalles gehOrt. Außerdem stellt der Eintritt ober oder 


einiger Wurmlarven b den KOrper an sich noch hebe körperliche Schädigung 
dar, sondern bewirkt zunächst nur eine Gefahr der Erkrankung nnd zwar, 
wie sich ans dem Gutachten des Medizinalkolleginms nnd des Medizbalrats 
Dr. T. ergibt, nur ebe entfernte Gefidir, die nur bei ebem verhältnismäßig 
geringen Teil der Wnrmbebafteten (ewa 10 Prozent) die sogenannte Wurm¬ 
krankheit (Anämie) zur Entwicklung kommt. Hat sonach der Bernfnngsrichter 
den Bechtsbegriff des Betriebsunfalles verkannt, so konnte das doch nicht 
zur Aufhebung des BerufnngsurteUs führen, weil der Tatbestand ebes Betriebs¬ 
unfalles b dem oben angegebenen Sinne ans den festgestellten Tatsachen 
ohne weiteres sich ergibt. Als das den Unfall darstellende Ereignis 
ist im vorliegenden Fall die Behandlung des Klägers mit Ex- 
tractum filicis in Verbindung mit der dadurch wider Erwarten 
herbeigeführten Erblindung des Behandelten anznsehen. 
Es bleibt zu prüfen, ob dieser Unfall mit dem Betriebe des Bergwerks, in 
welchem der Kläger ab Arbeiter beschäftigt war, b Verbbdnng steht. Das 
bt nnbedbgt zu bejahen. Die Verbindung braucht hebe unmittelbare su 
seb, es bedarf auch keber Einheit von Ort und Zeit zwischen dem Betriebe 


selbst und dem den Unfall darstellenden Ereignb. Es genügt, daß der Ar- 


Xkliiore Mitt^uigen imd Befeiate au Zeitsehriften. 


95 


baitar bai Ebtiitt dea ünfaUas in aiaer mit dam Batriabe im Zuammanbaag 
■tabuden, dam Batriaba dianstbaraa Titirtait odar Sitoatian gawiMarmafien 
— nach dam treffmdea Audrnck das B.>V.«A. — ,im Banne du Betriabas* 
bafondan bat. So liagt abar dia Sacba hiar. Bann, wia dar Bamlangs« 
liehtar badankanfrai lastest, ist der Warmbehafteta Ton dar Barnarbeit so 
lange augescblossea, bis er sieh dar Torgascbriebenen Kar mit Erfolg antar- 
aagaa bat; dadurch aber war dar Kligar, nachdem er bei der Bergarbait dia 
Wurmbahaitug sich aagasogan, ganOtigt, sieh der Behandlung, wia sie statt- 
safnndu hat, au untarwerfaa, einer Behandlung, die nicht blöd im Interesse 
M Tom Wurm BafaUanan, sondern auch nur Sieharheit das noch intakten Teiles 
dar Belegschaft und also im Interesse des Betriebes geboten und Torgeschriabra 
war. Es l&Bt sich also auch hier sagen, daß der Kläger während dieser Ba* 
handlang, der er sich nicht entsiehen konnte, ,im Banne des Betriebes“ stand, 
worau dau folgt, daß in diesem Falle uheilvoUe Wirkung dea dem Kläger 
als Heil* oder Yorbeagungsmittel yerabreichten Extractum filicis als ein W 
d. b. in Yerbingung mit dem Betriebe erlittener Unfall auuehen ist. Au 
diesen Grttndu erweist sieh die Yerurteilug des Beklagten sur Zahlug der 
im Fall der Yemnglftekwg au gawährudu Inyalidenrute nebst Bttckständen 
als gerechtfertigt _ 

O. B nk t a ri ol o gia, Hyglana and ßffaattleltM 8Aiilt4tew«>«ii. 

Infektlonakraakeltoii. 

Pest und Pocken. 

Uabar kSutUaha nnd natürliche Pestinfaktlon Ton Fisaban. Yon 
Ernst Fürth. Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 67, 8. 816. 

Es gelingt weder durch Yerfütterug noch intramukuläre Injektiu 
yon Pastmatarial, Goldfische krank zu machen. Die Fische, welche Pestmaterial 
gefrassu haben, scheiden aber Pestbazillen bis 6 Tage nach der Aufnahme 
noch au. Darau ergibt sich die Forderung, auf den Schiffen yerendet auf* 
gefundene Batten nicht über Bord zu werfen und diese Beseitigugsart gau 
besonders in der Nähe der Häfen zu yermeiden. Die Arbeit ist im hygienisdien 
Insütut in Hamburg ugefertigt. Das Institut untersucht die tot aulgefundenen 
Batten solcher SchMe, die au pestinfizierten Häfen kommen. Wenn bei einer 
Batte Pestbadllen gefunden werden, dann müssen natürlich alle übrigen Battu 
anl dam Schiff durch Augasung getütet werden. Yon einem Dampfer worden 
kürzlieh im Hamburger lutitut ^ Batten abgaUefert, dia sämtlich utersucht 
wvden; 21 yu den Tierra waru pesUnfiziart. 

Dr. Hirschbruch'Metz. 

Tarbraltnng der Put in Japan nnd Fannasa (Japan). Yon Pro! Dr. 
Osbida (Tokio) Charlottenburg. 

Seitdem am Ende des Jahru 1894 die Putepidemie in der Hafeutadt 
Kobe zum arstra Male augebrochen war, betrug die gesamte Krankenzahl in 
Japan bis März 1907: 1147, yon denen 949 gestorben sind. Im ganzen betrug 
die Zahl der Pestratten 5358. Die zur Bekämpfung dieser Pestepidemien yer* 
brauchten Barkosten erreichten die kolossale Summe yon ca. 5 Millionen Mark. — 
Im Naguaki*, Moji*, Hiogo* und Yokohamahafen wurden bisher (während der 
18 Jahre) 84 Schiffe wegen der Pest- oder yerdächtigen Fällen der Quarutäne 
utarzuu; u waren durchschnittlich im Jahre 2,6 Schiffe. 

Von Januar bis Juni 1907 erkrankten auf Formosa im ganzen 2462 Per¬ 
sonen an der Pest, yon denen 2052 starben. In den beiden Bezirken Tainau 
und Taihoku wurden yon Januar bis Mai 167377 Batten gefangen oder ge- 
Inidea, yu dum 648 Stück als Pestratten anerkaut wurden. Mit den Batten, 
die anterdem in uderu Bezirken gefangu waru, betrug die Zahl 1566214 
Müdk. _ (Eigubericht.) 


üobor dl« Putepidemie in Japan. 

; Bd. m, Heft ^8. 


Yon Dr. T. Noda. Eiseigakkwai- 


Der Yerfasur berichtet über die gesammte Pestepidemie in Japu 
lolgendermaßu: Die Pestepidemie und die der Hauratten haben insofern 
ii^u YerhÜtnis mit einuder, als die letztere stets der ersteru einige Zeit 
yoran gebt und die Schwankungen beider Epidemien paralell laufen. Mu 



96 Kleinere mtteilangen nnd Befemte ms Zdtsehiifteib 

kann den ümiMg der Batten-Epidemie mit ebem ZiUenTerhSltnls swisehen 
den gefangenen nnd den bflzierten Batten sor Ansebannng bringen. Zn Anfang 
der Menschen-Epidemie ist dieses ZahlearerhUtnis nnr 10000 : 1. Nimmt 
diese Zahl nnn danemd an und xirar bis 1000 : 1 oder noch mehr, dMn hinfen 
sieh die Erkrankungen unter den Menschen. Im Höhepunkte der Epidemie seigt 
^ Zahlenyerh&ltnis 40—60 : 1. Bd dem Nachlassen der Epidemie nimmt 
diese Zahl wieder, wie su Anfang derselben, ab; und wenn das ZdüesTer« 
hiitnis 1000 : 1 und noch weiter 10000 : 1 beträgt, dann kann mM auch 
Toranssehen, dafi die Menschen-Epidemie ebenfalls abnimmt, um schließlieh 
ToUständig XU verschwinden. Der Infektionsmodus der Pest ist noch nicht 
ganx klar. Die Pesterreger werden den Batten wahrscheinlich durch die 
Batten-Flöhe ttbtrtragen, dagegen weiß man bei den Menschen nicht genau, 
wodurch die Erreger ttbertragen werden; nuui vermutet, daß sie mittw der 
von ihnen beschmutxten Gegenstände in kleine Wunden undringen. 

Prof. Dr. Oshida-Tokio (Berlin). 

Sabkatane YaksinelnJektleneB« Von Privatdozent Dr. W. Knoenfel- 
maeher in Wien. Vortrag gehaiten auf der Yersammlnng Deutscher Natur¬ 
forscher und Aerzte in Dresden. Wiener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 89. 

Bei subkutaner Injektion von 1 ccm Lymphe, die im Verhältnis 1 : 200 
verdünnt ist, wird mit Sicherheit volle Immunität gegen Pockenvaksbe beim 
Menschen erzielt. An der Injektionsstelle bildet sich am 10.—14. Tage eb Infil¬ 
trat und ein Erythem, die beide verschwbden. Beim bereits einmal Geimpften 
tritt diese Beaktion am 1. oder 2. Tage auf. Sie bt eb Analogon xnr Area 
der Hantimpfung nnd nach den Ausführungen v. Piquets*) auf 1. die Tätig¬ 
keit der Zellen (oder des Blutes?) des tierischen Organismus, 2. auf eu 
Beaktionsprodnkt, welches der tierische Organismus biolge der Yaksbatioa 
gebildet hat, 8. auf eine toxische Substanz im Virus zurückxnfübren. 

Vakzine kann durch Erhitzen oder durch Zusatz von Semm ebes 
Vakzinierten avirulent gemacht werden; dann ruft sie aber nur beim Geimpften 
ebe Beaktion hervor, dagegen nicht beim Nichtgeimpften. 

Die Injektion avirulenter (auf 70" erhitzter) Lymphe erzeugt bei 
dem nur selten Immunität. 

Die subkutane Injektion von Vakxbe nnd die gleichzeitige Hantimpfang 
haben heben Ebfiuß anfebander. 

Bei sukzessiven Impfungen m aufeinanderfolgenden Tagen tritt db Be¬ 
aktion ungefähr gleichzeitig auf. Bei Vakzbebjt-ktionen, welche etwa 10 
Tage nach der ersten Injektion oder später ausgefübrt waren, machte sich die 
Beaktion bnerhalb 14 Stunden bemerkbar. Dieses Phänomen entspricht der 
Frühreaktion v. Piquets bei der Hantimpfung, der allergischen Beaktion. 

Man kann mit Hülfe dieser BeaMon feststellen, ob ein Mensch selbst 
vor einer Beihe von Jahren die Vakzin ekrankheit oder Variola überstanden 
hat oder nicht. Femerhb kann die Injektion beim Variobverdächtigen zum 
Zwecke der Dbgnose gemacht werden. Der positive Ansfail der Beaktioa 
bebi Nichtgeimpften sichert die Diagnose Variola. 

_Dr. Knrpjuweit-Berlb. 

Protrahierte Inknbatlonsxelt bei Vakzine* Von Dr. Si m on - Pbnen LV. 
Münchener med. Wochenschrift; 1907. Nr. 46. 

Eb am 10. September vorschriftsmäßig geimpftes 10 Monate altes Snd 
ließ bei der Impfkontrolle am 17. September an den Schnittstellen nicht die 
gerbgste Beizung der Haut erkennen. 

Am 23. September bemerkte die Mutter m eber der Schnittstellen auf 
dem rechten Oberarm des Ebdes eb Bläschen nnd am 26. September konnte 
Verfasser eine gut entwickelte Impfpustel feststellen. 

Die Impfung war somit von Erfolg, nur hatte die Inkubationszeit nicht 
wie normal 8 Tage, sondern 13 Tage gedauert. 

Verfasser bemerkt zum Schlüsse noch, daß er mit der gleichen I^phe 
zwei Tage später eb Mderes Kbd mit Erfolg impfte. 

_ Dr. Waihei-Kempten. 


>) Siehe Beferat darüber b dieser Zeitschrift; Jahrg. 1907, 8. 680, 



Kleinere MitteUnngen und Befemte »ne Zdteohrifteiu 


97 


Tjphns and Pnrntyplias. 

Stadien tber dM Waeketain des Bneterlnni tjpkeenm nnd des Tfbrie 
dMlerae ln sterUlelerten nad nleht sterilen AbfsliBtefffn nnd Abwlssenu 
MitteiloBg ans dem hygienlscben Institut su Stockholm. Von Gerda Troili- 
Petereon, Surahammar (Schweden). Zentralblatt fhr Bakteriobgie; I. Abt., 
Orig.'Bd. 4&, H. 1. 

Naeh den Untersuchungen der Verfasserin Termehrt sich der Typkns- 
baeUlns reichlich in sterilisierten Extrakten Ton rerwestem Seegras nnd Laub, 
in sterilem Filterschlamm nnd Sinkstoffen, nur wenig in sterilem Bilschwasser 
nnd kaum in sterilem Kloaken wasser. Cholerabssillen gedeihen gar nicht in 
sterilen Extrakten Ton Laubkompoet, während sie in den anderen Medien mehr 
oder weniger gut fortkommen. 

Wurden die Medien nicht sterilisiert verwandt, so wurden Cholera» 
Vibrionen im Wachstum znrttekgehalten, während TyphnsbaiUlen im Filter^ 
■whiMftitt aieh stark vermehrten nnd auch eine unter diesen beflndliehe Sand¬ 
sdickt durchwucherten. Dr. Le nt a-Berlin. 


Bneterium eell eonunune als S^slserreger ln iwel Pillen von Ab- 
lealanlerkrankungen. Von Dr. Ernst Kremker, Assistenaarzt in Straibnrg. 
Mincbener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 42. 

Es finden eich in der Literatur bereits eine Anzahl von Fällen, wo 
Bacterinm coli von der Gallenblase oder vom Genitaltraktns ans allgemeine 
Infektion hervorrief, verzeichnet. 

Verfasser teilt zwei weitere Fälle von Kolisepsis mit, von denen der 
eine sicher seinen Ausgangspunkt im ürogenitaltrdtns hatte, während beim 
aweiten Veränderungen der (HUenwege das Eindringen der Erreger wahr¬ 
scheinlich vermitteln. 

In beiden Fällen war Bacterinm coli aus dem Blute in Bebkultnr zu 
züchten; die kulturellen Eigenschaften geprüft durch ZücAten auf Gelatine, 
Agar, Milch, Bouillon (Indolreaktion positiv), Eartoffei, Traubenznckerbonillon, 
Lakmnsmolke, Endo- nnd Conradi-Drigalokiplatten verhielten sich charakte¬ 
ristisch. Ferner agglutinierte bei beiden Patienten das Blutserum die ans dem 
Blute sowohl, wie auch ans dem Urin einerseits, ans Galle und Fäces ander¬ 
seits gezüchteten Stämme. _ Dr. Wal bei-Kempten. 


Wert der Blutuntersuehung für die Tjrphusdlagnose. Ans dem 
hygienischen Institut su Kiel (Dir.: Geh. Med.-Eat Dr. Fischer). Von Dr. 
i^er Müller und Dr. Heinrich Gräf. Mit 1 Figur. Zentralblatt für Bak¬ 
teriologie; L Abt., Orig.'Bd. 48, H. 8. 

Die Verfasser hatten in einer früheren Arbeit (Nachweis von Typhns- 
baktoien in eingesandten Blutproben. Münchener med. Wochenschrift; 1906, 
Nr. 2) empfohlen, den Blutkuchen ans zur Anstellung der Widalsehen Beaktion 
eingesandten Blutproben auf v.Drigalski-Conradischen Lakmns-Li^tose- 
Agar anssnstreichen, da es ihnen gelungen war, aus solchen Blutknehen, die 
früher als wertlos fortgeworfen wurden, Typhnsbazillen zu züchten. Das Ver¬ 
fahren ist inzwischen von Kurpjuweit unter Leitung des Beferenten nadi- 
geprüft und als wertvoll für die Typhusdiagnose anerkannt worden. 

Die Verfasser berichten jetzt über eine größere Zahl von nach ihrer 
Methode ansgeftthrten Untersuchungen. Unter 141 Blutproben ergaben 69 
/also annähernd 60**/«) ein positives Besultat, darunter 18 bei gleichzeitig 
fehlender, 6 weitere bä gleichzeitig niedriger, nicht beweisender Widalscher 
Beaktion. 

KontroUnntersnehnngen mit Anwendung der Fornetschen Methode 
(Einbringen des Blutkuchens in Galle nnd Anreicherung etwa vorhandener 
Typhnsbazillen, sodann Ausstrich auf v. Drigalski-Conradi -Agar) ergaben 
etwa gläch gute Besnltate wie die Methode der Verfasser; die Stellung der 
IBagnose wurde durch F o r n e t s Methode jedoch um 24 Stunden verzögert. 

Für die Anstellung der Widalschen Beaktion empfehlen die Verfasser 
stets zwei gut agglutinierende Typhnsstämme heranzuziehen, da sie häufig eine 
verschieden starke Beeinfiossnng verschiedener Typhnsbazillenstämme durch 
das se l be Serum beobachteten, so daß bei Verwendung nur eines Stammes Aus¬ 
fall der Beaktion negativ erscheinea kann, während ein anderer Stamm hoch 



98 


Kleinere IfitMlnngen imd Befertte aas Zeits^riftea. 


Intiniert wird. An! diese Weise gelang ihnea dareh posittreB Aosiall der 
dalsehen Beaktioa (miBdesteBs in der SemmTerdflBniiBg 1:100) die Sieherw 
steUnag der Diagnose bei erstmaliger üntersnchnng in 76% aller aater- 
snehten Typhen. 

Nar selten wurde der ans dem Blatknehea geaflelitete Stamm Toa dem 
Seniffl des Patienten aioht agglntiniert, wenn dieses andere Typhaastimma 
agglntinierte. Bbeafalls selten fanden sie Stimme, welche, Ifisch gesttebtet, 
schwer agglntinabel waren. _____ Dr.Lents-Berlin. 

Weitere BeobachtaBfen Ibw ÜBtersaehnag des Blates aaf Typbaa* 
basUleB aad aaf AgglntlaatleB. Von cand. med. Wolfgang VeiL DmUscIib 
med. WochenBchrift; 1907, Nr. 86. 

Die Arbeit ans der Straßbnrger med. Klinik schließt sich an eine tob 
Brion and Kayser im Deatschen Archir fflr klin. Hedisin, Bd. 86, TerOffeBt- 
liebte an and erstreckt sich auf 210 Fälle, die nach der bakteriologischen Seite 
von der Straßbnrger Typhosstation bearbeitet worden. Aach hier erwies sich 
die Zflchtong Ton Typhosbazillen ans dem Blate (nach der Gallenanreichernngs- 
Methode tob Coniadi'Kayser) als das wichtigste Mittel sar FrlUtdiagnose 
der Krankheit. Dabei seigte sieh ein gewisser Parallelismns swischea Schwere 
der Erkrankung and Bazillennaebweis (bei »leichten* Fällen in 60*/«, bei 
•mittelschweren* in 76% and bei »schweren* in 100%). ln der sweitea 
Woche Termindert sich die Aussicht auf Erfolg, in der oritten Woche ist er 
schon sehr unsicher. Bei Paratyphos gelingt die Zttehta^ aas dem Blate 
seltener. Dr. Liebetran^Hagea L W. 


Terglelehende UntersaehangeB Uber die Typhnsdlsgnese aüttels 
BasUleBemalsioB and Flekersehem DlagBestlenau Von Dr. P. Sch rampf, 
Assistenten der med. Klinik der üniTersität in Straßbarg. Mtknehener medi 
sinische Wochenschrift; 1907, Nr. 51. 

Verfasset hat in 48 Fällen von Typhus abdominalis and 2 Fällen tob 
reinem Paratypbas B die Agglutination des Serams der Typhoskranken geprtlft 
and swar gleichseitig mit frischen Emalsionen tob eintägigen Eoltaren tob 
Typhus- and Paratypbns B-BasUlen and mit dem Fickersdien Typhas- and 
Paratyphos B-Diagnosticam. 

Verfasser faßt die Besoltate seiner Versaehe mit dem FickerscheB 
Diagnostieom in folgendem sasanunen: In 10 Fällen tob 49, in denen eine 
sichere Infektion mit TyphasbaxUlen Torbanden war, war die Agglatination mit 
dem Diagnostieom negativ, mit einer frischen BuUlenemalsion podtiT (sirim 
20 Prosent); in 6 dieser 10 Fälle war mit dem Diagnosticam eine AgglatinatioB 
bei Prttfnng an verschiedenen Erankheitstagen ttberhaupt nicht zu erzielen; 
bei drei davon trat die Agglutination mit dem Diagnostieom erst im späteren 
Verlauf der Krankheit ein; bei einem bestand sie anfangs and verlor sieh 
später. Die Erfolge mit dem Paratyphos B.-Diagnostieom sind also mangel¬ 
hafte. Sieht man von den Fällen einer Hisebinfektion von Typhös- and Para- 
typhas B-BazUlen ab, we ein positives Besnltat mit dem Paratypbns B-Dia¬ 
gnosticam eine ganz seltene Ausnahme darstellte, and beschränkt sich auf die 
zwei Fälle von reiner Paratyphas B.-Infektion, so sieht man, daß daa 
Diagnostieom bei dem einen ganz versagte, bei dem anderen bloß vorüber- 

f ehend auf kurze Zeit brauchbar war, obwohl wir es mit schwerkranken 
'atienten za tan hatten. 

Bei der verbreiteten Anwendong, die das Diagnostieom, vor allem wegen 
seiner bequemen and angefährlicben Handhabung, & der Praxis haben dttiite, 
erseUen es dem Verfasser angezeigt, aaf seine (derzdtige) ünsicherheit hin- 
zaweiseB. _ Dr. Waibei-Kempten. 

Heber Typhasbakterlaende and AgglntlBatleBSveraißgeB Im Terlaafs 
des Typbas abdominalis. Ans dem städtischen Obachow-Krankenhanse fOr 
Männer in 8t. Petersburg (Chefarzt: A. A. Netschajew). Von Dr. V. B. 
Stflhlern. Mit 6 Kurven. Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., Original- 
Baad 44, H. 2. 

Zar Frage der TyphasaareiehemBg mittels der GaUenkaltar. Aas 





Xlainera lOtteOnngen and Refente nna Zeitsehriftnn. 


99 


dem itidtlieben Obaehow-Enuikenhaaie ffii Frnnen In St Petenbnrg. Vor- 
linfige MitteUnng. Von Dr. C. Zeidler. Ibidem, H. 5. 

Stflblern konnte mittelst der Conrndisehen Gnllenmethode bei 
96 TTpbnskmnken in der ersten Krankbeitswocbe in 94,4*/, der Filie die 
Xyphnsbeiillen im Blnte nachweisen, in der sweiten Woche bei 60**/,, in der 
dritten Woche bei 16*/, nnd in der Vierten Woche bei 7*/,. Auch im Typhns- 
raeidiT K^Ung ihm der Basillcnnachweis mehimal^ stets aber erst nach dem 
vierten nge des BesidiTS. Der Bazillennachweis im Blnte von Leichtkranken 
«lang nnr bis snm Anfang der zweiten Krankheitswoche, bei Mittelschwer- 
kranken bis zum Ende der zweiten nnd bei Schwerkranken bis znr 4. Krank- 
heitswoche. Sobald die Agglntioationskrafi des Krankensemms erheblich an- 
znnehmen begann, waren die Bazillen im Blnte in der Begel nicht mehr nachweis¬ 
bar, so da6 sich Stflhlern znr AnfsteUnng des Satzes berechtigt sieht, dad 
die Anssicht des Bakteriennachweises ans dem Blnte des Kranken amgekehrt 
proportional der Höhe des Agglntinationstiters des Krankensemms ist. 

Noch bessere Besnltate mit der Qallenanreichemng erzielte Zeidler, 
der in der ersten Krankheitswoche in 100**/,, in der zweiten Woche In 80**/, 
positive Besaitete erhielt. Er empfiehlt, den Oallenansstrich an! Löffler- 
schem Malachitgrflnagar zn machen, auf welchem etwa in der Gallenröhre ge¬ 
wachsene Sapropbyten nicht aaskeimen, so daß man eine Beinknltnr von 
Xjphnabarillea erhält. Die Widalsche Beaktion fand Zeidler bei sdnea 
uanken stets in der Semmverändemng 1:100 positiv, wenn der Bazlllen- 
befand poriUv war. _ _ Dr. Lentz-Berlin. 

KHnlzehe nnd bakterlologlsehe Beobaektnngeii bei Abdomlnaltyphns, 
fubeeendere bei Typhnskomplikationea. Von Dr. G. Be necke-Jena. 
Dentschee Archiv fftr hlin. Medizin; 92. Bd., 1. nnd 2. Heft. 

Es gibt nach Ablauf des Typhus nnregelmäfiige Temperatarsteigerangen, 
die nicht als Bezidive, sondern als durch das Typhnsgift oder durch nm- 
sehriebene lokalisierte Typhnsbazillenherde bedingte Komplikationen anfzu- 
fasNn sind, auch wenn sie klinisch unter dem Bilde des Bezidivs verlaufen. 

Von einem hämorrhagischen I^phns sollte nnr dann gesprochen werden, 
wenn keine Misch- oder Sekondärinfektionen vorliegen. 

Der l^hnsbadllns vermag als solcher nicht Eiterung hervorznrafen. 

Die Zählang der Leukozyten, besonders nnter Bertlcksichtigong der 
Naegelischen Angaben ist eine wesenUiche Unterstützung der T^hns- 
diagnoee. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Wann steekt der Typhaskranke an! Von Dr. H. Conradi in Nenn- 
kirchen. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 41. 

Nach den ausgedehnten Erfahrungen des Verfassers in der Typhus- 
b^ämpfnng im Sfldwesten des Reichs kommen verhältnismäfiig häufig Kontakt- 
isiektionen in der Inkubationszeit und ün Initialstadiam des Typhus zustande, 
eine Tatsache, die für die Eoidemiologie bedeutungsvoll ist und auf die 
VHehtigkMt der frühzeitigen Erkennung und schleunigsten Isolierung hinweist 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Neuere Ergebnisse der Bakteriologie des Typhus In Ihrer Beziehung 
SU prophylaktlsehen Massnahmen. Von Dr. William G. Sa vage. Medical 
ettoer of health for Golshester. Public health; XX., Nr. 1, Oktober 1907, 
Seite 12—24. 

In seinem Vortraj^ teilt der Redner mit, daB die neuen üntersuebnngs- 
methoden 4 Tatsachenreihen endgültig festgelegt haben: 

1. TjThns-Bazillen werden nicht blos durch den Stuhlgang, sondern 
hän^ durch den Urin aasgeschieden. Das Prosentverhältnis ist nach 
Bichardson 22,6, nach Harton Smith 28,0, nach Vincent 22,0, nach 

'Herbert 18,0, nach Jakobi 19,0. nach Fuchs 9,0*/,. 

2. Von den deutschen Autoren ist uns die Kenntnis der chronischen 
Bazillenträger vermittelt worden. 

8. Typhus-Bazillen können sich auch in den Ausscheidungen von Per- 
•onea Ibden, die anscheinend nie an I^phus gelitten haben. 

4. üeber Paratyphus ist ans Deutschland und Amerika in großer Zahl, 



100 


Kleinere HitteilonKen and Referate ans Zettsohriftea 


ans England in einer sehr geringen Zahl herlehtet worden. Naeh Br. Wells« 
Chicago sind etwa 10 7o der dortigen TyphnsfiUe echter Paratyphns, nach 
Ko Ile güt IQr Dentachiand derselbe Prozentsata. 

Ans der Diskussion an dem Vortrage, der ein ausgedehntes Tatsachen« 
material brachte, sei herrorgehoben: 

Sir Shirley Murphy: Die Baaillentriger kOnnen au keinen weiteren 
Beinliehkeitsmaßregeln herangeaogen werden, als die übrige BeTölkemng. 
Kura -nach dem Berichte Kochs von 1902 habe schon Dr. Eyre vom 
Ouys Hospital bei einer Typhusendemie im London County Asylum ünter- 
snehungen auf Bazillen im Stuhl einer großen Reihe Ton Personen ansgeführt, 
um die Ursache des stetigen Wiederaulflackerns zu finden. Bazillentr&ger 
habe er zwar nicht entdeckt; die erhöhte Reinlichkeit, die seitdem aber Ton 
den Wärtern angewandt worden sei, habe jedoch die Krankheit zum Erloschen 
gebracht 

E. Seaton war der Ansicht, man müsse nach weiteren Unter« 
scheidnngsmerkmalen zwischen Typhus und Parat^mhns suchen. 

Dr. Cooper Pattin forderte, daß jedes Meberhospital ein bakteiio« 
logisches Laboratorinm haben müsse. 

Dr. Hamer hielt die Lehre von den Bazillenträgem noch nicht für 
gesichert Die deutschen Methoden seien den englischen durchaus nicht so 
überlegen, wie man angebe. Englische Forscher hätten wichtige Ergebnisse 
gehabt noch beror die deutschen angefangen hätten. Allerdings sei jetzt der 
Typhus im Erloschen, und so würden wahrscheinlich die Anhänger der Bazillen« 
trägerlebre in einigen Jahren schon in der Lage sein, den Anspruch zu erheben, 
daß dies Erloschen ihr Verdienst seL 

Dr. A. G. R. Foule rton wies auf die Richardsonsche Arbeit hin, 
in welcher bereits vor 9 Jahren die Urotropindarreichnng zur Sterilisierung des 
Urins der Rekonvaleszenten empfohlen worden war. Er selbst rate seinen 
Schülern, eine Woche vor der Entlassung aus dem Krankenhause pro Tag 
2 Dosen Urotropin zu verordnen. — Trotz seiner großen Erfahrungen habe er 
im Middlesez Hospital Paratyphns bisher mit Sicherheit nicht nachweisen 
können. Die sogenannten ParatyphnsbazUlen seien eben nahezu oder vOUig 
mit dem Bacillus enteritidis Gärtner identisch. 

In seinem Scblnßworte wies Dr. Savage darauf hin, daß die Zahl 
der Bazillenträger nicht so groß sei, wie ebige Redner angenommen hätten. 
Bei etwa 8000 l^hnsfällen pro Jahr in London gebe es etwa 18000 Kontakt« 
fälle und nngeföhr 600 Bazillenträger, eine Zahl, gegen die man wohl etwas 
erreichen kOnne. In bezug anf die Diagnose des Paratyphns erwähnte er, daß 
in seinem ersten Falle von Oolchester der Bacillus selbst ans dem Urin 
isoliert worden seL _ Dr. Mayer-Simmem. 


Zar Verbreltnng des Typhus durch Baztllenfriger. Von H. Kossel 
in Gießen. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 89. 

Kasuistische, die Ansicht von der Geßhrlichkeit der Typhnsbaziilen- 
träger wiederum bekräftigende Mitteilung: Im Anschluß an eine durch Milch 
vermittelte Epidemie wurde ein Kuhmelker als chronischer «Träger* ausfindig 
gemacht. Dr. Liebetraa«Hagen L W. 


Feststellung der Typbnsbazlllentriger und Tn>busschutsimpftang am 
Bord des Kiiegssebiffes „Iwate". Von Momoso. Saikiogaknzasshi; Nr. 141. 

An Bord des Kriegsschiffes «Iwate" brach im Dezember 1906 eine Typhus- 
epidemie aus, die sich, obwohl sie durch sorgfältige Desinfektionsanwendnngen 
sofort niedergelegt wurde, im Februar 1907 wiederholte. In der Mei« 
nnng, daß das Wiederauftreten der Krankheit durch Bazillenträger hervor« 
geruen sei, wurde der Stuhl der ganzen Mannschaft bakteriologisch untere 
sucht und festgestellt, daß darunter zwei Typhusbazillenträger vorhanden 
waren. Nachdem die Bazillenträger von der übrigen Mannschaft abgesondert 
und diese einer Typhnsschntzimpfang unterzogen waren, erfolgte völliges Er¬ 
loschen der Epidemie. Prof. Dr. Oshida*Tokio (Berlin). 



klebw« Ißttoilangen nnd Refetsto aiu Zeitsohriften. 


101 


Buflleatriger ud Dlsposltten ain Beispiele des AbdemlnaltTplivs. 
Von Prot Dr. E. Lery, StraSborg LE. und Oberalabsarzt Dr. Wieber, Saar« 
bnrg i. L. Aus dem hygienischen Institut der Oniversit&t Strafiburg, Zentral« 
blau Ittr Bakteriologie; 1. Abt, Orig.«Bd. 43, H. 5. 

Ebe Dnteroffizierslrau erkrankte unmittelbar nach Qeberstehen ebes 
Wochenbetts an Typhus. Wie die Untersuchung ihrer Umgebung ergab, war 
ihre Untrer, welche sie im Wochenbett gepflegt hatte, Typhnsbazillenträgerb, 
und auf sie die Infektion der Wöchnerb znrückzufflhren. 

An der Hand dieses Falles weben die Verfasser auf die Bedeutung der '' 
Basillenträger iiir die Weitet Verbreitung des Typhus nnd auf die des Wochen« 
bette ab wponierenden Moments für das Zustandekommen einer Infektion mit 
Typhus hin. Ab weitere Illustration für den letzteren Punkt werden auch 
zwei von Levy beobachtete Typhnsepidemien erwähnt, welche von zwd an 
^^yphns erkrankten WOchnerbnen ansgegangen waren, deren Typhus ab solcher 
nicht erkannt, sondern fflr Wochenbettfleber gehalten worden war. 

Dr. Lents«Berlb. 


üeber <lle Aetlologle einer bbher nnbekannton (an Fleektypbas 
erinnernden) Krankheit ln der Mandsehnrei. Von Horluchi (Japan). 
Saikingaknsasski; 1906, Nr. 126. 

Der Verfasser führte die bakteriologbchen Untersuchungen über ebe an 
Flecktyphus erinnernde Krankheit aus, über welche bisher noch nichts berichtet 
war. Dieselbe trat im April und Mai des Jahres 1906 b der Mandschurei epi¬ 
demisch auf. Die Untersuchungen bei mehr ab 40 Patienten ergaben, daß db 
Krankheit weder zu dem Abdominaltyphus, noch zu dem Paratyphns, die ja 
auch mit Hautroseola ebhergehen, bakteriologische Beziehungen hatte, sondern 
daß eb eigentümlicher Bacillus, den der Verbsser bollerte, wahrscheinlich der 
Krankheitserreger war. Der Bacillus kommt sehr oft in Stühlen und Urben 
der EUkrankten vor, nnd wird durch das Serum derselben deutlich agglutiniert; 
weder bei anderen nUanken noch bei Gesunden ist dieser Bacillus unnachwebbar. 
Ferner lügt Verfasser hbzn, daß er die verschiedenen Flecktyphuserreger, ^e 
viele Autoren bb jetzt ab solche angesehen haben, hier nicht Anden Konnte. 

Prof. Dr. Oshida«Tokio (Berlin). 


Heber eine Flebehverglftnng dnreh Parntypbns B. Ans dem hygieni¬ 
schen Institut zu Güttingen (Direktor: ProL Dr. K v. Esmaroh). You 
Dr. Albert Fromme, Assbtenten am Untersuchungsamt. Zentralblatt für 
Bakteriologie; I. Abt., Orig.-Bd. 48, H. 8. 

Anfangs Oktober 1906 erkrankten b H. 82 Personen bnerhalb von zwei 
Tagen unter den Erschebungen einer akuten Flebehverglftnng. Sämtlidie 
Personen hatten von einem Schlächter bezogenes Hackflebch genossen, das 
Schwebe- und Bbderflebchgembche enthielt. Das Göttbger Untersnehnngs* 
amt erhielt neben anderen Fbbehproben eben rohen Schbken, der von dem¬ 
selben Schweine stammte wie oben erwähntes Hackflebch. In dem Schinken, 
der stark b Finbb übergegangen war, fand sich eb Abszeß, der schmierigen 
Eiter enthielt. In dem Eiter konnte Fromme durch direkte Kultur nnd Ver¬ 
impfungen neben Bazillen der Mänsesepticaemie eben Bacillus nachweisen, der 
Meh ab identisch mit dem Bac. Paratyphi B. erwies. Derselbe BacUlns fand 
sieh b den Entleerungen eber Frau, bei welcher sich an die Erschebungen 
der Flebehverglftnng ebe längere typhnsähnliche Erkrankung angeschlossen 
hatte. Auch agglntinierte das Blutserum von drei der erkrankten Personen, 
von welchen dem Untersuchungsamt Blutproben zur Untersuchung zugbgen, 
sowohl den ans dem Schinken gezüchteten Stamm wie in gleichem Grade auch 
den Paratyphns B-Stamm aus der Institutssammlnng hoch. 

Auf den Schlachthof b H. war das betreffende Schweb, trotzdem der 
Sehlächter den anderen Schinken des Tieres wegen ebes Abszesses zur Ver« 
ntehtung abgeliefert hatte, für gesund erklärt und seb Flebch zum Verkauf 
sngelassen worden, da, wie die Schlachthausdirektion auf Anfrage mitteilte, 
•derartiji^ durch eine starke bbdegewebige Hülle abgekapselte Abszesse, welche 
auch bei Kälbern nnd Bbdern zuweilen Vorkommen und erst bei der Zerlegung 
der Tiere erkannt werden künnen, erfahrungsgemäß nicht den ge^gsten Xb- 
flnß auf db Cbnußtnnglichkeit des Fleisches haben*. 



102 Kleinere Mitteilungen nnd Sefemte nns Zeitsehriften. 

Mit Beeilt wdst Fromme nof die Bedenklichkeit dioMr Amleht hin 
und fordert eine gründliche Beiehrnng der Schlnehthnnsbeuntea Uber di« ein- 
eehllgigen bakteriologischen Yerhiltnisae. Dr. L e nt i-Berlin. 


Zar Diagnose nnd mm klinischen Terlanf des Pamtjphis. Von 
8. M. PoggenpohL Zeitschrift für Hygiene nnd Infektionskrankheiten: 
Bd. 57, 8. 278. 

In diesem Falle sei dem Beferenten eine kritische Betrachtung gestattet. 
P. beschreibt mit Becht einen Fall von echtem Typhös aosfOhrlich, bd dem 
bis zom 23. Krankheitstage — dem ersten fieberfreien Tage — die Widalsehe 
Beaktion fttr Paratyphos A, die am 18. Krankhdtstage bis 1:100 positir war, 
auf 1: 260 stieg, während die Eberthsohen Typhnsbazillen anfangs gar nicht 
nnd erst am 23. Krankheitstage bis 1:50 aggiotiniert worden. Das durch 
Yenenponktion entnommene Blot des Kranken enthielt aber echte Typhös* 
basiilen. Der Kranke bekam dann ein Bezidir, in dessen Yerlanf wiederum 
echte Typhosbazillen in seinem Blute gefunden wurden. Der Widal stic^ 
nun bis zum 84. Krankheitstage, dem 5. Tage des Bezidirs für Typhus bis 
1:750, während er fttr Paratyphos A von 1:250 auf 1: 60 sank. Fttr Para- 
typhös B war der Widal während des ganzen Krankhdtsrerlanfs negatir. 
Die Beobachtung ist zweifellos richtig. Der Buferent hat wiederhol^ wie er 
es gelegentlich in Beferaten aosgedrttckt hat, bei echtem Typhus eine sogen. 
Mitagglutination fttr Paratyphos B (!) gefunden, die quantitativ weit ttber den 
Agglutinationsgrad fttr Typhus hinausging. Aber regelmäßig ist dann im Yer¬ 
lanf der Krankheit — soweit nicht durch Anffinden der ParatyphnsbazUlen 
die naheliegende Schlußfolgerung bestätigt wurde, daß es sich auch um einen 
Fall von Paratyphos handle — der Widal fttr Typhus gestiegen und hat den 
fttr Paratyphos ttberholt. Ein Absinken des Titers fttr die mitagglntinierte 
Bakterienart hat Beferent nie dabei beobachtet. Die Tatsache, du die Mit- 
aggiutination während eines erheblichen Teils des Krankheitsverlanfs stärker 
smn kann, als die eigentliche Agglutination spricht durchaus gegen das sogen. 
Zupniksche ^Gesetz*. Dem Verfasser stimmt Beferent durchaus bei, daß 
aus dem Widal allein die Differentlaldiagnose zwischen Typhus und Paratyphos 
nicht zeitig gestellt werden kann; daß vielmehr hierzu die Auffindung der 
BasUlen erforderlich ist. Die Stellung der Differentialdiagnose ist ans dem 
Widal nach den Erfahrungen des Beferenten wohl mSglich, aber häufig erst 
zu einem späten Kraakheitstermin. Falls aber die von Chantemesse in¬ 
augurierte Semmtherapie des Typhus sich wertvoll erweisen nnd Aufnahme 
in die Praxis finden sollte, handelt es sich darum, die Differentialdiagnoee so 
zeitig wie möglich zu stellen. Damit kann natttrlich, worauf leider in der 
Arbeit nioht hingewiesen ist, der Wert der Widalschen Beaktion zieht ^ 
schmälert werden, da die Sicherung der Diagnose aTyphns* schlechtweg we 
außerordentliche Bedeutung fttr die desinfektorischen Maßnahmen und die 
sanitätspolizeiliche Behandlung des Falles besitzt Yon manchen Seiten hOrt 
der Bakteriologe wohl gelegentlich die Aeußemng, daß gerade bei den klinisch 
sichersten nnd schwersten Typhnsfällen der Widal negativ ansfalle. Darauf 
ist an bemerken, daß ein klinisch sicherer Fall nicht erst die Bestätlgnug 
durch die Widalsche Beaktion nOtig hat nnd daß bei diesen schwer verlaufenden 
Fällen im Blut des Kranken die Typhnsbazillen meist besonders leicht aubni- 
finden sind. Das Ausbleiben des Widals findet bei den sehr schweren Fällen 
eiae ungezwungene Erklärung: Da die agglutinierende Wirkung des Blutserums 
Folge einer reaktiven Lebensänßemng des Organismus ist, muß der KOrper 
Aber genttgend starke Kräfte verfttgen, um diese Beaktion zustande zu bringen; 
hieran dürfte es aber wohl häufig fehlen. Anderseits könnte aber trotz BUduug 
von Agglntininen bei einer außergewöhnlich starken Ueberschwemmung des 
Körpers mit Typhnsbazillen eine Absättignng der gebildeten Agglntinine Us 
zu dem Grade erfolgen, daß die Widalsche BeakUon nicht mehr zustande 
kommen kann. In den meisten Fällen wird man nicht fehlgehen, bei kliniseh 
aieheren und schweren Typhusfällen das dauernde Ausbleiben des Widals sJe 
ein signnm mali oiiiinis zu betrachten. Dr. Hirschbruch-Metz. 



Kldnere lUttoiliiiigen vnA Bafente aoi Zeitsehrlfton. 


108 


BpidemUehe Gealckstarre. 

UelMT JiMüagokokkeii-Spaniuitoeiatitlf. Eia Beitrag aur pathologlaclieo 
Aaatomie aad Bakteriologie der ftbertragbarea Geaickstarre. Von Primdoieat 
Dr. L. Piek, Prosektor. Beriiner klin. Woehenschrift; 1907, Nr. 80 nnd 81. 

Die übertragbare Genickstarre ist keineswegs eine reine lokale Affektion 
des Zentralaerrensystems, sondern geht mit einer fast überraschenden grofien 
Zahl anatomischer Verdnderongen & anderen Organen (^chen, Nase, Ange* 
Longe, Magendarmtraktns, Hers, Milz, Nieren, Plenra, Perikard, Gelenke, 
lymphatischer Apparat, Hant) einher. Die Vorstellnng der Allgemeininfektion 
rückt mehr in den Vordergrund; das Problem der ersten Ansiedlnag den 
Meningoooccns ist allerdings noch nicht erschöpfend gelöst. Verfasser fand 
bei einem sehr genau nntersnchten typischen, mit dem Tode endenden Fall 
ron Meningitis Empyem der beiden Simenbissen, die sich nach Appriparieren 
des Mastdarms als 2 große, etwa Daumenlange nnd •dicke, blutrote, nnktni^ 
rende Wülste prisenwrten nnd im Eiter Meningokokken enthielten. Es ist 
ansunehmen, daß Meningokokken mit dem zirkulierenden Blut in die Samen¬ 
blasen gelangt sind. Trotz der nahe TerwandtschaftUchen Beziehungen 
Zwischen den Meningo- nnd Gonokokken ist Ton einer Identhkt beider Kokken 
keine Bede, wie sich ans den weiteren Untersuchungen ergab. 

Durdi die Beobachtungen ist aber erwiesen, daß, wie der Gonococcns 
von seinem eigensten Bezirk, dem ürogenitaltraktns ans gelegentlich in den 
Hüllen des Zeatralnerrensystems sich einnistet, auch umgekehrt der Meningo- 
eoocns außer in den Leptomeningen zuweilen in die Dom&ne des Genpcoccns, 
in die eigentlichen Organe der Urogenitalsphäre, in die Nebenhoden, die Tnnica 
propiia der Hoden, die AnguUa des Samenleiters oder in die SamenÜasen gerät 
nnd in den letzteren sehr erhebliche Empyeme zu erzeugen Terman. Bd der 
Meaingolrokken-Sperinatocystitis kann unter Umständen der Urin die Erreger 
zwiildloa, sogar u nicht geringer Menge enthalten; es ist daher bei Meningitis 
andi Dcaeinfektion des Urins zu fordern. Dr. Bänber-KOslin. 

Ueber die praktische Bedeutung der Baehenerkmnkang bei der 
Scnlekstarre* Meningokokken • Meningitis nach Lnmbalanästheaie lut Storain. 
Ana dem pathol. Institut des Krankenhauses Moabit • Berlin. Von Priratdoaent 
Dr. Westenhoeffer, Prosektor. Berliner klin. Wochenschr.; 1907, Nr. 88. 

Die Erkrankung der Bachentonsille ist das Primäre, ron der ans die 
Meningitis entsteht. Sie ist regelmäßig in den ersten Krankheitstagen festzn- 
st^en, rerschwindct aber manchmal schon nach 8 Tagen nnd früher. Die 
lymphatische Nasenwucbemng ist die Ursache der Erkrankung; die Gaumen- 
ton^en treten bei der Geuckstarre in den Hintergrund. Bm tuberknlSser 
Men. fehlt die Nasenraehenerkrankung, während sie bei durch Streptokokken 
nnd Pneumokokken herrorgernfener Men. Torhanden ist. Die Verbreitung der 
Meningokokken geschieht durch die Luft, nnd zwar nicht durch Kinder, da 
.dieae ihr Sputum nicht auawerfen, scmdern durch erwachsene Personen, die eine 
Hcaingokokkenpharyngitis haben oder einfache Kokkenträger sind. In 
Mbuh Fall trat nach Injektion Ton Stovain in den Bückenmarkskanal bei 
einem ganz gesnndea Mann echte Meningokokken-Meningitis ein, ein einzig 
dastehender Fall, eine Ausnahme yon der Begel, daß Träger yon Menin¬ 
gokokken nur da yorhanden sind, wo epidemuche Genickstarre besteht, da 
m adner Umgebung kein Kokkenträger gefunden wurde und er selbst keine 
Bachenerkraakuag hatte. Nach dem Gesetz war dieser Fall zu melden, yom 
wissenschaftlichen SUmdpunkte nicht, da er nicht ansteckend wirkte, wenn man 
nicht an die Ausscheidnng der Erreger durch den Urin denkt. Anderseits ist 
eine Men., die durch die yiel resistenteren Strepto- oder Pneumokokken heryor- 
gemfen Id, ebenfalls ansteckend. Isoliemng nnd Wohnnngsdesinfektion ist 
ai^ hier am Platze. 

Zur Stellung der Diagnose Men. ans dem Baohensekret wird mit einer, 
nach aufwärts geboten, mit einem Wattebausch bewickelten Sonde yom 
Mnnde her aus Mm Nasopharyax Sekret entnommen. Es genügt nicht gram- 
negntiye intrazellnläre Diplokokken zu färben undzu züchten; es ist yieunehr 
aaeh iUe A gglntinationsprobe mit Mcadngokokkeasemm anznstellen. 

Dr. Bänber-KOslin. 



104 


Kleinere Mltteiliingen nnd Sefemte nne Zeiteehriftett. 


Ueber das Wesen, die TerUtnng nnd Beklmpfnng der epldenilsehen 
Oenlekstarre« Von Dr. Odknr Weidsni>SchSneber|p b. Berlin. Vieiteljsbrs- 
sobriffi 1 gerichtl. Hedisin and OffentL Sanit&tawesen; Jahrg. 1907, EL 1 a. 2. 

Die aasfdhrlicbe Arbeit behandelt das gesamte Qabiet der «epidemischen 
Genickstarre* ned benutzt sehr sorgfältig die Literatar, einschließlich der 
jhngsten Veröffantlichaogen. Besonders der pathologisch-anatomische Teil 
der Arbeit rerdient lateresse, so die kritischen Ausführongen Aber die Eingangs¬ 
pforte nnd den lolektionsweg des Erregers. 

Es maß im einzelnen auch die Arbeit selbst, die als gut orientierende 
Zasammensteilang an gelten hat, verwiesen werden. 

Dr. Kraemer-Worbis. 

Zar Prophylaxe der übertragbaren Geniekstarre. Von Kreisarzt 
Dr. Brnmmand in Stade. Soziale Medizin nnd Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 7 

Verfasser empfiehlt aof Grund einiger Beobachtungen wiederholtes Ein- 
blasen von Natrium sozojodolicum in den Nasenrachenraum. Die Ausführung 
der Einblasungen wird leicht erlernt und von den Beteiligten selbst ansgeffihrt. 

Dr. D 0 n r n-Hannover. 


Heber sporadische Meningitis eerebrospinaUs eptdemlea nnd Ihre 
dlagnostlsehe Abgreninng von anderon menlngenlen Erkranknngen. Ans 

der IL med. Klinik der Önigl. Cbarit6 (Direktor Geh. Med.-Bat ProL Dr. 
Kraus). Von Stabsarzt Dr. HOlker, Assistent der Klinik. Berliner klin« 
Wochenschrift; 19U7, Nr. 34. 

Von 16 seit Januar 1906 unter dem klinischen Bilde der Meningitis 
cerebrospinalis eingelieferten Fällen, boten 9 Fälle diagnostische Schwimg- 
keiten. In 2 Fällen wurde trotz so^ältiger üntersuchung erst im Verlaiue 
der Krankheit (Ende der 2. und Ende der 5. Woche) echte epidemische 
Genickstarre (Men. Weichselbanm) festgestellt; 1 Fall erwies sieh 
bei der Sektion als Men. purulenta tubercolosa, 1 anderer als Lues, bei den 
5 übrigen handelte es sich um einen Tumor cerebri, einmal um hämorrhagiseha 
Diathese mit Gehimblatungen, einmal um eitrige und 2 mal um tuberlralOsa 
Meningitis. Bei dem Falle, in welchem in der 5. Woche der Men. intracellu- 
laris £ der Lumbalfiflssigkeit gefunden wurde, war schon vorher eine Prfiiui^ 
der kokkenfreien Cerebrospinalflüssigkeit auf MeningokokkenantikOrper posi¬ 
tiv ausgefallen, während bei dem Luetiker die angestellte Prüfung auf Me- 
ningokokkenantigen negativ gewesen war. Dieses neue Verfahren scheint, 
wenigstens bei positivem Ausfall, zur Abgrenzung und Differenzierung zweifel¬ 
hafter Genickstarrefälle von Wert zu s^. Leukozyten landen sich in der 
Lumbalflüssigkoit aller Formen. 

Die Tatsache, daß, besonders bei sporadischen Fällen von Genickstarre, 
der spezifische Kokkus manchmal erst sehr spät anfgefunden whrd, mahnt dazn, 
zweifelhafte Fälle schon vor Abschluß einer endgültigen Diagnose abznson- 
dem; eine gesetzliche Handhabe fehlt aber noch dafür. 

' Dr. Bäuber-KOslin. 


Ueber die bisherigen Erfhhmngen mit dem Meningokokken-HeU- 
semm bet Genlekstarre- Kranken. Von Geh. Med.-Bat Pro! Dr. A. Wasser¬ 
mann. Deutsche med. Wochenschr.; 1907, Nr. 89. 

Ueber die Wirksamkeit des in bedeutender Menge vom Institut für la- 
fektionskrankheiten kostenlos abgegebenen Meningokokken - Pferdeserams, liefern 
nur 105 Berichte ein, von denen nur 67 genauere Angaben enthielten. Dlesee 
kleine Material läßt aber erkennen, daß in frühen Stadien der Krankhdt dsM 
Serum einen günstigen Erfolg hat, deren Chansen um so geringer werden, J« 
später mit der Injektion begonnen wird. Es muß häufig (eventuell tägliw> 
injiziert werden; bei schweren Fällen scheint die intradurale EinverleibuBg 
wirfanuner zu sein. Abgesehen von einem bisweilen beobachteten harmloenm 
Serum - Exanthem kamen keine Nebenerkranknngen zu Tage. 

Dr. Liebetrau-Hagen 1. W. 



Kleinere Hittelhmgen and Beferate ane Zettsehilften. 


106 


Taberknloie. 

Ueber das Waehstnia des Taberkelbaelllos bet niederen Wirme- 
fmden. Von C. FraenkeL Hygienische Hnndschau; 1907, Nr. 18. Fesh- 
aammer za Ehren des XIY. internationalen Kongresses Ihr Hygiene und 
Demographie. 

Im Gegensatz za der allgemeinen Ansohaanng, daß der Taberkelbacfllos 
nur bei Bratwirme oder doch aosschließlich bei Temperataren gedeihe, die 
dieser letzteren nahe stehen, konnte der Verfasser feststellen, daß einige Kol« 
turen, die ailmihlich, im Verlaafe yon 6 Jahren, bei immer geringeren Wirme« 
graden gehalten wurden, schließlich bei gewöhnlicher Zinunerwirme (20* C) 
eine ganz deutliche Vermehrung aafweisen. Das Wachstam konnte erst nach 
6 W^en mit dem bloßen Aage erkannt werden, nach ongefihr 8 Monaten 
war es zur Bildung eines dichten Basens gekommen, wihrend bei Bratwirme 
dieses Ereignis schon nach ongefihr 3 Wochen eingetreten ist. Einige Kol« 
tnren wachsen ohne allmähliche Gewöhnung, bei der direkten üebertragung 
yon bei Brutwirme gediehenen Kaltaren aal Giyzerinseram, der bei gewöhn¬ 
licher Zimmeitemperatar gehalten wurde. Die so entstandenen Kaltaren 
standen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit für den tierischen KOrper nicht hinter 
den gewöhnlichen bei firatwirme gediehenen zarOck. 

_Dr. Kurpjnweit-Berlin. 

üntersnehangen ftber die Wirkung des Formaldehjds aof die Ent- 
wleklong des Taberkelbaelllos and des Staphylocoecos pyogenes anrens» 
Von Prof. G. Martinotti, Direktor des pathol.-anat Instituts der Königlichen 
üniyersität in Bologna. Zentralblatt für Bakteriologie; 1. Abteilang, Original- 
Band 48, Heft 8. 

Kaltarelle üntersnehangen zeigten, daß yerhUtnismäßig große Mengen 
Foroudin za Kaltaren des Taberkelbacillas hinzagefügt werden können, ohne 
die Entwickelung der Taberkelbazillen za hemmen, während Staphylokokken 
durch die Gegenwart yon Formalin in ihrer Entwicklung je nach der Menge 
des Formalins mehr oder weniger stark beeinträchtigt werden, stets aber me 
Fähigkeit yerlleren, ihr charakteristisches Pigment za bilden. 

_ Dr. Lentz-Berlin. 

Zorn gegenwirttgen Stand der Taberknloseforsehong. Von Lydia 
Babinowitseh-Berlin. Wiener mediz. Wochenschrift; 1907, Nr. 88. 

Es sind gerade 25 Jahre yerflossen, seit B. Koch den Erreger der 
Taberkolose entdeckt hat. 190L glaubte Koch in London die Ansiät yer- 
treten za mflssen, daß der Erreger der Bindertuberkolose yon dem des mensch¬ 
lichen yerschieden sei. Durch zahlreiche üntersuchungen ist es in den letzten 
Jahren jedeh festgestellt, daß beim Menschen auch solche Bazillenformen yorkom- 
men, welche alle Eigenschaften der Perlsachtbaziilen aufweisen. Man schloß 
daraas nicht mit Unrecht, daß der Mensch für die Erreger der Bindertaberkalose 
empfänglich sei Immerhin ist die Uebertragang der Bindertaberkalose aof den 
Menschen eine seltene Erscheinang. Bei Bindern worden bisher nur Perlsuchtba- 
zillen festgestellt Verfasserin konnte aas tuberkulösen Milebproben Kaltaren 
gewinnen, die yon menschlichen Taberkolosestämmen nicht abwichen; fernerhin 
gelang es ihr in üebereinstimmong mit einer Beihe yon Autoren außer den 
menschlichen Taberkelbazillen and den Perlsachtbazillen sogenannte Taberkd- 
bazillenformen — üebergangsformen — nachzaweisen. Da die Untersuebongen 
ergeben, daß die beiden Vertreter der Säagetiertaberkalose sowohl beim Men¬ 
schen, ab anch beim Bind yorkommen, bt der Schloß berechtigt, daß die 
Bindertaberkalose auf den Menschen und die menschliche Taberkolose auf das 
Bmd übertragbar bt Bei tuberkulösen Affen konnte die Verfasserin mensch¬ 
liche Taberkelbazillen, Bbderstämme and sogenannte üebergangsformen nach- 
webea. Die Gelegenheitsarsache zur Spontaninfektion bt yon großer Beden.« 
lang, wie ans folgender Beobachtung heryorgeht Bei Hauspapageien worden 
näiwch menschliche Taberkelbazillen, bei Papageien des Zoologischen Gbrtens 
VogeltaberkaloeebazUlen gefunden. Die GeflOgeltaberkolose bezeichnet Ver- 
Venasserin auf Grund ihrer Erfahrungen an einem großen Sektionsmaterial 
oor ab eine Varbtät der Säagetiertaberkalose. 



106 


Kleinere Mitteilnngen and Referate ans Zeiteehiiften. 


Der ursprünglich infiaierende Taberknlosestamin kann im Menschen eine 
Umwandlung erfahren. Die Ffltterungsinfektion spielt bei der menschlichen 
und tierischen Tuberkulose eine größere Bolle als man bisher annabm, dafür 
sprechen zahlreiche Beobachtungen und Experimente. Beim Menschen und 
beim Bind kommen in Organen, Drüsen etc. virulente Bazillen vor, ohne dort 
Ver&ndermigen hervorgerulen zu haben. In der Milch von Kühen, die auf 
Tuberkulin reagiert hatten, fand die Verfasserin in üebereinstimmang mit 
andern Autoren Tuberkelbazillen, ohne daß das Euter selbst mikroskopisch 
tuberkulöse Veränderungen auf wies. Die Gefahr des Genusses perlsucbthaltiger 
Milch für den Menschen ist daher nicht gering einzuschätzen. Von den laten¬ 
ten Tuberkelbazillen in Drüsen etc. kann jederzeit bei besonderen disponieren¬ 
den Momenten eine progrediente Tuberkulose ausgeben, da die Büillen in 
ihrer Virulenz nicht geschwächt sind. Dr. Kurpjnweit>Berlin. 

Vergleichende Untersuchungen Aber die Bedeutung der Atmungs¬ 
organe und des Verdannngstraktns für die Tuberkuloselnfektion (nach 
Versuchen am Meerschweinchen). Von B. Pfeiffer und £. Friedberger 
in Königsberg i. Fr. Deutsche mediz. Wochenschr.; 1907, Nr. 39. 

& wurden 28 Meerschweinchen mit Tuberkelbazillen, und zwar in 

S üßerer Menge, durch die Scblnndsonde gefüttert, und anderseits wurden 
Tiere der EÜnwirkung tnberkelbazillenbaltigen Flttssigkeitssprays ansge¬ 
setzt, wobei die a priori für die etwaige Inhalation von Tuberkelbazillen durch 
den Menschen in Betracht zu ziehenden Verhältnisse möglichst naebgeabmt 
wurden, insbesondere die Zahl der möglicherweise aufgenommenen Krankheits¬ 
keime eine sehr niedrige sein mußte. Die Tiere wurden nach 50 Tagen ge¬ 
tötet. Dabei zeigte sich nun bei 22 der 29 Inbalationstiere ausgesprochene 
Lungentuberkulose, bei 15 von ihnen auch spezifische Erkrankungen anderer 
Organe, aber bemerkenswerterweise in keinem Falle eine solche der Mesenteri¬ 
aldrüsen und des Darmes. Hingegen erkankten von den gefütterten Tieren 
trotz der großen Mengen eingeiührter Erreger nur 4 an Lungentuberkulose; 
bei drei anderen waren die Mesenterialdrttsen ergriffen. Für die Lungenaffektion 
mußte direkte Einführung in die Luftwege beim Zurückziehen der Sonde als 
möglich angenommen werden. 21 Tiere zeigten keine Spur von Tuberkulose. 
Die Versuche berechtigen jedenfalls an dem Schluß, daß auch beim Menschen 
für die Aetiologie der Lungentuberkulose die Inhalation der Erreger selbst in 
IMnsten Mengen viel wich^er ist als die Aufnahme durch den Darmtraktus. 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 

Zum weiteren Ausbau der planmimfgen Taberknlosebeklmpfbng. 
Von Prof. Dr. Petruschkr-Danzto. Blätter für Volksgesundheitspflege; 
Jahrg. VII, Nr. 11. 

Die erheblichen Fortschritte, welche in den Jahren seit der Entdeckung 
des Tuberkulins gemacht worden sind, bewegen sieh vorzugsweise auf dmn 
Gebiete der Anwendungsmethoden und der Anwendungsdauer der spezifischen 
Präparate. Ein näheres Eingehen hierauf würde an dieser Stelle zu weit 
führen. Nur soviel sei gesagt, daß man von der früheren Hoffnung, schwere 
Tuberkulose durch wenige Tuberkulineinspritzungen schnell heilen zu können, 
vollständig zurückgekommen ist, daß man sich aber von der Möglichkeit, Früh¬ 
stadien der Tuberkulose durch vorsichtige und mehrfach wiederholte Kur- 
Etappen zu heilen, und zwar im Verlauf von Jahren endgültig zu heilen, 
mehr und mehr überzeugt hat. Die Tuberkulinanwendung ist daher ein wich¬ 
tiges Mittel geworden, um die durch die Heilstätten begonnene Arbeit einer 
Steigerung der Widerstandsfähigkeit des Kranken in zielbewnßter Ergänzung 
zu vollenden. Sie dient nicht nur als Erkennungsmittel zweifelhafter Früh¬ 
formen und als Ergänzung für die Heilstättenbehandlung, sondern auch ala 
selbständiges Kurnuttel für solche Tuberkulöse, welche bei gutem Kräftezu- 
stand und erhaltener Erwerbsfähigkeit zu ambulatorischer Behandlung 
ohne Berufsstömng geeignet sind, vor allem aber zur Nachprüfung, ob end¬ 
gültige Heilung erreicht ist 

Das nä<&te Ziel ist die Schaffung von Stationen für ambulatorische 
Tuberkulin'Behandlung in allen großen und mittleren Städten unter sach¬ 
kundiger Leitung. 



Kleinere Blitteilnngen and Referate ans Zeitschriften. 


107 


Für die ratsuchenden Patienten besteht leider noch immer die Sehwie* 
rigkeit, unter ihren irztUchen Beratern die Tersohiedensten Heianngen in he¬ 
gten. Ein Fortsehritt aber ist es schon, daß das frtther so weit yerbreitete 
Mißtranen gegentibor den spezifischen Heilmitteln unter den Aerzten mehr 
und mehr zu schwindmi begbnt und die in der Literatur niedergelegten Er* 
fahmngen in der Tnberkolintherapie mehr und mehr Beacbtong finden. 

_ Dr. Wolf*Marburg. 


XJatersuehnng über die Ophthalmereaktlon der Tuberkulose. Von 
Harinestabsarzt Dr. Wiens und Oberarzt Ottnther. Mttnch. med. Wochen* 
Schrift; 1907, Nr. 62. 

Kritische Bemerkungen |rar klintsehen Bedeutung der Ophtbalme* 
reaktlon anf Tuberkulose. Yon Priratdoient Dr. C. Klineberger-KOnigs* 
borg L F. Ebenda. 

Wiens und Ottnther hielten sich bei ihren Versuchen ttber Ophthalnto- 
reaktion genau an die von Galmettein der Originalarbeit angegebene Methodik 
und benutzten eine 1 prozentige Lösung, welche aus trockenem Tuberkulin der 
Höchster Farbwerke mit destiliertem und sterilisiertem Wasser hergestellt war 
und in der Menge eines Tropfens in den Konjunktiralsack des emen Auges, 
nahe der Carnncnla, eingeträufelt wurde. 

Ans dem Resultate der Untersuchungen fällt zunächst anf, daß bei den 
Einträufelungen mit 1 prozentiger Lösung in einer Anzahl yon Fällen recht 
schwere Augenyeränderungen eingetreten sind, die sich oft sehr in die Länge 
zogen; dabm femden siä derartig scUwere Erscheinungen bei Patienten, 
die klinisch auch nidit den geringsten Anhaltspunkt für eine tuberkulöse Er* 
knnkung boten. 

Wenn auch die Verfasser auf Grund der kleinen Zahl yon Untersuchungen 
ein Urteil ttber den Wert der Reaktion an sich nicht fällen wollen, so möchten 
sie doch betonen, daß bei einem Untersnchnngsmodns, der ganz dem in der 
Originalarbeit angegebenen (La presse m^dicale Nr 49, 1907) entsprach, sich 
derartig schwere Angenyeränderungen gefunden haben, daß eine weitere An* 
Wendung der Methode bezw. der Einträufelungen mit 1 prozentiger Lösung als 
nnzuläss^: erschien. 

Die Untersuchungen mit '/* P^ozcntiger Lösung haben ein günstigeres 
Resultat ergeben; die Zahl der Untersuchungen ist jedoch zu klein, um ttber 
den diagnostischen Wert oder Unwert der Reaktion ein Urteil abzugeben. 

Die Verfasser wollten hauptsächlich beweisen, daß die Callmettesche 
Ophtbfdmoreaktion keineswegs ein so harmloser und unbedeutenter Eingriff 
ist, als man bisher angenommen hat, und daß man durch die schweren, unter 
Unutänden hartnäckigen Folgeerscheinungen recht unangenehmen Situationen 
ausgesetzt sein kann. 

Zu ähnlichen Ergebnissen ttber die Gefahren und den zweifelhaften 
diagnostischen Wert der Ophthdmoreaktion kommt auchDr. Klineberger in 
der oben eingezogenen Arbeit. Dr. Waibel*Kemptmi. 


Haut* und OphthalmoreiAtlon auf Tuberkulin. Von Dr. Carlos 
Maini ni aus Buenos^Aires. (Ans der IL med. Klinik in München). Mttnchener 
med. Wochenschrift; 1907, Nr. 52. 

Verfasser berichtet ttber Versuche mit einer neuen spezifischen Reaktion 
bei Tuberkulösen, welche er teils nach dem yon ihm etwas modifizierten 
y. Pir quetschen Verfahren, (Kutanreaktion) teils nach dem gleichfalls etwas 
modifizierten Wolff*Eisnersehen Verfahren (Ophthalmoreaiktion oder Kon* 
junktiyalreaktion) an 208 Personen anstellte. Von diesen 208 Personen um¬ 
faßte die erste Gruppe 28 Kranke bezw. Tnberknlöse mit positiyem Bazillen* 
befand, die zweite Gruppe 74 Kranke bezw. Patienten, welche der Tuberkulose 
yerdächtig waren und die dritte Gruppe 111 Kranke bezw. Patienten, bei denen 
kein Anhaltspunkt fttr Tnberknlöse yorhanden war. Verfasser gibt tabellarische 
Uebersichten ttber die Untersnehnngsbefnnde der einzelnen Gruppen und Ver¬ 
fahren und faßt die Ergebnisse der Gesamtuntersuchungen folgendermaßen 
zusammen: 

1. Die kutane, wie die Ophthalmoreaktion ergeben bei Kranken mit 
sicherer Tuberkulose, abgesehen yon sehr yorgeschrittenen Fällen, mit groner 
Konstanz eine Lokalieaktion. 



108 


Besprechtmgen. 


2. Die Speeilisittt dieser Beektien ist zwar tu maBchen GrtliideB 
wahrselieiitlichf aber Doch Bicht bewiesen. 

8. Bei nicht der Taberkolose yerdächtigen Individuen ergibt die Kutan* 
reaktiOB etwa sechsmal höhere Werte als die Ophthalmoreaktion. 

4. Unter der Voraussetzung, daB die Beaktion spezifisch ist, lißt sich 
dieser Widerspruch unter allem Vorbehalt vielleicht dahin auffassen, daß die 

a pthalmoreaktion vorwiegend auf eine aktive Tuberkulose hindeutet, während 
e V. Pirquetsche Beaktion (Kutanreaktion) auch latente Herde anzeigt. 

Dr. Waibel* Kempten. 


Hellstltten oder Invaltdenheime für Tnberkulßse! Von Geh. Be* 
giemngsrat Bielefeld, Direktor der Landes «Versicherungsanstalt der Hanse¬ 
städte. Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, Hr. 7. 

Gegenttber den Angriffen der Heilstättengegner verteidigt Verfasser den 
Wert der Heilstätten. Vergleicht man rechnerisch Aufwand und Gewinn der 
Heilstättenbehandlung, so schließt das Konto mit einem Gewbne ab. Die 
idealen Vorteile der Heilstättenbehandlung sind außerdem noch in Anrechnung 
zu bringen. 

Invalidenheime fflr unheilbare Tuberkulöse haben sich nicht bewährt. 
Sie stehen im Bufe von Sterbehäusem und werden aus diesen und auch ans 
anderen Gründen (Freiheitsbeschränkung, Trennung von der Familie) nicht von 
den Kranken aufgesucht. Dr. Dohrn-Hannover. 


Tuberkulose und Syphilis 1 m 1 den Einwohnern von Hordafrlka. Par 
M. le Dr. Boigey, Biskara. Bevue d’ Hygiöne et de Police sanitaire; 1907, 
Band 29. 

Verfasser entwirft von der Verbreitung der Tuberkulose im nörd¬ 
lichen Afrika ein sehr trflbes Bild, das nicht gerade dazu angetan ist, die 
Sehnsucht lungenkranker Europäer nach diesen Gegenden zu erhöhen. Han 
findet dort kaum ein Zelt oder Hütte ohne Tuberkulosekranken. Alle Be¬ 
dingungen sind gegeben, um der Verbreitung der Krankheit Vorschub za 
leisten: Schmutz, Ibdolenz, mangelhafte Ernärung und hauptsächlich eine 
durch die Beligion absichtlich niedergehaltene Bildung. Verfasser konnte eine 

E oße Zahl von üebertragungen der Tuberkulose innerhalb der Ehe feststellen. 

teressant sind auch seine Beobachtungen, die er über die Verbreitung der 
Tuberkulose unter den Kindern machte. Von Sachverständigen wurde ihm 
versichert, daß von 100 Kühen in Algier durchschnittlich 10 an Entertuber¬ 
kulose leiden. Die außerordentlich hohe Kindersterblichkeit führt er hieranf 
zurück; zumal da das Aufkochen der Milch nicht üblich ist. Der Kampf gegen 
die Tuberkulose ist ganz aussichtslos. Erst wenn im Laufe der Jahrhunderte 
europäische Kultur mit den mangelhaften hygienischen Einrichtungen auf¬ 
geräumt haben wird, ist ein Erfolg zu erwarten. 

Nicht minder verbreitet ist die Syphilis. Hier kommt noch der über¬ 
aus rege Geschlecbtstrieb der Araber hinzu, um die Ausbreitung der Krankheit 
zu fördern. B. glaubt auch die (allerdings nicht unwiderapro^ene; Bef.) Be¬ 
obachtung gemacht zu haben, daß die syphilitischen Erkrankungen in den 
heißen Gegenden besonders schwer verlaufen, ln den meisten Fallen handelt 
es sich um hereditäre Syphilis. Auch bezüglich der Syphilis sind alle B»- 
kämpfongsmaßregeln aussichtslos. Der Mubamedaner ergibt sich in sein 
Schicksal mit dem Gedanken, daß seine Syphilis eine Gabe von Allah ist 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Besprechungen. 

Dozent Dr. J, Flnkli, I. Assistenzarzt der Psychiatrischen Klinik in Tübingen: 
Dm heutig« Irrenwenen. Leitfaden für Angehörige und Pfieger von 
Geisteskranken. 

In leicht faßlicher Form setzt Verfasser den Begriff geistiger Gesundheit 
und Krankheit auseinander, bespricht dann die Behandlung Geisteskranker in 
Anstalten und außerhalb der Anstalten, sowie die Aufnahme- und Entlassungs¬ 
bedingungen und geht schließlich noch auf die Bedeutung des Alkoholismus 
und ue neueren üntersuchungsresultate bezüglich des Selbstmordes ein. — 



Tagesnsobrlehten. 


109 


Jeder, der als Asstaltsarzt Oelegeaheit liatte, Öfters mit AsgehOrigen ros 
GeisteskTaiikeB Terhaadeln sa mftasea, würde es mit Freode begrüßen, wenn 
dM Büchlein in den Kreisen, für die es bestimmt ist, Verbreitong finden sollte. 
Aber anch im größeren Pablikom verdiente es bekannt sn werden, am die 
alten Yomrteile, welobe durch die Sensationsprozesse immer von neaem wieder 
Mahrang erhalten, endgültig hinwegr&amen zu helfen. 

Dr. Klare>Haina (Bes. Cassel). 


Dr. AAnlbnrt 8t. Pluur: Angst« Webers Yerlsg (Dr. Abel & Born). 

Leipzig 1907. Preis: 8 Mark. 

Yerfasser will einem fühlbaren Mangel abhelfen und Aufklfirung über 
die Behandlung der neurasthenischen Angstznstfinde geben, da kein belehrendes 
Buch über dieses Leiden existiere (!) und die Aerzte denselben meist ratlos 
gegenüberstünden (1). — Wären diese Yoraussetznngen richtig, so würde wohl 
Phars Buch schwerlich berufen sein, die Lücke anszufüllen, da es recht ober* 
fläehlich geschrieben ist nnd eine große Reihe von Uebertreibongen nnd Irr* 
tümem enthält. Auch mutet es etwas gar zu reklamebaft an, wenn der Yer¬ 
fasser sich zum Schluß erbietet, Interessenten — das Buch wendet sieh an 
Aerzte nnd Leidende 1 — auf Wunsch speziellere Erklärungen geben zu wollen, 
da er sieh wegen Raummangels nur kurz habe fassen kOnnen. 

Dr. Klare-Haina (Bez. Cassel). 


Tagesnachrichten. 

Belang des prensslschen Hebammenwesens. Im Eultusmini- 
sterium fand am 26. d. Mts. unter dem Yorsitz des Ministers Dr. Holle 
eine Konferenz von Yertretern des Koltusministeriums, des Ministeriums 
des Innern und dos Finanzministeriums, von Mitgliedern des Abgeordneten- und 
des Herrenhauses, von Yertretern einzelner ProTinzialverwaltungen, von Medi¬ 
zinal- und Yerwaltungsbeamten, sowie von ärztlichen Sachverständigen statt, 
an welcher auch die Geschäftsführerin der Yerebigung deutscher Hebammen, 
Frau Olga Gebauer, teilnahm. Zur Yerhandlnng stand b erster Lbie die 
Frage, ob zur Beseitigung der bestehenden Mängel im Hebammenwesen ebe 
gesetzliche Regelung erforderlich sei, oder ob es zunächst zu versuchen sei, 
ohne neues Gesetz unter Zuhilfenahme von Staatsbeihilfen die sdion vielfach 
vorhandene statutarische Regelung des Bezirkshobammenwesens durch die 
Slreise amzubanen, bei anderen Kreben ein ähnliches Yorgehen anzuregen 
und dadurch die bedürftigo Lage der Hebammen, den Hebammenmangel nnd 
die hierauf beruhenden Mißstände in der Geburts- nnd Wochenbetthygiene zu 
beseitigen. Es wurde üebereinstimmung darüber erzielt, daß zunächst versucht 
werden müßte, unter Erhöhung der Gebührenordnungen, die Kreise durch Ge¬ 
währung von Staatsmitteb zur Sicherstellung der Hebammen zu befähigen und 
anzuhalten. Zugleich wurde ebe wirksamere Ueberwachung der Berufstätig¬ 
keit der Hebammen und ihrer Fortbildung durch vermehrte Revisionen nnd 
Haebprüfungen seitens des Kreisarztes, sowie durch periodische Wiederholnngs- 
lehrknrse ab notwendig bezeichnet. Anch sei es erforderlich, daß die Dauer 
des Hebammenlehrkursns in allen Hebammenlehranstalten auf nenn Monate 
verlängert nnd die praktuche Säoglingspfiege in den Hebammenunterricht ob- 
gefügt werde. Durch die Aufbesserung der materiellen Lage und die Yer- 
tiefnng der Ausbildung sei anch zu erhoffen, daß bessere Elemente zum Heb- 
ammenberuf herangezogen würden. — Damit bt das seit mehreren Jahren 
bestimmt b Aussicht gestellte und bereits ansgearbeitete Hebammengesetz 
vorläufig ad calendaa graecas verschoben. Ob mit den oben bezeichneten 
Mitteln tatsächlich alle Mängel des Hebammenwesens ohne gesetzliche Rege¬ 
lung beseitigt werden können, dürfte, wenigstens was die finanzielle Lage der 
Hebammen betrifft, nach den bbheHgen Erfahrungen sehr zu bezweifeln seb; 
es sei denn, daß recht erhebliche Staatsmittel zur Yerfügnng gestellt werden. 
Mit den zu diesem Zwecke zum ersten Male in den Etat für 1908 ebgestellten 
60000 Mark wird aber eb nennenswerter Erfolg kaum zu erzielen sein, nament¬ 
lich wenn auch für die dringend notwendige Sicherstellung der Hebammen bei 
Dienstunfähigkeit bfolge von Krankheit und Alter gesorgt werden soll. 



110 


TagesoMhiiohten. 


IQt der Frage der Kontrasexaalitit hat lieh jttngit die Fetitioni« 
kommiiiioB des Beiehitags infolge einer Eingabe dei nWinemchalU 
lieh «humanitären Komitees* nm Abänderung des § 176 des Strafgesetzbuchs 
beschäftigt und einen schriftlichen Bericht darüber erstattet. Es heißt hier, 
daß die Theorie Ton der Unverantwortlichkeit der Eonträrsexuellen hinfälliger 
als je erscheine; immer mehr Sachverständige, darunter eine Reihe von Autori¬ 
täten aus dem medizinischen Fachkreise, wenden sich gegen diese Auffassung; 
desgleichen habe die Prüfung der einzelnen vor das Forum des Gerichts ge¬ 
brachten Fälle der Verfehlang gegen § 176 ergeben, daß die nAusschreitungen* 
fast durchgängig von Personen verübt würden, die früher hi ausschweifender 
Weise den heterosexuellen Geschlechtsgenuß ansgeübt hätten und jetzt, über¬ 
sättigt, neue Beize suchten. Infolge der großen Prozesse sei allerdings das 
Interesse an dieser Materie gewachsen, aber nicht im Sinne der Petenten, 
sondern gerade nach der entgegengesetzten Seite hin. In allen Teilen des 
Yolkes wende man sich mit solcher Schärfe gegen die Bestrebungen des be¬ 
treffenden Komitees, daß ein Eintreten des Reichst ages für diese direkt als ein 
Schlag gegen das Volksempfinden empfanden werden würde. Und das mit Recht; 
denn selbst wenn man zugebe, daß die Angaben über die Ausbreitung des Lasters, 
um das es sich hier bandle, übertrieben seien, so könne doch niät geleugnet 
werden, daß dasselbe in den letzten Jahren in bedenkenerregender Weise zutage 
getreten sei, und, wie gerichtliche Feststellungen ergeben, gerade in hoch¬ 
stehenden, gebildeten Kreisen und, was besonders beklagenswert sei, selbst in 
der Armee vorkomme. In allen Teilen des Volkes herrsche tiefe Entrüstung 
gegen das Treiben der homosexuellen Elemente und dringend der Wunsch, 
dem Umsichneifen des Lasters Halt zu gebieten. Oie Kommission hat dem¬ 
zufolge einstimmig beschlossen, über die Petition üebergang zur Tagesordnung, 
sowie die Annahme folgender Resolution zu beantragen: 

„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen: a) die Zivil- und Militär¬ 
behörden anzuweisen, den bestehenden Gesetzesvorschriften ohne Ansehen der 
Person unnachsicbtlich Geltung zu verschaffen, b) dem Reichstage alsbald eine 
Vorlage zur Abänderung des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgosetz- 
buches zugehen zu lassen, durch welche die Ausnutzung des Abhängigkeits- 
Verhältnisses (durch Vorgesetzte, Arbeitgeber usw.) zu unsittlichen Zwecken 
nach § 176 des Strafgesetzbuchs unter erhöhte Strafe gestellt und c) in welcher 
das Scbutzalter (§§ 176, 182, 184 und 184 a des Strafgesetzbuchs) auf 18 Jahre 
erhöht wird.* 

Die Petition hat also erfreulicherweise gerade das Gegenteil von dem 
hewirkt, was sie beabsichtigt hatte. 


Der im Beiohsamt des Innern fertiggestellte Entwurf über die 
Ausübung der Heilkunde durch nichtnpproblerte Personen und über den 
Geheimmlttelverkebr ist jetzt den Bundesregierungen zur Aeußerung über¬ 
sandt. Desgleichen ist beabsichtigt, den Entwarf in den nächsten Tagen durdi 
Veröffentli<äang zur Kenntnis der beteiligten Kreise zu bringen.') 


Approbation für Zahntechniker. Vor einigen Tagen wurde im Reicha- 
amt des Innern eine Deputation von Zahntechnikern seitens des 
Staatssekretärs des Innern im Beisein des zuständigen Abteilungsdirektors 
empfangen, nm ihre Wünsche bezüglich der Regelung ihrer Standesverhältnisse, 
namentlich im Hinblick auf die bevorstehende gesetzliche Regelung der Aus¬ 
übung der Heilkunde durch nichtapprobierte Personen, sowie die Revision der 
zahnärztlichen Prüfungsvorschriften vorzutragen. Diese Wünsche betrafen ins¬ 
besondere die Erteilung einer Approbation mit beschränkten Befugnissen und 
die Bitte, bei gesetzlichen Maßnahmen gegen das Kurpfuschereiwesen mit den 
Kurpfuschern nicht in eine Reihe gestellt zu werden. Seitens der Vertreter 
des Reichsamtes des Innern wurde demgegenttber darauf hingewiesen, welche 
Schwierigkeiten sich der Abgrenzung einer beschränkten Approbation für Zahn¬ 
techniker sowohl nach oben gegen die Zahnärzte, wio nach unten gegen die 
Vorbildnngslosen Elemente des Fachs entgegensteUten. Es wurde betont, daß 
der neue Gesetzentwurf über die Ausübung der Heilkunde dnrdi nichtappro» 

') Die Redaktion hat ihn soeben nach Schluß der Nummer erhidten und 
wird ihn in der nächsten Nummer zum Abdruck bringen. 



TagesnaohrlehteiL 


111 


Merte PeraoneB den Zalmtechnikeni die Äasttbiiiig Uires Gewerbes keines¬ 
wegs beschränke, sie ▼ielmehr niur wie alle sonstigen Nlchtapprobierten ge- 
wlMen Ordnnngsrorschriften nnterwflrfe und nnr von einseinen solchen 
Behandlnngsweisen sosschlbsse, die schlechterdings nnr dem approbierten Arate 
llberlassen werden müßten. In der Begründung des Gesetzentwurfes komme 
Eum Aosdmck, daß die Zahntechniker keineswegs ohne weiteres den sogen. 
Kurpfuschern zuznzähien seien. _ 


In Straßburg 1. E. hielt am 21. Januar d. J. der Oberapotheker Matter 
eiaen Tortrag über ^Apothekenreform nnd Kommnnalapotheke**» Er legte 
zunächst die Grundzüge des neuen Beichsgesetzentwnrfs nebst der offlziellen 
Begründung dar und gab eine Kritik desselben unter besonderer Berücksichti¬ 
gung eisaß-lothringischer Verhältnisse. Durch die Eigenart der Aufgaben 
dieses Berufes sei zwar die Monopolisierung geboten, diese habe aber, seit die 
Monopole Handels- und Spekulationsobjekte geworden sind, zu Zuständen ge¬ 
führt, die Jenfalls nicht im Interesse der Allgemeinheit liegen und der 
Pharmazie selbst sehr uefährlich geworden seien. Es ergebe sich daher aus 
sozialen, wissenscbältlichen, kommerziellen und beruflichen Gründen die Not¬ 
wendigkeit, das Monopol aus den Händen einzelner wieder der Allgemeinheit 
zuzuführen, was am besten durch schrittweise Kommunalisierung der Apotheken 
erreicht werden kOnne, ein Syatem das sich im Großherzogtnm Hessen bereits 
^währt habe. Es sei deshalb die Forderung zu erheben,* daß in dem neuen 
Beichsgesetzentwurf nicht die Personalkonzession aliein zur Grundlage gewählt 
werde, obgleich sie zwar einen erheblichen Fortschritt darstelle, sondern noch 
folgende Bestimmung aufgenommen werde: 

aDie Verleihnng der Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke 
nnd die WiederrerleUinng einer heimgefallenen Apothekenkonzession kann 
nach Ermessen der Behörden auch an eine Gemeinde erfolgen, wenn die¬ 
selbe darum nachsncht. Den Gemeinden steht das Becht zu, Bealprivilegien 
nnd Beaikonzessionen käuflich zu erworben.** 

Die sehr lebhaft geführte ausgiebige Diskussion, an der sich die Hcarren 
Medizinalrat Dr. Hecker, Dr. Bär, Geh. Ober.-Med.-Bat Dr. Biedert, 
Medizinalreferent Geh. Med.-Bat Dr. Pawolleck nnd zahlreiche Apotheker 
beteiligten, ergab im wesentlichen eine Uebereinstimmnng mit 
dem Beferenten, der sich also vollständig auf dem Boden der betreffenden 
Beschlüsse des Deutschen Medizinalbeamten-Vereins gestellt hatte. 


Der 25. Kengress für Innere Medizin findet vom 6. bis 9. April 1908 
in Wien statt. Zur-Verhandlung kommen: Am ersten Sitznngstage: Montag, 
den 6. April 1908: Die Beziehungen der weiblichen Geschlechlsorgane zu 
innerea Erkrankungen. 1. Beferat: Herr v. Bostborn (Heidelberg). 2. Bef erat: 
Herr Lenhartz (Hamburg). Am dritten Sitznngstage: Mittwoch, den 8. AprU 
1908: üeber die neueren klinischen üntersuchnngsmethoden der Darmfunktionen 
und ihre Ergebnisse. Vortrag von Herrn Adolf Schmidt (Halle). Folgende 
Vorträge sind bereitsangemeldet: Herr Heisse r (Breslau): Der gegenwärtige 
Stand der Pathologie und Therapie der Syphilis. Herr F i s ch 1 er (Heidelberg: 
üeber experimentell erzeugte Leberzirrhose und einige Beobachtungen dab^ 
Herr August Horner (Wien): Nephritis und Blutdruck. Herr Morawitz 
(Heidelberg): lieber Blutmenge und Blutverteilnng bei Anämie. Herr Emil 
Pfeiffer (Wiesbaden): Drüsenfieber. Herr Schwenkenbecher (Heidel¬ 
berg): Die endgültige Beseitigung des Begriffes: Perspiratio insensibilis. An¬ 
meldungen von Vorträgen sind bis zum 1. Februar 1908 zu richten an Gebeim- 
rat Dr. Emil Pfeiffer, Wiesbaden, Parkstraße 13. Mit dem Kongreß ist 
eine Ausstellung von Präparaten, Apparaten und Instrumenten, soweit sie für 
die innere Medizin von Interesse sind, verbunden. Anmeldungen zur Ausstellung 
sind zu richten an Herrn Professor Dr. Hermann Schlesinger, Wien I, 
Ebendorferstraße 10. 


SpiwohMUtL 

Noek einmal die Frage betreffend der Erforderung einer Genehmi¬ 
gung zum Gifthandel ln Fllialgesehäften. Ebenso wie bei Gastwirtschaften 
gilt die Genehmigung zum Giftandel nur für die Geschäftsstelle, für die sie 
erteilt ist; werden von einem Hauptgeschäfte Filialen errichtet, so bedarf es 



112 


SprediMsL 


auch Ittr jede einer Genehmigung nnm Gifthandel, wie solche nach dem in Gel¬ 
tung gebliebenen § 49 der preul. Gew.-Ordn. vom 17. Januar 1846 in der 
Fassung des Gesetzes vom 22. Jnoi 1861 vorgeschrieben ist. Diese Genehmi¬ 
gung kann allerdings auch dem Inhaber des Haoptgeschäfis erteilt werden; 
aber sein Stellrertreter im Zweiggeschäft muß dann gemäß § 45 der B. G. 0. 
den fttr das in Bede stehende Gewerbe insbesondere Torgeschriebenen Erfor¬ 
dernissen gentkgen und demzufolge den Nachweis seiner Zuverlässigkeit in 
Bezug aut den Oifthandel (durch amtsärztliches Zeugnis) beibringen, da unter 
den „insbesondere vor geschriebenen Erfordernissen“ die persönlichen 
Eigenschaften zu verstehen sind, die nach Vorschrift des Gesetzes der Ge* 
werbetreibende bei bestimmten Gewerben erfüllen muß (Befähigung, Zuver¬ 
lässigkeit usw.). _ 


Anfrage des Krelsantes Dr. B. ln M.t Dari man wirklich, 
wenn man bei Dienstreisen im Sommer einen vor 6 ühr, im 
Winter vor 7 Uhr abgehenden Zug benutzt hat, so liquidier en, 
als ob man die Beise bereits am Tage vorher angetreten hatP 
Antwort: Nein! Der Beamte braucht zwar die Beise nicht vor 6 
bezw. 7 Uhr anzutreten, hat aber, wenn er cs gleichwohl tut, keinen Anspruch 
auf Tagegeld fttr den vorhergehenden Tag; denn Tagegelder werden grundsätzlich 
nicht fttr mehr Tage gewährt, als zur Zurttcklegnng der Beise notwendig ge¬ 
wesen und wirklich verwendet worden sind. Eine Ausnahme ist nur 
dann zulässig, wenn sich die Gesamtkosten dadurch geringer 
stellen (F 2 der Ansf.*Be3t. z. d. Vorschr. ttber die Bcisekosten und Tage¬ 
gelder vom 11. Nov. 1903, G.-S. S. 231), ein Fall, der bei der Frage im 
Sprechsaal der Nr. 2 vorlag, wo die Hinreise an demselben Tage mit dem 
Automobil auf dem Landwege zurttckgelegt war und sich die Gesamtkosten 
bei Annahme des Landweges höher stellten, als wenn die Hinreise am Tage 
zuvor mit der Eisenbahn angetreten war und Tagegelder fttr zwei Tage ne* 
rechnet wurden. Die dort gegebene Antwort scheint demnach mißverstanden 
zu sein. 


Anfirage des Kreisarztes Dr. L« In B.t Kommt Artikel II des 
Gesetzes vom 21. Juni 1897 in Anwendung, wenn der Kreis¬ 
arzt bei einer amtlichen Beise nach einem Ansiedelnngsgut 
das von diesem gestellte Fuhrwerk benutzt? 

Antwort: Ja! Durch Erlaß des Ministers fttr Landwirtschaft usw. vom 
18. November 1902, II, 10561, ist bestimmt, daß in Zukunft den zur Liqui¬ 
dation von Beisekosten fttr die einzelne Beise berechtigten Staatsbeamten, 
wenn sie bei Beisen behufs dienstlicher Verrichtungen auf selbstbewirt¬ 
schafteten Domänen ein fiskalisches Fuhrwerk zu benutzen 
wünschen, ein solches, falls es verfügbar ist, von der Gntsverwaltung un¬ 
entgeltlich gestellt wird. Es sind alsdann nach den bestehenden Be¬ 
stimmungen (Art. II des Ges. vom 21. Juni 1897, G. S. 8.193, und F. 6 und 88 
der Auaf.- Best. z. d. Vorschr. ttber Tagegelder üsw. vom 11. November 1908, 
G. G. 8. 231) den Beamten Fnhrkosten fttr die betr. Wegostrecke überhaupt 
nicht und — bei Beförderung der Beamten nach oder von einem Bahnhole pp. — 
die Gebtthr fttr Zu- und Abgang nur je zur Hälfte aus der 8taatska88e zu zahlen. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. H. ln G.: Ist eine Hebamme auf 
Grund des § 223 des Hebammenlehrbnches verpflichtet, den 
Tod einer Wöchnerin anzuzeigen, wenn das Wochenbett 
normal verlaufen, die Hebamme die ganz gesunde Wöchnerin 
vom lO.Tage ab nicht mehr besucht und die Wöchnerin in der 
sechsten Woche an einer Lungenentzttndung oder an einer 
anderen mit dem Wochenbett in keinem Zusammenhang 
stehenden Krankheit gestorben und sie davon Kenntnis erhältP 
Antwort: Nein! Denn die betreffende Frau ist nicht im Wochenbett 
gestorben, da als solches bei normalem Verlauf doch nur die ersten 9 bis 10 
Tage gelten. 

Verauxtwortl. Bcdaktenr: Dr. Bap mnn d, Beg.- n. Geb. Med.-Rat in Minden i. W. 

J. O. O. Bnnw, Herso^ Zteha il V. Sea.*!- Haftomhdniclur«! la IfliMlea. 




2t J»hrg. 


1908. 


Zeitschrift 

fllr 

MEDIZIN^BEAMTE. 

ZMrtnlMitt für iit gesaiti IniidheitsiNmi, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heransgegeben 

Toa 

Dr. OTTO &APHDND, 

B^gteraafe- «ad 0«h. Medirfaalrat la Mladta« 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fisoher's medis. Baehhandlg., H. Kornfeld, 

HiHnQflL Bvw« Hoff* IL HnliinogL 

Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 


lai grate aahwiaa dl« Tarlagahaadlaag sowla an« ÄaaoaoM-lapedltloaea das la« 

aad laaUadas aatfagaa. 










114 


Or. StokenuuiB. 


meistens ergab auch die Besichtigang arge Verschmntznng der 
betreffenden Hänser nnd Höfe. 

Die im Jahre 1907 beobachteten Typhnserkranknngen be¬ 
anspruchen nun insofern ein besonderes Interesse, als bei ihnen 
alle, mit Ausnahme eines unaufgeklärt gebliebenen Falles, auf eine 
gemeinsame Quelle zurflckgeffihrt werden konnten. Es sei mir 
daher erlaubt, die kleine Epidemie hier kurz zu beschreiben. 

Am 15. und 16. Mai wurde je ein Fall ans einer kleinen 
Gastwirtschaft gemeldet. Da das Hans keinen Anschluß an die 
Zentralwasserleitnng hatte nnd das Wasser nach der chemischen 
Untersuchung eines hiesigen Apothekers als sehr verunreinigt 
anzusehen war, so lag es nahe, mangels anderer ätiologischen 
Momente, die Erkrankungen zunächst auf den Gebrauch dieses 
unappetitlichen Wassers znrttckzuftthren. Der Brunnen wurde 
polizeilich geschlossen nnd der Anschluß an die Wasserleitung 
bewerkstelligt. Es wurden dann weiter bis Mitte Juni im ganzen 
16 Personen als typhuserkrankt gemeldet. Bei fast allen wurde 
die klinisch bereits sichere Diagnose durch die bakteriologische 
gesichert. Es ergab nun die amtliche Untersuchung, daß sämt¬ 
liche Erkrankten mit Ausnahme eines Eaufmannslehrlings, welcher 
in erhitztem Zustande kaltes Wasser getrunken hatte, Milch ans 
dem Stalle eines anderen dem erstgenannten Gasthause benach¬ 
barten Gastwirtes getrunken hatten. Eine im Hanse dieses Milch¬ 
lieferanten wohnende Krankenschwester war ebenfalls an Typhus 
schwer erkrankt. 

Da im Herbst 1906 in einem anderen Nachbarhause mehrere 
Typhusfälle vorgekommen waren, die seiner Zeit auf den Gebrauch 
des aus der Hofpumpe entnommenen Wassers zurflekgefttrt werden 
mußten, so wurden von den beiden benachbarten Brunnen Proben 
an das Hygienische Institut in Kiel eingesandt. Es wurden hier 
zwar keine Typhnsbazillen im Wasser gefunden, „indes erwies 
sid^ das Wasser bei der chemischen Untersuchung so stark ver¬ 
unreinigt, daß mit der Möglichkeit der Verbreitung von Typbus¬ 
keimen durch das Wasser gerechnet und daher von der Mit- 
verwendnng des Wassers dieser Brunnen auch zum Spülen and 
zum Hausgebrauch solange abgeraten werden muß, bis durch 
geeignete Maßnahmen die Verunreinigung der Brunnen mit aller 
Sicherheit ausgeschlossen ist“. Angeblich war zwar Leitungs¬ 
wasser zum Trinken, Kochen etc. gebraucht, aber zum Spülen 
der Milcheimer das verunreinigte Pumpenwasser verwendet worden, 
es liegt deshalb die Vermutung nahe, daß die Milch auf diesem Wege 
infiziert wurde, zumal die vom Kreisärzte angeregte Untersuchung 
der betreffenden Milchkühe keinerlei weitere Anhaltspunkte ergab. 

Der Kampf gegen die Seuche war nach Auffinden dieser 
gemeinsamen Ursache sehr viel leichter. Es wurden die beiden 
Nachbarbmnneu polizeilich geschlossen nnd der weitere Milch- 
verkanf vom Hause ans untersagt; dagegen wurde der Verkauf 
von der Weide ans nach Reinigung der Euter mit Lysol und 
Seifenwasser gestattet. In allen betreffenden Wohnungen wurde 
desinfiziert; sämtliche Kranken und Krankheitsverdächtigen kamen 



Zur Verbreitiufgweise des Typhus. 


116 


ins Krankenhaiis bis anf einen, dessen Erkrankung von dem be¬ 
handelnden Arzte als fieberhafter Magen-Darmkatarrh bezeichnet 
wurde, obwohl seine Mutter und Schwester an ausgesprochenem 
'Typhus krank lagen. 

Wie wichtig prompte Isolierung der Erkrankten ist, beweist 
die Erkrankung des Dienstmädchens M. B. Sie erkrankte an¬ 
scheinend an fieberhaftem Magen-Darmkatarrh, wollte aber den 
Bat ihres Arztes, sich gleich ins Krankenhaus zu begeben, nicht 
annehmen, sondern reiste zu ihrer 5 km von Tondem entfernt 
wohnenden Familie nach Abel, wo dann nach wenigen Tagen die 
klinischen Symptome des Typhus so deutlich wurden, daß die Kranke 
nunmehr ins Krankenhaus überfährt wurde. Der ganz kurze Auf¬ 
enthalt in der Familie hatte aber zur Folge, daß zwei Brüder 
ebenfalls an Typhus erkrankten, während der Vater und drei 
weitere Geschwister sich tagelang sehr elend fühlten, über Kopf¬ 
schmerzen und sehr gestörtes Allgemeinbefinden klagten. Diese 
abortiven Typhen wurden, wie meine spätere amtliche Untersuchung 
ergab, von den Eltern selbst als leichte TyphusfäUe aufgefaßt. 
Sie sind aber nicht gemeldet und rubriziert worden. Wahrschein¬ 
lich ist die Seuche nur ans dem Grande auf dies eine Haus in 
Abel beschränkt geblieben, weil die Familie B. erst ganz kürz¬ 
lich von Dänemark hier eingewandert, also noch ganz fremd war 
und noch keinerlei Beziehungen zu den übrigen Dorfbewohnern 
hatte. 

Die einzelnen Typhuserkranknngen in Tendern waren durch¬ 
weg schwer und teilweise von schweren BückfäUen und Nach¬ 
krankheiten gefolgt 

Die beschriebene Epidemie beweist, wie nötig die kreisärzt¬ 
liche Ueberwachnng des Nahrnngsmittelverkehrs, besonders auch 
des Milchverkaufes, bei Ausbruch ansteckender Krankheiten ist, 
und wie wünschenswert es ferner ist, daß der beamtete Arzt in 
steter enger Fühlung mit den praktischen Aerzten arbeitet, im 
Sinne unserer modernen Seuchenbekämpfung auf sie einwirkt und 
so ihr Interesse an einer immer besseren Durchführung unserer 
Seuehengesetze weckt. _ 


Der voiiäuflge Entwurf eines Gesetzes betreffend die 
Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte Personen 
und den Gehelmmittelverkehr. 

Vom Herausgeber. 

Die Beichsregiemng ist in den letzten Jahren dazu über¬ 
gegangen, Gesetzentwürfe vor ihrer Vorlage im Beichstage zu ver¬ 
öffentlichen und diese dadurch gleichsam zur öffentlichen Erörterung 
zu stellen, ein Verfahren, das zweifellos den Vorzug hat, einen 
lebhaften Meinungsaustausch der beteiligten Kreise anzuregen, 
deren Ansichten über die in dem Gesetzentwurf niedergelegten 
Grundsätze kennen zu lernen und etwaige Abänderungsvorschläge 
noch vor seiner endgültigen Fassung berücksichtigen zu können. 
IHesen Weg hat die Beichsregiemng audi jetzt in bezog auf die 



116 Der Torlinflge Entwarf eines Qesetses betreffend die Aasfibang der 


einheitliche gesetzliche Begelnng der Aasttbnng der Heilknnde 
ohne Befähigangsnachweis nnd des GeheimmitteWerkehrs be* 
schritten, die von Jahr zn Jahr immer dringlicher geworden nnd 
nicht nnr von den Standesvertretnngen der deutschen Aerzteschaft, 
sondern auch von den Verwaltnngsbehörden, insbesondere von 
den Gesondheitsbeamten, von Reichs- nnd Landtagsabgeordneten, 
von Vereinen f&r Öffentliche Gesundheitspflege nsw. gefordert ist 
Da es sich hier nm eine außerordentlich schwierige Materie han¬ 
delt, ist die znvorige Veröffentlichnng des Entwurfs um so dan¬ 
kenswerter; hoffentlich trägt aber die dadurch veranlaßte Erör¬ 
terung nicht zn einer Hinausschiebung oder wohl gar zu einem 
Anfgeben, sondern zn einer möglichst biddigen Dnrchffihmng des 
beabsichtigten gesetzlichen Vorgehens bei. 

Der betreffende Gesetzentwurf hat folgenden Wortlaut^): 

§ 1. Penonea, welche sich gewerbsmäßig mit der Behandlung ron 
Krankheiten, Leiden oder EQrperschäden an Menschen oder Tieren befassen, 
ohne die entsprechende staatliche Anerkennung (Prfifungszeugnis, Approbation) 
erbracht zu haben, sind yerpflichtet, spätestens mit dem Beginne des Gewerbe¬ 
betriebs der Polizeibehörde ihres Wohnorts unter Angabe ihrer Wohnung und 
Geschäftsräume schriftlich Anzeige zu erstatten. 

Die Anzeige ist von Personen, die das Gewerbe bei dem Inkrafttreten 
dieses Gesetzes bereits betreiben, spätestens innerhalb vierzehn Tagen zu er¬ 
statten. 


Zu I 1. Der Entwarf richtet sich in erster Linie (vgl. indessen § 9) 
gegen die gewerbsmäßigen Erankenbehandler, also solche, deren Tätigkeit auf 
eben fortgesetzten Erwerb gerichtet ist. Es fallen demnach nicht unter das 
Gesetz gelegentliche, aus Nächstenliebe oder in Notfällen vorgenommene Hilfe¬ 
leistungen ärztlicher Natur. Getroffen werden soll nicht nur die Behandlung 
von Krankheiten, sondern um die Tätigkeit der Kurpfuscher möglichst weit 
ebzuBchränken, auch die Behandlung von Leiden und KOrperschUen. Dabei 
bt ab Krankheit nicht nur ebe Veränderung des normalen Organismus ansu- 
sehen, die ihn in seben gesamten Funktionen beebträchtigt, sondern jede Ab¬ 
weichung von der Norm, die geeignet ist, das Wohlbefinden zu stOren. Die 
Grenzliuen zwbchen Krankheit und Leiden werden Öfter bebanderlaufen, der 
Ibtwurf will, daß als Leiden oder EOrperschäden auch Abweichungen von der 
Norm zu gelten haben, die von der Bechtsprechung nicht oder nicht immer 
ab Krankheiten anerkannt, aber mit Vorliebe von Kurpfuschern und Geheim¬ 
mittelfabrikanten (§ 5) zum Gegenstände der Behandlung gemacht werden. 
Dahb gehören z. B. Beschwerden bei der Menstruation, b der Schwanger¬ 
schaft, bei der Entbbdung, beim Zahnen, Fettleibigkeit, Verstopfung, Mutter- 
mäier, Htthneraogen, Kahlköpfigkeit usw., während die bloße Lieferung voa 
ktbstlichen Ersatzstttcken verlorener Glieder, z. B. von künstlichen Augen, 
Beben usw. oder von mechanbchen Hilbmitteb, wie Bruchbändern, Sospen- 
sorien, Verbandstoffen usw. nicht ab Behandlung anzusehen bt. Im. fibrigen 
entspricht es dem Zwecke des Gesetzes, unter Behandlung nicht nur die Be¬ 
handlung eber Arznei, ebes sonstigen Heilmitteb oder eber Kur (Bade*, Ealt- 
wasser-, Luft*, Massage*, Zitronen-Kur usw.), sondern auch ebe körperliche 
Untersuchung, ebe Baterteilung usw. zu verstehen. 

Ab staatliche Anerkennung (Prttfungsaeugnb, Approbation) kann nur 
die von dner bländbchen Behörde erteilte gelten. Durcn den Zusatz aeut* 


‘) Die Erläuterungen zu den Bbzelbestimmungen sbd gleich bei den 
betreffenden Paragraphen in Anmerkung hinzugefttgt; die allgemebe Erläu¬ 
terung bt bei der nachfolgenden Besprechung des Entwurfee in ihren wesent¬ 
lichen Punkten berücksichtigt. 



Htflkiiiide dmeh nicht approbierte Personen n. den Oehetounittdrerikehr. 117 

Eine Verindening des Wohnorts, der Wohnung oder der Geschifts* 
rinne, desgleichen die Anfgnbe oder EhuteUung des Betriebs ist in gleicher 
Weise spätestens binnen vierzehn Tagen anzuzeigen. 

§ 2. Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art sind ver> 
pflichtet, der PolizeibehSrde ihres Wohnorts Aber ihre petsihiliohen Verhüt* 
nisse, soweit sie mit dem Gewerbebetrieb im Zusammenhang stehen, insbeson¬ 
dere Aber ihre Vorbildung und ihre sdtherige Tätigkeit auf Erfordern Aus¬ 
kunft zu erteilen. 

Sie sind ferner verpflichtet, Geschäftsbflcher zu fflhren, die der Polizei" 
behOrde auf Verlangen vorzulegen sind. 

In welcher Weise die Geschäftsbflcher zu fflhren und wie lange sie auf- 
nubewnhren sind, bestimmt der Bundesrat. 

a irechend* ist zum Ausdrucke gebracht, dafi ein Täti^erden Aber die durch 
e Approbation usw. gesogenen Grenzen hinaus den Bestimmunffen des Cie- 
setzes unterliegen soll. Das gilt z. B., wenn ein Zahnarzt Krebskranke, eine 
Hebamme Geschlechtskranke behandelt. Verrichten eeprttfte Heilgenüfen, 
Masseure, Krankenwärter, Hebammen derartige Dienstleistnngen auf Grund 
ärztlicher Anweisung oder unter ärztlicher Aufsicht und Kontrolle, so sind sie 
nicht selbständig tätig und deshalb nicht den Bestimmuneen des Gesetzes 
unterworfen. Ebensowenig unterfallen Studierende, die als Gehilfen von Aerzten 
mit gewissen ärztlichen Verrichtungen betraut werden, den Vorschriften des 
Entwurfs. 

10t der vorgeschriebenen Meldepflicht folgt der Entwurf einem schon 
in zahlreichen UndesrecbtUchen Verordnungen sich findendem Verenge. Durch 
die Meldung soll der Polizeibehörde die zur üeberwachung des Betriebs nötige 
Kenntnis von der Begrflndung desselben sowie von seiner Einstellung gegeben 
werden. Als Meldestelle ist deshalb auch nicht der Kreisarzt, sondern die 
Polizeibehörde bezeichnet. Eine etwa durch andere, z. B. stenerffesetzliche 
Bestimmungen angeordnete Meldepflicht bleibt durch diese poUzeilide Melde¬ 
pflicht nnberflhrt. 

Zu I 2* Die Bestimmungen des § 2 bezweckmi die Beaufsichtigung der 
Krankenbehandler nach der persönlichen und nach der sachlichen Seite. Die 
Verpflichtung, der Behörde Aber ihre persönlichen Verhütnisse in gewissem 
Dmfanff Aur&nnft zu geben, flndet sich in ähnlicher Weise schon in verschie¬ 
denen landesrechtlichen Verordnungen. Die in den Worten „soweit sie mit 
dem Gewerbebetrieb im Zusammenhänge stehen“ liegende Beschränkung der Aus- 
konftspflicht beugt einer allzn peinlichen und unnötigen Ansflbnng des Frage- 
rechts durch die Polizeibehörde vor. Im flbrigen ist es fflr die Polizeibehörde 
von nicht geringem Vorteile, wenn sie sich durch unmittelbares Befragen des 
Gewerbetrdbenden und durch Vergleichung seiner Angaben mit den amtlich 
feetgestellten Tatsachen ein Bild Aber seine Zuverlässigkeit, seine bisherige 
Tätigkeit und seine Vorbildung machen kann. 

Eine noch schärfere Kontrolle gewährt die in Abs. 2 vorgeschriebene 
BuchfAhmng, eine Anordnung, die sich ebenfalls schon in einzelnen Verord¬ 
nungen ausgesprochen flndet. Die BuchfAhrung bildet die sicherste Grundlage 
fflr die Feststellung dafflr, ob den Vorschriften des Gesetzes zuwidergehandelt 
isA ferner fflr die NachnrAfunu des bei strafrechtlicher Verfolgung so oft er¬ 
hobenen Einwandes, daß der Heilbehandler die Krankheit nicht als solche, 
deren Behandlung ihm verboten ist, erkannt habe. In entsprechender Anwen¬ 
dung des § 88 d^s. 4 der Gewerbeordnung ist die Bestimmung darflber, was 
in die Bflcber cinzutragen ist, in welcher Weise sie zu fflhren und wie lange 
sie aufzubewahren sind, dem Bundesrat Aberlassen. 

Durch die den Behörden zngestandene Einsichtnahme der Bücher können 
zwar Dinge bekaimt werden, an deren Geheimhaltung der Behandelte ein In¬ 
teresse hat. Die aus den BAchem gewonnenen Mitteilungen unterliegen aber 
dem Dienstgeheimnisse, wodurch das Interesse der Behandelten geschfltzt ist. 
Sollte aber die Vorschrift, insbesondere die dem Patienten obliegende Pflicht, 
dem Behandler sehmi Namen, Stand, die Art der Krankheit und dergleichen 



118 Der vorttnilge Entwurf einee Gtoeetses betreffend die Ansttbiing der 


§ 8. Den Im § 1 Abe. 1 beieiohneten Penonen ist bei der Anaftbiug 
ihre! Gewerbebetriebs rerboten: 
nn Menschen and Tieren: 

a) eine Behandlung, die nidit auf Grund eigener Untersuchung des su 

Behandelnden erfolgt (Fembehandlung); 

an Menschen: 

b) die Behandlung Ton Tripper, Schanker, STphilis; 

c) die Behandlung unter Anwendung Ton Betäubungsmitteln, die über 

den Ort der Anwendung hinaus wirken; 

d) die Behandlung mittels Hypnose; 

e) die Behandlung mittels mystischer Verfahren. 

Durch Beschluß des Bandesrats kann die Anwendung der unter c bis e 
genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die Anwmidnng anderer als der 
unter o bis e genannten Verfahren bei Menschen und Tieren untersagt werden. 

Behandelt einer der im § 1 Abs. 1 beseichneten Gewerbetreibenden eine 
Person an einer gemeingefährlichen Krankheit (Beichsgesetz, betreffend die Be¬ 
kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, Tom 80. Juni 1900 — B.-G.-BL 

rar Eintragung in die Bftcher anrageben, ihn daTon abhalten, sich in die Be¬ 
handlung eines Kurpfuschers su begeben, so würde damit nur den Absichten 
des Gesetzes entsprochen. 

Die Polizeibehörde kann nach ihrem Ermessen die Vorlegung der Bücher 
in ihrem Bureau oder in den Geschäftsräumen der Kurpfuscher terlangen. 

Zu § 8. Der | 8 verbietet, wie oben erwähnt, den in § 1 Abs. 1 be¬ 
seichneten Personen ue Behandlung gewisser Krankheiten und ^e Anwendung 
bestimmter Behandlungsarten. Gewisse Gebiete, auf denen die AusübiuK der 
Heilkunde durch nicht approbierte Personen sich als besonders schädlich er¬ 
wiesen hat, sollen deren wirkuogskreise gänzlich entzogen werden. 

Dahin gehört in erster Linie die sogenannte Fembehandlung, eine Be¬ 
handlung, die erfolgt, ohne daß vorher der Behandler selbst an der Person 
des zu Behandelnden eine Untersuchung vorgenommen hat. Dagegen ist die 
gelegentliche briefUche Beratung einer Person wegen einer Krankheit, eines 
Leidens oder eines KOrperschadens, wegen deren sie bereits von dem Behandler 
körperlich untersucht ist, nicht als Fembehandlung anzusprechen. 

Die Fembehandlung hat sich zu einem umfangreichen Geschäftsbetrieb 
ausgewachsen und bildet, wie zahlreiche Prozesse der Neuzeit erkennen lassen, 
dadurch sowie durch das schwindelhaft betriebene Boklamewesen einen Gegen¬ 
stand nicht nur erheblicher, gesundheitlicher, sondern auch vermOgensrecht- 
licher Schädigung größerer Volkskreise. Der Erfolg einer Heilbehandlung ist 
in erster Linie bedingt durch eine richtig gestellte Diagnose. Diese kann meist 
aber nur auf Grund einer ebgebenden körperlichen Untersuchung gestellt 
werden. Bei der Fembehandlung fällt aber die persönliche Untersuchung fort. 
Damit erschwert sich auch die Diagnose, die nicht eigentlich der Kranken- 
behandler, sondern vielmehr der Kranke selbst oder einer seiner Angehörigen 
oder gar ein fernstehender Dritter zu stellen pflegt. Demgemäß erfolgt auch 
die Behandlung auf Grund von Angaben oder Symptomen, die völlig unsicher 
sind und auch von dem Behandelnden auf ihre Zuverlässigkeit und Bichtigkeit 
nicht nachgeprüft werden können. Es bedarf keiner Erörterung, welche Ge¬ 
fahren und Schäden für den Einzelnen und die Gesamtheit eine solche Fera- 
behandlung ün Gefolge hat, zumal der Behandelnde auswärtigen Kunden 
gegenüber seinen Nimbus besser wahren hann, und anderseits den Behörden 
die Kontrolle über die den auswärtigen Kunden zugefügten Schädigungen 
äußerst erschwert wird. 

Das Verbot betrifft nur die im § 1 Abs. 1 bezeichneten Personen, bezieht 
sich also nicht auf die approbierten Aerzte. Für diese bedurfte es einer be¬ 
sonderen Vorschrift nicht, da das Verbot tatsächlich schon insoweit besteht, 
als die ärztliche Standessitte die briefliche Fembehandlung nur ganz aus¬ 
nahmsweise zuläßt und als etwa sich zeigenden Mißständen meist im Diszi- 



Heillnude dareh nicht approUerte Penoneo a. dm GehdmmittalTeriiehr. 119 

8. 806 —) oder an einer Niehen ftbertragbarm Krankheit, heittglieh derm 
dueh Laadeireeht dne Anieigepflieht eingeftthrt ist, oder ein Tier an etner 
der Anseigepflieht unterliegenden ttbertragbarm Seuche, w kann die PoUsei- 
behOrde die wdtere Behandlung untersagen. 

pUnarwege wird entgegengetreten werden kOnnm. Zu dm Tom § 1 nicht ge- 
troffmm Personm gehOrm audi die Heilgehilfen, Bader, Hebammen usw., km 
alle diejenigen Personen, die im Besitz eines Prflfungszeugnisses sind und 
innerhalb der dadurch gegebenm Befugnisse der HeUbehmdlung sieh widmm; 
sie unterstehm daher dem Verbote des g 8 nicht. Fftr diese Personm er> 
scheint es zweckmäßiger, etwaige entsprechmde Vorschriftm der Landes’ 
gesetzgebung zu Überlassen, da ue Begelnng ihres Gesdiäfts^triebs ohnel^ 
meist schon Imdesgesetziich erfolgt ist. 

Auf keinem Gebiet entfalten die Kurpfuscher eine solche Tätigkeit, wie 
auf dem der Geschlechtskrmkheiten, der sogmannten geheimen Leiden. Sie 
gehen dabei von der richtigen Annahme aus, daß viele Leidende, besonders 
In kleinm Städtm aus falscher Scham sich scheuen, den Arzt aufzusuchm 
und dann geneigt sind, sich m einen Kurpfuscher zu wendm. Dabei wird es 
dm Leidenden leicht, die Adressen solcher Pfuscher in großer Zahl, ansgestattet 
mit sicheren Ekfolgaverheißungen, aus den Tageszeitungen zu ersehen. Dieses 
Femhalten ärztlicher Hilfe, wie es systematisch gerade von dm Kurpfuschern 
betrieben wird, ist bei der Behandlung geschlechtlicher Erkrmkungen von 

f roßer Bedeutung. Im Anfänge schlecht behandelte Geschlechtskrmkheiteu 
abm oft schwere, nicht wieder gntzumachende Folgen. Zudem bleibt jeder 
Geschlechtskranke, je länger er unbehandelt ist oder falsch behandelt wird, 
um so länger eine Infektionsquelle und damit eine Gefahr für die Allgemeinheit. 
Bei der Verbreitung, welche die Geschlechtskrankheiten auch ln Deutschlmd 
gefunden haben, und bei ihrer Vererblichkeit und Uebertragbarkeit hmdelt es 
sich dabei um keineswegs geringe Gefahren. Die von den Kurpfuschern gegm 
Geschlechtskrankheiten mgewendeten Mittel sind dabei erfahrungsgemäß hänflg 
trotz schwindelhaft hoher Preise gänzlich wertlos, zum Teil gesnndheitsschätL 
lieh, ja sogar lebensgefährlich. Im Interesse der Gesundheit des Volkes ist 
es daher gebotm, die Behandlung der Geschlechtskrankheiten ausschließlich 
dm Aerztm zu Überlassen, d. h. sie nicht nur dm sogenannten Kurpfuschern 
im mgeren Sinne, sondern auch allen nicht approbierten Personen zu verbietm. 

Die Geschlechtskrankheiten, deren Behmdlung dem Knrverbote zu unter* 
ntellm sind, sind, um Zweifel auszuschließen, einzeln aufgefährt. Es sind die* 
selbm, weiche das Preußische Gesetz zur Bekämpfung ttbertragbarer Krank* 
heltm vom 28. Aug^nst 1905 zum Gegenstand bestimmter Vorschriften macht. 

Die Verbote unter c und d rechtfertigen sich mit Bttcksicht auf die 
Gefährlichkeit der dort mgegebenm Behandlungsarten in der Hmd von un¬ 
kundigen und mit der Wirkung auf den Organismus nicht vertrautm Personm. 
Nach Ziffer c soU nicht nur eine allgemeine Betäubung der Sinne (Narkose), 
sondern auch die Betäubung nur eines Sinnes, nämlich des Tastsinns, bezOglich 
des Schmerzgefühls verboten sein. Der Entwurf will die in neuerer Zeit mehr¬ 
fach in Anwendung kommenden Betäubungsmittel, wie z. B. die Einspritzungen 
in den Bttckenmarkskanal, treffen, die nur ebe teilweise Dnempflndlicbkeit des 
K&rpers hervorrufen. Dagegen soll von dem Verbote freibleiben eine Schmerz- 
betäubung, die eine Wirkung ttber den Ort der Anwendung hinaus auf das 
Zmtralnervensystem nicht ansübt. Ziffer d schließt die in der Hand von Laien 
schwer schädlich wirkmde Hypnose aus, während das Verbot unter e die Be¬ 
handlung mit allerlei mystischem Schwindel (Behandlung durch Handauflegm, 
Besprechm und dergl.) treffm soll, wobei fast stets betrügerische Zwecke ver¬ 
folgt werden. 

Der Abs. 2 trifft Vorsorge, daß, wenn im Laufe der Zeit noch andere 
Behandlungsarten von gleicher Gefährlichkeit oder Schädlichkeit usw. zur An- 
wmdung kommm sollten, auch diese, ohne Gesetzesändemng von dem Verbote 
getroffen werdm kSnnm. 

Dm Interessm der Landwirtschaft genügt es zurzeit, wenn nur die Be¬ 
stimmung des Abs. 1 unter a auf die Tiere erstreckt, also die Fembehandlung 
von Tieren verbotm wird. Dagegm erschien es angezeigt, im Abs. 2 die Aus¬ 
dehnung des Verbots der Anwendung der unter c, d und e genannten oder 



120 Dor Torl&nflge Entwarf eines Geseties betreffend die Aostlbang der 

§ 4. Den im § 1 Abi. 1 beieiehneten Personen ist der (Gewerbebetrieb 
zu ontersagen, wenn Tatsachen Torliegeny welche die Annahme begründen, daß 
durch die Aasttbang des Gewerbes das Leben der behandelten Menschen oder 
Tiere gefährdet oder deren Gesundheit geschädigt oder daß Kunden schwin¬ 
delhaft ausgebeutet werden. 

Der Betrieb kann untersagt werden, wenn der Gewerbetrdbende wegen 
einer strafbaren Handlang, die mit der Ausübung des Gewerbes in Verbindung 
steht, rechtskräftig verurteilt ist, bei Uebertretungen jedoch nur im Falle 
wiederholter Verurteilung. 

Der Betrieb kann auch dann untersagt werden, wenn dem Gewerbe- 


auch noch anderer Verfahren (Heilmethoden) auf die Behandlung von Tieren 
durch den Bandesrat voraubehalten, damit einem später etwa nach dieser 
Bichtang hervortretenden Bedürfnis ohne Gesetsesändemng Genüge ge- 
scheW kann. 

Während die im Abs. 1 vorgesehenen Behandlungsarten durch das Gesetz 
unmittelbar verboten sind, soll bei den im Abs. 3 vorgesehenen Krankheiten 
die Behandlung im Einzelfalle durch die PeUzeibehOrde untersagt werden 
können. Zu den in Betracht kommenden Krankheiten gehören einmal die in 
dem Beichsgesetze vom 80. Juni 1900 (Beiohs - GesetzbL S. 806) auf geführten 
Krankheiten: Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken, ferner 
die im Viehseuchengesetze bezeichneten, der Anzeigepflicht unterliegenden 
übertragbaren Seuchen und sodann auch die übertragbaren Krankheiten, be¬ 
züglich deren landesrechtlich eine Anzeigepflicht vorgeschrieben ist, für Preußm 
nach dem Gesetze vom 28. August 1905, oetreffend Bekämpfung übertragbarer 
Krankheiten (Gesetzsamml. 8. 873), Diphtherie, Genickstarre, KindbetUieber, 
KOmerkrankheit, Bückfallfieber, Bahr, Scharlach, Typhus, Milzbrand, Botz, 
Tollwut, Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung und Trichinose. 

Zu § 4. Während das Verbot d®s § 3 sich auf die Behandlung gewisser 
einzelner Rankheiten oder auf bestimmte Behandlungsarten bezieht, sieht § 4 
die Untersagung des ganzen Betriebs vor, die unter den Voraussetzungen des 
Abs. 1 verfügt werden muß, in den Fällen der Abs. 2 und 8 aber verfügt 
werden kann. Der § 4 ist dem § 86 der Gewerbeordnung nachgebildet, der 
insbesondere im Abs. 4 vorschreibt, daß der Handel mit Drogen und chemischen 
Präparaten, welche zu Heilzwecken dienen, zu untersagen ist, wenn die Hand¬ 
habung des Gewerbebetriebes Leben und Gesundheit von Menschen gefährdet. 
Indessen ist es zweckmäßig erschienen, eine Abschwächung dahin eintreten zu 
lassen, daß nicht eine Gefährdung, sondern ebe 8chädigang der Gesundheit 
mit dem Gewerbebetriebe verbanden seb muß. Die obligatorische Untersagung 
des Gewerbebetriebs soll nach Abs. 1 des Entwurfs auch ebtreten, wenn Tat¬ 
sachen dafür vorliegen, daß Kunden schwindelhaft aasgebeutet werden. Wann 
ebe solche Ausbentang gegeben ist, kann nnr im Ebzelfall entschieden werden. 
An^tspunkte für die Beantwortung der Frage werden die Eintragungen b 
den Geschäftsbüchern ergeben. Eine Ausbentang wird meistens bei unerfahrenen 
oder urteUslosen Personen b Frage kommen und ebe Benachteiligong oder 
Schädigung der betreffenden Person zur Voraossetzong haben. Weiterhb 
wird sher noch erfordert, daß die Aosbeatang verarsacht bt durch eb Ver¬ 
halten des Betriebsbhaben, das ^emebhb als schwbdelhaft bezeichnet zu 
werden pflegt, ohne daß darauf die Tatbestandsmerkmale des Betrags zuzu- 
treffen brauchen. 

8trafbare Handlangen, die mit der Ausübung des Gewerbes b Verbbdung 
stehen (Abs. 2) sbd nicht ausschließlich solche Handlungen, die b den §§ 6, 
7, 8, 9, 10, 18 unter 8trafe gestellt sbd. 

Bei Verbrechen und Vergehen genügt die einmalige Verurteilung für die 
Untersagung des Betriebs, wuirend bei Uebertretungen nur ebe wieuerholte 
Verurteilung solche Folge nach sich ziehen kann. 

Mit der Vorschrift im Abs. 3 folgt der Entwarf dem § 68, Abs. 1 der 
Gewerbeordnung. Der Abs. 4 schließt sich dem Abs. 6 des § 36 der Gewerbe¬ 
ordnung, die im Abs. 6 vorgesehene Begelung der Bechtsmittel gegen den 



Heilkaoda dareh nieht »pproblerte PecMsen xl. dan Qeheimmittalferkebr. 121 

tralbenden wegen eines nicht unter Abs. 2 feilenden Verbrechens oder Ver¬ 
gehens die bttrgerllchea Ehrenrechte aberkennt aind, jedoch nicht über die 
Dauer des Ehnrerinstee hinaus. 

Ist die üntersagung erfolgt, so kann die Landes-ZentraibehSrde oder 
eine andere Ton ihr zu bestimmende Behörde die Wiederaufnahme des Gewerbe¬ 
betriebes gestatten, soweit seit üntersagung mindestens ein Jahr yerflossen ist. 

Der Bescheid, der die Untersagung ansspricht, kann im Wege des Be- 
knrses gemifi §§ 20, 21 der Gewerbeordnung angefochten werden. 

Die Landesregierungen können bestimmen, daß die Anfechtung im Ver- 
waltnngsstreityerfahren zu erfolgen hat Die Einlegung Ton Beohtsmitteln 
hat keine au&chiebende Wirkung. 

§ 5. Durch Beschluß des Bnndesrats kann der Verkehr mit einzelaea 
Mitteln oder Gegenstinden, die zur Verhütung, Lbdemng oder Heilung ?on 
Krankheiten, Leiden oder Eörperschäden der Menschen oder Tiere dienen sollen, 
beschränkt oder untersagt werden, wenn von deren Anwendung eine Schädigung 
der Gesundheit zu befürchten ist oder wenn sie in einer auf Täuschung oder 
Ausbeutung der Abnehmer abzielenden Weise yertrieben werden. 

Soweit der Bundesrat den Verkehr mit einzelnen Gegenständen oder 
Mitteln untersagt hat (Abs. 1), ist deren Einfuhr yerboten. 

Zur Mitwirkung bei Ausübung der dem Bundesrate nach Abs. 1 anste¬ 
henden Befugnis wird bei dem Kaiserlichen Gesundheitsamt eine Kommissiop 
gebildet. Die Kommission besteht ans Beamten, welche die Befähigung zum 
Bichtoramt oder zum höheren Verwaltungsdienste besitzen, und ans Sachyer- 
stindigen ans dem Gebiete der Medizin, der Tierheilkunde und der Pharmazie. 
Die Mitglieder werden yom Beichskanzler ernannt. Dieser ernennt auch den 
Vorsitzenden und dessen Stellyertreter aus der Zahl der Mitglieder. Die Er¬ 
nennung der Sachyerständigen erfolgt auf die Dauer yon fünf Jahren. 

Vor der Beschlußfassung des Bnndesrats hat die Kommission sich gut¬ 
achtlich darüber zu äußern, ob eine Beschränkung oder Untersagung des Ver- 

Untersagungsbescheid dem Artikel 4 des Gesetzes, betreffend die Abänderung 
der Gewerbeordnung yom 7. Januar 1907 (Beichs-Gesetzbl. 8.8), an. 

Zn I 6. Die Bestimmungen des § 5 bezwecken die Bwämpfung des 
Oeheimmittelunwesens und zwar in der Bichtnng, daß der Verkehr mit be¬ 
stimmten Gegenständen oder Mitteln soll untersagt oder beschränkt werden 
können. Die zurzeit bestehenden Folizeiyerordnungen usw. lehnen sich wesent¬ 
lich an die in den Bundesratsbeschlüssen yom 23. Mai 1903 und yom 27. Juni 
1907 aufgestellten Normativbestimmungen an. 

Die einzelnen Polizeirerordnungen beschränken sich jedoch darauf, das 
Öffentliche Ankündigen und Anpreisen zu untersagen. Diese Beschränkung war 
lediglich deshalb geboten, weil es für das an sich durchaus berechtigte und 
den öffentlichen Interessen entsprechende Verkehrsyerbot an einer ausreichenden 
gesetzlichen Grundlage fehlte, wcdche nunmehr durch die Vorschrift des Ent¬ 
wurfs geschaffen werden soll. 

Die Formulierung der Voraussetzungen, unter denen das Verkehrsyerbot 
oder die Verkehrsbeschränkung ausgesprochen werden kann, läßt erkennen, 
daß die Geheimhaltung der Zusammensetzung der Bestandteile der Mittel 
keineswegs eine notwendige Voraussetzung bildet. Wenn daher in der Ueber- 
nchrift des Gesetzes und in der Begründung — nicht im Texte des Gesetzes — 
TM Geheimmitteln die Bede ist, so beruht dies, wie bereits im Allgemeinen 
Tdl der Begründung erwähnt ist, darauf, daß der Ausdruck Geheimmittel im 
Sprachgebrauch ein technischer geworden ist, der für die im Abs. 1 des § 5 
yorgesehenen Mittel angewendet zu werden pflegt. In Betracht kommen solche 
Gegenstände und Mittd, die sowohl zur Verhütung, wie auch zur Linderung 
oder Heilung yon Krankheiten, Leiden oder Körperschäden an Menschen oder 




182 D«r Torlinflg« Entwurf eines Gieseties betreffend die Anstbong der 

kehrs geboten seL Die Konmission besehliefit in der Znsnmmensetsnng tob 
fttnf mtgliedem, unter denen mindestens drei Sschrerständige sein mttssen. 

Die Kommission bst dem Verfertiger oder anderen Beteiligten, soweit 
dies ausftthrbsr ist, sur Wahrung ihrer Interessen Gelegenheit su geben. 

Im Übrigen wird die Einrichtung der KommissiOB und das Verfahren 
Tor derselben durch den Bandesrat geregelt. 

g 6. Mit Gef&ngnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu drei« 
tausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer in öffentlieben 
Ankttadigungen oder Anpreisungen, welche die Verhfltung, Linderung oder 
Heilang Ton Krankheiten, Leiden oder KSrpersch&den der Menschen und Tiere 
zum Gegenstände haben, wissentlich unwahre Angaben macht, die geeignet 
sind, Tiaschnngen Aber den Wert oder Erfolg der angekttndigten oder ange- 


Tieren dienen sollen. Von dem Verbote des § 5 scheiden ans alle Mittel nsw., 
die nur als Desinfektionsmittel, kosmetische Mittel, Nahrungs* und Qennfimittel 
als Krkftigungsmittel und dergleichen angeboten werden. 

Die EntschUefiunu Aber die Verkehrsbeschrinkungen ist dem Bandesrat 
Abertragen, der yon Fall zu Fall zu urttfen hat, ob bei einzelnen Gegenständen 
die Voraussetzungen fttr eine Verkebrsbeschränkung oder für ein Verkehrs- 
yerbot gegeben sind, und dann entscheiden muß, wieweit in der Beschränkung 
-der einzelnen Gegenstände usw. zu gehen ist, ob der Vertrieb nur in bestimmten 
UmhAllangea oder Gefäßen, mit bestimmten Aufschriften oder Warnungen usw. 
gestattet, oder ob er auf bestimmte Zeit, oder ganz und auf Dauer zu unter¬ 
sagen ist Die GrAnde dafAr, daß der Bandesrat gehalten wird, vor seiner 
Entschließung die gutachtliche Aeußerung einer beim Kaiserlicben Gesundheits- 
amte zu bildenden technischen Kommission einzuholen, sind oben bereits dar¬ 
gelegt. Der Kommission sollen außer richterlichen bezw. Verwaitungsbeamten 
auch Sachyerständige der Medizin, der Pharmazie und der Tierheilkunde an- 

S ehOren. Soweit sich bei der Erörterung Aber einzelne Mittel usw. das Bo> 
Arfnis ergibt, andere Sachyerständige, z. B. des Handels, der cbemisehen 
Industrie oder dergleichen zuzuziehen, kann dies im Wege der Anhörung durch 
die Kommission geschehen. 

Der Entwarf beschränkt sieh darauf. Aber die Zusammensetzung der 
Komnüssion, über die Ernensung bezw. Berufung ihrer Mitglieder, sowie Aber 
ihre Aufgaben nur einige allgemeine Bestimmungen zu geben. Im Abrigen ist 
die nähere Ausgestaltung der Einrichtung der Kommission, sowie des Verfahrens 
yon ihr dem Bandesrat Überlassen. 

Die Beschlösse des Bandesrats sind öffentlich bekannt zu machen und 
werden in ihrer Zusammensetzung ein den jetzigen Geheimmittellisten ähn¬ 
liches Verzeichnis bilden, das mit Böcksiebt auf die Vorschrift im § 10 för 
Gewerbetreibende, för Zeitungsredakteure nsw. von erheblichem Interesse ist. 

Zu den ^anderen Beteiligten* des Abs. 5 gehören diejenigen, die, ohne 
Verfertiger zu sein, die Mittel oder Gegenstände vertreiben oder den Verkehr, 
besonders bei im Aaslande hergestellten Mitteln usw., im lalande vermitteln. 

Daß för diejenigen Gegenstände und Mittel, deren Vertrieb der Bandes¬ 
rat im Inlande verboten bat, auch die Einfuhr vom Auslände gesetzlich ver¬ 
boten wird, ist dringend wünschenswert. In diesem Falle können bereits die 
Zoll- und Steuerbehörden zur Fcrnhaltung der verbotenen Waren beitragen. 

Zu § ß. Mit § 6 heben die Strafbestimmungen an, die die Durchlöhrung 
der Vorschriften des Gesetzes und seiner Zwecke sichern sollen, und zwar »t- 
halten die §§ 6, 7 und 8 die gegen das schwindelhafte Beklamewesen gerich¬ 
teten Bestimmungen. 

Aus zahlreichen Prozessen ist, wie bereits oben erwähnt, bekannt ge¬ 
worden, daß för Beklameswecke außerordentlich hohe Summen ausgegeben 
werden. Der in Bede stehende Geschäftsbetrieb muß daher ein sehr gewinn¬ 
bringender sein. Auch stehen die angekUndigten oder angepriesenen Mitte], 
Gegenstände oder Verfahren sehr hoch im Preise. Die Absicht des Gesetzes 
ist deshalb nur durch Androhung empfindlicher Geld- und Freiheitsstrafen zu 



Hdlkude dmreh afeht Approbierte PenoBen a. den GehebniDittelTerkebr. 128 

prieMBOi Mittel, Qegeutftade oder Yerfiüireii berroisiiruleii. Deeielbe güt, 
wen Mlehe winentlicb rmwAhrea AagBben gOBUtebt werden in bong auf die 
PetBOB dee Verfertigers oder Urbebers oder über die die VerSifeBtliebiiBg rer« 
BnlBBsende PersoB oder die Erfolge eioer dieser PersoBOB. 

I 7. Hit Qef&Bgnis bis su secbs MonstSB und mit Geldstrafe bis an «hi- 
taaaeadffiBfbuBdert Mark oder mit einer tob diesen Strafen wird bestraft, 

1. wer sieb in öffeatlieben AnkOndigungen oder Anpreisungen sur Fembo> 
bandlung (f 8 lit a) erbietet; 

2. war Offentlicb ankftndigt oder anprdst 

Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die .Bur Verbtttung, Linderung oder 


errdehen. Niedrige Geldstrafen würden sieb durch den ans dem yerbotswldiigen 
Geschäftsbetrieb erzielten Gewinne reieblicb beosahlt machen und daher ilem* 
lieb wirkungslos seien. Ans diesen Gründen sind in den §§ 6 bis 7 hohe 
Strafen in Vorschlag gebracht. 

Die StrafTorsebrift des § 6 wendet sich gegen alle diejenigen, welche 
in Öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen bestimmter Art wissentlich 
unwahre Angaben machen, die geeignet sind, gewisse Täusebungen herTorsu« 
rufen. Das Aufstellen solcher wissentlich falschen Behauptungen grenzt an 
Betrug. Die Strafandrohung richtet sich daher auch nicht nur gegen die 
Gewenmtreibenden der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art. Der Gegenstand der 
Öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen ist im Entwürfe der Vorschrift 
im § 6 entsprechend begrenzt. l3ie unwahren Tatsachen brauchen keine 
Täuschungen tatsächlich heivorgerufen zu haben, es genügt die Feststellung, 
daft sie solche herrorbringen können. Die Täusennngon kOnnen sich beziehen 
auf die Person des Verfertigers, oder was für die angekündigten Verfahren 
besonders in Betracht kommL auf die Person des Urhebers, ferner auf den 
Wert oder den Erfolg der Mittel usw., sodann aber auch auf die die Ver> 
Offentlichung veranlassende Person beziehunftsweise deren Erfolge. Durch 
diese Ausdrucksweise soll der Strafrorschrift eine mOgUchst weite Wirkung 
beigelegt werden. Es soll die in neuerer Zeit yiclfach in Aufnahme gekommene 
Art der Beklame getroffen werden, wonach in Zeitungen, Volkskalendem, 
illustrierten Blättern usw. Schreiben zum Abdrucke gelangen, in denen bestimmt 
bezeichnete Personen den Erfindern oder Herstellern von Heilmitteln, Gegen* 
ständen usw. den durch den Gebrauch derselben erzielten glänzenden Erfolg 
mit Dankesworten bestätigen, während die Schreiben jeder tatsächlichen Grund¬ 
lage entbehren und meist von den Herstellern der betreffenden Mittel selbst 
oder in ihrem Aufträge ron unzurerlassigon Personen gefertigt und größten¬ 
teils mit erdichteten Namen, besonders solcher Personen versehen sind, die 
durch ihre Stellung oder ihr Amt in den Volkskreisen für glaubwürdig gelten. 
Io diesen Fällen ist die VerOffentltcbung auf die Geheimmittelfabrikanten su- 
rücksuführea, von ihnen veranlaßt, und es scheint geboten, sie dafür zur Ver¬ 
antwortung zu ziehen, zumal die Erfahrung gelehrt hat, daß gerade solche 
Täuschungen dne erhebliche Irreführung weiter Kreise des Publikums ver¬ 
ursachen. 

Täuschungen über den Wert kOnnen vorliegen, wenn z. B. der Preis 
in keinem Verhältnisse zu den Herstellungekosten steht oder wenn dieser ab- 
siehdich nicht angegeben wird. 

Der Unterschied zwischen Ankündigen und Anpreisen ist ein gradweiser. 
Wann das Ankündigen in ein Anpreisen ^marktschreierische Empfehlung) über¬ 
geht, kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalls entschieden werden. 

Zn I 7. Die Bestimmung dient ebenfalls der Bekämpfung der Beklame» 
Unter Nr. 1 wird das Erbieten zur Fembehandluog (vgl. § 8 Abs. 1 unter a) 
für jedermann mit Strafe bedroht, während das Erbieten zu den übrigen im 
S 8 verbotenen Behandlungsarten (b bis e) im § 8 Abs. 1 Nr. 2 nur für die 
im § 1 Abs. 1 bezeichneten Gewerbetreibenden unter Strafe gestellt ist. Die 
beabsiebtigte Folge u. a, daß das Öffentliche Erbieten zur Fembehandlnng 
auch seitens approbierter Arzte strafbar ist, während die Fcrnbehaltung selbst 
ihnen nicht unbedingt verboten, sondern gegebenenfalls dor Ahndung im ohren- 
geiichtUcben Verfahren überlsMon ist. 



124 ' Dar Torllaflge Entwarf einaa OaBatoes betreffend die ^oaftbong der 

Heilnng yon OeeeUechtskrankheiten, nur Behebung geschleehtUeher 
Schwitze oder zur Heryorrnfong geschleditllehn Erregung, sowie znr 
Verhtttung der Empfängnis oder zur Beseitigung der Schwangersebnft 
dienen sollen; 

8. wer Öffentlich ankttndigt oder anpreist 

Mittel, Oegenstinde oder Verfahren, die zur Verhtttung, Linderung oder 
Heilung yon Krankheiten, Leiden oder KOrpersehiden der Menschen oder 
Tiere dienen sollen, sofern die Bestandtdle oder die wesentliche Art 
des Verfahrens bei der Ankttndigung oder Anpreisung geheim gehalten 
oder yerschleiert werden. 

Die Vorschriften unter Nr. 2 und 8 finden keine Anwendung, soweit die 
Ankttndigung oder Anpreisung in ärztlichen, tierärztlichen oder pharmazeu¬ 
tischen Fachschriften erfolgt 

§ 8. Hit der gleichen Strafe (§ 7) werden bestraft Gewerbetreibende 
der in § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, die 


Mit der Vorschrift in Nr 2 folrt der Entwarf Bestimmungen, wie sie 
teilweise schon in einzelnen landesrechtiiehen Verordnungen enthalten sind. 

Nr. 8 stellt die Ankttndigung yon Geheimmitteln im engeren Sinne, d. h. 
Mitteln usw., bei denen die Bestandteile oder die Gewichtsmengen geheimge¬ 
halten oder yerschleiert werden, und yon Geheimyerfahren unter die im § 7 
yorgesehene schwerere Vergehensstrafe, während die Ankttndigung der sonstigen 
sogenannten Geheimmittel, deren Ankttndigung nach § 5 des Entwurf yer- 
boten ist, durch § 10 nur mit der üebertretungsstrafe bedroht wird. 

Boi Geheimyerfahren kann fttglich yon Bestandteilen oder einer Zn- 
sammensetzungsart in dem Sinne, den diese Begriffe bei Mitteln und Gegen¬ 
ständen haben, nicht die Bede sein. Auch ist es nicht leicht, z. B. bei An¬ 
preisung des Kaltwasseryerfahrens oder des orthopädischen Verfahrens alle 
möglichen in Betracht kommenden Arten des Verfahrens anzugeben. Immerhin 
muß ans sanitären Grttnden yerlangt werden, daß wenigstens im wesentlichen 
die Art des Verfahrens angegeben wird. Denn erfahrungsgemäß wird häufig 
die Ankttndigung eines Verfahrens, einer Kur, als Deckmantel fttr den Ver¬ 
trieb eines Arzneimittels benutzt. 

Neben der Angabe der Bestandteile oder der Gewichtsmengen wird eine 
Erklärung oder Erläuterung der Zubereitungsart nicht gefordert werden kOnnen. 
Auch wird ein Mittel der ünterstellung unter die yorliegende Strafyorschrift 
nicht schon dadurch entzogen, daß der Hersteller auf besonderes Ansuchen die 
Zusammensetzung jedermann richtig bekannt gibt, bei der Anpreisung sie aber 
yerheimlicht. Ein Geheimhalten oder Verschleiern hat nicht znr Voraussetzung, 
daß die Zusammensetzung oder die tatsächlich oder angeblich wirksamen Ein¬ 
zelbestandteile fttr jederman geheimgebalten werden, es genttgt yielmehr, wenn 
das kaufende Publikum ttber wesentliche Eigenschaften eines Mittels in ebem 
gewissen Dunkel gehalten oder in einen irnttmUchen Glauben an eine im be¬ 
sonderen Maße yorbandene geheimnisrolle Heilkraft versetzt wird. 

Die Nr. 8 setzt ebenso wie die Nr. 1 und 2 ein yorsätzliches Handeln 
yoiaus. Ein fahrlässiges Verhalten unterliegt nicht der Strafyorschrift. 

Fttr die Zwecke des Entwurfs ist es nicht erforderlich, das Verbot der 
Nr. 2 und 8 auch auf die Ankttndigung in ärztlichen, tierärztlichen und phar¬ 
mazeutischen Fachschriften anszudebnen. Derartige Schriften haben nur einen 
bescbänkten Leserkreis, so daß eine Schädigung des Publikums ans Anzeigen 
in diesen Schriften nicht zu befürchten ist. Anderseits erscheint es zwew- 
mäßig, die Möglichkeit offen zu lassen, daß die Angekttndigten oder ange- 
priesenen Mittel und Gegenstände usw. in Fachkreisen bekannt werden, damit 
sie von Sachverständigen dieser Kreise geprüft und untersucht werden kOnnen. 
Eine ähnliche Bestimmung befindet sich bereits in dem Großherzoglieh 
Badischen Gesetze vom 20. August 1904, betreffend Abänderung des PoUzei- 
Strafgesetzbuchs. 

Zu I 8. Wie die Verbote im § 8, so richten sich auch die Strafbe- 



HeOkoade darch Bieht approbierte Peraoneo o. dea GeheimmittelTerkehr. 126 


1. Toisitilich dea Yorschriftea des § 8 Abs. 1 oder einer gemäß § 8 Abs. 2, 
8 oder § 4 ergangenen Untersagung suwiderbandeln; 

2. TorsäUlicb sieb an den nach § 3 Abs. 1 unter b, c, d und e oder nach 
§ 3 Abs. 1 verbotenen Handlungen in Mfentlicbei^ Ankflndigungen oder 
Anpreisungen erbieten. 

Ist eine der unter 1 beaeichneten Handlungen ans Fahrlässigkeit be> 
begangen, so tritt Gefängnisstrafe bis au drei Monaten und Geldstrafe bis au 
sechshundert Mark oder eine dieser Strafen ein. 

§ 9. Mit Geldstrafe bis au einhundertfttnfzig Mark oder mit Haft wird 
bestraft, wer gegen Entgelt Menschen oder Tiere wegen einer Krankheit, eines 
TjOidens oder ebes EOrpersehadens behandelt, ohne daau staatlich anerkannt 
au sein und ohne eine entsprechende Anaeige nach § 1 erstattet au haben. 

Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Behandlung wegen 
Gefahr im Veraug ftbemommen und nur so lange fortgeffihrt worden ist, bis 
Hilfe von einer staatlich anerkannten Person geleistet werden koi3te. 

Ist die Behandlung eine solche, die den im § 1 Abs. 1 beaeichneten Ge. 
werbetreibenden nach § 4 verboten ist, so kann neben der Strafe auf Einaie- 
hnng der aur Behandlung gebrauchten oder daau bestimmten Gegenstände 
erkannt werden, sofern sie dem Täter oder Teilnehmer gehSren. 


•timmungen des § 8 lediglich gegen die Gewerbetreibenden der im § 1 Abs. 1 
beaeiehneten Art. 

Unter Nr. des Abs. 1 wird das Zuwiderhaadeln gegen die Verbote des 
I 8, unter Nr. 2 das öffentliche Erbieten au den daselbst verbotenen Hand* 
langen — mit Ausnahme der bereits im § 7 Abs. 1 Nr. 1 erledigten Ferabe* 
handlnng — unter Strafe gestellt. 

Abs. 2 sieht auch — geringer bemessene — Strafe gegen fahrlässige 
Handlungen der im Abs. 1 beaeichneten Art vor. 

Wird das öffentliche Erbieten au den Behandlungsarten unter lit. c, d 
und e des § 3 mit Strafe belegt, so muß folgeweise ein Gleiches geschehen 
beafiglich der Verbote, welche der Bundesrat gemäß Abs. 2 des § 8 erläßt, 
da diMe Verbote den gesetzlichen unter lit. o bis e gleichstehen. 

Zu I 9. § 9 enthält eine Sondervorschrift, die einmal die Handhabe 
bieten soll, der gelegentlichen Kurpfuscherei entgegensutreten und die sodann 
audi da Plata greifen soll, wo sich die Gewerbsmäßigkeit nicht nachweisen 
läßt. Der Entwurf würde eine Lücke enthalten und es würde eine starke 
Vermehrung dieser Art von Kurpfuschern au besorgen sein, wenn sie völlig 
straflos ihre Beschäftigung nachgehen könnten. Immerhin ist eine niedrigere 
teafe für ausreiehead erachtet. Der Strafvorschrift des § 9 werden in der 
^gel, abgesehen von Ausnahmen (z. B. es behandelt ein Tierkurpfuscher, der 
dies Gewerbe angezeigt hat, gelegentlich Menschen), die im § 1 Abs. 1 be¬ 
nannten Gewerbetreibenden und auch die approbierten Aerzte nicht unterliegen. 

Durch die Ausnahme im Abs. '2 soll verhütet werden, daß in Notfällen, 
wenn a 3. äratliche Hilfe aus besonderem Anlasse nicht oder nicht sofort au 
kaben ist, ans Furcht vor einer etwa nachfolgenden Bestrafung eine an sich 
nicht einfachgemäße Hilfe, z. B. Wiederbelebnn^versuche, Anlegung von Not¬ 
verbänden, Stillen von Blutungen nsw. unterbleibt. 

Der Abs. 2 ist dem § 40 des Strafgesetzbuchs nachgebildet, der bestimmt, 
daß Gegenstände, welche .... zur Begehung eines vorsätzlichen Verbrechens 
oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, sofern sie dem Täter oder 
einem Teilnebmer gehören, eingezogen werden können. Während danach bM 
den in § 8 unter Nr. 1 vorgesehenen Zuwiderhandlungen gegen die Verbote 
besw. Untersi^fungen des $ 3 des Entwurfs die Möglichkeit gegeben ist, die 
Gegenstände, weloie zur Fembehandlung, von Geschlechtskrankheiten usw. 
gebraucht oder dazu bestimmt sind, zur Einziehung zu bringen, soweit sie 
dem Täter oder Teilnehmer gehören, ist dies bei einer Zuwiderhandlung nadi 
$ 9, die sich nur als Uebertretung darstellt, nicht ohne weiteres der Fall. 




126 0«r Torllnflg« EntwiiTl «Ibm GeietiM betteffead die Aeettbnag der 


g 10. Mit Geldstrafe bis zu einhandertflUifzig Mark oder mit Haft wird 
bestraft, wer Mittel oder Qegenstinde, die Tom Bondesrate gemlB g 5 dem 
Verkehr entzogen oder VerkehrsbeschrSnlnuigen unterworfen wordmi sind, ent* 
gegen diesen Anordnungen einfUhrt, leilhUt, zum Verkaufe yorritig hält oder 
yerkauft oder sonst an andere Oberläßt oder Öffentlich ankOndigt oder anpreist. 

Neben der Strafe kann auf Einziehung der yerbotswidrig eingefOhrten, 
feilgehaltenen, zum Verkaufe yorrlthig gehaltenen Mittel oder Gegenstände 
erkannt werden, sofern sie dem Täter oder einem Teiinehmer gehören. 

§ 11. Ist in den Fällen der §§ 6 und 10 die Verfolgung oder die Ver* 
urteilong einer bestimmten Person nicht ausfflhrbar, so kann auf die Kinzie- 
hnng selbständig erkannt werden. 

g 12. Der Öffentlichen AnkOndigung oder Anpreisung im Sinne dieses 
Gesetzes wird die Verbreitung yon Empfehlungen, Erfolgbestätigungen, gut- 
aehtliehen Aeußemngen, Danksagungen und ähnlichen Mitteilungen in tinem 
größeren Kreise yon Personen gleichgeachtet. 


Es bedarf deshalb dner ausdrücklichen Bestimmung, um auch bei solchen Zu¬ 
widerhandlungen die erwünschte Einziehung zu ermöglichen. 

Zu I 10. Die Vorschrift des § 10 soll den yom Bnndesrate gemäß g 6 
yerfügten Verkehrsyerboten und Verkehrsbeschränkungen beziehungsweise dem 
daselbst ausgesprochenen Einfuhryerbote die nötige Nachachtung yerschaffen. 
Die Ausdrücke „feilhält, yerkauft oder sonst an andere überläßt“, finden sich 
auch im § 867 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs. Im yorliegenden § 10 sind hinter 
dem Worte „feilhält“ noch die Worte „zum Verkaufe yorrätig hält* eingefügt, 
weil die Bechtsprechung yielfach unter „Feilhalten“ nur das Bereithalten zum 
Verkauf an einer dem Publikum zu^nglichen zum Verkaufe bestinimtew 
Stelle yerstanden hat, so daß also ein Händler als nicht straffällig angesehen 
werden würde, wenn bei der Beyisioa oder Durchsuchung seines Geschäfts im 
Keller oder in einem sonstigen dem Publikum nicht zugänglichen Nebenraum 
ehi Mittel yorgefnnden wird, dessen Vertrieb der Bundesrat untersagt hat. 
Dem will der Entwurf entgegentreten. 

Auch hier bedarf es wie im § 9 einer besonderen Bestimmung, um die 
yerbotswidrig eingefOhrten, die feilgehaltenen und die zum Verkaufe yorrätig 
gdialtenen Mittel und Gegenstände einziehen zu können. Für die „yerkauften 
oder an andere überlassenen“ Mittel und Gegenstände war jedoch die Zulassung 
der Einziehung nicht auszusprechen, weil auch § 40 des Strafgesetzbuchs 
eine Einziehung nur insoweit gestattet, als die Gegenstände usw. dem Täter 
oder Teilnehmer noch gehören, und diese grundsätzliche Beschränkung nicht 
zu yeranlassen sein wird. 

Gemäß dem Zwecke des Entwurfs, der mit den Geheimmitteln usw. be* 
triebmien Beklame nach Möglichkeit entgegenzutreten, bedroht der § 10 
weiterhin auch das Öffentliche Ankündigen oder Anpreisen der hier fraglichen 
Mittel und Gegenstände mit Strafe. 

Zn I 11* Die Vorschrift des § 11 ist eine Folge der Zusätze zu den 
§§ 9 und 10 (Abs. 8 daselbst). Es erschien geboten, entsprechend der Vor¬ 
schrift im I 42 des Beichs-Strafgesetzbuchs auch die Zulässigkeit des soge¬ 
nannten objektiyen Strafyerfahrens auszusprechen. 

Zn I 12. Schon in der Begründung zu § 6 ist auf die Art der Beklame 
hiogewiesen, die darin besteht, daß in Zeitungen und sonstigen Öffentlichen 
Blättern yielfach Atteste und Danksagungen angeblich geheilter Personen, 
gutachtliche Aenßerungen über die bei Anwendung der betreffenden Mittel 
angeblich erzielten glänzenden Erfolge sich abgedmwt finden, ohne daß diese 
Angaben tatsächlich begründet sind. Um etwaige Zweifel, auch in der Becht- 
sprechung, zu beseitigeo, ist im Entwürfe besonders zum Ausdrucke gebracht, 
dmß auch solche Anzeigen der Öffentlichen Ankündigung oder Anpreisung im 
Sinne des Gesetzes glelohgeachtet sind und somit das Öffentliche AnkündigeB 
und Anpreisea mit Stran bedroht ist, gd^iohlaUs den Strafbestimmungen 
unterliegen. 




HeOkude 4udi niokt ijwrokierte PertMen o. d«i Odialmnittalferkelir. 117 


§ 18. Mit Gddftrafe bis ra dnkaDdertfflnlsig Mark oder mit Heft 
werdee bestraft Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 besekkneten Art, die 

1. die im § 1 Torgeschnebene Anseige nicht rechtseitig erstatten oder die 
gemäß § 2 Abs. 1 von ihnen geforderte Anskonft Ober ihre persönlichen 
Yerhiltnisse Terweigem oder nnriohtig erteilen; 

2. die Gkschlftsbflcher, deren Ffihmng oder Anlbewahnug ihnen obliegt, 
nicht oder nicht in der Tom Bandesrate yorgeschriebenen Weise oder 
unrichtig führen oder rerheimlichen oder yernichten oder der zast&ndigen 
Behörde aoi deren Verlangen nicht yorlegen. 

§ 14. Welche Behörde in jedem Bandesstaate unter der Beseiohnang 
Polizeibehörde zu yerstehen ist, wird yon der Zentralbehörde des Bondeostaats 
bekannt gemacht. 

§ 15. Die landesrechtliohen Vorschriften, welche die Aosftbang der 
Heilkande durch lücht approbierte Personen, sowie die Ankündigung und An> 
preisung yon Mitteln, Gegenständen und Verfahren der in diesem Gesetze be< 
zeichneten Art betreffen, werden aufgehoben. 

§ 16. Dieses Gesetz tritt am ...... in Kraft. 


Unter § 12 fällt auch die Beigabe yon prahlerischen Empfehlungen, yon 
Danksagungen und Attesten der yorbezeichneten Art bei der Verabfolgunu der 
betreffenden Mittel oder Gegenst&ide, ferner die sogenannte indirekte Beklame, 
die darin besteht, daß auf Broschüren, Druckschriften usw. ausdrücklich Bezug 
genonunen wird, in denen die betreffenden Mittel oder Gegenstände näher be¬ 
zeichnet sind und ihre wirkliche oder angebliche Heilkraft behauptet und er¬ 
läutert wird. Als Öffentliche Ankündigung wird ebenfalls angesehen werden 
müssen eine Verbreitung der Flugschruten in der Art, daß sie in die Häuser 
getragen oder durch die Post yersandt werden. 

Zu § 18. Die Strafyorschriften im § 18 bezwecken, den den nicht 
approbierten Erankenbebandlern in den §§ 1 und 2 auferlegtm Pflichten zur 
Aueige über gewisse Verhältnisse des Hstriebs and ihrer Person, zur Aus- 
kunfterteilang und zur Buchführung den erforderlichen Nachdruck zu geben. 

Zu § 15. Im allgemeinen Teile der Begründung ist bereits darauf hin- 
gewiesen, daß die bisher zur Bekämpfung der Kurpfuscherei und des Geheim¬ 
mittelanwesens erlassenen landesrechtlichen Vererbungen yielfaeh nicht den 
gewünschten Erfolg gehabt haben, und daß die landesrechtliche Regelung der 
Angelegenheit die B^tslage nicht zu einer einheitlichen gestaltet hat. Um 
diese für die Zukunft zu gewährleisten, empfiehlt sich die Bestimmung des § 15. 

Der Entwarf steht im allgemeinen auf dem Standpunkte, du die yon 
ihm aufgestellten Forderungen das Mindeste sind, was zur Erreichung des 
gewollten Zweckes yerlangt werden muß. Es konnte sich deshalb fragen, ob 
nicht wenigstens diejenigen landesrechtlichen Vorschriften zu erhalten wären, 
wdche no^ strengere oder noch schwerere Bestimmungen enthalten, als der 
Entwurl Aber auch hieryon ist Abstand genommen, weil die Frage, ob im 
einzelaen Falle die reichsgesetzliche oder die landesrechtlicbe Vorschrift die 
strengere oder schwerere ist, Icdcht zu Zweifeln Anlaß geben kann und yon- 
dnander' abweichende Auslegungen und miteinander nicht übereinstimmende 
oder gar sich widersprechende gerichtliche Entscheidung nur zu leicht und 
auch mit Erfolg zur Umgehung der erlassenen Vorschrimn benutzt zu werden 
pflegen. 

Der Torliegende Gesetzentwurf will, wie es in der allge¬ 
meinen Einleiinnff heißt, zwei verschiedene, aber eng miteinander 
zosammenh&agende Fragen des Öffentlichen Gesundheitswesens 
regeln; er wUl einmal den durch die Kurpfuscherei entstehenden 
Schädigungen verbeugen und anderseits dem Unwesen entgegen¬ 
treten, das mit dem Vertriebe, dem Ankflndigen und Anpr^en 




Der Yorllaflge Eatwarf dnes QeseUee betreffend die Aoeftbung der 

▼on Geheimmitteln oder fthnliehen Gegenständen verbanden ist, 
die der Verhtttnng, Linderang oder Heilang von l&ankheiten asv. 
dienen sollen. Die gesetzliche Begelang soll einheitlich ffir 
das ganze Reichsgebiet erfolgen; demzofolge vird im § 15 
aasdrttcklich die Aafhebang aller landesrechtlichen Yorschriften 
in bezag aof die Ankfindignng and Anpreisang von Geheimmit* 
teln asw. aasgesprochen; eine Bestimmang, ^e gegenüber^ der 
zarzeit bestehenden Bantscheckigkeit der gesetzlichen Vorschriften 
aaf diesem Gebiete einen aaßerordentlichen Fortschritt bedeatet 
and sicherlich von allen beteiligten Kreisen mit großer Freade 
begrttßt werden wird. 

Der Gesetzentwarf will sich aaf das Mindeste dessen be¬ 
schränken, was zar Erreichong des gewollten Zwecks verlangt 
werden maß and was nnter den obwaltenden Verhältnissen, 
namentlich im Hinblick aaf den Reichstag, aach als erreichbar and 
darchfährbar bezeichnet werden kann. Während den Geheimmittel¬ 
fabrikanten, Karpfaschern and einem Teil der Presse, die eine 
große Einbaße ihrer Annoncen-Einnahme befftrchtet, der Gesetz¬ 
entwarf za weit gehen dftrfte and voraassichtlich mit aUen Mit¬ 
teln bekämpft werden wird, werden andere, insbesondere die 
Aerzte, in ihm nor eine halbe Maßregel sehen, weil er die 
Eniierfreiheit nor beschränkt, aber nicht vollständig aofhebt. 
Wer in dem allgemeinen Teil der Erlänterongen die Schil¬ 
derang über den Umfang and die stetig wachsende Zanahme*) 
der gewerbsmäßigen Ansttbang der fieilkande dorch nicht appro¬ 
bierte Personen seit der im Jahre 1869 erfolgten Aafhebang des 
Eorpfaschereiverbots liest and daraas weiterhin erfährt, welche 
aasgedehnte Reklame von jenen Personen getrieben wird,’) wie 
aoßerordentlich amfangreich sich die Tätigkeit einzelner Eor- 
pfascher gestaltet ’) and wie niedrig der Bildongsgrad der meisten 
Earpfascher ist, der wird sich allerdings wandern, daß man ihrem 
schamlosen and der Öffentlichen Gesundheit im höchsten Maße 
gefährdenden Treiben^) nicht dorch die Wiedereinfflhrang des 


*) ln Preußen s. B. Ton 2404 im Jalire 1898 auf 6187 (in Berlin Ton 
28 im Jahre 1879 ai^ 1063 im Jahre 1908); im KOoigreicb Sachsen von 428 
im Jahre 1878 auf 1000 im Jahre 1908; im KOnigrdch Württemberg in 
den Jahren 1880—1904 Ton 85 auf 829. 

*) Ein Kurpfuscher hat z. B. yon seinem Beklamebuch 1 Million Exem« 

J lare abgesetzt; von 1888 bis 1901 sind nachweisbar fast 2 Millionen yon 
[urpfoschern yerfaßte Bücher im Preise yon 14*/i Millionen Mark verkauft 
*) Ein Berliner Kurpfuscher hat, wie gerichtlich festgestellt ist, in 
8 Monaten über 2500 Patienten gehabt; er wird aber weit übertroffen vom 
Schlier Ast, der zeitweise täglich bis 800 Patienten abfertigt und sich für 
jede Baterteilung 3 Mark bezahlen läßt. 

*) In den allgemeinen Erläuterungen heißt es hierzu, speziell betreffs 
der nachteiligen Folgen der Kurpfuscherei mit Bücksicht auf die Bekämpfung 
der Infektionskrankheiten: 

„Die Maßnahmen zur Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten können 
so lange kebe volle Wirksamkeit entfalten, ab Kurpfuscher ohne jede staat¬ 
liche Aubicht und Kontrolle solche Krankheiten ausnahmslos und unbeschränkt 
behandeb dürfen. Außerdem bt das Publikum aUzu bereit, die zur Bekämpfung 
der ansteckenden Krankheiten usw. erlassenen Bestimmungen ab behördliche 
Belästigungen aubufassen und bfolgedessen leicht geneigt, sie zu umgehen 



Heilkuiide durch nicht approbierte Personen jl den Oeheimmittelrerkehr. 129 


namentlich von seiten der Aerzte geforderten EnrpfaschereiTerbots 
enlg^egentreten will, znmal sich die Voraossetznng, die seinerzeit 
zu dessen Anthebang geffthrt hat: der Bildungsgrad des deutschen 
Volkes sei hoch genug, um den Quacksalber vom wirklichen Arzte 
zu unterscheideu, sich als nicht zutreffend heransgestellt hat, und 
in fast sämtlichen europäischen wie in zahlreichen außereuropäi¬ 
schen Staaten, z. B. in Oesterreich-Ungarn, Frankreich, Rußland, 
Italien, Schweden, Belgien, Holland, den Vereinigten Staaten von 
Amerika, Brasilien usw. ein solches Verbot besteht. Trotzdem 
hat der Entwurf diesen Weg nicht beschritten und zwar nach 
der Erläuterung aus folgenden Gründen: 

„Es maß damit gerechnet werden, daß es ca allen Zeiten and bei allen 
Völkern Heilbeflissene ohne wissenschaftliche Aasbildang gegeben hat, and daß 
Ton jeher in weiten Volkskreisen die Neigung bestanden hat, sich gerade von 
diesen behandeln za lassen. Eine solche Erscheinung läßt sich nicht ohne 
weiteres durch gesetzliche Vorschriften beseitigen. Die Übermäßige, durch 
kein Gebot der Standesehre beeinflußte Beklame, die ganz zu unterdrücken 
tatsächlich nicht durchführbar ist, die beliebte und stets wirksame Methode 
der Verunglimpfung der wissenschaftlichen Forschung, das Bedürfnis Oebil« 
deter und Ungebildeter nach Mystizismus, das sich auch in der Gegenwart 
immer noch kund gibt, und nicht zuletzt die Pflicht aller ehrlichen Aerzte, 
den Kranken auf die dem ärztlichen Können gesetzten Grenzen hinzuweisen, 
alle diese Momente werden den Kurpfuschern stets neue Kunden zufUhren. 
Ein allgemeines gesetzliches Verbot würde höchstens dahin führen, die Aus- 
Ubang der Kurpfuscherei der Oeffentlichkeit noch mehr za 
entziehen und sie in yerborgene Winkel hineinzutreiben, wo 
sie dann, weil unbeaufsichtigt, um so üppiger gedeihen und 
am so größere Schädigungen heryorrufen würde. Gerade die 
heimliche Ausübung umgibt allzuleicht die Kurpfuscherei mit einem Nimbus, 
der ihr Ansehen in den Augen der Menge hebt und ihren Geschäftskreis er¬ 
weitert. Ein allgemeines Kurpfaschereiyerbot würde daher nicht nur in weiten 
Kreisen auf Widerstand stoßen, sondern auch in der Praxis sich nur mit 

S oßen Schwierigkeiten durchführen lassen. Zudem würde es zu Ergebnissen 
hren, die nicht erwünscht und nicht nötig sind; denn es müßten folgeweise 
alle yon der Schulmedizin zunächst nicht anerkannten Heilmethoden dem Ver¬ 
bot unterstellt werden. Es läßt sich aber nicht läugnen, daß, ?de auf anderen 
Gebieten, so auch auf dem der Medizin yon Nichtfachmännem mancherld 
Heilmethoden empfohlen und zur Anwendung gebracht sind, die später auch 
in der wissenschutlichen Medizin Eingang und Verbreitung gefunden haben. 
Alle solche Versuche oder Bestrebungen für die Zukonft zu yerbieten, dürfte 
ein genügender Grund nicht yorliegen." 

Wir halten diese BegründiinK für zutreffend; denn tatsächlich 
sind in allen denjenigen Staaten, in denen ein Eurpfaschereiver- 
bot besteht, die einschlägigen Verhältnisse nicht anders, insbe¬ 
sondere nicht wesentlich günstiger als in Deutschland. Dazu 
kommt, daß bei der Zusammensetzung des Deutschen Reichstages 
auf die Zustimmung zu einem derartigen Verbot gar nicht ge- 


oder außeracht za lassen. In dieser Neigung findet es die wirksamste Unter¬ 
stützung bei den sogenannten Kurpfäschern. Je strenger und eingehender die 
behördlichen Vorschriften sind, um so leichter wendet sich das Publikum dem 
seine Wünsche fördernden Pfuscher zu. Durch solches Entgegenwirken gegen 
die gesundheitlichen Vorschriften wird deren Durchführung erheblich ben^- 
teiligt und damit der Gesundheit sowohl des einzelnen, wie der Allgemeinheit 

empnndlich geschadet.Aus Vorstehendem ergibt sich, daß das Kor- 

pfaschereiwesen in Deutschland za einem bedenklichen Mißstande des öffent¬ 
lichen Lebens geworden ist; Abhilfe ist daher dringend geboten.“ 




180 Dar TorUaflge Entwarf eines QeeeUes betreffend die Aosübang der 


rechnet werden kann. Hier will man nur die AnswUchee, dae 
gemeinschädliche Treiben der Ewpfuscher bekämpfen; es frägt 
sich daher, ob dies mit den Bestinimangen des Gesetzentwurfes 
in wirksamer Weise möglich ist, und diese Frage muß unbedingt 
bejaht werden. Die rorgeschlagenen Maßregeln stellen keinen 
Sdilag ins Wasser dar, sondern werden den ansfflhrenden Be¬ 
hörden eine wirksame Waffe in die Hand geben, um den jetzt auf 
diesem Gebiete bestellenden Mißständen mit Erfolg entgegenzn- 
treten; der Gesetzentwurf stellt nach dieser Richtung hin einen 
großen Fortschritt dar; deshalb sollten sich auch diejenigen mit 
ihm einverstanden erklären, denen er nicht weit genug gät, und 
sieh mit dem unter den gegebenen Verhältnissen Erreichbaren 
begnügen. 

Was zunächst die Eurpfnschereifrage anbetrifft, deren 
Losung der Gesetzentwurf sich zunächst zur Aufgabe gestellt 
hat, so sollen seinen Vorschriften alle diejenigen Personen unter¬ 
worfen werden, ,die sich gewerbsmäßig mit der Behandlnog von 
Erankheiten, Leiden oder EOrperschäden an Menschen oder Tiere 
befassen, ohne die entsprechende staatliche Anerkennung (Prfi- 
fnngszengnis, Approbation) erbracht zu haben*. Für alle diese 
Personen sind folgende Beschränkungen vorgesehen: 

1. ADzeigepflieht bei der zmt&ndigeii Polizeibehörde mit Begioa 
dee Gewerbe» — w die schon vorhandenen derartigen Personen 14 Tage 
nach Inkrafttreten des Gesetzes — sowie bei Verändernng des Wohnorts, der 
Wohnung oder der Geschäftsriome, Aufgabe oder Einstellung des Betriebes (§ 1). 

2. Verpflichtung zur Auskunftserteilung Aber die persönlichen 
Verhältnisse, Vorbildung, seitherige Tätigkeit nsw., zur Fflhmng von Ge- 
sehlftsbttchern und zu deren Vorlegen auf Verlangen der Polizeibe¬ 
hörde (§ 2). 

8. Verbot der Fernbehandlung von Menschen und Tieren; ferner ln 
bezug auf Mensdien: Verbot der Behandlung von venerischen Krank¬ 
heiten (Tripper, Schanker und Syphilis), der Anwendung von Betäubungs¬ 
mitteln, abgesehen von den nur Örtlich wirkenden, von Hypnose und 
mystischen Verfahren (Handauflegen, Besprechen nsw.) (§ 3). 

4. Verbot aller Öffentlichen Ankündigungen mit wissentlich 
unwahren und Täuschungen Aber den Wert oder den Erfolg der angekflndigten 
Heilverfahren hervor ruf enden Annben (§ 6), sowie Verm des Offentliäen 
S^bietens der Fembehandlnng und der unter Nr. 8 bezeichneten Behandlungs¬ 
arten (§§ 7 u. 8). 

6. Verbot jeder gewerbsmifligen Behandlung von Manschen und Tiereii, 
ohne zuvor der Anzdgepflicht (s. Nr. 1) geuAgt zu haben (§ 9). 

Erwägt man mm, daß die Strafen fDr alle nach dem Ge¬ 
setzentwurf strafbaren Zuwiderhandlungen verhältnismäßig 
hoch bemessen sind und daß das Gesetz außerdem in 
bestimmten Fällen das Recht der Untersagung vorsieht in 
bezug auf 

a. die Weiterbehandlung von Menschen und Tieren, die an einer nach 

w_u_w __ a_ » __ ä . _i*_w__«_ 




liehen oder Abertragbaren Krankheit — Tierseuche — leiden (Ermächti¬ 
gung der Polizeibehörde, § 8, Abs. 8) sowie 
b. in bezug auf den Gewerbebetrieb, der bei begrOndeter Annahme einer 
Lebensgefährdung oder Gesundheitsbeschädigung der behandelten Per¬ 
sonen oder Tiere und bei schwindelhafter Ausbeutung untersagt 
werden muß und in anderen Fällen (VerurteUnng wegen einer strafbaren 


HeUkande dareh nicht approbierte Personen o. den QeheinunittelTerkehr. 131 

Handla^ in Ansftbiing des Gewerbes oder bei Aberkoinnng der b1irger> 
liehen Ehrenrechte wegen anderer Verbrechen oder Vergehen yerboten 
werden kann (§ 4), 

SO wird man zageben müssen, daß sich mit solchen Waffen der 
Kampf gegen die Earpfascherei erfolgreich anfnehmen lassen wird. 
Notwendig ist allerdings, daß die zuständigen Behörden, ins* 
besondere die Medizinalbeamten, namentlich von den Aerzten 
in wirksamer Weise nnterstätzt werden. Gerade den Medizinal¬ 
beamten erwächst hier eine wichtige Aufgabe ihrer Tätigkeit, der 
sie allerdings nicht völlig gerecht werden können, so lange sie 
selbst auf Privatprazis angewiesen sind und demznfolge als Partei 
gegen den Knrpfascher angesehen werden können. In ihren 
Händen hat bisher in fhst allen Bandesstaaten hauptsächlich die 
üeberwachnng der Earpfascherei gemht; desgleichen maßte ihnen 
die erforderliche Anzeige erstattet and die nötige Ansknnft erteilt 
werden. Der Giesetzentwarf hat an ihre Stelle die Polizeibehörde 
gesetzt, damit dieser „die znr Üeberwachnng des Betriebes nötige 
Kenntnis von der Begründung desselben sowie von seiner Ein¬ 
stellung gegeben wird*. Die Polizeibehörde ist aber gar nicht 
in der Lage, die vorgelegten Zeugnisse der Knrpfascher einer 
sachgemäßen Prüfung za unterziehen und sich durch Bückfragen 
ausreichende Auskunft über die persönlichen Verhältnisse, Vorbil¬ 
dung usw. der Ku^fuscher zu verschaffen, da die unteren Polizei- 
beamten, denen in der Hegel das Meldewesen übertragen ist, 
nicht wissen, auf welche Punkte es bei diesen Ermittelungen an¬ 
kommt. Ebenso hat die Kontrolle der Geschäftsbücher der Kur¬ 
pfuscher durch die Polizeibehörde wenig oder gar keinen Wert; 
auch hierfür kommt in erster Linie der Medizinalbeamte in Be¬ 
tracht. Man sollte es deshalb bei dem bisherigen Verfahren 
bewenden lassen und in den §§ 1 und 2 den zuständigen Medizinal¬ 
beamten statt der Polizeibehörde als denjenigen bezeichnen, dem 
die Anzeige zu erstatten und Auskunft zu erteilen ist sowie die 
Geschäftsbücher vorzulegen sind; will man aber an der Polizei¬ 
behörde festhalten, so maß § 2 jedenfalls einen Zusatz erhalten, 
wonach die hier den Eurpfäschern auf erlegte Verpflichtung nicht 
nur der Polizeibehörde, sondern auch dem zuständigen Gesund- 
heitsbeamten gegenüber festgelegt wird. 

Von aUen in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßregeln 
gegen die Earpfascherei wird sich besonders das Verbot der Fern- 
behandlung und der Ankündigung sowohl dieser, als ge¬ 
wisser anderer Behandlungsarten, und das Verbot marktschreieri¬ 
scher Empfehlungen usw. am wirksamsten erweisen. Das Verbot 
des öffentlichen Erbietens der Fernbehandlnng erstreckt 
sich nach dem Entwurf auch auf die praktischen Aerzte, wäh¬ 
rend diesen die Fernbehandlnng an sich nicht verboten, sondern 
gegebenenfalls der Ahndung im ehrengerichtlichen Verfahren 
überlassen ist. Wird der Entwarf Gesetz, so werden die ärzt¬ 
lichen Ehrengerichte gerade nach dieser Hichtung etwas strenger 
als bisher verfahren müssen; denn die Aerzte müssen in dieser 
Hinsicht mit gutem Beispiel vorangehen. Zur Zeit bleibt aber 
in bezug auf dUe Fernbehandlung auch bei den Aerzten noch man- 



132 Der vorlinAge Sntwnrf eines Qesetses betreffend die Auftbong der 

ches za vfinschen fibrig, inBonderheit gilt dies betreffs der Ho- 
mdopathen, yon denen nicht wenige ihre ärztliche Verordnungen 
ohne eigene üntersnchnng des Kranken treffen. 

Die Forderung der Aerzte (Beschlüsse auf dem Künigsberger 
Aerztetag), den Kurpfuschern jede Ankündigung zu yerbieten, 
würde zweifellos eine noch größere Beschränkung ihres Qewerbes 
herbeiführen) als die im Qesetz getroffene Vorschrift, wonach, ab* 
gesehen yon bestimmten Fällen, nur Ankündigungen mit unwahren, 
Täuschung über den Wert oder Erfolg der angekündigten Heil- 
yerfahren heryorrufenden Angaben strafbar sind; wenn man aber 
yon einem gänzlichen Kurpfoschereiyerbot abgesehen hat, dann 
kann man dem Kurpfuscher auch nicht die bloße Ankündigung 
seiner Tätigkeit untersagen, sondern nur die Auswüchse, d. h. die 
prahlerische, auf Täuschung des Publikums abzielende Ankündi¬ 
gung yerhindem, und das wird durch jene Bestimmung yoraus- 
sichtlich mit Erfolg geschehen. Dagegen sollte man nach einer 
Bichtang hin weiter gehen und den Kurpfuschern die Abgabe yon 
Arzneien usw. untersagen; mit einem solchen Verbot wird man 
weit mehr erreichen, als mit einem allgemeinen Verbot der An¬ 
kündigung; das ist um so mehr gerechtfertigt, als ja auch den 
Aerzten die Abgabe yon Arzneien an ihre Patienten untersagt 
ist, obwohl der Arzt doch weit eher in der Lage ist, die Arznei¬ 
mittel auf ihre Reinheit und Güte zu prüfen als der Kurpfuscher. 

Den Schäden, die durch das Geheimmittelwesen yer- 
ursacht werden,^) will der Entwarf dadurch begegnen, daß er 
nicht nur arzneiliche Mittel, sondern auch Mittel, Gegenstände 
und Verfahren, die zur Verhütung, Linderung oder Heilung 
yon Krankheiten, Leiden oder Körperschäden dienen sollen, 
in seinen Geltangsbezirk zieht und sich einmal gegen den 
Verkehr mit diesen Mitteln usw., anderseits gegen die mit 
ihnen betriebene Beklame richtet, ln ersterer Bezidiung 
BoU der Verkehr mit einzelnen Gegenständen oder Mitteln 


*) ln den aUgemeinen Erlänterongen helBt es hierzu: „Wie die Kur¬ 
pfuscherei im allgemeinen, so hat auch um Geheimmittelwesen im besonderen 
schwere wirtschaftliche und gesundheitliche Nachteile im Gefolge. Gro6e 
Mensen Geldes werden alljährlich für meist wertlose Zubereitungen, denen 
fUsi^cherweise geheimnisToUe Heilwirkungen beigelegt werden, yergeudet. 
Der Umsatz ron Geheimmitteln und Spezialitäten soll in Deutschland allein 
im Jahre 1898/99 30 Millionen Mark betragen haben. Zu den finanziellen Ver¬ 
lusten kommen schwerwiegende gesundheitliche Benachteiligungen. Wenn auch 
Tielfach die Geheimmittel nur aus unschädlichen Bestandteilen zusammengesetat 
sind, so enthalten sie doch auch häufig Stoffe, die arzneilich nicht bedeutungsloe 
sind, ja sogar stark wirkende Eigenschaften besitzen. Beispielsweise sind nach 
den amtlichen Bekanntmachungen des Karlsruher Ortsgesundheitsrats yon 76 
durch Beklame angepriesenen sogenannten Allheilmitteln nicht weniger ab 48 
für direkt lebensgef^rlich, 11 für gefährlich in der Hand yon Laien befunden 
worden. Gesundheitsstörungen treten durch den Gebrauch derartiger Mittel 
um so leichter ein, ab dieser mebt ohne Wissen und Kontrolle ebes Arztes 
erfolgt. Kranke, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe Ge¬ 
nesung finden konnten, erleiden an Uirer Gesundheit dauernden Schaden. wdÜ 
sie durch den Gebrauch der ihnen mit schwindelhaftem oder ttbertiiebeaem 
Wirkungswert angepriesenen Mittel dayon abgehalten werden, sich rechtzeitig 
sachyerständiger Hiue zu bedienen.“ 



Heflkande durch nicht approbierte Pemonen u. den OehehnmittelTerkehr. 188 


der gedachten Art beschr&nkt oder ganz untersagt werden kOnnen, 
wenn yon ihrer Anwendung eine Schädigung der Gesundheit zu be- 
fOrchten ist, oder wenn sie in einer auf Täuschung oder Ausbeutung 
der Abnehmer abzielenden Weise vertrieben werden (§ 5); nach der 
anderen Richtung hin ist ein Ank&ndignngsverbot vorgesehen fftr 
Gegenstände, Mittel und Verfahren der in Bede stehenden Art, 
sofern ihre Bestandteile oder die Art ihrer Zusammensetzung 
geheimgehalten oder verschleiert werden. Desgleichen sind außer 
dem schon erwähnten Erbieten zur Fembehandlung auch be¬ 
stimmte Ankündigungen auf geschlechtlichem Gebiete, unwahre 
oder Täuschungen über Wert und Erfolg der Mittel hervormfende 
Angaben, sowie die Ankündigung der vom Bnndesrat dem Verkehr 
entzogenen oder Verkehrsbesclu'änkungen unterworfenen Mittel 
unter Strafe gestellt. Von einer Begriffsbestimmung des 
Ausdruckes^Geheimmittel^ist mit Recht Abstand genommen, 
weil, wie es in den allgemeinen Erläuterungen heißt: 

,der Aiudrack im arzneilichen Verkehre zu einem technischen geworden 
ist and seine nrsprfingliche Bedeutang yerloren hat. Es kann nim mehr 
als unbedingte Voraassetzang für den Begriff ,Qeheimmittel‘ gelten, daß 
die Zosammensetzong des Mittels anderen als den Herstellern unbekannt ist. 
üm der Anwendung der Oeheimmittelvorschriften zu entgehen, haben die 
GMieimmittelfabrikantcn in neuerer Zeit vieUach die Zusammensetzung ihrer 
Pabrikate in irgend einer Formel öffentlich bekannt gegeben. Dem yolks* 
gesundheitlichen Zwecke der Vorschriiten würde es aber nicht entsprechen, 
wenn dadurch die fraglichen Mittel ihrem Geltungsbereich entzogen werden 
könnten.“ 

Der Entwurf geht also erheblich weiter als die jetzigen Vor¬ 
schriften; denn er stellt unter Strafe: 

1. die Einfuhr, das Feilhalten, Vorr&tighalten usw. sowie die 
öffentliche Ankündigung und Anpreisung von Mitteln und 
Gegenständen, die zur Verhütung, Linderung oder Heilung von Krask- 
halten, Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere dienen sollen, 
soweit deren Verkehr wegen zu befürchtender Schädigung der Gesund- 
hdt oder wegen Täuschung oder Ausbeutung der Abnehmer yom Bandes¬ 
rat beschränkt oder untersagt ist (§§ 6 und 10); 

2. die öffentlichen Ankündigungen oder Anweisungen, die 
wissentlich unwahre und Täuschungen über den Wert oder den Er¬ 
folg der angepriesenen Mittel oder Gegenstände heryorrufende Angaben 
enthalten (§ 6); 

3. die öffentliche Ankündigung oder Anpreisung 

a. yon Mitteln, Gegenständen oder Verfahren zur Verhütung, Linderung 
oder Heilung yon Geschlechtskrankheiten, zur Behebung geschlecht¬ 
licher Schwäche oder zur Heryorrufung geschlechtlicher Erregung, zur 
Verhütung der Empfängnis oder zur BeseiÜgung der Schwangerschaft 
(§ 7, Nr. 2) sowie 

b. yon Mitteln usw., sofern die Bestandteile oder die Gewichtsmengen 
der Gegenstände oder Mittel oder die wesentliche Art des Verfihrens 
bei der Ankündigung oder Anpreisung geheimgehalten oder yerschlei- 
ert werden (§ 7, Nr. 3). 

Der öffentlichen Ankündigung und Anpreisung im Sinne 
des Gesetzes wird nach § 12 die Verbreitung von Empfehlungen, 
Erfolgbestätignngen, gutachtlichen Aenßemngen, Danksagungen 
und ähnlichen Mitteilungen in einem großen Kreise von Personen, 
also die sogenannte indirekte Reklame, gleich geachtet, eine Be¬ 
stimmung, die schon im § 4 der neuen Vorschriften über den 
Verkehr mit Geheimmittehi vom 27. Juni 1907 getroffen war. 



134 Der Torl&nflge Entwarf eines Gesetzes betreffend die Ansttbong der 


aUerdingB ohne die eüiBchrftnkenden Worte «in einem größeren 
Kreise*, dnrch deren Hinznffignng wahrscheinlich der bisherigen 
Rechtsprechung auf diesem Gebiete Rechnung getragen weiden 
sollte. Diese geht aber gar nicht so weit, sondern sieht eine 
Öffentliche Ankttndigung schon darin, wenn z. B. die Versendung 
▼on Broschüren usw. an eine „Mebrzahl von Personen — un¬ 
bestimmt welchen und wievielen — erfolgt* (Urteil des Preußischen 
Eammergerichts Tom 11. April 1904, 11. Februar und 18. April 
1907), verlangt demnach keineswegs einen größeren Kreis. Jene 
Worte sollten daher gestrichen werden; sie geben nur eine will¬ 
kommene Handhabe, sich der Bestrafuig zu entziehen. 

Im übrigen gehen die Vorschriften aber erheblich weiter als 
die jetzt bestehenden; denn das Verbot der Ankündigung und 
Anpreisung ist ein viel umfassenderes als bisher, vor allem ist 
aber außer diesem für bestimmte Gegenstände und Mittel ein 
völliges Verkehrs- und Einfuhrverbot hinzngetreten, sowie 
im § 10, Abs. 2 dem Richter das Recht gegeben, neben der Strafe 
auch auf Einziehung der verbotswidrig eingeführten, feil¬ 
gehaltenen usw. Mittel oder Gegenstände zu erkennen, soweit diese 
nach § 5 Verkehrsbeschränkungen unterliegen. Der Bundesrat 
soll nach dem Gesetzentwurf auch künftighin die Liste derjenigen 
Gegenstände und Mittel aufstellen, die Verkehrsbeschränkungen 
unterliegen; es soll ihm aber jetzt eine besondere, bei dem 
Kaiserlichen Gesundheitsamte einznrichtende Kommission zur 
Vorbereitung seiner Beschlüsse beigegeben werden, die ans 
Juristen, Verwaltungsbeamten und Sachverständigen der Me¬ 
dizin, Tierheilkunde und der Pharmazie besteht und vor ihrer 
Entschließung den Fabrikanten oder anderen Beteiligten zur 
Wahrung ihrer Interessen Gelegenheit zu geben hat. Durch dies 
Verfahren dürfte allen Härten gegen £e Geheimmittel- und 
Spezialitätenfabrikanten vorgebengt sein; wünschenswert ist es 
nur, daß die betreffenden Listen auf dem Laufenden erhalten 
werden und ihre Abänderung oder Ergänzung nicht in zu großen 
Zwischenräumen erfolgt. Es liegt dies nicht nur im Öffentlichen 
Interesse, sondern auch im Interesse der Presse, damit diese über 
die Aufnahme von Ankündigungen über derartige Mittel usw. 
nicht im Zweifel ist. Schwierig wird für sie dann nur die Ent¬ 
scheidung über etwaige Ankünd^gnngen sein, die nach § 7, Nr. 8 
verboten sind (siehe vorher S. 138 unter Nr. 3 b). Hier trägt es sich 
nun, ist diese Bestimmung unbedingt notwendig? Verfasser mochte 
diese Frage verneinen; denn die übrigen Strafvorschriften, ins¬ 
besondere § 6, schützen schon genügend gegen prahlerische, au 
Täuschung ausgehende Anpreisungen.*) Sie widerspricht auch dem 
vorher bereits erwähnten, in den ^läuternngen anfgestellten Grund¬ 
satz, „daß es dem volksgesundheitlichen Zwecke der Vorschriften 
nicht entsprechen würde, wenn dnrch die Öffentliche Bekanntgebnng 
der Zusammensetzung der Geheimmittel in irgend einer Formel 


*) Vergleiche aach die vorher mitgeteilten ErläaternogeB za § 6; siehe 
AnmerkoDg auf S. 122. 



Heilkunde durch nicht approbierte Personen u. den Qeheimmlttelrerkehr. 186 


diese dem Mtiuigsbereich des G^etzes entzogen würden.* Tat* 
sädilieh ist es auch ziemlich gleichgültig, ob fie Bestandteile der 
Gegenstände oder Mittel bei der Ankündigung bekanntgegeben 
oder geheimgehalten werden; der Schwerpunkt ist vielmehr darauf 
zu legen, ob den Mitteln gewisse, ihnen nicht zukommende Wirkungen, 
Erfolge usw. in prahlerischer Weise angedichtet werden; dies 
wird aber durch § 6 in wirksamer Weise geahndet, und ob eine 
solche nnznlflssige Ankündigung vorliegt, wird auch von Laien 
unschwer festgestellt werden kOnnen. Viel wichtiger erscheint 
es, in dem Gesetzentwurf eine Vorschrift zu treffen, die verhindert, 
dsißmit der im § 7, Abs. 2 in bezug auf die Fachpresse getroffenen 
Ausnahme Mißbrauch getrieben wird; denn ebenso gut wie leider 
auch künftighin sich Aerzte finden werden, die den Kurpfuschern 
den Bücken decken, falls die ärztlichen Ehrengerichte nicht ent¬ 
sprechend eingreifen, so wird es auch eine unsolide Fachpresse 
geben oder ad hoc ins Leben gerufen werden, die derartigen 
Ankündigungen in unzulässiger Weise Aufnahme und Verbreitung 
gewähren wird, gegen die es aber weder ein Ehrengericht gibt, 
noch eine gesetzliche Handhabe im Gesetzentwurf. 

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Strafen gegen die 
schwindelhafte Reklame sind absichtlich hoch gegriffbn, niedrige 
GMdstrafen sich durch den ans dem verbotswidrigen Geschäfts¬ 
betrieb erzielten Gewinne reichlich bezahlt machen und daher 
ziemlich wirkungslos sein werden. Diese Ansicht ist durchaus 
zntreffisnd; nur bietet dafür die Festsetzung des Höchstmaßes einer 
Strafe nach den bisher gerade auf diesem Gebiete gemachten 
Erfahrungen keine sichere Handhabe, wenn nicht gleichzeitig ein 
Mindestmaß festgesetzt wird, das im Wiederholungsfälle auf das 
Doppelte erhöht werden müßte. Geschieht dies nicht, so werden 
Zuwiderlumdlungen gegen die §§ 6—8 nicht selten mit Geldstrafen 
geahndet werden, deren Höhe mit der obigen Absicht des Gesetz¬ 
gebers im vollen Widerspruch steht. Weiterhin sollte nach § 10 
nicht bloß derjenige bestraft werden können, der die betreffenden 
Mittel usw. einftl^, feilhält usw., sondern auch der, der sie ,in 
den Verkehr bringt*; durch einen solchen Zusatz würde man in 
der Lage sein, den wirklich schuldigen Teil, d. i. den Verfertiger 
oder Großhändler, zu treffen, während sonst nur der Verkäufer usw. 
getroffen wird, der in vielen Fällen sich lediglich infolge von 
Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften strafbar gemacht hat. 

Hoffentlich wird der Gesetzentwurf ohne erhebliche Aende- 
mngen recht bald dem Reichstage vorgeli^ und gdangt hier 
zur Verabschiedung; mit diesem Wunsche sei die vorstehende Be¬ 
sprechung geschlossen! 


Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitecbriften. 

Oerlohfllohe Psyohlztrle. 

Ibot midi UMlMliOllOliSMllMf \ 

BeitragaarkenatniB der Störung ftuSerer Willenehandlungen. 
Von Dr. A Gregor und Dr. B. Häniel. Monatseclurift fftrPejeUatiie und 
Neurologie; Bd. aXm, Januar 1906. 



186 


Kleinere Mitteilnngen ond Beferate aiu Zeitsohriften. 


Die Betrachtuiff der erhaltenen Karren zeigt, daß die von den Me¬ 
lancholikern gezeichneten einen kurzen und rerh&ltnism&ßig niedrigen 
Gipfel aufweieen, von * da ziemlich steil zu einem niedrigen Nirean abfallen, 
weiches über eine lange Strecke konstant bleibt, — oder überhaupt keinen 
Gipfel entwickeln. 

Die Ton Katatonikem gewonnenen Karren lassen als herrorstecbendes 
gemeinsames Merkmal erkennen, daß die Arbeitsleistung bei ihnen mit einer 
rerhältnismäßig geringen Habzahl erreicht wird, daß also die Durchschnitts- 
hubhöhe- und Durchschnittshubleistung eine relatir hohe ist. 

Der Melancholiker führt die Ergographenarbeit in zahlreichen kleinen, 
der Katatoniker in wenigen, aber ausgiebigen Kontraktionen aus. 

Beim Melancholiker gehören die Züge, welche eine derartig Arbeits¬ 
leistung, wie sie die Ergographenkurre aasdrückt, bedingen, zum Wesen der 
Psychose, beim Kataton&er hingegen steht die hier beobachtete Form der 
baßeren Willenshandlang neben anderen Zügen seines Charakters; sie kann 
mit ihnen in Parallele gestellt, nicht aber von ihnen abgeleitet werden. 

Dr. T Ob b e n - Münster. 


Zur Pathologie und Therapie der Zwangsneurose« Von Dr. Wolf¬ 
gang War da, leitendem Arzte der Heilanstalt „Villa Emilia*' zu Blanken¬ 
burg in Thüringen. Monatsschr. für Psychiatrie u. Neurologie; 1907, Bd. XXII. 

Die Zwangsneurose ist charakterisiert durch das Ai^treten von Zwangs- 
yorstellungen, d. h. solchen Vorstellungen, die in störender Weise das Denken 
beschäftigen, in der Gesamtheit ihres Inhalts einen selbstquälerischen Zug 
und eine Selbstkontrolle des Individaums wenigstens andeutungsweise erkennen 
lassen und damit einen mehr oder weniger versteckten Hinweis auf ein ver¬ 
drängtes Schuldbewußtsein geben. Diese Vorstellungen imponieren dem Kran¬ 
ken umsomehr als zwangsmäßig, fremdartig und für sein logisches Denken 
unerklärlich, je weiter ihnen ein ursprünglicher, peinlicher, gegen das leidende 
Individuum selbst sidi kehrender Affekt anhaftet. Vorübergehend kann dem 
Kranken diese Kritik seines Zustandes verloren gehen. 

Der Verfasser hat seit Jahren in den schwereren Fällen von Zwangs¬ 
neurose, gleichgültig, ob die sexuelle Aetiologie im Freund sehen Sinne naä- 

{ gewiesen war oder nicht, den Hauptwert auf die kausale psychische Behand- 
ung gelegt und im allgemeinen gute Erfolge gehabt. Er benutzt dazu die 
H^nose, begnügt sich gewöhnlich mit der Somnolenz und sucht durch immer 
wiederholten Zuspruch das Selbstmißvertranen zu beseitigen, das Gewissen zu 
beruhigen, Behagen und Zuversicht zu wecken. Hier muß natürlich nach der 
psychischen Verfassung des Kranken, der Art seines Denkens und Fühlens 
und seiner Schicksale ganz individuell verfahren werden. Warda vermeidet 
es neuerdings völlig, im eigentlich therapeutischen Verfahren die sexuelle 
Aetiologie zu berühren; er hält sogar die einfache anamnestische Befragung 
nach geschlechtlichen Vorgängen mitunter nicht für Unbedenklich. 

Dr. Többen-Münster. 


üeher Herderschelnungen bet genuiner Epilepsie. Von 0. Bins- 
wanger-Jena. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie; Band XXII, 
Heft 5. 

Zweifellos können auch im Krankheitsbild der genuinen Epilepsie 
Herdersebeinungen auftreten, die, wenn nur ein einzelner Krampfparoxysmus 
zur Beurteilung vorliegt, zu Verwechselungen mit den Herdsjrmptomen der 
organiseh bedingten, insbesondere der partiellen, der Jackson sehen Epi¬ 
lepsie führen müssen. Die Herderscheinungen finden sich als Aurasymptome 
und als Teilerscbeinungen der konvulsivischen Phase der Anfälle. Sie sind 
als umschriebene Erregungs- und Hemmungsentladungen oder als postparoxys- 
tische Erschöpfungsphänomene aufzufassen. 

Unter den Aurasymptomen kommen nur die unilateralen motorischen 
und sensiblen resp. sensoriellen Erscheinungen in Betracht. Sie finden sich 
nur selten bei den vollentwickelten typisch en, häufiger bei den vollentwickelten 
atypischen Anfällen. Die motorische Aura der genuinen Epilepsie zeigt 
folgende Formen; a) umschriebener, auf einen Qlicdabschnitt oder eine 
Muskelgruppe beschränkter klonischer Krampf; b) auf einen Gliedabschnitt 



Kleinere Mitteilnngen nnd Befente nna Zeitschriften. 


187 


•der etne Extremitit oder bestimmte KOrperregionen bescbrinkter tonischer 
Knmpf; c) rereinselte lokomotorische Bewegnngen; d) koordinierte, antomsp 
tisehe Mwegongen. Einen weitergehenden lokaldignostischen Wert besitsea 
nur die unter a) genannten Erscbeinnngen, da sie aal initiale kortikale 
regiugsentladnngen in bestimmten Abschnitten der motorischen Bindenregion 
■eUieien lassen. Während bei den organisch bedingten Fällen die moto* 
riseheAara mit ihren Begleit* nnd Folgeerschebnngen sich in gleichartiger, 
fast gesetzmäßiger Weise bei den einzelnen Attacken wiederholt, bietet 
sie bei der genuinen Epilepsie nichts Begelmäfllges nnd Gesetz* 
mäßiges dar. 

Die Herderscheinnngen während der Parozysmen selbst 
(Monospasmen, hemilsterale nnd gekreuzte Eonrnlsionen) beweisen Ittr die 
Urspmngsstelle des Krampfanfalles nichts; sie sind ttberdies viel zu Wechsel* 
ToU and nnregelmäßig, nm ans ihnen lokaldiagnostische Schlflsse zn ziehen. 

Die größte Schwierigkeit hinsichtlich der Deutung der Herderscheinungen 
bieten die Fälle der genuinen Epilepsie dar, in welchen sich im Verlauf der 
Krankheit auf Grund von später an^etretenen Herderkrankungen bestimmte 
nnd regelmäßig wiederkehrende Herderseheinangen, sei es als Anrasymptome, 
sei es im Krampfbilde des entwickelten Anfalles hinsugesellen. Die genuine 
Epilepsie bietet selbst dann, wenn sie Herdsymptome aufweist, keinen Gegen* 
stand der operativen Behandlung. Dr. T0bben*Mttn8ter. 


Beitrag snr Symptomatoli^le der Pamlysis agltnns. Von Dr. Otto 
Ludwig Klieneberger. Ans der Psychiatrischen* und Nerven*Universitäts* 
klinik zu Greifswald. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Neurologie; Bd. XXIU, 
Heft L 

Man kann die Parkinsonsche Krankheit in zwei große Gruppen trennen« 
in die im Anschluß an ein Trauma nnd die ohne greifbare Ursache sich mehr 
allmählich entwickelnde Paralysis agitans. Angesichts der reichhaltigen Lite* 
rator muß die Möglichkeit des traumatischen Ursprungs der Paralysis agitans, 
bezw. ihrer Verschlimmerung durch den Unfall mit Sienerheit als erwiesen be* 
trachtet werden. Im allgemeinen scheint die Paralysis agitans eine Erkrankung 
des Torgerfickten Alters zu sein. Es sind nur vereinzute Fälle im jagend* 
liehen Alter, auch im Anschluß an Typhus und andere Infektionskrank* 
heiten beschrieben worden. Erblichkeit, Alkohol und Lues scheine in der 
Anamnese kebe Bolle zu spielen. Die Anschauung, daß die Paralysis agitans 
nur einen Symptomenkomplez darstellt, zählt beute keinen Anhänger mehr. 
Auch ihre Zurttekftthrang auf Erkrankungen der Schilddrüse und andere 
antointoxikatorische Vorgänge wird heute nur noch von wenigen vertreten. 
Dagegen schwanken die Neigungen, ob es sich um eine funktionelle oder 
organische Erkrankung handelt. Die Verfechter der letzteren Anschauung 
sehen bald das Rückenmark oder Gehirn, bald die Muskulatur als den Sitz der 
Erkrankung an. Selbst die als spezißsch beschriebenen Veränderungen, die in 
den einzelnen Organen gefunden wurden, weichen von einander ab. Der negative 
Befand der Lumbalflüssigkeit macht das Vorhandensein eines entzün^chen 
Prozesses ün Zentrainervensystem nicht gerade wahrscheinlich. Die Frage der 
Pathogenese ist demnach heute noch nicht spruchreif. Die Schilderung der 
einzelnen Symptome der Paralysis agitans durch den Verfasser bietet im 
wesentlichen keine neuen Gesichtspunkte dar. Dr. Többen*Münster. 


Die Paralyse im Unterofflzfentand. Von Stabsarzt Dr. K. Bennecke 
in Dresden. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Neurologie; Bd.XXII, 1907. 

Der Verfasser bat schon seit mehreren Jahren au paralytische Er* 
•eheinnngen bei Unteroffizieren geachtet nnd teilt in seiner Arbeit 14 ein* 
wandfreie Fälle von Paralyse mit. Die Kasuistik Benneckes ist nicht der* 
artig, daß sie einen Schluß auf die Häufigkeit der Paralvse im Unteroffizier* 
stand im Verhältnis zu anderen Berufen znläßt. Hinsichtlich der Lueofrage 
scheinen die Fälle zu ergeben, daß weniger die Syphilis an and für sich, ^ 
vielmehr die unterlassene und unzueichende Quec^ilberbehandlung die Para¬ 
lyse hervorgerufen hat. Für den frühzeitigen Ausbruch der Erkrankung sind 
vielleicht spezifisch militärische Verhältnisse verantwortlich zn machen. 

Dr. T ö b b e n * Münster. 



188 


Kleinere Mltteilnngen nnd Befemte ans Zeiteotariften. 


Ueber hTSterisehe Worttanbhelt* Von Dr. Albert Knapp, frlüierein 
Oberarst und Privatdosent an der nsyehiatrlBohen ond Nerrenkunik der üni- 
Tersitit Halle, jetzt in GOttingen. Konatsschrilt Iflr Psyehiatrie and Neurologie: 
Band XXU, Heft 6. 

Knapp berichtet Aber einen hochinteressanten Fall Ton hysterischer 
reiner Worttanbheit, der wegen seiner prinzipiellen Bedeutung mehr als eia 
rein kasuistisches Interesse beansprucht. Aul die Schilderung der klinischen 
Ebzelheiten dieses Falles, der gleichzeitig mit einer hysterischen Fadalis- 
arese. die durch Anwendung von Elektrizität beseitigt wurde, einhergin^ 
ann nier leider nicht einhergegangen werden. Knapp kommt aus iüilaS 
seiner Beobachtung zu der Annahme, daß sämtliche Formen aphasischer StS- 
mn^en, wie sieTon Wernicke auf Grund von theoretischer Ueberlegung und 
klinischer Erfahrung aufgestellt und seither durch pathologisch‘anatomische 
Befunde belegt worden sind, auch auf hysterischem Boden sich ansbilden 
können, wie Agraphlen, Monoparesen nnd Hemiparesen, Jacksonsche Krampf- 
zostände, Tastlähmungen, Apraxien, Hemianopsien, kurz alle nur denkbaren 
Gehimaffektionen auf psychogener Grundlage in derselben Reinheit und Präg* 
nanz beobachtet worden sind, wie sie in unkomplizierten Fällen isolierter um 
organischer Affektionen angetroffen werden. Dr. TObben*Mfinster. 

Ueber die Psychosen des Klimnkterinms« Von Prot Hans Berger, 
Hausarzt der psychischen Klinik in Jena. Monatsschrift fttr Psychiatrie und 
Neurologie; 1907, Bd. XXII, Ergänzungsheft. 

In einer sich auf 9 Jahre erstreckenden Beobachtungszeit konnte der 
Verfasser an dem Material der Jenenser Klinik bei 14 Frauen ein zeitliches 
Zusammenfällen der ersten psychischen Veränderung mit den Alterationen der 
Menstruation nachweisen und das Klimakterium als die alleinige Ursache der 
Psychose ansprechen. Von diesen 14 Fällen lag einmal eine operativ beding 
Klimax vor, in 10 Fällen bandelte es sich um Melancholien, von denen dine 
paranoische Zfige darbot. In den drei anderen Fällen lag eine Paranoia hallnei* 
nntoria acuta mit katatonischen Symptomen vor. Von dmi Melancholien waren 
60*/o erblich belastet; bei den anderen Kranken konnte eine Erblichkeit nicht 
nachgewiesen werden. Zwei von den Kranken endeten durch Suizid, 4 gingen 
in einen chronischen Defektzustand ans; nur 8 Fälle genasen vollständig 
und blieben bisher gesund. 

Nach dem ihm vorliegenden Krankenmaterial muß der Verfasser ebe 
spezifische klimakterische Psychose ablehnen. Im Verein mit anderen Beob> 
achtem findet er bei den Jenenser Kranken, daß die Hauptzahlen der im 
Klimakterinm ansbrechenden Psychosen auf die Melancholie entfallen nnd 
an swdter Stelle die Fälle von akuter halluzinatorischer Verwirrtheit mit 
katatonischen Symptomen zu rubrizieren sind. Dr. TQbben«Münster. 

Die Abnormitäten der Aszendenz in Beziehung zur Deszendenz. Von 
Geh. Med.*Bat Dr. Tigges in Düsseldorf. Allgemeine Zeitschrift fttr Psy* 
cUatrie nnd psychisch - gerichtliche Medizin; Bd. 64, H. 6. 

Die Resultate der Untersuchung Aber den Einfioß der väterlichen resp. 
mütterlichen Erblichkeit auf Deszendenz, je nach den Abnormität» der Aszen¬ 
denz nnd den Stufen der Erblichkeit, sind folgende: 

Bei Geisteskrankheit der Aszendenz ttrorwiegt bei direkter Erblichkeit 
der mütterliche Einfinß über den väterlichen um 1,8—2,0*/«, bei indirekter, 
mit 1 Ausnahme, um 0,5—0,8 

Bei Trunksucht der Aszendenz ttberwiegt bei direkter Erbfolge in hohem 
Grade die väterliche Seite. 

Bei Nervenkrankheiten der Aszendenz ttberwiegt, wie bei den Geistes¬ 
krankheiten bei direkter und indirekter Brblicheit, die mütterliche Seite. 

Bei auffallendem Charakter ttberwiegt bei direkter ^blichkeit die vätei^ 
liehe Seite. 

Bei der Summe der Abnormitäten ttberwiegt bei direkter Erblichkeit 
ttberall der väterliche Einfluß, bei indirekter, mit einer Ausnahme, der 
mfltterliche. Das väterliche Uebergewicht schwankt bei direkter ErUo^e 
zwischen 1,1 und 8,2 ^/o, das mütterliche bei indirekter Erbfolge zwischen (\5 
bis 0,8 */q. Das Uebergewicht des väterlichen Einflusses bei direkter ErbUch- 



Betprechungen. 


189 


kdt wird im wesantlioheii dnreh Tnuksiieht d«r Anendem, in gerinsem 
Ondo noch durch auffallenden Charakter der Aeiendeni bedingt. Dm Ueoer* 
gewicht der mfltterlichen Seite bei indirekter Erbfolge in den deutschen An« 
atalten wird wesentlich durch Geisteskrankheit der Assendenz, in geringem 
Grade noch durch Nerrenkrankheiten der Assendenz herbeigeftthrt. 

Bei Geisteskrankheit, Nerrenkrankheit und der Summe der Abnormittten 
der Aszendenz, wenn man tos letzterer die Nachkommen trunksflchtlger 
Anendenz ausschlleSt, findet sieh bei direkter Erbfolm entsprechend einem 
Uebergewicht der mlltterliehen Seite Uber die TiterUehe, eia üebergewieht 
der Tochter Aber die SOhne. — Bei indirekter Erblichkeit, ferner bei direkter 
Erblichkeit Ton Trunksucht und anffalieadem Charakter der Asseadmiz, lifit 
sieh ein der obigen Begel entsprechendes Verhalten nicht bestimmt nach« 
weises. Einige Imta renialten sich direkt entgegeng^tst. 

_ Dr. TObben«MAaster. 

dahresherleht Aber die Kdnlgllch-Pspehlntrisehe KUnlk in Mtaehen 
fir 190d und 1905. Mfinchen 1907; Verlag tos J. F. Lehmann. 

Im Gegensatz zu den ttblichen Jahresberichten, in denen wir eine groSe 
Beihe ron Zälen und Tabellen hauptsächlich zu finden pflegen, bietet uns 
dM Ton Kraepelin und seinen Assistenten (Alzheimer, Gaupp u. a.)Ter« 
fafite Bflchlein ein umfassendes Bild der Arbeit, welche in der Mtkncheser psj« 
düatrischen Klinik seit ihrer Eröffnung am 9. November 1904 bis Ende des 
Jdires 1905 geleistet worden ist. Wir hOren von den Erfahrungen, die man 
mit Scbwestemdienst auch auf Männerabteilungen, mit dem sonstigen Pflege« 

J ersonal, mit der Anwendung von Dauerbädern und Packungen usw. gemacht 
at, und wir werden mit den bisher getroffenen Einrichtungen für den wissen« 
schaftlichen Dienst bekannt gemacht. Den AbsehluA bildet ein ausftthrlicher 
Bericht Aber die zur Behandlung gekommenen Fälle, insbesondere Aber ihre 
etwaigen diagnostischen Schwierigkeiten und andere bemerkenswerten ElgentAm« 
Uchkdten, Aber ihren Verlauf und Ausrag, soweit er sieb verfolgen uefi. 

Dr. Klar e«Haina (Bei. Cassel). 


Besprechungen. 

Dr. med. phil. (h. c.) et jnr. (h. c.) Anglist Ford, o. Professer der Psy« 
chiatrie und fzAherer Direktor der kantonalen Irrenenstalt in ZArich: Der 
Hypiiotlsmas. seine peyohologisolie, psyohophyslolooleolie nnd 
therapeniisolie Bedeutung oder die Suggestion und Psjohotlio« 
reple. V. Auflage. Stuttgart 1907. Verlag von Ford. Enke. 

Der berflhmte Verfaner gibt in dem vorliegendem Buche eine Aber« 
sichtliche Darstellung der wichUgsten Tatsachen nnd Theorien des Hypnotismus. 
Dm Werk ist Aberaus anschaulich nnd pUstisch geschrieben, durch zahlreiche, 
sorgfältig ansgewählte Krankengeschichten Ulustnert nnd ausgezeichnet dnreh 
eine Ffllle geistreicher nnd höchst origineller Ideen Aber das Wesen nnd die 
Wirkung der Suggestion. Trotz aller VorzAge des lesenswerten Werkes ist es 
Forel nicht gelungen, sich vor einer gewissen Einseitigkeit zu bewahren, als 
er mit den Gkgnem der von ihm hochgeschätzten Hypnotherapie auf dM 
schärfste ins Gericht geht nnd ihre Anschauungen in außerordentlich sar« 
knstischen Wendungen bespöttelt. Zur Begründung dieser Tatsache sei dM 
Urteü des Autors wOrtlich wiedergegeben, welches er Aber das Gutachten der 
Hypnosekommission der Berlin «Brandenburgischen Aerztekammer abgibt. Er sagt 
anf S. 948 des Werkes: .Ich ... begnflge mich kurz damit, zu erkluren, daß das 
Gutachten der Hypnosekonunission der Berlin-Brandenburgischen Aerztekammer 
nichts als ein armseliges, tendenziöses Machwerk ist, das sorgfältig nnd konsequent 
die gewissenhaftesten k der Natur dargelesten Belege Aber die Erfolge der 
Snggestiontherapie verschweigt, unbedeutende Gefahren einer AnsAbnnff der« 
selben durch Laien oder ungeAbte Aerzte ganz ungebAhrlidi hervorhebt, da¬ 
gegen die nachgewiesene viWge üngefähruchkeit jener Therapie, wenn sie 
von kundiger Hand ausgeAbt imd. wiederum ignoriert.“ 

Dr. TObben-MAnster. 



140 


Besprechungen. 


Dr. B. M«j6r, Professor in Königsberg i. Pr.: Die Ur e e ch en der Qeletee* 
krenkhelten. Jena 1907. Verlag von GusUt Fischer. Gr. 8^ 2418. 
Preis: 4,60 Mark. 

In sehr klarer und interessanter Darstelloagsweise behandelt Verfasser 
die Ursachen der Psychosen. Bei den inneren (endogenen) Ursachen be> 
spricht er zunftcbst die allgemeine Pr&disposition, die sich im Alter, Ge* 
schlecht, Basse etc. äußert. Bezüglich des Klimas weist er auf den 
„Tropenkoller* hin, der durchaus ernst zu nehmen sei; auf dem Boden der 
Weifach am Ende der Begenperiode bei Europäern autretenden schweren 
Neurasthenie stellen sich häufig Aufregungszustände ein. Verfasser warnt 
daher auch davor, psychopathische Individuen in unsere Kolonien zu senden. 
Ferner liegen in der Art, wie sich die Kuitur während der letzten 40 Jahre 
bei uns ansgebreitet und gesteigert hat, sicherlich gefahrdrohende Momente. 
Doch braucht deshalb die Kultnr nicht den Todeskeim in sich zu tragen; denn 
wir befinden uns in einer Uebergangszeit, in der der Umschwung zu schnell 
vor sich geht; das heranwachsende GescUecbt wird mit mehr Widerstands¬ 
kraft ausgerüstet sein. Bei der Besprechung der ätiologischen Bolle, welche 
den Bernfsscbädlichkeiten zukommt, weist Verfasser darauf nin, daß 
die Frauen, je mehr sie aktiv in den „Kampf ums Dasein* eintreten, auch 
desto mehr geistig erkranken werden. Bezüglich der Erziehung wendet er 
sich gegen £e körperliche Züchtigung, die bei nervOsen Kindern nur schadet 
und zuweilen schon der Grund zum Selbstmord geworden ist. Von den 
äußeren. Ursachen bespricht er die Verletzungen (Unfallneuroeen) 
eingehend; er warnt vor einer Ueberwertung der von Strümpell inaugu¬ 
rierten „Begebrungsvorstellungen*. Weiterhin werden dann die Gehirn-, 
Nerven-, Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten (Tuberkulose, 
Malaria, Syphilis, Schlafkrankheit), sowie die Vergiftungen mit Alkohol, 
Blei, Quec^ilber usw. in ihrer ätiolo^chen Bedeutung für die Psychosen zum 
Teil in sehr ausführlicher Weise gewürdigt. Zum Schluß bespricht Verfasser 
die psychischen Ursachen und erwähnt dabei seinen vorläufig ablehnenden 
Standpunkt den Lehren Freuds gegenüber, der bekanntlich seinem „Ideoge- 
nitätsmoment* nicht nur bei der Hysterie, sondern auch bezüglich anderer 
psychischen Störungen eine hervorragende ursächliche Bedeutung zuweist. —* 
Die Abhandlung dürfte jedem Arzte, besonders aber demjenigen, der sieh als 
Gutachter mit psychiatrischen Fragen zu beschäftigen hat, eine Fülle be¬ 
lehrenden und anregenden Stoffes bieten. 

Dr. Klare-Haina. 


Dr. Hio. Bamooo, wall.: Die sexuelle NearMthenie und Ihre 
Beslehang sn den Krankheiten der Qesohleohtsorgane. 
Autorisierte Uebersetzung von Dr. Bali Wicbmann. 2. Anfiage. Berlin 
1907. Verlag von Otto Salle. 

Der verstorbene bekannte Autor gibt uns in dem vorliegenden Werke 
eine erschpOfende Abhandlung über das Wesen der sexuellen Neurasthenie 
und bespricht eingehend ihre sehr interessante Aetiologie, Symptomatologie 
pathologische Anatomie, sowie ihre Diagnose, Prognose und Therapie. Diese 
klinisch besondere, sehr wichtige und häufige Form der Neurasthenie gehOrt 
sowohl in das Fach des Nervenarztes, wie in das des Spezialarztes für (Ge¬ 
schlechtskrankheiten, da alle die funktionellen Beschwerden und Störungen 
des Nervensystems, welche jenes Krankheitsbild zusammensotzen, von organischen 
Affektionen der Urethra, der Prostata oder des Uterus abhangen und zwar be¬ 
sonders solchen, die durch frühere oder gleichzeitige gonorrhoische Prozesse 
bedingt werden. In derartigen Fällen setzt man heute an die Stelle der früheren 
Diagnose „Hysterie* und „Hypochondrie* die weit logischere und berechtigtere 
und exaktere Diagnose: „sexuelle Neurasthenie.* Es ist einleuchtend, ude 
verschieden die heutige Therapie gegenüber der früheren sein muß. Während 
früher die interne und externe symptomatische Behandlung angezeigt war, 
nimmt heute die lokale Therapie, welche die Grundursache des Leidens berück¬ 
sichtigt, den ersten Bang ein. Dr. TObben-Münster. 



Besprechungen. 


141 


Dr. Buid«ll«r, dirlg. Ant der Longenheilheilst&tte Cottbus und Dr. BBpk«, 
dirig. Arzt der B^enbahoheilstltte Melsiugeii: Lelirbnoh der epeslflM^en 
Dli^noBtlk und TAereple der Tuberkulose. Mit 118 Temperstnr* 
karren and 5 lithographierten Tafeln. Wttrzbarg 1907. A. Stabers Ver¬ 
lag. Gr. 8*; 118 8. Preis: 4 M., geh. 4,80 M. 

Das Bestreben, die menschenmordende Taberkalose zn bek&mpfen, Iflhrte 
zahlrdehe Aerzte za experimentellen und tberapeatischen Immanisierongsrer- 
Sachen. Jetzt haben wir 8 bekannte Taberknline ron Koch, rerschiodene 
TOB Klebs, eins von Denys, eins von Beranek, eins ron Spengler, 
daza eine ganze Anzahl ron aktiren and passiren Immnnisiernngsmethoden 
nach Jenner-Pastear, Maragliano, Figari, Mamorek n. a. m. 
Ueber jedes dieser Mittel Ist im Laote der Zeit eine mehr oder weniger om- 
üaaneiche Literator entstanden, die neben vereinzelten nngflnstigen Besoltaten 
aaeh gate Erfolge bekannt werden läfit. Die sich nicht selten recht wider- 
rarechenden Ansichten hatten aber zur Folge, daß die in Frage kommenden 
Mittel und Methoden nar von einer kleinen Anzahl der Aerzte angewandt 
worden, während ihnen die Mehrzahl ratlos and zweifelnd gegenttberstand. 
Dieser Verwirrang zu stenem and die Anwendung der spezifischen Diagnostik 
and Therapie zum Allgemeingat der Aerzte zu machen, wird das Bandelier- 
BOpkesche Bach bemen sein. 

Klar und übersichtlich ist Anlage and Einteilang des Baches; mit 
knappen Worten ist es den Verfassern gelangen, auch dem in der einschlägigen 
Literatar anbewanderten Aerzte ein anscbanliches Bild zu entwerfen vom 
Stande der ganzen Taberkalinbewegong, von seiner Anwendung za diagnostischen 
and tberapeatischen Zwecken. Die Taberkulinanwendong bietet allerdings ge¬ 
wisse Schwierigkeiten and verlangt bestimmte Vorkenntnisse; an der Hand des 
vorÜMenden Baches ist jedoch jeder Arzt imstande, sie nicht nur zur Diagnose 
mit vorteil za verwerten, sondern auch völlig selbständig eine solche Kar 
darchzulühren. 

Der Taberkolinanhänger wird seine Freude an dem Bache haben, das 
ihm über so manche Frage klare Antwort gibt, der er bisher zweifelnd gegen- 
fiberstand. Zahlreiche erklärende Temperatnrtabellen, sowie kurze Abhand¬ 
langen ttber den Wert der spesiflschen Methoden bei Behandlung von Taber- 
kaloee anderer Körperorgane erhöhen den Wert des Backes, das in keiner 
ärstUcber Bibliothek feluen sollte und auch den Medizinalbeamten warm 
empfohlen werden kann, besonders mit Bfioksicbt auf ihre vertraaensärztliche 
Tätigkeit, bei der alle HiUsmittel für eine möglichst frühe and sichere 
Dia^ose der Taberkalose von grofiem Werte sind. 

Dr. Gnmprecht-Lippspringe. 


Br. Osour Uabraluh und Or. Alezundsr LMZggMrd: Oompedlum 
der ArsBelTerordiiaixg. Nach der Pharm, germ. ed. IV and den neuesten 
fremden Pharmakopoeen. Sechste vollständig amgearbeitete Auflage. Berlin 
1907. Fischers mediz. Bachhandlong H. Kornfeld. Gr. 8“; 900 S. 
Pr^: 16 Mark. 

In der neaen Auflage sind diejenigen Mittel, welche in den letzten 
Jahren sich als weniger bedeatend heraosgestellt haben, möglichst kurz be¬ 
handelt, so dafi die seit dem Jahre 1901 neu empfohlenen Mittel eine aus- 
ffihrliche Berficksichtignng finden konnten, ohne den Umfang des Werkes zu 
sehr zu vergrößern. Die nea erschienene österreichische Pharmakopoe und 
die Pharmakopoe der Vereinigten Staaten sind, so weit als möglich berfick- 
dehtigt worden. Das vorliegende Werk behandelt alles, was für die Praxis 
von Bedeatong ist; aaf die Angabe der Darstellang, Zasammensetzung and 
Eigenschaften einer Substanz folgt die BesprecLong ihrer Wirkung and An- 
wendang, die Angabe der Dosierung and der offizinellen Präparate, za denen 
die betreffende Substanz benutzt wird; beigeffigt ist eine Answabl von Rezept- 
formein. Der Praktiker kann sich leicht in ^ze Zeit über alle diejenigen 
Punkte, welche für die Rezeptor oder Anwendung einer Substanz lös Heil» 
mittel von Wichtigkeit sind, orientieren. Dr. Rump-Osnabrück. 


148 


TftCMBMhri«htn. 


Dr. F. Slaattr, Holrat ia Ldpaig: Die PaexU <lee Ohemlken bet der 
Unterenobimg tob Nebrnngsmlttela, Qebraaohegegenetftnden 
und HeadelaprodakteB, bei byglentaohen nad bakterlologlsoben 
UntereaobaBgen eovle la der gerlobtllohea Medlsla oad Hera* 
eaalyee. Achte, dorchaos nmgearbeitete und wesentlich vermehrte Auflage. 
Mit 194 Abbiidongen im Text und cahlrdchen Tabellen. Hambarg and Leipzig 
1907. Verlag vonLeop. Voß. Gr. 8°; 1092 S. Preis: geh. 20 M., geb. ^ IL 
Dieses Werk, das schon bei seinen früheren Anflagen überadl, nach an 
dieser Stelle, angeteilte Anerkennung gefunden hat, nat durch die Neu* 
auflage eine weitere wesentliche Verbesserung erfahren. Aus den vielen neuen 
Verüffentllchnngen auf diesem Gebiete ist das praktisch Verwendbare und Be¬ 
deutungsvolle sorgfältig herausgesudit und hinzugefttgt; was VerL. bringt, ist 
praktisch erprobt. Das Buch cfffflllt seinen Zweck vollständig; für den prak¬ 
tischen Gdurauch geschrieben, ist es für jeden, der speziell als Nahrungsmittel- 
ehemiker tätig ist resp. später tätig sein will, ein unentbehrliches Lehrbuch 

S eworden, das bei seiner erschöpfenden und leichtverständlichen Abhandlung 
es ganzen Stoffes wohl das beste derartige Werk genannt werden kann 
Auch für den ärztlichen Sachverständigen ist es ein recht gutes Nachschlage¬ 
werk. _ Bpd. 


Fro£ Dr. Lewta-Berlin. Dl« QvuadUtgea für dl« Biedlslalnohe aad 
roohtUoh« Beart^aag de« Zastnadekoauaean aad de« Tevlaafls 
Toa Yerglftaa^ aad lafefctlOBskraakbelteB lai Betrieb«. Karl 
Heymanns Verlag, Berlin. 

Die in der kleinen Schrift in äußerst verständlicher, leicht faßlicher 
Form enthaltenen Ausführungen sollen dem Bichter das nötige belehrende 
Material bieten, um seine Kenntnisse zu bereichern und in zivilrechtlicher wie 
unfallrechtlieber Verhandlung die erforderlichen Fragen so zweckentsprechend 
wie möglich stellen und leichter den Gedankengbigen des Sadiverständigen 
folgen zu können. Soweit würde Bef. der Ansicht des Verfassers unbedingt zu¬ 
stimmen. Wenn aber in dem Beiwort gesagt wird, daß der Bichter dureh 
diese Schrift in manchen Fällen befähigt werden kOnne, die wesentlichen Ge- 
sicbtspankte, soweit sie sich auf normale, oder durch Gifte krankhaft gewordene 
Lebensvorgänm beziehen, allein zu beurteilen, so kann ich udch diesen 
letzteren Ausführungen nicht anschließen, da nicht Laien, sondern nur Sach¬ 
verständige derartige Vorkommnisse zu beurteilen haben. 

Dr.B.Thomalla-Waldenburg (Schlesien). 


Dr. Wilhelm Bieraberg- Berlin: Koohkuaet nad Heilkaant. Die 
Phynlologle der Koohkoant. Verlag von Wilh. Weicher, Leipzig 1906. 

In leicht verständlicher, interessanter, fesselnder Form versteht es Ver¬ 
fasser obiges Thema zu behandeln. Er spricht zunächst über Gesdimadc und 
Sehmackhaftigkeit, über Appetit und Appetitlichkeit. Darauf kommt er zn 
der künstlichen und künstferisehen Ernährung, um endlich, nachdem er über 
Sinnesgoiaß und Kunstgenuß gesprochen, sich über die Kochkunst gegenüber 
der Bezeptierkunst und Heilkunst zu äußern. 

Dieses Werk ist um so mehr den Aerzten als Lektüre anzuempfehlen, 
als man unstreitig dem Verfasser darin zustimmen kann, daß der immer mdir 
um sieh greifende ünfug mit den künstlichen Nährmitteln und die stetig zu¬ 
nehmende Vernachlässigung der Kochkunst in der Heilkunst zur Stellungnahme 
drängen, um der diäte^chen Kochkunst eine ihr durchaus zukommende würdig« 
Stdlung in der Heilkunst und in der medizinischen Wissenschaft zu sichern. 

Dr. B. Tho mall a • Widdenburg (SchL). 


Tagesnachrichten. 

Der Bundesrat hat in seiner Sitzunu vom 6. d. Mts. der Vorlage, 
.betreffend Aenderung der Vorschriften über die Abgabe stek WlrkenMr 
Amelnttttel in den Apotheken, seine Zustinunung erteUt. 



Tagesnmchrichten. 


148 


Naeh «iner BeluuiBtaaehiutg des PrenßbcheD Knltonaiiiisteriiuiis haben 
die kratolnttiche Prlfuf in den Jahren 1902 bia 1907 (einachlieflUch) be- 
itaaden mit 


1902: 

sehr gut 

6 

gut 

80 

genügend 

zusammen 

46 

1906: 

1 

86 

20 

67 

1904: 

1 

46 

28 

70 

1906: 

4 

80 

19 

63 

1906: 

4 

42 

11 

67 

1907: 

2 

40 

14 

66 


Zoaanuaen: 17 221 98 889 

DarehsehnittUehjihrUeh: 2,8 87,8 16,8 56,6 


Unter anßerordentlieh großer Beteilignng hat am 11. d. Mts. der tob der 
Aeratesehaft Orofl-Berlln veranstaltete Kemmers in Ehren Beberta 
Keeh im Krollsehen Saale stattgefonden! Neben Vertretern des Koltos- 
miaisterinms, der städUschen Behörden, der Berliner Universität nsw. hatten 
deh mehr als 1000 Aerzte versammelt, tun den großen Forscher in feiern. 
Der Kommers wurde von Geh. San.-Bat Dr. Stoeter mit einem Toast anl 
Se. Maj. des Kaisers eröffnet; die eigentliche Festrede hielt San.*Bat Dr. Moll, 
außerdem wurde Koch noch von Dr. Kntner, der Ihm die erste Bobert 
Keeh-Medaille ttberreiohte, Dr. Lennhoff and Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Wal- 
deyer gefdert. Mit kursen eindracksvollen Worten sprach der Gefeierte 
seinen Dank ans. Er habe die Empfindang, daß das Fest weniger der Person 
gelte, ab der Genagtaong, daß ein neuer Baustein der Wissenschaft an- 
gegliedert werden konnte. Erst nachdem es ihm gelang sei, die Krankhdts- 
wreger su entdecken, sei es mOglich geworden, die &ankheit selbst amu- 
«dien. Db Diagnose bilde den Schlfissel lur modernen Seachenbekämpfung. 
Daß es ihm wieder gelungen sei, das allgemeine Prinzip der Seachenbekämpfung 
auch auf die neuen Krankheiten, die Schlafkrankheit, zu übertragen, eröffne 
für ferne Zukunft die Ausdcht, aueh die Tuberkulose und die Syphilb erfolg* 
Nieh bekämpfen zu können. Und daß er selbst den Grundsteb dazu geie^ 
erffiUe ihn mit freudigem Stob. Nichts aber kOnne ohne die gemeinsame 
Arbdt aller praktbcben Aerzte errdcht werden, aus deren Beihen er her- 
vorgegangen sd, deshalb gdte seb Hoch dem praktischen Arzt 


Zur Bebert Koeb* Stiftung hat der VoiBtand des Deutschen Zentral- 
Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose vorbehaltlich der Zustimmung des 
Ausschusses eben Betrag von 60000 Mark bewilligt und dabei den Wunsch 
ausgesprochen, durch eb Mitglied des Vorstandes b dem späteren Kuratorium 
der StutUBg vertreten zu sein, um auf diese Webe ebe ständige Verbbdung 
su schaffen zwischen den praktischen Strebungen des Zentralkomitees und den 
verwiegend wbsensohaffentlichen Tendenzen der Bobert Koch-Stiftung. Mit 
Ebreihung dieser Summe hat das Stiftungskapital die Summe von rund 
800000 Ibrk erreieht. 


Der Sf.KMgresa der Deutsebeu Cbsellzehaft für Uhlmrgle flndet 
am 2L — 24 April d. J. b Berlb im Langenbeckhause statt Im Anschluß 
daran wird am 26. April die Gesellsehaft fffr erthopldbche Chinurgtey und 
am 26. April db Beutgeugeselbchaft eben daselbst tagen. 


Der vom 21. November bb 12. Oktober 1908 b Washington, D. C., 
Ver. St von N. A. stattflndende btematleBale Tuberkulose-Kongress wird 
nadi der ersten vorläufl^n Bekanntmachung sieben Abteilungen haben: 

L Pathologie und Bakteriologie. — II. Klbbche Forschungen und Tuber¬ 
kulose-Therapie — Sanatorien SpitUer und Armen - Poliklbiken. — III. Chirurgie 
und Orthopädie. — IV. Tuberkulose bei Kbdem. — Aetiologie Verhütung und 
Behandlung. — V. Erschebunu der Tuberkulose vom hygienbchen, gesell- 
adtaftlichen, gewerbstätigen und wirbchaftlichen Stan^unkte aus. — VL Ober- 
aufsieht der Staaten und MunizipalbehOrden über die ^berkulose. — VIL Die 
Tuberkulose bei Tieren und deren Beziehungen zum Menschen. 




144 


SpreohsaaL 


Die erste and letzte Woche sind fhr Besichtigongsreisen bestimmt; in 
der Woche Tom 28. September bis 80. Oktober werden die Abteilnngssitzongen 
und zwei General •Versammlangen abgebalten. 

Der Kongreß ist mit einer Aasstellang verbanden. Als Aoszeichnongs* 
bezeagangen werden Denkmünzen, Diplome oder Geldprämien verliehen. Ehie 
Prämie von 1000 Dollars ist für denjenigen Freiwilligenverein ansgesetzt, der 
die besten Beweise von wirksamen Leistungen seit dem International-Eongreß 
von 1905 mit Besag auf Linderung oder Verhütung der Tuberkulose za 
liefern vermag; eine gleich hohe Prämie für das beste zar Schau ansgestellte 
Modell einer möblierten Wohnung für die Armen, die den Kampf gegen die 
Tuberkulose erleichtert. 

Die im offiziellen Programm angemeldeten Vorträge werden schon im 
voraus gedruckt und am Tage, an dem sie gehalten werden, verteilt. Sie er¬ 
scheinen in deutscher, französischer, spanischer und englischer Sprache. 

Ordentliche Mitglieder haben einen Betrag von 6 Dollar, außerordent¬ 
liche einen solchen von 2Vt Dollar zu zahlen. 

Schriftführer ist Dr. Henry Barton Jakobs, Schatzmeister Gen. George 
M. Sternberg. Die Vertretungen für Deutschland hat das deutsche Zenträ- 
komitee zur BeKämpfung der Tuberkulose übernommen, dessen Generalsekretär, 
Oberstabsarzt Prot Dr. Mi et ner-Berlin, Eicbhomstraße 9, jede auf den Kon¬ 
greß bezügliche Auskunft erteilt._ 

Brkrankaagea oad TodesflUe ob ansteckendea Krankheiten ln 
PreoBsea. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- and medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 26. Dezember 1907 bis 1. Februar 
1908 erkrankt (gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleck¬ 
fieber, Bückfallfieber, Pest, Botz and Tollwat: — (—); Pocken: 
— (1), 6 (1), 7 (8), 4 (1), 8 (1), 8 (—); Bißverletzugen darch tollwat¬ 
verdächtige Tiere: 8 (—), — (—), 4 (1), 2 (—) 16 (-), 8 (—); Milz¬ 
brand: 2 (1), 1 (1), 4 (-), 6 (1), 2 (1), 1 (-); Ruhr: 1 (-), 1 (-), 2 (-), 
2 (-), 7 (2), 1 (1); Unterleibstyphus: 124 (11), 119 (18), 242 (81), 221 
(22), 200 (26), 191 (14); Diphtherie: 923 (58), 822 (61), 1590 (139), 1640 (147), 
1629 (104), 1705 (117); Scharlach: 873 (44), 828 (53), 1817 (82), 1689 (94), 
1702 (67), 1616 (66) ;Genickstarre:7 (8), 9 (8), 16 (4), 22 (5), 16 (10), 87 (16); 
Kindbettfieber: 66(19), 66(7), 126(33), 139(36), 123(24), 136(24);Fleisch- 
and Wurstvergiftung: — (—), — (-), 6 (—), — (—), — (—), — (—); 
KOrnerkrankheit (erkrankt): 20, 67, 69, 109, 169, 202; Tuberkulose 
(gestorben): 294, 236, 698, 641, 656, 569. 


SprneliMutL 

Anfknge des Dr. B. In 8.S Ist der Kreisarzt verpflichtet, 
einer angeblich vom Amtsanwalt ausgehenden Auffordernng, 
„sofort zum Schöffengericht zn kommen", Folge zu leisten, wenn 
ihm diese durch einen unbekannten, jungen Mann mündlich über¬ 
bracht wird oder kann er eine schriftliche formelle Vorladung 
verlangen? Welche Bestimmungen gelten in solchem Falle? 

Antwort: Nadi § 143 der Strafprozeßordnung ist der Amtsanwalt 
Vertreter der Staatsanwaltschaft vor dem Schöffengerichte und demzufolge nach 
§218 Str. P. 0. berechtigt, Zeugen und Sachverständige vorzuladen. Für diese 
Vorladungen finden die §§ 48, 60 u. 72 Anwendung; sie müssen danach „unter 
Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens geschehen" und „ord¬ 
nungsmäßig" erfolg sein, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger w^en 
unbegründeten Ausbleibens bestraft werden kann (§ 50). Es ist jedoch keines¬ 
wegs nötig, daß die Vorladung stets mit einer schriitlicnen Zustellung erfolgt, 
wenn diese auch die Hegel bUdet Jedenfalls ist eine mündliche oder telepho¬ 
nische Vorladung zulässig; sie muß aber ordnungsmäßig, d. b. unter Hinweis auf 
die gesesetzlichcn Folgen wegen Ausbleibens erfolgen; desgleichen muß sich der 
damit vom Amtsanwalt Beanitragte als solcher dem vorznladenden Zeugen oder 
Sachverständigen gegenüber legitimieren, falls er diesem nicht bekannt ist. Eine 
schriftliche Vorladung kann dagegen nicht in jedem Falle verlangt werden. 


Verantwortl. Bedaktenr^ Dr. Kap man d, Heg.- n. Geh. Med.-Hat in Mmden i W. 
J. O O. Broaa, HenogL Sieba o. T. Seh.-L. HofbDCbdmckani (r Mlndaa. 




2L Jahrg. 


1908. 


Zeitschrift 

fttr 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZeatnAlatt für das gssants Besuadkiitsiiiesea, 

für gerichtliche Medizin, Peychiatrie und Irrenweeen. 

Herausgegeben 

Ton 

Dr. OTTO RAPMDND, 

Beg:laniiige- and Qeh« Medirinnlral In Minden. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WOrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fischers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld, 

HaanogL Bam> Bat- u. BnbanogL ittiniiiar-BBffliliamnar. 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Tnewrele nelunen dl# Terlofebendlanf sowie eUe iJinoneen-Bzpedltlonen dee In« 

and 4aBlandes entgegen. 


Nr. 5. 


BncM nt am 5 . nnd SO. Jeden Monats. 


5. März. 


Die Dienstalters-, Pensionierungs- und Sterblichkeitsver¬ 
hältnisse der preussischen Medizinaibeamten, insbesondere 

der Kreisärzte. 

Vom Heraiugeber. 

Die gegen Ende des Jahres 1905 snf Anregnng des Vorstandes 
des Preußischen Medizinalbeamtenvereins veranlaßte Umfrage bei 
sämtlichen nicht vollbesoldeten Kreisärzten, die sich hauptsächlich 
ani die Feststellung ihrer amtlichen Tätigkeit, des Umfangs ihrer 
ärztlichen Privatprazis nnd der Höhe der pensionsfähigen Gebühren 
erstreckte, enthielt auch eine Frage über die Höhe der pen¬ 
sionsfähigen Dienstjahre beim Eintritt in das 65. Lebensjahr, 
bei dem im allgemeinen angenommen wird, daß ein Beamter 
40 Jahre im Dienst gewesen ist and demnach die höchste Pension 
i*^Uo seines Gehaltes) beansprachen kann. Das Ergebnis der da¬ 
maligen Umfrage war, daß der preußische Kreisarzt mit 65 Jahren 
dnrchschnittlich nur 80 Dienstjahre zorttckgelegt hat, also bis 
znm 75. Lebensjahre im Dienste Meiben maß, wenn er die höchste 
Pension erreichen will. Da jener Umfrage aber der Vorwurf ge¬ 
macht werden konnte, daß sie sich nur auf die nicht vollbesoldeten 
Kreisärzte erstreckt habe und auch nnr von 75 o/o derselben be¬ 
antwortet sei, ist sie durch Bflckfragen über Alter nnd Anstellang 
aller am 1. April 1901 im Amte befindlichen Kreisassistenzärzte, 
Kreisärzte nnd Regierangs- and Mediziaalräte sowie der seitdem bis 
znm 81. Dezember 1907 durch Tod, Pensionierung oder ans anderen 













146 Die Dienstalters*, Pensionierongs* and SterblicbkeitsTerhältnlsse 

Gründen ans ihrem Amte ausgeschiedenen Medizinalbeamten ent> 
sprechend ergänzt. Der 1. April 1901 ist als Anfangspunkt für 
diese statistische Zusammenstellung gewählt, einmal, weil an 
diesem Tage das Ereisarztgesetz in Kraft getieten ist und in¬ 
folgedessen die Stellung der Kreisärzte eine vollständige Umgestal¬ 
tung erfahren hat; anderseits aber auch, weil es nur möglich 
war, über die zu dieser Zeit vorhandenen und seitdem neu ange- 
stellten Medizinalbeamten absolut zuverlässige nnd für die Sta¬ 
tistik verwertbare Unterlagen zu erhalten. Bei der Beschaffung, 
Sichtung nnd Bearbeitung dieser Unterlagen hat mich der Kreis¬ 
arzt Dr. Hillenberg in Springe in der liebenswürdigsten Weise 
unterstützt; er hat hauptsächlich die statistischen Zusammenstel¬ 
lungen besorgt, zu deren Ausarbeitung mir selbst die erforderliche 
Zeit fehlte. Ich möchte deshalb nicht unterlassen, ihm hierfür 
an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. 

Das aus dem beschafften Material festgestellte Ergebnis gibt 
nicht nur einen genauen Aufschluß über den Eintritt der Medi¬ 
zinalbeamten in ihr Amt, sowie über das Ausscheiden aus dipsem 
durch Tod, Pensionierung oder aus anderen Gründen, sondern 
bildet auch eine einwandsfreie Grundlage füi* die Beurteilung 
einer Reihe von sonstigen diese Beamten betreffenden Fragen und 
gestattet außerdem einen Vergleich mit anderen gleichgestellten 
Beamtenklassen, für die ähnliche statistische Zusammenstellungen 
vorliegen. 

Am 1. April 1901 standen im Dienst: 

Begierongs- und Hedizioaliäte . 87 

Kreisärzte und Gerichtsärzte . . 508 
KreisassiBtenzärzte .... . . 22 *) 

zusammen 567 

Hiervon sind sind bis zum 81. Dezember 1907 ohne Pension 
ausgeschieden und demzufolge außer Betracht gelassen: 7 fl 
Reg.- u. Medizinal-Rat, 8 Kreisärzte, 1 Gerichtsarzt und 2 Kreis¬ 
assistenzärzte). Es bleiben somit übrig: 

Begierungs- und Uedizinalräte. . 86 

Kreisärzte nnd Gericbtsärzte . . 504 
Kreisassistenzärzte .... . . 20 

smsammen 560 

Von diesen Medizinalbeamten standen am 1. April 1901 im 
Lebensalter 


Aber 86—80 Jahre: 

!•) 


0,18*/, 

n 

80—85 

ff 

23 

SS 

4,11 , 

n 

85-40 

f§ 

82 


14,64 „ 

n 

40—45 

ff 

104 


18 57 , 

ff 

45-50 

ff 

98 


17,49 , 

ff 

50-56 

ff 

114 

= 

20,86 , 

ff 

66-60 

fl 

61 


10,89 , 

ff 

60-66 

ff 

48 

= 

7,68 , 

fl 

65—70 

H 

88 

s= 

6,90 , 

n 

70 

91 

1') 

=r 

0,18 , 


zusammen 560 (lOO**/«) 


*) Die Kreisassistenzarztstellen waren am 1. April 1901'noch nicht alle besetzt. 
*) 28 Jahre alt. *) 74 Jahre alt. 






der preafiiaehen Medlzinalbeamten, inabesoBdere der Kreis&nte. 147 


Ihr darchschnittliches Lebensalter stellt sich hier¬ 
nach anf 49,26 Jahre; ohne die Kreisassistenzärzte anf 50 Jahre. 

Ihre erste Anstellung als Medizinalbeamter (Ereiswnnd- 
arzt, Kreisassistenzarzt, Kreisphysikus oder Kreisai'zt) ist erfolgt 
im Lebensalter 

unter 25 Jahren bei 1 = 0,18 % 


aber 25—80 Jahre 

, 74 

= 18,22 , 

, 80-86 


» 286 

= 41,97 , 

, 86-40 

n 

. 141 

= 26,18 . 

, 40-45 

n 

, 76 

= 13,57 - 

, 46-60 


» 24 

= 4,28 , 

„ 60-66 

»_ 

. 9 

= 1,60. 

zosammen 660 

(100%) 


Es ergibt sich daraus ein durchschnittliches An- 
stellungsalter von 34,94 Jahren, das sich aber fhr die An¬ 
stellung als Kreisarzt oder Gerichtsarzt auf 38,25 Jahre, 
also wesentlich erhöht; denn von den am 1. April 1901 vorhandenen 
540 Begiemngs- und Medizinalräten, Kreisärzten und Gerichts¬ 
ärzten sind zum Kreisarzt oder Gerichtsarzt ernannt im Alter 

aber 25—80 Jahie 26 ss 4,81 o/o 
. 80—85 , 165 = 80.55 „ 

- 86-40 - 146 = 27,04 , 

, 40-46 , 116 = 21,80 , 

, 46-60 . 47 = 8,71 , 

, 60-65 , 28 = 6,18 , 

, 66-60 , 6 = 1,11 , 

» , 7 = 1,80 , 

zosammen 540 (100 o/o) 

Selbst wenn man bei den vorstehenden Berechnungen die¬ 
jenigen Medizinalbeamten, die vor ihrer Anstellung in anderer 
Stellung, insbesondere im aktiven Militärdienst gewesen und demzu¬ 
folge in höherem Lebensalter in die Medizinalbeamten-Laufbahn 
eingetreten sind, nicht berücksichtigt, so ändern sich die obenge¬ 
nannten Durchschnittsziffern nur ganz wenig und betragen für 
die am 1. April 1901 im Dienst befindlichen Medizinalbeamten 
bei der ersten Anstellung: 34,89, bei derjenigen als Kreisarzt: 
38,18. 

Die statistischen Zusammenstellungen geben auch eine Unter¬ 
lage ffir die Berechnung des durchschnittlichen Dienst¬ 
alters der Medizinalbeamten. Es stellt sich anf nur 14,32 Jahre 
seit der ersten Anstellung und auf nur 11,75 Jahre seit der An¬ 
stellung als Kreisarzt, also bei Erreichung des 65. Lebensjahres 
auf durchschnittlich 30,6 bezw. 26,75 Jahre, demnach fast genau 
entsprechend dem Ergebnis der Umfrage im Jahre 1906. 

Von den am 1. April 1901 im Amte befindlichen 87 Begie- 
rnngs- und Medizinalräten*) sind in diese Stellung be¬ 
fördert im Lebensalter: 

1) Im Alter von 24 Jahren. 

Der später ohne Pension ansgeschiedene Begieinngs* and Medizinal¬ 
rat ist hier mitgezihlt. 



148 Die Dienstalters*, PenBionieranga- and SterbliohkeitsTerhUtniaae 


anter 86 Jahren 1‘) = 


Aber 86—40 Jahre 4 = 10,8 , 

n 

40-46 

, 18 =48,6, 

n 

46—60 

, 7 = 19,0 , 

II 

60-66 

, 6 = 16,8 , 

11 

66-60 

» !•) = 2,7 , 

zosammen 87 (100*/«) 


Das durchschnittliche Lebensalter der Regierangs* and 
Medizinalräte bei der B ef Order an g beträgt demnach 44,7 Jahre, 
während sich ihr Dienstalter bis za diesem Zeitpunkte aaf 
dnrchschnittlich 13,7 Jahre stellt; denn es sind befördert nach 

weniger ala 5 Dienatjahren 6 = 18,6 *’/o 
mehr ala 5—10 „ 6 = 16,8 , 

, , 10-16 , 14 = 87,8, 

, , 16-20 , 8 = 21,6 , 

. , 20-26 , 4 = 10,8 , 

87 (100 ®/,) 

Die Regierangs* and Medizinalräte sind also etwas früher (mit 
dorchschnittUch 31 statt 33,94 Jahren) in die Medizinalbeamten* 
Laoibahn eingetreten. 

Wie haben sich nan diese Verhältnisse im Laufe 
der nächsten Jahre bis zur Jetztzeit gestaltet? 

Streng genommen hätte za diesem Zwecke für jedes ein¬ 
zelne Jahr eine ähnliche Zasammenstellang gemacht werden 
müssen, wie vorher für die am 1. April 1901 vorhandenen Medi¬ 
zinalbeamten; es dürfte aber genügen, wenn die entsprechenden 
Verhältnisziffern für die seitdem nea angestellten and für alle 
am 31. Dezember 1907 im Dienste befindlichen Medizinalbeamten 
festgestellt werden. 

Im ganzen sind seit dem 1. April 1901 206 Medizinal¬ 
beamte nea angestellt; ihr Lebensalter betrag 

a) bei ihrer ersten Anstellung überhaupt: 

25- 80 Jahre bei: 18 = 6,31*/« 

80—36 , , : 64 = 31,07 , 

86-40 , , : 78 = 86 44 , 

40-45 , 43 = 20,87, 

46-60 , , : 13 = 6,31 „ 

zaaammeo 206 (lüO*/,) 

b) bei ihrer Ernennung zam Kreisarzt (153): 

26- 80 Jahre bei: 4= 2 6t*/, 

30-36 , , : 28 = 18,80 , 

35-40 , , : 62 = 40,63 , 

40-46 , , : 39 = 26,49 , 

46-60 , , ; 17 = 11,11 , 

60-66 , , : 1 = 0,66 , 

66-60 , , ; 2 = 1,31 , 

zosammen 168 (100 “/«) 

Ihr durchschnittliches Anstellangsalter stellt 
sich also beim Diensteintritt aaf 37,37 Jahre und 
bei der Ernennung zam Kreisarzt auf 38,65 Jahre. Bleiben 
bei dieser Berechnung des Lebensalters bei der ersten Anstellung 

Im Alter yon 34*/a Jahren. *) Im Aller von &7'/i Jahren. 



der preaßisehen Medizinalbeamten, iosbeeondere der EreisSrzte. 149 


die gleich als Kreisärzte angestellten Medizinalbeamten anßer 
Betracht, so stellt sich das durchschnittliche Anstellnngsalter der 
nach dem 1. April 1901 angestellten Kreisassistenzärzte 
p34) allein auf 35,2 Jahre. Werden ebenso wie vorher die¬ 
jenigen Medizinalbeamten außer Betracht gelassen, die früher in 
anderer Stellung (Militärärzte nsw.) gewesen sind, so erniedrigen 
sich jene Dnrchschnittszififern anf 36,42 bezw. 38,51, also eben¬ 
falls nur sehr wenig. Vergleicht man die betreffenden Dnrch- 
schnittsziffem mit denjenigen, die vorher bei den am 1. April 1901 
im Amte befindlichen Medizinalbeamten festgestellt sind, so zeigt 
sich ein etwas höheres Anstellnngsalter, insbesondere bei der 
ersten Anstellang (37,37 statt 34,94 Jahre), während der Unter¬ 
schied bei der Anstellung als Kreisarzt ein geringfügiger ist 
(38,65 statt 38,25 Jahre). Die Ursache hierfür ist jedenfalls 
darin zu suchen, daß jetzt die Zahl der Kreisassistenzärzte 
eine viel geringere ist als diejenige der früheren Kreiswund¬ 
ärzte und sich demzufolge die Gelegenheit zur ersten An¬ 
stellung entsprechend vermindert hat. Außerdem haben seit dem 
1. April 1901 noch manche damals zur Verfägung gestellte ältere 
Kreiswundärzte Wiederanstellang namentlich als Kreisärzte ge¬ 
funden, so daß auch dadurch eine Erhöhung des durchschnittlichen 
ersten Anstellungsalters herbeigeführt ist. Immerhin wird nach 
Lage der Sache kaum zu erwarten sein, daß sich dieses in den 
nächsten Jahren niedriger als früher stellen wird; ist es doch 
für die seit dem 1. April 1901 ernannten Kreisassistenzärzte allein 
berechnet höher als damals (35,2 statt 34,94 Jahre) und bei den 
zur Zeit im Amte befindlichen Kreisassistenzärzten auch etwas 
höher (35,57 Jahre). 

Am 31. Dezember 1907 waren nun in Dienst: 

Begiemiigs- und Medizinalräte: 88 

Kreis- and Gerichtsärzte: 529*) 

Kreisassistenz ärztej_ 49 

zusammen 616 


Ihr Lebensalter betrag an diesem Zeitpunkte: 


über 25—80 Jahre: 


, 20-85 
, 85-40 
, 40-45 
, 45—50 
, 50-55 
, 55—60 
, 60-65 
, 65-70 
, 70-75 


19 




38 = 6,17 „ 
60 = 9,74 , 
125 = 20,29 , 
106 = 17,21 „ 
110 = 17,86 , 
88 = 14,28 , 
59 = 9,68 , 
15 = 2,43 , 
12 - 1,95 , 


zusammen 616 (lOO ’/o) 


Das durchschnittliche Lebensalter der Medizinalbeamten 


beträgt danach 49,32 Jahre, ohne die Kreisassistenzärzte 50 Jahre. 


>) Bei den Kreis- und Gerichtsärzten sind auch die Stadtärzte mit kreis¬ 
ärztlichen Funktionen, sowie die Gerichtsärzte, die gleichzeitig Professoren der 
gerichtlichen Medizin sind, mitgezählt. 7 Kreisarztstellen waren am 81. De¬ 
zember 1907 erledigt. 



160 Die Dienetolten-, PensioiiieriuigS' und SterbliebkeitsTerhiltnleee 


Ihre erste Anstellung als Medizinalbeamter (Sxeiswnnd* 
arzt, Ereisassistenzarzt, Ereisphysikns oder Kreisarzt) ist erfolgt 
im Lebensalter: 


unter ^ (24*/^ Jahren bei 1 = 0,16 ®/, 
über 


25-80 Jahren bei 79 = 12,82 

80-35 

9 

, 246 = 39,94 

85-40 

9 

- 180 = 29,22 

40-45 

9 

, 76 = 12,18 

46-60 

II 

, 28 = 4,65 

60—66 

9 

, 6 = 0.97 

55 (56) 

fl 

, 1 = 0,16 


zusammen 616 (100 ®/,) 


Es ergibt sich darans ein durchschnittliches Anstel- 
Inngsalter von 85,3 Jahren, das sich fttr die im Amte befind¬ 
lichen Ereisassistenzärzte anf 85,57 Jahre ,fQr die Anstellnng als 
Kreis- nnd Gerichtsarzt anf 37,85 Jahre erhöht Von den Ereis- 
assistenzärzten befanden sich nämlich bei ihrer Anstellnng 
im Alter Ton 


mehr nie 26—80 Jahren 6 = 10,2 
80-86 . 22 = 44,9 

18 = 26,6 
6 = 10,2 
4 = 8,1 


, , 86-40 , 

, - 40-46 . 

. . 45-50 . 


“/• 

W 

w 

n 

fl 


zosanunen 49 (100 ®/o) 


Die Ernennung znm Kreisarzt oder Gerichtsarzt war 
dagegen bei den übrigen 567 Medizinalbeamten erfolgt im Alter von 
mehr als 25—80 Jahren 82 = 6,64 */, 


80—86 

9 

178 = 8061 

86-40 

9 

189 = 88,83 

40—45 

9 

108 = 18,17 

46—60 

9 

46 = 7,94 

60-66 

9 

17 = 8,00 

66—60 

9 

8 = 1,41 


zosanunen 567 (l(X)®/o) 


Die hier gefundenen Dnrchschnittsziffem (85,3 nnd 87,85) 
decken sich demnach fast genau mit den för die am 1. April 1901 
vorhandenen (84,94 nnd 88,25) nnd die später neu angestellten 
Medizinalbeamten (85,2 nnd 88,68), wenn man bei den letzteren 
nnr das Anstellungsalter der KreisassisteDzärzte allein zum Ver¬ 
gleich heranzieht. Ebenso ist das durchschnittliche Beför- 
dernngsalter der Regiernngs- nnd Medizinalräte bei 
den am 81. Dezember 1907 im Amte stehenden genan so hoch wie 
bei der Berechnung für den 1. April 1901: 44,8 gegen 44,7. Die 
Beförderung ist nämlich erfolgt im Lebensalter von 


weniger als 85 Jahren bei 1 
mehr als 86— 40 » • 5 

17 


II 

fl 

fl 

m 


- -40 , 

, 40-45 
, 45-50 
, 50-55 
, 55-60 


» 

n 

D 

fl 


8 

5 

Q 


2.63 ®/o 

13.15 
44,75 
21.06 

18.15 
5,26 


(100 ®/o) 


Auch das durchschnittliche Dienstalter bei der 
Beförderung ist fast das gleiche geblieben (13,2 gegen 18,7 Jahre)! 




der prenflischeB HediziBalbeamtea, InebesoBdere der Ereieinte. 161 


Denn es sind von den am 81. Dezember 1907 yorhandenen Be- 
giernngs- und Medizinalrftten befördert nach 

weniger als 6 DieastJahren 4 = 10,62 */o 
melir als 6—10 , 8 == 21,06 , 

, , 10-16 , 13 = 34,20 , 

, , 15-20 , 9 = 2;V0 , 

, , 20-26 , 4 == 10,62 , 

zasammen 38 (100 ”jo) 

D^gleichen stellt sich das Alter der Begiemngs- nnd Me¬ 
dizinalräte beim ersten Dienstantritt wiedemm niedriger als bei 
den übrigen Medizinalbeamten (31,5 statt 85,3). 

An! Grand der vorstehenden statistischen Berechnungen 
ergiebt sich weiterhin ein darchschnittliches Dienstalter 
für die am 81. Dezember 1907 im Dienst befindlichen Medizinal¬ 
beamten von 14,16 Jahren seit der ersten Anstellang and von 
12,15 Jahren seit der Anstellang als Kreisarzt, das sich danach 
bei Erreichung des 65. Lebensjahres nur anf 29,96 bezw. 27,15 
erhöhen würde. 

Was non den Eintritt der Dienstnnfähigkeit nnd die 
Sterblichkeitsverhältnisse der Medizinalbeamten anbe¬ 
trifft, so sind diese verhältnismäßig ungünstig. Obwohl beim In¬ 
krafttreten des Kreisarztgesetzes die Mehrzahl der über 60 Jahre 
alten Medizinalbeamten zar Verfügung gestellt und dadurch 
gleichsam eine Verjüngung dieses Beamtenstandes bewirkt worden 
ist (nur 13,76'^/o der Gesamtzahl hatte damals das 60. Lebensjahr 
überschritten), sind von den damals (am 1. April 1901) im Dienst 
befindlichen Medizinalbeamten bis zum 81. Dezember 1907, also 
während eines Zeitraumes von 6*/4 Jahren, 

geztorbea: 78 = 13,93 ^’/o, 

peasio aiert; 67 = 10,18 ,, 

zaBaaunea: 135 = 24,11 */o. 

Innerhalb genau 7 Jahre scheidet danach ein Viertel 
sämtlicher Medizinalbeamten aus dem Dienste durch Tod oder 
Invalidität, so daß sich hieraus ein duichsctmittliches Dienst- 
alter von 28 Jahren ergiebt; in Wirklichkeit ist dieses aber, 
wenigstens bei den Ausgeschiedenen, noch um mehrere Jahre nie¬ 
driger. 

Von den 135 Medizinalbeamten standen bei ihrem Aus¬ 
scheiden 


durch durch 


im Alter Ober 

Peasionieruag: 

Tod: 


Oberhaupt; 

35-40 Jahre; 

‘) 

— 

8 = 8,84 V, 

8 

= 2,22»/, 

40-45 

n 


1 = 1J6V, 

6 = 6,41 , 

6 

= 4,44 , 

45-50 

9 


4 = 7,00 . 

9 = 11,64 , 

18 

= 9,68 , 

50-55 

9 


6 = 10,60 , 

18 = 23,08 , 

24 

= 17,76 , 

65-60 

9 


6 = 8,76 , 

18 = 16,67 , 

18 

= 18.34 , 

60-65 

II 


9 = 16,80 * 

14 = 17,95 , 

28 

= 17,02 , 

65—70 

11 


25 » 48,95 , 

16 = 19,23 - 

40 

= 29,67 , 

70 

19 


7 = 12,26 , 

1 = 1.28 , 

8 

= 6,92. 


zusunmea 57 (100 */«) 

78 (100 V«) 

186 

(100»/,; 


Das durchschnittliche Lebensalter der Ausgeschie 


*) VondeaPensioBiertea war der jttngste 44, der filteste 75V* Jahre alt, 
TOB dea Verztorbeaea der jttagete 86, der älteste 78 Jahre alt. 




152 Die DieDstslters', PensionieraDge* nad StexblichkeitsTerliiltBiMe 

denen betr&g^ demnach 69,68 Jahre and zwar 56,9 Jahre bei 
den Verstorbenen and 63,2 Jahre bei den Pensionierten. 

Besonders ongflnstig stellen sich die Dienstalters- 
verhältnisse bei den aasgeschiedenen Medizinalbeamten; es 
hatten nämlich ein pensionsfähiges Dienstalter: 



die pensionierten: 

▼erstorbenen: 

zusammeii: 

bis 5 Jahrei) — 

4= 6,12% 

4 

= 2,96% 

aber 6—10 , 

— 

8 = 10,25 , 

8 

= 6,92 , 

- 10-15 , 

6 = 8,76% 

8 = 10,25 , 

13 

= 9,63 , 

» 16-20 , 

9 = 16,80 , 

14 = 17,96 , 

23 

= 17.02 „ 

, 20-26 , 

13 = 22,85 , 

19 = 24,40 , 

32 

= 23,74 „ 

, 26-80 , 

14 = 24,60 , 

16 == 20.60 , 

80 

= 22,23 . 

, 80—35 , 

8 = 1400 „ 

8 = 10,25 „ 

16 

= 11-84 „ 

, 86-40 , 

7 = 12,25 , 

1 = 1,28 „ 

8 

= 6,92 , 

» 40-46 . 

1 = 1.76 . 


1 

= 0,74 , 


xasunmen: 57 (100 »/o) 78 (100 */o) 135 (100%) 

Ihr darchschnittliches Dienstalter beträgt somit 
nnr 22)8 Jahre, and zwar bei den Pensionierten: 25,7, 
bei den Verstorbenen: 20,7 Jahre. 

Ans den vorstehend mitgeteilten statistischen Znsammen- 
stellangen ergeben sich nnn folgende Schloß folgerangen, die 
als ÜQterlage za einem Vergleich mit anderen akademisch ge* 
bildeten Beamtenklassen dienen kdnnen. In Betracht kommen hier* 
bei haaptsächlich die Richter and Oberlehrer, da nor fftr diese 
ähnliche Berechnnngen vorliegen. 

Die ersteAnstellnng des Medizinalbeamten, von der das 
pensionsiähige Dienstalter beginnt, erfolgt im Alter von 
rond 86 Jahren; er mnß also bis znm 76. Lebensjahre im Dienste 
bleiben, wenn er die höchste Pension erhalten will. Bei den 
während der Zeit vom 1. April 1901 bis 31. Dezember 1907 ans 
dem Amte durch Tod oder Pensionierung ausgeschiedenen Medizinal* 
beamten hat sich dieses Verhältnis sogar noch etwas nngfinstiger 
gestellt, denn ihr pensionsfäbiges Dienstalter betrag beim Ans* 
scheiden im durchschnittlichen Alter von 59,58 nur 22,8 Jahre; sie 
hätten demznfolge erst nach 17,2 weiteren Jahren bei 76,78 
Jahren ein Dienstalter von 40 Jahren erreicht. Sowohl bei den 
Juristen, als bei den Gymnasiallehrern and anderen Beamten* 
kategorien liegen diese Verhältnisse dagegen wesentlich gttn* 
stiger, weil bei ihnen das pensionsfähige Dienstalter 
nicht erst vom Tage der ersten Anstellung, sondern vom Eintritt 
in den Vorbereitungsdienst nach Ablegang der ersten 
Staatsprüfung (Referendar*, Bauführer*, Oberlehrer* nsw. Examen) 
beginnt, also bis 11 Jahre früher; denn man kann wohl 
annehmen, daß jene Prüfung durchschnittlich 4 Jahre, bei den 
Oberlehrern’) 6 Jahre nach dem Bestehen des Abitorient^- 
ezamens abgelegt wird. Dabei ist die Ansbildangs* und 

1) Das geriogste Dienstalter betrag bei den Pensionierten 11, bei 
den Verstorbenen 2*/« Jahre, das höchste 45 bezw. 89 Jahre. 

*) Bei den Oberlehrern beginnt das pensionsfähige Dienstalter mit 
der Eintragung in die Kandidatenliste nach Beendigong des Yorbereitan^ 
dlenstes and der dann erfolgten Vereidigang; da aber bei der Berechnang der 
Pension die beiden Yorbereitangsjahre zagerechnet werden, so beginnt es in 



der preuBiseheii MedizinalbeuDteB, ioebesoadere der Kreisirate. 168 


VorbereitaDgszeit der Medizinalbeamten mindestens eine 
ebenso lange wie bei den anderen ähnlichen Beamtenkategorien. 
Im allgemeinen wird angenommen, daß bei den Juristen, Ge> 
werbeanfsichtsbeamten, Baabeamten, Gymnasiallehrern nsw. 8—0 
Jahre erforderlich sind, bis sie die Befähigung zu ihrem 
Amte erreicht haben. Mindestens die gleiche Zeit bedarf 
aber der Arzt bis zur Erlangung der Befähigung als 
Kreisarzt; denn 5 Jahre hat er nötig zu seinem Studium, Vs 
zur ärztlichen Prflfung, 1 Jahr zur Ableistung des praktischen Jahres, 
2 Jahre ärztliche Berufstätigkeit und Vorbereitung bis zur Zu¬ 
lassung zur kreisärztlichen Prüfung und etwa 1 Jahr bis zur Ab¬ 
legung dieser Prüfung, zusammen also 9Vs Jahr! Diese Ziffer 
bedeutet für ihn jedoch das Minimum, für alle anderen Beamten 
dagegen mehr oder weniger das Maximum. Daß außerdem sein 
Bildungsgang und die damit verbundenen Prüfungen (ärzt¬ 
liche Vor- und Hauptprüfung, Doktorpromotion, Ereisarztprfl- 
fang) und Anforderungen an Arbeitskraft und Geld dem Bildungs¬ 
gänge aller vorgenannten Beamten mindestens gleichwertig 
sind, wird wohl von keiner Seite bestritten werden. 

Mit der im günstigsten Falle nach 9Va Jahren erlangten 
Befähigung als Kreisarzt hat der Arzt nun keineswegs schon die 
sichere Aussicht aut eine baldige Anstellung; er muß vielmehr 
auch eine fünfjährige selbständige praktische Tätigkeit als Arzt 
nach der Approbation ausgeübt haben,so daß er frühestens 
11 Vs Jahre nach dem Beginn seines Studiums, also im Lebensalter 
von Sl'lf*) J&hiea anstellungsfähig ist, während alle anderen 
hier in Betracht kommenden Beamten diese Anstellungsfähigkeit 
bereits im Alter von 28—29 Jahren erreichen. In Wirklichkeit 
liegen aber die Verhältnisse für ihn noch ungünstiger, da er nach 
vorher mitgeteilten statistischen Zusammenstellungen erst nach 
15 Jahren, also im Lebensalter von 85 Jahren auf Anstellung 
redinen kann, und auch dann zunächst nur als Kreisassistenzarzt 
gegen eine jährliche Remuneration von 900—1200 Mark, während 
die endgültige Anstellung als Kreisarzt durchschnittlich erst 
im Lebensalter von 38,5 Jahren erreicht wird. Es dürfte wohl 
kaum einen anderen Beamtenstand geben, der in bezug auf das 
durchschnittliche Anstellungsalter so ungünstig gestellt ist, wie 
die Kreisärzte. Für die Richter hat Klatt^j ein solches von 
34,69 bezw. 33,2 Jahren festgestellt, für die Oberlehrer ist es von 
Schröder*) auf 84^Via Jahre berechnet, von KlattV, der für 


Wirklichkeit mit dem Bestehen der Oberlehrerprttfang (s. Klatt: Die rer- 
schiedenen Arten des Dienstalters, insbesondere die nene Anciennität. Monats¬ 
schrift fttr höhere Schalen. VI. Jabrg., 8. Heft, Seite 430—438. 

1) Siehe § 2, Nr. 4 des Kreisarztgesetzes and § 3, Nr. 4 der Dienst¬ 
anweisung fttr äe Kreisärzte. 

*) Es ist hier das 20. Lebensjahr als Daichschnitt fttr das Bestehen der 
Abiturientenprttfong angenommen. 

*) Prof. Dr. M. Klatt: Die Alters- und Sterblichkeitsyerbältnisse der 
preuttsdien Bichter und Staatsanwälte. Berlin 1904. Verlag von 0. Liebmann. 

V Derselbe: Siehe yorher Anmerkang 2 aaf S. 152. 

*) Dr. H. Sehroeder: Oberlehrer, Bichter, Offiziere. Zweite Auflage. 
Klftl und Leipiüg 1897. Verlag yon Lipsius A^Tischer. 



154 Oie Oienetalters*, PeaaioBieniBge* and SterbliehkeiteTerhUtnisee 

seine Berechnnng dnen größeren Zeitranm zngmnde gelegt hat, 
auf 80,1 Jahre; das gibt eine Differenz yon 4—8 Jahren zn ün- 
gnnsten der Kreisärzte. 

Diesen außerordentlich nngttnstigen Anstellnngsverhältnissen 
der Medizinalbeamten gegenüber wird vielleicht von mancher Seite 
der Einwand erhoben, daß diese selbst die Schuld daran tragen, 
indem sie es in der Regel verziehen, jahrelang in anderen 
Stellungen, insbesondere als praktische Aerzte, tätig zu sein und 
erst in verhältnismäßig spätem Lebensalter den Entschluß fassen, 
die Laufbahn als Medizinalbeamter zu ergreifen. Von anderer 
Seite wird weiterhin eingeworfen werden, daß die Medizinal¬ 
beamten mit den Richtern, Ereisbaubeamten, Gewerbeinspektoren 
oder Oberlehrern nicht verglichen werden können, da sie zwar 
im Hauptamte angestellt, aber in ihrer großen Mehrzahl amtlich 
nicht vollbeschäftigt und demzufolge nicht vollbesoldet seien. Beide 
Einwände sind jedoch hinfällig; sie treffen wohl für die früheren 
Verhältnisse zu, aber nicht mehr für diejenigen nach dem Inkraft¬ 
treten des Ereisarztgesetzes. Tatsächlich entschließen sich die 
Aerzte jetzt viel früher zur Ablegung der Ereisarztprüfnng 
als in der Zeit vor dem Ereisarztgesetz, denn die Ansprüche an 
das Wissen und Können der betreffenden Prfifungskandidaten sind 
derartig erhöht, daß es ein älterer Arzt gar nicht mehr riskiert, 
sich einer derartigen Prüfung zu unterwerfen. Einen Vorteil in 
bezug auf die Anstellung hat ihnen allerdings die frühere Absol¬ 
vierung des Ereisarztexamens bisher noch nicht gebracht; sie 
müssen nach wie vor jahrelang auf diese warten, obwohl es jeden¬ 
falls ihr Wunsch ist, so bald als möglich in die Medizinalbeamten¬ 
laufbahn einzutreten. 

Noch weniger stichhaltig ist aber der andere Einwand, daß die 
meisten Kreisärzte durch ihre amtliche Tätigkeit gar nicht voll¬ 
ständig in Anspruch genommen werden, sondern noch genügend 
Zeit übrig haben, um ärztliche Privatpraxis auszuüben und 
sich dadurch eine erhebliche Nebeneinnahme zu verschaffen. Auf 
die Hhinfälligkeit dieses Einwandes ist von dem Verfasser schon 
wiederholt hingewiesen, so daß er auf seine früheren Aus¬ 
führungen über diese Frage Bezug nehmen kann, zumal sowohl 
in den früheren Beratungen des Abgeordnetenhauses über den 
Medizinaletat, als in der diesjährigen nicht blos vom Minister¬ 
tische ans, sondern auch mehr oder weniger von den Vertretern aller 
Parteien im Abgeordnetenhause anerkannt ist, daß sich die Voraus¬ 
setzung, der Kreisarzt könne neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit 
noch nebenamtlich eine größere ärztliche Praxis treiben und sich 
dadurch erhebliche Nebeneinnahmen erwerben, als irrig heraus¬ 
gestellt hat. Man braucht sich ja nur die den Kreisärzten nach 
ihrer Dienstanweisung obliegenden vielseitigen Aufgaben zu ver¬ 
gegenwärtigen, um sofort zu erkennen, daß ihnen deren gewissen¬ 
hafte Erfüllung keine Zeit mehr für eine anderweitige Tätigkeit 
übrig läßt. Die ständige Beobachtung der gesundheitlichen Verhält¬ 
nisse seines Bezirks, die Aufdeckung von sanitären Mißständen und 
die rechtzeitige Anregung der zu ihrer Beseitigung erforderlichen 



der preufileehen MedüdnelbeamteB, iaebeeondere der Kreiabzte. 156 


Maßregeln/sowie die damit yerbondeneD zahlreichen Dienstreisen)^) 
Wahmehmnniren yon Terminen, Verhandlnngfen nsw. stellen selbst 
in mittelgroßen Bezirken ein solch yoU gerfltteltes und geschütteltes 
Maß yon Arbeit dar, daß sie die Arbeitskraft eines Mannes 
yollständig in Anspruch nehmen, wie sich dies auch tat¬ 
sächlich bei der großen Mehrzahl der Kreisärzte nach dem Er¬ 
gebnis der Ende 1905 yeranlaßten Umfrage als zutreffend her- 
ansgestellt hat. Ebenso wie die yorstehenden statistischen Zusam¬ 
menstellungen, die auf absolut zuyerlässigen Unterlagen beruhen 
die Richtigkeit des damaligen Ergebnisses bestätigt haben, wonach 
die Kreisärzte im 65. Lebensjahre durchschnittlich erst 80 Dienst¬ 
jahre haben, wird auch sicherlich eine yon amtlicher Seite yer- 
anlaßte Umfrage zu dem damals festgestellten Ergebnis führen, 
daß 75°/o aller Kreisärzte amtlich yollbeschäftigt sind und eine 
irgendwie nennenswerte ärztliche Tätigkeit nicht mehr ansüben. Ist 
d(^ seitdem das Arbeitsfeld des Kreisarztes nicht yermindert, 
sondern noch weiter yermehrt; ich brauche in dieser Hinsicht nur 
an die yermehrten Aufgaben zu erinnern, die den Kreisärzten durch 
das Inkrafttreten des neuen preußischen ^uchengesetzes mit seinen 
Ausführungsbestimmungen, sowie auf anderen Gebieten: auf dem Ge¬ 
biete der Säuglingspflege, Fürsorge für Tuberkulöse und Krüppel, 
Ueberwachung des Desinfektionswesens usw., erwachsen sind. Man 
wird daher schwerlich fehlgehen, wenn man in Uebereinstimmnng 
mit Wodtke*) die durchschnittliche Dauer der amtlichen Tätigkeit 
auch der nicht yollbesoldeten Kreisärzte in mittleren und größeren 
Kreisen auf täglich 7^/, Stunden bemißt; betrug sie doch schon 
zur Zeit der Umfrage gegen Ende 1905 in 168 Kreisen mit 
weniger als 50000 Einwohnern 5,9 und in 201 Kreisen mit mehr 
als 50000 Einwohnern 7,2 Stunden. Daß aber die Oberlehrer, 
Richter usw. durchschnittlich wöchentlich 45 Arbeitsstunden ihrem 
Amte widmen müssen, dürfte doch nur für eine Minderzahl zutreffen. 

Auch die yorher mitgeteilten Fensionierungs- und Sterb- 
lichkeitsyerhältnisse der Medizinalbeamten lassen in überzeu¬ 
gender Weise erkennen, wie aufreibend die amtliche Tätigkeit 
dieser Beamten ist. Im durchschnittlichen Alter yon 59,58 Jahren, 
nach nur 22,8 Dienstjahren, sind sie yerbraucht, und zwar erfolgt 
der Abgang durch Tod schon im Alter yon 56,7, durch Dienstunfähig- 
keit yon 68,2 Jahren, nach 20,7 bezw. 25,7 Dienstjahren. Nur 


*) üeber die amtliche Tätigkeit der Kreisärzte enthalten übrigeos 
die alljährlich in der Zentralinstanz ansgearbeiteten Generalsanitätsberichte ein- 
wandafreie Angaben, die eine ganz aoßerordentliche Steigernng anf sanitäts- 
nnd medizinalpolizeilicbem Gebiete erkennen lassen. Von 1903 bis 1905 (soweit 
liegen die Berichte bis jetzt vor), also innerhalb 3 Jahre, sind z. B. (für 
dne Kreisarztstelle berechnet) die Geschäftsnnmmern von rund 800 anf 1900, 
^e Dienstreisen Ton 55 anf 77, die Termine von 30 anf 52 gestiegen; rechnet 
man dazu noch die gerichtsärztlichen Geschäfte (im J^e 1905 dnrch- 
schnittlich 25 Termine, 11 Beisen nnd 40 üntersnchnngen), so ergibt sich 
daraus, daß schon die Hälfte der Arbeitstage des Kreisarztes dorch Dienst¬ 
reisen (88) nnd Termine (77) in Ansprnch genommen ist. 

*) Kehe den offtziellen Bericht ttber die XXIII. Hauptversammlnng des 
Freoßisehen MedizinalbeamtenTereins. Berlin 1906, S. 88. 



156 Die Dieiutalteri>, Peii8ioiiieriiag8> and SterbliehkeitererhUtnisie 

ein einziger (0,74«/») Ton den ansgeechiedenen Medizinalbeamten 
hat ein Dienetalter Aber 40 Jahre erreicht; 8 = 5,92 Vo oin solches 
von 85—40 nnd 16 = 11,84 ^/o ein solches von Aber 80—36 Jahren; 
während nicht weniger als 82,50 */•» also fast der Gesamt- 
zahl nicht einmal die Dnrchschnittsziffer von 80 Jahren erreichten. 
Diese Ziffern sind mindestens ebenso nngAnstig wie die betreffenden 
Ziffern fflr die Oberlehrer, die angeblich am schnellsten von allen 
Beamten verbraucht werden sollen, nnd viel nngAnstiger wie die¬ 
jenigen für die Richter. Nach Schröder^) beträgt das Durch¬ 
schnittsalter der Oberlehrer beim Ausscheiden aus dem Amte 
56,8 Jahre, so daß sich bei einem Anstellungsalter von durch¬ 
schnittlich 84*V,, Jahren fAr das Dienstalter ein Mittel von rund 
22 Jahren ergibt; wird jedoch die Elattsche*) Ziffer fAr das 
Anstellungsalter (80,1 Jahre) zugrunde gelegt, so erhöht sich 
jene Ziffer auf 26,7 Jahre und stellt sich wesentlich höher als 
die fAr die Medizinalbeamten. Das Durchschnittsalter der Richter 
beim Ausscheiden aus dem Amte ist von Elatt^) auf 62,60 Jahre 
(fAr die Verstorbenen auf 60, für die Pensionierten auf 67 Jahre) 
berechnet, das Anstellungsalter auf 34,69 bezw. 83,2 Jahre; dem¬ 
nach beträgt das Mittel für ihr Dienstalter 27,31 bezw. 28,8 Jahre. 
Von 1000 Richtern haben nach Elatt^) 446,17, also fast die Hälfte, 
die Anwartschaft, das 65. Lebensjahr im Amte zu erreichen, während 
deren Zahl unter den Medizinalbeamten eine verschwindend ge¬ 
ringe ist. 

Es entspricht nur der Billigkeit nnd Gerechtigkeit, daß alle 
im Hauptamte angestellten nnd vollbeschäftigten Beamten mit 
gleichem Bildungsgang, gleich langer Vor- und Ausbildungszeit 
auch in ihren Eompetenzen gleichgestellt werden. Zu den Eom- 
petenzen eines Amtes gehört aber nicht nur das Gehalt, sondern 
auch die Pension sowie die Wittwen- und Waisenversorgung. 
Wenn daher einwandsfrei der Nachweis geliefert wird, daß in 
dieser Hinsicht ein Beamtenstand ungünstiger gestellt ist, als die 
anderen ihm gleichgestellten, dann ist es auch Pflicht des Staates, 
AbhAlfe zu schaffen und zwar nicht nur mit Rücksicht auf den Be¬ 
amten, sondern auch mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse; 
denn je später ein Beamter in sein Amt gelangt, desto mehr wird 
er bestrebt sein, so lange als möglich in diesem auszuharren, um 
ein möglichst hohes Ruhegehalt zu bekommen. Hierin liegt je¬ 
doch eine große Gefahr für das Allgemeinwohl, welches die Pen¬ 
sionierung eines Beamten verlangt, sobald er wegen hohen Alters 
nicht mehr im stände ist, den ihm obliegenden Aufgaben gerecht 
zu werden. Gerade von den Medizinalbeamten muß aber sowohl 
volle geistige wie körperliche Rüstigkeit gefordert werden, da 
sich ihre Amtsgeschäfte nicht vom grünen Tisch aus erledigen 
lassen, sondern häufige und anstrengende Dienstreisen zur Vor¬ 
nahme von Untersuchungen und Besichtigungen an Ort nnd Stelle, 
Abhaltung von Terminen usw. fordern. 

Daß in bezug auf die Pensionierung der Medizinalbe¬ 
amten, speziell der nichtvollbesoldeten, eine anderweitige Regelung 


0 L c. 



der prenflisehen Medizinalbeamteo, insbesondere der Krelslrate. 157 


ein dringendes Bedürfnis ist, wird sowohl von Seiten der Staats- 
regiening, wie Yon Seiten des Abgeordnetenhauses in dankens¬ 
werter Weise anerkannt. Von sämtlichen Abgeordneten, die bei 
der diesjährigen Beratung des Medizinaletats teils in der allge¬ 
meinen Debatte, teils zu dem Titel ^Kreisärzte" das Wort genommen 
haben, ist die Notwendigkeit einer solchen Regelung betont, und 
mit Recht von dem Abg. y. Voß darauf hingewiesen, 

,daß es sich aacb in dieser Bichtung empfiehlt, reichlich zu geben 
und zu verheißen. Denn es ist eine Sache von unleugbarem Öffentlichen 
Interesse, daß dem Kreisarzt die Entschließung, in den Ruhestand zu treten, 
nicht allzusehr durch die Betrachtung erschwert wird, daß er nachher vielleicht 
nicht auskömmlich existieren kann. Der Kreisarzt bedarf unter allen Um> 
ständen der vollen geistigen und körperlichen Frische; es genttgt zur Ver¬ 
waltung dieses Amtes nicht, daß er noch eine leidliche Bureankraft darstellt, 
sondern er hat die Obliegenheit, unausgesetzt an Ort und Stelle, vielleicht 
nach langjährigen, Tag flir Tag fortgesetzten Wagenfahrten in greulichen 
Spelunken, etwa an der russis^en Grenze, sofort m jedem einzelnen Falle 
bereitzustehen, die Fäden festznstellcn, auf denen die Seuche zu dieser 
Stelle gelangt sein kOnne, die Fäden festzostellen, durch welche die Seuche 
sich vielleim schon verbreitet haben kann. Überall sofort vom Platze weg 
Maßregeln zu treffen, um dem üebel zu steuern — kurz, es liegen dem 
Kreisärzte Leistungen ob, die die höchsten Anforderungen an die geistige 
und physbche Kraft stellen. Sobald also der Kreisarzt auch nur 
ein leises Sinken seiner Kräfte wabrnimmt, ist er pf licht mäßig 
in die Notwendigkeit versetzt,nachzudenken, ob er nicht ans 
dem Amte scheidenmnß, und das durch eine ausgiebige und 
reichliche Ausgestaltung der Pensionsfähigkeit zu er¬ 
leichtern, ist Gegenstand ernstlicher Erwägung.* 

ln wirksamer Weise wirddem jetzigen Misstande 
aber nur dann abgeholfen, wenn die nicht Yollbesol- 
deten Kreisärzte nach Maßgabe des Dienstalters der 
gleichaltrigen Yollbesoldeten Kreisärzte pensioniert 
und allen Medizinalbeamten bei Berechnung des pen¬ 
sionsfähigen Dienstalters der Vorbereitungsdienst an¬ 
gerechnet wird. Ist eine solche Anrechnung nach dem jetzigen 
Pensionsgesetz nicht möglich und ein anderer Weg zu il^er 
Durchführung nicht denkbar, so dürfte eine dementsprechende 
gesetzliche Neuregelung auf keine Schwierigkeiten stoßen^), insbe¬ 
sondere nicht im Landtage, da sie den hier ausgesprochenen 
Wünschen durchaus entspricht. Dasselbe gilt betreffs der Be¬ 
rechnung des pensionsfähigen Dienstalters der nicht Yollbesoldeten 
Kreisärzte nach Maßgabe dar Yollbesoldeten; ist doch für eine 
solche Gileichstellung bereits insofern ein Vorbild gegeben, indem 
die nicht Yollbesoldeten Kreisärzte beim Einrücken in eine yoU- 
besoldete Stelle mit dem Gehalt des Kreisarztes Yon gleichem 
Dienstalter beginnen. Der Yon Seiten der Staatsregieruug in 
Anssicht genommene Weg, jenen Misstand dadurch zu beseitigen, 
daß allen nicht Yollbesoldeten Kreisärzten ein Betrag Yon 2250 M. 
als pensionsfähiges Einkommen zugerechnet werde, bedeutet 
zwar eine wesentliche Besserung in dieser Hinsicht, stellt aber 
gleichwohl, so dankenswert diese Besserung ist, doch nur eine 

*) Ftlr die Kreizzehulinspektoren izt z. B. eine solche Bestimmung in 
Artikel VI des PensioBs-Ergänzungsgesetzes vom 27. Mai 1907 getroffen. 



168 Die Dienetaltere-, Pensionieroiigs* und Sterblichkeltererhlltiiisse 


halbe Maßregel dar, die diesen Misstand nicht vollständig be¬ 
seitigt. Man braucht sich nur za vergegenwärtigen, wie sich die 
Verhältnisse dann künftighin gestalten werden, und wird dann 
sofort erkennen, daß die nicht vollbesoldeten Kreisärzte den voll¬ 
besoldeten gegenüber bei der Pensionierung wesentlich benach¬ 
teiligt werden. Es würde nämlich dann das pensionsfähige Dienst¬ 
einkommen betragen: 

Anfangs-, Dorchscbnitts- und Höchstgehalt, 
l&x die Tollhesoldeten Kreisärzte 412ä M. 6175 M. 6226 M. 

n , nicht YoUbesoldeten , 4050 M. 4500 M. 4950 M. 

Während also der Unterschied in dem Anfangsgehalt nur 
ein ganz geringer (75 M.) ist, steigt er bei dem Dorehschnitts- 
gehalt schon auf 675 und bei dem Höchstgehalt auf 12 75!! Mark; 
bei der Pensioniernng kommt aber nicht das Anfangsgehalt, son¬ 
dern hauptsächlich das Durchschnitts- und Höchstgehalt in Frage. 
Jener Weg würde nur dann den bestehenden Mißstand be¬ 
seitigen, wenn bei der bevorstehenden Erhöhung der Beamten- 
besoldungen das Gehalt der nicht vollbesoldeten Kreisärzte unter 
Einführung von Dienstaltersstufen so erhöht würde, daß diese unter 
Zurechnung eines Zuschusses von 2250 M. das pensionsfähige 
Einkommen der betreffenden Dienstaltersstufen der vollbesoldeten 
Kreisärzte erreichen. 

Wenn in Gehalts- und Pensionierungsfragen eine Neurege¬ 
lung beabsichtigt ist, dann empfiehlt es sich dringend, diese der¬ 
artig zu treffen, daß sie als dauernd betrachtet werden kann, 
damit die berechtigten Klagen der betreffenden Beamten über 
augenscheinliche Zurücksetzungen hinter anderen gleichartigen 
Beamtenkategorien endlich verstummen und dadurch auch ihre 
volle Freudigkeit und Opferwilligkeit im Amte erhalten bleibt. 
Dieser Gesichtspunkt findet hofientlich auch für den Medizinal¬ 
beamten bei der jetzt bevorstehenden Regelung der Beamtenbe- 
solduQg dadurch Berücksichtigung, daß sie wie alle ihnen gleichen 
Beamtenklassen (Gewerbeinspektoren, Kreisbauinspektoren, Ober¬ 
lehrer usw.) den Richtern im pensionsfähigen Diensteinkommen 
gleichgestellt und die ungünstigen Verhältnisse in bezug auf ihr 
Dienstalter tunlichst beseitigt werden. Hat doch jetzt selbst ein 
vollbesoldeter Kreisarzt ein wesentlich geringeres Dienstein¬ 
kommen als ein gleichaltriger Richter, da seine Anstellung als 
Kreisarzt wesentlich später erfolgt. Noch ungünstiger stellt sich 
aber seine Pension, während z. B. zurzeit der Oberlehrer im 
65. Lebensjahre eine Pension von 4896 und der Richter eine 
solche von 5796 M. erhält, beträgt diese für den vollbesoldeten 
Kreisarzt durchschnittlich nur 4254 M., da er 10 pensionsfähige 
Jahre weniger hat.*) 


*) Im EQnigrcich Sachsen ist nach der neuen Begelong der Beamtea- 
besoldungen das Gehalt der Bezirksärzte, denen die Austtbong der PriTatpraxia 
mit Eintritt der erhöhten Besoldung yerboten ist, auf 4500 bis 7500 Hark 
festgesetzt unter Gewährung eines Dienstaufwandes von 1000 Hark, im Eöniff- 
reich Bayern für die Beziwärzte bei Belassung der Priyatpraxis auf 8000 n> 
6000 Hark. 



der preoffisehen HedLdnelbeamten, inebeeondere der Kreisärzte. 169 


Ein ähnlicher ünterschied macht sich bei den Begiernngs- 
nnd Medizinalräten den anderen Regiernngsräten gegenüber be¬ 
merkbar; denn einmal werden sie erst im Lebensalter von 44,8 
Jahren befördert, während der Yerwaltnngsbeamte durchschnittlich 
im Lebensalter von 88 Jahren in eine etatsmäßige Begierungs- 
ratsstelle eintritt, anderseits stehen sie diesem gegenüber ganz 
erheblich in bezug auf das pensionsfähige Dienstalter zurück. Es 
ist vor nicht langer Zeit in den politischen Zeitungen mehrfach 
der Vorschlag gemacht, den technischen Beamten bei den Begie- 
mngen gerade mit Rücksicht auf diese ungünstigen Verhältnisse 
gegenüber den Verwaltungsbeamten von vornherein eine pensions- 
fäUge Gehaltszulage von 6—900 Mark zu gewähren; ein Vor¬ 
schlag, der volle Berücksichtigung verdient, namentlich auch mit 
Rücksicht darauf, daß doch für diese Beamten die Ernennung zum 
technischen Bat in der Aufsichtsinstanz eine Beförderung be¬ 
deutet und im großen und ganzen damit ihre Laufbahn mit 
ganz geringen Ausnahmen einen Abschluß erhält, während die 
Ernennung des Begierungsassessors zum Begiernngsrat lediglich 
das Einrücken in eine etatsmäßige Stelle darstellt und die Ver- 
waltnngsbeamten viel günstigere Aussicht auf eine weitere Be¬ 
förderung in eine besser dotierte Stellung haben. Jedenfalls 
würden es die betreffenden Beamten mit Freude und Dank be¬ 
grüßen, wenn bei der nächsten Erhöhung der Beamtenbesoldnng 
diesem Gesichtspunkte Rechnung getragen nnd damit die bei 
ihnen zweifellos vorhandene Benachteiligung gegenüber den Ver¬ 
waltungsbeamten beseitigt würde.*) 

Auf Grund der vorstehenden statistischen Zusammenstellungen 
nnd der daran geknüpften Ausführungen kann ich zum ScUnß 
nnr wiederholen, daß die Dienstalters-, Pensionierungs¬ 
and Sterblichkeitsverhältnisse der Medizinalbeamten 
ungünstiger sind, als bei den anderen gleichartigen 
Beamten nnd daß es mit Rücksicht hierauf nicht bloß im In¬ 
teresse der Beamten selbst, sondern auch im öffent¬ 
lichen Interesse eine Abhilfe dringend erforderlich ist. 
Diese Abhilfe wird am besten dadurch getroffen, daß 

1. den Medizinalbeamten die nach Ablegung der ärztlichen 
Prüfung erforderliche Vorbereitnngszeit zur Erlangung der 
Befähigung für ihre amtliche Stellung als pensionsfähiges 
Dienstalter angerechnet wird, 

2. eine Gleichstellung der vollbesoldeten Kreisärzte in bezug 
auf das Höchstgeh^alt mit den Richtern erfolgt und 

3. für die nicht vollbesoldeten Kreisärzte Dienstaltersstufen 
unter entsprechender Erhöhung des Gehalts eingeführt 
werden sowie die Berechnung ihres pensionsfähigen Ein¬ 
kommens entweder nach Maßgabe desjenigen der vollbesol¬ 
deten Kreisärzte erfolgt oder ihrem Gehalte ein Durch- 

0 Diese Qesichtsponkte haben in der neuen bayerischen Qehaltsord- 
nnng Berhcksichtigong gefunden; danach erhalten die Kreis •Medizinalräte, die 
den preofi. Begiemngs- und Hedinalräten entsprechen, ein Oehalt yon 6000 
bis 8400 Mark. 



160 


Die diesjährige Beratnng des prenßischeB 


Bchnittsbetragf in solcher Höhe hinzngerechnet wird, daß da* 
durch ihr pensionsfähiges Diensteinkommen demjenigen der 
Yollbesoldeten Kreisärzte gleichsteht. 


Die diesjährige Beratung des preussischen Abgeordneten¬ 
hauses Uber den Medizinaletat. 

Vom Herausgeber. 

Während seit dem Inkrafttreten des Kreisarztgesetzes die 
Beratnng des Abgeordnetenhanses Aber den Medizinaletat fast ans* 
nahmslos zn Ende der ganzen Etatsberatnng, mitnnter sogar in vor* 
gerflckter Stande erledigt worden ist und demzoiolge nnr verhält* 
nismäßig wenig Zeit in Ansprach genommen hat, haben sich die dies* 
jährigen Verhandlnngen am 24. and 26. Februar durch eine ebenso 
erschöpfende wie sachkandige Behandlang der einschlägigen Fragen 
aasgezeichnet. Die Medizinalbeamten werden dafür sowohl dem 
Herrn Minister, als dem Abgeordnetenhaase um so dankbarer sein, 
als gerade ihre amtliche Stellung, sowie ihre in dieser Hin¬ 
sicht geäußerte Wünsche eine eingehende Erörterung gefunden 
haben, deren Gesamtergebnis als ein verhältnismäßig günstiges 
bezeichnet werden muß, wenn danach auch vorläufig noch nicht 
auf die volle Erlüllung aller Wünsche gerechnet werden kann. 

Zunächst waren die Vertreter aller Parteien — Dr. Buegen* 
berg und Dr. Heisig (Zentrum), Lüdecke (freikons.), Marz 
(Zentrum), v. Voss-Beckenbrügge (kons.), Dr. Keil (nat.-lib.), 
Peltasohn (freis. Verein.), Gyßling(freis. Volkspart.) darin 
einig, daß in einem schnelleren Tempo als bisher die Umwand* 
lang der nicht vollbesoldeten Kreisarztstellen in voll¬ 
besoldete erfolgen müsse, und zwar überall da, wo der Kreisarzt 
vollbeschäftigt und infolgedessen nicht mehr in der Lage sei, eine 
Privatprazis auszuüben, die irgendwie erhebliche Einkommens* 
ertrüge abwirft. Ob das Ergebnis der Ende 1905 veranstalteten 
Umfrage, wonach 75 <yo aller Kreisärzte völlig von ihren amtlichen 
Dienstobliegenheiten in Anspruch genommen würden, tatsächlich 
zutreffend sei, bedürfe selbstverständlich erst der amtlichen Nach* 
prüfnng; aber der Abg. v. Voss bemerkte sehr richtig, daß in 
der Bejahung der Frage, ob die Umwandlung einer nicht voll¬ 
besoldeten Stelle in eine vollbesoldete erwünscht sei, seitens des 
betreffenden Kreisarztes doch zugleich die Bereitwilligkeit zur 
gänzlichen Verzichtleistung auf die Privatprazis liege, und diese 
danach nicht einmal den ganzen Unterschied zwischen der Voll- 
und Nichtvollbesoldung anfzubringen scheine. Ebenso betonte mit 
Recht derselbe Abgeordnete, ,daß in dieser Hinsicht eine gewisse 
Eile geboten sei, da es sonst nicht aasbleiben könne, daß der 
Andrang zu den Kreisarztstellen in empfindlichem Maße nach* 
lassen würde, oder zu befürchten stehe, daß sich die Kreisärzte 
aus Leuten rekrutieren wärden, die nach einer vielleicht nicht 
allzu nützlich verbrachten medizinischen Vorbereitungszeit sich 
nicht mehr Zutrauen, aus eigener Kraft eine Präzis zu gewinnen. 



Abg«or<lBetenhftiu68 ttb«r den Mediiinaletat. 161 

In ihnlieher Weise äußerten sich alle flbrigren Redner; desgleichen 
wurde Tom Herrn Minister die Notwendigkeit einer Vermehrnng 
der ToUbesoldeten Kreisarztstdlen anerkannt, da die Sorge der 
Behörden für die Giesnndheit der Beyölkemng in den letzten 
Jahren stete gestiegen sei und voraassichtlich weiter znnehmen 
werde. Hoffentlich wird man non auch ein schnelleres Tempo in 
dieser Hinsicht einschlagen and den Wünschen des Landtages gemäß, 
die sieh mit denen der Medizinalbeamten völlig decken, allen voll¬ 
beschäftigten Kreisärzten auch volle Besoldung gewährt. Wie 
viele hierbei in Betracht kommen, darauf will ich hier nicht näher 
eingehen; die Frage ist bereits wiederholt von mir an dieser 
Stelle erörtert und auch in der vorstehenden Abhandlung über 
die Dienstalters- usw. Verhältnisse der Medizinalbeamten berührt 
worden, so daß ich darauf Bezug nehmen kann. Dasselbe gilt 
betreffs der Pensionierungsverhältnisse der nicht voll- 
besoldeten Kreisärzte, die dort ebenfalls eingehend be¬ 
sprochen sind. Daß nach dieser Richtung hin endlich Wandel 
geschaffen werden soll, ist für die Medizinalbeamten hoch erfreu- 
Uch und nur bedauerlich, daß diese Aenderung nach den Aeuße- 
mngen des Herrn Minister erst für das Etatsjahr 1909 zu er¬ 
warten steht. Der Herr Minister hat ja aber ein so großes 
Wohlwollen für die Medizinalbeamten bekundet, daß er doch 
vielleicht einen W^ findet, um die beabsichtigte Regelung dieser 
dringend der Abhilfe bedürftigen Angelegenheit noch für 1908 
SU ermöglichen. 

Nicht minder erfreulich ist, daß den berechtigten Wünschen 
der Medizinalbeamten betreffs einer Erhöhung der Dienstauf- 
wandsentschädigung Rechnung getragen werden soll, und 
daß der Herr Minister bereit ist, wegen Ausdehnung des 
Fürsorgegesetzes von 1902 auf die Mediz nalbeamten mit den 
beteiligten Ministem in Verbindung zu treten. 

Auch die vom Herrn Minister mitgeteilten Grundsätze ftlr 
die Verteilung der Reisekosten-Pauschalsummen werden 
■ich voraassichtlich als zweckmäßig erweisen, zumal bei einer 
Aber das sonst übliche Maß der Reisen hinausgehenden I**ansprach- 
nahme den Kreisärzten eine besondere Entschädigung dafür zuteil 
werden soll. Wir befürchten nur nach wie vor, ebenso wie dies 
von den Abgeordneten Dr. Ruegenberg, Lüdike und Pelta- 
aohn geschehen ist, daß die Pauschalsumme an sich zu niedrig 
gegriffen ist und daß es späterhin schwer halten wird, eine Er- 
Kühang herbeizuführen. Ist doch die Durchschnittsziffer der 
Dienstreisen im sanitäts- und medizinalpolizeilichen Interesse von 
1903 bis 1905 von 65 auf 77 gestiegen nnd wird sicherlich seitdem 
eine weitere Steigerang erfahren haben. Daß aber die Vorzüge einer 
Pauschalierung der Reisekosten gerade bei den Medizinalbeamten 
weit weniger zur Geltung kommen, als bei allen anderen Lokal¬ 
beamten, ist bereits früher von mir hervorgehoben; die gleichen 
Bedenken sind anch von den Abgeordneten Dr. Ruegenberg, 
Lfldike nnd Peltasohn geäußert. 

Die angekündigte Gehaltsaufbesserung für beide Kate- 



163 


Die diesjihrige Beratung des preußischen 


gorien von Süreisärzten wird jedenfalls von den betreffenden Be¬ 
amten freudig begrüßt werden; hoffentlich bringt sie auch den 
nicht Yollbesoldeten Kreisärzten statt der bisherigen drei Gehalts- 
klassen Gehaltsstafen nach dem Dienstalter. Auch die Vorlage 
einer neuen Gebührenordnung wird den Kreisärzten wiU- 
kommen sein, vorausgesetzt, daß sie nicht eine Verschlechterung, 
sondern eine Besserung der bisherigen Bestimmungen bringt. 

Ebenso wie sein Amtsvorgänger hat der Herr Minister die 
Kreisärzte gegen den Vorwort des „üebereifers" warm in 
Schutz genommen und betont, daß sich die Klagen in dieser Hin¬ 
sicht nicht als begründet herausgestellt hätten, und daß er zwar 
bereit sei, bei berechtigten derartigen Klagen Abhilfe zu schaffen, 
anderseits aber erwarten müsse, daß der Eifer der Kreisärzte 
niemals erlahmen möge. Trotz der Bedenken gegen übereifrige 
Kreisärzte wurde übrigens auch von konservativer Seite der 
Tätigkeit der Kreisärzte und die dadurch in gesundheitlicher 
Hinsicht erzielten Erfolge volle Anerkennung gezollt. Es herrscht 
hier aber immer noch die Ansicht vor, daß die Ausübung von 
ärztlicher Privatprazis für die amtliche Tätigkeit des Kreis¬ 
arztes von großem Nutzen sei und ihm schon deshalb weiter ge¬ 
stattet werden müsse. Gerade das Gegenteil ist aber der F^! 
Bringt sie ihn doch ständig mit seinen Amtspflichten in Kollision, 
macht ihn vom Publikum abhängig und stört seine guten Be¬ 
ziehungen zu seinen Bernfsgenossen, deren Mitwirkung bei vielen 
gesundheitlichen Fragen für ihn von großer Bedeutung ist. 
Der Kreisarzt soll in erster Linie „Krankheiten verhüten*‘ 
und nicht „Krankheiten heilen*'; seine amtliche Tätigkeit liegt 
also auf ganz anderem Gebiete als die des Arztes; sie ist aber 
nicht minder wichtig, denn ein erfolgreiches „Vorbeugen von 
Krankheiten* bringt für das Allgemeinwohl weit größeren Nutzen 
als die Heilung der einzelnen Kranken. Der Kreisarzt muß vor 
allem ein tüchtiger Fachmann auf dem großen Gebiet der 
Hygiene und zwar der praktischen Hygiene sein, wenn er 
seinen amtlichen Aufgaben in vollem Umfange gerecht werden 
soll; er muß sich deshalb fortgesetzt mit den Errungenschaften 
der Wissenschaft wie mit den praktischen Erfahrungen auf 
diesem Gebiete vertraut machen, da es ihm nur dann möglich 
sein wird, in jedem Einzelfalle die geeigneten Maßregeln unter 
Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Beteiligten Vor¬ 
schlägen zu können. Verlangt man doch auch von den Spezial¬ 
ärzten nicht, daß sie noch allgemeine ärztliche Berufstätigkeit 
ausüben; man sieht im Gegenteil diejenigen, die dies ton, mit 
Recht als nicht vollgültige Spezialisten au! Gerade in der Gleich¬ 
mäßigkeit der Beobachtung und Bearbeitung der einschlägigen 
Materie, wie sie nur von einem im Hauptamt angestellten, durch 
keine ärztliche Privatprazis abgelialtenen Beamten zu erwarten 
steht, ist das beste Mittel gegen etwaige übertriebene und über¬ 
eifrige Bestrebungen zu erblicken. 

Wer die Entwicklung des öffentlichen Gesundheitswesens in 
den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hat, der wird die Beob- 



AbgeordnetenliaaBM Uber deo Medizinaletat. 


168 


achtong gemaeht haben, daß ein besonderer Wert anf die Be- 
lehrnng und Aaiklärnng der Bevölkerung gelegt wird. Und wem 
fällt diese Aufgabe zu? Dem Kreisarzt! Er soll dazu jede Ge¬ 
legenheit benutzen und besonders durch Teilnahme an den Sitzungen 
der Gesundheitskommissionen, der Lebrerkonferenzen, der land¬ 
wirtschaftlichen Vereine usw. das Interesse fflr die Lehren der 
öffentlichen Gesundheitspflege wachrufen. Gerade auf diese Weise 
bleiben sie mit dem wircklichen Leben und mit der Bevölkerung 
ihres ganzen Amtsbezirks weit mehr in Fflhlnng und werden 
sich deren Vertrauen weit mehr gewinnen, als wenn sie Privat¬ 
praxis treiben, die sich doch nur in engen Grenzen bewegt und 
anf einen verhältnismäßig kleinen Klientenkreis an ihrem Wohn¬ 
orte und in dessen nächster Umgebung erstreckt. Niemand kann 
zweien Herren dienen; wird er dazu gezwungen, so liegt stets 
die Gefahr vor, daß er den einen vor dem anderen bevorzugt — in 
diesem Falle würde es die Privatprazis sein — oder daß er bei 
beiden ungenügende, stümperhafte Arbeit leistet. Eine solche 
Zwitterstellung ist auch nicht geeignet, die Stellung und das 
Ansehen der betreffenden Beamten zu heben; „dem Publikum 
imponiert keineswegs dieser Kentaur von nicht vollbesoldetem 
Kreisärzte, der zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz 
auf vier Beinen in der Privatpraxis stehen muß, aber auch 
gleichzeitig als aufrechter, streng objektiver Beamter mit Ge¬ 
setzesrechten Ansprüche erheben will.“ 

Die Erfahrungen, die man mit den von der ärztlichen Privat¬ 
praxis losgelösten Medizinalbeamten in bezog auf ihre amtliche 
Tätigkeit und zwar nicht nur in Preußen, sondern auch anderwärts, 
z. B. im Großherzogtum Hesssen, gemacht hat, sind tatsächlich so 
yorzügliche, daß sie nur zur weiteren Anstellung solcher Beamten 
anffordem können. Mit Becht ist übrigens sowohl vom Herrn 
Minister, als von dem Abg. Dr. Buegenberg darauf hinge¬ 
wiesen, daß die Tätigkeit der Kreisärzte fast ausschließlich nur 
eine begutachtende und beratende ist, und daß die von ihnen vor¬ 
geschlagenen Maßnahmen auch die Zustimmung der ausführenden 
Verwaltungsbehörden erhalten müssen, die sich sicherlich gegen zu 
weitgehende und zu kostspielige Forderungen ablehnend verhalten 
werden. Der Abg.Dr.v.Heydebrand und der Lase meint aller¬ 
dings, daß ihnen diese Ablehnung nicht viel helfen würde, da sie 
vorkommendenfalls in der Begierungsinstanz, wo die Sachen von dem 
Begiemngs- und Medizinalrat bearbeitet würden, nicht den erfor¬ 
derlichen Schutz erhielten; er übersieht dabei aber, daß der Begie- 
rnngs- und Medizinalrat gerade in dem hier hauptsächlich in Be¬ 
tracht kommenden Angelegenheiten (Wasserleitungen, Schulen, Ka¬ 
nalisationen usw.) nur Korreferent ist, also in zweiter Instanz genau 
dieselbe Stellung einnimmt, wie der Kreisarzt in erster Instanz. Er¬ 
freulicherweise gehören jedoch alle diese Fälle zn den selteneren; 
denn wenn das Verhältnis zum Landrat und Kreisarzt ein solches 


Siehe Wodtke: Die Tätigkeit der Kreisärzte seit dem Inkreft- 
tretee aee Kreiserztgesetzes. Offizieller Bericht über die Heaptversemmlnng 
des PrenfiischeB MediilBalbeamten-Vereins; Berlin 1906, 8. 85. 



164 


Dia diaajährige Beratimg des pranßiscbea 


iat, wie es sein soll, dann wird sich, wie Dr. Bnegenbergr sehr 
richtig bemerkt, auch jederzeit ein Weg znr Verstftndignng linden 
lassen, nm nnnOtige oder die Leistnngst&higkeit der Gemeinden 
tibersteigende Belastungen zn vermeiden. 

Daß anf dem platten Lande in hygienischer Hinsieht 
nodi viel zn tan flbrig bleibt, wird Niemand, der die Verhältnisse 
ans eigener Anschanang kennt, bestreiten können. Der Abg. Dr. 
y. Heydebrand und der Lase fährt allerdings die grOßwe 
Sterblichkeit anf dem Lande hauptsächlich auf die Abwandemng 
der gesundheitlich kräftigen BevOlkemng in den besten Jahren 
nach den großen Städten zurück, so daß auf dem Lande nur noch 
Greise und Sonder Zurückbleiben; diese Abwanderung bildet aber 
doch nur eine der vielen anderen Ursachen, von denen die meisten 
auf sanitärem Gebiete liegen (mangelhatte Hmäbrungs*, Wobnungs* 
und Trinkwasserverhältuisse, nicht ausreicbende ^aDkeofttrsorge 
nsw.). Es würde zuweit führen, an dieser Stelle weiter aut diese Ver* 
hältnisse näher einzogehen; daß aber nicht bloß von den Medizinal- 
beamten, sondern auch von anderen, in enger Fühlung mit der länd¬ 
lichen Bevölkerung stehenden V^'reinen auf jene Mißstände hinge¬ 
wiesen und die Notwendigkeit einer Abhilfe betont ist, dafür gibt die 
von der Zentralstelle für Volkswohlfahrt und vom Deutschen Ver¬ 
ein für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflt$ge an sämtliche Bundes¬ 
regierungen vom November v. J. gerichteten Eingabe, betr. die 
Unterernährung auf dem Lande und deren Folgeerscheinungen, den 
besten Beweis. Anderseits haben es sich gerade die Medizinal¬ 
beamten angelegen sein lassen, durch fortgesetzte Aufklärung und 
Belehrung, sowie durch die sogenannten kleinen, mit verhältnis¬ 
mäßig geringen Kosten verknüpften Mittel einen Fortschritt in 
dieser Ansicht anzubahnen,^) und diesen auch mit Hilfe der Land¬ 
räte in vielen Bezirken erreicht, ohne daß dadurch eine Mehr¬ 
belastung der Gemeinden eingetreten ist. Man darf dabei auch 
nicht vergessen, daß viele sanitären Einrichtungen nicht eine 
Mehrbelastung, sondern eher eine Entlastung darstellen; insbe¬ 
sondere gilt dies betreffs der Wasserleitungen. 

Bei Gelegenheit der Erörterung über die Dienststellang der 
Kreisärzte wurde von dem Abg. v. Voß auch die Tätigkeit der 
Provinzial-Medizinalkollegien in zutreffender Weise ge¬ 
schildert und deren Aufhebung befürwortet. Wir können uns 
diesen Ausfdhmngen nur in allen Punkten anschließen. Die 
Tätigkeit der Provinzial Medizinalkollegien als RevisionsbehOrde für 
Obdoktionsprotokolle und Eutmündigungsgutachten ist eine vOllig 
überflüssige, wie wir dies schon früher wiederholt betont haben; 
gerichtsärztliche Obergutachten kOnnen aber auch in anderer Weise 
von den Gerichten beschafft werden, wie solches z. B. schon jetzt in 
Unfiall- and Invaliditätssachen gescMeht. Ob sich eine Ausdehnung 


*) Betreffs der hierbei einzaschUgenden Wege muß auf dea vortreffliehen 
Vertrag des Herrn Kreiaarstee Dr. Gatkneobt-Belgard Uber die Hygiene 
anf dem platten Lande vervrieeen werden. OiflzieUer Bericht ttber die 
XXL Haaptversanunlnng des Prenü. Med.-BeamtenTereins; Berlin 1904. 



AbgeordBeteiihaiu«i Uber dea Medizianletat. 


166 


der T&tigkeit der Provinzial ■ Medizinalkollegien anf das Gebiet 
der Öffentlichen Geenndheitepflege empfiehlt, dfirfte sehr zweifel¬ 
haft sein; denn einmal ist eine derartige EollegialbehOrde in der 
Provinzislinstanz nicht nOtig, anderseits erscheint es nicht zweck- 
mftßig, die Tätigkeit einer solchen Behörde anf zwei voneinander 
ganz verschiedene Gebiete za erstrecken, auch wenn hei ihrer 
Zosammensetzang darauf Bficksicht genommen wird. Man sollte 
statt dessen dem Oberpräsidenten einen medizinisch-technischen 
Bat (Provinzial-Medizinalrat) heigeben; Arbeit wird dieser genug 
finden. Der Oberpräsident hat ja nicht nnr die Nenkonzessionen 
ftr Apotheken zn erteilen, sondern in seinen Händen mht auch 
die allgemeine StaatsaoMcht Aber die Aerztekammer und die 
Provinzialanstalten, desgleichen ist er Vorsitzender des Provinzial- 
Schalkolleginms; für alle diese Gebiete kann ihm aber ein medi¬ 
zinisch-technischer Beirat nnr erwünscht sein. Hoffentlieh fällt 


die Beform der Medizinalkollegien in diesem Sinne ans! 

Wir lassen non nachstehend zunächst den stenographischen 
Bericht Ober die Verhandlungen des Abgeordnetenhanses hetr. 
die Stellung der Kreisärzte folgen; die weiteren Verhand¬ 
lungen über die Bekämpfung ansteckender Krankheiten, insbe¬ 
sondere Pocken, Abwässerreinignng, Leichenschau, Krfippelfflr- 
sorge, Nahrangsmittelkontrolle, Hebammenwesen nsw. wenden in 
der nächsten Nummer der Zeitschrift gebracht werden. 

Abg. Dr. Rnegenberg (Zentr.): M. H. I Es beißt eigentlich Wnsser in 
den Rhein tragen, wenn die Wttnsche ond Beschwerden der nicht vollbesol- 
deten Kreisärzte auch in diesem Jahre hier wieder znr Sprache gebracht wei^ 
dea, nachdem sie nns bereits in mehreren Sessionen beschäfugt haben. Aber die 
absolate Micbtberttcksicbtignng derselben in dem vorliegenden Etat zwingt 
doch dazn. Die bisherigen Erkl&rnngen der Eegierong lauteten zwar Im 
großen und ganzen immer entgegenkommend; man erkenne das Bestehen von 
fiUßst&nden an, man sei auch Ober den einen oder anderen Punkt in schweben¬ 
den Verhandlungen mit anderen Ministerien, die einen baldigen Abschluß er¬ 
warten ließen; aber geschehen ist nichts. 

Wenn man, wie ich das tue, annimmt, daß es der Medizinalverwaltung 
mit der Besserung der Lage der nicht voilbesoldeten Kreisärzte ernst ist, so 
blÄibt eben nichts anderes übrig, als anzunehmen, daß die Hindernisse wo 


anders, im Finanzministerium liegen. Sollte dies aber wirklich der Fall sein, 
dann mßchte ich doch an die Medizinalverwaltung die Bitte richten, allen ihren 
Einfluß aufzuwenden und mit allem Hacbdruck auf ihren Forderungen zu be¬ 
stehen. Handelt es sidi doch um eine Klasse von Beamten, deren Tätigkeit 
zum Schutze der Volksgesundheit eine eminent wichtige und unentbehrliche 
ist, mag sie auch dem einen oder anderen hier und da einmal etwas unbequem 
werden, und mag auch in wohlgemebtem Uebereifer einmal des Guten zu viel 
geschehen. Das kommt flberall mal vor. Im übrigen bietet ja aber das 
KreiBarztgesetz die nötigen Handhaben, um in solchen Fällen Bemedur ein- 
treten zu lassen, da die Anordnungen des Kreisarztes keine endgültigen sind. 
Ich kann den Einwand nicht gelten lassen, daß die Landräte sich hüten würden, 
Anordnungen oder Einrichtungen gegenüber, die die Kreisärzte für notwendig 
erklärt haben, sich ablehnend zu verhalten und damit die Verantwortung für 
die etwaigen Folgen zn übernehmen; ich bin im Gegenteil der Ai'sicbt, daß, 
wenn das Verhältnis zwischen Land rat und Kreisarzt ein solches ist, wie es 
sein soll, sich stets unschwer ein Weg znr Verständigung wird finden lassen, 
um unnötige oder die Leistungsfähigkeit der Gemeinden übersteigende Be¬ 
lastungen zu vermeiden. 

Was zunächst die Umwandlung der nicht vollbesoldeten 
Er eisarztstellen in vollbesoldete anlangt, so scheint man dasselbe 
Schneckentempo beibehalten zu wollen wie bisher. Der vorige Etat brachte 


1 

i 

i 

i 

\ 

t 



166 


Die diesJUirige Beratung dee prenfiischen 


5, der dleejilirige 6 neue TöllbeeoUdete Ereisantstellen, so daB, wenn es so 
weiter geht, wir in etwa 60—70 Jahren dahin kommen, nnr ▼oUbesoldete 
Kreisarztstellen zu. haben. Nun hat zwar der Begierongsrertreter im yorigea 
Jahre erklärt, daß der Minister an das Ereisarztgesetz gebunden sei und daß 
nach diesem Gesetz der nicht Tollbesoldete Kreisarzt die Begel, der TOllbesol* 
dete die Ausnahme sei. Er hat uns wdter daran erinnert, daß entgegen der 
ursprflnglichen Absicht der Begiernng, alle Kreisarztsteilen zu Toilbesoldeten 
zu machen, uerade das Abgeordnetenhaus es gewesen sei, welche diese For¬ 
derung abgelehnt habe, und nur dort yollbesoTdete Kreisärzte zuiassen wollte, 
wo besondere Verhältnisse yorlägen, und daß es die Ablehnung damit be- 
g^det habe, daß sie einerseits dem Interesse der eigenen Fortbildung des 
&eisarztes, anderseits dem Interesse einer engeren und leichteren Bertthrung 
mit der BeyOlkernng diene, und daß es mit Bttcksicht hierauf nicht erwünscht 
sei, den Kreisarzt yon der Priyatpraxis yollständig loszulösen. Der Herr Be- 
riernngsyertreter hat aber auch zogestehen müssen, daß die Entwickelung der 
kreisärztlichen Verhältnisse in den letzten Jahren dahin geführt habe, daß ein 
großer Teil derselben wegen Vollbeschäftigung durch dienstliche Obliegenheiten 
mcht in der Lage sei, Priyatpraxis zu treiben, auf die er nach dem Gesetz 
bezüglich seines Einkommens mitangewiesen ist, daß also die Herren wohl yoU* 
beschäftigt, aber nicht yollbesoldet seien. Er bat das als eine Anomalie be¬ 
zeichnet, die beseitigt oder wenigstens nach Kräften gemindert werden müsse. 
Nun wohl, m. H., wenn man diese Ansicht hegt, dann mOge man auch die 
Konsequenzen ziehen und wenigstens die yollbescbäftigten 
Stellen, die in absehbarer Zeit etwa 76*’/o aller Kreisarzt¬ 
stellen ausmachen werden, recht bald in yoilbesoldete umsu- 
wandein (Sehr richtig 1 im Zentrum). Denn die Kreisärzte können doch nicht 
dafür, daß man damals yon Voraussetzungen ausgegangen ist, die sich als 
irrig erwiesen haben, und es würde unbillig sein, sie darunter dauernd leiden 
zu lassen. Jedenfalls müssen wir yerlangen, daß bei der demnichstigen Auf¬ 
besserung der Beamtengehälter auch die nicht yollbesoideten Kreisärzte ge¬ 
bührend berücksichtigt werden, und daß ihr Gehalt nach den wirklichen Ver¬ 
hältnissen normiert werde. 

Unter Tit. 6 b finden wir eine Summe yon 866000 M. eingestellt für 
Tagegelder und Beisekosten der Medizinalbeamten. Man will 
also die Vergütungen für Dienstreisen pauschalieren. Ich kann nur bedauern, 
daß man mit dieser Einrichtung nicht mindestens noch einige Jahre gewartet 
hat, bis man besser übersehen konnte, in welchem Umfange das am 1. Oktober 
1906 in Wirksamkeit getretene Gesetz über die Bekämpfung der übertrag¬ 
baren Krankheiten die Beisetätigkeit der Kreisärzte in Anspruch nimmt (Sehr 
richtig im Zentrum I). Anderseits muß es auch auffällig erscheinen, daß die 
Ereistierärzte, bei denen die Verhältnisse ungefähr genau so liegen, yor wie 
nach Tagegelder und Beisekosten beziehen sollen. In der Bemerkung zu Tit. 
6 b ist als Grund für die Einführung des Pauschalsystems angegeben, es sei 
bei anderen Beamtenklassen auch so. Ganz gewiß, m. H., aber bei diesen 
anderen Beamtenklassen liegen eben die Verhältnisse anders. Sie beziehen 
ein auskömmliches Gehalt; der Umfang ihrer Dienstreisen ist im großen und 
ganzen yon yornherein ein fest umgrenzter, und sie können sich ihre Termine 
so legen, wie es ihnen am praktischsten erscheint. Alles umgekehrt beim 
Kreisarzt. Der Kreisarzt bezieht kein auskömmliches Gehalt; die Zahl der 
Dienstreisen ist bei ihm eine ganz unbestimmte und schwankende und hingt 
in erster Luie ab yon dem häufigeren oder selteneren Auftreten yon anstecken¬ 
den Krankheiten. Er kann auch seine Beisen nicht so einrichten, wie er will, 
da namentlich die durch das Seuchengesetz yeranlaßten Dienstreisen immer 
sofort ansgeführt werden müssen. Also, m. H., die Verhältnisse liegen doch 
recht ungleich, und die Bezugnahme auf die anderen Beamtenklassen ist meines 
Erachtens nicht ganz glücklich gewählt. Jedenfalls möchte ich um eine Er¬ 
klärung der Königl. Begiernng bitten, wie sie sich die Durchführung der 
Pauschyergütnng im einzelnen denkt, und möchte auch um Aufklärung darüber 
bitten, ob Zulagen in Aussicht genommen sind für diejenigen Fälle, wo sich 
durch Auftreten yon Epidemien die Zahl der Dienstreisen bedeutend yermehrt, 
und ebenso eine Erklärung darüber, wie man und ob man eine Entschädigung 
in Aussicht genommen bat für den entgangenen Gewinn ans der Priyatpraxis, 
auf den der Kreisarzt gesetzBch nun einmal angewiesen ist, wofür bis jetzt 



AbgeordnetenhautM ttber den Medlsinaletat. 167 

alleniaUs die üeberidilksse »vs den Beieeg^deni in Aneprnch genommen werden 
konnten. 

M. H., eine andere Forderung der Kreisärzte bat keine Bertteksiehtigung 
gefunden, die Erhöhung der Dienstaulwandsentschädigung; sie bo* 
trägt bei nicht rolibesoldeten Kreisärzten bis za 750 M., im Durchschnitt 250 M., 
bei den yoUbeaoldeten 1000 M., im Durchschnitt 750 M. Ich glaube nicht, 
daß es ein unbilliges Verlangen ist, wenn bei den yollbeschäfligten, aber nicht 
yolibesoldeten Kreisärzten auch der höhere Satz in Anwendung kommt. 

Große Enttäuschung hat es heryorgernfen, daß die Grundsätze der Pen* 
sionierung auch im yorliegenden Etat dieselben geblieben sind. Die Höhe 
der Pension wird berechnet nach dem Gehalt und nach dreijährigen Durch¬ 
schnitt der Amtsgebtlhren. M. H., daß das Gehalt ein den wirklichen Ver¬ 
hältnissen nicht entsprechendes ist, habe ich mir yorhin schon auszuftthren er¬ 
laubt, und was die Gebühren angeht, so wurde bei Beratung des Kreisarzt¬ 
gesetzes angenommen, daß sie im Durchschnitt 2000 M. betragen, während 
sie in WirkUchkeit kaum 500 M. betragen, abgesehen dayon, daß man sich bis 
heute noch nicht darüber einig ist, was im einzelnen Falle als AmtsgebOhr 
zu betrachten ist und was nicht, ein Umstand, der gelegentlich zu unerquick¬ 
lichen Erörterungen führen kann. Weiche Pension bei solchen Grundsätzen 
herauskommt, kann man sich denken: zu yiel zum Sterben, zu wenig zum 
Leben! Jedenfalls aber wird die früher schon öfter ausgesprochene Absicht 
der Regierung, durch Gewährung einer auskömmlichen Pension in den Stand 
gesetzt zu werden, Kreisärzte, die ihren dienstlichen Funktionen nicht mehr 
im yoUem Maße nachkommen können, frühzeitig in den Ruhestand zu yer- 
setzen, yereitelt. Ich meine, am richtigsten wird es sein, wenn 
man den nicht yolibesoldeten, aber yollbeschäftigten Kreis¬ 
ärzten dieselbe Pension gewährte, wie ihren yolibesoldeten 
Kollegen, da die Tätigkeit beider dieselbe ist, und wenn man 
bei den nicht yollbeschäf tigten Kreisärzten anstatt des dreijährigen Durch¬ 
schnitts der Amtsgebühren einen anderen Modus der Berechnung zunnnde 
legte. Der Herr Regiemngsyertreter hat uns im yorigen Jahre mitgeteut, daß 
die Verhandlungen mit dem Finanzministerium über diesen Punkt yor dem 
Abschlüsse ständen und auch einen für die Kreisärzte günstigen Abschluß 
erwarten ließen. Deshalb möchte ich die Frage an die Königliche Regierung 
richten, ob dieser Abschluß nunmehr erfolgt ist, und was das Ergebnis ge- 
weeen ist. 

Ich möchte mir auch darüber Auskunft erbitten, ob den Kreisärzten 
die Zeit, die sie vor ihrer Anstellung mit praktischer ärzt¬ 
licher Tätigkeit yerbracht haben, auf das pensionsfähige 
Dienstalter angerechnet werden soll, wenn auch nicht yoU, so doch 
bis zu einem Zeitpunkte yon etwa 5 Jahren. Bei anderen Beamten gleicher 
Kategorie, z. B. bei den Gewerbeanfsichtsbeamten und den KreisschuUnspek- 
ioren, fängt das pensionsfähige Dienstalter an mit der Absolyierung der sog. 
Vorbereitungsprüfung, also durchschnittlich in einem Alter yon 25 Jahren, bei 
den Kreisärzten dagegen erst mit dem Tage der Anstellung, also durchschnitt¬ 
lich im 35. Jahre. Und so kommt es, daß, während jene etwa im 65. Lebens¬ 
jahre in den Genuß der Höchstpensionen kommen, die Kreisäizte dann erst 
*!• ihrer Pension beziehen. 

Zum Schluß habe ich noch eine Forderung zu wiederholen, die auch im 
Torigen Jahre erhoben ist: man möge auch die Kreisärzte an den Wohl¬ 
taten des Beamtenf ürsorgesetzes yomJuni 1902 teilnehmen lassen. 
Sie stehen doch bei ihren Besichtigungen dieselben Gefahren ans, wie die Ge- 
werbeaufsichts- und Baabeamten (sehr richtig), ja, ihr Gefahrenkonto weist 
noch ein nicht unerhebliches Plus auf durch ihre Tätigkeit bei Austührung 
des Seuchengesetzes, und deshalb ist es nur recht und billig, wenn auch sie 
bei im Dienst erlittenen Gesundheitsschädigungen und im Fall der Inyalidität 
und Todesfall eine Entschädigung erhalten. 

An den neuen Herrn Minister möchte ich die Bitte richten, doch auch 
dea Kreisärzten sein yolles Wohlwollen entgegenzubringen und darauf Bedacht 
SU nehmen, daß die als berechtigt anerkannten Beschwerden dieser Beamten 
recht bald befriedigt werden zur Hebung ihrer Berufsfreudigkeit und dem 
Schatze der Volksgesundheit nicht zum Schaden. (Brayo I) 



168 


Die diesjährige Beratung des preußischen 


Minister der usw. Medizinalangelegenbeiten Dr. Melle: Auf die letzte 
Anregung des Vorredners mochte bemerken, daß die Angelegenkeit der 
Kreisärzte ndr besonders am Herzen liegt, weil mir wohl bewußt ist, welche 
Bedeutung die Erhaltung gesundheitlich einwandfreier Verhältnisse für unsere 
Volksmassen hat, und dä diese Sorge im wesentlichen bei uns in den Händen 
der Kreisärzte Uegt. 

Boi Vorlegung des Kreisarztgesetzes war davon ausgegangen, daß die 
nicht Vollbesoldeten die Regel bilden, während die Vollbesoldeten nur in ganz 
vereinzelten Fällen in Betracht kommen sollten. Die Praxis hat mehr 
und mehr dahin geführt, die Zahl der vollbesoldeten Kreisarzt¬ 
stellen zn erhöhen, und diese Entwicklnng wird weiter gehen, 
weil die Anforderungen der Aufsichtsbehörden an die Tätigkeit 
der Mediziaalbeamten stets gesteigert werden, da die Sorge der 
Behörden für die Qesundbeit der ^vOlkemng in den letzten Jahren stets 
gestiegen ist nnd voraussichtlich weiter zunehmen wird. 

Wenn nun in diesem Jahre sechs nene Stellen eingestellt sind, so ist 
das eine Zahl, wie sie sie bis dahin noch nicht erreicht ist, die aber gegen¬ 
über der großen Zahl von 470 verbleibenden nicht voll Btnoldeten nur ebe 
kleine ist. Hiernach werden in Znknnft 48 vollbesoldete Kreisärzte vorhan¬ 
den sein. 

Wenn der Herr Vorredner auf die Pauschalierung der Beisevergü« 
tnngen der Kreisärzte hingewiesen nnd diese Anordnung bemängelt hat, so darf 
ich bemerken, daß diese Verwaltung damit nur den Vorgängen gefolgt ist, die 
bei einer großen Zahl anderer Beamten besteben, eine h&riätnng, die für den 
Beamten viele Vorteile bat. Es hört die Einzelliquidation anf; er bekommt 
seine Panscbalsnmme nnd kann frei disponieren, ohne Einwendnngen befürchten 
zn müssen: er ist durch diese freie Disposition in der Lage, seine Reisen 
billiger nnd zweckmäßiger einzurichtcn, Die Pauschalierung selbst ist anf 
Qmnd einer durchaus günstigen Grundlage erfolgt, günstiger wie bei anderen 
Beamten, nnd zwar so, daß 90'’/o der Qesamtkosten, die 1905 entstanden sind, 
in den Fonds bineingegeben sind. Davon werden 80*’/o verteilt, 10'*/o als Re¬ 
serve znrückbehalten, am solchen Beamten, die zu einer besonders gesteigerten 
Xtoisetätigkeit genötigt worden, nachträglich durch besondere Zuschüsse helfen 
zn können. Ich darf insbesondere den Herrn Vorredner darauf binweisen, d aß 
im Fall des Ausbruchs einer Epidemie nnd einer dadurch herbei¬ 
geführten Inanspruchnahme über das sonst übliche Maß der Rei¬ 
sen hinaus die Anfsichtsinstanz den betreffenden Kreisärzten 
eine besondere Entschädigung dafür zuteil werden lassen wird. 
(Bravo.) Bezüglich der Amtsnnkostenentschädignng der Kreisärzte siad 
Berichte eingefordert nnd unterliegen znrzeit der Prüfung; die Prüfung ist 
noch nicht beendet. 

Bezüglich der Pensionierung wird in Znknnft an Stelle der bisherigen 
dreijährigen Gebttbrendurchschnitte eine feste, für alle nicht vollbesoldeten 
Kreuärzte gleichmäßige Somme von 2260 Mark bei der Pensionsberechnnng 
neben der Besoldung zn Grunde gelegt werden. Das bedeutet natürlich ftr 
die nicht voll besoldeten Kreisärzte eine ganz wesentliche Verbessemng nnd 
namentlich auch eine Gleichstellung aller Beamten dieser Kategorie, die wäh¬ 
rend ihrer Dienstzeit dieselben Funktionen versehen nnd daher auch anf eine 
gleichbemessene Pension Anspruch haben. 

Die Erledigung dieser Angelegenheit bängt zusammen mit der Vorlage 
des Gesetzes, betreffend die Gebühren der Kreisärzte. Diese Vorlage soll 
noch in dieser Session geschehen. Nach dem Zustandekommen dieses Gesetzes 
wird die Abänderung dos jetzigen Etatsvermerks über die Pensionierung er¬ 
folgen. Es war darum auch eine vorherige Etnatellnng in den vorliegenden 
Etat nicht möglich. Sie wird erst durch den nächsten Etat znr Ansfühmng 
kommen. 

Die Anregung, das Beamtenfürsorgegesetz von 1903 anf die Kreis¬ 
ärzte anszndehnen, wird in wohlwollende Erwägung gezogen werden. (Bravo!) 

Abg. Dr. Helsig (Zentr.) schließt sich den Ansfühmngen des Hem 
Kollegen Ruegenberg in adlen einzelnen Punkten an nnd gibt seiner Frende 
über die Auskunft Ausdruck, die der Herr Minister soeben über die Besol¬ 
dung der Kreisärzte gegeben hat. (Die sonstigen Ansfühmngen dieses 



Abgeordneteohaiuea über den Medinlnaletat. 


169 


Abgeordnetan, die im Annehliiß na den Geenndheitaberieht Iftr 1906 mehr oder 
weniger daa gerne Öffentliche Geenndheitaweaen bortthren, werden apiter im 
Annrng gebracht werden.) 

Abg. LIdieke (Ireikona.): M. H.! Mit dem Herrn Abg. Dr. Baegen* 
herg bedanre auch ich, daß der dieijihrige Etat die Vermehriing der be> 
neideten Kreiaaratatellen nur um 6 Toraieht. An aieh lat ea ja rhmtig, daß 
nach dem Kreiaaratgeaetz der yoUbeaoldete Kreiaarat die Aoanahme nnd der 
nicht yoUbeaoldete Kreisarst die Kegel bildet- An aicb lat es auch weiter 
richtig, daß man mit der Vermehrung der beaoldeten KreiaarstateUen akh nicht 
dberatfinen aolL Aber der § 3 des Kreiaarztgeaetzea besagt: ,Wo besondere 
Verhiltniaae es erfordern, können yoUbeaoldete Kreiskrzte angesteUt werden." 
M. H., solche besonderen Verhältnisse liegen dann yor, wenn die amtliche 
Tätigkeit des nicht yollbeaoldeten Kroisarates derartig ist, 
daß er eine Priyatprazis neben seiner amtlichen Tätigkeit 
ftberhanpt nicht oder nicht in nennenswerter Weise ausOben 
kann. Denn aelbstyerständlieh kann ein nicht yoUbeooldeter Krdsarzt yon 
seinem amtlichen Einkommen nicht existieren. Gewiß ist es richtig, daß die 
Kreisärzte der Aosttbang der ärztlichen Praxis nicht entfremdet werden. Man 
braocht aber meiner Meinung nach nicht die Befttrohtong zu hegen, daß die 
Tolibesoldeten Kreisärzte ans der Praxis heranskommen.; sie haben nodi so yiel 
MebeabescbäfUgnng, sei es als Krebkraakenhaasärte, sei es ^ Vertranensärzte, 
sei es als Gerichts* nnd Gefängnisärzte oder als Bahnärzte, daß sie zweifeUoB 
noch yoU im ärztUchen Leben stehen. Anf der andern Seite gibt es aber eine 
ganze Beihe schwerwiegender NachteUe, wenn man mit der Vermebrong der 
yoUbesoUdeten KreisarztsteUen nicht aosreichend yorgeht. Es wird insbesondere 
Jedem nicht yermOgenden Kreisarzt nnmögUch sein, in einer nicht yoUbesoldeten 
SteUe zu bleiben, wenn er nicht nebenher Privatprazis anstiben kann. Wächst 
nnn seine amtUche Tätigkeit derart, daß sich die Aosttbang der privatärzt- 
lichen Tätigkeit fttr ihn yerbietet, so wird er flnanzieU in eine sehr bedrängte 
Lage geraten. Die Folge dayoa wird sein, daß nor noch yermOgende Herren 
Kräsänte werden können. Das wäre sicherUch sehr za bedaaern. Es würde 
yor aUem hierdarch der Nachwuchs der Kreisärzte leiden. Ferner wird aber 
nach der nicht yoUbesoldete Kreisarzt, der aaf eine erhebUche Priyatprazis 
angewiesen ist, sehr leicht in ein schiefes Verhältnis mit den übrigen Aerzten 
kommen. Fttr den Kreisarzt ist aber eine segensreiche Tätig¬ 
keit nar möglich, wenn ein gedeihliches Zusammenwirken 
zwischen ihm and der übrigen Aerzteschaft stattfindet. Ebenso 
leicht wird er in ein schiefee Verhältnis zu seinen eigenen Patienten kommen 
können, wenn er in amtUchor Eigenschaft besondere hygienische Ansprüche an 
diese steUt 

BezttgUch der Pauschalyergtttang in Höhe yon 865000 M. hat 
der Herr Minister ja die Erklärung abgegeben, daß daneben noch besondero 
Tätigkeit yon ihnen bei Aasbrach yon Seachen yerlangt wird. Man wird aber 
bei der Pauschalyergtttang nicht außer acht lassen dürfen, daß, wie schon der 
Herr Abg. Krttger (Marienbarg) yor einiger Zeit hier aasftthrte, die Ent* 
schädigong fttr Jeden Kreisarzt sich nar auf 1700 M. jährlich beläuft, also 
gerade so hoch ist wie diejenige Entschädigang, die ein Kreisbaabeamter er* 
Ult. Der Kreisbaabeamte bezieht aber neben seiner Beiseentschädigong nodi 
yoHes Gehalt, der nicht yoUbesoldete Kreisarzt soU aber aus seiner Pauschal* 
yergtttnng fttr die Beisen gleichzeitig auch noch einen TeU seines Elinkommens 
entnehmen. Das ergibt meines Erachtens, wie damals der Herr Abg. Krttger 
einwandsfrei darlegte, eine erhebUche Benachteiligung der Kreisärzte gegen¬ 
über den Baabeamten. Man wird mit Becht eine höhere Entschädi- 
gnng bei den nicht yoUbesoldeten Kreisärzten fordern 
mftssen, damit sie zngleieh fttr den Gewinn entschädigt wer¬ 
den, der ihnen wegen der durch die Reisen bedingten Micht- 
ansttbung ihrer Praxis entgeht 

Dann möchte ich die Anfmerksamkeit des Herrn Ministers auch noch 
anf die Pensionsyerhältnisse der Geriehtsärzte richten. Die Oe-, 
riehtsirzte sind zur Zeit in drei Gehaltsstufen eingeteUt; sie beziehen 1800,’ 
2860 und 2700 M. Sie beziehen dann noch eine pensionsfähige Zulsge yon 
1200 M. Im ttbrigen sind sie nar aaf die Gebühren ans den Obduktionen an¬ 
gewiesen, die beUgUch der Peneion allein in Betracht kommen. Nach den 



170 


Die diesjährige Beratug des prenBisehea 


bisherigen Bestimmiingen würde eia Gerichtsarst die Höchstpension nach einem 
Einkommen Ton 6200 M. ttberhanpt nicht erreichen können. Diese Höchst- 
pension steht ifir die GericbtsSrzte lediglich anf dem Papier; denn wollte ein 
Gerichtsarzt za diesem Höchstpensionssatze nach einem Gehalte yon 6200 M. 
kommen, so müßte er im Jahre za 225 Obdoktionen zagegen werden; and das 
ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Erfahrang hier in Berlin bat erwiesen 
— and Berlin gilt als der günstigste Ort für die Gerichtsärzte —, daß ein 
Gerichtsarzt jährlich aal etwa 160 Okdnktionen kommt. Sein Einkommen 
bleibt aiso wesentlich nnter diesem Höchstsätze, and es ist daher für ihn ganz 
aosgeschlossen, die HOebstpension jemals za erreichen. (Bravo!) (Die weiteren 
AasfOhrangen des Abgeordneten betreffend die Ertppelfürsorge werden 
später gebracht werden.) 

Abg. Marx (Zentr.): M. H.! Ehe ich aaf den Gegenstand der Aosführan- 
gen meiner verehrten Herren Vorredner eingehe, möchte ich zanächst noch 
einmal die Anregongen meines Herrn Kollegen Dr. Haegenborg aafs 
wärmste empfehlen, die er für die Umgestaltang der Verhältnisse der Kreis¬ 
ärzte, namentlich der nicht vollbesoldeten Kreisärzte, gegeben hat. Der Herr 
Minister hat ja bereits sein Wohlwollen gegenüber dieser Frage an den Tag 
gelegt. Ich möchte aber nicht verfehlen, namentlich gegenüber dem Einwan^ 
daß ja bei der Beratang des Kreisarztgesetzes das Abgeordnetenhaas beschlossen 
habe, daß der nicht vollbesoldete Kreisarzt die Hegel, der vollbesoldete die 
Aosnabmo sein soll, — za betonen, daß dieser Beschloß, der damals ge¬ 
faßt warde, doch onsern jetzigen Wünschen nicht wohl entgegengehalten 
werden kann. Denn seit dem Erlaß des Beschlasses sind doch die Ver¬ 
hältnisse in wesentlicher Art amgestaltet worden; namentlich 
infolge des Erlasses des Seachengesetzes ist die Arbeit der Kreisärzte ganz 
erheblich vermehrt worden. Wenn es ferner richtig ist — ich meine, mich 
dessen za erinnern —, daß bei einer früheren Besprechong dieses Gegenstandes 
hier im Haase von irgend einer Seite die Behaaptong aafgestellt warde, daß 
sogar 75'^/o, also >/4 der Kreisärzte zwar voll beschäftigt aber nicht 
voll besoldet seien, dann, meine ich, ist das doch nicht ein Zostand, 
der dringend der Hilfe bedarf. Ich meine — wenn aach gewiß anzaerkennen 
ist, daß in jedem Jahre, im vorigen Jahre 5, in diesem Järe 6, neae Steilen 
für voUbesoldete Kreisärzte in den Etat eingestellt sind —, dann kann das 
doch einer Zahl von über 450 nicht vollbesoideter Kreisärzte 
gegenüber kaam ins Gewicht fallen. Da maß mit aller Energie vor¬ 
gegangen and künftig eine bedeatend größere Zahl solcher 
vollbesoldeter Kreisärzte eingestellt werden. Der Königlichmi 
Staatsregiorang wird es doch ein Leichtes sein, festzastellen, wieviel denn von 
den nicht vollbesoldeten Kreisärzten tatsächlich voll beschäftigt sind; es wird 
das doch wohl an der Hand der amtlichen Akten, der amtlichen Atteste asw. 
festzastellen sein. Ich meine aber, die Kreisärzte, die voll beschäftigt 
sind, haben auch einen Ansprach daraaf, daß sie ihren Kollegen gleichge¬ 
achtet and voll besoldet werden. (Der Abgeordnete bespricht daraaf die 
Nahrangsmittelkontrolle, worauf später zarückgokommen werden wird. 

Abg. Dr. V* Voss - BerkenbrOgge (kon«.): Die zunächst in Hede stehende 
Materie, die Diensteinkommensverhältnisse der Kreisärzte, ist 
bereits von Hednern, die sich za früheren Titeln gemeldet hatten, eingehend 
erörtert worden, and nach den freundlichen Zusagen, die der Herr Minister 
Ünsichtlich der Verbesserang der Verhältnisse der nicht vollbesoldeten Krds- 
ärzte gegeben hat, habe ich nur wenig hinzuzufügen. Befürworten maß ich, 
daß meine Fraktion in ihrer Mehrheit an dem Wunsch festhält, der früher 
auch aaf anderen Seiten des Hauses bestanden hat, daß nämlich den Kreis¬ 
ärzten die Privatprazis nicht verschlossen bleiben möge. Die Gründe dafür 
sind bekannt; einmal erwartet man für das Amt der Aerzte von der Privat¬ 
tätigkeit einen Nutzen, weiter aber hofft man auch, daß in der üebnng der 
Privatprazis eine gewisse Sicherang vor einem üebereifer gegeben sein werde 
der den einen oder anderen Kreisarzt daza bringen könne, allza überreichlich 
mit hygienischen Segnungen hervorzatreten. (Sehr richtig!) M. H., daß es 
Fälle dieses üebereifers gegeben hat, die insbesondere auf dem platten Lande 
eine gewisse Mißstimmung hier and da hervorgerafen haben, ist ja richtig. 
Ich maß aber zugleich befürworten, daß die Herren meiner Partei sich durdi 
solche Fälle in der Würdigung des Instituts der Kreisärzte nicht irre machen 



AbgeordoetenlunuM ftber d«B Medldaaletet. 


171 


laaseo. E&i Beamter, der ei mit seiner Amtspflicht senau nimmt, ist, auch 
wenn er einmal in Uebereiler gerlt, nns jedenfalls lieber als solche, die, nm 
nicht in Friktionen sn geraten, in dem, was ihres Amtes ist, mit sich handeln 
lassen. Und dann ist ja das, was der Kreisarzt fflr nützlich nnd notwendig 
erachtet, znnichst nur ein Gatachten, das sich doch erst durch die Billigang 
der znst&ndigen Verwaltungsbehörde in eine Anforderung übersetzt, die in 
unserem Staate der Eautelen, wenn sie in der Tat unbegründet ist oder Opfer 
erheischt, die die Interessenten nicht zu leisten yennOgen, mit Bechtsmitteln 
erfolgreich angetochten werden kann. Tief aber sind wir dayon durchdrungen, 
dafi das, was wir unter Hygiene yerstehen, zumal in den kleine¬ 
ren und mittleren Städten, erst yon der Tätigkeit der Kreis¬ 
ärzte herrührt, daß sie, abgesehen yon den wertyollen 
Diensten, die sie bei der Bekämpfung yon Mensehenseuchen 
leisten, ln der häufigen Beratung bei Ausführungen zum ge¬ 
meinen Wohl, besonders auf dem Gebiete der Wasseryer- 
sorgung und der Kanalisationssysteme, Yortreffliches ge¬ 
leistet haben und tatsächlich noch leisten. 

Nun, m. H., wir haben diese Funktionen, und die Funktionäre müssen 
in einer dem ihnen gewiesenen Stande entsprechenden Weise existieren können. 
Dafi dies der Fall ist, läßt sich leider nicht durchweg behaupten. Die Lage 
der nicht yollbesoldeten Kreisärzte bedarf unter allen Umständen der Ver¬ 
besserung. Es ist in einer Publikation, die jüngst in der Sache ersdhienen 
ist, ausgesprochen, dafi nicht weniger als 80**/, der Kreisärzte nicht imstande 
seien, irgendwelche Priyatpraxis yon erheblichem Ertrage zu üben. Ob das 
nicht yielldcht zu weit gegangen ist, lasse ich dahingestellt. Aber eine 
Enquete, die 1906 auf Veranlassung des Medizinalbeamtenyereins yeranstaltet 
worden ist, fand das sehr bemerkenswerte Ergebnis, daß 67**/o der sämtlichen 
nicht yollbesoldeten Kreisärzte erklärten, daß sie die Umwandlung in eine yoU- 
besoldete Stelle wünschen müßten. H. H., dafi ein Beamter, wenn er gefragt 
wird, ob ihm eine Steigerung seiner Barbezüge angenehm ist, diese Frage b^ 

i 'aht, ist ja selbstyerständlich und würde nicht yiel zu bedeuten haben (Heiter- 
:eit); aber hier liej^ doch in der Bejahung der Frage zugleich die Bereit¬ 
willigkeit, auf die Priyatpraxis gänzlich zu yerzichten. Also mufi doch dieser 
Erklärung eine Abwägung zugrunde gelegen haben, die erweist, daß dem 
Manne die Priyatpraxis nicht mal das wenige einbringt, was der Unterschied 
der Vollbcsoldung nnd der yollen Besoldung des Kreisarztes aasmacht. So 
wird nichts übrig bleiben, als dafi der Herr Minister die Güte hat, in jedem 
einzelnen Fall zu erwägen: yermag der Kreisarzt eine Priyatpraxis zu üben, 
die irgendwie erhebliche Einkommenserträge abwirft? Wo dies der Fall, wird 
dem yon uns gehegten Wunsche entsprechend eine Umwandlung in eine yoU- 
besoidete Stelle jedenfalls nicht yorzunehmen sein; allein wo diese Frage yer- 
neint werden muß, bleibt schlechterdings nichts übrig, als daß, und zwar be¬ 
schleunigt, eine Umwandlung in die Vollbesoldung erfolgt. Denn yor allen 
Dingen muß der Funktionär doch leben können; genügt die Priyatpraxis nicht, 
dann muß eben eine yolle Besoldung gewährt werden. Ich meine, in 
dieser Beziehung ist auch eine gewisse Eile geboten: es kann 
nicht ansbleiben, daß der Andrang zu den Kreisarztstellen 
in empfindlichem Maße nachlassen würde, wenn sich in der 
medizinischen Welt die Ueberzeugung festsetzt, daß yom 
Staat nichts oder wenigstens in absehbarer Zeit nichts Aus¬ 
reichendes zu erwarten steht. Die Zahl derjenigen, die yielieicht, um 
den Medizinalratstitel ein wenig früher zu erlangen, sich, wenn sie einiges 
Vermögen haben, dem Kreisarztamte zuweoden, wird eine sehr kleine sein. 
Es würde also zu befürchten stehen, daß die Kreisärzte sich 
rekrutieren würden aus Leuten, die nach einer yielieicht nicht 
allzu nützlich yerbrachten medizinischen Vorbereitungsseit 
sieh nicht mehr Zutrauen, ans eigener Kraft eine Praxis zu 
gewinnen. Das würde doch ein Material sein, dem wir Funktionen so 
wichtiger Art wie die des Kreisarztes unter keinen Umständen anyertrauen 
wollen. 

Ebenso scheint rs mir geboten zu sein, daß eine Verbesserung der als 
mangelhaft anwkaanten Verhältnisse bei der Pensionierung ohne Ver- 
säuBsis eintreten möge. Ueber diesen Pensionierungsbestimmungen hat ja auch 



172 


Die diMtiähiige Beratang des preofliscbon 


ein ünstern gewaltet, indem einmal der Gebtthrenbetrag, nach welchem penaio« 
niert werden sollte, aal 2000 Mark angenommen worden ist, wihrend sieh in 
nnangreiibarer Weise durch die Uonatsnachweisungen, die die Kreisärzte den 
Begierongspräsldenten einsareichen haben, ergeben bat, daß die Gebtthrea sich 
im]l Durchschnitt aal 800, nach einer letzten Berechoang gar nnr aal ÖOO Mark 
stellten, ln dieser Beziehung hat ja der Herr Minister bereits die Zusage 
gegeben, ? daß er Besserung schaffen werde, indem bei der Pensionierung & 
Betrag Ton 2250 Mark berücksichtigt werden solle. In einer anderen Bezi^ung 
eher ~ einer der Herren Vorredner hat ja auch diesen Wunsch schon aus* 
gesprochen — wird die Pensionierung auch verbessert worden kOnnen, indem 
man nämlich das pensionslähige Alter etwas Irtther beginnen 
läßt. Im allgemeinen gelangt der preußische Beamte mit 66 Jahren in das 
Einkommen, von dem aus er die Höchstpension besieht; dieses Verhältnis aber 
tritt bei dem Kreisärzte nicht ein, da dieser durchweg erst im 85. bis 40. Lebens* 
jahre in sein Amt kommt und das pensionslähige Dienstalter erst von der 
Vereidigung nach Einstt^llung in das Amt berechnet wird. Nun schreibt die 
Instruktion vor, daß lOnl Jahre zwischen dem absolvierten Staatsexamen bis 
zur Absolvierung der Kreisarztprülung verlaulen sollen; diesen Vor* 
bereitungsdienst hineinsubezieben in die Berechnung des 
pensionsläbigen Dienstalters würde durchaus nichts Un* 
erhörtes sein; im Gegenreil, es würde dem z. B. bei der Bauverwaltung 
üblichen Verlahren der EinbeziehaDg von Vorbereitungsdienst in die Berech* 
nung des pensionsfähigen Dienstalters entsprechen. Jetzt sind die Zustände 
so, daß nach einer Berechnung, die ich auf ihre Bichtigkeit allerdings nicht 
kontrollieren kann, eine große Zahl der Kreisärzte erst im 78. Lebensjahre zu 
dem höchstpensionsberechtigten Gehalt kommen würde. 

M. H., auch in dieser Bicbtung empfiehlt es sich reichlich zu geben und 
zu verheißen. Denn es ist eine Sache von unleugbarem öffentlichen Interesse, 
daß dem Kreisarzt die Entschließung, in den Babestand zu treten, nicht allzu* 
sehr durch .die Betrachtung erschwert wird, daß er nachher vielleicht nicht 
auskömmlich existieren kann. Der Kreisarzt bedarf unter allen Umständen 
der vollen geistigen und körperlichen Frische; es genügt zur Verwaltung 
dieses Amtes nicht, daß er noch eine leidliche Bureaukraft darsteilt, sondern 
er hat die Obliegenheit, unausgesetzt an Ort und Stelle, vielleicht nach lang* 
jährigen. Tag für Tag fortgesetzten Wagenlahrten in greulichen Spelunken, 
etwa an der rassischen Grenze, sofort in jedem einzelnen Falle bereitzustehen, 
die Fäden festzustellen, auf denen die Seuche zu dieser Stelle gelangt sein 
könne, die Fäden festzustellen, durch welche die Seuche sich vielleicht schon 
verbreitet haben kann, überall sofort vom Platze weg Maßregeln zu treffen, um 
dem Uebel zu stenern — kurz, es liegen dem Kreisärzte Leistungen 
ob, die die höchsten Anforderungen an die geistige und pbysi* 
«ehe Kraft stellen. Sobald also der Kreisarzt auch nur ein leises Sinken 
seiner Kräfte wahmimmt, ist er pfliebtmäßig in die Notwendigkeit versetzt, 
naebzudenken, ob er nicht aus dem Amte säeiden muß, und das durch eine 
ausgiebige und reichliche Ausgestaltung der Pensionsfähigkeit zu erleichtern, 
ist ein Gegenstand ernstlicher Erwägung. 

M. H., besonders bemerkenswert ist die Erklärung des Herrn Ministers, 
daß er die Wohltaten des Beamtenfürsorgegesetzes vom 2. Juni 1902 
auf die Kreisärzte ausgedehnt wissen will. Es ist das auch der GerechtigkMt 
and Billigkeit so entsprechend, daß man sich fast wundern muß, daß nicht von 
vornherein gerade an die beamteten Aerzte gedacht worden ist. Denn der 
beamtete Arzt leistet ja eigentlidi, indem er sich der Gefahr des Unfalls aus* 
setzt, noch mehr als ein anderer, der von einem Unfälle im Betriebe betroffen 
wird; er geht sehend, die Gefahr kennend, in den Unfall hinein. Und es ist 
ja klar, daß, wenn er weiß, daß, falls er der Seuche erliegt, seine Angehörigen 
in der fttrsorgenden Hand des Staates stehen, er noch mutiger in den Kampf 
gegen die Seuchen hineintreten wird, als ihm dies sonst wohl möglich sein würde. 

Wie alle Verbesserungen,'so wird ja auch die so vielerorten gebotene 
Vermehrung der volibesoldeten Kreisarztstellen Geld kosten, aber erfreulieher- 
wefse nur weniges; denn der Etat belehrt uns, daß die Differenz swischem 
der Barleistung, die der Staat den vollbesoldeten und den nicht vollbesoldeten 
^eisärzten gewährt, nur 1500 Mark im Jahre pro Stelle ausmaebt. Es würde 
also, wenn etwas geschähe, was wir nicht wünschen, nämlich die allgemeiae 



AbgaordiMtenliaiueB ttber den XediaiDaletat 


178 


ürnwaadlinig in Tollbesoldete Stellee, mit aoeh nicht V* Million Merk in be* 
streiten sein. Non, m. H., wenn men sich aber in einer Zeit einer, wenn anch 
hoifentlich nur kurz währenden, flaonziellen Beklemmung umsieht, ob nicht in 
demselben Bessert an einer anderen Stelle Ersparnisse zu machen sind, so 
bietet sich die Glelegenheit an einer allerdings schon rorgestern snr Erörterung 
gekommenen Stelle; man brauchte bloß den Medizinalkollegien ein 
Ende zu machen. Diese Institution yerdankt ihre Entstehung dem Jahre 1817, 
'das ja in trefflichen gesetzgeberischen Dedanken so fruchtbar war; aber ich 
medne: wenn man gewußt hätte, welches Gebilde da entstehen sollte, man 
hätte sich die Mtthe der Erfindung erspart. (Sehr gut!) Diese Medizinal» 
kollegien von heute — und das gilt schon für die letzten Jahrzehnte — be- 
sehäUgen sieh im wesentlichen mit der Ilerision von Berichten über Obduktionen 
TOB Leichen und yon Befnndberichten über den Zustand geisteskranker Per» 
souen. Es sind also das Revisionen technischer Gutachten, wie sie in dieser 
Allgemeinheit der Anordnung wohl in keinem Ressort bisher für erforderlich 
erachtet wurden. Diese Revisionen sind eminent bedeutungslos, darf ich wohl 
sagen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens ist nämlich der Fall, um den es 
sidi dabei handelt, immer längst erledigt; der Irrenarzt, dem das Gutachten 
über den Befand des Geisteskranken Vorgelegen, hat sich längst darüber 
schlüssig gemacht, ob die Aufnahme in die Irrenanstalt erfolgen soll oder 
nicht; der Richter ist sich längst darüber klar geworden, welche Ansicht er 
ans dem Befundbericht über die Leichenschau entnehmen sollte. Dann aber 
ist diese Revision auch deshalb eine bedeutungslose, weil ja der Revident 
Jemals aus persönlicher Kenntnis des Falles spriät; er hat niemals die Leiche 

r hen, er hat niemals den Irren gesehen, von dessen Zustand die Bede ist. 

kann also die Rezension nichts weiter sein als eine, ich möchte sagen, 
doktrinäre Betrachtung darüber, ob alle Formalien erfüllt sind, ob das Ding 
in sich schlüssig ist, oder ob es gar gegen anerkannte Irziliche Grundsätze 
oder medizinische Anschauungen verstößt. Und nun wird die Sache eingepackt 
und dem Arzt hingeschickt. Ich habe mir sagen lassen, daß es mit der Lek» 
tttre dieser Begutachtungen bei den Aerzten, die es wieder erhalten, doch nur 
schwach besteUt ist, eben weil sie von der Bedeutungslosigkeit dieser Beur» 
teUungen von vornherein überzeug sein müssen. 

Nun ist es ja richtig, daß das MedizinaikoUegium noch andere Obliegen» 
beiten hat. So soll es Gutachten über medizbische Angelegenheiten auf 
Wunsch des Oberpräsidenten anfertigen. Indessen diese Tätigkeit, die ja wohl 
in der Theorie eine recht bedeutende sein könnte, ist praktisch beianglos. 
Nach dm Medizinalberichten von 1906 — für die Jahre 1906 und 1907 sind 
die Berichte noch nicht im Drucke erschienen — sind bei allm zwölf Pro» 
yiasialmedisinalkollegien nur 89 solcher Gutachten, also 8*/« Stück pro Provinz 
und Jahr, erstattet worden. Ich denke von der Tätigkeit der Regiemngs» 
mediainaLräte sehr hoch, die meisten sind gewiß mit Arbeit Überlastet; aber 
wmn sie diese Arbeiten — es handelt sich doch durchweg um kleine Sachen ^ 
aebmbei übernehmen würden, so würde daß Maß ihrer Ueberarbeitm sich 
kaum merklich steigern. Die Provinzialmedizinalkollegien kosten ImmerhiB 
60000 Mark. Wmn davon vielleicht 80000 Mark zu Fmds verblieben, ans 
denen die Oberpräsidmten —• diese haben mit Medizinalangelegenheiten ja 
nidit allzu viel zu tun, wenn man vom Apothekerkonzessionswesen absiebt, 
nmd diese Sachen pfle^ der Verwaltnngsdezement ja allein zu erledigen — 
Remunerationen beim Erfordern eines besonderen Gutachtens zu zahlen hätten, 
so würdm mit den ersparten 80000 Mark immerhin vom Augmblick ab 20 
lieht vollbesoldete Stellen von Kreisärzten in vollbesoldete verwandelt werdm 
kßnnm, und es wäre gewiß dankenswert, wenn statt der Weiterftthrung des 
gmpenstigm Daseins der Medizinalkollegion dos lebenskräftige und Segnnngm 
weiter Art verheißmde Institut der Kreisärzte eine Unterstützung erführe. 

M. H., ich darf diese kurzen Ausführungen nicht schließen, ohne zu be» 
merken, daß ich in der Beurteilung der Entbehrlichkeit der Medizinalkollegim 
nur meine eigme Ansicht vorgetragen habe; ich hatte nicht Gelegenheit, mit 
meiner Fraktion über diese Frage Fühlung zu nehmen. 

Abg. Dr. Keil (nat*lib.); M. H., ich möchte, wie es der Herr Vorredner 
heute und die Herren Kollegen Dr. Raegenberg, Lüdioke und Marz am 
Sonnabeud geUn habm, dem Herrn Minister die Wünsche der Kreisärzte ebm- 
fnlls warm empfehlen. In der Tat haben sich die Dinge in der Praxis ganz 



174 


Die dieej&hrlge Beratung dea pceiSisoheii 


andere entwickelt, als man es bd Erlaß des Gesetzes Aber die Ereia&rzte aa< 
genommen batte. Der Beg.* and Med.-Bat Dr. Bapmand fahrt in einem 
Aufsatz der «Zeitschrift fUr Medizinalbeamte* sehr trefiend aus, daß das, was 
man als Begel gedacht hat, die Aasnahme geworden ist, and daß das, was 
damals als Aasnahme gedacht war, sich zar Begel gestaltet hat. Voll- 
beschSftlgang and Vollbesoldang mfißtea doch notwendig Hand in 
Hand gehen. Nan liegen die Dinge aber tatsächlich so, daß heate */s Büer 
Kreisärzte bereits voll beschäftigt sind, and daß fdr den Fall einer Meabe- 
setzang */« Stellen ToUbeschäftigt werden. VoUbesoldet aber ist, selbst 
wenn man die «enorme* Zahl der 6 nenen Stollen noch hinzarechnet, die in 
diesem Jahr im Etat stehen, nar der elfte Teil aller Kreisärzte. Das ist ein 
Mißstand, der za immer erneaten Klagen führen wird, solange hier nicht 
gründliche Abhilfe geschaffen ist. Der Herr Minister hat in diesem Jahre 
ja ein größeres Entgegenkommen versprochen. Ich danke ihm hierfür und 
besonders aach für die außerordentlich wichtige Erklärung, daß bei der Pen¬ 
sionierung nicht das tatsächliche Mebeneinkommen, sondern der fingierte Satz 
von 2250 M. zagrunde gelegt werden soll. Das ist ein sehr dankenswertes 
Zugeständnis and wird nach manchen Bichtangen hin Berahigang schaffen. 

Ganz speziell habe ich dem Herrn Minister aber den Dank dafür ab- 
sustatten, daß er der im vorigen Jahre von dieser Stelle aas gegebenen An¬ 
regung Folge geleistet and die Stelle des Hallenser Kreisarztes in eine voll- 
besoldete amgewandelt wird. Wir haben aber in Halle zwei Kreisärzte, and 
was dem einen recht ist, das ist dem andern füglich billig; denn die Verhält¬ 
nisse Uegen bei beiden vollständig konform. Der Kreisarzt für den Landkreis, 
dea Saalkreis, ist ebenso überlastet wie der Kreisarzt für die Stadt Der 
Saalkreis bat insofern eine ongünstige geographische Lage, als die Entfernung 
zwischen dem Norden und dem Süden sehr groß, zwischen dem Osten and dem 
Westen aber verhältnismäßig gering ist. Im Südwesten reicht der Merseburger 
Kreis bis unmittelbar vor die Toro der Stadt, während anderseits der Sm- 
kreis sich nach Norden aaf weite Standen erstreckt, sodaß der Kreisarzt zum 
Besuch eines Typhaskranken unter Umständen 6 bis 7 Standen gebraacht 
Der Kreisarzt für den Saalkreis hat im Jahre 1907 schon 8600 Joarn^ommern 
gehabt und er maß mit einer Vermehrung für das laufende Jahr rechnen. 
Das pensionsfähige Nebeneinkommen hat für die Stelle — das ist sehr inter¬ 
essant — nach dem Durchschnitt der drei letzten Jahre tatsächlich, sage und 
schreibe, 179 M. betragen. Wenn man solche Zahlen hOrt, maß man sagen, 
daß hier ein gewisser Notstand vorliegt. Deswegen empfehle ich die Wünsche 
dar Kreisärzte im allgemeinen und den Wansch dieses Kreisarztes Im ganz 
besonderen dem Wohlwollen des Herrn Ministers. (Bravo I bei den National¬ 
liberalen). 

Abg. Peltasohn (freis. Ver.): M. H.I Dem Beigen, welcher sich seitens 
aller Parteien um die Kreisärzte schlingt, möchte nach ich mich anreihen, um 
vor allem darauf hinzaweisen, daß die Medizinalreform, welche von uns stets 
gefordert worden ist, und wobei als Haaptvorkämpfer Virchow fangierte, 
noch immer Zakanftsmusik ist. Ich wäre sehr geneigt, das näher aaszaftthren, 
wenn ich nicht befürchten müßte, daß nach dem Schloß der Generaldebatte ich 
von dem Herrn Präsidenten unterbrochen werden würde. 

Das Gesetz vom 16. September 1899, welches eine Art Beform bezüglich 
der Kreisärzte darstellen sollte, brachte eine solche auch nicht, sondern 
eigentlich nar den Versuch, materiell die Kreisärzte za verbessern. Es ist in 
keiner Weise, wie das früher gewünscht worden ist, die Unabhängigkeit der 
Elrebärzte gehoben worden, während sie doch die volle Verantwortlichkeit 
tragen. Der Versuch, welcher mit dem Gesetz von 1899 gemacht worden ist, 
hat sich, wie die Vertreter aller Parteien bereits anerkannt haben, auch als 
onzureicbend erwiesen. Es steht im Vordergrund die Forderung, daß nicht 
aasnahmsweise nar vollbesoldete Kreisärzte bestellt werden sollten, son¬ 
dern daß dies die Begel sein sollte, und nar aasnahmsweise, wo die Verhält¬ 
nisse es nicht gestatten, die Kreisärzte nicht vollbesoldet sein sollten. Nun 
hat der Herr Minister darauf hingewiesen, daß durch diesen Etat eine aoßer- 
gewöhnliche Vermehrang der vollbesoldeten Kreisarztstellen um 6 stattgefundea 
hat. Das erscheint aber doch darchaas nicht genügen^ wenn man bedenkt, 
daß nach dem neuen Etat nunmehr 48 vollbesoldeten Kreisärzten 454 nicht- 
besoldete gegenüberstehen. Es ist also nicht, wie ein Vorredner bemerkte. 



AbgMrdnetealiaiuM ttb«r den Medistnaletet. 


176 


etwa die HSlfte, sondern es sind nnr etwa 9,4**/o aller Erds&nte ToUbesoldet. 
Das erscheint doch nicht als ein richtiges Verhältnis. Der Herr Minister 
würde sich ein großes Verdienst erwerben, wenn er in sohlennigerem 
Tempo innerhalb des Gesetzes Vorgehen würde, oder wenn 
er vielleicht dazu beitragen wollte, anf eine Abändernng des 
Gesetzes nach der Bichtnng hinznwirken, wie ich mir anzn« 
deuten erlaubt habe. Die lunweisong der nicht vollbesoldeten Kreis* 
ärzte auf Gebühren und auf Privatpraxis ist wiederholt schon von den 
Herren Vorrednern bdeuchtet worden. Ich möchte darauf nicht weiter ein* 
neben; nur muß immer wieder darauf hingewiesen, daß nicht zu verkennen ist, 
daß die Ausübung ein er ausgiebigen Privatpraxis sehr oft nicht 
mit der Autorität eines mit obrigkeitlichen Befugnissen aus* 

i estatteten Beamten vereinbar ist, und daß die Energie des 
reisarztes auch leiden kann, wenn er Bücksicht auf seine 
Kundschaft nehmen muß. Es ist auch von den Herren Vorrednern dar* 
gelegt worden, daß tatsächlich nnr ein Bruchteil der Kreisärzte in der Lage 
ist, wirklich Privatpraxis zu treiben, und dieser Bruchteii wird sich noch ver* 
mindern, wenn man bedenkt, daß es noch eine große Anzahl alter Kreispbysiker 
gibt, die natürlich ihre Klientel in das neue Amt mitgebracht haben und die 
Privatpraxis mit Bücksicht auf diese Klientel nicht ganz anfgeben können. 
Wenn diese alten Kreisärzte wegfallen, so wird der Prozentsatz derjenigen 
Aerzte, die in der Lage sind, Privatpraxis zu treiben, sich noch erheblich ver* 
mindern. (Sehr richtig!) Wenn im Jahre 1905 festgestellt wurde, daß diese 
Kreisärzte durchschnittlich 6,6 Stunden für ihr Amt brauchen, und daß ^e 
Tätigkeit 67*’/o ihrer Gesamttätigkeit in Anspruch nimmt, so wird man sagen 
müssen, daß es damals schon ein hoher Prozentsatz war; allein die Verhältnisse 
haben sich offenbar in der Zwischenzeit so geändert, daß man wohl annehmen 
kann, daß das Amt jetzt mindestens 76'*/o Sirer Gesamttätigkeit in Anspruch 
nimmt. Das klingt auch gar nicht unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, in 
welchem Maßstabe sich die Anforderungen an die moderne Hygiene gesteigert 
haben, daß die Kreisärzte jetzt intensiver auch die Schulen, die Krankenhäoser 
beaufsichtigen, daß ihre Tätigkeit bei den Konunnnen mehr auch anf 
KanaUsationen, Wasserleitungen und Schlachthäuser sich erstreckt, und vor 
allem, wenn man in Bücksicht nimmt die Anforderungen des Ansführungsge* 
setzes zum Scuchengesetz an die Kreisärzte. (Sehr richtig!). 

Nun ist im Jahre 1899 als wesentliches Moment angeführt worden, daß 
die Arzte in der Lage sein müßten im Zusammenhänge mit der Praxis zu 
bleiben, daß der Konnex mit den kranken Menschen durchaus notwend^ ist. 
Allein ein Aequivalent wird ihnen doch dadurch geboten, daß sie als Eisen* 
bahnärzte, als Gefängnisärzte beschäftigt werden, und daß last jeder dieser 
Kreisärzte jetzt auch ein Kreiskrankenbaas unter sich hat. 

Dann ist ferner auch auf die Gebühren schon vielfach hingewiesen 
worden. Ich brauche kein Wort mehr zu verlieren; die Königliche Staats* 
regierang hat selbst schon anerkannt, daß die Annahme des Gebührensatzes 
im Jahre 1899 nicht richtig gewesen ist. Es kommt das schon znm Ausdruck 
durch dio Erklärung des Herrn Ministers, daß bei der Pension jetzt an Stelle 
der Gebühren ein fester Satz von 2250 M. angenommen wird. 

Nun könnte man sich ja fr^en, in welcher Weise denn die Forderung, 
daß in der Begel vollbesolldete Kreisärzte angestellt werden, erfüllt werden 
könnte. Der Herr Vorredner aus der konservativen Partei hat ja schon eine 
Maßregel empfohlen. Ob diese wirklich ausführbar ist, kann ich nicht recht 
beurteilen. Ich glanbe aber, darauf hinweisen zu können, daß es sehr wohl 
gerechtfertigt ist, die Ausübung der Funktionen als Gerichtsarzt 
von der des Kreisarztes zu trennen. Es haben auch hier die Ver* 
bältnisse sich so gestaltet, daß man wohl annehmen kann, daß ein Durch* 
Schnittsarzt nicht mehr in der Lage ist, die beiden Aemter voll zu versehen. 
Die Entwicklung der Wissenschaft und der ganzen Verhältnisse hat dazu ge* 
führt, daß man wohl sagen kann, das Amt der öffentlichen Gesundheitspflege 
erfordere ebenso einen vollen Mann wie das der gerichtlichen Medizin, wenn 
der Kreisarzt in beiden wichtigen Fragen die Autorität darstellen soll, die er 
sein soll. Wenn man nach dem Vorschläge, der schon früher gemacht worden 
ist, für jeden Landesgerichtsbezirk einen besonderen Gerichtsarzt bestellt und 
dadurch die Kreisärzte von gewissen Geschäften erleichtert, so wird es möglich 



i7f> Pie diesjährige Beratang des prenfliscbea 

seiiif ihnen grttBere Bezirke in vielen Fftilen zu flbertragen nnd sie dann aneh 
voll zu besolden. 

M. H., eine besondere Beaohtong verdient aneh die Dlenstanfwands* 
entseh idignng, die dem Kreisarzt im Etat aasgesetzt ist. DieKreisftrzte 
kiagra, •'Wohl auch mit Recht, das die Dlenstaatwandsentsentseb&dignng fflr 
sie nieh« aasreichend ist, daS sie bei den gesteigerten Geschäften nicht in der 
Lage si d, selbst die Schreibarbeit za leisten, sondern sich entweder eine be¬ 
sondere Schreibhiife anschaffen oder ihre Familienmitglieder dafür in Anspmch 
nehmen müssen. Das erscheint mir doch nicht als e& würdiger Zastand, and 
die Königliche Staatsregierang wird vielleicht doch prüfen müssen, ob die 
Dienstaafwandsentschädigang nicht erhobt werden mnfi. 

Dann ist in früheren Jahren viel über die Art der Pensionierang 
der nicht vollbesoldeten Kreisärzte genrochen worden. Wir müssen 
ans für dieses Jahr mit dem begnügen, was der Herr Minister aasgeführt hat, 
dafl za dem Gehalt ein fester Satz von 2250 H. als Zulage in Aossicht ge¬ 
nommen ist. Man wird zageben müssen, daß vorläufig, wenn nicht andere 
Erfahrungen gesammelt werden, dieser Satz ausreichen konnte; denn er über- 
scnreitet im Durchschnitt das Durchschnittsgehalt eines volibesoideten Kreis¬ 
ärzte^ und danach wird man doch immer rechnen müssen. Es ist aber 
vieUmcbt zu erwägen, ob nicht später einmal radikal dahin verfahren wird, 
daß überhaupt den nicht vollbesoldeten Kreisärzten die Pension 
des volibesoideten Kreisarztes bewilligt wird, und dann, meine 
Herren, wird es nach ein Aosilaß der Billigkeit sein, den Aerzten die Zeit 
der Vorbereitung anzarechnen. Man maß bedenken, daß ein Kreis¬ 
arzt sdne Prüfung erst ablegen kann, wenn er eine gewisse Zeit in der Praxia 
gewesen ist, and diese Zeit kann man doch wohl als eine Art Vorbereitangs- 
dienst ansehen. Deshalb wäre es in gewisser Beziehung vielleicht ge¬ 
rechtfertigt, wenn ein Kreisarzt tatsächlich erstin höherem 
Alter zur Anstellung kommt, ihm diese Zeit bei der Pen¬ 
sionierung anzarechnen. 

Als etwas Neues erscheint in diesem Etat dann die Pauschalierang 
der Reisekosten. Ob diese in der geforderten Hohe von 865090 M. aas- 
reichen wird, erscheint mir sehr zweifelhaft, und zwar schon deshalb, weil der 
Satz von 1905 angenommen worden ist, davon aber nnr 90*/*. Nun nehme 
ich an, daß seit 1905 sich vielleicht schon die Hohe der gewährten Reisekosten 
vergrößert hat. Wir kOnnen das nicht nacbprüfen, weil diese Reisekosten in 
einem allgemeinen Fonds stecken; aber man kann wohl sagen, daß durch die 
erhöhte Liansprachaahme der Kreisärzte besonders durch das Seuchengesets 
wohl anznnehmen ist, daß diese Reisekostenentschädigung jetzt hoher sein 
wird als im Jahre 1905. Herr Kollege Dr. Raegenberg hat schon daranf 
hiogewiesen, daß es vielleicht verfrüht gewesen ist, jetzt schon die Paoscha- 
lierang vorzanehmen, daß man vielleicht noch einige Jahre hätte wartra 
sollen; wenn das aber nicht beliebt worden ist, wäre es vielleicht gerecht¬ 
fertigt gewesen, nicht nar 90 '^/o der Kosten von 1905 zu nehmen, sondern man 
hätte eine höhere Summe in Aussicht nehmen sollen. 

Die Art nnd Weise, wie die Teilung dieses Pauschalsatzes in Anzsieht 
genonunen ist, erscheint mir glücklich. Es ist darchaus notwendig, daß ein 
gewisser Satz der Zentralbehörde verbleibt znr Verteilung an diejenigmi Kreis¬ 
ärzte, die durch Epidemien oder Seuchen aaßergewOhnlich in Anspmch ge¬ 
nommen sind. 

Nach alledem erscheint es ja erfrenlich, daß die Medizinalverwaltong, 
soweit sie es innerhalb der Gesetze vermag, Fortschritte vorweist; allerdings 
es ist doch geboten, daß auch wirklich mal eine gründlichere Reform in Ans- 
sicht genommen wird, und daß dabei alles dasjen^e, was hier im Hanse vor¬ 
gebracht ist, wohlwollende Berücksichtigung bei der Königlichen Staatsregie- 
ruhg findet. (Beifall links.) 

Abg. dTSsling (freis. V.-P.); M. H., was die Stellung nnd die Tät^keit 
der Kreisärzte anlangt, so ist die Frage erwogen worden, ob man den iLreis- 
ärzten die für Stadt und Land so wichtige NanrungsmittelkontroUe übertragen 
solle. Der Vertreter der Staatsregierang hat meines Erachtens mit Recht die 
Meinung vertreten, daß es nicht richtig wäre, auch diese Tätigkeit den Kreis¬ 
ärzten zur Zeit zu übertragen; denn die Aufgaben der Kreisärzte wacbsen von 



AbgaordnetonhMum Uber den Mediainaletat 177 

Jahr za. Jahr ao, insbesondere auch infolge der Dorchführong des prenfiischen 
Seuchen gesctzes. 

Mil Becht ist auch in der Badgetkommission hervorgehoben worden, 
die Verantwortang der Kreisärzte sei schon so groß, daß man eher daran 
denken sollte, diese Verantwortang vielleicht za mildern. Der Herr Minister 
hat ferner zatreffend dargelegt, eine wie schwere Aufgabe die Kreisärzte zur 
Zeit haben da sie es eigentlich dem Pablikam nie recht za Dank machen 
können. Entweder treten sie nicht rechtzeitig den Uebelständen entgegen, die 
mit einer Seachengef&hr verbunden sind, oder sie schreiten za frtthzeitig ein 
und erregen dann wieder das Mißfallen des Pablikams. Es wird also vor älem 
nötig sein, das Vertraaen im Pablikam den Kreisärzten gegenüber za stärken 
und sie deshalb nicht za sehr mit Aufgaben za belasten, die vielleicht geeignet 
sind, dieses Vertraaen abzoschwächen. 

M. H., über die Stellang der Kreisärzte ist bereits am Sonn** 
abend aasfübrlich verhandelt worden. Es sind ja alle auch von mir geteilten 
Wünsche mit der größten Ausführlichkeit von den Herren vorgetragen, and 
ich möchte sie um so weniger wiederholen, als sie sämtlich niedergelegt sind 
in einem Aafaatz von dem Qeh.Med.-Bat Dr. Bapmand über das preußische 
Medizinalwesen im Staatshaashaitsetat 1908, der veröffentlicht ist in der Zeit* 
Schrift für Medizinalbeamte, der selbstverständlich den Vertretern der Begie* 
rang bekannt ist Nor will ich bervorheben, daß etwa 75 "/o aller Kreisärzte 
vollbeschäftigt sind and zar Anstellung einer diesem Prozentsatz entsprechenden 
Zahl von Kreisärzten ein Aufwand von 600 000 M. nötig sein würde, daß diese 
Somme aber wahrlich im Verhältnis za dem Zwecke nicht zu hoch ist. Wenn 
der Herr Minister gesagt hat, daß der Zuwachs an vollbesoldeten Kreisärzten 
bisher nicht die Zeüd erreicht bat wie in diesem Etat, so ist zu erwidern, daß 
im vorigen Jahre 5 and in diesem Jahre 6 mehr vollbesoldeto Kreisärzte ein¬ 
gestellt sind. Dieser Zawachs ist doch so geringfügig, daß er kaam in Be¬ 
tracht kommen kann, wenn man bedenkt, daß nur ein Siehntel aller Kreisärzte 
vollbeeoldet sind. 

Mit großer Freade ist ja za begrüßen, daß den Pensionswttnschen 
der Kreisärzte im nächsten Jahre Bechnong getragen werden soll, und dass 
wir schon in diesem Jahre eine Vorlage bekommen, welche sich beschäftigt 
mit der Neaordnang der Gebühren der Medizinalbeamlen und auch die gesetz¬ 
liche Grandlage für die Pensionswünsche, die die Kreisärzte meines Eraebteos 
mit Becht hegen, schaffen soll. Was die Paaschalierung des Beise- 
kosten anlangt, so hebe ich nur hervor, dass die Samme mindestens für die 
nicht vollbesoldeten Kreisärzte za gering ist. 

Dann möchte ich an den Herrn Minister die Bitte richten, die guten 
Beziehungen der Kreisärzte za den anderen Aerzten so viel als 
möglich za pflegen. Es ist bereits in der Badgetkommission ein charak¬ 
teristischer Fali vorgetragen, ln eioer Stadt Ostpreußens war 81 Jahre eia 
Sanitätsrat als Gefängnisarzt tätig. Der Vertrag wurde ihm aas Gründen, die 
meines Erachtens nicht erheblich genug waren, gekündigt. Ich will auf die 
einzelnen Gründe nicht eingeben, da der Fall insoweit zum Bessort des Justiz¬ 
verwaltung gehört, und es mir auch nicht richtig erscheint, ausführlich auf 
die Gründe einzagehen. Die dem Sanitätsrat, der 81 Jahre als Gefängnisarzt 
tätig gewesen war, gekündigte Stelle sollte nun an den besoldeten Kreisarzt 
übertragen werden, und zwar für ein höheres Gehalt, als der Sanitätsrat bis 
dabin erhalten hatte. Der Kreisarzt war aber gar nicht in der Lage, die 
Stellang anzonehmen, weil er den ehrenwörtlichen Verpfllchtungsschein unter¬ 
zeichnet hatte, der dem Herrn Minister Anlaß gegeben hat za einer Nachfrage 
nnter den Kreisärzten. Jetzt übt der Kreisarzt ohne Vertrag für die Mindest- 
sitre die Tätigkeit des Gefängnisarztes aus. Und es kommt noch hinzu, daß, 
laÜs der Kreisarzt verhindert ist, der Sanitäterat, der 81 Jahre als Gefäognis- 
arzt longiert hatte, den Kreisarzt noch vertreten maß. Daß solche Dinge 
Mißstinunongen anter den Aerzten hervorrafen, wird einer näheren Aasführang 
nicht bedürfen (Se^ richtig! links). Ich möchte an den Herrn Minister die 
Ktte richten, nach dieser Biehtang hin ein wachsames Auge za haben. Not¬ 
wendig ist es, daß das Vertraaensverhältiüs zwischen den ^eisärzten und den 
anderen Aerzten und aaoh unter den Privatärzten selbst erhalten bleibt and 
gestärkt wird; aaoh das Vertraaen des Pablikams zu den Aerzten muß ge- 



17S 


Die dletjftbiige Beretong de« preofifieheii 


hoben werden. Ee ist daher Aufgabe der Verwallnng, alle Hißhelllgkeiten 
auf diesem Gebiete im Interesse der Sache aas dem Wege za räomen. 

Minister der osw. Medizinalangelegenheiten Dr. Holle; M. H.I Die 
Herren Vorredner haben eine Fülle yon Anregungen und Wünschen bezüglich 
der staatlichen Medizinalbeamten hier geäußert, die mir Anlaß geben, etwas 
näher darauf einzugehen. 

Der Herr Abg. Voß hat gesagt: ü eher elf er ist besser als das Gegen« 
teil. M. H., ich glaube, dem wird man im Grande auch beitreten müssen. 
Die Kreisärzte haben eine außerordentlich schwere Pflicht, die darauf gerichtet 
ist, üebelstände in sanitärer Beziehung zur Geltung zu bringen, und diese 
Erinnerungen yon ihnen treffen natürlich denjenigen, auf den sie gerichtet sind, 
flnanziell, so daß diese darum mit den Anordnungen der Medizinal beamten in 
der Begel nicht zufrieden sein wird. Es sind darum auch in jedem Jahre 
Klagen wegen des üebereifers der Kreisärzte gekommen, die bekanntlich im 
Jahie 1904 zu einer eingehenden Ermittlung der Medizinalyerwaltung Veran« 
lasBung gegeben haben. Die eingeforderten Berichte sind dem Hohen Hanse 
in einer Denkschrift mitgeteilt. Sie hatten freilich das erfreuliche Er¬ 
gebnis. daß die staatlichen Behörden der Tätigkeit der Kreis¬ 
ärzte im wesentlichen nur Anerkennung zollen konnten, ab¬ 
gesehen yon einzelnen Vorkommnissen, die selbstyersUlndlich bei einer so großen 
Zahl leicht passieren. Diese Anerkennung ist dann auch in einem Erlaß 
meines Herrn Amtsyorgängers zur Kenntnis der Kreisärzte gebracht worden. 

Aber m. H., in diesem Erlaß ist weiter auf § 38 der Dienstanweisungen 
yon 1901 hingewiesen, in welchem bestimmt ist: ^die Vorschläge zur Abstel¬ 
lung yon Mißständen müssen den gegebenen Verhältnissen, insbesondere den 
flnanziellen Mitteln der Kommunen sich anpassen und sollen unter Berttcksich- 
tigung praktischer Erfahrungen nicht über das Maß des tatsächlichen Bedürf¬ 
nisses hinausgehen“. Das ist das Wesentliche, m. H., und um den Beschwerden 
über den Uebereifer der Kreisärzte die Spitze abzubrechen, mochte ich mir 
darauf hinzuweisen erlauben, daß die Kreisärzte, abgesehen yon Notfällen, 
nicht das Becht zu direkten Anordnungen haben, sondern nur be¬ 
gutachtend und beratend wirken, während die Ausführung ihrer Vor¬ 
schläge durch die Verwaltungsbehörden angeordnet wird. Ich bitte, wenn der 
eine oder andere der Herren Abgeordneten einmal besondere Klagen über 
elneo Kreisarzt glaubt zur Geltung bringen zu sollen, doch mir den Fall an- 
zuzeigen. Ich werde gern dahin wirken, daß ein etwaiger Uebereifer zurück¬ 
gedrängt wird, während ich anderseits auch den Wunsch habe, daß 
der Eifer niemals erlahmen mochte. (Brayo!) 

Die Frage der guten Beziehungen zwischen den beamteten 
Aerzten und den Priyatärzten ist immer ein Gegenstand besonderer Auf¬ 
merksamkeit der Zentralyerwaltung gewesen, und soyiel ich weiß, liegen auch 
in der Beziehung weiter keine Beschwerden yor. 

Dann, m. H., ergab die Statistik die auffallende Erscheinung, daß die 
Mortalität auf dom platten Lande größer ist als in den Städten; eine auf¬ 
fallende Erscheinung deshalb, weil nach der allgemeinen Annahme das platte Land 
nach der gesundheitlichen Seite besser gestellt ist wie die Städte. (Bewegung 
rechts.) Dieser Unterschied wird zum Teil darauf zurückgeführt, daß die 
sanitären Verhältnisse in den Bauerndörfern yiel/ach zu wenig beachtet 
werden. (Widerspruch.) Ich glaube auch nicht, daß das in wesentlichem 
Maße der Fall ist, und um zu yerbindern, daß die Ergebnisse der Statistik zu 
scharfe Anordnungen der Kreisärzte heryorrufen, wird erwogen, ob es sich 
nicht empflehlt, die Kreisärzte zu yeranlassen, nur in Verbindung mit Ver¬ 
tretern der Landwirtschaft, der landwirtschaftlichen Vereine usw. darüber zu 
beraten, wie eyentuell die in dem einen oder anderen Bezirke heryorgetretenen 
Üebelstände geheilt werden können, damit sich auf diese Weise die medizinalen 
Anordnungen den Bedürfnissen möglichst anpassen. 

Dann ist die Bede gewesen yon der finanziellen Stellung der yoll 
besoldeten und der nicht yoll besoldeten Kreisärzte, ich erlaube 
mir darauf hinzuweisen, daß auch diesen beiden Beamtenkategorien durch die 
beyorstehende Besolden gsaufbesserung in ihren Gehaltsbezttgen 
gebessert werden sollen. Dann möchte ich betonen, daß eine Ver¬ 
besserung der Pension bei den nicht yoll Besoldeten in der Weise 



AbgeordnetenhftUM Aber den Medlsinaletat 


179 


ia Ansflicbt genommen ist, dnB in Zoknnft nfobt mehr ein Teil der ton ihnen 
bisher bezogenen Oebftbren nls Ornndlnge fttr die Bereehnnng der Pensionierung 
gelten soll, sondern allgemein der Satz yon 2260 Mark ittr jede nicht yoll* 
besoldete Stelle. Ferner soll weiter auch die Erhöhnng der Dienst- 
anf wandsentschädignng der Kreisärzte in Erwägnng genommen werden. 
Eine Aasdehnang des Fttrsorgegesetzes von 1902 auf Unfälle, die 
die Medizinalbeamten in ihrem Amte erleiden, ist eine dankenswerte Anregung, 
Aber die ich gern mit den beteiligten Ministern in Verbindung treten werde. 

Endlich ist die Bede davon gewesen, ob man nicht den Aerzten Jahre 
ihrer früheren Praxis in Anrechnung bringen konnte. M. H., das ist 
ausgeschlossen nach den Bestimmungen des Pensionsgesetzes, das solche Jahre, 
die vor der Vereidigung der Staatsbeamten liegen, yon der Anrechnung ausschließt. 
Im flbrigen wird bei jedem zur Anstellang gelangenden Beamten die Dienst¬ 
zeit, die er als Kreisassistenzarzt zugebracht hat, in Anrechnung gebracht. 

Was weiter das Medizinalkollegium anlangt, auf dessen Beformbedfirf- 
tigkeit der Abg. y. Voß hingewiesen hat, so darf ich bemerken, daß ich diese 
Anschauung teile, ebenso wie mein Herr Amtsvorgänger. Dieser hat bereits 
die beteiligten Behörden zur Berichterstattung veranlaßt. Die Berichte liegen 
vor und ist ihre Verarbeitung bereits begonnen. Es wird darauf ankommen, 
die bisher im wesentlichen auf gerichtsärztliche Tätigkeit beschränkte Arbeit 
der Medizinalkollegien auszudehnen auf die Sorge für die Öffentliche Gesund¬ 
heitspflege. 

Abg. Dr. y. Hejdebmnd und der Lnse (kons.): M. H., ich will auf 
die Besoldangsfrage der Kreisärzte nicht näher eingehen; auch meine poli¬ 
tischen-Freunde sind bereit, anznerkennen, daß die Tätigkeit der Kreis¬ 
ärzte eine im allgemeinen nützliche und notwendige ist, und 
daß sie mit uns daran zu arbeiten haben, die sanitären Ver¬ 
hältnisse zu bessern, soweit es den Kräften der Heiligten an¬ 
gemessen ist. 

Aber ich mOchte doch eine Mitteilung, die der Herr Minister machte 
mit bezog auf die allgemeinen Gesundheitsverhältnisse auf dem 
Lande, nicht ganz ohne eine Gegenbemerkung lassen. Der Herr Mi¬ 
nister hob hervor, daß die Statistik — und was beweist die Statistik Leute 
nicht alles I — klarlegte, daß die Mortalität in den ländlichen Verhältnissen 
viel bedeutender wäre als in den Städten, und daß daher neue verstärkte An- 
. Ordnungen auf sanitärem Gebiet auf dem Lande getroffen werden müssen. Ja, 
für diese Mortalität in den ländlichen Verhältnissen gibt es auch eine Erklärung, 
die nicht notwendig mit diesem Umstand zosammenhängt; daß ist einfach das 
Moment, daß wir auf dem Lande nur noch Greise und Kinder haben, (sehr 
richtig! rechts) und daß die gesundheitlich Kräftigen, die Bevölkerung in den 
besten Jahren, nach den großen Städten geht. Daß daher die Mortalität auf 
dem Lande größer ist, ist klar. 

Ferner ist selbstverständlich, daß die Einrichtungen in den größeren 
Städten sehr viel leichter und zweckmäßiger und mit größeren Mitteln ansge¬ 
staltet werden kOnnen als auf dem Lande. Man kann ancUdlich viele Dinge 
auf dem Lande einfach nicht so herstellen, wie es in den Städten möglich und 
notwendig ist. Deshalb gibt die Statistik in der Beziehnng kein richtiges 
Bild. Ich würde doch raten, daß der Uebereifer der Herren Kreisärzte sich 
nicht zu ausschließlich auf diese Fragen stürzte; denn die Herren Kreisärzte, 
was ich ihnen nicht verdenke, sind bemüht, möglichst gute Zastände herbei- 
zuführen. Aber ich finde, daß sie manchmal zu wenig an die denken, die die 
Sache zu bezahlen haben, (sehr richtig!) und da ist leider der Schatz, der 
von der Begierungsinstanz gewährt wird, nicht immer so wirkungsvoll, wie ich 
es gern sehe; denn man weiß, wie die Sache an der Begiernng zngeht. Der 
Medizinalrat bekommt die Sache zur Bearbeitang, der Begierungspräsident ist 
bei seiner großen Geschäftsüberlastnng nicht in der Lage, die Sache zu kon¬ 
trollieren; das kommt also unverändert an den Landrat zurück, der pflicht¬ 
mäßig dieser Anordnung weitere Folge gibt. Dann werden eine Beihe von 
Maßregeln getroffen, von denen man wirklich zweifelhaft sein kann, ob sie 
absolut nOUg sind. Es gibt Verhältnisse, die sich sanitär ganz leidlich Jahr¬ 
zehnte hindurch gehalten haben und noch sehr lange erhalten würden, 
wenn man die Verhältnisse berücksichtigte, wie sie einmal vielfach auf dem 



180 


Besprechungen. 


Lande sind. loh wttrde also nur bitten, dafi man diese Statistik nnd die Eon. 
troile der Begiemn^nstans nicht ais maßgebende Hitwirknng fttr den üeber* 
eifer erblickt, wie sie der Herr Minister zn erblicken schien. Ich glanbe, daß 
die Tätigkeit der Kreisärzte wohl wert ist, mit allem Ernst geleitet zn 
werden. Wir haben eine verbältniamäßig nene Einrichtung mit ihnen getroffen 
und mfissen abwarten, wie sich die Verhältnisse anf dem Gebiete gestalten 
werden. Wir haben — von seiten meiner politischen Frennde — besonderen 
Wert darauf gelegt, daß den Herren Kreisärzten auch ihre Privatpraxis er¬ 
halten bleibe, und zwar nicht bloß, damit sie nebenher finanzielle Einnahmen haben, 
sondern damit sie mit dem wirklichen Leben in Ftthlnng bleiben nnd sich nic^t 
bloß als offizielle Verbesserer der offiziellen Hygiene betrachten, (sehr richtig!) 
was dann leider eben zn Konsequenzen führt, die ja sehr gut gemeint sind, 
aber den tatsächlichen Verhältnissen nicht in dem Maßo entsprechen, wie es 
notwendig ist. Bas Zweckmäßige, das Notwendige wollen auch wir; den Fort¬ 
schritt auf dem Gebiete wollen auch wir; aber wir wollen auch Bücksicht 
haben anf die Verhältnisse, wie sie sich entwickelt haben, nnd auch Bücksicht 
anf diejenigen, die die Sache za bezahlen haben. (Lebhafter Beifall rechts). 


Besprechungen. 

Dr. Stiar, Stabsarzt, Berlin: Die aknte Tninkenlieit und Ihre stref- 
reolitliohe Begataohtnng mit besonderer Berllokslohtlgang der 
mUltftrlaohen Yerhältniaae. Mit einer Tafel nnd einer Knrye im Text. 
Januar 1907. Verlag yon G. Fischer. Gr. 8", 153 Seiten. Preis: 4,60 M 

Verfasser behandelt zanächst die Wirknngen des Alkohols auf das Seelen¬ 
leben nnd ihre Bedeutnng für die Armee, darauf den Kampf gegen die 
Trunkenheit in verschiedenen Formen. Der dritte Abschnitt handelt über die 
rein ärztliche Beurteilung der akuten Trunkenheit bei Delikten nnd der vierte 
über die einzelnen Bauschzustände in ihrem Verhältnis zum § 51 des Beichs- 
Strafgesetzbuchs. In seinem letzten Abschnitt kommt Verfasser dann zu dem 
Ergebnis, daß der Kampf gegen die ans der Trunkenheit hervorgehenden Un¬ 
sitten in erster Linie auf einen Kampf gegen die Trunkenheit selbst nnd anf 
einen Kampf gegen jeden übermäßigen Alkoholgenuß hinanslaufen muß. Er 
wendet sich dabei gegen die Unsitte, Soldaten zur Belohnung fttr gute Leistungen 
Alkohol zu geben. Eine Aenderung der bestehenden Gesetze hält er einst¬ 
weilen, bis Klarheit anf diesem Gebiete geschaffen ist, nicht fttr nOtig. Das 
Buch ist flott nnd auch für den Laien verständlich geschrieben, so daß es 
nicht nur Sadiverständigen, sondern auch Bichtem empfohlen werden kann. 

Bpd. 


Prof. Dr. Dimbar- Hamburg: Leitfaden der Abv&aserrelnlgangBfrage. 
Mit 47 Abbildungen. Berlin 1907. Verlag vonB. Oldenbourg. Kl. 80, 
886 Seiten. Preis: geb. 9 Mark. 

Verfasser gibt im vorliegenden Buche zuerst einen Ueborblick über die 
Entwicklnngsgescbichte der Abwasser frage, um dann zu dem gegenwärtigen 
Stand der Abwässerbehandlung ttberzugehen. Nachdem er den Charakter der 
Abwässer und die Aufgaben der Abwässerreinigungsanlagcn besprochen hat, 
beschreibt er die verschiedenen Methoden zur Ausscheidung ungelöster Stoffe 
und zur Beseitigung der Fänlnisfähigkeit. Schließlich behandelt er noch die 
Abwässerdesinfektion, die Prttfung und Beurteilung der Abwässerreinignngs- 
anlagen sowie die Kosten und Leistungen der verschiedenen Verfahren. Viele 
Abbildungen untersttttzen den Text sehr wesentlich. Obwohl sehr viel Material, 
wie Verfasser selbst sagt, unberücksichtigt bleiben mußte, weil das Werk sonst 
bei der intensiven Entwicklung der Abwässerirage über den Bahmen eines 
kurzen Leitfadens hinausgegangen wäre, giebt es doch einen guten Ueber- 
bück über Stand und Methoden der Abwässerbehandlung. Bpd. 


Jnstizrat A, Joaohlm nnd Dr. JoaoUm- Berlin: Die prensalaohe Qb- 
btthrenordnung für approbierte Aerate nnd Zabnftrate Tom 



BeBprechtingeii. 


181 


IB. M»1 1896. Zweite, rermehrto und yerbesserte Auflage. Berlin 1907. 

Verlag yom 0. Coblenz. Or. 12*, 264 Seiten. Preis: geb. 6 Mark. 

Die neue Auflage dieses Baches, das in seinem Anhang noch das Ge- 
btthrengesetz vom 9. März 1872, eine Abhandlung Ober gerichtliche Geltend* 
machang des Honorars und praktische Beispiele für die Bemessung der Ge¬ 
bühren enthält, hat eine erhebliche Umarbeitung und Erweiterung erfahren, 
um dem Bedürfnis des praktischen Arztes noch mehr Bechnung zu tragen. 
Das Buch hat dadurch an Wert gewonnen und dürfte dem praktischen Arzte 
auch weiterhin ein guter Wegweiser bei der Aufatellung seiner Liquidation sein. 

_ Bpd. 


Dr. Pfeiffer, Geb. Med.-Bat in Weimar: TMOlieiibixolL der Ereakea- 
pflege fttr Krankeapflegesolinlea, für Aerste nadfflr die Familie. 
Vierte yollständig nmgearbeitete Auflage. Weimar 1907. Verlag H. BOhlan, 
Nachfolger. 12*, 444 Seiten. Preis: 6 Mark. 

Vorliegendes Buch, das yom Verfasser unter Mitwirkung zahlreicher 
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in erster Linie für die Schülerinnen der 
Pflegerinnen-Anstalt Sophienhaus in Weimar heraasgegeben ist, enthält zwei 
TeUe. Der erste Teil zum Unterricht für die Erankenpfl<‘gerinnen bestimmt, 
umfaßt alle Prüfungsgegenstände der Bundesratsyerordnung yom 22. März 1906. 
Der zweite Teil ist der Spezialfrage der wichtigsten Krankheiten gewidmet 
und soll als Nachschlagebuch für Pflegerinnen, Mütter und auch Aerzte dienen. 
Die einzelnen Abschnitte sind in übersichtlicher und yerständlicW Art 
bearbeitet; zahlreiche Abbildungen erleichtern im ersten Teil das Verständnis. 
Der zweite Teil enthält auch für den Arzt sehr wertyolle Abhandlungen, die 
ihm bei der Erteilung yon Verhaltungsmaßregeln an Angehörige bd der Pflege 
yon Kranken wesentliche Dienste leisten können Bpd. 


Dr. BlMOhko und Dr. Jaoobuohn-Berlin: Therapeatlsohee Tasohen- 
baoh der Haut-und Qeaolileolitakrankheiten. Berlin 1907. Fischers 
medizinische Buchhandlang (H. K o r n f e 1 d). Gr. 12 o, 180 S. Preis: 2,80 M. 

Das Buch, das den nicht zu unterschätzenden Vorteil des handlichen 
Formates bat, gibt im wesentlichen die Therapie wieder, die seit Jahren an 
der Klinik yon Dr. Blaschko mit Erfolg geübt wird. Die Abhandlungen 
sind kurz, übersichtlich und, wie sich das bei einem Taschenbuch gehört, ohne 
unnötigen Ballast. Für etwaige Bemerkungen findet sich zwischen je zwei 
Seiten ein leeres Blatt. _ Bpd. 


Dr. Orofljahn und Dr. Krlegal-Berlin: Jahresberlobt Aber noalale 
Hygiene, Demographie und Medlalnaletatletlk und alle Zweige 
des eoBlalen Vemloherangswesens. VI. Band: Bericht über das Jahr 
1906. Jena 1907. Verlag G. Fischer. 876 Seiten, Preis: 11 Mark. 

Die seit 1902 regelmäßig erscheinenden Jahresberichte haben überall 
eine günstige Aufnahme gefunden und sich eine große Menge Anhänger 
erworben. Bei der ungeheuren großen Menge der Veröffentlichungen auf dem 
Gebiete der sozialen Hygiene usw. ist es für den Einzelnon sehr schwierig, 
ja fast unmöglich, sich genau zu orientieren. Durch diese Jahresberichte wird 
es aber jedem, der sich mit den Aufgaben der sozialen Hygiene beschäftigen 
muß, leicht gemacht, sich in den einschlägigen Gebieten zurechtzufinden. Die 
übersichtliche klare Anordnung des Stoffes nimmt dem Zareebtfinden jede 
Schwierigkeit. Die Disposition und die Art der Behandlung des Stoffes 
ist auch bei diesem Band dieselbe wie früher geblieben, nur ist der Um¬ 
fang des Werkes entsprechend dem Anschwcllen der Literatur etwas größer 
geworden. Die Jahresberichte yerdienen in den weitesten Kreisen Eingang 
zu finden. _ Bpd. 


Dr. Bnmiuii- Breslau: Die prektlsobe Geburtshilfe. Wiederholungsbuch 
für Hebammen und Einführung in das neue preußische Hebammenlehrbucb. 
5. Auflage. Berlin 1907. Verlag E. Staude. Gr. 12*, 140 S. Preis: 1,80 M. 
Das Büchlein enthält in gedrängter Kürze das praktisch wichtige für 
eine Hebamme und ruft ihnen das iälemte wieder ins Gedächtnis zurück. 



182 


Tsgeniachriohten. 


■Widitigere Stellen and Schlacworte sind gesperrt gedrackt and erleichtern so 
das Verständnis. Sdnra Zweck, als Wiederholangsbach za dienen, wird es yoll 
and ganz erfäUen. __ Epd. 


Ihr. Snltaa, Professor, Berlin: Glriindriaa und Atlas der apealellea 
Ohlrurgie. I. Teil. Mit 40 handlichen Tafeln and 218 zam Teil zwei- and 
dreifarbigen Abbildangen. XXSVI. Band von Lehmanns med.Handatlanten. 
München 1907. Lehmanns Verlag. Gr. 12 **, 459 Seiten. Preis: geb. 16 M. 

In diesem 1. Band behandelt Verfasser die Chirurgie des Kopfes and 
der oberen Bampfh&Kte. Die in harzer, sachlicher Weise abgefaßten Abhand¬ 
lungen enthalten alles Wesentliche and die in ihnen beigegebenen zahlreichen 
Abbildangen erleichtern das Verständnis mehr, als die besten Beschreibangen. 
Die einzelnen Operationen sind zum Teil so vorzüglich beschrieben und durch 
Abbildungen wiedergegeben, daß sie auch jemand, der sie nie hat ausftthren 
sehen, ohne Bedenken aasftthren kbnnte. Ein derartiges kurz gefaßtes and 
doch alles Wesentliche enthaltene Lehrbuch hat wirklich gefehlt; sein Er¬ 
scheinen ist daher nur mit Freade zu begrüßen. Es reiht sich in würdiger 
Weise den anderen Lehmann sehen Handatlanten an and nimmt in dieser 
Sammlong einen der besten Plätze ein. Hoffentlich fällt der IL Band, der in 
nächster Zeit erscheinen soll, genaa so vorzüglich aas. Bpd. 


Prol Dr. Bßttger - Wttrzbnrg: Lehrbnoh der Nubrungsinlttel-Ohemle. 
Dritte, vermehrte und verbesserte Aaflage. Mit 22 Abbildungen und 1 TafeL 
Leipzig 1907. Verlag von Ambr. Barth. Kl. 8*, 901 Seiten. Preis: geh. 
16 M., geb. 17 M* 

Das in seiner dritten Aaflage vorliegende Werk hat durch die Berück- 
sichtigang der neueren Erfahrungen der Wissenschaft eine wesentliche Ver- 
bessernng erfahren, an seinem eigentlichen Aufbau and der Einteilung des 
Stoffes ist jedoch fast nichts geändert. Hinzu gefügt wurde noch ein Antoren- 
register. Großer Wert wurde wieder anf möglichst genaue und vollständige 
Angabe der Literatar gelegt, damit dem Leser Gelegenheit geboten würde, 
sich über besondere Gebiete näher informieren zu können. Die günstige Aaf- 
nahme, die das Werk bei seinen früheren Aaflagen gefunden bat, verdient es 
nach jetzt wieder. Bpd. 


Tagesnachrichten. 

Aus dem preuM. Abgeordnetenluknse. Das Qaellenschntzgeiets ist 
nunmehr von der Kommission durchberaten und wird demnächst in Plenum zur 
Verhandlung kommen. Das Ergebnis der Kommissionsberatung ist im großen 
and ganzen folgendes: Die Kommission ist der Vorlage in der Auffassung 
gefolgt, daß ein Qaellenschutz durch landesrechtlicbe Begelung nur auf der 
Grundlage des öffentlichen Beebts und daher nur für Quellen gewährt werden 
kann, deren Erhaltung ans Gründen des öffentlichen Wohles geboten ist. 
Während der Begierungsentwurf aber solche Gründe unter Umständen auch 
in besonders gearteten wirtschaftlichen Verhältnissen finden will, hat sich die 
Kommission auf den Standpunkt gestellt, daß nur die mit einer Quelle ver¬ 
bundenen Heilwirkungen ihr einen gemeinnützigen Charakter geben können. 
Die Bestimmungen des Entwurfes über das Verfahren, das bei der Fesstellnng 
der Gemeinnützigkeit einer Quelle and eines Scbnrfbezirkes zu beobachten ist, 
haben die Zustimmung der Kommission gefunden. Die Wirkung des Scbnrf¬ 
bezirkes ist dahin erweitert worden, daß die in der Vorlage vorgesehene Ge- 
nehmigungspfiieht für Arbeiten, die auf den gewachsenen Boden einwirken, 
auch alle anderen Arbeiten umfassen soll, die geeignet sind, die Ergiebigkeit 
und Zusammensetzung der Quelle zu beeinflussen. Den Grundsätzen der Vor¬ 
lage über die Gewährung von Entschädigung an die in der freien Verfügung 
über ihr Grundstück beschränkten Grundeigentümer ist die Kommission im 
wesentlichen beigetreten, insbesondere darin, daß die Entschädigung im allge- 



TfewuMdiriehten. 


188 


meinen in Beute sn gew&hren iat and Ersatz noi fttr die durch die Beschr&n* 
hangen herbeigefdhrte Mindeiong des Wertes des Qiandstücks schaffen soll, 
dabei ist aber fttr zweckmäßig erachtet worden, aosdrttcklich aaszosprechen, 
daß entgangener Gewinn in die Entschädigung nicht einzabcziehen ist. An 
den Verpflichtungen, die dem Eigentflmer einer geschützten Quelle auferlegt 
sind, ist sachlich nichts geändert worden. Das Gebiet des vormaligen Herzog¬ 
tums Nassau ist aus dem Geltungsbereich des Gesetzes ganz ausgenommen 
worden, dagegen hat man die Ausschließung nicht auf diejenigen Gebiete 
ausgedehnt, in welchem der Quellenschutz bereits gegenwärtig durch Polizei- 
Verordnung geregelt ist. 


Zufolge Erlasses des Herrn prenß. Ministers der Medizinalangelegenheiten 
vom 19. Februar 1908 werden in diesem Jahre wiederum zwei Fortbildongskurse 
ln der Psychiatrie und tu der gerichtliehen Medizin für je etwa zehn 
Medizinabeamte in der Zeit vom 9. bis 14. März und vom 23. bis 28. März 
d. J. abgehalten werden. Zur Teilnahme an denselben sind Kreisärzte mit 
besonders umfangreicher gerichtsärztlichen Tätigkeit in Aussicht genommen. 


Die dem Bayerischen Landtage vorgelegte neue Gehaltsordnung bringt 
für die Bayerischen Medislnalbeamten sehr erhebliche Verbesserungen ihrer 
Gehaltsvernältnisse. Es erhalten demnach die Vortragenden Bäte im Ministerium 
8400 bis 11400 Mark, die Kreis-Medizinalräte und Landgerichtsärzte 6000 bis 
8400 Mark, die Bezirksärzte und Hausärzte der Strafanstalten 8000 bis 6000 Mark. 
Es sind bei den ersten beiden Bcamtenklassen 4 dreijährige Gehaltsstufen und 
eine letzte Steigerung des Gehaltes vom 18. Dienstjahre ab vorgesehen, bei den 
Bezirksärzten dagegen 5 dreijährige Gehaltsstufen von je 600 Mark und eine 
letzte Steigerung vom 16. Dienstjahre ab. Hoffentlich wird die Vorlage vom 
Landtage recht bald genehmigt. 


Eisass • Lothringen, ln der Sitzung des Landesausschusses am 26. Fe¬ 
bruar gelangte bei Beratung des Etats der Verwaltung des Innern auch das 
Medizinalwesen zur Verhandlung. Der Abg. Dr. Schott widmet hierbei zu¬ 
nächst dem ehemaligen Medizinalreferenten Geh. Ober-Medizinal-Bat Professor 
Dr. Biedert warme Worte der Anerkennung für seine Amtsführung. Erhebe 
sich um die Beform des Medizinalwesens große Verdienste erworben; es sei 
ihm gelangen, diese Beform Im Sinne einer Besserstellung der Kreisärzte durch- 
zuftthren, wenn auch seine Bestrebungen, die beamteten Aerzte von der Aus¬ 
übung einer Privatprazis unabhängig zu machen, noch ihrer Verwirklichung 
harren. Desgleichen habe er den praktischen Aerzten ihre völlige Unabhängig¬ 
keit gegenüber jedem Versuch einer staatlichen Beaufsichtigung zu wahren 
gewußt, wie er ihre Stellung dem Beichstyphuskommissar gegenüber in 
würdiger Weise gestaltet habe. Auch sei es ihm nicht zum wenigsten zu 
danken, daß eine private Organisation der Aerzteschaft zustande gekommen 
seL Der Begierung sprach Dr. Schott weiter seine Anerkennung darüber 
aus, daß sie als Medizinalreferenten keinen Theoretiker, sondern einen Mann 
berufen habe, der seit Jahrzehnten in Elsaß-Lothringen als Arzt und Medizinal- 
beamter tätig sei und das Vertrauen des gesamten Aerztestandes in hohem 
Maße genieße. Hoffentlich gelinge es ihm, die halbverwirklichte Medizinal¬ 
reform glücklich durchzuführen. Die Abgeordneten Dr. Wolf, G. Schott 
und Dr. HOffel äußerten sich hierauf betreffs des Landesgesundheits¬ 
inspektors dahin, daß dessen Tätigkeit hauptsächlich auf dem Gebiete der 
Gewerbebygiene liegen müsse. Unterstaatssekretär Mandel dankte dem 
Abg. Dr. Schott für die anerkennenden Worte, welche er dem früheren Medi¬ 
zinalreferenten im Ministerium, sowie der Berufung des jetzigen Beferenten 
gewidmet habe. Der Landesgesundheitsinspektor sei schon im Jahre 1906 an« 
gewiesen worden, sich in erster Linie der Gewerbehygiene zu widmen; es 
bliebea aber doch auch auf dem Gebiete des Medizinalwesens noch wichtige 
Aufgaben für ihn übrig. _ 



184 


TageBUftohriohteo. 


Der bekannte amerikanische Großindnstrielle Andrew Carnegie In 
Newyork bat fttr die Bobert Koeh-Stiftang eine Million Mark geschenkt, 
soXdaß das Stiftnngskapital nunmehr die erste Million ttberscbritten hat. Di 
seinem an den amerikanischen Botschafter Mr. Charlemagne Tower ge¬ 
richteten Schreiben bemerkt Mr. Carnegie, daß er Koch, Lister, 
Pasteur und Männer wie diese als Führer der Zirilisation ansehe, die es ab 
ihre Anfgabo^betrachten, ihren Mitmenschen zu dienen und ihnen zu helfen. 
Soweit bekannt, istj^diese Schenkung die erste, die Carnegie fttr öffentliche 
Wohlfahrtszwecke in irgendeinem Lande außerhalb der Vereinigten Staaten und 
Großbritanniens gemacht hat. 


TodesflUle. Am 28. Februar bt der Senior der deutschen Chirurgen, 
Wirkl. Geh. Bat Prof. Dr. y. Esmarch in Kiel, Exzellenz, im hohen ^ter 
Ton 86 Jahren gestorben. Seine großen Verdienste um die ganze Entwickelung 
der modernen Chirurgie und um die Ausbildung des Samariterwesens werden 
ihm für alle Zeiten ein ehrendes Andenken sichern. 

Am 22. Februar ist nach längerem Leiden der Erebarzt Geb. Med.-Bat 
Dr. Baer in Berlin im 74. Lebensjahre aus dem Leben geschieden. Sein Tod 
wird nicht nur in den Ereben der Medizinalbeamten und Aerzte ab schmerz¬ 
licher Verlust empfanden werden, sondern auch in weiteren Ereisen, mit Bttck- 
sicbt auf die herrorragenden Leistungen des Verstorbenen auf dem Gebiete 
der Gefängnbbygiene und der Bekämpfung des Alkoholbmus. Ehre seinem 
Andenkenl 


In der am 16. Februar d. J. in Berlin abgehaltenen Sitzung des Ver- 
waltungsrats der Dentseheu Geselbehaft fflr TolksbSder bt an Stdle des 
yerstorbenen Begrttnders der Geselbehaft, Herrn Prof. Dr. Lassar, Gbh. 
Med.-Bat Prof. Dr. Brieger, Leiter der hydrotbcrapeutbchen Anstalt der 
kOnigl. üniyersität, zum Prtoidenten der Gesellschaft gewählt. Die bisherigen 
stellyertretenden Präsidenten und deren SteUyertreter sowie die ausscheidenden 
Beisitzer wurden wiedergewäblt und Prof. Dr. Darm Städter sowie Geh. 
Med.-Bat Prof. Dr. Bubner neugewählt. 

Ferner wurde beschlossen, die diesjährige Hauptyersammlung 
in Essen (Bahr) am 26. und 27. Mai abzuhalten. Anmeldungen zu Vorträgen, 
zur Teilnahme an der Hauptyersammlung und zur Mitgliedschaft sind an die 
Geschäftsstelle der Deutsenen QeseUschiät fttr Volksbäder, Berlin, Bernburger- 
Straße 14, zu richten. 


Der internationale Eongress zur Bekämpfung der Schlafkrankheity 
der bereits im Januar d. J. in London abgehalten werden sollte, wird nunmehr 
am 9. d. Mts. beginnen. Als deutsche Vertreter werden Geb. Bat Professor 
Dr. Bobert Eoch, Legationsrat Dr. y. Jacobi und Oberstabsarzt Dr. Stendel 
teilnehmen. Die Hauptgegenstände der Verhandlung werden dio Einrichtung 
eines internationalen Nacmrichtenbureaus über das Auftreten der Schlafkrank¬ 
heit und die Vereinbarung gemeinschaftlicher Maßnahmen zu ihrer Abwehr 
und Bekämpfung in yerseuchten Grenzgebieten sein. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Prenssen. Nach dem Minbterialblatt fttr Medizinal- und medizinbehe Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit yom 2. bis 12. Februar 1908 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleck lieber, Bttck- 
fallfieber, Pest, Botz und Tollwut: — (—); Pocken: 7 (1), 10 (1); 
Bißyerletzngen durch tollwutyerdächtige Tiere: 6 (—), 14(—); 
Milzbrand: 4 (—), 6 (1); Bahr: 4 (—), 14 (1); Unterleibstyphus: 
206 (18), 190(29); Diphtherie: 1582 (128), 1477 (98); Scharlach: 1688 
(98), 1685 (87);Genickstarre: 80 (11), 89 (15); Kindbettfieber: 127 
(25), 121 (89); Eörnerkrankheit (erkrankt): 198, 208; Tuberkulose 
(gestorben): 628, 626. 


VerantwortLBedaktenr: Dr.Bapmund, Beg.-u. Geh. Med.-Rat in Minden i. W 
J C 0. nraaa. Rsnoct aietaa & F. Seh.-!.. Hofbnelidniclnral Ir MIbS«»- 




2t Jahrg. 


Zeitschrift 


i»od. 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


ZMtnlUttt fir in gnanti IninAiittMtm, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Henui8gegebe> 

Toa 

Dr. OTTO RAPMDND, 

Begleiiiaf»- aad 0eh. Mediiiaalral In Mtadea. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag Yon Fischers rnedis. Buehhandlg., H. Kornfeld, 

HtnogL Bayer. Bof* n. BRhanogL 

Berlin W. 35, Lülzowstr. 10. 

fa s Tal a aghiata 4De Teriagihaadlinf sowto alle Aaaoneea-fcpeditleaeB das In« 

«ad dauaiidee enUmrea. 


6 • Bmehelnt am S. aad dO. Jedaa Haaata« 


20. März. 


Die diesjährige Beratung des preussischen Abgeordneten^ 
hauses Uber den Medizlnatetat. 

Vom Herausgeber. 

(ScUaß.) 

Die weiteren Verhandlangen des Abgordnetenhsoses Aber 
den Hedizinaletat, über deren Anfang in der vorigen Nummer 
berichtet ist, sind nachstehend nach den einzelnen Verhandlnngs- 
gegenständen wiedergegeben: 

s. InfektlonskranUieiten (bes. Pocken); Arbeiterwohnungen; 

Verkehr mit Mlloh; Abwaseerbeseltlgnng; Lelohensohau; 

Kohlenrsuoh. 

Abg. Or. Helsig (Zontr.) bespricht zanäcbst die Verschleppnng der über* 
tragbaren Krankheiten, insbesondere der Pocken, durch die Sachseng&ngerei 
und durch ausländische Arbeiter aus Bnssisch* Polen, Rnßiand, Galizien, ün* 
gam, Oesterreich, Italien usw. Auch Viehseuchen, wie Maul* und Klauen¬ 
seuche konnten durch diese eingeschleppt werden. Jedenfalls erscheine die 
augenblickliche Besorgnis weiter Kreise in Oberschlesicn, die derzeitig auf* 
getretenen echten Pocken würden weiter um sich greifen, nicht unbegründet, 
zumal Öffentliche Impftermine wegen des Herrschens von ansteckenden Krank¬ 
heiten hätten ansgesetzt werden müssen und auch Mißerfolge der Impfung 
nicht ausgeschlossen seien. Redner bittet deshalb die Königliche Staatsregie* 
mag der drohenden Gefahr energisch entgegenzutreten, event. unter Zuhufe- 
nahrae Irischer Ljmphe aus anderen Bezirken, damit die einheimische BerOl- 
kerang genügend vor den Folgen geschützt werde, die sich ans den Ab- und 
Zttwandera Ton Ausländern ergeben. 

Besondere Aufmerksamkeit yerdienten die ländlichen Wohnungen 
and Arbeiterwohnungen, die einschließlich der Arbeitorquartiere noch 
riel zu wünschen übrig ließen, während auf dem Gebiete der Arbeiterwobnungea 











186 


Die diesjUulge'Beratuag'defl prenßiicheB 


aahlreiche erfreuliche Fortschritte za verzeichzen seien, wie sich aas den Be* 
richten der Kreisärzte ergebe. Leider hätten aber die Arbeiter noch nicht 
das genttgende Verständnis fOr gesande Wohnungen. Zu bedauern sei auch, 
dafl der Fiskus den Bau von Mietskasernen bevorzuge, selbst dann, wenn kilo¬ 
meterweite Flächen zur Bebauung gelangen konnten und zum Bau Ton Zwei- 
bis Vierfzmilienwobnungen geradezu einen mächtigen Anreiz geben. 

Als einen mächtigen Fortschritt bezüglich der Nahrungsmittel- 
kontrolle sei es zu bezeichnen, daß seitens der Zentraiinstanz eine Neube¬ 
arbeitung der Grundsätze über den Verkehr mit Milch in die Wege geleitet 
sei, die hoffentlich allen berechtigten Anforderungen genügen würden. Durch 
Beinlichkeit bei Gewinnung der Milch werde aber mehr ab durch polizeiliche 
Vorschriften erreicht. Nachdem Bedner hierauf noch auf die Möglichkeit einer 
üebertragung von Krankheitskeimen auf Gemüse usw. durch Berieselung hin- 

g ewiesen und um weniger rigorose Handhabung der PoUzeiverordnung über 
lackstaben ersucht hat, kommt er auf die Verwertung der festen 
und der flüssigen — Ablallstoffe zu sprechen. Unmöglich sei diese 
nicht, wenn man nach dem Grundsatz diride et impera verfahre, indem man 
die in der Begel dem Wachstum der Pflanzen schädlichen, gewerblichen Ab¬ 
wässer besonders behandele und zwecks zeitlicher Entlastung der Bieselfelder 
bezw. der Anlagen nach Eduardsfelder System entweder einfache Kläranlagen 
oder biologische Anlagen anwende. Das von der Königlichen Pxüfungsanstalt 
für Abwässerbeseitigung als geruchlos und empfehlenswert bezeichnete Kohle- 
breirerfahren sei übrigens nichts weniger als geruchlos. 

Zum Schluß wendet sich Bedner gegen die allgemeine obliga¬ 
torische Leichenschau durch Aerzte. Die dafür z. Z. von dem Be¬ 
gierno gskommiMsar ang-führten Gründe: Feetsteliung zweifelhafter Todesfälle 
sowie Todesfälle an ansteckenden Krankheiten und gewaltsamer Todexfille 
seien, wie die Erfahrung gezeigt habe, nicht stichhaltig. Anderseits erleich¬ 
terten sich unbemittelte Personen die Ausgaben für die Leichenschau dadurch, 
daß sie die Leichen kleiner Kinder einpacken und sie den Aerzten zur Schau 
vor das Hans fahren oder sogar direkt in die Sprechstunde, wodurch große 
gesundheitliche Gefahren hervorgerufen würden. Mitunter sei auch ein Arzt 
zur Vornahme der Leichenschau nicht zu haben, so daß sich durch längere 
Anfbewahrung der Leichen io Wohnräumen, zumal wenn es sich nm über¬ 
tragbare Krankheiten handele, ebensolche sanitätswidrige Verhältnisse ergeben 
können, als wenn die Leichen in die Sprechstunde des Arztes gebracht werden. 
Solange man diesen Dingen nicht wirklich Vorbeugen könne, sei es geradezu 
geboten, die allgemeine obligatorische Leichenschau durch Aerzte zu unter¬ 
sagen. Man habe nun versucht, den Krankenkassen die Kosten für die Leichen¬ 
schau aufzubürden, indem man mit den Kassenärzten eine Pauschalsumme ein¬ 
schließlich etwaiger Gebühren für die Leichenschau vereinbart habe. Dieser 
Weg sei aber weder gangbar, noch empfehlenswert. Auch die Kosten der 
Leichenschau seien keineswegs immer geringfügig. Desgleichen sei man nicht 
überall von dem Nutzen der obligatorischen Leichenschau durchdrungen; das 
lehre die Stadt Posen, deren Magistrat die Einführung wiederholt abgelehnt 
habe, sowie auch der Umstand, daß im Weicbselgebiet vielleicht auch an 
anderen Orten die Leichenschau nur vorübergehend eiugeführt werde. Bedner 
wünscht, von der Königlichen Staatsregierang Aufklärung darüber, vrie weit 
jetzt die obligatorische Leichenschau durebgeführt sei, knüpft daran die An¬ 
frage nach dem Nutzen, den sie seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 
28. August 1905 tatsächlich gewährt habe; seine politischen Freunde hätten 
gegen die Leichenschau an sich nichts einzuwenden, wenn sie so gehandhabt 
werde, wie z. B. im Beg.-Bez. Schleswig, in dem 70 "/g der auf dem platten 
Lande vorgekommenen Todesfälle aus freien Stücken — eine Polizeiverord- 
nnng bestehe dort nicht — mit ärztlicher Bescheinigung belegt werden. Aber 
dagegen, daß ohne Not Einrichtungen getroffen würden, deren Kosten im um- 

S ekehrten Verhältnis zu dem erhofften Nutzen ständen, müsse man sich auf 
as Entschiedenste widersetzen. 

Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner, Begierungskommissarj gibt zu, 
daß die Befürchtung, daß durch ausländische Arbeiter die Pocken im großen 
Umfange eingeschleppt werden, berechtigt sei; denn in der Tat würden Jahr 
für Jahr sowohl im Osten, als im Westen durch rosaische, galizische und 



Abg«ofdBtieBlians«8 Uber den Medisioalttat 


107 


iUUttÜMbe Arbeit«r die Poekea in einer größeren Anzahl tob Filien tiBge> 
•ehleppt Olttcklieherweine sei ea aber biaher fiberall gelaBgeB. dank der 
Wirkung dea Beiehaimpfgeaetaea von 1874 zu verbttten, daO die Er« 
krankoB^ der auaiindiacheB Arbeiter anf dentache Eingeborene fibergegnifeB 
haben. Die Dorehachnittaanzahl der j&brlichen Todesfälle an Focken, welche 
früher in Dentachland gana aaßerordentlich groß gewesen sei, betrage Jetat 
hfiehstena 20 bis 80 im ganzea preußischen Staat; sie sei also sehr gerug und 
keiBeafalla geeinet an beunruhigen. Auch betreffs der jüngsten Pockener* 
kraBkungeu im Itogiemngsbezirk Oppeln sei die Befürchtung, daß sie sich an 
einer Epideaie entwickeln konnten, nicht berechtigt. Es seien in den letaten 
Xonateu seit Anfang Dezember Torigen Jahres im ganzen Begiernngsbezirk 
(^pela nicht mehr us 42 Pockenerkrankungen mit 9 TodesfäUen Torgekommea, 
die sich anf 14 Ortschaften in 7 Kreisen und anf 8 Monate Tertdi bitten. 
Von einer Epidemie kOnne daher nicht die Bede sein. Ebensowenig könne au« 
gegeben weiden, daß wegen der Pockenerkrankungen nnd anderer Infektions¬ 
krankheiten die regelmißigen Impftermine wiederholt hätten verschoben wer¬ 
den müssen nnd der Impfschutz der Bevölkerung infolgedessen ein ungenügen¬ 
der sei; denn in denjenigen Gegenden, in welchen dde ständige Omahr der 
Einachleppnng von Pocken bestehe, werde nicht nur einmal, sondern zweimal 
im Jahre geimpft, so daß diejenigen Kinder, die im Frühjahr der Impfung 
nicht unteraogen seieB, derselben noch im Herbst teilhaftig werden kOnnen. 
Die Befürchtung, daß infolge der vielfachen Verschiebangeu der Impftermine 
die Lymphe nicht genügmia wirksam bleibe, sei gleicbfalM unbeg^det Die 
Königliche Impfanstalt in Oppeln, welche die Lymphe für die Provinz Schlesien 
herst^e, werde fortwährend genau überwacht; es seien auch bisher noch 
niemals tUagen darüber laut geworden, daß die Lymphe von dort schlecht seL 
Sollte dies ausnahmsweise der Fall sein, so würde von den übrigen preußischen 
Impfanstalten sofort ansgeholfen werden kOnnen. Betreffs der ungeordneten 
Schutzmaßregeln bemerkt der Begiernngskommissar, daß die ausländischen 
Arbeiter einer sorgfältigen Beobachtung unterworfen würden. Es sei durch 
mehrere Ministerial-Erlasse vorgeschrieben, daß alle russischen und galiaiscben 
Arbeiter binnen 8 Tagen nach ihrer Ankunft an ihrer Arbeitsstelle geimpft 
werden müßten. Das geschehe auch jetzt regelmäßig; man sei in Oberschlesien 
so weit gegangen, daß die Gruben und Hüttenwerke sich verpflichtet haben, 
ausländische Arbeiter nur zur Arbeit zuzulassen, wenn sie sich sofort an Ort 
und Stelle der Impfung unterziehen. Ferner sei weiter ln denjenigen Ort¬ 
schaften, wo Podtenfälie vorgekommen seien, zur Zwangsimpfung geschritten. 
EndUeh seien sämtliche Pockenkranke in Krankenhäuser aufgenommen, und 
überall für die Durchführung der Desinfektion Sorge getragen worden. Es sei 
demzufolge alles Notwendige geschehen, so daß keinerlei Veranlassung' zu 
ehier Beunruhigung vorliege. 

Den Wunsch des Vorredners, man solle die obligatorische Leichen¬ 
schau durch Aerzte sobald als müglich verbieten, werde wohl Niemand, der 
die Entwicklung der Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten im Deutschen 
Beiche verfolgt habe, teilen. Gerade bei der Beratung des Beichsgesetzes, be¬ 
treffend die Buämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, vom 80. Juni 1900 
und des preußischen Gesetzes, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krank- 
hetteu, vom 28. August 1905 sei immer wieder darauf hingewiesen worden, 
wie inchtig es zur Erkennung der übertragbaren Krankheiten sei, daß die 
obilgatoriscme Leichenschau suttfinde. Bei der letzten Choleraepidemie im 
Jahre 1905 habe der erste Krankheitsfall in Preußen einen russischen FiOßer 
betroffen, der anf der Weichsel erkrankt nnd gestorben sei. Der Fall sei nur 
dadurch als solcher erkannt, daß er gemeldet und die Obduktion der Leiche 
gemacht sei. Wenn ein solcher Fall nicht zur ärztlichen Leichenschau ge¬ 
kommen wäre, so hätte das zu unausdenkbaren Folgen führen kOnnen. Es sei 
deshalb in den Ausführungsbestimmungen zu den beiden Gesetzen ausdrücklidi 
vorgesehen, daß, wenn irgendwo eine größere Epidemie einer übertragbaren 
Knmkheit ansbiicht, dann die obligatorische Leichenschau da, wo sie noch 
besteht, vorübergehend eingeführt werden kann, um diese Gefahr abznwenden. 
Aber abgesehen von Epidemien kOnne eine ganze Beihe vereinzelter Fälle 
übertragbarer Krankheiten nur auf diese Weise sicher festgestellt werden. 
Auch der Wert der obligatorischen Leichenschau zur Feststellung von Ver¬ 
brechen sei ein großer. In einte ganzen Beihe von deutschen Bundesstaaten, 



188 


Die die&ijäbrige Beratung des prooAischen 


sei die obligatorische Leichensehaa für das ganze Land eingeführt: Stfohseo, 
Württemberg, Baden, Hessen, Sachsen «Meiningen, Sachsen «AUenbürg, Sachsen« 
Kobarg«Qotha, Bremen nnd Hamburg, ln Prenßen habe man bisher Abstand 
davon genommen, weil trotz des großen Ueberflosses w Aerzten, der in man« 
oben Gegenden besteht, noch in weiten Kreisen nicht genügend Aerzte vor« 
handen sind. Die beteiligten Herren Minister haben immer nnd immer wieder 
die naohgeordneten Behörden darauf hingewiesen, da wo es möglich sei, die 
obligatorische Leichenschau, und zwar durch Aerzte einzuftthren; in Berlin bestehe 
sie schon seit 1836. Sie habe sich außerordentlich bewährt; es wäre deshalb im 
höchsten Grade zu bedauern; wenn sie, wo sie bestehe, wieder abgeschafft werden 
sollte. Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege sei es vielmehr aufs 
freudigste zu begrüßen, wenn es möglich wäre, im ganzen preußischen Staat die 
obligatorische Leichenschau durchzufübren (Sehr richtig! links). Allerdings sei 
nicht zu leugnen, daß dadurch Kosten erwachsen, die dem einzelnen gelegentlich 
schwer fallen, ln der Kegel seien diese jedoch unbedeutend; außerdem hätten 
es die Kommunen in der Hand, Härten zu verhüten nnd auszugleichen. 

Abg. Gjssling (freis. Yolkspartei) begrüßt es mit Freude, daß sich der 
Begiemngskommissar für die Einführung der obligatorischen Leichenschau 
erklärt habe, hoffentlich gelange sie in nicht zu ferner Zeit zur Durchführung, 
was auch im Interesse der fakultativen Feuerbestattung zu wünschen seL 
Die gegen diese vom juristischen Standpunkte gemachten Bedenken würden 
dadurch beseitigt. Redner bittet dann weiter um eine Anweisung an die 
Kreis^zte, die Bestrebungen auf Beseitigung der schädlichen Wirkungen des 
Kohlenrauches möglichst zu unterstützen. Es handle sich hier um eine 
sehr wichtig sanitäre Frage, der man ernste Aufmerksamkeit schenken müsse; 
gerade die Kreisärzte seien aber berufen, sie in den Kreis ihrer Betrachtungen 
zu ziehen. 

b. Krflppelfüraorge. 

Abg. Llldicke (freikons.): Durch die Orthopädie sei es ermöglicht, von 
den vielen krüppelhaften Kindern unter 15 Jahren einen erheblich größeren 
Teil als früher arbeitsfähig zu machen. Man sei nach einer Statistik schon 
soweit gekommen, daß 93 "/o krüppelhafter Kinder erwerbsfähig gemacht 
werden können. Im vorigen Jahre habe der Herr Vertreter der Staatsregie- 
rung erklärt, daß eine überschlägige Statistik ergeben habe, daß im König¬ 
reich Preußen im ganzen etwa 5000U Krüppel unter 15 Jahren vorhanden 
seien, und daß davon 7000 dnstaltsbedürftig, auf der anderen Seite aber nur 
1878 Betten vorhanden seien, um diese anstaltsbodürftigen fUndor aufzunehmen. 

könne keinem Zweifel unterliegen, daß hier noch ein großer Mangel liege, 
der. dringend der Abhülfe bedürfe. Unbedingte Voraussetzung für eine prak« 
tisdie Lösung dieser Frage sei eine einwandsfreie Statistik; denn erst dann, 
wenn das Ergebnis einer solchen Statistik vorliege, könne man sich schlüssig 
machen, welcher Weg in der Krüppelfrage künftig einzuschlagen sei, ob man 
diese wie bisher der privaten Wohltätigkeit überlasse, oder ob man nicht viel¬ 
mehr an eine Ausdehnnng des Gesetzes vom 11. Juni 1891 denken solle. Im 
letzteren Falle sei es allerdings von großer Wichtigkeit, festznstellen, wie 
hoch sich die der Provinzialverwaltung znfallenden Lasten stellen würden. 
Jedenfalls müsse man dann auch an eine ganz erhebliche Staatsdotation denken. 
Viel habe private Woltätigkeit auf dem Gebiete der Krüppelfürsorge geleistet; 
mehr zu leisten vermögen Staat und Provinz. Jedenfalls sei die Krüppelfürsorge 
volkswirtschaftlich so bedeutungsvoll und vom Standpunkt der Menschlichkeit 
so unbedingt notwendig, daß auch die Staatsregierung dieser Frage, wenn 
möglich gesetzberisch, näher treten müsse. (Bravo!) 

Minister der usw. Medizinalangelogenbeiten Dr. Holle: M. H.! Be¬ 
züglich der Krüppelfürsorge ist & vorigen Jahre vom Regierungstisch die 
Erklärung abgegeben, daß die Regierung dieser Frage wohlwollend gegenüber« 
stehe, aber zunächst eine Statistik über die Zahl der Krüppclkinder beschaffen 
müsse. Diese statistischen Erhebungen sind inzwischen veranlaßt; das Material 
ist ebgegangen und wird zurzeit verarbeitet. Sobald die Bearbeitung soweit 
ist, wird die Entscheidung zu treffen sein, wie den Krüppeln geholfen 
werden solL Der Herr Vorredner hat bereits darauf hingewiesen, daß dabei 
verschiedene Wege in Betracht kommen, die natürlich erwogen werden müssen. 
Ich halte es für bedenklich, die Fürsorge den Provinzen anfzuerlegen, da sie 



Abgeo ahMton l m i M g tber dea Medisiaaletat. 


189 


ab Eakgalt eiae aene Dotation beaaspntchea wüidea. Wegen dieaer Sokni»- 
rig^eit wird die fiiaM^lagang dieses Weges noch maache Bedeakea habea. 

o. NalinmgsinlttelkoiitTOlle. 

Abg. Oalsler (Zentr.) bemängelt die hohen Kosten, die durch die Nahraags- 
mittelkonirolle den Gemeinden erwachsen and haaptsächlich dadurch veraal^ 
wflorden, daß Ton seiten der Aofaichtsbehörde die Anordnung getroffen sei, auf 
je 300 Einwohner eine Probe von Mahrangs- and Genoßmittek, sowie von 
branchsartikeln za entnehmen and in dem zuständigen Untersachangsamt unter- 
zachen za lassen. Ueber diese Anordnung herrsche vielfach große ünzoirie- 
denheit; sie sei zu schematisch und baieaakratisch. Man solle es den Polizeiver- 
waltongen and Amtsverwaltnngen ttberlassen, nach eigenem Ermessen Proben 
dort za entnehmen, wo sie Fälschungen vermuten. Da außerdem der Staat 
ein besonderes Interesse daran habe, daß seine Untertanen nicht durch ver¬ 
dorbene oder verfälschte Nahrungsmittel und Gebrauchsartikel geschädigt 
würden, müßte er wenigstens einen Teil der Kosten übernehmen. (Bravo!) 

Abg. Qaehl (kons.) schließt sich unter Bezugnahme auf das städtische 
Untersachangsamt in Liegnitz im wesentlichen den Ausführungen des Vorredners 
an. Auch im Begierungsbezirk Liegnitz bestehe tiefe Verstimmang über diese 
Organisation der Nahrungsmittelkontrolle, weil dadurch den Gemeinden eine 
empfindliche pekuniäre Belastung auierlegt und den Polizeiorganen ein erheb- 
Bches Hehr durch die ihnen obliegenden Probeentnahmen und Ausfttllang des 
dazu gehörigen Fragebogens an Arbeit zugemutet werde. Es sei deshalb zweck¬ 
mäßiger, diese Proben nicbt durch die Polizeibehörde, sondern durch die Kreis¬ 
ärzte entnehmen zu lassen, die Sachverständige seien und die Entnahme 
gelegentlich der Ortsbesichtigungen ausftthren könnten. Auch die Kosten von 
wrchschnittlich 6 Mark für jede Untersuchung seien zu hoch; jedenfalls sei 
es nicht gerechtfertigt, daß durch die Gebühren den städtischen Untersucbongs- 
ämtem kein Risiko, sondern voraussichtlich eine recht erhebliche Einnahme¬ 
quelle auf Kosten des platten Landes erwachse. Die Festsetzung der Zahl 
der Probeentnahmen nach der Einwohnerzahl — im Regierungsbezirke Liegnitz 
müsse in den Städten auf je 200 und in den Amtsbezirken auf je 400 Bewohner 
eine Nahrungsmitteluntersuchung stattfinden — entspreche nicht den Verhält¬ 
nissen, wie sie in Wirklichkeit liegen, ln den einzelnen ländlichen Amts¬ 
bezirken sei doch der Produzent meistens gleichzeitig Konsument, so daß eine 
Untersuchung nicht notwendig sei; es bleiben somit nur verhältnismäßig wenige 
übrig, die auf dem Lande überhaupt Lebensmittel kaufen. Es erscheine des¬ 
halb viel zuhart, daß auf dem platten Lande auf eine so geringe Kopfzahl 
Proben eingeschickt werden müssen. Ein ähnlicher Unterschied wie zwischen 
dem platten Lande und den kleinen Städten bestehe zwischen den kleinen 
Städten und den großen Städten. Man solle nicbt bloß deswegen untersuchen, 
um überhaupt untersuchen zu lassen; jedenfalls müsse die Zahl der auf dem 
platten Lande und den kleinen Städten zu entnehmenden Proben beschränkt 
werden. (Lebhaftes Bravo rechts.) 

Abg. Marx (Zentr.) betont, daß die Art der Nahrungsmittelkontrolle 
wie sie jetzt beliebt werde, eine ganz andere sei, als sie in den Beschlüssen 
des Abgeordnetenhauses und auch in denjenigen des Reichstages zutage ge¬ 
treten sei, die Hauptsache sei doch, daß die Kontrolle auf Staatskosten 
durch hu Dienst des Staats befindliche Beamte erfolge. (Sehr richtig! im 
Zentrum). Redner bemängelt dann weiter, daß Weinkontrolleure im Hauptberuf 
nur in den Hauptweingebieten des Staates, also in den Regierungsbezirken 
Koblenz, Trier und Wiesbaden angestellt werden sollen, es .sei vielmehr Gewicht 
darauf zu legen, daß eine solche Kontrolle auch an den Orten vorgesehen 
werde, wo der Hauptkonsum stattfinde, z. B. in Berlin, Stettin usw. (Sehr richtig! 
im Zentrum.) Von den zurzeit vorhandenen, als öffentlich anerkannten Unter- 
auebungsämtern seien rein staatlich: 28=13'’/c, mittelbar staatlich, d. h. von 
Landwirtschaftskammem, Kommunen, Kreisen und Gemeinden eingerichtet: 61 
= 83®/o und rein private 95 = 51,3 ®/o. Ein solche.? Verhältnis könne wohl 
als Uebergangsstadium, aber nicht als ein endgültige.? angesehen werden; da es 
in keiner Weise den Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflge auf diesem 
Gebiete genüge. Der Ansicht, daß in den kleinen Städten und auf dem Lande 
die Nabrungsmittelkontrolle nicht so notwendig wie in den großen Städten sei, 
kann Redner nicht beipflichten; die Bevölkerung auf dem Lande und in den 



190 


Die diesjährige Beratung des preußischea 


kleiiien Städten habe ebenfalls das Becht, zu rerlangen, in ihrer Gesundheit 
ebenso geschützt zu werden wie die Bevölkerung in den großen Städten. Not¬ 
wendig seien auch amtliche Grundsätze fttr die Feststellung der Begrifis- 
bestinunungen von Nahrungsmitteln, damit die Verschiedenheit der Sa^ver- 
ständigengntachten aufhOre, sowie eine einheitliche Festsetzung der Grundsätze, 
nach denen die Chemiker ihre Untersuchungen anstellen. Dann würden auch 
die Gutachten der Sachverständigen nicht mehr so verschiedenartig ausfallen 
und infolgedessen die Bechtsprechung einheitlicher werden. 

Geh. Med.-Bat Dr. Abel, Beg.-Kommissar, hebt zunächst hervor, daß 
auch auf dem Lande allerlei verfälschte Nahrungsmittel in den Handel kommen 
und daß verfälschte Nahrungsmittel nicht so leicht herausgefunden werden 
konnten, sondern zu ihrem Nachweis meist eine genaue chemische Untersuchung 
durch einen Sachverständigen nötig sei. Die Unentbehrlichkeit der Nahrnngs- 
mittelkontroUe sei bereits von dem Vorredner betont. Drei große Gesichts¬ 
punkte müssen für sie maßgebend sein: Schutz des Publikums vor direkten 
Gesundheitsschädigungen durch verfälschte Nahrungsmittel, sowie Sorge dafür, 
daß die Bevölkerung nicht nur eine gute, nahrhafte Kost in den Nahrungs¬ 
mitteln erhält, sondern ihnen auch ihr gutes Geld nicht für minderwertige 
Ware aus der Tasche gezogen wird. Die Beispiele, die der Herr Vorredner 
am Schlüsse seiner Darlegungen angeführt habe, zeigen, wie verschieden die 
Ansichten von Publikum und Handel über die Beschaffenheit und die Beur¬ 
teilung der Nahrungsmittel seien. Die Ansicht, daß auf dem Lande eigent¬ 
lich nur Naturalwirtschaft stattfinde, daß der Landmann das, was er zum 
Leben brauche, selbst erzeuge, sei nicht mehr zutreffend; denn er sei doch 
gezwungen, Nahrungsmittel mancherlei Art, zumal die sogenannten Kolonial¬ 
waren, zu kaufen, das seien gerade die Objekte, die verfälscht werden. 
Ein Fälscher lege sich nicht auf Delikatessen, die nur in geringem Maße 
gebraucht werden, sondern auf Gegenstände des täglichen Bedarfs, da 
hier die Fälschung außerordentlich lukrativ sei. ln Berlin existiere zum Beispiel 
eine ganze Beihe von Fäischerflrmen, die gute Molkereibutter, aus der 
das Wasser möglichst gut ansgeknetet ist, anfkaufen und dann mittelst be¬ 
sonderer Maschinen das Wasser wieder hinznmengen, das vorher in den Molke¬ 
reien mühsam herausgeknetet worden sei. Es sei nachgewiesen, daß bei dem 
großen Umfange, in dem diese Firmen fälschen, ihr Gewinnst sich auf viele 
Tausende belaufe. Die Auffassungen eines Teiles des Handels und der Industrie 
über das, was rechtens sei auf dem Gebiete des Nahrungsmittelwesens, weichen 
vielfach von den berechtigten Forderungen der Konsumenten ab. Das Nahrungs¬ 
mittelgesetz gehe von dem Standpunkt aus, daß die reine Ware, so wie sie 
die Natur liefere, das Normale sei, im Handelsverkehr habe sich aber diese 
Auffassung leider schon vielfach verschoben. Jetzt sage man, die normale 
Ware sei die im Handel übliche, man berufe sich auf Handelsgebräuche. 
Wolle der Konsument reine Ware haben, so müsse er sie extra verlangen. Nach¬ 
dem Bedner einige drastische Beispiele hierfür angeführt hat, fährt er fort: 

In den letzten Jahren ist nun die Nahrungsmittelkontrolle besser aus- 

{ 'ebaut. Es ist einmal versucht worden, eine genügende Anzahl von zuver- 
ässigen Untersuchungsanstalten zu bekommen, und zweitens ist den Polizei¬ 
behörden Auftrag gegeben worden, Nahrungsmittel in gebührendem Umfange 
untersuchen zu lassen. Nun hätte es die Organisation der Nahrnngsmittel- 
kontrolle sehr vereinfacht und das ganze Verfahren sehr erleichtert, wenn der 
Staat die Ausführung selbst in die Hand genommen hätte, so ungefähr, wie 
der Herr Abgeordnete Marx das ansgeführt hat. nämlich indem er die nötigen 
Anstalten selbst geschaffen und für die Vornahme hinreichender Nahrungs¬ 
mitteluntersuchungen selbst gesorgt hätte. Eine solche Begelung läuft aber 
den Grundsätzen der preußischen Verwaltung zuwider; sie besteht auch in 
keinem deutschen Bundesstaate, abgesehen natürlich von den freien Städten. 
Das Königreich Sachsen, das erst vor ein paar Jahren die Nahrungsmittel- 
kontrolle einheitlich geregelt hat, hat ebenfalls davon abgesehen, die Kontrolle 
auf den Staat zu übernehmen, sondern sie den Gemeinden übertragen, und 
dabei Anforderungen an diese gestellt, die sehr weit über das hinausgehen, 
was in Preußen sich nach der Meinung der Begierung zunächst als notwendig 
erwiesen hat. 

An staatlichen Anstalten rühmt man als Vorzug, daß sie absolut zu- 



Abgeordaetenhaases ttber den MedizinsleUt. 


191 


yerl&Mig sind, daß man anf die Untersnehongen, die ans ihnen heranskomment 
anbedingt banen kann. Dasselbe ist auch der Fall bei der Art der jetsigea 
Begelnng. Danach handelt ea sich nm Anstalten, die Yon Kommonen, von 
Kreisen oder von öffentlichen Verbänden anderer Art, so Yon Landwirtschafts* 
kanunem nnterbaiten werden müssen. Es ist dafür Sorge getragen worden, 
daß die Chemiker, die an der Spitse dieser üntersnchnngsämter stehen, yoU* 
ständig unabhängig sind in ihrer wissenscbaftlichee Tätigkeit. Sie sind ent« 
weder als Beamte oder gegen Bemnneration — and dann anf eine längere 
Beihe Yon Jahren, in der Begel 12 Jahre nnkündbar — angesteUt. In ihrer 
Tätigkeit, soweit sie sich anf wissenschaftliche Beurteilnng der Nahrnngs« 
mittel bezieht, haben sie YoUatändig freie Hand. Daß dabei eine unbefangene, 
Yon äußeren Verhältnissen nnbeeinfloßte Art der Beurteilung der Nahrnngs« 
mittel heranskommen muß. wird zugegeben werden müssen. Um auch den 
Anstalten eine genügende Tätigkeit zuzuweisen, war es notwendig, bestimmte 
Gebiete für sie Yorznsehen, einen ganzen Be^erungsbezirk oder einen T^ 
eines solchen. Die Organisation ist noch nicht ganz Yollendet, aber Yorans« 
sichtlich wird sie im Laufe des Jahres zum Abschluß gelangen, so daß es 
möglich sein wird, im nächsten Jahre einen Plan vorzulegen, ans dem sich er« 
sehen läßt, wie die Einteilung im einzelnen erfolgt ist. Die Bezirke, die an 
die üntersnchnngsämter angeschlossen sind, haben eine bestimmte Anzahl Yon 
Nahrungsmitteln zur Untersuchung zu liefern. Die Zahl ist in einzelnen Ge« 
bieten verschieden gewählt worden, je nach Lage der Dinge. Ea ist z. B. 
erforderlich erschienen, in Gebieten, wo eine große Industrie vorhanden ist, 
eine schärfere Kontrolle einzuführen, als dort, wo rein ländliche Verhältnisse 
Yorliegen. Bei dieser Begelung hat jetzt im Anfang nätürlich etwas Schema« 
tisch verfahren werden müssen. Ebenso sind die Untersnchungskosten zunächst 
schematisch in der Höhe festgesetzt worden, daß ihr Aufkommen voraus« 
sichtlich genügen wird, nm den Etat der Nahrungsmitteluntersuchungsstalten 
zu balancieren. Es ist aber überall seitens der Miniaterialinstanz schon 
darauf hingwewiesen worden, daß die Beginruogspräsldenten nach Ablauf des 
Geschäftsjahres der Anstalten eine Nachprüfung ihres Haushalts vornehmen 
und darauf hin wirken sollen, daß die Sätze, wenn es sich irgend möglich 
machen läß^ herabgesetzt werden. Es kommen ja außer den Untersncbungs- 

S sbQhren, die den Anstalten zufließen, auch noch diejenigen Beträge ihnen zu, 
e von den Gerichten anf Grund des Nahrnngsmittelgesetzes verhängt werden. 
VHe hoch diese sein werden, kann man von vornherein nicht übersehen; da, 
wo zahlreiche Beanstandnngen und Verurteilungen erfolgen, werden sie höher 
sein als anderswo. Die Besorgnisse, daß die Untersuchungen zu schematisch 
auBgeführt werden und daß die Kosten zu hoch seien, werden auf die Dauer 
sich als nicht gerechtfertigt herausstellen. Die in Angriff genommene Art 
der Begelnng disr Nahrnngsmittelkontrolle hat sich übrigens auch überall 
dort, wo sie seit Jahren besteht, als zweckmäßig bewährt. Man hat sie als 
unentbehrlich schätzen gelernt und möchte sie nicht mehr missen. Wo sich 
bei ihrer Neaeinführnng jetzt noch Schwierichkeiten geltend machen, wird sich 
hoffentlich anch bald die Ueberzengnng von ihrer Nützlichkeit heranstellen. 

Der Beg.« Kommissar erwähnt dann noch, daß die vorher vom Abu. 
Harz mitgeteilte Statistik sich nicht auf Prenßen, sondern auf das Beiw 
bezieht. In Preußen sind nur vereinzelte staatliche Nahmngsmittelsnstalten; 
X. B. in Berlin, im Begiemngsbezirk Posen, wo eine andere Art der Kontrolle 
zur Zeit kaum dnrchznftthren war, bat das staatliche hygienische Institut zu 
Posen, einstweilen wenigstens, die Nahrancsmittelkontrolle übernommen. Hier 
und da sind auch die für die Anslandsfleischbeschau eingerichteten Aemter 
gleichzeitig mit der Nahrnngsmittelkontrolle befaßt worden. Die Kreisärzte 
mit der Entnahme der Nahrnngsmittelproben zu betrauen, würde zu weit 
führen; abgeshen von anderen Gründen schon deshalb, weil die Kreisärzte kaum 
imstande sein würden, regelmäßig alle Jahre in allen Orten ihres Bezirkes zu 
erscheinen, nm Proben zu entnehmen. Die Eegiernng hat aber eine andere 
Lösung als zweckmäßig empfohlen, nämlich die, daß die Chemiker der Nahrnngs« 
mitteluntersnchnngsämter tunlichst selbst die Proben entnehmen, wenigstens 
für die ersten Jahre, und daß sie dabei Gelegenheit nehmen, die Polizei« 
beamten zu unterrichten, auf was es bei der Probeauswahl eigentlich an« 
kommt. Anweisungen für die Nahrnngsmittelkontrolle und Probeentnahme 
können nur allgemeine Anhsdtspunkte geben. Wenn in einer derartigen An- 



102 


Dio tlie-jHhfii;o lleralmig des preußischen 


weisang z. B. steht, es solle Terschimmeltes Brot zur Untersachaag gebrach* 
werden, so ist dies höchst ttberflhssig; dafi verschimmeltes Brot ongenieBbart 
verdorben ist, weiß jeder, daza braucht man nicht eine üntersnehnng durch 
Chemiker. Aber es gibt Nahrungsmittel, bei denen man durch nähere Besieh* 
tignng, dio man von Chemikern erlernen kann, schon auf vorgenommene 
Bälscbungen aufmerksam wird, und das sind Dinge, über die die Polizei¬ 
beamten unterrichtet werden sollen. Es ist gerade in Glatz vor kurzer Zeit 
ein besonderer Unterrichtskursus für Polizeibeamte abgehalten worden, in dem 
die Beamten darüber belehrt worden sind, worauf es bei der Entnahme von 
Nahrungsmitteln ankommt. Auf diese Weise werden die Polizeibeamten auf 
dem Lande die nötigen Kenntnisse bekommen, nm geeignete Proben für die 
chemische Untersuchung selbst zu entnehmen. (Bravo!) 

Abg. Frbr. v. WolfT-Metternich (Zentr.) begrüßt den eingestellten Be¬ 
trag von 10000 M. für BeihtiUon zur Anstellung von Weinkontrolleuren 
im Hauptamte. Sehr hoch sei er ja nicht, aber immerhin werde doch einmal 
der Anfang gemacht. In den Hauptweingebieten dürfte es jedoch unangenehm 
empfunden worden, daß man Weinkontroilcure anscheinend nur für die Beg.-Bez. 
Koblenz, Trier und Wiesbaden anstellen wolle. Man wünsche vielmehr allge¬ 
mein im Lande, daß die hauptamtliche Weinkontrolle auch eingeführt werden 
müsse in größeren Städten, wie Berlin, Stettin, Hamburg usw., außerhalb der 
Hauptweinbezirke und vor allem auch an den Landesgrenzen. Bedner bittet 
nm nähere Auskunft, wie die Sache gedacht sei, ob vor allen Dingen wirklich 
eine unabhängige hauptamtliche Stellung beabsichtigt werde, ferner ob es sich 
um Staatsbeamte handele; die staatliche Anstellung werde von vielen Seiten 
gewünscht (Bravo!). 

Geh. Mod.-Bat Dr. Abel, Beg.-Kommissar: Die Organisation der Wein¬ 
kontrolle in den Hauptweingebieten des Staates sei so gedacht, daß im An¬ 
schluß au dio dortigen öffentlichen Nahrangsmittclnntersucbungsanatalten, die 
von den Gemeinden oder Kreisen unterhalten werden, Kontrolleure im Haupt¬ 
beruf angcstellt werden sollen, d. h. Leute aus dem Weinfache, die auschließ- 
lich unter Vermeidung jeder geschäftlichen Betätigung auf dem Gebiet des 
Weinbandeis und des Weinbaues sich mit der Kontrolle befassen. Da die 
Weinkontrolle nur ein Zweig der allgemeinen Nahrungsmittelkontrolle sei, 
müßte das Prinzip aufrecht erhalten werden, daß der Staat wie für die allge¬ 
meine Nabrnngsmittcikontrollo, so auch für die Weinkontrolle die Aus¬ 
gaben nicht auf seine Fonds übernehmen könne. Doch habe sich der Staat 
bereit erklärt, da, wo ein besonderes Bedürfnis zur Unterstützung der Kon¬ 
trolle voriiege, Mittel zur Verfügung zu steilen, um die Durchführung der 
Kontrolle zu erleichtern. Die Begelung entsproebe der in der Pfalz vorhan¬ 
denen; auch dort sei der Kontrolleur nicht ein Angestellter des Staates, son¬ 
dern der Kroisgemcinde. Wie in der Pfalz sollen die Gemeinden Kontrolleure 
heranzieben. Während sie aber io der Pfalz in der Lage seien, sich auch einer 
anderen Art der Kontrolle zu bedienen, solle in Preußen dis Begelung so ge¬ 
troffen werden, daß die Polizeiverwaltungen genötigt werden, allein den amtlich 
bestellten Kontrolleur zur Kontrolle zu benutzen. Die Kosten der Kontrolle 
würden dabei für die Gemeinden voraussichtlich gar nicht oder jedenfalls nicht 
nennenswert höher werden, als sie bisher bei der cbronamtlishen Kontrolle 
gewesen seien. Was die Kontrolle außerhalb der Hauptweinbaugebleto am 
Bhein und an der Mosel betretfe, so sei in Berlin bereits seit dem 1. April v. J. 
ein Kontrolleur im Hauptamte staatlich angestcllt, und zwar deswegen staat¬ 
lich, weil hier dio Nahrungsmiitelkontrollc, wie die Polizeiverwaltung über¬ 
haupt, auf staatliche Funds zu überBehmen sei. Ferner sei beabsichtigt, in den 
östlichen Weinbaugcbicton des Staates (in den Beg.-Bezirke Merseburg, Frank¬ 
furt, Posen und Liegnitz) ebenfalls Kentrolleuro im Hauptberufe anznstellen, 
ähnlich wie es in dem Etatstitel für die Weinbangobiete an Bhein und Mosel 
vorgesehen sei. Diese Kontrolleure würden in der Lage sein, auch dio Kon- 
troUe io den größeren Städten zu ttberncbnien, die in der Nachbarschaft ihrer 
Gebiete liegen, z. B. in den Städten Magdeburg und Erfurt und den Städten 
Posen und Breslau. Im übrigen sei bei der Errichtung der öffentlichen Nah- 
rungsuiitLclontersucbangsaDstalten allgemein darauf htogewirkt worden, daß 
an Stelle der ehrcnamüichcn Kontrollcuro dio Nahrnngsmittelchomiker der 
öflentlicbcn UntcriuchuDgsan-.talten die Kontrolle der Wcinkcllcreicn über- 



Abgcordacteohaascs über dou Medizinalotut 


m) 


nehmeo, jedoch sollen Ittr die Wcinkontrolleure nur solche Chemiker gewählt 
werden, die nachweiseD, daß sie über Weinveihältnisse besondere Kenntnisse 
besitzen; ihnen könnte dann ein größerer, über den Bereich ihrer Anstalt hin* 
ansgehender Bezirk überwiesen werden. Barch diese Art der Begelong dürfte 
ein wesentlicher Fortschritt gegen die bisherige Art der Kontrolle gegeben 
sein. Sollten sich dabei noch Mängel beranssteUen, so werde die bessernde Hand 
leicht anznlegen sein. 

Ato. Wallenborn (Zentr.) gibt zu, daß allerdings in dieser Angelegen* 
heit ein Fortschritt gegen früher zn verzeichnen sei, ob er aber erheblich sei, 
das müsse sich erst noch zeigen. Das jetzige Vorgehen entspreche jedenfalls 
nicht dem Beschlösse des Landtags, wonach die Deberwachnng des Verkehrs 
mit Nahrange- and Qenoßmitteln, insbesondere mit Wein, nach einheitlichen 
Grundsätzen und durch Anstellung besonderer 'Landesbeamten im Hauptamt 
geregelt werden sollte. Bedner will keinen besonderen Antrag auf Barch* 
lühmng dieses Bcscblasses stellen und abwarten, wie das vorgcschlagenc Ver¬ 
fahren wirke, bittet aber, daß beim Zusammentritt des neuen Landtages im 
nächsten Jahr eine Zusammensteliang über die Ergebnisse der Weinkontrolle 
Torgelegt werde. (Bravo! im Zentrum). 

Abg. Graf v. Spee (Zentr.) gibt zu, daß die Kontrolle, wie sie in der 
Pfalz geübt wird, 'sehr gut wirke; ein Beamter habe dort innerhalb eines Jahres 
über eine halbe Million Liter „Wein" auslaufen lassen, in Berlin habe man da¬ 
gegen sehr wenig von ausgelaufenem Wein gelesen. (Heiterkeit). 

Bas Weingesetz sei ein Beichsgesetz; die Ausfübrangs^timmungen 
seien aber den einzelnen Ländern überlassen; weim für Preußen vielleicht ähn¬ 
liche Ausführungsbestimmungen wie in Bayern beständen, würde sich für Berlin 
wohl ein anderes Besultat ergeben. 

Bedner bittet schließUch die Staatsregierang, wenigstens bei Fest¬ 
setzung der Bestimmungen des neuen Weingesetzes im Bandes rat dahin zu 
vrirken, daß diese Bestimmungen eine wirksame WcinkeUerkontrolle ermöglichen. 
(Bravo! im Zentrum). 

d. Hebammenweaen* 

Abg. Br. Heisig (Zentr.) ist der Ansicht, daß sich mit Bücksicht auf 
die Bekämpfung von Kindbettfieber und der Hebammenpfuschcrei eine gesetzliche 
Begelong des Hebammenwesens nicht unigsben lassen werde. Er wünscht 
weiter eine bessere Behandlung der Hobammenschülerinnen in den Hebammen- 
lehrinstituten, damit sich auch die gebildeten Stände diesem hochwichtigen 
Berufe zuwenden. 

Abg. Mflnsterbei^ (freis. Ver.): Im vorigen Jahre hat der Herr Minister 
V. Stadt auf eine Anfrage erklärt, ein Hebammeogesetz liege fertig aus- 
goarbeitet im Ministerium; er hoffe, cs bis zur nächsten Tagung des Landtages 
einbringen zu können. Der neue Minister bat eine andere Anschauung in sein 
Amt mitgebracht. Er wünscht, zunächst ohne ein besonderes Gesetz auszu- 
kommen, und will den Versuch machen, durch den Ausbau des bisherigen Zu¬ 
standes, insbesondere auch durch Einwirkung auf die ländlichen Kreise und 
ihre Verwaltungen, eine Verbesserung des Hebammenwesens horbeizuführen. 
Zu diesem Zwecke sind zum erstenmal 50000 Mark in den Etat eingestellt. 
Wenn auch die Somme an sich nicht hoch ist im Verhältnis zu der großen 
Arbeit, die geleistet werden soll, so wird doch sehr viel Gutes erreicht werden 
können. 

In der vom Herrn Minister vor kurzem einberufenen Konferenz von 
Sachverständigen und Mitgliedern dos Parlaments hat man sich auch über ge¬ 
wisse Grandzüge, nach denen das gesamte Hebammenwesen in der Folge zu 
behandeln sein wird, verständigt; wenn infolgedessen nun auch einstweilen von 
einem Hebammengesetz Abstand genommen ist, wird man auf die Länge der 
Zeit nicht ohne ein solches auskommen können. Redner geht hierauf näher auf 
die Forderungen eio, die an etu künftiges Hebammengesetz zu stellen sind. Er 
läßt hierbei die Frage, ob das Bezirksbebammousystem mit oder ebne Zulassung 
von freipraktizierenden Hebammen vorzuziehen sei, als nicht spruchreif un- 
erörtert, ist jedoch für seine Person der Ansicht, daß der einzelnen Frau, der 
einzelnen Familie unbedingt die Wahl gelassen werden muß, in ihrer schwersten 
Stunde diejenigen Personen an sich zu ziehen, deren Hilfe sie haben will, und 
es deshalb falsch sei, die Freizügigkeit abschafien zu wollen. 



194 


Die dieajUirige Beratung des prenfluehen 


Viel wichtigei ist die Frage des Mangels an Hebammen. Die 
Verteilnng der Hebammen im prenßiseben Staat ist raBerordentlich rer* 
schieden; während im ganzen Staate eine Hebamme auf 1760 Einwohner und 
16,80 qkm entfällt, kommt im Begiemngsbezirk AUenstein eine Hebamme aal 
62 qkm und 2749 Einwohner, in Köslin ant 44 qkm und 1925 Emwohoer, im 
Kreise Osterode eine Hebamme aal 7780 Einwohner and im Kreise Orteisbarg 
sogar eine Hebamme auf 10070 Einwohner. In den Beglernngsbezirken Alien« 
stein nnd Oambinnen sind 29**/o der Entbindungen ohne Hebammen gemacht 
worden, in den Begiernngsbezirken Posen nnd Bromberg 28 bis SO^/o, im 
Kreise Johannisberg 78% nnd im Kreise Ortelsbnrg 68*/,. Es ergibt sich 
daraas der Schloß, daß auf diesem Gebiete gerade in den ländlichen Kreiswi, 
die ganz besonders geschlitzt nnd gehoben werden sollten, das allerschlimmste 
Knrpfnschertnm sich breitgemacht hat. Auch andere Ziffern weisen auf die 
gro^ Verschiedenheiten der Verteilnng der Hebammen hin. So kommen 
s. B. 8,10 Hebammen auf 10000 Einwohner im Stadtkreise Berlin, 4,17 in CQb, 
5,01 in Danzig, 5,42 in Schiestrig; in den reichen Landesteilen Hannover 
nnd Wiesbaden steigert sich die Zahl auf 8,03 and 8,88, in Cassei sogar anl 
9,58. Entsprechend dem Mangel an Hebammen sind in einzelnen Gegenden, 
besonders anl dem Lande, die Todesfälle im Kindbett nnd die Kinder¬ 
sterblichkeit überaus zahlreich. Viel höher sind natürlich die dauernden 
Schädigungen, die ans Fehlem bei der Entbindnng hervorgehen, ohne daß es 
sofort direkt znm Tode kommt. Nach neuesten Ziffern sind in der 2ieit vom 
29. Dezember 19U7 bis 1. Februar 1908 nicht weniger als 646 Franen am Kind¬ 
bettfieber erkrankt, nnd 142 davon daran gestorben. Danach ist es sehr wahr^ 
scheialich, daß die Behanptnng, daß zirka 8000 Franen jährlich im Kindbett 
sterben, auch hente noch ihre tranrige Berechtigung hat. Anl dem platten 
Lande sind diese Zahlen ungünstiger als in den Städten, namentlich ist dies 
in den ärmeren Kreisen der Fall; im Kreise Karthans ist z. B. die Sterblichkeit 
der Franen im Wochenbett fünfmal so groß ist wie im Durchschnitt für ganz 
Preußen. Das ganze Land hat ein großes Interesse an der Heilung dieser 
schweren Schäden, die durch die mangelhafte Hubammenausbildung und durch 
den Mangel an Hebammen an Zahl und Qualität hervorgerufen wird. Wir 
stehen einer Ueberfülle von Hebammen in größeren Städten gegenüber, während 
zn gleicher Zeit an Landhebammen ein großer Mangel ist. Wenn daher jetzt 
an eine Besserung der Verhältnisse mit staatlichen Maßnahmen herangegangen 
vrird, solle man in erster Linie dort beginnen, wo ein Mangel an Hebammen 
vorhanden ist. Gleichzeitig sollte die Zentralinstanz, wo sie es irgend kann, 
auf die Kreise hinzuwirken suchen, daß sie aus eigener Kraft durch Ortsstatut 
sich Bezirkshebammen schaffen. 

Die wichtigsten Forderungen für die künftige Ausgestaltung des Heb- 
ammsnwesens, die zum Teil auch ohne Gesetz erledigt werden können, sind 
Schaffung eines hinreichenden Ersatzes an guten Hebammen, 
Sicherung eines ausreichenden Mindesteinkommens nnd 
Hebnng der Ausbildung. 

Um den Nachwuchs zu fördern, solle man nicht in den Fehler ver¬ 
fallen und verlangen, daß nur noch Mädchen mit höherer Töchterschulbildung 
Hebammen werden, sondern Mädchen und Frauen heranzieben, die mit guter 
Intelligenz, mit hinreichender Geistes- und Verstandeskraft ausgerüstet sind, 
um die Tätigkeit als Hebamme anszuttben. Dies könne ebenso gut von Mädchen 
aus der höheren Töchterschule wie auch von solchen geschehen, die eine Volks¬ 
schule oder eine Mittelschule besucht haben. Es komme vor allem darauf an, 
daß sie die Fähigkeit haben, ihr Verständnis den wachsenden Anforderungen 
der Hygiene anzupassen, und daß sie in ihrer ganzen Person und nach ihrer 
häuslichen Erziehung in bezug auf Sauberkeit und Verständnis für Gesundheits- 
pfiege eine gewisse Vorbildung für ihren Beruf mitbriugen. Außerdem müssen 
sie auch moralisch unbedingt zuverlässig sein, und zwar nicht bloß für ihre 
Person, sondern auch in bezug auf ihre nächste Familie. Ein Mangel des 
jetzigen Zustandes sei das Präsentationsrecht der Gemeinden, das unbedingt 
beseitigt werden müsse; denn bei der Auswahl spielen sehr oft andere Ver¬ 
hältnisse eine Bolle; z. B. der Wunsch, eine verarmte Frau ans dem Kreise 
fonznschaffen, oder ihr neue Subsistenzmittel zu schaffen und geschiedenen 
Frauen zu helfen. Infolgedessen kommt es oft vor, daß Frauen ohne die 



AbgeordneUnbaiues Uber dm KtdlsiaaloUt. 


196 


elemmtante Vorbildaag ia dla HebamaieaaBiUltaa geachidit vardaa, dia aft 
gar aidkt iaiataade dam ÜBterrieht au folgaa. 

üm der zweitea Forderaag einer geattgeadea materiellea Sicberatellaag 
dar Hebammea za genttgen, bedarf ea einer dnrch Oesaiz feztgeetelltea Oe- 
bflhreaordnnagf die boffeatlich noch in dieser Session rorgelegt werde.*) 
Eine aolebe Gebtthrenordaang mttsse sich tob allem Scbematismas fern baltaa, 
and Bor aUgemebie Stafen Torsehen and die Haaptbestimmang nach gewissen 
Normalien mehr in die OrUichen Instanzen Terlegen. Oer jetzt berrseheada 
Zostaad, daß die Hebammen einander onterbieton and aal oalaaterem Wage 
zieh diejenigen Mittel safObren, die sie aal lanterem Wega aicbt haben er» 
ratcben können, mttsse jedenfalls aafhOren. Es sei aber auch dafür Sorga za 
tragen, daß Gemeinden die Unkenntnis der Hebammen nicht aasnatzan nad 
Yertr&ge mit ihnen abscbließen, darcb die ihnen der wohlrerdieate Lohn iflr 
ihre Arbeit gekttrzt wird. Deshalb sollte man Voraorga treffen, daß solche 
Yertrige dner gewissen Beyision in dar Kreis* oder in dar sonst ttbergeordnataa 
Instanz onterliegen. 

Um das Verhiltnis der Hebammen zur BeTOlkerang and ganz besonders 
za der minder gat gestellten BerOlkerang gflnsti||' za gestalteB, solle man dla 
Hebammen nicht mehr daran! rerweisen, daß sie ihre Gebttbren selbst erheben, 
sondern die Gebühren za Amtsgebtthren machen, den Hebammen eine gewiMS 
AmtspersOnlichkeit beilegen and die Gebühren darch die Amtskassen erheben. 
Man sollte vielleicht auch daraaf achten, daß diese Gebühr gezahlt wird, 
nachdem die ordnangsmäßig aasgeftthrte Tätigkeit der Hebammen beendet ist. 
Aof diese Weise werde man daza kommen können, daß die Kreise den Heb« 
ammen ein gewisses Mindesteinkommen garantieren können, aaf das sie dia 
erhobenen Gebühren anrochnen. Die Hebamme habe dann Anspracb anf ala 
Mindesteinkommen, and auf ein größeres, wenn die Gebühren das Mindest« 
eiakommen übersteigen. Auch hierbei mttsse den indiTidaellen, Örtlichen Var« 
hUtnissen Bechnnng getragen werden; ebenso müsse man hier and da für 
Wohnang sorgen, denn die hygienische Gestaltang der WohnangsTerhältnissa 
sei Vorbedingang für den Bern! der Hebamme. Nicht minder wichtig sei dia 
Sorge für Pensionsversicherang, Krankenvarsieharnng, Alters« 
and iBTalidenversicherang, sowie Yersirhernng gegf>n UnÄIle, z. B. 
Uebertragong von Syphilis darch Schwangere oder Wöchnerinnen. Empfehleas« 
wert seien nach staatliche Prämien für lange treae Dienste an angünstig 
gelegenen Orten asw. 

Die Aasbildang der Hebammen soUte'^ainheitlicb'fürTjdle ganze 
Monarchie gestaltet and überall eine neanmonatliche AaBbildangszaH vor« 
geschrieben werden, weil die Aneignung der den modernen Anforderongan ant« 
sprechenden Kenntnisse einen derartigen Zeitraum verlangt. 

Aach die Pflichten der Hebammen müßten durch Gesetz geregelt 
werden und nicht bloß darch das H«bammenlehrbnch und die Dienstanweisung. 
Vor allem müßte die Hebamme gesetzlich verpflichtet sein, zu helfen, ohne 
Ansehen der Person; ebenso müsse gesetzlich eine gewisse Meldepflicht fest¬ 
gelegt werden, ferner eine Verpflichtung zur Teilnahme an Wiederbolnngs« 
Irarsen gegen Entschädigung und Vertretnng, die Pflicht, bei ausreichender 
Besoldung sich aller Nebenerwerbe za'enthalten,* besonders'solcher, die auf 
dla Reinheit des KOrpers schädlich wirken können, die Pflicht, insbesondere 
aaf die Sauberkeit der Hände und die Sauberkeit der Wohnang za achten, 
sich einer stetigen energischen Kontrolle darch die Kreisärzte za unterziehen usw. 
Wenn so die Rechte und Pflichten der Hebammen, sei es in einem künftigen 
Gesetz, sei es durch Kreisstatat, gleichmäßig geordnet werden, so werden sich 
diesem Berufe auch intelligente, gebildete warmherzige Franen aller Klassen 
widmen. Die Zakanft unseres Volkes bängt in wirtschaftlicher und ethischer 
Beziehung za einem nicht geringen Teile davon ab, daß unsere Franen ihre 
Matterpflichten gesund und lebenskräftig übersteben. Die Erfahrungen der 
Armenpflege bestätigen leider täglich, daß ein übergroßer Teil siecher Frauen 
ihr Leiden aus schlecht überstandenen Wochenbetten erlangt haben. Ein gut 
geregeltes Hebammenwesen wird auf diesem Gebiete sicherlich sehr viel dazu 
beitragen, in dieser Hinsicht nachdrücklich Wandel zu schaffen; ein endgültiger 
Wandel zum Besten der gesamten Frauenwelt stehe aber nur nach Erlaß eines 
Hebammengesetses za erwarten. (Bravo 1 links.) 


*) Ist inzwischen gesehehen'; s. Tagesnaehriohten. 



196 


Die dic.'<jäbrigc Beratnag des preußischen 


Abg. Dr. lleydweiller (nat.-lib) erörtert die Frage der gesetzlichen Ee- 
gelong des Hebammonwesens, die seit etwa 9 Jahren das Hohe Haas beschäf¬ 
tigt habe. Es sei eine Debereinstimmung aller Faktoren sowohl im Abgeord- 
netenhaase, wie im Herronhaase dahin erzielt worden, daß eine organische Be- 
lorm des Hebammenwesens dringend notwendig sei, wie sich ans den wieder¬ 
holten Bcschlässen des Abgeordnetenhanses seit dem Jahre 1899 ergebe. 
Durch eine einheitliche, großzügige, gesetzliche Aktion werde es allerdings 
kaum möglich sein, mit einem Schlage große Erfolge za erzielen, sondern man 
müsse auf den Torschiedenen Stand der Knltnrentwicklnng in den yerschie- 
denen Teilen des Staates Eflcksicht nehmen; eine lebensvolle Tätigkeit der 
Verwaltangsbehördon in Verbindung mit derjenigen der Sclbstverwaltongs- 
körperschaften werde im großen and ganzen aaf diesem Gebiete eher in der 
Lago sein, wirkliche Besserangen za erzielen, als die Aufstellung idealer For¬ 
derungen, deren Dorchfübrang doch nur in dem Maße möglich sei, wie die 
lokalen Verhältnisse die Darebfübrung gestatten. Von diesem Standpunkt aus 
begrüßt Redner den Entschlaß des Kaltasministcrs, zunächst auf dem Wege 
der Verwaltung vorzugehen und das zu erreichen, was möglich sei, mit Freuden. 
Zeige sich jedoch, daß es auf dem Verwaltungswege nicht vorwärts gehe, daß 
es an der materiellen Unterlage fehle, so werde der Herr Minister sich hoffent¬ 
lich entschließen, die Klinke der Qesetzgebung in die Hand zu nehmen, wie 
dies schon betreffs einer Gebührenordnung beabsichtigt sei. Die geringen 
Gebühren, die jetzt erhoben würden, ständen in einem großen Mißverhältnis 
zu dem großen wirtschaftlichen Wert, den eine richtige Abwartung bei der 
Geburt und in der Wochenpllege für die Familie habe. Der Betrag von 10 M., 
wie er jetzt höchstens bezahlt werde, stehe in gar keinem Verhältnis zu den 
wirtschaftlichen Ausfällen und dem sonstigen Elend, daß in eine Familie ge¬ 
bracht wird, wenn durch Kiudbcttficbcr oder Verleizungen bei der Gebart 
dauerndes Siechtum in eine Familie cindringe. Mit Erhöhung der Gebübren- 
taxe solle aber auch die Möglichkeit der Einziehbarkeit dieser Gebühren auf 
dem Wege des Verwaltungszwangsverfahrens vorgesehen werden, ln dieser 
Eiebtuag eine Erleichterung zu schaffen, würde zur Hebung des Standes der 
Hebammen zweifellos beitragen. Wo die Gebühren nicht ausreichen, sei eine 
ergänzende Fttrsorgepfficht der Gemeinden einzuführen. Dieser Zustand sei 
schon wiederholt erstrebt worden, bisher aber ohne Erfolg, da durch die Ju¬ 
dikatur des Oberverwaltungsgerichts eine Verpffichtung der Gemeinden bezw. 
Kreise zur Bestellung und ausroicbenden Besoldung der Hebammen als recht¬ 
lich unzulässig erklärt worden sei. Trotzdem sei allerdings in einem Drittel 
der preußischen Kreise das Hebammenwesen kreisstatutarisch geregelt worden; 
es bestehe demnach die Hoffnung, daß es dem Herrn Kultusminister bei der 
rilichtreuc der Landräte und der Kreisärzte im weiteren Umfange abs bisher 
gelingen werde, durch kreisstatutarische Regelung befriedigendere Verhältnisse 
herbeizuführen,'* Wenn das aber nicht gelinge, dann werde nichts anderes 
übrig bleiben,^,als kurzerhand durch Gesetzgebung einzuführen, daß den Ge¬ 
meinden oder weiteren Gemeindeverbäuden die gesetzliche Fürsorge für An¬ 
stellung von Bezirksbebammen in genügender Zahl und die Siäerstellung 
ihrer Lebenshaltung auferlegt werde. 

Wenn man bedenke, daß 51**/, der Hebammen bis jetzt ein Einkommen 
von weniger als 400 M. haben, und sich anderseits die hoben Anforderungen 
an die Hebammen vergegenwärtige, dann werde man die Notwendigkeit, die 
Stellung der Hebammen zu befestigen, anerkennen müssen. Dann werde es 
auch gelingen, gebildetere Frauen und die besten Elemente vom Lande dem 
Hebammenstande zuzufuhren. Man solle auch die Bestrebungen auf Einfüh¬ 
rung einer geregelten Krankenpftege auf dem Lande mit der Hebung der 
Hebammen verbinden. “Die Versicherungannstalt von Hessen-Kassel gebe z. B. 
Jahrcszuschiisso von 200 M. für eine iieueingerichtcte Krankenpäogc.stoUe; die 
ProTinzialverwaltung 100 M. zu dem gleichen Zwecke, mit dem bisherigen 
Kinkommen von 400 Mark würde also eine Bezirkshebamme ein Gehalt von 
700,Mark haben und dadurch einer Gemeinde eine vollbeschäftigte Hebamme 
zugeführt ^werden. 

Redner schilcßt mit dem Wun-'ch, daß die Bestrebungen dos Ministers, 
Torniittels erhöhter 8taatsziiscbni.se auf dem Verwaltungswege eine durch- 
grcifei/dc Verbesserung des Hebammenwesens darchzuführen und dem Heb- 



Abgeordfiet«nbaiues ttber den Medizinalctnt. 


197 


uunensUuid immer bemere Elemente zasnfttbren, ron Erfolg gekrönt sein 
möchten, and da6 mit der gebortehilllichen Tätigkeit die Wochenpflege, die 
Hnos- and Siagiingspflege mehr and mehr organisch yerbonden werde. Sollte 
das aal dem Yerwaliongswege nicht erreicht werden können, so müsse ein 
gesetalieher Träger der Hebammenfflrsorge and damit eine genflgende Orond* 
läge fttr eine darcbgreifende Hebnng des Hebanunenstandes geschaffen werden. 
(Brayo!) 

Abg. Sehnedding-Münster fZentr.), will sich aof eine knrze Angabe 
des Standponktes seiner Parteifreande besdiränken. Diese seien an sich für ein 
Hebammengesetz; da ein solches aber nnr fttr die bedürftigen Hebammenbe« 
zirke nnbedingt nötig sei and diesen nnnmebr aaf dem Wege der Verordnung 
and daich Beihilfen des Staates geholfen werden solle, so könne zonächst 
das Ergebnis des Verfahrens abgewartet werden. Ob das erstrebte Ziel aof 
diesem Wege sieh erreichen lassen werde, sei allerdings zweifelhaft, zamal der 
dafttr ansgeworfene Fonds recht dürftiger Katar sei; er bedente geradezn einen 
Tropfen aaf den heißen Stein (Sehr richtig! im Zentram); aber immerhin ge> 
wihre er einen eifrenlichen Anfang der Bessernng, einen ersten Versuch zur 
Losung der Frage. Glücke der Versuch, so werde man wohl die Hoffnung 
hegen dürfen, daß der Fonds in den nächsten Jahren auch eine erhebliche Ver- 
stirkang erfahren werde. Ein Punkt freilich werde an der gesetzlichen Be* 

S flong nicht yorbeikommen: das sei die Qebührenordnangsfrage; denn yiele 
ebaoimen seien in der unglücklichen Lago, daß sie die ihnen zukommenden 
Gebühren entweder gar nicht oder nur au Umwegen oder nnr spät zur Ein* 
ziehang bringen können. Wenn es non dem Herrn Minister. gelmgen sollte, 
fttr diesen Zweck ein besonderes Gesetz zu schaffen, dann könne man einstweilen 
ruhig abwarten, wie sich im übrigen die Dinge, iu Znkonft entwickeln werden. 
(Bravo t) 

Minister der asw. Medizinalangelegenheiten Dr. HeUet M. H.I In 
voller üebereinstimmong mit dem geehrten Herrn Vorredner kann auch ich 
mich nnr aof den Standpunkt stellen, daß unser bestehendes Hebammenweeen 

g roße Mißstände anfweist, die dringend einer Verbesserung bedürfen. Der 
err Abg. Mttnsterberg hat bereits auf die Ergebnisse der Statistik hin* 
gewiesen, wonach namentlich in ländlichen Kreisen, and von diesen wieder 
m^ in den ärmeren, eine ungewöhnlich große Sterblichkeit der Mütter im 
Wochenbett besteht. M. H., noch zahlreicher sind, glaube ich, die Fälle, in 
denen nicht der Tod eintritt, sondern die Mütter ein dauerndes Leiden infolge 
mangelhafter Behandlung durch die Hebammen davontragen und dadurä 
namentlich in den Familien, in denen die flaosfrau der Träger des Wirtschaft* 
liehen Bestandes der Familie za sein pflegt, eine dauernde Kot in den Haus¬ 
stand herbeigefühlt wird. (Sehr richtig.) 

M. H., auch das Kurpfuschertum ist unter den Hehammen verbreitet. 
Wenn bis dahin zur Besserung dieser Verhältnisse immer von öinem 
Gesetzentwurf die Bede gewesen ist, so ist ein solcher auch in meinem Mini« 
sterium aasgearbeitet worden. Aber bei seiner Durchsicht habe ich die Deber* 
Zeugung gewonnen, daß ein anderes Vorgehen, wenigstens versuchsweise, den 
Vorzug verdient. Eine gesetzliche Begelong des gesammten Hebammenwesens 
würde notwendig eine starre Form der neuen Organisation herbeiführen, wie 
das bei jedem Gesetz der Fall ist. Auch würde eine neue Belastung der 
Kommanaiverbände unter den heutigen Zeitverhältnissen, wo sie ohnehin stark 
bdastet sind, manchen Bedenken begegnen. Da in großen Gebieten der Mon¬ 
archie unter möglichster Anpassung an die örtlichen Verhältnisse eine befrie¬ 
digende Lösung der ganzen Frage ohne Gesetz gelangen ist, so glaube ich 
zunächst auch weiter von der gesetzlichen Bindung absehen zu können und. 
durch Bercitsteliung eines größeren Staatsfonds den Versuch zu machen, mit¬ 
tels Staatsbeihilfen auch dort befriedigende Verhältnlsso zu schaffen, wo solche 
bisher nicht bestanden. Ob der Versuch gelingen wird, läßt sich noch nicht 
übersehen; aber ich glaube, immerhin verdient in der heutigen Zeit dieser 
Versuch den Vorzug vor einer doch mehr oder weniger schematischen Boge- 
lung durch Gesetz. (Abg. Mttnsterberg: Sehr richtig!) 

Die Hauptsache ist zunächst, daß überall Hebammen vorhanden sind, 
und daß, wo sie Jetzt noch fehlen infolge der Leistungsunfähigkeit der Kom- 
munalverbände^ ihre Ansetzung ermöglich wird. Die zweite Hauptsache bei 



198 


IM« 4tM|}äb«lf« Btrtiiuig dt« pr«ttAI«di«i 


d«r BegeliBg dt« Heb«HuneBwea«ii8 ist eia« daaiudeUe Sfekantelloag der 
Hebaounea. Za dem Zweck ist aaaftehst «h« Qraadlage lAr die GebftliioB 
erforderlich. Es ist aweifeihaft, ob die besteheade Qeeetzgebaag eiae.ent» 
sprecheade Uaterlage bietet; ee ist dar am eia Qesetseatwnrf für die Ocbtthrea 
der Hebammea bereits aasgearbeitet wordea, aad ich hoffe, iha in aliemichster 
Zeit dem Hohen Hause Toriegen an kOanen. (Bravo 1 ) Dareh das Gesets soll 
eiae sichere Unterlage geschaffen werden, damit die Hebammen an ihrem Gelde 
kommea. Eiae einheitli^e Regelang der Gebflhren tob der Zentrale aas ist 
nicht beabsichtigt, sondern die Gebfihrea sollen durch den Begierongsprial« 
deaten bestimmt werden, der sie in Aepassnng an die örtlichen VerhÜtnisse 
nach für die eiazelneB TeUe des Besirks Torschieden bemessen kann. Für die 
Beitreibong der Gebtthrea der Bezirkshebammea ist das Ferwaltongsawaags* 
Terlahrea vorgesehen. 

Ferner halte ich aar Verbesseroag des Hebammeaweseos fflr geboten, 
daB den Besirkshebammea ebe geattgende materielie Sicherstellong gegeben 
wird, soweit diese darch die Gebtthrea nicht erfolgt. In der Bestehnag treten 
schon jetst die Kreise vieKach erginsend ein. Die Einstellang der 50000 M. 

S eetattet, wie ich mir schon aasadeateB erlaabte, den Versnch an machen, den 
[reisen nad sonstigen Verbindea, die aas eigenen Mitteln nicht die eiiorder« 
liehen Sanunea beschaffen können, eine staatliche Beihilfe an gewähren, am 
so nach in den ärmeren oad abgelegeneren Gemeinden die Niederlassong tob 
Hebammen ttberhanpt an erreicben and ihre bessere Aas* and FortbUdnng oa 
ermöglichen. Dabei wird es darauf aakommen, für soldie Fälle, in denen dne 
Hebamme, die a. B. einen Fall von Kindbettfieber behandelt hat and wegen 
der Ansteckangsgefahr ihrem Gewerbe nicht nachgehen kann, eatspreck^e 
Entsehädigangen voraoaehen. (Abg. Mttnsterberg: Sehr gut!) 

Dann ist auch aa erwägen, ob man nicht den Hebammen für den Fall 
der Dienstanfähigkeit in irgend einer Weise eine gewisse Versorgoag 
sicherstellen kann, damit man diejenlgea, die in eia höheres Lebensdter konunea, 
ohne allsu grofie Härten aas dem praktischen Beraf heransbringea kann. 

Diese Pläne werden aanächst gehegt. Ich hoffe, daß wir im Wege der 
freiwilligen Verhandlong mit den Kommanalverbändea doch in den weitaas 
meisten Fällen aa einem guten Ziele kommen werden. Dies empfiehlt sich 
auch schon dämm, weil jetst ia den einaelnen Provinaea gans verschieden vor« 
gegangen ist; in manchen sind die Gemeinden die Träger des Bealrksheb« 
ammeawesens, in anderen Fällmi sind es die Kreise oder Aemter. 

Die Ansbildnng der Hebammen and die Kontrolle darfiber, ob sie 
danemd die nötigen Kenntnisse besitaen, am ihren Pfiiehten au entsprechen, ist 
eine aaßerordentOeh wichtige Frage, bei deren Begelong freilich die Provin« 
eialverbände beteiligt sind; denn die Hebammenlehransialten, die frfther im 
Besita des Staates waren, sind bei der Dotation der Provinaen auf diese ttber« 
gegangen. Es ist erklärlich, daß die Bereitwilligkeit der Provinaialverbände, 
den a^emeinea Interessen beattglich der Dauer der Aosbildong und der Größe 
und Aosgestaltung der Anstalten Rechnung au tragen, je nach ihrer Finans« 
läge verschieden ist. Ich beabsichtige in diesem Jahre bei der Jahreskoafersna 
der Landesdirektoren mit ihnen ttber die in dieser Beaiehong bestehenden 
Wflnsche aa verhandeln. (Bravo!) 

Ich möchte also bitten, sich mit dem Vwgehen, daß ich beabsichtige, 
einverstanden aa erklären. Das Gesets aar Erhebong von Gebühren wird in 
allernächster Zeit dem Hohen Hanse aagehen, und ich glaube, daß, wenn wir 
den Weg der Freiwilligkeit beschreiten, wir damit aanächst aweckmäßig han* 
dein. Denn die ganze Hebung der Hebammenfrage ist schließlich eine Geld* 
frage, und wenn der Staat sich helfend den Kommaaalverbänden an die Seite 
steUt, BO ist das der Weg, der sam Ziele führen kann. (Bravo l) 


e. Bnktoslologlaohe laatltute. 

Abg. Franken (nat.*lib.) bittet, daß dem hpgienisehen InsÜtat in Gelsen* 
kirchen, ms mit großen Opfern seitens der Kreise, Städte and Indostrie ins 
Le^ gerufen sei und bei der Bekämpfang von Krankheiten, insbesondere 
der Warmkrankheit und der Genickstarre grofie Dienste getan habe, auch 
ferner «ia Zosehoß von 5000 Hark wie bisher gewährt werden möge. (Bravo!) 



AbfeordaeUnhaiUM Aber dea Kadlabalatat 


198 


Minlfter der uw. VedlaiiiaUngelegenheiteB Dr. Holle orklirti defi der 
btahorige Zuehafi dem Uatemebmen aaob weiter bleibea aad eaek im Bo« 
derirfalle erhobt werden wird. Jedenfalle bestehe nicht die Absicht, ihn irgoad« 
wie znkürzen. (Abg. Franken: Daoke sehr!) 

f. BekAznpfong der Oreanloee. 

Abg. T. Conrad (freikou.) hebt herror, daS die Qraaalose sieht nu in ' 
Ostprenüeo, sondern anch in Weatprenfien nnd Posen sehr stark grassiere. 
Im Etat sd ann nicht gesagt worden, für welche ProTiu die 800000 Mark 
▼erweadet werden sollen ; er nehme an, daß sie ebenfalls wieder wie schon 
Inaher für Oatprenßen, wenigstens znm großen Teil, verwendet werden sollen. 
Westprenßen, besonders der Beg.-Besirk Marienwerder, sei aber anch besonders 
stark infisiert. Bereits im Jahre 1896 seien von mnd 170000 SchnJldndem 


rand 9000 s= 0,5% kOmorkrank befanden nnd nnter 12000 nicht schnl« 
pflichtigen Personen 2500 as 26,7 */o, also eia recht hoher Proseatsats. Na¬ 
mentlich seien die Kreise Könitz, Fiatow, Briesen nnd Schwets heimgesneht. 
Seit 1900 seien von allen Kreisvertretnn^ grtßere Snmmea snr Bekimpfang 
der Qrannlose gemeinsam mit dem Staat bewilligt worden. Seit dieser Zeit 
sind annmehr 7 Jahre verflossen, die Granulöse bestehe weiter fort, nnr hidie 
sich die Krankheit gegen früher allerdings etwu verschoben. In den Schniea 
k&men Qrannlosefilie nnr sehr selten noch vor; ebenfalls würden bei der 
Auhebnng der Bekmten nnr noch selten Orannlosefälle ermittelt, desto 
h&nflger seien aber Grannloselille in Familien; Öfter werde die gesamte Familie 

E aanloeekrank befanden, an deren Heilang erhebliche Mittel notwendig seien. 

e Gemeinden kOnnen diese nicht anfbringen; der Kreis müsse ^treten, 
welchem zn diesem Zwecke jetzt die genügenden Mittel fehlen. Bedner 
bittet deshalb den Herrn Minister, die Bek&mpfang der Granalose anch in 
Westprenßen, besonders Im Beg.-Bezirk Marienwerder, sn beschlennigen, nnd 
dafür an sorgen, daß die im Etat eingestellten Mittel anch für Westprenßen 
zu Yerwendnng gelangen. 

Geh. Ob.-Med.>Bat Dr. Kirchner erwidert, daß es der Königlichen 
Staatsregiemng wohl bekannt sei, daß die Granalose im Osten der Monardüe 
viel weiter verbreitet sei, als lediglich in der Provinz Ostprenßen. Es bestehe 
eia augedehnter Herd, der sich über die Provinzen Ostprenßen, Posen nnd 
auh Teile von Westprenßen nnd anch Pommern erstreckt nnd die mssischen 
Ostseeproviuen nnd Busisch-Polen nmfasse. Es sei von vornherein die Ab* 
sicht der Staatsregiemng gewesen, ln allen befallenen Landesteilea energisch 
gegen die Grannlose vorzngehen; aber es habe sich bald heraugestellt daß 
die dueh den Etat snr Verfügang gestellten Mittel von jährlich 860000 M. 
allein für die Provins Ostpreußen vollständig anfgebrancht werden mußten. 
Diese Summe mußte sogar in verscbiedenen Jahren, am stärksten im Jahre 1900, 
erheblich überschritten werden. Es erschien notwendig, dort erst einen Verandi 
sn machen, ob und inwieweit es möglich wäre, mit dem angewandten Be* 
kimpfangsverfahren sn einem befriedigenden Ziel zu kommen. Dies sei in 
der Tat augeseichnet gelangen. Die Orannlose sei in der Provins Ost¬ 


preußen in allen drei Begiemngsbezirken nicht nu nach der Zahl der Fälle, 
sondern anch nach der Schwere derselben außerordentlich zarttckgegangen, so 
daß in einer gauen Beibe von Kreisen mit der energischen Bekämpfnng, wie 
sie ursprünglich vorgenommen worden sei, habe aufgehOrt werden kOnnen. 
Allerdings habe sich heraasg<‘steilt, daß, wenn die Bekämpfung irgendwo gau 
anlhOre, bald wieder ein Aafflackem der Krankheit eintrete, weshalb es not* 
wendig sei, dort fortgesetzt aufznpassen nnd die Waffen nie ganz rnhen sn lassen. 
Aber bereits im Jahre 1904 und in den folgenden Jahren in steigendem Maße 
haben von der Summe von 850000 M. schon Ersparnisse gemacht werden 
können. Der Herr Minister habe daher Verhandlongen mit dem Herrn Finanz- 
minister angeknüpft, um mit Hilfe der in Ostpreußen nicht verwendeten Mittel 
die Grannlose in den übrigen Teilen des Landes in Angriff nehmen zu können. 
In Posen haben bereits Kurse für Aerzte stattgefanden, um sie in der Er¬ 
kennung der Behandlung der Grannlose zn unterweisen, nnd es werde beab* 
sichtigt, nunmehr die Pläne für die Bekämpfang der Granulöse einer Nach¬ 
prüfung nach der Btehtung hin za unterziehen, ob sie im Hinblick auf du 
Senchengesetz vom 28. Aagust 1905 einer Abänderung bedürfen. Yorans- 
sichtUeh werde u sich ermöglichen lassen, in nächster Zeit anch außerhalb der 



200 


Die diesjährige Berttang des prcaßischen 


Provinz Ostpreußen in eine energische Bekämpfong der Granulöse einzu¬ 
treten. Schon jetzt seien übrigens in anderen Bezirken staatliche Mittel auf- 
gewendet worden, so im Regierungsbezirk Danzig durchschnittlich llOOO^M. 
jährlich. 

g. Doktorpromotlon. Ansban der medleinlsolieii Fakolt&t 
ln Mflnater. liehratfihle fdr soslale Medlsln. 

Abg. Dr. T. Savlgny^ Berichterstatter, spricht zunächst für Einführnng 
und Zulassung der Tierärzte zur Doktorpromotion (Dr. med. Tet) 
und bemerkt dann betreffs der medizinischen Doktorwürde, daß deren 
Brlangung den Ausländern zu sehr erleichtert und dadurch die Inländer benach¬ 
teiligt würden. 

Er spricht dann schließlich die Hoffnung aus, die medizinische 
Fakultät in Münster demnächst vollständig eingerichtet zu sehen. Die 
Schwierigkeit, daß die Stadt Münster die für die Einrichtung einer raedhdni- 
schen Fakultät notwendigen Krankenhäuser nicht zur Verfügung stellen wolle 
werde sich hoffentlich beseitigen lassen. 

Abg. SchrSder-Cassel (nat.-lib.) wünscht, daß auf allen deutschoi Uni¬ 
versitäten Lehrstühle für soziale Medizin errichtet werden mOchten. 
In seiner Tätigkeit als Dezernent der landwirtschaftlichen Bemfsgenossen- 
schaft und Vorstandsmitglied einer Landesversichernngsanstalt mache er Tag 
für Tag die Erfahrung, daß ein großer Teil nicht nur der älteren, sondern 
auch der jüngeren Aerzte in Stadt und Land diejenigen theoretischen und 
praktischen Erfahrungen vermissen lassen, die zur richtigen Durchführung der 
deutschen Arbeiterversicherungsgesetzgebung unbedingt notwendig sind. Der 
Arzt stehe im Mittelpunkte der Arbeiterversicherungsgesetzgebung; ihre 
Durchführung sei ohne seine Mithilfe vollständig undenkbar, mag es sich um 
die Krankenversicherung, die Unfallversicherung oder schließlich um die In¬ 
validenversicherung handeln, er sei fast überall die entscheidende Instanz. 
Bei der Krankenversicherung entscheide er, ob eine mit Erwerbsunfähigkeit 
verbundene Krankheit vorliege und damit der Bezug des Krankengeldes ge¬ 
rechtfertigt sei; bei der Unfallversicherung habe er die einzelnen Uofallschäden 
nach Prozenten abzuschätzen, den Zusammenhang der augenblicklich vorlie¬ 
genden Erwerbsbeschränkung mit dem angeblichen Unfall zu beurteilen. Bei 
der Invalidenversicherung habe der Arzt ganz besonders wichtige Entscheidun¬ 
gen zu fällen und festzustellen, ob der Rentenbewerber durch sein Leiden auf 
dem allgemeinen Arbeitsmarkt, aber doch unter Berücksichtigung seiner bis¬ 
herigen Berufnngstätigkeit zu mehr als */* erwerbsunfähig sei. Das seien 
überaus schwierige Entscheidungen, von deren Richtigkeit das Schicksal vieler 
Familien abhänge. Dazu komme das große Gebiet der Krankenfürsorge. Da 
habe wiederum der Arzt festzustellen, ob ein Heilverfahren noch Aussicht auf 
eine vollständige Heilung oder wenigstens auf eine Hinausschiebung der drohen¬ 
den Invalidität biete. Dem Arzt sei aber überall für diese Frage nur dann 
eine richtige Beurteilung mOglich, falls er auch die nötigen theoretischen 
Kenntsisse und praktischen Erfahrungen auf dem Gebiete der sozialen Medizin 
besitze. Der Arzt solle außerdem auch noch der Berater des Kranken auf 
sozialem Gebiete sein, er solle seine Patienten sachgemäß beraten, auf der 
einen Seite nicht unerfüllbare Hoffnungen erwecken, auf der andern Seite auch 
den Kranken auf seine Rechte ans der Arbeiterversicherungsgesetzgebung auf¬ 
merksam machen. (Sehr richtig!) Wie viele Ansprüche geben verloren, und 
wie viele Menschen gehen zugrunde, die bei rechtzeitigem Eingreifen unserer 
sozialpolitischen Kassen und Anstalten noch hätten gerettet werden können! 
Deshalb sei eine vollsändige Ausbildung der Aerzte auf dem Gebiete der sozialen 
Medizin in Theorie und Praxis unbedingt erforderlich. (Sehr richtig!) 

Die in dieser Beziehung in Berlin und Bonn angestellten Versuche haben 
sich glänzend bewährt. Der Ansicht des Kommissars der Regierung, daß eine 
Berücksichtigung der sozialen Frage auch bei der Behandlung der gesamten 
Medizin möglich sei, und dieser Unterricht am ztreckmäßigsten den Akademien 
für praktische Medizin und den Fortbildungskursen für Aerzte zuznweisen sei, 
kann sich Redner nicht anschließen. Die .soziale Medizin sei heute eine Wissen¬ 
schaft für sich und könne nicht auf die einzelnen Lehrfächer verzettelt werden. 
Außerdem sei auch ein theoretischer Unterricht im Versichernngsrecht not¬ 
wendig, das doch einheitlich an irgend einer Stelle gelehrt werden müsse. 



AbgeordnetenhauM über dea Medlainaletat. 


20t 


Die Akademie fflr eoalale Medida und die Fortbildongskarae seien in'^keiner 
Weise genttgend, nnd xwar ans dem Grande, weil nur ein kleiner Brachteil 
der Aerste dort ihre Belehrang finden kOnne. Aofierdem aber sei es notwendig, 
daß die sosiale Medizin sam Gegenstand der Abschlaflprttfang gemacht nnd 
das Stadiam derselben fflr obligatorisch erklärt werde. 

Bedner wflnscht deshalb erstens, daß aaf allen preußischen Unirersitäten 
ein Lehrstahl fflr sosiale Medizin errichtet and das AniiOren dieser Vorlesangen 
obligatorisch gemacht werde, daß in diesem Fache nach eine Prfllang im 
Examen obligatorisch stattfinde, and der betreffende Professor, der dieses Kolleg 
liest, zam kütglied der Prflfangshommission gemacht werde. Die ErfflUang 
dieser Wflnsche werde ron ihm nicht im Interesse der beteiligten Professoren 
Tertreten, sondern ror allen Dingen im Interesse einer gerechten and saeh* 
gemäßen Darchfflhrang der deutschen Arbeiterrersicherang. (Bravo l links.) 

Abg. Milasterberg (freis. Ver.) schließt sich den Aosfflhrangen des Vor« 
redners an. Er weist dann weiter darauf hin, daß auch Professoren fflr Ge* 
fängniswesen, Eriminalpsyohologie and Eriminalpsychiatrie fehlen. 

Minister der asw. Med.-Angelegenheiten Dr. Helle: Gegen die Professoren 
fflr soziale Medizin haben die medizinischen Fakultäten vielfach Bedenken ge* 
äußert, weil sie meinen, daß die soziale Medizin in den anderen Vorlesangen 
schon genügend berücksichtigt werde. Ich stehe aaf einem etwas anderen Stand* 
pankt. Die aaßerordentUche Aosdehnong der sozialen Gesetzgebung and der Um* 
stand, daß die meisten Fälle, die unter diese Gesetzgebong fafien, von den prakti* 
sehen Aerzten maßgebend beurteilt werden müssen, legen die Erwägung nahe, 
die Aerste bei der Aasbildang auch mit der Kenntnis dieser Gesetzgebung nnd 
ihrer Ziele vertraut zu machen, damit sie roäter in ihrem praktischen Beruf 
die einzelnen Fälle auch richtig in voller Kenntnis dieser Gesetzgebung zu 
beurteilen vermögen. (Bravo! links.) Mit Rücksicht hierauf waren ja vor drei 
Jahren zwei Lehraufträge in Berlin und Bonn versuchsweise erteilt. Die Er* 
Lthrungen der nächsten Jahre haben dazu geführt, auch an den Universitäten 
Kiel und Marburg dieselben Lehraufträge vom 1. April d. J. ab zu erteilen, so 
daß dann an vier Universitäten die soziale Medizin besonders vertreten sein 
wird. Daraus darf wohl geschlossen werden, daß allmählich noch weitere 
Universitäten folgen werden. (Bravo! links.) Ob die soziale Medizin in die 
Abschlußprüfung einzufügen ist, ist nicht Sache der preußischen, sondern der 
Beichsgesetzgebang, denn die Aufgaben und Ziele der ärztlichen Staatsprüfung 
sind für alle deutschen Universitäten gleich nnd vom Reich bestünmt. 

Abg. Dr. Keil (nat.*lib.) wünscht die Wiederbesetzung der einzigen oitho* 
piiischen Professur in Preußen, die bisher der verstorbene Prof. Dr. Hoffa 
Innegehabt hat. Er sei gewiß der letzte, der einer zu weitgehenden Spezidi* 
sierung der ärztlichen Wissenschaft hier das Wort reden möchte; es sei in 
großen Städten nachgerade dahin gekommen, daß man seinen Hausarzt eigent* 
lieh nur zu dem Zweck hat, um ihn im einzelnen Fall darüber zu befragen, 
welchen Spezialisten man zu Rate ziehen solle. (Sehr gut! Heiterkeit.) Hier 
liegen die Dinge aber doch anders. Die Orthopädie habe sieh längst eine 
selbständige Daseinsberechtigung erworben. Die Lehre und die Wissenschaft 
von dem Erkennen der Verkrümmungen der menschlichen Gliedmaßen und von 
der Bearteilung, Verhütung und Heilung dieser Kränkelten sei mit der Zeit 
so umfassend geworden, daß sie nur durch einen selbständigen Lehrer in zu¬ 
reichender Weise bearbeitet werden könne. Dazu komme, daß diesem Gebiete 
in der Zukunft noch neue Aufgaben erwachsen werden, namentlich der Krüpptd* 
fürsorge. Die Erüppelheime, meist geleitet von Geistlichen, müßten sich all* 
mählich in Krüppeiheilaostalten verwandeln, ihre Leitung und Beauf¬ 
sichtigung einem orthopädisch geschalten Ohirurgen übertragen werden. Die 
Orthopädie sei auch nicht ausschließlich aus der Chirurgie hervorgegangen; 
denn Mechaniker seien die ersten gewesen, die durch glücklich ersonnene 
Apparate die ersten orthopädischen ^sserungen und Heilungen herbeigeführt 
hätten. Es sei nicht ausreichend, etwa bei der chirurgischen Klinik oder bei 
der Charitö eine orthopädische AbteUung zu errichten, sondern es sei durchaus 
notwendig, den verwaisten Lehrstuhl wieder mit einer erfahrenen Kraft zu be¬ 
setzen (Sehr richtig I) Geschähe das nicht, so würde Preußen überflügelt werden 
von außerdeutschen Staaten. In Leipzig habe man längst eine derartige Professur, 
ebenso in München; Bayern gehe außerdem damit um, auch auf seinen anderen 
beiden Landesuniversitäten Lehrstühle für Orthopädie einzurichten. (Bravo t) 



202 Die diesj. Baratang dei preuß. Abgeordoetenhames ttber den Medixiaaletat. 


Minister der usw. Med.-Angelegenheiten Dr. Holle: Es ist richtig, daß die 
hiesige medixinische Fakaltät beantragt bat, von der Wioderbesetzang dieser 
Professor Abstand za nehmen, and zwar deshalb, weil die Orthopädie sowie der 
orthopädische Unterricht an die beiden hier bestehenden ebirnrgischen Kliniken 
angeschlossen werden möchte. Sie bernf t sich daraaf, daß die Orthopädie eigentlich 
ein Spezialfach nicht bilde, daß nach die wesentlichen Fortschritte aaf dem Ge¬ 
biete der Orthopädie bis dahin von Chirargen erreicht worden seien, and daß die 
Yorlesongen onter Holfa einen so großen Zalaaf nicht gehabt hätten, am 
den daaemden Bestand dieser Professar za rechtfertigen. Sie weist daraaf 
hin, daß an der Wiener Universität derselbe Konflikt besteht and aach dort 
die Fakaltät sich aof denselben Standpankt gestellt hat. Trotz dieser Be¬ 
denken, die gewiß für mich ihre Bedeatang haben, möchte ich doch daran 
festhalten, die Professar wieder za besetzen, (Bravo!) die vor wenigen Jahren 
erst geschaffen worden ist. (Bravo!) Es ist die Krüppelfttrsorge mit Recht 
hier in dem Hohen Hanse betont worden, and die Verhandlungen dieses Hohen 
Haases in dem Jahre 1905 haben der Medizinaiverwaltang za einer Enquete 
Anlaß gegeben, wieviel schulpflichtige Krüppel wir flberhaapt in Preußen 
haben. Nach den eingegangenen Berichten sind es allein 51000 bis zom Alter 
von 14 Jahren. Wenn man nan bedenkt, daß verhiUtnismißig ebenso viele 
in höheren Lebensaltern sich Anden, so würden wir etwa im ganzen mit 200000 
Krüppeln rechnen können. Aber noch viel mehr kommt die Zahl der Kinder 
in Betracht, die zam Schiefwachsen neigen, and für die demgemäß ein be¬ 
sonderer ärztlicher Rat erforderlich ist, um sie wieder in Ordnung zu bringen. 
(Sehr richtig!) Aus diesem Grande möchte ich die Verantwortung nicht über¬ 
nehmen, die Professar nicht wieder za besetzen, (Bravo!) und beabsichtige 
demgemäß, die Professar für Krüppelfürsorge in der Meinang, daß ich daiut 
dem allgemeinen Interesse entspreche, aafrechtznerhalten. (Lebhaftes Bravo.) 

Abg. Bosenow (freis. Volksp.) dankt dem Minister für seine Mitteilangen, 
die in den weitesten Weisen der Bevölkerang und der Aerzte aaßerordentlidie 
Freude erregen werden. Es wäre in der Tat unerhört, wenn in diesem FaUe 
die Fakaltät mit ihrem Urteil hätte obsiegen sollen, and wenn dieser Lehrstuhl, 
der eben erst geschaffen und so außerordentlich ausgebaat sei, hätte eingehen 
sollen. Spezialfächer seien nicht immer Nebenfächer; insbesondere sei die 
Orthopädie ein Fach, das als Hauptfach anzosprechen and mit Rücksicht auf 
die Krttppelfürsorge von besonderer Bedeatang sei. 

Redner befürwortet dann ebenfalls die Errichtang von Lehrstühlen für 
soziale Medizin, and spricht die Bitte aas, daß bei sämtlichen Universitäten 
dieser wichtige Zweig der Medizin durch Ordinariate besetzt würde. Die 
soriale Medizüi nehme die Tätigkeit der Aerzteschaft in so hohem Maße in 
Ansprach, daß unbestritten behauptet werde, 90**/« aller Aerzte wenden 76 Vo 
ihrer gesamten Tätigkeit im Dienste der sozialen Medizin und der sozialen 
Gesetzgebung auf. Sei dies aber richtig, so werde man nicht von einem Neben¬ 
fach sprechen können. Die soziale Medizin müsse aach bis zu einem gewissen 
Grade Prüfongsgegenstand sein, damit die Mediziner lernen, sich mit diesen 
Dingen za beschäftigen. Es liege nicht nur im Interesse des Staates, im 
Interesse der sozialen Gesetzgebang der Bemfsgenossenschaften, der Kranken¬ 
kassen, sondern auch im Interesse der Indastrie and der Arbeiter, daß die 
Aerzte dieses Gebiet möglichst voll beherrschen. 

Abg. Dr. Wagner (freikons.) betont ebenfalls die Notwendigkeit der Er¬ 
richtung von Lehrstühlen für soziale Medizin, da es unbedingt erforderlich sei, 
daß die Ausbiidang der künftigen Aerzte aaf diesem Gebiete noch vervoll¬ 
kommnet werde. So unangenehm es auch an sich empfanden werden könne, 
die ärztlichen Prüfungen noch mit weiteren Disziplinen and Gegenständen zu 
beschweren, so zeige sich doch kein anderer Weg; denn wenn ein Examen 
darüber nicht abzalogen sei, dann werde die Sache auch nicht so gründlich 
genommen, wie es anbedingt erforderlich sei. Ein rundes Viertel der Ein¬ 
wohner des Deatschen Reiches gehöre in irgendeiner Form der reichsgesetz- 
lichen Arbeiterversicherang an, und es werde wenig Aerzte geben, die nicht 
irgendwann and irgendwie vielleicht täglich in die Lage kommen, auf Grund 
der Bestimmungen der Reichsarbeiterversicherang ein Gata^ten abgeben zu 
müssen, und denen es oft gar nicht bekannt sei, worauf es dabei sowohl in 
gesetzlicher Beziehang, wie in rein medizhüsch-technischer Beziehung ankomme. 
Dadurch werden auoi große Mengen ganz überflüssiger Verwaltongskostea 



Kleioere Mittettiingeii and Referate ani Zeitsehrifteii. 906 

den Landesrereieheraogsansialten anfgew&lzt; denn es komme sebr h&nflg vor, 
daß das beigebraclite Qalachten eines Arztes sich tatsächlich als nnbranchbar 
erweise and weitere Qatachten eingefordert werden mflssen. Diese wieder* 
holten Qatachten kosten nathrlich sehr viel Geld, das gespart werden kOnne, 
wenn der erste Gatachter tatsächlich wissenschaftlich so aasgebildet wäre, daß 
er in jeder Beziehang den an ihn gestellten Anfordeangen genttgen konnte. 

Abg. Rosenow (freis. V •?.) bittet, an das Ordinariat für soziale Medizin 
ein Institat fttr Gewerbekrankheiten anzagliedern. Dieses Gebiet sei bisher 
noch gar nicht beackert worden, aber von größter Bedeatang fttr die gesamte 
Arbeiterrersicherang ist. _ 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. OorlohtUohe Medlxln. 

Zar Wirkung des Kali chlorleam auf den Krelslanf. (De l'action 
des chlorates alcalins sar la circalation). Von J. E. Abelons and E. Bar- 
dier-Toaloase. Comptes rendas de la soc. de biol; LXIII., 1907, Nr. 87. 

In seiner Arbeit: „üeber die giftige Wirkung der cblorsaaren Salze* 
hatte March and angegeben, daß intrayenOs injizierte Chlorsäure Salze den 
Herzrhythmas ziemlich stark yerlangsamen, dann kurz vor dem tödlichen Aasgange 
nod^ beschleunigen. Bei sehr langsamer Injektion der SalzlOsangen trete 
ehie Vergiftung nicht aof, das Tier kOnne auch die Einyeileibang starker 
Dosen unter diesen Umständen ttberleben. 

Aach bei der Verabreichung per os ließen sich dieselben Befände 
erheben. 

Die Autoren untersuchten nun die Verhältnisse genauer. Sie konnten 
feststeUen, daß bei langsamer Injektion ein 8 kg schwerer Hund auf Einrer- 
leibung yon 600 ccm einer l*/oi^en LOsung yon KCIO* nur wenig 
reagierte; daß bei der Elimination der Flttssigkeit nur eine sehr starke 
Diurese einsetzte. 

Kali chloricum wirkt auf den Vagusnem reizend und erzeugt eine be* 
triehtliche Hersyerlangsamung. Beim Kaninchen fiel nach Injektion yon 
6,80 g einer !*/• Na CIO, LOsung die Herzfrequenz yon 800 auf 100; ferner 
traten yorttbergehend Eonyulsionen aut Dr. Mayer-Slmmem. 


Das Chloraethyl im Blute Im Verlaufe der Narkose* Von L. Camus 
und Maurice Nicloux. Comptes rendas de la soc. de biol.; LXIII., 1907, 
Nr. 88. 

Die Arbeit schließt an die früheren Niclouxschen Darlegungen an, 
die in Nr. 8, 1907 (S. 880) dieser Zeitschrift besprochen wurden. 

Das Chloraethyl (C* CI) hat einen weit niederen Siedepunkt, als 
Chloroform und Aether. Der Siedepunkt für diese Narcotica ist 60,8 und 86,6*, 
fttr jenes 12,5*. Vom Blute wird Chloraethyl außerordentlich rasch fixiert; 
diese Schnelligkeit stimmt übrigens damit überein, daß auch die Symptome 
der Narkose durch dieses Mittel sehr rasch einsetzen. 

Beim Auftreten der Unempfindlichkeit der Hornhaut findet sich im 
arteridlen Blute meist ein Aethlychloridgehalt yon 25 mg in 100 ccmiBlut. 
Bei yoUer Anaesthesie kOnnen die Dosen zwischen 80 und 80 mg schwanken. 
Gleichzeitig der Arterie und der Vene des Tieres entnommene Proben ent¬ 
halten im arteriellen Blute mehr Chloraethyl als im yenOsen. 

Die tödliche Dose läßt sich einheitlich nicht feststellen. Manchmal 
sterben die Tiere bei einem Gi H» CI gehalt yon 45 mg in 100 ccm Blut, 
manchmal erst bei einem 4 fach stärkeren Gehalte. Diese Unterschiede beruhen 
aut der yerschiedenen Art der Anwendung des Mittels, auf der Dauer des 
Versuches, der Stärke des ei^eatmeten Gemisches, dem besonderen Zustande 
des Neryensystems und des Herzens im Augenblicke der Narkose. Bei An¬ 
wendung titrierter Mischungen treten häufig AtmungsstOrungen auf; häufig ist 
der Atemrhythmus beschleunigt, eine toxisäe Polypnoe mit Verringerung der 
Amplitude der Atembewegungen setzt ein. In solchen Eällen beruht der 
Tod auf Insuffldenz des Atmungsapparates; im Blute braucht nur 
wenig Chloraethyl yorhanden au sein. — Läßt man die Tiere dagegen Chlor¬ 
aethyl ohne Sauerstoff der Luftsoftthrung dnatmen, und führt die Narkose 



fi04 Kleinen Mitteilangen and Befente nne Zeitaelirlften. 

■ehr nsch herbei, so kann man im Blute bis 200 ^ CtHBCl in 100 ccm 
flndon: bei künstlicher Atmu^ läßt sich alsbald eine Wiederbelebung ertielen. 
— Chloraethyl ist also ein Körper, der sehr leicht eliminiert werden kann; 
ein großer Qehalt im Blute braucht die lebenswichtigen Organe noch nicht 
ernstlich zu sch&^gen. 

Chloroform und Aether werden viel schwerer aasgeschieden; die Größe 
der beim Tode gefundenen Mengen schwankt weniger. Die plötzliche Ein¬ 
führung einer großen Chloroformmenge ist viel gefährlicher, als das rapide 
Ansteigen yon Chloraethyl im Blute. Schwere Schädigungen lassen sich daher 
durch Chloraethyl am besten aasschließen, um so mehr, als selbst bei Fällen 
massiver Intoxikation die künstliche Atmung ihre Wirksamkeit entfaltet. Das 
ist für die praktische Anwendung yon großer Bedeutung. 

_ Dr. Mayer-Simmem. 


Zur Giftwirkung niketinfreler TubaksBorten. Von Georges Guil¬ 
lain und Abel Gy. Comptes rendns de la soe. de biol.; LXIU, 1SÜ7, Nr. 87. 

Guillain und Gy schließen aus ihren Ursachen^ daß der Gebrauch 
nikotinfr eien Tabacks beim Menschen schädlich wirken kann. Die An¬ 
wendung solcher Tabaksarten gibt eine trügerische Sicherheit und sollte Kranken 
mit Herz*, Leber-, Magen- und Nervenleiden verboten werden. 

Zu Fersuchen wurden 20% Mazerate einerseits von gewöhnlichem Tabak 
der französischen Regie, anderseits von nikotinfreiem Tabak dieser Regie und 
nach Parants Verfahren entgifteten Tabak angewandt. Der Tod tritt bei 
intravenöser Injektion von Kaninchen dort nach 2 ccm, hier nach 4—5 ccm ein. 

Injiziert man Kaninchen Mazerate „entgifteten* Tabaks in geringeren 
Dosen, als die letale, so treten heftige Krampfanfälle, später vorübergehende 
Lähmungen und Mnskelschwäche auf. Die Tiere sterben nach einigen Tagen. 

Nach intravenöser Injektion noch geringerer Dosen — von V* his 1 ccm 
des 10—20 proz. Mazcrats nikotinfreien Tab&s treten Dyspnoe, mehr oder 
weniger heftige epiieptiforme Anfälle, transitorische Lähmungen und Asthenie auf. 

Beweisen diese Injektionen die Gif tWirkung auch dieser Tabaks¬ 
sorten, so fehlt allerdings die abortive Wirkung, die die Autoren in 
einer früheren Arbeit, über welche in dieser Zeitschrift referiert wurde, auch 
experimentell nachgewiesen batten. Nach Injektion von nikotinfreiem sogen. 
Caporsd doux in wiederholten Dosen der 10 proz. wässerigen Lösung wurde 
weder beim Kaninchen, noch bei der Maus die Schwangerschaft unterbrochen. 

_ Dr. Mayer-Simmem. 


Die Bedeutung der ktlnstllchen Ateiung bei Wlederbelebnagsver- 
suchen fdr die Diagnose des Ertrinkungstodes. Von Prof. Dr. Arthur 
Schulz, Gerichtsarzt in Halle a. S. Vierteljahrsschrift für gerichtL Mediz.; 
1908, XKXV. Bd., 1. H. 

Eine Geisteskranke verstarb plötzlich in einem Wannenbad, als sich die 
Wärterin pflichtwidrig während 6 Minuten aus dem Raum entfernt hatte. 
Wiederbelebnngsversache blieben ohne Erfolg. Die Obduktion ergab den ty¬ 
pischen Befund des Ertrinkungstodes. Nun stellte sich aber später heraus, 
daß nach Lage der Leiche im Bade ein Ertrinken unmöglich gewesen sei; sie 
saß so, „daß der Mund bis zur Hälfte aus dem Wasser herausragte*. Die 
Möglichkeit, daß der Tod aus innerer Ursache (Herztod) eingetreten und erst 
na<äher Wasser in die Luftwege gelaufen sei, gab Veranlassung zu prüfen, 
ob durch die künstliche Atmung an Leichen das Bild des Ertrinkungstodes 
unter solchen Umständen erzeugt werden kann. Diese Frage konnte auf 
Grund von Versuchen durchaus bejaht werden. Der Leiche wurde, ehe die 
Starre begann, in sitzender Haltung Wasser in die Langen eingegossen und 
sofort künstliche Atmung angeschlossen. Es entsprach nicht nur der anato¬ 
mische Befand beim Ertrinkungstode, sondern auch die kiyoskopisch nachwds- 
bare Verdünnung des linken Herzbluts und der Lungenflüssigkeit sowie stärkere, 
Hämolyse des linken Herzblutes wurden, wenn auch nicht ausnahmslos, kon¬ 
statiert. Wird also bei Leichen, in deren Luftwege Wasser geiangeo konnte, 
die künstliche Atmung aasgeführt, so läßt sich der Befund an den Lungen 
und an dem Herzen gerade in den Punkten nicht mehr für den Ertrinkungstod 
verwerfen, in denen er bisher als zuverlässig galt. Eine Ausnahme bildet 



Kleinere Mittellnngen ond Referate tue ZeHeohrfften. 


206 


vielleleht der Befund der troekenen Lnngenblfthnng. Wenn es richtig ist, daß 
diese im Lebenden dnreh die anüuigs erhaltene Besorptionsf&higkeit der 
Longen zostande kommt (BeTenstorf), und erst nach dem Anilösen der 
Resorption die Dorehtrinkong des ganzen Lnagengewebes das Oedema aqno- 
snm sich aasbildet, so wird man bei postmortalem Eindringen des Wassers, 
da in der Leiche eine Resorptionsfihigkelt fehlt, kein trockenes Emphysem 
erwarten dürfen. Findet man es dennoch in einem Falle, in dem die kflnst* 
Üehe Atmung angewendet worden war, so wäre dieser Befand beweisend fQr 
den Ertrinkungstod. Weder im berichteten Falle noch in den Versuchen 
Schula wurde in der Tat eine trockene Blähung gefunden. 

_ Dt. Fraenckel'Berlin. 

üntersuehungen Sber die Fragmentation und Segmentation des 
Hersmnskels. Von A. Stamer. Zieglers Beiträge Bd. 42, Heft 2. 

Ueber die Bctstehung dieser in Bede stehenden Erscheinungen, die man 
auch häufig schon bei ganz plötzlichen Todesarten (Selbstmorden) imkroskopisch 
konstatieren konnte, sind die Meinungen noch immer geteilt. Bei der sog. 
SegmentaUon (dem ötat segmentaire) sind von der größten Bedeutung die 
Kittlinien, die man frtther fälschlich als Grenzen der Herzmuskelzellen be¬ 
trachtet hat, die aber wahrscheinlich agonale Kontraktionsphänomene darstellen. 
Bei der typischen Segmentation handelt es sich nun um Qaerbrficbe der 
Herzmuskelfasem, die mit jenen Eittlinien zusammenfaUen, während bei der 
Fragmentation die Quer- und Treppenbrttche außerhidb der Kittlinien, 
zum Teil sogar quer durch Mnskelzellkeme verlaufen. Letztere Erschebung 
int sicher als Artefakt beim Zerschneiden oder Zerzupfen des frischen Herzens 
oder aber beim Schneiden der eingebetteten Materials aalzufassen; die Seg¬ 
mentation kann aber doch vielleicht als Folge einer maximalen agonalen 
Kontraktion angesprochen werden. Prtvatdozent Dr. Merkel-Erlangen. 


Zur Frage der Cherionepithellom - Ihnliehen Gesehwülste. Von 
W. BieseL Zieglers Beiträge Bd. 42, Heft 2. 

Die vorläufige Mitteilung zeigt, wie vorsichtig man bei der Diagnose 
der Chorionepitheliomen und dor Chorionepitheliom-ähnlichen Tumoren sein 
muß; denn die beiden vom Verfasser geschilderten Fälle von Magenkarzinom 
wiesen Lebermetastasen auf, die z. T. makroskopisch durch ihr stark 
hämorrhagisches Aussehen, ganz Überraschende Aehnlichkeit mit Chorion- 
epithelioiumoten erkennen liwen, so daß man leicht an eine Kombination 
von Magenkrebs und ektopisches Chorionepitheliom hätte denken können; in¬ 
dessen Ueßen sich doch auch die hämorrhagischen Tnmorknoten mit Sidierheit 
als Krebsmetastaaen mit starker Atypie der Zellen und Zellverbände erkennen. 
Diese Beobachtung mahnt auch zur Vorsicht in der Deutung jener chorion¬ 
epitheliomartigen Bildungen, die man zuweilen in| Hodenteratome be- 
sdirieben hat Privatdozent Dr. Merkel-Erlangen. 


Ein kurzer Beitrag zu dem Kapitell Fremdkßrper in der Käse. 
Von Prof. Dr. Klaußner-Mttnchen. 

Verfasser extrahierte einer in den mittleren Jahren stehenden Frau 
mittels operativen Ebgriffes (seitlicher Spaltung der Nase) eine rauhe, schwarz 
geftrbte, rostige, 5,17 cm lange, 2,4 cm breite, abgebrochene Spitze eines im 
Griffe feststehenden Messers, welche in der Richtung von oben, außen nach 
innen unten gegen die Gaumenplatte fest eingekeilt war und ihr gelegentlich 
eines Streites von ihrem Manne ins Gesicht eingetrieben wurde, ohne das 
sie eine Ahnung davon hatte. Bei genauer Besichtigung ließ sich 
neben dem Nasenflft^ eine feine lineäte Narbe konstatieren. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Die Terletraagen dea Kehlkopfes vem gerlebtsirstllehen Standpunkt. 
Von Dr. Heu duck-Cuxhaven. 

Verfasser behandelt das Thema in sehr ausffihrlicher Weise und faßt 
das Resultat der Arbeit in 9 Leitsätze zusammen, von denen die ersten drei 
folgendermaßen lauten: 


206 


Kleinere Mitteilnngen and Befemte «ns Zeitschriften. 


1. Die Eehlkopffrsge in gerichtlich nedisiniscber Besiehnng ist ei^ 
rimentell als gelüst sn hetrschten mit Ansnshme der Commoiie latyngis. 

2. Die Conunotio laryngis ist ihrem Wesen nach noch nicht in er* 
schöpfender Weise aufgeklärt. In der neueren Zeit haben jedoch die Ansichten 
für das Bestehen derselben mehr Sttttxe gewonnen, als die gegen dasselbe durch 
Yetmehrung der Kasuistik um einige gut beobachtete Fälle. 

8. Unter den mannigfaltigen KeblkopfbrOcben lassen sich rier Typen 
herausheben: a) HOrnerbruch des Schildknorpels 1 cm unter der Spitse oder 
an der Basis für Erhängen, b) Medianbruch der Schildknorpelplatte für Er* 
wttrgeiu c) Quer* und Schräg* und Mischbrücbe der Schildknorpelplatten aller 
Art für jede in der Bichtnng von vom nach hbten erfolgende Qewalteinwirkung 
(Erdrosseln, Schlag, Stoß, Fall, Wurf aut den Kehlkopf), d) Doppelbmch des 
BingknorpeJs bei indirekter Oewalteinwirkung. Die Typen sind jedoch nicht 
scharf begrenst, es finden sich üebergänge und Kombinationen yor. 

Die 4. These handelt von den Schnittyerletzangen und ergibt — ebenso* 
wenig wie die 6., 6. und 7. — ein uns hier interessierendes positives Besultat; 
nur sei bei den Yerletzungen darauf hingewiesen, daß Verfasser sehr richtig 
das Charakteristische derselben darin sieht, daß schon verhältnismäßig geringe 
(lewalten das Leben zu bedrohen geeignet sind, daß ferner bei KehJki^fver* 
letzungen innere Scbleimhautwunden entstehen, die durchaus nicht indifferent 
sind, und endlich, daß bei Jeder Kehlkopfverletzung das Spiachorgan gefährdet 
erscheint. 

Die 8. These spricht davon, daß die Prognose der Kehlkopfverletznngen 
jetzt günstiger ist, und die 9. bezeichnet als einen ärztlichen Kunstfehler die 
Unterlassung der Tracheotomie, falls bei einer Kehlkopfverletzung Erstickungs* 
gefahr droht. _ Dr. Hoffmann*Berlin. 


Die Kriterien des Nnhsehisses bei Terwendung miehsehwneher 
Pnlver» Von Dr. W. Meyer, Kreisarzt in Potsdam. Yierteljahrschrift 1 
ger, Mediz. usw.; 8. F., 35. Bd., 1908, 1. Heft. 

Auf Grund ausführlicher mitgeteilter SchieSversuche gelangt der Ver* 
fasser zu einigeu praktisch wichtigen Folgerungen für die Erkennung des 
Nahschusses mit rauchschwachem Pulver. 1) Das sicherste Kriterium für 
den Nachweis ist auch bei diesem Pulver die Schwärzung durch den Pulver* 
schmauch, neben der sich bisweilen charakteristische graugrüne oder weißgelbe 
Färbungen finden. Sie kann zwar von 15 cm Hündungsabstand an schon 
fehlen, ist aber unter Umständen (Verwendung sogenannter Hischpnlver 
und bei feuchter Haut) noch bis zu 40 cm Abstand möglich. Die Schwärzung 
ist schwerer abwaschbar als bei gewöhnlichen Pulvern und daher wohl auch 
bei Wasserleichen etwas beständiger. 2) Auf- und Einlagerungen in die un- 
verbrannten Haare, ebenfalls für Nahschuß mit Nitropulver beweisend, finden 
sich auch bei Abwesenheit der Schwärzung durch Pulverschmanch. 8) Die Schwär* 
saug des Scbußkanals, ohne Schwärzung der Haut bei festaufgedrückter Hfln* 
dang denkbar, sowie die weite Unterminierung der Haut und die außerordent¬ 
liche Zertrümmerung der den Schußkanal umgebenden Teile würde den Nah¬ 
schuß kennzeichnen. 4) Fast konstant ist CO in dem den Schußkanal um¬ 
gebenden Gewebe naebgewiesen, ohne daß sein Fehlen gegen Nabschnß spräche. 
6) Der Kontusionsring zeigt nichts Charakteristisches. 6) Bei Nitropulver- 
schüssen fehlen durchaus die Zeichen der Verbrennung und Versengung. 
7} Desgleichen fehlen bei ihnen die Einlagerungen anverbrannter oder halb- 
verbrannter Pulverkömchen in die Haut, die dem Schwarzpulvernabschuß ein 
charakteristisches Gepräge verleiben. Dr. Fraenckel-Berlin. 


Gitaehtllehe Aensserung der wiss. Dep. f. d. Hedlsinalwes^ betr. 
die «ngebliche Impfbescbidlgug des Kindes L. M. (Beferenten: Kraus, 
Kirchner, König). Vierteljahrschrift f. ger. Medizin u. öffentL Sanitäts¬ 
wesen; 1907, 4. Heft. 

In dem zur Begutachtung stehenden Falle handelt es sich um eine 
akute atrophische Kinderlähmung von monoplektischem Typus, die vermutlich 
auf dem Boden eines Späterysipels, d. h. eines in der Floritionsperiode oder 
während der Suppuration durch äußere Schädigungen zustande gekommenen 
Erysipels, entstanden ist. Aus dem Gutachten interessieren besonders die 


Kleinere Mitteilungen nnd Sefewte nne Zeitschriften. 


907 


Aasfühnngea Ober die dUferentlal'dlagnostische Entscheidnng iwhNAen new!« 
tisdier nnd poliomyelitlscher Grundlage der Lihmug und flher die Frage, ob 
die sog. atrophischen Kinderlihmungen überhaupt zu den Krankheiten gehören, 
die jemals als Folge der Impfung beobachtet sind. 

_ Dr. Kraemer*Worbis. 

Zur Kasuistik der Knnstfehler. Von Dr. jnr. et med. F. Kirchborg* 
Berlin. AerztUche Sachrerständigen-Zeitung; 1907, Nr. 19, 20, 22, 28. 

K. hat 72 Fälle zur Unterlage seiner Arbeit benutzt. Er schreibt zum 
SchluS: ^Obwohl das überaus große mir zur Verfügung gewesene Material nur 
in sehr wenigen Fällen wirklich einen ärztlichen Knnstfehler, das heißt ein von 
dem Arzt rechtlich zu rertretendes unrichtiges ärztliches Verhalten mit einer 
dadurch bedingten Schädigung des Patienten ergeben hat, glaube ich doch, 
daß die Kenntnis Torstehender Fälle, deren Auswahl von dom Standpunkt des 

E raktischen Arztes ans geleitet war, einiges Interesse hat. Selbst der gewissen« 
aftest arbeitende Arzt ist yor einer Klage, wie vorstehende Fälle zeigen, nie 
sicher. Die durch das heute geltende Becht geschaffene hohe Verantwort¬ 
lichkeit, wie die ganzen sozialen Verhältnisse zwingen ihn, sich dagegen zu 
liehern, einerseits durch eine entsprechende Versicherung, anderseits durch 
eine möglichst eingehende Kenntnis der den Arzt interessierenden rechtlichen 
Bestimmungen, die leider den meisten Aerzten noch völlig abgeht.* 

_Dr.Troeger-Kempea LP. 

Ueber HellouifBetlsnina und Hellmagnetiseure ln forenslseher Be¬ 
stehung. Von Dr. Albert Mo 11-Berlin. Vortrag, gehalten ln der FreieB 
Oeriehtsärztliehen Vereinigung zu Berlin am 10. Oktober 1907. Vierteljahr- 
Schrift 1 m. Mediz. usw., 4. F.; Bd. XXXV, 1908, H. 1. 

Verfasser hat ia jahrelangem Studium des Heilmagnetismns stets den 
Grundsatz befolgt, den er jeden Sachverständigen dringend empfiehlt, jede, 
auch die absurdeste Behauptung der Pfuscher unter exakten Versuchsbedin- 
gnngen zu prüfen; nur dann ist es mOglich, diese Behauptungen vor Gericht 
SU widerlegen. Dies ist um so nötiger, als sich die Magnetiseure auf die 
Namen von Autoritäten berufen können, die in voreiliger Weise die Exlstens 
des tierischen Magnetismus bescheinigt haben, wie Nußbaum, Lombroso, 
Crookes, Charles Bichet. Moll hat sie stets widerlegen oder natürlich 
erklären kOnnen. Er bespricht unter Einflechtung interessanter eigener Er¬ 
fahrungen alle Punkte, denen der Sachverständige eine Aufmerksamkeit zu 
widmen hat: Lehre, Qualifikation zur Ausübung, Arten der Anwendung, Beweise 
der Existenz des Manetismus, Erklärung der wirklichen oder scheinbaren 
Heilerfolge, Gemeingefährlichkeit, und betont bei der Frage der Verantwort¬ 
lichkeit nameatlich, daß sich die MagneUseure oft als Psyäopathea erweisen. 

_ Dr. Fraenckel-Berlin. 

Haft- nnd Tennlnflhigkelt. Von Dr. Hugo Marx, Kgl. Gerichtsarzt 
des Kreises Teltow und Gefängnisarzt in Berlin. Berliner klin. Wochenschr.; 
1907, Nr. 49. 

Von gesetzlichen Bestimmungen für die Haftfähigkeit kommen in Be¬ 
tracht die §§ 487 nnd 488 Str.-P.-O. und 906 Ziv.-Pr.-O. Absolute Haftun¬ 
fähigkeit (nahe Lebensgefahr) bedingen alle Erkrankungen, deren Natur zu 
jeder Zeit, die Möglichkeit des Eintritts lebensgefährdender Znfälle erwarten 
läßt, nnd die daher die ständige Anwesenheit einer sachverständigen Pflege- 
person am Bette des Erkrankten oder in seiner unmittelbaren Nähe notwendig 
machen (die vorgeschrittenen Grade der Lnngentaberknlose mit Kavemenbildnng, 
hochgradige Arterienverkalkung mit Störung der Herzmnskelfanktion, nicht 
kompensierte Herzfehler, die schweren Grade des Diabetes, Nierenerkranknngen 
mit erhebUehor Eiweißausscheidung, alle bösartigen Tamoren). ln Lazaretten 
der Strafanstalten kOnnen aber anch solche Gefangene untergebracht werden, 
deren Erkrankungen unter Umständen Bettruhe und besondere Verpflegung 
BOtwendig macht (leichtere Grade des Diabetes, Geschlechtskrankheiten). 
Ansgesduossen sind alle akut fieberhaften Infektionskrankheiten und Bett¬ 
lägerige, bei denen schon der Transport das Leben gefährden kann. 

Hiervon zu unterscheiden ist die relative oder zeitliche Haftunfähigkeit. 



208 


Kleinere HitteUnngen ond Befemte nne Zeitoohriften. 


Fflr sie kenn ein Strnfnn&ehnb ^ 488) erwirkt werden (BekonTalenenten 
nnok einer ichweren Kmokheit). Die leichteren Ornde non Lnngentaberiniloee 
erholen sich oft in der Haft, ebenso wie der Znstnnd der Aikoholiker and 
Morphinisten sich bierdnrch erheblich bessert. 

Die Möglichkeit der Verscblimmerong einer bestehenden Krankheit ist 
kein Haftsosschliefiongsgrund; hier kann es sieh höchstens nm einen 8trafanl- 
sohnb handeln, ertl. wird der begutachtende Arst seinen Zweifel an der Haft* 
fkhigkeit darlegen. 

Nicht jede geistige Erkrankung bedingt Haftunfähigkeit, beson* 
ders wenn die Ordnung der Anstalt durch den Kranken nicht erheblich 
gestört wird. 

Bei Beurteilung der Termins* oder Verhandlungsfähigkeit ist besondere 
Vorsicht geboten. Fttr Zeugen (nicht für Angeklagte) kann die Vernehmung 
in der Wohnung oder im Krankenhanse angeordnet werden. Nenrastheniscbe 
Beschwerden begründen eine Verhandlnngsnnfäbigkeit nich^ dagegen sind 
schwere organische Herskrankheiten bei gleichseitiger erheblicher psychischer 
Labilität sn berücksichtigen, ebenso Epuepsie oder Hysterie mit gehäuften 
KrampfaDfällen. 

Bezüglich der Form der Atteste sind die Min.*Erlasse Tom 20. Januar 
1858 und 3. Februar 1858 zu befolgen. Dr. Bäuber-Köslin. 


8. Mnohwnnit&ndlir^Bt&tlcknlt In UnfttU* und Inwnlldlt&tnMohnn. 

Znr Kenntnis der ahnten traumatischen Psychosen. Von Dr. Max 
Sommer, Bendorf a. Bhein. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologe; 
Band XXII., 1907, Ergänznngsheft. 

Dem klinischen Bilde der Hirnerschütterung (sowohl der leichten, als 
aber ganz besonders der schwereren Form) entspr^en anatomisch keine 
gleichförmigen oder gesetzmäßigen Befunde. Die im unmittelbaren Anschluß 
an eine Hiraerschütterung auftretenden Psychosen können also ätiologisch nur 
in sehr weitem Sinne einheitliche Gruppe aufgefaßt werden. Auch klinisch 
bilden sie keine Einheit. Wie bei vielen Erkrankungen des Gehirns, die mit 
ausgedehnteren, gröberen oder feineren Gewebsschädigungen desselben, sei es 
in mehr diffuser oder lokalisierter Weise, einhergehen, wird auch im Anschlnfl 
an die infolge schwerer Schädeltranmen entstandenen zerebralen Gewebs* 
s^ädis^gen häufiger der Korsakowsche Symptomenkomplex beobachtet. 
Doch kann derselbe nicht als die typische Kommotionspsyche betrachtet werden, 
da auch andere Formen geistiger Störung auftreten könnem 

Dr. Többen-Mttnster. 


Ueber nervSse und psychische Erkrankangen nach Betrlebsnnflilen. 
Von Dr. Götse-Leipzig-Maunhof. Klinik für psychische und nervöee Krank¬ 
heiten; Bd. U, H. 4. 

Verfasser bespricht 4 Fälle von Gelenkerkrankungen mit Muskel- 
atrophien bezw. -kontrakturen infolge von Betriebsunfall. Im 1. Falle bestand 
eine Neuritis plexus brachialis ohne irgendwelche psychisch-nervöse Ersehet* 
nungen; dagegen ließ sich eine erhebliche Atrophie der Klaviknlarpartien 
des M. pectoralis minor und eine geringe Atrophie des M. triceps nach weisen. 
Auch im 2. Fall handelte es sich um eine Atrophie des Oberarms nach 
einer Sehnenverletznng am Handrücken. Der 3. Fall ist typisch für ein nach 
traumatischer Irritation ebes Gelenks reflektorbch entstandene Mnskelatropbie, 
kombiniert mit Kontraktur. Im 4. Falle waren nach einer Quetschung der 
Sbnd Zuckungen b dem betr. Arm, Atrophie der Muskulatur des ünteramu 
und vasomotorische Störungen aufgetreten. Der Fall I bt eb reb nenrolo* 
gbeber. Niemab sbd bei dem sehr intelligenten nnd besonnenen Kranken 
psychogene Erschebungen hinzugetreten. Der Fall II ist ebenfalb ohne jedes 
nsychbch-nervöse 8ymptom verlaufen, trotzdem der Verletzte durch die Be¬ 
hauptung der Bemfsgenossenschaft gereizt wurde, es sei keb Muskelschwund 
vorhanden. Im Falle III hatten sich gleich am Anfang psychogene Erschei¬ 
nungen angekündigt. Sie blieben aber b engen Grenzen und haben weiterhb 
hebe Bolle gespielt. Im Falle IV bt der psychogene Anteil zwar am größten 
und hat zu ausgesprochenen hysterischen Anfälien geführt, jedoch haben 
diese der Beobachtung des Verfassers nach eben erheblichen Grad und Umfang 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ane Zelteohriften. 


209 


erst dann emieht, als der Patientitt bd Qelegenlieit ilirer Verheiratnag infolge 
der Doreheinanderwirrung mehrerer TerUansnlierter, snm Teil flberflfissiger 
Gatachten ohne begründete Unterlage ihre Rente erheblich ffekftrzt worden 
war. Für den praktischen Arst ergibt sieh ans dieses vier instruktiven 
Pillen die Regel: Bei Verletzungen ist nicht allein das verletzte Teilglied 
n untersuchen, sondern man hat stets auch in der weiteren Nachbarsaiaft 
der Verletzung nach pathologisehen Verftndemngen zu forschen, da diese oft 
aervOa vermittelt sind. _ Dr. Wolf •Marburg. 

üeber hysterisehe Elnselsymptome nokallslerte Krimpfe» Mhmaagmi 
■BW.) als Folge von Unfillen* Von Dr. Kern. Ana dem Lndwigahospital 
in Stuttgart. Vierteljahrscbrift f. ger. Mediz.; Bd. XXXV, 1906, 2. H. 

Die lesenswerte Zusammenstellung führt zu einer Anzahl von Schlnfl* 
sitzen, aus den erwähnt sei, daß am Ort der Verletzung sich funktlon^e 
StBrungen ansbilden kOnnen, die in seltenen Fällen ganz vereinzelt, häoflger 
von anderen hysterischen S^ptomen begleitet sind. Bei der Diagnose wird, 
abgesehen von allen anderen bekannten Gei'ichtspnnkten, auch die Bedeutung 
der konzentrischen Geaicbtsfeldeinengung besprochen, ^e selbst dann, wenn 
sie erat durch die Untersuchung hervorgerufen wird, als Beweis abnormer Sug- 
gestibilität wertvoll ist. Die unmittelbar nach dem Unfall auftreteadea 
DtSmngen sind als Unfallfolge anzusehen, auch wenn hereditäre Belastung, 
originäre hysterische Disposition, alkoholische und andere Degeneration wirk« 
sam sind. — Die spätere, im Kampfe um die Rente entstehenden ßtOmngea 
kOnnen nicht als entschädignngspflichtige Unfalllolgen gelten. Reine SimnlatioB 
ist wohl selten; die Entscheidung oft sehr schwierig. Es empfiehlt sieh meist, 
die Rente möglichst niedrig festzusetzen, weil Arbeitszwang die besten thera« 
peutischen Erfolge erzielt. _ Dr. Fraenokei-Berlin. 

Syringomyelie nnd Unfall. Von Dr. Kurt Mendel. Monatsschrift 
für Psychiatrie u. Neurologie; Bd. XXIII; 1908, H. 1. 

Es ist sicher, daß viele als „tranmatlscbe Syringomyelie* beschriebene 
Fälle keine wahren Syringomyelien, sondern «Myelodelesen* im Smne 
KienbOcks sind; es ist ferner sicher, daß in einer großen Anzahl von 
Beobachtungen ein Trauma als Ursache der . Syringomyelie fälschlich an« 
geschuldigt wird, während in Wirklichkeit das Leiden schon vor dem 
Trauma bestand, ja letzteres sogar eiae Folge der Syringomyelie darstellt; 
ausgescblosaen erscheint das Entstehen einer Syringomyelie ans einer peripher 
gelegenen Läsion auf dem Wege einer aszendierenden Neuritis. Ob durch ein 
das Rückenmark selbst in Mitleidenschaft ziehendes Trauma eine wahre Sy« 
ringomyelie verursacht werden kann, ist noch nicht mit Sicherheit entschieden, 
Bugonsten dieser Annahme spricht nächst den Versuchen von Schmaus 
lediglich ein Fall Westphals, welcher jedoch seinerseits noch einige Be* 
denken zuläßt, während es im übrigen in keinem einzigen Falle in der 
Literatur erwiesen ist, daß das Trauma die Syringomyelie direkt veranlaßte. 
Mit größter Wahrscheinlichkeit steht es betreffs der „traumatischen Syringo* 
myelTe* so, wie Referent es bezüglich der multiplon Sklerose post tranma 
ansgeführt hat: Die Verletzung ist nicht als die direkte, die Krankheit 
unmittelbar hervorrufende Ursache anzuseben, vielmehr ist die Prae« 
dis Position, eine kongenitale Anlage des Rückenmarks als bestehend 
zu erachten, das Tranma ist demnach nur ein anslOsendes Moment. Daher 
auch — wie bei der Sklerosis multiploxe — die relative Seltenheit der 
Slyringomyelie post tranma trotz der häufigen Verletzungen, die das Rücken* 
mark oder die Wirbelsäule treffen. Es ist eben das Trauma an sich allein 
nieht imstande, in einer völlig normalen Medulla spinalis eine Syringomyelie 
zu schaffen; es ist zur Erzeugung dieser Krankheit erforderlich, daß das 
Büekenmuk von Geburt an invalide^ zur Erkrankung disponiert ist. 

_____ Dr. TObben*Münster. 

Multiple; ISkleroBO und Unfall. Von Kurt Mendel. Monats- 
sebrift für Psycl^trie nnd Neurologie; Band XXIII; 1908, Heft 1. 

Bei vorhandener Disposition zur Erkrankung kann ein Unfall eine mul* 
tiple Sklerose zur EntwicUnng bringen. Bei von Geburt an völlig intaktem 



210 


Kleinere MÜteilangen und Referate ans Zeitschriften. 


Nerrensystem Termag ein Trauna an doh allein eine Sderosis mnltiplex nkht 
in enengen. E3ne gans reine traomatiaobe multiple Sklerose gibt es dem* 
nach nicht. 

Damit man im gegebenen Falle den Unfall als das die Erkranknng ans* 
lösende Moment aasprechen kann, maß derselbe eine gewisse Schwere ^dtabt 
haben; es maß ferner das Fehlen anderer ätiologischer Momente, sowie ein 
sdtUcher Zasanunenbang zwischen den ersten Symptomen des Leidens and 
dem Datam des Unfalles nachgewiesen werden können and schließlich der 
Nachweis erbracht sein, daß der Verletzte bis zom Tage des Traoma ge- 
sand war. 

Erwähnenswert erscheint betreffs der Art des Unfalls der Umstand, daß 
in auffällig vielen der veröffentlichten Fälle das Trauma mit einem Temperatur* 
Wechsel fttr das verletzte Individaam verknüpft war (Starz in kaltes Wasser o. ä.) 
Die nach einem Trauma einsetzende moltiple Sklerose unterscheidet sich 
^eder in Symptomatologie, noch in Verlauf, noch in ihrer Prädilektion für dne 
gewisse Altersklasse (insbesondere in ihrer Scheu vor dem höheren Alter be* 
BügUch ihres Beginns) von der nicht traumatischen, ln einzelnen Fällen 
scheint allerdings der Beginn des Leidens in ein besonders frühes Alter zu 
lallen entsprechend der Jagend des vom Unfall betroffenen Individuums; auch 
pflegt bei peripheren Verletzungen die vom Trauma lädierte Extremität be* 
sonders frühzeitig und in besonders starkem Grade Krankheitserscheinungen 
darzubieten. £<ine Kombination der multiplen Sklerose mit Hysterie wird oei 
den Unfallverletzten verhältnismäßig nicht häuflger beobachtet, als bei nicht 
traumatischen Sklerosen, bei denen ja diese Kombination nicht zu den Selten* 
beiten gehört. 

Ein Trauma vermag ebe schon beetehende multiple Sklerose zu ver* 
schlimmem und ihren Verbuf zu beschleunigen. 

Dr. Többen* Münster. 


Sarkom und Trauma* Von San.*Bat Dr. Linow*Dresden. Monats* 
Schrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesen. 

Verfasser bespricht eben Fall, bei dem das Beichsversieherungsamt die 
Entstehung eines Sarkoms durch eben 12 Jahre zurückliegenden Unfall an* 
erkannt hat. 

Ebern Steinbrachpächter fiel eb Steb von der Größe eines Kopfes auf 
den Bücken, wodurch er ebe starke Quetschnng mit Bluterguß unter db Haut 
davontrag. Er erhielt anfangs 33 */***/<> Bente. Acht Monate später war er 
mk eigenen Zugeständnissen völlig erwerbsfähig. Zwölf Jahre nach dem Un* 
falle bildete sich an der Kontusionstelle eb Sarkom. Die mikroskopbebe 
Untersuchung ergab ein Biesenzellensarkom. 

Die verschiedenen Gutachten sprachen sich teUs für, teUs gegen den 
Zusammenhang des Sarkoms mit dem Unfälle ans. Das Beichsgericht ent* 
schied sich, wie erwähnt für den Zusammenhang. Verfasser hebt hervor, daß 
diese Entscheidung des Beichsversicherangsamtes nicht den Ergebnissen ^ der 
b den letzten Jahren über diesen Gegenstand erschienenen Arbeiten entspricht; 
er führt zum Bewebe hierfür die Schriften euer Beihe namhafter Autoren an. 

Dr. B. Thomalla-Waldenburg (Schles.). 


Ueber eine Spltwirknng und Nachwirkung des im Betriebe ein¬ 
geatmeten Kohlenoxyds* Ein vom Beichversicherungsamt erstattetes Ober* 
gutachten. Von L. Lewin. Berliner klin. Wochenschr.; 1907, Nr. 48. 

In einem Plätterbnensaal hatte ebe Plätterin bfolge Ansströmens von 
Gas (eine Art Wassergas) am 16. November 1904 eine Kohlenoxydyergiftung 
erlitten, die sich erst auf dem Heimwege nnd in den folgenden Wochen be* 
merkbar machte (Erbrechen, Ohnmachtsanfälle, Bücken* und Genickschmerzen) 
und «sogar über Monate hinaus ihre Nachwirkung ansübte, so daß die Unter* 
sachte bis zum 21. Februar 1905 völlig erwerbsunfähig, von da an bb 1. Ja* 
nuar 1906 um 25*'/o und vom 1. Januar 1906 an um beebträchtigt war. 

Dr. Bäuber*Kö8lin. 


Das Prinilp der Gewöhnung nach Unfallverletzongen* Von Dr. Wolf- 
Danzig. Aerztliche Sachverständigen «Zeitung; 1907, Nr. 28. 



Kleinere Mitteilnngen and Kef^nte aas Zeitschriften. 


211 


Wolf resdiniert: 1. Der WortUmt des Geeetses rerlangt ffir die ander« 
weitif^ Feetstellnng der Bente eine Aoidemng der maflgebenden VerhUtaiase. 
2. Za diesen maßgebenden Verh&ltnissen gehört nicht nur der Befand and die 
dadarch bedingte Erwerbsfihigkeit. Die ErwerbsTeihäitnisse kOnnen aach dnrch 
Oewöhnong an die Folgen des Unfalls eine Aenderong erfahren. 8. Die Frage 
der GewOhnang ist nor Ton beroflichen Sachverständigen au beantworten. 
4. Da aber nor aaf Grand eines ärstUchen Gatachtens eine anderweitige Fest- 
stellang der Bente erfolgen kann, so ist es notwendig, daß ttberall da, wo die 
GewOhnang in Frage kommt eine gemischte Kommission, bestehend aas Arst 
ind beroflichen SadiTerst&ndigen, in Fanktion trete. 

Dr. Troeger«Kempen i. P. 


Die Bewertung der Glykosurlen In der Lebensrersleheningspraxls. 
Von Dr. £. Bloch. Aerztl. Sachverständigen Zeitong; 1908, Nr. 1. 

Zasammenpassend resümiert Bloch: 

1. Eine glatte Police kOnnen Antragsteller erhalten, bei denen nach 
eineni, angewohnten alkoholischen Exzeß einmal Zocker im Ham konstatiert 
worde, voraasgesetzt, daß es sich nicht nm chronische Alkoholiker handelt; 
desgleichen Antragsteller, die korz vor der Untersnchang eine schwere psy¬ 
chische Alteration erlitten haben, voraasgesetzt, daß wir es nicht mit nervOs 
beanlagten, erblich belasteten oder in einem aafregenden Bemf stehenden 
Personen za tan haben. Bei letzteren erscheint eine geringe ErhOhang der 
Prämie, eventaell eine Abkflrznng der Versicheronndaaer angezeigt. 

2. Personen mittleren and höheren Alters nut leichten intermittierenden 
Olykosoiien, besonders nach größerer Kolebydratzafnhr, oder mit leichtem, 
latentem Diabetes ohne Diät and ohne diabetische Symptome kOnnen aaf- 
genommen werden mit verkürzter Verslcherangsdaner and erhöhter Prämie. 
Letzteres richtet sich im einzelnen nach dem Alter, dem Berof und den 
äußeren Lebensbedingongen des Antragstellers. 

8. Jagendliche Individaen mit hitermitUerender Glykosorie and leichten 
Formen des Diabetes sind abznlehnen. 

4. Desgleichen sind abznlehnen Personen mit Diabetes, mit Symptomen, 
oder mit konstanter Zackeransscheidong mit oder ohne Diät. 

Von diesen Gesichtspankten aasgehend, glaabe ich, daß den Versiehe- 
rangsgeseUachaftaa and Antrantellem gedient wird: ersteren, indem sie vor 
gesdiaftlichen Verlosten bewahrt bleiben, letzteren, indem eine große Anzahl 
Personen der Wohltat einer Lebensversichemng noch teilhaftig werden kann, 
welche bis jetzt ohne weiteres daraof verzichten maßten. 

Dr. Troeger-Eempen i. P. 


Selbstmord ans Lebensflberdrnss kein Betriebsanfall. Urteil des 
Beiehsversichernngsamts vom 9. Oktober 1907. 

Der Entschädignngsansprach der Kläger würde dann begründet sein, 
wenn der überzeagende Nachweis erbracht wäre, daß der Geschirrfübrer T. 
den Selbstmord in einem Zustande der Unznrechnnngsfäbigkeit begangen hat, 
der auf den Unfali vom 6. April 1906 als mindestens wesentllich mitwirkendc 
Ursache zarOckznführcn ist. Dieser Nachweis ist indessen nicht geführt and 
kann im vorliegenden Falle auch nicht geführt werden. 

Es mag zngegeben werden, daß im Znsammenhange mit dem erlittenen 
Unfall in T. Besorgnisse rege geworden sind, die seinen Gemütsznstannd 
wesentlich ungünstig beemflaßt haben. Die Sorge nm seine Gesundheit, die 
Befürchtung, daß er die volle Arbeitsfähigkeit nicht mehr wiedererlangen 
künnte, daß Verlangen der Beklagten, daß er sich einem neuen Eeiiverfabren 
in einer mediko-mechanischen Anstalt nnterziohe, wodurch die Sorge nm seine 
Famile noch gesteigert sei, alle diese Umstände mögen anf seinen Seelen- 
zastand einen nachteiligen Einfluß ansgeübt haben. Sie mußten bei ihm am 
so stärker wirken, als er — wie feststeht — von jeher znr Schwermat und 
za düsterer Lebensanffassang binneigte. Ein wiliensstärkerer Mann, als es T. 
gewesen ist, hätte bei rnhiger Ueberlegang die in ihm anfgetanchten Befttrch- 
tnngea, insbesondere die Furcht vor einer Operation, die gar nicht beabsichtigt 
war und za der er nicht hätte gezwangen werden können, mit Leichtigkeit 
überwanden. Wenn dies T. nicht gelangen ist, so hat es ihm an demjenigen 



212 


Tigesnachriohten. 


MaBe Ton WUlenMÜrke Bas von jedem im Leben stehenden Menschen 

gefordert werden mnß. J>er Zustand semischer Niedergeschlagenheit findet 
dann seine Ursache nicht mehr in dem Unfälle, sondern in dem Mangel mora¬ 
lischer Fähigkeiten. Ein Selbstmord, in diesem Zustand aus dom Geftthle des 
Lebensttberdmsscs heraus begangen, kann dann nicht mehr auf den Unfall fds 
Ursache xurttckgeflihrt werden. Hiernach mußte die Vorentscheidung auf¬ 
gehoben und der ablehnende Bescheid der Beklagten wiederhergestellt werden. 


Tagesnachrichten. 

So. KSnigL Hoheit der Prinsregent yon Bayern hat sein 
reges Interesse für die SäagUngsfdrsorge dadurch bekundet, daß er dem 
Staatsministerinm des Innern die Summe yon 10000 Mark überwiesen hat 
mit der Bestimmung, daß den Beg.-Bezirken Oberbayem und MHtelbayem je 
2000 Mark, den übrigen Beg.-Bezirken je 1000 Mark zngeteilt werden, um 
bestehenden Anstalten zur Säuglingsfttrsorge Zuschüsse an gewähren oder Ein¬ 
richtungen dieser Art ins Leben zu rufen. 


Am dem Belohntege. Bei Beratung des Etats für das Gesund¬ 
heitsamt am 18. d. Mts. beantragte der Abg. Or. Bnegenberg (Zentr.) 
eine reichsgesetzliche Begelnng des Hebammenwesens; außerdem yerlasgte 
er die Uebernahme der Kosten der amtlichen Sehlaohtrieh- und Flelsohbeseton 
seitens des Staates. Graf y. Carmer (kons.) stellte dieselbe Forderung; 
andernfalls müßten die Fleischbeschaugebühren herabgesetzt werden. Abg. 
Schellhorn (nat-lib.) frag nach dem Stande des neuen Weingesetsee. 
Der Staatssekretär des Innern y. Bethman-Hollweg erklärte, daß sich 
das Hebammenwesen nicht für eine einheitliche gesetzliche Begelnng für das 
Beich eigne; eine solche müsse der Landesgesetzgebung überlassen bleibm. 
Der Weingesetsentwnrf werde demnächst dem Bundesrate yorgelegt und 
später yerOffentlicht worden. — Nach Schluß der Debatte wurde der Antrag 
des Zentrums, daß die Kosten der Fleischbeschau den Bundesstaaten zur Last 
fallen sollen, angenommen; desgleichen wurde ein Antrag des Abg. Or. B8- 
sicke angenommen, wonach die Abgabe yon Essigessenz an Speisezwecken 
ans den Fabriken yerboten und der Kleinhandel mit Essig und eesigsäuro- 
halUgen Flüssigkeiten eingeschränkt werden soll. 

Bei dem Kapitel „Beichsyersicherungsamt** erklärte der Staats¬ 
sekretär y. Bethmann-Hollweg, daß das prozentuale Sinken der Unfall¬ 
renten nicht zu beklagen, sondern im Gegenteil als eine Folge des besseren 
Heilverfahrens und der zweckmäßigeren Einrichtung der Krankenanstalten zu 
betrachten sei. Eine Verbesserung des Krankenpflegewesens durch weitere 
Anstellung yon Diakonissen auf dem Lande sei ein Gegenstand, der der 
^Oßten Fürderung bedürfe. Abg. Dr. Mngdan bemängelt, daß für beruf¬ 
liche Vergiftnngskrankhelten keine Entschädigung gewährt werde; er em¬ 
pfiehlt außerdem die Ablösung der kleinen Benten durch Abfindungssummen. 
Der Antrag der national-liberalen Partei, betreffend Ausdehnung der Unfall¬ 
gesetzgebung auf alle Handelsgewerbe, soweit sie mit Lagerungs- und BefSr- 
dernngsbetrieben verbunden sind, wird angenommen. 

In dem jetzt dem Beichstage voreclegten Entwurf betreffend Aenderung 
des Gerlchtsrerfassnngsgesetzes der Zivilprozessordnung nsw. interessiert 
die Medizinalbeamten besonders die Bestimmung, daß eine Vereidigung 
der Sachverständigen vor und nach der Erstattung des Gutachtens und 
nur dann stattfindet, wenn sie von einem Mitgliede des Gerichts für erforderlich 
erachtet oder wenn sie yon einer Partei vor Abschluß der Vernehmung oder, 
falls schriftliche Begutachtung angeordnet ist vor dem Schlüsse der ersten 
mündlichen Verhandlung, weläe nach Erstattung des Gutachtens stattfindet, 
verlangt wird.; 


Am dam pranwinoliaB AbgaordnetaiilMMa. Bei der Beratung 
des Knltnsetats ist der Antrag des Abg. y. Sebenkendorff auf Ver¬ 
mehrung der Pfiiehtstunden zur Pflege der Leibesübungen in freier Luft, 
besonders in den städtischen Schulen einstimmig angenommen worden. Bei 
der Beratung des Etats des Innern am 2 d. M. verlangte der Abg. 



TaceioMluriehteii. 


218 


SoaoBow (frds. Yolksp.) md Dr. Bnegenberg (Zentr.) eine hshere 
DotteriBg der Gefiagnis* «ad StrafanstaUtiinte. Der Beg.« Kommissar, Qeh. 
Ob.-Beg.-Bat Dr. Kr oh ne erkl&rte, daß ttber die ErbOhong der Besttge der 
Strafanstalts- and Qef&ngnisärste Verhandlangen mit dem Finansminister 
schwebten, die noch nicht abgeschlossen seien. 

In der Sitzung vom 18. d. H. hat das Abgeordnetenhaus das i^uell- 
■ehutsgesets nach den BeschlOsses der Kommission (s. Nr. 6, S. 282) |ange> 
nonunen. Das Qesets soll am 1. Januar 1909 in Elraft treten. 


Der dem preußischen Landtage vorgelegte Entwurf eines Cksetees» 
betreffend die CfebShren der Hebammen^ hat folgenden Wortlaut: 

§ 1. Die fiesahiung der berufsmäßigen Disnstleistungen der Hebammen 
erfo4^ nach einer yon dem Begierungspräsidenten — im Landespolizeiberirk 
Berlüi Ton dem Polizeipräsidenten in Berlin — festzusetzenden (Jebtthren» 
Ordnung. Die Gebtthrenordnung kann für Kr^e oder Ortschaften rerschieden 
bemessen werden. 

§ 2. Ergeben sich Streitigkeiten ttber die Htthe einer Gebühr, die yen 
einer auf Grund statutarischer Begelung yon einem Landkreise besteUtea 
Bezirkshebamme innerhalb des Hebammenbezirks gefordert wird, oder wird 
die Gtebtthr innerhalb einer angemessenen Frist nicht entrichtet, so setzt der 
Landrat nach Anhttrung des Kreisarztes und des Zahlungspflichtigen die 
Gebühr nach Maßgabe der Gebührenordnung fest. Gegen diese Festsetzung 
ist binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Begierungspräsidenten zulässig. 
Der Begierungspräsident entscheidet entgültig. 

äe reditskräftig festgesetzte Gebühr unterliegt der Beitreibung im 
Verwaltungszwangsyerfiihren durch den Kreisaassehuß. Hierbei gilt, unbe* 
schadet des Bechts der Hebamme auf die Gebühr, der Kreis als derjenige 
auf dessen Bechnung die Zwangsyollstrecknng im Sinne des § 8 Abs. 8 und 
des § 19 der Verordnung, betreffend das Verwailtungszwangsyerfahren weuen 
Beitreibung yon Geldbeträgen, yom 15. Noyember lb99 (Gesetzes. S. 646) erfolgt. 

§ 8. Alle zur Zeit bestehenden Vorschriften ttber die Gebühren der 
Hdmmmen werden aufgehoben. 

§ 4. Das Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1908 in Kraft. 

In der Begründung dazu wird zunächst ausgefOhrt, daß eine durch* 
greifmide gesetzliche Beform des Hebammenwesens seit dner längeren Beihe 
yon Jahren sowohl yon den Angehörigen des Hebammenberufes, ds auch yon 
Aerzten und im Landtage wiederholt gefordert sei und die daher erhobenen 
Klagen: mangelhafte Qualifikation der Hebammen, Hebammenmangel auf dem 
platten Lande und ungünstige wirtschaftlichen Verhältnisse der Hebammen, zum 
großen Teil berechtigt seien. Die Herbeiführung besserer Verhältnisse werde 
nch — ohne Gesetzesform — in der Hauptsache im Verwaltungswege be* 
wirken lassen. Die Zulassung zum Berufe, die Ausbildung, Fortbil* 
düng und üeberwachung der Hebammen liege in den Händen der Ver* 
waltung und dürfte sich au^ ohne Zuhilfenahme der Gesetzgebung durch 
Zurückweisung ungeeigneter Elemente yon den Lehranstalten, durch Vertiefung 
des Unterrichts auf denselben, durch eine Ausgestaltung der Organisation der 
Nachprüfungen und Wiederholungslehrgänge sowie dnreh eine Verschärfung 
der Aufsicht befriedigend gestalten lassen. Die hierzu erforderlichen Ma߬ 
nahmen seien bereits in Vorbereitung. Die Beseitigung des Hebammen¬ 
mangels auf dem platten Lande in den ärmeren und dünn beyOlkerten 
Landstrichen sei in der Hauptsache eine Geldfrage. ESs handele sich darum, 
daß die Gemeinden oder Kreise die erforderlichen Mittel bereitstellen, um die 
Anstellung yon Bezirkshebammen in ausreichender Zahl dnrehzuführen. So¬ 
weit dies noch nicht geschehen sei, liege die Ursache yorwiegend in der 
Leistungsschwäche der beteiligten Kommunalyerbände. Hier werde sich zu¬ 
nächst der Versuch empfehlen, durch Bereitstellung entsprechender Staats¬ 
mittel zu Beihilfen an leistungsschwache Verbände Abhilfe zu schaffen. Diese 
durch Staatsbeihilfen geforderten Leistangen der Kommunalyerbände für die 
Besirkshebammen würden in erhebiiehem Maße zu einer wirtschaftlichen 
fficherstellung dieser Hebammen führen können. Daneben sind auch eine an¬ 
gemessene Begelung des Gebührenwesens für die Schaffung zufrieden¬ 
stellender materieller Verhältnisse der Hebammen, insbesondere für die frei¬ 
praktizierenden, yon großer Bedeutung. Die Bezahlung sei zur Zeit in vielen 



214 


Tk^esnaeliriditaB. 


FiUta xa gering, die Hebamme besitit noch nicht die erforderliche ümsicht, 
um sich im Proxeflwege an ihrem Hechte za verhelfen. Hier bedflrfe es 
Sinschreitens der Qesetzgebang um so mehr, als in einzelnen Landesteilen 
partikalarrechtUche Vorschriften einer ausreichenden Entlohnung der Hebammen 
entgegenstehen und den in den einzelnen Regierungsbezirken erlassenen Ghs- 
htthrenordnungen von den Gerichten vielfach die Bechtsgttltigkeit abgesprochen 
sei. Es werden dann die zurzeit in den einzelnen Landesteilen bestehenden 
gesetzlichen Bestimmungen erwähnt und betont, daß die hier vorgesehenen 
UebOhrensätze viel zu niedrig seien, so daß ihre Aufhebung und die Schaffung 
von Gebtthrenordnnngen, die den heutigen Verhältnissen entsprechen, ihr den 
ganzen Staat als dringendes Bedhrfnis anzusehen seL 

§ 1 soll die Rechtsgrundlage Ihr die Aufstellung solcher Gebtthren* 
Ordnungen bieten. Die Gebtihrensätze gesetzlich festzulegen oder die Zentral¬ 
behörde mit der Festsetzung zu betrauen, empfehle sich wegen der Ver¬ 
schiedenartigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Monarchie nicht, die 
Regierungspräsidenten seien hierzu geeigneter. Auch innerhalb eines Regierungs¬ 
bezirks seien die Verhältnisse vielfach noch so verschieden, insbesondere zwischen 
den großen Städten und dem platten Luide, daß es erforderlich erscheine, eine 
Sonderbemessung der Gebührensätze ftlr einzelne Kreise oder Ortschaften 
zuzulassen. 

Da die Erfahrung gelehrt habe, daß die lediglich anf den ordentlichen 
Rechtsweg angewiesenen Hebammen infolge ihrer Gesohäftsunkunde und der 
mit der Durchltthrung eines bürgerlichen Rechtsstreits verbundenen Weite¬ 
rungen der Nichtentrichtnng der Gebühren tatsächlich ziemlich machtlos 
gegenüberstehen, sei speziell für die Bezirkshebammen die Einführung eines 
einfacheren Verfahrens zur Einziehung von Hebammengebühren geboten; ^ 
ihnen nur dadurch ohne Ueberlastung des Eommunalverbandes die notwendige 
Sicherstellung des Lebensunterhalts gewährt werden kOnne. Deshalb soUe 
durch § 2 für die Festsetzung und Einziehung der Gebühren der Bezirks¬ 
hebammen ein ähnliches Verwaltungsverfahren eingeführt werden, wie dies 
hinsichtlich der amtlichen Gebühren der Kreisärzte durch das Gesetz vom 
2L Juli 1904 geschehen sei. Das Verfahren solle nicht nur dann eintreten, 
wenn die Höhe der Gebühr streitig sei, sondern audi dann, wenn sich der 
Pflichtige aus Säumigkeit oder Böswilligkeit der Zahlung entziehe. Anderseits 
solle das Gesetz auf diejenigen Hebammen, die in Landkreisen von Eommnnal- 
verbänden angenommen seien und von diesen dafür gewisse Leistungen erhalten, 
beschränkt werden, da in größeren Städten überall eine genügende Nieder¬ 
lassung von Hebammen ohne Vertragsverhältnis mit der Gemeinde stattfinde. 

lieber die Höhe der Gebührensätze, die als Anhalt für die späteren 
Gebührenordnungen dienen können, wird in der Begründung aaffalienderwelse 
nichts gesagt; es ist dies zweifellos ein Hang^ denn wenn es auch zweck¬ 
mäßig ist, von der Festsetzung einer einheitlichen Gebührenordnung für die 
ganze Monarchie Abstand zu nehmen, so ist es doch angezeigt, für die Anf- 
Stellung der Bezirks- oder Kreis-Gebührenordnungen bestimmte Grundsätze zu 
geben, damit sie nicht zu verschiedenartig aasfallen. Im übrigen kann man 
sich mit dem Gesetzentwurf nur einverstanden erklären. 


Die vom 9. bis 18. d. Mts. abgehaltene Konferenz rar Beklmpfüag 
der Schlafkrankheit ist nicht zu einem Debereinkommen gekommen, da die 
italienischen und französischen BcvoilmächÜgten sich gegen die Errichtung des 
Zentralbureaus ln London aassprachen und zugunsten von Paris eintraten. Die 
deutschen Delegierten unterstützten warm den englischen Vorschlag. 


Das dentscheZentraikomiteezurBekämpfung derTuber- 
knlose hat beschlossen, der systematischen Lnpnsbekimpfang erhöhte Auf¬ 
merksamkeit zu schenken, und zu diesem Zwecke eine besondere Kommission 
unter Vordtz von Exzellenz Althoff gebildet 


Am 15. d. Mts. hat sich In Berlin ein Belchsaiusohuss für das irit- 
llehe Fortblldungswesen gebildet behufs Zusammenschlusses der in den ein¬ 
zelnen Bundesstaaten schon bestehenden Landeskomitees. Nach dem Statut 
verfolgt der «Reichsausschuß** die Aufgabe, das ärztli(^e Fortblldungswesen 



TageMUtohriehten. 


215 


möglichst SU fordern, indem er su diesem Zwecke namentlich: a) den Landes* 
komitees mit Bst and Tat sor Seite steht, b) auf die BUdang von weiteren 
Landeskomitees, und wo dies nicht erreichbar ist, Ton lokalen Vereinigangen 
für die Veranstaltong von Earsen and Vortragen hinwirkt, c) das aaf das 
Entliehe Fortbildangswesen bezügliche Material sanunelt and bearbeitet, am 
als Aoskonftsstelle für alle hierbei in Betracht konunenden Fragen za dienen. 
In den Ehrenvorstand worden gewählt: als Präsident der Beichskannler Fürst 
Bttlow: als Mitglieder Herzog Carl Theodor von Bayern, der Staats* 
Sekretär des Innern t. Bethmann*Hollweg, Wirkl. Geh. Bst Althoff, 
Qeneralstabsarzt der Armee Dr. Schjernlng, Wirkl. Geh. Bat Bobert Koch 
and der Vorsitzende des „Deatschen Aerste-Vereins-Bandes* Geh. Med.>Bat Prof. 
Dr. L 0 bk e r. Den Vorstand bilden die Herren: als Vorsitzender Geb. Med.*Bat 
Prof. Dr. T. Benver8*Berlin; als stellyertr. Vorsitzender der Geheime lUit 
Prot Dr. T. Angerer*München; als Beisitzer Geb.Bat Präsident Baschbeek- 
Dresden, Ober'Med.>Bat Dr. Gr eiff-Earlsrahe, Präsident t. Nestle-Siatt- 
gzrt, Geh. Med.-Bat Prot Dr. Waldey er-Berlin; als Generalsekretär Professor 
Dr. B. Eatner-Berlin. Dem Eaiser werde ron der erfolgten Eonstitoierang 
des Beiehsaasschasses darch ein Telegramm Mitteilang gemacht, woraof das 
nachstehende Telegramm eingegangen ist: «Ich habe midi über die heute im 
Kaiserin-Friedrichhaase erfolgte BUdang eines BeichsaosschaBses für das ärzt¬ 
liche Fortbildangswesen and das treue Gedenken meiner onvergeBUchen Matter 
herzUch gefreut. Mein lebhaftes Interesse and meine wärmsten Wünsche 
werden die yereinbarte Arbeit der deutschen Landedcomitees auf diesem für 
unser Vaterland so wichtigen Gebiete begleiten. Wilhelm I.B.* 


Die Frage der Begelong des Apethekenwesens ist in der jüngsten Zeit 
sowohl im Bayerischen, als im Württembergischen Landtage erOrtert worden, 
in dem letzteren allerdings bisher nar in der dazu im vorigen Jahre einge¬ 
setzten Eommission. 

In der Bayerischen Abgeordnetenkammer fand am 18. d. M. eine 
grSBere Debatte statt, die sieh hauptsächlich um das Verfahren bei der Ver¬ 
leihung von Apothekenkonzessionen drehte. Der Minister des Innern 
T. Brettreich erklärte, daß die Staatsr^erang in dieser Hinsicht auf dem 
Standponkt stehe, daß eine fortgesetzte Vermebrong der Apotheken Torge- 
Bommen werden müsse, aof dem Lande müsse man aUerdings vorsichtiger damt 
sein, während dies in den Städten nicht so notwendig sei Bewerber fänden sich 
auch für Landapotheken ^enag. Die Vermehrung der Apotheken habe so 
ziemlich Schritt gehalten mit der Zunahme der Bevölkerung. BezügUeb der 
Vergebung der Apothekenkenzession müsse an dem Grundsatz festgehalten 
werden, daß einer unangemessenen Preissteigerang entgegenzatreten and ander¬ 
seits die Bechte der Besitzer za berücksichtigen seien. Die Bewerber müßten 
die Einrichtung und Vorräte übernehmen und eine Abfindung zahlen, für deren 
Festsetzang sich eine feste Formel nicht anfsteUen lasse; es müsse von Fall 
za FaU entschieden werden. Bei der Festsetzang der Entschädigung sei nicht 
der subjektive, sondern der objektive Wertzawachs in Anrechnang za bringen. 
Sohne oder Verwandte seien nur bei gleicher Qualifikation mit den anderen 
Bewerbern za bevorzugen. Die Idee, einen Fonds zur Ablösung der Beal- 
konzessionen zu gründen, habe viel für sich; eine Verstaatlichung der Apo¬ 
theken kOnne nur auf dem Wege der Beichsgesetzgebnng gelöst werden. Ein 
weiteres Vorgehen in der Apothekenfrage h&ge davon ab, wie sich ^e Ver¬ 
hältnisse im Belebe entwickeln werden. 

In der Württembergischen zweiten Eammer gelangte am 18. d. M. 
in der Eommission für innere Verwaltung der vorjährige Antrag Lindemann 
und Eis eie*) betreffs Einrichtung von kommanalen Apotheken zur Beratung. 
Der Berichterstatter sprach sich für die Eommanalapotheken in eigener Begie 
der Gemeinden and unter Ablösung der bestehenden Bealapotheken aas, während 
sich die Mehrheit der übrigen Eommissionsmitglieder dagegen aassprach 
und zwar im wesentlichen aus folgenden Gründen: Die Durchführung derEomma- 
nalapotbeke würde ongeheare Eosten verursachen und ein selbständiger Gewerbe¬ 
stand verschwinden; anderseits sei ein Bewew^ dafür, daß dadurch eine 
Gesandang eintreten werde, nicht erbracht. Diesen Gründen schloß sich zum 

*) Siehe diese Zeitschrift, Jahrg. 1907, S. 870 a. 402. 



216 


SpreebsMl 


TeO der ICliiister des Innern Dr. ▼. Pisehek an, der im Übrigen anerkannte, 
dafi man zu einer Gesnndang der Verhältnisse nur durch ein einheitliches 
System kommen kOnne; dieses System werde das der Porsonalkonzessioaen sein 
mftssen, die vielieicht etwas zahlreicher rergeben werden könnten als bisher. 
Die kommunalen Apotheken wflürden wahrscheinlich teurer und schwerfälliger 
arbeiten als die privaten. Das Beichsapothekengesetz entspreche im übrigen 
nach seinen Wünschen nicht in allen Punkten. Schließlich wurde der Antrag 
Lindemann bei der Abstimmung mit 12 gegen 8 Stimmen abgelehnt, ebenso 
der Antrag Eis eie mit 8 gegen 7 Stimmen. Darauf wurde ein Antrag Hanser: 
„die Begierung zu ersuchen, in der Erteilung von Personalkonzessionen rascher 
als bisher fortzofahren und die Konzessionserteilung in die Hand des Ministerinms 
zu legen“, angenommen. _ 


Erkrankungen und TodesfUle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preissen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizfadsche Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 16. bis 29. Februar 1908 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, Bttck- 
fallfieber, Pest, Botz und Tollwut: — (—); Pocken: 7(1), 5 (2); 
BlBverletzugen durch tollwutverdächtigeTiere: 8(—), 8(—); 
Milzbrand: 8 (—), 2 (—): Bahr; 4(3), 1 (—): Unterleibstyphus: 
147 (12), 155(16); Diphtherie: 1493 (92), 1481 (121); Scharlach: 1594 
(96), 1620 r75);Genlckstarre: 58 (19), 46 (20); IQndbettfleber: 158 
(80), 128 (3^; Eörnerkrankheit (erurankt): 222, 186; Tuberkulose 
(gestorben): ^0, 629. 


SpraohsMüL 

Anfrage des Dr. L. la H. t Ist nach dem preußischen Senchengesets 
vom 28. Ang. 1905 und den Ausführungen und Anweisungen über Diphtherie 
und Scharlach, die Schiaßdesinfektion bei diesen Krankheiten stets 
und immer als obligatorisch rorgeschrieben anzusehen, oder nur als 
fakultativ, da im § 8 zu XI der Ausführungsbestimmungen sowie im §20 
bezw. § 19 der Anweisung über Diphtherie und Scharlach in dem ersten Absatz 
der Ausführungen das Wort kann gesetzt ist undebenso in den Anweisungen. 

Antwort: Durch die Worte im Absatz 4 des § 20 und § 19 der Anwei¬ 
sungen: „es ist regelmäßig anzuordnen und sorgfältig darüber zu wachen, 
daß nicht nur nach der Genesung oder dem Tode des Erkrankten eine sog. SchluB- 
deslnfeküon stattfindet, sondern daß die Vorschriften über die Desinfektion am 
Krankenbett befolgt werden“, ist eine Schlußdesinfektion aller Fälle vorge¬ 
schrieben, in denen nicht besondere Gründe für deren Unterlassung votliegen. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. B. in St.: 1. Darf der Kreisarzt nach 
§ 96, Ziffer 2 der abgeänderten Dienstanweisung selbständig eine ört¬ 
liche Besichtigung vornehmen, um zu begutachten, ob eine Schale wegen 
ansteckender Krankheiten zu schließen ist? 

2. Ist der Kreisarzt auf Grund des § 96, Ziff. 2, Abs. 2 der'abgeänderten 
Dienstanweisung berechtigt bezw. verpfiichtet, selbständig eine örüicbe 
ErmitÜung zu machen, um vor Abgabe eines Gutachtens bezüglich der Wieder¬ 
eröffnung einer geschlossenen Schale sich davon zu überzeugeX, daß die 
Schale usw. gründlich gereinigt worden ist? 

Antwort: In Nr. 2 des § 96 heißt es, daß der Kreisarzt bei Schul- 
schließungen „in der Begel vorher eine örtliche Besichtigung 
Torzunehmenhat“; da hier ein einschränkender Zusatz wie im § 82, 
Abs. 5 a, ß „im Einverständnis mit dom Landrat, in Stadtkreisen die Orts- 
polizeibebörde“ nicht gemacht ist, so kann der Kreisarzt auch selbständig 
eine örtliche Besichtigung zu diesem Zwecke vornehmen. 

Dasselbe gilt betreffs der Wiedereröffnung einer Schule, sobald er es 
nach pfiicbtgemäßem Ermessen für nötig hält, sich die Ueberzengung, ob Bei- 
nigung und Desinfektion gründlich erfolgt ist, durch eigene Untersuchung 
zu verschaffen. Ist die Desinfektion einem ordentlichen und dem Kreisarzt 
als zuverlässig bekannten Desinfektor übertragen, so wird sich eine solche 
Besichtigung meist erübrigen und die Bescheinigung des Desinfektors genügen. 

Verantwortl. Bedakteur: Dr. Bapmund, Beg.- n. Geh. Med.-Bat in Minden i. W. 

J. O 0. Bmns, Herzog Sleba n. T. 8eK-U Hofbnebdroekersi la Ifliidea 





2t J«hrg. 


1908. 


Zeitschrift 

fflr 

MEDIZIN^BEAMTE. 

Zwtnililitt für dis gnurti BisnnIMtsmsen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

HeraiugegebeK 

TOB 

Sr. OTTO RAPMUND, 

Regierangs- and Geh. Medtitaalrat In Mlndea 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, VKOrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fisoher 8 mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld, 

B«noaL Hof* 1L BrtliMiool. lammT-BnifliMndlT. 

Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

iBemte nehmeB dlo TerlagshoBdlaBg sowlo nOe ABBOBoeB«BjcpedlltoBeB des In« 

and laidaades entgegen. 












218 Dr. Stiller: Ueber die Wichtigkeit gerichts&iztlicher Photographie 

Ich faod die Leiche aal dem Faßboden der Wohoetabe auf dem Bücken 
liegend, die Füße knapp 1 m Ton der Eingangstür entfernt, den Kopf etwa 
in der Mitte des Zimmers, links neben dem Halse eine große Blatlache, in 
der ein geöffnetes, scharfes Basiermesser lag, welches dorchaas ohne Scharte 
war. Links von der Leiche, nach der Eingangstttr za und im Haasflar vor 
dieser zeigten sich nar spärliche Blatstropfen, neben dem linken Knie einige 
in streifenförmiger Anordnang, sonst regellos. Die Leiche war völlig bekleidet, 
die Kleidang vorn stark mit Blnt besndelt. Die Hände, das Gesicht und das 
ganze Kopfhaar waren vollständig mit Blat überzogen; es machte zanächst 
den Eindrack, als ob es mit den eigenen Händen im Todeskampfe an die 
übrigen Stellen von der rechtsseitigen Halsschnittwunde aas verschmiert worden 
wäre. Allein beim genaaeren Hinsehen gewahrte man eine ganze Beihe von 
Sohädelverletzangen mit Zertrttmmeraog des Schädeldaches and gewann die 
YorsteUang, als ob absichtlich von dritter Hand die Yerteilong des Biates 
Torgenommen worden wäre, am die Sohädelverletzangen za verdecken. 

Das GemeiDdeoberhanpt war ziemlich erstannt, als ich ihm 
erklärte, daß ein Verbrechen yorliege, und ihn znr üeberwachnng 
der S.schen Wohnung nnd ihrer Insassen in Anspruch nahm. Anf 
meine Anzeige begab sich noch an demselben Tage eine Gerichts- 
kommission nach H. nnd zog mich als Gerichtsarzt zu. Das E!r- 
gebnis der gerichtlichen Angenscheineinnahme war nach den 
Akten folgendes: 

Za der Haostüre des einstOckigea Wohnhaoses führen einige steinerne 
Stofen in den Haosflor, darch welcmen das Haas in zwei Hälften geteilt 
wird. Bechts vom Haasflar befindet sich die Wohnstabe mit daran nach dem 
Hofe zn anstoßendem Kämmerchen. Links vom Haosfiar liegen zwei Schlaf- 
kammem mit je besonderem Elingange. Die vordere nach der Straße za warde 
von der Familie S. benatzt, die hintere, nach dem Hofe za gelegene bewohnte 
der Müller, jetzige Handarbeiter M., der Schwiegervater des S. nebst seinem 
15jährigen Sohne. ... 

Mach Oeffnong der Wohnstabe zeigt sich folgender Anblick: Am Boden 
der Wohnstabe auf dem Bücken liegend, die Arme sosgebreitet, den rechten 
Faß über den Imken geschlagen, die Ferse etwa 90 cm von der nach dem 
Haasflar gehenden Tür entfernt, den Kopf mehr nach der Mitte des Zimmers 
mit der Hinterhaaptsgegend aafliegend, findet sich die Leiche vor. Links 
neben dem Kopfe befindet sich eine große Lache geronnenen Biates, welches 
anscheinend z. T. noch nach der Ostwand des Zimmers gelaufen ist. Die Blat* 
lache setzt sich nach rechts onter dem Nacken fort. Bechts von den Grenz* 
linien des Kopfes and Halses zei^t der Faßboden lediglich eingetrocknetes 
Blat in dünner Schicht, welches in einem Streifen von d'/t cm Breite die 
Grenzlinie nach rechts überschreitet 

links von der Leiche, nach der Haosflortür za, sowie im Haasflar 
zwischen der Wohnstabentüre and der Tür der gerade gegenüber liegenden 
S. sehen Schlafkammer, and nach der Haostür za zeigen sich, and zwar beson* 
ders zahlreich an der Schwelle der Wohnstabentür, aber verhältnismäßig doch 
recht spärlich, Bluttropfen in regelloser Anordnang. Außerdem finden sich 
links vom linken Knie der Lei^e in stampfwinkliger Form größere and 
kleinere, im ganzen größere and enger zosammenliegende and z. T. in dn* 
ander geflossene Blatstropfen. 

Die Leiche ist vollständig bekleidet Die braanschwarze Jo^e ist mit 
dem obersten Knopfe zugeknöpft, während zwischen den unteren Teilen der* 
selben die Weste frei za Tage liegt. Die Joppe ist in ihrem obersten Abschnitt, 
die Weste in den freiliegenden Teilen, das Beinkleid aof seiner Vorderseite — 
besonders stark über der linken Baachgegend — ziemlich stark mit einge¬ 
trocknetem Blat beschmutzt. 

Bei. weiterer Besichtigung der Stube and der in derselben befindlichen 
Gegenstände wird noch festgestellt, daß das an der Ostwand stehende, etwa 
1,20 m lange und 0,5 m breite Gatterbetteben aof der oberen Kante der nach 
dem Fenster zngekehrten Schmalseite Blatspuren aofweist. Der zwischen 
diesem Bettchen und dem Tisch an der Ostwand stehende Stahl zeirt an der 
vorderen Seite der oberen Ldme and haaptsächlidi an seinem rechten Teil 



und dn dafftdies Verfahr«]! dafOr. 


219 


erhebliche filatspnreii, die sich nach links hertkberziehen. An der Wand 
direkt hinter dem Stahl und aaoh onterhalb desselben sieht man Blut* 
spritser, auch ist das an der Wand über dem Stahl h&ngende Bild mit einigen 
Biatstropfen befleckt 

Ich habe damals sofort die Anwesenden darauf aufmerksam 
gemacht, daß die sämtlichen Blntspritzer an der Ostwand und 
den daran stehenden Geräten radiär zn einem dicht über der 
Stnhllehne befindlichen Mittelpankt angeordnet waren, nnd des* 
halb die photographische Aufnahme der Stelle veranlaßt. Fignr I 
zeigt diese, natürlich nicht ganz in der Vollkommenheit, wie die 
photographische Platte, aber immerhin deutlich genug. Diese 
Anfni^e war als Beweisstück von erheblicher Bedentnng, wcdl 
die Anordnnng der Blntspritzer den ganz bestimmten Schloß er¬ 
laubte, daß der Getötete auf dem Stahle sitzend mindestens einen 
heftigen Schlag mit stumpfem Werkzeuge auf den bereits blntbe- 
deckten Kopf erhalten haben mußte. 

Ehe ich darauf genauer eingehe, lasse ich zunächst die in 
Betracht kommenden Stellen des Leichenöffnnngs-Protokolls 
von der am folgenden Tage vorgenommenen Sektion folgen: 

6. Der Kopf erscheint im ganzen ToUständig blatüberstrflmt, resp. im 
Geeichte and auch fast am ganzen behaarten Kopfe, besonders linksseitig, 
mit angetrocknetem Blate streifen* and krostenförmig überdeckt. 

7. Aaf dem Kopfe finden sich im ganzen mindestens 19 blutige Ver* 
wandangen. Dieselben sind teils scharfrandig, teils zacUg-lappenförn^ and 
geqaetscht. Die meisten darchdringen die Kopfschwarte bis zam Knochen. 

8. Drei derselben yon mehr gequetschter Beschaffenheit in der linken 
Schlifen-, Scheitel* und flinterhaaptsgegend gelegen, zeigen Eindrflckongen des 
unterliegenden Knochens. 

9. Das Gesicht zeigt wachsbleiche Farbe. Das rechte Auge ist ge¬ 
schlossen; am äoBeren Augenwinkel und nach oben zu findet sich eine etwa 
8 cm lange, oberflächlich geschälte nnd gequetschte Hautwonde mit bläulichen 
Bändern. 

12. Auf der rechten Backe finden sich auf dem Jochbogen und Aber 
dem rechten Mundwinkel zwei kleinere, unregelmäßig g^ormte Hautabschflr- 
fangen, bläulichrot gefärbt und mit stärkerem Bluterguß im ünterhautzell- 
gewebe. 

16. Am Halse verläuft dicht unter dem Kinn in der Bichtui^ von 
rechts unten nach links oben eine 13 cm lange, rechts 3 cm hinter dem Kiefer¬ 
winkei beginnende und links 35 mm vor dem Kieferwinkel endigende Wunde. 
Dieselbe zeigt durchgehends scharfe Bänder; nur rechts am Beginne sind die* 
selben etwas wulstig und die Oberhaut gering bläulich gefärbt. In der Mitte 
klafft der Schnitt 47* cm. Daselbst ist oben im Gewebe das linkerseits scharf 
durchschnittene Zungenbein sichtbar. Unterhalb desselben liegt der unver¬ 
letzte Schildknorpel frei vor. Auf der rechten flalsseite findet sich der Kopf* 
nicker und die Kehlkopfmuskulatur scharf durchschnitten. Die großen Gefäße 
des Halses, die äußere Halsschlagader 6 mm oberhalb ihres Abgangs aus dem 
Hauptgefäß, ebenso die Hauptblutader und eine kleinere Blutader, neben dem 
Kehlkopfe gelegen, zeigen scharfe Schnittverletzungen, fast bis zur Dureh- 
trennung, die große Blutader etwa bis zu ^/s ihres Umfangs. 

17. Die Umgebung am Halse ist allgemein blutig gefärbt, streifen¬ 
förmiger Erguß von eingetrocknetem Blute ist nur an der rechten Wandecke, 
nach hinten zu verlaufend, vorhanden. 

23. Beide Hände sind mit angetroeknetem Blute vollständig fiberzogea, 
dunkelrot und z. T. schwärzlich gefärbt. An denselben ist, nachdem das Blut 
abgewaschen, iraendeine Verletzung nicht bemerkbar. 

25. Die Kopfsehwarte zeigt 16 durchdringende Wanden, meist mit un¬ 
regelmäßigen, gequetschten und blutig gefärbten Bändern. 

26. Die Beinhaut des Schädels zeigt auf der Hohe des Scheitels drei 
schnittfOrmige Wanden. 



220 Dr. Stiller: Ueber die Wichtigkeit gerichtsärztlicher Photographie 

27. Die rechte SchläfenmoBkel ist in seinem unteren Teile stark mit 
schwarzem Blate dnrehsetzt. Nachdem er abgetrennt ist, zeigt sich dicht Tor 
dem Ohre gelegen eine etwa wallnnßgroße Stelle, in welcher der Knochen, 
der mehrfach gesprangen ist, eingedrückt ist. 

28. Auf der linken Kopfseite findet sich in der Hohe des Scheitels nnd 
86 mm von der Mittellinie nach links zu beginnend eine rechteckige, 22 mm 
breite Knochenwnnde, wo die äußere Knocbentafel 8 mm tief eingedrückt bt. 
Von deren oberem vorderen Winkel ausgehend verläuft nach hinten und rechts 
zu ein Knochensprung bis über die Mittellinie hinaus. 

29. Vom unteren Umfange der Knochenwunde aus erstrecken sieh 
Knochensprünge weitgehend nnd, anscheinend bis zur Schädelbasis reichend, 
die dünn Mitte des Schläfenbeins an einer Stelle von Erbsengroße ganz 
durchbrechend. 

80. Der in der Richtung nach links und hinten hin verlaufende Knochen- 
Sprung endigt hinter dem linken Warzenfortsatze mit einer Knoehendepreesion 
von etwa QroschengrOße. 

88. Auf der Innenfiäche des Schädeldaches sind entsprechend den vor- 
beschriebenen Knocheneindrückungen von außen in der rechten Schläfengegend 
und in der linken Scheitelgegend Durchbrüche des Knochens mit hervorstehen¬ 
den gebrochenen Bändern in noch größerer Ausdehnung vorhanden. Beim 
Durchsägen trennt sich der größere Teil der linken Schläfenbeinschnppe vom 
Schädel ab. (Infolge der Fissuren). 

87. Stellenweise werden an der Gehimsubstanz, namentlich entsprechend 
den vorerwähnten zwei großen Schädelknochenverletznngen, anscheinend durch 
Quetschung hervor gerufen, bläulichrote Verfärbungen und oberfiächliche 2^r- 
trümmernngen der Gehimsubstanz wahrgenommen. 

89. An der Schädelbasis erscheinen durch Knoebensprünge größere 
Knochenstücke gelöst und abgesprengt. 

46. Es wird darauf in den Herzbeutel Wasser eingegossen 
nnd durch Stich unter Wasser der rechte Vorhof eröffnet 
Dabei steigen ans demselben Luftblasen in sichtbarer Menge 
hervor. Der linke Vorhof enthält keine Luft. 

Das kurze Schlußgatachten lautete: 

L Der Tod ist durch VerblutuuK aus den Vorgefundenen 
Verwundungen erfolgt 

n. Die Halsschnittwnnde ist zweifellos noch bei Lebzeiten 
zugeffigt worden. 

Die Ehefrau des Getöteten nnd ihr einarmiger Vater M. 
bestritten zunächst die Tat, die ihnen direkt vorgeworfen wurde; 
sie behaupteten, daß sich der Verstorbene selbst die Kehle 
durcbgeschnitten haben mttßte. Erst als auf dem Boden des 
Nebengebäudes auf Beisigwellen unter dem Dache ein blutbe¬ 
flecktes Beil sowie eine frisch gewaschene Hose des M. gefunden 
war, an der trotz des Waschens noch starke Blntspnren wahr¬ 
nehmbar waren, räumte dieser ein, seinem Schwiegersöhne ein 
paar Schläge mit dem Beil versetzt zu haben. Auch die Ehefrau 
S. entschloß sich za einem teilweisen Geständnis. M. gab an: 

„Um 9 Uhr abends ging 8. von Hause fort nnd kam nach l>/t Stunden 
wieder zurück. Es kam alsbald nach seiner Rückkehr wieder zu Streitereien 
zwischen S. und seiner Frau. Ich lag während dieser Vorgänge in meiner 
Kammer, die vom Hansfiur aus lin^ hinten liegt. PlOtzliä flüchtete 
sich meine Tochter in meine Kammer, um sich vor tätlichen Angrifien meines 
Schwiegersohnes zu schützen. Mein Schwiegersohn kam jedoch hinterdrein, 
gab meiner Tochter ein paar feste Ohrfeigen nnd schmiß sie dann mit aller 
Gewalt auf einen StuhL Ich wurde durch diesen Vorgang sehr aufgere^ nnd 
eilte meiner Tochter zur Hilfe. Ich nahm mein gleich zur Hand befindliches 
Arbeitsbeil nnd schlug mit diesem meinen Schwiegersohn «dn bis zwei mal, es 
kann auch dreimal gewesen sein, auf den Hinterkopf. Daß ich den Kopf ge- 



ud ein einlaohes Verfahren dafttr. 


221 


troffen hatte, konnte Ich deshalb sehen, weil es mondhelle Nacht war. Mdn 
Schwiegersohn schwankte hierauf, ließ von seiner Frau, die er bisher noch ge* 
packt gehalten hatte, ab nnd ging zur Tttre hinaus. Meine Tochter legte ihr 
jüngstes 1 Jahr altes Kind, das sie bisher noch auf den Annen gehabt hatte, 
in den in der Kammer stehenden Kinderwagen nnd ging meinem Schwieger¬ 
sohn hinter drein. Ich bin aus meiner Kammer bis heute Morgen nicht wieder 
herausgekommen und habe erst durch meine Tochter Temommen, daß mein 
Schwiegersohn tot yom in der Wohnstube lag.“ 

Fraa S. erklärte: 

„Es mag wohl 10 Uhr gewesen sein, da kam er wieder zurück; er 
schimpfte und machte einen furchtbaren Lärm, stürzte erst in die Wohnstube 
hinein nnd kam dann an die Tür der hinteren Kammer; er drückte die Tür 
auf und ging alsbald auf mich los. Ich saß auf meinem Stuhle und stillte 
mein Kind. Er schlug sofort mit seinen beiden Fäusten auf meinen Kopf der¬ 
artig ein, daß mir das Feuer aus den Augen sprühte. Ich rief um Hilfe. 
Mein Vater kam nun herzu nnd schlng meinem Mann mit seinem Handbeil ein 
paar mal auf den Hinterkopf. Mein Mann taumelte zur Türe hinaus und 
flüchtete sich in die Stube. Ich lief hinter her und schlag meinen Mann, als 
er in der Stube war, noch ein paar mal mit dem Bell auf den Hinterkopf. Ob 
er nun hingeschlagen ist, oder ob er sich selbst niedergesetzt hat, weiß ich 
nicht mehr. Wie ich meinen Mann mit dem Beii schlng, schrie er. Ich ließ 
i^ zunächst in Buhe. Nach etwa 10 Minuten bis V« Stunde ging ich in die 
erste Schlaftammer gleich links vom Eingang und holte, ohne Licht anzn- 
zünden, das Basiermesser meines Mannes. Ich ging hinüber in die Wohnstube, 
fand meinen Mann an der Kinder bettsteile auf dem Fußboden sitzend Tornnd 
schnitt ihm mit dem Basiermesser in den Hals hinein." 

Demgegenüber steht fest, daß am SO. April in der Schlaf¬ 
kammer des M. trotz eifrigsten Snchens Blatsporen nicht entdeckt 
werden konnten, nnd daß an dem Gesicht der Fran S., sowie 
an dem nicht behaarten Teil des Kopfes keine Verletzungen oder 
Stellen am 80 . April ersichtlich waren, welche anf eine Miß- 
handlang seitens ihres Ehemanns oder anf ein Handgemenge 
mit ihm schließen ließen. 

Die Zengenyemehmnngen Terliefen in bezog anf die Vor¬ 
gänge bei der Tat im wesentlichen ergebnislos. Die S.schen 
Kinder verweigerten ihr Zeugnis. Entscheidend konnten somit 
nur die objektiven Feststellungen sein. 

In dieser Hinsicht war außer der Photographie der Blut- 
spritzer vor allem der durch die Leichenöffnung gelieferte Nach¬ 
weis wichtig, daß der Tote nach Aasführung des Halsschnittes 
noch geatmet hatte. Da bei dem Mangel von Gasblasen im 
linken Vorhofe die Entstehung des Luftgehaltes des rechten Vor¬ 
hofes durch Fäulnis ausgeschlossen werden konnte, blieb für 
diesen als einzig mögliche Erklärung die Luftaspiration durch 
die zu */, durchgeschnittene Vena juguluis. 

Die Beschuldigten bequemten sich in der Folge, allerdings 
sehr zögernd, auch zu einer Erweiterung ihres Geständnisses. ^ 
gab die Ehefrau schließlich zu, dass sie das Beil im Hausflur 
ergriffen, damit ihrem auf dem Stuhl zwischen dem Gatterbettchen 
nnd dem Tische mit vornübergebeugtem Kopfe sitzenden Gatten 
zwei Schläge auf den Kopf gegeben habe, und dass sie bei dem 
später aasgeführten Halsschnitte nur die Absicht gehabt, den 
Anschein des Selbstmordes zu erwecken, ohne in ihrer Verzweiflung 
danm zu denken, dass sie damit ihren Ehemani^ wenn er noch 
lebte, toten müsse. Ebenso erklärte sie, dass ihr Vater ihrem 



222 Dr. StQler: üeber die Wichtigkeit geriehtelntlioher Pkotogrepbie 


Ehemann im Hansflnr mehr als „ein halbes Mandel** Schläge Yer- 
setzt habe. M. gab das auch bei seiner zweiten Yernehmnng 
zn; er habe seinem Schwiegersohn in der Kammer 8, im Hansflnr 
noch 10 Schläge gegeben; dieser sei daranf in die Wohnstnbe 
gegangen. 

Die Photographie hat jedenfalls im vorliegenden Falle die 
Fran S. zn dem Geständnis gezwnngen, dass sie ihrem Ehemann 
anf dem Stnhle in der Wohnstnbe Schläge versetzt hat. Ob aber 
der ganze Vorgang sich so abgespielt hat, wie die beiden Ange¬ 
klagten, die übrigens wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit 
tOtUchem Ansgange zn je 2 Jahren Gefängnis verurteilt wurden, 
schließlich ansgesagt haben, lässt sich unter den obwaltenden 
Umständen nicht entscheiden. 

Der Fall zeigt, wie wichtig die Photographie fOr gerichts- 
ärztliche Untersnchnngen ist. Nach den nenen Bestimmnngen 
vom 4. Januar 1905 müsste meines Erachtens jeder Gerichtsarzt 
mit einem photographischen Instmmentarinm ausgerüstet sein. 
Das erscheint zunächst vielleicht viel verlangt, wenn man an 
einen Stativapparat denkt, der in vielen FäUen unentbehrlich 
sein dürfte. Aber zumeist genügt, wie ich mich überzeugt habe, 
eine kleine, wenig Baum beanspruchende Klappkamera 9 X 
Wie Figur 2 zeigt, ist dieselbe bequem mittels des Busch sehen 
Halters an der Decke zu befestigen. Ein Bandmass dient in 
einfachster Weise zur Bestimmung der Entfernung von Objektiv 
und dem anfzunehmenden Objekte, gleichzeitig als Lot zur Aus¬ 
richtung der Kamera und Anordnung der Mitte des abznbildenden 
Gegenstandes genau unter der E^ameralinse. Die Einstellung er¬ 
folgt ohne Mattscheibe einfach mit der Einstellskala, die man 
sich nötigenfalls auf kürzere Entfernungen selbst ergänzen, nnd 
— was wichtig ist — auf die Richtigkeit vor dem Gebrauche 
prüfen muss. Ich benutze für gewöhnlich als bequemstes licht- 
empflndliches Material Premo-Packfilms. Dieselben sind aller¬ 
dings weniger empfindlich und erfordern ungefähr die doppelte 
ibEpositionszeit, wie die hochempfindlichen modernen Trocken¬ 
platten und Einzelfllms. Das ist aber für den vorliegenden Zweck 
kein Nachteil, sondern geradezu ein Vorzug, da weniger empfind¬ 
liches Material bekanntlich kontrastreicher arbeitet. Figur 2 zeigt 
das Verfahren. Die abgebildete Kamera, deren einfache Land¬ 
schaftslinse 13 cm Brennweite besitzt, kostet 24 Mark. Der von mir 
sonst benutzte Apparat ist eine etwas bessere Handkamera 9 X 1^ 
mit dem Z eiß sehen Weitwinkel-Protar von 112 mm Brennweite, 
welches eine Platte 18 X 1^ niit gewöhnlicher Blende randscharf 
auszeichnet und deshalb zugleich für besondere Fälle an dem 
nicht immer zu entbehrenden grössereren Stativapparate zu ver¬ 
wenden ist. Dieses vorzügliche Weitwinkelobjektiv kann ich be¬ 
sonders empfehlen. Selbstverständlich wird für einzelne Fälle zu 
dem grösseren Stativapparate auch ein Objektiv von längerer 
Brennweite erforderlich sein. 

Der Gebrauch des Apparates in der Praxis setzt einige 
elementare Kenntnisse aus der Theorie voraus. Bedeutet A die 



nad ein einfnehee Verfeluen dnffir. 


828 


ObjektgrOsse, B die Bild^ße, 8 den Objektabstand Tom Objektiv, 
f dessen Brennweite, so ist bekanntlich: 

A : B = a—f : f. 

Das heisst: das Verkleinernngsverhältnis bei der Aufnahme 
ist gleich dem Verhältnis des Objektabstandes vom vorderen Brenn¬ 
punkte des Objektivs zur Objektivbrennweite. Die Bedeutung 
dieses Satzes fttr die Praxis wird am einfachsten an der Hand 
des Beispiels der Figur 2 klar: 

Die Leiche war 172 cm lang, die Entfernong a yom Objektiv betrag 
280 cm, also die Entferaosg vom vorderen Brennpunkte desselben, a—1, 
280 — 18 a 217 cm. 

172 ; X = 217 : 18 
X SS 10,8 cm. 

Dieses Hass wurde in der Tat genau bei der Aufnahme nach 
Figur 2 gemessen. Es dürfte für das Format 9 X ungefähr 
das Maximum der zulässigen Bildgrüsse darstellen, wenn das 
ganze Objekt aufgenommen werden soll. Daraus ergibt sich 
ohne weiteres, dass ein Objektiv von 13 cm Brennweite für der¬ 
artige Aufnahmen in Entfernungen unter 230 cm nicht verwendet 
werden kann. Da nun aber auf dem Lande oft genug geringere 
Zimmerhöhen Vorkommen, setzt dieser Umstand ohne weiteres die 
Benutzung einer geringeren Brennweite voraus. Das von mir 
geführte Ze iss-Objektiv von 112 mm Brennweite gestattet noch 
in Entfernungen des Objektes von 187 cm vom vorderen Brenn¬ 
punkt zu arbeiten, also in einer Entfernung von 187 -f* ü = 1^8 cm 
des Objektes vom Objektive. Diese Berechnung bezieht sich auf 
die Plattengröße 9 X 12. Sind die Raumverhältnisse noch be¬ 
schränkter, wie in einem am 1 März d. J. vorgekommenen Falle, 
bei dem d^e Leiche in einem ganz engen Eellerchen bei Blitz¬ 
licht photographiert werden mußte, so bleibt nichts anderes übrig, 
als das kurzbrennweitige Objektiv mit der Platte 13 X zusam¬ 
men zu benutzen, wenn die Leiche in der Vorgefundenen Lage 
abgebildet werden soll. 

Gilt es an Stelle eines Uebersichtsbildes der ganzen Leiche, 
einzelne Körperteile in grösserem Masstabe aufzunehmen, so muss 
man naturgemäss das Objektiv näher an das Objekt heranbriogen. 
Das kann durch Befestigen des Basch sehen Halters an einem 
genügend dicken Brette geschehen, welches über zwei Stuhllehnen, 
zwei Tische oder andere geeignete Gegenstände gelegt wird, oder 
durch unmittelbares Anbringen des Halters an einem solchen. 
Wer Hebung im Photographieren hat, dem werden derlei Impro¬ 
visationen keine Schwierigkeit bereiten. 

In solchen Fällen wird meist die Einstellung mit Mattscheibe 
möglich und vorzuziehen sein. Auch empfiehlt sich dafür die 
Benutzung von Platten, da diese doch schärfere Besultate ergeben, 
als die nie absolut planliegenden Films. Mancher wird deshalb 
die letzteren überhaupt ganz aasgeschaltet wissen wollen; sie 
wleichtem aber die Mitnahme des ganzen Apparates sehr und 
arbeiten bei engen Blenden, die für unsere Zwecke ausschliesslich 
in Frage kommen, wie die theoretische Erwägung ergibt und 
die praktische Ertehrung bestätigt, genügend genau. 



224 


Kleinere Mitteilungen und Beferate ans Zeitechriften. 


Daas oft die Benatzeng farbenempflndlichen MaterialB 
mit Gelbfilter notwendig bedarf eigentlich nicht besonderer 
Erörterung. Es ist ein Vorzug der Premo* Films, dass sie farlton> 
empfindlidb sind und deshalb fttr alle F&Ue passen, wenn nur ein 
Gelbfilter mitgefOhrt wd. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitechriflen. 

Bakteriologie, Hygiene und OffeatUohes Sanitätsweeen. 

Bakteriologie and Infektionskrankheiten. 

DispMltion and Tlrnleni. Von Prof.Dr. D. Finkler in Bonn. Deutsche 
med. Wochenschr.; 1907, Nr. 89. 

Die interessante ^kliniseh-bakterlologisohe Studie“ neigt, wie rielge* 
staltig der Begriff der „Disposition“ ist, und wie die Veranlagung fttr In» 
leküonskrankheiten oft in einandergreift mit der „Virulenz* der Erankheits* 
erreger. F. schließt mit dem Satze: „Die Aufgabe fttr unsere Erklärungs* 
▼ersuche kann nicht heißen Disposition oder Virulenz, sondern sie muß 
heißen Disposition und Vimlenn.* Dr. Liebetran>Hagen L W. 


Ueber nytotoxlBehe und ntotrope SemmwlrlnuigeiL Von Professor 
Dr. F. Neufeld, Beg.'Bat im £. Q. A. und Dr. Bickel, k. bayr. Oberarzt, 
kommandiert zum K.G. A. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 
87. Band; 2. Heft. Berlin 1907. Verlag von J. Sp r in ge r. 

Aus den Beobachtungen von Metschnikoff geht herror, daß, wenn 
einem gegen eine bestimmte Art von fremden Blutkörperchen immunisierten 
Tier dieselben Blutkörperchen wiederum in die Bauchhöhle eingespritzt werden, 
ein großer Teil der' Blutzellen nicht in der freien Bauchhöhle aufgelöst, sondern 
▼on Leukozyten zerstört wird. M. selbst vertrat die Ansicht, daß die Ver¬ 
nichtung der fremden Zellen ausschließlich auf dem Wege der Phagozytose 
erfolge, und daß eine Hämolyse nur da eintrete, wo vorher durch Zugrunde¬ 
gehen von Leukozyten das dazu notwendige Komplement in die KOrperflttssig- 
ieit gelangt sei. Dieser Ansicht wird vielfach widersprochen, ohne daß bisher 
ebe befriedigende Aufklärung der divergierenden Beobachtungen erfolgt wäre. 
Neufeld und TOpfer haben nun zuerst die Hypothese auigostellt, daß die 
beiden Vorgänge der Hämolyse und der Phagozytose gleichberechtigt neben¬ 
einander Vorkommen und auf zwei verschiedenen Antikörpern bernhen können. 
Diese Hypothese wird gesttttzt durch die neueren Untersnchungen von N. und B., 
welche ergeben, daß die zytotropen (phagozytären) Antikörper Stoffe eigener 
Art und mit den Zytolysinen nicht identisch sind. Da N. und B. ferner auf 
Grund ihrer Untersuchungen annehmen müssen, daß die antibakteriellen Sera 
denselben Gesetzen wie £e antizellulären unterliegen, so kommen sie zu dem 
Schlüsse, die bakteriotropen Stoffe als verschieden von bakteriziden anzusehen. 

Dr. B 0 s t -Bndolstadt. 


Ueber die Ursaeben der Phagozytose* Von Prot Dr. F. Neufeld- 
Beg.-Eat im E. G. A. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 87. Bd., 
8. Heft. Berlin 1907. Verlag von J. Springer. 

Die Tatsache, daß viele Bakterien — und zwar sind das häufig aviru- 
lente — ohne Mitwirkung von Serum von den Leukozyten gefressen werden, 
andere dagegen — wie in ausgesprochenster Weise die maximal virulenten 
Kokken — unberührt bleiben, kann auf zweierlei Art erklärt werden: Ent¬ 
weder ist die Aufnahme von Bakterien durch Phagozyten gewissermaßen das 
normale Ereignis, das immer eintritt, falls sich die Mikroorganismen nicht durch 
besondere Abwehrstoffe vor den Phagozyten schützen, oder es ist umgekehrt 
der normale Zustand, daß Bakterien und Leukozyten unbekümmert nebenein¬ 
ander existieren, bis etwa durch besondere Stoffe ein Anreiz auf die Phago¬ 
zyten ausgettbt wird. Die Anschauung, daß die virulenten Bakterien durch 
besondere Abwehrstoffe die Lenkozyten von sich fern halten, ist namentlich 
von Bail zur Grundlage einer besonderen Theorie, der Aggressivtheorie, ge¬ 
macht worden; auch Metschnikoff hat sich mehrfach in diesem Sinne 



Figur 1 zum Artikel Dr. Slüler: lieber die Wichtigkeit gerichtsärztlicher Photographie und ein einfaches Verfahren dafür. 










Figur 2 

zum Artikel Dr. Stüler: Ueber die Wichtigkeit gerichtsärztlicher Photographie 
und ein einfaches Verfahren dafür. 




Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


226 


aasgesproehea. N. ist im Laufe seber Untersuchungen au der entgegenMctnten 
Andauung gekommen; er nimmt an, daB Baktenen und körperfremde Zellen 
nur dann ron den Phagosyten aufgenommen werden, wenn sie dieselben durch 
Abgabe besonderer Reizstoffe dazu anregen. Werden solche Stoffe nicht ab¬ 
gegeben. BO bleibt die Phagozytose ans. N. glaubt auch, daß sich die ^Bpon- 
tane“ Pnagozytose, die ohne Serumwirkung erfolgt, auf die gleiche Weise, 
ide die unter dem EinfluB eines spez. Tropins erfolgende erklären läßt. Als 
unmittelbare Ursache der Phagozytose würden hier dieselben oder ähnliche 
Reizstoffe ansnsehen sein, die von der Zelle, beyor sie der Phagozrtoee ver¬ 
fällt, abgegeben werden. Der fundamentale Unterschied liegt aber darin, daß 
dnrc^ ein zytotropes Serum das Bakterium bezw. die fremde Zelle, ohne im 
übrigen irgendwie geschädigt zu werden, in spezifischer Weise zur Abgabe des 
phagozytosenerregenden Stoffes angeregt wird, während bei der „spontanen* 
Phagozytose unter anderen Stoffen zufällig auch die besonderen R^stoffe in 
LOenng gehen. _ Dr. Rost-Rudolstadt. 


Beitrag zur Beurteilung der El-Ter Tlbrlanen. Von Dr.Neufeld, 
Reg.-Rat iih Kaiserlichen Gesundheitsamt, und Stabsarzt Dr. Haendel, 
kommandiert zum Eaiserl. Gesundheitsamt. Arbeiten aus dem Kaiserlichen 
Gesiudheitsamte; 26. Band, 8. (Schluß-) Heft. Berlin 1907. Verlag von 
J. Springer. 

Die Frage, ob die im Jahre 1906 von Gotschlich beschriehenen, von 
ihm aus Leichen von Hekkapilgem, welche nicht unter Choleraerscheinungen 
gestorben waren, isolierten 6 sog. El-Tor-Stämme als echte Choleravibrionen 
anznsehen sind, hat bisher noch keine einheitliche Beantwortune erfahren. 
Gotschlich selbst hat seine Stämme auf Grund ihres morphologmchen, kiü- 
turellen und biologischen Verhaltens für echte Cholera erklärt, während 
Kraus u.a. sie wegen ihrer hämolysin- und tozinbildenden Eigenschaft von 
den echten Choleravibrionen abtrennen und ihnen eine besondere Stellnng geben. 
Die Entscheidung der Frage ist sowohl in wissenschaftlicher, als in prs^tischer 
Hinsicht von uroßer Bedeutung. Ist die Ansicht von Kraus, daß es sich nicht 
um echte Cholera handelt, richtig, dann muß auch dessen Schlußfolgerung zu- 
gestimmt werden, daß die biologischen Reaktionen allein nicht ausschlaggebend 
für die Feststellung von Cholera sein dürfen. Es wäre eine Aenderung und 
Ergänzung der jetzt für die Choleradiagnose gültigen Vorschriften erforderlich. 
Im anderen Falle, sind Cholera- und El-Torvibrionen identisch, so ist diese 
Tatsache ebenfalls von großem Interesse, weil dann auch bei der Cholera mit 
dem Umstand gerechnet werden muß, daß sich unter besonderen Verhältnissen 
die Erreger viel länger im menschlichen Darm halten kOnnen, als bisher all¬ 
gemein angenommen wurde. Diese Erkenntnis würde dann bei der Handhabung 
der Abwehrmaßregel gegen die Seuche nicht außer acht gelassen werden dürfen. 
N. and H. kommen auf Grund ihrer Untersuchungen zu dem Schlüsse, die El- 
Tor-Vibrionen als echte Choleravibrionen anznsehen; sie folgern aber auch 
aus ihren Beobachtungen, daß kein Anlaß vorläge, die bewährten Vorschriften 
über die bakteriologische Diagnose der Cholera abznändem oder zu ergänzen. 

Dr. Rost-Rudolstadt. 


ExperlnMBtelle Beiträge nur Kenntnis der Rekarrenssplroekäten 
ud Ihrer Immmnsern. Von Dr. Man teuf el, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter 
im K. G. A. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 26. Band, drittes 
(Schluß-) Heft. Berlin 1907. Verlag von J. Springer. 

Die neueren Untersuchungen haben ergeben, daß die in den verschiedenen 
Erdteilen zur Beobachtung gelangten Rekurrensspirocbäten nicht miteinander 
identisch sind, sondern verschiedene, biologisch gut differenzierte Varietäten 
darstellen, und daß bei der Verbreitung des afrikanischen RückfaÜfiebers eine 
Zecke (Omitbodorus) den Ueberträger abgibt. Eine sichere Erkennung und 
Trennung der drei bisher genauer bekannten Rekorrensformon nach klinischen 
Gesichtspunkten ist nach M. anscheinend nur schwer möglich. Ebenso wenig 
stellt die Agglomeration ein sehr frühes und auch kein sehr regelm^iges 
Smptom der Krankheit dar. Dagegen erkennt M. dem Schatzversuch mit 
ffilfe hochgradiger Sera als diagnostisches Hilfsmittel bei der Rekurrenslnfektlon 
einen größeren Wert zu, als der Agglomerationsprülung. Was die Phagozytose 



226 


Kleinere Mttteilnngen and Referate ans Zeitschriften. 


Kampfe gegen die Beknrrenslnfektion anlangt, so sehreibt Ihr M. nicht 
die wesentliche Bolle so, die Ihr die Metsehnlkoffsebe Schale einrlnmt. 
Er Tennatet yielmehr, daß die Chemotaze dnrch Stoffe der zerfallenden Spiro» 
ch&tenleiber hermgernfen wird. Die Beseitigung dieser zerfallenden Leiber 
and ihrer Gifte ist nach H. anscheinend die Aufgabe der Phagocytosei die 
demnach einen mehr sekundären Charakter trägt. Die Phagosytose ist als ein 
Symptom, aber nicht als die Ursache des Spirocbaetenschwundes und der 
Immunität anzusprechen. M. schließt aus seinen Versuchen, daß wir es bei 
dem Rekurrensimmunserum mit einem hauptsächlich parasitiziden Immunserum 
zu tun haben. Was die Dauer der Immunität betrifft, so fand M., daß der 
pusire Impfschutz im allgemeinen nicht länger als etwa eine Woche anhält, 
per Gedanke, das Bekurrensserum zu therapeutischen Zirecken zu benutzen, 
hat als erster Gabrischewsky in die Tat nmgesetzt; auch ans den 
Versuchen M. geht unzweideutig heryor, daß man mit Immunsemm gute Heil» 
erfolge erzielen kann, selbst wenn man es erst auf der Höhe der Infektion, 
wenn das Blut mit Parasiten tiberschwemmt ist, In Anwendung bringt. 

Dr. Bost »Rudolstadt. 


Morphologische Beltrige mr Kenntnis der enropllsehen. nmerlkani» 
sehen und afrikanischenBeknnrensspirochiten. Von Dr. phil. C. Schellack, 
wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im K. G. A. (Hierzu Tafel V). Arbeiten ans 
dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 27. Band, 2. Heft. Berlhs 1907. Verlag 
yon J. Springer. 

Die Untersuchungen geben eine Bestätigung der Verschiedenheit der 
drei Formen. Als einen leicht bemerkbaren Unterschied gab B. Koch die 

f rOßere Länge der afrikanischen Form an: Diese mißt im Durchschnitt 24 
ie beiden anderen Formen sind bedeutend kürzer, die europäische miSt etwa 
19—20 ;i, die amerikanische 17 bis höchstens 20 {i. Was die Dicke anlangt, 
so fand S. bei der afrikanischen Spirochäte 0,45 ft, bei der amerikanischen 0,81, 
bei der russischen 0,89 {x. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt in der 
Art der Bewegung der Spirochäten. Die amerikanische Spirochäte ist dnrch 
eine gewisse Starrheit der Form ausgezeichnet; die Intensität ihrer wellen¬ 
förmigen Bewegungen ist bedeutend geringer, während die afrikanische dnrch 
seitliche Verbiegungen charakterisiert ist. Die russische Spirochäte weist in 
ihren Bewegungen sowohl Merkmale der afrikanischen, als solche der ame» 
riAcanischen auf, sie erinnert dabei aber mehr an die letztere; die Biegsam¬ 
keit der Form sowohl, wie die Intensität der Bewegung ist geringer 
als bei der afrikanischen, größer als bei der amerikanisenen Form. Tm 
besonderen äußert sich dies darin, daß die Windungen schneller Ober den 
Körper dahinlaufen, als bei letzterer. Alle drei Arten yermehren sich durch 
({uerteilung. Ein weiteres Cbarakteristicum der Spirochäten und zwar aller 
drei Formen, sind die sogen. Polgeißeln oder Endfäden. An einem Ende befindet 
sich eine Endgeißel, während das andere Ende zwar auch fein ansgezogen, 
aber bedeutend kürzer and blaßer färbbar ist, als der übrige Körper. Ueber 
das Vorhandensein einer nndulierenden Membran wagt S. nicht sich mit yoUer 
Sicherheit zu entscheiden. Was sonst yon Strukturen im Inneren der Spiro¬ 
chäten beobachtet werden konnte, weicht nicht yon dem ab, was bisher s^on 
für andere Arten nachgewiesen wurde, und zeigt auch keinerlei Unterschiede 
zwischen den drei Formen. Dr.Bost-Rudolstadt 


Untersnehnngen Ober die Wirkung des Atoxyls auf die SpIrUlose 
der Hühner. Von Prof. Dr. Uhlenhuth, Geb. Reg.-Bat und Direktor, und 
Priyatdozent Dr. Gross, kommiss. Hilfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amt Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 27. Band, 2. Heft 
Berlin 1907. Verlag yon J. Springer. 

Die in Brasilien einheimische Krankheit stellt eine Septikämie dar, her- 
yorgerufen durch einen exquisiten Blutparasiten, die Spirochaeta gallinamm, 
als deren Ueberträger eine Zecke, Argas miniatus, festgestellt werden konnte. 
Die Spirillose beginnt mit einer Steigerung der Temperatur auf 42—43*, die 
mehrere Tage a^ält und erst kurz yor dem Tode unter die normale sinkt. 
Schon einen Tag nach der Infektion fallen die Tiere dnrch große Mattigkeit 
auf; sie bewegen sich nur selten oder schwerfällig. Die Kämme sii^ blaß 


Kleinere mtteanngen vnd Befemte «na Zeitechrlften. 


827 


fefirbt; es tritt bald Dnrehfall and in manchen FftUen dne atugesproehens 
lÄhmnng der Beine dn. Ist das Stadinm schwerer Somnolens erreicht, so tritt 
io der Begel die Krise ein, wdche toßerlidi daran erkennbar ist, daß der bis 
dahin ganz blasse Kamm dne dnnkelblanrote F&rbnng annimmt. Die Krise 
ffthrt entweder sni Heilnng oder snm Tode, der im Verlanf von wenigen 
Minuten immer unter heftigen Krämpfen erfolg Atozy), in Dosen von zirka 
0.02 g intramuskulär Terabfolgt, erwies sich sehr wirksam. Es^ hemmt dis 
Vermehrung der Parasiten, beschleunigt die Bildung Ton parasitizlden Schutt* 
stoffen, unterstützt durch Anregung der blntbereitenden Organe die Phago* 
sytose und befähigt die Makrophagen die geschwächten Parasiten zu yernichten. 
ln der Hauptsache kräftigt es aiso den Organismus im Kampfe gegen die 
Krankheit. ^ yerringert die Symptome und beschleunigt die Krise, so daß 
diese sdion zu einer Zeit eintritt, wo das Tier noch nicht geschwächt Ist. Dies 
gilt nicht nur für die Heil', sondern auch für die Schutzyersuche. Auch bei 
diesen wird die Infektion nicht absolut yerhindert, yielmehr machen die Hühner 
eine latente Erkrankung durch. Gerade hierdurch aber erwerben sie ^e 
ebenso hohe Immunität, wie die geheilten und die überhaupt nicht behandelten 
Hühner; außerdem sehen die Verfasser einen Hanptyorzng der Atoxylbehaad* 
lang darin, daß sie der Bildung der Immunität nicht im Wege steht. 

Dr. Bost' Budolstadt. 


Zur Aetlologle der Htthnerdlphtheile ud Geffflgelpoeken. Von 
Dr. Th. Carn wath (Belfast), früherem freiwiiligen Hilfsarbeiter im K. G. A. 
Arbeiten ans dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 27. Band, 2. Heft. Berlin 
1907. Verlag yon J. S p r i n g e r. 

Zweck der Arbeit ist, auf den Zusammenhang der Htthnerdiphtherie und 
Geflügelpocken hinznwdsen. Veranlaßt wurden die üntersuchnngen durch eins 
Seuche, welche im Winter 1906/07 unter den Hübnern der bakteriologischen Ab* 
teilnng des G. A. ansbrach und die als echte Hübnerdiphtherie gedeutet wurde. 
Ans den Versuchen yon C. ergab sich nun, daß die krankhaften Erscheinungen 
auf das Geflügelpockenvirns zurttckzuführen waren, welches a^io imstande Ist, 
ziemlich chronisch yerlaufenden, auf die Kopfscbleimhant beschränkten, 
entzündlich ezsudatiyen diphtherischen Prozeß ohne wesentliche Mitbeteilignng 
dw äußeren Haut heryorzumfen. Nach M. ist es überhaupt nicht bewiesen, 
ob es eine seuchenhafte primäre bakterielle Geflügeldiphtherie gibt und ob 
nicht etwa beide Krankheiten, Diphtherie und Pocken, identisch smen, wie dies 
s^w Klee u. a. angenommen haben. Dr. Bost«Budolstadt. 


Beitrilge nr Kenntnis der Tsetsefliege (Glosslne fnsea nnd Glosslne 
tnehlnoldes. Von Dr. Franz Stahlmann, Kaiserlichen Geh. Beg.-Bat nnd 
Direktor des biologischen Landwirtschaftlichen Instituts in Amani (Deutsch' 
Afrika). Mil 1 Tafel und 28 Tcztabbildnugen. Arbeiten aus dem Kaiserl. Ge* 
suttdheitsamte; 26. Bd., 3. (Schloß') Heft. Berlin 1907. Verlag yon J. Springer. 

Auf Anregung von B. Koch hat sich Verfasser mit der Anatomie der 
Tsetsefliege beschäftigt, aber nur die Organe studiert, welche für die Entwich' 
lang des Tsetsekrankheitsparasiten, des Trypanosoma, in Frage gekommen, d. h. 
der Verdanungskanale. Weiterhin yerfolgte St. bei seinen Stnd^ien den Zweck, 
sowohl die Lebensgeschichte des Trypanosoma in der Fücko zu untersuchen, als 
auch die Bedingungen festzustellen, unter denen die Tsetsefliege mit Trypanosomen 
inflsiert wird und unter denen sie diese Infektion auf die Warmblüter über' 
trägt. Bei den in der Natur frisch gefangenen Fliegen fand man bei 8 bis 
14*/e Tr^anosoma im Büssel nnd stets eine größere Aozabl im Darm. Dabei 
stellte sich heraus, daß die indifferenten Formen im ganzen Nahrungskanal bis 
in den Büssel hinein yorkommen, die langea Formen fast nur im Oesophagus, 
munchmal auch im Büssel nnd Vorderdarm, nnd die kleinen Formen nur im 
Oesophagus und BüsseL Selbst gezüchtete Fliegen mit Tropenformen künst* 
lieh zu infizieren, gelang nur sdiwierig. Glückte der Versuch, so war nach 
2—4 Tagen bei 80 bis 90**/o der Fliegen der Hinterdarm voll yon TrypanO' 
■omen, nnd zwar yon indifferenten Formen. Die weitere Infektion des Darms 
sehreitet wahrscheinlich yon hinten nach yorn fort Versuche, Wirbeltiere 
dareh Ig|ektionea einer Aufschwemmung yon den indifferenten Darm'TrypanO' 
somea in Kochsalzlösung oder Blntsemm zu infizieren, gelang nicht Beyor 



Kleinere JUtteilnngen und Befente ans Zeitaebxiften. 


aber dieae Lfteke niebt ansgefallt and so der Kreis geschlossen Ist, nnd beror 
nicht gepriift ist, welche Qlossinen, Tr^anosomen in sich mir Entwicklung 
bringen, Ist nach 8t. die Aetiologie der l^ypanosomiesis nicht gekl&rt. 

Dr. B 0 s t • Bndolstadt 


Atoxylrersaehe bei der PlroplasBiese der Hnnde. Von Dr. B. 0 o n d e r, 
wissenschaftlicher Hilbarbeiter im K. Q. A., s. Z. in Boyigno. Arbeiten ans 
dem Kaiserlichen Gesnndheitsamte; 27. Band, 2. Heft. Berlin 1907. Verlag 
Ton J. Springer. 

Die Piroplasmose der Hände, dorch einen den T^panosomen systematisch 
nicht allsn fern stehenden Blntflagellaten, Babesia eanis, berTorgernlen, ist eine 
für Hände sehr gefahrvolle Krankheit mit teils akntem, teils chronischem Verlanf. 
Am 4. oder 5. Tage nach der Infektion tritt plötzlich hohes Fieber auf, welches 
einige Tage anhält, um dann allmählich bis znr normalen Temperatur zn fallen. 
Während dos Höhepunktes der Krankheit fressen die Tiere nicht, liegen apathisch 
auf dem Boden, magern schnell ab. Charakteristisch ist das Auftreten der 
Hämoglobinurie. Die pathologischen Veränderungen bestehen in einer enormen 
Vergrößerung der lUlz, starker Entzündung der Nieren nnd sehr häufig in 
einer ikterisdien Färbung der meist vergrößerten Leber. Durch Ato^l wird 
der Ausbruch und der Verlauf der Krankheit in keiner Weise beeinflußt; ja es 
scheint, als ob Atozyl die Krankheit eher fördere. 

Dr. B OS t'Buddstadt. 


EzpertmenteUe Untersuchungen ttber Donrlne mit besonderer Be- 
rflcksiehtlgnng der Atoxylbehandlnng. Von Prof. Dr. Uhlenhnth, Geh. 
Beg.'Bat nnd Direktor im Kaiserlichen Gesundheitsamt, Dr. Hübner, Stabs- 
arzt im Garde-Füsilier-Begiment, kommandiert zum K. G. A. nnd Dr. Woithe, 
Oberarzt im Kgl. B. 5. Chev.*Begiment, kommandiert zum K. G. A. (Hierzu 
Tafel I—IV.) Arbeiten ans dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 27. Band, 
2. Heft. Mit 4Tafeln. Berlin 1907. Verlag von J. Springer. 

Die Dourino — Beschälseuche, Mal du coit — ist eine Krankheit der 
Pferde, welche sich hauptsächlich im nordwestlichen Afrika, vor allem in Algier, 
vorflndet nnd von hier auf Teile Spaniens übergreiit. 1894 fand der franzöai* 
sehe Militärarzt Bonget zu Constantine bei einem dourinokranken Hengste 
ein Trypanosoma, in dem er sofort den Erreger der Seuche vermutete und 
feststelite. Empfänglich für den Dourineerreger sind viele Tierarten; das Krank¬ 
heitsbild ist jedoch für jede Tierart charakteristisch nnd konstant. Neben der 
Mannigfaltigkeit der Erscheinungen erkennt man deutlich zwei Typen der In¬ 
fektion, den der chronischen Gewebs- bezw. Organerkrankung nnd den der 
Septikämie. Mit Atozyl kann man die experimentell erzeugte Donrlne im 
allgemeinen verhüten und heilen. Therapeutische Erfolge lassen sich aber nur 
erreichen, wenn die Behandlung frühzeitig einsetzt nnd die Dosen groß sind — 
bis 6,0 g per dosi in 8 proz. Lösung intravenös. Dr. Bost-Budolstadt. 


Ueber die praeventlve Wirkung des Atoxyls bei experimenteller 
Affen- nnd Kanlncbensyphilis. Von G. üblenhnth, £. Hoffmann nnd 
0. Weidanz. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 89. 

Das Atozyl, dessen präventive nnd kurative Wirkung auf Affensyphilis 
Uhlenhnth schon früher nachwies, zeigte auch an einer größeren Versuch^ 
reihe von Kaninchen Schntzwirkung gegen das luetische Virus. Während die 
unmittelbar nach der Impfung (in die vordere Kammer) fortgesetzt mit Atozyl 
behandelten Tiere, abgesehen von den ursprünglichen 8—14 Tage währenden 
Beizerscheinnngen, gesund blieben, trat bei den Kontrolltieren nadi verschieden 
langer Zeit (zwischen 20 nnd 44 Tagen) die typische Ceratitis auf. 

Dr. Liebetrau-Hsgen L W. 


Atozyl bei Syphilis und Fmmboesie. Von ProL Albert Meisser. 
Deutsche med. Wochenschr.; 1907, Nr. 88. 

Die Versuche an Affen haben einen starken Einfluß des Atoxyls (am 
besten in großen Einzeldosen) auf das im Tierkörper generalisierte Syphilis- 
Virus festgestellt. Meist Asien Impfungen mit Organteilen infizierter nnd 
mit Atozyl behandelter Tiere negativ aus. Die Wirkung des Mittels (jeden 



Kleinere lOttettnngeB nnd Referate ans Zeltsohifftea. 229 

sweitea Tag 0,1 10 Tage lang) auf Framltoesie konnte besondere eklatant an 
einem Orang-Ütaog mit sehr rdohliohen Emotionen beobachtet werden. ^ 

Dr. liiebetraii»Hagen L W. 


TJebor Hagelptgmeiitatlon bei seknndlrer STpbUls. Von Hans Voer« 
ner. Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 60. 

Verfasser hat bereits früher dsranf aufmerksam gemacht, daß es bei 
Oaychia luetica zu einer durch Impr&gniernng mit natürlichem Pigment her- 
Torgerufenen Dunkelnng bis Schw&rzung der Finger, ercntl. der Zehennigel 
kommen kann. Vor kurzem sah er einen fihnlichen Fall. Es handelte sick 
um einen 21jährigen Patienten, welcher ca. 4 Monate nach Infektion nM 
S^hilis an der Lannla der Fingernägel dunkle bis schwärzliche Stellen zeigte, 
die Ton Woche zu Woche peripherwärts an Qröfle Zunahmen. Die Verfärbung 
war nicht an allen Nägeln eine gleichmäßige. So war an der linken Hand 
allein der Nagel des 5. Fingers stuk rerfärbt und bis auf die äußere, etwas 
hellere Partie fast Tollständig dunkelschwarz. Am 8. und 4. Finger bemerkte 
man nur einige dünne Längsstreifen yon bräunlicher bis schwärzlicher Pigmea* 
tierung auf dem NageL Zeigeilngemagel war besonders'dunkel die äußere 
und innere Seite yerfärbt, während die Mitte nur einige ausgedehnte Längs¬ 
streifen auf wies. Am Daumennagel war besonders die Innenseite schwarz yer¬ 
färbt bis zur Mitte, während die Außenseite yon längsstreifiger Pigmentierung 
besetzt war. Die Nägel der anderen Hand waren fast symmetrisch befallen, ln 
allen Fälen war die Verfärbung nicht etwa bloß oberfiäcblicb, sondern soweU 
sie sich durch Abschreiben yerfolgen ließ, bis auf den Qmnd der Nagc^ubstanz 
reichend. Dr. Waibel-Kempten. 

Die Bekimpfuag der Geschlechtskrankheiten in Oesterreich besonders 
In CNillzlen. Von Dr. L. Sofer-Wien. Zeitschrift für B^ämpfung der 
Qeschlecbtskrankheiten; Bd. 6, 1907, Nr. 1907. 

Von den 214404 mit ansteckenden Geschlechtskrankheiten behafteten 
Personen, die in dem Zeitraum 1881—1890 in den Österreichischen Kranken¬ 
anstalten behandelt wurden, entfielen 28,8 **/o auf Galizien. Das Ministerium 
sah sich dieser Endemie gegenüber zu besonderen Maßnahmen yeranlaßt 

Da die gegen die Öffentliche Prostitution gerichteten Maßregeln keinen 
erheblichen Erfolg hatten, wurde das sogenannte Epiedemieyerfahren einge¬ 
leitet. Es wurden auf Staatskosten 9 Epidemieärzte angestellt, die in ihren 
Wohnungen für Syphilitische unentgeltlich Sprechstunden abhielten, die 
Prostituierten kontrollierten und aufklärend anf die Bevölkerung v^ken 
mußten. Die yerordneten Medikamente wurden auf Staatskosten geliefert. 
Später wurden auch zwei Spitäler für Geschlechtskranke eingerichtet. 

Der Erfolg dieses Systems war bezüglich der Bekämpfung der Syphylis 
gut. Die Kranken gewannen sehr bald Vertrauen zu den Aerzten und nahmen 
ihre Hilfe in Anspruch. Man« glaubt auch eine Abnahme der Primäraffekte 
beobachtet zu haben. Die Zahl der Tripperkranken blieb ebenso wie die der 
an weichem Schanker Leidenden unbeeinfloßt. Dr. Dohrn-Hannoyer. 

Ueber Ankyiostoma und andere Darmparasiten der Kamerunneger. 
Von Begierungsarzt Dr. Külz- Duaia. Archiy für Schiffs- nnd Tropenhygiene; 
1907, Bd. 11, Nr. 19. 

Im Gegensatz zu bisherigen Beobachtungen fand Külz eine ziemlich 
erhebliche Ausbreitung der Ankylostomiasis bei den Kamemnnegern. Anf- 
fallenderweise waren Kinder nnd Frauen besonders häufig und schwer befUlen. 
Bei den erwachsenen Negern standen Klagen über Herzklopfen im Vordem 
grund, während die Erscheinungen yon seiten des Verdannngsapparates gering 
waren. Eine merkwürdige Begleiterscheinung war das „Erdessen“. Ein an 
Ankylostomiasis leidender Mann brachte sich in das Krankenhaus eine kinds¬ 
kopfgroße Kugel Erde mit, yon der er ein Stück nach dem andern yerzehrte. 
Die Loft- und Bodenyerhältnisse sind in Kamerxm für das Fortkommen der 
Eier sehr günstig. Bei der großen Unsauberkeit der Neger und seiner Ab¬ 
neigung gfßea die Benutzung yon Abtritten ist für eine Verstreuung der Eier 
die beste Guegenheit gegeben. _ Dr. Dohrn-Hannoyer. 



280 


Klrtnere IDttoUnngen nnd Refermte «u ZdtiöhilfteB. 


üdWr 41« Erfolf« der Abtreikugekorea bet iBkjleiteiBlaeis. Von 
Dr. Dieminger, Kneppsehaftiarzt in tferkliede. Eiinischei Jahibneb; 
1907, Bd. 17, H. 8. 

D. berichtet über 1054 Fälle, die im Jahre 1904 wegen AnkylostomiasiB 
ln Behandlung genommen wurden. Die in Anstaltebehandlung aufgenommenen 
Kranken bekamen meist Extractum FUicis in Mengen bis zu 20 g auf 2 Tage 
Terteilt. Vielfach wurde auch Thymol oder yor der Einnahme des Extractom 
FiUds ein Abführmittel nach der Leichtensternscheu Methode gegeben. 

Nach Beendigung der Kur wurden die Entleerungen an drei Tagen auf 
Ankjlostomum - Eier untersncht. 97,16 */o der Behandelten wurde als geheilt, 
1,06 als ungeheilt entlassen. Die übrigen entzogen sich der Naehnnter- 
Buchnng. Die Kur selbst wurde folgendermaßen ausgeftthrt: Am 1. Tage, 
meist Vormittags 10 Uhr, Extractum Filieis 102,0 und nach 2 Stunden ein Ab* 
ftthnnittel, Calomel nnd Tubera Jaiepae ää 0,2. — Am 2. Tage Pause. Am 
8. Tage wie zu 1. Am 4—6. Tage Nachuntersuchung. 

Mit der Leiohtenaternschen Methode hat VerfüBser keine gute Er- 
lahrongen gemacht. _ Dr. D ohrn-Hannorer. 


Deainf ektion. 

Veranehe mtt Thoms y»Ptyopliagon<< nls Beitrag zur Spatimhygleiie. 
Ans der Heilstätte Hobterhansen. Von Dr. Artur Lisaaner. Deutsche med. 
Wochenschrift; 1907, Nr. 84 

Das Präparat (Kresol und Natronlauge) lOst zwar das Sputum gut auf 
und leistet so gewisse Dienst^ eine Abtötung der Tuberkelbazillen aber 
konnte L. selbst nach 8 mal 24 Stunden nicht konstatieren. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Ueber die Verwendung Ton Para-Lyaol) einem festen Kreaelaeifen- 
nrlpamt zu Dealnfektionszwecken* Von Oberarzt Dr. Nieter. Ans dem 
hygienischen Institut der üuiyersität Halle a. 8. Hygienische Bundschan; 
1907, Nr. 8. 

Das Paralyaol ist eine neuartige Verbindung Ton Kreaolen mit Alkali* 
metallen. Die reine Substanz ist nicht hygroskopisch und krystallisiert in 
weißen Nadeln. Das Präparat kommt in fester Tablettenform zu 1 g in Qlas- 
rührchen in den HandeL Es besitzt einen schwachen Phenolgeruch. Verwandt 
wird es zum Desinfizieren bei ansteckenden Krankheiten, zum Abwaschen ron 
Wunden etc. 

Durch zahlreiche Versuchsreihen stellte der Verfasser fest, daß '/*- and 
und */4 proz. Losungen in 8 Minuten eine AbtOtung ron Streptokokken, ^l^hna-, 
Diphtherie- nnd Choleraerreger herbeifOhren. Durch Iproz. Losungen werden 
Pyocyaneus in 2 Minuten und Staphylokokken zwischen 8 und 4 Minuten zur 
Vernichtung gebracht. Sporenhaltigem Material gegenüber ist Paralysol wenig 
wirksam. 

Für Meerschweinchen lag die tödliche'Dosis des Para-Lysols bei 0,4 
bezw. 0,6 pro Kilo Körpergewicht. 

Der Verfasser sieht in dem Paralysol eine brauchbare Bereicherung 
unseres Vorrats an Desinfektionsmitteln. Als festes Kresolseifenpräparat ist 
es leicht und genau dosierbar; es besitzt bei rerhältnismäßig recht guter Halt¬ 
barkeit in der Tablettenform und konstanter Zusammensetzung eine relativ 
nicht sehr erhebliche Giftigkeit nnd entfaltet eine gute Deeinfektionawirkung. 

_ Dr. Kurp juweit-Berlin. 

Etn UnlTersal-Dnmpfdeainfektlona-Appnrnt (System Bubner). Von 
Oberarzt Dr. Christian. Aus dem hygienisehen Institut der Unirersitit 
Berlin. Hygienische Rundschau; 1907, Nr. 14. 4 Abbildungen. 

Der Apparat ist von der Firma F. & M. Lautenschläger in Berlin 
konstruiert nnd soll dazu dienen, Desinfektionen mit allen bekannten Dampf¬ 
sorten nnd Dampfgemischen ansznftthren. Er besteht aus einem Dampfkessel 
und dem Desinfektionsraum. Die Füllung des Kessels kann durch ein Wasser- 
Btandrohr oder auf dem Pumpenwege durch eine Speiseleitung erfolgen. An 
dem Kessel befindet sich außerdem noch ein Thermometer und ein Metallrohr 
(Vakuumleitung), welches zu einer Luftpumpe führt. In den Desinfektionsraum 



Kleinere mtteUangen nnA Betemte «u Zelteehiiften. 


281 


kann TeraittelBt einer eigenartig konitrnierten Yorriehinng in bdiebigen 
Zeiten Teatmaterial herein- und dann wieder heranflgebracht werden. 

Die im Damplraom kondensierte Flüssigkeit fließt nach einem Kühlraom 
und von dort nach einem Beserroir. Ans dem Beserroir kann die Flüssigkeit 
wieder Termittels einer Handdmckpompe in die Speiseleitnng and den Dampf¬ 
kessel gedrückt werden. Von der Dampfleitung geht eine Abzweigung zu 
eiaem Ueinen Kessel. Dieser dient zur Aufnahme eines Desinfektionsmittels, 
durch welches reiner Wasserdampf durchgeblasen werden solL 

In dem Apparat kann zunächst eine gewöhnliche Dampfdesinfektion mit 
zirka lOOgrädigem gesättigtem Wasserdampf Torgenommen werden; ferner 
kaiin man durch hermetischen Abschluß des Dampfkessels und Desinfektioas- 
raums und Nachheizen gesättigte Dämpfe bis 185" anwendea. 

Mit HUfe der Luftpumpe ist es möglich eia Vakuum zu erzeugen and 
dann Dampfdesinfektionen yorzonehmen. 

Vor allem erlaubt die Einrichtung der Apparate nicht nur mit Wasser- 
dampL sondern auch mit allen anderen yergasbaren Desinfektionsmitteln, ine- 
besonaere mit Dämpfen ans wässerigen Lösungen oder Qemischen bezw. 
Emulsionen flüchtiger Chemikalien zu desinflzieren. Die Flüssigkeit wird dama 
an Stelle des reinen Wassers in den Dampfkessel gefüllt. Die nach dem 
üeberdestillieren kondensierten Flüssigkeitsmengen können, wie yorher erwähnt, 
in den Dampfkessd zurückgepumpt und wieder yerwendet werden. 

In besonderen Fällen kann man Wasserdampf durch ein Desinfektions¬ 
mittel bezw. eine Lösung derselben hindurchblasen. Hierfür dient die durdi 
den kleinen Kessel führende Leitung. Der reine Wasserdampf nimmt in dem 
Kessel die flüchtigen Teile der Flüssigkeit auf. Durch die eingefügten Druck- 
und Wärmewasser soll die Bedienung des Apparates so erleichtert sein, daß 
sie yon jedem in kurzer Zeit erlernt werden kann. 

_ Dr. Kurpjuweit-Berlin. 

Die blelegisehe Wirkung der Desinfektion dnreli yerrii^rte Wirkung 
gesättigter Wasserdämpfe und flflehtlger Desinfektionsmittel bei kflnstliek 
erniedrigtem Luftdruck. Von Oberarzt Dr. Christian. Aus dem hygieni¬ 
schen Institut der Uniyersität Berlin. Hygienische Bandschau; 1807, Heft 14, 
eine Abbildung. 

In Band 56 des Archiys für Hygiene hat Bubner die wissenschaftlichen 
Qrundlagen der in der Uebsrsehrift bezeichneten DMinfektion gegeben und 
damit der Desinfektionspraxis neue Wege gewiesen. Verfasser beschäftigte 
sich eingehend mit der biologischen Wirkung dieser Desinfektion; zu diesem 
Zwecke konstruierte er eine Vorrichtung, in der die Desinfektionen unter yer- 
mindestem Luftdruck yorgenommen werden konnten. Als Testobjekt Renten 
Sporen einer Bakterienart, die in der üblichen Weise an Seidenfäden ange¬ 
trocknet waren und eine bestimmte Besistenz gegenüber lOOgrädigem g^ 
sätUgtem Wasserdampf hatten. Den Versuchen wurde zunächst eine Tem¬ 
peratur yon 50" zugrunde gelegt, da dies ein Wärmegrad ist, der die Wucbs- 
formen der meisten Bakterien in der für die Desinfektion in Betracht kom¬ 
menden Zeit nicht abtötet, Sporen yoUkommen intakt läßt und die Qebrauchs- 
gegenstände nicht alteriert. 

Eine 8 proz. Formaldebydlösung tötete das Testmaterial in 10 Minuten 
ab. Karbolsäure, Wasserstoffsuperoxyd und mehrere Aldehyde erwiesen sich 
als weniger wirlmam, letztere als unwirksam. Thymol, dessen Krystalle bei 
za. 51 * schmelzen, war oberhalb dieser Temperatur sehr wirksam. Am stärksten 
ist die Wirkung bei Flüssigkeiten zwischen 2- und 5 proz. Thymolgehalt. Stärker 
und schwächer konzentrierte Lösungen sind weniger wirksam. Eine Erklärung 
für dieses auffallende Verhalten kann der Verfasser nicht geben. 

Toluol entfaltete eine zu geringe Desinfektionswirkung, das gleiche galt 
für KaryoD, welches im Kümmelöl enthalten ist und zu den Kampferarten ge¬ 
hört. Karyakrol dagegen, welches eine ähnliche chemische Konstitution wie 
Thymol und Karyon besitzt und mit dem Japankampfer yerwandt ist, ergab 
eine nicht unerhebliche Desinfektionswirkung, die der der Karbolsäure gleich¬ 
kommt. Aehnlich wie Karbolsäure yerhielten sich die Kresole. Sötmpfer und 
Naphtalin gaben keine brauchbaren Besultate. Benzoösäure ließ si<^ nicht 
yerdampfen und war da|ier unbrauchbar. Jodoform erwies sidi als ungeeignet 



282 Kleinere Mlttettongen und Referate ans Zeltsohrfften. 

fOr die Yeraiclitiuig tod Sporen. Akrolein leigte dnen gewissen Binfliiß auf 
die Sporen. 

Die Vorteile des Bahn er sehen Verfahrens bestehen in einer Steige- 
mng der Tiefenwirknng bei porOsen Objekten. Ferner wird die Wasserdampf- 
temperatnr herabgesetzt und die Herabsetzong dnreh Beimengung biologisch 
detirer Substanzen ausgeglichen. Die Leistungsfähigkeit einiger Desinflzientien 
wird durch das neue Verfahren gesteigert. Die Versuche ergaben eine nach 
der bakteriziden Wirkung aufzusteilende Rangordnung der Desinfisientien, die 
Ton der bisherigen abweiebt. An erster Steile steht Formaldebyd, das bei 50” 
annähernd dieselbe Tötungskraft fUr Sporen wie lOOgrädiger gesättigter 
Wasserdampf besitzt. Dann kommt Tbymol, die Tötungszeit (20 Min.) ist hier 
etwa doppelt so lang wie fdr Formald^yd (10 Min.^ Zum Schluß folgen die 
ftbrigoi Torher erwiUinten Mittet _ Dr.Kurpjuweit*Berlin. 

Ueber die Leistnngsflhfgkeit einiger neuieltUeher Desinfektlona- 
arten. Ans dem hygienischen Institut zu Berlin. Von Oberarzt Dr. Christian. 
Vierteljahrsschrift fttr gerichtliche Medizin und öffentliches Medizinalwesen; 
Ja^gang 1908, 1. Heft. 

Die Arbeit bespricht kritisch die inneren Vorgänge bei den verschiedenen 
Desinfektionsarten und ferner die biologische Wirkung, d. h. die Tötung der 
Bakterien und die physikalischen Vorgänge, d. h. das Verhalten des desin¬ 
fizierenden Agens zu den zu desinfizierenden Objekten. 

Eingehend werden die Methoden der Desinfektion mit feuchter, heißer 
Luft und die verschiedenen Arten der Formaldehyddesinfektion auseinander- 
gesetzt. 

Am Schluß der Arbeit werden die modernsten Methoden angeführt, das 
.Autan‘verfahren, das vorläufig den älteren Methoden nicht gewachsen sei, 
das umständliche und unsichere Verfahren nach Huber und Bickel (Formal- 
dehyd-Kalk) und das nicht ungefährliche Verfahren, da Mischung leicht ex- 
idosibel und brennbar, nach Evans und Schneider (Ealimnfermanganat- 
Formalin). Dr. Eraemer-Worbis. 


Verwendung alter Aetzkalkpriparate zu Deslnfektionszweeken. Von 

Prof. E. von Esmarch-Göttiogen. Hygienische Rundschau; 1907. Fest¬ 
nummer zu Ehren des XIV. Internat Kongresses fttr Hygiene u. Demographie. 

Der Verfasser hat gelöschten Kalk, der 4 Jahre in einer Erdgrube auf- 
bewabrt war, nach Ablaiu verschiedener Zeiträume einer Prttfung bezfiglich 
seiner desinfizierenden Wirkung unterzogen Er stellte aus Proben, die ächt 
unter der Oberfläche und ans der Tiefe entnommen waren, eine Iproz. Lösung 
her, welche einer verdünnten frischen Typhnsbonillonkultur im Verhältnis von 
2:10 zugesetzt wurde, so daß 2”/oo Kalk auf die Bakterien einwirken konnte. 
Wie ans einer Tabelle, die die Versuche nach verschiedenen Zeiträumen zu¬ 
sammenfaßt, bervorgeht, hatte der Grnbenkalk auch nach 4 Jahren noch nichts 
von seiner Desinfektionskraft eingebttßt. Kalkpulver scheint sich zu zersetzen, 
besonders wenn die Kohlensäure der Luft hinzukam; braudibar bleibt er nur, 
wenn er in gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt wird. 

Kalkmilch bleibt in einer offenen Schale noch gebrauchsfähig, wenn sie 
auch, wie schon Mosebach erwiesen hat, an Desinfektionskraft dauernd ein- 
bttßt; Diphtherie und Typhusbazillen bleiben in Otägiser Kalkmilch doppelt 
so lange, in 13 tägiger Uber viermal so lange als in frism bereiteter (hier nach 
5—10 Minuten kein Wachstum) Kalkmilch am Leben. Feste FäkalknoUen 
lassen sich nach Kayser nicht genügend mit Kalk desinfizieren. Dazu ist 
eine mechanische ZerUeinernng der Fäkalien erforderlich. Pfuhl konnte in 
Abortgrnben eine gleichmäßige Vermengung des Kalkes und der Fäkalien durch 
mechanisches Umrtthren erreichen. Dem Verfasser erscheint es aber zweifel¬ 
haft, ob dadurch eine ausgiebige Desinfektion bewirkt wird. 

Dann folgt eine genaue Beschreibung der Desinfektionsurnben für die 
Absonderungsbaracken und das pathologische Institot der klinischen An¬ 
stalten zu Göttingen. In der Grube wurde mit einem Ruhrwerk der vorher 
mit Wasser angertthrte Kalk verteilt und die festen Fäkalknollen zer¬ 
kleinert Das Abwasser blieb 24 Stunden in der Grube. Auf Grund seiner 
Versuche glaubt der Verfasser, daß der Zusatz von etwa i/i”/, Kalk bei 



Klaioere Mitteilanfen itnd Referate aas Zeitsehrlfteo. 


288 


848tttndiger Einwirkaag sa einer Desinfektion im Torliegenden Falle genügte. 
Er mochte diese Zahl nicht als eine allgemein gültige betrachten, sondern 
empfiehlt bei Einrichtung ähnlicher Desinfektionsgmben einige leicht anin- 
steUende Versnche in jedem Falle. 

Weitere OesinfektionsTersnche befassen sich mit künstlich infisiertem 
Badewasser, and swar kamen auf 200 Liter Badewasser ein Eßlöffel gelöste 
Schmierseife, eine Kolibonillonkaltar, sowie ein Teelöffel von Fäces. Der Ver¬ 
fasser stellte dabei fest, daß ein Zasatz von 2 g Sublimat oder von */4 Liter 
gewöhnlichem Grabenkalk oder endlich 10 g s= 1 gehäuften Eßlöffel frischen 
Chlorkalk, immer ein gründliches Einrühren der Mittel and ein mindestens ein- 
stündiges Stehenlassen des Badewassers in der Wanne nach Einbringen der¬ 
selben voraasgesetzt, als in der Regel genügend zur Desinfektion einer m- 
wOhnliohen Wannenfüllang von 200 Liter Badewasser za erachten and, woM 
man natürlich ohne große Kosten die Mengen der Mittel noch etwas erhöhen 
kann, wenn man eine noch größere Sicherheit der Wirkang erzielen wilL 

Dr. Karpjaweit-Berlin. 


Die festen Polvmeren des Formaldebyds. Studien über Formal- 
debyd. IL Mitteilang. Von Dr. Fr. Auerbach, ständ. Mitarbeiter, and 
Dr. H. Bar sch all, Hilfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheitsamt. Arbeiten 
ans dem Kaiserlichen Gesandheitsamt; 20. Bd., 8. (Schiaß-) Heft. Berlin 1907, 
Verlag von J. Springer. 

Darch die Untersachnngen ist die Existenz von sechs verschiedenen 
festen Polymeren des F. sichergestellt: 

1. Paraformaldebyd; 2. a., 8. ß*, 4. y-, 6. 9-Polyozymethylen and 
6. a-Triozymethylen-Paraformaldehyd and a-Polyozymethylen unterscheiden 
sich haaptsächlich durch die amorphe Beschaffenheit der erstereo, seinen Ge¬ 
halt an Absorptionswasser und die damit zasammenhängenden Eigenschaften. 
ß-Polyoxymeth}len wandelt sich leicht in y-, dieses in Ö-Polyoxymetbylen um. 
Paraformaldebyd and die vier Polyoxymethylene haben eine Tendenz, Formal¬ 
dehyd als Gas oder in wässeriger Lösang abzaspalten. Beim d-Polyoxymetbylen 
ist sie am kleinsten, aber darch den Geruch eben noch wahrnehmbar. Die 
wässerigen Losungen von Paraformaldebyd und der Polyoxymethylene onter- 
scheiden sich nicht von FormaldehydlOsang. Der a-Trioxymethylen ist sowohl 
als Chm, als in wässeriger LOsang von Formaldebyd gänzlich verschieden. 

Dr. Bost-Badolstadt. 


Sehraakdeslnfektloaeii mit Formaldehyd. Von Kreisarzt Dr. Hilger¬ 
mann und Kreisarzt Dr. Kirchgässer (Coblenz). Klinisdies Jahrbach; 
1907, Bd. 18, H. 1. 

Bericht über 27 Versuche an abgedichteten Holzschränken, in denen 
Kleidungsstücke lose aufgehän^ waren. Bei Verwendang relativ großer Aatan- 
mengen wurden günstige Erfolgo erzielt. Dr. Dohrn-Hanaover. 


Einige Desinfektionsversacbe mit Autan. Von Dr. Ingelfinger, 
Assistenten an dem Hygienischen Institut in GOttingen. Klinisches Jahrbuch; 
1907, Bd. 18. H. 1. 

Die Versuche des Verfassers mit Autan lieferten kein befriedigendes 
Resultat. Bei der Desbfektiou eines Versuchszimmers mit der vorgescbriebenen 
Menge Autan fand nur in den oberen Partien des Baumes eine genügende 
DesinfektionsstOrung statt. Am Fußboden und an geschützten Stellen war die 
Wirkang sehr mangelhaft. Die relativ besten Besiutate wurden bei sorgfältig 
abgedichtetem Zimmer erreicht. 

Die Desinfekiionswirkung in einem schlecht abgedichteten Wagenabteil 
dritter Klasse war gleich Null. In einem Abteil zweiter EJasse war sie in den 
oberen Partien gut, in den unteren und an den geschützten Stellen schlecht. 

Bei der Desinfektion eines Kleiderschrankes war das Resultat an der 
Oberfläche der Objekte gut. _ Dr. Dohrn-Hannover. 


Prüfung des Desinfektiensmittels Von Prof. Dr. G. Frank. 

Aua der bakteriologischen Untersuchungsstelle der KOnigl. Regierung zu Wies¬ 
baden. Klinisches Jahrbuch; 1907, Bd. 18, H. 1. 



234 


Kleinere Mitteilungen und Referate aua Zeitschriften. 


F. kommt auf Qrand seiner Untersuchungen su dem Resultat, dafi das 
Autan jedem anderen Verfahren mit Formalindämpfen gleichwertig ist. Das 
AutanTerfahren ist aber eiafacher, schneller ausführbar und ohne geschultes 
Personal anzuwenden. Der hohe Preis steht einer weitgehenden Verwendung 
noch entgegen. 

Die in dem Spttlraum der ünteisuchungsstelle ausgefflhiten Desinfektions- 
Tersuche hatten folgendes Resultat: 

1. Die Dipbtheriebazilien werden mit Leichtigkeit, auch in ziemlich 
dichten Objekten (Wolläppchen) yernichtct. 

2. Die Typhnsbazillen werden in solchen Fällen, in denen sie an der 
Oberfläche haften und in denen die mit Typhusbazillen verunreinigten Objekte 
den Formaldebyddämpfen gut angängig sind, vollständig vernichtet. 

8. Die Staphylokokken verhalten sich im großen ganzen gleich den 
Typhusbasillen, jedoch sind sie widerstandsfähiger. 

4. Die MUzbrandsporen werden auch unter den günstigsten Bedbgungen 
nicht mit Sicherheit vollständig vernichtet. 

6. Die mittels des Autanverfuhrens entwickelten Formaldebyddlmpfe 
wirken am energischsten auf solche Keime, die an der Oberfläche haften; in 
porOse Objekte drmgen sie nicht gnt ein, und die in diesen haftenden Infektions* 
erreger werden nicht mit Sicherheit vernichtet. Dr. Dohrn'Hannover. 


Einige Deslnfektionsversnehe mit Autan. Von Geh. Reg.-Rat Professor 
Dr. Proskaner und Dr. phil. Hans Schneider. Aus dem Institut für In¬ 
fektionskrankheiten in Berlin. Klinisches Jahrbuch; 1907, Bd. 18, H. 1. 

Zwei der in einem möblierten Versuchszimmer ausgefübrten Versuche 
erstreckten sich auf eine Einwirkungsdauer von 4 Stunden, einer auf 7 Stunden. 
Als Testobjekte wurden benutzt: Staphylokokken an Seidenfäden, desgleichen 
auf Baumwolläppchen und frischer Eiter (Stapbylococcns dtreus). Das Zimmer 
wurde vorher abgedichtet. 

Bei dstündiger Einwirkung waren 83,8**/o, bei 7 stttndiger Einwirkung 
waren 86°/o der Testobjekte abgetötet. 

Die Verfasser kommen zu dem Schluß, daß die Desinfektionswirkung 
des Autans kaum hinter derjenigen anderer Formaldebydverfahren zurttckbleibt. 

Die Verwendung geschulten Personals, vorherige Abdichtung und Heizung 
ist allerdings nicht zu entbehren. Dr. Dohrn*Hannover. 


Fonnaldehyddeslnfektion mit Autan. Von Kreisarzt Dr. Kirchgässer 
imd Kreisarzt Dr. Hilg ermann‘Koblenz. ELÜnisches Jahrbuch; Band 18, 
1907, Heft 1. 

Die Versuche wurden in verschiedenartigen Räumen vor genommen (Kran¬ 
kenzimmer, Wohnzimmer, Hafzelle). In zwei Fällen wurden Parallelversnche mit 
dem Flüggesehen bezw. Czaplewskischen Formaldehydapparat gemacht. 
Die Autanzimmer wurden nicht abgedichtet. Als Testobjekte wurden Typhus, 
Paratyphns, Dysenterie, Staphylokokken, Diphtherie und Milzbrand verwandt. 

Die Versuche ergaben, daß das Antanverfahren fast ebenso gute Erfolge 
hatte wie das Flüggesche oder Cza plewsk ischo. Von 149 Testobjekten 
wuchsen 20 = 13,4 *7o Die geringste Wirksamkeit des Autans fand in 

der Nähe des Faßbodens statt Erwähnenswert ist, daß Wanzen und eine 
Stechmücke beim Antanverfahren nicht getötet wurden. 

Ungeschnltes Personal ist zur Ausführung der Autandesinfektion nur 
ausnahmsweise znzulassen. Dr. D o h r n - Hannover. 


Untersuchungen Uber die Desinfektionswirknng des Autans. Von 
Stabsarzt Dr. F. Bock. Aus dem hygienischen Institut der Universität Breslau. 
Klinisches Jahrbuch; 1907, Bd. 18, H. 1. 

Die Untersuchungen wurden meist in einem einfenstrigen Parterrezimmer 
ausgeführt Als Testobjekte dienten Typhus, Koli, Stapbylococcns pyogenes 
und Milzbrandsporen. Die Erfolge des Autans blieben hinter denen des Flügge- 
sehen Verfahrens zurück. Insbesondere war die Wirkung am Fußboden, wo 
sich das Autan ungenügend ansbreitet, mangelhaft. Eine Abdichtu^ und Aus¬ 
führung durch geschultes Personal ist notwendig. Dr. Dohrn-Iuumover. 



Kleinere Hitteilnngen und Beferate ans Zeitechriftea 


285 


Wolmaagshygiene, Beseitigng der Abfalletoffe, Strafien* 
hygiene, WaeeerTeraorgnng. 

Beitrag rar byglenlschen Untersnetaung der JapanlMhen Hanswaiid. 
Von C. Tokote. Mippaa-Eiaeigakkwei'Zasshi; Bd. 111, Heft 2 —8. 

Der Verfasser hat hygienische üotersachangen über die Wände der 
japanischen Wohnhänser aasgefhhrt and äußert sich darüber folgendermaßen: 
1. Die zuletzt hergesteliten erzeugen ebenso wie die alten Wände, wenn auch 
nur in geringer Menge, Kohlensäure, welche man als eine Vernnreinigongn- 
nrsache der Zimmerlnft ansehen kann. 2. Die feuchte Wand entwickelt bei 
wärmerer Lufttemperatur mehr Kohlensäure als die trockene. 8. Die wenig 
feuchte Wand entwickelt mehr Kohlensäure, als die sehr feuchte; wenn die 
Wand durch Regenwasser wenig befeuchtet wird oder nach ihrer Benetzung 
wieder znm trockenen Zostand^e übergebt, erzeugt sie mehr Kohlensäure. 
4. Die Eohlensänremenge, welche aus der inneren Wand in das Zimmer kommt, 
ist Ton der Beschaffenheit des an der Wandoberfläche angestrichenen Materials 
abhängig. Bei der Sand > Wand scheint die Kohlensäure mehr herauszukommen, 
als bei rog. Kiotsu* und ShikkuLWänden (Mtfrtelwände). Wenn die Winde 
alt geworden sind, Terschwindet dieser Unterschied allmählig. 

Prof. Dr. Oshida-Tokio z. Z. Berlin. 


Kanal iaattea In der Stadt Tokio* Eine solche ist Ton einem Komitee 
geplant worden. Die Stadt soll in drei Hauptbezirke geteilt werden. Von 
dem ersten ans, dem hoher gelegnen Stadtteile, sollen die Abfallstoffe in das 
Meer geleitet werden, im zweiten und dritten Bezirke sollen biologische Beini* 
gung und Einleitung in die Flüsse staufinden. Andere Methoden, als wie Be¬ 
rieselung usw. können hier nicht angewandt werden. Die Kosten dieser Kana- 
lisationsanlage betragen ungefähr 64 Millionen Mark. 

Prof. Dr. Oshida-ToUo z. Z. Berlin. 


Zur Frage der SehlammTerzehrnng ln der Faulkammer. Von Privat¬ 
dozent Dr. W. Favre-Charkow. Qesundheits-Ing.; 1907, Nr. 50. 

Unter günstigen Bedingungen der Temperatur, der Konstruktion und des 
Wasserwechsels kOnnnen energische Aufzehrungsprozesse vor sich gehen. Die 
Versuche zeigen auch, was für Stoffe nach Möglichkeit, und zwar schon vor 
dem Eindringen in die Faulkammer, abgesondert werden müßten, damit sie 
nicht als hindernder, weit die vorhandenen Kräfte übersteigender, Ballast sich 
geltend machen kOnnen. Dazu gehören vor allem die fetthalUgun Substanzen. 
Die Technik hat längst ihr Augenmerk darauf gerichtet und sehr wirksame 
Abwasserfettfänge konstruiert, wie z. B. den Dresdner oder den Cremer sehen 
Apparat; derartige Vorrichtungen sind durchaus zweckmäßig und praktisch, 
nicht nur allein wegen der Fettverwertnng, als vielmehr wegen der durch sie 
bewirkten Arbeitserleichterung für die Kläranlagen. Da stagnierendes Wasser 
den Zersetzungsprozeß erheblich verzögert, wird man einen allzu langsamen 
Flüssigkeitswechsel vermeiden; ferner wird man in der Faulkammer tote 
Winkel zu umgehen haben. Im fließenden Leitungswasser ist die Zersetzung 
ebenfalls gering. In jedem Falle ist die Faulkammer ^ höchst schätzbares 
Glied im biologischen Beinigungssystem, das in seiner Bolle weder überschätzt, 
noch zu niedrig bewertet werden darf. Dr. Wolf-Marburg. 


Verwertug und Beseitigung des Klirsehlamms ans Belnlgnngsan- 
lagen stidtiseher Abwisser. Zentralblatt für Stadt- und Landgemeinden; 
Jahrg. I, Nr. 5—6. 

1. Die Scblammrückstände aller bekannten Beinignngsmethoden sind 
niemals so wertvoll, um etwa derjenigen Boinignngsart den Vorzug zn geben, 
bei der die grüßte Scblammenge gewonnen wird. Es gilt dies vorlänflg anch 
für die Fälle, in denen mit einer Verwertung des Schlammes durch Fettge- 
wianung oder durch Vergasung gerechnet wird. 

2. Die Entschlammung der Abwässer ist, um die Erzeugung unnötig 
großer Schlammengen zn vermeiden, nur soweit zu treiben, als es die Be¬ 
schaffenheit der Vorflut oder die auf die Entschlammung folgende Beinigungs- 
art bedinraa. 

8. Das BieeelveifalireB ist hinsiohtlioh der Schlammverwertung und B^ 



S88 


Kleinere Kitteilangen und Referate aus Zdtsohriften. 


eeitigoBg allen anderen Rebignngsmethoden überlegen. Dan MaB der Ent* 
schlammong richtet eich bei der Bieeelong nach der Wasaermenge, die pro 
Hektar nnterznbringen lat, je kleiner dieae iat, nm ao geringer darf die 
Entachlammang aein. 

4. Die einfachste und mit geringster Bel&atignng nerbandene Methode der 
Schlammbeaeitignng iat die Unterbringong des dOnnflüssigen Schlammes auf 
genügend großen Ländereien. Der Schlammberieaeinog sollte daher mehr 
als es bisher geschehen ist, der Yoran|; gegeben werden und zwar anch dann, 
wenn das Schlammwasser durch maschinelle Anlagen nach entfernt gelegenen 
Ländereien befördert werden muß. 

6. Die Ansammlung des Schlammes in der Umgebung der Kläranlage ist, 
sofern diese in der Nähe der Stadt liegt, zu vermeiden, da Belästigung durch 
Qerucb, durch massenhafte Ansammlung von Fliegen und anderen Insekten 
und durch die spätere Abfuhr nicht zu vermeiden sind. Auch wird der Wert 
des Schlammes durch die hohen Unkosten der Abfuhr auf ein MlBimnm redu¬ 
ziert, wenn nicht ganz aufgehoben. 

6. Die Verwertung und Beseitigung des Schlammes ist von so großer 
Bedeutung, daß eine Kläranlage nicht eher zur Ausführung kommen sollte, bis 
nicht alle, die spätere Behandlung des Schlammes betreffenden Fragen end¬ 
gültig und unter Vermeidung der bekannten Uebelstände im Prinzip ent¬ 
schieden sind. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Ueber die Einleitung von Abwässern In ßffentllohe Gewässer tu 
Württemberg* Von Oberverwaltnngsgerichtsrat Dr. Haller. Städte-Ztg.; 
Jahrg. V, Nr. 4. 

Aus den Ausführungen ist zu entnehmen, daß wir der Einleitung schäd¬ 
licher Abwässer durchaus nicht schutzlos preisgegeben sind, daß vielmehr 
die bestehende Gesetzgebung bei geeigneter Handhabung ausreichenden Schutz 
gewähren kann. Allerdings ist es nicht ratsam, die Hände in den Schoß zu 
legen und ruhig Zusehen zu dürfen. Wenn auch die Behörden ihr möglichstes 
tun, so können sie doch nicht alles tun. Sache der Beteiligten iat es, beim Her¬ 
antreten eines Einleitungsbegebrens durch geeignetes Auftreten vor den Be¬ 
hörden solche Vorschriften dnrchzusetzen, die ihren Vorteilen entsprechen, nm 
durch unablässige Aufmerksamkeit ein zeitiges Einschreiten der Behörden 
gegen Mißstände zu ermöglichen. _ Dr. Wolf-Marburg. 

Belnlgnng und Beseitigung städttseher und gewerblieher Abwässer. 
Von Direktor A. Beleb. Verlag von Dr. M. Jaenecke-Hannover. 

Der vorliegende Leitfaden enthält nicht nur die verschiedenen Methoden 
der Abwässerreinigung, sondern bringt anch eine Beschreibung der verschiedenen 
Arten von Abwässern und des Verfahrens zur Entnahme und Untersuchung 
von Abwasserproben. Dafür wird er für jeden, der sich auf diesem Gebiete 
orientieren will, sehr willkommen sein, zumal der Stoff in znsammengefaßter 
Form behandelt ist. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Die Verwendung von Stelnkoblenteer zur Herstellung staubfreier 
Strassen. Von Oberingenieur Franz Schäfer-Dessau. Tecbn. Qemeindebl.; 
1907, Nr. lö. 

Auf einer Studienreise konnte sich Verfasser davon überzeugen, daß man 
in England bereits in ausgedehntem Maße und mit gutem Erfolge Landstraßen 
geteert hat, um die starke Stanbbelästignng zu vermeiden. Im wesentlichen 
werden 2 Verfahren verwendet: Teerung der Straßenoberfläche und Teerung 
des Straßenbanmaterials selbst. Bei richtiger Methode sind die Anlagekosten 
nur ungefähr um die Hälfte teuerer als bei gewöhnlichen .Makadam"-Straßen, 
während an Beinignngs- und Unterhaltungskosten eine Ersparnis eintritt. 
ScL wünscht anch für Deutschland Verbreitung des Teernngs-Verfahrens. 

Dr. Liebetran-Hagen L W. 


Ueber Torfltplssoirs. Von Stabsarzt Dr. Peters in Magdeburg 
Hygienische Bnndseban| 1907, Nr. 20. 

Bei den Oelpissoirs (Sdüeferplatten z. B. mit Saprolanstricb) wird das 
Haftenbleiben und die Zersetzung des Urins verhindert. Es werden aber durch 



Kleinere Mitteilungen nnd Beferate ans Zeitsohrlften. 


287 


den darftberfliefienden TJrin hftnflg Telle des anfgestrichenett Oels mitgefflhrt, 
ferner wird eine absolut sichere AbtOtung von Kiankheitserregem im Urin 
nicht erreicht 

Neuerdings werden yon der chemischen Fabrik Louis Schwarz & Co., 
A.*G. in Hemelingen bei Bremen für Pissoiranlagen nTorfit‘‘platten nnd „Toi fit«“ 
extrakt hergestelit Die Piatton sind porOs, haben das Aussehen roten Sand* 
Steins nnd einen ausgesprochenen (phenolähnlichen) Torfitgemch. Die chemische 
Zusanunensetzung des Torflts ist nicht bekannt gegeben. Im Gebrauch 
werden die Piatten wiederholt mit dem obigen Extr^t bestrichen. 

An Testobjekten wurden Typhus*Coli*Milzbrandbazillen etc. durch 
Torfttextrakt in mehreren Minuten abgetötet. Goß man in feinem Strahl eine 
Bakterienanfschwemmung gegen die frisch gestrichenen Torfiiplatten, so wurde 
mitunter eine Beeinträchtigung des Wachstums auf den untergestellten Agar* 
Platten erzielt Jedoch waren die Besultate durchaus schwankend, ln den 
Poren der frisch gestrichenen Platten wurden Typhus* und Cuiikeime fast 
regelmäßig in V«—*/* Minute abgetOtet War die Platte aber an einzelnen 
Stellen durch einen Wasserstrahl ausgewaschen, so trat keine absolut sichere 
Sterilität ein. 

Bei wiederholtem Anstrich dürfte sich die Desinfektionskraft der Platten 
selbst erhöhen nnd der Zersetzung von etwa haftenblcibendem Drin in denk¬ 
barster Weise yorgebengt sein, der dann aber um so glatter abfließende Urin 
dürfte aber wegen der Kürze an Zeit nicht desinfiziert werden. 

Wenn auch die Torfitpissoirs im Vergleich mit den Schieferplatten* 
ölpissoirs mehrfache Vorteile bieten, so durften doch zweifellos, nach Ansicht 
des Verfassers, mit allen denjenigen Bestrebungen, die auf andere Welse 
(z. B. durch schnelle unterirdische Entfernung usw.) die Abwässer unschädlich 
zu machen suchen, bessere Besultate erzielt werden. 

_ Dr. Kurpjuweit'Berlin. 


Geben die Ventilatoren mit Brauseyorrlehtang eine merkbare Ter- 
anrelnlgnng der Luft mit Wasserbakterienl Ist also die Tentilations- 
methode erlaubt oder zu widerraten t Von Dr. Uebelmessserin Stuttgart 
Hygien. Bundschau; 1907, Nr. 12. 

Auf Grund seiner Versuche kommt der Verfasser zu dem Schluß, daß 
die Möglichkeit einer merkbaren Verunreinigung der Luft mit Wasserkeimen 
durch Ventilatoren mit Brausevorrichtung vorliegt. Im allgomeinen ist gegen 
diese Art der Ventilation nach Meinung des Verfassers, kein Einspruch zu er¬ 
beben, jedoch muß dabei der Keimgehalt und die Art der in dem zum 
betrieb verwendeten Wasser enthaltenen Keime berücksichtigt werden. 

_ Dr. Kurpjnweit-Berlin. 

Der Ttinksprlagbrunnen. Betrachtungen über eine neue Art der 
Trinkwasserversorgung an Schulen. Von Stadtschnlarzt Dr. Steinhaus- 
Dortmund. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege; 1907 Nr. 18. 

Verfasser berichtet über einen „Trinkspringbrnnnen“ für Schulen, der 
sdt dem Herbst 1906 in Dortmunder Schulen im Gebrauch ist. Derselbe be¬ 
steht ans einem kreisrunden Becken (aus Beton, Manerwerk mit eiserner Schale 
oder Gußeisen) von etwa 1 m im Dnrehmesser, aus dessen oberem Bande ans 
8 Düsen Trinkstrahlen aufspringen bis zu einer Höhe yon etwa 10 cm, so 
daß das trinkende Kind mit geöffnetem Munde den freien Strahl auffängt, ohne 
— nach Aussage des Verfertigers des Brunnens — die Ausflaßöffnung mit dem 
Hunde zu berühren und dadurch die Möglichkeit zur Uebertragnng ansteckenden 
Krankheiten zu geben. Die Berührnng der Düse mit dem Munde ist leider 
bisher aber den Kindern doch noch nicht ganz unmöglich gemacht, so daß in 
dieser Beziehung noch nach einer besonderen Vorrichtung gesucht wird. 
Dessen ungeachtet bietet der Brunnen soviele Vorteile, daß er an sämtlichen 
Schulen Dortmunds anfgestellt worden soll. Ein Brunnen, für dessen Be* 
schaffnngskoston in Beton 280 Mark, in emailliertem Gnßeisen 160 Mark in 
Anschlag gebracht sind, würde für 500—600 Kindor genügen. Die Firma 
IbOpländerWw. in Dortmund erteilt Auskunft und stellt Kostenanschläge auf. 

Der Beschreibung von Steinhaus sind einige illustrierte Abbildungen 
beigöfügt. Die neue Einrichtung verdient Beachtung und Nachahmung. 

Dr. Solbrig-Allenstein. 



288 


Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zeitsebrlften. 


lieber TrtnkwaMer rea Standpunkt der Sffentllehen Oesnndhelti- 
pflege* Von Dr. Otto Leere. Friedr.^BL; 1907, Heft U, III, IV, V. 

Die Beschaffong und Benutzung guten, gesundheitsznträglichen Trink* 
waeseTB in genügender Menge ist für den Einzelnen, wie für das Qemeinwesen 
Lebens- und Eulturbedürfnis. Eine Zweiteilung des Wasserbedarfes in besseres 
Trinkwasser und weniger gutes Gebrauchswasser ist wegen der Unmöglichkeit, 
die Benutzung des letzteren zu Trinkzwecken zu verwenden und wegen der 
daraus entspringenden Gefahr zu verurteilen. Jedes Trinkwasser (bezw. Wasser) 
ist, bevor es zum Gebrauche zugelassen wird, in sachverständiger Weise anf 
neue Brauchbarkeit und Gesundheitsunschädlichkeit zu prüfen. Die physikalische 
Prüfung soll feststellen, ob das Trinkwasser klar, farblos, frei von abstoßendem 
Geschmack, Nachgeschmack und Geruch, von angenehmer erfrischender Tem¬ 
peratur und frei von groben, mechanischen Beimengungen ist. Die mikrosko¬ 
pische Untersuchung soll die Abwesenheit grOberer organischer Substanzen, 
von tierischen Parasiten, deren Eiern und Larven, die gesundheitsschädigend 
wirken können, kund tun. Die chemische Untersuchung stellt die Abwesen¬ 
heit bezw. den Gehalt an Kalk und Magnesiasalzen, an Chlor, Salpetersäure, 
salpetriger Säure, Ammoniak, PhosphorAäure, Schwefelsäure, Schwefelwasser¬ 
stoff, an freier und gebundener Kohlensäure, organischer Substanzen, an 
Metallen (Arsen, Kupfer, Blei, Zinn, Eisen) fest. Größere Härte und hoWer 
Magnesiagehalt kOnnen gesundheitsschädlich sein; Schwefelwasserstoff und 
Ammoniak sollten überhaupt fehlen, desgleichen Arsen, Kupfer und Blei. 
Wesentliche Ueberschreitungen und Schwankungen in den chemischen Grenz¬ 
weiten machen ein Wasser verdächtig; geringere in einzelnen Werten sind 
nicht ausschlaggebend. Vor allem muß die bakteriologische Untersuchung die 
Anwesenheit organisierter pathogener Keime (Cholera, Typhus, Paratyphus, 
Koli, Dysenterie, Malaria, Milzbrand), deren Verschleppung durch das Wasser 
sichergestellt ist, und damit die Möglichkeit einer Infektion durch den Genuß 
des Wassers auschließen und die Lokalinspektion die Integrität seiner Herkunft 
und seines Weges bis zur Entnahmestelle sicherstellen. 

Die spezielle Wasserversorgung hat mit der erschließbaren Menge, der 
Art und Kosten der Beschaffung des Wassers zu rechnen. Bezüglich der Güte 
und Brauchbarkeit zu Trinkzwecken ergibt sich folgende abwärts führende 
Reihe der zu Gebote stehenden Wasserarten: Grund-, Quell-, Gebirge-, 
Meteor-, Talsperren-, Fluß- und Seewasser. Der störende, wenn auch nicht 
schädliche Eisengehalt des Grnndwassers kann durch Enteisenungsverfahren 
ausgeschaltet werden. Von den das Grundwasser erschließenden Brunnen sind 
Bohren und Tiefbrunnen einwandfreier, als Kessel- und Flachbrunnen, bei 
denen die Gefahr einer Verunreinigung von oben und von der Seite groß 
ist. Einbau bis in die zweite Grundwasserscbicht ist bei allen Brunnen drin¬ 
gend anzuraten. Nach unseren heutigen hygienischen Anschauungen bedarf 
jedes, besonders aber das größere Gemeinwesen versorgende Trinkwasser einer 
besonderen Bebignng. Von den diesbezüglichen Mitteln: Abkochung, Destillation, 
Chemikalien, Sandfiltration, Ozonisierung sind die beiden ersten die sichersten, 
aber kostspielig und eignen sich deshalb nur für beschränkte Mengen Wassers, 
im Felddienst, auf Schiffen und in Epidemiezeiten. Die chemischen Mittel sind 
durchweg unsicher und ungeeignet. Die Sandfiltration liefert zwar nicht ab¬ 
solut keimfreies Wasser, ist aber in sachverständigen Händen ein durdians 
brauchbares Mittel, um große Wassermengen für den Genuß genügend geeignen 
zu machen. Die Fischer-Peters sehen Sandplattenfilter bieten keine wesent¬ 
lichen Vorteile vor der gewöhnlichen Sandfiltration. Doppelte Sandfiltration durch 
künstliche Vor- und Nachfilter gewährt größere Sicherheit der Reinigung, ist aber 
kostspielig durch Bodenerwerb. Doppelfiltration durch natürliche Vorfilter (Boden) 
und künstliche Nachfilter ist unsicher und kostspielig. Die Leistungen der 
Klebfilter sbd hygienisch nicht genügend. Die Ozonbebandlung des Wassers 
steht an Sicherheit der Bebigung der Sandfiltration gleich, wenn nicht über 
ihr, ut mit geringen Kosten verbunden und deshalb künftig bei Nenan- 
bgen zentraler Wasserrebigungswerke ernstlich diese Art der Reinigung zu 
erwägen. Es bt Pfiieht der Gemeinden, die Beinigung dos Trinkwasscra nicht 
den Konsumenten zu überlassen, auch nicht privaten Gesellschaften, sondern 
sie selbst in die Hand zu nehmen, zentral zu bewerkstelligen, sich dabei die 
technischen VervoUkommnungen fortbufend zu eigen zu machen und ebe 



Kleinere Mltteilnngen nnd Befemte ans Zelteehrlften. 


289 


tägliche Kontrolle des Beinigangeeffektee anazaftben. Der Waraorpreis ist 
m^liehst billig an bemessen. Das Material in den Znleitnngsrohren ist je 
nach der chemischen Beschaffenheit des Wassers anszawählen. Das Wasser 
ist demgemäß zn nntersnchen; Wo Bieiröhrea im Gebranch sind, ist auf Ver- 
htttnng des Laftzntrittes zom Wasser, anf regelmäßiges Ablanfenlassen des in 
den Röhren stehengebliebenen Wassers znr Vermeidnng toq BleiYergiitnngen 
za achten. Dem beamteten Arzte and den Gesnndheitskommissiouen liegt die 
Beratong bezttglich der Beseitigung mangelhafter Anlagen ob, sowie die lortp 
laafende Kontrolle aller Wasserversorgangsanlagen, die sich auf die 
Prttfang der vor genannten Punkte, besonders aber anf die lokale Besicht!« 
gang, bei Zentralanlagen auch anf die Betriebsordnnng, Dienstanweisung, den 
Wasserpreis usw. zu erstrecken hat. Zur Vorbereitung und Prttfang von 
Wasserrersorgungsanlageprojekten empfiehlt es sich fttr die Gemeinden die 
königliche Versuchs« und Prttfungsanstalt fttr Wasserversorgung zur Beratung 
zuzi^ehen. _ Dr. Bump'Osnabrttck. 


Beobaehtuiigeii an einer Wasserleitong. Von Privatdozent Dr. 
Kißkalt. Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin. Hygien. 
Bundschau; 1907, Nr. 18. Festnummer zu Ehren des XIV. internationalen 
Kongresses fttr Hygiene und Demographie. 

Der Verfasser stellte bei den fortlaufenden Untersuchungen der Keim« 
zahl in einer Wasserleitung fest, daß wiederholt am 4. resp. 6. Tage, nachdem 
Arbeiten am Rohrnetz aupgettthrt waren, die Keimzahl anstieg. Zwei mal 
waren die Keime die gleichen, einmal hörten sie einer andern Art an. Der 
Verfasser nimmt an, diä sich Keime an in die Leitung eingebrachtem Material 
zunächst vermehrt haben, und dann, als der Belag dicht war, so daß 
sie nicht mehr festhaften konnten, und als sie in ihrer Vitalität geschwächt 
waren, in das strömende Wasser ttbergingen. Eine Sttttze erhält diese An« 
nähme durch Versuche Bubners, welche den Nachweis lieferten, daß sieh 
nach Einbringen von sterilem Fleischextrakt in Brunnen die Bakterien nicht 
sofort, sondern erst nach Ablauf von 8—4 Tagen vermehren. 

Zum Schluß bringt Verfasser noch eine andere Beobachtung, welche die 
bisherigen nur bestätigte. Im Institute war ein neuer Wassermesser einge« 
setzt worden und nun trat eine starke Zunahme der Keime erst am 5. Tage 
ein. Erst nach 2 Monaten war die Keimzahl wieder die gewöhnliche. Diese 
Beobachtung beweist auch, daß die Verspätung der Zunahme der Keime nicht 
durch langsames Fließen des Wassers bedingt ist. 

Dr. Kurpjaweit«Berlin. 


Zum Nachweis des Baeterlum coli eommune Im Wasser vermittels 
der El j k man nsehen Methode. Von Dr. J. Thomann. Aus dem hygienisch« 
bakteriologischen Institut der Universität Bern. Hygien. Bundschau: 1907, 
Heft 14. 

Die von Eijkmann (Zentralblatt f. Bakt.; Abt. I, Orig. Bd. 87, H. 6) 
zum Nachweis des Bacr. coli commune im Trinkwasser angegebene Methode 
beruht darauf, daß das Bact. bei 46 <> C. alle anderen Bakterienarten ttberwucheit 
und iih Traubenzackorbouillion Gährung hervorruft. Christian und G. Neu« 
mann sind bei Nachprttfungen zu einem gttnstigen Urteil bezttglich des Ver¬ 
fahrens gekommen. 

Mit verschiedenen Kolistämmen und Fäkalienaufschwemmungen erhielt 
der Verfasser immer bei 46*, eine Vergährung in dem Gährkölbchen. Kalt« 
blttterfäzes ergaben, wie schon Christian festgestellt hat, keine Vergährung 
bei 46* dagegen bei 87*. Mit Wasserproben, die durch Bouillonreinkulturen 
der verschiedenen Kolistämme, oder mit Jauche infiziert waren, erhielt er die 
gldchen Besultate. Verschiedene Hefesorten und einige andere Bakterienarten 
riefen keine Gährung hervor. 

In Wasserproben, die zur Untersuchung eingesandt waren, konnte er, 
wenn bei 46* Gährung eintrat, nur das Bact. coli finden. 

Bei bakteriologisch • qualitativen Prüfungen von Wasserproben ist daher 
die Methode als die beste zum Nachweis des Bact. coli zu empfehlen. 

Dr. Kurpjuweit-Berlin. 



240 


Kleinere Mitteilungen und Boferate ans Z^techriften. 


üeber die LSsliohkeit einiger Bleirerbindangen in Waaier« Von 
Dr. H. PleißneTt Hillearbeiter im Kaieerliehen Gkenndbdtsamt. Arbeiten 
ans dem Kaieerliehen Qeenndheiteamte; 26. Bud, 8. (ScUnß-) Heft. Berlin 
1907. Verlag von J. Springer. 

Die Unterenchnngen Idhrten an folgenden Ergebniaeen: Alkalien nnd 
Barytlauge ^en aae Bleiaalzen in der Wärme Bleioxyd, in der Kälte Hydrate 
dee Bleioxyde. Daaaelbe Bleioxyd bildet eich bei der Eiowirknog von eehr 
aaneratoffreichem Waaaer anf metalliachee Blei, mit aaaeretoffärmerem Waaeer 
entatehen Hydrate dee Bleioxyde. Die Ldelicbkeit dee Bleioxyde nimmt mit 
steigender Bydratiaiernng zu. Der elektrolyüeohe Zerfall Ton Bleioxyd nnd 
seinen Hydraten in wässeriger Lösnng ließ sich aus Leitfähigkeitamesenngen 
nicht sicher ermitteln. Die LOslichkeit von Bleisulfat nnd Bleichlorid in Wasser 
wird durch Zugabe von geringen Mengen Schwefelsäure oder Salzsäure Ter* 
mindert, die von Bleikarbonat durch Kohlensäure yergräßert. 

Dr. B 0 s t • Budolstadt. 


Basohe spontane Entbrßnnnng nnd Enteisenung bei einem Hrnnd* 
Wasser« Von Prof. Bernhard Fischer. Ans dem hygienischen Institut der 
üniyersrtät KieL Hygien. Bundschan; 1907, Nr. 18. Festnnmmer zu Ehren 
I des XIV. Internationalen Kongresses für Hygiene nnd Demographie. 

ln der Provinz Schleswig Holstein kommen im Grundwasser hauptsächlich 
Kochsalz, Eisen bezw. Hnminverbindungen vor nnd machen es ungeeignet fär 
die Trinkwasserversorgung. Das gewöhnlich in Mengen von 1—5 mg Fe 0 im 
Liter enthaltene Eisen läßt sich durch Lüftung mit nachfolgender Filtration 
beseitigen. Das in Form von kohlensaurem Eisenoxydnl gelöste Eisen geht 
dabei in das unlösliche Bisenoxydhydrat über nnd wird ansgeschieden. Bei 
einigen Gmndwässern versagt dies Verfahren; hier scheint das Eisen nicht 
ausschließlich in der Form von Eisenoxydnikabornat gelöst zu sein, sondern 
auch in Form von hnmussauren Verbindungen, ln zwei Tiefbrnnnenwässem 
ans der Marsch wurden weder Kochsalz noch Eisen, sondern ausschließlich 
Hnmusverbindnngen beobachtet, die eine gelbbraune, sich beim Stehen an der 
Luft nicht verändernde Färbung bedingten. Ein derartiges Verhalten hatte 
Verfasser bisher nur bei Oberflächenwasser aus Moorgegenden beobachtet. 
Dann sah er auch ein durch Humussnbstanzen gelbbraun gefärbtes nnd zu¬ 
gleich schwach eisenhaltiges artesisches Brunnenwasser, bei welchem schon 
nach 24 Standen in den Stehproben eine vollständige Entbräunung und Ent¬ 
eisenung zu Tage getreten war, derart, daß über ehiem ziemlich reichlichen, 
ans dunkelbraunen groben Flecken bestehenden Bodensatz farbloses und klares 
Wasser von reinem Geschmack betroffen wurde, während dasselbe anfangs 
einen tintenartigen Geschmack besessen hatte. Im übrigen wich es in seiner 
Zusammensetzung nicht von dem gewöhnlichen, nicht verunreinigtem Grand¬ 
wasser ab. Es war gleichzeitig das Eisen nnd die eine Braunfärbung bedin- 
; gende organische Substanz — anscheinend eine Huminverbindung — von 
selbst ans dem Wasser ausgefallen. 

I Wasserproben, die ans anderen als ans den mittleren tiefsten Partien 
f des Grnndwasserstroms entnommen waren, zeigten nicht die Braunfärbung. 
i Demnach schienen nur diese Schichten die Huminverbindung mit sich zu 
‘ führen, hier war auch der Chlorgehalt bedeutend höher als in den benachbarten 
; Partien. Die die braune Färbung bedingende Huminverbindung stammte aus 
Braunkohle. Der braune Farbstoff und das Eisen begünstigen sich gegen- 
i seitig bei der Ausflockung, beides sind KoUoidsubstanzen und wirken aufm- 
<> ander in bestimmten Konzentrationen ein. 

Versuche, ein huminstoffhaltiges Wasser durch eisenhaltiges Wasser zu 
entbräunen, ergaben ein positives Besultat. Der Verfasser verweist zum 
Schluß auf die für Grundwasserversorgung hochwichtige Arbeit von Wer nicke 
und Welders «Verfahren der gegenseitigen Enteisenung und Entbräunung 
von Grandwässern“ (Mitt. aus der Königl. Prüfungsanstalt für Wasserversor- 
rang; Heft 8, Berlin 1907). Diesen gelang es, stark branngefärbtes Wasser 
dur^ eisenhaltiges zu entfärben und umgekehrt eisenhaltiges Wasser durch 
wässrige Braunkohlenaaszüge zu enteisenen. Ferner ist auch die Entfernung 
von Mangansalzen anf diese Weise gelungen. 

Dr. Kurpjuwoit-Bcrlin. 



Kleinere BOttellangen und Refemte mi Zeitsehrifteiu 


241 


Nahrnngsmittelliygiene. 

Zir Frage dee klelarten EiwelBsbednrfee. Yen Prof. Dr. Förster in 
Strnfibiirg. Mllnohener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 49. 

Im Interesse der Anordnungen Ton Kosts&tzen seien nachstehende auf 
den Ergebnissen ron neueren Ueberlegnngen und Versuchen des Verfassers 
mheade Schlnßsfttze einer interessanten Arbeit bekannt gegeben: 

1. Neben Eiiroiß, Fett und Kohlenhydraten bedarf der Mensch sum 
Ausbau und sur Erhaltung seiner Organe noch in ausreichender Menge andere 
Stoffe, wie a. B. Aschebestandteile. In den Nahrungsmitteln befinden sich diese 
in Verbindung mit eiweißartigen Substanzen oder sie stehen wenigstens in Be* 
Siebungen zum E2iweiß. Es ist daher zu befürchten, dafi bei niedriger Eiweiß* 
Zufuhr die Ernährung auch durch Mangel an Aschebestandtcilen leidet. 

2. Bei Zersetzung dos Eiweißes im KOrper werden gewisse unentbehr* 
Uche Stoffe, Verdauungsfermente, Stoffe der „inneren Sekretion“, Schutsstoffe pp., 
die Abkömmlinge des Eiweißes sind, gebildet. Fttr einzelne dayon ist na^ 

E ewiesen, fttr die anderen ist es wahrscheinlich, daß die Produktion im Ver- 
iltnis SU dem Eiweißzerfall im KOrper steht. 1^ ist daher zu erwarten, daß 
bei niedrigem Eiweißumsätze leicht Störungen im Wohlbefinden und Erkrankungen 
infolge Mangels an den genannten Stoffen ebtreten. 

8. So lange die Verhältnisse nach beiden Bichtungea hin qualitatir und 
quaatitatir nicht mehr als Jetzt aufgeklärt sind, ist es Ton allgemein physio¬ 
logischen und hygienischen Gesichtspunkten aus fttr die Zwecke der praktischen 
Ernährung ratsam, einen kräftigen Eiweißumsatz zu unterhalten und sich nicht 
auf das pbysiologlMbe Mindestmaß zu beschränken, mit dem in einem gegebenen 
Falle das sog. Stickstoffgleiehgewlcht erhalton werden kann. 

_ Dr. Waibei*Kempten. 


üntonuehuDgen Uber das Eindringen der Bakterien ln die Hühnereier* 
Von Dr. Giorgio Men in i* Florenz. Lo Speilmentale, Archivio di Biologin 
normale e patologica; Fase. VI, 1907. 

Das Ergebnis seiner an frischen und alten, konservierten und faulen 
Hühnereiern vorgenommenen Untersuchungen faßt Verfasser wie folgt zusammen: 

1. Die Eier sind im Augenblick des Gclegtseins, von seltenen Ausnahmen 
abgesehen, frei von Bakterien. 

2. Der Prozeß der Verkleinerung des Inhalts der Eier ist nicht bak¬ 
teriellen Ursprungs; bei den so befallenen Eiern findet man außer Schimmel¬ 
pilzen, die diese Veränderung hervormfen, keine weiteren Keime. 

3. Die Bakterien, welche die Fäulnis der Eier bewirken, kommen von 
außen hinein, indem sie durch die — unversehrte — harte Schale und die 
membranartige Haut hindurebgehen; gewisse Arten werden mit einer ziem¬ 
lichen Konstanz, andere seltener gefunden. 

4. Der Proteus vulgaris lat derjenige Mikroorganismus, der mehr als 
die andern oder einzig in den Eiern Schwefelwasserstoff entwiwelt. 

5. Die harte Schale und die membranartige Haut sind für gewisse 
Mikroorganismen leicht durchgängig; unter ihnen befallen die bewegUchsten 
schneller und vollkommener die Eier. 

6. Dieselben Mikroorganismen, künstlich in die Eier hineingebracht, 
können auch in kürzester Zeit nach außen bindurcLwandern. 

7. Coli-, Typhus- und Cbolerabazillcn entwickeln im Innern der Eier 
keiaen Schwefelwasserstoff und führen keine bemerkenswerten Veränderungen 
ln deren Inhalt herbei. 

8. Eine verlängerte Haltbarkeit der Eier ist möglich, wenn diese an 
ihrer Außenfläche desinfiziert und in sterilen Umgebungen gehalten werden. 

9. Die ihrem Inhalte nach verkleinerten und die unter Kalk auf* 
bewahrten Eier sind leichter von außen infiüerbar als die frisch gelegten Eier. 

_ Dr. Solbrig*Allenstein. 


Kllntseher Beitrag lum Ichthyismus choleriformls. Von Chefarzt 
Dr. 0. Boepke* Melsungen. Archiv f. Verdauungskrankbeiten; Bd. 13, H. 4. 

Am 6. Okt. 1906 hatte es für die in der Anstalt verpflegten 114 Patienten 
und 26 Personen vom Personal zum Mittagstisch Schellfisch gegeben. In einem 
Zeitraum von 2—iO Stunden nach Einnahme dieses Mittagessens traten bei 



242 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate au Zeitschriften. 


87 Patienten und 6 Personen rom Personal Verglftnngseraclieinnngen auf, 
die in ihrer Art dem kliniscshen Erankheitsbild des Ichthylsmns choleriformis 
entsprachen. Man konnte ohne Zwang drei Grnppen nnterscheiden: 

1. Die leichten Intoxikationen die sich anf den Tag des Fiscbgenuses 
und den folgenden Tag beschränkten (6—6 Oktober); 

2. die mittelschweren Intoxikationen, die auch noch am sweiten und 
dritten Tage nach dem Fischessen anhielten (6. bis 8. Oktober); 

8. die schweren Intoxikationen, die eine erute nnd länger als Tier 
Tag danernde bettlägerige Erkrankung bedingten. 

Die Intoxikationscrscbeinungen bei dem Personal unterschieden sich im 
großen und ganzen nicht von den bei den Patienten gemachten Beobachtungen. 

Faßt man alle allgemeinen Qesichtspunkie zusammen, so charakterisierte 
sich der Ichthysismu choleriformis als eine akut einsetzende und fieberhafte Er« 
krankung, die durch die Sympthomentrias: Kopfschmerz, Leibschmerz und 
Diarrhoe ausgezeichnet war. Hinsichtlich des Verhaltens der Körpertemperatur 
zeigten auch die schweren Fälle den schnellen, steilen Fieberanstieg, während 
die Entfieherung lytisch nnd mehr oder weniger langsam je nach der Schwere 
der Erkrankung einirat. Störungen der Herztätigkeit sind in keinem Falle be« 
obachtet worden, auch der Pols war hinsichtlich der Regelmäßigkeit und Span¬ 
nung niemals verändert. Dahingegen war ein gewisser Qrad von Bradykardie für 
den Ichthyismus choleriformis charakteristisch; denn die PnlsTerlangsamung bei 
normaler Temperatur bezw. ein gewisses Mißverhältnis zwischen der Höhe des 
Fiebers und der Anzahl der Pulsschläge muß man als typisch fttr den Ichthyismus 
choleriformis ansehen. Vasomotorische Störungen kamen nicht zur Beobachtung. 
Die bei Vergiftungen ungemein häufigen zerebralen Erscheinungen waren nur 
leichteren Grades und bestanden hauptsächlich in starken Kopfschmerzen nnd 
Schwindel. Ein mittelschwerer Fall hatte auf der Höbe der Krankheit Torttber- 
gehende Sinnestäuschungen; er sah ,Mäuse in der Luft.* Aenderungen in dem 
Aussehen der Haut nnd der sichtbaren Schleimhäute lagen nur 2 mal vor. In 
einem Falle wurde in der 2. Krankheitswoche eine leicht ikterische Verfärbung 
der Haut nnd der Skleren beobachtet, ohne daß Gallenfarbstoffe im Urin nach¬ 
weisbar waren; in einem zweiten Fall unterhielten punktförmige Ekchymosen in 
Schleimhaut des Rachens mehrere Tage lang Schluckbeschwerden. Motorische 
Störungen hatte nur der am schwersten Erkrankte. Die subjektiven Beschwer¬ 
den bestanden am 2. Tage nach der Vergiftung in ,Krampf in den Händen", 
am 4. Tage in „Zuckungen der Arm- und Beinmnskulatur, besonders in den 
Waden" nnd am 9. Tage „in schmerzhaftem Zucken in Armen nnd Beinen 
nnd Kribbeln in den Füßen." Objektiv war nur stärkeres Muskelzittem 
fibrillärer Art nachweisbar. 

Die Prognose des Ichthyismus choleriformis ist quoad yitam im ganzen 
gut. Die beste Therapie besteht, wenn irgendwo, eo bei den Vergiftungen in 
der Prophylaxe. Man muß 2 Gesichtspunkte beachten: 

1. Ein frisches Fischgericht in Gestalt von gekochtem oder gebratenen 
Schellfisch, Stör, Stockfisch, Brasse, Hecht usw. ist für die Sommermonate — 
dieMonate ohne r — nicht auf den Speisezettel zu setzen. 

2. Der Fisch ist so in den Wochen-Speisezettel einzufügen, daß zwischen 

Fangtag nnd Mahlzeit gerade nur soviel Zeit liegt, als fttr den Transport und 
die Zubereitung unbedingt notwendig wird. Dr. Wolf-Marburg. 

Unterguchungen über einige Bestandteile neuerer Konservierungs¬ 
mittel fttr Fleisch. Von Dr. Doepner-Königsberg. Aerztliche Sachver¬ 
ständigen • Zeitung; 1907, Nr. 24. 

D ö p n e r glaubt in seiner Arbeit, die er in dem gerichtsärztlichen In¬ 
stitut in Königsberg angefertigt bat, naebgewiesen zu haben, daß das phos- 
phorsaure Natron überhaupt keine die Zersetzung des Fleisches hemmende 
Eigenschaft besitzt, daß es dagegen durch Erhaltung der roten Fleischfarbe 
älterem Fleisch, das möglicherweise schon Krankheitserreger enthält, den An¬ 
schein frischen Fleisches zu geben vermag. Andere Mittel, wie die untersuchten 
Aluminiumsalze und die Ameisensäure, vermögen selbst in großen Zusatzmengen 
das Fleisch nicht in der Weise zu erhalten, wie das Eis. 

Nur ein Mittel, das benzoesaure Natron, zeigte bei den Versuchen eine 
hinreichende konservierende Wirkung auf Fleisch, die diejenige der Kälte des 


Kleinere Mitteilungen qnd Referate ans Zeltsebriften. 


248 


Eiasehraakes ftbertraf. Dieaea Mittel hat aber berdta in den hieran not* 
wenigen Mengen eine atark achkdigende Wirkung aal geannde Tiere, ao dofl 
au befttrchteo lat, daft ea auch bei Menschen, aunal bei Kranken und gesund* 
hdtlich Schwachen, eine nachteilige Wiikang auf die Qeaundheit anasuttben 
Termng. 

Es würde demnach sweckmiBigerweise der Znaata yon benaoeaauiem 
Natron und phosphorsaurem Natron aum Fleisch auf Grund des § 81, Aba. 1 u. 8 
des Fleischbeschaugesetaes au yerbieten sein. Doepner glaubt aum Schluß 
noch, daß ea ylelleicht angebracht sei, den Verkauf mit Eonaeryierunga* 
mittein behandelten Fleisches nur unter der ausdrücklichen Angabe dieser 
Eigensch^ au gestatten. Dr. Troeger-Kempen LP. 


Die Fabrikation yon Flelaohkonaeryen. Von Dr. Wilhelm Ooiquet- 
Berlia. Deutsche Vierteljahrsschxilt für öffentliche Gesundheitspflege; 1^7, 
Bd. 89, H. 4. 

Der Znaata chemischer Substanaen au Eonaeryen ist au yerwerfen. Ins* 
besondere ist die Beimengung yon Borsäure nach den Versuchen des Verfassers 
und anderer nicht nur zwecklos, da selbst hohe Konzentrationen (5 %) die Ent* 
Wicklung pathogener Keime ni(^t zu yerhindern yermögen, sondern, wie D. 
yor allem betont, direkt schädlich, weil durch Schädigung saprophytischer 
Kcdme die sonst warnende Verschlechterueg des Geruchs und Ansehens hintan* 
gehalten wird. Das Kochen der Konseryon nach den bisher üblichen Methoden 
setzt öfter das Fleisch in seiner Güte herab. D. hat deshalb an die Stelle 
der „antiseptischen* Methode die „aseptische* gesetzt, indem er yon der 
Schlachtung der Tiere an das Fleisch streng keimfrei erhält. Zur praktischen 
Durchführung, die nicht ganz einfach zu sein scheint, hat er eine besondere 
Maschine konstruiert. Auf die genaue Methodik, die D. in extenso wiedergibt, 
kann hier nicht elnge^angen werden. Jedenfalls kann man das Verfaben, 
yorausgesetst, daß ea nicht zu teuer üt, als ideal und den strengsten hygieni* 
sehen Anforderungen entsprechend bezeichnen. 

Dr. Liebetrau*Hagen L W. 

Säuglingspflege. 

Die Sflngllngg-MUohklichen der patrlotisehen Gesellschaft ln Ham¬ 
burg. Zweiter Jahresbericht, erstattet yon Physikos Dr. Sieyeking, 1906. 
Verlag yon E. Boyhen*Hambarg. 

Zunächst gibt der Berichterstatter eine allgemeine Schilderung der 
Säuglingsküche, deren Inanspruchnahme unaufhaltsam im Steigen ist. Diese 
Zunahme des Vertrauens erstrecke sich besonders auf Hebammen und Aerzte. 
Bereits sechs Ausgabestellen yerfttgen über eine regelmäßige wöchentliche 
Wiegestande unter ärztlicher Leitung. Die Uneigennützigkeit, mit der die 
Aerzte sich dieser Aufgabe unterziehen, wird noch besonders hervorgehoben. 
Daß auch ans den Kreisen des Hilchhandels ihnen kein Widerstand entgegen* 
getreten sei, spricht auch für die Berechtigung dieses Unternehmens. Die 
Gehälter der Ang-sstellton werden erwähnt und dabei heryorgehoben, daß das 
Unternehmen keine Wohltätigkeitsanstalt, sondern yiclmehr legiglich ein ge¬ 
meinnütziges Unternehmen sei. Bei der Besprechung über den Vertrieb fügt 
der Herausgeber mehrere erläuternde Abbildnngem dem Berichte zu; darauf 
schließt er mit Aufzählung der Ergebnisse dieses Unternehmens. 

Dr. B. Thomalla-Waldenburg (Schles.). 


Die zunehmende Unfähigkeit der Frauen, ihre Kinder an stillen. 
Die Ursachen dieser Unfähigkeit, die Mittel zur Verhütung. Ein Vortrag yon 
G. y. Bunge, Prof, an der Universität Basel. Verlag yon Ernst Beinhardt, 
München, Jägerstraße 17. 

In einer Statistik hat Verfasser immer nur die zum Stillen entschieden 
befähigten und die zweifellos Nichtbefähigten mit einander yerglichen. Die 
zweifelhaften Fälle worden gar nicht in die Statistik aufgenommen. — Ans 
den eingegangenen 2051 ansgefdllton Fragebogen ergab cs sich, daß 744 
Frauen befähigt und 1307 nicht befähigt waren, ihre Kinder zu stillen. 

Verfasser sieht, wie yiele andere, die Abnahme der Befähigung zum 
Stillen für eine degeneratiye an; er schlägt zwei Wege zur Verhütung 



244 


Kleinere HittelluDgen and Refento aiu Zeitsohriften. 


dieser Degeneration ror: a) Beseitigniw der ürsaclien, besonders Yerbtttung 
UbennftBigen Alkoholgennsses; b) die ZuehtwahL 

Er glaubt daher folgenden Bat erteilen in kOnnen: 

Ein gesnnder Mann, der sich gesunde Nachkommenschaft wünscht, soll: 

1. kein Mädchen heiraten, das nicht von der eigenen Mutter gestillt ist; 

2. kein Mädchen aus tnberkolOser Familie; 8. kein Mädchen ans einer psycdio* 
patisch belasteten Familie; 4. keine Tochter eines Trinkers. 

Jedes Mädchen hat natürlich dasselbe Recht, Ton ihrem Verlobten das 
Gleiche an fordern. Dr. B. Thomalla* Waldenburg (Schles.). 


Den Einfluss der Eraihrnng auf die Htlcbsekretion. Von Geh. Med.« 
Bat Prof. Dr. Fink 1er«Bonn. Zentralblatt für allgemeine Gesundheitspflege; 
1907, Heft 11 und 12. 

Eine sehr interessante Untersuohnng über die Frage: Wie kbnnen die 
Mütter befähigt werden, ihre Kinder selbst in stillen? liegt hier vor uns. 
Verfasser sieht die größte Hülfe für das SiiUgeschäft in einer Einwirkung auf 
die Ernährung der stillenden Mutter. Er bespricht darum zunächst die riel* 
lach, am häufigsten bei Tieren angestellten Beabachtnngen über den EiofloB 
der Ernährung auf die Milchabsonderung. Durch die Versuche mit willkürlich 
Teränderton Nahrnngsrerhältnissen wurde von verschiedensten Forschern dar¬ 
getan, daß die Milchmenge überhaupt von der Menge der auf genommenen 
Nahrung abhängt, daß durch Erhöhung der Eiweißzufuhr bol der Ernährung 
die Menge der produzierten Milch steigt und ihre Qualität sich verbessert, 
daß Kohiobydrate an sich ohne besonderen Einfluß auf die Milchznsammen- 
Setzung bleiben, und daß man Über den Einfluß des Fettes noch zu keinem 
abschließenden Urteil gelangt ist. Um nun bei stillenden Frauen den Einfluß 
der gesteigerten Eiweißzufuhr zu beobachten, hat Verfasser das Malztropon 
verwendet und ist dabei zu ganz vorzüglichen Resultaten gekommen. Es 
wurde neben guter Nahrung täglich 80 g Malztropon gegeben. Bei 20 Fällen, 
in denen nach früheren Geburten die Milchsekretion ungenügend war, wurde 
durch Zuführung des Malztropons eine Überraschende Besserung erzielt, die ein 
regelmäßiges Stillen ermöglichte. Bei anderen Fällen, in denen die Milchab¬ 
sonderung nachließ, trat durch Malztropon Hülfe ein, Beschwerden wie Bmst- 
und Bückenschmerzen gaben sich völlig. In 86 Beobachtungen über die Ge¬ 
wichtszunahme der Kinder während der Verabreichung des Tropons an die 
stillenden Mütter betrug der Mittelwert pro Tag 88,89, während man sonst im 
ersten Halbjahr durchschnittlich mit 25 g tägliche Zunahme rechnen kann. 
Besonders interessant ist die Entwicklung dreier Zwillingspaare, von denen 
das erste in einer Zeit von 87 Tagen täglich 24,1 und 24,4, das zweite ln 
85 Tagen täglich 84 und 88, das dritte in einer Beobachtungszeit von 167 
Tagen pro Tag 21 und 16 g znnabm. 

Ein großer Vorteil der Verabreichung von Malztropon besteht vor allem 
auch darin, daß die stillenden Mütter Kraft und Körperfülle behielten. 

Verfasser empfiehlt auf Grund seiner Erfahrungen dringend, die richtige 
Ernährung der Mutter zu bewirken. Dr. S o 1 b r i g • Allenstetn. 


Die HutterschaftsTersiohernng und ihre praktische DnrchfBhrnng. 
Von Dr. Alfons Fischer-Karlsruhe i. B. Soziale Medizin und Hygiene; 
1907, Bd. 2, Nr. 11. 

Trotz sinkender Geburlenzabl, trotz stark verminderter allgemeiner 
Sterblichkeit hat die Säuglingssterblichkeit nur wenig abgenommen. Hierfür 
sind die unverändert ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der ärmeren 
Volksschichten verantwortlich zu machen. Viele dieser Frauen kOnnen ihre 
Kinder nicht selbst stillen, obwohl sie es gern möchten, weil die Berufsarbeit 
es nicht zuiäßt. 

Die gesetzlichen Maßnahmen, die einen WOchnerinnenschutz bezwecken, 
reichen nicht ans. Für Deutschland ist bereits mehrfach eine Erweiterung 
dieser Bestimmungen, die einen großen Teil der Bevölkerung überhaupt nicht 
zu gute kommen, beantragt worden. Allo Pläne scheitern aber an den enormen 
Kosten. So würde z. B. eine staatliche Mutterachaftsversichorung nach den 
Vorschlägen Prof. Mayets 276,4 Millionen kosten, während die Gesammtein- 
nähme der deutschen Krankenversicherung nnr 228,8 Millionen beträgt 



Kleinere Mltteilnnfen nnd Befemte nne Zeitsehrlften. 


246 


Dn auf Staatehilfe Torlinflg nicht an rechnen ist,~mafi TorlSnflg 
Selbsthilfe für einen wirkeamen Mattereehatz eintretea. Von gemeinnützigen 
Vereinen, Fabriken Verwaltungen etc. sind auch bereits Anfänge gemaät. 
So z. B. der von Frau Kommerzienrat Heyl gegründete «Charlottenbo^er 
Hauspflegererein“, das Stillprämiensystem der Stadt Freibarg i. B. und die 
FirmenTereinigung zor Unterstützung von Wöchnerinnen in Mühlhausen L B. 
Sehr viel wünschenswerter sind allerdings Einrichtungen, die nicht auf Wohl¬ 
tätigkeit beruhen, sondern die durch Beiträge der Versicherten unterhalten 
werden und diesen ein Recht auf Unterstützung gewähren. Zweckmäßig ist 
es, wenn dieser Einrichtung noch die private Wohltätigkeit zu Hilfe kommt 
und so ein kombiniertes System, eine sog. Wohlfahrtseinrichtung zu Stande 
kommt. Dieses System wäre für Deutschland das geeignetste. 

Dr. Dohrn-Haanorer. 


Die Slnglingssterbliehkelt in Htlnehen ln den Jahren 1896—1904 
nnd der Einfluss der Wltternngsverhlltnlsse anf dieselbe. Von Walter 
Fuerst in München. Deutsche Vierteljahrsschrift f. Offentl. Oesundheitspflege; 
1907, Bd. 89, H. 8. 

Der Arbeit zugrunde gelegt sind 42880 Todesfälle ln 10 Jahren. Die 
Gesamtsterblicbkeit anf Lebend geborene berechnet betrug 26,4 */o. Der 
günstigste Monat war der Februar, die ungünstigsten August und September. 
Mit steigendem Lebensalter nimmt die Sterblichkeit ab, nur werden die Kinder 
des 8. und 4. Lebens-Vierteljahres durch die Wintermonate erheblicher ge¬ 
fährdet, am meisten im 9. Monat. In den kalten Monaten Uberwiegen (Im 
Gegensatz zu anderen Gegenden) die Todesfälle an Infektionskrankheiten 
gegenüber den warmen sehr erheblich. Bin wesentlicher Einfluß der meteoro- 
lo^chen Hauptfaktoren: Sonnenscheindauer, Barometerstand, rorherrschende 
Windrichtung, Feachtigkeit der Luft, Niederschlagsmenge und Lnfttemperatur 
konnte nicht festgestellt werden. Nur die Bodentemperatur (in 4 Faß Tiefe) 
schien gewisse Beziehungen zu der Höhe der Sterbiichkeit zu haben, indem 
mit niedrigster Bodentemperatur die höhere Zahl der Sterbefälle an Eespirations- 
krankheiten, mit höchster die größte Zahl tödlicher Magen - Oarmkrankheiten 
zusammenfleL Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Soziale Hygiene. 

KUnisehe Beltrige zur Pathologie und Therapie der welbllehen 
Sterilltftt. Von Ernst Fraenkel-Breslau. Volkmanns klinische Vorträge: 
1907, Nr. 460/61. 

Das 200 Fälle von weiblicher Sterilität umfassende Material setzt sich 
zu */■ polnisch - russischen Jüdinnen und zu V* eus schlesischer Bevölke¬ 

rung zusammen. Unter den polnischen Jüdinnen war mangelhafte Entwicklung 
der Geschlechtsorgane eine der häufigsten Ursachen der Sterilität. Die unter 
dem Drucke sozialer Verhältnisse, der Verelendung und der Folgen vorzeitiger 
Heirat vorgeschrittene Degeneration dieses Volkes läßt es zur Entwicklang 
kräftiger, fortpflansungsfähiger Frauen nicht kommen. Auch die Folgeznstände 
fieberhafter Wochenbetten machen sich als Ursache der Sterilität vielfach 
geltend. 

In einem Drittel der Fälle lag die Schuld an dem Ehemann. Gonorrhoe 
oder gonorrhoische Nachkrankheiten spielten hier die Hauptrolle Dennoch ist 
Verfasser (ebenso wie Erb) der Ansicht, daß die Bedentnng des Trippers für 
die Gesundheit der Ehefrauen und die Volksvermehrnng überschätzt werde. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Ueber die Notwendigkeit eines hratenlschen Museums. Von S. Hiy ake. 
Nippau-Eiseigakkwai-Zasshi; Bd. III, Heft 2—8. 

Der Verfasser spricht sich über die Notwendigkeit des hygienischen 
Museums folgendermaßen aus: Die Vergrößerung und VervoUständignng eines 
hygienischen Museums in Tokio ist gegenwärtig sehr notwendig, damit dem 
Publikum hygienische Gedanken eingeflößt werden, und dadurch alle hygienischeu 
Einrichtungen leichter ins Werk gesetzt werden können. 

Dr. Oshida-Tokio s. Z. Berlin. 



246 


Kleinere Mitteilnngen and Sefente aae Zeitschriften. 


ToUuhjglenlsehe WelhBMhtegtdankeB. Von Dr. E. Beerwald 
Bluter für Volksgesondheitspflege; 1907, Nr. 12. 

Keine onwabreren Begriffe sind jemals gepr&gt, niemals die Moral mehr 
BOgi Deckmantel geiler Losteruheit and tiefste ünmoral benatzt worden, als 
in dem Anspruch auf das sogenannte Aasleben des Individiams and das 
Beoht auf Liebe. Jenes geforderte Recht aaf Liebe bat nichts mit dieser 
wahren Liebe za tan, es ist einfach das brutale Verlangen der Wollust. Aber 
aaoh jenen Persönlichkeiten — leider fast mehr Frauen als Minner — kann 
nicht beigepflichtet werden, die fttr das Recht aaf die Mutterschaft and die 
sdzaelle Belehrung der Jagend als Notwendigkeit eintreten. Unter allen diesen 
und ibnlichen Forderungen scheint dem Verfasser nur eine einzige berechtigt, 
nämlich, daß die allgemeine Anscbaaang sich in bezug auf die Illegitimität 
des Kindes ändere. Hier bestehen in der Tat Ungerechtigkeit und unnatOrliche 
Härte. Qani besonders bedarf die Jagend des Schatzes vor den heutigen 
Irrlehren, and ihre Reinheit mit schmutziger Hand za berühren, die Kinder 
über sexuelle Dinge za belehren, möchte Verfasser direkt als einen schweren 
Fehler bezeichnen. Welche Graosamkeit wäre es non, wenn man die kindliche 
Naivität za früh zerstören würde, wenn man die heimliche, schüchterne For¬ 
schung des Kindes ans Tageslicht zerrte und mit einem Haie das ungewohnte 
Aoge ein Licht der Aafklärang blicken ließe, welches blenden and verwirren 
maß. Welche Qraasamkeit ist es auch anderseits, von einer Matter za ver¬ 
langen, daß sie ihrem Kinde Tatsachen schildern und Erklärungen geben 
BolC durch welche ihr eigenes keusches Empfinden nur za leicht verletzt wird. 
— Die Befürchtung ist ferner nicht unbegründet, daß die Aafklärong häufig 
zu dem anrogen wird, was sie verhüten soll, da ja der Forsebungstrieb der 
jungen Menschen gerade in diesen Dingen ein sehr starker ist. Als Resultat von 
Vererbung und Fehlern in der Erziehung schlummert in manchen Menschen dn 
häßlicher Keim, der nicht erwacht und nicht zur verherrenden Flamme wird, 
wenn kein ihn belebender Windhauch über ihn herzieht, und die Häufung von 
gleichen Verbrechen zu bestimmten Zeiten als Folge des Nachahmungstriebes bei 
ähnlicher Veranlagung ist dem Psychologen längst bekannt. Im Interesse der 
Volksgesundheit ist daher die Frage voll berechtigt, ob solchen scheinbar last 
mit Liebe gebrachten DetaildarsteUungen von Gerichtsverhandlungen durch die 
Presse nicht irgendwie entgegengetreten werden kann, ohne daß dadurch die 
Freiheit der Presse beschränkt werden soll. — Es läßt sich leider nicht 
leugnen, daß das bisherige Schweigen auf anderer Seite durch die gekenn- 
zeiäneten Afterpropbeten die sexuelle Frage in unserem öffentlichen Leben eine 
Breite hat gewinnen lassen, welche auch unser Kunstleben — nicht zu seinem 
Vorteil — beeinflußt hat. Dazu kommt in unseren Großstädten für den ein¬ 
zelnen die Verführung, welche die Prostitution in das Straßenlebcn hineinträgt. 
Was in den vorstehenden Ausführungen mit kurzen Worten erwähnt wurde, 
wird doch trotz seiner Kürze und Unvollkommenheit einen Beweis dafür er¬ 
bringen, in welcher furchtbaren Weise der Sexualismus häßlichster Form 
unser öffentliches Leben zu beherrschen beginnt, wie er mit gleißnerischen 
Worten die Unmoral zur Moral zu verdrehen sucht, und wie er täglich mehr 
zn einer Leibesgefahr für unser Volk wird. Dr. W o 1 f • Marburg. 

Zar Reform der sozialen Gesetzgebnng« Von Prof. Dr. Rumpf. 
Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 2. 

Verfasser faßt seine Ausführungen in folgenden Leitsätzen zusammea: 

1. Die Krankenkassen werden möglichst zu größeren, leistungsfähigeres 
Verbänden vereinigt. Da ein Ansteigen der Krankenkosten unvermeidlich ist, 
empfiehlt es sich, Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte der Kosten her- 
anzuziehen. Der Vorsitz in der Krankenkasse erfolgt durch Wahl und event. 
umschichtigen Vorsitz. Die Betriebskrankenkassen verbleiben, sobald die Zahl 
der Mitglieder 500 beträgt. Die Krankenkassen übernehmen eventuell auch die 
Einziehung der Invalidcnversicherungslciträge. 

2. Die Unfallversicherung verbleibt in bisheriger Form. Doch finden 
auch hier Vereinigungen verwandter Industrien nach Möglichkeit statt. Kleine 
Verbesserungen bezüglich Rühens der Renten, Berücksichtigung des FamUieii- 
stande^ leichtere Kapitalablösung, Möglichkeit der Entziehung ungerechtfer¬ 
tigter Renten usw. sind erwünscht. Der dringenden Erwägung sei anhefmge- 



Kldnero Hittdlangen and Referate aus Zelt8chtift«i. 


247 


stellt, ob nicht auch die Arbeitnehmer za den Kosten der ünfallrersicherong 
herangesogen werden. 

8. Die Altersrersicherang beg^nt mit dem Antritt des 66. Jahres. Die 
InTaiidenrersicherang erfolgt wie seither, doch tragen die Gemeinden za den 
Kosten der InTalideoTersicWang 80 bis bO*/o bei. Ausnahmen nach yer- 
schiedener Bicbtong därften allerdings za amgehen sein. Die Fttrsorgebe* 
strebangen gegen Antreten der Invalidität werden in seitheriger, dankenswerter 
Weise weiter geführt. 

4. Als gemeinschaftliches Organ aller drei Yersicherangen wird in einem 
Bezirk bestimmter GrOße (Kreis), am besten in Anlehnung an die erweiterte 
Krankenkasse ein Yersicherangsamt, (nötigenfalls mit kleineren zerstreuten 
Agenturen) geschaffen. In diesem Yersicherangsamt, in welchem ein Arzt 
selbstständig tätig ist, laafen alle Meldangen ttöer Erkrankung, Unfall, InTa> 
lidität zusammen. Yon hier aus erfolgen schleunige Ermittelangen, Berichte 
an die betreffenden Stellen, Kontrolle der Rentenempfänger in bezug auf Un¬ 
fall, Inralidität eventuell auf Krankheit. Dieses Yersicherangsamt (Agentur) 
dient gleichzeitig als Ankunftsstelle fttr das Publikum. kann auch zur 
Stelle der Arbeitsrermittelung und neuer Aufgaben erweitert werden. 

Die Kosten des Yersläerungsamtes werden auf die 8 Yersicherangen 
nach einem in der Folge zu ermittelnden Modus verteilt. Die Krankenkassen 
als lokale Instanzen können veranlaßt werden, die Räume für das Yersicherungs- 
amt zu schaffen. Dr. Dohrn‘Hannover. 


Die zozlale Wertung des Aerztestandes. Yon Kreisassistenzarzt 
Dr. Liebetrau. Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, H. 8. 

L. behauptet, daß die sozisde Wertung des Aerztestandes durchaus nicht 
mit seiner wissenschafdichen Entwicklung und mit seiner gesteigerten Volks* 
wirtschaftlichen Bedeutung gleichen Schritt gehalten habe. Die Ursache dieser 
Ersdieinung liegt in dem übertriebenen Erwerbshunger, der wenig idealen 
Bernfsauffassung und der mangelnden Kinderstube eines Teiles der Aerzte etc. 

Eine Hebung des sozialen Ansehens des ärztlichen Standes ist nur durch 
Wiederbelebung des geschwundenen Idealismus und durch Mitarbeit jedes ein* 
seinen an der sozialen Arbeit zu erwarten, auch ohne daß jede Einzelleistung 
mit barer Münze bezahlt wird! Dr. Dohrn*Hannover. 


Statistik. 

Die Ergebnisse des Impfgeschlfts im Deutschen Reiche für das 
Jahr 1906. Zusammengestellt aus den Mitteilungen der Bundesregierungen. 
Berichterstatter: Reg.*Eat Dr. Broger. Medizinal'Statistischo Mitteilungen 
aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt (Beihefte zu den Yeröffentlicbungen des 
K G.-A.); elfter Band, erstes Heft. Berlin 1907. Yerlag von J. Springer. 

Zur Erstimpfung waren vorzustellen 1868819 Kinder = 8,18*/o der 
mittleren Bevölkerung, gegen 8,26*/, im Yorjahre. Hiervon wurden von der 
Impfung befreit: 

a) weil sie die natürlichen Pocken überstanden hatten. 89 

b) weil sie bereits L Y. als m. E. geimpft eingetragen waren . . 67 664 

c) weil sie bereits im vorhergehenden Jahre m. E. geimpft, aber 

erst im Berichtsjahre zur Nachschau erschienen waren . . . 8574 

Yon den impfpflicbtig gebliebenen 1787002 Kindern wurden geimpft: 
^ mit Erfolg: 1609484, b) ohne Erfolg: 64127, c) mit unbekanntem 
Erfolg: 2886. 

Yon je 100 geimpften Erstimpflingen wurden mit Erfolg 
geimpft: 96,86 (L Y. 97,10). Am günstigsten waren die Erfolge in Oberfranken 
(99,58 **/o), am schlechtesten in dem Reg.-Bez. Minden (89,80 ^.q) und Wiesbaden 
(88.66 **/«). Im ganzen Reiche entfielen auf je 100 ausgeführte Erstimpfungen 
3,46 ohne Erfolg — gegen 2,69 i. Y. — Es blieben ungeimpft, w^: 

a) auf Grund ärztlicher Zeugnisse vorläufig zurückgestellt: . . . 167997 


b) nicht aufzufinden, oder zufällig ortsabwesend: . 16046 

c) vorschriftswidrig der Impfung entzogen. 86260 






248 


Klebore MittefloBgea und Eefnrate ans ZeiUehTlften. 


Die meisten BrsÜmpfpflichtigen worden anl Grund Irztlicher 
Atteste zorflckgestellt in Schwarzbarg«Badolstadt (21,04<*/,), die wenigsten 
im Fftrstentam Lübeck (2.61*’/,). Die meisten vorschriftswidrigen Ent* 
ziehnngen fanden im Beg.*Bez. Msgdebnrg (10,90**/,) statt; in Scnanmbarg* 
Lippe kamen keine Entziehangen vor. Hinsichtlich der Art des benntzten 
Impfstoffes geht ans den Berichten hervor, daß mit a) MenschenJymphe: 114, 

b) Tierlympbe: 1578 714, c) Lymphe nicht näher bezeichneter Art: Impfangen 
aosgefühit worden. 

Za Wiederimpfangen waren 1818070 = 2,22**/, der mittleren Be- 
vOlkerong vorzostellen (i. V.: 2,27**/,). Von diesen wurden von der Impfang 
befreit: 

a) weil sie während der vorhergehenden 6 Jahre die natflrlichen 

Pocken ftberstanden hatten. 58 

b) weil sie während der letzten 5 Jahre mit Erfolg getanpft waren 6925 

Von den 1811078 wiederimpfpflichtig gebliebenen Kindern 
worden a) mit Erfolg: 1189866, b) ohne Erfolg: 88286, c) mit an* 
bekanntem Erfolg weil nicht sor Nachschau erschienen: 1198 geimpft. 


Von je 100 vorgenommenen Wiederimpfungen ^^ren er¬ 
folgreich: 92,97. Die höchsten Erfolgziffem worden ermittelt in Mittel- 
franken (99,88), die niedrigsten in Wiesbaden (75,95°/,). 

Es blieben an geimpft: 

a) weil aaf Grand ärztlicher Zeugnisse vorläufig znrttckgestellt: 17489 

b) weil nicht aafznfinden osw. 29^ 


c) weU vorschriftswidrig der Impfang entzogen. 5810 

d) wegen AalhOrens des Besuchs einer die Impfpfiicht bedingenden 

Lehranstalt. 5 988 


Die meisten vorläufigen Befreiungen auf Grand ärztlicher 
Zeugnisse kamen in Hamborg (5,07**/,) vor, die wenigsten in Dresden nnd 
Schaambarg-Lippe (Je 0,69**/,). Vorschriftswidrig entzogen worden der 
Impfang im ganzen 0,41**/,), die meisten in Bremen (8,28**/,); im Schwarzwald- 
kreise and in Schaambarg «Lippe kamen flberhaapt keine Entziehangen vor. 
Von den Wiederimpfangen worden vollzogen mit a) Menschenlymphe: 1, b) Üer- 
lymphe: 1280518, c) Lymphe nicht näher bezeichneter Art: 246. 

Als Impfärzte waren vorzugsweise beamtete Aerzte tätig, nur in 
Waldeck, MecUenbarg • Schwerin, Lttbeck nnd Bremen worden die uupfongen 
von nicht beamteten Aerzten vorgenommen. 

Unter den zahlreichen Formen der Impfinstrnmente wurde der Platin- 
ridiamlanzette im allgemeinen der Vorzug gegeben; die gewöhnliche Impf- 
lansette wurde nur noch in Sachsen, den beiden Mecklenburg und in Brann- 
schweig verwendet. Die Zahl der Schnitte, von denen 4 seichte nach den 
Vorschriften genügen, wurde von vielen Impfärzten, namentlich Privatärzten, 
eigenmächtig erhöht — bis auf 9 — and verringert. Die Beinignng der 
Impfstelle wurde in 9 bayerischen Bezirken, sowie in Lippe und einigen hessi¬ 
schen Kreisen aaf alle Impflinge ausgedehnt, im übrigen erfolgt sie nur aaf 
Bedarf. Aaf die schädliche Wirkung der Schatzverbände der Impfstelle wdst 
erneut der bayerische Oberimpfarzt hin. Eine aaffallend scWache Wirkung 
des Impfstoffs warde bei der Berliner Lymphe in den Beg.«Bez. Potsdam and 
Frankfurt a. 0., bei der ans Hannover bezogenen in meberen Bezirken des 
Beg.-Bez. Schleswig, bei der Cosseler Lymphe in den Beg.-Bez. Minden, Münster, 
Cassel and Wiesbaden wahrgenommen. Ein Widerstand gegen das Impf« 

f esetz kam in einzelnen Fällen vor, namentlich in Wörishofen. Bei STodes- 
ällen nach der Impfang bestand ein gewisser Zusammenhang zwischen 
Impfang and Erkrankang. Viermal handelte es sich am generiüisiertes Vakzin« 
ekzem, je einmal um Wandrose, Blatvergiftang, ausgehend von den Pusteln, 
septische Herzklappenentzündang. Endlich wurde eine tödliche Uebertragong 
des Impfstoffes aaf ein, an einem nässenden Ausschläge leidendes, nicht ge¬ 
impftes Kind beobachtet. In zirka 43 weiteren Todesfälen, die in zeitlichem 
Aiuchlaß an die Impfang erfolgten, lag ein Grand zur Annahme eines Ab¬ 
hängigkeitsverhältnisses von der Impfang nicht vor. Zahlreich waren die 
Erkrankungen, welche mit der Impfang in einer ursächlichen Besiehnzg 
standen, aber stets einen günstigen Aasgang nahmen. Dieselben betrafen 







Besprechungen. 


249 


frtthroUau^ SpEtrotlanf, Eiterung des Uaterhautzellgewebes, YersohwOrung 
und brandige Beschaffenheit der Pusteln^ postTakzinde Exantheme der yer- 
schiedeneten Art naw. Dr. Bost-Budolstadt. 


Der Gang der Sterbllehkeit in Frankfurt a« M. rom Mittelalter bis 
rar Mitte des 19. Jahrhunderts. Von Dr. med. Hanauer*Fraoklnrt a. M. 
Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 4. 

Selbst an der Hand relativ genauer Aufzeichnungen, wie sie In Frank* 
fnrt von jeher gemacht wurden, ist es schwer, ein ungefähres Bild über den 
Gftng der Sterblichkeit in früheren Jahrhunderten zu bekommen. Die großen 
Senäenzhge ließen die Sterblicbkeitskurye bald mehr, bald minder empor- 
Bchnellen, ohne sie längere Zeit auf ruhiger Ebene zu lassen. So starb gegen 
daa Jahr 1440 in mauchen Pestjahren allein ein Viertel bis ein Drittel der 
BerSlkerung. Die Kindersterblichkeit soll damals schon sehr hoch gewesen 
sein, so daß von einem Dutzend Emder nnr einzelne die Mannbarkeit erreichten. 
Auch gegen das 16.—18. Jahrhundert waren die Schwankungen der Sterblich- 
keitskurre noch recht erheblich. Für die Zeit von 1550—1700 wird die Sterb* 
lichkeit auf 44,7 p. M. geschätzt, während sie heutzntage nnr 16,8 p. M. be* 
trägt. Eine sdinelle Abnahme der Sterblichkeit ist seit IbOO zu verzeichnen 
Sie ging in 60 Jahren von 28,8 p. M. auf 16,8 herab und ist seitdem ziem- 
Udi auf der gleichen Hübe geblieben. Dr. Dohrtl •Hannover. 


Besprechungen. 

Dr. IKayw, Privatdozent, München und Prof. Dr. Boeder •München: Atlu 
der kllnlsoben Mtkroskople des Blutes. 2. Auflage. München 1907. 
' Verlag von F. C. W. Vogel. El. 4**; 44 Textseiten mit 16 Tafeln. 

Die 2. Auflage, die den Fortschritten der klinischen Mikroskopie Bechnung 
trägt, bringt nebst einer kurzen technischen Vorbemerkung 16 Tafeln, von 
denen jede mit einem kurzen erläuternden Text versehen ist. Die einzelnen 
Abbildungen sind ganz vorzüglich, ihre Ausführung ist wirklich hervorragend. 
Der Atlas eignet sich besonders zu ünterrichtszwecken. Bpd. 


Fref. Dr. Lenhertz-Hamburg: Idlkroskopie und Chemie em Eren* 
kenbett. 5. wesentlich umgearbvitete Auflage. Mit 58 Textßguren und 
4 Tafeln in Farbendruck. Berlin 1907. Verlag von J. Springer. El.8**; 
406 Seiten. 

Das vorliegende Buch ist an dieser Stelle schon bei den früheren Auf* 
lagen eingehend besprochen und sein großer Wert hervorgeboben worden. Die 
neue Auflage hat durch Berücksichtigung der neueren Fornchnngsergebnbse 
erheblich an Wert gewonnen. Nene Färbungs* und üntersnchun^methoden 
sind aufgenommen, die Abbildungen sind vermehrt und eine neue Farbentafel 
hinzugefügt, auf der unter anderen die Spirochaete pallida und die Trypano* 
Bomen berücksichtigt sind. Im übrigen ist die Einteiinng des Stoffes dieselbe 
geblieben. Bpd. 


Dr. Eenftnenn - Zürich: Handbuch der Unfallmedlsln. Unter Be* 
rücksichtigong der deutschen, österreichischen, schweizerischen und franzö* 
sischen Arbeiter* und der privaten Unfallversicherung. Dritte neubearbeitete 
Auflage des Handbuches der Unfall Verletzungen. L Hälfte: Allgemeiner 
Teil. — Unfall Verletzungen. Stuttgart 1907. Verlag von F. Enke. Gr. 8^; 
560 S., Preis: geh. 14 M. 

Dia dritte Auflage des Handbuches der Unfallverletzungen, die unter 
dem neuen Titel: Handbuch der Unfailmedizin in der 1 Hälfte heute vorliegt, 
ist wesentlich umfang* und inhaltsreicher geworden. Zu den deutschen, 
österreichischen und schweizerischen Unfallversicherungen, die in der letzten 
Auflage Berücksichtigung fanden, ist jetzt noch die franzOsiche Arbeiter* und 
die private Unfallversicherung gekommen. Das Werk Ist jetzt zu einem Lehr* 
buch für den akademischen Unterricht umgestaltet und hat dadurch etnige 
formale Aeaderungen erfahren, ohne an Wert zu verlieren. Es zerfällt ln 
zwei Teile. Det erste, der allgemeine Teil, behandelt die Begriffsbestimmung 



250 


BesprechnngeiL 


and Abgrenzong des UniaUs, die Leistnnmn der Versicheningen, die ÜBter> 
sachnng and Begatschtong der ünfaHlolgen sowie des betiügerische Ver¬ 
halten Yon Versicherten. Im zweiten Teil sind die OnfallYerletzongen erOrtert 
mit besonderer Beracksichtigong ihrer Fol^n in bezug auf die Erwerbsfähig¬ 
keit und der wichtigsten gerichtlichen Entscheidungen der Terschiedenen 
Länder. Eine reichhaltige Easnistik trägt wesentlich zum besseren Ver¬ 
ständnis beL Der gewaltige Stoff ist in klarer, sachlicher Weise bearbeitet. 
Was den Irflheren Auflagen schon rlUunenswertes nachgesagt ist, ^t Yon 
der Yorliegenden in noch höherem Maße. Bpd. 


Dr. Pietndkownkl-Prag: Dl« Begutaohtong derUnflallTerletBimgeii. 
Leitfaden zur Unterauäung und Beurteilung UnfallYerletzter nebst Zu- 
sammenstellang der häufigsten Verletzungen und deren Folgezuständen. 
Verlag von Fischers medizinischer BucUiandlang, H. Kornfeld. 8**. 
A) Al^emeiner Teil. 238 S., Preis: 4,50 M. B) Besonderer TeU. Berlin 
IWI. 706 8., Preis: 13 M. 

Das speziell für die Österreichischen Aerste geschriebene Werk brinut 
in seinem allgemeinen Teil zuerst die gesetzlichen Bestimmungen über £e 
UnLülYeraicherung in Oesterreich. Dann folgt ein Abschnitt über die Mit¬ 
wirkung des Arztes bei der Ausführung des UnfallYersichernngsgesetzes; 
schließUch wird die Definition des Unfalls im allgemeinen und des Betriebs¬ 
unfalls im speziellen und dann der Zusammenhang zwischen Unfall und 
Krankheit besprochen. Im speziellen Teil behandelt Verhmser zuerst die 
Untersuchung und Aufnahme des Befundes bei UnfaUYerletzten im allgemebien, 
dann die Begutachtung der UnfaUYerletzten und schUeßlich in einzelnen Ka¬ 
piteln die KOrpetYerletzungen und deren Folgen im besonderen. Beide Teile 
Yerraten überaU die große Sachkenntnis und Erfahrung des Verfassers; sein 
Werk ist zwar in erster Linie für den Österreichischen Arzt geschneben, 
gledchwohl wird es auch den Aerzten anderer Eulturstaaten willkommen sein, 
um ihre Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der UnfaUrendcherung 
zu ergänzen und zu erweitern sowie neue Anregung daraus zu bekommen. 

_ Bpd. 


XiirtK, Amtsgeriehtsrat, Düsseldorf: Die Unterettohongen Ton EOrper- 
Terletsungen, Inabeeondere der tOdliohen. ZusammensteUung der 
hierauf bezügUchen gesetzUchen und Verwaltungs - Bestimmungen ein- 
schUeßlich der neuesten Vorschriften über Leichen-Untersuchungen zum 
praktischen Gebrauch für Gerichts- imd Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften 
und GerichtsärZkS. Düsseldorf 1906. Verlag Yon L. Schwann. KL 8% 
189 S. Preis: geb. 1,80 Mark. 

Der erste Abschnitt des Baches ist den gesetzUchen Bestimmungen (Stral- 
prozeßordnung, Militärstrafgerichtsordnung und Strafgesetzbuch) gewidmet, 
denen in Anmerkungen die nötigen Erläuterungen beigefügt sind. Der zweite 
Abschnitt behandelt die Vorschriften für das Verfahren der Gerichtsärzte bei den 
gerichtUchen Untersuchungen menschUcherLeichen Yom 4. Jan. 1905, wobei in den 
Anmerkungen auf die Abweichungen Yon dem früheren Beg^atiY Yom 18. Febr. 
1875 hingewiesen wird. Der dritte Abschnitt bringt Beispiele für die Praxis. 
Als Anhang finden sich die Gebühren- und Beisekosten-Vorschriften. Bpd. 


AentUolie Reohtskimde. 12 Vorträge, gehalten Yon Geh. Sanitäts-Bat 
Dr. Aschenborn-Berlin, Geh. Beg.- und Med.-Bat Dr. Dietrich-Berlin, 
Prof. Dr. Florschütz-Gotha, Geb. Justiz-Bat Dr. Hellwig-Berlin, Geh. 
Med.-Bat Prof. Dr. Jolly-Berlin, Geh. Ober-Med.-Bat Prof. Dr. Kirchner- 
Berlin, Geh. Jostiz-Bat Prof. Dr. Yon Liszt-Berlin, Dr. Moll-Berlin, 
Dr. Mugdan-BerUn^ Beg.-und Geh. Med.-Bat Dr. Both-Potsdam, Geh. 
Ober-Med.-Bat Dr. Pistor-Berlin. Heraasgegeben Yom Zentralkomitee für 
das ärztUche FortbUdungHwesen in Preußen, in dessen Aufträge redigiert Yon 
Prof. Dr. Kühner. Jena 1907. Verlag Yon G. Fischer. 8^, 401 8. 
Preis: geh. 6 M., geb. 7 Mark. 

Um den Ansprüchen und Anforderungen der Jetztzeit genügen zu können, 
besonders um sich nicht unwissentUch irgendwelchen strafbaren Handlangen 
schuldig zu machen, anderseits aber, um ungerechten Anforderungen ge- 



BoBprcchungen. 


251 


bahrend entgegentreten za können, moB jeder Arzt in der ärztlichen Bechti- 
kande bewandert sein. In 12 Terschiedenen Vorträ^n wird diezee wichtige 
Gebiet kurz und bündig behandelt. Die einzelnen Vorträge sind in flotter, 
leicht verständlicher Weise geschrieben and enthalten alles Wissenswerte; ihr 
Wert wird durch eingeflochtene Beispiele noch erhöht. Größere rein wissen* 
schaftliche Erörterungen sind vermieden; es wird nur das lür das Verständnis 
unbedingt Notwendige gebracht. Die Vorträge werden dem praktischen Arzt 
und ärztÜehen Sachverständigen büchst willkommen sein. Bpd. 

ProB Dr. Kirohnur, Geh. Ober*Med.*Bat, Berlin: Die geaetsllohea Grund* 
legen der Seaohenbekflmpfung Im Deataohen Reloli unter be* 
eonderer Berflokalobtlgung Preuaaens. Festschrift für den XIV. Inter* 
nationalen Kongreß für Hygiene and Demographie, dargeboten von dem 
pnußischen Minister der geistlichen nsw. Angelegenheiten. Jena 1907. 
Verlag von G. Fischer. 8**, 885 S. Preis: geh. 5M., geb. 6M. 

I^ch einer kurzen Einleitung über die Entwicklnng der Senchengesetz* 
gebung, speziell im Deutschen Beiche und in Preußen, werden die jetzt gültigen 
Gesetze, das Beichsgesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefUirlicher 
Krankheiten, vom 80. Juni 1900 und das preußische Gesetz, betreffend die Be¬ 
kämpfung übertragbarer Krankheiten, vom 28. August 1905 in einzelnen Ab¬ 
schnitten: Anseigepflicht, Ermittelung der Krankheit, Schutzmaßregeln, Ent¬ 
schädigungen, allgemeine Vorschriften (Vorbeugungsmaßregeln, Verfahren und 
BehördiBn, Kosten, Pflicht der Bundesstaaten gegenseitiger Unterstützung usw.) 
und Strafvorschriften eingehend erläutert. Den betreffenden Abschnitten bezw. 
Kapiteln sind in Fettdruck die einschlägigen Bestimmungen des Beichsgesetzes, 
des Preußischen und des Braunschweigischen Senchengesetzes vorgedmckt und 
die Preußischen Ansführungsbestimmungen in Kleindruck beigefügt, eine für 
den praktischen Gebrauch des Buches sehr zweckmäßige Anordnung. In den 
Erläuternden werden wohl alle Fragen berührt, deren Beantwortung den be¬ 
teiligten Kreisen erwünscht sein dürfte; vor allem kommen in ihnen die 
Ziele und Erwägungen klar zum Ausdn»^ die für den Gesetzgeber bei dem 
Erlaß der Gesetze maßgebend gewesen sind, und deren Kenntnis die Vor¬ 
bedingung für ihre richtige Handhabung bildet. Verfasser, der bei der Aus¬ 
übung jener Gesetze in hervorragender Weise beteiligt gewesen ist und sidi 
hierbei große Verdienste erworben hat, war jedenfalls mehr denn jeder andere 
geeipiet, uns mit ihrem Geiste und ihren Absichten vertrant zu machen; daß 
er sich dieser Anf|;abe unterzogen und sie in so vorzüglicher Weise gelöst 
hat, dafür werden ihm alle diejenigen, die im Dienste der Seuchenbekämpfnng 
stehen, zu großem Danke verpflichtet sein. Sein Kommentar stellt sich als ein 
absolut zuverlässiger und deshalb nicht zu entbehrender Batgeber auf diesem 
schwierigen Gebiete dar; er kann deshalb sowohl Medizioalbeamten und 
Aerzten, als Verwaltungsbehörden aufs wärmste empfohlen werden. Je mehr 
sie sieh in seinem Inhalte vertiefen, desto mehr werden sie auch die großen 
Fortschritte erkennen und schätzen lernen, die dnrch die neue Gesetzgebung in 
bezug auf die Seuchenbekämpfung erreicht ist, trotz der mannigfachen Mängel, 
die ihr noch anhaften und hauptsächlich auf eine zu große Bücksichtnahme 
der gesetzgebenden Körperschaften auf den Einzelnen zum Schaden des All- 
gememwohu zurückzuführen sind. 

Im Anhang sind nicht bloß die betreffenden Gesetze und Ansführnngs- 
bestimmnogen im Wortlaut wiedergegeben, sondern audi die einschlägigen 
Bestimmungen in den übrigen Bundesstaaten berücksichtigt. Durch ein sehr 
ausführliches Sachregister wird außerdem das Nachschlagen und damit die 
nduelle Information außerordentlich erleichtert. Bpd. 

Dr. Behneider, Med.-Bat in Breslau: Dan preanelaolie Gesets, betr. 
die BekAmpfting tlbertregbarer Krankheiten, vom S8. Angnst 
1906 nnd die AasfOhrangs-Bestlniinnngen dann ln der Fassung 
TOm 16. September 1906, nebst dem Text des Relohsgesetaes, 
betreffend die Bekftmpfting gemelngeflhrlloher Krankheiten, 
TOm 80. Juni 1800. Breslau 1907. Verlag von J. ü. Kern. Kl. 8**, 
280 8. Preis; geb. 6Mark. 

Das vorliegende Buch soll denjenigen, die mit der Bekämpfung der 



252 


Besprechoogen. 


lofektioDskrukheiteD sa tan haben, die Handhabong der gesetzliehen 
Bestimmungen erleichtern. Nach einer allg<>meinen üeberoicht Aber die 
Entstehaog und den Inhalt des Gesetzes, geht Verfasser aal die Besprechnng 
der beiden Gesetze selbst Aber, deren Wortlaut in recht praktischer Weise 
derart wiedergegeben ist, daß auf der linken Seite des Baches der Text des 
preußischen Gesetzes, auf der rechten der des Beichsgesetses und der Aus- 
iAhrungs • Bestimmungen steht. Die wichtigsten Vorsdiriften der 8onderan> 
Weisungen yom 10. Aagnst 1906 Aber die Bekämpfang von Diphtherie, Ge- 
lückstarre, Eindbettfieber, KQrnerkrankheit, Bohr, Scharlach, Typhus, Milz¬ 
brand, Botz, sowie die sonstigen einschlägigen Bestimmungen und Ministerial- 
Erlasse sind in Anmerkung beigefOgt. In einem Anhänge werden die Vor- 
sebnften Aber Entnahme und Versendung yon Material für die bakteriologische 
Untersuchung, die Batschläge an Aerzte für die Bekämpfung der yerschie- 
denen Infektionskrankheiten und gemeinyerständliche Belehrungen zur Ver¬ 
breitung an die Bevölkerung gebracht. Die Anordnung des Stoffes ist recht 
klar, so daß das zum praktischen Gebrauch sehr geeignete Buch sowohl Me¬ 
dizinalbeamten und Aerzten, ab Verwaltungsbeamten und Polizeibehörden 
warm empfohlen werden kann. Bpd. 


Dr. KnefkA- Berlin-Lindenau: Haadbuoh den Abdeokerelveaaas, be- 
arbettat für Yemraltaags- und KommanalbehördeB, Saalt&ts-, 
Yeterln&r- und Qeverbeaaftlohtabeaznte. Mit 90 Textabbildungen. 
Berlin 1906. Verlag von P. Parey. Gr. 8*; Preb: geb. 15 M. 

Verfasser bespricht nach einer kurzen Einleitung und geschichtlichen 
Abhandlung zuerst die Abdeckereiprivilegien und die alten Verfahren zur Be¬ 
seitigung und Ausnutzung der Tierkadaver. Daran schließt sich eb kurzer 
Abschnitt Aber die Menge des zu beseitigenden Eadayermaterials, dem Abhand¬ 
lungen Aber die verschiedenen Beseitigungsverfahren und zwar der ohne und 
mit Ausnutzung dor im Kadarermaterial enthaltenen Wertstoffe, Aber die beim 
thermochemischen Verfahren gewonnenen Produkte, Aber die Anlage von 
thermochemischen Vernicbtungsaustalien -usw folgen. In kurzen Abschnitten 
werden hierauf Anzeigepfliebt für gefallenes Vieh, Transport mit tierischen 
Kadavern, Tötung kranker Haustiere, Hundefang, Abwasser, Verwaltung 
und Beaufsichtigung der Abdeckereien behandelt und im Anschluß hieran 
die auf das Abdeckereiwesen bezugnehmenden deutschen Beichsgesetze, 
die Einrichtung yon Verbands- und Kreisabdeckereien, von Vernichtnngsan- 
lagen in Verbiudung mit städtischen Schlachtböfeu und yon Nebenbetrieben 
zur Beseitigung und Ausnutzung sonstiger Schlachthofabfälle erörtert. Den 
Schluß bildet eine Schilderung über den gegenwärtigen Stand des Abdeckerei- 
wesens im Deutschen Beiche. Das Werk zeichnet sich sowohl durch Aher- 
sichtliche Anordnung, als völlig erschöpfende Darstellung des Stoffes aus und 
gewährt einen vorzüglichen Ueberblick über das ganze Abdeckereiwesen. 

_ Bpd. 


Dr. ZiAbbin, Chemiker, und Dr. Baiui, Bechtsanwalt, Berlin: Deatsohes 
Nahmngsznlttelreoht für Jarleten, Medlslner, Chemiker und 
Qeverbetrelbende. I. Teil. Handba<‘h des Nahrungsmittelrechts von 
Dr.Lebbin und Dr. Baum. Berlin 1907. Verlag von J. Guttonherg. 
Gr. 12**, 555 Seiten. II. Teil: Amtliche Untersuchungsmethoden für Chemiker 
von Dr. Lebbin. Berlin 1907. Verlag J. Gattentag. Gr. 12**, 224 8. 

Der I. Teil enthält eine systematische Bearbeitung des Nahmngsmittel- 
wesens. Zuerst werden die allgemeinen Verhältnisse des Nahrungsmittel- 
rechtes besprochen, wie Gewerberecht der Nahrnngsmittclbetriebe, Nabrungs- 
mittelstrafrecht und andere. Dann werden die Begriffe des Nahrnngs- 
mittelgesetzes genau definiert: Begriff des Nahrungs- und Genußmittels, 
des Vertriebes und der Verwendung, des Verfälschens, der Zubereitung 
und Frische usw. In einem dritten Abschnitt, der systematisches Nah- 
rungsmittelrecht betitelt ist, werden die einzelnen Nahrungsmittel genau 
durchgesprochen. In einem Anhang sind die verschiedenen einschlägigen Ge¬ 
setze aufgefdbrt. Den einzelnen Kapiteln sind zur Erläuterung und Ver¬ 
ständnis einschlägige Entscheidungen des Beichsgcrichts Wgefügt. Das Buch 



Besprecbuogea. 


^ö3 


ist klar oad kickt Tdrstäadlick geschrieben; es enthalt für die Interessenten 
allee Wissenswerte nnd wird daher ein guter und sicherer Batgeber sein. 

Der IL Teil bringt neben allen tod der Beichsregierung in benag auf 
die Nahraogdmittelgesetzgebang festgesetzten Untersucbangsmethoden nach 
dk die Nahrongsmittelantersachang betreffenden Vorschriften der Zoll- and 
Steaerbebörden. Der Inhalt ist knapp and sachlich seiner Bestimmang gemäß 
gehalten, längere wissenschaftliche Erörterungen sind vermieden, lediglich die 
Art and Weise der Untersachangsmethoden wird besprochen, diese aber auch 
erschöpfend. Bei dem sehr handlichen Format wird dieser Teil speziell dem 
Nahrangsmittelchemiker sehr willkonjinen sein. &pd. 


J. mndM-Wien: Maaaale der nnaeii JärsneimlUel fttr Apotheker, 
Aerste und Drogisten. 5. neabearheitete Auflage. Leipzig 1907. Ver¬ 
lag von F. Deuticko. 12**; 586 8, Preis: geb. 10 M. 

Bei der ungeheueren, ständig wachsenden llenge unserer neueren Arznei¬ 
mittel ist ein derartiges Nachschlagebuch fttr den Arzt resp. Apotheker unbe- 
dkgt erforderlich. Daß das Buch einem Bedürfnis entspricht, zeigt die Not¬ 
wendigkeit einer fttnften Auflage. Die einzelnen Arzneimittel sind alphabetisch 
geordnet und bei jedem kurz die Zusammenzetzung, Anwendung und Art der 
Herstellung usw. angegeben. Wichtigere Arzneimittel sind etwas auRftthrlicher 
behandelt; bei ihnen sind die Darstellungsweise, Identitätsreaktionen, Prttfungs- 
methoden, Art der Aufbewahrung usw. berücksichtigt, was in den früheren 
Auflagen zum Teil nicht der Fall war. Zur besseren üeber-<icht sind in dieser 
Auflage die Artikel über ^Heilsera", „Organ-Präparate", „Nährpräparate usw." 
in einzelnen Abschnitten znsammengefaßt. Das Buch ist handlich und über¬ 
sichtlich; letztere Eigenschaft wird wesentlich durch zwei ausführliche Be- 
gister, ein Namens- und therapeutisches Verzeichnis unterstützt. Bpd. 


Dr. ICamlook- Berlin: Frledrlokn den Oronnem Korreeapondens mit 
den Aersten. Stuttgart 1907. Verlag von F. Enke. 8**; 168 8., Preis 
geb. 6 M. 

Nachdem Verfasser in der Einleitung einen kurzen Ueberblick über die 
damalige medizinische Wissenschaft, speziell über die Organisation, Leistungen 
des Militärsanitätswesens, über die Stellung Friedrichs des Großen dazu ge¬ 
geben hat, bringt er 121 chronologisch geordnete Briefe, die meist vom König 
selbst stammen oder au ihn gerichtet sind und in der Mehrzahl bis jetzt 
unbekannt waren. Die Briefe geben nicht nur ein schönes Bild von der 
Tätigkeit des großen Königs auf diesem Gebiete, sondern bringen auch einen 
wertvollen Beitrag zur Qencbichte der Medizin. Ihr Inhalt wird Jedermann, 
Mediziner oder Niebtmediziner, in hohem Grade interessieren. Bpd. 


Dr.PftVlMombert: Stadien ans BeTÖlkenrngnbevegung in Deutsok- 
land. Karlsruhe 1908. Verlag von G. Braun. Preis: 8 Mark. 

Wie der Verfasser in der Einleitung ausführt, hat er die beiden Kapitel: 
Dk Sterblichkeit nnd die Eheschließung, nur so weit behandelt, als dies not¬ 
wendig ist, um das dritte Kapitel „Die Geburten" verständlich zu machen. 

Mombert weist nach, daß die Zahl der Geburten vor dem Jahre 1870 
abhängig war von den zufälligen wirtschaftlichen Verhältnissen. Erst seit 
80 Jahren (1876) finden wir in Deutschland eine konstante Abnahme der Ge- 
burtsziffer, die nicht mehr parallel den wirtschaftlichpu Schwankungon gebt. 
Diese lange, stets fallende Tendenz der Bevölkerangsergänzung durch Geburten 
hat nach Mombert innerliche Ursachen. Eigentlich hätte man eine starke 
Zunahme der Geburten erwarten dürfen; denn die Zahl der Ehen wächst, die 
Verjüngung der Ehen nimmt stetig zu, ebenso die Dauer der Ehe; die jüngeren 
Alterstdassen im deutschen Volke haben gegenüber den älteren an Uebergewicht 
gewonnen; Unter Umstände, die eine Vermehrung der Geburten hätten zur 
Folge haben sollen. Um so bedeutungsvoller ist die Abnahme der Geburts- 
äffer. — Mombert weist dios fttr Deutschland nach, was sich vorher in 
ganz gleicher Weise fttr Bayern gezeigt hat. Mombert stimmt mit mir auch 
über die Folgen dieser Erscheinung überein, in dem er seine Abhandlung also 
schließt: „Vielkicht wird man in nicht allzu ferner Zeit den Kernpunkt der 



251 


Besprechungen. 


BeTölkerongsfrage, auch in anderen Ländern als in Frankreich, weniger in 
einer allzn starken, als in einer za schwachen BerSlkerangszanahme za er¬ 
blicken haben.** 

M. geht dann daran, die Erklärong Ihr diese Erscheinong zn bri^en 
and entsprechend seinem Berate, glaabt er diese nahezu aossehliälich in wut* 
schaftlichen Grttnden za finden. Für ihn ist die Höhe der Ansprache, die eine 
BerOUcerangsklasse oder eine Ortsberölkerang an das Leben stell^ maßgebend 
ffir die Zahl der Kinder, indem man darch Einschränkung der Kinder die Er¬ 
reichung dieser höheren Ansprache anstrebt. Dieser Faktor — die gewollte 
Kindereinschränkung — wird wohl Ton jedermann, auch von den Aerzten in seiner 
Bedeutung gewhrdigt. Dagegen yerhält sich M. sehr ablehnend gegen die yon 
yielen Aerzten (darunter auch yom Beferenten) aufgestellte Theorie, daß die 
Kruchtiähigkeit hochkultiyierter Völker abnimmt. Als Beweis seiner Ansicht 
fahrt er unter anderem an, daß die Zahl der Sparkassenbacher im allgemeinen 
im umgekehrten Verhältnis steht mit der Zahl der Kinder. Er stellt die ge¬ 
ringere Zahl der Kinder als die Folge des Sparsinns hin. Ohne die Berechti- 
gang far diese Annahme gänzlich abstreiten zu wollen, kann man aber Ihr 
einen großen Teil der Beyölkerung die omgekebrte Beihenfolge annebmen; 
Wer eine große Kinderzahl zu yersorgen bat, hat keine OMegenheit far Spar¬ 
einlagen. Die Spareinlage ist sicher in yielen Fällen nicht die Ursache, son¬ 
dern die Folge der geringen KinderzahL üeberdies habe ich far Bayern gezeigt, 
daß die Kapitalsbildüng hauptsächlich auf dem Lande stattfindet, während 
sie in der Stadt geringer ist, und in Bayern ist nach meinen Feststellungen 
das Land geburtenreicher als die Stadt. Zudem ist fOr Bayern nach meinen 
Erfahrungen die Spareinlage kein sicheres Merkmal des Sparsinns and der 
daraus gefolgerten Ansprache auf das Leben. In bäuerlichen und bargerlichcn 
Kreisen muß eben ein großer Teil des Uebergewinnstes zum Abzidilea der auf 
den Realitäten liegenden Schulden yerwendet werden, so daß die Sparsumme 
nicht in der Spareinlage zum Vorsch«^ kommt. Endlich yerwendet ein großer. 
Teil der ländlichen Beyölkerong die ersparte Summe zur Erlangung der 
Selbständigkeit. 

Auch noch in einem anderen Punkte muß ich als Ortsudssender H 
energisch widersprechen. Er yerwirft nämlich die Bassentheorie, d. h. er leug¬ 
net, daß die Basse Einfiuß auf die Zahl der Blinder bat Als Gegenbeweis ffir 
die Richtigkeit der Bassentheorie führt er an, daß Niederbayern und Oberpfalz 
eine höhere ehelidie Fruchtbarkeit haben, als die yon Polen bewohnten östlichen 
Gebiete. Er fährt dann fort: «Ich wttßte nicht, was stärker gegen die oben 
genannte „Bassentheorie“ sprechen könnte. Der Anhänger derselben muß ganz 
ratlos yor der Tatsache stehen, daß in rein deutschen Gebieten die eheliche 
Fruchtbarkeit zum Teil höher ist, als in den polnischen Landesteilen. Anders 
geht es demjenigen, der den Einfiuß der sozialen und kulturellen Lage einer 
Beyölkerung auf die Höhe der Fruchtbarkeit kennt. Er weiß, daß die Ober¬ 
pfalz und Niederbayem in ähnlicher Weise wie die polnischen Landesteile zu 
den ärmsten und rückständigsten Teilen Deutschlands gehören und sieht dort, 
wo der „Bassencharakter“ am Ende seuer Weisheit steht, nur einen neuen 
Belag für die Richtigkeit seiner Auffassung.“ — Ich bin 20 Jahre als Arzt in 
Niederbayern in drei yerschiedenen Orten tätig gewesen, und ich habe in dem 
eigentlichen Niederbayern keine Spur yon Armut gefunden. Vielleicht schlägt 
M. ein yolkswirtschaftliches Lehrbuch nach; er wird dort finden, daß gerade 
Niederbayern die „Kornkammer“ Bayerns genannt wird und ich yersichere ihm, 
daß die meisten Amtsärzte Niederbayems über die zu hohe Lebensführung der 
Einwohner klagen. Die hohe Lebenshaltung in Niederbayern ist sprichwörüich. 
In der Oberpfalz ist allerdings die Lebenshaltung geringer, allein die Kapitals- 
bildung ist dortselbst eine ganz beträchtliche, wie die Steuerstatistik Bayerns 
beweist. — Als Lokalkundiger muß ich H. darauf hin aufklären, daß die hohe 
Kinderzahl Niederbayerns hauptsächlich durch die nördlicheren Bezirke des 
Kreises, durch den Bayerischen Wald, heryorgerufen wird; und der Bayerische 
Wald ist gegenüber dem eigentlichen Niederbayern arm und insofern fällt ja 
die yon M. angenommene höhere Lebenshaltung und geringere E^inderzahl zu¬ 
sammen. Trotzdem kann diese Koinzidenz nicht als Beweis für die Ansicht M.8 
und als Gegenbeweis für die Bassentheorie verwendet werden. Wie nämlich in 
Bayern jedermann weiß, ist die yon König Ludwig yorgenommene Abgrenzung 



Tagesoacliriehten. 


966 


der Kreise gerade in der Abgrenzung Ton Niederbayern und Oberpfalz etbno- 
gnphiseh falsch. Der niederbayerische »Waldler* ist ebraso «(^erpfälzer", 
wie der fr&nkische Teil bis zu Nürnberg hin. Gerade dieser erweiterte Begriff 
^Oberpfalz“ zeichnete sich durch hohen Kinderreichtum aus und merkwürdig, 
diese erweiterte Oberpfalz hat sehr, sehr viel slarisches Blut in den Adern; 
es ist ja das alte gSlaTonia**; Gesichtsbildung, Scbädelformation, Namen von 
Ortschi&en, Flecken, Bergen, Geschlechtern, bitten und Gebräuche, selbst die 
alte Volkstracht, alles ist mit dem nahen Slavenvolke ganz verdächtig ver¬ 
wandt. Dazu kommt, daß die reicheren benachbarten Niederbayern und die 
Franken in die rauhe Oberpfalz nicht abwanderten; wohl aber bezo^ die 
Oberpfälzer ihre Frauen oft ans Böhmen, wie sie dies jetzt noch tun. ^dlich 
darf man nicht vergessen, daß gewisse Handwerker, z. B. die Maurer, die 
Hopfenpflücker, die Dienstboten der Landwirtschaft, das ganze fahrende Volk 
ans Böhmen das Hanptkontingent stellten und noch stellen. Dazu noch die 
oftmaligen Ueberschwemmnngen mit szediischen Eriegsvölkem (Hussiten). Dem 
Blute nach, allerdings nicht nach Sprache und Gesinnung, ist die Oberpfalz 
im weiteren und engeren Sinne stark slavisch. H. hat also gerade das Gegen¬ 
teil bewiesen von dem, was er beweisen wollte. Ich gestehe Ihm aber gerne 
zu, daß der wissenschaftliche Forscher nicht vor dem Worte „Basse“ Halt 
machen darf. „Basse“ ist aber ein Produkt unserer Einwirkungen; und die 
Erforschung dieser Einwirkungen muß der Gegenstand der weiteren Studien 
sein. — Abgesehen von diesen und anderen Irrungen kann ich jedem Ver- 
waltungsarzt die Abhandlung dringendst empfehlen. 

Bezirksarzt Dr. G raß 1- Lindau. 


Tagesnachrichten. 

Anz dam Balohataf a. Bei der dritten Etatsberatung vom 29. März 
regt der Abg. Dr. Faßbender (Zentrum) beim Kapitel „Gesundheits¬ 
amt* den Erlaß eines Gesetzes über den Kinderschutz an und betonte die Not¬ 
wendigkeit einer eingehenden Aufklärung und Belehrung der Bevölkerung über 
die gesundheltsgemlsse Emlhrnng sowie über die Gefahren des Alkoholge- 
Bussas und der Tuberkulose. Auch über die Gefahren des Tabakranehens, 
besonders im jugendlichen Alter sollen Untersuchungen angestellt und ihre 
Ergebnisse in Form von Merkblättern veröffentlicht worden. Die Abg. Dr. 
BOsicke (kons.) und Baumann (Zentr.) bitten, die in Aussicht gestellte 
Vorlage betreffs Aenderung des Weingesetzes tunlichst zu beschleunigen, was 
von dem Staatssekretär des Innern v. Bethmann-Hollweg ungesagt wird. 
Die sozisldemokratiscben Abg. Zubeil und Lehmann beschweren sich über 
die mangelhafte Durchführung der Verordnung zur Verhütung der Bleiver- 
giftnngsgefahr sowie darüber, daß gewerbliche Bleivergiftungsfälle nach der 
ünfallversicherung nicht entschädigungspflichtig seien. Man solle die Verwen¬ 
dung des giftigen Bleiweiß überhaupt verbieten, zumal in dem ungiftigen De- 
Biantweiß ein Ersatzmittel gegeben sei. Ministerialdirektor Caspar erklärt 
demgegenüber, daß nach den bisherigen Erfahrungen ein vollwertiges Ersato- 
mittel für das Bleiweiß noch nicht gefunden sei und daß sich die geltenden 
Vorschriften über die Verhütung von gewerblichen Bleivergiftungen durchaus 
bewährt hätten; jedenfalls habe die Zahl derartiger Erkrankungen erheblich 
abgenommen. 

Bei dem Kapitel „Beichsversicherungsamt“ wird von dem Abg. 
Erzberger (Zentrum) der Wunsch ausgesprochen, daß die Versicherungsan¬ 
stalten mehr als bisher dazu übergehen sollten, eigene Heilstätten zu errichten; 
«ißerdem fordert er eine größere Berücksichtigung der Seelsorge in diesen 
Anstalten, die nicht simultan, sondern womOgUch konfessionell sein sollten. 
Schlieslich weist er auf die Notwendigkeit einer intensiveren Forderung des 
Krankenpfl^ewesens hin, auf den die beiden Konfessionen bahnbrechend vor¬ 
gegangen seien. Die Versicherungsanstalten sollten eine Art freier uncntgelt- 
ucher Krankenpflege einführen, wie es in der Bheinprovinz und in Oberschlesien 
zum Teil schon geschehen sei Die Abg. Everling (nat.-lib.), Cuno (fr.Volksp.) 
und Sehrader (fr. Vereinig.) wenden sich entschieden gegen die Absicht, 
den Begriff „konfessionell“ ln die Versicherungsanstalten usw. hineinzubringen, 
die Angabe der Heilstätte sei. Kranke zu heilen; die Konfession müßte dabei 





256 


TAfesnaehriehten. 


anfier Spiel bleiben. Der Abg. Dr. Magd an (fr.'Volksp.) üt der glichen 
Ansicht, wenn er auch die Terdienstrolle Tätigkeit der katholischen und 
erangeiischen Krankenpflegerinnen darchans anerkennt. 


Ans dem pmnmlflohen I>andtage. Das Abgeordnetenhans 

bat in seiner Sitzung vum 23. März d. J. das QnellenHOhatsgeseti in der 
dritten Lesnng nach langer Debatte in der von der Kommission Torgeschlagenen 
Fassnng, die bei der zweiten Lesnng die Znstimmang des Landtags gelnnden 
hatte, unverändert angenommen. Ein Antrag, das Verwaltangsstreitverfahren 
als letzte entscheidende Instanz Aber die Entschädigung der Gmndeigentttmer 
einznltthren, wurde abgelehnt. 

In derselben Sitzung gelangte dann der Gesetzentwurf, betreffend die 
Gebühren der Uebammen, zur Beratung, in der sich sämtliche Redner für 
den Gesetzentwurf aussprachen. Derselbe gelangte ohne wesentliche Aende- 
rungen gleich in zweiter Losung zur Annahme. § 1 erhielt einen Zusatz, daß 
„vor Festsetzung der Gebührenordnung die Kreisaubscfaüsse, in Stadtkreisen 
^e Gemeinden zu hören sind*, und § 2 wurde dahin geändert, dafl die Be- 
Bchwerdeinstanz nicht der Regierungspräsident, sondern der Bezirksausschuß 
sein soll. Eine Resolution dabin gehend, daß den Hebammen Gebühren und 
Auslagen, die wegen Mittellosigkeit der Wöchnerinnen nicht beigetrieben 
werden können, aus öffentlichen Mitteln ersetzt werden sollen, gelangte nicht 
zur Annahme. Bei der Beratung betonte der Herr Kultusminister Dr. Holle, 
daß das heutige Hebammenwesen völlig unzulänglich sei, und daß, wenn der 
letzt eingeschlagene Weg nicht zum Ziele führen sollte, ein anderer Weg 
gewählt werden müsse, um die notwendige Verbesserung des Hebammenwesens 
wirklich zu erreichen. Jede bureaukratische Ordnung solle bei der Neuregelung 
vermieden und das, was sich einmal bewährt habe, möglichst geschont werden, 
was bei einer allgemeinen gesetzlichen Regelung nicht möglich gewesen wäre. 
Die Taxen müßten so gestaltet werden, daß sie den Hebammen ein genügendes 
Einkommen gewähren, das den erhöhten Anforderungen an ihre Ausbildung 
und an ihre Leistungen am Wochenbette entspreche. Auch sei es erforder- 
lieh, daß die Bezirkshebammen in solchen Fällen, in denen sie einen Armen 
behandeln, trotzdem für ihre Hüheleistang eine Bezahlung erhalten, daß 
ferner der unlautero Wettbewerb unter den Bezirkshebammen ausgeschlossen 
werden müsse, daß namentlich nicht die eine unter das Minimum der Gebühren 
hernntergehen dürfe, um dadurch in dem Bezirk der anderen Praxis zu be* 
kommen. Apparate, Desinfektionsmittel und alles, was die Hebamme für ihren 
Beruf brauche, werde eigentlich schon jetzt in allen Fällen den Bezirkshebammen 
auf Kreiskosten geliefert. Dabei werde es auch weiter verbleiben müssen. 
Ferner bekomme die Hebamme auch schon jetzt in den meisten Fällen eine 
Entschädigung, wenn sie zufolge Ansteckung am Krankenbett eine Zeitlang 
ihrem Beruf entzogen werde, wenn sie selbst erkrankt und dadurch zur Aus¬ 
übung ihres Berufes nicht in der Lage sei, oder, wenn sie schließlich ganz 
unfähig werde, ihren Beruf anszuüben. Die Gewährung von Beihilfen aus dem 
Hebammenfonds von 50000 Mark werde außerdem ausdrücklich an die Be¬ 
dingung zu knüpfen sein, daß der Kreis sich verpflichtet, den Bezirkshebammen 
für die Besorgung von Armenentbindungen eine entsprechende Entschädigung 
zu gewähren. Erwünscht sei es, einen geeigneten und praktischen Weg zu 
Anden, um auch der freien Hebamme eine angemessene Entschädigung in den 
Fällen zu sichern, wenn sie, ihrer instrnktionsmäßigen Pflicht entsprechend, 
ihre Arbeitskraft und Mühe eingesetzt habe. Der Gesetzentwurf ist dann auch 
in dritter Lesung vom Landtage und am 1. d. M. vom Herrenhause mit der 
beschlossenen Abänderung angenommen worden. In derselben Sitzung des 
Herrenhauses bat bei Beratung des Medizinaletats Graf Hutten*Czapski 
um Aufnahme des großen Gebietes der experimentellen Therapie, insbesondere 
der Semmtberapie, in die medizinische Prüfungsordnung. Dafür könnten 
andere Fragen, z. B. der technischen Hygiene, aus der Piüfungsordnnng aus- 
Bcheiden. Graf Roon klagte über zu schablonenhafte NahrungsmittrlkontroUei 
insbesondere auf dem Lande. Kultuaminister Dr. Holle erhärte sich bereit, 
zu prüfen, ob die Bestimmungen über die Ausübung der Nahrnngsmittel- 
kontrolle vereinfacht werden könnten. 



Tagesnachrichten. 


257 


Arm d«m bayerlaohan Irfuidtag«. Id der Sitinog yom 16. t. M. 
edaogte die Bekimpfvog der Eiademterbllehkelt nod TerbeueniBK der 
SiofliDgapllt'ge zur Erörterung. Der Staatsminister des Innern wies auf 
die erlulgreicben Bern Übungen bio^ die auf diesem Gebiete in verscbiedenen St&dten 
(Begensburg, Nürnberg, Fürth usw.) erzielt seien und sprach seine Zostimmung 
zu der beabsichtigten Errichtung einer Zentralstelle für Säuglingspflege aus. 
Die Kammer, die vor nicht langer Z«it einen Antrag des liberalen Abg. Pfarrer 
Orandinger anf Errichtung von ärztlichen Pflegebezirken für Säuglinge in 
Gebieten mit großer Säuglingssterblicbkeit und Oebernahme der dadurch ent* 
stehenden Kosten anf Staatsmitteln abgelehnt hatte, nahm jetzt einstimmig 
einen Antrag des sozialdemokratischen Abg. Segitz an, dahingehend: 

,,im «Etat für Gesundheit“ den Betrag yon 50OVO II. einzustellen, ans welcher 
Somme Gemeinden, die mit Sänglingsfürsorge besondere Anfwendungen 
machen, sowie Vereine, die sich die gleiche Aufgabe gestellt haben, nach Haß* 

K be der yerfügbaren Mittel ihrem Aulwande entsprechende Subyentionen er* 
Iten sollen.“ 

Der Entwurf des Gesetzes gegen die Kurpfuscherei wurde yon dem Abg. 
Dr. Süß heim (Sozialdem.) einer Kritik unterzogen, in der er zwar die Not* 
Wendigkeit einer scharfen Bekämpfung der schwindelhaften Kurpfuscherei an* 
erkannte, aber anderseits aus seinen Bedenken gegen zu weitgehende Maßnahmen 
in bezug auf die Naturheilkunde keinen fiebl machte. Der Staatsminister 
des Innern stellte zunächst die Beratung des Entwurfs durch sachyerständige 
Organe in Aussicht; die Stellungnahme der Regierung müsse er sich bis dahin 
yorbehaiten. Daß auch ein Nichtfacbmann manchmal gute Heilmethoden habe 
und die Naturheilrereine manches Gute angeregt und erreicht hätten, lasse 
sich nicht yerkennen; der Gesetzentwurf wolle aber keine Heilmethode be* 
kämpfen, sondern nur den Unfug und Schwindel, der yon den Hcilkünstlem 
getrieben werde. 

Den für die Medizinalbeamten interessantesten Teil der Landtagsyer* 
handlnngen bilden jedenfalls diejenigen über die Stellnng der Amtsärzte, über 
die in der Münchener medizinischen Wochenschrift yom 81. y. M. (Nr. 81) wie 
folgt berichtet wird: 

,Bei dem Kapitel Obermedizinalausschuß wurde der Wunsch 
yertreten, in diesen Ausschuß auch einen Kassenarzt aufznnehmen, wogegen 
nach der Erklärung des Ministers kein Bedenken besteht. Der Anregung, in 
die Kreismedizinalausschüsse auch anf dem Lande lebende Aerzte ein* 
berufen, ist in der Hälfte der Kreise schon entsprochen; dem oberbayerischen 
Ausschuß gehören, was für dringlichere Sitzungen yon Vorteil ist, s. z. aller* 
dings nur in München ansässige Aerzte an, die aber zum guten Teil auch in 
ländlichen Verhältnissen Erfahrung haben. 

Die Petition des bayerischen Medizinalbeamtenyereins 
betr. den Ausbau des Medizinalwesens bildete die Grundlage zu sehr aus* 
gedehnten Erörterungen. Von yerschiedenen Seiten wurde gewünscht, daß 
die Amtsärzte yollständig aus der Privatprazis aosscbeiden und ausschließlich 
sich ihren Amtsgeschäften widmen sollten, die mehr oder weniger durch die 
Privatprazis zu leiden hätten, je mehr der Geschäftsbereich durch die schul¬ 
ärztliche Tätigkeit, üeberwacbnng der Kostkinder etc. sich ansbreitet. Ebenso 
sei es notwendig, den Bezirksärzteu, um ihren yolksbygieniscben Aufgaben 
gerecht zu werden, eine größere Selbständigkeit zu gewähren. Hierzu betonte 
der Minister, daß eine gewisse Einschränkung, aber nicht ein vollständiges 
Anfgeben der Privatprazis zu wünschen sei; die Amtsärzte sollen nicht ganz 
den Fortschritten der praktischen Medizin entfremdet werden und müssen 
geradezu an kleineren Orten, wo für einen zweiten Arzt kein Ffld ist, die 
ärztliche Präzis yersehen. Aber entschieden sei der Dienst der Bezirksärzte 
zu erweitern und selbständiger zu gestalten; es sei zu beklagen, daß sie 
gegenwärtig zu wenig in ihren Bezirk hinanskommen und daß die ihnen anf* 
erlegten Verpflichtungen oft nur auf dem Papier stehen. Sie sollen viel mehr 
in die Schnlhänser und Krankenhäuser kommen, sich um die Geisteskranken 
und Blöden annehmen, die allgemeinen gesundheitlichen Verhältnisse der Ge¬ 
meinden überwachen. Bei der Visitation der Geisteskranken, der Apotheken, 
Bader und Hebammen kann dem Bezirksarzt eine yiel größere Selbständigkeit 
eingeränmt werden. Ferner sagte der Minister die Ausgestaltung der Kurse 



258 


Tagesnachriohten. 


zar Fortbildung der Amtsärzte unter Oewährnng tou Urlaub und Znsehflsson 
Ittr Studienreisen und dergl. zu, ebenso die Erieichterung der mechanischen 
Schreibarbeiten, die Bereicherung der gerichtsärztlichen Instrumentarien und 
Bibliotheken. Der Erlaß einer Dienstordnung für die Amtsärzte ist in 
Vorbereitung. Die mehrfach kritisierte Ueberwachnng der Protistuierten wird 
eine Neuregelung erfahren. Unter dem lebhaften Beifall des Hauses schloß 
der Minister mit der Versicherung, „daß er dem Ausbau des amtsärztliehen 
Instituts sein volles Interresse entgen bringe und gerne bereit sei, nach der 
Bichtung die erforderlichen Schritte einzuleiten*. Damit würdigte der Mi¬ 
nister die wesentlichen, von dem Abgeordneten Dr. Sttßheim gegebenen An¬ 
regungen, der im Speziellen noch die zunehmende Bedeutung und Verantwort¬ 
lichkeit des gerichtsärztlichen Dienstes hervoihob und für die Schaffung ent¬ 
sprechender Vorrückungsstellen sowie von Hilfskräften bei den größeren Oerichts- 
bezirken, prinzipiell aber für die Uebernahme der Landgerichtsärzte auf das 
Ressort des Justiministeriums, eintrat. Dieselbe Berücksichtigung bezüglich 
der Gehalts- und Beförierungsverhältnisse, sowie der Titeiverleihung wünschte 
der Abgeordnete Dr. Einhauser auch für die Bezirksärzte, sich eingehend 
über deren wichtige Aufgaben für die öffentliche Wohlfahrt verbreitend. 

Erwähnt muß noch werden die Forderung, daß sowohl in der Prüfung 
für den ärztlichen Staatsdienst, als bei der Fortbildung der Amtsärzte der 
Gewerbehygiene ein ihrer Bedeutung entsprechender vermehrter Raum gewährt 
werde. Der Abgeornete Prot Günther wünschte die- baldige Anstellung 
nicht nur eines, sondern mehrerer Gewerbeärzte. Die Neuforderungen für drei 
Bezirksarztstellen, einen gerichtsärztlichen Assistenten in Begensbnrg und die 
Fahrgdldentschädigung für den mit dem Besuch der Eostkinder betrauten 
Pnysikatsassistenten in München (500 M.) wurden bewiiligt. 

Die hier kurz skizzierten, von keinem Mißton gestörten Verhandlungen 
bedeuten schon jetzt einen schönen Erfolg der Bestreben des bayerisi^en 
Medizinalbeamtenrereins. Das verständnisvolle und wohlwollende En^egen- 
kommen der Regierung wie der Kammer läßt eine Neuregelung des Medizinal¬ 
wesens erhoffen, welche sowohl für die öffentliche Wohlfahrt und Gesundheits¬ 
pflege einen kräftigen Fortschritt bedeutet, als auch eine Stärkung des sozialen 
Ansehens des Aerztestandea und der Berufsfreudigkeit der Medizinalbeamten.* 

Auch wir können die bayerischen Medizmalbeamten zu diesem schönen 
Erfolge ihrer Bestrebungen nur beglückwünschen; hoffentlich läßt es die 
K. Staatsregierung bei den schönen Worten nicht bewenden, sondern bringt 
die in Aussicht gestellte Neuregelung der amtsärztlichen Stellung recht bald 
zur Durchführung. 


Die dem sächsischen Landtage vorgelegte Neuordnung der Be- 
soldnngsverhältnlsse der Bezirksirzte ist von der Ersten Kammer in ihrer 
Sitzung vom 26. März d. J. einstimmig genehmigt. 


Am 28. März d. J. hielt das Komitee der Robert Koch-Stiftung eine 
Sitzung ab, die von dem stellvertr. Vorsitzenden Geh. Rat Alt off geleitet 
wurde. Der Schriftführer Prof. Dr. Schwalbe erstattete den Geschäftsbericht 
und an Stelle des abwesenden Schatzmeisters den Kassenbericht. Gestiftet 
bezw. gezeichnet sind bisher einschließlich der Carnegiespende 823000 Mark. 
Hiervon sind durch deutsche Aerzte allein 35000 Mark aufgebracht. Eine 
Ergänzung der Sammlungen auf die zunächst erstrebte Million wird seitens 
des Komitees erhofft; sie ist um so mehr erwünscht, als Carnegie bekannt¬ 
lich seine halbe Million nur unter der Voraussetzung gezeichnet hat, daß sei¬ 
tens des Komitees ebenfalls eine halbe Million ans Sammlungen aufgebracht 
wird. Die Ausarbeitung der Stiftnngssatznngen wurde einer ad hoc gewählten 
Kommission überwiesen. 


*) Siehe diese Zeitschrift; Jahrg. 1907, Nr. 21, S. 751. 

*) Diese beträgt nicht eke MiUion, wie in Nr. 5 der Zeitsdirlft, S. 184 
mitgetdlt ist, sondern 600000 Mark. 



Tagesnachrichten. 


259 


Laat Bckanntmacbng des EOnigl. Bayerischen Staats* 
ministerinms des Innern vom 16. März d. J. findet anch in diesem Jahre 
ein bakteriologischer Knrs fllr Amtsärzte und solche Aerite statt, welche die 
Prfifnng für den ärztlichen Staatsdienst bestanden haben, ihren Bernl in Bayern 
ansttben, aber nicht in einer der drei Unirer.^tätsstädte Bayerns wohnen, üm 
ihnen die Teilnahme an dem bakteriologischen Knrs, der vom 28. September 
mit 10. Oktober 1. J. im hygienischen lastitnt der Universität Erlangen abge¬ 
halten wird, za erleichtern, erhalten sie eine Ayersalsnmme von je 250 M. 
Amtsärzte und praktische Aerzte, welche sich daram bewerben wollen, haben 
ihre Gesuche bis 1. Mai 1908 beim EOnigl. Staatsministerinm des Innern ein¬ 
zareichen, die Einsendung von Belegen aber zu unterlassen. 


Der Zentralverband zur Bekämpfung des Alkohollsmus 
(Berlin) veranstaltet auch in diesem Jahre wissenschaftliche Kurse som 
Stndlnm des AlkoholismuS) die vom 21.—25. April in Berlin im Landeshause, 
W. Matthäikircbstrafie 20 abgehalten werden, ittr die folgendes Programm 
aufgestellt ist. 

Dienstag, den 21. April: Eröffnungsansprache (Geh. Med.-Bat Prof. 
Dr. Bubner-Berlin); Physiologische Wirkungen des Alkohols (Beg.-Bat Dr. 
Bost, vom Eaiserl. Oesundheitsamte Berlin); die katholische Eirche im 
Eampfe gegen den Alkoholismus (Monsignore l3r. Werthmann, Geist!. Bat, 
Freiburg im Br.); Wehrkraft und Alkohol (Oberstabsarzt Dr. Brunzlow- 
Posen. — Mittwoch, den 22. April: Oasthansreform auf dem Lande (Pastor 
Beetz-Siedkow); Alkohol und Geschlechtskrankheiten (Or. med. Wolf- 
Schöneberg). — Donnerstag, den 23. April: Das Trinken in der deutschen 
Geschichte (Pastor Dr. Stubbe-Eiei); Alskoholismus und Deutschtum in 
den Vereinigten Staaten von Nordamerika (Prof. D. Dr. Bade-Marburg); 
Die Bedeutong der AlkohoKrage für die Arbeiterschaft (Gewerbeinspektor Dr. 
Bender-Berlin). — Freitag, den 24. April: Die evangelische Eirche im 
Eampfe gegen den Alkoholismus (Eonsistorialrat Pfarrer Mahling-Frankfurt 
a. M.); Eriminalität und Alkohol (Generalsekretär J. Gonser-Berlin); der 
theoretische Nährwert des Alkohols (Prof. D.'. Eassowitz-Wien). 

Anmeldungen (5 M. fdr den (iesamtkursns von 18 Standen, 50 Pf. fftt 
die einzelne, 75 Pf. für die Doppelstunde) und Programme, Anfragen oder 
Anmeldungen sind zu richten an die Geschäftsstelle des Zentralverbandes zur 
Bekämpfung des Alkoholismus, Friedenau, Bubensstraße 87, oder an die Ge¬ 
schäftsstelle des Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, 
Berlin W. 15, zu richten. 


Der ETI. tnteraatleiiale medtzlnisch« Kongress wird vom 29. August 
bis 4. September 1909 in Budapest stattfioden. 8e. Eaiserl. u. Eönigl. Ha- 
je.stät, Franz Joseph der Erste, hat das Protektorat anzonehmen geruht. Die 
Eöniglich ungarische Begierung und die Stadtverordneten-Versammlung der 
Haupt- und I^idenzstadt Budapest lassen diesem Eongresse die wärmste und 
weitgehendste Förderung angedeihen. Für die 21 Abteilungen sind bereits eine 
große Anzahl von Vorträgen angemeldet. In der Abteilung für Hygiene und 
Immunitätslehre (XVIII) u. a.: v. Esmarch-Göttingen: Organsation 
der Desinfektion auf dem fischen Land und in kleinen Ortschaften; Grass- 
berger-Wien: üeber hygienische Bedeutung des Nutzwassers; Hartmann- 
Berlin: Die Mittel zur Abwendung der Banchplage in Städten; Eirchner- 
Berlin: Ueber die Verhütung übertragbarer Erankheiten in den Schalen; Leh¬ 
mann-Würzburg: Neuere Erfahrungen über organische Fabrikgifte, insbe¬ 
sondere über die Eintrittswege derselben; Ludwig-Wien: üeber die Zu¬ 
lässigkeit der Verwendung künstlicher Farbstoffe zum Färben von Nahrungs¬ 
mitteln und Getränken; Pfeiffer-Bostock: Ueber Typhusprophylaxe und 
Unterdrückung von Typhusepidemien; Pransnitz-Graz: Ueber die Aus¬ 
nutzung animalischer Nahrungsmittel und deren Bedeutung für die Fesstellung 
des Eostmaßes; Proskauer-Berlm: Ueber den Stand der Frage der Trink¬ 
wasserbeurteilung; Bubner-Berlin: Die Ziele der Ernährung in hygienischer 
Hinsicht ;8chattenfroh - Wien: Die Methoden der Trinkwasseruntersuchung; 
Ehr lieh-Frankfurt a. M.: Ueber Schatzstoffe, die im Blutserum des Men¬ 
schen normaler Weise vorhanden sind; Gruber-Mttnohen; Ueber Virulenz 



260 


Tagesnachriehte^ 


der Bakterien; Landateiner-Wien: Entwicklang der Theorie des Immoni- 
aiemngsTorgaaffes; Morgenroth-Berlia: Die Bedeatnng der spezifischen H&- 
molTsine und Zytotoxine ffir die Immonitätslehre und die allgemeine Patho> 
logie; N e u b e r g • Berlin: Die chemischen Grundlagen der Immunitätsforschnng. 
— ln der Abteilung für gerichtliche Medizin (XD[) u. a.: Carrara« 
Turin: Ueber Machweis und Diagnose beim Ertrinken; Ottolenghi-Bom: 
Die neuen Untersuchungen ftber den Tod durch Ertrinken; Thoinot«Paris: 
üeber den Wert neuerer Dntersucbungsmetboden bei längere Zeit im Wasser 
gelegenen Leichen Ertrunkener; Leers-Berlin: Die Fäulnis Ton Lungen Neu¬ 
geborener; Pfeiffer-Graz: Der forensische Blutnachweis. 

Der Mitgliederbeitrag, der 25 Kronen beträgt, ist an die Eiasse 
des XVL Internat. Kongresses, Budapest, Esterhäzygasse 7, wo sich auch das 
Bureau befindet, mit der Angabe, welcher Sektion das Mitglied angeboren 
will, einzusenden unter Beftigung einer Visitenkarte, auf welcher die Stellung 
und genaue Wobnungsadresse deutlich leserlich angegeben ist. 

Die ffir die einzelnen Abteilungen bestimmten Referate werden yor- 
her gedruckt und den Mitgliedern bis zum Sl. Juli 1909 zugestellt. Sonstige 
Vorträge sind bei dem Bureau bis zum 30. April 1909 anzumelden. Später 
angemeldete Vorträge werden nur ffir den Fall auf die Tagesordnung gesetzt, 
dal noch genügend Zeit ffir ihre Verhandlung zur Verfügung steht. 

Von Seite des ungarischen Ministers des Innern ist ein Preis Ton 1000 Kronen 
für das beste Werk über die Aetiologie des Trachoms ausgeschrieben. 
Als Einsendungstermin ist der 31. Dezember 1908 bestimmt. (Adresse: Buda¬ 
pest I, Ministerium d. Innern.) Es kOnuen auch im Drucke bereits erschienene 
Arbeiten eingesandt werden, wenn diese zum erstenmal in 1907 oder 1908 
publiziert sind. Die Autoren kOnnen sich der ungarischen, deutschen, franzö¬ 
sischen oder englischen Sprache bedienen. 


Erkrankungen und TodeafUle an ansteckenden Krankheiten in 
Prenssen* Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit Tom 1. bis 14. März 1908 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, Rfick- 
fallfieber, Pest, Botz und Tollwut: — (—); Pocken: 2 (—), 1 (1); 
Bißverletzngen durch tollwutrerdächtige Tier e: 8 (—), 16(—); 
Milzbrand: l (1), 2 (—); Ruhr: 1 (—), — (—); Unterleibstyphus: 
138 (18), 176(13); Diphtherie: 1435 (112), 1393 (81); Scharlach: 1589 
(88), 1609 (70); Genickstarre: 50 (17), 42 (20); Kindbettfieber: 132 
(31), 135 (24); KOrnerkrankheit (erkrankt): 125, 250; Tuberkulose 
(gestorben) ; 694. 620. 

DraokfeUerberlolitlg;iuig. In Nr. 6, S. 214, Zeile 80, muß es 
„Kreistierarzi“ statt „Kreisarzt** beißen. 

Preussischer Medizinalbeamtenverein. 

Vorl&nflge Mitteilung. 

Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamtenyereins hat in seiner 
Sitzung vom 21. März d. J. beschlossen, daß die diesjährige 

XXV. (JuliiläiimS') HauptYersammlnng 

am und 30. Septeml>ex* 

io IBerllxi. 

statt finden soll. Etwaige Wünsohe ffir die Tagesordnung usw. sind bis zum 
1. Mai d. J, dem Unterzeichneten miizuteilen. 

Minden, den 4. April 1908. 

Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins. 

Im Auftr.: Dr. Rapmund, Vorsitzender, 

Reir.- «• 0«h. lCed.-Rat In Mfaidma, 


Verantwort!. Redakteur: Dr. Rap mnn d, Reg.- n. Geh. Med.-Rat in Minden i. W. 
J. C. C. Bmna, BersogL B&oha o. F. 8eh.-I. Hofbnehdmck^rsl ln irind«i. 





2L Jahrg. 


1908. 




Zeitschrift 

fttr 


MEDIZINALBEAMTE 


IninlUidt ilir in gesaate lisuadHittaeiH, 

für gorichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenweeen. 

HennsgegebeB 

Ton 

Dr. OTTO RAPMÜND, 

> • Bofloruift- omd €kli« ]Cddlil&alr«t Ia Mild—# 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag yon Fiseher's media Buohhandlg, H. Kornfeld, 

Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

BiHiOB dto Toriac^kBBdhuif sovle alle ABBOBeiB-MgyedttieBeB des Ib« 
and Anuandes enUreren. 


Nr. 8. 


KraelieLBt am 5 » ud 90. Jeden Monate. 


20. April. 


Ein angeblicher Unfallverletzter als Simulant auf der 

Anklagebank. 

Von Dr. B. Thomalla, Kreisasaistenzarzt in Waldenburg (SehL). 

Am 80. Juli 1906 wurde mir in die äußere St&tioo des 
hiesigen EreiskrankenhaiiBes der Kutscher E. eingelieiert. 

£r gab an, schon drei Monate im Breslauer Angnstahospital 
und 14 Tage in dem Erankenhanse in Ennzendorf behandelt 
worden zn sein. Seine Krankheit rühre von dem Haftritt eines 
Pferdes her, den er im November des vergangenen Jahres anf 
den rechten Faß erhalten habe. Er kOnne mit diesem Faße nicht 
mehr anftreten und habe im ganzen Fuße bis znm Fußgelenk 
hin die heftigsten Schmerzen. Bei der Untersnchnng stellte ich 
folgenden Befand fest: 

Ab der ftoBeren Bftckeofl&ohe des reobteu Fußes eine ea. 8 qem große 
Wunde und au der Torderen oberen Ecke eine fistelartige Oeffaung, die 
bis an den Knochen führte. Der rechte Fnß war yerdickt, sein Umfang war 
in der Nihe der Wunde */* cm jpOßer als an der korrespon^erenden Seite dos 
nnderen Fußes. Oberhalb der .Wunde schwankte die VerdiOknng und Tarier 
sich in der Oegend des Fußgelenks ganz. Unterhalb der Wnnde wnrde die 
Verdickung ebenfalls geringer, um in der Nähe der Zehen ganz anfznhüren. 
Am rechten Unterschenkel, direkt oberhalb des Faßgelenks, um die Waden, 
unterhalb des Kniegelenks und in der Mitte des Oberschenkels war der Um* 
fisng geringer als an den korrespondierenden Stellen des linken Beines. Ans 
diesem Befand ging deatlich hervor, daß Patient in der letzten Zett das 
rechte Bein nicht gebraacht haben müsse. Da der Untersachte angab, in dem 
rechten Faßgelenk ebenfalls heftige Schmerzen zn verspüren, nnteraachtd- ich 
eses anf das genaneste, ich konnte aber objektiv nuAts krankhaftes darin 
naehweisea. 









Dr. Thomall«. 


m 

Nach sofort yor^enommenw Operation zeigten sich am 
am rechten Fuße die Weichteile bis an den Knochen yereitert 
nnd entzündlich gewuchert. Bas ganze machte den Eindrnck 
einer mißhandelten Wände. Ich entfernte alle kranken Partien 
nnd nähte die so entstandene zirka 6 cm lange und bis 3 cm 
brdte Wnnde soweit als möglich zusammen. Nadi wenigen 
Tagen mußte ich den yöllig gelockerten Verband wechseln; 
ich fand eine günstige Heiltendenz an der Wunde yor. Schon 
zwei Tage später war der Verband wieder gelockert. Jetzt 
fand ich die Heiltendenz an der Wnnde weniger gut, so daß 
schon ein leiser Verdacht in mir anfstieg, weil ohne jeden Gmnd 
die nicht eiternde Wunde schlecht heilte nnd der Verband sich 
immer wieder lockerte, was ich sonst an meinen Patienten nicht 
gewöhnt war. 

Ans dem mir jetzt yon der Lagereibemfsgenossenschaft 
behnfs Ansstellnng eines Gutachtens zngesandten Akten erfhhr 
ich zunächst, daß K. es yerstanden hatte, während seiner knizen 
Militärdienstzeit eine Beute wegen Stimmritzenkrampf, den er sich 
angeblich durch Erkältung zngezogen hatte, herauszuschlagen. 

Weiterhin fand ich u. a. auch das Attest des leitenden 
Arztes des Augustahospitals Dr. G. In diesem wurde der Ver* 
dacht der Simulation über den Verletzten ausgesprochen. E. hatte 
nämlich weder bei der Aufnahme in das Krankenhaus, noch nach 
Ausweis der Akten yorher über Schmerzen in dem rechten Fu߬ 
gelenk geklagt. Während der ganzen Zeit der Wundbehandlung 
mit Hautaufpflanzung, also zirka 8 Wochen, seien niemals Schmerzen 
in dem Fußgelenk aufgetreten; als er dann aufstehen durfte, 
sei er stundenlang im Garten allein umhergegangen, ohne daß 
sich Schmerzen im Fußgelenk eingestellt hätten. Ja, selbst wenn 
irgendeine entzündliche Erkrankung yor seiner Aufnahme in das 
Krankenhaus bestanden hätte, so wäre dieselbe bei der langen 
Buhelage, die das Gelenk eingenommen hatte, sicherlich geheilt. 
Dazu kam, daß durch yerscMedene Böntgenaufnahmen eine Er¬ 
krankung im Fußgelenk nicht nachgewiesen werden konnte. 
Der Verletzte rief daher den Verdacht henror, daß er jetzt, nach¬ 
dem seine Wunde geheilt war, eine neue Erkrankung yorzutäuschen 
suchte, um eine Beute herauszuschlagen. Obgleich K. am 16. Juni 
geheilt aus dem Augustahospital entlassen worden war, meldete 
er sich schon am 18. Juni bei der Ortskrankenkasse für den 
Kreis Waldenburg und gab an, er sei in Breslau im Kranken¬ 
hause schlecht behandelt worden und ungeheilt aus dem Augusta¬ 
hospital entlassen worden; er yerlange weitere Behandlung oder 
Bente. Am 23. Juni wurde er infolgedessen in das Maltheser- 
krankenhans zu Kunzendorf übergeführt. Auch hier war er bald 
mit der Behandlung unzufrieden; er drohte yon hier ans seinem 
früheren Arbeitgeber und ycrlangte weitere Auszahlung des 
dritten Teiles seines früheren Lohnes, da er yon den Aerzten 
frisch behandelt, körperlich gänzlich ruiniert werde und sieh 
doch bei seinem Arbeitgeber die Verletzung zugezogen habe. 
Am 8. Juli entließ ihn Dr. H., der die Angaben des E. bezüglich 



Ein angeblicher ÜnfallTerletzter als Slnmlaat auf der Anklagebank. 968 


seiner Schmerzen ftr üebertreibnng hielt. Die Wnnde war Tölliff 
geschlossen; wegen der noch yorhandenen Schwellang am Foße 
billigte ihn aber Dr. H. eine Uebergangsrente Ton 20 Prozmit 
zo. Damit war E. nicht zafrieden; er wollte Vollrente and be- 
haaptete, daß nach harzer Zeit die Wände Ton nenem wieder 
aalgebrochen sei. Er bot somit schon jetzt das Bild eines echten 
Simolanten and Qaeralanten. 

Er kam nanmehr in Behandlang des Kassenarztes nnd 
dann wie oben erwähnt in meine Station des hiesigen Kreis- 
krankenhaases. 


Nach Kenntnis dieser Vorgänge begann ich den Patienten 
genau za beobachten. War mir schon vorher ein leiser Verdacht 
aa^estiegen, so warde mir dieser jetzt zar Glewißheit. Die An¬ 
gabe des Verletzten, er könne nicht aaftreten, war übertrieben; 
die in Breslaa geheilte and in Konzendorf noch fest ge- 
schlossmie Wände hatte er sich höchst wahrscheinlich selbst 
wieder aafgekratzt, eine Ansicht, in der mich das eigentümliche 
oben beschriebene Aassehen der Wände noch bestärkte. Dazu 
kam die immer schlechter werdende Heiltendenz der Wände and 
der stets gelockerte Verband. Ich vermatete, daß Patient sich 
die Verbände selbst lockere and an der Wände kratze and reibe. 
Ich legte ihm nanmehr einen Stärkegazeverband von den Zehen 
bis zor Kniebeoge an. Schon beim nächsten Verbandwedmel 
war die Entzündnng geschwanden, die Granulationen zeigten ein 
gesundes Aussehen, so daß ich zur Hantaatpflanzong schreiten 
konnte. Ich legte hierauf andanemd feste Verbände an and 
brachte die Wände in kurzer Zeit zur völligen Heilang. Nan¬ 
mehr kamen dieselben Klagen über Schmerzen im Fiiägelenk, 
wie er sie im Breslauer Augastahospital vorgebracht hatte. Ob¬ 
gleich nicht eine Spor von irgendeiner Erkrankung im Fußgelenk 
oder sonst am Faße oder am Bein za finden war, behauptete er, 
nicht aaftreten zu können. Ich zwang ihn aber, wenigstens mit 
dem Stocke za gehen. Begann er während des Gehens sich fibw 
Aerzte and Berofsgenossenschaften aoszulassen, so vergaß er für 
Augenblicke auch seine angeblichen Schmerzen; er ging dum 
zeitweise ohne Stock, mit dem er heftig in der Loft herumfadi- 
telte. Wenige Tage nach seinen ersten Gehversuchen erblickte 
ihn eine Pfiegeschwester, wie er mit seiner Frau, die ihn be¬ 
suchte, auch ohne Stock sehr gut aasschritt. Ich konnte ausserdem 
za meiaer Freude beobachten, daß die Maskalatar am rechten 
Unterschenkel immer kräftiger wurde, ein Zeichen dafür, daß er 
in unbeobachteter Zeit den rechten Faß doch recht ausgiebig ge¬ 
brauchen maßte. Als ich ihn am 17. Oktober entließ, konnte 
ich in meinem Gatachten a. a. folgendes feststellen: 


Die operierte Fistel, sowie die am die Fistel liegende Wände ist seit 
liiwerer Zeit gat verbeut. — Trotsdem behauptet Krause mit dem reekten 
Fufle nieht aaftreten su kOnnen; es summe und brumme darin, er habe grofie 
Schmerlen, wenn er auftrete. Der Umfang um den rechten Ober- nnd Unter¬ 
schenkel, der wie oben erwähnt bei der Aufnahme bedeutend geringer war, 
als an dm entsprechenden SteUen links, ist jetst dem Umfange um ms linke 
Bein gleich, dagegen der Umfang um den rechten Fufi, iwisehea Fuflge- 



264 


Dr. Thom&Ut. 


lenk und ehemaliger Wunde noch ca. cm rechte größer ale linke. Die 
aktire und paeei7e Beweglichkeit dee rechten Faßen im Faßgelenk iet roll* 
kommen aaegiebig, ohne jeglichee Geräasch und ohne Hindernis, besonders l&ßt 
sich in den Sehnenscheiden nicht das geringste Qeräasch hören oder föhlen. 
Die Muskalatnr am rechten Ober» and Unterschenkel ist gat entwickelt nnd 
wieder fest. Die geringe Verdickang des rechten Fußes an der oben erw&hnten 
Stelle kann allerdings noch ein Deberbleibsel der durch das nekrotische Ge¬ 
schwür bedingten froheren Zellgewebsverfinderang sein, die sich dann bei 
weiterem aosgiebigem Gebraach des gesunden Fußes sicher surOckbilden 
muß; die Verdickang kann aber auch darauf beruhen, daß die ganze rechte 
Seite bei K. st&rker entwickelt war als die linke. Gegen diese Annahme 
spricht auch nicht der Umstand, daß die Muskulatur am rechten Unterschenkel 
der des linken nur gleich und nicht stärker ist Man darf nur daran denken, 
daß bei der Einlieferung des Patienten der Umfang um das rechte Bein 
stellenweise bis l‘/> cm geringer war als links und daß die damals leicht 
atrophierten Muskeln iu diesem immerhin kurzen Zeitraum ihre alte Stärke 
noch nicht Tolikommen erlangt haben. Die Behauptung des Untersuchten, 
daß seine Knochen am Fuße erkrankt waren, wird schon dadurch wiederlegt 
daß die Wunde, nachdem ich das Aufkratzen der Wunde verhindert hatte, so 
schnell nnd so glatt zuheilte, was nie geschehen wäre, wenn unter den Weich¬ 
teilen ein kranker Knochen gelagert hätte. Auch an anderen Stellen des 
Fußes, wie im Fußgelenk, können sich Knochenerkrankungen nicht befinden, 
da über denselben sich nach so langer Zeit eine Erkrankung der Weichteile 
hätte zeigen nnd bei den vielen manuellen und Böntgennntersnehnngen 
doch einmal eine kranke Stelle hätte gefanden werden müssen. Endlich stod 
auch Erkrankungen der Nerven infolge Quetschung durch den Hufscblag des 
Pferdes ausgeschlossen, denn dann wären doch die Schmerzen gleich nach der 
Verletzung aufgetreten; sie haben sich aber erst nach vielen Monaten gezeigt; 
sie waren noch nicht vorhanden, als Patient zwei Monate nach der Venetzung 
in das Augustahospital aufgenommen wurde, sondern die Schmerzen kamen 
wie gerufen, als die Wunde geheilt war und Patient kein anderes Leiden mehr 
hatte, um weiterhin eine Rente herauszuschlagen. Patient klagt außerdem 
nicht immer Ober dieselben Schmerzen. Bald empfindet er an einer Stelle auf 
Druck Schmerzen, an der er einige Sekunden später, wenn er den Druck nicht 
sieht, garnicht empfindlich ist. 

Ich kam in meinem Endgntachten daher zu dem Schloss, 
dass ich in E. einen ansgesprochenen Simulanten vor mir habe, der 
keinerlei Rente verdiene und den die Berufsgenossenschalt noch 
in einem medikomechanischen Institut unterbringen sollte, um 
dort das Wiedereröffnen der Wunden zu verhindern. 

Nach wenigen Tagen teilte mir die Berufsgenossenschaft 
mit, daß sie von einer Einweisung in ein medikomechanisches 
Institut absehe, da sich E. anch dort in einem unbewachten 
Ä.ugenblick die Wunde wieder zu öffnen vermag. Sie habe viel¬ 
mehr die Angelegenheit der Eönigl. Staatsanwaltschaft zwecks 
Bestrafung des E. wegen Betruges unterbreitet, da er ah Simulant 
schon mehrere größere Posten an Rente empfangen hätte, die er 
gar nicht beanspruchen durfte. Nach ca. 5 Monaten wurde durch 
Beschluß des Landgerichts S. die Eröffnung des Hanptverfahrens 
gegen E. abgelehnt. Darauf erfolgte Beschwerde der Staatsan¬ 
waltschaft, die durch Beschluß des Oberlandesgerichts in Breslau 
als begründet erklärt wurde. Infolgedessen wurde nunmehr das 
Hanptverfahren vor dem Schöffengericht zu Waldenburg eröffnet. 

Zn der Sitzung des Schöffengerichts erschien E. auf eine 
andere Person und auf einen Stock gestützt. Er erklärte während 
der Verhandlung nicht stehen zu können, da er zu viel Schmerzen 
im Fuße habe. Es wurde ihn gestattet, sitzen zu bleiben. 



Ein angeblicher Dnfallrerletzter als Simulant auf der Anklagebank. 265 


Als Sachverständiger gab ich einen üeberblick über den 
Verlani der Krankheit, wobei ich hervorhob nnd näher er* 
läuterte, daß ich nicht an den angeblichen Unfall des E. 
glaube, ittr den er keine Zengen nennen könne nnd der am 
5. November 1905 sich ereignet haben soll, während K. erst am 
3. Januar 1906, nachdem ihm seine bisherige Stellnng gekündigt 
war, einen Arzt anfsnchte. Anf das genaneste gab ich eine 
schreibang Ober die angeblichen schmerzempflndlichen Stellen. 
Ich betonte, daß er bei geschlossenen Angen an der einen Stelle 
auf Druck Schmerz empfinde, an der er einige Sekunden später 
nichts verspüre, während er eine Stelle als nnempfiodlich be- 
zeichnete, bei deren Berührung er wenige Sekunden später vor 
angeblichem Schmerz laut aufschreie. Nachdem ich meiner festen 
Ueberzeugung Ausdruck gegeben hatte, daß der verletzte Fuß 
von seinem angeblichen Unfall vollkommen geheilt sei, bezeiehnete 
ich den K. als Simnlanten, der nnr darauf ansgehe, eine Bente 
heransznschlagen. 

Da ich an diesem Tage noch einen Impftermin abznhalten 
hatte, wurde ich nach Abgabe meines Untachtens entlassen. 
Ungefähr 6 Standen später, auf der Rückkehr von dem Impftermin 
sah ich anf der Landstraße plötzlich den E. ankommen, den Stock 
schwenkend schritt er, der an demselben Tage vormittags an* 
geblich allein nicht stehen konnte, froh und wohlgemut dahin. 
Ich rief ihm vom Wagen aus zu, um ihn darauf aufmerksam zn 
machen, daß ich ihn gesehen habe, nnd ich glaubte bestimmt, 
er sei freigesprochen, da er so lustig einherschritt. Später erfuhr 
ich, daß er zu 4 Wochen Gefängnis vernrteilt worden sei. Im 
Erkenntnis des Schöffengerichts zu Waldenburg heißt 
es n. a.: 

„Durch sein Verhalten hat der Aufireklagte die Tatsache einer sehr er* 
schwerten oder bisher nicht gelnngenen Heilung einer durch den Betriebsunfall 
herrorgerufenen Verletsung vorgespiegelt, dadurch in dem Vorstande der Be* 
mfsgenossenscbaft den Irrtum erregt nnd unterhalten, daß seine Arbeitsnn* 
Ahigkeit die Folge des Betriebsunfalles sei, und zwar in der Absicht, sich die 
gesetsUchen Verpflegnngsgelder zum Nachteil der Berufsgenossenschaft lu 
Terschaffen. Br hat sich ^o eines fortgesetzten planvoll betriebenen Betruges 
schuldig gemacht und war nach § 263, St.*G.*B. zu bestrafen. — Bei der 
Strafzumessung ist besonders erwogen, mit welcher Beharrlichkeit der Ange* 
klagte verfahren ist und wie verwerflich es sei, Einrichtnngen, die zum 
Schutze der wirtschaftlich Schwachen gegen unverschuldetes ünglttck getroffen 
sind, aus Gewinnsucht nnd Tr&gheit zu schädigen. 

Deshalb erschien trotz der geringen Vorstrafen des Angeklagten wegen 
Diebstahls eine Gefängnisstrafe von einem Monat angemessen.“ 

Dieses Urteil schlug wie eine Bombe in die hiesige Ar¬ 
beiterschaft ein. Von den überaus zahlreichen Verletzten, die 
ich im Aufträge von Berufsgenossenschaften zn nntersnchen habe, 
war jeder einzelne ans hiesigem Kreise mit dem Ausgange des 
Prozesses bekannt, denen aber, die ans anderen Kreisen zu mir 
zor Untersuchung geschickt wurden, erzählte ich es selbst. Ich 
konnte dreierlei Wirknngen bei dem Gespräch über den Ausgang 
dieser Verhandlung von den Gesichtern der Zuhörer ablesen: 
Freude bei den ordentlichen Arbeitern, die einen Betrug verab- 



Dr. Thomalla. 


2SfK> 

■dienten, Gleidig:filtigkeit bei den Stnmpfsinnigen nnd Angst bei 
depjoiigen, die selbst kein reines Gewissen batten. 

Der Verurteilte legte Bernfang ein; es kam zn der 
Verhandlung beim Landgericht zn S. Hier wurde von der 
Staatsanwaltschaft außer mir noch Kollege H. vorgeladen, der K. 
hl dem Erankenhanse zn Konzendorf behandelt hatte, von Seiten 
des Verurteilten war Dr. B. ans F. als Sacbverstftndiger vor- 
geschlagen nnd geladen worden. Ich gab mein Gutachten in der- 
idben Weise ab wie beim Schöffengericht in Waldenburg. Dr. H. 
schloß sich meiner Ansicht vollkommen an; er fügte aber noch 
eine hochinteressante Mitteilnng hinzu. Ihm wurde nämlich K., 
nachdem er von mir als Sim^ant bezeichnet worden war, aitf 
Anordnung der Staatsanwaltschaft auf einem Wagen zur ünter- 
snchnng gebracht, wobei der zn Untersuchende angab, vollkommen 
arbeitsunfähig zn sein, da er nur mit Mühe stehen nnd gehen 
könne. Die üntersnchnng ergab einen negativen Befand, so daß 
in dem Gutachten ausgesprochen wurde, es bestehe der Verdacht, 
daß K. stark übertreibe. Zwei Tage später traf Dr. H. den K. 
anf dem Bahnhof in F. Hier ging K. mit schnellen Schritten 
nnr mäßig hinkend nnd fest auftretend an ihm vorbei. Er wurde 
von Dr. H. sofort gestellt, aber er schwang sich ohne Erwiderung, 
mühelos auf das ziemlich hoch vom Erdboden abstehende Tritt¬ 
brett eines Wagens IV. Klasse nnd verschwand. Diese Beobach¬ 
tung wurde als Nachschrift dem bereits fertigen Gutachten bei- 
gefttgt mit dem Bemerken, daß hierdurch der bereits im Gut¬ 
achten ausgesprochene Verdacht der bewußten üebertreibnng mit 
Sicherheit erbracht sei. Dr. H. stimmte mir zn, daß ein Mann 
wie K., bei dem ein objektives Leiden nicht nachweisbar sei, 
unmöglich nachmittags flott gehen könne, während er vor¬ 
mittags nicht zu stehen vermochte, nnd daß er unmöglich flott 
anss^reiten und auf einen Wagen IV. Klasse springen könne. 
Wenn er zwei Tage vorher kaum stehen nnd gehen konnte. 

Dr. B. ans F. schloß sich dagegen meinen Ausführungen 
nnr teilweise an. Er hatte den K. wiederholt untersucht nnd 
hielt ein derartiges Schmerzgefühl, daß der Verletzte zeitweise 
nicht gehen könne, für möglich. Auch konnte nach seiner An¬ 
sicht eine Anlage zn dauernd neuer Geschwürsbildnng vor¬ 
handen sein. 

Daraufhin beantragte der Staatsanwalt die Verwerfnng der 
I Berufung und die Bestrafung des Angeklagten; es erfolgte aber 
Freisprechung. Ans dem Erkenntnis dieser Instanz ist folgendes 
zn erwähnen: 

«Auf Orand der nicht einheitlichen Gatnchten der SeehTersUndigen, be- 
•enders nnf Grand der Angaben des Dr. B., welcher eine Anlage na daaernd 
nener Geschwilrsbildang infolge Ziikolationsstörangen, heryorgernfen durch den 
Pferdehuftritt, für möglich erachtet, bat das Gericht II. Instanz zu Gunsten des 
Angeklagten nicht für erwiesen eraditet, daß der Angeklagte während der Zeit 
■einer Behandlung im Erankenhanse zu Waldenburg vom 80. Juli bis 17. Ok¬ 
tober 1906 durch eigene Eingriffe seine Faßkrankbeit fortdauernd yerschlimmert 
und die Heilung yernOgert hat in der Absicht, sich durch Yorspiegelang an¬ 
haltender Krankheit den Fortgenufl der Unfallrente lu sichern. 



Ein angeblich ünfaUrerletster ala Simidant auf der Anklagebank. 267 

Es konnte daher nicht für tats&chlioh feetgeetellt erachtet werden, daS 
der Angeklagte in Waldenborg in der Zeit vom 80. Joni ble 17. Oktober 1906 
die LagereiberafsgenoBsenechaft um 197,68 M., das heißt den Betrag seiner 
Verpflegong im Krankenhaue an Waldenburg sowie um die wihrend seines 
dortigen Aufenthaltes an seine Angehörigen gezahlte Abwesenheitsrente ln der 
Absiät, sich einen rechtswidrigen Vermögensrorteil au Tersehaflen, geschidigt 
hat indem er durch Yorspiegmung lalscEer und ünterdiflckung wuirer Tal> 
saenea einen Irrtum erregte. 

Mithin war der Angeklagte von diesem ihm nur Last gelegten Vergehen 
des Betruges gegen § 268 Str.-O.-B. unter Aufhebung des erstinstanzuohen 
Urtefls Ireiansprechen.* 

Die gate Wirktuig, welche der Ausgang der Verhandlong 
am Schöffengericht in der hiesigen Arbeiterschaft henrorgerufen 
hatte, war mit einem Schlage in das Gegenteil nmgewandelt 
worden. Es wäre, soweit ich erfahren konnte, allerdings der 
erste Fall gewesen, daß ein Simulant wegen unberechtigter Er¬ 
langung einer Rente vom Gericht bestraft worden wäre, aber dio 
Wirkung auf die ständig an wachsende Zahl der Simulanten, wäre 
nach Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils sicher eine sehr 
günstige gewesen. Das einzige Erfreuliche hierbei ist, daß E. 
seine Rente verlor und diese Entscheidung bereits rechtskräftig 
geworden ist. 

Nach Fertigstellung dieser Arbeit erfuhr ich zufällig von 
Herrn Kollegen R. aus A., daß der Simulant K. jetzt Fabrik¬ 
arbeiter sei und sich sofort wieder einen Finger verletzte. Eine 
Rente zu erlaugen — jetzt bei einer anderen Bemfsgenossen- 
sehaft — gelang ihm wieder nicht, da der Finger gut heilte. 
Nach Aussage des Kollegen R. ist an dem angeblich vom Pferde¬ 
huf verletzten Fuße nichts Krankhaftes mehr zu erkennen. 
K. klagt nicht mehr über Schmerzen; sein Gang soll tadel¬ 
los sein. 

Wenn man nun vielfach der Ansicht ist, daß die Unfälle 
und die sich anschließenden Nervenerkrankungen nicht allein für 
den Arzt, sondern noch vielmehr für den Soziologen von In¬ 
teresse seien, so mOchte ich betonen, daß heute, wie die Verhält- 
niese nun einmal liegen, hieraus auch für den Strafrichter ein 
fast ebensogroßes Interesse erwachsen müßte. — Wäre es möglich, 
durch eine tiefgreifende Veredelung des Individuums und durch 
ein energisches Herausheben desselben auf ein höheres geistiges 
und sittliches Niveau dem Simulanten selbst einen Ekel vor 
seiner verwerflichen Handlungsweise einzuflößen, dann könnten 
wir des Strafrichters entbehren. Bei dem stetig anwachsenden 
Heere der Simulanten und bei der Hilfsbereitschaft, die diese bei 
ihrem Vorhaben bei Gleichgesinnten Anden, werden wir durch 
Belehrungen und Ermahnungen wenig Erfolg erzielen. Furcht 
vor Strafe wäre das beste, wenn auch unerwünschte Mittel, um 
einen angehenden Simulanten von seinen betrügerischen Unter- 
frngen abznlenken; man könnte sicher sein, bei dem besseren 
Teile der Arbeiterschaft, denen diese Simulanten ebenfalls ver¬ 
haßt sind, eine aufrichtige Zustimmung zu Anden. 



268 Dr. Wileke: Eia Fall tob WismnthTergiftinig aaw. 

Ein Fall von Wismuthvergiftung sowie ein Fall von 
grossem Indifferentismus gegen Nitroglyzerin. 

Von Dr. Wileke in Hammerstein (Westpr.). 

Eine fünfzigjährige Fran erhielt Ton mir wegen eines ehren. 
Darmkstarrhs Bismnthnm snbnitr. 10,0 mehrmals täglich 1 kleine 
Messerspitze. Das Pol Ter sollte in 8—10 Tagen anfgebraneht 
werden. Als ungefähr die Hälfte der PolTermenge genommen 
war, trat Frieren, einseitiger, in seinem Sitz wechselnder Kopf¬ 
schmerz, starke Mißstimmung anf. Die Patientin hatte das Ge¬ 
fühl, als wenn sie an Influenza krank sei, war müde und elend, 
lüles tat weh; sehr lästig war Stechen im Rücken in der oberen 
Lendengegend; der Appetit ließ nach und die Fran wurde schlaflos. 

Es wurde hierauf das Pulver, von dem 7,0 verbraucht waren, 
ansgesetzt; die Beschwerden ließen bald nach, traten aber sofort 
von neuen auf, als nach einigen Tagen der Versuch gemacht 
wurde, Wismnth wieder zu reichen, nm wieder anszubleiben, als 
die Medikation geändert wurde. 

Ich möchte die Beschwerden für Zeichen einer Wismnth- 
Vergiftung halten und führe einige Zeilen aus dem Lehrbuch von 
H. Schnlz^) über die anorganischen Arzneistoffe an, die über die 
Wismnthwirkung handeln. Es heisst hier: 

„Die HaoptTer&ndenuigen machen sich hier (d. h. am Oehira) nur in 
leichten psychischen Verstimmnngen geltend. Anffallend ist die Neigung snm 
Ersehiecken bei jeder geringsten Veranlassung. Der Schlaf wird ungenfigend 
oder aber außergewöhnlich lange anhaltend, auch am Tage besteht die Neigung 
zum Schlafen. Schwere und Eingenommenheit des Kopfes, bis su richtigen 
Kopfschmerzen sich steigernd, fehlen gleichfalls nicht. 

Viel eindringlicher gestaltet sich die Wismuthwirkung auf das Bttcken- 
mark und auf die peripheren Nerven. In Armen und Beinen entwickelt sich 
ein sehr deutliches Gefühl von großer Mattigkeit und Schwäche; einzelne 
Muskel werden schmerzhaft, stellenweise tritt Moskelzittern anf und dabei 
bMteht dann gleichzeitig das Gefühl allgemeiner ZerBchlagenheit'*^ 

Von den meisten Aerzten wird dagegen das Vorkommen einer 
Wismuthvergiftung geleugnet; so sagt R. Heinz*): «Vom 
Magendarmkanal aus werden Wismnthsalze nicht resorbiert, können 
daher — auch bei Verabreichung großer Gaben — nicht giftig 
wirken.* 

In früherer Zeit scheint man die Nervenwirknng des Wis- 
mnths bei innerer Darreichung öfters beobachtet zu haben; denn 
in einem alten Buche von F. Jahn*) findet man die Bemerkung, 
daß das Magisterium bismutbi „Aengstlichkeit, Magenwehe, Zit¬ 
tern und andere Nervenzufälle verursachte.* 

War in diesem Falle die Empfindlichkeit gegen ein Arznei¬ 
mittel groß, so war im folgenden Falle die Resistenz gegen ein 
für gefährlich angesehenes Mittel sehr bedeutend. 

Ich hatte einer Frau Nitroglyzerin solut. 5,0 verschrieben, 
weil sie öfters an Kopfschmerzen bei gleichzeitiger Blässe des 
€tesiehts litt. In einem Anfalle epileptischer Verstimmnng fhnd 


>) H. Schulz: Anorgan. Arzneimittel; Leipzig 1907; S. 174. 
*) Heinz: Lehrbuch der Arzneimittellehre; Jena 1907; S. 90. 
*) Hateria medica; 11. Band. Erfurt 1800; S. 497. 



Dr. NeQiDBnn: üeber Eczema raccioatnm. 


269 


die Frau das vom Ehemann auf meinen Rat versteckte Fläschchen 
nnd trank es ans, kam dann zn mir und bat, ich möchte ihr noch 
von den „ganten" Tropfen verschreiben. Ich fand nnr einen hoch¬ 
roten Kopf, weinerliche Stimmung nnd Herzklopfen. 

Nach Schulz0 können sich schon Mengen von 0,1 mg Nitro¬ 
glyzerin bei zarteren Personen unangenehm bemerkbar machen; 
Heinz^ rät zur therapeutischen Anwendung von 0,0001—0,001. 
In diesem Falle hatte die Fran aus dem bis dahin unbenutzten 
Fläschchen 0,05 Nitroglyzerin, also das fttnfzigfache der größten 
gebräuchlichen Dosis, genommen. Nach 2 Stunden war ohne 
Anwendung von Gegenmitteln von der Intoxikation nichts mehr 
zn spftren. 


Ueber das Eczema vaccinatum. 

Von Dr. Georg Neumann, Spezialarzt für Kinderkrankheiten in Landsberg a. W. 

Eine Form der unerwflnschten Vakziniemngsfolgen bildet 
das Eczema vaccinatum, das von manchen Autoren auch als 
Vaccine generalisata bezeichnet worden ist. Diese Benennung ist 
aber nach Voigt*) nicht zutreffend, denn „unter generalisierter Vac¬ 
cine soll man den auf hämatogenem Wege entstandenen allgemeinen 
Vakzineansscblag verstehen, der sich in Form von mehr oder 
weniger vollständig ausgebildeten Vakzinepusteln bei den mit 
Euhpockenimptstoff Geimpften ziemlich selten um die Zeit des 
Aufhörens des Vakzineflebers zeigt und der einfach abtrocknet, 
ohne nennenswerte Narben zu hinterlassen." 

Der Inhalt der Bläschen der Vaccine generalisata soll 
außerdem nur höchst selten „verimpfbar" sein, während die Sekrete 
der anderen, auf örtliche Uebertragung zuröckzuffihrenden, vakzi- 
nalen Formen, d. h. der Nebenpusteln, der supernumerären oder 
sekundären Pusteln und des Eczema vaccinatum stets Impfstoff 
enthalten. Der gleichen Ansicht wie Voigt in betreff Eczema 
vaccinatum ist Impfdirektor Paul*), der in seiner Arbeit Über die 
Impf Schäden bei Besprechung der generalisierten Vakzine die bei 
den für die Erklärung des Eczema vaccinatum geläufigen An¬ 
sichten eingehend erörtert. 

Die eine Groppe nimmt, wie Paul ausföhrt, an, daß es sich 
hierbei um den Effekt des im Körper kreisenden Vakzinekontagioms 
handelt, wobei die Stellen des Ekzems als Locus minoris resistentiae 
besonders gern befallen werden, während die Gegner dieser An¬ 
sicht meinen, daß es sich um eine rein lokale Dermatose, um ein 
Eczema vacciuat. handelt, daß durch das Aussickern der ge¬ 
öffneten Vakzinepusteln oder durch den kratzenden Finger her- 
vorgemfen resp. verbreitet wird. — Das Eczema vaccinatum, 
das dem Anschein nach keineswegs sehr selten ist, wie es ja 

*) Siehe Anmerkung 1 auf S. 268. 

*) Siehe Anmerkung 2 auf S. 268. 

') Voigt: Was ist als generalisierte Vaccine zu bezeichnen? Httnch. 
med Wochenschrift; 1907, Nr. 88, Seite 1876. 

^ Paul: Die Impfschlden: Oesterr. Sanitätswesen; 1904, Nr. 8—16 



270 


Dr. Neamana : üeber Eczema racdnaiam. 


aaeh bei der außerordentlichen Verbreitnng des Ekzems im Ein¬ 
desalter leicht erklärlich ist, scheint im allgemeinen, ab^ehen 
von einigen bedauerlichen, schweren Ausgängen, bei geeigneter 
Behandlung nicht so gefährlich zn sein, wie einige Arbeiten ver¬ 
melden. Einige Beispiele aus der Literatur, z. B. Danzig er ^), 
Schiller*) u. a. vermögen dies zu belegen. Allerdings spielt 
auch wohl die Größe der von der Vaccine befallenen Ekzem¬ 
partien sowie ihre Lokalisation dabei eine Bolle. Ein kürzlich 
von mir beobachteter Fall Eczema vaccinatum, das allerdings nur 
wenig ansgebreitet war, heilte in kurzer Zeit ab: 

Alfred Schw., geb. den 7. Joni 190S, wurde 4 Monate lang mit der 
Brust, dann künstlich genährt. Mit 1 Jahr lernte er laufen. Am 24. September 
wurde er anderweitig geimpft und dort am 1. Oktober zur Nachschau Torge- 
stellt. Alle 4 Impfschnitte waren zu Impfpusteln entwickelt. Seit mehreren 
Wochen soll das Kind Ekzem hinter den Ohren gehabt haben, seit dem 
30. September aber soll es, wie die Mutter sagt, noch „Schlimmes* dazu be¬ 
kommen haben. Am 8. Oktober werde ich konsultiert. Es handelt sich um 
ein blasses pastöses Kind, das sehr unruhig ist und viel weint. Hinter und 
yor den Ohren findet sich in mäßiger Ausdehnung ein nässendes, mit Ernsten 
und Borken bedecktes Ekzem, das von zahlreichen, einzelstehenden und kon- 
flnierten Vakzinepnsteln bedeckt ist. Die zervikalen und submazillaren Lymph- 
drtlsen sind yergrOßert. Die Temperatur des Kindes ist bedeutend erhöht. 
Therapie: Deckyerband des gesamten Ekzems mit Xeroformgase; anfangs 
täglicher, später zweitägiger Verbandwechsel. Am 7. Oktober ist das Kind 
fieberfrei, am 14. Oktober ist das Ekzem yöllig trocken und heilt in kurzer 
Zeit unter Zinkpaste ohne jede Narbenbildung ab. 

Eine Weiterverbreitung der Vaccine nach Anlegung eines 
Schutzverbandes hatte also in diesem Falle nicht stattgefnnden. 
Der absolute Beweis jedoch daffir, daß das Eczema vaccinatum 
nicht hämatogenen Ursprungs, sondern eine lokale Dermatose ist, 
könnte natttrlich nur das direkte Experiment liefern. Die Impfung 
einer größeren Zahl ekzemkranker Erstimpflinge — allerdings 
unter ständiger, sicherer Beobachtung — wobei entweder das 
Ekzem durch einen Deckverband vor der Außeninfektion oder 
die Impfpusteln in gleicher Weise vor dem Aussickem zn schützen 
wären, vermöchte diese Frage zn entscheiden. 

In der Literatur finden sich derartige Beispiele, in denen 
geimpfte Ekzematöse vor jeder Allgemeininfektion mit der Vaccine 
bewahrt blieben; diesen Fällen bin ich in der Lage, einen neuen 
hinzufügen zn können. 

Walter W., geb. den 6. Juli 1906, bekam bis zum 7. Monat Bmzt, dann 
Flasche. Im Alter von 2—4 Monaten soll das Kind an Furunkulose am wter- 
kopf und Hals und yom 4. Monat ab an „Ausschlag* gelitten haben. Das 
Kind läuft noch nicht. 

6. Dezember 1907 i Der jetzt !*/> jährige Knabe leidet an Bachitis und 
ausgesprochener ezsudatiyer Diathese. An beiden Oberarmen hat er ein 
stark juckendes, trockenes, schuppendes Ekzem, das in geringerem Qrade 
auch an der Vorderseite des Rumpfes und am Gefäß besteht. Am linken 
Oberarm und speziell io der linken Achselhöhle findet sich ein kleiner Bezirk 
eines nässenden mit Krusten und Borken bedeckten Ekzems. Das gelegent¬ 
lich der „öffentlichen Impfung* des Ekzems halber nicht geimpfte £nd wird 


*) Danziger: GeneraUsierto Vaccine. Mfinch. med. Wochenschr.; 
Nr. 82, yom 6. August 1907. 

*) Schiller: Kasuistische Mitteilungen: Vaccine generalisata bei 8 Ge- 
schwistm. Monatsschr. fttr Kinderheilkunde; Mai 1896, Bd. 6, Nr. 12. 



Br. Bicbter; Beitrag zar Frage der VeracUeppiiBg der Schälblasen. 271 


uf Wniuteh der Mutter ron mir Taksblert 8 Lnpflsebrntte werden anf die 
ekaemfreie rechte Schulter, ein Tierter auf den rechten Oberarm gelegt. Bie 
Imp&cbnitte werden mit einer mehrfachen Lage ron steriler Gaze bedeckt, die 
durch Heftpliasterstreifen befestigt wird. 

18. Bezember: Hachscban. 2 Impfsebnitte sind zu kleinen Vakzine- 
bl&schen entwickelt. Bas Kind ist etwas unruhig; Temp. 87,4 ^ Ber Yerband 
hat sich — wahrscheinlich durch die Neugier der Mutter gelbst — und wird 
durch einen neuen ersetzt. 

22. Bezember nachm. 8 Uhr: Bas Kind ist recht munter, Temp. 86,6*; 
die Pusteln sind braunrot und eingetrocknet. Bas Ekzem ist unTerindert. 

In dem soeben referierten Fall ist also ein Kind mit ansge* 
breitetem Ekzem vakziniert worden unter der Eautele, daß die 
Impfstelle durch einen Deckverband geschützt worden ist, ohne 
daß sich irgend eine flble Wirkung, wie z. B. des Eczema vac- 
einatum oder die Vaccine generalisata, eiogestellt hätte. 

Dieser experimentelle Fall könnte demnach dafür sprechen, 
daß das Eczema vaccinatnm doch wohl eher eine lokale Dermatose 
darstellt, als auf hämatogenen Ursprung zu beziehen ist, weil bei 
Anlegung eines Deckverbandes auf die vakzinierte Stelle ein 
Eczema vaccinatum sich nicht bildete. Als beweisend könnte 
natürlich nur der gleiche Erfolg bei einer größeren Anzahl der¬ 
artiger Kinder gelten. Sollte jedoch erst der absolute Beweis 
dafür erbracht sein, daß bei ekzematösen Kindern die Verbreitung 
der Vaccine nicht auf dem Blotwege stattfindet, dann würde sidh 
unter Anwendung der erörterten Vorsichtsmaßregel, d. i. eines 
Deckverbandes, auch die Impfung der Ekzematösen zur „rechten 
Zeit* und nicht bloß in Zeiten der Gefahr empfehlen. Die Mög¬ 
lichkeiten der unerwünschten Vakzinierung und deren Folgen 
würden sich dadurch wenigstens bei den Kindern anf ein Min¬ 
destmaß ermäßigen. 


Beitrag zur Frage der Verschleppung von Schälblaeen 

durch Hebammen. 

Von Med.-Bat Br. Richter, Kreisarzt in Elbing. 

Jedem erfahrenen Kreisarzt wird es begegnet sein, daß hin 
und ber mehrere Fälle von Schälblasen, manchmal durch längere, 
mehrere Wochen umfassende Zeiträume von einander getrennt, in 
der Praxis derselben Hebamme Vorkommen. Man kann nicht gut 
annehmen, daß die Hebamme die Fälle durch ihre Geräte, Hände 
oder Kleider verschleppt bat, weil dann die langen Pausen uner¬ 
klärt sein würden. Hierzulande halten die Hebammen aber, einer 
Unsitte, nicht dem eigenen Triebe gehorchend, alle vornehmen 
Garnituren von zum Teil recht teurem, mit Spitzen und bunten 
Bändern besetztem Tanfzeng. Dies wird leihweise bei Taufen ver¬ 
schiedener Kinder benutzt und selbstverständlich nicht nach 
jedesmaligem Gebrauch desinfiziert. Ich untersage daher den 
Hebammen, wenn sie Schälblasen melden, jetzt regelmäßig die 
Hergabe von Taufzeug für die kranken Binder. Am besten 
würde der Unfug gänzlich verboten, da auch die Uebertragung 



272 


ffleinere Mitteilangen nnd Referate ans Zeitschriften. 


anderer Senchen durch gemeinsames Tanfzeng nicht ansgeschlossen 
ist. Wir plagen uns tagaus und «ein mit Desinfektionen; die non 
infectio aber ist wichtiger. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitechrlflen. 

A. OeriohtUohe Xedtsln. 

Modlflkattan der Teichmannachen Methode snr CiewlBBiing Ton 
HBmlnkrjstallen« (A modification of Teichmanns method for obtahüng 
hemin crystals.) Von Aktinson and Kendall. Procerdings of the Soc. for 
experimental Biologie and Medicine. Newyork 1907, 15. Norember. 

Die Modifikation besteht darin, dafi die mit den bekannten Beagentien, 
Kochsalz und Eisessig, Tersetzte Blntprobe in einem fest yerscbloseenen Böbr> 
chen darch Eintaachen in kochendes Wasser 15 Minaten erhitzt wird. Die 
langsam abgokählte nnd völlig entfärbte Fittssigkeit bringt man sodann, nach¬ 
dem sie aal dem Wasserbade bis aut wenige Tropfen eingeengt ist, anf den 
Objektträger. Ala Voring der Methode bezeichnen die Verfaaaer, daß die 
Kryatalle größer aasfallen. Dr. Revenatorf -Hamborg. 

Aknte Alkoholrergiftnng. Von Dr. med. Pentz-Eiel. Der Alkoholia- 
mna; 1907, Heft 5. 

Daß die aknte Alkoholvergifton g znm Tode fflhrt, kommt gar nicht so 
selten vor, wie man gewöhnlich glaubt. Die tödliche Dosis des reinen Aetbyl- 
alkohols wird fOr den Erwachsenen anf 60—200 g angegeben, vom Methylalkohol 
genügen bereits 7,5 g. Der Tod erfolgt meist sehr bald, spätestens aber 
Innerhalb 24 Standen. Bei Kindern pflegen dem Tode Krämpfe vorherzageben. 

Führt die aknte Alkoholvergiftung zn einem Konflikt mit dem Straf¬ 
gesetzbuch, so pflegt in der Mehrheit der Fälle der Richter darüber za be¬ 
finden, ob der § 51 Str. G. B anzawenden ist. Gegen diesen Usas findet der 
Verfasser nichts za erinnern. Bei einem „komplizierten“ Rausch würde der 
Richter allerdings einen Sachverständigen znziehen müssen. Es kann nnmOg- 
lieh die Aufgabe eines Sachverständigen sein, mit seinem Gutachten gegen düs 
heutige Rechtsprechung zu protestieren, weil er sie auf Grnnd seines medizi¬ 
nischen Wissens für falsch erachtet. Nur eine kräftige Volksbewegnng könnte 
nach dem Verfasser die zweifellos notwendige Ergänzung des § 51 in bezug 
auf die alkoholischen Straftaten herbeiführen. 

Dr. Paul Schenk- Berlin. 

Zusammenstellnng von pUCzlIehen nnd unerwarteten TodesflUen« 
(An address on sudden and nnexpected deatbs.) Von Wynn Westcott. 
British med. Journal; 1908, 29. Februar. 

Ala Ursache plötzlicher Todesfälle fand Verfasser in SO**/« Herzverände- 
rungen, in SO**/« Gehirn- und in 10**/o Lungenerkranknngen. Herztodesfälle 
treten mit Vorliebe ein nach Scharlach, Rheumatismus and infolge chronischen 
Alkoholismus. Unter den Klappenfehlern stehen die Erkranknngen der Aorten¬ 
klappen an erster Stelle. Spontane Herzruptur ist in der Londoner Bevölke- 
rang kein seltenes Ereignis. Arteriosklerose der Hanptkörperscblagader und 
Atherom der Koronararterien sind häufig Ursache unerwarteten Todeseintritts. 

Besonders häufig wurden plötzliche Todesfälle bei chronischen Alkoho- 
listen bsobachtet. Unter 210 Fällen von plötzlichem Tod fanden sich 57 mal 
Veränderungen des chronischen Alkoholismus. Unter 77 Fällen von fettiger 
Entartung der Herzmuskulatur war diese Veränderung 83 mal anf den chroni¬ 
schen Alkoholismus zurttckzuführen. 

Unter 1100 Obduktionen eines Jahres fanden sich 4 Fälle (Männer), in 
denen der Tod während oder nach der Kohabitation ein getreten war. 

_ _ Revenstorf-Hambnrg. 

Ueber einen sehr seltenen Fall einer flberzähllgen BmstdrBse beim 
Manne. Von Dr. Cesare Mannini-Genua. Archivio di Psichiatria, Neuro- 
patologia etc.; Fase. IV—V, 1907. 




Kleinere Mittelinngen nnd Referate ans Zeitaehriften. 


273 


Die PolymaaUe ist an sieh nicht so selten, wenigstens nicht beim Weibe 
an der Pr&dilektionsatelle, welche durch eine Linie von der Achselhöhle 
mir Ldstenfalte gebildet wird (Milchlinie, Milchleiate nach 0. Sch ult ne). 
Das Vorkommen einer überzähligen Mamma beim Mann nnd am 
Oberschenkel, wie bei dem hier beschriebenen und abgebildeten Falle, 
dürfte etwas aoßerordentlich seltenes sein. Es handelt sich um einen 55 jährigen 
Mann ans gesunder Familie, der an einem depressiren Gemütszustand litt nnd 
bis auf die eine Anomalie normal entwickelt war, auch normale Geschlechts¬ 
organe besaß. In der Gegend des linken Trochanter nach den Nates zu be¬ 
fand sich eine halbkuglige Geschwulst, die an der Basis 8,5 cm im Durchmesser 
maß, hart-elastisch sich anfühlte, keine Verwachsungen zeigte, normale Haut¬ 
farbe nnd auf der Höhe eine rOtliche Protuberans von dem Aussehen der Brust¬ 
warze, jedoch ohne Oeffanng, auf wies. Diese Geschwulst bestand nach Angabe 
der Eltern von Geburt an und hatte nur zur Zeit der Entstehung der Psychose 
eine geiingere VergiüBemng erfahren. Die Form der Geschwulst mit der 
sentralen Protuberanz, ihre Konsistenz, ihre Schmerzempfindlichkeit, ihre be¬ 
sondere Ferhnng, die Turpeszenz ließen keinen Zweifel, daß es sich hier um 
eine überzählige Mamma handelte. 

Verfasser knüpft einige Bemerkungen über diese Genesis dieser Ano¬ 
malien an diesen FaiJ, wobei er den wechselnden Sitz der Brustdrüsen bei den 
▼erschiedenen Säugetieren erwähnt. Dr. Solbrig-AUenstein. 


B. Onriolifliolio Pnyohlutri«. 

Zur Frage der Simulation ron Geisteskrankheit. Ans der EOaigl. 
Psychiatrischen Klinik zu Tübingen (P/ot Dr. G a up p). Von Walther B i e h m, 
Medizinalpraktikant. Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch - gerichtliche 
Medizin. 

Biehm berichtet über zwei Fälle von bewußter und raffinierter Simu¬ 
lation zum Zweck, sich einen Vorteil zu erringen. Beidemal handelt es sich 
um nicht geisteskranke, aber degenerierte Personen, denen der Gedanke, eine 
Psychose zu simulieren, teils durch ihre Lebensschicksale, teils durch zufällige 
Einflüsse nahegelegt wurde. 

Im ersten Falle sehen wir einen jugendlichen Verbrecher den Plan zur 
Simulation geistiger ScOrung zu einer Zeit fassen, als er in der harten Straf¬ 
haft zufällig erfährt, daß man die Einrichtung des milderen Strafrollzuges 
für psychisch abnorme Verbrecher schaffe. Die Art, wie er bei seinen Täuschungs- 
Tersueben rorging, entspringt den Laienmeinnngen über das Gebahren Geistes¬ 
kranker ; anschaulich schildert er selbst, wie er zur Simulation des Verfolgungs¬ 
and Größenwahns kam. Die Lebhaftigkeit seiner Phantasieprodukte hat ihre 
hauptsächlichste Ursache in der angeborenen Neigung und Begabung des 
degenerierten Burschen zum Schwindel nnd Betrag, in der „Labilität selaes 
Persönlichkeitsbewußtseins“, wenn man diesen Ausdruck auch hier an der 
Grenze des Normalen anwenden will. Vielleicht mag auch er yorübergehend 
selbst nicht mehr gewußt haben, was bei seinen romanhaften Schilderungen 
Wahrheit und Dichtung ist; trotzdem wäre es verfehlt, wollte man hier von 
hysterischer oder degenerativer Psychose reden. Lag doch dem ganzen Vor¬ 
gehen ein wohlüberlegter, nie ans dem Auge verlorener Zweck zugrunde, den 
er ja auch völlig erreicht hat. 

Der zweite Fall ist deshalb von besonderem Interesse, weil wir den 
Versuch eines intellektuellen Menschen vor uns haben, seine in Irrenanstalten 
and auch bei vorübergehender eigener alkoholischer Psychose gewonnenen Er¬ 
fahrungen und Kenntnisse für die Simulation zu verwerten. So brachte er ein 
Krankheitsbild zusammen, das mit der Paranoia eine gewisse, wenn auch frei¬ 
lich nur entfernte Aebnlicbkeit hatte, nnd das auch bei einzelnen Psychiatern 
Annahme fand. Die Motive seines Handelns sind ganz verschiedener Art: 
einmal die Absicht, sich, wenn er bri seinen Zechprellereien ertappt war, Straf¬ 
freiheit zu verschaffen, ferner aber — und hier kommt die degenerative Per¬ 
sönlichkeit deutlich zutage — der Plan, sich in der Irrenanstalt ein behag¬ 
liches Leben ohne Arbeit zu verschaffen. Seine Arbeitsscheu war stärker, iIb 
die natürliche Scheu des gesunden Menschen vor der Versorgung in der Irren¬ 
anstalt. Freilich verstand er es meisterhaft, sieh seinen Anfenthal in der An¬ 
stalt allmählich so zu gestalten, daß ihm an Bequemlichkeit nichts abging, 



274 


Kieinore Hitteilongea and Beferato ans Zeitscbriftea 


ja, dafi er selbst Wein und Weib nieht n entbehren brauchte. Es ist, wie 
Biehm sagt, nicht ohne Homor, zu sehen, wie die Hamanität unsres modernen 
Irrenanstaltswesens es dahin brin^ daß der arbeitsschene Alkoholist, selbst 
wenn er nicht der niedersten Seicht der schwachsinnigen Vagabunden an« 
gehdrt, in der Irrenanstalt den behaglichsten Ort erblickt, um seine Tage in 
Muße und Vergnttglichkeit zu verbringen. Dr. TSbben«Münster. 

Dementia praecox und maniseh-depressives Irresetiu Von Professor 
Dr. Thomson in Bonn. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch« 
gerichtliche Medizin; 64. Bd., IV. H. 

Die Bezeichnung der Dementia praecox sollte wohl am besten, weil sie 
zu sehr zu irrigen Voraassetzungen und Schlüssen in prognostisdier Beziehung 
Veranlassung gibt, wieder ans unserer psychiatrischen Nomenklatur ver« 
schwinden. Es ist aber nicht zu bestreiten, daß wir in der Hebephrmiie, 
Katatonie und Dementia paranoides Krankheitsbilder vor uns haben, deren 
innerliche und Soßerliche Verwandschaft und Zusammengehörigkeit sich ganz 
besonders dann in ihrer diagnostischen und prognostischen Bedeutung zeigt, 
wenn wir zu dieser Gruppe wesentlich nur die Fälle rechnen, deren Ausbmch 
in die erste Lebenshälfte fällt. 

Wenn wir das tun, so haben wir eine Krankheitsgruppe, welche das 
hebephrenische, das katatonische und das paranoide Irresein umfassen würde. 
Die Krankheitsgruppe würde sich infolge ihrer gemeinsamen, ziemlich gut 
charakterisierten Symptome gegenüber anderen Psychosen des gleichen Lebens« 
alters, speziell gegenüber dem manisch «depressiven Irresein, ziemlich scharf 
abgrenzen. Je stärker dabei der „katatonische Symptomenkomplex“ ansgebildet 
ist, desto sicherer erscheint im allgemeinen die Zugehörigkeit eines Krfmkheits« 
fidles zu dieser Groppe. Auf die frühere Bezeichnung der „Eatatoniegruppe* 
zurückzngreifen, scheint dem Verfasser praktisch und formal geeigneter s^ 
von Dementia praecox zu sprechen. Dann stehen die „Katatoniker“ scharf den 
„Manischdepressiven* gegenüber, während ans der Dementia praecox sich ja 
überhaupt kein sprachlich brauchbares Substantiv ableiten läßt. Zn den 
Krankheitsbildem des späteren Lebensalters wird man gesondert Stellung 
nehmen müssen. _ Dr. Többen«Münster. 

Ueber Dementia inCantUls» Von Dr. Th. Heller«Wien«Grinzing. Zeit« 
Schrift für die Erforschung des jagendlichen Schwachsinns; Bd. II, H. 1. 

Die Dementia infantilis ist dadurch gekennzeichnet, daß nach einer 
Periode normaler oder annähernd normaler geistiger Entwicldnng, zumeist im 
dritten oder vierten Lebensjahr, bald unter stürmischen Erschwungen, bald 
mit schleichendem Verlauf eine schwere Verblödung eintritt, welche tuter dmn 
Bilde tiefer Idiotie endigt. Die fbitstehung der Dementia infantilis auf Grund 
psyWsdier Traumen ist höchst zweifelhaft. 

Soweit sich ans den nachstehenden Erankengrachichten entnehmen läßt, 
spielt die Syphilis in der Aetiologie der Dementia infantilis keine besondere Bolle. 

Verfasser teilt 6 diesbezügliche Fälle mit, bei denen der irreführend 
intelligente Gesichtsansdruck auffallend ist, der auch im Stadium tiOler 
Demenz erhalten bleibt. — Die betreffenden Kinder bedürfen fortwährender 
AnfsiW und sorgfältiger Pflege, da sie unberechenbar sind und höchst unan« 
genehme Gewohnheiten annehmen können. Dr. Wolf «Marburg. 

Jngendlrreselii* VouDr. Bizor. Aus der KönigL üniversitätsklinik 
und Poliklinik für psychische und Nervenkrankkelten in GOttingen. Archiv 
für Psychiatrie; Bd. 48, H. 2 und 8. 

Der Verfasser le^ in einer auf Anregung und unter Leitung A. Gramers 
Mchriebenen Arbeit dar, wie berechtig es ist, die geistigen Erkrankungen 
der Pubertät zusammenzufassen. Des weiteren versucht er auf katamnestischem 
Wege zu beweisen, daß die Psychosen der Pubertät nicht immer zu einer 
Verblödung oder zum geistigen Stillstand führen, daß vielmehr auch dauernde 
Heilungen möglich sind, üm den weiteren Verlauf der psychischen Erkrankung 
offen zu lassen, werden diese geistigen Störungen als Jugendirresein bezeiehaek 
und folgende Gruppen unters Weden: 

1. Stillstand der geistigen Entwicklung als vorzeitiger Abschluß In der 
Pubertät. 



Kleinere lOtteilnngen und Referate ans Zeitsobriften. 


276 


2. Anagesprocbene Peychose im PaberUtsalter unter Eiescblaß der 
Paerperaln^ehoaeD. 

8. Die Payehoee rerUnft ln mehreren Schflben. 

4. Sie IfUut nach Terh&ltniam&ßig kuraom Teilanf nur absoluten Ver* 
blOdung. 

6. Die Pubertätspsychose pflanzt sich auf eine schon Torbandene Imbe> 
zillitit aut _ Dr. T5bben*MflBster. 

üeber GeHngnizpejeboMB« Von Karl Wilmanns*Heidelberg. Zwang¬ 
lose Abhandlungen; VIll. Bd., H. 1. 

Senile, paralytiscbe und andere organische Erkrankungen sind im Oe- 
flbsnis selten; selten ist auch das manisch • depressiTe Irresein, wabrscbeialieb 
deshalb, weil manisch • depressiy Veranlagte nicht hänflg gewohnheitsmäßig 
krfaninel^ werden. Die grflflte Zahl der Kranken gebürt den jurenilen Ver- 
blQdnngsprozessen an. 

1, Die Landstreicher, die in den meisten Fällen erst infolge der 
GMsteskrankheit unsozial geworden waten ;2.dieQewohnheit8Terbreeher, 
die fast ausschließlich in früher Jugend geschwächt und erst nach vielen Jahren 
in den Gefängnissen erkrankt waren, und 8. die Gelegenheitsyerbrecher, welche 
im Anschluß an die Straftat in der üntersuchungs- oder Strafhaft von Geistes¬ 
störung befallen waren. 

Die Frage, ob die Schädigungen der Strafhaft eine Dementia praecox 
oder Paranoia auszulOsen vermögen, ist zurzeit noch nicht sprudur^ Be¬ 
trachtet man die juvenilen VetblOdungsprozesse (ds Autointozikationspsychosen, 
so erscheint es möglich, daß die Steffwechselstörungen in der Strafhaft bei der 
Entstehung der Krankheit eine ursächliche Bolle spielen. Die Aeußerungen 
der Erkrankung sind während der Entwicklung der Psychose ein Produkt des 
Milieus, und Bilder, die stark an den Quernlantenwabnsinn erkaem, sind im 
Prodromalstadium nicht selten. 

Die im Gefängnis auftretenden Psychosen der genuinen Epilepsie 
unterscheiden sieh nicht wesentlich von denen der freilebenden Epileptiker, 
doch kommen gerade so wie hysterische Anfälle auch hysterische Haftpsychosen 
bei gewissen Epileptikern vor; diesen Geistesstörungen stellt Willmanns 
die Psychosen auf dem Boden der Entartung gegenüber. Unter Entartung 
versteht er die Summe der minderwertigen Variationen des Menschen aiu 
(dstigem und körperlichem Gebiete. Die Psychosen auf dem Boden der Ent¬ 
artung sind Reaktionen auf überstarke Reize und Neigungen der abnormen 
Veranlagungen unter ungünstigen Verhältnissen. Der Verfasser teilt diese 
degeaerativen Geistesstörungen in akute und chronische; erstere sind das 
Prototyp der Untersuchungshaft, letztere das der langen Strafhaft. 

Unter den akuten Haftpsychosen lassen sich verschiedene Typen unter- 
sehMden, Bilder, wie sie Reich, Ganser, Recke und Rüdin geschildert 
haben. Als Typen der chronischen Psychosen werden besonders para¬ 
noische Formen geschildert, die der Verfasser ans der Wirkung des StrafvoU- 
snges auf den minderwertigen Gewohnheitsverbrecher psychologisch zu erklären 
•acht. Er bezeichnet diese Haftpsychosen als langsam sich entwickelnde, 
dauernde, unerschütterliche Wahnsysteme bei vollkommener Erhaltung der 
Klarheit wie der Ordnung im Denken, Wollen und Handeln; er stellt sie der 
Pamda Friedmanns und dem Quemlantenwahnsinn Kraepelins gleich. 

_ Dr. TObben-Münster. 

Eine Vagabnndenfamtlle. Von Dr. MOnkemOller. Monatsschrift 
für Krimin. Psych. und Strafrechtsreform; 4. Jahrg., 1907, Nr. 9. 

Den Pfaden einer weit verzweigten Vagabundenfamilie mit einiger Be¬ 
stimmtheit zu folgen, geUngt nur in den seltensten Fällen, da bei dem Nomaden¬ 
leben, das ihre hütglieder führen, oft genug jede Spur verloren geht. M. hat 
als Arzt an der Korrektionsanstalt in Himmelstür zahlreiche Mitglieder einer 
stdehen Familie kennen gelernt, ihre Züge an der Hand der ikstalts- und 
Polizeiakten verfolgt und ihren Stammbaum aufgestellt, soweit dies bei 
dem fluktuierenden Material überhaupt mOglich ist. Klaus W. Viktoria, un¬ 
ehelich geboren von einer Marketenderin, die die Hannov. Armee in den na^e- 
onbehen Feldzügen begleitete, ist der Stammvater dieses erlauchten Geschlechts; 



276 


Kleinere Hitteiinngen nnd Referate au Zeitschriften. 


74 Naebkommen hat Verfasser anfgefonden. Während nur 8 elnea im kärger« 
lieben Sinn einigermaßen einwandsfreiea Lebenswandel fuhren, sind 46 Ton 
ihnen Landstreicher im wahrsten Sinne des Wortes nnd in allen Abstofongen 
Tom fanlsten Bettler bis som ragierenden Pferdehändler, aliu „Bossetänscher*; 
dazwischen die „Charaktermasken": Eansierer, Kesselflicker, Siebmaefaer etc. 
nnd die vielseitigen Kttnstler nnter den Stromern. Abgesehen von den zahl¬ 
reichen bekannten Kouflikten mit dem Str. G. B., ohne welche die Znnft ttber- 
hanpt nicht bestehen kann, worden 26 Mitglieder bestraft, nnd zwar im idl- 
gemeinen wegen leichterer Vergeben, wobei der Alkoholismns eine nnverkenn- 
bare Bolle spielte. Daß die Erziehnngsversnehe der Korrektionsautalt, die 
bei 20 gemacht worden, so gnt wie erfolglos waren, nimmt nicht Wnnder, 
wenn man die Psyche dieser Bitter der Lan^traße in Betracht zieht. Obwohl 
die Akten hierflber nnr geringe Ansknnft geben, konnte doch bei 8 eine ana- 
gesprochene Psychose angenommen werden; 7 litten an Krämpfen. Daß diese 
Zahlen viel zn niedrig sind, daß Folgcznstände des Alkoholismu nnd psychische 
Minderwertigkeit hier schwer in die Wagschale fallen, wird besonders hervor- 
gehoben. Nach einem Hinweis anf die enormen Schädignngen, die von einer 
solchen Familie der Oesnndheit weiterer Kreise dnreh ansteckende Krankheiten 
(Trachom, Lnes etc.) nnd in mannigfacher Hinsicht dem Nationalvermögen 
erwachsen, nntersneht Verfasser die Ursachen fttr ihren Verfall in Kriminalität 
nnd Vagabondage nnd kommt dabei zn dem Ergebnis, daß die gemeiuchi^t- 
liche hereditäre Bedentnng hier nicht allein in Frage komme, sondern diüB 
anch das Milien mit seinem verderblichen Einfluß anf die nächste Generation 
mit heranznziehen sei. Vereinzelte Heirat mit soliden Elementen hat hieran 
nichts ändern können. Ein Hinweis anf,die wenig erfolgreichen Versnehe, 
diese Parasiten der Gesellschaft nnschädlich zn mache, nnd anf die Anssichts- 
losigkeit, die solche Bestrebnngen zurzeit bieten, beschließt die sehr inter¬ 
essanten Ansiährnngen. Dr. Gerlach-Hildesheim. 

Beobaehtnngen Aber psyebtiehe nnd nervöse Krankheiten im Japn- 
nlseh-russischen Kriege 1904/06. Von Prof. Dr. 8. Araky-Okayama. 
Klinik fttr psychische nnd nervöse Krankheiten; Bd. II, H. 4. 

In den Mitteilungen hat Verfasser eine üebersidit seiner Erfahrungen 
Aber Art nnd Entstehnog von Psychosen nnd Neurosen im Kriege zn geben 
versucht. Selbst wenn man in einer Beihe von Fällen erkennen kann, daiß die 
Störung schon frtther ansgebrochen oder wenigstens durch starke Belastung, 
Infektionskrankheiten und andere Momente vorbereitet war, kann man die 
große ätiologische Bedeutung des Krieges anf den Ausbruch von Psychosen nnd 
Neurosen der verschiedensten Art nicht verkennen. Fttr spätere Studien dieser 
Art ist besonders anf die Notwendigkeit der weiteren Untersuchung des Ab¬ 
laufes der Störungen hinznweisen. Nnr hierau kann sich an Stelle der jetzt 
noch vielfach notgedrungen angewendeten rein symptomatischen Klassifikation 
ein genauer Einblick in die einzelnen Krankheitsgruppen ergeben. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 


Der Gelstessostnnd der Sehwangeren and Gebärenden. Von Dr, 
Bischoff. Archiv fttr Kriminalanthropologie nnd Kriminalistik; Band 89. 
Heft 2 nnd 8. 

Die sehr eingehende Arbeit kommt zu folgenden Ergebnissen: 

Geisteskrankheit nnd vorttbergehende, abnorme Geisteszustände sind bei 
den zn entbindenden Frauen selten nnd kommen vorwiegend bei Disponierten 
vor. Der Kindesmord in einem solchen Zustande kommt sehr selten zur gericht¬ 
lichen Behandlnng. 

Die Affekte der heimlich Schwangeren werden dnreh die Gebortsvorgänge 
normalerweise nicht zn pathologischer Höhe gesteigert. 

Der Kindesmord wird In der Mehrzahl der Fälle bei klarem Bewußtsein 
ansgeftthrt. 

Besonders schwere Ergriffenheit durch die Gebnrtsvorgänge wttrde 
Kindesmord nicht fördern, sond^ern hemmen. 

Eine besondere Disposition znm Kindesroorde besitzen geistesschwache 
ledige Erstgebärende. Dr. Fritz Hoppe-Allenberg.. 



Kleinere Mitteilongen and Referate ans Zeitschriften. 


277 


Alkehel nnd Selbstmord. Von Dr. Walter Kttrbita, ehern. I. Ass.- 
Ant an der psychiatrischen Qnirersitätsklinik in Königsberg, i. Z. Arst am 
pathologijicben Institat an Harbarg. Allgemeine Zeitscbrilt ittr Psychiatrie; 
64. Band, IV. Heft. 

Der Verfasser erörtert in der Torliegenden Arbeit die vielfachen Be- 
aiehnngen swischen AlkohoUsmas and Selbstmord und beantwortet sam Schloß 
Ue praktisch sehr wichtige Frage: «Was geschieht mit den Alko- 
dollkern, die sichoder ihre Mitmenschen in lebenbedrohender 
Weise gefährden? 

Der Selbstmörder wird in Deutschland bekanntlich nicht bestraft. Ist 
nun aber durch einen Trinker eine dritte Person mit mehr oder weniger Ehfolg 
bedroht, so tritt der § 51 St. O. B. in einer großen Anzahl der Fälle gans 
oder teilweise in Kraft. Nach der Freisprechang oder nach Verbüßang der 
meist nicht lange währenden Haft wird der Alkoholiker seinem alten Leben 
zniiickgegebea, da nach den anamnestischen Erbebangen an eine Besserang 
nicht za denken ist. Das dringendste Erfordernis wäre daher, den Potator 
vom Alkohol auf längere Zeit, am besten aber ganz fernzah^ten. Dieses 
Postulat kann jedoch nar dann erfüllt werden, wenn die Errichtung von 
Landes- oder Reichstrinkerheilstätten mit allen Kräften 
unter gleichseitiger Schaffung eines Reichs- oder Landes- 
trinkerfftrsorgegcsetzes erstrebt wird. 

Dr. TObhen-Münster. 


Beitrag nm Studium der Kersakewschen Psychose. Von Frau B er g- 
mann-Kasperowics. Thöse der medizinischen Fakultät in Genf; 1907. 

Verfasserin berichtet über 11 Fälle von Korsakowscher Krankheit, 
welche in den Jahren 1901 bis 1905 in dem schweizerischen Asyl Bel-Air zur 
Beobachtang kamen. Von den 11 waren 7 Männer, 4 Fraaen. Bei einer Qe- 
samtzahl der Aufnahmen von Alkoholikern in dem betreffenden Zeitraum von 
909: 87 ergibt sich, entsprechend anderer Beobachtangen, ein Prozentsatz von 
8 Männern auf 10 Fraaen. Die Alkoholintozikation war in allen Fällen dne 
schwere. Körperliche Krankheit hat anscheinend nur in einem Falle be¬ 
günstigend aoi die Entstehnng der Korsakowschen Psychose eingewirkt. 
Li 6 Fällen wurde die Krankheit durch ein DeUriam tremens eingeleitet. 

Von den 11 Kranken sind 7 ungeheilt entlassen worden, einer ist in der 
Anstalt an Tuberkolose gestorben, drei befinden sich noch in der Anstalt. Von 
diesen letzten drei sind zwei wenig gebessert, einer unverändert. 

In 7 Fällen bestand Ongleichheit der Papillen, 5 Eiranke waren Epilep¬ 
tiker. Alle zeigten die charakteristischen psychischen Symptome: Abschwächang 
der Merkfähigkeit, Verlast des Gedächtnisses für Jüngstvergangenes, mangelndes 
oder unzareidiendes Orientierungsvermögen, Neigung zur Konfabolation. 

ln zwei Fällen sind genaaere Versuche über das Eindracksvermögen, 
das „auterograde" Gedächtnis angestellt worden. Die Prüfangsmethode be¬ 
stand im wiederholten Vorsagen von zehn Worten und in der Feststellung, 
wieviele von diesen zehn Worten nach einer bestimmten Anzahl von Wieder¬ 
holangen oder nach Ablaaf einer bestimmten Zeit von der Versachsperson im 
Gedächtnis fixiert worden waren, so daß sie frei wiederholt werden konnten. 
Es ergab sich, daß beim Normalen zwei Wiederholungen der zehn Worte 
ausreichend waren, um sie dem Gedächtnis einzuprägen. Bei den zwei Pa¬ 
tienten mit Korsakowscher Krankheit gelang die Einprägang von zehn 
Worten flberhaapt niemals. Der eine Patient kam ein einziges Mal aof neun 
Worte, die Patientin höchstens auf sieben. War ihr Fixationsvermögen er¬ 
schöpft, so sagten die beiden Patienten gewöhnlich erfundene Worte. 

_ Dr. Paul Schenk, Berlin. 

Eluteiluag der Homosexuelleu« Von Med.-Eat Dr. Näcke in Hubertns- 
hurg. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 1908, I. H., 65. Bd. 

Näcke unterscheidet eine echte und unechte Homosexualität. Die 
echte findet Befriedigang auf rein homosexuellem Wege; sie ist kein Laster, 
keine sittiiche Verfehlung; die unechte dagegen sucht ihre Befriedigung 
entweder durch onanistisehe Handlangen oder durch Zuhilfenahme der hetero¬ 
sexuellen Phantasie. Sie ist ein Laster, eine Perversität, falls sie nicht 



278 


Eieinere Mitteilangen and Eei'erate ana ZeitachriftetL 


etwa, wie im alten Griechenland, darch die Sitte oder gar durch die Beligion 
geheiligt iat. Den homoaexnellen Akten an sich kann man es nicht an> 
aehen, ob aie homo- oder heteroaexnell bedingt sind, hier kann nnr eine genaue 
Aniüyae des Einaelfalles, am beaten mit Hilfe der Serienträume Klarheit 
achaffen. Während das sexuelle fremde und krankhafte Empfinden als solches 
nicht erworben werden kann, kann sich ebe homosexnelle Handlung auf hetero* 
sexuellem Boden, x. B. bei Bou6s, allmählich entwickeln. 

Dr. T fibb en • Mttnater. 


Einige Lehren des Harden-Proiesses. Von Dr. Albert Moll in Berlin. 
Zeitschrift für ärztliche Fortbildung; 1908, Nr. 2. 

Selten iat so wie in diesem Prozeß die Glaubwürdigkeit der Frau als 
2ieugin unter dem Gesichtspunkte der Hysterie geprüft worden, Ea wäre er¬ 
wünscht, daß man auch in anderen Fällen bei Belastungszeuginnen die gleiche 
Vorsicht walten lasse. Weiter hat der Prozeß gelehrt, wie stark in der Volks¬ 
seele nach wie vor die Abneigung gegen die Homosexuellen wurzelt, ja, durch 
die Ausschreitungen der Agitatoren gesteigert ist. Diese mOgen in der Be- 
aktion eine Warnung sehen und sich beseneiden, „wenn die menschliche Ge¬ 
sellschaft ihnen Duldung entgegenbringt, auch ohne ihnen eine volle Gleich¬ 
berechtigung zu gewähren." Eine dritte Lehre ist die, nicht aus einigen 
künstlich zusammengesetzten Fragmenten oder aus einzelnen besonders her- 
Tortretenden psychischen Eigenschaften die Homosexualität oder gar die homo¬ 
sexnelle Veranlagung einer Person herzuleiten. 

Man kann gewiß M. nnr beipflichten, wenn er als charakteristisch für 
den kulturgeschichtlichen Charakter unserer Zeit eine gewisse sexuelle At¬ 
mosphäre bezeichnet und glaubt, daß die Durchsetzung der gesamten modernen 
Literatur und Kunst mit dem Sexualismus, die vielen wissenschaftlichen Arbeiten 
auf diesem Gebiete, besonders aber die zahleichen unter dem Deckmantel der 
Wissenschaft gehenden erotischen und sexuellen Schriften nicht ohne Wirkung 
geblieben sind. _ Dr. Lohmer-COln. 


Psychologie der Zeugen. Von Dr. C. E. MarianL Archivio di Psi- 
chiatria, Nenropatologie etc.; Fasz. IV—V, 1007. 

Zur Begründung der Forderung, jeden Zeugen, ehe man ihn als solchen 
znläßt, nach Methoden der experimentellen Psychologie auf seine Fähigkeit, 
sich zu erinnern, zu prtlfen, liefert Verfasser ein neues Beispiel: Einer Sasse 
von 280 Schülern, in Abteilungen gesondert, wurde ein einfaches Modell, eine 
fünfblättrige Blume am Stil mit zwei Blättern, während zwei Stunden zum 
Nachzeichnen aus freier Hand gegeben. Acht Tage später wurden dieselben 
Schüler aufgefordert, aus dem Gedächtnis die Zeichnung zu wiederholen; 46 
Kinder waren im stände, das Modell mit genügender Genauigkeit zu repro¬ 
duzieren, 91 machten dabei zwei oder drei grobe Fehler und 94 entfernten 
sich in der Wiedergabe so sehr vom Original, daß es so gut wie unkenntlich 
war. ünd dies ungünstige Ergebnis, nachdem das Modell zwei Stunden lang 
unter den günstigsten Verhältnissen frischen, gesunden Kindern, in ihrer 
Hauptarbeitszeit vor Augen gestellt war. Dr. Solbrig-AÜenatein. 


Beitrag zum Studium über die Falschheit der Zeugenaussageu. (Con- 
tributo Studio sulla fallacia delle testimonianze). Von Dr. Anselmo Saeer- 
dote. — Archivio di Psichiatria, Neuropathologia etc. Fasz. IV u. V, 1907. 

Verfasser berichtet folgenden Vorgang: Ein Herr, der gegenüber der 
Schule stehend, auf seine Söhne wartet, siebt 6 bis 6 Schritte von sich ent¬ 
fernt, einen Mann mit entblößtem Glieds vorübergehende Damen belästigen. 
Er eilt zum nächsten Schutzmann, der etwa 100 Schritt entfernt steht, be¬ 
richtet ihm den Vorfall und eilt mit ihm zum ersten Standort zurück; er sieht 
auch sogleich einen Mann sich schnell entfernen, bezeichnet ihn dmi 
Schuldigen, worauf derselbe festgenommen und später in Anklage versetzt wird. 
Dieser, ein Beamter, nur an dem betreffenden Tage ohne Uniform, stellt die 
Sache aufs entschiedenste in Abrede; der Zeuge, eia einwandsfreier, ernster 
Mann, durchdrungen von der Schwere der Anklage, beharrt ebenso entscÜeden 
auf seiner Aussage. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeiteehriften. 


979 


Verfasser, als Sachverständiger vor Gericht, kann an den Zeogen keinerlei 
Abweiohongen feststellen and kommt an der Annahme, daß der Zeuge sidi 
geirrt habe; die Erklärung sei darin za finden, daß der Herr, der viel von 
onzttchtigen Vorgängen, die in jenem Stadtteil voUfdhrt waren, gehört habe, 
und nun Zeuge einer solchen Handlang geworden, auf das Gesicht, die Gestalt 
und Kleidung des betreffenden gar nicht genau geachtet, sondern seine ganze 
Aufmerksamkeit dem Vorgang selbst gewidmet habe. 

Das Gericht sprach den Angeklagten frei, legte aber auch dem Kläger 
keine Sofie auf, da er bona fide gebandelt habe. 

Verfasser erinnert an den Aassprach von Gross, welcher sagt, von der 
Möglichkeit des Irrens bei den Richtern sprechend, daß es genttge, daß ehie 
der Tatsachen, von denen sie aasgehen und aaf welche sie sich sttttzen, irr- 
tftmlich sei, damit die ganze Geistesarbeit, welche sie davon ahleiten, zum 
falschen Schlosse kommt. Dr. Solbrig-AUenstein. 


Fsjeholofte und Psjehopatholegle Im PollielweseB. Von Dr. üebl, 
prakt. Arzt in Vohenstraufi. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 8. 

Verfasser plädiert im Anschlaß an den bekannten Münchener polizeilichen 
Verhaftnngsfall dafür, daß die Organe der Polizei in den Polizeischulen neben 
dem sonstigen Unterrichte im Sicherheitsdienste anch aaf dem Gebiete der 
populären Psychologie and Psychiatrie einigermaßen Belebrang erhalten sollten. 

Verfasser gät dann aaf die einzelnen Punkte näher ein, welche bei 
diesem Unterrichte Berücksichtigang finden sollten und erwähnt, daß Professor 
Dannemann-Gießen in Darmstadt bereits einen solchen Versuch gemacht 
hat, vor einer größeren Zahl von Polizeibeamten das auf diesem Gebiete nötig 
Erscheinende in populärer Form abzubandeln, wie er hofft, nicht ohne Erfolg. 
Dannemann wird in nächster Zeit einen entsprechenden Leitfaden für Polizei¬ 
beamte bearbeiten. _ Dr. Waibei-Kempten. 


Zur Frage der Unterbringung geisteskranker Verbrecher. Aus der 
Provinzial-Irrenanstalt Neustadt in Houtein. Von Dr.F. Krämer. Allgem. 
Zeitschrift für Pqrchiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin; 1906, 64. Band, 
VL Heft. 

Der Verfasser legt die Bauart des „festen* der Neustädter Provinzial¬ 
irrenanstalt angegliederten „Hauses* dar und bringt zum Ansdruck, daß sieh 
der Bau als zweckentsprechend bewährt hat. Das „feste Haus* ist für 40 
Köpfe berechnet und mit einem Kostenaalwand von etwa 180000 M. hergestellt. 
Das Gebäude ist einzateilen in einen Mittelbau, der von einem mit Kapfer- 
platteu gedeckten Turm gekrönt wird and in zwei in derselben Front liegende 
Seitenflügel. Da das Hans von den übrigen Gebäuden der Anstalt gesondert 
Regt und fest an drei Seiten von einer weit in das Land binebgehenden Aus¬ 
buchtung der Ostsee eingefaßt wird, so ist ein etwaiger Flachtversuch sehr 
erschwert. Der Charakter als Krankenanstalt ist voUkommen gewahrt ge¬ 
blieben, wenngleich ein gewisser „straffer Zog* sich bei der Bebandlong niät 
vermeiden läßt. Für die 40 Insassen sind 14 Wärter vorgesehen, so daß auf 
3,6 &anke 1 Pfieger entfällt. — Die Haaptpankte, die nach Kroemer als 
Vorbedingung der Bewährung von Irrenanstaltsadnezen in Betracht kommen, 
sind: 1. Wirklich feste Bauart. 2. Zahlreiche Zellen und kleine Schlafräume. 
3. Gates PersonaL 4. Richtige Verteilung der einzelnen Individuen auf kleine 
Abteilungen. 6. Sachgemäße, verständige Leitung und Behandlung. 

Dr. Többen-Münster. 


Bin neues regressives Stigma bei Degenerierten. Von Dr. G.L. Gas¬ 
parin a-Genua. Arehivio dl Psichiatria, Neuropatologla etc.; Faszikel IV 
und V, 1907. 

Nachdem Masini in einer Monographie vom Jahre 1905 auf eine eigen- 
tümliehe Anomalie bei einem Epileptiker hingewiesen hatte, die darin bestand, 
daß der Kranke seine Fmger, und zwar jedes Segment der Finger vom Karpal- 
knoohen bis zur letzten Phalanx, ohne Mühe bis zum rechten Winkel über¬ 
strecken konnte, nahm Verfasser eine Nacbprttfung bei einer größeren Zahl 
von Geisteskraakheiten und zum Vergleiche von gesunden Personen vor. Er 
war selbot überrastÄt, alz sich dabei herausstellte, daß diese eigentümliche 



280 


Elelnere MitteilniigeB und Befernta tna Zeitsebrlften. 


Bawegliohkdt der Finger, hier nnd da andi der Zehen, sieh nicht so selten 
indet. ünter 400 nntersnehten Epileptikern, Dementen nnd anderen Kranken 
mit Degenerationen waren etwa 10*'/o, die dieses Zeichen anfwiesen, wihrend 
■nter 200 Normalen nur 2% damit behaftet waren. Das Ph&nomen der HTper* 
extensibilitSt beschrankt sich bei den meisten aal die Metakarpo-Phalangeal« 
Artiknlation; die betreffenden waren, ohne sich dabei ansnstrengen nnd ohne 
dabei Schmerzen zn yerspttren, im stände, die Finger bis za einem rechten 
Winkel zam Karpal« und Metakarpalteil des Handrttckens zn überstrecken. 
Daß für dieses Zostandekommen einer abnormen BenegUchkeit keinerlei Knochen- 
Terletznngen in Betracht kommen, werde durch eine Anzahl Ton Bdntgen« 
nntersnehnngen festgestellt. Verfasser ist der Ansicht, daß dieses Zeichen zn 
den Stigmata, wie sie bei Degenerierten in der yerschiedensten Weise yor- 
kommen, za rechnen ist and zweifelios eine angeborene Anomalie darstellt. 
Er weist darauf hin, daß bei den Affen sich eine solche Beweglichkeit regel¬ 
mäßig findet; der Affe bedarf diese bei bestimmten Bewegungen. Es liegt 
daher nahe, anzanehmen, daß die beschriebene Erscheinung ein bedeutungs- 
yoUes regressiyes Stigma darstellt, zumal es meistens Epileptiker mit krim- 
nellen N^ungen und Geistesschwäche, also degenerierte, sind, bei denen diese 
Anomalie am häufigsten zu finden ist. Dr. SoIbrig-Allenstein. 

Deber Amomalien der Gliedmassen bei Geisteskraaken. Von Dr. Cesare 
Pi an etta-Brescia. Archiyio di Psichiatria, Neuropathologia etc. Fase.rV 
nnd y, 1907. 

Die Kasuistik hierttber wird um drei interessante Beobachtungen aus 
der Proyinzial-Irrenanstalt zu Brescia yermehrt. Der erste Fall war eine 
partielle Syndaktylie bei einem Kranken mit Dementia praecox: der 
dritte und yierte linke Finger waren yollkommen miteinander yerwachsen, nur 
an der Spitze wurde die Teilung angedeutet. In der Familie des Kranken 
waren eine ganze Anzahl mit derselben Bildung, und zwar meutens auch an 
denselben Fingern, behaftet. 

Der zweite Fall war eine yollkommene Syndaktylie an bdden 
Händen, yerbunden mit einer teilweisen am linken Fuß und einem pes 
yaro-equinus rechterseits und betraf einen geistesschwachen Alkoho- 
listen. Der Vater, ein Onkel und zwei Brüder, die alle im Drenhause ge¬ 
storben waren, batten dieselbe Anomalie an den Händen, ans der Familie war 
nur cdne Schwester, die körperlich und geistig gesund war. 

Der dritte Fall, der interessanteste und durch zwei photographische 
Wiedergaben trefflich illustriert, war eine Ektopie des rechten Unter¬ 
schenkels nebst Bildung einer überzähligen großen Zehe am linken 
Fuße und fand sich bei einem Alkoholisten mit Verfolgao(^ideen, der ans einer 
Trinkerfamilie stammte. Die Mißbildung am rechten Bein war derartig, daß 
der Unterschenkel im rechten Winkel nach hinten und innen yom Obersdenkel 
sich befand und der Fuß mit seiner Sohle nach oben gerichtet war. Diese 
eigentümliche Stellung des Beins benutzte der Kranke, um die Krücke, die er 
zum Gehen benutzte, zwischen Fuß und Unterschenkel einzuklenunen. Der 
letzte Fall kam zur Obduktion, wobei eine genauere anatomische Untersachung 
yorgenommen wurde; aus diesem Ergebnis sei nur angeführt, daß die Zahl der 
Tarsalknochen yon 7 auf 6 yermindert war. 

Die hier geschilderten Anomalien sind, da sie sich bei Geisteskranken 
mit ausgesprochen degeneratiyem Charakter finden, als ein Ausdruck atayisti- 
scher Hereutät aufzufassen. __Dr. Solbrig-Allenstein. 

Sehidebnasse und Beruf. Von Dr. Georg Lomer in Lüneburg. All¬ 
gemeine Zeitschrift für Psychiatrie nnd psychisch-gerichtliche Medizin; 
64. Band, Hnft 4. 

1. Die Mehrzahl der Schädelmaße ist bei unseren Geisteskranken großer 
als bei unseren Geistesgesunden (Siechen). 

2. Von den niedrigen Vol^tänden weist der niedrigste, der Arbeiter¬ 
stand, durchweg — im geistesgesunden wie geisteskranken Zustande — die 
kleinsten Schädelmaße au. 

8. Auffallend groß sind sämtliche Schädelmaße der gdstig gesundea 
Bauern. Sie sind großer als diejenigen der Handwerker, der Kaulente, der 




Kliere lOtteilnagen and Befente ans Zeittohriftan. 281 

Baamtan; fflr den Umfang gilt dies andi beaftglioh dar gebtaskrankan 
Banam. 

4. Die Sch&delmaße der geisteskranken Handwerker, der Kanflente und 
Beamten stehmi im ganaen etwa anf gleicher Höhe. 

^ Dr. TObben-Httnster. 

O. flaehwaratftadlcant&tlgrkalt ln ValUl- und Invnlidltfttn»ekan. 

Hyalltis und Unfall. Von Dr. Kart Mendel. Monatsschrift fttr 
Psychologie and Neurologie; Bd. XXIII, 1908, H. 2. 

Die Myelitis chrouca kann durch einen Unfall herrorgemfen werden. 
Für diese Möglichkeit sprechen sowohl die Tierezperimente, wie auch klinische 
Erfahrungen am Menschen. Letztere zeigen allerdings, daB das Vorkommen 
solcher rein traumatischen, chronischen Myelitiden immerhin zu den großen 
Seltenhdten gehört. _ Dr. Többen*Münster. 

Amyatraphlsaha Lataralsklarose und Unfall. Von Dr. Kurt MendeL 
Monatsschrift fttr Psychiatrie und Neurologie; Bd. XXIU, 1908, H. 2. 

1. Bei vorhandener Prädisposition kann ein Trauma eine amyotrophische 
Lateralsklerose mit nachfolgender Bulbärparalyse auslOsen, es ist demnach in 
solchen Fällen als äußere Ursache der Krankheit anzusehen. 

2. Zwischen dem Auftreten der ersten objektiven Zeichen des Leidens 
und dem Trauma verstreicht eine gewisse Zelt (meist mehrere Wochen). 

8. Das Leiden ergreift zeitlich zuerst und in besonders starkem Grade 
den durch die Verletzung zunächst betroffenen Körperteil. 

4. In der Art oder der Lokalisation der Verletzung kann aus den bisher 
TerOffentlichten Fällen etwas Gemeinsames nicht gefolgert werden, so daß eine 
bestimmte Art von Trauma fttr die Entstehung der amyotrophischen Lateral« 
Sklerose nicht verantwortlich gemacht werden Kann. 

__Dr. T0bben«Httn8ter. 

Progressive Muskelatrophle und UnfalL Von Dr. Kurt MendeL 
Monatsschrift fttr Psychiatrie und Neurologie; Bd. XXllI, H. 8. 

Wie bei der amyotrophischen Lateralsklerose kann auch bei der pro« 
gressiven Muskelatrophie nicht angenommen werden, daß dn Unfall 
ue direkte innere Ursache des Leidens ist. Es muß vielmehr die Voraus« 
Setzung eines Nervensystems mit besonders geringer Widerstandskraft, einer 
angeborenen oder erworbenen Schwäche gewisser motorischen Bahnen gemacht 
werden. Als «angeboren* würde man eine «ab ovo* schwache Anlage der 
Vorderhomzellen bezeichnen; «erworben* kann die Disposition sein durch In« 
tozikation, Infektion oder durch eine bereits früher ttberstandene zerebrospinale 
oder spinale Erkrankung. _ Dr. Többen«Münster. 


Dystrophia muenlaris progressiva nnd Unfall. Von Dr.Kurt MendeL 
Monatsschrift fttr Psychiatrie nnd Neurologie; Bd. XXITT, H. 8. 

Ohne die Annahme einer gewissen Disposition zur Erkrankung kommt 
man auch bei der Dystrophia muscularis progressiva nicht aus. Ist 
jedoch diese Disposition vorhanden, so vermag ein Unfall sicherlich „aaslösend* 
zu wirken; ist aber das Leiden bereits zur Zeit der Verletzung in Entwicklung 
begriffen, so kann das Trauma eine schnelle Verschlimmerang herbeiftthren, 
insbesondere an der Stelle der Verletzung die Krankheit in besonderer In« 
tensität lokalisierea. Dr. Többen«Mttn8ter. 


Beitrag rar primären ahnten Osteomyelitis der Bippen. Von Assistenz« 
arzt Dr. Fiedler in Fulda. Mttnehener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 5. 

Verfasser berichtet über einen Fall von primärer (Jsteomyelitis der 
Bippe^ eine bekanntlich höchst seltene Erkrankung. Der Fall betriff ein 
8 jähriges Mädchen, welches am 10. Februar 1907 plötzlich mit hohem Fieber, 
Schüttelfrost und Schmerzen im Leib erkrankte. Vor 10 Tagen war sie auf 
der Treppe der Schale ausgeslitten und mit dem Bücken auf die Treppe auf« 
geschlagen. Unter dem Mae der Septikämie erfolgte am 26. Februar der 
Esitu letalis. Die Sektion ergab: Hers und Lunge ohne pathologische Ver« 



282 


Kliere Mittoilangen and Referate aas Zeitsebriflen. 


iademog. Pleurahöhle frei von Exsudat, und Pleura ohne AnfUgemuffeii. 
Leber und Milz hyperämlsch und etwas Tergröfiert, Bauchfell ttberoU glatt 
und glänzend, Darmschleimbaat intakt, ohne Geschwttre. Am knöchernen 
Thorax nur die 7. Rippe von Eiter durchsetzt. Mikroskopisch fand sich in 
den Harkkanälchen der Spongiosa des resezierten Rippenstückes ein großzelliges, 
fasriges Harkgewebe, das von vielen Leukozyten darcbsetzt war. Knochen« 
anbildung oder Resorptionsprozesse waren nicht vorhanden. Nirgends Nekrosen. 
Diagnose: Osteomyelitis acata. 

Wir haben demnach im vorliegenden Fall dos Bild einer primären akuten 
Osteomyelitis der 7. rechten Rippe im Anschluß an ein Trauma, hervorgerufen 
durch den Staphylococcus pyogenes aureus, hinzutretende schwere Allgemein¬ 
infektion mit hohem Fieber, tödlichem Ausgang nach 14 tägiger Krankheits¬ 
dauer. Die Diagnose war anfangs unmöglidi zu stellen und Typbusverdacht 
nicht ganz von Mr Hand zu weisen. Dr. Waihei-Kempten. 


Ein Fall von traumatischer Luxation des Nervus ulnarls dexter. 
Von Ch^arzt Dr. Qu ad flieg-Bardenberg bei Aachen. Httnchcner medizin. 
Wochenschrift ; 1908, Nr. 9. 

Ein 85 jähriger Bergmann kam mit dem rechten EUbogengelenk zwischen 
Schachtgerüst und Balken und wurde erheblich gequetsdit, wobei an der 
Innenseite des Oberarms oberhalb des EUbogengelenkes eine b cm lange Haut¬ 
wunde entstand; der rechte Arm war wie gelähmt 

Bei der späteren Ueberweisnng ins Krankenhaus hatte der sonst ge¬ 
sunde Patient taubes Gefühl im rechten Kleinfinger, teilweise auch im rechten 
Werten Finger. Beide Finger konnten nicht vollkommen gestreckt werden, 
standen vielmehr bei der Streckung der rechten Finger in geringer Beuge- 
steUnng. Auch konnten der rechte Kleinfinger und Ringfinger nicht adduziert 
werden. Im Sulcus ulnaris dexter und ein wenig oberhalb desselben fühlte 
man einen 2 cm langen, verdickten, sehr beweglichen, scbmerzhaften, fast 
zylindrischen Strang, der bei Beugung des rechten Ellbogengelenkes nach vom 
über den Epicondylus internus humeri hinausglitt. Bei dieser Bewegung ent¬ 
standen Schmerzen durch den ganzen Arm. Beim Strecken des Arms ging der 
verdickte Strang in den Sulcus ulnaris zurück. Am linken EUbogen zeigte 
sich das Verhalten der üinarnerven normal. Etwas oberhalb des rechten ^- 
bogengelenkes innen am Oberarm befand sich eine 5 cm lange, nicht ver¬ 
wachsene, nicht schmerzhafte Narbe. Diagnose: ,traumatische Luxation des 
Nervus ulnaris dexter mit konsekutiver Neuritis.* Durch operativen Eingriff 
erfolgte vollständige Wiederherstellung. Dr. W a i b e 1 - Kempten. 


Die Jahreszeiten, Tage und Standen ln dem Determinismus der 
Betriebsunfälle. (Le stagioni, i giorni, le ore nd determinismo degli infortun 
del InvoTo). — Von Prof. Dr. G. Pieraceini und Dr. R. Maffei-Florenzl 
II Ramazzini; Fase. 10—11,1907. 

Die beiden Verfasser wollen versuchen, aus den statistischen Unterlagen 
über das Vorkommen der ünfaUverlctzungen speziell darüber Aufklärung zu 
schaffen, wie sich die verschiedenen Jahreszeiten, Tage und Stunden hierbei 
verhalten. Es werden zu dem Zweck die Statistiken verschiedener Länder, 
namentlich aus Italien, und hier aus Eisenbahnwerkstätten zugrunde gelegt, 
und die Ergebnisse in zahlreichen Tabellen und Uebersichten niedergelegt. 
Die allgemeinen Schlußfolgerungen, die man hieraus über die Physiologie und 
Physiopathologie der Arbeit, im besonderen derjenigen der in mechanischen 
Werkstätten und ähnlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter, ziehen kann, sind 
noch P. und M. folgende: 

Die Jahreszeiten mit extremen Temperaturen begünstigen das Zustande¬ 
kommen der Betriebsunfälle. 

Der Montag ist der Tag mit der höchsten Quote für die Entstehung von 
Unfällen, während für die anderen Wochentage unregelmäßige und unbedeutende 
Schwanlningen bestehen, ohne daß man eine gewisse Tendenz zur Verminde¬ 
rung der Unfälle von Montag bis Sonnabend ausschließon kann. 

Die Unfälle vermehren sich progressiv im Verlauf des gewöhnlichen 
Arbeitsstundenplans, um sich gegen die letzte Periode desselben, vorausgesetzt, 



Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften. 


288 


daft es lielt um einen nicht ttbermSAig verliagerten Siandenplaa handelt, an 
Termindem. Die eingeschalteten Bnhepansen hellen die Qefanr der Betrlebs> 
anlEile herabsosetzen. 

Die prophylaktischen Maßnahmen Ihr die Arbeiter dienen hanptp 
sichlich daan, die großen Unfälle nnd schwersten Verletanngmi an yermelden, 
nttuen aber siemliiä wenig fdr die Vermeidung mittlerer und leichterer Ver* 
letaungen. Fttr letztere ist der indiriduelle Scharfblick nnd die Aufmerksam« 
keit ausschlaggebend. Der Betriebsunfall entsteht durch einen Komplex von 
anthropologischen Koeffizienten und der Umgebung; die Hanptfaktoren Iflr 
sein Zustandekommen sind der beschleunigte Rhytmus der Arbeit nnd die anf 
dem Fuße folgende Müdigkeit. Deshalb Ist die Akkordarbeit alldn fttr Mch 
und im Verein mit der ihr folgenden Müdigkeit ein das Entstehen yon Betriebs« 
Unfällen begünstigendes Moment. Die Prophylaxis muß neben dem Leben des 
Arbeiters auch die Interessen der Allgemeinheit ins Auge fassen, in dem Sinne, 
daß der zu intensiy ansgeantzte nnd ermüdete Arbeiter fttr sich nnd die 
anderen gefährlich ist. 

Die Hanpterlordernisse einer sozialen Oekonomie und Hy^ene sind: 
Sorge fttr gesunde Umgebung mit bester Lüftung nnd mittlerer Temperatur 
fttr den Arbeiter an seinem Arbeitsplatz, Innehaltung mittlerer Arbeitsstunden, 
Beyorzngung der freien Arbeit yor der Akkordarbeit, Verbot der Ueberstnnden 
über die gewöhnliche Arbeitszeit, Vermeidung des übermäßigen Alkoholgennsses, 
zweckmäßige nnd gesunde Ausnutzung der Ruhestunden nnd Ruhetage, Hebung 
der Kultur nnd Moral des Arbeiters, Sorge für gute Ernährung nnd Wohnung. 

_ Dr. Solbrig« Alleastein. 


Uebertragnng des Milzbrands als Betriebsunfall. Obergutachten 
des Geh. Med.«Rats Prof. Dr. Fttrbringer, erstattet auf Veranlassung des 
Beiehs« Versicherungsamts. Amtl. Nachricht des R.«V.«A.: Beilage zu Nr. 12,1907. 

Neben der bekannteren Aoußemng der Milzbrandinfektion*) unter der Forbi 
des Milzbrandkarbnnkels wird in yerhäitnismäßig seltenen Fällen das Bild 
efaier schweren akuten Allgemeininfektion beobaditet mit nnd ohne das ge« 
nannte Örtliche Hautieiden. Besonders heryorgehoben zu werden yerdient, daß 
in solchen Ausnahmefällen keineswegs immer eine Hantyerletzung nachweisbar 
ist. Das darf um so weniger Wunder nehmen, als einmal ganz geringfügige 
Hantyerletzungen (selbst Insektenstiche yermitteln die Infektion) schn^ spur« 
los schwinden können, das andere mal neben der Infektion durch die Haut 
eine solche durch den Magen oder durch die Atmungsorgane festgestellt ist. 
Es darf also das Fehlen einer nachweisbaren Eingangspforte des Krankheits« 
err^ers, d. i des MUzbrandbazUlus und seiner Sporen, nicht als gegen die 
Krankheit sprechend verwertet werden. 

Was die zweite wichtige Frage, das Krankheitsbild der letztgmiannten 
Form selbst, anlangt, so zählt schweres Krankheitsgefühl im sogenannten 
Vorläuferstadium, Atemnot und schneller Verfall bei yorhandenem oder fehlen« 
dem Fieber zu den konstantesten Symptomen. Auffallende Magendarm« und 
Lungenerscheinungen, wie sie zur Aufstellung eines Darm« bezw. Lungenmilz« 
brandes (Hadernkrankheit) geführt haben, können fehlen. Es werden sogar 
in der maßgebenden Literatur bedeutende Atembeschwerden ohne nachweisbare 
Lungenerkraakung heryorgehoben, sowie, was für den yorliegenden Fall be« 
sonders bemerkenswert erscheint, daß einige Male anhaltender Tetanus und 
Trismus, d. i. Starrkrampf der Körper« und Kinnbackenmnskulatur, beobachtet 
worden sind. Proi von Korünyi, der Direktor der medizinischen Klinik in 
Budapest, dem wir die neueste ausführliche lehrbnehmäßige Darstellung des 
menschlichen Milzbrandes yerdanken, und der desgleichen Muskelkrämpfe als 
»manchmal“ zu beobachtende Krankheitserscheinnng erwähnt, macht mit Recht 
darauf aufmerksam, daß die Verlaufsart der einzelnen Fälle sehr eindringlich 
durch mannigfache Beteiligung des Gehirns nnd seiner Häute unter der Form 
yon wässeriger Dnrchtränknng, Blntaustritten nnd dergleichen beeinflußt wird. 
Je ,naeh der Oertlichkeit der Massenhafügkeit sowie der Schnelligkeit des 


*) Ein yorher ganz gesunder Pferdeknecht, der bei der Sektion eines an 
Milsbrand yerendeten Ochsens geholfen hatte, war unmittelbar darauf an einer 
sdiwmen akuten Allgemeininfätion erkrankt nnd 13 Tage später gestorben. 



284 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeiteohriften. 


Zasiandekoinmeiu dieser MiierkranknageB des ZentralBerrensysteinB treten 
Tersehiedene funktionelle Storungen in die Erseheinnng. 

Stellt man diese Erörterungen im Vergleiche zu den Bekundungen des 
Sachrerständigen Dr. J. und der Witwe, so wüßte ich nicht, welche Wiüir- 
nehmung die Annahme einer Milzbrandinfektion yerbieten soUte. Offenbar ist 
dem Gutachter die anscheinend wenig bekannte Tatsache entgangen, dsS die 
Krankheit in Ausnahmefällen auch das Bild des Wundstarrkrampfes, wie eres 

S eschildert hat, darbieten kann. Jedenfalls liegt kein zwingender Grund Tor, 
le Steifheit fast sämtlicher Muskeln, besonders im Bereiche des Gesichts, des 
Nackens und Rückens unter erschwertem Sprechen und Schlinsen mit dem 
Wundstarrkrampf im engeren Sinne, d. L einer Infektion durcm sogenannte 
Tetanusbazillen, zu identifizieren. 

Hierzu kommt, daß die Kontinuität der Erscheinungen nach dem Akten¬ 
materiale durchaus gewahrt erscheint — die Krankheit yerläuft nach einem 
kurzen Stadidium der schlummernden Infektion in einigen Tagen bis Wochen 
wohl in der Hälfte der Fälle tödlich — und daß Personen, die sich mit dem 
Abdecken gerade mUzbrandkranker Binder oder dem Zerstückeln ihres Fleisches 
befassen, zu den häufigsten Opfern der Krankheit zählen. Wenn auch die 
Annahme der Witwe, daß der Verstorbene sich das tödliche Leiden durch 
Einatmen des Dunstes bei der Oeffnung des Kadavers zugezogen habe, nicht 
wohl zutreffen kann — die Longeninfektion geschieht durch Aufnahme 
trockenen, stäubenden Krankheitsmaterials — so dürfte doch die Vorstellung 
keinem Bedenken begegnen, daß H. sich entweder eine geringfügige ihm selbst 
unbewußte Hautverletzung beigebracht oder daß er infektionsfähiges Material 
ans Versehen vielleicbt mit dem Finger in den Mund gebracht hat. 


Tod an UnterlelbstTphus Infolge des Genusses yenenehten Trink¬ 
wassers in der Grube — Betriebsunfall. Rekurs-Entscheidung des 
Boichs-Versicberungsamts vom ßl.Noyember 1907. 

Unstreitig ist, daß der Scblachthauer Th. am Unterleibstyphus gestorben 
ist, und zwar infolge Genusses des von der Zechenverwaltung zur Schachtsohle 
gelieferten verseuchten Trinkwassers. Streit besteht nur darüber, ob diese 
Typhuserkrankung einen Unfall im Sinne des § 1 des Gewerbe>Unf.-Vers.-Ges. 
darstellt, d. h. ob das schädigende Ereignis zeitlich bestimmbar nnd zeitlich 
begrenzt gewesen ist, nnd ferner, ob dieser Unfall dem Betriebe zugerechaet 
werden kann. Das Bekursgericht bat im Gegensätze zum Schiedsgericht beide 
Fragen bejaht Da nach dem Gutachten des Kreisassistenzarztes Dr. B. vom 
6. November 1906 die ersten Typhusfälle auf der Zeche Badbod, auf welcher 
Th. arbeitete, am 16. Januar 1906 aufgetreten sind nnd Th. selbst am 29. Ji^ 
nnar 1906 erkrankt ist, so ist damit der Zeitraum gegeben, innerhalb dessen 
die Aufnahme der Typhnsbazillen in den Körper des Th. erfolgt sein muß. 
Ferner reicht nach ärztlicher Erfahrung die einmalige Einwirkung der Typhns- 
erreger ans, um die Erkrankung herbeizofübren. Danach spricht die Wahr¬ 
scheinlichkeit dafür, daß Th. innerhalb jenes Zeitraums durch einen einmaligen 
Genuß des verseuchten Trinkwassers, also durch ein in einen engbegrensten 
Zeitraum eingeschlossenes Ereignis, erkrankt ist. Er ist somit einem Unfälle zum 
Opfer gefallen. Dieser Unfall muß aber dem Betriebe zugerechnet werden, 
wenn er auch seine unmittelbare Ursache in der Befriedigung eines leiblichen 
Bedürfnisses gehabt hat Dtmn die Betriebsverhältnisse, unter welchen die 
Befriedigung vor sich gehen mußte, waren ungewOhnlidie. Es galt, in mög¬ 
lichst kurzer Zeit zwei Schächte niederzubringen, nnd dazu bedurfte es der 
ununterbrochenen nnd möglichst angespannten Tätigkeit der Arbeiter, die um 
so anstrengender war, als eine außergewöhnliche Wärme herrschte. Unter 
diesen Umständen bemächtigte sich der Arbeiter ein häufiges und starkes 
Dnrstgefühl. Dem trug die Zechenverwaltung, um die behufs Stillung des 
Dorstes erforderlichen Arbeitspausen zu vermeiden, durch Lieferung von Trink- 
wasser für die Arbeiter Rechnung. Die Lieferung des Wassers geschah also 
wesentlich im Betriebsinteresse. Damit wurden die Vorkehrungen zur Bereit¬ 
stellung des Wassers nnd dieses selbst zu einer Betriebseinrichtung. Da Th. 
infolge der mangelhaften Beschaffenheit dieser Betriebseinrichtung erkrankt 
und gestorben ist, so ist er einer Gefahr erlegen, die durch den Betrieb ver¬ 
anlaßt war. Sein Unfall steht daher in ursächlichem Zusammenhänge mit 
dem Betriebe. 



Kleinere Hitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


285 


Tanddiaimeruf einer LmiKMitaberknloee ale BetrlebsnnfUI« Re« 
kars-Ent Scheidung des Rei eh s-V er sicher ungsamts Tom 22. No. 
Tember 1907. Kompaß; 1908, Nr 6. 

Der Kreisant Medizinairac Dr. R. und der Sanitätsrat Dr. fi. ia Essen 
auf deesea Gutaehtea yom 29. Dezember 1906 das Schiedsgericht seine Ent- 
eeheidnag stützt, sind der Ansicht, daß die Langentaberknloae, an der der Erb« 
lasser der Kläger gestorben ist, durch das bchanptete Unfallereignis nicht 
Temrsaeht sei, weii Lnngentnberbnlose dnrch Verheben überhaupt nicht ent« 
sieben könne. Sie halten es aber für möglich, daß durch das Vorheben eine 
bei R. schon iatent bestehende Tuberkulose durch Verursachung einer Lungen« 
blutung wesentlich yerscblimmeit sei, nur bestehe die gleichwertige Möglichkeit, 
daß siä die Tuberkulose ganz ans sich selbst weiterentwickelt und schließlich 
zum Tode geführt hat und der Unfall nur die zufällige Gelegenheit geboten 
hat, daß R. auf das bei ihm in der Entwicklnnff begriffene Leiden aufmerksam 
geworden ist. Das R.«V.-Ä. hat es nun unter den besonderen Umständen des 
yorliegenden Failes im Oegensau zu dem Schiedsgericht für ausreichend wahr« 
scheiniich gehalten, daß der Unfall des N. das Langenleiden, wenn nicht yer« 
nrsacht, so doch in erheblichem Maße ungünstig beeinfloßt hat. 

Nach dem oben angeführten Gutachten und dem Gutachten des Dr. B. 
yom 24. Noyember 1904 muß man dayon ausgeben, daß der Erblasser der 
Kläger nie lungenkrank gewesen ist und auch nicht aus einer lungenkranken 
Faii^ie stammt. Der Unfall Anfang August 1904 hat nun jedenfalls nicht 
bloß in einem einfachen .Verheben“ bestanden. N. wollte mit zwei anderen 
Arbeitern einen entgleisten Bergewagen auf die Schienen setzen. Während 
die beiden Mitarbeiter den Wagen auf der einen Seite niederdrückten, yersuchte 
N. allein auf der anderen Seite, ihn hochzuheben, glitt dabei aus und bekam 
durch das plötzliche Nachlassen der Last einen solcbon Ruck, daß er sich mit 
beiden Händen an das Kreuz faßte und sofort über Schmerzen im Kreuz klagte. 
Der Vorgang war hiernach sehr geeignet, eine recht erhebliche Erschütterung 
des Körpers, namentlich an Rücken und Brust heryorznrufen. Ein oder zwm 
Tage darauf hat N. dann angefangen, Blut zu speien. Das Blntspeien dauerte 
etwa 5 Tage, wurde dann seltener, bis N. am 80. Oktober 1904 wieder Blut 
fa großer Menge aushustete. Er ist dann bis zu seinem am 26. Oktober 1906 
erfolgten Tode in schnell fortschreitendem Grade andauernd lungenkrank ge¬ 
wesen. Bei diesem plötzlichen heftigen Auftreten des bisher jedenfalls nicht 
bonerkbar gewesenen Lungenleidens im unmittelbar zeitlichen Anschluß an 
den ziemlich schweren Unfall und seiner schnellen Entwicklnng hat das R.«V.«A. 
nicht bloß die yon den Sachyerständigen angenommene Möglichkeit seiner Ver« 
seÜimmerang durch den Unfall, sondern die hohe WahrschcdnllcUteit einer 
solchen Verschlimmerung als hinreichend erwiesen angesehen. Demgemäß war 
die Beklagte unter Aufhebung der Vorentscheidungen zu yerurtcdlen, die 
Kläger aus Anlaß des Todes des N. zu entschädigen. 

Entstellung des Aussehens rechtfertigt die Bewilligung einer Ent- 
sehidlgung nicht. Rekursentscbeidung des Reichsyersicherungs« 
amts yom 24* Oktober 1907. Kompaß; 1908, Nr. 4. 

Der auf das Ergebnis der Augenacheineinnabme gestützten, mit der 
ärztlichen Beurteilung in Uebercinstimmung sich befindenden Auffassung des 
Schiedsgerichts stehen Bedenken nicht entgegen. Der Kläger mag Beschwer¬ 
den oder Unbequemlichkeiten beim Atmen während angestrengter Arbeit 
empfinden; yon einer wirklichen Atemnot kann bei ihm aber keine Rede sein, 
da die Atmung durch die Nase möglich ist. Ebensowenig wie die Verletzung 
der Nase yermag diejenige an der Oberlippe die Erwerbsfähigkeit des Klägers 
in meßbarem Grade zu beeinträchtigen. Er hat auch seit September 1906 
wieder seine frühere Beschäftigung aufgenommen, arbeitet regelmäßig und ein 
Lohnausfall nach dem Unfälle macht sich nicht bemerkbar. 

Auch aus dem Gesichtspunkte der Entstellung des Aussehens des 
Klägers läßt sich die Gewährung einer Unfallrente nicht rechtfertigen. 
Denn der Kläger hat bisher aus diesem Grunde keine Schwierigkeit bei Er« 
langung von Arbeit zu überwinden gehabt und wird sie als Bergmann oder 
axd dem nach seinen Fähigkeiten für ihn in Betradit kommenden Arbeitsmarkt 
in erheblichem Maße niemals finden. 



2S6 Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften. 

Das Verlangen nach GewShrang einer ünfallrente ist Uenadi nicht 
g;erechifertigt nnd der Rekurs nnbegrüadet. 


D. Bakteriologrle, Hygiene und dffentUolief Sftiüt&tsweeeB. 

Tropenhygiene. 

Die Chemie des Sehlangengiftes nnd Herstelinng ron Schlangengift' 
sehntmernm. Von Dr. M. Krause. ArchiT Ittr Schiffs- o. Tropen-H}giene; 
1908, Bd. 12, H. 1. 

Die in den afrikanischen Schutsgebieten ziemlich häufigen Giftschlangen 
haben während der letzten Feldzttge manche Opfer gekostet. Die Herstelinng 
eines Immunsernins ist deshalb von großer pra^ischer Bedeutung. 

Krause gelang es durch intravenöse Einverleibung von Nattern- nnd 
Vipem^ft ein hochwertiges Eaninchenserum zu gewinnen, das gegen beide 
Gitterten schützte. Dr. Dohrn-Hannover. 


Die Malarlabekfimpfung in den deutschen Kolonien nnd in der 
Kaiserlichen Marine seit dem Jahre 1901. Von Prot Dr. Beinhold Buge 
in Kiel. Archiv ffir Schiffs- und Tropen- Hygiene; 1907, Bd. 11, H. 22. 

Verfasser stellt folgende Schlußsätze anf: 

1. Keines der in Kampf gegen die Malaria angewendeten Mittel gewährt 
einen absolut sicheren Schutz. 

2. Welche Art der Malariabekämpfnng im gegebenen Falle anzuwmiden 
ist, hängt von den örtlichen Verhältnissen, in Sonderhdt von den zur Ver- 
fttgnng stehenden Mitteln ab. 

8. Vom praktischen Standpunkt ans empfiehlt es sich, die verschiedensten 
Schntzmaßregeu in Kombination zu gebrauchen. 

4. Die Ausrottung der Malaria nach dem Koch sehen Verfahren hat an 
verschiedenen Plätzen recht gute Resultate gehabt. Doch lassen sich diese 
Resultate nur dann dauernd erhalten, wenn ein Arzt «ad hoc“ mit dem nötigen 
Personal zur Verfdgung steht, der ständig die nötigen Nachuntersuchungen 
anstellen kann. Im Nebenamte können derartige umfangreiche Arbeiten von 

' einem Arzte nicht ausgefhhrt werden. 

5. Das einfachste und unter allen Verhältnissen anwendbare Schutz¬ 
mittel ist die Chininprophylaxe. Doch maß je nach der Infektionsgefahr und 
der Chinintoleranz individualisiert werden. 

a) C hinin 1,0 ist während der Fieberzeit unter den bekannten Vorsichta- 
maßregmn an zwei aufeinander folgenden Tagen — 8. nnd 9. bis 5. nnd 6. Tag, 
je nach der Infektionsgefahr, — oder jeden 4. Tag zu nehmen. 

b) Das Chinin muß noch mindestens 2 Monate nsmh dem letzten Fieber¬ 
anfall in oben angegebener Weise genommen werden. 

c) Eine gründliche Ausheilang eines jeden Fieberanfalls ist nötig, ehe 
die Prophylaxe wieder anfgenommen wird. 

d) Da Chinin in Gramdosen bei vielen Leuten höchst unangenehme Er¬ 
scheinungen hervorruft, so ist bei solchen das Chinin nach Nocht scher 
Methode zu geben (5 mal 0,2 gr. Bef.). 

e) Die Chininpropbylaxe kommt in den Kolonien namentlich für den ein¬ 
zelnen Europäer, für militärische Verhältnisse — marschierende und im Felde 
stehende Trappen —, sowie an Bord von Schiffen in Betracht. 

Sie bat in der Marine nnd bei den Schutztruppen namentlich insofern 
recht gute Rcsoltate gehabt, als nicht nnr die Anzahl der Erkrankungen ganz 
erheblich abgenommen, ganz besonders die Rückfälle —, sondern auch die 
trotz der Prophylaxe aufgetretenen Erkrankungen sehr viel leichter verlaufen 
und namentlich Schwarzwasserfieber nnr vereinzelt vorgekommen sind. 

f) Zur Malariaprophylaxe gehört auch die Cbinisiernng der eingeborenen 
Diener. 

6. Mechanischer Schutz ist erst in letzter Zeit in den deutschen Kolo¬ 

nien angewendet worden. Wenn die zu schützenden Hätuer entsprechend 
gebaut waren, der Drahtschatz mit den nötigen Vorsichtsmaßregeln angebracht 
und in Stand gehalten wurde, so tat er gute Dienste. Bettmoskitonetze sind 
bei den Earopäem allgemein im Gebrauch. Dr. Dohrn-Hannover. 



Kleinere Mitteilnngen and Referate ane Zeltaehriften. 


287 


Ueber Halarlaproplijlaxe la «nlnltiTlerteii flefeaden« Yen Prof. 
Dr. Ziemana ia Eamema. Mariae-Oberstabsarst and Medidnalreferenb. 
ZeitacArUt f. inL FortbUdans; 1908, Nr. 5. 

Die Methode, die Malariaparaeiten aneznrotten doch Bystematiaohe 
Chininsiernng einer g^zen nalariainflzierten BevOlkemng (im Sinne B. Koche) 
ist noT unter ganz bestimmten Voranesetznngen mOgUch und in Weetafiika 
wegen der Flonnation der BerOlkerung nicht dnrchznftthren. Von praktischem 
Wert ist dagegen die „eigentliche Chininprophylaxe*, welche bezweckt, die 
erent. in den KOrper eingedmngenen Malariaparasiten gleich im Beginn der 
Itotwicklnng abzntöten. Dabei muß eine gewisse IndiTidnalisierong beobachtet 
werden. Ziemann gibt alle 4 Tage, je nachdem es Tertragen wird, 1,0 oder 
0.5 Chinin oder je nachdem Enchinin. Die Methode wird des näheren ans* 
etnandergesetzt, ttber eine Reihe vorzüglicher Erfolge wird berichtet. 

Die Yernichtang der Malariamoskitos ia nnknltivierten Gegenden — 
Yemichtnng der Eier, Larven and Nymphen — erfolt^ am besten durdi 
Trockenlegiug der Sümpfe, Aufschütten von Petroleam oder Saprol etc. zwecks 
Yernichtang der Bratstätten. Auch müßten noch weitere systematische Yer- 
snche gemacht werden, durch Yerbmitung von Pflanzen, wie z. B. der Wasser¬ 
pest, die Larven and Nymphen der Anophelinen za ersticken. Der Einflaß des 
Arztes bei der Kolonisation müßte großer werden. Zorn Schatze der Menschen 

g egen Stiche kommt in erster Linie das Wohnen in moskitosicheren Häusern 
1 Betracht. Einreibongen mit Salben and Gelen haben auf die Dauer nicht 
den ^erinraten Erfolg. Di nnknltivierten Gegenden sollten Earopäer mindestens 
s/4 bis 1 ^ entfernt von den malariainflzierten Eingeborenen wohnen. 

Yor allem ist die Malariabekämpfang anch eine soziale Frage. Auf 
die Emährang bezw. die ünterernährong der Neger ist bisher nicht genug 
(Gewicht gelegt worden. Der Konsum an tierischem Eiweiß ist bei der farbigen 
Basse oft noch viel zu gering, weil eine Fülle von Tierkrankheiten, speziell 
die Trypanosomeninfektion, die Yiehbestände dezimiert. 

Bei der Malariabekämpfang läßt sich nur durch Kombination der 
erwähnten Methoden das erwünschte Ziel erreichen. 

Dr. Lohmer-Cöln. 


BUharziosis hei Earopäern ln Dentseh-OstafHka. Yon Dr. C. Mense- 
CasseL Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene; 1907, Bd. 9, H. 24. 

Eia 26 jähriger Pflanzer suchte wegen Fieber, Blasenbeschwerden und 
Hämatarie die Behandlung des Verfassers auf. ln den Blutgerinns^ des 
Urins fanden sieh große Mengen von Schistomum hämatobium-Eiern. 

Besonderes Interesse beansprucht der Fall deshalb, weil er die Looßsche 
Lehre von der Infektion des Körpers beim Baden stützt. Patient hatte in 
einem Bassin sehr eifrig gebadet. Anch ein Genosse von ihm, der leider nicht 
zur Stelle war, litt ebenfalls einige Zeit nach Beginn der Bäder an den 
gleichen Beschwerden. Dr. Dohrn-Hannover. 


Zar Aetleldgfe der Schlafkrankheit. Yoh Dr. Kudicke, Stabsarzt 
der Schutztruppe. Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene; 1908, Bd. 12, Nr. 2. 

Verfasser stellte bei einer Anzahl Frauen Schlafkrankheit fest, obwohl 
diese sich in nicht verseuchten Gegenden aufgehalten hatten. Dagegen er¬ 
mittelte er, daß die Männer, mit denen die Frauen verkehrt hatten, an Schlaf¬ 
krankheit gelitten hatten. K. hält deshalb den verbreiteten Glauben für nicht 
unbegründet, daß die Schlafkrankheit durch den Zeugungsakt auf die Frau 
flbertnigen werden kOnne. Dr. Dohrn-Hannover. 


Ist in heissen Gegenden die Ersengang etnes'''fflrTden Europäer 
gflnstigeren KUmas der Wohn- und Arbeitsräame notwendig und technisch 
mäglichf Yon Dr. C. E. Banke, München. Archiv für Schiffs- und Tropon- 
Bygiene^ 1907, Bd. 11, Nr. 21. 

Die klimatischen Gesundhoitssehädigungen des menschlichen Organismus 
werden in der Hauptsache durch die Behinderung der Wärmeabgabe verursacht. 
Während vorübergehenden Erhöhungen der Außentemperatur durch die Begu- 
lationsmittel (Schweißsekretion) des Körpers begegnet werden kann, versagen 
bei dauernder Einwirkong der Hitze diese Hilfsmittel, indem Herz and Nerven- 



288 


Kleinere Mitteilongen ond Referate aoa Zeitsobriften« 


System der yermehrten Arbeit nicht mehr gerecht werden können und er¬ 
schlaffen. Der Organismus ist nnnmehr darauf angewiesen, dorch Einschrinknng 
der Arbeitsleistung und Verminderung der Nahrungsaufnahme fllr einen Au^ 
gleich zu sorgen. 

Will man den durch die Wärmestauung bedingten Folgeznst&nden, die 
besonders in yerminderter Arbeitsfähigkeit bestehen, begegnen, so muß man 
Mittel zur Vermehrung der Wärmeabgabe anwenden. Man muß fttr Zuftthmng 
trockener und abgekliUter Luft sorgen. Hierzu bietet uns die moderne Kälta> 
Industrie die Mittel. Mittels eines von B. angegebenen Apparates ist es mög¬ 
lich, bei jedem Außenklima in Wohnräumen ein zuträgliches Klima zu erzeugen. 
Derartige Hilfsmittel werden der weißen Basse den Aufenthalt in den Tropen 
ermöglichen. Dr. Dohrn-Hannoyer. 

Die Schulen für Trepenmedizln ln England. Von Dr. Clans Schilling. 
Ans dem KönigL Institut fttr Infektionskrankheiten in Berlin. Klinischen 
Jahrbuch; 1907, Bd. 17, H. 8. 

England hat sich erst relativ spät dazu entschlossen, den in die Kolonien 

g ehenden Aerzten die Möglichkeit einer besonderen Ausbildung zu yerschaffen. 

Irst im Jahre 1899 wurde eine Schule fttr Tropenmedizin in London und 
später eine zweite io Liverpool gegründet. 

Die Londoner Schule ist an die Universität angegliedert. Sie steht in 
Verbindung mit dem Hospital und bezieht hieraus ein reiches Material. Den 
Laboratoriumsarbeiten stehen die von der Antivirisektion erreichten, törichtmi 
Vorschriften hinderlich entgegen, daß Versuchstiere nur in ganz genau yorge- 
schriebener Anzahl gehalten werden dürfen. Wird diese Zahl ttberschritten, 
so ist Entziehung der Erlaubnis die Folge. 

Jährlich werden 8 Kurse yon dreimonatiger Dauer abgehalten. Zum 
Schluß des Kursus kann man sich einem Examen unterziehen, das fttr die be¬ 
amteten Aerzte obligatorisch ist. Der Preis des Einzelkursns beträgt 886 M. 

Das Institut in Liverpool ist durch reiche Zuwendungen seitens der 
Kaufmannschaft besser ausgestattet als das Londoner. Es war in der Lage 
bisher schon 15 Expeditionen in die Tropen ansznsenden. Auch eine Abteilung 
fttr Veterinärmedizin steht mit der Schule in Verbindung. Die Arbeiten 
in dem fttr 40 Plätze eingerichteten Laboratorium haben sehr unter dem 
Kohlenstaub zu leiden. 

Verfasser meint, daß das Hamburger Institut den Verglich mit den 
englischen nicht zu scheuen brauche. Wünschenswert wäre es nur, wenn sich 
unsere Institute einer ähnlichen Unterstützung wie die englischen erfreuen 
würden. Dr. Dohrn-Hannoyer 

Gewerbehygiene. 

Ueber Lnftdmekerkrankungen beim Bau der Grttnen Brfteke tu 
Königsberg 1. Pr.*) Von Privatdozent Dr. Klineberger. Aus der mediz. 
Klinik zu Königsberg i. Pr. Hyg. Bundschau; 1907, Nr. 8. 

Die Caissonfundierungen von Brückenpfeilern datieren erst seit 1898. 
Seitdem kennen wir auch Caissonerkrankungcn. Bia heute sind 144 Todesfälle 
und eine große Zahl von Erkrankungen anschließend an den Aufenthalt in 
komprimierter Luft beschrieben worden. Als Folge der Kompression kommen 
lediglich Ohrenerkrankungen durch den zu langsamen Druckausgleich zwischen 
der äußern Preßluft und der im Mlttolrobr befindlichen Luft vor. Die Dekom- 
pressionserkrankungen sind häufiger bei den Caissonarbeitem und den unter 
ähnlichen Bedingungen arbeitenden Tauchern; sie sind akut verlaufende, durch 
Beizungs- und Lähmungserscheinnngen charakterisierte Krankheiten. Jene 
sbd durch Schmerzen und Parasthesien gekennzeichnet, diese treten als Herz- 
nnd Lungenaffektionen (Irregularitas cordis, Asphyxie) oder als zerebrale und 
»inale Symptomenkomplexe mit Krämpfen, Psychosen, Lähmungen, Mönbrischer 
Trias usw. zu Tage. Die Erscheinungen treten sofort nach der Dekompressioa 
auf, verschwinden bald oder bleiben dauernd. Am häufigsten ist die spastische 

*) Nach einem Vortrag im Verein fttr wissenschaftliche Heilkunde in 
Königsberg am 18. Februar 1907. 



Kldnere IDtteilnogen and Beferate ans Zeitaehriitaiii 


189 


Paraplegie der unteren Eztremit&ten mit SenaibUititflstOrangea, Blasen* und 
Mn^darmlihmung, die mdst durch Decubitus oder CystopyeliUs sum Tode führt. 

Außerdem kommen noch infolge von Darchnüssang und ErkUtung 
Katarrhe mit Emphysem und Herzerkrankongen vor. 

Alle Erschwungen der Kompression werden bedingt durch das su rasche 
Freiwerden der Im Blute unter Druck resorbierten Oase (hauptsachlieh Stick* 
Stoff) und durch Gasembolien, welche — im Zentralnervensystem besonders 
markant wirkende — isch&mische Nekrosen hervorrufen. 

In Königsberg wurden zwei Caissons in über 20 m Tiefe unter der Pregel* 
Oberfläche fundiert. Dabei erkrankten 56 Arbeiter, davon 16 an akuter 
Tracheobronchitis, 6 an Ohrleiden, 88 an Dekompressionserkrankungen in leichter 
und schwerer Form, von denen die leichteren Fälle als Muskel*, Qelenk*, 
Gliederschmerzen, als Hautjucken, als ischiasäbnliche Schmerzkrisen verliefen 
lud meist sehr hartnäckig waren. Solche Öfters als rheumatisch bezeichneten 
Affektionen haben sich bei 84 Arbeitern feststellen lassen. Unter den 4 
sdiweren Formen befand sich je eine wenige Tage anhaltende, hochgradige 
motorische Parese der Arme und Beine und eine Erkrankung, die mit heftigen 
Sdunerzen und Parästheslen einher ging und drei Wochen anhielt. Bei dem 
dritten Fall handelte es sich um eine spastische Parese der Beine; daneben 
besWden Hyperästhesie vom Nabel abwärts, Störungen der Blase und des 
Mastdarms, Veränderungen der Sehnen* und Hautreflexe. Sämtliche Erschd- 
nungen bcMerten sich während der Erankenhausbehandlung. 

Bd dem vierten Kranken trat unter heftigen Schmerzen eine motorische 
Schwäche der Extremitäten auf. Dazu kamen Fieber, Delirien, Cbeyne* 
Stokessdies Atmen. Ferner ließen sich kleine Hautblutnngen, eine doppd* 
sdtige Neuritis optica mit retinitischen Herden und einer kleinen Blutung, eine 
starke Hyperästhesie und Blasen * HastdarmstOrnngen nachweüen. Der Kranke 
wurde gesund. Die Zerebrospinalflüssigkeit war stets normal. 

Die cWsonkrankheiten lassen sich durch entsprechende Maßnahmen 
Teriiindem. In Anlehnung an das Begnlatlv von Sehr Otter, Mayer und 
Heller wird als Einschleusungszeit 1 Minute, als Ausschleu* 
sungszeit 2 Minuten für je 0,1 Atmosphäre (hier waren bd 17 m 
Waasertiefe an Stelle von 8—10 Minuten 84 Minuten erforderlich gewesen), 
Einbereehnung der Schleusenzeit in die Arbeitszeit, Nor* 
mierung einer maximalen Schleusenzeit, etwa von 10 Stunden, 
empfohlen. _Dr. Kurpjuweit-Berlin. 

Ctowerbliehe Bleivergiftung. yonE.Mo8ny und Ch. Laubry. La 
Tribüne mOdicale; 1907, Nr. 86. 

Die Schlußfolgerungen, welche die Verfasser ans ihrer Arbeit ziehen, sind: 

I. Eine wirltoame Prophylaxe der gewerblichen Bleivergiftungen ver* 
langt zuerst eine Kenntnis aller einschlägigen Fälle; sie beruht also auf ge* 
aanester Statistik, welche alldn durch die Anzdgepflicht der gewerblichen 
Bldvergiftungea ermöglicht wird. 

IL Die daraus folgenden prophylaktischen Maßnahmen sind: 

1. Ebe Beihe von besonderen Vorschriften, die in allen Fällen, wo dies 
wirksam erscheint, gegeben werden und jeder Industrie, in der Blei und seine 
Zusammensetzungen bearbdtet werden, angepaßt sind. Diese Vorschriften 
müssen gemeinsam von Hygienikern und Tecbnikem aufgesteiit werden. 

2. Oesetzgeberische Maßnahmen, falls diese Vorschriften nicht genügen 
sollten; diese müssen das Verbot des Gebrauchs der gefährlichen Erzeugnbse 
ent^teiL wenn die letzteren durch unschädliche und vom ökonomischen und 
industriellen Standpunkt gleichwertige Substanzen ersetzt werden können. 

IIL Die Durchführung dieser Maßregeln verlangt die Organisation eines 
KoatroUdienstes, der gemeinsam von einem medizinischen und technischen In* 
spdktor ansznüben ist. Sie verlangt ferner die Einrichtung einer Listenführung 
Aber den Gesundheitszustand der in den einzelnen Betrieben beschäftigten 
Arbeiter. 

Als weitere Folgerung ergibt sich, daß die gewerblichen Bleivergiftungen 
unter die Betriebsunfälle emgereiht und diesen gleich erachtet werden. 

_ Dr. Solbrig*AUenBtein. 



290 


Kleinere lOtteilnngen nnd Referate ans ZeitBehriften. 


EnelietniBf en setteiM der Ctonltalorgue bei des ArbetterliiBeM der 
Bleibergwerke In Sardinien« Von Dr. Gilde Frongia. 11 Bamaaiini: 
1907, Fasa. 9. 

Verfasser stndierte die besonderen, hSchst ungünstigen Verhältnisse der 
In den Bleibergwerken Sardiniens beschäftigten weiblichen Personen, die oft 
schon in früher Kindheit mit ihrer nngesonden Arbeit begonnen haben. Seine 
Beobachtungen beziehen sich anf 456 Arbeiterinnen. Die festgestellten beson* 
deren Schädigungen infolge dieser Berufsarbeit beziehen sich 1) auf die Hen> 
struätion, 2) auf die Schwangerschaft, 8) auf die Eindersterblidikeit. 


I. Menstruation, a) Eintritt. 



Die Menstruation trat ein 

Zahl der Arbeiterinnen 

rechtzeitig 
(13.-16. Jahr) 
bei: 

verspätet 
(16.-18. Jahr) 

bei: 

abnorm verspätet 
(18.-26. Jahr) 
bei: 

466 

44 

123 

289 


b. Verlauf. 


Zahl der Arbeiterinnen | 

regelmäBig 

unregelmäßig | 

mit Hämorrhagien 

466 

63 1 

289 1 

1U4 


c. Verlauf im Vergleich zu der Zeit, die die Arbeiterinnen in den Minen 

gearbeitet haben. 

Zeitdauer der Minenarbeit: 
1—5 6—10 10-16 16-20 Jahr 
36 26 2 0 

98 164 24 8 

29 62 23 1 

Hiernach war die Menstruation nur bd 9,6 °/o sämtlicher Arbeiterinnen 
normal eingetretea und bei 18,8 **/o in ihrem Verlaufe regelmäBig. 

IL Gravidität. 


regelmäßige 


unr( 

mit 


\ Menstruation 


Itoo^hiiei: Twbundei; J 


Zahl der verheiiateten Arbeiterinnen 


ohne Keeh* 
kommentehftfk 

mit Nachkommenschaft 

sni8« 

77 

■ 

297 

374 

mit einmaliger { mit mehrfacher 

Gravidität 

23 1 274 ! 

Schwangerschaften mit 
rechtzeitigem | vorzeitiger 
Ende | ünterbrewung 

der Gravidität 

Schwangerst 
rechtzeitigem 
Ende 
der Gr 

idtalten mit 
vorzeitiger 
ünterbrechung 
avidität 

7 1 

1 16 1 

1193 1 

266 

Tot* ILebend* 
geboren 


Tot* ILebend* 
geboren 

Aborte 

6 1 1 

1 14 i 2 1 40 1 1164 1 

1 205 61 


Es waren sonach 20^1^ der Ehen unfruchtbar. Von 23 nur einmal Ge* 
bärenden wird nur ein lebrädes Kind geboren. 20**/• aller Schwangerschaften 
wurden vorzeitig unterbrochen; bei den I paren war */> der Schwangerschaften 
vor dem rechtzeitigen Ende unterbrochen. Totgeboren waren bei den Prima* 
paren 12 gegenüber 199 Lebendgeborenen (fast (6**/*), bei den Pluriparea 84 
gegenüber 909 Lebendgeborenen (= 8,6 »/o). 

m. Kindersterblichkeit. 


Zahl der Lebend* 
geborenen 

der ersten 

6 Monate 

Davon starben während 
vom 1 voml.—2. 

6.-12. Monat | Jahre 

vom 8.-8 
Jahre 

1166 

1 1^3 i 

73 j 

68 1 

42 









Kl«inere Mitteilungen onA Referate ans Zeitsehriften. 


291 


Es siarben also wihiend der ersten 8 Jahre tob 1154 Lebendgeborenea 
826 B 28 */q. (NB. Die Sterblichkeit des ersten Lebensjahres mit 1^7 "/o er¬ 
scheint hbrigens yerhUtnismüßig niedrig and bleibt hinter der Etndersterb* 
keit Preofiens, die ihr 1906 mit 22,9 berechnet ist, sarttek. D. Bef.) 

IV. Verhalten der Grayldität und Kindersterblichkeit 
bei den Frauen, deren Männer in den Bleibergwerken beschäftigt waren. 


Zahl der Fraaen 


okii« Bohwan- 
fmehMfl 1 

mit Schwangerschaften 

ZlUI. 

11 

46 

56 

1 

Zahl der Schwangerschaften 
zusammen 

199 

Kindersterblichkett 

Es starben von 144 Lebend- 
geborenen 



ausgetragen 

156 

1 

unterbrochen 

durch 

im 

1. 1 2. 1 8. 
Lebensjahre 

frühreif 



Tot- 1 Lebend' 
geboren 

12 1 144 1 

1 

37 

6 

1 ' 

1 81 28 i 28 

i 

26 



Von 56 Ehen zwischen Minenarbeitem und Minenarbeiterinnen waren 
11 (= 20*/o) steril, tob 199 Schwangerschaften 48 (b 22*/o) frAhselUg unter- 
browen, Ton 144 Lebendgeborenen starben in den ersten 8 Lebensjahren oder 
frühreil 108 (= 76»/o)l 

Der yerderbliche Ebfluß dieser Bergwerksarbeit, bei der es sieh um 
BleiTergiftung handelt, auf die Frauenwelt spricht sich deutlich aus solchen 
Zahlen aus. Nicht ist in diesen Zahlen zum Ausdruck gekommen die weitere 
Beobachtung des Verfassers, daB die Lebendgeborenen zu 90 "/o kaehekUseh 
und degeneriert zur Welt kommen und, soweit sie nicht yorher zu Grande 
gehen, W ihrer Gestellung zum Militär zu 90—95 "/• dienstuntauglich befunden 
werden. 

Verfasser ist nicht im Zweifel, daß alle die angeführten Erscheinungen 
auf Bleiyergiftung zurttekzuftthren sind, um so mehr, als dergleichen bei 
Arbeiterinnen anderer Betriebe in gleicher Hänfigkeit und Schwere nicht be¬ 
obachtet worden sind. Es ist mithin der Schlufi gerechtfertigt, daß „das 
Blei eine schwere und tiefe Einwirkung auf die Genitalspparate der Arbeiterinnen 
in den Bleiminen Sardiniens ausübt, die in MenstruationsstOrungen und Stürun- 

S en der Gravidität bis zur völligen Sterilität besteht. Die ^flösse auf die 
fravidität und die Nachkommenschhft sind um so schwerer, wenn beide Ehe¬ 
leute der Bleiintozikation ausgesetzt sind.* Ein gesetzliches Verbot der Kin¬ 
der- und Frauenarbeit in solchen Betrieben, von den Verfasser spricht, scheint 
neuerdings in Italien ergangen zu sein. Dr. 8olbrig-Allenstein. 


Beitrag zur Bedeutung des Glessflebers ln der GewerbebjgleBe. Von 
Dr. Otto Graeve in Iserlohn. Vierteijahrsschrift für gerichtliche Medizin 
und öffentliches Sanitätswesen; Jahrg. 1907, 2. H. 

Verfasser berichtet über 2 von ihm beobachtete Fälle sogen. „Gieß- 
flebers", von denen ein Fall tOtUch verlaufen ist. Das Gießfleber, wie es häufig 
bei Messing- und Zinkgießern vorkommt, bietet im allgemeinen ein leichteres, 
bald vorübergehendes Krankbeitsbild dar; die Arbeiter treten dem ihnen be¬ 
kannten Leiden durch den Genuß reichlicher Mengen heißer Milch wirksam 
entgegen. Die beiden schweren, vom Verfasser beobachteten Fälle zeichneten 
rieh durch das Vorhandensein einer vergrößerten Milz aus; weitere Nach- 


Gießfiebers gehört. 


Dr. Kraemer-Worbis. 


Die Herstellung von Filz und seine GeCahren« Von Joseph E^anet. 
Bevue d’hjgiöne et de police sanitaire; Bd. 29, Nr. 11, November 1907. 

Die HersteUung des Filzes, die in einer Bearbeitung von Hasen- und 
Kaninchenfellen besteht, beschäftigt in Europa ungefähr 300000 Arbeiter und 



292 


Kleinere Mitteilnngen ond Keferate ans 2MfseIuriften. 


Arbeiterinnen. Schon die vorbereitende Bearbeitong der Felle Metet viele 
gesnndheitliehe Oefahren. Die Lnft in den Arbeitsränmen ist dauernd mit 
Staub and Haarpartikeln geschwängert and verarsacht bei den Arbeitern 
Bronchiaikatarrbe and Beizzastände der Atmongsorgane. ln den IransOsischen 
Fabriken, die Verfasser besichtigte, waren die Lüftangseinrichtangen nor an* 
genügend oder überhaupt nicht vorhanden. 

Noch angOnstiger wirkt das zweite Stadlam der Verarbeiton^, die Prä* 
paration mit chemischen Mittel (^Secretage“), aal die Arbeiter. Hier werden 
die Feile mit Säaren and Qaecksilberverbindangen bearbeitet. Die Arbeiter 
b^ommen infolgedessen aofgesprongene oder stark rissige Hände, an denen 
sieh zam Teil heftige Entzündangen einstellen. Ferner erkranken sie an 
schweren Qaecksilbetvergiltangen durch das dauernde Einatmen der Dämpfe. 

Die äußerst ungünstigen Oesundheitsyerhältnisse der Filzarbeiter be* 
sehäftigten mehrfach die Behörden, ohne daß es jedoch zunächst gelang, die 
zar Bearbeitong der Felle notwendigen Mittel darch ungefährliche za ersetzen. 
Erst in letzter Zeit gelang es zwei gleichwertige ungefährliche Verfahren zu 
finden, die auch bereits in einigen Fabriken mit Erfolg angewandt werden. 
K verlangt, daß dieses Verfahren auch in anderen Fabriken, die sich unbe* 
greiflicherweise gegen die Einführong sträuben, in Anwendung konunt, und 
daß die Arbeiter durch Gesetz vor den schweren Schädigungen des Qaeck* 
silberverbindangen geschützt werden. Dr. Dohrn*Hannover. 


lieber die Elnwlrkaiig des berufsmisslgen Telephonlerens auf den 
Organismiu mit besonderer BSchsicht auf dM GebSrorgnn. Von Dr. N. 
Bh. Bieg rad, ehemaUger Assistent an der Ohren* und Halsklinik des Eopen- 
hagener Kommanehospitals. Archiv für Ohrenheilkunde; Band 71 und 72. 

Blegrad hat 540 Telephonistinnen untersacht; bei der Bespreohang 
der Untersuchongsergebnisse wird die Literatur sorgfältig berücksichtigt. Der 
Autor kommt zu foigenden Schlüssen: 

1. Durch das berufsmäßige Telephonieren wird keine Herabsetzung des 
HOrvermOgens bei Individuen mit gesunden Gehörorganen bewirkt, aber auch 
keine Schärfung des Gehörs, wie dies häufig von Telephonistinnen behauptet 
wird. Eine schädliche Wirkung auf Ohrenleiden ist nicht erwiesen, wohl aber 
können Blitzschlag und plötzlich auftretende Schalleinwirkungen, wie sie im 
Telephon Vorkommen, ein schon vorhandenes Leiden verschlimmern oder ein 
Ohrenleiden verursachen. Dr. Budloff-Wiesbaden. 


Kritlzeher und kliniseher Beitrag inm Studium des prefessieneUen 
Nystagmus. Von Dr. G. Y. Giglioli*Florenz. li Bamazzini; Fasz., 10—11, 
1007. 

Auf Grund kritischer Besprechungen des in der Literatur über diesen 
Gegenstand vorliegenden Materials und eigener Beobachtungen und Unter* 
suiäungen gelegentlich einer Studienreise in England unterscheidet Verfasser 
einen essentiellen und einen symptomatischen professionellen Ny* 
stagmus. 

Der erstere zeigt sich bei den Minenarbeitern in Kohlenbergwerken 
(den Häuern) und bei andern Arbeitern, die in bezug auf Stellung und An* 
strengung analoge Arbeit zu leisten haben. Zu seiner Entstehung tragen 
nicht nur die besonderen Bedingungen des Lichtes in der Umgebung und der 
Ermüdung der M. oculomotorii, sondern auch die speziellen Bedingungen des 
unbeständigen Gleichgewichts der Augäpfel und des Körpers des Arbeiters 
bei Dieser Nystagmus kann in bestimmten Fällen ein wirkiiehes eigenes 
professioneiles Muskelzucken werden und unabhängig von dem primären Me* 
chanismas seiner Entstehung dauernd bleiben. 

Der symptomatische professionelle Nystagmus ist ein häufiges Symptom 
der schweren Verletzungen des inneren Gehörapparates und des Labyrintha, 
welche sich bei Arbeitern, die unter Bückstoß der Luft in das Ohr ansgesetzt 
und die in komprimierter Luft beschäftigt sind, ansbilden können. 

Dr. Solbrig*Allenstein. 



Kleinere HlttefTnn^n and Referate ans Zeitschriften. 


293 


üaber den Eioflase dee Stelnpiilren für die Steiehaver* Von S. 
SssakL l^paa'Eisdgakkwai'Zasshl; 6d. III, Holt 2—8. 

Oer Verfasser hat einen Apparat konstroiert, welcher imstande ist, 
Skeinpnlver ebenso zu aspirieren, wie die Steinhaner es bei ihren Arbeiten 
aspirieren. Oiesor Apparat warde am Arbeitsplatse in Tätigkeit gesetzt. Naoh 
einer bestimmten Zeit wurde die mittels dieses Apparates aufgelaagene Stein« 

E * irmenge gewogen und hierbei festgestcllt, wieviel ein Arbeiter an einem 
aapinert. Er ist der Meinung, daß die Einatmung dieser Menge des 
pnlvers fftr die Steinhaner sehr schädlich sein mttßte. 

Or. 0shida*Tokio z. Z. Berlin. 

Die Stlgmat^ Terlndenugen und organischen Llalenen der Kopf« 
Lasttrlgerlanenla Kalabrien« Von Or. Filippo Bepaci* Messina. 11 Bamaizinis 
Faei.9,1907. 

Die Lastträgerinnen Kalabriens, die bis 70 und SO kg, ausnahmsweise 
100 kg Last auf ihrem Kopfe tragen — gegen den erbärmlichen Lohn von 
etwa w Piff. fOr Ostttndiges Tragen von 60 kg — stellen nach den hier ge« 
machten Schilderungen eine bedauerliche, menschennnwttrdige Ausnützung der 
Mensehenkraft und noch dazu von Frauen dar, die abzuschaffen Pflicht sein 
sollte! Mit 8—10 Jahren fangen die Mädchen in jenem Landstrich mit dem 
Tragen allerlei Lasten auf dem Kopfe an, was bei den vorhandenen schlechten 
Wegen in gebirgiger Gegend doppelt anstrengend ist; dasu kommen Witte« 
rangseinflüsse, ungenügende Ernährung, schlechte Wohnungsverhältnisse, kurae 
Art^tspansen und dergl. mehr. 

Verfasser hat 20 solcher Lastirägerinnen genau untersucht Die Beob« 
aehtungen sind als ein Beitrag zur Lehre von den Berufskrankheiten von Wert 
Oie hauptsichlichsten Abweichungen in der Kürperbesehaffenheit waren ln 
folgeadem zu Anden: 

1. Kopf: Lichtung der Haare, vermehrte Konsistenz oder direkte Hyper¬ 
trophie der weichen Kopfbedeckungen mit Drnckempflndlichkeit und ver¬ 
minderter Sensibilität, Depressionen der Koplknochen und Versehiebungen an 
danselbea. 

2. Wirbelsäule: Deformationen der Halswirbel und Kyphosis dorsalia 
bei älteren Personen, lumbale Euuattolnng (in allen Fällen), vereinzelt erheb¬ 
liche Verbiegung der Habwirbel nach vorn mit starker Beschränkung der Bo« 
Wf^chkeit der Habwirbebänle. 

8. Mnskelsystem: Durchweg Muskebebmerz im Nacken mit Neigung 
qi Spasmen, offenbar direkten peripherbchen ürsprungs. 

4. Nervensystem: Schmerzempflndlicbkeit un Gebiete des Plexus 
cervicaL, brach, und suboccipital., namentlich bei den Anfängerinnen, bisweilen 
aadh Sebnerzgefühl der Nerven der oberen Gliedmaßen bei Palpation — dies 
ohne Stünugen der BewegUchkeit der Arme und bei normaler Sensibilität 
oder hüehstens leichter Parästhesien — (ab Folge des Druckes auf die Nerven« 
stfaame). 

6. Hers und Gefäße: Begelmäßig Herzbypntrophie des linken Ven« 
trikeb, Verbreitung des Spitzenstoßes (in 12 Fällen), selten (2 mal) Arterie« 
skleroae bei über 60 Jahre alten Frauen, ohne daß Erblichkeit, Intoxikation, 
Infektion und dergL vorlag, also offenbar aurachließliche Folge der schweren 
Arbeit. 

6. Bespirationsorgane: HäufigLungenemphysem, mebtder oberen 
Langespartien (vielleieht im Znsammenhauge mit dem Typus der Bespiration 
beim Weibe), ohne besondere respiratorbchs Störungen, wie Husten, Asthma 
(letzteres nur in 2 Fällen). 

7. Schilddrüse: Häufig eino deutliche Vergrößerung derselben (in 
8 Fällen), und zwar bei jüngeren und älteren Personen, offenbar ohne Beziehung 
auf das Alter und nur durch die Arbeit mit ihrer vermehrten Blutsufuhr be¬ 
dingt. (Besonders betont Verfasser, daß die fragliche Gegend nicht zu denen 
gehört, wo der Kropf endemisch verbreitet ist.) 

8. Uropoetische Organe: In 8 Fällen leichte Ektopie der rechten 
Niere (bei Frauen, die geboren hatten). 

9. Untere Gliedmaßen: Ziemlich häufig PlattfußbUdung, ohne 
neuralgische oder fonktioBelle Störungen. 



2^1 Kleinere flStteflnngen vnA Uefernte «os Zeftedofften. 

Von dkMn ErscheiniiB|{«i ist Verteeier geneigt, die Befände na den 
weichen Kopfbedeckungen and die SchmenempfindUchkeit der NerreaitiinBe 
nia echte Stigmata profeemoaalia aainsehea; Toa den ttbrigea liad die StOrongM 
den Henean and der Longra aia benondem beweinend für die Schidlichfot 
der fragUchea Arbeit Ton Bedentong. 

Yerfaaser endigt neiae bemerkenswerten Aasffthrongen mit folgendta 
Worten; 

«Diener Beraf ist dasu bestiiamt, dann einmal an Temehwiaden Aber alle 
<}enet 2 e hbaos, die die Franea roa den mit onheilTollcm EiafloS aof die Oe* 
schlechtsorgane and den gesamten Organinmos Terbandenea Arbeiten ans* 
schließen, wenn sieh die traarigen bkonomischen and moralischen Verhiltainse 
des Proletariats Terbessera werden. Mit Yerbessentng der Okonosüschea 
Lage durch ErhOhnng der Lohne wird die Frau nicht mehr dem Lasttier 
Konkorrens machen in einem Berofe, der die Aeethetik des weiblichen KOrpeia 
schindet, der so Tiele StOrongen ln seinem xarten Orgnaismos herrorraft. 

Dr. SoTbrig'AUensteiB. 


Die PhTslopathologle der Nachtarbeit and die itallenisehe Oesetn* 
gebang» Von Dr. Ambro^o Mori*Fioreaa. U. Ramaasiai; Fass. 10—11,1907. 

Die Nachtarbeit, die mit kleiami Abweichungen in den Terschiedensn 
Lindern die Zeit Ton abends 8—9 bis morgens 5—6 amfaOt, wobei hier and 
da Dnterschiede zwischen dem Sommer- and Winterhalbjahr gemacht werden, 
ist in Italien für alle weiblichen and die unter 15 Jahr alten minnlichen Per* 
8<mea yerboten. Nichtsdestoweniger sind die Verletzangea gegen diese geseta* 
liehen Bestimmongen an der Tagesordnang, namentlich in gewissen Betoiehea, 
wie Spinnereien, Spitzenfabriken, Gießereien osw. Daß ue Nachtarbeit 
für alle Menschen schädlich ist, darüber herrscht aof Grand der Irztliehem 
Erfahrung and yielfachen Versuche nidit der geringste Zweifel; es ist hier 
za erinnern an den wohltätigen Einfloß des Lichts auf der eines und die 
schädlichen Einflüsse der Dunkelheit auf der andern Seite; nameatUch k<HaBBeB 
in letzter Beziehung in Betracht: Disposition infolge Dunkelheit für dae 
Entstehen ron Skrophulose, Tuberkolose, Bachitis, Skorbut, Eretinismns, 
Alteration der Sinnesorgane infolge der Nachtarbeit, schließlich auch die sitt« 
liehen Gefahren für die so beschäftigten Arbeiter. Vom hygienischen nad- 
sozialen Standpunkt ist deshalb die Abschaffung der Nachtarbeit flberhaapt 
dae wohlberechtigte Forderung, die streng durchzuftthrea aUmdiags im mo¬ 
dernen Leben bei der Entwicklung gewisser Industrien, die eine Unterbrechaag 
der Arbeit nicht zulassea, and bei der Notwendigkeit, dea Öffentlichen Dienst 
auch während der Nacht aafrecht zu erhalten, ummOglieh erscheint. la der 
Praxis kommt es also darauf an, die Nachtarbeit auf das unamgiagliebe MsA 
einzuschränken. Uebrigens sind unter andern nach die Ldter der Fabrikw 
und riele Arbeitgeber schon mit Bücksieht auf die besondere Gefihrdiug der 
mit Nachtarbeit beschäftigten Personen hinsichtlich der Betriebsnattlla 
mdir und mehr zu der Einsicht gelangt, daß hier eine Einschränkung ge¬ 
boten ist. 

Zn den Betrieben, in denen bisher die Nachtarbeit als etwas althar- 
gebraebtes und deshalb wohl als etwas unyermeidlicbes gegoltea hat, gehören 
die Bäckereien. Und gerade diese sind es, für die eOie Aenderongder he* 
stehenden Verhältnisse besonders geboten erscheint und, wie in andern Lin¬ 
dem, so auch in Italien angebahnt ist; die Brotbereituag spielt sieh fast 
immer (nicht nur in Intalien, sondern auch yielfaeh bei uns! d. Bef.) in 
dunklen und lichtarmen Eellerräumen ab, die Wirkungen der Nachtarbeit bei. 
den Bäckern machen sich in besonders herrortretenden Störungen des Ner- 
yensystems, in frühzeitigem Alter, in hoher Mortalität geltend. 

Bemerkenswert sind deshalb die Vorschläge, die im Mai 1907 y<m dem 
Arbeitsamt in Italien der Kammer der Deputierten zur Abschaffüng der Nacht* 
arbeit gemacht wurden. Diese Vorsdiläge eines Gesetzentwurfes besagen ik 
Kürze foldendes: 

Art. 1. Es ist yerboten, in der Nacht zu arbeiten and arbeiten aa 
lassen bei der Fabrikation des Brotes. Die letztere umfaßt; Bereitong des 
Sauerteigs, Kuchen, Anfertigung und Backen des Brotes. 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


296 


2. Die Nachtarbeit umiaBt die Stuudeu swisehen 7 nad 6 im Winter, 
nwisdien 7 nnd 4 im Sommerhalbjahr. 

8. Ansaahmen können gesetslich fttr besondere Oelegenheiten, wie 
Ferte^ aettweilige Mensehenanh&nfnngen zngelassen werden.. 

4. Die Stadtrerwaltnng hat dem Miaisterinm fttr Handel nnd Gewerbe 
Ton solchen Ansnahmen zn 8) Anzeige zn machen. 

6. Die Ansftthrnng dieses Gesetzes wird Ton dem Xinisterinm für 
Adcerban, Handel nnd Gewerbe Torgenommen, nnter Ueberwachnng dnrch be* 
ermdere Indn8trie>Inspektoren mit Hilfe der Polizdorgane. 

6. Strafbestimmungen (Erhöhung der Strafen bei wiederholten Yer» 
stOEen). 

7. Das Gesetz, Ton dessen Zustandekommen anch der oberste Gesund- 
kdtsrat zu hOren ist, soll 10 Monate nach VerOffentlichnng in Kraft treten. 

8. Anfliebnng aller dieser Bestimmungen znwidorlanfenden Yor- 
sduiften. 

Zn diesem Entwurf gibt Yerfasser kritische Bemerkungen. Er verlang 
Ansdehnnng des Gesetzes anch auf Fastetenbfickereien, Anwendnng auf alle 
eiazelaen Operationen der Brotbereitnng, Zusammenfassung der Nachtarbeit 
eia fttr allemal auf die Stunden zwischen 9 nnd 4, besondere Festlegung der 
Stunden ttber den Beginn der Anheiznng der Backofen, Beschränkung der 
Ausa^men auf bestimmte Zeitabschnitte, Erhöhung der Strafe bd Ueber- 
tretnngea fttr die Arbdtgeber um das Doppelte gegenttber den Arbdt- 
ndimera n. a. m. 

Mit einem sdchen Gesetz wttrde den Forderungen der Hygiene Bechauag 
getragen werden. Es bleiben aber noch andere Kategorien von Nachtarbdtem, 
fttr die zunächst wenigstens prophylaktische Maßnahmen bezfiKÜch der Dauer 
dw Arbeit fttr ^e Alter^assea und die Geschlechter erforderlich sind. 

Dr. Solbrig« Allenstein. 

Arbett und Buhe. You Georg Hahn*Jena. Soziale Medizin nnd 
Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 4. 

In der Zeißschen Werkstätte in Jena ist sdt Jahren der Achtstunden¬ 
tag eiageftthrt, ohne daß deshalb die Leistungen der Fabrik znrfickgegangea 
sind. Im Gegenteil, dnrch Herstellung eines naturgemäßen Gleichgemchtes 
zwischen Arbeit nnd Bnhe hat die Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeiters 
trotz der yerkttrzten Arbeitszeit noch angenommen. Die Arbeitsleistung ist eben 
der Arbeitszeit nicht entsprechend. Anch in englischen Fabriken hat man die 
rieiche Erfahrung gemacht, daß trotz Yerkttrznng der Arbeitszeit um eine 
Stande die Tagesleistung zngenommen hat. Yoranssetznng fttr die Rentabilität 
der yerkttrzten Arbeitszeit ist die, daß während der Arbeitsstunden anch un¬ 
unterbrochen gearbeitet wird. So sind auch in der Zeißschen Fabrik alle 
üaterbrechaagen dnrch Schwatzen, Hernmstehea etc. yerboten. Anch die 
Frfthstttckspanse kommt in Fortfall. Hiermit wird zugleich dem Alkoholkonsnm 
and der nach der Frtthstttckszeit anftretenden Alkoholerschlaffnng begegnet. 

Yerfasser ist der Ansicht, daß der Achtstundentag auch auf die meisten 
andereren Berufe ausdehnbar ist. ,Aeht Stunden Fabrikarbeit — acht Stunden 
Schlaf — acht Stunden Mensch sehil* Dr. Dohrn-Hannoyer. 

üntenuchungen ther hemfllche Arbeitsleistung. Yon Professor Dr. 
A. Imbert-Montpellier. Archiy fttr Yolkswohlfahrt; Jahrg. 1, Nr. 3. 

Yerfasser ist der Ansicht, man konnte behufs Beilegung yon mancherlei 
DUferensea nicht selten einen Nutzen stiften, wenn man in der Werkstelle, auf 
dem Bauplatz oder in der Fabrik nnter Anwendnng der physiologischen La¬ 
boratoriumsmethoden die berufliche Arbeitsleistung einer direkten experimen¬ 
tellen Messung au unterziehen in der Lage wäre. Er illustriert dies an einem 
BeispieL Mit Hilfe der Mareysehen Fußbekleidung nnd eines besonders 
keastruierten Apparates hat er die ganze Arbeitsleistung eines mit einem 
Bweirlderigen Handkarren schwere Lasten transportierenden Arbeiters zur 
graphischen Begistriernng gebracht. Der Transport yon Getreidesäcken (60 kg) 
auf einem wagerechten Zementboden während eines Arbeitstages yon 10 Stunden 
ealapricht an Kraftyerbrauoh mindestens den 8 folgenden i^beiten: 

1. efaiem senkrechten Aufstieg yon ca. 70 m; 



296 


Ueinere Mitteilnngen and Referate ans Zeitschriften. 


2. einem Manch ron ca. 80 km gegen einen Wind Ton etwa 5 m in der 
Sekunde; 

8. einer Arbeiteleistong insgesamt Ton ca. 18000 kg, aosgefflkrt mit 
der Armmnskolatar in Portionen ron je 80 kg. Dr. Woif-Maibarg. 


Schulhygiene. 

Kerrosltlt bei Sebulklndern und Erafehungsfragen* Ton Dr. 0. Paull~ 
Karlsruhe. Blitter f. Volksgesundheltspflege; Jahrg. VlI, Nr. 2 u. 8. 

Der ente KardinalgrundsaU von der Lehre Ober die Nerrositit ist der, 
daS sie nicht nur als im Einseileben erworben ansusehen ist, sondern als die 
Summe dessen, was schon unsere Ahnen als NerTenschädigung erlitten haben. 
Termehrt durch das, was im Einselleben des NerrSsen hinzugekommen ist. — 
Kinder mit großer Schreckhaftigkeit sind mit großer Vorsicht su behandeln, 
denn sie haben die Anlage zu späterer Nerrosität oder Neurasthenie in sieh. 
Verfasser bespricht die yerschiedenen Erscheinungen bei nerrOsea Kindem 
und geht dann zu der Erziehung solcher Kinder Ober. Das eigentliche Er> 
■iehungsproblem ist die Verbesserung der seelischen Anlage, die EntLdtuag 
seelischer Schönheit. Der Schlüssel aber zur Erkenntnis und zur Beeinflussung 
der Kindesseele heifit Selbsterkenntnis und Selbsterziehung. Bei der Erziehung 
wird die Geduld der Eltern und Erzieher, zu welcher wiederum die Selbst* 
erziehung die notwendigste Verbindung ist, hier mehr leisten als der Stodt. 
Verfasser geht schliefiUch noch aus^rlich auf Erziehungsfragen ein, dlü 
im Rahmen eines Referates nicht erOrtert werden können. 

_Dr. Wolf-Marburg. 


Die Vorbeugung der Myopie. Von Kreisarzt Dr. Berger in Krefeld. 
Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr 46. 

Beim Aufenthalt an der See oder* im Gebirge glaubt man bekanntlich 
besser zu sehen als yorber, wenn man kurzsichtig ist. Verfasser schidrte einen 
Ji^en, dessen Sehschärfe an beiden Augen auf V* hemntergegangen war, 
6 Wochen nach Borkum. Nach seiner Rückkehr stellte Verfasser */* 
schärfe fest; der Junge bestätigte auch, daß es ihm in Borkum so yorgekommen 
sei, als ob er besser sehe. Verfasser schließt aus dieser Beobachtung, daß die 
im jugendlichen Alter einsetzende Myopie nicht irreparabel, sondern yerbesse- 
rungsfählg ist. Die im labilen Gleichgewicht befindliche Lbse kommt offenbar 
zuerst in eine Art Krampfzustand, der noch korrigierbar ist, der aber nicht 
korrigiert zu dauernden Verhältnissen führt. Diese Art Prophylaxe sei allen 
beteifigtea Kreisen, besonders den Schnlbygienikem empfohlen. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Veberbiirdnng und wahlfreier Unterricht. Von Prot Dr. Keese*» 
bitter. Gesunde Jugend; Jahrg. VII, H. 8 u. 4. 

Verfasser ist der Ansicht, daß eine wirksame Entlastung erst durch 
eine allgemeine Einführung des wahlfreien Unterrichts erreidbt werden wird, 
derart, daß die Schüler entweder in die mathematische oder die ^rachabteilung 
treten können. Am besten wäre eine allgemeine ministerielle Verfügung der 
zwangsweisen Einführung des wahlfreien Unterrichts. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 

Die Bedeutung des Handarbeitsunterrtehtes in der Hilfüsehule. Von 
Direktor Dr. P ab st-Leipzig. Zeitschr. für die Erforschung des jugendL 
Schwaohsinns; Bd. II, E. 1. 

Nach den verschiedensten Richtungen ergeben sich wichtige Gesichts- 

S enkte für den Wert des Eandarbeitsunterrichtes ia erziehlicher Hinsicht, 
[ierzu kommt noch die praktische Bedeutung, die der Handarbeitsunterricht 
dadurch hat, daß er die Berufswahl erleichtert und wesentlich dazu beiträgt, 
die schwach begabten Kinder so wdt als möglich zu brauchbaren Gliedezn 
der bürgerlichen Gesellschaft zu erziehen. Dr. W olf*Marburg. 

Sehulbyc^ene. VoaIng.Zyka. Gesundheits-Ingenieur; 1907, Nr. 46 
Verfasser sicht in den Vorschlägen, die yon seiten der Aerzte zur Be- 
hämpfung der Lungentuberkulose gemacht werden, immer nur einseitige Forde- 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


297 


magen. Dl« Schule müßte auch eine Behandlong der erknnhten Kinder rer« 
eniMffWi Ferner empfiehlt er folgende hygienisde Maßnahmen : 

1. Grüßte Reinlichkeit der Foßbüden. 

2. Möglichkeit eines schnellen and grttndlicben Bdnigens derJ9<dialr&iune. 

5. Binrichtong von Brausebädern, Wascbgelegenheiten. 

4. Eraiehang sar Reinlichkeit 

6. Binrichtong technisch gat durohgeftthrter Lüttongsanlagen. 

6. Anstellung entsprechend ausgebildeter Schulärste. 

Dr. W 0 1 f • Marburg. 


Das Scbularstweseu ln Dresden* Von Schularst^Dr. R. Flachs iu 
Dresden. Städte>Ztg.; Jahrg. 6, Mr. 8. 

Die Untersuchungen der neu aufgenonunenen Schüler, trorläufig nur bei 
den Besirksschalen durchgeftthrt, gestalten sich folgendermaßen: 

1. Kurze Vornntersnehaag yon seiten des Direktors und des Klassen¬ 
lehrers. Ausscbeiduog von körperlich Schwachen mit Hinzuziehung des 
Sehularstes. 

2. Hauptontersuehung durch den Schularzt in der Zeit zwischen Pfingsten 
und den großen Ferien. Die Eltern werden einige Tage Torher dayoa benach¬ 
richtigt und können der üntorsuchung beiwohnen. Die Kinder werden nackend 
klassenweise untersucht. 

8. Im zweiten Schalhalbjahr Prüfung yon Auge und Ohr durch den 
Lehrer, welcher seinen Befand dem Schulärzte mitteilt 

Während der Untersuchung werden die Befunde tom Sdiularzt notiert 
und dann nach folgendem Schema zusammen gestellt: 1. Größe, 2. Gewicht 
8. Körperzustand, 4. Blutarmut, 5. Skrofulöse, 6. Hautkrankheiten, 7. Knochen 
yerrenkungen, 8. Zahnkraokheiten, 9. Krankheiten des Mundes und der Hase 
10. Erkrankungen der Lunge, 11. Erkrankungen des Herzens, 12. Krankheiten 
der Bauchorgane, 18. Krankheiten der Angen, 14. Krankheiten der Ohren, 
16. SprachstOrungeo, 16. Geistige Gebrechen, 17. Sonstige Erkrankungen. 

Diese Elementarontersurmungen haben sich außerordentlich bewährt 

_ Dr. Wolf-Marburg. 

MIe Arzt — hie Lehrer. Von Dr. Gron-Heidelberg. Zejtschr. f. d 
Erforschung des jugendl. Schwachsinns; Bd. II, H. 1. 

Verfasser möchte den Streit zwischen Lehrern und Aerzten in der 
Schularatfrage beendet wissen und schlägt yor, Aerzte wie Lehrer gemeinsam 
lAdagogisch-medizinische Akademien besuchen zu lassen, wo sie sich für ihren 
Beruf yorbereiten können; denn erst wenn sie auf der Basis gleichartigen 
Empfindens, Wissens und Bestrebens sieh zusammenfinden, wird die schulärztuch 
durchdrungene Sdiule ihren Wert oder Unwert — wir hoffen ihren Wert — in 
Wahrheit zu erweisen yermögen. _ Dr. Wolf-Marburg. 

Einige Irztllehe Betrachtnngen nr Frage der geschlechtlichen 
Anfkllrang der Jugend. Von Oberstabsarzt Dr. Neumann-Bromberg. 
Gesunde Jugend; Jabrg. VII, H. 3 u. 4. 

Einführung des hygienisch-biologischen Unterrichts an den Lehrerbildongs- 
aastalten und höhere Schulen durch Aerzte, Anlklärung über die Gefahren 
der Geschlechtskrankheiten, Hebung der allgemeinen Stittlichkoit,.hygienische 
U^twacbung der Prostitution._Dr. Wolf-Marborg. 

Mehilerspelsungen* Von F. Lorentz - Berlin. Blätter 1 Volksgesnnd- 
hdtapflege; 1908, Nr. 1. 

Daß die Einrichtung yon Sohfilerspeisungen, namentlich in den Städten, 
eine sozial-hygienische Notwendigkeit is^ bedarf wohl keines besonderen Hin¬ 
weises mehr, da eine Unterernährung yieder Kinder durch die schulärztlichen 
Berichte festgestellt ist. Auf dem Lande dürfte die Angliedornng an Koch- 
und Haushaltungssehulen genügen, dagegen nicht in der Stadt. Der Armen- 
pfl^e dürfte ^e Vornahme der Speisung nicht überlassen bleiben, denn da- 
durmi, daß ^e ^hnle diese Einrichtung übernimmt, erhalten die Wohltaten 
ein wesentlich anderes Gesicht. Es ist notwendig, daß freiwiilige Liebestfitig- 



238 


Tagcsnachriebten. 


keit viid UatenttttnuffM toi leHen des Stute« vid der KoBnuei die 
Eoiten mfbriBgei. ^eu uoh die elterliche Verutwortiig durch ebe 
derirtiue Institntioi lunichit etwu gefibrdet encheint, «o dttnte lieh aber 
^Ueu Oebhr durch elie umiehtige Hudhibuig umgehra Itnei. 

_ Dr. Woll-liwhurg. 

Die Sluberuiig der Sehilbaik. Von H. Suek>Berlfai. Blltter ihr 
Volksgesundheitspflege; Jabrg. VIII, Nr. 8. 

VerfuMr weist auf die Notwendigkeit einer sorgf&ltiuen Siuberung der 
Sehulb&Dke hin, die nicht nur im tägliehen feuchten Abwischen bestehen darf, 
smidera auch eine eingehende Beinignng unter Zuhilfenahme mechanisdi- 
reibender und chemisch desinfizierender Mittel darstellen mnfi. Die« ist a^ 
nur mSglieh, wenn die Schulbank du Säuberungsproseß nach Möglichkeit er* 
leichtert, wie w bei der J ahn sehen Mittelhohnbank der Fali ist. 

_ Dr, Wolf* Marburg. 


Sehulblder« Von Dr. F. E. Hopf*Dresdu. St&dte*Ztg.; 1907 Nr. d. 

1. Die Sehnlb&der sind nach du ttbereinstimmudu Urteilen toi Aerz* 
ton, Sehulm&uern und Schulbehördu ein ausgueichnetes Mittel zur Hebung 
du leiblichen und geistigen Wohlbefindens der Schulkinder and fordern 
ebuso Gesundheit wie LernrermOgu. 

2. Es ist die Forderung zu erhebu, daß bei allu Vdkasehnlaeubautea 
unbedingt Brausebäder eingerichtet werdu. 

8. Da die Einftthrung des zwannweisen unentgeltlichu Sehwimmnnter- 
rkhts in Deutschlands Schulen eine iiule Forderung der Vo]ksge8uadheits> 
pflege darstellt, ist außerdem du Frage des Schwimmunterrichts seiteu der 
SehidbehOrden erneute und Termehrte Aufmerksamkeit zuuwuden. 

Dr. Wolf'Marbarg. 

Heizung and LIftung einer Gruppe tou IffeitlldMa Sehulhluwm« 

Von S. B. Lewis. Geenndheite-Inguier; 1908, Nr. 8. 

Es hudelt sieh um die Gebäude einer Vorschule, Mittelschule und 
eines Gymnasiums, die zu einem Block Tereinigt sind. Sie werdu Ton einer 
Zutraiulage aus für Zwecke der Heizung mit Dampf Ton 0,8b Atm.*üeber* 
druck mit VentUatorenbetrieb Tersorgt. Die Ventilatoru lieiern pro Person 
mindestus 0,85 cbm pro Minute. Fttr Beleuchtung und Kraftsweeke wird 
elektrischer Strom Terwandt. Platzgewinn in den Gebäuden, das NiehtTOr« 
hudensein Ton Feuernngsulagu, die Vermeidung Ton Kesseln uter du 
Sohulräumu, die Möglichkeit, biiligu Brennstoff zu Terwuden, die Vermeidnag 
TU Schmutz und Staub sind die HanptTorteile einer solchu bMoaderoi 
Kraftanlage unter den ugegebenea Verhiltnissu. Dr. W elf-Marburg. 


Tagetnachrichtmi. 

Der prmuMrtiohn Zrfmfltag ist geschlossen; kurz Torher hat du 
Herrenhaus in seiner Siiznng Tom 8. d. M. du ({aellenscbutsgeMts in 
der Tom Abgeordnetenhanse beschlossuu Fassung nuTerändert ugeummu. 

Der Tom Herrn Minister bei der Etatsberatug ugekttndigte Gesetz- 
Utwurf betreffend die Gebfihren der Kreisärzte ist niut nr Vorlage gelugt, 
wie dies nadi Lage der Verhältnisse Ton Tomherein nicht uders zu erwartu war. 

Die BauschTergfltnngen fttr die DirastrelMu der Krelsirzte sind jetzt 
durch den in der heutigen Beilage (s. 8. 72) abgedmekten Ministerial-Erlafl 
Tom 10. März 1908 geregelt. Bei der Besprechung des diesjährigen Medisinal- 
etats ist Ton uns angenommen, daß der in den Etat dafftr eingestellte 
Betrag tu 866000 Mark demjenigen des Etatsjahres 1906 entspricht, denn 
damals utfielen auf jeden Kreisarzt 1700 Mark für Dienstreisu. Mtdem 
dürfte die Zahl der Dienstreisen aber sicher nicht unerheblich gestiegen seb; 
außerdem hat sieh der Herr Minister einen Betrag fttr besudere Fälle zurttek- 
behaltu, so daß die jetzt zur Verteilug gelugte BanschTergtttnng nur */» 
bis */« der Summe betragu dürfte, die Ton den Kieisärstu im letztu fitat^ 
jahr (1907) lignidiert werdu ist. Dieu Kttiauig um 1/4 bis >/« ntspikht 



l^ftg««iMhrtehteiL 


m 


den ChwidBltseB bd d«r Fertseteiiog von BansohTergdtoiigM für Di«iutr«itea 
da angenoBmea wird, daß sich die betreffeadea Beamtea dtreh fweekmlAige 
ZmamaealegttBg der Beisen wieder eehadios haitea kOaaea. Daß dies bei den 
Dieastreisea der Kxeisirxie weniger als bei anderen Lokalbeamten mBglieh ist, 
haben wir bereits in Nr. 2 dieser Zeitschrift (s. S. 61) ansgeftthrt und hier anch 
betont, daß die Kreis&rzte im Gegensatz zu Jenen Beamten nicht roUbesoldet 
adea and demznlolge auch ein anderer Maßstab für die Bemessnag der Bansob« 
Torgütong aagezdgt seL Dies ist jedoch nicht gesohehmi; nach in dem bo* 
treffenden Ministerui-Eriafi ist unter den seitens der Begierungsprisidentmi 
bd der Verteilung der BauschTer^tungen zu beachtenden GedclitspnakteB 
die Frage der Voll* oder NicbtTolibesoldung unberücksichtUt geblieben. In* 
folgedassea werden die an und für sich schon berorzugten ToUbesoldeten Kids* 
bzte bd den Baaschrergütungen besser fahren, als ihre wesentlich ungünstiger 
gestellten nicht Tolibesoldeten, aber ToUbesch&ftigtea Kollegen, deren. Beise* 
titlgkdt trotzdem die gleiche wie bisher bleiben soll; denn der ihnen daraus 
erwachsende Verlust in der irztlichen Privatprazis, der bisher durch einen um 
33V* */• höheren Betrag für Dienstreisen wenigstens etwas ausgeglichen wurde, 
wird künftighin ungedeckt bleiben. Anch die weitere Bestinmnnff, daß eine 
Zulage für außergewöhnliche Beisetatigkeit erst dann gewährt wird, wenn die 
tarifmäßigen Tagegelder und Beisekosten für die gesamte Beisetltigkeit den 
Betrag der Banschrergütung um '/* überschritten haben, ist wohl ToUbesoldeten 
Beamten gegenüber berechtigt, aber nicht solchen Beamten, die durch ihre 
Bebetätigkeit pekuniäre Verluste in ihrer Einnahme ans der Priratpraxis er* 
leiden, auf die sie infolge ihrer unzulänglichen Besoldung notwendigerweise an* 
gewiesen sind. Hier bedürfen die jetzigen Vorschriften dringend der Aenderung; 
eine solche würde anch den Wünschen des Landtages entsprechen, die in dieser 
Beziehung bei der diesjährigen Etatsberatnng von verschiedenen Seiten zum 
Ausdruck gebracht sind. Den Kreisärzten ist übrigens zu raten, daß sie nicht 
blos ein Beisetagebuch nach dem vorgesäriebenen Muster führen, 
sondern in diesem Tagebuch auch stets genau die Beisetage und die zurück* 
gelegten KUometer — getrennt nach Eisenbahn und Landweg —, sowie die 
Zu- und Abgänge vermerken, um vorkommendenfalls eine Erhöhung der 
Bausdirergütung am Schluß des Jahres begründen zu kOnnen. Ebenso empfiehlt 
sieh eine genaue Buchführung über die sanitäts* und medizinalpolizeilichen 
AmtsgeschUte am Wohnorte der Medizinalbeamten, für die ihnen nach dem 
Gesetz vom 9. März 1872 eine Fuhrkostenentschädigung zusteht, da diese nicht 
unter die Banschrergütung fäUt. Derartige vervollständigte ^isetagebüdrer 
sind in der Hofbuchdmckeri von J. C. C. Bruns in Minden zu erhalten. 

Zum Schluß kOnnen wir nur von neuem auf die Notwendigkeit der Um¬ 
wandlung der nicht vollbesoldeten Kreisarztstellon in vollbesoldete hinweisen, 
die durch die Einführung der Bauschvergütungen für Dienstreisen nodr 
dringlicher geworden ist, wenn nicht die segensrei^e Tätigkeit der Kr^ärste 
zum Schaden des Allgemeinwohls stagnieren solL 


In Hamburg hat die Bürgerschaft jetzt die Vorlage betreffend die 
Brrlübtnng eiaes Intllehen Ehrengerlehta abgelebnt. 


Die SO. Tersamnüung Deutseher Natnrferseher und Aerzte wird, wie 
bereits mitgeteUt ist, vom 20. bis 26. September d. J. in COln statt- 
flndlmi. Die allgemeinen Sitzungen sollen Montag, den 21. und Frei¬ 
tag den 26. September, vormittags abgehalten werden. £s sind dafür bis jetzt 
Vorträge in Anssicht genommen von den Herren ProL Dr. Heim-Zttridi: 
Deekeobau der Alpen, Major von Parseval-Berlin: Motorballoss, ProL 
Dr. Stadler-München: Albertus Magnus als Naturforscher, Geheimrat 
ProLDr. Bubner-Berlin, Prof. Dr. Hassert-Coln: Kamerun. 

Für Donnerstag, den 24. September, vormittags, ist eine Gesamt- 
Sitzung der beiden wissenschaftlichen Hanptgruppen (Redner: Prof. Dr. 
Wiemer-Leipzig: farbige Photographien; Prof. Dr. Dofleln-München: 
^Trypanosomen) geplant; für den Nachmittag desselben Tages gemeinsame 
Bmsungmi jeder der beiden Haaptgrnppen. 

Die Abteilungssitsungen sollen am 21. naohmittags sowie am 
28. und 28. vormittan und naehmittan abgehalten werden. 

Vorträge für die Abteilung für gerichtliche Medizin sind bis 



300 


TagesnaehriehtetL 


sam 10. Hai bei dem EiofOhfenden Begi* and Qeb. Med.«Bat Dr. Bnaak 
(Deatadier Bing 7 b) anzameldeo. 


Za dom I. Internationaleii Kongresi für Bettongsweien. der Tom 
10.-14. jani d. J. in Frankfurt a. A. ntattflnden and mit einer Aossteliang 
TOn Aatomobil«Ambalanzwagen, Krankenwagen, Bettongsgerftten aew. rer« 
banden sein wird, sind bis jetzt nicht weniger als 109 Vortr&ge angemeldet, 
davon 25 in der Abteilung: „Bettangswesen in den Städten*, 17 in der Ab« 
teilang: „Bettangswesen in liergwerkan“, 12 in der Abteilang: .AosbÜdang 
Ton Hichtärzten“, je 11 in den Abteilnngen: „Bettangswesen im Seererkebr^ 
„erste ärztliche Hilfe bei ünglhcksfälien“, “Bettongewesen fttr die Feaerwehr*, 
und je 9 in den Abteilongcn: „Bettang^wesen anf Eisenbahnen*, auf dem 
Lande, Indastriezentren and kleineren konunanalen Verbänden*. 


Die diesjährige GeneralTersammlang des Zentmlkomiteen rar Be« 
klmpftong der Taberknlose findet am 27. Mai d. J. in Berlin im Beichs« 
tagsgebäade statt, wo am Tage zuvor der Ausschofi des Komitees ebenfalls 
eine Sitzaag abhdten wird. Die diesjähre Aerzte«Taberkalo8e«Ter8ammlaBg 
wird dagegen nicht wie bisher, im onmitteibaren Anschloß dieser Oeneral« 
versammlong, sonuern in Mfineben am Ib. und 16. Jani d. J. abgehalten 
werden. 


Ehrung von 6eh.-Bat Prof. Dr. Koeh in Amerika. Am 12. d. M. hat 
die Deutsche medizinische Qesellschaft za Kochs Ehren ein Bankett ge¬ 
geben, an dem hervorragende deatsebe und amerikanische Vertreter der 
Wissenschaft teilnahmen. Der Präsident der GeseUschaft Dr. Beck verlas 
ein Schreiben des Botschafters Freiherrn Speck von Sternbarg, in dem 
dieser Carnegie den wärmsten Dank des Kaisers fllr die Spende von 
500000 M. tlbermittelte. Carnegie feierte daran! Kochs Verdienste and 
führte in längerer Bede ans, er hege das Vertrauen, daß Deutsche, Engländer 
and Amerikaner, die alle Teutonen seien, stets Zusammenwirken werden bei 
allen Werken, die den Weltfrieden und die Veredelung der Menschen be« 
aweckt. Als Letzter sprach Geh. Bat Koch; er dankte Carnegie und den 
Anwesenden; die seinen Namen tragende Stiftung sei berufen, große Ereig« 
nisse auf dem Gebiete der Erlorscbnng der Tuberkulose zu zeitigen. Seine 
Bede schloß mit einem Hoch anf Carnegie, dem hochherzigen Fürderer 
wissenschaftlicher Bestrebangon. 


Der Zolassong der fakaltativen Feuerbestattnug lu Prensseu schefait 
die Begierong nach einer von den politischen Blättern gebrachten Meldoug 
nicht mehr so ablehnend gegenüberzustehen wie bisher. Wenigstens soUeu 
bereits seit geraumer Zeit zwischen den beteiligten Bessorts EIrwägungen und 
Verbandlangen schweben, welche die EinfOhrung der fakultativen Feuer« 
bestattong, wenn auch unter gewissen Kantelen, erwarten lassen. Za dieeeo 
Kaatelen, die in erster Linie von der Justizbehörde gefordert werden, gehört 
unter anderem die Bestimmung, daß eine Leiche nur dann eingeischert werden 
darf, wenn sie von einem Arzte untersucht worden ist. 


JbXlttell'VLxxgr« 

Den Abnehmern des Kalendern fttr Medlsinolbeamte — and zwar 
der Aasgabe A für die preußischen Medizinalbeamten — zur Kenntnis^ daß die 
Deckblätter für die durch die Ministerial«Erlasse vom 6. September 1907 
and 10. März 1908 bedingten Abänderungen der Dienstanweisung für 
die Kreisärzte (§§ 14, 28, 31, 35, 87, 82 — 85, 95 und 118) fertig gestellt 
und unentgeltlich von der Unterzeichneten Verlagsbachhandlang au Ver« 
langen abgegeben werden. 

Fluohuni mudlslnlsohu Vurlagühuolüutndliuig (K. Kornfeld), 

Berlin W. 85, Ltttzowstraße 10. 

Verantwortl. Redakteur: Dr.Rapmund, Beg.-n. Geh. Med.-Bat in Minden i. W. 
J. 0. O. Brom, üerzoi^l S&clis a F. Sch.-IiL Ilofbaclidriicktroi ln Hlnilta. 





2t. Jahrg. 


1908. 


Zeitschrift 

Ittr 


MEDIZINALBEAMTE. 


ZMtnllitt Illr in gMante BasndMtsMtM, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heratugegebea 

▼on 

Dr. OTTO RAPMÜND, 

Es gi ernafs- «ad Geh. Xedialnalral la Xladaa. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fiseher's medk. Buehhandlg., H. Kornfeld, 

n a n M y l Bayw. Bah «. IrdMnogL 

Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

lanwli aahaiea dii TMtefikABdluiff sowto aO« I nnanoga^Bicpadlttonia das ln« 

and Aawaiides eatgeceii. 


Nr. 9. 


■Mekelmt mb S. ud M. J«den MoMts. 


5. Mai. 


Zur Aetiologie des Paratyphus B. 

Tod Kreisarst Dr. Dreves in Walsrode. 

Nach Kolle und Hetseh^) ist zwar ,der Paratyphnsbacfllns 
im G-egensatz za dem Typhosbacillos fftr verschiedene Tierarten 
aaßerordentUeh pathogen — ... Vögel sind jedoch völlig refrakt&r 
.. . Der Paratyphns ist keine Tierkrankheit im eigentlichen Sinne. 
Dafür spricht aach die Tatsache, daß eine Vermehmng der Ba¬ 
zillen im Blnt and in den Organen bei keiner Tierart, abgesehen 
vom Meerschweinchen and der Maas, Kaninchen stattfindet* 

Bei diesem Stande der heatigen Wissenschaft möchte folgende 
Beobachtang vom allgemeinen Interesse sein: 

Am 20. Janoar erkrankte der Pastor S. in £. an einer 
Krankheit, die anfangs als Infiaenza, dann als Pneamonie ange¬ 
sehen werde and in der 3. Woche, als Darchfälle sich einstellten, 
den Verdacht eines Typhös bei dem behandelndem Arzte erweckte. 
Die Erhebongen ergaW völlig negative Besaitete. Einige Per- 
aonen, die zom Besache im Hanse des Pastors S. geweilt hatten, 
waren nach den angestellten Nachforschongen offenbar nicht die 
Uribertrftger. Im l^chspiel E. ist in den 12 Jahren meiner 
hiesigen Amtstätigkeit keine typhasähnliche Erkrankung zor An¬ 
zeige gekommen. Ich wollte bereits aach diesen Typhasfall za 
den ätiologisch nicht aofgeklärten zählen, als ich aaf eine noch- 


') Die experimentelle Bakteriologie and die Infektionskrankheiten. 
BerUB and Wien 1906. Verlag ron Urban and Schwartzenbarg. 










302 


Dr. Dreves: Zni Aetiologie des Paratyphu B. 


malige Frage, ob gar keine Erkrankungen im Hanse vorgefallen 
seien, erfuhr, daß am Tage vor meinem Dortsein (7. Febr.) ein 
als Weihnachtsgeschenk ins Hans gekommener grüner Papagei 
gestorben sei, dessen Umtausch beim Ankauf Vorbehalten war, weil 
das Gefieder nicht ganz tadellos gewesen sei, offenbar bereits eine 
Erankheitserscheinnng. Der Papagei hatte seit Wochen an Durch¬ 
fall und Abmagerung gelitten. Der Erkrankte hatte den Vogel 
in seinem Zimmer verpfiegt und oft „Kfißchen geben“ gemacht. 
Die auf meiner Veranlassung im Medizinalnntersuehnngsamt in 
Hannover vorgenommene Sektion des Papageis ergab nun folgen¬ 
den Befund: 

«ln der BnisthOhle keine Begelwidrigkeiten. Das Herzblut war steriL 
Im Bauche waren die Darmschlingen z. T. sehr lest Terwachsen untereinander 
und z. T. an das Bauchlell. Die üntersuchung des dtlnnflttssigen Darminhaltee 
ergab die Anwesenheit derselben Bakterien, welche bei Herrn Pastor 8. ge¬ 
funden wurden (Paratyphus B); sie wuchsen aul Drigalski-Nährboden me 
ParatyphusbazUlen und wurden durch spezifisch agglutinierendes Paraty^us 
B-8erum, bezogen Yom Eochschen Institut Ittr Infwtionskrankheiten in^r- 
lin, sofort und stark agglutiniert.** 

Die Nachforschungen bei der Vogelhandlung von D. J. in 
Hannover ergaben weiterhin, daß die Verkäuferin, ohne an typhus- 
ähnlichen Erkrankungen gelitten zu haben, Paralyphnsbazillen- 
trägerin war. Der Papagei war kurz vor Weihnachten mit einem 
Kakadu in einem Doppelbauer aus A. bezogen; weder der Kakadu, 
noch sonstige VOgel zeigten Krankheitssymptome. Die Er¬ 
kundigungen in A. ergaben negative Resultate. 

Darnach muß angenommen werden, daß der Papagei, der in 
Hannover durch die Paratyphus-B.-Bazülenträgerin D. J. infiziert 
nnd der Krankheit zum Opfer gefallen war, zweifellos die Infed:- 
tionsquelle für die Erkrankung des Pastors S. gebildet hatte. 


Zur Frage der Myiasis interna. 

Von Dr. Tk. Sekarpff, firztL HQlfsarbeiter des MedizinalkollegiumB in Hamburg. 

Unter Myiasis interna versteht man eine durch Eindringen 
von Fliegenlarven in den Darmkanal hervorgerufene Krankheit. 
Allgemeiner bekannt nnd häufiger beschrieben als die M. int. ist 
die Myiasis externa. Brehms Tierleben beschäftigt sich mit 
dieser Frage ziemlich ausführlich nnd erzählt unter anderem von 
einem schrecklichen Todesfall, wo die Fliegenmaden ans ver¬ 
dorbenem Fleisch, das ein Bettler unter seinem Hemd auf der 
bloßen Brust trug, in die Haut eingedmngen waren, diese voll¬ 
ständig unterminiert und so den Tod des Mannes herbeigeführt 
hatten. 

Westenhöfter (3) berichtet fiber den Tod einer jungen 
Zigarrenarbeiterin an Sepsis. Diese Sepsis war hervorgernfen 
von mit Fliegenmaden durchsetzten Geschwüren auf einem mit 
Läusen und Läuseekzem vollkommen bedeckten Kopfe. Ferner 
kennt man Beschreibungen von Myiasis des äußeren (^ehörganges, 
der Naseneingänge, des Zahnfieisches und der Konjni^tiven.. 
Letztere wurde besonders in den Tropen öfters beobachtet. 



Dr. Sohupif: Zar Frage der Myiasie interna. 


808 


Lallier (2) in Paris stellte im Jahre 1897 die bis dahin 
yeröffentlichten Fälle Ton Myiasis interna zusammen. Er legte 
dabei einen besonderen Wert anf die jedesmalige zoologische Be¬ 
stimmung der Fliegenart, deren Maden in den einzelnen FäUmji 
gefunden worden waren. Jedoch ist die Arbeit auch in medi- 
zuuscher Hinsicht äußerst wertvoll nnd interessant. Liefert sie 
nns doch den klaren Beweis, daß die EinfShmng von Fliegen¬ 
larven nnd -maden (mit verdorbenen Nahmngsmitteln) in den 
Dannkanal dnrchans nicht gleichgültig ist. 

ln zeitlich geordneter Beihenfolge bespricht der Terfasser 
88 Fälle, die in verschiedenen Ländern zur Beobachtung gekommen 
sind, die jedoch nicht alle einer scharfen Kritik standhalten dürften. 
Es ist daher für nns besonders wichtig, daß sich mit dieser Frage 
auch deutsche Gelehrte wie Senator, G. Gerhardt, 
Meschede, Krause,G. Joseph, Hildebrandt eingehend be¬ 
schäftigt haben. 

Es dürfte von Interesse sein, die Berichte über ihre 
Beobachtungen genauer zu hören: 

Senator (4) erzählt von einem 28 jährigen Lithographen, der während 
eines Zeitranine von l^/a Jahren in mehreren Attaquen menrere 100 lebende 
Maden erbrach, nachdem er jahrelang an immer wiederkehrenden Schwäehe- 
anlällen zu leiden gehabt hatte. Die Beetimmang ergab Maden unserer Stuben¬ 
fliege. Ob diese au Eier oder als Maden in den Magen gelangt waren, lieft 
skh nicht linden. 

In einem Fall von Meschede (6) handelte es sich um einen TjährlMn 
Jungen, der tags zuvor wttrmerhaltigen Käse gegessen hatte. Er erkrankte 
unter lieber, frequentem Puls, Delirien, Kopf- und Magenschmerzen, Durst, 
Appetitlosigkeit. Auf ein ihm gereichtes Brechmittel erbrach er mit Schleim 
untermengte Nahrungsmittelreste nnd eine große Anzahl von Maden, die der 
Käsefliege (Piophila casei) angehbrt haben sollen. 

C. Gerhardt behandelte eine Dame an einem ebenfalls durch Dipteren- 
larven hervorgemfenen Magenkatarrh. Sie litt vier Tage lang an völliger 
Appetitlosigkeit nnd während dreier Tage erbrach sie andauernd, hatte einen 
schlechten Geschmack im Munde, heftigen Durst und Leibschmerzen. Auf ein 
Gbu Buttermilch erbrach sie sofort, und das Erbrochene enthielt zahlreiche 
Würmer. Bei einem 2. Falle Gerhardts handelte es sich um eine Frau, die 
unter Durch^en Maden von Anthomya canicularis entleerte. 

G. Joseph (5) veröffentlichte 1887 eine Arbeit in der * deutschen Medi- 
zfamlzeitang über Fliegen als Schädlinge und Parasiten des Menschen. 

Was nun die Deutung des Vorkommens von Fliegenlarven 
im menschlichen Darm anbelangt, so wurde früher insbesondere 
Ton französischen Autoren angenommen, daß es sieh hier um 
einen wirklichen Parasitismus dieser Larven beim Menschen 
handelte, so wie es von Gasterophilns equi (1) beim Pferde genauer 
bekannt ist. Hier nimmt die aus einem an ein Pferdehaar gelegten 
Ei entschlüpfte Made sofort ihren Weg nach dem Mund des 
Pferdes, wird verschluckt und hält sich längere Zeit als Be¬ 
wohnerin des Pferdedarmes auf. Nachdem sie mit den Fäces 
entleert ist, entwickelt sie sich bald zur Fliege, was ohne 
den Aufenthalt im Pferdedarm nicht möglich sein soll. Schoch 
wQl diese Made auch einmal bei einer Frau gesehen haben. 

Heute weiß man, daß es sich bei der Myiasis int. nur um 
einen zufälligen Parasitismus handeln kann, der sich znrückführen 
läßt auf eine große Anpassungsfähigkeit der Fliegenmaden an die 



804 Dr. Seharpff: Zar Frage der MjIuIb interna. 

YerschiedenBten fiflssigen Medien, wie es durch Tierveranche er¬ 
härtet ist. 

Lallier fütterte ErOtm and Meerschweinchen mit Maden 
yerschiedener Fliegenarten nnd fand sie znm Teil noch nach 
19 Standen lebend im Magen vor. Aach d. Bernard hatte 
schon derartige Versnche an einem Magenflstelhiind angestellt Am 
folgenden nnd am übernächsten Tag fimd man die intakten Larven 
in den Fäces, aber sie waren tot. 

Prnyot fütterte Batten and Früsche mit Larven von 
Teichomyza fasca. Während die meisten Larven nach 2 and 8 
Tagen tot entweder in den Fäces oder im Darmkanal gefanden 
worden, fand man in einer Batte noch nach 8 Tagen 2 lebende 
Larven vor. 

Eidechsen die man mit Larven von Galliphora vomitoria ge¬ 
füttert hatte, gingen za drande; man fand bm der Obdoktion die 
Magenwand von den Larven darchbohrt. 

Westwood machte im jardin des plantes in Paris die 
Beobachtang, daß Schlangen, d^e sehr gimig aof Mücken sind, 
daran zogronde gegangen waren, daß lebende Fliegenlarven ihren 
Magen vollkommen aasfüllten. 

Die Larven von Teichomyza sind äoßerst resistent gegen 
gegen Wasser, Olivenöl, Eochsalzlösong, Lösong von Gommi 
arab. Nach Prnvot wird ihre änßere Hülle von chemischen 
Agentien nicht angegriffen. Von Homalomygia ist sicher be¬ 
obachtet worden, daß ihre Larven anch in einem saoren Mediom 
leben and wachsen können. 

Der Aofenthalt and das Weiterleben der Maden in flüssigen 
Medien ermöglicht sich dadarch, daß ihre Stigmata verschließbar 
sind, so daß die in den Trachealverzweigongen vorhandene Loft 
den Maden so lange zar Bespiration dienen kann. 

Nach der Arbeit Lalliers hat man folgende Fliegenlarven 
am häoflgsten beim Menschen beobachtet: 

1. Sarcophaga carnaria, Galliphora yomitoiia and Mosca dömestica, 
welche alle an rohem Fleisch au finden sind. 

2 . Anthomya. Diese konunt vor aal Pflansen, besonders aof Glemflsen. 
Je einmal hat man die Lanren aof geräacherten Fischen and in der HQch 
gefanden. 

8 . Drosophila (nach G. Joseph in sanrem Bahm). 

4. PiophUa casei (die Made sitzt am Else). 

6 . Eristalis and Simolia (in anreinem Wasser Torkommend). 

6 . Teichomyza fasca (auf Aborten). 

Was die Anzahl der darch Erbrechen oder dorch die Fäces 
entleerten Maden anbelangt, so hat man in einzelnen Fällen bis 
za einigen handelt gezählt; mehrmals waren sie dorch Schleim¬ 
massen za großen Klampen zasammengebacken (Teichomyza fasca). 

Aas den zahlreichen Krankengeschichten geht hervor, daß 
das Krankheitsbild der M. int. ein sehr wechs^des sein kann. 
Häoflg hat man nar ganz vage Symptome, andere Male das Bild 
einer akaten oder chronischen Gastritis: Erbrechen, Appetitlosig¬ 
keit, saores Aofstoßen, Brechreiz, Schmerzen im Epigastriom, 
diffuse Schmerzen im Bücken and in den Seiten, Koliken, heftigen 
Durst gesehen. Chichester beobachte in einem Fall 2 Jahre 



Dt. Arnold: Vergleichende Annlyien yon Ereeolieilra nnw. 805 

langes Blntbrechen durch Oestruslarven. Andere Male weisen die 
Symptome mehr auf den Darm hin. Man sah einfaehe und auch 
blutige DurchfiÜle oder Obstipation; ferner kehren wieder Fieber, 
frequenter Puls, allgemein nerröse l^mptome. 

Beflexepilepsie haben Krause und Blundell beobachtet, 
herrorgerufen durch Laryen yon Musca dranestica. 

Bobineau-Desyroidy beschreibt einen Todesfall bei einei^ 
Frau. Man fand als Ursache Larven einer Fliegenart, die der 
Stubenfliege nahesteht. 

Ln ganzen bekommt man indes den Eindruck, daß es zu 
einem schweren Krankheitszustand inf(dge von M. int. nur selten 
kommt. Die Beschwerden verschwinden meist sehr schnell, so* 
bald man durch Brech- und Abführmittel eine Entleerung des 
Magendarmkanales herbeigeiührt hat. Ausnahmsweise kann sich 
aber die Krankheit, wie mehrmals berichtet, auch durch Iftngere 
Zeit hinziehen und im menschlichen Organismus schwere Störun¬ 
gen hervormlen. 

Daß somit madenhaltige Nahrungsmittel, insbesondere maden¬ 
haltiges Fleisch und Käse geeignet sind, durch Genuß die mensch¬ 
liche Gesundheit zu schädigen, dürfte nach diesen Ausführungen 
feststehen. 

Literatur: 

1 . Br eh ms Tierleben (Insekten). 

2. Lsllier P.: Etüde sur la Myase du tnbe digestive chez Thomme. 
Inaug.-Dissertation: Paris 1897. 

8 . WestennOlfer: Sitzungsberichte des Verdns ffir innere Medizin 
in Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1906, 8. 987. 

i. H. Senator: üeber lebende Fliegenlarven im |Magen und in der 
Mundhöhle. Berl. klin. Wochenschrift; 1890, S. 141. 

6 . Fr. Meschede: Ein Fall von Erkrankung, hervorgerofen durch ver¬ 
schluckte und lebend im Magen verweilende Maden. Virchows Archiv; Bd. 
36, 8. 800. 

6 . Dr. Q. Joseph: üeber Fliegen als Schädlinge und Parasiten des 
Menschen. Deutsche Medizinalzeitung; 1887. 


Vergleichende Analysen von Kresolseifen, hergestellt nach 
der preuss. Minlsterialverordnung vom 19. Oktober 1907. 

Von Prof. Dr. Carl Arnold in Hannover. 

Bald nach dem Erscheinen der Verordnung für eine Kresol- 
seife, welche nur Meta- und Parakresole enthalten soll, im Gegen¬ 
satz zu dem Liquor Oresoli saponatns, der auch Orthokresol ent¬ 
hält, suchte ich mir einen üeberblick über die Zusammensetzung 
der in den Handel gebrachten Kresolseifen zu verschaflen. 

Ich habe bei den betreffenden Analysen vorläufig die Frage, 
ob nur ein Gemenge von Meta- und Parakresol oder ein Gemenge 
aller drei E[resole oder ein Gemenge von Meta- und Orthokresole 
zur Darstellung Verwendung fand, außer acht gelassen, will aber 
betonen, daß die Tatsache, daß bei der Destillation von Kresol¬ 
seifen bereits viel von den Kresolen unterhalb 198® übergeht, 
keinen Schluß auf die Anwesenheit von Orthokresol gestattet. 



806 Dr. Arnold: Vergleieliende AnnlTaen Ton Kresolseifen, hergastellt 

sowie, daß anderseits nor mit Orthokresol hergestellte Eresol* 
seifen das Orthokresol znm Teil erst beim Erlützen Aber 199 * 
abgeben können. Die Frage, ob die Eresole frei von Orthokresol 
sind, ist mit Sicherheit nnr zn beantworten, wenn man die dnrdi 
Destillation ans der Eresolseife abgeschiedenen Eresole einer 
fraktionierten Destillation unterwirft; diese Destillation mnß aber 
möglichst bald stattflnden, denn nach längerem Stehen enthält 
jedes gelbbraun gewordene G-emenge von Eresolen bis zn einem 
bestimmten Gleichgewichtsznstande Wasser, infolgedessen nun 
das Gemenge bei 100° zn sieden beginnt und auch bereits zwischen 
180—198° Eresole abgibt. Diesen Vorgang kann man immer 
wieder so lange beobachten, als die Eresole beim Stehen noch 
gelbbraun werden; erst nach 3—4 maliger Destillation gelingt 
es, ein hellgelb bleibendes Destillat zn erhalten. Will man ans 
dem Siedepunkt der dnrch Destillation ans den Eresolseifen ab¬ 
geschiedenen Eresole einen Schluß auf die Abwesenheit von 
Orthokresol ziehen, so ist eine Eorrektnr der Quecksilbersäule 
des Thermometers unerläßlich, da diese außerhalb des DestUla- 
tionsgefäßes sonst um 3—4° zu niedrig abgelesen wird; hingegen 
können dabei die Schwankungen des Luftdrucks außer acht ge¬ 
lassen werden. Nachstehend angeftthrte 17 Analysen sind tdle 
unter den gleichen Bedingungen, aber ohne Eorrektnr der Thermo¬ 
metersäule ausgeftthrt worden; sie zeigen eine Verschiedenheit in 
der Zusammensetzung der neuen Eresolseife, die geradezu als er¬ 
schreckend und fflr pharmazeutische Präparate in Deutsdüand als 
noch nicht dagewesen zu bezeichnen ist. Ich habe fflr die ein- 
zelnen Präparate nicht die Bezugsquellen angefflhrt, bin aber 
bereit, sie auf private Anfragen zn nennen und die Präparate 
behufs Nachprflfrng zur Verfflgung zu stellen. 

L AnAl78on Ton 7 aus Fabriken besogenen Kreeolseifen: 


Marke. 

Spez. Gew. 

Ereaole unter 
199** siedend. 

Eresole Aber 
1990 siedend 

Seife. 

Wasser. 

1. Sch. & M. 

1,041 

10,0 > 

39 , 00/0 

88 , 50/0 

12 , 50/0 

2. Er. & Sehr. 

1,036 

25,0 „ 

23,0 , . 

24,0 . 

28,0 , 

8. J. C. Sch. 

1,026 

21,0 , 

27,0 , 

38,0 , 

14,0 , 

4. Sch & G. 

1,036 

12,6 „ 

85,0 , 

36,0 , 

17,5 , 

ö. H. D. A. 

1,027 

21,0 „ 

83,0 , 

81,0 , 

15,0 „ 

6. L. 

1,036 

80,6 „ 

19,6 • 

40,6 „ 

9,6 , 

7. E. 

1,036 

16,0, 

28,0 , 

89,6 , 

16,6 „ 

II. Anal 7 aen Ton 8 aue Apotheken 

besogenen Kreeolaeifen: 

1. Ae. 

1,065 

22,0 o/o 

35 , 00/0 

18,0 */o 

26,0*0/ 

Prell 260,0 = 90 Pf. 

2. M. 

1,025 

14,0 , 

33,5 , 

86,5 , 

16,0 . 

PreU 250,0 = 90 Pf. 

3. E. 

1,060 

31,5 , 

26,0 . 

18,0 , 

24,5 . 

Preis 260,0 = 60 Pf. 

4. A. 

1,065 

15,0 , 

29,5 , 

23.0 , 

32.5 , 

Preis 260,0 — 00 Pf. 

6. Schl. 

1,042 

18,0 , 

26,5 , 

89,0 , 

16.6 , 

Preis 260,0 = 100 Pf. 

6. St. 

1,032 

00 

o 

a 

33,5 . 

88,0 , 

15,5 . 

PreU 250,0 = 100 Pf. 

7. H. 

1,032 

32,0 , 

25,5 , 

34.5 

8,0 , 

Preis 260,0 = 76 Pf. 

8. L. 

1,030 

— 

— 

— 

— 


Preis 260,0 = 60 Pf. 



nacli der preofi. HinisterialTerordaiug vom 19. Oktober 1907. 307 

Nr. 1 und 3 iQet eich trflbe in destilliertem Wasser nnd nach dniger 
Zeit scheiden sich freie Eresole ab. 

Nr. 4 lOst sieh trttbe in destilliertem Wasser ohne Abseheidnng von 
Kresolen. 

Nr. 8 bestand ans Meta> nnd Parakresol ohne Seifensnsatz nnd war 
daher in Wasser nahezn nnlSslioh. 

m. JLnalTsen Ton selbsthergestellten Eresolsetfen: 

Marke. Spes. Gew. Kresole nnter Eresole Uber Seife. Wasser. 

199 siedend. 199** siedend. 

1. 1,041 12,0 > 37,6 o/o 37,0 »/o 13,6 •/<> 

2. 1,041 13,5 , 36,0 „ 36,6 , 15,0 , 

Die Torstehenden Analysen zeigten, daß die Verordnung vom 
19. Oktober 1907 in den meisten FftUen kaum von Einflnß bei 
der Darstellung gewesen sein kann und daß sich dementsprechend 
auch eine große Verschiedenheit in der medizinischen Wirkung 
zeigen muß. 3 ans Apotheken bezogene Präparate müßten infolge 
der Abseheidnng von freien Kresolen beim Mischen mit Wasser 
geradezu als gefährlich bezeichnet werden. Sämtliche Fabrik¬ 
präparate lösten sich in destilUertem Wasser mehr oder minder 
klar auf. 

Die angeführten Besultate liefern den Beweis, daß es nicht nur 
nicht immer leicht, sondern auch nicht ratsam ist, an Stelle des Be¬ 
währten etwas Neues zu setzen, namentlich wenn sich die chemische 
Kontrolle, wie bei den Kresolseifen, nur in beschränktem Maße 
durchführbar erweist. Die Prüfung der Güte der verwendeten 
Kresole durch ihren Siedepunkt ist nicht ausreichend und eine 
Bestimmung des Metakresols als Trinitrokresolverbindung wird 
sieh für düu pharmazeutisdie Laboratorium nicht als geeignet 
erweisen. 

Hierzu kommt noch, daß die angeblich höhere Desinfektions¬ 
kraft der Meta-Parakresolmischnng durch neuere Untersuchun¬ 
gen mindestens zweifelhaft erscheint, sowie daß das jetzt zur 
Verwendung kommende Kresol mit etwa 60 M. pro 100 Kilo be¬ 
zahlt wird, während das zum Liquor Kresoli saponatus dienende 
Trikresol pro 100 Kilo nur etwa 80 M. kostet. Aus allen diesen 
Gründen sind wohl Zweifel darüber berechtigt, ob die Verordnung 
vom 19. Oktober 1907 einen Fortschritt auf dem Gebiete der 
Desinfektionsmittel bedeutet. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

Bakterlologia, Hygiene nnd öffenfllohes Sanltätewesen. 

Beftrsf nun Stndiem der Opsonine (ContribnUon & l’^tude des opso- 
nines). Von J. G. Steeswijk-Leyde. Annales de rinsütut Fsstenr; 
Bd. a, 8. 983. 

Die Opsonine sind yon den Agglntininen yersehieden; im Semm des 
Froeebes gehen (für Milzbrand) die ersteren durch halbstündiges Erhitzen auf 
66—60" zugrunde, die letzteren nicht. Das Opsonin yerbindet sich mit dem 
Baeterium und macht dies Idohter aufnahmeOUiig fttr die Leukozyten. 

_ Dr. Hirschbruch-Metz. 

Die Giftigkeit der Heilsera* Von Dr.Besredka. Annales de l’ln- 
stitiit Pasteur; Bd. 21, 8. 777. 

Die Giftigkeit der Heilsera kann durch intrazerebrale Injektion an Meer- 



308 


Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ans Zelteebrifien. 


ediweindieo gemessea werden, die 12 Standen vorher durch eine Impfug^ 
sensibilisiert worden sind (also flberemplindlich sind). Der Grad der GSfUgkeit 
ist abhSngig von der Herkanft des Serams and seinem Alter. Am Tage der 
Blatentni^e ist das Serum ttberaos giftig; die Giftigkeit nimmt rasch bin 
xnm zehnten Tage ab, um von dann langsam völlig zn ^winden. Jedes Heil« 
sernm ist bis 2 Monaten nach der Blatentnahme us giftig za betrachten. 

_ Dr. Hirschbrach-Metz. 

üeber die Wirkung IntravenSser Kellorgollnjektlonen bei einigen 
InfekttoBskrankhelten. von Dr. Arnold Lemberg. Zentralbl. f. inn. Med.; 
1907, Nr. 48. 

Auf Grand der vorliegenden Erfahrongen kann Verfasser das Kollargol 
zur Anwendang nicht empfehlen, obwohl in einzelnen Fällen eine günstige 
Beeinflassang des Erankheitsverlaofes nicht anwahrscheinlich erscheint. Jeden¬ 
falls kann eme intravenöse Eollargolinjektion nicht als ein harmloser Eingriff 
angesehen werden, da in einzelnen Fällen bedenkliche Folgeerscheinungen nach 
solchen Injektionen beobachtet werden. Ueberhsnpt sollte man dessen bei in¬ 
travenösen Injektionen eingedenk sein, dafi das Blat kein indifferentes Medium 
ist and leicht eine Schä<ugang erfahren kann (was sich durch Temperatar¬ 
steigerang und Schüttelfrost ankündigen wird) and daß eine Blatalteration 
gelegentlich zu ernsteren Störungen Anlaß geben kann, besonders bei Kraak- 
heitsprozessen, welche bereits eine Blatdyskrasie verursacht haben, z. B. bei 
Typhus. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Bericht über die Ergebnisse des Untersuehnngsamtes für austeekeiide 
Krankheiten in Heidelberg vom Januar bis Dezember 1906. Von Professor 
Dr. med. et phU. B. 0. Neumann. Aus dem hygienischen Institut der Uni¬ 
versität Heidelberg. Hygienische Eundschau; 1907, Nr. 7. 

Die Zahl der Untersuchungen belief sich auf 2212, davon entfielen fast 
*/t auf Tuberkulose, */• &^f Typhus, der Beat auf Diphtherie, Gonorrhoe, Me¬ 
ningitis etc. Von den Untersuchungen waren bei Tuberkulose 21,8**/o, bei 
Typhus 26,9 *’/o, bei Diphtherie 81,1 "/ot bei Gonorrhoe 17,9“/,, bei Meningitia 
78,8 ®/o positiv. 

Das Ergebnis der Typhus Untersuchungen war folgendes: Widalreak- 
tion positiv 84,6 o/„ 8tuhl nnd Urin auf Bazillen positiv 5,6 */o, Blut auf Ba¬ 
zillen positiv 7,8*/ot Wasser auf Bazillen (6 mal) positiv 0 **/o. Auf die Agglu- 
tinationsprüfung des Blutes typhnsverdächtiger Kranker wird der größte 
Wert gelegt. Die Versuche mit Hilfe von Gallenröhren (Conradi) T^hus- 
b fcKill ftii aus dem Blute zu züchten, ergaben in zirka 16‘*/o der Fälle ein 
positives Besultat. 

Bei einer Gonorrhoe wurden sowohl grampositive, wie gramnegative 
Kokken in den Eiterzellen gefunden; der Verfasser hält es für möglich, daß 
es sich hier um grampositive und gramnegative Gonokokken handelte. Ein 
anderer Fall von sicherer Gonorrhoe war auf gramnegative Stäbchen zurück- 
zuführen. In einem dritten Falle wurde Strept. lanceolatus (Pneumonie 
Fränkel) ermittelt. 

Bei den Genickstarrefällen fand der Verfasser, abgesehen von dem 
gewöhnlichen Befand der nicht nach Gram färbbaren, typischen Weich sei- 
baumschen Micr. meningitis cerebrospinalis, in einem Falle in der Lumbal- 
fiüssigkeit den Jägersehen grampositiven Coccus und ein andermal Mn gram¬ 
negatives, infiuenzaähnlicbes Stäbchen. Die Kokken ließen sich durch spezifisches 
Serum im Verhältnis 1: 200 agglutinieren. 

Zur Kultivierang von Strept. pyogenes, Strept. lanceolatus, Strept. mucosus 
dienten neben gewöhnUchem Agar auch Blutagarplatten. 

Zweimal gelang es Paratyphus A na<^aweisea, fernerhin in fünf 
Fällen bei Malaria Tertiana. Der Verfasser weist darauf hin, daß durch 
die in der dortigen Gegend vorkommenden Anopheles leicht einmal die Para¬ 
siten der malariakranken Italiener verschleppt werden können. 

Bei der Delhibeule, die ein Arzt im asiatischen Baßland akquiriert 
batte, konnten die spezifischen Parasiten, die denen bei Kalahazar ähndn, 
gefunden werden. _ Dr. Kurpjuweit-Berlln. 



Kleinere Mitteilnngen und Refemte ans Zeitechrillen. 809 

Bericht ttber die Titigkelt des bakterioloflsehen Unterraehiugs- 
■■tee raCIdttiBgeB im nrelten Jahre 1906/07. Von Dr. Albert Fromme. 
Ans dem h^enuchen Inetitnt za Göttinnen. Hygien. Bondschaa; 1907, Nr. 15. 

Die Zahl der ünterznehnngen stieg von 1627 im Vorjahre anl 8685. 
Recht h&odg worden Typhosrekonyaleszenten entsprechend den gesetzlichen 
Bestimmnngen anl Bazillenfreiheit ontersncht. Weit Aber die Hälfte der Unter- 
snehongen betraf den Nachweis von Typhus. Unter den Widalproben wurde 
18 mal Parat^hns B und Imal Paratyphos festgestellt. Bei Paratyphns B 
imide die Diagnose durch die Züchtung meistens bestätigt. 

Der Drigalski'Conradi-Agar hat sich bei der Züchtung gut be¬ 
währt, die Brauchbarkeit des Malachitgrünagars nach Lüffler, ferner nach 
Lentz und Tietz schwankte. Die Typhuskolonien zeigten auf letzterem 
neben der Gelbfärbung des Nährbodens eine Erustenbildnng. Zur Züchtung 
des Paratyphos B eignet sich der Malachitgrünagar besonders gut. 

Typhuszüchtungen aus größeren Blutmengen nach Anreicherung mit 
Rindergalie gelangen in 50**/o Fälle; in den Blutgerinnseln der Widal¬ 
proben konnten sie nach der Vorschrift yon Conradi inSO**/« der Fälle 
nachgewiesen werden. 

Durch Nachuntersuchungen in der Rekonyaleszenz konnten 11 Typhus- 
nnd 1 Paratyphos B-Träger überwiegend weiblichen Geschlechts festgestellt 
werden. Einer yon diesen hatte einen sehr leichten Typhus mit zweitägigem 
Fieber durcbgemacht. Von 35 Kranken einer Epidemie Uieben 4 Bazillenträger. 

Eine Bazillenträgerin hatte vor 28 Jahren Typhus überstanden und 
wiederholt Erkranknngen yeranlaßt. Eine Frau war nur 8olanp;e Trägerin, als 
sie Gelegenheit hatte, sich yon einer anderen Kranken zu ufizieren. Eine 
Erkrankung ist bei ihr nicht anfgetreten. Die Paratyphnsträgerin wurde ganz 
zufäUig entdeckt und hat niemab Ansteckungen yerursacht. 

Bei der Reinzüchtung yon Tuberkelbazillen hat sich die Glyzerinkar¬ 
toffel in yerdächtigem Material, das sonst steril war, in 5 Fällen gut bewährt, 
wo mikroskopisch keine Tuberkelbazillen zu finden waren. 

Bei den Diphtherie Untersuchungen konnte in '/■ ßc' Fälle schon allehi 
auf Grund der Neißerfärbong des ersten Anstrichs die Diagnose .yerdächtig“ 
gestellt werden. Diphtherierekonyaleszenten wiesen noch 1 bis 8 Wochen nach 
der Entfieberung noch Bazillen im Rachen aui — Bei einer Reihe von klini¬ 
schen Ruhrerkranknngen konnten keine Ruhrbazillen nachgewiesen werden. 
— Beim Gonokokkennachweis gab die Methylgrünpyroninfärbung sehr 
schöne üebersichtsbilder. — Die Weich sei bäum sehen Kokken wurden 
lOmal'^aus der Spiralfiüssigkeit, 3mal aus dem Nasenschleim yon Genick¬ 
starre kranken und 2mid aus dem Nasenschleim von Gesunden gezüchtet. 
Die Agglutination ergab bei der Diagnose Genickstarre keine gleichmäßigen 
Besnltate. — ln einer Reihe yon Fällen konnten Milzbrandbazillen, ferner 
auch Rhinoskerombazillen durch die Kultur erhalten werden. — Eine größere 
Fleischyergiftungsepidemie war einmal auf Paratyphns B-BaziUen 
zurttckzuführen, das andere Mal möglicherweise auf die Toi^e dieser Bazillen. 

_ Dr. Kurpjuweit-Berlin. 

Bwleht über die Tätigkeit der Wutschutsabteilung des Instituts für 
lufektteuBkraukbelten in Berlin ln der Zelt yom 1. Januar 1906 bis 
8L März 1906. Von Dr. H. Töpfer. Klinisches Jahrbuch; 1907, £d. 18, H. 2. 

Im Jahre 1905 wurden 584 Personen im Institut behandelt. Hieryon 
starben 4; jedoch kommen hieryon 3 Personen in Fortfall, weil die Impfung 
noch nicht beendet war, ehe der Tod erfolgte. Es hat sich also die regelrecht 
durchgeftthrte Behandlung nur bei einer Person erfolglos erwiesen. (Von den 
seit Bestehen des InsÜtuts aufgenommenen 2790 Personen starben 12 = 0,48 **/(,.) 

Unter den Anfgenommenen befand sich wieder eine große Zahl Tier- 
Arzte (18). Auch 3 Aerzte und sogar ein Naturheilkondiger ans Sachsen 
suchten das Institut auf; der letztere entzog sich sehr bald der Behandlung und 
starb zu Hanse unter toUwutyerdächtigen Erscheinungen. 

Ob die Vemiditung des Giftstoffes durch die gewöhnlichen Mittel wie 
Chlorkalk, Essig- und Sodalösnng gelingt, muß nach Untersuchungen des Ver- 
tessers an Kaschen sehr zweifelhaft erscheinen. Das wichtigste ist und 
bleibt, die sofortige Einleitung der spezifischen Behandlung. Für Zweifels- 



310 


Kleinere Mitteilnngen und Beferate au Zeitschriften. 


fiUe hat sich die Feststellong der Negrisehen KOrper im TiergeUm als 
wertroll erwiesen. Worden solche gefonden, ohne daß bisher eine Behaadlong 
eingeleitet war, so fand eine telegraphische Benachrichtigong der Gebissenen 
statt. Aol diese Weise hat eine Anzahl Verletzter noch reätzeitig zur Be* 
handlang erscheinen können. Allerdings ist vorlftofig nor der positire Be¬ 
fand der Negrisehen Körperchen diagnostisch za rerwerten. 

Du Behandlongsrerfahren worde gegen früher etwu getndert, am du 
Eintreten des Jmpfschntzes za beschleunigen; hiermit hofft in den fon- 
droyant rerlaafenden Fällen bessere Erfolge za ersielea. 

Die meisten Patienten stammten auch dieses Jahr wieder au Schieden; 
jedoch hat die Zahl der au der Bheinprorinz stammenden Gtobissenu derart 
zagenommen, daß sie im Berichtsjahr der Zahl der Schlesier gleichkam. Aach 
Sachsen stellte sehr viel mehr Gebissene als früher. 

Die Bißyerletsongen waren in der Mehrzahl durch Hände beigobracht. 
In einigen Fällen kamen Katzen, Kühe und auch Pferde in Betracht. 

Dr. Dohrn-Hannoyer. 


Bericht über die Tidgkeit der Wntschnteabteilanf am Hygienisehen 
Institnt der Unlrersitlt Breslau rom 28. Juli 1906 bis 81* Min 1907. Von 
Dr. Ostermann. Künisches Jahrbach; 1907, Bd. 18, H. 2. 

Die Breslauer Watschatzabteilang ist mit Büclmcht auf die große Zahl 
der in der Proyiu Schlesien und Posen vorkommenden Bißyerletzangen dorch 
tollwütige Tiere gegründet worden. Da ein Teil der Verletzten bisher die 
Unbequemlichkeiten einer Belse nach Berlin in die dortige Anstalt scheute und 
dadorch dem rechtzeitigen Eingreifen entzogen worde, erschien die Einrichtang 
einer bequem und ohne große Kosten erreichbaren Wutschutzabteilung notwendig. 

Von den bisher behandelten 179 Kranken starben 2. Die Impfungen im 
Institut erfolgten nach dem Berliner Schema. Der Nachweis der Negrisehen 
Körper lieferte auch hier brauchbare Besultate. 

Im allgemeinen koute die Anstalt ihren Zweck, den Verletzten schnell 
Hilfe zu bringen, erfüllen. Nor in einigen Fällen ging durch die Verhandlangen 
über die Tragung der Kosten wertvolle Zeit verloren. Eine einheitliche Bege- 
lung ist hier notwendig. _ Dr. Dohrn-Hiumover. 


Watsehutalmpfnng von der PeritonealhShle aas. Von P. Bemlinger. 
Institut impörlal de bact6rioloflle ä Coutantinople). Comptes rmdu de la 
80C. de biol.; LXIV., 1908, Nr. 4. 

Bemlinger hatte 1905 darauf hingewiesen, daß bei Hund und Kanin¬ 
chen du Lyssa^t in der Bauchhöhle schnell zerstört wird. Schon nach einer 
Stunde ist die Abschwächung deutlich, nach 6 Stunden bldbt die Hälfte der 
durch Trepanation Inokulierten Tiere ungefährdet, nach 12 Standen ist der 
Verlast der Viroleu absolut Er nntersuchte nun, ob diese so energische 
rabizide Kraft der Peritonealflüssigkeit zur Immunisierung der Tiere fienen 
könnte and fand: 

1. Von rein wissenschaftlichem Standpunkt aas ist es IMcht, ein 
Tier auf peritonealem Wege gegen die Wut zu immunisieren. Die so über¬ 
tragene Immunität zeichnet sich durch ihre Stärke und ihre Dauer ans. 

2. Vom Standpunkte der Praxis der Tierimpfangen würde beimHnode 
und wahrscheinlich auch bei den Herbivoren die grobe intraperitoneale Ein¬ 
führung eines Gehirns (oder selbst von zwei (lehimen in mehrtäpgem Zwischen- 
raom) ein sehr einfaches and folglich sehr verführerisches Verfahren darstellaa. 
Leider können Unschädlichkeit und Wirksamkeit nicht vollständig verbürgt 
werden. 

Bei Katze und Hund war der Verlauf nämlich folgender: Du gaoze 
Kaninchenhim in bO—1(X) g Wauer emolgiert dann darem Maaselin flltriert, 
wurde in die Bauchhöhle eingeführt. Die Tiere erliegen dem Eingriff nur 
ausnahmsweise. Wurde nun nach einem Monat flzes Virus in die vordere 
Angenkammer eingebracht, so blieben 70—80**/« der Tiere guund. — Von 
6 Hunden, die 16 Tage nach dem ersten ein zweites Hirn intraperitoneal ^- 
verleibt erhielten, blieb bei 6 die Intraolralare Probe negativ. — Von 6 aaderea 
Händen, denen in die Vorderkammer virus fixe c^gemcht worde, blieben 
4 gesund, die intraperitoneal mit dnem ganzen Ka^ohenhim nach 1 and 



Kleinere Hitteilnnfen nnd Befemte nna Zeitschriften. 


811 


8 Tngen geimpft wurden. 2 Tiere, die erst nuch 5 Tagen geimpft wurdea, 
erkrankten dagegen. _ Dr. ICayer-Simmem. 


Zum bteloglseheu Studium des Milshraadbaelllus. Von Nonnotte 
und Sartory. (Contribution & r6tnde biologiqae du Bacillus anthrads Da- 
Taine.) Trayail du laboratoire de pathoiogie exp6rimentale et comparSe de la 
facult^ de m^didne. Comptes rendus de la 80 d 6 t 6 de biol.; LXIV, 1908, Nr. 6. 

So bekannt die biologischen Eigentfimlichkdten des Milzbrandbadllns 
sind, so sind sdne Existenzbedingungen doch noch wenig erforscht. 

Interessant sind die Ergebnisse der Verfasser an lebenden Milzbrand¬ 
barillen, die bd 36—88 ** in 5 proz. HamstoffiSsungen gegeben waren. Nach 
84 Stunden bldbt die Flfissigkeit — Peptonwasserstoff mit Hamstoffiösnng — 
klar nnd zeigt nur einige Flocken am Boden. In derselben Kette sieht tnaa 
den nrimären Bacillus bd mikroskopischer Prüfung sehr gut nach Gram 
gefirbt, während die jungen Bazillen ungefärbt sind. Nach mehreren Tagen 
wird der Bodensatz dichter, schließlich pulTerförmig. Die Bazillen färben rieh 
sehr schlecht nadi Gram. Nach 8 Wochen zeigt die genaueste chemische 
Prüfung keine Zersetzung des Harnstoffs; die Flüssigkeit bldbt, wie die Kon- 
trolUlüssigkdt neutraL _ Dr. Mayer-Simmem. 


Ela Fall Toa Sekweiaerotlauf beim Menschen und dessen Heilung 
durch SehwelnerotlauflBerum. Von Dr. A. Wetzel, Emmerich am Bheb. 
Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 50. 

Bekanntlich sind berdts mehrere Sehwdnerotlauf-Erkrankungen beim 
Menschen bezw. bei Tierärzten konstatiert worden. Dabd üt es auffallend, 
daß trotz täglichen Hantierens mit Schwdnerotlaufserum bisher nur ein Tier¬ 
arzt (Hennig) auf den Gedanken gekommen ist, die Wirkung einer Heildosis 
besagten Serums an sich selbst zu erproben. Verfasser teilt einen ähnlichen 
Fall mit, in wdchem der Heilerfolg der vor genommenen Seruminjektion bei 
dem infirierten Kreistierarzt L. geradezu rerblüffte. Genannter verletzte sich bei 
Injektion einer Beinkultur von Botlaufbazillen, worauf dch in der Folge ent¬ 
zündliche Bötung nnd Schwdlung am verletzten Daumen entwickdte. Bei 
dem unzwdfdh^en Fortschreiten der Erkrankung auf Zeigefinger, Unterarm 
und Oherarm entschloß man dch zu einer Injektion mit SV* ccm Botlanfserum 
(Susserin-Hödist) unter den üblichen Kautelen in das Unterhantzdlgewebe 
eines Oberschenkels nnd des Bauches. Am nächsten Tage waren berdts alle 
wesentlidien Krankhdtserschdnungen verschwunden. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Ein Fall von Hefetnfektlen (Saeeharomykose) der Meningen. Von 
Privatdozent Dr. Wilh. T ü r k, k. k. Primararzt. Deutsches Archiv für klinische 
Medizin; 90. Bd., 8. und 4. Heft, 1907. 

Der spärlichen Kasuistik echter Hefeinfektionen bdm Menschen (es 
ezistierea nach T. in der Literatur nur drd vollkommen dcher gestellte Fälle) 
fügt der Autor einen von ihm beobachteten Fall hinzu. Eine 43 jährige Frau 
in schlechtem Ernährungszustände erkrankte akut unter zerebrospinrien Er¬ 
scheinungen und starb nach sechsw&chentlichem Krankenlager im Zustand 
äußerster Mades. Drd während der Erkrankung vorgenommene Lumbal¬ 
punktionen ergaben im Exsudat kolossale Mengen von typischen Hefepilzen, 
auf deren morpholo^ches nnd kulturelles Verhaltea des nriieren dngegangen 
wird. Die Sekdon Wtätigte die Diagnose: Meningitis durch Sproßpilze und 
ernb — unabhängig davon — außerdem chronische Drüsen- nnd Lungentuber- 
kuoee. Die Veränderungen an den Meningen waren gering; es banddte 
sich makroskopisch nur um eine Odematüse Durchtränkung des Hirns und der 
wdchen Hirnhäute mit einer Idchtgetrübten Flüssigkeit. Außer an den Me¬ 
ningen konnte in diesem Falle nur noch an der Mund- nnd Bachenhöhle eine 
durch Hdeansieddung bedingte Krankheitserscheinung festgestellt werden. 
T. nimmt an, daß von hier aus die Hefepilze in die Zirkulation gelangt seien 
und skk in den einen besonders geeigneten Nährboden abgebenden Meningen 
angesiedelt hätten. _ Dr. Lohmer-COln. 



812 Kleinere Hitteilnngen und Befemte ane SEeitschriften. 

Ueber das Afglmtlnatloii^liliieMn bei epldesdseber Geniekstarre« 
Von Dr. Fr. Dittborn nnd Dr. W. Scbnlta. Ans dem hygienischen Institut 
zn Posen. Bnndschan; 1907, Nr. 22. 

Die Verfasser nntersnchten bei bakteriologisch sicher gestellten Fällen 
Ton epidemischer Qenickstarre (Meningococcenmenin^tis) Semm, Vesikator- 
fltkssigkeit, Tränensekret und Urin anf ihren Agglntiningehalt. Die Stänune, 
welche sie zur Agglntinationsprobe benutzten, stammten ans der Zerebrospinal¬ 
flüssigkeit ihrer Kranken. Bei jedem Versuch wurde eine Oese 18—24stflndiger 
Kultur auf LOff 1er-Serum in 1 ccm Flüssigkeit verrieben, ferner entsprechende 
Kontrollen mit physiologischer Kochsalzlösung und mit sicher agglutinierendem 
Semm angelegt. Die Proben wurden meist nach 24 Stunden kontrolliert. Das 
Kranken-Serum agglutinierte in der Verdünnung 1 auf 80 bis 1 auf 1000, nur 
einmal war das Besnltat negativ. Bei den Ag^utinationsversuchen mit Urin 
wurden positive Resultate nur sehr selten nnd zwar bis zum schwächsten Ver- 
dünnungsgrad 1:1 erzielt. Tränenflüssigkeit agglutinierte nicht. Vesikator- 
flüssigkeit gab eine größere Zahl von positiven Resultaten, deren Titer bis 
1: 70 reichte. Normale Vesikatorflüssigkeit agglutinierte zweimal bis 1:10. 
Organeztrakte agglutinierten nicht. Bei der Verfütterung lebender Heningo- 
kouen an ein Kaninchen entstanden keine Agglutinine im Serum. 

Als besonders wichtig für die Praxis neben die Verfasser hervor, daß 
außer dem Agglutinationsverfahren mit Blutserum bei kritischer Handhabung 
auch die Agglutination mit Vesikatoriahalt in einer Reihe von Fällen brauch¬ 
bare Resultate zu liefern im stände ist. Dr. Kurp juweit-Berlin. 


Erfahrungen mit Meningitis cerebrospinalis epidemica bei Kindern 
in Berlin. Von San.-Bat Dr. Cassel. Deutsche medizinische Wochenscfai^: 
1907, Nr. 44. 

Die Mitteilung eines erfahrenen Praktikers über Erfahrungen, die sich 
anf die verschiedensten Stadtteile Berlins beziehen, sollte recht zahlreiche 
Nachfolge veranlassen. Neben klinischen und bakteriologischen berücksichtigt 
sie auch epidemiologische Gesichtspunkte. Mit Recht fordert C. die praktischen 
Aerzte auf, viel mehr als bisher des wichtigen diagnostischen Mittels der 
Lumbalpunktion sich zu bedienen. Fast nie gelang es, die Fälle von Cerebro¬ 
spinalmeningitis epidemiologisch aufzuklären, was zweifellos in einer Millionen¬ 
stadt noch schwieriger ist, als an kleineren Orten. Vielfach gehörten die Väter 
Berufsarten an, die besonders stark dem Verkehr mit breiten Volksschichten 
ausgesetzt sind. Auf die Wichtigkeit der Bazillenträger wird hingewiesen, 
wäluwnd die direkte Uebertragung durch kranke Individuen entsprechend all¬ 
gemeiner Erfahrung nur eine sehr geringe Rolle spielte. 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Der Wert der systematischen Lumbalpunktion in der Behandiug 
der Cerebrospinalmenlngitls. Von Prof. Dr. v.Bokay in Budapest. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1907, Nr. 47. 

Ueber den therapeutischen Wert der Lumbalpunktion bei Cerebrospinal- 
meningitis gehen die Ansichten der Kliniker noch auseinander. Verfasser stellt 
sich anf Grund seiner Erfahrungen an einem allerdings nicht großen Material 
anf die Seite derer, welche in konsequenten Punktionen ein wichtiges Mittel 
zur Verbesserung der Heilerfolge sehen. Auch bei ganz kleinen Khidern kann 
der Eingriff oft wiederholt werden; v. B. punktierte ein 8monatliches später 
genesenes Kind 14 mal. Der Erfolg ist nicht nur eine Herabsetzung des Druckes, 
sondern auch die Entfernung von Bakterien nnd Toxinen. Bei srmweren Fällen 
soll man in kurzen Pausen von 1—8 Tagen punktieren. Mehr als 80 ccm 
sollen anf einmal nicht entfernt werden. Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Erfahrungen mit dem Meningokokkenbellserum bei Genickstarre- 
kranken. Ans der inneren Abteilung des Stadtkrankenhanses ln Posen. Von 
Dr. Werner Schulz. Berliner klin. Wochenschrift; 1907, Nr. 52. 

Im städtischen Krankenhanse in Posen wurde vom i^rü 1906 bis AprU 
1907 von 64 Genickstarrefällen 28 mit Serum behandelt Das Verhalten der 
Körpertemperatur im Anschluß an die Injektionen war kein einheitliches, das 
Fieber steigerte sich weiter am Tage der Injektion nnd am folgenden Tage, 



Kleinere lOtteilnngen nnd Referate ans Zeitaohriften. 


818 


oder es sank ab, oder es blieb nnbeeialiafit Von den 28 mit Serum behandelten 
Filloi starben 18, also 50,6**/, Mortalität Von den 41 ohne Serum Behandelten 
starben 22, also 58^7’/« Mortalität Wir sind heute noch nicht in der Lage, 
die epidemische Gienudutarre mit Eolle>Wassermannschem Serum genügend 
nachteilig zu bekämpfen. _ Dr. Räuber•EOsUii. 


Subkutane Injektionen reu KuhpeekenTukilae. Von Priratdozent 
Dr. Knoepf elmacher-Wien. 2Seitschm für experimentelle Pathologie; 
4. Band, 8. Heft 

Die bei weitem große Mehrzahl der einmal Vakzinierten antwortet auf 
die Injektion xon Vakzine, sie sei vimleat oder avimlent, mit lokaler Rea^on. 
Diese tritt nicht nur nach überstandener Vak^atlon ein, sondern auch während 
der Erkrankung, so daß sie yerwertbar ist für die Erkennung der ViJkzine- 
krankheit _ Dr. Wolf-Marburg. 


Ueber die agglntiniereude Wirkung das Serums bei mit Knkleoprotein 
des Pestbaeillus immunisierten Tieren. Von Dr. A. Franchetti-florenz. 
Lo Sperimentale, archirio di Biologin normale e patolorica; Fasz. VI, 1907. 

Die im Institut für allgemeine Pathologie in l^renz yom Verfasser 
Torgenommenen Versuche an Kaninchen und Meerschweinchen bezogen sich 
auf Immunisierung mittelst des nach Lustig und Galeotti hergestellten 
Fbctraktes aus den Pesterregem (Nukleoprotein) und mittelst abgetOteter Pest- 
kulturen. Aus seinen Versuchen zieht Verfasser folgende Schlufolgerungen: 

1. Die Immunisierung mit den aus den Pestbazillen nach der Methode 
Ton Lnstig-Galeotti gewonnenen Nnlkeoprotein ist bei günstigen Ver- 
suchsbedingungen imstande, dem Serum der behandelten Tiere aggln&derende 
Eigenschaften gegenüber dem Pestbacillus zu yerleihen, die nicht von anderen 
Inununisiemngsmethoden verschieden sind. 

2. ln dem aus dem Pestbadllns gewonnenen Nukleoprotein müssen be¬ 

stimmte chemische Gruppen (a^glutinogene Substanzen) existieren, die fähig 
«ind, in den tierischen Organismus die Erzeugung spezifischer Agglutinine 
berrorzurufen. _ Dr. Solbrig-Allenstein. 


Die Choleragefahr in St. Petersburg. Von Major z. D. Goebel- 
Dflsseldorf. Zentralblatt für allgemeine Gesundheitspflege; 1907, 11. u. 12. H. 

In den mangelhaften hygienischen Zuständen der russischen Hauptstadt 
flieht Verfasser eine große Gefahr für den Fall einer Cholera-Epidemie, nach¬ 
dem im verflossenen Jahr die Seuche im Süden Rußlands schon 9000 Er¬ 
krankungen mit 5000 Todesfällen gebracht hat. Das mangelhaft filtrierte 
Trinkwasser der Neva, das häufig genug mit unfiUriertem durchsetzt wird, die 
unglaublichen Mißstände der Waschanstalten, der Schmutz der Droschken und 
Tramwagen, der Volksspeisehänser und Teestuben, die drangvolle Enge der 
Wohnungen des unteren Standes und nicht am wenigsten das sriderliche Eüssen 
der za^osen Hdligenbilder in und um Petersburg, sdieint einer Seuche, srie 
die Cholera, die günstigsten Bedingungen für ihre Verbreitung zu schaffen. 
Der Sanitätskommission stehen nur 80 Aerzte zur Verfügung; unendlich 
flchwer wird es sein, die stumpfe Gleichgültigkeit der Bevölkerung im Falle 
des Nahens einer Epidemie zu geeigneten Maßnahmen aufzurütteln nnd die 
Epidemie energisch zu bekämpfen. Dr. Solbrig-Allenstein. 


Die Amßben-Enteritis und ihre Beziehungen zur Dysenterie. Von 
Dr. Jürgens-Berlin. Zeitschrift für experimentelle Pathologie; 4. Bd., 8. H. 

Die bei uns auftretende Ruhr ist eine bazilläre, aber bakteriologisch 
sieht einheitliche Infektionskrankheit, die akut verläuft lud DarmstOmngen 
im Gefolge hat^ die zwar symptomisch verschiedenartig auftreten können, aber 
stets charakterisiert sind dar(m ihre Beziehungen zur Darmdiphtherie. Diese 
epidemische Ruhr ist ebenfalls in außereuropäischen Ländern heimisch nnd 
bietet überall kliniwf.h, ätiologisch nnd anatomisch dasselbe Bild. — Die AmObcm- 
Dyasnterie hat dagegen keine Bcndehungen ziu Darmdiphtherie und unterscheidet 
flieh von jeder Form der ulzerOsen Enteritis. In ihren reinen Formen wird sie 
flflitea beobachtet. Sie ist leicht durch ihre klinischen Erscheinungen (chroni- 



814 


Kldnere Mitteilnngen and Beferata ans Zeitaoluriften. 


sehe Form and Neigung zn Bezidiven) iestzaBtelien, zumal auch der Nachwds 
der Amoeba histolyuca die Diagnose erleichtert Dr. Wolf-Harburg. 


Ueber die Btteklhlltjphne-Epidemie in Kiew. Aus dem Alexander- 
Erankeahaus zu Kiew. Von Dr. Marcus Babinowitsoh. Berliner Uiniacbe 
Woebenzebrift; 1907, Nr. 44 und 45. 

In Baßland ist der Bttckfalltyphus seit 1864 ttberbaupt nicht mehr ver- 
Bcbwunden, erzeugte in einigen Städten wiederholt bis in die letzten Jahre 
große Epidemien und bat viele Tausende von Opfern fortgerissen. Von Januar 
1906 bis 1. Juni 1907 sind in 7 Krankenhäusern der Stadt Kiew (800000 Ein¬ 
wohnern) 4232 BttckfalltTphnskranke aufgenommen worden. Die grOßte Zahl 
der Erkrankungen bezog sich auf das ^ter von 15—80 Jahren; Männer er¬ 
krankten 8^2 mal häufiger als Frauen. Gestorben sind ttber 108 Kranke. 
Groß ist die Menge der in den Nachtasylen schlafenden armen Bevölkerung. 
Es gibt in Kiew hunderte von Schlafstellen in dunklen, feuchten Kellern, deren 
Wrade und Fußboden mit Schmutz und Schimmel bedeckt sind. In ihnen 
schlafen dicht aneinander gedrängt so viele Männer und Frauen, wie der Baum 
nur fassen kann. Diese schrecklichen hygienischen Verhältnisse stellten in 
der letzten Eiewer Bttckfalltyphus-Epidemie das hauptsächlichste begttnstigende 
Moment fttr die kolossale Ausbreitang der EranUieit dar. Die in solchen 
Verhältnissen lebende BevOlkerang ist stark geschwächt and fttr die ver¬ 
schiedensten Krankheiten empfindlich geworden, gleichzeitig mit dem Bttckfall- 
fieber traten in den letzten 10 Jahren auch Abdominaltyphus und Flecktyphus 
in Gestalt von Epidemien auf (1898). 

Die Uebertragusg des Bttchialltyphuserregers geschieht nicht, wie 
Tislin annahm, durch Wanzen, wie die Versuche von Babinowitsoh mit 
Wanzen, die reichlich spirochaetenhaltiges Blut aufgenommen hatten, ergaben. 
Er nimmt vielmehr eine üebertragung per os an. Die Erkrankungen beginnen 
oft mit Uebelkeit, Erbrechen und Diarrhoe. Dazu kommt, daß Bekurrens- 
kranke häufig Epistaxis bekommen, und daß bei den Patienten, die während 
des Anfalls Epistaxis bekommen, die Spirillen häufig im Speichel nachgewieeen 
wurden. Die Kellerbewohner trinken aus denselben Eimern und essen aus 
denselben Geschirren. Auch der blntige Stahl, in dem während des Aufenthalts 
immer Spirillen gefunden wurden, kann aus denselben Grttnden in der ärmsten 
BevOlkerang ein wichtiges Moment zur Verbreitong der Krankheit darstellen. 
All dieses kann eine gewisse Erklärung dafttr limem, warum die Krankheit 
hauptsächlich unter der ärmsten BevOlkerungskl^e mitsteht und sieh verbreitet. 

Dr. Bänber-KOslin. 


Zur bakteriologischen Diagnose des Abdominaltyphus. Von Dr. Fritz 
Meyer. Ans der medizinischen Klinik der KOnigl. CharitO in Berlin. Zeit¬ 
schrift fttr klinische Medizin; 68 . Bd., 1907. 

In jedem Typhnsfalle ist die bakteriologische Blutuntersuehung an erster 
und wichtigster Stelle vorzunehmen und zwar nach Castellani oder Con- 
radL In 23 von 24 Fällen lieferte dem Autor dies Verfahren absolut ein¬ 
wandfreie Besaitete, unter diesen zweimal bd solchen Fällen, welche eine 
höchste Temperatur von ^,1 und keinerlei klinische Symptome mit Abdomlaal- 
typhus daiboten. Aul das Eintreten einer eventuellen Widalschen Beaktion 
darf nicht gewartet werden. Der Fornetsohen Prizipitatreaktion ist bin 
jetzt eine praktische Bedeutung nicht zozuerkennen. 

Dr. Lohmer-COln. 


üebor Typhusfllle mit geringer und fehlender Agglutination und 
typhnsUmllehe Fälle. Von Dr. Heinrich von HOsslin. Deutsches Archiv 
fttr klinische Medizin; 1907, 91. Bd., 8 . und 4. Heft. 

H. ftthrt zunächst aus der Literatur einige Fälle an, in denen bei bak¬ 
teriologisch sichergestellter Typhosdiagnose das Agglutinationsphänomen demals 
beobachtet wurde. In einem von Kaiser beschriebenen Falle wurde dies auf 
eine Mischinfektion mit Staphylokokken zurttckgeftthrt und durch entsprechend 
angeordnete Tierversuche l^tätigt. H. selbst sah im Bezidiv eines sicheren 
Typhus bei stattgehabter Sekundärinfektion mit Tetragenas dm Agglutinations¬ 
titer schnell bis Null sinken. Er beoba<^tete ferner zwei Fälle, ln denen ans 



Kleinere IfltteUnngen nnd Befemte nne Zeitschriften. 816 

dem Blnte Typhnsbasillen in Beinknltnr gecttchtet mirden, die Agglutination 
aber danemd negatir aosflely ohne daß ein Gmnd iflr das Fehlen eines Phlao* 
mens angegeben werden konnte. Auch der Pfeiffersche bakteriologische 
Versuch — allerdings erst mehrere Monate nach der Heilung der Patienten 
Torgenommen — fiel negativ aus. 

H. berichtet weiter Aber zwei klinisch sichere TTphusfälle, bei denen 

weder eine Agglutinatioa auf Tj^hus* oder Paratyphusst&mme eiatrat, noch 
ans dem Blute oder den Fäces l^hns* oder verwandte Bazillen gezttchtet 
werden konnten, auch der nachträglich gemachte Pfeiffersche Versuch 
nicht gelang. _ Dr.Lohmer-Cöln. 

Kllnlsehe und bakterlolegisehe Beebaehtungeu beim Abdomiaaltyphnsy 
lubesondere bei TTphuskomplikatioueu« Von Dr. H. Ben necke ans der 
mediziiiischen üniversitfitsklinik in Jena. Deutsches Archiv fttr klinische 
Medizin; 1907, 92. Bd., 1. und 2. Heft. 

Aus den vier Schlußfolgerungen der Arbeit interessieren hier folgende 
beiden: 

I. Es gibt nach Ablauf des Tjphns unregelmißige Temperatnrsteige* 
mngen, die nicht als Rezidive — fttr die Diagnose eines richtigen Rezidivs 
fordert B. außer den sonstigen pathologisch-anatomischen Veränderungen auch 
ein erneutes Auftreten von Typhusbazillen im Blnte —, sondern als durch ^ 
Typhusgift oder durch umschrieben lokalisierte Typhnsbaiilienherde beding 
Komplikationen aufzufassen sind, auch wenn sie klinisch unter dem Bilde des 
Rezidivs verlaufen. 

2. Der Typhusbadllns vermag als solcher echte Eiterungen hervorzumfen. 

_ Dr. Lohmer-Cttln. 

Weiteres über das Koffein-AureleheruiigsverflahreB zum Naehwelse 
von Tjphnsbakterlen Im Stuhl und Wasser. Von Dr. C. Lnbenau. Ans 
dem Laboratorium des Sanatoriums Beelitz nnd den hygienischen Instituten 
der Universität Berlin. Hygienische Rundschau; 1907, Nr. 17. 

Die Schwierigkeiten, die dem genannten Verfahren entgegentreten, be¬ 
stehen darin, daß ue Stuhl- und Wasserbakterien durch ihr ttppiges Wachstum, 
ferner durch ihre Stoffwechselprodnkte und durch Veränderung der Zusammen¬ 
setzung nnd Reaktion des Nährbodens den Typhuserreger zu ersticken drohen. 

Durch eine Reihe von Versuchen, die in einer Tabelle znsammengestellt 
sind, wies der Verfasser nach, daß die Sänrebildnng verschiedener diarrhoischer 
Stuhlgänge nnd Abwässersorten in Fickers Bouillon, Urinbonillon nnd Extrakt¬ 
bouillon sehr schwankt. Das wechselnde Verhalten der Bouillon in der Azidität 
bedingt die schwankenden, bald positiven, bald negativen Resultate beim An- 
reicherungsverfahren mit ein nnd demselben Typhussemm. Durch Nentrali- 
siemng der Bouillon mit NormalsodalOsung gelingt es, die Sänrebildnng erheb¬ 
lich herabznsetzen. 

ln weiteren zahlreichen Versuchen, die in den Tabellen 2 bis 7 registriert 
sind, beschäftigte sich der Verfasser i^t der Frage, welchen Einfluß ver- 
sehiMene Säuren, Natronlauge, Natronkarbonat und andere Salze, Koffein bei 
verschiedener Reaktion, Koffein nnd Krystallviolett, die Stoffwechselprodnkte 
von Coli-, Stuhl- and Abwasser bakterien auf Typhus-Stuhl und Abwasser¬ 
bakterien in Bouillon, Fickerbouillon haben. Er stellte dabei fest, daß die mit 
NormalsodalOsung neutralisierte Anreichernngsbouillon, welcher noch 1 **/o Normal- 
sodalOsnng nach dem Sterilisieren zugesetzt war, mit 0,8**/o Koffein- nnd 
0,0007 **/o Kristallviolettznsatz fttr das Wachstum des Typbus sehr geeignet 
war. Die Wasserkeime begannen sich erst nach 40 Stunden in ihr zu vermehren. 

Mit Hilfe dieses Nährbodens konnte der Verfasser bei kttnsüich infiziertem 
Typhuswasser gute Resultate erzielen, während bei der Untersuchung kttnst- 
licher Typbnssttthle der Nachweis häufig mißglttckte. 

Aul Grund seiner Versuche kommt der Verfasser zu dem Schluß, daß 
dieses Verfahren zum Nachwcds von Typhus in keimreichen Wasser die zurzeit 
brauchbarste Methode ist. 

Betreffs der genaueren Ausftthrung der Methode wird auf die Zusammen¬ 
fassung am Schluß der Arbeit verwiesen. Dr. Knrpjuweit-Berlin. 



816 


Kleinere Mitteilungen md Referate ana Zeiteehriflea. 


Ueber Terweadbarkeit ckemlaeh reiner HalaflhltgrBnfriiMrate ala 
Nihrbodeniasati bei der üntersnehnag rea TTphuetlhlea. Von Dr. F. VlaL 

Ans dem hygienieehen lostitnt der ünireraitSt ^lin. Hygienische Bundeehaa; 
1907, Nr. 12. 

Löf 11 er hat zuerst 1903 auf die Verwendbarkeit ron Malachitgrfln* 
n&hrböden zur Typhusdiagnose hingewiesea. Ueber die günstigste Zusammen* 
Setzung eines Malachitgrttnnihrbodens ist aber bisher noch keine Deberdn- 
stimmnng erzielt (s. d. Arbeiten vonLentz und Tietz, Jörns, Elinger, 
Nowacku.a.). Leuchs empfahl den von Löffler angegebenen und mit 
1*4 Dtttrin Tersetzten Agar 1,6—1,8 ccm einer 0,1 proz. MtJachitgrflnlösung 
(die Malachitgrüopräparate mehrerer Fabriken, meist Oxalate hatten sich ihm 
in fast völlig gleicher Konzentration als brauchbar erwiesen) auf 100 ccm hinzu* 
Zulagen. Nowack verwandte ebenfalls einen 1 */, Dextrin enthaltenden Agar 
und „Malachitgrün 120* (über die Einzelheiten s. d. Originalarbeit; Archiv für 
Hygiene; Bd. 54, S. 874). 

Der Verfasser hat die beiden letzterwähnten Agarartos einer Mach* 
prttfung unterzogen und faßt seine Erfahrungen folgendermaßen zusammen: 

1. Als Nährbodenzusatz ist Malachitgrün nur in Form eines chemisch 
reinen Präparats (Oxalat) zu verwenden; zur Abschwächung seiner Wirkung 
auf Typhuskeime ist dem Nährboden 1*/, chemisch reinen Dextrins hinzu* 
Busetzen. 

2. Far Stuhluntersuchungen eignet sich der Löf Her sehe Agar bei einer 
Konzentration von 1:40000 und der Nowacksche bei dner solchen von 
1 : 70000. 

8. Bd dner Aufschwemmung des Stuhls mit der 5—10 fachen Menge 
sterilen Ldtungswasseis empfiehlt es dch, 0,2—0,8 ccm auf eine und 1 Tropfen 
bis 0,1 ccm auf dne andere große Schale mit Malachitgrflni^ar auszustreichen 
und mittels desselben Spatels eine Endo* oder Drigalski-Conradiplatte zu 
beimpfen. 

4. Auf den Malachitgrttnplatten keimen etwa 3Ö*/o der ansgesäten 
Typhusbazillen ans, zdgen gegenüber den Fäceskeimen ein typisches Wachstum 
und bd Anwendung eines wenig verdünnten (1:100), hochwirksamen Typhus* 
immnnsernms keine Verminderung der Agglntinabilität. 

_Dr. Kurpjnweit*Berlia. 

Ueber den Wert der Oallenblatknltur neben der Hmber-Wldalseben 
Reaktion für die Praxis bakterielogischer üntersnehnngsimter« Von 
Dr. V e n e m a. Ana dem hygienischen Institut der Universität Halle. Hygi* 
enisdie Rundschau; 1907, Nr. 23. 

Die von Castellani, ferner die von Schottmflller angegebenen 
Methoden, Krankheitserreger ans dem Blute zu isolieren, haben bd Typhus 
ein glänzendes Resultat geliefert, ln die allgemeine Praxis haben sich diese 
Methoden nicht einbttrgern können, da sie zu kompliziert sind. Gonradi ver^ 
wendete als erster zur Blntzüchtung die RindergsRe. Er fing einen Teil Blut 
in zwei Teilen sterilisierter RbdergaBe auf. Das Gemisch kam etwa 16 Stunden 
in den Brutschrank bd 87 * und wurde dann auf Lakmusmilcbzuckeragar über* 
tragen. C. erzielte in über 50*/o positive Resultate mit diesem Verfahren, 
namentlich in der ersten Krankheitswoche, wo die Serumreaktion noch nidit 
positiv war. Er änderte späterhin noch sein Verfahren, indem er zu der Galle 
10*/o Pepton und 10*/o Glyzerin hinzusetzte. 

Hüller und Gräf versetzten Blut von Typhuskranken mit Blutegd* 
extrakt, um die Gerinnung des Blutes aufzuhalten. Späterhin strichen de mit 

S item Erfolge den Blutkuchen aus den Gruber*Widabchen Proben direkt auf 
e Drigalski* Gonradi Platten ans. Eayser erhielt bei der Gallenzüchtnng 
unter Kranken 62*/, positive Resultate. In der ersten Krankhdtswoche 
waren 96*/, positiv. Bei einer zweiten Untersuchungsreihe erhidt K. ähnliche 
Resultate. Andere Autoren konnten das auch bestätigen. 

Der Verfasser prüfte das Verfahren an 115 Fällen. Das Material war 
in den Galleröhrchen, die teils vom Institut angefertigt, teils von Merck* 
Darmstadt bezogen waren, von Erankenhausärzten und praktischen Aerzten 
eingesandt. 87mal handelte es sich nach dem Ausfall der Widalschen 
Reaktion etc. um Typhus. Das Erankenhausmaterial ergab bessere Resultate 



Kleinere Mitteilnngen und Refemte ans Zeiteehrlften. 


817 


tri den Blntettehtangen, als das von den praktiaohen Aerzten etammeade 
MateziaL Dort gelaag die Zttehtong bei pMtiTem Widal in 82^%, bei 
zweifelhaftem Widal in 28**/,; hier bei positivem Widal ln 9**/,, in den 
übrigen F&ilen kein einziges MaL Insgesamt betragen die Besnltate mit ^si* 
•tiver Züchtung noch nicht die H&ifte von den idt der Wi da lachen nobe 
erhaltenen Besaiteten. 

Becht hinflg fand der Verfasser in der BlatgaUenknltnr verunreinigende 
Seime, diese hatten anscheinend auch die Typhös* resp. Paratyphnskeime über- 
wadiert Das konnte einmal die ürsache der relativ schlechten Besnltate 
sein. In einigen F&Uen spielte auch die zn geringe Blatmenge hierbei eine 
Bolle. Eine zu späte Blatentnahme konnte keinen Einflaß darauf haben. In 
der ersten Erankheitswoche erhielt der Verfasser in 50*/, der Fälle ein poai* 
tivea Besnltat, während die Widalsche Beaktion bä 58,8**/, der Fälle 
podtiv ansfieL 

Becht hänflg wurde von den Aerzten das erbetene Material nicht ge- 
> liefert. Der Verfasser glaubt, dafi im allgemeinen die Entnahme einer zur 
Blutkultur erforderlichen Blatmenge in der ärztlichen Praxis auf ziemlich 
erhebliche Schwierigkeiten stößt. 

Für die üntersuchungsämter ist nach Ansicht des Veifassers die Gruber- 
Widalsche Probe von bedeutend größerem Wert als die Gallenblutkultur. 
Jedoch gelingt es durch diese die Besaitete noch zu verbessern, so daß, 
wo Zeit und andere Verhältnisse es erlauben, die Gallenblatkaltur zur Dia* 
gnose mit empfohlen werden kann. Es muß aber eine gehörige Blutmenge 
unter anti* und aseptischen Kautelen entnommen werden. 

Die von Fornet angegebene Methode, Blutkuchen ans den Widal* 
sehen Proben ia Galle anzureichem, mit der dieser 75**/,, Conradi 50*/,, 
v.L^hem 60*/, und Stühlern 75*/a positive Besnltate eizidte, lieferten 
•dem T^rfasser bä der Nachprüfung keine guten Erfolge. 

Dr. Knrpjuweit'Berlin. 


Ueber den Nachweis der TyphusbaiUlen im Blute ndttels der Gallen« 
4 Uireleherang. Von Dr. B. Gildemeister, Oberarzt aus dem hygienischen 
Institut in Posen. Hygienische Bandschau; 1907, Nr. 7. 

Die Aussicht, l^phasbaiUlen im Stuhl und Urin im Beginn der Er* 
kranknng zu finden, ist sehr gering. Die Grub er* Widalsche Beaktion 
versagt In der ersten Erankheitswoche auch meist. In manchen Fällen bilden 
aidi die Agglutinine erst in sehr spätem Erankheitsstadium, mitunter aber 
auch überhaupt nicht Lediglich der positive Widal ist bei genügender Be* 
rüdmichtignng der Erankenvorgeschichte und des Erankheitsvermufs im Beglun 
der Erkrankung zu verwerten. Die Milzpunktien ist zu gefährlich und die 
Untersuchung der Boseoien zu umständlich; letzteres gilt auch für das Ver¬ 
fahren von Castellani und Schottmüller, welche mit großem Erfolge 
Typhusbazillen aus dem zirkulierenden Blute züchten. Conradi verwandte 
zur Züchtung Galleröhrchen, die nach den Untersuchungen von Eayser ein 
glänzendes Besnltat lieferten; in 100*/, der Fälle fiel die Untersuchung in der 
ersten Woche positiv aus. Der Verfasser prüfte das Verfahren gelegentlich 
einer Typhusendemie in einer Irrenanstalt nach und kam ebenfalls zu einem 
sehr günstigen Besnltat. 8—5 ccm Blut wurdep mit Hülfe einer klebten 
Punktions* Kanüle aus der V. mediana direkt in ein 10 ccm sterile Bindergalle 
eathalteades Böhrchen getan. Die Böhrchen blieben 24 resp. 48 Stunden im 
Brutschrank bei 87 <>. Von der angereicherten Flüssigkeit wurde dann */t ccm 
auf Drigalski-Platten ausgestrichen. Bei 27 Eranken ließen sich ia 15 
Fällen Typhusbazillen im Blut nachweisen. Namentlich in den ersten Erank* 
heitstagen, wo die Widalsche Beaktion negativ ausfiel, hatten die Blut* 
uatersuchungen einen guten Erfolg. Nur eiunal konnten bei einem bereits 
entfeberten Kranken ^phusbasillen im Blut nachgewiesen werden, im allge¬ 
meinen versagt das Verfahren nach der Entfieberung. 

Zum Schluß erwähnt der Verfhsser die von Müller und Gräf an¬ 
gegebene Methode, weiche die Blutkuchen aus den Widalproben auf Milch* 
. zuekeragarplattea verrieben und damit mehrfach positive Besnltate erhielten. 



818 


Kleinere Hitteilongen und Referate ans Zieiteohriflen. 


Fornet hat das Verfahren TerbeBeert, indem er die Blntknehea in Galleröhr» 
eben mit gntem Erfolg anreicberte nnd dann weiter nntemdite. 

_Dr. Knrpjnweit'Berlin. 

Ueber einen Fall Ton Chole cjstitls paratyphesn. Von Dr. Lorey, 
Assistenzarzt im allgem. Krankenbans Hambnrg>£ppendort Hlinchener med.^ 
Wodienschrilt; 1908, Nr. 1. 

Verfasser berichtet über einen Fall von Paratyphos, durch denen 
Beobachtang mit Sicherheit der Beweis erbracht wurde, daß Bac. parat^^hosun 
alnlilaciens (Paratyphus B) nach Ablauf eines Paratyphos gelegentlich ein 
mal in der Gallenblase weiterwuchern und dadurch das betr. Individom zu 
einem chronischen Bazillentrftger machen kann, so daß es ebenso wie nach 
Typhus und Paratyphos A, auch nach Paratyphos B chronische Bazillen- 
trfiger gibt. 

Für die sanitätspolizeiliche Behandlung der Infektion mit Paratyphos- 
bazillen ergibt sich daraus, daß sie sich in nichts von der bei T^hos flbüchen 
zu unterscheiden hat und daß man bei ätiologisch unklaren Fällen auch dieser 
Art sein Augenmerk auf etwaige Bazillenträger zu richten hat. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


BazUlentrlger bei Typhus. Klinischer Vortrag für Aerzte, gehalten 
am 4. Februar 1908 von Prof. Dr. Forster-Straßburg. 

Die frühere Annahme, daß bei den Typhusbazillenträgem die Bazillen 
sich dadurch im KOrper erhielten, daß sie im Darme fortwucbem, ist nach dem 
neueren Forschungen nicht mehr aufrecht zuerhalten. Während die Isolierung 
des Bacillus aus dem Faeces meist erst in der zweiten Woche gelingt, kann 
man nach der Methode von Conradi und Kayser denselben schon in der ersten 
Woche aus dem Blute züchten. Nach dem Fornetschen Verfahren kann 
man die Stoffwechselprodukte der Badllus sogar noch vor deren üebergange 
in den Kreislauf nachweisen. Wir müssen also den Infektionsmodus uns 
so Torstellen, daß die Bazillen zunächst mit der Nahrung durch den Hund in 
den Darm gelangen. Manche Erscheinungen sprechen dafür, daß sie aus denz 
Darme zunächst in die Mesenterial-Drflsen wandern, und von hier aus bereits 
ihre Stoffwechselprodukte in die Blutbahn senden, um dann bald darauf selbst 
in den Kreislauf überzugehen. Durch die Leber gelangen sie in die Gallen¬ 
blase, in welcher sie entzündliche Veränderungen herrormfen. VermSge der 
hierdurch bedingten Zufuhr yon Bluteiweis sind sie imstande, der bakteriziden 
Wirkung der Galle zu widerstehen, und sich sogar zu yermehren. Aus der 
GsBenbmse treten die TyphnsbazUlen in den Darm über, und werden 
mit den Faeces zusammen ansgescbieden, soweit sie nicht etwa yorher zu¬ 
grunde gegangen sind. Da demnach die Ausscheidung der Bazillen yon der 
Entlehrung der Gallenblase abhängig ist, erfolgt sie schubweise. Die Bazillen 
seltet sind dabei um so sicherer nadizuweisen, je reichlicher die in den Darm 
ttbergetretene Gsllenmenge war, nnd je schneller die Passage durch den Darm 
erfolgte. 

Als zweite, aber weniger wichtige Vegetationsstätte sind die offene» 
Darmgeschwüre anzusehen, aus denen sogar noch in der Genesung Bazillen 
aosgeschieden werden können. 

Die Absonderung der TyphnsbazUlen nach Ablauf des Typhus, kann 
kürzere oder längere Zeit andauem, bis zu yielen Jahren. Demgemäß müssen 
wir 2 Gruppen yon BazUlenträgem unterscheiden. 

1. yorübergehende, bei denen die Ausscheidung der BazOlen teils ans der 
Gallenblase, teils ans den Darmgeschwüren erfolgt; 

2. chronische, bei denen es sich ledigUch um ein Fortwnchem der Ba¬ 
zillen in der Gallenblase handelt. 

Gelegentlich können bei einzelnen Typhuskranken Bazillen auch in 
Periostitiden, Abszessen n. a. yorkommen. Solche BazUlenträger sind aber 
weniger gefUirlich, weU sie als Kranke behandelt werden, ^hte BudUen- 
träger sind demgegenüber ganz gesund und bUden gerade deshalb eine so 
große Ansteckungsgefahr für ihre Umgebung. 

Bemerkenswert ist, daß unter sämtUchen Rekonyaleszenten nur 60o/o~ 
Frauen und 40 "/o Männer (darunter 86 V« Kinder) yorttbergehend TTphos- 



Xleinere MitteiloDgen nnd Referate aiu Zeiteohriften. 319 

VaiilleB aoBSoheiden, während unter den chronisohen Baiillenträgem der 
Prosentsats der Frauen (80°/«) wesentlich hoher ist als der der Männer (80°/e). 
Als Grund hierfür ist ylelleicht die unzweckmäßige Franenkleidung anzusehen^ 
welche leicht zu Stauungserscheinungen in dem Unterleibe Veranlassung geben 
kann. Gesttttzt wird diese Vermutung dadurch, daß wir bei den an Gallen¬ 
stein Leidenden dieselben Verhältnisztüilen finden, indem hier auf einen ifaiiw 
3—4 Frauen gerechnet werden. 

Da nun 10°/o der chronischen Bazillenträger offenkundig gallenstein¬ 
leidend sind, und ebenso nur 10°/o aller Gallensteinleidenden klinische Krank- 
heitssym^tome auf weisen, erscheint es logisch, das Vorhandensehi der Typhus- 
bazillen in der Gallenblase mit dem Auftreten der Gallensteine, welche im 
Anschluß an Typhus beobachtet werden, in ursächlichen Zusammenhang zu 
bringen. 

Die große Bedeutung der Bazillenträger in hygienischer Hinsicht ergibt 
sich ans der Tatsache, daß im Durchschnitt etwa W°/o sämtlicher Typhus- 
Erkrankungen auf sie zurttckzuftthren sind. Sie sind die Veranlassung fttr das 
Auftreten •sporadischer* Typnserkrankungen, sowie ffir das Bestdien sogen. 
•Typhus - Häuser*. 

Die Erhaltung der Typhusbazillen in der Gallenblase der chronischen 
Bazillenträger bildet demnach ehies der grOßesten Hhidemisse in dem 
Bestreben, den Typhus ausznrotten. ün diesen Schädlichkeiten zu begegnen, 
ist Tom hygienischen Standpunkte ans in erster Linie erforderlich, sämUidie 
Bazillenträger aufzuspttren, was durch das Wi dal sehe Phänomen wesenUich 
erleichtert wird. Das Augenmerk ist dabei besonders lauf Galleasteinleidende 
zu richten. Zur Durchftlikrung der gesetzlichen Maßnahmen ist dabei eine 
etwaige Entschädigung der gesunden Dauerträger nicht zu nngehen. 

Demgegenttber ist die Aufgabe, die Ausscheidung der ^anlüieitskeime 
zu unterdrfickea, wesentlich medizinischer Art. Bei allen Gallenleiden, welche 
ohnehin etwa einen chirurgischen Eingj^ erfordern, kommt die Cholezystotomie 
mit Durchspfilung, oder auch die ^tfemung der Gallenblase in Betracht. 
Die Erfahrungen von Dehler u. a. sprechen durchaus zugunsten eines solchen 
Vorgehens. 

Bei der großen Zahl von Bazillenträgern, die keine, oder nur geringe 
Symptome eines Gallenleidens aufweisen, dürfte sich demgegenttber ein opera- 
tirer Eingriff auf nur seltene Fälle beschränken. Hier liegt eine wichtige 
Aufgabe nlr die klinische Medizin yor. Zunächst müssen die Ursachen nadi 
MOf^ohkeit erforscht werden, weshalb bei einzelnen Personen nach ttber- 
standenem Typhus die Typhusbazillen in der Gallenblase fortwuchem. Dann 
muß durch die Behandlung danach gestrebt werden, daß keine bleibenden 
Gallenblasen-Erkraaknngen zu stände kommen. Hierbei dürfte etwa die Dar- 
reichnng der Chlolaloga zu yersuchen sein. 

Zur Heilung der Dauerträger wäre es yielleicht angezeigt, den Versuch 
zu machen, durch yermehrte Uallensekretion die Keime allmählich aus der 
Gallenblase auszunttlen, und durch die gleichzeitige Einführung yon Des- 
inflzientien sie in ihrer Entwickdung zu hemmen oder abzutOten. 

_ Hecker-Straßburg LBls. 

üeber TyphusbaiUleuteiger iu den Inreaanstalteu. Von Dr. Grimme, 
Abteilnngsarzt an der Proyinzial Heil- u. Pflegeanstalt in Güttingen. Münchener 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 1. 

Wenn bisher in den Irrenanstalten besonders häufig Typhusbazillen- 
träger gefunden waren, so beruht dies weniger auf einer Prädisposition der 
Gtebtesnranken zum Zurückhalten der Typhusbazillen als darin, daß bisher 
systematische Untersuchungen überhaupt nur in Drenanstalten mOglich 
waren, welche meistens ein bakteriologis^es Untersuchnngsamt in leicht er¬ 
reichbarer Nähe haben oder selbst ein solches besitzen. 

Durch die Entdeckung der Bazillenträger sind die Irrenanstalten yor ganz 
neue Behandlungsaufgaben gestellt. Die dadurch gebotene Isolierung der 
«hronischen und akuten Geisteskranken hat unter Umständen yiele Nwmteile 
für den ganzen früher erreichten BehandlungserfoJ^. 

Ferner kann auch die Entlassung der Bazillenträger gelegentlich 
SchwierigkMten machen, wenn die zustänmgen Behürden yon dem Ausi^eiden 


820 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitsehriften. 


der BaaUlea Kenntnis erhalten. Heber die Entlassung eines Bazillentrigers muß 
jedesmal ganz individaell entschieden werden unter hauptsächlicher Berück* 
sichtignng der Art und des Grades der Erkrankung sowie der sozialen Ver¬ 
hältnisse. E!s ist selbstyerständlich, daß man bei ehiem Patienten, der in ärm¬ 
lichen Verhältnissen lebt, nur eine enge Wohnung in einem grOMren Hiets- 
hause bewohnt und i'ezwungen ist, durch Arbeit außerhalb des Hauses zum 
Unterhalt der Familm beizutragen, sehr yiel vorsichtiger mit der Elntlassung 
sein muß, als bei einem wohlhabenden und gebildeten Patienten, die in den 
günstigen hygienischen Verhältnissen außerhalb der Anstalt leben und die 
Forderungen der Beinlichkeit erfüllen können, die man an ihn 
als Bazillenträger stellen muß. 

Die Frage, wie den Bazillenträgern in der Anstalt geholfen werden 
kann, wird dahin beantwortet werden müssen, daß alles geschehen muß, um 
sie von ihren Bazillen zu befreien. Dabei muß vor allem nach einem bestehen¬ 
den oder früheren Gallensteinleiden geforscht werden, weiches eventuell durch 
die zur Zeit noch etwas unsichere medikamentöse Therapie oder durch die 
aussichtsvollere chirurgische Behandlung zu beseitigen wäre. Die Frage 
nach der Zeit der Operation wird für die Irrenanstalten von dem Ein¬ 
flüsse entschieden werden müssen, den die Isolierung der Kranken 
auf das psychische Befinden ausübt, vorausgesetzt, daß die Art 
der Erkrankung eine Operation überhaupt gestattet. Bei verblödeten ELranken 
wird man sie vielleicht nur in Rücksicht auf die allgemeinen hygienischen 
Verhältniue der Anstalt vornehmen. Bei allen akuten Kranken aber, bei 
denen eine Isolierung die Behandlung ganz illusorisch zu machen droht und 
bei den chronischen Geisteskranken, die entweder die Isolierung als eia 
bitteres Unrecht empfinden oder gleichfalls in ihrem Befinden durch sie beein¬ 
flußt werden, wird man sich leichter dazu entschließen. 

Dr. Waibel-Kempten. 


Zur Typhnsfrage ln Mfinchen« Von H. Mandelbaum-Münohen. 
Münchner med. Wochenschrift; 1908, Nr. 1. 

Obwohl statistisch nachgewiesen ist, daß die Typhnsgefährlichkeit in 
München seit 1871 sich um das Siebenzigfache vermindert hat, kann München 
noch nicht ab typhoslreie Stadt bezeichnet werden. 

So tritt seit mindestens 7 Jahren der Typhus in dem Stadtbezirke, 
dessen Grenzen ungefähr im Norden von der Bayerstraße, Im Osten durch die 
Sonnenstraße bezw. Karbpbtz, im Süden durch die Pettenkoferstraße und im 
Westen durch die Göthestraße gebildet werden, endembch auf; daß die Endemie 
auf diesen verhältnumäßig kleinen Raum beschränkt, daß die übrige Stadt bei¬ 
nahe ganz verschont bleibt, verdankt München vor allem seber vorzüglichen 
Kanalisation und Wasserleitung. 

Die Untersuchung aoi den Krankheitserreger ließ in der überwiegenden 
Mehrzahl der Fälle einen Bacillus bolleren, der sich vom Eberth-Gaffky« 
sehen Typhusbacillus durch charakterbtbche Merkmale trennen läßt und vom 
Verfasser ab Metatyphusbacillns bezeichnet wurde. Eb solch gehäuftes Vor- 
kommed eber Erkrankung b demselben Bezbk, verursacht durdi den gleichen 
Mikroorganismus, mußte wohl auf ebe gemebsame Ursache, auf dieselbe Infek- 
tionsqueUe zurückzuführmi seb; diese Quelle wurde b infizierter MUch ge¬ 
funden, welche aus Frebisg b ^e größere Molkerei nach München geliefert, 
von dieser an Zwbchenhändler weitsrgweben, die ihrerseite ihre Privat¬ 
kundschaft damit versorgten. Auf wel<be Weise die Milch b Freisbg bfizleit 
war, ob durch „Wässerei“ mit typhusverseuchtem Wasser, ob durch rersonen, 
die mit der Gbwinnung und mit dem Versand der MUch beschäftigt und di« 
vielleicht Bazillenträger sbd, konnte nicht festgestellt werden. 

So viel stand aber fest, daß mit der Sperrung der MilchUefemng ans 
Freisbg der Typhus b dem Münchener „Typhusviertel“ verschwand. 

wwöhnlich erfolgt das Verbot der MilchUefemng aus ebem solchen 
Gehöft erst dann, wenn durch die betr. Milch bereits ebe große Anzahl von 
Infektionen erfolgt bt. Für die Allgemeinheit wäre es von Nutzen, wenn 
die maßgebenden Behörden sofort naä Kenntnbnahme ebes Typhu sf all e s in 
ebem Anwesen, das MUch an weitere Konsumenten verabrebht, ue Lieferung 
im rohen Zustande auf die Dauer von mindestens einem Jahre 



KleiBere Mitteilnngen und Beferate ans Zcitsehriften. 


821 


utanagte, ud aaeh Ablauf dioser Frist nor dann die Abgabe dereelben er* 
lanbea wlMe, wenn in der Zwlscbenadt kein neuer Typhuinall in diesem An¬ 
wesen mehr zur Anzeige kam. 

Zum Schlüsse resümiert Yerlasser nochmals die Terschiedenen Beweise, 
welche im vorliegenden Fall den ursächlichen Zusammenhang zwischen Typhus 
und Oenufi von roher (infizierter) Milch in unzweifelhafter Weise dartnn. 

_ Dr. Waibei-Kempten. 


IMe Stellung des Paratyphus in der Typhusgruppe. Von Privatdozent 
Or. Jftrgens. Berliner Klin. Wochenschrift; 1907, Nr. 87. 

Trotz einheitlicher bakterieller Orsache sind die Paratyphusbazillen- 
Infektionen klinisch-pathologisch nicht einheitlich anfzufassen. Manchmal macht 
der Paratyphus einen typhösen Krankheitsprozefi, manchmal eine lokal ver¬ 
laufende Storung. Die Stellung des Paratyphus zum Abdominaltyphus mu8 
daher verschieden beurteilt werden. Manche Erkrankungen gehören zum Typhus, 
andere fallen ganz aufierhalb des Typhusbegrilfes (Fleischvergiftungen). 

Dr. B & ub e r -EOslin. 


Paratyphus und Nahrungsmlttellnfektlonen. Praktische Ergebnisse 
aiu dem Gebiete der Bakteriologie. Von Stabsarzt Dr. Kutscher, komman¬ 
diert zum KOnigl. Institut ffir luektionskrankheiten zu Berlin. Beruner Klin. 
Wochenschrift; 1907, Nr. 40. 

Man kann drei Gruppen der bakteriellen Nahmngsmittelinfektionen 
unterscheiden: 

1. Botulismus, Intoxikation durch die vom BacUlus botulinus (van 
Ermen gern) erzen^elBakterientoxine (Lähmungen der Schlund- und Angen- 
mnsknlatur). Das Wachstum des Bac. bot. kommt nur unter strengstem Luft- 
absehlnfi (im Innern von Wttrsten, Schinken, Konserven) zustande. Das Gift 
wird durch Erhitzung der Nahrungsmittel auf 70** C. zerstOrt. 

2. Durch Entwicklung von Fäulnisbakterien (Protensarten) in urrorfing- 
lieh nicht gesundheitsschädlichen Nahrungsmitteln entsteht die zweite (irrape 
T<» Nahrungsmittelvergiftungen unter dem Bilde schwerer Magen-Darm-Affek- 
tienen mit nervOsen Symptomen, wie Benommenheit und Krämpfen. 

8. Durch eine Klasse von Bakterien, welche in die sogenannte Typhus- 
Coligmppe |;ehOrt, wird die dritte Gruppe von Nahrungsmittelvergiftungen 
(gastrointestinale Form) hervorgernfen. Stttnnischer Beginn, meist hohes Fieber 
Scbflttelfrost, heftiges, zuweilen unstillbares Erbrewen, heftiger Durchfall, 
Wadenkrämpfe, starker Verfall der Kräfte. In selteneren Fällen ist der Ver- 
Inuf ein milderer typhusähnlicher. 

Nach Bollinger (1876) werden *lt aller Fleischvergiftungen durch den 
Genuß von Fleisch septisch - pyämisch erkrankter, notgescUachteter Tiere her- 
vorgemfen. ln Deutschland finden etwa 160 (XX) Notsohlachtungen (17o ßcs 
gesamten Viehstandes) statt (Lydtin, Ostertag). Bei fast allen Not- 
Schlachtungen handelt es sich um schwer erkrankte Tiere, deren Fleisch wegen 
der Art der Erkrankung (meist septisch pyämische Formen) vom menschliciien 
Genuß ausgeschlossen werden muß. Als Erreger dieser gastrointestinalen Form 
der Fleischvergiftung wurde der Bacillus enteritis Gärtner angesehen, die 
Gruppe des sogen. Gärtner-Bacillus ist aber keine einheitliche, vielmehr sind 
zwei Untergruppen zu unterscheiden: a) Bakterien vom Typhus des eigentlichen 
Gärtner-Bacillus; dieser ist nicht zu unterscheiden von einigen ftlr Batten 
pathogenen Bakterien, dem sogen. Bac. Danysz und Bac. Issatschenko. 
(Infektion des Scblaontviehs durch Batten?); b) Paratyphusbadllns Typ. B. 
Dieser wurde bei zahlreichen Fleischvergiftnngsepidemien nachgewiesen, ferner 
in der Milch zweier an Gastroenteritis erkrankter Kttbe, deren Genuß schwere 
Vergiftungserscheinungen hervorgernfen hatte, bei Vergiftung durch eine Gries- 
speise (mit infizierter Ifilch zubereitet ?), bei Vergiftung durch Bohnengemttse, 
Im Vergiftung durch infiziertes Fischfieisch. (Die Bakterien sind von den 
Fischen vielldcht mit vemnreioigtem Wasser aufgenommen, ähnlich wie es 
s. B. bei den mit Typhnsbaziilen hifizierten Austern nacbgewiesen ist. 

Bei der meist dureh den Genuß von Fleisch notgeschlachteter Tiere 
kervorgemfenen Nahrungsmittelvergiftnngen handelt es sich nicht allein um 
efae Vergiftung durch den Paratyphnsbacillns, sondern auch um eine Ver- 



822 


Kleinere Mitteilungen und Befemte us ZeitselulfteB. 


giftnng mit den Giftstoffen dieser Bakterien, welche, in dem Fleisch der er¬ 
krankten Tiere aufgespeichert sbd and der Siedetemperatur lingere Zeit wider¬ 
stehen können. Daher geht sie mit stürmischen Symptomen einher: Fieber, Frost, 
Benommenheit, Kr&nmfen, schnellem Verfall der Kräfte und akuter Gastro- 
miteritis (unter dem Bilde der Cholera nostras). Nur wenn in dem frisch ge¬ 
nossenen Fleisch nur wenige ParatyphusbazUlen vorhanden sind, fehlt die 
massenhafte Bildung der Giftstoffe, und es kommt lediglich zu einer In¬ 
fektion mit Paiatyphusbazillen. Der Verlauf ist weniger stürmisdb, aber auch 
hier wie bei dem auf anderem Wege erworbenen Paratyphus findet man häufig 
Herpes labialis et nasaUs und oft großfle<^ige Boseola. Im Gegensatz zum 
Abdominaltyphus werden die lymphatischen Memento des Darmtraktus nicht 
verändert gefunden; die selten vorkommenden Geschwüre sitzen meist im Dick¬ 
darm (nicht an dem Pey er sehen Plaques); es handelt sich um eine aus- 
gesprowene oft hämorrhagische Enteritis. Die Bezeichnung „Paratyphus“ ist 
unglücklich gewählt. Paratyphus-Nahrungsmittelvergiftung und gewöhnlicher 
Paratvphus gehören zusammen. Man muß fordern, daß das Fleisch not¬ 
geschlachteter, überhaupt krankheitsverdächtiger Tiere vor der Freigabe einer 
bakteriologischen Untersuchung unterworfen wird. Auf Abszesse m Fieiseh 
ist besonders zu achten. Empfehlenswert ist es auch, bei jedem Tier vor der 
Schlachtung die Körperwärme festzustellen. Vor dem Genuß rohen Hack¬ 
fleisches ist zu warnen. Schwierig ist die Verhütung der Paratyphus-Fieiseb- 
verj^tung durch Wurstwaren usw. Hier muß man sich auf die Gewissen¬ 
haftigkeit des betreffenden Fleischers verlassen. Dr. Bäuber-Köslin. 


Der Begrlir.Ktadbettflebei^ und Aber die damit zasammenhlngünde 
Anzeigepflloht. Von Otto von Herfi Münchener medizin. Wochenschrift; 
1907, Nr. 49. 

Bekanntlich sprach Poten den Satz ans: „Unter Kindbettfieber im 
Sinne des preußischen Landesseuchengesetzes vom 28. August 1905 sind ent¬ 
sprechend den medizinischen Traditionen und dem herrschenden Sprachgebrauch 
nur die schweren Erkrankungsformen bei Wöchnerinnen zu verstehen.“ 

Gbgen diese Auffassung des Begriffes „Kindbettfieber* wendet sich nun 
Verfasser und hebt hervor, daß das Kindbett fieber, wenn man will, eine Wund- 
entzündung, eine Wundvergiftnng ist, die örtlich begrenzt sein kann, die aber 
auch durch Uebertritt der Spaltpilze und deren Gifte in die Lymph- oder Blut- 
bahnen zu schweren und schwersten AUgemeinerkrankungen führt, d. h. zur 
Blutentzündnng = Bakteriämie, oder zur Blutvergiftung = Toxikämie. An 
diese können sich wiederum sehr mannigfache Gewebs- und Organentzündungmi 
nschließen. So gelangt Verfasser zur Begriffsbestimmung Kind bettfieber 
werden die Keimerkrankungen aller jener Wunden, die unter 
den Ge burts Vorgängen vomDammbis in die Gebär mntterhOhle 
hinein entstanden sind, genannt. 

Diese wissenschaftliche Erklärung umgrenzt alle möglich vorkommenden 
Fälle, die leichtesten wie die schwersten Erkrankungen; sie deckt sich 
allerdings nicht mit den Bedürfnissen der staatlichen Gesundheitsfürsorge, 
sie ist für diese zu weit. Die Wirkung des Eingreifens der Gesundheits- 
behörde ist verhältnismäßig selten eine direkt vorbeugende, ids weit 
mehr im Grunde genommen eine belehrende und erzieherische — und das 
ist vollkommen hinreichend. Hierzu genügt es, das Auftreten und die Zahl 
der schweren Kindbettfieberfälle rechtzeitig und rasch kennen zu lernen. Der 
Staat muß aber unbedingt angeben, was er unter schweren Fällen verstanden 
wissen wül, um Klarheit in die AnzeigepÜcht zu bringen. Verfasser wandte 
sich deshalb an die Sanitätsbehörde in Basel und erbat sich nähere Erläute¬ 
rung, was als Kindbettfleber zu meldoa sei. Die Antwort lautete, daß nur 
die schweren Fälle anzuzeigen seien, vor allem die Bakteriämien und Toxikämiea 
aller Art, schwerere örtliue Erkrmikangen mit Allgemeinerscheinungen, wie 
Pelveocellulitis, Pelveoperitonitis, Peritonitis. Es entfällt daher die Anzeige 
aller Wnndfleber (Besorptionsfieber), Wochenbettgeschwüre, örtlichen Entzün¬ 
dungen ohne AUgemeinerscheinnngen, z. B. leichtere Endometiiden, Thrombo¬ 
phlebitiden pp. Warum soll es anderswo nicht möglich sein, die gleiche oder eine 
ähnlicheBichtschnur den Aerzten zu geben? Verfasser betont dies besondem 
den Aerzten gegenüber; diese allein tragen die volle Verantwortlichkeit für dea 



Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zeiteehriften. 323 

tetreffenden Fall, de allein yerlfigen über die dazu nötigen Kenntnisse. Heb* 
ammen sind dazu nicht im geringsten beffihigt und auch nicht dazu aasgebildet. 
Han kann ihnen nur die I^cht Oberbttrden, bei jeder Fiebersteigeruug unbe* 
dingt auf die Zuziehung eines Arztes zu dringen, gleichzeitig aber auch der 
OemindheitsbehOrde eine Anzeige darüber zu erstatten. Hält das Fieber an, 
so müßte die Hebamme dies in einer zweiten Anzeige melden, sofern ein Arzt 
nicht zugezogen worden ist. Aul diese Weise ist der BehOrde die Möglichkeit 
gegeben, den Fall im Auge zu behalten, gegebenenfalls bei dem zugezogenen 
Aiit nähere Erkundigungen einzuziehen und das Notige zu yeranlassen. 

Verfasser yerbreitet sich dann noch weiter über die Lasten, welche der 
BehOrde durch eine solche Anzeigeverpflichtung erwachsen werden, und wie 
man sich die Geschäfte yereinfacht; ferner betont er zum Schlosse noch, daß 
er ein Gegner der längeren Schutzfrist bei Hebammen ist. Hag eine solche 
noch so lange dauern, sie wird nicht im stände sein, die Zahl der Kindbett* 
fieberfälle wesentlich einzuschränken und wird nur solange zu fordern sein, 
bis der Amtsarzt die Quelle der Infektion gefunden und gegebenenfalls diese 
unschädlich gemacht hat, was in der Regel in einem oder in zwei Tagen 
dnxehführbar sein dürfte. _ Dr. Waibel*Eempten. 


Angtna und septtsche Infektion. Von Prot Dr. R. Kretz*Wien. 
Zeitsehr. 1 Heflkunde; 1907, H. 10. 

Die anginOsen pyogenen Infektionen yerdanken manche charakteristische 
Züge, die sie yon der &ekten Wundinfektion und.dem Puerperalprozesse 
unterscheiden, den Veränderungen die die pathogenen Erreger |;leicher Art 
durch ihre Passage des lymphatischen Gewebes bedingen. Die eindämmende 
Rolle, die die Passage der Halalympfdrüsen unzweifelhaft hat, setzt sich aus 
zwei Komponenten zusammen: 

1. Abfangen und Zerstörung eines großen Ttiles der infektiösen Kokken 
in den Filtern des Lymphsystems. 

2. Die Zerstörung der Kokken in den Drüsen wird direkt oder indirekt 
zur Quelle einer Immunität, die sich gerade gegen die hauptsächlichen Eiter* 
erreger richtet. 

Um die schweren Folgen einer Angina zu yerhüten, dürfte sich eine 
körperliche Schonung und Ruhe empfehlen. Eine andere Möglichkeit liegt in 
der yorsichtigen Anwendung einer aktiyen Immunisierung (Wright). 

_ Dr. Wolf*Harburg. 


Beltrl^re zur Kenntnis der Diphtherie als Volkssenehe. Von 
Dr. Ed. Büsing. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 67, 
Seite 248. 

In der Arbeit, die aus der Praxis heryorgegangen ist, kommen die Er* 
&hmngea und Anschauungen des Bremer bygienisäen Instituts zum Ausdruck. 
Der virulente DiphtheriebacUlus ist nicht ubiquitär. Ayirulente Bazillen, 
d. h. entweder solche echte Diphtheriebazillen, die ihre Virulenz yerloren 
haben, oder sog. Pseudodiphtheriebasillen, kommen für die Verbreitung der 
Diphtherie nicht in Betracht. Die durchgängige sichere Unterscheidung dieser 
beiden Arten ayimlenter DiphtheriebazUlen ist zurzeit unmöglich. Die sichere 
Diphtheriediagnose ist häufig erst durch die bakteriologische Untersuchung 
mOglieh; jedow schließt ein einmaliges negatiyes Ergebnis die Diagnose nicht 
mit Kcherheit aus. _ Dr.Hirschbruch*Hetz. 

DiphtherlebaziUen auf flüssigem Lakmn8-Nntrose*Ntlirboden. Bin 
Beitrag zur Diphtheriediagnose yon Stabsarzt Dr. ThieL Aus dem hygien. 
Institut der Uniyersität Berlin. Hjgienische Rundschau; 1907, Nr. 21. 

Der Verfasser benutzte zur Diphtheriediagnose den Barsiekowschen 
Nährboden, der bisher nur zur Typhusdiagnose angewandt wurde. Der Nähr¬ 
boden enthält eine Zuckerart, die yon gewissen Bakterienarten unter Säure* 
bfldung zerlegt wird, ferner Nutrose, ein Kaseinpräparatj welches durch Säue* 
mng zur Koagulation gebnuAt wird, sowie als Säureindikator Lakmustinktur. 

Diphtheriebazillen bilden in ^uillon ohne Zuckerznsatz langsam und 
we^, in Traubenzuckerbonillon dagegen nach 24 Stunden kräftig Säure. 
Andere Zuekerarten ergeben weniger SäurebUdung, Milchzucker keine. Diph* 



824 


Kleinere Mitteilnngen nnd Befernte au Zeitsehrifteni 


therie&hnliolie BasUlea xerlegen weder Trauben- und MUchaiieker, noch Maanit 
nnd Mainacker. 

Der Verfauer modlilxierte den Bar ei eko wachen NShrbode^ Indem er 
etwu mehr Pepton hiuuetzte and ihn atftrker alkaliaierte. Dareh Diphtherie- 
baiillen wurde in diesem N&hrboden binnen 24 Standen eine starke Bötang 
and Trübung hervorgerofen. Diphtherieähnliehe Basillen ließen den Nährboden 
nnyerändert. 

Versuche, die von anderer Seite ontemommen waren, ersahen du glmche 
Beanltat Als Indikator wurde mit gutem Erfolg auch Ausarin verwandt, 
welcher in alkaliseher Lteong rot, in suwach saarer gelb aassieht. 

Dr. Eurpjaweit-Berlin. 


Der Etgelbnihrboden als Ersats du Serams rar Knltnr Ton Diph¬ 
therie* und Tnberkelbaiillen. Von Dr. 0. Laben au. Au dem Laborato¬ 
rium du Sanatoriums Beelits und au den hysienischu Instituten der Uni¬ 
versität Berlin. Hygien. Bundschau; 1907, Nr. 24. 

Du Hühnerei ist schon in mannigfa^er Weise su kulturellen Zwecken, 
teils in rohem, teils in gekochtem Zutand,' teils nur du Eigelb, teils nur du 
Eiweiß verwandt worden. 

Nastinkoff benutste ein Eigelbkoagalum nnd einen Bigelbagar an- 
stelie von Hämoglobinagar zur Kultur von Influeuabazilien. Ferner empfahl 
Nastinkoff Fieischpeptonagar, gemischt mit einer 10 prozentigen EiselblOsung 
als Nährboden für Influeua, (lonokokken, Bots nnd DiphtheriebazUlen. Der 
Yerfuser stellte durch Nachprüfungen fut, daß diue NährbOdu für Diph¬ 
theriebazUlen wenig brauchbar sind. 

Auch ein Mgelbagar von Capaldi, der au wenigen Oesen sterilen 
Eidotters und Agar besteht, erwiu sich auch nicht als buonders geeignet 
für die Kultur von DiphtheriebazUlen. 

Bei den Vorversuchen, einen mögUchst biUigen und leicht buchaffbaren 
Nährboden für die Kultivierung der DiphtheriebulUen zu schaffen, steUte der 
Yerfuser zunächst lest, daß du Eiw^ nnd ein Gemisch von Eiweiß nnd 
Eigelb hierzu nicht geeignet sind, daß dagegen ein Gemisch von Eigelb und 
0,6 Kochsalzwuser zu gleichen TeUen suUi gut eignet. Am zweckiälßigston 
eiwiu sich ihm rin Eigelbnährboden mit Fleischwauer resp. Extraktboömon 
1% Traubeuncker. Die Diphtheriestämme bUdeten auf dem Nährboden 
üalog wie auf LOfflers Serum zahlreiche metachromatische KOmchen; 
ferner behielten sie bei der Fortzüchtung auf dem Eigelbnährboden ihre Yiru- 
leu. Zur Kultivierung von Streptokoucen und Pneumokokken eignet sich 
der Nährboden nicht. 

Ein Gemisch au Eigelb nnd 8**/« GlyzerinbouUlon ^zn gleichen TeUen 
Ueferte sehr gute Besaitete bei der Writerzüchtung von TuberkribazUlen; 
und zwar bUdete die erste Ausut nur langsam sichtbare Kolonien, während 
die zweite Kultur ein schneUu und üppiges Wachstum zeigte. 

üeber die HersteUung des Eigelbnährbodens vergL die Originalarbeit. 

_Dr. Kurpjuweit-Berlin. 

Ueber InflueiisabasUleu Im Brouehialbanm. Von Dr. Friedr. Wohl- 
will-Hamburg. Münchener med. Wochenschrift; 1906, Nr. 6. 

Nach den biologischen Eigeuchaften du InflueuabacUlu kOnnen wir 
nicht annehmen, daß die spezifischen Keime an leblosem Material irgendwie- 
nenneuwerte Zeit haften bleiben und die Tiere ebenfalls wegen ihrer Besistenz 
gegen den InfiueuabacUlu für dessen Weiterverbreitung nicht in Betracht 
kommen kOnnen. Es muß vielmehr notwendigerweise, wie auch bei anderen 
Infektionskrankheiten, InflueuabaziUenträger geben, welche, ohne selbst Kruk- 
heitesymptome zu bieten, durch ihren Auwurf etc. zum erneuten Auftreten 
der Krankheit Yeranlauung geben. 

Verfasser stellte nun diesbezügUche Untersuchungen bei 73 Phthisen, 26 
akuten Infektionskrankheiten und 59 Krankheiten der verschiedeuten Art an. 
ZuBammengenommen fand er bei diesen 158 Fällen 29 mal den BacUlu influeuae 
nnd 5 mal influeuaähnUche Stäbchen. 

Er steUte ferner fest, daß u gau bestimmte Kranke sind, die Inflneozn- 
bazUlen ln ihren Bronchien beherbergen nnd zwar in erster Linie Phthisiker, 


KIdnere Mitteilungen nnd Befente ans Zeitsehriften* 


826 


sodann die Kinder in den ersten Lebentjahren, namentlich bei Infektionskrank¬ 
heiten j^enehbnsten, Scharlach, Diphtherie, Masern nsw.). 

Verfasser steht nicht an, in diesen Banken die Vermittler nnd Weiter- 
Terbreiter der Inflaenaainfektion zn sehen. Inwieweit noch solche Personen 
in Betracht kommen, die nur in den oberen Lnftwegen nnd in den Bachen- 
organea laliaenzabazillen beherbergen, bleibt dnroh des Verfassers Unter- 
snchnngen noch unentschieden. _ Dr. Waibel-Kempten. 


Die Pleomorphle des TuberkelbaeUlus. Von Prir.-Doz. Dr. A. B. Weis- 
mayr. Zeitschrift fOr klin. Medizin; 62. Bd. 

Weismayr fand bei einer tnberknlOsen Patientin während aber im 
ganzen dreijährigen Erankenbeobachtung, im Verlauf deren häuflg Tuberkel¬ 
bazillen im Sputum gefunden worden waren, das sonst immer gleichmäSlge 
Sputumbild plötzlich 8 Tage lang durch das Auftreten ron einfachen und yer- 
zweigten, kernhaltigen Fäden in ganz auffallender Weise verändert. Br sieht 
diese Fäden als pleomorphle Tuberkelbazillen an. Möglicherweise handelte es 
sieh um Ausstofiung eines verkästen Herdes bezw. der in diesem enthidtenen 
und infolge der FhnäbmngsstOrungen zu Involutionsformen verwandelten 
Tnberkelbazülen. Dr. Lohmer-COln. 


Ueber die Wirkung der Tuberkelbazillen von der unverletzten 
Haut ans. Von Prof. C. Fraenkel. Hygienische Bundschau; 1907, Nr. 15. 

Manfred! nnd Frisco haben eine große Zahl Kaninchen und Meer¬ 
schweinchen auf der vorher rasierten Bbut des Bttckens oder des Bauches 
mit Beinknltnren von Tuberkelbazillen eingerieben nnd nach mehreren Mo¬ 
naten den Tod an einer ausgedehnten Tuberkulose der inneren Teile ein- 
treten sehen. 

Der Verfasser infizierte die Tiere erst 10 Tage nach Entfernung der 
Haare, um jede die Infektion begünstigende Verletzung zu umgehen, an der 
Bauchhaut mit kleinen Mengen einer Tuberbelbazillenreiänltur. Alle infizierten 
Tiere mit Ausnahme eines einzigen, welches mit einer abgeschwächten Kultur 
geimpft war, gingen 2*/« bis 10 Monate nach der Impfung an einer Tuber¬ 
kulose der inneren Teile zugrunde. Oertliche Veränderungen an der Iiwfstdile 
konnte der Verfasser nicht wahmehmen, während Manfred! und Frisco 
recht häufig eine mehr oder minder ausgedehnte Geschwttrsbildung beobachtet 
hatten. 

Die Tnberkelbazülen treten auf dem Wege der Haarbälge und Talg¬ 
drüsen zunächst in die Lymphbahnen des ünterlmutzellgewebes nnd von hier 
aas in die inneren Organe. Eine Tabdle gibt Auskunft über ^e 22 Meer- 
schweinchenimpfnngen. 

Der Verfasser hält es durch diese Versuche für erwiesen, daß der 
TuberkelbaeUlus ein hochempfängliches Tier wie das Meerschweinchen, auch 
von der unverletzten Haut ans zu infizieren und also die gleiche Bahn 
einzuschlagen vermag, die beispielzweise der Pestbacillus, der Staphylococcns 
anrens n. s. t gleichfalls mit bestem Erfolg wandern können. 

Dr. Knrpjuweit-Berlin. 


Zar Frage der Genese der tnberkulSsen Lnngenphthise. Von Dr. 
Carl Hart, Prosektor am Augnsta-Viktoria-Krankenhaus in SchOneberg bei 
Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 43. 

Hart richtete seine Untersuchungen auf die Bedeutung der Bronchial- 
lymphdrttsen für die Entstehung der Lungentuberkulose. Ihr Besultat gibt er 
im vorliegenden teüweise polemisch gehaltenen Artikel wieder. Durdi Injek¬ 
tion fein aufgeschwemmter chinesischer Tusche unter das Fell junger Katzen 
konnte festgMtellt werden, daß die Bronchiallymphdrüsen nicht in der beson¬ 
ders von Weleminsky behaupteten Weise mit dem gesamten Lymph- 
gefißsystem des Körpers in Verbindung stehen, daß insbesondere der Transport 
von der unteren KOrjperhälfte nicht durch die Bronchialdrfisen hindurch statt¬ 
findet, sondern daß diese erst sekundär von den Lungen her infiltriert werden. 
Regelmäßig fand sich das injizierte Material in einer bezw. zwei kleinen 
Drüsen im linken Angolas venosns an der Mündungsstelle des Ductus venosns, 




826 


Kleinere Hitteilnngen nnd Befemte ans Zeitschriften. 


die nur auf retrogradem Wege gefftrbt sein konnten, da sie nicht dicht in 
den Dnctns thoracicos eingeschaltet sind. Sie stehen o. a. mit den aofwärts 
nach jenem ffthrenden Abflndwegen von den ^^tracheobronchialen“ Drtksen in 
Yerbindong, die ihrerseits an der Färbung bisweilen beteiligt waren, während 
ein Bocktransport nach den Bronchialdrüaen niemals beobaditet wurde. Auch 
deren innige ^Ziehungen zu den HalslymphdrOsen, die von anderen Autoren 
behauptet wurden, konnten nicht bestätigt werden. Als Folgerungen ans den 
Besnltaten ergibt sich einmal die Auflassung, welche der neuerdings von 
Aufrecht verfochtenen entgegensteht, dad die Infektion der Lungen mit Tuber¬ 
kulose von den Halsorganen, besonders den Tonsillen Ober die BronchialdrOsen 
nicht erwiesen ist, ferner die andere, daß der intestinalen Aufnahme der 
Tuberkelbazillen in die Lungen, abermals durch Vermittlung der BronchiiJ- 
drOsen, bei weitem nicht die von v. Behring, Schlodmann, Engels be¬ 
hauptete Bedeutung zukommt, daß vielmehr fOr Erwachsene und z. T. auch fOr 
Kinder die Inhalation der Erreger die wichtigste Bolle in der Aetiologie der 
Phthise spielt. Dabei wird die intestinale Aufnahme der Bazillen und Infek¬ 
tion der Lungen auf lymphohämatogenem Weg& besonders für Kinder, nicht 
in Abrede gestellt Dr. Liebe trau-Hagen i. W. 


Zwei FlUe von Endometritis deeidnnUs tnhercnloM mit alleiniger 
Betelllgnng der Deoldnn vera. Von P. Schrumpf. Zieglers Beiträge 
zur path. Anat. u. allg. Pathol.; Bd. 42, Heft 2. 

Da die beiden mitgeteilten Beobachtungen ein allgemein praktisches 
Interesse haben, seien sie beide kurz skizziert: Beide Haie handdte es sich 
um schwer phthisische Schwangere von 80 bezw. 28 Jahren; die erste stand im 
7., die letztere im 4. Schwangerschaftsmonat. In beiden Fällen war die käsige 
Tuberkulose nur auf die Decidua vera beschränkt; Placenta nnd Decldua 
basalis waren frei. Sehr interessant ist der Befund an den Früchten: Die 
Frucht des ersten Falles, in dem die Tuberkulose der Deddna hochgradiger 
war, zeigte trotzdem keine Lokalisation der Tuberkulose in inneren Organen, nur 
im Ausstrichpräparat des Herz- uud Lungenblutos waren Tuberkel¬ 
bazillen nachznweisen, was auf eine Einschwemmung sub finem schließen 
läßt; im zweiten Fall waren die Impfversuche, die nach Blutorgananfschwemmun- 
gen des 27 cm langen Foetus vorgenommen wurden, rosultatlos. 

Privatdozent Dr. Herkel-Erlangen. 


Laeslon der Nebennieren bei Tuberkulose. YonV. Babes. Bäunion 
biologiqne de Bucarest. Comptes rendus de la soc. de biol.; 1908, LXIY., 
Nr. 4. 

Der erfahrene Yerfasser kommt zu folgenden Ergehnissen: 

1. Die wichtigste Lokalisation der Tuberkulose bei den von ihm 
beobachteten Fällen Addisonseher Krankheit findet sich in den Nebennieren; 
es handelt sich um eine besondere Form der Tuberkulose ohne Neigung zur 
Oeneralisation. 

2. Bei der akuten Miliartuberkulose, sei es daß sie primär, oder im 
Gtofolge einer chronischen Form auftritt, sind die Nebennieren fast immer von 
Tuberkulose betroffen; bei der chronischen Tuberkulose findet man dagegen 
nur selten eine Tuberkulose der Nebennieren. 

8. In der großen Mehrzahl der Fälle ist die Tuberkulose der Neben¬ 
nieren ohne anderweite Lokalisation. 

4. In der großen Mehrzahl der Fälle ist die Tuberkulose der Neben¬ 
nieren wenig ausgesprochen nnd veranlaßt keinerlei (klinischen) Nebennioren- 
symptome. _ Dr. Mayer-Simmem. 


Eine neue Methode der Hantrenktion gegen Tuberkulin boini 
Menschen. Yon B. Lautier. B6nnion biologiqne de Bordeaux. Comptes 
rendus de la soc. de biol.; 1908, LXIY., Nr. 2. 

Im Anschluß an die von Lign4res nnd Berger in der Acad6mie des 
Sclenees gemachte Mitteilung Ober eine Beaktion der Haut der Tiere auf 
Tuberkulin und ihre Anwendung in der Diagnose der Tuberkulose wandte 
Yerfasser diese Methode beim Menschen ah. Er bediente sich folgender 
Technik: 



Kleinere lOtteilnngen and Referate ans Zeltechiiften. 


827 


Anf die infiere Haut des Annes legt man ein kleines Btnschchen 
Watte, das mit 2 oder 8 Tropfen 1 % Taberkolinldsnag (ans Lille oder Paris) 
getr&nkt ist; deokt die Watte mit Gnttaperchapapier und verbindet. Nach 
§4 oder 48 Standen wird der Verband abgenommen. Zonächst findet man eine 
diffose BOtnng der Haut; nach einigen Standen ist ^ese verschwanden and 
man stellt bei tnberkalösen Individuen eine eigenarte Reaktion lest: 

1. Es zmgt sich sehr bald eine unregelmäßige, rote, httgelige, sieh 
trocken anltthlende Stelle, die mit kleinen, von farbloser Flttsslgkkeit an- 
gefüllten Bläschen besetzt ist oder B. die Zahl der Bläschen auf gerötetem 
Grande ist nor gering, oder 8. die Haut selbst ist verdickt; die Bläschen 
stdten gmppenw&e gehäuft. 

Der Reaktion belästigt den Kranken nicht und dauert 2 Tage bis 
8 Wochen. Das Verfahren ut gefahrlos, anscheinend beweisend und bedarf 
nur der Nachprüfung. 

In der Diskussion machte Mongour-Bordeaux anf die Gefahren 
der Koqjunktivalreaktion aufmerksam. Er natte mit Brandeis die Zytologie 
der Eonjanktivalreaktion anf Tuberkolin studiert und auf die Gefahren dieser 
Probe hingewiesen. Seitdem (Bulletin mOdical, 8. Novbr. 1907) haben zahl¬ 
reiche Beobachtungen die Liste der ünglückfälle durch die Ophthalmoreaktion 
verlängert. Wenn die Lautiersche Methode konstante Ergebnisse liefere, 
sei es vorteilhaft, die Augenprobe mit ihren Unannehmlichkeiten ganz auf- 
augeben. _ Dr. Mayer-Simmem. 


Die kutane TuberknUnprobe (v. Pirquet) im Kindesalter. Aus 
der üniv.-EiDderklinik in Heidelberg. Von Prof. Dr. K F e e r, Direktor der An¬ 
stalt. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 1. 

Das Wesentliche der Entdeckung v. Pirquets besteht bekanntlich in 
dem Nachweise, daß bei Tuberkulosen nicht nur der kranke Herd auf Tuber¬ 
kulin reagiert, sondern auch die gesunde Haut, wahrscheinlich überhaupt alle 
Gewebe, v. Pirquet fand, daß alle klinisch sicheren Fälle von Tuberkulose 
bei Kindern reagieren, ausgenommen miliare und meningitische in den letzten 
(ca. 10) Tagen; ebenso realeren schwer kachektische Individuen nicht. 

Verfasser stellte sofort Nachprüfungen an; seine Erfahrungen dabei 
führten Um, wie die meisten Beobachter zu dem Scmuß, daß die hervorragende 
Bhitdeckung v. Pirquets berufen ist, sehr wertvoUe Dienste in der nicht 
iuuner so leicht zustcdlenden Diagnose auf Tuberkulose zu leisten. Bei älteren 
Minderen und Erwacbenen reagieren aUerdings auch viele Gesunde (d. h. Träger 
von inaktiven Herden) positiv anf die kutane und konjunktivale Probe. Der 
positive Ausfall hat darum hier nur einen beschränkten Wert und ist der 
B^fative AusfaU mehr von Bedeutung. Bei jüngeren Kindern wird der positive 
Ausfall um so seltener und wichtiger (und prognostisch ernster) je näher wir 
dem Säuglingsalter kommen und steigt damit entsprechend die Wahrscheinlich¬ 
keit, daß die positive Reaktion auf eine vorhandene Affektion zu beziehen ist, 
welche tuberkulös verdächtig ist. Vielversprechend scheint dem Verfasser die 
Probe auch für die Aufklärung der Aetiologie und Pathogenese der kindUchen 
Tuberkulose. 

Bei systematischer jährlicher oder halbjährlicher Durchimpfung der 
Kinder aas gesunden und tuberkulösen Familien müssen sich wertvolle Tat¬ 
sachen ergeben über den zeitlichen Eintritt der tuberkulösen Infektion und 
über den Einfluß der Tuberkulose bei Familienmitoliedem und Wohnungs- 
genossen. _ Dr. Waibel-Kempten. 


Heber OphthuImorenktioB. Von A. Wolf-Eisnerin Berlin. Münchener 
med.Wochenschrift; 1908, Nr. 2. 

Die Arbeiten über Ophthalmoreaktion überstürzen sich derartig, daß es 
dem Entdecker der Reaktion bisher nicht mOglich war, zu Worte zu kommen. 
Verfasser bittet zunächst, an Stelle des Ausdrucks Ophthalmoreaktion 
den Namen Konjunktival-Reaktion zu benutzen. Der Anschauung von 
Mainini, daß ^e kutane Reaktion latente Herde anzeigt, die bei der Kon- 
junktivalreaktion erst bei Wiederholung erkennbar werden, schließt sich Ver¬ 
fasser an. 

Die Methode gibt häuflg bei manifest Tuberkulosen negative Resultate; 



828 


Kleinere lUtteQuigen und Befemte nu Zeitsehiilten. 


eie itt kdne Methode, am manifeet^ klinisch leicht feststellbere Tnberknlose 
feetznstellen. sondern eine Methode, me in Verbindong mit klinischer Diagnostik 
ihre Tiiompne leiert. Sie zeirt ans das Bestehen von klinisch Terborgenen 
Taberkolosen and erlanbt ans manifesten Taberkoloeen eine prognostische 
Beorteilong, die mit klinischen Methoden allein so schwer zn errächen isü 
Verfasser warnt beiAnwendong des Höchster Taberkalfaitest mit stärkeren 
LOeonmn als 1 prozentig za arbeiten. Man yerwende eine 1 prozentige LOsang 
Ton Alttaberkalin Koch in physiologischer steriler EochsalzlOsong; man wird 
dabei gat fahren and sowohl nnangenehme Erfahrongm als Qeld spareiL 

Dr. waibel'KempteiL 


Ueber den Wert der Ophthalmoreaktion fttr die Dlngnose der Taber- 
kolose* Von Dr. Blam, Asustent der med. Uniyersitäts-Elinik in StraSborg, 
and Medizinalpraktikant Schlippe. Münchener med. Wochenschr.; 1908, Nr. 21. 

Eine sichere- Entscheldong, wie weit sowohl die nemtiTen als positiTen 
Beaktionsbefande mit dem tatsächlichen Bestehen efaier Taberkolose in Ein¬ 
klang zu bringen sind, wird erst eine größere Beihe yon sorgfUtigst ans- 
neffl^en Sektionen bringen können. Aas diesem Grande stellen die Verfasser 
bei jedem schwer Kranken die Aagenprobe an. 

Von 7 Patienten, bei denen sämtlich die Beaktion aaf einmalige Ein- 
träofelong negatiy geblieben war, ergab die Sektion yiermal keine Spor yon 
Taberkolose, zweii^ alte Schwarten der Spitzen and einmal yerkallrte 
Bronchiallymphdrüsen. Selbst wenn man die letzteren Befände sicher taber- 
kolös ansioht, so wird man sie nnr als alte ausgoheilte Läsionen bezeichnen 
können. 

Die Verfasser schließen folgendermaßen: üeberblickt «an das zurzeit 
über die Ophthalmoreaktion yorliegende Material, so muß man zngeben, daß 
auffallend häufig eine Uebereinstimmni^ zwischen ihrem Ausfall und dem Be¬ 
tehen oder Fehlen einer tuberkulösen Erkrankung yorhanden ist. Ihr Fehlen¬ 
schließt eine Tuberkulose nicht aus; es ist möglich, daß sie auch bei Nicht¬ 
tuberkulösen unter gewissen Umständen und ausnahmsweise sich findet. Diea 
würde den dia^ostischen Wert der Probe sehr beebträchtigen. 

Weiterhin wird man bei Verwertung der Probe trüber sich klar sein 
müssen, daß die Beaktion zwar die Anwesenheit einer tuberkulösen Erkrankung 
anzdgt; damit ist aber noch nicht bewiesen, daß gerade eine bestimmte, derzeit 
das Interesse auf sich ziehende Krankheit tuberkulöser Natur sei. 

Dr. Waibei-Kempten. 


Empflndllehkeit gegen die Ophthalmoreaktion lange Zelt nach Ent- 
femnng tnberknlQser Herde. Von G. Etienne. B^union biologique de 
Naney. Comptes rendus de la soc. de bioL; LXIV, 1908, Nr. 5. 

Im Hospital St. Julien in Nancy befindet sich seit yielen Jahren ein 
66 jähriger Inyalide, der yor 14 Jahren bei yöUiger Gesundheit yon einem 
Maschinentreibriemen (courroie d’osine) ergriffen und komplizierte Frakturen 
erlitten hatte. Hintereinander traten damtds Tumor albus des linken Ellbogen¬ 
gelenkes, des linken Ebies, ferner Fungus in dem Kleinfingergelenke auf, die 
zu eitrigem Ergüsse führten. 1898 wurde der linke Arm amputiert, 1894 das 
linke Hüftgelenk ezartikuliert, 1895 der kleine Finner entfernt. Sdtdem war 
der Mann gesund. Ende November 190T wurde mm 1 Tropfen des Iproz. 
Tuberkulintest in den Bindehautsack eingeträufelt. Nach 24 Stunden waren 
Tränen, BOtung, fibrinöses Exsudat deutlich. Die Beaktion war also poritiv. 
Nach 10 Tagen waren die Beizerscheinangen noch nicht ganz geschwunden. 
Es liegt demnach entweder trotz völliger „klinischer“ Gesundheit now ein latenter 
tuberkulöser Herd vor, der keinerlei Symptome macht oder der Orgaidsmos des 
Kranken war trotz radikaler Entfernung dreier tuberkulöser Herde mit der 
für das tuberkulöse Gift empfindlichen Substanz besonders gesätU^^ 

Erwähnenswert ist auch die positive Beaktion bei einer 88 jährigen Frau, 
die im Alter yon 22 Jahren an Lnngenleiden erkrankt und Bluthasten gehabt 
hatte, seitdem aber geheilt war. _ Dr. Mayer-Simmem. 



Kleinere Mitteiliingen und Befemte noe Zeltsehriften. 


829 


üeber AtMentton des Taberknllns rem Ksstdurm ans. Von A. 
Cnlmette und M. Breton. Inntitnt Paetear de LUle. Comptes rendu de 
ln 80C. de bioL; LXIV, 1908, Nr. 4. 

Die Verüuser emnlehlen die Anwendung Ton Tuberkolin rom Bektum 
ans in eolehen FUlen, in denen dieDisnoee nui^berkoloseohneVorwissen 
der Kranken gestellt werden soll. Ikre Versaehe nn Kranken wurden 

f emeinsam mit dem Oberarzt der innern KHailr in LUle, J. Minet, angesteUt. 

^aa Tuberkulin wurde als Klysma mit einer eUilachen Kautschnkbime in der 
Dose von 1 egr in 60 g MUeh einverleibt. Bei 4 fleberlreien Lungenkranken 
trat eine Temperatnrsteigerung um 1,8 bis 2,7 ** aul Bei dreien, bm denen die 
Ophthalmoreaktion positir ausgelaUen war, trat diese, obwohl es sich 
um einen Zwischenraum yon 8—88 Tagen handelte, wieder aul Die 
^harakteristisehe BStung der Caruncnla und der Cmgunktiya mit leichtem 
TrSnen 48 Stunden hindurch steUte sich ein. 

Bektale Applikation des Tuberkulin in Dosen yon 1 cg (durch Alkohol 
gelilltes TuberkuUn) ruft also beim Menschen eine Fieberreaktion heryor, die 
nach Sobkutaninjektion beobachtet wird. Dieselbe intrarektale Tuberknlinan- 
Wendung bei nicht tuberkulösen Indiyiduen, bei denen die Ophthalmoreaktion 
negatiy ausgefallen war, löste keine Temperatursteigemng und keine Bötnng 
der Bindehaut aul dem yorher geprüften Auge ans. 

Anders yerl&uft die Bektaluiwendung bei gesunden Meerschweinchen 
und Kaninchen. Eine einzige masaiye Dose oder kleine, geteUte G^berkulin- 
dosen erzeugen hier eine langsame Yer^tung, die fast immer zum Tode führt. 
Man findet auf Gekröse und Bauchspeicheldrüse Blutergüsse, BlntüberfüUnng 
yon Leber und Nieren, haemorrhagische Infarkte der Lungen. 

Bei kleben tuberkulösen Tieren wirü ^e btrarektale Tuberknlb* 
ebfühmng rde die Snbkutanbjektion. Dr. Mayer-Simmem. 

Ueber die Hlnflgkeit der Tuberkulose und die beiden Hanptzelt- 
puukte der Ansteckung derselben Im Siuglingsalter. Yon Dr. 8ebuch 
Assistenzarzt der üniy.*Kbderklinik b Bresbu. Münch, med. Wochenschrift; 
1906, Nr. 6. 

Yerfasser sichtete das einschlägige Material der Bresbuer Kbderklbik 
und Poliklinik, wobei den Grundstock 171 durch Sektion im Bresbuer patho* 
logischen Institut sichergestellte Fälle yon Tuberkulose der ersten Jahre und 
zwar ans ebem Zeitraum yon genau 10 Jahren bildetmi. Yerfasser hält sich 
auf Grund sdner ausführlichen und nach yerschiedenen-Bichtnngen hb yor* 
genommenen Untersuchungen yorbehaltlich der Bestätigung an noch gröfierem 
Material anderer Elliniken zu folgenden Schlußfolgerungen berechtigt: 

1. Die Tuberkulosehäufigkeit im Sänglbgsalter mmmt nicht wie bisher 
angenommen yon Monat zu Monat zu, yielmehr findet gegen Ende des ersten 
und zweiten eb Bückgang statt. 

2. Dem entspreäen zwei yorausgehende Hauptzeitpunkte der Infektion 
und zwar: 

a) Wi^einfektion im ersten Lebensyierteljahre; 

b) Kri^-, oder Schmutz- oder Schmierinfektion um db Wende des ersten 
Jahres. 

Die Möglichkeit eber Ansteckung auch einmal zu anderer Zeit wird 
•damit nicht ausgeschlossen. 

8. Gbnz mlgemein genommen yerfsllen die künstlich genährten Kbder 
der Tuberkulose am sehndbten; es blgeu die Teilbrustkbder, dann die eigent¬ 
lichen Bmstkbder. 

4. ffieraus erhellt die große Schutzkraft der Frauenmilch (? des Fettes) 
g;egeuüber der Tuberkulose. _ Dr. Waibel-Kempten. 

üeber Behandlung und Unterbringung yon TuberknlSsen In den 
-ungemeinen Krankenblnsem und dem neuen Puylllou für Lungenkranke 
In der stidttecken Krunkenuastalt ln Kiel. Yon Prot Dr. G. Hoppe- 
r. Yierteljahrsschr. für öffenti. Gesundheitspfi.; 1907, Bd. 89, 

Die Sorge für die fortgeschrittenen Fälle yon Tuberkulose und die Yer- 
jubdernng der yon ihnen ausgehenden Gefahren steht jetzt, nachdem die Heil- 



380 Kleinere Mitteilangen and Keferate ans Zeitschriften. 

st&ttenbehandliing der Heilongsaussichten bietenden TuberkolSsen in weitest¬ 
gehender Weise organisiert ist, im Vordergronde der Taberkolosebekimploiigs- 
Bestrebongen. Die Bebandiong in Sonderabteilangen Ton a^emeinen Kranken- 
b&nsern, wie sie als wtknschenswert im Qataehten der preafiiscben wissenschalt- 
lichen Deputation Ittr das Medizinaiwesen Tom 17. Jali 1906 dargelegt ist, 
endelt oft — allerdings bei hohen Kosten — noch erstaonliche Erfolge and 
stellt einen wichtigen Schatz gegen Weiterrerbtttang der Krankheit dar. Das 
^eler, unter Hoppe-Seilers Leitang stehende Krankenhaus hat neuerdings 
einen mit allem Komfort aasgestatteten Pavillon fflr 90 Tuberkolose erhalten, 
von dem Verfasser eine Beschreibang ribt. Die Kosten pro Bett ('einschL innerer 
Einrichtong) beliefen sich aal 8260 IL. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Zar Bekftmpftmg der Taberkulose. Von Dr. F. Jessen in Davos. 
Mttnchener med. Wochenschrift; 1906, Nr. 6. 

Verfasser verbreitet sich in längeren interessanten Ansffihmngen ftber 
die ünzul&nglichkeit anserer bisherigen Maßnahmen gegen Taberkäose and 
erklärt als wichtige Faktoren im Kampfe gegen die Tuberkulose: 

1. Wesentliche Verbesserung der Ausbildung der Aerzte auf diesem 
Gebiete. 

2. Absolute Offenheit gegenüber der Tuberkulose. 

8. Anmeldung jeder offenen Tuberkulose mit den daraus folgenden 
Konsequenzen. _ Dr. Waibei-Kempten. 


Erfahrungen mit der Wirksamkeit der obllgaterisehen Anzelgepflieht 
der Sehwindsueht in Sidnej. Von W. Q. Armstrong, M. B., D. P. H., 
Medical officer of health, Sidney. Public health; XX, 19OT, Nr. 8. 

In Konflikten zwischen den praktischen Aerzten und dem Magistrat ist 
es in Sydney wegen der Anzeigepflicht bei Phthise nicht gekommen. Die 
Aerzte sind im großen und ganzen mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit be¬ 
strebt gewesen, dem Gesetze zu entsprechen; nur in wenigen Fällen wurde 
die Anzeige unterlassen. Auch von den Kruiken seihst säeint die Dureh- 
fflhmng der Ausftthrungsbestimmungen nicht Unrecht oder Härte empfanden 
worden zu sein. 

ln 1906 starben an Scbwindsucht in Sidney 894; angezeigt wurden 168 
Fälle.^) In 84 Fällen hatte der behandelnde Arzt angegeben, er wünsche 
keine Besuche seines Patienten durch die Beamten des Öffentlichen Gesund¬ 
heitsamtes ; in den übrigen wurden die Besuche durch die Gehülfen des Autors 
ausgeführt 

Außer dem erziehlichen Einflüsse, der Möglichkeit der Aufklärung, hat 
die Anzeigepflicht den Wert, daß den Behörden die lichtlosen Bäume über¬ 
mäßig besetzter, schmutziger Wohnungen der großen Städte besser bekannt 
werden, so daß eine Abhülfe eher ermöglicht wir£ — Desinflziert wurden 1906 
128 Häuser; 80 nach dem Tode der Knnken, 48 nach WohnungwechseL 

Dr. Mayer-Simmem. 


Ist eine Gonorrhoekontrolle mSgliehl Von Dr. Magnus Müller, 
Oberarzt am Krankenhause St. GOran, 8to<^olm. Zeitschrift rar Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten; 1907, Bd. 6, Nr. 7. 

Die Schwierigkeiten, die einer wirzsamen Untersuchung der Prostituierten 
auf Gonorrhoe entgegenstehen, sind bekanntlich sehr groß. Aus dem klinischen 
Bilde allein kann man kein Urteil gewinnen. Ein verdächtig aassehender Aus¬ 
fluß kann keine, und ein harmlos aassehender Ausfluß sehr viele Gonokokken 
enthalten; deshalb ist die rein makroskopische Untersuchung völlig wirkungslos. 

Die mikroskopische Untersuchung gibt zwar im allgemeinen sichere Auf¬ 
schlüsse, eine Sicherheit gegen Ansteckung liefert sie aber ebenso wenig. Eine 
10 mal wiederholte Untersuchung führt oft zu einem positiven Besufimt, we 
anfänglich nichts zu Anden war. Infolgedessen verfehlt auch die Krankenhans- 
behandlung der Prostituierten ihren Zwedc, weil man gar nicht in der Lage 
ist, feetzustellen, ob die Infektiosität beseit^ ist oder nicht. 


’) Ob die übrigen ohne ärztliche Behandlung waren, ist nicht angegeben. 



Kldnere Hitteilmigen nnd Bef «rate ans ZeitschrifteQ. 


331 


Der ehizige Natien, deo die Erankenliaiiebehandliug hat, ist der, daft 
die Mfidehen während der grüßten Anetecknngelähigkeit vom Verkehr ans« 
geschaltet sind. Dieser gerbge Natzen wird aber durch die schweren Nach¬ 
teile aalgewogen, die das ganze System der Kontrolle mit sich bringt. Es ist 
deshalb za wttnsdien, daß die ganze, wirkiuigslose Qonorrboekontrolle beseitigt 
wird, and an ihre Stelle Ma&iahmen zar Erhühong der persönlichen Prophy¬ 
laxe, besonders daroh Äofklärong, treten. Dr. Dohrn-Hannover. 


Tenvehe sexneller Prophylaxe beim Heer im 17. Jahrhundert Mit> 

S eteilt von Dr. Frh. r. Notthaflt in München. Zeitschrift für Bekämpfang 
er Heschlechtskrankheiten; 1907, Bd. 6, H. 9. 

Ein Merkblatt gegen die «Franzosenzacht", den Soldaten, Bittern nnd 
Knechten gewidmet I Es schildert die Folgen nnd die Behandlung der bOsen 
Krankheit mit einem der damaligen Zeit entsprechenden Zartgeftml: ,Thnst 
du dan ein kalten Tronck, so fället dir das Zäpflein herab nn geschwillet dir 
das maol wie einer Garten Grotte.* Die empfohlene Therapie läßt ans die 
Verwüstungen erkennen, welche die schlecht behandelte Syphilis damals an- 
richtete. . . «Man muß ^ch mit etze, brennen, schneiden — oder wol, wie gar 
offt geschieht, die Bainer mit Eysen heraosstemmen, mit Beißzangen abzwicken, 
oder mit Beinsägen, da dich Gott vor behüte, vom Leibe nehmen.* 

Prophylaktisch wird auch die aoßergeschlechtliche XTebertragang der 
Krankheit erwähnt. aAlso daß niemand bei dir am Beth ligen, niemandts mit 
ddnem Lüffel fressen, niemand mit dir Baden, niemand nass deinem Glass oder 
Becher sanfen wilL* Dr. Dohrn-Hannover. 


CtoslBdeordnung und Gesehleohtskraukhelteii. Von Bechtsanwalt 
Dr. Springer-Berlin. Zeitschrift für Bekämpfang der Geschlechtskrank¬ 
heiten; 1907, Bd. 6, Nr. 9. 

Die Dienstmädchen stellen bekanntlich das Hanptkontingent der Pro- 
stitaierten. Hieran sind die ungünstigen äußeren VerhUtnisse dieses Standes 
schuld. Der Anreiz zum außereheUchen Verkehr ist für die vom Lande 
kommenden, unerfahrenen Mädchen besonders groß. Von den Folgen werden 
sie aber um so schwer betroffen, da sie nicht im stände sind, ihre unehelichen 
Kinder durch ihren Lohn zu unterhalten. So bleibt vielen nichts anders übrig 
als die Prostitution. Andere lassen ihre Kinder kläglich amkommen oder 
bringen sie ums Leben, weil die bittere Not sie dazu swingt Zur Beseitigung aller 
Mißstände fordert Verfasser die Beseitigung der auf veralteten Answauungen 
fußenden Gesindeordnung. Sie gibt den Herrschaften unbillig weitgehende 
Bechte, die besonders das Dienstpersonal in KrankheitsflUlen schwer betreffen 
künnen. Ferner ist neben Besserung der sozialen Verhältnisse eine Einbeziehung 
der Dienstboten in die Krankenve^eherung unbedingt notwendig. 

Dr. D o h r n-Hannover. 


Die HEuflgkelt und Prophylaxe der Syphilis. Von A. Benault. 
Bevue d’Hygidne et de Police sanitäre; Februar 1^, Bd. 80, Nr. 2. 

Benault gibt zu, daß es in Anbetracht der weitaaseinandergehenden 
Zahlenangaben über die Häußgkeit der E^hilis unmöglich kt, ein genaues 
Bild zu gewinnen. Er vermag nur soviel zu sagen, dal die Syphilis außer¬ 
ordentlich häufig ist, und daß der Arbeiterstand weniger durchseucht kt, ak 
die besseren Stikde. 

Unter den prophylaktischen Maßnahmen gegen die S^hük verwirft er 
die Einreibungen des Gliedes nach dem Coitus mit Quecksilbersalben wegen 
ihrer undcheren Wirkung und der Gefahr von Erythemen und Intoxikationen. 
Die beste Sicherheit bietet immer noch der Condom. 

Benault kt ein eifriger Verfechter der Begiementation. Ak Bewek 
für deren Nutzen führt er an, daß in Deutschland, dem Lande der Beglemen- 
tatlou auf 1000 Soldaten nur 5,7 Syphilitische konunen, während in den in¬ 
dischen Kolonien Englands, wo keine Begiementation optiert, der Promille- 
satn bk auf 239 geht. Allerdings bedarf das jetzige System noch einiger 
Abinderungen. 

In der sieh anschließenden Dkknssion spricht sich Murtial ebenfalk 
«nergiaeh gegen den Mißbrauch der Antkeptika aus, die schwere Lokal- 



832 


Kleinere Kitteilongen und Beferate ans Zdtschriften. 


erseheinnngen herrormfen können, snmal da sie ans Furcht ror Ansteckung 
mit grofler Energie angewandt werden. Er hUt eine weitgehende sexndle 
Anfkiimng der heranwi^senden Jagend beiderlei Geschlechts Ihr wflnschmia- 
wert. Wenn man dem jungen Hann klar macht, was er damit tut, wenn er 
ein junges M&dchen defloriert, sie ansteckt, schwängert oder dem jungen 
Mädchen die Gefahren des ersten Fehltritts eingehend schildert, so werden de 
sich doch besinnen. 

In der weiteren Disknsdon kamen die bekannten Einwände der Gegner 
der Beglementation nur Besprechung. Dr. Dohrn-Hannorer. 


Ueber Traehom und seine Behandlung. Yen Dr. Pick, Angenarst 
in Königsberg i. Pr. Therapeutische Monatshefte; 1908, H. 2. 

Solange der Erreger des Trachoms noch nicht gefunden ist — auch die 
neuesten Fude von Greef etc. sind noch sehr ungewifl — hält Verfasser 
daran fest, daß es zwei Terschiedene Arten von KOmerkrankheiten gibt: die 
dne gutartig, nicht zur Narbenbildnng und sonstigen Veränderungen ten¬ 
dierend = der sog. FoUikolarkatarrh, die andere gefdirliche =: das Trachom. 
Die diagnostischen Unterschiede bdder werden eingehend erOrtert Ob dn 
rdn papilläres Trachom, ein Trachom ohne KOmerbiidung, das auch immer 
kOmerfrd gewesen ist, verkommt, bezweifelt Verfasser. Die vorgeechlagenen 
therapeutischen Maßen decken sich im großen und a^zen mit denen, die be- 
rdts Kuh nt 1897 in seiner Arbdt: „Ueber die Therapie der Conjunctivitis 
grannlosa* gweben hat; einige Abwdchnngen scheinen Beferenten keine 
wesentlichen Verbesserungen zu sein. Dr. Klare-Haina (Bez. Casad). 


Berloht über den ersten Tmebemkengress ln Palermo. Von Professor 
B. Greeff und Dr. Clausen (Berlin). Klinisches Jahrbuch; 1907, Bd. 17, H.3. 

Die Verhandlungen dieses Trachomkongresses haben bd den innigen 
wirtschaftlichen Bedehnngen zwischen Italien und Deutschland für uns be¬ 
sonderes Interesse. Wenn wir hOren, daß die Zahl der Trachomkranken in 
Italien auf 800000 Menschen (und darüber) geschätzt wird, daß ferner das 
Traehom gerade in den Teilen Italiens besonders verbrdtet ist (Apulien, Sar¬ 
dinien, Sizilien), ans denen Deutschland einen großen Teil sdner Saisonarbdter 
bedeht, so muß uns dies doch bedenklich stimmen. 

Die noch immer von einigen Autoren bestrittene Infektiodtät des 
Trachoms ist durch die Versuche Addarios bewiesen. Dieser impfte 8 Blinde 
mit frischem Traehom. Nach 8 Tagen begann das geimpfte Auge dch zu¬ 
nehmend zu entzünden. Erst nach 2 Jahren war das Leiden geheilt. 

Die Verbreitung des Trachoms ist in den Städten stärker als aufdem 
Lande. Je geringer Kultur und Beinlichkeit um so häuflger das Trachom. 
Gegen die Unwissenheit, den Schmutz und die Indolenz des Volkes und der 
Benerung muß sich der Kampf in erster Hinsicht richten. Mit vollem Becht 
weut Amerika trachombehaftete Einwohner zum Schutze des Landes zurück. 

Bezüglich der Prophylaxe werden folgende Vorschläge gemacht: 

1. Es soll ein Augenarzt als Inspektor für die Prophylaxe der Angen¬ 
krankheiten, insbesondere des Trachoms, beim Ministerium des Innern anmtellt 
werden. 2. An Orten, wo Trachom herrscht, sind Ambulatorien auf Kosten 
der Provinz und der Gemeinde zu errichten. 8. Für die Bezirke wird ein 
Augenarzt als Inspektor zur Ueberwachung der angeordneten prophylaktischen 
Maßnahmen ernannt, und zugleich ein Bezirkskrankenhaus für die schweren 
und operativen Trachomfälle errichtet. Schließlich wird staatliche Beihilfe 
hierzu und ferner werden Schulen für Trachomatbse und Prämien für populäre 
Schriften über Angenhygiene verlangt. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Die Beklapfong der Malaria in Oesterreloh. Von Dr. L. Sofer. 
ZentralbL 1 inn. Medidn; 1907, Nr. 45. 

Die Malaria ist in Oesterreich in den Küstenländern (Istrien) und Dalma¬ 
tien endemisch. Die erste systematische Bekämpfung der Malaria in Oesterreich 
erfolgte 1892 in Nona nach der Methode Grassis; aUe erwachsenen Personen 
bekamen 80 Tage lang alle 8 Stunden 1 Pille (Bisleri). 1908 wurde in Dal- 



Kldaere KitteUangw nnd Befente au ZeitacliiiftM. 


SdS 


matiu derselbe Versnob mit ebeuo gntem Erfolg dnrebgefttbrt and im folgen¬ 
den Jahr anf 44 ud 1905 anf 97 Ortschaften nnter der Leitnng dreier Amts* 
Inte augedehat, welche die Kranken besnchten. In Istrien werden 8 Endemie- 
besirke geschaffen nnd für jeden Bezirk 1 Endemiearzt besteiit. Das Hanpt- 
gewicht werde anf die mögliche Auforschnng nnd Auheiinng der Malariakranken 
bezw. die Chinisiernng der nnheiibaren Parasiteaträger während der Zeit Ton 
Anfang Jnni bis Ende Oktober gelegt. — Ein sehr lug fortgesetzter Qebranch 
Ton Chinin zog keinerlei StOrnngen nach sich. Hbgegen sind mehrere Arsenin* 
toxikationen zn rerzeichnen. — Nach der Ansicht des Verfassers wird die 
antimaiarische Aktion in diesen Gegenden niemals mit Anssicht anf danemden 
Erfolg in Angriff genommen werden können, wenn man nicht eine obligatorische 
Anza&epflicht nnd eine hygienische Landeszentrale einftthrt. 

_ Dr. Wolf*Marbnrg. 


Behandlnnf der experimentell herrorgemfenen Seblafkmnkhelt 
(Traitemeat des infections expörimentales & Trypanosoma gambiense). Von 
I*. Mesnil et M. Nicolle. Annales de ITnstitnt Pastenr. Bd.21, 8.946. 

Von den Affen, die M. nnd N. mit Trypanosomen der Schlafkrankheit 
krank gemacht hattü, haben sie 6 dnrch Atozyl allein geheilt, 4 dnrch ab¬ 
wechselnde Gaben von Atozyl nnd einem Benzidinstoff (Alridol-Violett der 
Firma Bayer), 2 durch Behandlnng anfangs mit dem Farbkörper allein nnd 
erst znm Schlnn mit 1 resp. 2 Atozyliqjektionen. nm die Behandlnng abzn- 
kttrza. Die Tiere sind jetzt seit 11 Monaten ToUkommen geennd, so daft die 
Annahme einer Danerheilnng berechtigt ist. Dr.Hirschbrnoh-Metz. 


B. Sohiilltyglea«. 

Vem Stottern* Von Prot Bnd. Dehnhardt, Besitzer der Sprach- 
heüautalt in Eisenach. Dentsche Medizinalseitnng; 1906, Nr. 9. 

Dehnhardt erwähnt die geistreichen, anch hente noch zntreffenden 
Beobachtnngen des Er asm ns yon Rotterdam ttber die Stotterer. Dem 
Stotterer mangelt, so sagt Dehnhardt weiter, die nnbefangene Znrersieht, 
die dem 8pre<mgesnnden selbstverständlich ist nnd allen seinen Bewegungen 
die mhige Sicherheit eines fast antomatischen Ablaufes gibt. Der Stotterer 
stottert, weil ihm der Glanbe an sich sdbst entweder dauernd fehlt oder zeit¬ 
weilig versagt Es handelt sich bei ihm nm eine bestimmt umschriebene 
seelische Störung, nm einen pathologischen Defekt des natürlichen nnd ge¬ 
sunden Selbstvertraneu. Dieser Defekt wächst meist empor au mehr oder 
minder zufälligen Vorkonunnissen nnd zwar natürlich am Idchtesten anf 
einem vorbereiteten Boden. Diese Vorbereitug ist zn suchen in erblicher 
Veranlagung oder allgemeiner nervöser Disposition. Anf solchem Boden kann 
der Defekt sich entwickeln bis zn der gefährlichen Macht dner du Denken 
and den Willen i^z beherrschenden Wahnvorstellug. 

Wer dem Stotterer, sei es anch nur für Minuten, beim Sprechen Selbst¬ 
vertrauen nnd Unbefangenheit znrückzngeben vermag, wer ihn durch ge¬ 
schickte Lenkung dahin bringen kann, dan er seiner Sprechfähigkeit, der nie 
vmlorenen, sondern nnr verloren geglaubten, wieder bewußt wird, der bewirkt 
sofort mit einem Schlage du Verschwinden aller Hernrnnnnen ud Verwir* 
tnngen. Hieraus sollte mu lernen, daß der Stotterer sämüiue Bewegugen, 
die znm korrekten Sprechen nötig sind, ohne Belehrug ud Uebug auto¬ 
matisch sicher auznführen inutude ist. Du A ud Q der Behudlug der 
Stotterer ist eine psychische Einwirkug anf den Stotterer. Der Lehrer muß 
du Seelenleben du Stotterers bis ln seine Verlrrugu hinein zu verstehen 
nnd zu lenken befähigt sein. _ Dr. Hoffman-Berlin. 

üeber Selbstmord nnd Selbstmerdversnehe uter den Sehllern der 
muisehen mittleren Lehranstalten. Von Prof. Dr. Ohlopin-St Peters¬ 
bug. Zeitschrift für Schnlgesudheitspflege; 1907, Nr. 9 ud 10. 

Verfauer hat du nuamte Material über Schülerselbstmorde ln Bnßland 
von 1880—1904 duchgeuMtet; u umfaßt alle Kategorien von Lehrautalten. 
Vorgekommen sind in diuen Zdtranm 887 Fälle von Selbstmord ud 96 Fälle 
von Selbstmordversnchen. Die größte Zahl liefern die männlichen Mittel¬ 
schulen, nämlich 284, die kleinste Zahl die Volknchnlen, nämlich 2. Die Zahl 



834 


Kleiner« HHteilnngen onA Befente nni Zettsehriften. 


der Selbstmorde ist, wie in eilen BeTOlkemngssehichten and in enderen Stenten, 
im Zonehmen begriffen; die meisten jagendUcben SelbsmOrder stehen im Alter 
Ton 16—16 Jebren. Als biofigste Uisecbe der Selbstmorde bet Yerfesser die 
NerTen- and Qeisteskrenkbeiten gefanden, dann die sogenannten Scbolorsecben, 
soletzt FemilienmotiTe. Hieraas ist der Scblafi zu sieben, daß eine Ver* 
besserang der mediko-sanitären Aolsicbt aber die beranwacbsende Jagend and 
eine Yerbessemng der körperlicben Erziebong nnamgänglicb notwendig ist, 
yielleicbt sogar &e ümgestaltang des gesamten Scbolwesens anzostreben sd. 

Yerlasser wttnscbt die «Organisation einer internationalen systematiscben 
Begistratar der Selbstmorde nnter den 2i0glingen aller Lehranstalten, am an 
der Hand dieses Haterials die natarwidrige Erscbeinnng des Selbstmordes 
nnter den Sdifilem besser an erforschen. Dr. Solbrig-Alleastein. 


IHe h^enlaehe Bedenting des flnlbtlndtgen Termlttagsuterrlohts. 
Von Stadtschalarzt Dr. SteinbanS'Dortmand. Zeitschrift t Scholgesond* 
beitspflege; 1907, Nr. 9 u. 10. 

Die Torliegende Arbeit wurde aaf Erfordern der EOnigl. Begimong in 
Arnsberg als Gatachten Aber die hygienische Bedeatonn des angeteilten 
ünterrichts erstattet Wenn auch, wie Verfasser einleitend selbst sagt, das 
Thema ärztlich and pädagogisch in den letzten Jahren yielfacb bdandelt 
wurde, so daß neue Gesichtspankte kaam yorzabringen seien, so ist diese 
Arbeit doch eine recht beachtenswerte, instroktiye Abhandlong Aber ein 
zweifellos scholhygienisch and sozial wichtiges Thema, weswegen ein etwas 
näheres Eingehen an dieser Stelle nicht AberaAssig sein dArfte. 

Die GrAnde fAr die EinfAhrang des fAnfstAndigen Vor- 
mittagsanterrichts k5nnen in medizinische, soziale und scholtechnische 
geteilt werden, sind jedoch im Grande alle medizinischer Art and sind im 
einzelnen folgende: 

1. Die physiologische Tatsache, daß während der Verdannngstätigkeit 
des menschlichen Körpers ein ZastrOmen des Blates zn den Verdaaon^ 
Organen and ein Abströmen von andern Organen, namentlich nach vom Gehirn 
stattfindet, hat zor Folge, daß nach dem Mitta^sen neben eber physischen, 
ErmAdang ünlast za geistiger Arbeit and Verminderong der psychischen 
L^tangsfähigkeit eintritt 

Die weitere Tatsache, daß bei geistiger Arbeit allmählich eine ErmAdang 
der Großhirnrinde ebtritt, die sich naturgemäß bei Ebdern, deren Großhirn« 
rbde noch b der Entwicklung begriffen ist, and während des ünterrichts be¬ 
sonders bemerkbar macht (Nachlassen der Aufmerksamkeit, Zerstreutheit, 
Apathie o. dgl.), fAhrt dahb, daß das Ebd beim etwaigen Nachmittagsonter- 
richt nicht die nötige psyclüsche Erholung Aber Mittag erlangt hat. 

2. Der Nachweb der mit der Dauer des ünterridits zunehiuendmi Er¬ 
mAdang und abnehmenden Lebtongsfähigkeit bt dar<^ zahlreiche ErmAdang^- 
messangen (Eraepelin, Griesbach o. a.) hbreichend gefAhrt. Die b 
Frage kommenden Methoden sbd hauptsächlich: 

a) Bestimmung der gebtigen Lebtongsfähigkeit eber Klasse darch 
Losen yon einfachen Bechenaafgaben. 

b) Messang der BerAhrangsempflndlichkeit der Haat mitteb des Aesthe- 
siometers. 

c) Messang der motorischen Lebtongsfähigkeit mitteb des Ergographen. 

Im besonderen bt aas solchen Versuchen der gAnstige Ebflaß dn- 

gehaltener Pansen aaf die Lebtangen der SchAler, aber auch das Fehlen 
jeder Erholung bei Beginn des Nachmittagsunterrichts her- 
yorgegangen. Versuche, die Verfasser an drei Dortmunder Volksschulen, yon 
denen ebe bereite fAnfstAndiuen Vormittagsunterricht ebgefAhrt hat, die beiden 
andern geteilten Unterricht haben, b ähnlicher Webe yomahm, worAber ans- 
fAhrlich unter Wiedergabe zahlreicher Tabellen und Euryen berichtet wird, 
stimmten im allgemeben mit den yon anderer Seite gemachten Erfahrungen 
Abereb und sprachen zugunsten der Ausdehnung des Vormittags¬ 
unterrichts auf 6 Standen. Der auf die lAnfte Vormittagsstande aus¬ 
gedehnte Unterricht zeigte sich fAr den ebzeben SchAler ohne jeden nach¬ 
teiligen Ebflaß, während die SchAler im Nachmittagsunterricht sehr schnell 



Kleber« Hittdlongen ond Referate ans ZeiUehriftea. 885 

enafldetea oder znm grofien Teil ohne geistige Brholiuig zom ünterrieht 
kamen. 

8. Zahlreiche statbtiiche Angaben (namentlich Ton Schmidt-Monnard), 
bestitigth durch eigene üntersnchongen des Verfassers liefern den Beweis, dan 
die Kränklichkeit der Kbder an den Schalen mit Nachmittagsanterricht im 
allgemeben eine größere bt, ids an den Schalen mit fibflBtttndigen Vormittags- 
nnterricbt. 

4. Zagonsten des fttnstttadigen Vormittagsonterrichb spricht der wich¬ 
tige hygieniswe Oesichtsponkt, daß nnr bei dessen Einltthrang ebe sorg¬ 
fältige and peinliche Reimgang der JB^lassenräome, wie sie erforderlich bt, siä 
vornehmen läßt. 

5. Alle bisher angeführten Giüode werden noch fibertroffen darch db 
Forderung, die alleb schon ausschlaggebend bt, daß die Jugend zu körperlichen 
Uebangen angehalten werden muß durch Ebffihrung von obligatorischen Spiel- 
nachmittagen, gemeinsamen Spaziergängen usw., was sich alles nur erreichen 
läßt, wenn der Nachmittag von dem eigentlichen wbsenscahftlichen Unterricht 
frmgehalten wbd. 

Diesen Vorteilen des ffinfstfindigen VormittagBanterricbts gegenüber 
treten die Nachteile, die gegen dessen Ebftihrang bs Feld geführt werden, 
vollkommen zurück. Es sbd b der Hauptsache folgende Ebwände erhoben: 

1. Der lüobtündige Vormittagsunterricht stelle ebe zu große Zumutung 
an die gebtige Lebtungsfäbigkeit des Kindes. Dieser Ebwand bt ungerecht- 
lerti^ wie me zahlreichen ^perimente und die praktbche Erfahrung in den 
Schuen, b denen die Forderung schon erfüllt bt, beweben. 

2. Die Krimbalität des jugendlichen Alters zwbchen 12 und 18 Jahren 
im Zunehmen und werde nach Ebffihrung des ffinfstfindigen Vormittags- 

usterrichts weiter zunehmen. Dem gegenfiber bt zu sagen, daß die Steigerung 
der Verbrechen im wesentlichen auf die schulentlassene Jagend entfällt, daß 
außerdem die Pflege der Volks- und Jngendspiele und Femhaltung der schul¬ 
pflichtigen Jagend an den freien Nachmittagen von der Straße eb Vorbengungs- 
mittel gegen die zunehmende Verrohung bedeutet 

3. Das Familienleben soll durch die Ebffihrung des ffinbtündigen Vor* 
mittagsunterrichts beebträchtigt werden. Dieser Ebwutd bt hbfällig, da 
nach den Erfahrungen, die namentlich auch die Aerzte b der Prazb der ar¬ 
beitenden Bevölkerung täglich machen, das Mittagessen bei der Hast, mit der 
es der Arbeiter ebnehmen muß. sofern er überhaupt nicht außerhalb des Hauses 
SU essen genötigt bt, am wenigsten geeignet erschebt, den Familiensinn zu 
fördern. 

4. Der Ebwand, der pfarramtliche Religionsunterricht sei bei Eb- 
führung des fünfstündigen Vormttagsunterrichb schwierig zu erteilen, kann 
bei ei^ermaßen guten Willen der Beteiligten kaum ernstlich b Betracht 
kommen* 

Hiermit entfallen die sämtlichen Ebsprüche gegen die Ebrichtung des 
ungeteilten Unterrichts. Nicht ernstlich genug kann aber betont werden, daß 
diese Ebrichtung dem Nebensweck nicht dienen darf, daß die Schuljugend 
dadurch b der gewerblichen Beschäftigung freieren Spielraum habe. Eine 
solche Ausnutzung der Nachmittage würde den ganzen Nutzen, der erzielt 
werden soll, zu nicht« machen! 

Für die praktbche Durchführung dieser Art der Unterrichbdnteilung 
kommen drei Cresichbpankte b Frage, die ab Forderung der Hygiene auit 
BUSteUen sind: 

1. Die Dauer der «bzeben Unterrichtsstunden bt auf 45 Mbuten 
XU kürzen. 

2. Zwischen Je zwei Stunden sbd Pansen einzuführen, deren Dauer mit 
der Zahl der Unterrichtsstunden wachsen muß. 

8. Der gymnastbche Unterricht bt nicht ab ebe Erholung anzusehen. 
er Ist aus den wbsenschaftUchen Stundenplan anszumerzen. 

Die Erfolge, die znm Besten der Schuljugend und auch des Staats- 
organbmus aus den ungeteilten Unterricht entspringen, sbd kurz folgende : 
Hebung des allgemeben Gesundheitszustandes und der körperlichen Ent¬ 
wicklung der Schuljugend, Hebung der Wehrkraft des Volks, Zunahme der 
Widerstandsfähigkeit gegenüber der Tuberkulose und den Infektionskrank¬ 
heiten überhaupt. _ Dr. Solbrig-Alleinsteb. 



886 


Kleinere ICiiteUiuigea und Beierate au Zeiteehrtttea. 


Zam Preblen der Sexnnlbelelinuif* Von Dr. D. Sarason-Berlin. 
Zeitaohrilt fdr Sehnlgesandheitspflege; 1907, Nr. 12. 

Nachdem auf dem letzten Kongreß der Denteehea Oeeellachaft zu Be> 
kimpfang der Geschlechtskrankheiten seitens der preoßischen Begienugsrer- 
teeter zu Frue der sexaeilen Jagendbelehrnng Eiklämngen in entgegen» 
kommendem Sinne abgegeben worden sind und nachdem in jüngster Zeit der 

S reußische ünturichtsi^ister sich zutimmend zu gesetzlichen Einfährug 
es biologischen Scholonterrichts geäußert hat, ist Hoffnung yorhanden, der 
LOsong des Problems der Sexoalbelehrong näher za kommen. 

Om drei Fragen handelt es sich: 1) Welcher Zeitpunkt ist für die Be¬ 
lehrung zu wählen? 2) Wer nimmt die Belehrung am zweckmäßigsten yor? 
8) In welcher Art hat die Belehrung zu erfolgen? 

Zu 1) sollte, da es ja duauf ankommt, den Schäden yorzabeugea, die 
au Unkenntnis und Irreleitung erwachsen, schon yom Beginn der Pubertäts- 
entwicklung eine Aufklärung, und zwu eine elementare, sich zwanglos an den 
natugeschichtlichen Unterricht auchließende erfolgu. Die Aufklärung über 
den Geschlechtsyerkehr und seiner Gefahren ist jedoch yon dieser Elementar¬ 
belehrung zu trennen; sie ist einer späteren Zeit yorzubehalten und erst nach 
der Entlusung au der Schale yorzunehmen. 

Zu 2) &d die Eltern, wie yon manchen Seiten yorgeschlagen ist, nicht 

Ä t für die Aufklärung, auch nicht der Arzt, yielmehr ist es der Lehrer, 
) frühzeitige elemenUre Belehrung über den Smn und die biologische 
Stellung des Sezuallebeu am besten zu übertragen ist. Die darüber hiiiaas- 
gehenden hygienischen Aufkläruagen über die Gefahren des Geschlechtsyerkehrs 
sind im Auchluß an Fortbildungskurse oder auf den Hoch- und Fachschulen 
duch Aerzte zu erteilen. Kurse der letzteren Art will Verfasser yon Staats¬ 
wegen eingerichtet und mit gesetzlicher Pflicht zu TeUnahme für bestinunte 
Altersklassen ausgestaltet wissen. 

Zu 8) ist me Umgestaltung des natuwisseuchaftlichen Unterrichts in 
den Schalen die Grundbedingung und die Forderung der gesetzlichen Ein¬ 
führung des biologischen Schulunterrichts, yon welchem die Sexualaafklärnng 
einen integrierenden Teil darstellt, aufzutellen. Für einen gedeihlichen Unter¬ 
richt ist die Schaffung eines .Leitfaden für den biologischen Schuluntenicht* 
nnuläßlich. Hierzu sollte edn Preisausschreiben der Behörden eingeleitet 
werden. _ Dr. Solbrig-AUeutein. 

Zw Sehnlnrztfhige. Von Dr. med. 0. Dornblüth in Frankfürt a.M. 
Archiy flLr Volkswohlfahrt; 1907, Heft 1. 

Für die Volksschulen darf in den meisten deutschen Staaten die Schnl- 
arztfrage als gelöst gelten, während man bei den höheren Schalen eigentlich 
noch yor dem Anfanu steht. Die Gründe dafür sind nach Auicht des Ver- 
fusers in der Teilnabmlosigkeit zu suchen, mit der ein großer Teil der gebil¬ 
deten Menge der Gesundheitspflege gegenübersteht, und in der Agitation, 
durch welche ein erheblicher Teil yon il^ durch die Naturheilyereine yon einu 
yernttnftigen Gesundheitspflege abgelenkt, der Kurpfuscherei und diätetischen 
Sonderlichkeiten zugeführt wird. So zei^ denn ein flüchtiger Bundblick in 
den Klassen der höheren Schulen, daß dort ebenso, wie in den Volksschulen, eine 
Menge kranker, mit chronischen Leiden behafteter Kinder sitzt, deren Zustand 
nicht beobachtet, nicht erkannt wird und deshalb immer mehr einwurzelt. 
Ein schlagender Beweis ist die geringe (60*‘/o) MilitärtaugUchkeit der aus den 
höheren Schalen Heryorgehenden. 

ln analoger Weise, wie man jetzt bei der militärischen Aushebung die 
Lungenkranken den Heilstätten zuzuweisen in Begriff ist, könnte in den höheren 
Schalen eine yiel größere Zahl beiderlei Geschlechts und auf früherer Ent¬ 
wicklungsstufe hinsichtlich der Gesundheit helfend beeinflußt werden. Es ist 
kein Zweifel, daß die yon der Schale ausgehenden Gesundheitslehren alsdann 
ihren Weg in die Familien Anden und hier tausendfachen Segen stiften würden. 
Ohne Schularzt sind sie aber undenkbar. 

Der Einwand, daß hygienisch gebildete Lehrer solche Belehrung er¬ 
teilen könnten, entkräftet Verfasser damit, daß zunächst solche gamicht yor- 
lianden, und daß, wenn sie da wären, cdne solche laienhafte Kenntnis der 
eaundhoitslehre nicht befähigen würde, den Unterricht in der Hygiene wirklich 



Kldoore lOtteflaogen and Referate aas Zeltsclurlften. 


887 


fraehtbar and dorehgreifend sa sestalten, die krankhaften Zostlnde der 
Sehmer sa erkennen and za beorteUen and den Weg za ihrer BeseitJgong sa 
weisen. Das sind Dinge, die lediglich in der Fähigkeit des Arztes liegen. 

Das richtige Mittei dnrch ^ftthrang der Hygiene in den Scholbetrieb 
die Leistongsf&higkeit der Schttler za steigern and eine gesande Schaljagend 
sa schaffen, die ^ wirkliche Blüte der Nation ins Leben hinaostritt, ist die 
Einfühiang des Schnlarstes für die höheren Lehranstalten. 

Dr. Kypke>Barchardi>Bitbarg. 


Das englische ünterriehtsgesets tob 1907 (The chfldrens charter of 
health). Von Dr. Arthar Newsholme, F. B. C. P., medical offleer of health 
of Brighton. Pablie health; 1907, XX. Dezember. 

Das Referat in dieser Zeitschrift 1906, S. 778 hatte mit den Worten 
geschlossen: ,Die englische ZentralnnterrichtsbehOrde habe bisher das Hanpt- 
hindemis für den wissenschaftlichen and rationellen Fortschritt der Erziehong 
in den yergangenen 12 Jahren dargestellt. Im «Board of edacation* sollte daher 
eine eigene medizinische Abteilang geschaffen werden, die über Inspektoren 
sa yerfügen hätte, die aof dem Gebiete der Schalhygiene erfahren seien 
V(m diesen würden dann die Schalärzte Leitang, ünterstützong and Mitarbeit 
za erhoffen haben.* 

Inzwischen ist diese Medizinalabteilang gebildet worden; an ihre Spitze 
warde Dr. Newmann gestellt. Das erste Zeichen ihrer Tätigkeit ist die 
YerOffentlichang der Aosführongsbestimmangen zom englischen Unterrichts* 
gesetze yon 1907: Die Denkschrift über die ärztliche Besichtigong der 
Önder in den Offenlichen Elementarschalen. In der Zentralinstanz wird das 
Zosammenwirken zwischen der neaen Abteilang and dem Local Goyemment 
Board zor Errichtong eines Reichsgesandheitsamtes führen; in der Lokal* 
instans ist ein ähnliches einheitliches Zusammenwirken zwischen Schalarzt 
and Medizinalleamten geboten. Die Verwaltongsmaßnahmen des neaen Gesetzes 
sollen aaf der breiten Basis der Öffentlichen Gesondheitspflege bemhen; die 
OrtUchen UnterrichtsbehOrden sollen in möglichst aasgedehntem Maße den 
bereits jetzt schon bestehenden MechanLsmos der ärzUichen and sanitären 
Yerwaltang benatzen, ihn entwickeln and ergänzen, anstatt ihn za ersetzen. 

Vorbengong and Behandlung, aosschließlich auf die Schale gerichtet, 
wird manchmal ebenso ungenügende Resultate ergeben, wie Tätigkeit des 
Arztes, die nar Symptome behandelt ohne die Ursaäen einer Krankheit aas 
dem Wege za räumen. Daher steht an der Spitze der Verwaltongsmaß* 
nahmen aaf Grand des neuen Gesetzes die Besserung schädlicher, häuslicher 
Verhältiüsse. In der Schulhygiene Ist die elterliche Wohnung der «point 
d’appai*. 

Von jetzt an wird selbst das hartnäckigste «Edacation Commitee* nicht 
mehr imstande sein, daß auf gesetzlichen Grundlagen errichtete Gebäude 
einer Schnlgesondbeitspflege zu erschüttern. Dr. Mayer*Sinunem. 


Die Aosfflhrangsbestlmmangen des Board of edneatlon zum neuen 
englischen Unterrichtsgesetze* (Memorandam on medical lnspektion of chil* 
dren in pablie elementary schools. Under section 18 of the edneation [ad* 
mioistratiye proyisions act] 1907). Von Robert L. Morant. Public health; 
XX, Nr. 8. Dezember 1907. 

Am 1. Januar 1908 ist der neue schulärztliche Dienst in England ein* 
geführt worden. Durch den § 18 des Unterrichtsgesetzes yon 1907 ist allen 
LokalanterrichtsbehOrden die P ficht aoferlegt worden, «für ärztliche Besieh* 
tigang sämtlicher Volkschüler sowohl an bestimmten Terminen als za 
solchen Zeiten za sorgen, die die Zentralbehörde angibt; weiterhin ist ihnen das 
Recht yerUehen worden, sämtliche Anordnangen za trraen, die nach Billigang 
dnrch die Zentralbehörde zom Schatze der Gesundheit und des körperlichen 
Beflndens aller Kinder, die die Öffentlichen Elementarschulen besuchen, dienen 
können*. 

Bisher worden nur die kranken Kinder dort, wo schon Schalärzte waren, 
in gelegentlichen Zwischenräumen besacht, und die hygienischen Verhältnisse 
der Sdiole bei demselben Anlaß untersucht. Von jetzt an wird die Zentral* 
instanz angeben, wie oft and in welcher Aasdehnong die Schalen besichtigt 



388 Kleinere lOttdlnngen ud Befemte ans ZeÜsehriften. 

werden sollen, sie wird den LokalonteniclitsbeliOrden mit BatschUgen an 
die Hand gehen and ihre T&tigkeit ttberwaehen. 

Die schnlirstliche Tätigkeit maß der direkten Anfsieht des medieal 
offloer of health schon ans dem Grande nnterstehen, weil die Schnlgesond- 
heitspflege ein Teil der Öffentlichen Gesnndlieitspflege ist and schon jetst dem 
Medisiniubeamten die Pflicht obliegt, dem Lokal GoTemment Board Berichte 
sn erstatten Aber die hygienischen Verhältnisse der Schale, Aber das, was die 
GesnndheitsbehOrden fAr die Gesandheit der SchAler and sar Vorben* 
gong des Aoftretens and der Weiterrerbreitang ansteckender Krankheiten 
nnter ihnen geleistet haben. Der nahe Zasammenhaag swischen dem, was 
nach dem neaen Gesetze den ünterrichtsbehOrden aal demselben Ge« 
biete oblieg and den Aofgabcn der Örtlichen GesnndheitsbehOrden konnte 
sonst za Kollisionen, ferner zar Verschwendang Öffentlicher Mittel lAhren 
Untersteht aber dem medical offleer of health der schalärztliche Dienst, so 
wird ihm Gelegenheit geboten, die Gesandheitsrerhäitnisse seines Bezirkes 
anch in besag auf die frAhen Lebensjahre kennen za lernen; er wird dadurch 
mit der persönlichen Hygiene der BeTOlkerong in engeren Konnex kommen. 

Wenn in dnem Bezirke Emennangen za Schalärzten anf Grand des 
(Gesetzes erfolgen mAssen, so sind Aerste and Aerztinnen yorzoziehen, die aal 
dem Gebiete der Staatsarzneikonde aasgebildet sind oder das Diplom fAr 
Öffentliche Gesondheitspflege erlangt haben, in Schulhygiene erfahren oder 
mit Kinderkrankheiten besonders yertraat sind. Beim Vorhandensein der not« 
wendigen persönlichen and ärztlichen Qaaliflkationen kOnnen die Schalars^ 
geschälte yersehen werden außer yom Medical offleer of health yom Armen« 
arzt, yon einem tAchtigen Praktiker oder Spezialarst. 

Alle Schalärzte, ob Medizinalbeamte oder nicht, unterstehen der Ober^ 
aulMcht des Graischaftsmedizinalbeamten. Sie mAssen mit den Gesundheitn« 
behOrden der Grafschaft in enger FAhlang bleiben, und mAssen in bmmg anf 
das Auftreten ansteckender Krankheiten in ihrem Schul« 
bezirke auf dem Laufenden erhalten werden. 

ln Städten ist die Stadtyerwaltung gleichzeitig LokalbehOrde fAr 
Gesundheitswesen und fAr Unterricht. Die Oberaufliicht hat daher hier der 
medical offleer of health der Stadt. 

Von der UnterstAtzung durch die Lehrer hängt der Erfolg des Gesetzes 
wesentlich ab. Ihr Mitwirken ist aber bedingt yom Verständnis fAr die Not« 
Wendigkeit der Maßnahmen, ln ländlichen Bezirken sind ferner Pflegerinnen 
und Gesundheitsbesueher bedeatongsyolle Glieder zwischen Hans und Schale 
— sie alle mAssen der Aufsicht der medical authority unterstehen. Der Me« 
dizinalbeamte hat in seinen Batschlägen der Kostenfrage sorgfältige Auf« 
merksamkeit zu widmen. 

Die Untersuchung aller Kinder in den Eflementarscholen, nicht bloß 
der schwachen und mangelhaft entwickelten, ist der Zweck des § 18. Er yer« 
folgt die Absicht, das Erziehangssystem den Anbrüchen und Fähigkeiten des 
Kindes anzupassen, Mängel frAh zu entdecken, Krankheiten in ihrem Beginn 
zu erkennen und sie zu yerhAten, and Tatsachen zu liefern, die die Schul« 
behOrde in bezog auf körperliche and geistige Entwicklang der Kinder leisten 
sollen. Die schalärztliche Tätigkeit wäre aber anyollständig, wenn nicht auch 
dgs Leben des Kindes in seinem Heim unter systematische Kontrolle käme. 

Die schulärztliche Besichtigung hat Bechenschaft zu geben: 

1. Ueber yorausgegangene Krankheiten, insbesondere Infektionskrank« 

hdten. 

2. Die allgemeine KOrperbesehaffenheit des Kindes. 

8. GhrOße, Gewicht, Ernährungszustand, Beinlichkeit, Kleidang. 

4. Nase, Schlund, Sprechweise, Mundatmung; Aber Schnarchen, Stottern, 
Zastand der Mandeln und LymphdrAsen, adenoide Vegetationen. 

6. Angenkrankheiten und Sehschärfe. 

6. Ohrenkrankheiten. 

7. Zastand der Zähne. 

8. Seelische Fähigkeiten, ob normal, wenig oder schlecht entwickelt. 

9. Gegenwärtige Mängel oder Krankneiten. Mißbildangen, Lähmungen, 
Bhachitis, Taberkalose, Krankheiten der Haat und LymphdrAsen, des Hnzens, 
der Langen, Anämie, Epilepsie, Chorea, Hernien, Leiden der Wiibelsäale. 



Elefai«re Hittefliiiig«B lud Beferat« ans ZeitsdirifteB. 


Podtira Talsaohen können auch rom Lehrer oder der Schnlpflegerfai 
erhoben werdw. — Um MiflrerstftBdnisse anssnsohaltea nnd nm Anskttnfke sn 
erlangeiu empflehlt sich sn ersten üntersnchnng der Schnlnenlinge die Ein« 
ladnng der Eltern. Die zweite Untersnohnng soil im 7., die dritte im 10. Le« 
bensjabre oder bei der Entlassnng stattflnden. Die Besichtigungen sind in 
den Scbnlstnnden nnd in den Schnlr&nmlichkeiten Torznnehmen. Sie sollen 
möglichst wenig mit dem Unterricht in Kollision geraten. Die Üntersnchnng 
jedes Kindes soll nur einige Minuten beanspruchen. Anf das Lehrpersonal 
hat der Schnlarzt mit Takt Bflcksicht zn nemen. Die Untersnchnngsergeb- 
nisse sind in ein Verzeichnis einzntrsgen, das in der Schnle rerbleibt; sie sind 
Tertranlich zn behandeln. Beim Wechsel der Schnle sind sie dem Kinde mit« 
zngeben. Jeder Schnlarzt hat der LokalnnterrichtsbehOrde über die Ton ihm 
besichtigten Schulen nnd Kinder einen Jahresbericht zn erstatten. Dieser soll 

f edmckt werden. Sonderabdrticke sind den MitgUedem der Behörde nnd an« 
eren beteiligten Personen zn Obergeben. Die Behörde hat bald nach Jahres« . 
Schluß dem Board of edncation 2 Abdrücke einznreichen. Als Berichtsjahr 
gilt das Kalenderjahr, damit der Bericht sich dem Jahresbericht des medical 
officer of health anpassen kann. Der Bericht hat sich anszolassen Ober die 
Zahl der gepiOften Kinder, die Zahl jener, die unter besonderer bzUicher 
Aufsicht stehen, die Art nnd Ergebnisse der Üntersnchnng, die Zahl der in 
der Klasse gemachten Besuche, die Zahl nnd Art der in den einzelnen Jahr« 
gingen anftretenden Krankheitsznstinde, ferner Ober Besonderheiten in bezug 
anf blinde, taube, schwachsinnige nnd epileptische Kinder, Ober ärztliche Ba^ 
schB^'e in bezug anf die Vorbengunn nnhygienischer Zustände, schliefilidi 
Ober Mittel gegen anfgedeckte Krankheitsznstände. Erwünscht sind —. ge¬ 
gebenenfalls erst in späteren Jahren — systematische Vergleiche yon Einzel« 
und Sanunelmessungen der Kinder in jeder Schule, nm fwte Zahlen zn ge¬ 
winnen und für künftige Tätigkeit insbesondere auf anthropometrischem Ge¬ 
biete den Grund zn legen. 

Der Nachweis der Unreinlichkeit, yon Mängeln oder Krankheiten legt 
der LokalbehOrde die Pflicht zur Abnilfe anL Die Erriohtnng yon Schm« 
kliniken zur weiteren Prüfung und s<Msialpolitisehen Behandlung wird sich 
daher aus dem Gesetze ergeben. 

In jedem Bezirke sollen die yon der Verwaltung sn treffendenden Haß« 
nahmen sich den Örtlichen Verhältnissen, ihren Anforderungen nnd den be¬ 
stehenden Hilfsquellon anpassen. 

Als Maßnahmen, die mit der Zeit getroffen werden müssen, kommen 
in Betracht: außer Schulbädern, Zahnpflege: 

Einrichtungen zur Pflege yon büppeln. Schwachsinnigen, yon blinden, 
tanben, epileptisimen Kindern. 

Ausbildung der Lehrer in der Hygiene. 

Das Elementary education !(blind and deaf) act 1898 nnd das elemea« 
tary edncation (defectiye and epileptic) act 1899’), ferner das edncation (pro- 
yision of meals) act 1906 hat den OrtsgesundheitsbehOrden bereits so Viele 
Fflichten anferlegt, daß das neue Unterrichtsgesetz nur eine weitere Aus¬ 
gestaltung berrits yorhandener Keime und Grundlagen bedeutet und nach 
Ansicht der Zentralbehörde ohne Schwierigkeiten ins Leben treten kann. 

_ Dr. Mayer-Simmem. 


Wird durch Anwendung der stanbblndenden FnssbodenSle ln den 
Sebnlen die Stanbanfwlrbelnng während des Unterrichts yermlndert. 
Von Dr. Arnold Meyer, Abteilnngsyorsteher am hyg^en. Institut in Bremen. 
Deutsche Vierteljahrschrift für Öffentliche Gesundheitspflege; 1907, Bd. 89, 
Heft 8. 

Es wurden Versuche in einer Volksschule und einer Bealschnle an¬ 
gestellt, in dem je 2 Zimmer mit Dnstleß-Oel, je 2 mit Westmmlt gestrichen 
wurden nnd je zwei Kontrollklassen nngestrichen blieben. In 1,20 m Hohe 
wurden Kulturplatten ausgesetzt, teils V’ Stunde yor bis */* Stunde nach dem 
Unterricht, teils 1 Stunde yor bis 1 Stunde nach diesem nnd während des 


t) VrgL Zeitschrift f. Medizinalbeamte; 1902, S. 682; ferner 1908, 8. 488. 
*) Zeitschrift für Medizinalbeamte; 1906, S. 778. 



840 


Klebve IfitteUiuigen and Beiente «u ZettsolirlfteB. 


BeinlgeBS. Die heaptBlcUieheteii Ergebnlne waren: Stanbbindaide Wlrkong 
nnr während der BunignngjAbnahme der eUnbbindenden Kraft bis nun Er- 
lOedhen nach hOohstene 8 Wochen. Fttr glatte einwandsfreie Faßböden ist 
dUs Oelen siemUch swecklos, nur bei defekten rissigen Dielen leistet es ante 
Dienste. Das beste Mittel gegen die gesnndheitsgeiährliche Staabentwieklong 
ist häafiM fenchtes Aalwisehen des Bodens, der Sabsellien and der Winde 
bis na E^fhOhe, an dessen kostspieliger Dnrcbftthrnng sieh die Torge- 
sehlagene OrOndnng von ,8chnl - Behugungs - Institaten“ eowlehlen würde. 

Ut. Liebetrau-Hagen LJW. 

O. Armaa- and KraakaapflaK«. Kraakaaaaataltaa. 

SoiUle AnHr«Btaltnng der Armenpflege. Von Stadtrat H. y. Franken- 
berg. Arehir f. Volkswohlfahrt; Jahrg. I, Nr. 1. 

Einen hervorragenden Anteil an der sosialen Ansgestaltnng der offenen 
wie der geschlossenen Armenpflege haben neben den ehrenamtlich tätigen 
Personen, den leitenden and helfenden Beamten die Aerste, and diese Auf¬ 
gabe wird von ihnen in einem wachsenden Umfange erkannt. Die Ftthlang 
Bwischen ihnen and den Körperschaften, in deren Händen die ErfOllang der 
Anfordemngen der hentigen Armenpflege and Wohltätigkeit roht, trägt 
dara bei, Lflcken na ergänsen and Erfahnugen sa erweitern. 

_ Dr. Wolf-Marbarg. 

Krflppelflreorge and ihre Bedeatug fir Yelkawlrtseliaft. Archiv 
für Volkswohlfüirt; Jahrg. 1, Nr. 1. 

Eine Statistik des EgL Institos in Hflnchen hat nachgewiesen, daß von 
den ehemaligen, innerhalb von 26 Jahren darch die Anstalt gegangenen and 
technisch« gewerblich nnterrichteten Zöglingen 98**/« voUständig selbständig 
erwerbsfähig waren. Veranschlagt man die Zahl der Krüppel in Deatschland 
nar anf rand 800000, so würde die Prodoktirkraft einer großen Zahl Ein¬ 
wohner vermöge einer systematisch aasgebildeten Krüppelfürsorge gehoben. 
Mit diesen Zofloß an prodaktiven ELräften würde eine Herabsetzong der öffent¬ 
lichen Armenlasten wie der Aafwendangen der privaten Wohltätigkeit Hand 
In Hand gehen. Mithin dürfte die Lösung dieser Frage nicht nur von volks- 
wirtschafuieher, sondern auch von sozialer und nationaler fiedeatang sein. 

_ Dr. Wolf-Marbarg. 

Fflnorge fflr KrflppeL Ein neaes Arbeitsgebiet der Yolksgesandheits- 
pflege. Von Dr. Leoiüiard Bosenfeld-Nümberg. Deutsche VierteiJahr- 
sehrift L öffentl. (Gesundheitspflege; 1907, Bd. 89, H. 8. 

Der Verfasser, Spezialarzt für orthopädis^e Chirurgie, der schon seit 
Jahren warm für systematische Krüppelfürsorge eingetreten ist, weist wiederom 
an der Hand von Statistiken anf das s. Zt. noch bestehende große Elend der 
Krüppel hin und fordert die Mitwirkang aller für Spezialhygiene interessierten 
Kreise sor Verbesserong der Verhältnisse. Die jetzt bestehenden Anstalten 
reichen bei weitem nicht für die große Zahl der Erüppel aas; allein von den 
jagendlichen Krtopeln kann in Deatschland ungefähr nur der 60. (I) Teil ver¬ 
sorgt werden. Deshalb müssen die Anstalten stark vermehrt werden. Es 
maß in ihnen für aasgiebige ärztliche und orthopädisch-chirurgische Behand¬ 
lung, allgemeine Erziehung (da die Kur oft jahrelang dauert), Ausbildung in 
gewerblichen Fächern zwecks selbständiger Erwerbsfähigkeit gesorgt sein. 
Für unheilbare Krüppel müssen ebenfalls Anstalten vorhanden sein, damit sie 
nicht wie bisher meist ihrem Elend preisgegeben sind. Den nationalökono- 
misehen Wert der ausgiebigen Versorgung der Krüppel illustriert Bosen¬ 
feld darch die Berechnung, daß allein 2(W Millionen Mark jährliche Einbuße 
am deutschen Nationalvermögen durch dis jetzige mangelhafte Krüppelbehand- 
Inng entstehen. Dr. Liebetrau-Hagen L W. 

Ueber IrztUehe Flrsorge fflr Taubstumme nebst Tersebllgen iw 
Beerganlsatlen des Tanbstnmmenbtldnngswesens. Von Prot Dr. Ost¬ 
mann-Marburg. Festschrift aus Anlaß des 70. Geburtstages des (Geh. Med- 
Bats Prof. Dr. Schwartze-Halle. Archiv für Ohrenheilkunde 78 Bd. 

Der Vorschlag besteht darin, daß anschließend m die Taubstummen- 



Xleiaora llUteilMigMi vad Befento aw ZeltselirlfteB. 


841 


aaataltfB nach dem Berliner Vorbilde TanbetnmmeiiTorscbalen ebgeriebtek 
werden. In dieaen Voredmlen werdw die Kinder Je nach ihrer geistigen 
Begabung und ihrer HOrfdhigkeit in 8 Gruppen eingeteilt und swar in 
schwach (1. Gn»pe), mittel (2. Gruppe), und gut (8. Gruppe) bildungdfählM 
Kinder. Diese Gruppierung der Kinder entspridit eine Dreiteilung der Taub« 
stummeaschulen je nach dem Lehrplan und der yorsugsweise angewandten 
üaterrichtamethode. Aul die 2. und 8. Gruppe der Taubstummenschulen baut 
sieh die Fortbildungsschule auf, welche m einen grOAeren Besirk an eia 
oder zwei regionhr günstig gelegene Taubstummensehuea aagesehlossen wird. 
Der Besuch der letzteren ist laku ltatir. Dr. Bndloff«Wiesbaden. 

Bleiben die Erreger gewisser aasteckeader Kraakheltea ln Kranken« 
rinmen Infektlonstflehtlg. Yen Prof. Lemoine. Berue d’£^gi4ne et de 
Police saait&re; 1907, Bd. 29, Nr. 12. 

Mehrere praktische Erlakmngen, die Verfasser in 4j&hriger Tttigkeit 
an der InfektionsabteiluM des Militirlazareths madite, zwangen ihn zu der 
Ueberzengung, daß die Keime ansteckender Krankheiten auflerhalb des Or¬ 
ganismus in den WohnrSumen nicht lange ansteckungsf&hig bleiben. Die mit 
erheblichen Kosten und Onbequemlichkeiten auszufobrenden Desinfcktionsmafi« 
regeln der Krankenzimmer haben nur einen sehr zweifelhaften Wert. 

Als Beweise führt Verfasser zun&chst an, daß die Eritranknngea an 
Scharlach und Masern trotz der Zimmerdesinfektion und trotz der Desinfektion 
der Betten nicht abgenommen, sondern sogar zugenommen haben. 

Ferner führt Verfasser eine Beihe interessanter Einselbeobachtungen an: 

ln den Isolierzimmem des Hospitals mußten unter dem Zwange der 
Not die yerschiedensten Infektionkranken (Scharlach, Masern, Mumps, Diph« 
terle, Blattern usw.) untergebracht werden, ln 91 Fällen zog der Nenauf« 
mmonunene noch an demselben Tage in das Zimmer ein, an welchem es sein 
Vorginger yerlassen hatte. Niemals erfolgte eine Infektion, obwohl die Deo« 
Inflation in der Mehrzahl nur in Entfernung des Bettzeugs und Abwaschen 
der Gebrauchsgegenstinde mit kochendem Wasser bestand. 

In einem Falle mußten die Scharlacbkranken wegen Baummangels 
mit Mumpskranken den Saal tauschen. Später wurden sie wieder zurück- 
verlegt. In den Saal der Scbarlachkranken zogen nach ebiger Zeit Masern« 
kranke ein. Niemals, auch in weiteren Fällen yon Verlegung, erfolgte eine 
TTebertragung, obwohl keine yollständige Desinfektion des Zimmers ansgeführt 
wurde. 

Eine sehr yiel wirksamere Maßnahme als die Zimmerdesinfektion ist 
die Vermeidung direkter Uebertragnng yon Krankheitskeimen yon Person auf 
Person oder «iroh Gebrauchsgegenstinde. Für den enteren Debertragnngs« 
medus ist beeonden die Ermittlung leichter oder laryierter Fälle wichtig. 

Dr. Dohrn-Hannoyer. 


ErfaknugüB »it fugenleseu Fussbßden. Von Stadtbanrat Peters 
in Magdeburg. Tecbn. GemeindebL; 1907, Nr. 17. 

Die Bestrebungen, einen wirklich fugenlosen Fußboden zu erhalten, sind 
sehr intensiy und hanen zur Herstellung einer Unmenge yon Stoffen geführt, 
die aber zum großen Teil den Erwartungen nicht entsprochen haben. Der 
wesentliche Bestandteil aller ist Magnesit, ein bei uns nur in Scblesien yor« 
kommendes Gestein, das gemablen mit Cblormagnesinm, Sägemehi, Kieselgnhr 
und dergL yersetzt wird. Es kommt auf peinliche Mischung und ferner auf 
eine Menge technischer Feinheiten der Unterlage u. s. f. an. Deshalb ist bei 
Auswahl des Materials große Vorsicht geboten. Jedoch glaubt Peters, daß 
bereits Brauchbares auf dem auch hygienisch so wichtigen Gebiete geschaffen ist. 

Dr. Liebetrau«Hagen L W. 


D. Bekimpftuis des Alkoholismvs. 

Der Alkekellsmms und die Insseren Tuberkulosen beim Erwachsenen 
■ni beim Kinde« Von Beynier. Bnllitin Nr. 41 der Akademie der Medizin. 
Paris 1907. 

Nach Beynier begünstigt der Alkoholismus nicht nur das Entstehen 
der Langentuberkalose, sondern ebnet auch den Boden für die äußere Tuber« 



842 


Kleinen lüttefliiiigaB and fiefente mm Zett8elizift«D. 


knlose. «Wer trinkt oder getrunken hat, lieht frtther oder spiter seinen 
Alkohol Bich ln Eiter Terwnndeln*. In seiner T&tigkeit mn Hospital Lari- 
boisidre hat Beynier spesiell bd Uteren Patienten Ober 60, welche sonst 
sehr rttstig und Tor allem in keiner Weise hereditär tuberkulös belastet waren, 
aber yiel tranken, zahlreiche Fälle von äußerer Tuberkulose beobachtet: 
tuberkulöse Gelenk* und Enochenentzttndungen, Spondylitis, Synovitis fun* 
gosa, Orchitis und Epididymitis tubercnlosa. Bei diesen äußeren Tuberkulosen 
im höheren Alter werden nur höchst selten Lungenaffektionen gefunden. Der 
Alkohol bereitet den Boden vor, auf dem sich häufig im Anschluß an ein 
Trauma die Tuberkulose entwickelt. 

Diese Empfänglichkeit fttr äußere Tuberkulose vererbt sich auf die 
Kinder der Trinker. Uaium Pottii, Coxitis, Tumor albus, Synovitis fungosa, 
Lymphadenitis tnberculosa bei diesen Kindern sind anf den Alkobolismns der 
Eitern zurückzuffibren. Ein einziger Sonntag in einer kleinen Stadt der von 
Alters her wegen ihres Trinkens beittchtigten Bretagne überzeugt von dieser 
Wiüirheic. Ein Blick auf die schwankenden, abgezehrten Gestalten der Männer 
und anf die ihnen folgenden Scharen von buckligen und an Krücken sich 
Bchieppenden Kindern läßt erkennen: Hier sank eine Nation durch den Alkohol 
in Agonie. _ Dr. Paul Schenk-Berlin. 

Der Kampf gegen den AlkohoUsmus (la lütte contre Talcoolisme). 
Von Dr. L. Viand und H. A. Vasnier. Zusammenstellung zweier von der 
Acadämle des Sciences morales et politiques gekrönten Preisschriften. Paris 
bd Asselin et Houzeau. 198 Seiten. 8 Frcs. 

Die auf dem Wege der Gährnng gewonnenen alkoholischen Flüssig* 
keiten: Wein, Most, Bier sind nach den Verfassern ebenso wie der Kaffee hy* 
gienische Getränke. Nur der Branntwein vermag den AlkohoUsmus her* 
vorzurufen und ist ans diesem Grunde zu bekämpfen. Der Wein ist eines der 
besten Gegenmittel gegen den AlkohoUsmus. 

Das Buch zeigt deutUch, zu welcher erschreckenden nationalen Gefahr 
für Frankreich die verschiedenen digestiven und aperitiven Liquere, in spede 
der Absinth, und ferner auch der mit Branntwein gemischte Kaffee geworden 
dnd. Es bringt hierüber fttr die verschiedenen Schichten der BevOlkemng: 
Arbeiter, Soldaten, Seeleute, Landbewohner eine reiche FüUe von Daten. 
Gleichzeitig lehren die Ausführungen der Verfasser wieder einmal, ein wie kom¬ 
pliziertes Problem die Alkoholfrag e darateUt . Dr. Paul Sehenk*BerUn. 

Auskunfts- und FOrsorgostellen für Alkoholkrauke. Von Dr. J. Wald* 
Schmidt. Mediz. Beform; 1907, Nr. 52. 

In Herford, Harburg, Bielefed und neuerdings auch in Erfurt und Dort¬ 
mund ist der Kampf gegen den Alkoholismus von Seiten der Polizei oder der 
Stadt planmäßig anfgenommen worden. Die in diesen Städten eingerichtete 
Trinkerfürsorge führt Kontrolle über die einzelnen Alkoholisten und sucht 
ihnen außer durch ProtokoUerung der einzelnen Fälle je nachdem durch ernstes 
Zureden oder aber sie durch Entmündigung nach Möglichkeit unschädUch zu 
machen. An SteUe dieser in den Händen der Polizeiorgane und sozialgesinnter 
Laien ruhenden Trinkerfürsorge will Waldschmidt eine von ärztlichen 
Gesichtspunkten ausgehende Speziallürsorge für Trinker ungefähr nach dem 
Muster der Fürsorgestelien für Lungenkranke. Er ruft die Aerzteschaft von 
Groß-Berlin zur tätigen Anteilnahme der Einrichtung derartiger Fürsorge- 
steilen anf. _ Dr. Paul Schenk-Berlin. 

Die Behandlung der Alkoholisten. Beferat, erstattet in der Sitzung 
der Vereinigung für gerichtliche Psychologie und Psychiatrie im Großherzog¬ 
tum Hessen am 4. Mai 1901. Von Dr. med. Waldschmidt, Charlottenburg. 
Juristisch-psychiatrische Grenzfragen; Band VI, Heft 2 u. 8. 

Ein hoher Prozentsatz der Alkolisten ist erblich psychopathisch belastet. 
Außer dem vererbten Alkoholismus kommen für die alkoholische Minderwertig¬ 
keit des Geistes auch Ernährungsstörungen, Infektionskrankheiten, Traumen 
in Betracht. Nicht alle Alkoholkranke sind trunksüchtig. Zur Trunksucht 
gehört der unwiderstehliche Zwang. 

Waldschmidt will, daß in Zukunft mehr^Tmnksüchtige als bisher| 



Kletaere MittelliwgttB und Beferate am ZdtBchriftra. 


848 


] zwaagBwdae Speaialanstalten Aber wiesen werden. Die Hoffirang, dafi die An* / 
* dxolmng der ESntmttndignng voUe Trinkerlieilanstalten erwirken würde, hat* 
sieh nicht erlttUt. Die yorhandenen Anstalten sind höchstens an be* 

setst. Jetzt soll der Staatsanwalt das Becht erhalten, den Antrag anl Ent* 
m&ndignng der Tronksttchtigen zu stellen. Außerdem soll in einem Trinker* 
fftrsorgegesetz die Möglichkeit yorgesehen werden, Alkoholkranke gegen ihren 
Willen ohne Entmtlndignng einer Spezialanstalt zoznweisen. Zunächst freilich 
ist immer der Versnch za machen, den Alkoholkranken ditrch ernstliches Za* 
reden zom freiwilligen Eintritt za bewegen. 

In einer Trinkerheilatätte gibt es mehr za tan, als Moralpredigten za 
halten oder lediglich die Abstinenz beizabringen. Daher maß zar Leitang der 
Triakerheilstätte unter allen Umständen ein psychiatrisch gebildeter Arzt be* 
rufen werden. Macht doch schon die sachyerständige Begatachtang der unter 
den Pfleglingen zahlreich yertretenen Alkoholkranken, welche sich gegen das 
Strafgesetz yergangen haben, die ärztliche Leitung der Anstalt notwendig. 
Geradezu unerträglich ist der gegenwärtige Zustand, daß der Leiter der Heil* 
Stätte in bezug auf die Dauer der Behandlung bei den .freiwillig* eintreten* 
ten Kranken yon einem geistig nicht yollwertigen Menschen abhängig ist. 
Gegen Schluß des ersten Vierteljahres der Heilstättenbehandlung pflegen die 
Alkoholkranken ein euphorisches Stadium zu passieren, welches bald yon der 
entsprechenden Depression abgelOst wird. In dem enphorischen Stadium 
glauben die Kranken, der Anataltspflege nicht mehr zu bedtlrfen, da sie nach 
Qirer Ansicht allen Anfechtungen gewachsen sind. Bier müßte der Arzt 
das Becht haben, den Kranken in der Anstalt zurflckzuhalten. Die Korn* 
bination offener und geschlossener Häuser, wie sie in Waldfrieden durch* 
geftthrt ist, hält Waldschmidt fflr seu zweckmäßig. 

_Dr. Paul Schenk-BerUn. 

B. KArparpfleg«. Volkabadawasan und Bndaanstaltaa. 

Beltrige zur hyglenlsohea Erziehung des Mensehengesahleehtes. 
Von Oberstabsarzt Dr. Neumann. Blätter f. Volksgesundheitspflege; 1907, 
Nr. 11. 

Die Beinlichkeit ist die Grundlage aller Hygiene; sie spielt eine große 
BoUe bei der Desinfektion, bei der sogenannten ersten Hilfe, in der operatiyen 
Medizin, nicht zum mindesten aber bei der Verhfltung ansteckender Krank* 
hdten. Sie muß sich namentlich auf die Hände erstrecken und eine sorgfältige 
Nagelpflege einschließen. In diesem Punkte kann nicht weit genug gegangen 
werden. 

Wir setzen unsere hygienische Hoffnung der Zukunft auf die Kinder. 
Wir setzen sie auf den hygienischen Schulunterricht, den der Arzt und der 
hygienisch gebildete Lehrer erteilen soll. Es ist notwendig, daß in den Schul* 
lehrerbildungsanstalten aller Art ein durch Aerzte zu etteilender hygienischer 
Unterrichtskursus als ein wichtiger Teil der Pädagogik elngefttbrt werden muß. 
Die belehrten und zur Hygiene erzogenen Lehrer sind daher imstande, anch 
die Schüler zu erziehen. Man wende nicht ein, daß dadurch die Kurpfuscherei 
gefördert würde, im Gegenteil: ein richtig geleiteter hygienischer Unterricht 
ist das beste Mittel, der Knrpfuscherei entgegen zu arbeiten. Prcilich darf 
hier eins nicht yergessen werden: Verhütung yon Krankheiten und Behandlung 
yon erkrankten Menschen ist nicht dasselbe. An der ersten Aufgabe erzieherisch 
mitzuarbeiten, ist jeder berufen; wenn er selbst eine zweckmäßige fach* 
männische Belehrung durch den Arzt erhalten hat. Dann sind wir sicher, daß 
gewisse hygienische Grundregeln, die der Wissenschaft entsprechen, in die 
Lehrerschaft übergegangen sind. Die Behandlung erkrankter Menschen ist 
lediglich Sache des Arztes. Von diesem Grundsätze können wir nicht ab* 
weichen. Eine einzige Ausnahme macht der Unterricht in der ersten Hüte 
bei Unglücksfallen. Auch hier aber zeigt der richtig geleitete Unterricht, wo 
die Grenze liegt zwischen der Laienhilfe und der Behandlung Erkrankter durch 
Aerzte. Dieses Gebiet grenzt ebenfalls lediglich ein guter Unterricht ab. 

Wenn wir nun z. B. unsere Kinder yon klein auf an saubere Hände, 
an reine Nägel systematisch gewöhnen, wenn wir ihnen durch hygienische 
Erziehung die Unsauberkeit, den Schmutz abgewöhnen, so kommen wir anch in 
der hygienischen Erziehung der Menschen einen großen Schritt weiter yorwärts. 



344 


EMaere MltteQiingaB nad Baferata aai Zaltaehiiftea. 


Eltarahaas oad Schola wirken hier aintrlektig ztuammea. In dar Eindarerziakaac 
ist die Erziehong zur Bainliehkeit obenan za stallen. Diese Erziehung man 
eine grfindlicha sein. Im Eitemhaase ist der Grand za legen, in der Schale 
ist die Erziehung fortzasetzen. Gerade auf die unbedingte Eörperreinlichkeit, 
Tor allem Handreinlicbkeit, ist Wert za legen. Der Wert dieser byrienischen 
Einderstabe wird dann auch später gespürt beim Erwachsenen, fländewaschen 
and MuadspQlen yor dem Essen und nach dem Essen gehören gleichfalls hierher. 

_ Dr. Wolf'Marburg. 


Die Pflege der ESrperkaltar Im Jerdanpark za Krakau« Von Proi 
Max Gatmann-Wien. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege; 1906, N. 1. 

Vor 20 Jahren begrflndete der Philanthrop y. Jordan ans eigenen 
Mitteln in Erakan die 10 ha umfassende Parkanlage mit Spiel- und Tarn- 
plitzen zur Erholung and Eräftigang der gesamten BeyOlkerang, die noch 
honte in Europa fast einzig dasteht. Daß große Mißtrauen, das £e Beyölke- 
rang zonächst der Binrichtang entgegenbrachte, woßte der Stifter durch an- 
ermttdiiche, selbstloseste Tätigkeit und durch yerschiedene Wohlfahrtseinrich« 
tnngen, wie Bekleidang der ärmeren Binder und Lebrbarschen, Einffthrong yon 
Sparbttchem, Brausebädern n. a. allmählich za überwinden, so daß in den günstigen 
Monaten jetzt täglich etwa 1200 Kinder dort Erholung and Kräftigung Anden. 
An den Sonntagen gehört der Park aosschließlich den Arbeitem, Gesellen and 
Lehrlingen. Die Erfolge sind außerordentlich gute, nicht nur anf hygienischem 
Gebiet, sondern yor allem auch anf ethischem. Jordan ist yorigen Sommer 
gestor^n; sein Vermächtnis hat die Stadt Krakau angetreten, die jetzt, 
am den Spielen der reiferen Jagend mehr Platz za gewähren, beabsichtigt, 
einen 200 ha großen Wiesenplatz, der sieh an den Jordanpark anschließt, als 
Spielplatz zngänglich za machen und nach englischem Master auch eine 
Schwimmanstalt der Anlage znzafügen. Dr. Solbrig-Allenstdn. 


Helsslaftbflder als Tolksblder. Von Ingenieor W. Granow«Altona. 
GesnndheitS'Iogeniear; 1907, Nr. 61. 

Solange den Minderbegüterten and haaptsächlich der arbeitenden Be- 
yölkerongsklasse eine Badegelegenheit in der eigenen Wohnung nicht geboten 
wird, miu der Staat oder die Eommone durch Errichtung yon Volksbädem 
mit tunlichst niedrigen Preisen für das Volkswohl sorgen. Bei Auswahl der 

f geeigneten Badearten wird man sich fragen müssen, ob nicht durch die An- 
liederung yon Heißluftbädern an Volksbadeanstalten dieser Verpflichtunff am 
esten entsprochen wird, indem dadurch diese Art der leichten und aabei 
intensiyen körperlichen Beinigunff, yerbunden mit außerordentlicher Heilkraft, 
den weitesten Kreisen der Beyölkerung zugänglich gemacht wird. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 


Elalge TenchlBge bezflgUeh der EtnrichtuBg yon Badeaaztaltea« 

Gesundheits-Ing.; 1908, Nr. 2. 

Es wird hier das sogen. Umwälzungsflltrlersystem yorgeschlagen, um 
folgende Vorteile zu erreichen: 

1. Verminderung des Frischwasserrerbrauchs, 

2. Verminderung des Wärmeyerlustes, 

8. Verbesserung des Beinheitszustandes des Sebwimmbadwassers und 
des Bassins, 

4. Erhöhung der Ergiebigkeit der Kaskaden. 

Das betreffende System erfordert nur die Einschaltung eines oder 
mehrerer Filter in die Umwälzungsleitung. Die Filter brauchen nicht sehr 
groß zu sein, weil nie große Fiitriergesenwindigkeit zulässig ist; als Filter- 
materiid wird am besten Kies benutzt. Die Beinigang der Filter geschieht 
am besten durdi Luftgebläse; eine Ozonisierung des Umwälzunffswasseri 
würde zu kostspielig sein. Dr. Wolf-Marburg. 


Ein neuer Sleherheits-Mlsehapparat für Badeanlagen« Von K. Kauff- 
mann. Gesundheits-Ing.; 1908, Nr. 2. 

Seit einiger Zeit hat sich ein neuer Sicherheitsmischapparat im Betriebe 
praktisch bewährt, der infolge seiner Einfachheit und neuartigen Wlrkuaias- 



Kl«here lüttdlugea ud Sefertte »us Zeltaelirifkeii. 


845 


weise Beaehtong Terdient und einen Fortschritt bedentet. Als weiterer Vor* 
teil wird die Billigkeit erwähnt, so dafi man diesen Apparat anch in solchen 
FiUen mH rerwendw kann, in denen man ans Sparsamkeitsgrttnden sonst Ton 
einer Sicherheitsrorrichtang tiberhaapt absehen würde. 

_ Dr. WoH-Marbnrg. 


F. ▼•rkehrsliyFleA«. 

Der Terkehr ind die TerkehrssebBden. Von Geh. Bat Prof. Dr. 
Bahn er. Hygien. Bondschan; 1907, Nr. 18. (Festnnmmer sa Ehren des 
XIV. Internationalen Kongresses für Hygiene und Demographie). 

Unter dem flisenbahnpersonai erkranken die Zagbeamten häafiger als die 
Stationsbeamten und Bahnwärter. Die ZagbefOrderangsbeamten werden mit 
46 bis 50 Jahren, die Zagbegleitong mit 51 bis 55, die Stationsbeamten mit 
56 bis 60, die Bahnbewacnong mit 60 bis 65 Jahren pensioniert. Becht händg 
sind unter den ZagbefOrderangsbeamten NerTenkrannheiten, Krankheiten der 
Verdaaangs- and Zirkalationsorgane. Der Großstädter ist aaf die verschie* 
densten Verkehrmittel angewiesen; die Zahl der Fahiten ist von 42 pro Jahr 
and Kopf im Jahre 1877, auf 190 im Jahre 1897 gestiegen; damit hänfen sich 
auch die Unfälle. Der Verkehr bringt die verschiedensten Belästigongen 
dnrch Baach and Boß der Stadtbabnlokomotiven, Bensingerach der Motor* 
fährseoge osw. mit sich. Am schädlichsten ist der Straßenlärm, der eine 
gewisse nervOse Anspannnng erseagt. Der Lärm rührt in seiner leisten Ur¬ 
sache von den Stoßen her, welche das Wagenmaterial treffen. Diese Stoße 
and Bewegungen können manchen bei langen Fahrten sa einer Art Seekrank¬ 
heit bringen und bedingen die Anstrengung der Fahrt durch die fortwährenden 
Aosgleieksbewegangen, die sie vom KOrper verlangen. Verfasser hat einen Sto߬ 
messer konstruiert, der die Stoße durch eine rotierende Trommel und drei schnell- 
schwingende Pendel aufxeichnet. Es folgen verschiedene Abbildungen von 
Kurven, die während einer Dampfschiffs-, Eisenbahn- und Omnibusfabrt auf- 
genommen sind. Das Dampfboot ut last vollkommen stoßfreL Bei der Eisen¬ 
hahnfahrt entstehen sahireiche Stoße; wesentlich großer sind aber die Schwan¬ 
kungen bei einer Omnibusfahri. Für einen Kilometer Weg erhält man in der 
Eisenbahn 180, in der Pferdebahn 7860, im Omnibus 115SD QuerstOße. 

Durch deu Stoßzähler ist man in der Lage ganz objektiv die Verhält- 
nisM eines Verkehrsmittels zu beurteilen. 

Selbstverständlich wird auch für die Kontrolle des Betriebes auf Bahnen, 
auf anderen Verkehrsmitteln, auf Seeschiffen und Kriegsschiffen durch weitere 
Experimente und Beobachtungen manche wichtige Frage gelOst werden 
können. 

Ein Teil der großen Gefahren und Unbequemlichkeitea des Straßen¬ 
verkehrs wird in neuerer Zeit durch die unterirdische Anordnung der Ver¬ 
kehrsmittel vermieden. Aber auch dann wird es Aufgabe der Behörden 
■ein, durch Kontrolle des Fahrmaterials zu einer Hebung und Besserung der 
letzteren im Interesse der Beisenden wie der Fußgänger und Anwohner bei- 
zutragen. _ Dr. Knrpjuweit-Berlin. 


O. Oeflngntnhjrgiana. 

Staatsgeflngnls ln Buenos-Ayres. Von Direktor Antonie BallvO- 
Buenos-Ayres. Arcbivos de Psiquisatrie y Criminoiogia. Mai-Juni 1907. 

Der Direktor des Nationalgeflngnisses in Buones-Ayres hielt über die 
äußere und innere Einrichtung desselben einen Vortrag auf dem 8. Congiös 
medico-latin-americain in Montevideo. Das 1000 Strafgefangene anfnehmende 
Gefängnis wurde gebaut in den Jahren 1869—1877, wo sich die ersten huma¬ 
nitären Bestrebungen auch auf diesem Gebiete gelten machten. Die 704 
Gefangenensellen Uegen an 5 langgestreckten Gebäuden, welche strahlenförmig 
von einen gemeinsamen Mittelpunkt aasgehen, so daß die sämtlichen 5 Korri¬ 
dore von einer Stelle aus übersehen werden können. Umgeben sind 
■ie von Gartenanlagen, in denen sich noch Einzelgebäude, wie Krankenhaus, 
Fleischerei, Bäckerei u. s. w. befinden. Die ganze Anlage ist von einer 7 m 
hohen Mauer umgeben. Die Zellen haben eine Große von 4:2,2. Die Ge¬ 
fangenen werden möglichst nach Gruppen eingeteilt, so daß die leichteren von 
den schweren Gefangenen und vor allem die BückfäUlgen gesondert sind. 



846 


Klflinere MitteüiiBgeii and Beferate »ns ZettsehrilteB. 


Bemerkenswert sind die aoßerordentlich homanen Prinsipien in der 
Leitung, welche in der moralischen Wiederherstellung der Gefangenen das 
Ideal sieht Die Disziplin ist streng und gerecht; ein absolutes Aufgeben 
des eigenen Willens ist die Bedingung, die durch Bat und Ueberredung er« 
reicht wird. Körperliche ZOchtigung ist absolut ausgeschlossen, einzige Strafe 
ist Zellenhaft, die bis zu 14 Tagen verhängt werden darf, ev. mit Yerschär* 
fung durch Beschränkung der Kost. Die oberen Beamten der Strafanstalt 
bilden zusammen eine Art von Gerichtshof, welcher halbjährlich die Gefangenen 
nach ihrer Führung in 6 Stufen einteUt nach den Aussagen der Wärter, 
Lehrer und Arbeitsvorsteher. Jede dieser Stufen gewährt den Gefangenen 
eine fortlaufende Beihe von Vorteilen, die in der Erlaubnis von Besuchen, Be« 
nutzung des Turnplatzes an Sonntagen und anderen Freiheiten bestehen und 
die in der jährlichen Verminderung des Strafinaßes gipfeln. Dies System der 
selbst erworbenen Belohnungen hat bisher nur gute Erfolge erdelt. Das 
Gebot des beständigen Schweigens ist als widernatürlich aufgegeben. Der Tag 
des Gefangenen ist so eingeteilt, daß für Gesundheitspflege, Ern^rung und Buhe« 
pausen 4, Arbeit 9, Schulunterricht 2, Schularbeit in den Zellen 1 und Schlaf 
8 Stunden entfallen. Die gesundheitliche üeberwachnng ist sorgfältig geregdt, 
so daß der Gesundheitszustand der letzten 7 Jahre ein guter gewesen ist. 
Fälle von Irrsinn kamen in 2°/oot Selbstmord seit 1900 nur in einem Fall und 
8 Versuchen bei einen jährlichen Mittel von 2976 Gefangenen vor. 

Der Schulunterricht Ist für alle Gefangenen obligatorisch. Die Schule 
verfügt über 12 Säle mit je 50 Schülern, über Bibliothekssaal und Museum; 
an ihrer Spitze steht der Direktor mit 15 Lehrern. Das Schulprogramm um¬ 
faßt 8 Gruppen: 1> Lesen, Schreiben, Sittenlehre und Geschichte, 2) Bechnen, 
Geographie und Naturwissenschaften, 3) Kalligrai^hie, künstlerisches Zeichnen, 
Schreibmaschine, Gärtnerei und Gemüsesucht. Die Erfahrung lehrt, daß die 
Gefangenen mit großem Eifer die Erweiterung ihrer Kenntnisse betreiben. 

Der Besuch des Gottesdienstes ist freiwillig; die reliriöse Zeremonie wird 
mit möglichster Feierlichkeit abgehaiten; die besten Prediger, den Gefangenen 
fremd, werden um ihre Mitwirkung gebeten; Musik und Gesang begleitet den Akt. 

Als Haupterziehungsmittel der Gefangenen botrachtet auch der Ver« 
fasser die Arbeit und zwar verlangt er, daß die Gefangenen entweder ein 
Handwerk lernen oder in ihrem Handwerk weiter ansgebildet werden, um im 
späteren Leben ihr Fortkommen finden zu können. Die Arbeit muß produktiv 
sein, nicht zwecklos wie ,the hard labour" der englischen Gefangenen, zu« 
nächst um den Wert der Arbeit klar zu machen und um auch dem Staat die 
materiellen Vorteile seiner Arbeit zu lassen. Eine unfruchtbare Arbeit ist 
ebe verhaßte und drückende Last; die Liebe zur Arbeit kann nur durcJi pro¬ 
duktive Arbeit erreicht werden. Darum hat das Nationalgefännis 26 ver« 
schiedene Werkstätten eingerichtet, von denen einige nur die Bedürfnisse der 
Anstalt selbst arbeiten. Die wichtigsten unter bnen sind Buchdruckerei, 
Seilerei, Schmiede, Tischlerei, mechanische Werkstatt und photographisches 
AteUer. Alle sind mit sämtlichen Maschinen ansgestattet, so daß das Voll« 
kommenste auf jeden Gebiet erreicht werden kann. In der Buchdruckerei 
sind im Jahre 1907 76 verschiedene Bücher gedruckt; es werden sogar amt« 
liehe Blätter herausgegeben. 

Die Schubmacherwerkstätte hat im selben Jahr 9000 Paar Stiefel und 
86000 Paar Schuhe für die Armen geliefert. Der Gesamtwert der verfertigten 
Arbeiten betrug 1907 692765, der Beingewinn 72% dessen, was die Erhaltung 
des Gefängnisses dem Staate kostet. 

Die Gefangenen sind wegen ihrer guten Ausbildung am Ende ihrer 
Strafzeit gesuchte Arbeiter. 

Der Aufsatz, dessen etwas ausführlichere Besprechung für die Leser 
dieser Zeitschrift nicht ungerechtfertigt sein dürfte, irt mit emer ^oßen Au« 
zahl Abbildungen ans dem Gefängnis und seinen Werkstätten verswen. 

_ Dr. Solbrig-Allenstdn. 

B. Bestattimgzw6f0]i. 

Die LelehenefnlschemDg vom soslalhyglenlzehen Standpnukto. Von 
Dr. med. Moritz Fürst in Hamburg. Deutsche Vierteljahrschrin für OffentL 
Gesundheitspflege; 1907, Bd. 89, H. 8. 

Verfasser bekämpft die von verschiedenen Seiten gegen die Feuer« 



Klfliaero MikteQiugeii and Beferato nos ZeitsohfUtnn. 


847 


bentattong erhobenen Einwände, hält den reserfierten beaw. ablehnenden 
Standponkt einzelner Hygieniker nicht ftlr gereditfertigt and yertritt die An¬ 
sicht, daß die lakaltatiye Einffihrong der Leichenyerbrennang and ihre mOg- 
lichtst große Verbieitang ein ökonomisches and sozialhygienisehes Postolat 
ist. Aach ihr Preaßen, wo sich ein ganz besonders heftiger Widerstand 
geltend macht, erhofft er die baldige Freigabe der Feaerbestattang. (Die 
demnächst za erwartende Entscheidung des Preaß. Oberyerwaltangsgerichtes 
in Sachen des Hagener Erematorioms dürfte eine Klärong der Verhältnisse 
herbeUtthren. Bel) Dr. Liebetraa-Hagen L W. 


ErwigwigeB bei der Erbavong and Etaurlehtang tob LelehoBhliueni. 
Von Dr. Haberstolz in Weimar. Hygien. Bandschan; 1907, Nr. 9. 

Der Neabaa des Leichenhaoses in Weimar gab za folgenden Ans- 
ffthmngen Yeranlassong: 

Der Leicbenaafbewahrongsraam wurde als ein oblonger Baum mit mitt¬ 
lerem Gang and nach beiden Seiten nebeneinanderliegenden, nisdhenfOrmigen, 
yerschließbaren Leichenzellen angeordnet. Die Desinfizierong des benatzten 
Baumes ist dadurch eine beschränktere und leichter za handhabende. Der 
Leichengeruch bezw. die Fäalnisgase finden ihren Abweg durch das Ventila¬ 
tionssystem, welches ln jeder Zelle eingerichtet ist. Das Zellensystem ermög¬ 
licht einen möglichst hermetischen Absehlaß jeglicher Insekten. 

Zar Größenbemessong der Leichenhalle wurde die Zahl der Beerdigten 
seit SO Jahren, die Beydlkerongszunahme seit 100 Jahren einer Prflfang onter^ 
zogen and tabellarisch zasammengestellt; danach hatte sich die Beyölkerang 
in 100 Jahren 4,5 mal and die Somme der Beerdigten in 80 Jahren 2,6 mal yei- 
größert. Im allgemeinen war die Sterblichkeit in den letzten Jahren eine 
geringere geworden. 

Bei der Größenbemessong der Leichenhalle maß besonders auf die Zu¬ 
nahme der Belegung bei schweren Epidemien Bfloksicht genommen werdmi. 
Bei einer Cholera- und zwei Infiaenzaepidemien hatte das alte Leichenhaos 
in Weimar nicht aasgereicht. Unter Berficksichtigang aller Fakttwen kommt 
der Verfasser za dem rechnerischen Schloß, daß f& ein Gemcdnwesen yon 
80000 Einwohnern auf 100 Jahre rund 50 Zellen aasreichen. Die Bodenfiäche 
der gesammten Leichenhalle muß einschließlich der Nebenräome rond 1025 qm 
betragen. Zwecks leichterer Orientierang für kleinere and größere Gemeinden 
fügt der Verfasser eine tabellarische Berechnung beL 

Es folgen mehrere Abbildungen der ganzen Anlage, einzelner Teile und 
dn Grundriß. Aus der Beschreibung ist folgendes heryorzaheben; 

Die Leichenhalle hat ein Erd- und ein Kellergeschoß, die durch einen 
Aufzug zam Transport der Leichen yerbanden sind. Ein großer Baam dient 
als Aasstellangszimmer. Ferner ist eine Kapelle yorbanden. Die Zellen sind 
hoch and licht, die Wände sind mit Oelfarbe gestrichen, der Faßboden mit 
Terrazo gedeckt. Jede Zelle ist darch ein elektrisches Läutewerk mit der 
Wohnung des Friedhpfsinspektors yerbanden und zwar wird jeder ebzelnen 
Leiche der Drttcker der Leitung in die Hände gelegt. Ferner ist ein Sektions¬ 
raum, ein Arztzimmer und, was besonders für Seacbenzeiten wichtig ist, ein 
Bade- und Desinfektionsraum yorhanden. Dieser Baum liegt im Kellergeschoß. 
Dort befindet sich auch eine Zentralbeizungsanlage. Die Heizung tlbt auch 
auf die Funktion des Ventilationssystems einen günstigen Einfiaß aus. Zur 
Lüftang dienen drei Aspiratoren auf dem Dachfirst und Luftschächte, die mit 
den Zellen in Verbindung stehen. In den Zellen wird der Deckel der Särge 
abgenommen, so daß die Leiche offen und sichtbar darliegt. Hier findet auch 
die tägliche üntersuchung und Beobachtung seitens des die offizielle Leichen¬ 
schau ausübenden Arztes statt. 

In seinen Schlaßausfüfarungen bezeichnet der Verfasser es als dringend 
wünschenswert, daß alle Gemeinwesen einwandsfreie Leichenhäuser errichten; 
kleinere Gemeinwesen (Dörfer) sollten sich zur gemeinsamen Benutzung eines 
Leichenhaoses zusammentun. In der Prophylaxe der Seuchen sind, wie der 
Verfasser aaseinandersetzt, 1. die obligatorische Benutzanu der Leichenhäuser, 
2. die möglichst baldige Ueberführung der Leichen dorthin mit nachfolgender 
Desinfizierung der Sterberäume und 8. Aufbewahrung der Leichen in streng 
^gienisch eingerichteten Leichenhäusem bis zur Beuetzung, die wichtigsten 
Etappen, welche sum Ziele führen. Dr. Kur pj uw eit-Berlin. 



348 Klaiaere Miitdloogeo und Bafentte ans Zaitsahzlftaii. 

L HabaamenwaMB. 

Wia sallan dia gabtlgen Fählgkeitaa dar HabammaaaapIraBtlBaaB 
gaprtlft wardant Voa Dr. Bißmaan, Direktor der ProTiazial-Hebammaa« 
Lekranstalt in Oanabrttck. Oynäkoiogische Bondechaa; 1908, Nr. 6. 

Verlaeser fordert eine viei bessere Vorbildung Ittr den Ebtritt ln 
die Hebammenscbule und bilt es nicht fttr die Aufgabe der Krebärsta, dia Heb* 
ammenaspirantbnen auch b bezug auf ihre geistige Fähigkeit zu prüfen. Der 
geistige Befahigungsnaohveb zum Besuche eber Hebammeaschub müsse Tiai* 
mehr durch eb l^ubeugnb erbracht werden, wonach die Aspirantb aba 
Tklassige Volksschule oder die entsprechende Klasse eber mittleren Schule 
mit gutem Erfolge absolriert hat. Andernfalls müsse sieh diese vor dem Eb¬ 
tritt b die Answt nochmab eben solchen Elementarunterricht TerschafEea, 
daß sb b eber yor Schulmännern, nicht yor Medizbem, abzulegenden Auf¬ 
nahmeprüfung eben kbrea Verstand und ebe gute Auffassungsgabe aach¬ 
auweben yermag. Biß mann hält es außerdem für nOtig, daß Ae Behörden, 
denen Ae HebammeAehranstalten unterstelit sbd, auch Mnfluß auf Aa an dar 
Ausbildung der Hebammen zu stelleaden Aufnahmebedbgungen ausübea kOnnan; 
er wünscht deshalb ebe Verstaatlichung Aaser Anstalten. Bpd. 


Dia Zahl dar Habammaa la den auropftlaehaa Staataa. Voa Dr. 
Prinzing b Dim. SoziAe Medbb und Hygiene; 1906, Bd. 8, Nr. 1. 

In ganz Deutschland gibt es unter Zngrundebgung der Zählung des 
Jahres 1898 87 025 Hebammen. Anf 10000 Einwohner kommen 6,8 Hebammen; 
auf ebe Hebamme durchschnittlich 56 Geburten. Die Östlichen Proybzen sbd 
arhebilÄi schlechter yersorgt ab der Westen. Es kommen z. B. anf eba 
Hebamme b Hessen 9,9 Quadratkilometer, b Ostpreußen dagegen 48,8 und 
b Posen sogar 58,9 qkm. Keb Wunder, wenn eb großer Teil der Geburten 
hier ohne Hebamme, unter Assbtenz yon Pfnscherbnen yarlänft Nur Aa 
Hälfte der Hebammen hat eb Ebkommen yon über 400 Mark. 

Es würde zu weit führen auf die b der Arbeit niedergeleg^ten Zahlaa- 
angaben über Ae Verhältnbse b dem übrigen Deutschland und in den aüßer- 
deutschen Staaten ebzngehen. Die übersbhtlich angeordnetaa 2SahlenaagabaB 
müssen im OrigbA nachgesehen werden. Dr. Dohrn-Hannoyer. 


Tom anglisehaa Hahnmmenwaaan^) (Notas on iha midwiyas act). 
Public health Ö.; 1907, Nr. 8. Dezember. 

Auf eine an Ae englbchen Hebammen ergangene Bundfraga antwortataa 
2796 Hebammen. 928 lebten yon ihrem Hebammenberuf alleb, 1162 waren 
yerheiratet, 706 hatten nebenbei eben anderen Beruf. Im Durchschnitt ant- 
flelen anf ebe Hebamme im ganzen Lande 88 Geburten, in Städten 61, 
auf dem flachen Lande 18; b London hatten einige Hebammen über 8(X) Ent- 
bbdnngen im Jahr. Das Honarar schwankte zwbchen 8'/> oad 10‘/t sh. für 
eben Pall; im Durchschnitt war es b London, außer in der Nachbarschaft 
yon HebammenschAen, 10 sh. AA dem flachen Lande kann ebe Hebamme, 
wenn sie anf ebe BeyOlkerung yon 80(X) Menschen angewiesen bt und yon 
den 26 aA 1000 Menschen entfallenden Geburten 18 übernehmen kann, wenn 
ferner ihre Einnahme wirklich 10 s. beträgt, bei 150 Jährlichen Entbbdungen 
ebe Jahreseinnahme von 75 £ haben. 

Von nicht geprüften Hebammen zogen sieh bfolge des neuen Gesetzes 
bis zu 90^0 vom BerAe zurück; yon geprAten starben b England und 
Wales b den letzten 8 Jahren 194; yon der Lbte gestrichen wurden b den 
yergangenen 2 Jahren 41. 

Wenn im Jahre 1910 ungeprAte Hebammen Acht mehr praktiziereB 
dürfen, so wird Ae erste Folge sein, daß Ae HebammentätigkAt yon Aerzten 
übernommen werden muß. Es bt aber fraglich, ob die Aerzte Ae genügende 
Zeit und Fürsorge bren PflegebAoblenen werden widmen kOnnen. FA db 
Gesundheit yon Mutter und Kind sbd besonders b armen Bezirken und in 
der Eassenprazb Ae Hebammen yorzuziehen. Es em^eAt sich daher schon 
jetzt, meA Hebammen auszubiiden, und Ae Kosten ^0—80 £) fA Ae ente 


1) VergL Zeibchrift fA MedizinAbeamte, 1905, 8. 784; 1906, 8. 478; 
1907, 8. 891. 



Tagesnaohriehteii. 


849 


AoBbfldiiDg TOii mildtitigen Ghaellachaften oder den Fonds der LoknlTenrnltnng 
gbemehmen zn lassen. 

Wie schwer es ist, in NotfiUlen bei Geburten intliohe ffilfe sn er¬ 
lügen, lehrt eine jüngst in WanAsworth dnrdigeftthrte üntersnchnng. 
Die Hebamme war der Ansiebt, das Kind habe eine Jtfißbildnng («mallormap 
tion“) des Herzens und sandte den Vater nach einem Arzte. Zwei Aerzte 
weigerten sieh, ohne Bezahlung zu kommen; der dritte war ^e ganze Nacht 
ausw&rts gewesen. Als der Vater zurück kam, fand er das Kind tot. Die 
Hebamme hatte eine grofie Kundschaft, und früher nie Schwierigkeiten gehabt, 
irztliche Hilfe zu erlügen. Einer der Aerzte gab an, er erhalte, wenn er 
nachts gerufen werde, gewöhnlich kein Honorar. Im Torliegenden Falle bitte 
der Armenarzt gerufen werden sollen. Der Koroner legte dar, daft dnri^ 
den Sachverhalt ein Fehler im Hebammengesetze offenkundig werde; die 
AimenbehOrde habe übrigens die Pflicht, in solchen Fällen das Honorar zu 
bezahlen. _ Dr. Mayer-Simmem. 


Syphilis der Hebammen und HebammenrenlehemBg. Von Dr. 
A. Blaschko in Berlin. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung; 1907, Nr. 28. 

Blaschko beschäftigt sich hauptsächlich mit den Schindlersehen 
Vorschlägen, die Hebammen gegen den Schaden luetischer Infektion zn versichern 
und ihnen auch durch Versicherung in denjenigen Fällen Unterstütxnngen zu 
siehem, in denen sie wegen Kindbettfleber und anderen ansteckenden Krank¬ 
heiten pausieren müssen. Blaschko befürwortet die A^na^e der Heb¬ 
ammen ln die Arbeiter- (Kranken- oder Invaliditäts-) Versicherung und die 
Verteilnng der Lasten auf Auftraggeber und Hebamme zu gleichen Teilen. 
Auch für den Arzt bleibt das Ideal eine obligatorische staatliche Versicherung. 

Dr. Lohmer-COln. 


X. Knrpftuol&erelwMeii. 

Die BekXmpfnng der KnrpfüschereL Von Dr. Siefart-Berlin. 
Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 12. 

Verfasser deflnieit den Begriff „Kurpfuscher** dahin, dafi es Leute sind, 
die ohne Vorbildung und ohne Befähigungsnachweis mit dem teuersten Gut ihrer 
Mitmenschen spielen. Der Schwerpn^ ihres Wesens liegt darin, daß sie ihre 
TOtigkeit „gewerbsmäßig** betreiben, gleichviel in welcher Form sie sich ihre 
Leistungen (mit Geschenken ?) bezahlen lassen. Dem Kurpfuscher von Profesdon 
muß der gute Glaube von vornherein abgesprochen werden, denn er weiß, 
daß er sich zu Unrecht und gegen die Moru bezahlen läßt. 

Die Behauptung, daß die „natürlichen Heilfaktoren** erst von Prieß- 
nitz und Kneipp gegenüber der Medizinalbehandlung zur Geltung gebradit 
sind, ist irrig. Man hat diese Faktoren schon immer gekannt und in ver¬ 
nünftiger Weise angewandt. 

Auch die Behauptung, daß die Naturheilkunde nur Luft, Sonne, 
Wasser etc. und keine Arzneimittel verwendet, ist falsch. Jedermann weiß, 
daß der Arzneischatz der sog. Natnrheilheilknnde ein recht beträchtlicher ist. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Tagesnachrichten. 

Gehaltsverbesserung der Hedlzlnalbeamten ln Prenssen. Die Be¬ 
nachteiligung der Kreisärzte, die diese jetzt durch die Festsetzung von 
Bauschvergütungen für Dienstreisen erlitten haben, wird, wie die politischen 
Zeitungen berichten, bei der eigentlich schon für den 1. April d. J. in Aus¬ 
sicht genommenen und nunmehr im Herbst kommenden preußischen Besol- 
dnngsvorlage voratusichtlich mehr als ausgeglichen werden. Einmal werden 
bdde Arten von Kreisarztstellen, die voU besoldeten und die nicht voll 
besoldeten, in ihren Gehaltsbezügen Zulagen erhalten; anderseits ist audi 
für beide Beamtenkategorien eine Erhöhung der Dienstaofwandsentschädigung 
in Aussicht genommen; desgleichen wird die Bemuneration der Kreisassi¬ 
stenzärzte erhöht werden. Schließlich soll auch die Pensionierung der nicht 
voll besoldeten Kreisärzte in einer ihren Wünschen entsprechenden Form ver* 
bessert werden. 



860 


TagesnMltfMiteiL 


Der Tom Beidnemt des Innern «ugearbeitete Kitmurf elBM Weib» 
gesetiee üt jetzt vom Beiduanseiger yerOffentlicht. Im guten zeigt er «In 
bemerkenewertee Streben, den Interessen der Weinbuer wie der Händler ud 
Eonsnmenten gleichmäßig za dienen. Außerdem sind die einzelnen Vorschriftm 
ttbersichtlidier gefaßt and in bezug auf die Yerwendug Ton Zusatzstoffeil, 
Zu(^erug des. Weins, Deklaration der Yerschnittweine, Schutz gegen Hifr' 
brauch der Namen von bestimmten Weinbergslagen, sowie gegen yorhudene 
Mißbränche in der Schanmwein> ud Eognakindastrie abgeändert; die Beetim- 
mugen ttW die Buchftthiug, Kontrolle durch Sachyerständige, sowie die 
Strafyorschriften sind erheblich verschärft. Die Bestimmug im § 1, wonach* 
Wein das durch alkoholische Gärug au dem Safte der frischen Weintraube 
hergestelite .Getränk ist, hat dieselbe Fassung wie bisher behalten. Im § 8 
wird die Herstellug von Wein ans Erzeugnissen verschiedener Herkunft oder 
Jahre (Yerschnitt) gestattet, jedoch ein Yerschnitt von Weißwein mit Sftd-, 
Süßwein verboten, ^trefis der Zuckerug des Weines heißt es im § 8: Bei 
ugenügender Beife der Trauben darf dem Traubenmost oder dem Wein, b« 
Herstellug von Botwein auch der vollen Traubenmaische so viel Zucker oder 
Zuckerwasser zugesetzt werden, als erforderlich ist, um Wein zu erzielen, der 
dem au Trauben gleicher Art ud Herkuft in Jahren der Beife ohne Zusatz 
erzielten Wein entspricht. Der Zusatz u Zuckerwasser darf jedoch in keinem 
Falle mehr als ein Fünftel des in die Hischug ^elugenden Mostes oder 
Weines betragen. Die Zuckerug darf nur in der Zeit vom Beginn der Wein¬ 
lese bis zum Schluß des Kalenderjahres ud nur innerhalb des Weinbaugebiete 
vorgonommen werden, au dem die Trauben stammen, ln allen Fällen ist nur 
Yorwendug von farblosem, technisch reinem Bohr-, Büben-, Invert- oderStärkn- 
Zucker zulässig. Nach § 6 ist es verboten, gezuckerten Wein uter einer Bezeich- 
nug feilzuhalten oder zu verkaufen, die au Beinheit oder auf besondere Sorgfalt 
bei Gewinnug der Trauben des Weins hindeutet. Auch ist es verboten, in der 
Benennug eines solchen Weins eine Traubensorte, einen Jahrgang, eine Wein- 
bergslage uw. uzugeben, wenn nicht gleichzeitig der Wein tu gezuckert 
bezeichnet wird. § 6 enthält Yorscbriften über die Verwendung geographischer 
Bezeichnugen im Hudel mit Wein. § 7 verbietet du Nachmachen von 
Wein; die Herstellug von dem Wein ähnlichen Getränken ans Pflanzensäften 
^t jedoch nach § 8 nicht uter dieses Yerbot. Getränke, die nach den Yoi- 
schriltu vom Yerkehr augeschlossen sind, dürfen nach § 13 zur Herstellung 
von weinhaltigen Getränken, Schaumwein oder Kognak nicht verwendet werden; 
desgleichen darf Trinkbruntwein, dessen Alkohol nicht auschließlich au 
Wein gewonnen ist, nach § 16 nicht als Kognak bezeichnet werden. Erweitert 
sind die Yorschriften über die Buchführug (§ 17), über die Kontrolle ud 
Bestellug von Sachverständigen, die in den am Weinbau wesentlich betei¬ 
ligten Gegenden im Hauptamte angestellt werden sollen (§§ 19—23) ud über 
die Strafen (§§ 24—27). Neben Geldstrafen bis 8000 Mark kun jetzt auch 
auf Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten bei absichtlichen Yerfäkchugen, 
wissentlioh falschen Elntragugen in die Bücher uw. erkannt werden. 


Tagesordnung fßr den vom 26.—27. Jui d. J. In Duzig statl- 
flndenden Aerztetag: 

1. a) Beratug über die Leitsätze der Kommission für Schalguudheita- 
pflege. Beferent: Geh. Hofrat Prof. Dr. KOnigshüfer -Stuttgart, b) Ueber 
die schulärztlichen Organisationuysteme. Beferent: Stadtarzt Dr. Gastpar 
in Stuttgart. 

2. Anträge der Kommission zur Bekämpfug der Kurpfucherei zu dem 
vorläufigen Entwürfe eines Gesetzes, betr. die Auübug der Heilkude durch 
nichtapprobierte Personen ud den Geheimmittelverkehr. Beferent: Med.-Bat 
Dr. Lindmann-Mannheim. 

8. Begelung des Yerhältnisses du Deutschen Aerztevereiubudu zu 
dem Yerbude Deutscher Lebensversicherugs-Guellschaften. Beferenten: 
Prof. Dr. Kraft-GOrbersdorf ud Dr. Pfalz-DüuelderL 


Die ordentllohe Hauptversammlung des niederrhelnisehen Yerelna 
CHr ßffentllehe Gesudheltspflege findet am Donnerstag, den 28.Mai 
(Himmelfahrtsfeiertag), vormittags 11 Uhr, in Barmen in der Qesellschalt 



TigenftehrMitoiL 


851 


yOoneonlik* 'statt. Aal der Tl^« 80 tdIMÜlg: staheu aafisr «Gtsedtlftlföbs An« 
gslefsnheitsn^ lolgeöde Vorträg«: 

1. Ueber Femwarmwasserheixiing, insbeBoadore lär AastalteB. Ia|i;eiiienr 
Bartb-Baimen; 2. Der städtiseb« WobaniigBiiispektor,' BcigMrdaiBter Dr. 
Witdtfeld'Essea and Beigeordneter Stadtbaurat Qnekuck«SissSta. 

Die IX. JabresTersanunlong des Dentsehen Vereins für Sebnlgesund- 
heltspflege wird zu Pfingsten (7. and 8. Juni d. J.) in Darmstadt 
stattdoden, auf der wiederum eine ganze B^e allgemein interessierender Fragen 
aus dem (üeblete des Sebulwesens und der Sebulbygiene zur Verbandlang stehen.' 
Ueber das Thema: „Die Hygiene der Höheren Mädchenschule“ wird lüs päda- 
go^cher Beferent Direktor D^ Wöhrmann*Krefeld, als medizinisdie 
Bmerenten die Aerztin Dr. med. Alice Prof6-Charloitenburg und Sanitätsrat 
Dr. F. A. 8ehmidt*Bonn sprechen. Weiter wird sich die JahresTersammlung 
mit den „Vorzügen und Nachteilen der Internate“ beschäftigen und hat 
hierfür Studienrat Professor Dr. B o e s s e r - Karlsruhe, Seminaroberlehrer Dr. 
Friedrich*Schneeberg als pädagogische Beferenten, sowie Med.-Bat Dr. 
Erl er «Meißen als medizinischen Beferent gewonnen. Ferner werden Prof. Dr. 
Qriesbach’Mtthlhausen i. Eis. über „die einheitliche Gestaltung des höheren 
Unterrichts von hygienischen Gesichtspunkten aus“, Prof. Dr. med. Jessen- 
Straßburg über „Zi^pflege und Schuie“ und Zahnarzt Sehr Oder-Kassel 
über „Mundatmung der Schulkinder und ortopädische Behandlung der Schul- 
zahnidinik“ sprechen. Den Schluß der Veranstaltung bildet eine Tagung der 
Schularztyereinigung, für welche ein Vortrag über einheitlicheBegelung 
des schulärztlichen Dienstes vorgesehen ist Das Beferat haben San.-Bat Dr. 
Gun tz-Wiesbaden und Stabsarzt Dr. 0 ebb ecke-Breslau übernommen. 
Während der mehrtägigen Verhandlung sollen eine Anzahl kOhere und mitüer« 
Schulen, sowie verschiedene Heilanstalten und die Städtische Schulzahnklinik 
bedchtigt werden. __ 

Auf Anregung des Prof. Dr. Sommer wird in Gießen vom 3.-6. August 
1906 ein Kurs tther Famillenforsehnng und Vererbungslehre abgehalten 
werden. Es soll dabei die angeborene Anlage und ihre Bedeutung für das 
Gebiet der Psychologie, der Medizin im allgemeinen und der Psychia¬ 
trie im besonderen, ferner der Pädagogik mit Berücksichtigung des an¬ 
geborenen Schwachsinnes, sowie der Kriminalpsychologie dargestellt 
werden. 

Es werden vortragen: l.und2. Prof.Dr. Sommer und Prof.Dr.Danne- 
mann in Gießen: Die angeborene Anlage im Gebiet der Psychologie, Psychia¬ 
trie, Pädagogik (in bezug auf den angeborenen Schwachsinn) und Kriminal¬ 
psychologie; 8. Dr. Kekuie von Stradonitz, Groß-Lichterfelde bei Berlin: 
Grundbegriffe und Methoden der Genealogie; 4. Dr.Strahl, Professor der 
Anatomie in Gießen: Die Keimzellen und ihre Entwicklung. 5. Dr. Hansen, 
Professor der Botanik in Gießen: Ueber Variation, Vererbung und Artenbildung 
bei den Pflanzen; 6. Dr. Martin, Professor der Veterinäranatomie in Gießen: 
Die Entwicklung und Züchtung von Tienarten. 

Vorläuflge Anmeldungen ohne bindende Verpflichtung kSnnen an Professor 
Dr. Dannemann, Gießen, Klinik für psychiswe und nervOse Krankheiten, 
gerichtet werden. Zur Deckung der Kosten, Vortragshonorare etc. wird eine 
Gebühr von 20 Mark erhoben. _ 

Auf der am 27. Mai d. J. vormittags 10 Uhr im Plenar-Sitzungssaal 
des Beichstagsgebäudes in Berlin stattfindenden XU. General-Versammi^ 
des Deutschen Zentral-Komitees zur BekfimpfUng der Tuberkulose sind 
außer geschäftlichen Angelegenheiten folgende Vorträge auf die Tagesordnung 
gestellt: 1. Welche gesetzUche Bestimmungen stehen den OffentUchen Ver¬ 
bänden und Gemeinden im Kampf gegen die Tuberkulose zur Seite? Bericht¬ 
erstatter: Privatdozent Dr. jnr. Neubecker und Prof. Dr, Kayserling in 
Berlin. 2. Die Notwendigkeit der Lupusbekämpfung; Berichterstatter Geh. 
Med.-Bat Prof. Dr. N eißer-Breslau. 

Am Tage zuvor findet eine Sitzung des Ausschusses, vormittags 
10 Uhr im Beiehstagsgebäude, Zimmer 28, statt, auf der folgende Gegenstände 



852 


Tagemaehrtehtea. 


aor Verliaadliiiie gelaa|ra weiden: 1. Die Taberknlose in den Strafaiiatalten 
and ihre BehandlaDg. Beriehtentatter: Med.-Bat Dr. Leppmann-Berlin. 
2i Welche Beetimmangen sind awedkm&dig nur Verhfltiing der Taberkoloee* 
Uebertiagnng in neu an erlaeeende Baaordanngen ;aBlaanehinen? Bericht 
eistatter; Die Torbeieltende Kommission. 8. Die Taherkaloee in der Schale, 
ihre Verhtttang and Bekimpfang. Berichterstatter: Geh. Ob.>Med.-Bat ProL 
Dr. Kirchner in Berlin. 


Mit dem latenattoBalen Taberkalese-Kengsren in Washington 
(21.September —18. Oktober d. J.) soll eine im großen Style geplante Aas- 
stellang yerbanden sein, welche ein ansehaaliches Bild der Taber]nilose*Be* 
Umpfongin den einaelnen Ländern geben solL Die Aasstellangsgegenstände 
müssen bereits am 1. Jali in Washington eintieffen and wird deshalb am möglichst 
baldige Anmeldang an den Schriftführer des Dentschen National-Komitees 
Prof. Dr. Nietn er (Generalsekretär des Deatschen Zentral-Komitees aar 
Bekämpfang der Taberkalose), Berlin W. 9, Eichhomstraße 9, gebeten, anter 
Angabe der Art and Zahl der Aasstellangsgegenstände, sowie des erforder* 
liehen Baames an Tisch-, Wand- oder Bodenfläche. Die Aasstellangsgegen- 
stände sind, soweit sie nicht yerkänflich sind, aoUfreL Die Kosten des Hin¬ 
transportes übernimmt die Kongreßleitang, der Bücktransport wird yon den 
Aasstellem selbst beaahlt. Betreffs Tarilermäfiignngen sind Verhandlangen 
dngdeitet. _ 


Ertanuütangeii and Todesfllle an ansteckenden Krankheiten ln 
Prenssen. Nach dem Ministerialblatt für Mediainal- and mediainische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit yom 15. Mära bis 11. AprU 1908 er¬ 
krankt (gestorben) an: Aassats, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, 
Bückfallfieber,Pest and Tollwat: — (—); Pocken: 4 (1), — (—), 
20 (8), — (—); Bißyerletaagen darch tollwatyerdichtige Tiere: 
8 (-), 5 (-), 1 (-), 9 (-); Bota: - (-), - (-), - (-), 1 (-); Mila- 
brand: 1 (-), 3 (1), 2 (-), 24 (-); Bahr: !(-), 4 (-), 9 (1), 5 (-); 
Unterleibstyphas: 127 (19), 198(19), 158 (18), 155 (20); Diphtherie: 
1805 (97), 1818 (102), 1240 (72), 1352(96); Scharlach: 1555(76), 1460(69), 
1857 (85), 1386 (69); Genickstarre: 46 (22), 56 (21), 37 (15), 58 (26); 
Kindbettfieber: 123(27), 139(40), 135(34), 113 (24); KOrnerkrankheit 
(erkrankt): 251, 370, 291,321; Taberknlose (gestorben): 625, 623, 678, 729. 


WUrttembergischer Medizinalbeamtenverein. 

Die VIL JahresTersanunlimg des Wfirttemberglaolien Medl- 
BlnalbeamtenTerelne wird am 

Sonntag den 10. Hai 1908 

naclunittags 8 Qhr in Stattgart im kleinen Saale des Oberen Maseams (Kanzlei* 
Straße 11) abgehalten werden. 

Tages-Ordnang; 

1. Geschäftliches. 

2. Bewilligang eines Beitrags aas der Yereinskasse für die Bobert 
Koch-Stiftang znr Bekämpfang der Taberknlose. 

3. Neawahl des Vorstandes gemäß § 5 der Satzungen. 

4. Beratung des neuen Gesetzentwurfes des K. Ministeriams des Innern, 
betreffend die Dienstverhältnisse der Oberamtsärzte. 

Beferent: Medizinalrat Dr. Haag, Heiibronn. 

Nach Schluß der Versammlung flndet eine zwanglose Vereinigung der 
Vereinsmitglieder im Stadtgarten statt. 

Der Vernlnswomtnnd: 

Dr. KOstlin. 


Verantwort!. Redakteur: Dr.Bapmnnd, Beg.-u. Geh. Med.-Bat in Minden t W 
J. a O. Brans, HanoyL SSena ^ t. eck^L. Hofbnehdmckerel in Minisn. 





2t J$krg, 


1908. 


Zeitsehrift 

fttr 

MEDIZINALBEAMTE. 


7iiirinlMiitt flir <«t gnimti linifliitnmin 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heraiuigegebda 

Dr. OTTO’SAPMDND, 

Baglnuc»- m*i 0tli. MOlriBalrttt la ]iUii«i. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Vfürttembergischen 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinatbeamtenvereins. 


Verlag von Fiaeher's mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld, 
Berlin W. 95, LOtsowstr. 10. 


41m Teifafihaadlanf eowle alle ijwmego» Bap ed BUoa e« 4m la« 
«ad Aadaadee 


Nr. 10. 


Biwehelat mm. B. vaA SA. JeAea Mi 


20. MaL 


Oie anatomische Diagnose des Todes durch Erstickung. 

Von ProL Erut Zfemke-EieLi) 

Wiederltolt h&be ich in meiner gerichtsärztlichen Pnuds die 
Beobftchtnng gemacht, daß die GInmdsätze, nadi denen die 
moderne gerichtliche Mediizin die Diagnose der gewaltsamen 
Ersticknng zn stellen allein gestattet, von den Obdnzenten yiel- 
lach nicht genflgend oder gar nicht beachtet werden. Es er* 
scheint des^b angebracht, an dieser Stelle einmal näher anf die 
anatomischen Befände beim Tode durch Ersticknng einzngehen 
und die Gtesichtspnnkte zu beleuchten, die für die Feststellung 
der gewaltsamen Erstickung an der Leiche in Betracht zu 
ziehen sind. 

Zunächst muß man sich klar machen, was unter dem 
Begriff ^Erstickung* überhaupt zn verstf^en ist. Ersticknng 
heißt bekanntlich £e mit dem Tode endende Aufhebung des 
respiratorischen Gasaustansches, welche dann eintritt, wenn die 
umgebende Luft nicht genug Sauerstoff enthält oder wenn die 
Aufiiahme des Sauerstoifb in den Alveolen durch irgend eine 
Störung der Atembewegungen nicht in genügendem Maße vor 
«ich gehen kann. Ein Mensch kuin nun auf mancherlei Art er¬ 
sticken. Eine Grundbedingung für den regelmäßigen Ablauf des 
respiratorischen Gasaustansches ist z. B. das Vorhandensein 


*) Nach eliieni auf der Yenaminlaiig der MedidBalbeamteB m Schleswig 
«m 22. Juuar 1908 gehaltenen Vortrag. 













854 


Dr. Ziemke. 


einesrespirablen Mediums. Fehlt dieses oder ist es in 
nngenfigender Menge vorhanden, so tritt Erstichnng ein. Der 
Tod durch Ertrinken bildet für diese Art der Erstickn]^ 
ein klassisches Beispiel; bei ihm wird die Atemluft durch ein 
irrespirables, flfissiges Medium, gewöhnlich Wasser, ersetzt. Ob¬ 
wohl hier alle Teile des Atmungsapparates unversehrt bleiben, 
obwohl die Möglichkeit besteht, das umgebende Medium einzu¬ 
atmen, tritt doch der Tod ein, eben weil das aspirierte Medium 
nicht so viel Sauerstoff enthält, wie es das Bedflrffiis unsere» 
Körpers erfordert. Aehnliches geschieht bei der Erstickung im 
Bauch oder in anderen schädlich wirkenden irrespi- 
rablen Gasen. 

In anderen Fällen ist es die Unfähigkeit, den in der 
Atmnngslnft vorhandenen Sauerstoff in die Lungen anfzn- 
nehmen, welche die Erstickung herbeiföhrt. Dies kann, wie 
beim Erhängen, Erdrosseln, Erwttrgen, dadurch erfolgen 
daß die zufährenden Luftwege durch Kompression des Halses 
verschlossen werden. Oder es werden Nase und Mund so lange 
zugedrflckt, bis der Tod eingetreten ist, ein VerffJiren, da» 
schon mancher Kindesmörderin zur Tötung ihres neugeborenen 
Kindes gedient hat. Andere Mütter führen den Abschluß der Luft¬ 
wege dadurch herbei, daß sie ihre Finger in die Kehle de» 
Neugeborenen einfähren, bis die Erstickung eingetreten ist. In 
ganz ähnlicher Weise wird der Ersticknngsvorgang ausgelöst, 
wenn ein Mensch sich beim Essen nicht genug Zeit läßt, unge- 
kaute Bissen zu hastig verschlingt, diese ihm die Kehle ver¬ 
stopfen und in wenigen Minuten seinen Tod herbeiführen. 

Endlich muß dann Erstickung erfolgen, wenn der Brust¬ 
korb so stark zusammengedrückt wird, daß seine Atem- 
ezknrsionen in erheblichem Grade behindert werden, oder wenn 
die Lungen nicht fähig sind, den Bewegungen des Brustkörbe» 
zu folgen. Dieser Fall tritt z. B. ein, wenn ein Grubenarbeiter 
durch lockeres Erdreich verschüttet und wenn sein Brustkorb 
dabei so fixiert wird, daß ein Heben der Hippen unmöglich ist. 
Auch eine Verletzung, welche beide Brusthöhlen eröff¬ 
net, so daß sie mit der Außenlnft kommunizieren und die Luft den 
Brustraum ansfüllen kann, hebt notwendigerweise die elastische 
Spannung der Lungen auf, beraubt sie dadurch der Fähigkeit, die 
Brustkorbezkursionen mitzumachen und macht somit den respi¬ 
ratorischen Gasaustansch, d. h. die Atmung ebenftills unmöglich. 

Alle die bisher erwähnten Arten der Ersticdcung haben da» 
Gemeinsame, daß bei ihnen die Aufhebung des respiratorischen 
Gesamtaustausches, der Atemstillstand, durch gewaltsam» 
Einwirkung von außen veranlaßt wurde. 

In ganz analoger Weise kann Erstickung aber auch ein- 
treten, wenn krankhafte Prozesse im Innern des Kör¬ 
pers die Unterbrechung des respiratorischen Gasaustausches be¬ 
wirken, und zwar lassen sich ^ alle Formen der Erstickung* 
ans der Pathologie der inneren Organe zutreffende Bei¬ 
spiele anführen. Auch hier kann es sich zunächst, ganz wie 



Die Miatomische Diagnose des Todes darch Enticknng. 855 

l>eim Tode durch Ertrinken, wie bei der Ersticknng im Baach 
am ein irreepirables Medinm handeln, welches, wieda8ein> 
geatmete Wasser, einen großen Teil der Langen ansftiUt and so 
den Gaswechsel in ihnen aofhebt. Am dentlichsten tritt die 
Ärmlichkeit mit den Verhältnissen beim Ertrinkangstode wohl 
bei jenen Erankheitsfolgen zn T^e, wo geplatzte Aorten- 
anenrysmen oder Eiterherde in größere LoftrOhrenäste darch- 
gebrochen sind and nnn große AbsiUtte der Langen mit Blat 
^er Eiter überschwemmt werden. Wie beim Ertrinken tritt in 
allerkürzester Zeit der Tod dnrch Ersücknng ein; man hat in 
solchen Fällen deshalb mit Recht gesagt, die betreffenden Menschen 
seien in ihrem eigenen Blnt oder Eiter «ertranken*, Aach bei den 
entzündlichen Krankheiten des Lnngengewebes, wo als 
Effekt der Entzündong eiweißreiche Flüssigkeiten in die Longen- 
alveolen aasgeschieden werden, bilden diese Flüssigkeiten analog 
dem eingeatmeten Wasser irrespirable Medien, welche den Tod 
dnrch Ersticknng bewirken, wenn die respirierende Longenoberfläche 
dnrch die ezsadativen and transsadativen Prodokte über das zor 
Erhaltnng des Lebens notwendige Maß hinans eingeschränkt wird. 
Bei der IbrinOsen Lnngenentzündnng ist es das fibrinOs-bln- 
tige Ezsndat, das m die Longenalveolen abgesondert wird 
and Erstickang bewirkt, wenn es sich über große Longenabschnitte 
ergießt. Aehnlich verhält es sieh mit den Bronchitiden der 
Kinder, wo die reichliche Schleimabsonderong, namentlich in den 
feinsten Aesten des Bronchialbanmes oft ganz plötzlich Erstickang 
herbeiführt. 

Wie bei den verschiedenen Formen der Strangnlation kann 
ein Verschloß der znführenden Lnftwege dnrch Kom¬ 
pression des Halses anch dnrch krankhafte Organver- 
änderangen von außen veranlaßt werden, wenn z. B. Kropf- 
bildangen oder andere Halsgeschwülste, Krebse n. ä. die 
Luftwege an einer Stelle so stark znsammendrücken, daß ein 
Einströmen genügender Mengen Sauerstoff in die Longen dadurch 
verhindert wird. 

Endlich kommt auch eine Behinderung der Atembe- 
wegungen durch krankhafte Prozesse vor und kann Er¬ 
stickang zur Folge haben. Ich erinnere nur an die Ausscheidung 
großer Flüssigkeitsmengen infolge von Pleuritis, die sich 
zwischen Longenoberfläche ondBrustwand ansammeln und so er¬ 
heblich werden können, daß die Langen völlig zosammengedrückt 
werden und die Exkursionen der Brustwand nicht mehr mitzomachen 
vermögen, so daß schließlich Ersticknng eintritt. Ganz dasselbe 
geschieht, wenn es infolge schwerer Longenerkrankongen zu dem 
mit Recht so gefürchteten doppelseitigen Pneumothorax 
kommt, wo der Eintritt von Luft in die Brusthöhlen die Entfal¬ 
tung der Langen unmöglich macht. Erstickang durch Behinderung 
der Atembewegungen liegt auch vor, wenn die Nervenbahnen, 
welche die Atmungsmuskeln versorgen, durch krankhafte 
Prozesse, sei es im Zentrum, sei es in der Peripherie, zerstört 
worden sind, wenn die Atmongsmuskeln selbst erkrankt 



856 


Dr. Ziemke. 


od«r, wie oft bei «Uznfrflhzeitig geborenen Eindem, noch zn 
sehweeh sind, nm den schweren Bmstkorb zn heben. 

Noch eine Form der Erstickung ans innerer, krank- 
hafter Ursache kennen wir, die daw eintritt, wenn Ver&n- 
dernngen in der BlntTersorgnng die erforderliche Lflftnng 
des Lnngenblntes nnmöglich machen. So mnß Erstickung sofort 
eintreten, wenn ans irgend einem Gmnde die BlntTersorgnng 
in den Lungen plötzlich stockt, wie dies z. B. geschieht, 
wenn si^ ein Blntgerinnsel ans dem Venensystem loslöst und in 
den Hanptast der Lnngenarterie hineingeschlendert wird, so daß 
sieh deren Liehtnng yerstopft, oder wenn die feinsten Aestchen 
der Lnngengefäße durch Lnft oder Fetttröpfchen in großer Menge 
yersehlossen werden. In anderen F&Uen wird der Ersticknngs- 
Torgang dadurch ansgelöst, daß infdge Ton Blntyerlnsten der 
fflr den Sauerstoff erforderliche Anfnidimeapparat, nftmlich das in 
den roten Blutkörperchen enthaltene Hämoglobin, zum großen Teil 
yerloren gegangen ist, wie dies beim Tode durch Verblutung 
der Fall ist. Oder die Erstickung erfolgt dadurch, daß der Blut¬ 
farbstoff durch Oifte, z. B. Kohlenozydgas, chemisch yer- 
ändert wird und deswegen eine Bindung des Sauerstoffs an die 
roten Blutkörperchen nicht mehr möglich ist 

Aus dieser Parallele der Entstehnngsweise der 
Erstickung durch gewaltsame Einwirkung yon anßmi und 
der Erstickung aus innerer krankhafter Ursache, geht 
klar herror, daß der Erstickungsrorgang bei den yerschiedenen 
Formen beider Gruppen genau in der gleichen Weise zu Stande 
kommen kann. Wir dürfen uns daher nicht wundem, wenn wir 
auch in den anatomischen Ansdmcksformen der Erstickung, in 
den Befunden an der Leiche, bei beiden Grappen im wesentlichmi 
Uebereinstimmung zu erwarten haben. 

Wenn wir gemeinhin yon Erstickung sprechen, wenn wir 
hören, ein Mensch sei erstickt, so denken wir zunächst wohl 
immer an den gewaltsamen Tod durch Luftabschluß in irgend¬ 
einer Form, an irgendeine Art der gewaltsamen Erstickung, 
die durch Störungen im Mechanismus der äußeren Atmung herror- 
gerafen wird. Namentlich der Laie yerbindet mit dem Wort 
«Erstickung* leicht die Vorstellung einer gewaltsamen Tötung 
durch fremde Hand. Dagegen fällt es Niemandem ein zn si^^, 
ein Mensch sei z. B. an Erstickung infolge yon Lungenentzündung, 
von Verblutung, Vergiftung usw. gestorben. Und doch handedt 
es sich hier, wie die eben angeführten Beispiele zeigen, um den 
gleichen Vorgang, wie bei der gewaltsamen Erstickung, nämlich 
nm eine Beendigung des Lebens durch Unterbrechung des respira¬ 
torischen Gasaustansches. Während wir also in FäUen yon soge¬ 
nannter innerer, auf krankhafter Basis beruhender Erstickung als 
Ursache des Todes nicht den Ersticknngsyorgang, sondern 
die Krankheit, die pathologischen Gewebsyerändemngen zn nennen 
pflegen, welche die Erstickung yeranlaßt haben, sprechen wir bei 
der Erstickung durch äußere Gewalt oft eintiush yon «Tod durch 
Sheticknng*, ohne die gewaltsamen Ursachen zu erwähnen, die 



Die anatomische Diagnose des Todes duch Erstickuig. 


367 


ZUR ErsticknngByorgaDg: gefUhrt haben. Es wäre sicherlich von 
Vorteil und würde weniger leicht zn Mißyerständnissen Anlaß 
geben, wenn wir ans auch in der gerichtlichen Medizin 
grnndsfttzlich daran gewöhnen wollten, als Todesarsache 
anstelle des Ersticknngsyorganges immer nur die gewaltsame 
Veranlassung, welche die Erstickung zur Folge gehabt hat, 
anzugeben, im Gutachten also nicht zu sagen, der Tod ist durch 
Erstickung infolge von Erdrosseln, Erwürgen, durch Erstickung 
infolge von Verschloß des Mundes mit weichen Bedeckungen usw. 
eingetreten, sondern einfkch, der Tod ist durch Erdrosseln, Er* 
würgen, durch Verschloß des Mondes mit weichen Bedeckungen 
erfolgt Wenn unser Gutachten nur sonst klar und verstftndSch 
ist, ist es m. E. für den richterlichen Zweck keineswegs erfor¬ 
derlich, bei Erörterung der Todesarsache ausdrücklich anzutühren, 
daß der Tod durch ^ErstiekoDg" eingetreten sei. Wir werden 
im Gegenteil für den richterlichen Laien verstftndlicher sein und 
uns in komplizierten Fällen selbst leichter zurecht finden, wenn 
wir den Ausdruck „Erstickung*^ überbau^ ganz und gar 
vermeiden. Man braucht nur an die Möglichkeit zu denken, 
daß ein Mensch, der sich mit Morphium vergiften will, unmittel¬ 
bar nach der Einnahme des Giftes erbricht und durch Aspiration 
des Erbrochenen in die Langen erstickt. Auch wenn dieser Mensch 
nicht erbrochen hätte, sondern das einverleibte Gift zur vollen 
Wirkung gekommen wäre, würde man mit vollem Becht von 
einem Tode durch Erstickung sprechen können, da der Tod auch 
bei der Morphiumvergiftung schließlich durch Lähmung des At- 
mnngszentmms, d. h. durch Erstickung hervorgemfen wird. Ein 
Dritter würde aber von den tatsäc^chen Vorgängen bei dem 
Tode eine ganz falsche Vorstellang bekommen, wenn es im Gut¬ 
achten hieße, der Tod sei durch Erstickung infolge von Morphium- 
vergiftung eingetreten. Eindeutig und für jedermann verständlich 
ist es dagegen, wenn man sagt: „Der Tod ist durch Aspiration von 
Erbrochenem eingetreten bei einem Versuch, sich durch Morphium 
zu vergiften.** 

Wenn man alle die erst erwähnten verschiedenen Todes¬ 
arten, die zum Teil recht wenig mit einander gemein haben, als 
verschiedene Formen des Erstiäungstodes ansieht, so findet man 
die Berechtigung darin, daß die Symptome, welche bei ihnen dem 
Tode voraufgehen, und gewisse Erscheinungen an der Leiche, die 
man als allgemeine Erstickungsbefunde bezeichnet hat, im wesentp 
li^en die gleichen sind, wie man sie im Experiment bei der Er¬ 
stickung von Tieren beobachten kann. Unterbricht man bei einem 
kurareeierten und am besten tracheotomierten Tiere künstlich die 
Atmung, so sieht man regelmässig einen Komplex von bestimmten 
Erscheinungen anftreten, der als Typus der Erstickungs¬ 
symptomatologie bekannt ist und aus vier Stadien 
besteht. Nacheinander kommt es zu Atemnot — dem dyspnoi- 
schen Stadium, zu Krämpfen — dem konvulsiven Sta^nm, 
zu Bespirationsstillstand — dem Stadium der prätermü^n 
Atempanse, schließlich zu einigen wenigen langsamen und tiefen 



868 


Dr. Zknike. 


Inepirationen — dem Stadium der tjermiualen Atem* 
bewegungen. Es ist aber nicht zu übersehen, worauf ich hier 
nur kurz hinweiseu will, daß dieser Symptomenkomplez beim 
Menschen nicht immer mit der gleichen Prft^anz, wie ün Tier* 
Tersnch zn Tage tritt, sondern, daß Alter. Eräfteznstand, ^di- 
▼idnalität nnd Krankheit hier eine erheblich modifizierende Bolle 
spielen können. 

Wenn man bei derartig erstickten Tieren sofort nach dem 
Eintritt des Todes die Obduktion yomimmt, so fihdet man 
ziemlich konstant eine Reihe von anatomischen Befunden, 
welche durch die Erstickung im allgemeinen veranlaßt werden 
nnd die man als sogenannte allgemeine Ersticknngs- 
befnnde den durch bestimmte Erstickungsformen erzeugten be* 
sonderen Befanden gegenflbergestellt hat, indem man seit alters* 
her der Meinung war, daß sie charakteristisch genug seien, um 
ans Urnen allein die Diagnose des gewaltsamen Erstickungstodes 
auch am Menschen stellen zu können, wenn sich die spezielle 
Veranlassung zur Erstickung ans dem Leichenbefunde ni(Ät fest* 
stellen läßt. 

Bereite bei der äußeren Besichtigung der Leichen Er¬ 
stickter hat man einige Befände als pathognomonisch für die Er¬ 
stickung zu verwerten gesucht, die bei manchen Formen der 
gewaltsamen Erstickung mit einer gewissen Regelmäßigkeit zn 
finden sind. Schon wlUirend der Agone des Erstickenden sieht 
man ganz gewöhnlich eine Zyanose des Gesichts von ver¬ 
schiedener Intensität sich entwickeln, insbesondere bei etwas lang¬ 
samerem Verlauf der Erstickung, z. B. beim Tod durch Erhängen, 
wenn die Schlingenlage ein atypische war, d. h. die großen Hals¬ 
gefäße nur einseitig komprimiert wurden. Wer einmä (einen Er* 
sticknngsanfaU bei einem Menschen zu beobachten Gelegenheit 
gehabt hat, wird sich gewiß der plötzlich auftretenden, stark 
blauroten Färbung erinnern, die das Gesicht des Betreffenden 
dabei annahm. selbst ist ein solcher VorfaU, wo sich ein 
älterer Herr beim Abendbrot verschluckte, noch lebhaft in der 
Erinnerung. Auch hier war das Gesicht plötzlich dunkelblaurot 
gefärbt. Die gleiche Erscheinung sieht man aber an Kranken, 
deren Krankheit schließlich ebenfaUs, nur langsamer, durch Er* 
stickung zum Tode ffihrt. Ich erinnere hier nur an die plötz¬ 
lichen TodesfäUe bei Kindern, an den Thymustod, die kapilläre 
Bronchitis und andere ähnliche Todesarten. 

Das Verhalten der Leichenstarre, das Hervortreten 
von Schaum aus der MundOffnung, den Gesichtsansdruck, 
auf den neuerdings EtiOnne Martin bei Erhängten so ^ßen 
Wert legt, daß er geradezu von einer „facies sympatique“ 
bei ihnen spricht, in der irrtümlichen Annriime, daß beim ih’- 
hängen der Sympathicus durch das Strangwerkzeug gereizt und 
dadurch ein charakteristischer Gesichtsansdruck ^häugter her¬ 
vorgerufen werde, alle diese Merkmale kann ich als dia^ostisch 
vOlug bedeutungslos übergehen. Auch die Erweiterung der 
Pupillen, die im AugenbUck des Todes vorhanden ist, aber 



Die asatomieche Diagnoae des Todes durch Erstickung. 


859 


cpäter unter dem Einfluß der Leichenstarre wieder verschwindet, 
wie Placzeks Untersnchnngen le^en, nnd du Hervortreten 
der Augäpfel sind Erscheinongen, welche man gewöhnlich an 
den Leichen Erstickter vermißt nnd welche, wenn sie vorhanden, 
ttr die gewaltsame Erstieknng keineswegs charakteristisch 
sind. Ebenso kommt anch die Einklemmung der Zunge 
zwischen die Zähne, die man häufig bei Erhängten beobachtet 
und die hier ein rein mechanisches Phänomen darstellt, das auf 
die Baumbeengung im Munde durch das Emporziehen der Hals- 
m-gane znrflckzufflhren ist, nicht allein bei Erhängten oder ge- 
w^tsam Erstickten, sondern auch bei natttrlichen Todesarten vor. 

Besonderes Gawicht wird unter den äußeren Befänden von 
jeher noch der reichlichen Entwicklung nnd dunklen 
Farbe der Totenflecke und den Hantblutungen beigelegt, 
die sich oft in der Gesichtshaut nnd namentlich in den Lid- 
und den Angenbindehäuten gewaltsam Erstickter finden. Aber 
weder die große Ausdehnung, noch die dunkle Farbe der Toten- 
flecke sind charakteristische Merkmale des gewaltsamen Er¬ 
stickungstodes. Beides findet sich anch noch bei vielen anderen 
plötzlii^en Todesarten und zwar immer dann, wenn der Tod rasch 
nnd ohne Blutverlust eintritt. Nur beim Erhängnngstod pflegt 
die Lage der Totenflecke insofern von der gewöhiäichen Aus¬ 
breitung am Bücken abzuweichcn, als sich die Blutsenkung in der 
unteren Eörperhälfte ausbildet und bei längerem Hängen der 
Leiche hier auch in charakteristischer Weise dauernd erhält. 

Auch die Hantblutungen, wenn sie nicht auf Gesicht 
und Lid- oder Angenbindehäute beschränkt sind, sondern sich an der 
ganzen Eörperoberfläche verbreitet finden, sind dem Erstickungs- 
tode allein nicht eigmitümlich, sondern werden anch bei anderen 
plötzlichen Todesarten, bei der akuten Herzlähmnng, bei Tod im 
epileptischen Erampfitnfall, bei Keuchhusten beobachtet. Mit Vor¬ 
sicht sind solche Hantblutungen besonders dann zu verwerten, 
wenn sie in den Totenflecken gelegen sind, weil wir aus zahl¬ 
reichen Experimenten und Beobachtungen wissen, daß sie sehr 
häufig erst nach dem Tode lediglich durch Druck der hypostatischen 
Blutsänle entstehen und daher nichts weiter als eine Leichen- 
«rscheinnng darstellen. Dagegen können Hantblutungen im Gie- 
sicht und in den Lid- nnd Angenbindehänten, wenn sie zusammen 
mit einer Zyanose des Gesichts oder mit charakteristischen Blu¬ 
tungen in den Halsmuskeln gefunden werden und ihre Entstehung 
durch Hypostase anszuschließen ist, für bestimmte Formen der ge¬ 
waltsamen Erstickung, so für die Diagnose des Strangnlations- 
todes nnd des Todes durch Verschüttung, von großer Bedeutung 
werden. Sie kommen in Fällen besonders starker Blutstauung 
des Kopfes oder bei starken Erstickungskrämpfen dadurch zu- 
etande, daß kleine Gefäße und Kapillaren bersten und deren Blut 
in die Umgebung anstritt. Ihre Bedeutung liegt also darin, daß 
eie, wenn sie einmal ausgebildet sind, auch an der Leiche nicht 
wi^er, wie z. B. die Zyanose, verschwinden nnd daß sie, sofern 
ihre Eatetehnng nach dem Tode ausgeschlossen ist, eine erheb- 



360 


Dr. Siiemke. 


lidie, während des Lebens stattgehabte Blntstaning in den Qe> 
fäßbezirken des Kopfes beweisen. Während die Ekdiymosen der 
Giesichtshant und der Lid- and Angenbiadehäite beim Erhängen 
nur selten gefanden werden, sind sie beim Erdrossehi and 
Erwürgen ein ziemlieh häufiger B^and, der seine Ent¬ 
stehung der Ungleichmäßigkeit in der Kompression des Halsen 
durch das Drosselwerkzeug bezw. durch die würgende Hand yer- 
dankt. Findet man sie und kann außerdem noch Blutungen in 
der Kehlkopfschleimhaut oder in den Halsweiehteilen an atypischen 
Stellen nachweisen, so kann man, wenn noch die äußeren Um¬ 
stände des Falles dafür sprechen, m. E. so gut wie sicher eine 
gewaltsame Erstickung durch Erdrosseln oder Erwürgen anneh¬ 
men, auch wenn verdächtige Befunde in der Halshaut nicht mehr 
wahrzunehmen sind, ln (Uesem Sinne habe ich mich auch mit 
dem Kollegen Bockendahl in dnem kürzlich in Kiel yerübten 
Kapitalverbrechen ausgesprochen, wo sich bei einer Frau, die 
zweifellos erst nach ihrem Tode mit Petroleum übergegossen und 
angebrannt worden war, neben Blutaustritten in die Muskel- 
scheiden beider Kopfnicker, in den linken Sinus pyriformis, in die 
Schleimhaut der Epiglottis, in der subglottischen Uegend und der 
oberen Hälfte der Luftröhre noch außerdem starke Glefäßffillang 
in den Augenbindehäuten und zahlreiche Ekchymosen auf der 
Innnenseite beider unteren Augenlider fanden. Die Haut den 
Halses war bereits zum großen Teil durch Flammenwirkung ge¬ 
schwärzt, sodaß Würgsparen, sdbst wenn sie vorhanden gewesea * 
wären, nicht mehr wahrzunehmen waren. Da die Leiche auf dem 
Bücken gelegen hatte, war auch eine Entstehung der Lidekchy- 
mosen durch Blutsenl^g nach dem Tode ausgeschlossen. Auch 
beim Tode durch Bumpfkompression infolge von Verschütten, dem 
bekanntlich neuerdings von den Chirurgen besondere Aufmerksam¬ 
keit geschenkt wird, kommen solche Hautblntungen neben stark 
a^ebildeter Zyanose an Stellen, die nicht dem Druck, aber auch 
nicht der Blutsenkung nach dem Tode ausgesetzt waren, in sa 
ungeheurer Zahl vor, daß sie hierdurch für ^ese Todesart gleich¬ 
falls fast pathognomonisch sind. 

Ich möchte unter den äußeren Erstickungsbefanden noch einen 
erwähnen, dem man früher einen gewissen Wert für die Diagnose 
des Erhängungstodes beizulegen geneigt war, dessen Vorkommen 
aber später ganz und gar in Abrede gestellt und von Liman 
für eine Fabel erklärt wurde. Ich meine die Erektion des 
männnlichen Glliedes und die Ausstoßung von Spermn 
bei Erhängten, Erscheinungen, die man neuerdings allgemein 
als passive Vorgänge angesehen und durch den rigor mortis Ast 
glatten Muskulatar der Samenblasen zu erklären versucht hat. 
Es kann indessen nach den Erfahrungen anderer und nach mei¬ 
nen eigenen Beobachtungen keinem Zweifel unterliegen, daß es 
sich hierbei nicht, zum mindesten nicht immer, nm einfache 
Leichenerscheinungen handelt, sondern daß der fikhängungsyor- 
gang bei ihrem Zustandekommmen eine ursädüiche Bolle spielt. 
Ich selbst habe bei einem Sträfling 90 Minuten nach dem Sdbst- 



Die anatomische Diagnose des Todes durch Erstickung. 


361 


erklif eiif wo Ton einom rigor mortii noeh keine Rede sein konnte, 
ein beinahe ToUotändig erigiertes Glied und im Hemde ein be* 
trächtüches Ejakulat mit lebenden Spermien gefunden und khn- 
liriies ist von Pappe, Hansen u. a. beobachtet und von GOtz 
bei den durch Erhängen hmgerichteten Eingeborenen in Ostairika 
gesehen worden. Daß dmr Erhängungsakt mit einer WoUust- 
empflndung verbanden sei, eine Annahme, die noch von Ißteren 
Schriftstelleni, so von Klose, vertreten wird und die zu Erzih> 
langen von einem sagenhaften Klub der Erhängten in London 
geflUurt hat, ist natttrlich irrtttmlich und deswegen völlig ausge¬ 
schlossen, weil mit dem Augenblick der Suspension auch schon 
Bewußtlosigkeit eintritt. Da Erektion und Spermaaustritt auch 
bei anderen Todesarten, so bei Erschossenen, bei Abgestflrzten 
und bei Vergiftung mit Blausäure beobachtet worden ist, so haben 
diese Erscheinungen für die Diagnose des Erhängnngstodes eben¬ 
falls keinen pathognomonischen Wert und sind höchstens insofena 
von Bedeutung, als sie bei suspekten Befanden am Halse und in 
den Hrisweichteilen, etwa bei zweifelhaften Strangmarken mid 
bei Brächen der Zangen- und Schildknorpelfortsätze, den Verdacht 
der Strangulation um einen Grad zu erhöhen vermögen. 

Unter den inneren Erstickungsbefunden haben von jeher 
die dunkle Farbe und flüssige Beschaffenhet des 
Blutes, die Blutttberfällung der inneren Organe, 
qmziell der Lungen, und die subserösen Ekchymosen eine 
besondere Bolle gespielt, ja man kann sagen, daß diese Trias der 
Ersdieinnngen von den alten Autoren geradezu als klassische 
Zeichen der Erstickung angesehen wurden. 

Was die dunkle Farbe und flfissige Beschaffen¬ 
heit des Blutes angeht, so kann ich mich wohl kurz fhssen. 
Dunkel ist das Blut zu der Zeit, wo wir die Obduktion machen, 
in allen Leichen, selbst dann, wenn es, wie beim Tode durch 
Herzlähmung, im Augenblick des Todes infolge größeren Sauer- 
atoffgehaltee hellrot war, weil die Gewebe, wie die Versuche von 
Hoppe-Seyler, Hoimann u. a. lehren, auch nach dem Eintritt 
des Todes noch die Fähigkeit besitzen, dem Blute Sauerstoff zu 
ratziehen. Freilich unmittelbar nach Eintritt des Todes werden 
wir auch in der Leiche das Erstickangsblat sanerstoffärmer, also 
dunkler finden, als beim Herztod, aber diese Differenz gleicht sich 
schon in den ersten 24 Standen nach dem Tode, eben infolge der 
Sauerstoffzehrung der Gewebe aus und ist bei Vornahme der Ob¬ 
duktion daher nicht mehr wahrzunehmen. Außerdem ist das 
Blut, wenn nicht grade eine Eohlenozydvergiftnng oder ähnliches 
verliert, nicht allein bei der gewaltsamen Erstickung, sondern 
bei allen Formen der Erstickung dunkel gefärbt. Ebenso ist die 
flüssige Beschaffenheit des Blutes allen Erstickungsarten gemein¬ 
sam und wird im allgemeinen bei allem plötzlichen Todesarten, 
natürlichen, wie gewaltsamen beobachtet. Ja man findet mitunter 
selbst bei der gewaltsamen Erstickung lockere, ausnahmsweise 
sogar feste entfärbte Fibringerinnsel, so bei Menschra, die ge- 
wadtsam und plötzlich im Verlaufe von fieberhaften, mit einer die 



362 


Dr. Ziemke. 


Blatgerumnng befördeinden Lenkozytenzanahme einhergeiiaideii 
Krankheit erstickt sind, z. B. bei Pnenmonikem, bei Tabe^olOsen, 
die sieh im Fieberdelirinm erhängt haben. 

Etwas genauer mnß ich wohl auf die Bedeutung der Blnt> 
ttberfflllung der inneren Organe, namentlich der Lungen, 
als sogenannte sichere Eennzei<^en der allgemeinen Erstickung 
eingehen, weil, wie mich eine Bevisionsbemerkung des Medi- 
zin^ollegiums lehrt, auch heute noch hier und da die irrtflmliche 
Ansicht verbreitet ist, daß Hyperämie und Oedem der Lungen za 
den gewöhnlichen und charakteristischen anatomischen Befunden 
des Erstickungstodes gehören. Aber diese Befunde sind, darftber 
kann nach den Ergebnissen der modernen gerichtlichen Medizin 
kein Zweifel bestehen, weder für die Erstickimg chuokteristisdL, 
noch sind sie konstant. 

Zunächst vermißt man sie recht häufig bei der gewaltsamen 
Erstickung und zwar grade bei den Formen, wo man nach der 
Art des Ersticknngsvorganges eine Lnngenhyperämie am ersten 
erwarten sollte. Donders nimmt bekanntlidi an — und seine 
Ansicht ist durch Tierversuche als richtig erwiesen —, daß nach 
Abschluß der oberen Luftwege von außen bei der nun folgenden 
heftigen inspiratorischen Atemnot eine Luftdruckvermindemng der 
in den Lungen eingeschlossenen Atemlnft entsteht, wodurch 
der auf den Alveolargefäßen lastende Innendmck herabgesetzt 
wird und infolge des erleichterten Znströmens des Blutes in die 
Lungen eine Blutttberffillnng entstehen mnß. Das in den Lungen 
durch Absperrung der oberen Luftwege erzeugte Minus an Luft 
mnß durch ein Plus an Blut ersezt werden, da die bestehende 
Luftdruckdifferenz in den Lungen unter allen Umständen ausge¬ 
glichen werden mnß. Nun findet man aber grade bei den Formen 
der gewaltsamen Erstickung, wo die Absperrung der Atemlnft 
am vollkommensten erreicht wird, wo also die Bedingungen fflr 
die Ausbildung einer Lnngenhyperämie nach Donders am gün¬ 
stigsten sind, nämlich beim T^e durch Erhängen, keineswegs 
inuner blutreiche, ja mitunter sogar blutarme und trockene Lun¬ 
gen. Wirklich blutreiche Lungen sieht man auch nach Hof- 
mann, Benter u. a. bei Erhängten nur in einem geringen 
Bruchteil der Fälle. Dieses wechselnde Verhalten der Lungen 
ist darauf zurttckzufflhren, daß die Vorgänge, welche den Blnt- 
gehalt der Organe bei der Erstickung beeinflussen, nicht in allen 
Fällen die gleichen sind. Wie stark sich die Lungen im Augen¬ 
blick der Erstickung fflllen, hängt z. B. davon ab, in welchem 
Teile der Bespirationsphase, ob nach einer Inspiration oder nach 
einer Exspiration, der Abschluß der oberen Luftwege bewirkt 
wird. Erfolgt er unmittelbar nach der Ezpiration, wo wenig Luft 
in den Lungen ist, so mnß die Dmckvermindemng in den Lungen 
bei der inspiratorischen Dyspnoe erheblich werden und eine gi^e 
Menge Blut in sie hineinströmen. Erfolgt der Abschluß aber 
gleiä nach der Inspiration, so ist die in den Lungen einge- 
scUossene Lnftmenge größer, die Lnftdmckabnahme im BronchUl- 
banm bei der Dyspnoe also geringer und die zum Ausgleich der 



Die enatomiflche Diegaoge des Todes dorch Erstickoog. 


868 


Loftdraekdifferenz erforderliehe Meng^ Blot weniger betriditlieh. 
Aneh wieviel Lnft vor Abschlaß der Luftwege mit dem letzten 
Inspirationszuge eingeatmet wurde, ist f&r den Blutgehidt der 
Lungen von Bedeutung. Wurde vorher sehr tief inspiriert, wird 
also sehr viel Luft in den Lungen abgesperrt, so kommt es nieht 
zu einer Verminderung, sondern zu einer Erhöhung des Luftdrucks 
im Bronchialbaum; der auf den Alveolargefäßen lastende Druck 
ist gegen die Norm vermehrt, zum Ausgleich der Luitdruck- 
dif erenz muß daher nicht Blut in die Lungen angenommen, son¬ 
dern von ihnen an die ümj^bnng abgegeben werden, woraus 
neben einer Lungenblähung ein geringerer Blutgehalt, eine Blut¬ 
leere der Lungen resultiert. In wieder anderen Fällen wird die 
Ausbildung einer Lungenhyperämie dadurch verhindert, daß die 
Druckvermindemng in der Brusthöhle durch Einziehung des 
Bauches und Hochsteigen des Zwerchfells ausgeglichen wird. 

Ebensowenig gehört das Lungenödem und die Blutftber- 
fOllung der Lungen notwendigerweise zu dem anatomischen Bilde 
der sogenannten inneren, durch krankhafte Organprozesse beding¬ 
ten Erstickung. Bei einem blutarmen Individuum ist eine aus¬ 
gesprochene Hyperämie der Lungen, wie der übrigen Organe, 
überhaupt nicht denkbar, weil eben zur Ausbüdung einer soldien 
nicht genug Blut vorhanden ist. Auch die vitale Energie, mit 
der ein Mensch auf den Ersticknngsreiz reagiert, ist auf den 
Grad der BlutfOllnng in den Lungen natürlich von bestimmendem 
Einfluß. Bei einem altersschwachen oder durch Krankheit her¬ 
untergekommenen Menschen, bei dem die einzelnen Stadien der 
Erstickung abgekürzt oder nur angedeutet verlaufen, wird daher 
die Ausbildung einer Lungenhyperämie kaum erwartet werden 
dürfen. 

Selbst wenn man den Begriff der Erstickung im weitesten 
Wiotsinne fsßt, sind Hyperämie und Oedem der Lungen keine 
sicheren, dia^ostisch verwertbaren Zeichen des Erstickungstodes, 
weil beide in gleich ausgesprochener Weise auch beim Tode 
durch Herzlähmung Vorkommen können, wenn die Lähmung des 
Herzens nicht plö^ch eintiitt, sondern wenn sich die Herzkraft, 
wie bei vielooi chronischen Krankheiten, allmählieh unter Stauung 
des Blutes in den Lungengefäßen erschöpft Lungenödem und 
Lungenhyperämie sind ^so höchstens als ein Beweis für eine 
Stauung des Blutes im Lungenkreislauf anzusehen; über die Ur¬ 
sache dieser Stauung, über die eigentliche Todesursache sagen 
diese Befunde uns gamichts. In einer Bevisionsbemerkung die 
das Medizinalkollegium zu einem von mir mit dem Kollegen Bocken¬ 
de hl gemeinsam verfaßten ObduktionsprotokoU gemacht hat, war 
gesagt worden, daß ans dem Befiinde der Bmstorgane — Hyperämie 
und Oedem der Lunge — auf Erstickung hätte geschlossen werden 
müssen; hätten wir diesen nach meinen vorstehenden Ausführungen 
unzulässigem Schluß tatsächlich gezogen und in unserem Gutachten 
wklärt die betreffende Frau sei an Erstickung gestorben, was hätte 
diese Fassung des Gutachtens dem Richter ^ einen Nutzen ge¬ 
bracht? M. E. gar keinen, denn für den Richter kam es in dem vor- 



364 


Dr. ZienÜM. 


lief eBd«ii Fall nur darauf an zn erfahren^ ob tataädilidi ein etraf- 
barer Veranch von Abtreibanf — es handelte sidi nm einen niecha* 
nisehen, intranterinen Eingriff im 8. Monat — Torlag und ob hier* 
durch diw Tod eingetreten war, nnd das war in unserem Gntachten 
auch ohne den gewünschten Zusatz klar zum Ansdmck gebracht 
worden. Ich muß offen bekennen, mir ist der Sinn der erwähn¬ 
ten Bevisionsbemerkong nicht recht klar geworden. Es hätte, so 
Meß es, aus der Hyperämie nnd dem Oedem der Longen anf Er- 
sückong gescMossen werden mfissen. Wenn damit gesagt wer¬ 
den soll, daß der Tod der Fran durch „gewaltsame* Erstickung 
eingetreten sei, so feMt für diese Annalme in dem anatomischen 
Befunde jede sichere Unterlage. Oder soll das Wort „Erstickung* 
in weiterem Wortsinne Terstanden werden, soll damit ansgedrfi<±t 
werden, es liege eine sogenannte innere Erstickung tot, bedingt 
durch innere Krankheit? Dann ist diese Angabe ftberflflssig, 
wmm nicht gleichzeitig gesagt werden kann, wodurdi die Er¬ 
stickung veranlaßt wurde, denn so wird mit ihr nichts anderes 
gesagt, als daß die Fran tot ist. Die vom ICedizinalkollegium 
gemachte Bevisionsbemerkong hat also fBr den Bichter gar keinen 
Wert, ja sie kann ihn sogar verwirren, indem sie Um zu der 
irrtflmlichen Annahme verleitet, es liege außer dem kriminellen 
Eingriff an den GeschlechtsteUen noch eine gewaltsame Erstickung 
vor, die Frau sei außerdem vielleicht no<ä erwfirgt, erdrosselt 
oder sonst wie gewaltsam erstiekt worden. Die Annahm e, daß 
die Frau durch Erstickung — im weiteren Sinne des Wortes ge¬ 
meint — gestorben sei, wie das Medizinalkollegium zn glauben 
scheint, ist auch ganz gewiß unrichtig. Die Frau war nämlich 
in dem Augenblick plötzlich gestorben, wo an ihr Essigwassmr- 
einspritznngen in die Gebärmutter gemacht wurden. Da sich 
irgend welche Verstopfungen der Lungengeflße mit Blutgerinnseln, 
Fett oder Luft nicht fanden, ist der unerwartete Tod woM nur 
durch Shok zu erklären, d. h. nicht durch Erstickung, sondern 
durch akute Herzlähmnng, analog ähnlichen TodesfiUlen, die 
wiederholt, so von Vibert, bei solchen Eingriffen beobachtet 
worden sind. 

üeber die Blntttberftllnng anderer innerer Organe, des 
Gehirns nnd seiner Häute, der Eel^opf- und Loftröhrenschleimhant, 
der Nieren u. a. als sichere Zeichen des Erstickungstodes brauche 
ich wohl nicht viel Worte zn verlieren. Ihr Blntgehalt unterliegt 
denselben Schwankungen, wie der Blntgehalt der Lungen. Audi 
auf die Aenderung, welche die Blutverteilnng in den Organen 
nachträglich durch die FänlMsvorgänge infolge von sogenannter 
„posthumer Zirkulation* erleiden, anf die Möglichkeit, daß z. B. 
durch die Vermehrung der Darmgase im Unterleib das Blut der 
Bauchgefäße zum Teil in andere Gefäßgebiete verdrängt werden 
kann, will ich nur kurz hinweisen. 

Dagegen muß ich noch näher anf die smbserösen Ekchy- 
mosen an Lumpen, Herz und anderen Organen eingehen, die 
sidi schon zn Tardieus Zeiten besonderer Wertschätzung er¬ 
freuten. Aus ihrem Vorfcoimnen meinte Tardieu die Diagnose 



Die aoetonrieche Diagaose des Todes durch Erstiokiuig. 865 

4er gewaltsamen Erstickung mit Sicherheit stellen zn können nnd 
diese Meinung hat sich bis in die neueste Zeit hinein bei vielen 
Oerichtsirzten erhalten, obwohl schon Lim an ihr lebhaft wider* 
sprechen hat. Wir wissen heute nach den Untersuchungen 
Straßmanns u. a., daß diese Ekehymosen nidits path(^omo- 
misches fttr die gewaltsame Eretickung haben, daß wir sie eben¬ 
so, wie bei allen Formen der gewaltsamen Erstickung, auch bei 
den verschiedensten natürlichen Todesarten antreffen, bei denen 
die Beendigung des Lebens durch Erstickung erfolgt. Ja selbst 
bei Todesi&llen durch Herzlähmung sind sie gefunden worden, 
was sich daraus erklärt, daß die Herzlähmung nicht immer in 
einem Augenblick, sondern oft erst allmählich eintritt, so daß ge¬ 
nügend Zeit zur Ausbildung asphyktischer Erscheinungen übrig 
bleibt. Erklärt wird ihre Entstehung bekanntlich in Anlehnung 
an die Donderssche Theorie dadurch, daß die zarten Kapillar¬ 
wände der starken Blutdmckst^gemng, welche mit dem plötz¬ 
lichen Einströmen des Blutes in die unter Minusdmck befindlichen 
Lungen verbunden ist, nicht gewachsen sind nnd durch Ruptur 
zur Bildung von Eapillarhämorrhagien Anlaß geben. Da ^ese 
Erklärung aber nur für die subserOsen Ekehymosen im Bezirke 
der Druckverminderung, d. h. innerhalb der Brusthöhle zutreffen 
kann, so erscheint eine andere von Hof mann gegebene Er¬ 
klärung plausibler, welche die Hauptrolle bei der Entstehung der 
Ekch^osen dem auf der Höhe der Erstickung eintretenden vaso¬ 
motorischen Krampf und dem damit verbundenen stark erhöhten 
Seitendruck auf die Gefäßwandungen zusohreibt. Bei Kindern 
und Neugeborenen, wo ihre Ausbildung durch die Zartheit der 
Gefäßwandungen besonders erleichtert wird, finden wir die sub- 
serösen Ekehymosen mitunter in so großer Zahl, daß wir leicht 
in Yersuchung kommen, sie diagnostisch für die Annahme einer 
gewaltsamen Erstickung zu verwerten. Wir müssen uns aber 
immer bewußt bleiben, daß wir hierzu nicht berechtigt sind. 
Sind subseröse Ekehymosen neben ausgesprochenen Stauungs- 
erscheinungen in reiehlieher Menge bei Neugeborenen vorhandmi, 
so vermögen sie, wenn z. B. begründeter Verdacht vorliegt, daß 
das Kind unter weichen Bedeckungen erstickt worden ist, nnd 
wenn eine natürliche Ursache des Todes mit Sicherheit au^^e- 
schloesen werdoi kann, höchstens diesen Verdacht zu unterstützen, 
niemals aber eine gewaltsame Tötung zu beweisen. Denn wir 
finden sie oft in ebenso großer Zahl bei plötzlichen natürlichen 
Todesfällen, ich erinnere nur an den sogenannten Thymustod, wo 
oft die ganze Thymus, Herz und Lungen mit Blutaustritten über¬ 
sät gefunden we^en. 

Kurz will ich schließlich noch einiger Befunde gedenken, 
auf die neuerdings aufmerksam gemacht worden ist. Das ist zu¬ 
nächst die von Reuter erwähnte Kontraktion nnd Anämie 
der Milz, die sich namentlich bei Ertruidcenen, gelegentlich 
auch bei Erhängten und in anderen FäUen von Erstickungstod 
findet. Eine besondere diagnostto<die Bedeutung beansprucht 
dieser Befhnd für sidi allmn nicht, denn anämische Milzen wer- 



366 Dr. Ziemke: Die aBatomiscbe Diagnose des Todes durch Ersticknng. 


den auch bei allen möglichen anderen Todesarten gefonden. Da» 
gleiche trifft für ein interstitielles Emphysem der Lun¬ 
gen zn, daß durch Zerreißung Ton AlTeolanepten hauptsächlich 
an den Bandpartien der Oberlappen sieh einstellt und dessen 
häufiges Vorkommen bei der Ersticknng durch weiche Bedeckungen 
Puppe heryorhebt und ans den imstrOsen Atembewegnngen ge¬ 
waltsam Erstickter zu eridären sucht Leers hat nachgewiesen^ 
daß dieses Bandemphysem der Lungen weder einer besonderen 
Ersticknngsform eigentfimlich, noch für den gewaltsamen Er¬ 
stickungstod charakteristisch ist, sondern daß es ebenso bei an¬ 
deren Todesarten, bei akutem Herztod, Erfrierung, Eohlenozyd- 
▼ergiftnng u. a. vorkommt Endlich hat Tor kurzem der Italiener 
Modica Veränderungen der Blutkörperchen, Chroma- 
tolyse und Quellung der Leukozytenkerne, weitgehende 
ZerstOrnngserscheinungen am Zellplasma, wie an den 
Kernen und meist auch eine Zunahme der weißen Blnt- 
elemente beschriebmi, die er bei der Vornahme von Erstickungs- 
▼ersnchen an Tieren beobachtete. Ob und inwieweit ^ese Ver¬ 
änderungen fftr die Diagnose der allgemeinen Ersticknng rer- 
wertbar sind, kOnnen erst weitere üntersnchnngen zeigen. 

Ueberblickt man noch einmal alle die besprochenen soge¬ 
nannten »allgemeinen'^ Zeichen der Ersticknng, so läßt sich ala 
Ergebnis meiner AusfBhmngen feststellen, daß zwisdien den ana¬ 
tomischen Befunden bei der Ersticknng durch äußere Gewalt und 
der sogenannten inneren, auf krankhaften Organverändernngen 
beruhenden Erstickung gar kein charakteristischer UnterscMed 
zu finden ist, und ferner, daß kein einziger dieser anatomischen 
Befunde, auch nicht das Oedem und die Hyperämie der Lungen, 
als pathognomonisch f&r die Erstickung anzusehen ist. Es hat 
daher nur dann Sinn und fttr den Bichter Bedeutung, im Gut¬ 
achten als Ursache des Todes »Ersticknng* zu nennen*, wenn wir 
in der Lage sind, die Veranlassung zur Ersticknng ans dem 
Leichenbefunde anzngeben, bei der gewaltsamen Ersticknng ^e 
gewaltsame Ursache, welche die Erstickung heryorgemfen hat, 
bei der Ersticknng infolge krankhafter Orguyerändemngen die 
Krankheit, welche zur Aufhebung des respiratorischen Gasans- 
tansches geftthrt hat. Dieser Nachweis gelegt tatsächlich audi 
in den meisten Fällen. Bei der gewaltsamen Erstickung sind es 
die Spuren der äußeren Gewalteinwirkung, die, auch wenn sie 
nur wenig ausgesprochen sind, sich nicht wegleugnen lassen und 
unserem Gutachten den Weg weisen, bei der inneren Ersticknng 
ans krankhafter Ursache geben uns die pathologischen Ver¬ 
änderungen an den Organen die sichere anatomische Grundlage 
für unser Urteil. Nur eine Form der gewaltsamen Erstickung^ 
gibt es, bei der Spuren der Gewalteinwirknng regelmäßig yer- 
mißt werden, das ist die gewaltsame Erstickung unter weichen 
Bedeckungen. Ffir diese fehlt jeder charakteristische Befand 
und ein yollkommener Irrtum wäre es, wollte man sie allein aus 
dmi allgemeinen Ersticknngszeichen diagnostizieren, wenn dies» 
auch noch so ausgesprochen und zahlreich yorhanden wären. Den^ 



Dt. Boiler: VeiunreioigiiDg der Stobeolnft mit Kohlenoxyd gas naw. 867 

allgemeinen Entickiingszeiclien kann für die Annahme einer Er* 
etickang immer nnr ein nnterstfltzender Wert anerkannt werden, 
wenn der Verdacht einer derartigen Todesart Oberhaupt Torliegt 
und eine andere Todesorsache ansznschließen ist Niemals ge* 
nflgen sie allein fOr die Annahme einer bestimmten Form des Er¬ 
stickungstodes. Ohne den Nachweis der erstickenden Ursache^ 
das mOgen wir uns immer vor Augmi halten, keine Diagnose an! 
Erstickung. 

Soll ich das wesentliche meiner Ausführungen nochmala 
kurz znsammenfiusen, so wftre es folgendes: 

1. Am besten tun wir, den Ausdruck „Erstickung* 
in unserem Gutachten Oberhaupt zu vermeiden. Er kann 
fast immer durch die erstickende Ursache ersetzt wer* 
den, ohne deren Angabe die AnffOhmng der Erstickung 
als Todesursache wertlos ist und weiter nichts besagt^ 
als daß der Tod durch primären Atemstillstand einge- 
getreten ist. 

2. Alle besprochenen sogenannten allgemeinen ana¬ 
tomischen Erstickungsbefunde sind keine sicheren 
Merkmale des Erstickungstodes, sondern haben fOr die Diagnose 
nur einen gewissen unterstützenden Wert. Ans ihrer Ge¬ 
samtheit oder gar ans einem einzigen Befunde, etwa dem 
Oedem und der Hyperämie der Lungen, die Diagnose „Er¬ 
stickung* stellen zu wollen, ist unzulässig. 

Liteistur. 

F. Strafimanii: Lehrbaeh der geriehtUchea Mediifai; 1805. 

E. Ziemke: Tod durch Erstickong in Schmidtmenne Haadbacb 
der gerichtlichen Medizin; 1907. 

O. Pappe: „Erstickong* in Drasches Bibliothek der gesamten 
Medizinischen Wissenschaften. 

F. Beater: üeber die anatomischen Befände beim Tode dorch Er» 
stickanjr. Wiener med. Wochenschr; 1908, Nr. 28. 

H. Pfeiffer: Die Vorschole der gerichtlichen Medizin; 1907. 

G. Pappe: Die IBagnose der gewaltsamen Erstiekonc dorch weiche 
Bedeckongen. Vierteljahrsehrift für gerichtliche Medizin; Bd. aXXin, SnppL- 
Heft im, 8. 171. 

0. Mo di ca: Bioerche sol sangoe di animali asfittice. Arch. di faima* 
coL sper. e sdenze affini; fase. 1/2. 

Leers and Horoskiewlcz: Sind die beim Erstldrangstode grinn-^ 
denen Gewebszerreißanoen in der Longe charakteristisch fOr diese Todesart. 
Aerztliche Sachyerst. • ^itong; 1906, Nr. 17 and IH Tagnng der deatsehen 
Geselscbaft für gerichtliche Medizin in Dresden, September 1907. 


Eine Beobachtung Ober Verunreinigung der Stubeniuft mü 
Kohienoxydgae durch Ofenheizung. 

Von Medizinal-Bat Dr. Boiler, Kreisarzt in Trier. 

In einem durch einen grossen eisernen Eohlenofen geheizten 
Zimmer wurde von den Insassen während des ganzen Winters ein< 
eigentümlicher Geschmack auf der Zunge wahrgenommen. Es 
stellten sich bei einzelnen Personen allgemeine Stürungen dea 
Wohlbefindens ein, Uebelkeit und Kopfschmerz. Um die Er- 



368 Dt. Boiler: Vexoareinigang der Stabeolnit mit Eohlenoxydgei osw. 


sdiemangen anfroUftren, vorde ich beanftrasrt) eine OrtMche ünter- 
siudiimE des Zimmers in gesondheitlioher Hinsicht Torznndhmen. 
Ich stellte diese an einem Vormittage an, nachdem zwei Stunden 
Ywher bei geschlossenen Fenstern geheizt worden war; einen 
Geruch nach Kohlendanst konnte ich selbst in dem Zimmer nicht 
wahrnehmen. 

loh eatDshm an 10 rerschiedenen Stallen dee Zinunert, in einer HAe 
yon 2 m und auch direkt über dem Foßboden^ in der Nähe dee Fenstere und 
dee Ofens, mittelst, eines Gnmmiballons 6 Liter Loft und trieb sie langsam 
durch mit destilliertem Wasser yerdflnntes frisches Menschenblnt (1:10), das 
sich in einem Glaskolben befand, indem ich die Lnft ymn Boden dee Glas¬ 
kolbens her daroh ein einffesetztes Bohr langsam nach der Oberfläche steigen 
ließ. Nach mehrmaligem lan^amen Schlitteln ontersnchte idi mehrere Proben 
dieser so behandelten Blatflttssigkeit mit einem Spektralapparate. Das Ergebnis 
war folgendes: Es erschienen die zwei für Blat charakteristischen Absorptions¬ 
linien in Gelb (D) and Grfln (Eb), aber nicht mit scharfem Bande, wie bei 
nnyerändertem Blate, sondern mit yerwaschenen Bändern, wie beim Eohlenozjd- 
blat. Nach Zusatz yon Schwefelammoniom trat keine Veränderung der Linien ein, 
wUirend bei normalem Blute alsdann die zwei Linien sich zu einer yereinigen. 

In der Lnft des Zimmers befand sich also Eohlenoiyd, als 
dessen Quelle der Ofen angesehen werden mnßte. Beim Oeffinen 
der Ofentflr schlag die Flamme ans dem Ofen in das Zimmer, 
ein Beweis, daß der Abzng der Ranchgase nach dem Schorn¬ 
steine eine mangelhafte war. Es handelte sich nm einen großen 
Dauerbrenner eines angesehenen Eisenwerkes. Ich ließ den 
Ofen von einem Sachyerständigen nntersnchen. Es wurde fest¬ 
gestellt, daß die einzelnen Teile des Ofens nicht verkittet 
waren, daß der Durchmesser des Ofenrohres um 2 cm geringer, 
als der des Ofenstutzens war und daß das Rohr im ^minrohr 
2 cm Luft hatte. 

Es ist kaum anzunehmen, daß diese Beobachtung vereinzelt 
dasteht, sondern es muß angenommen werden, daß viel 
schädliche Verunreinigungen der Luft durch Oefen erfolgen. Es 
ist deshalb beim Aufstellen eines Ofens die Vorsicht geboten, fest¬ 
stellen zu lassen, ob der Ofen technisch richtig aufgest^t ist 
und ob er vollkommen richtig zieht. Es können sonst Schäden ein- 
treten, deren Folgen man fflr die Gesundheit nicht berechnen kann. 

Ich nehme hier Bezug auf meine Beobachtungen Uber Gaa- 
öfmi in der Deutschen Vierteljahrsschrift fflr öffentliche Glesund- 
heitspflege; 1880, S. 604. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitschriften. 

A. OorlohtUoho Modlaln. 

Zur Wirkug yerscliiedener Beduktionsmittel auf Tsrhindungen des 
Himogloblns. Von Dr. Be int k er, 1. Assistent des bakteriologiscben Lnbo- 
ratoriums der Stadt C0ln. Vierteljahrsschrift ftr geriehtliohe Medizin nsw^ 
8 . Folge, 35. Bd., 2. H., S. 262. 

b^pfehlung des hydroschwefligsauien Natrons als ein dem Schwnfel- 
aauKm und dem Weinsäuren Eisenozydul in ammoniakaliseher LSsnng geldeh- 
weitigen Beduktionsmittels für Blut. Die VorzUge des Mittels sind, daß es die 
Blutmen^e nicht bedeutend yermehrt, also das Blut nicht yerdflnnt, was bei 

{ (anz geringen Mengen in Frage kommen konnte, und daß es dne klare farb- 
ose Losung gibt. Zu etwa 10 ccm der BlutlOsnngen wurde etwa eine Messer¬ 
spitze des Salzes zugesetzt. Dr. P. Fraenekel-Berlin. 



Klelnor« IDtteiloogen ond Ketiftmte aus ZettsohrifteiL 


869 


Die BadnkttoB des Oxyhaemsf leMas im Terlaiif der Ersttekeng and 
•aeh Tersehiedeaea Todesarten. Von Jean Gautrelet ond Pierre Lande. 
Ans dem Laboratoriom lür Physiologie nnd fflr gerichtliche Medizin. BSnnion 
Uoiogiqae de Bordeanz. Comptee rendns de la soe. de bioL; LXIV, 1908, Nr 10. 

Zar Bestimmnng dee Zeit, in welcher in arteriellem und renOsem Blute 
Aes Tieres nach dem Tode Oxyhämoglobin reduziert wird, bedarf es zunächst 
einer genauen Beetimmung des Momentes des Eintritts des Todes. Als 
solchen sahen die Autoren die letzte Atembewegung an, so dafi z. B. bei der 
Erstickung das Tier durch künstliche Atmung nicht mehr wiederbelebt 
werden konnte. Der qualitative Nachweis von Oxyhämoglobin nnd von Hbno- 
4 ^obin wurde ohne Verdünnung des Blutes mit Hilfe der Ouve hämatoscopique 
vonH6nocque und mit SpektroskoMn ausgeführt. 

Bei der Erstickung durch Kompression der LuftrOhre schwindet das 
-Oxyhämoglobin sehr schnell — in weniMn Minuten — aus arteriellsm und 
venüsem Blut. Sogar vor dem Tode des Tieres kann die Beduktion des Oxy¬ 
hämoglobins erreicht werden. 

Beim Tode durch Ertränken ist das venöse Blut des Eaniaehea 
-SVt Minuten nach dem Tode reduziert; das arterielle Blut zeigte noch 
2*/i Standen nach dem Tode die Oxyhämoglobinstreifen. Diese Tatsache ist 
der Verdünnung des Blutes suzuschreiben. Wird das Tier erst nach 19 
oder 24 Standen aus dem Wasser gezogen, so hat inzwischen die Beduktieu 
statigefunden nnd man findet in bmden Blutarten nur reduziertes Hämogolbin. 

Beim Tode durch Verbluten ist ^e Beduktion des Hämoglobins eine 
•rasche; 18 Minuten nach dem durch Durchschneiden der Jugularveaen erfolgten 
Tode findet sich im venösen Blute reduziertes Hämoglobin, im arteriwen 
■Oxyhämoglobin; nach der 20. Minute ist auch im arteriälen Kate das Hämo¬ 
globin reduziert. 

Die Zeit der Beduktion des Hämoglobins war eine längere beim Tode 
durch Erschießen. Den Tieren wurde in das Qehim eine Bevolverkugel 

S eeehoasen, Blutung wurde soviel wie möglich vermieden. Das Hämoglobin 
es arteriellen Blutes war erst nach 18 nnd 50 Minuten reduziert, das des 
venösen nach 16 und 40 Minuten. 

Die Zeit der Beduktion schwankt demnach nach der Todesart. Stroga« 
Motf und Mac Mann hatten ähnliches bereits aachgewiesen, ohne indessen 
den Zeitpunkt der Beduktion genau zu bestimmen. Dr. Mayer-Simmeru. 


üeber Tordlnnuag des Blutes bei sehaelleni und langsamem Er- 
'trinken. Von A. De Dominicis. Bisveglio medico, Landaao; 1908, Nr. 88. 

De Dominicis führte Ertränlrangsversudie an Hunden, Kaninchen 
und Meerschweinchen aus, um festzustellen, ob sich Unterschiede in der Ver¬ 
dünnung des Herz- und Organblutes ergeben, je nachdem der Ertrinkungsakt 
rasch oder langsam verläuft. Einige Tiere wurden narkotisiert!; als Er- 
trinkungsmedium diente warmes und kaltes Wasser. 

Für kryoskopische Untersuchungen reichte die geringe Menge des aus 
den Organen erhältlichen Blutes nicht aus. Vedasser benutzte statt dessen 
die kolorimetrische Methode und bediente sich dee Oliver sehen Hämoglobino¬ 
meters. Die Hämoglobinbestimmung des Nierenblutes wurde durch Beimengang 
von Fettropfen, die des Himbiutes durch Zumisohang von Oewebssaft ungenau. 

Ergebniue: Die Verdünnung des Organblutes ist eine inkonstante. Die 
Hämoglobinometerzahlen des rechten und linken Herzens differieren beim 
raschen Ertränken mehr als beim langsamen. Trockene Lungenblähung scheint 
auf langsames Ertrinken hinzuweisen. Dr. Bevenstorf-Hamburg. 


Bestissmung des Stiekoxyduls Im Blut beim BegtBU der Narkose, 
wlhrend der Narkose und im Moment des Todes. Von Maurice Niclous. 
-Comptes rendns de la soc. de bioL; LXIV, 1908, Nr. 11. 

Im Jahre 1868 haben Jolyet und Blanche im Blute narkotisierter 
Hunde bereits den Gehalt an Stickoi^diü (NtO) bestimmt und in 100 ccm 
Blnt Mengen von 20—80 ccm Gas nach weisen können. 1898 haben Oliver 
und Garett ähnliche Zahlm gefunden, gleichzeitig aber große Mengen von 
Stickstoff im Blute bei der Sticmoxydulnarkose aachgewiesen. Der Autor hat 
•die Versuche wiederholt und nach einer neuen Methode folgendes gefunden: 



370 


Kleinere Mitteilnngen und Bafente ans Zefteohiiften« 


Im Be^fiiw der Narkoee 90 cem NtO (in 100 g Blnt), im Moment der 
anagesprochenen Narkoie 95 een, im. Moment dea Todee GiO oem. Yerfaner 
konnte also die irttheren Ergebnieee beetitigen; nur die groien Stidmtoff» 
zaUea, die die engUecken Autoren bei der LMigae-Narkoee fanden, Termißte 
er atets. _ Dr. May er>8ifflmem. 


üeker des Yerkeniinen einer bedeutenden Menge ren UroMIin Ina 
Blute menseblidier Lelehwi. Von BiffL Polin klmatologica; 1907, TV, 
Seite 588. 

Bifli weiat auf die blaher nioht bekannte Tataaehe bin, daß im Blute 
menaohlieher Leichen laat beatftndig (dne bedeutende Menge Ton Urobilin, bezw. 
ürobilinogen Torkommt, welehea audi immer die Todeauraacbe gevreaen aeiia 
mag. Von 96 FUlen, bei denen daa Herzblut geprüft wurde, war daa Beaultat 
94mal podtiT. In den beiden negatiTen Fällen handelte ea 8i<^ um gewadt*^ 
aaanen Tod. Biffl Tennutet, daß die Gegenwart einer relativ großen Menge 
von Urobilin im Zuaammenhang ateht mit der Tataaehe ehieo langaamen Todea. 
Zugunsten dieaer Vermutung spricht auch der Umstand, daß das Urobilin sich 
im Blute der Leiehe schon einige Stunden nach dem Tode rorßndet. 

Technik dee Naohwelseo von UrobiUn und ürobUinogen: 2—8 cem Blut 
werden durch Zufügen einer kldnen Menge von pulverisiertem Natrhunoxalat 
ungerfambar gemacht, währmd zwei Minvten in dniem verschloaaenen Flisdichett 
mit der doppdten Menge Chloroform geschüttelt und sofort auf ein acte durch« 
läaaigea Futer gegossen. Das Blnt bleibt auf dem Filter. Das durdiflieBende 
Chloroform ist sdbon bei Anw e e en heit geringer Mengen von INllrobin prächtig 
goldgelb Mfbbt Zu einigen Eubikaentimetem des auf diese Weise erhaltenen. 
Clorofomiblntextraktea fügt man einen halben Tropfen einer wäwexigen 8 pro*. 
ZinkcbloridlOsnng und einen großen Tropfen konz. NH, hinzu. Klärung der 
trübe gewordenen Mischnng durch Zusatz der nötigen Menge von absolutem 
AlkohoL Bei Vorhandensein von UrobiUn beobachtet man die grüne Fluores¬ 
zenz und das charakteristisehe Spdetrum. Urebilinogen läßt die Ftnoresaenz 
erst eintreten, wenn der Extrakt einige Minuten dem Licht ansgesetzt wirGL 
Bei geringem Urobilingehalt Eindampfen des Extraktes auf V<~V» or« 
sprüngUohen Volumens. 

Die beachtenswerte Mitteilung bedarf noch d«r Nadiprüfhng an einem' 
größeren gerlditsärstliohen MnteriaL Dr. Bevenstörf«Hamburg. 


Ueher die Besthninnng des Alten ven nutfhsdMn« Von A. Lecha«' 
Marno. Arch. gOn. de MOdieine; 1908, Nr. 8. 

Tomellini hatte eine Farbenskala zur Bestimmung dOs Alters von 
Kutflecken angegeben. Er ließ Blutstropfen, die teils venOsen, teils arteriellen 
Geläßen entstammten, aus der Hohe von 10 cm auf weiße Lebwand fdlen 
und BteUte die Farbe fest, welche die Fledce nach Stunden, Tagen nnd Monaten 
aufwiesen. Lecha-Märze ermittelte nun nnnächst die Farbe der Tomellini« 
sehen Skala, welche einem zu untersnchendmi Blutfleck glicht, nnd setzt an» 
seiner Fingerbeere einen Blutstropfen auf den gleichen Stoff, wmcher den Fleck 
trägt. D«r Tropfen wird dann unter den gleichen Bedingungen beobachtet, 
unter w<rioheB sich der Stoff vorher befand, und der Zeitpunkt ermittelt, in 
welchem die ursprüngliche Farbminüanee des in Untersuchung beflndlichen 
Fleckes wiedererscheint. 

Die ZeitbestimmuDg ist eine approximatiTe. ffie scheint, wenn es sich 
um wenige Tage handelt und daa angetrocknete Blut dem diffusen Lieht ans« 
gesetzt war, verwertbare Besultate zu liefern. Vor Lieht geschütztes Blut 
verändert sich nur wenig. 10 ständige Bestrahlung mit Sonnenlicht ruft die 
gleichen Veränderungen hervor, wie 6 tägige Einsrirknng des dlffhsen Lidites, 

Dr. Bevenstorf-Hamburg. 


Ein Fall von Herolnveigiftnng. Von Dr. med. Glasow, Bade« 
direktionsarzt in Aalbeek. Deutsche Aerztezeitimg; 1908, Heft 5. 

Eine 84 irrige Frau hatte am 15. Dezember abends 7 Uhr aus Ver¬ 
sehen 0,05 g Hersinnm genommen. Nach 20 Minuten stellte sich reicWcher 
Sehweißansbmeh, verbunden mit starkem Hitzegefühl, lebhafte GesfehtsrOte,. 
Schwindelgefühl nnd ,bleierae Schwere“ im Kopf ein. Nach weiteren 20 Minuten 



Kleinefe IfittettnnKen ood Referate aas Zeitechiiften. 


871 


ward« PaCieatia eelr heiter and sogleich etwaa lagetUch, begsaa laak so 
■iMea oad nh dea Anaea taktniflige Bewegoagea so «achea. Das Sehwitaea 
Heft allmihMg aaob^ die Haut war Jetat trt^en oad kfiU, die Oedehtsfarbe 
blaß« die Zunge trocken. Die stark yerengtea Papttlea reagiartea, Pols 
100—110 p. M.; es bestand yOllige Oiieatiertheit, allgaaieiBe Hypisthesie und 
Hypalgesie, kelM Ten^eratarerhOhiing. Dieser Zustand dauerte 2 Standen 
an, dann lieft die motorische ünmhe nach; es setzte plötzlich ein Wein- 
krwpf ein. Hierauf safi Patientin yOIIig apathisch bis zum Morgen da und 
schlief erst gegen 7 Uhr Ibfih ein. New bstflndiger Buhe ffthlte sie sich 
noch matt, sonst aber wieder wohl ; nach 2 Tagen war sie TölUg genesen. 

Hr. Klare-Haina (Bes. Cassel). 


Tergiftaag nrit Bakaljptasftl. Von Stadtarst Dr. Schröder in 
Altona. AerztL 8aehyerst.-Ztg.; 1906, Nr. 8. 

Das EttkalyptnsOl preisM einige Firmen in marktsehreieriseber Beklame 
als ein Allheilmittel an. Ein D/*jihriger Knabe hatte mindestens 80 gr ge¬ 
trunken. Eine halbe Stunde iro&ter wwe er taumelig und konnte sich nieht 
mehr auf den Fttften halten. Er bekam heitere Delirien, redete irre und wurde 
dann topwös mit Aofstoften und Erbrechen. Dieser Zustand dauerte einige 
Stunden. Dos Oesicbt war gerötet, die Pu^ea mittelweit, Atmung beschleu¬ 
nigt, Pols klein und schnelL kein Fieber. Die Erholung |^g so schnell yer 
sich, daft der Knabe am anderen Tage yollstSndig wieder gesund war. 

Das Oel besteht yorwaltend ans Ciaeol («ücalTptol) Ci« Hm 0 neben 
Phellandren oder Eukalypten Cm Bi«» Die beobachteten Vergiltuagea siad 
nodi Seltenheiten bis jetzt. _Dr. Troeger-Kempen L P. 

B. BairehUMn. 

Die FregiieM der pregresftlYeii Pnmlyte« Von Dr. A. Steyerthal- 
Kleinen. AerztL 8achyerBt.^Ztg.; 1606, Nr. 7. 

Der Autor resümiert: 1) ln der bstliehen Praxis ist mehr mit der 
eix&eh dementen ab mit der klsssbchen, exponsiyen Form der progreniven 
Paralyse zu rechnen. 

2. Die Paralyse kann in jedem Stadium ihrer Entwicklung Halt machen 
(mdimentire, intermittierende, stagnierende, stationftre Form der Paralyse). 

8 ) Die Lues corebri kimn zuweilen Erankheltsbilder yortinschen, die 
yon der Parade nicht zu unterscheiden sind, aber prognostisch ganz anders 
bewertet werden mossea. 

4) Die Irflher glUtige Anschauung, daft die Paralyse einen Zeltranm yon 
2-8 Jahre nieht Oberdauere, darf miain unter heben UmstSadcn bei der 
Pragnesestellung zugrunde gdegt werden. Dr. Troeger-Kempen i. P. 


Angenbeftuide bei PamlyMkem» Von Dr. H. Dayids, Assistenzarzt 
an der Königlichen Üniyersitits-A ugnsk lbik b Göttingen. Monatsschrift ftr 
Psyohbttfo und Neurologie; Bd. XHil, 1906, Erginsaagshefk. 

Db Erfahrungen, die Dayids bei der Unterauehnng der Augen yon 
Paralytikem machte, sind folgende: 

Störungen der Funktionen dor lider und ftnfteren Muskeb des Auges 
wurden nicht beobachtet. 

Der Konjunktiyalreflez war b wenigen Fillen, der Eemeyalreflex nur 
b ebem Fall deutlich herabgesetzt. 

Der Idehtreflez bt am hftuflgsten gestört, bei dea Kranken des Befe¬ 
renten b 92,80 Pros, der FiUe. Mit forbchreiteader Krankheit nimmt diese 
Störung zu. 

An zweiter Stelle steht die Ungleichheit der Pupillen. Sie wurde b 
SAftl Pros, gefsnden. Audi sie zeigt &nahme mit forts^rdtender Allgemeb- 
erkraakung; sie bleibt jedoch b ihrem Befunde nicht konstant, sondern wechselt. 

Der Beflex bei der Akkomodation war b 67,69 Pros, der Fälle gestört. 
Auch diese Störung nahm mit dem Fortschreiten der Allgemeinerkrankmsg su; 
sodann fid bei ihr der besonders häufige Wechsel im Befunde auf. 

Unr^dmäftigkdten der Gestalt der Pupille wurden b 46,16 Pros, der 
Fälle beobaditet 

Von Fnndusyerändemngen wurde b 16,08 Pros, die yon ühthoff be- 



372 


Kleinere Mitteilnngen and Referate ane Zeitaehriften. 


achriebene Trttbong der Papille vnd Netahant gefondea. In einem Falle worden 
anlfallead geadüingelte Venen, in einem anderen wurde eine alte Choiloiditia 
diaaeminata beobaentet Im ganten worden nor in 28 Prot, der FiUe Ver> 
indemngen dea Hintergmndea ieatgeatellt. 

Daa SebreimOfl^ iat bei dea Paralytikem im allgemeinen bia nom Tode 
normaL Daaadbe für dea Farbeaaina und fttr die Akkomodation. 

Dr. T 0 b b e n • MOnater. 


Terhniten dea Kdrpergewlehta bei ilrknllren und anderen Payehosen. 
Von Dr. Otto PfOrringer, Aaaiateniant an der Heil> n. Pdegnana talt in 
OKlttingen. Monataachrilt fflr Paychiatrie o. Neorologie; 1908, Bd. 
Ergintnngaheft. 

1. Bei einfacher Manie und aymptomatiaeher Manie in Begleitong anderer 
Payehoaen sinkt die Qewichtakorre. 

2. Die Stimmongskarre im tirkoUlren Irresein wird im grofien and ganten 
Toa der Eörpergewichtakorre nach ihren poaitiTea and negiiiTen AoaachUgen 
beiztet. 

8. OeiatesstOrnngen mit herrortretendea Erachmnongen aof affektirem 
Gebiete machen dea Verdacht aal Jogendixresein dringend, wenn das Körper¬ 
gewicht — ohne Beeinfloasong durch mechanische oder deprestiTe Stimmang 
stetig anateigt. _ Dr. TObben-Mfinater. 


Die forenslaehe Bedeotang der modernen Feraehongen In der Ana« 
aagepsyehologle.:,Von Dr. Albert Moll-Berlin. AeistL SachTorst-Ztg.: 
1906, Nr. 6 n. 6. 

Die eingehende Arbeit kommt tunächst an dem Besoltat, daß die Ex¬ 
perimente anf dem Gebiete der modernen Ansaageforsehnng das Gate gehabt 
haben, die Anfmerksamkeit anf die Anasagefemer hintnlmiken. Anderseits 
maß aber sagegeben werden, daß die positiren Beaoltate dieser modernen 
Forachnngen dcK^ yerhältnißm&ßig dflrf^ sind. Nach M. Erachten haben sie 
weaentlicn Nones nicht gebracht, soweit es sich am gesicherte Ergebnisse 
handelt, sondern nor bekannte Dinge best&tigt, was als Verdienst nicht so 
onterschätsen ist. 

Der Artikel ist hochintereaaaat and yerdient im Original nachgeleeen 
so werden. Dr. Troeger-Kempen L P. 


O. 8»oltwerst&ndlgr«ntfttlckelt in ITiillall- imd ZnwallditfttmMokea. 

Nenritis.nnd UnfaU. Von Dr. Kort Mendel. Monatsschrift fflr Psy¬ 
chiatrie and Neorologie; Baad XXIII, April 1908, Heft 4. 

1. Eine anfsteigende Neoritia nach Traama iat dn yerhUtnianüißig 
selten ta beobachtendes Vorkommnis. 

2. Wo sie yorhanden ist, hat entweder ein Eindringen yon Mikroror- 
ganismen yon der Unfallwonde aas, dso eine septische Infektion, stattgefanden, 
oder aber das betreffende Indiyidaam war darch anderweitige Momente nur 
Neryenentzflndau dentlich prädisponiert, so daß daa Traama mehr als aos- 
lOsendes, lokalisierendes Moment anzosehen ist. 

8. Eine lokalisierte and lokalisiert bleibende, nicht asaendierende 
Neoritis kann nach ohne Infektion oder Prädi^osition nach einem Traama 
aaftreten, ist aber relatiy selten, meist ist nach hier Infektion oder Disposition 
zor Erkrankang nachweisbar. 

4. Ohne septische Infektion keine rein traamatische Polyneoxitis I 

6. Ein UebergreUen des neoritisehen Prozesses aof das Bflckenmark 
ist in keinem Fall beobachtet worden; das Fortschreiten der Entzflndang war 
immer begrenzt and blieb stets aof die yerletzie Extremität beschränkt, ^g 
nie darflber hinaas. Ein Weiterkriechen des Prozesses Aber das Spinalgaai^n 
hinans Ist wohl nor bei Vorhandensein einer septischen Infektion denkbar. 

6. Die Klinik stimmt in den wesentlichsten Pankten mit den experimen¬ 
tellen Forschangen flberein. Nor bei yorhandener Infdrtion kann cone rein 
traamatische asaendierende Nearitis entstehen; fehlt erstere, so kann das 
^nma höchstens als mitwirkende Ursache bei yorhandener Disposition zor 
Erkrankang fangieren. _ Dr. TObben-Mflnster. 



Kliere lütteiliingeii und Keferat« ans 2 telt 80 hriften. 878 


Zar Frage der ArheltsbeluuidlnBg UBfUlaerreaknuiker la HeUfttttea* 
Von Oberarat Dr. Worbs. Aentl. Sadirerst-Ztg.; 1906, Nr. 6. 

Ans dem Material der HeUanstalt Iftr Nerrenbranke aHsns Sehonow* 
xiebt Worbs znn&chst das Besoltat, daß im Gegensats an den angelernten 
die gelernten Arbeiter, bei denen man eine bessere materielle Lage Toraas* 
setzen kann, in der Mehrheit der Fälle eine Tendenz zor Besserung zeigten. 

AnlfaUend war dagegen der gering Erfolg in der Behandlung der 
Staatsbeamten und besonders der unteren Staatsbeamten. Ganz besonders 
unfftnstig liegen die Verhältnisse bei den Beamten der StaatseisenbahnTer- 
waltnng. 

Aehnlich sind die Verhältnisse bei den Beamten anderer Verwaltungen. 
Die Gründe für die geringen BehanÜungsresultate scheinen mit in gewissen 
dimistlichen Verhältnissen, so in der aufreibenden Tätigkeit, vielleicht auch in. 
dem Pensinnsmodus zu liegen. 

Die Faktoren, die den schließlichen Ausgang der Neurose bestimmen, 
sind so verschiedenartig und zahlreich (persönliche, wirtschaftliche, dienstliche 
Verhältnisse), daß jeder Fall individuell zu beurteilen ist, um ^ Verständnis 
ffir den schließlichen Ausgang zu gewinnen. 

Die Erfolge für die Arbeitsbehandlung werden als recht günstige be> 
zeichnet, ln 65,7 wurden eine dauernde Erhöhung der Arbeitsuhigkeit der 
übwhaupt behandelten ünfallkrsnken durchschnittlidi um das Dreifache ge> 
hoben. Selbst bei Berücksichtianuig des ümstandes, daß ünfallneurosen 
schwerster Form nicht Gegenstand der Bdiandlung waren, ist der Erfolg im 
Vers^eich mit den sonstigen ungünstigen BehancUunnresnltaten als ein zu¬ 
friedenstellender anzusehen. Jedenfalls geben die Eriolge der Arbeitsbehand- 
lang eine Grundlage für die Bichtung, in der sich die Behandlung Unfall- 
Nervenkranker mit Aussicht auf Erfo^ au bewegen hat. 

Dr. Troeger-Eempen L P. 


Heber tmnmntlsehe fhrembotiseh-emboliBeh bedingte Lungentnber' 
knlese« Von Dr. Köhler-Werden a.Bohr. AerztL8aehverst.-Ztg.: 1908, Nr.8. 

Sehr selten sind die Fälle, bei denen es auf weitem Umwege in folgender 
Weise zu einer Lungentuberkulose kommt: Bei einer von dem Thorax ent¬ 
fernten Stelle, etwa an einer Extremität, wirkt eine Trauma ein und veranlaßt 
hier Thrombosieraagen. Kommen nun die Thromben in Zirkulation, so kann 
eine Thrombosierung gewisser Lungenabschnitte stattfinden, mit haemorrha- 

ß ehern Infarkt, der sidi durch wiederkehrende Blutanuen kundgibt, und nun 
m auf diesen geschädigten Lungenabschnitten si^ mne Lungentuberkulose 
entwickda. Alsdann ist die Lungentuberkulose die Folge einer extrapnlmonalen, 
auch extrathorakalen Verletzung, sie ist aber zweifellos als UniUlfolge im 
Sinne des Gesetzes anfzufassen, so daß eine möglicherweise an sich harmlose 
Extremitätenverletznng im individudlen Falle von weittragender Bedeutung 
sein kann. 

Im Falle Köhlers handelte es sich um eine Subkutanverletzung der 
Wade, die durch Thromboderuns^ zu einem Lungeninfarkt führte, auf dessen 
Boden sieh eine prognostisch seinr ungünstige Lungentuberkulose entwickelte. 
Vor dem Unfall hatte zufällig ein Arzt die Lungen vollständig Mund befunden. 

Die Blutungen aus den Infarkten kommen in soldten FäUen durch Bruch 
der verstopften Gefäße zustande. Gleichzeitig können der notwendigen Er¬ 
nährung entzogenen Lungenpartien einea geeigneten Boden zur Ansiedlung der 
Tnbermbazillen etc. geben. _Dr. Troeger-Kempen L P. 

Heber die VerseblimmeruBg der Tnberkuleee dureh HnfblL Von 
Dt. Leopold Feilohenfeld in ^rlin. Deutsche mediz. Woohouehrlft; 
1906, Nr. 12. 

Es werdm 87 Fälle mitgeteilt, ans denen in anschaulicher Weise die 
Besiehnnffen von Unfällen zu tuberkulösen Erkrankung hervorgehen. Die 
Erhebliclmeit des Unfalls roielt keine allzu große BoUe, dagegen kommt es 
sehr auf die Lokalisation des Traumas an; ferner muß ein enger zeitlicher 
Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bestehen. Die verschiedenen 
Möglichkeiten sind: Offenbarwerden einer bisher latenten Tuberkulose, Auf¬ 
treten von Komplikationen, Nenaufflaekem alter Tuberkulose, direkte Unfall« 



874 


Kleinere Ifitteilnngen und Befeiate niu ZeiteekrUlfln. 


fiHfflIw fBlstajuM« Idnlo 
der YerMsug sw 


) 


Dr. Liebetrnn'Hncw L W. 


BeTiiioas>EBteekeid»f dee 
12. Deseaber 1907. 


üafUl nd L aff t a b er kaleee. 

Beiebs-VereiekermngenBte eoi 
1908, Nr. 8. 

Es ist der Beklngten dnrin beisatoetea, daß gnade bei tabetkalOsea 
Langenerkraakangea die nisidiHche Bedeatong eines ünlaUs fdr dieses Tieidsa 
aar dann anerkannt werden kann, wenn dnrch eine an Gewifiheit grennande 
Wahrscheinlichkeit dargetaa ist. daß der Unfall tob wesentUAen Einflasse 
fttr den Aasbrach oder die EntwickelaBg des Leldeaa gewesen ist; derart, daß 
ohne den Unfall der V^aaf der Kn^heit sich wahtBeheinlioh wesentiieh 
anders gestaltet h&tte. Diesen strengen Nachweis einer arsichUehen Besiehaag 
swischen Unfall and Langentaberkalose za fotdnn. ist deshalb gereditferti^ 
weil die Lanimtaberkalose sidi erfahrangsgemiß hiaßg ohne Jede naehwdih 
bare iaßere Ursache entwickelt and aa<m dann, wenn das Letdea eist nach 
dem Unfall aaftritt, stets mit der M8|^iehkeit eines bloß safUligen seHUehen 
Zasammentreffeas za rechnen ist. Dm B.«V.>A. hat aber im TOiUegenden 
Falle den Beweis des arsidiliehea ZasamaMnhangs zwisehen Unfall and Lan» 
gentaberkalose ab geffihrt erachtet. 

Es ist erwiesen, daß der Eliger am 26. Norember 1905 zasamnen mit 
dem Zeagen B. einen mit den yoiderridem aas dem Olebe gesprongenea, 
bebdenen FOrderwagen sarfiekgehoben hat. Es wm immerUn ein Gewiut Toa 
mehreren Zentnern, dm aof den beiden Personen lastete, dso ^e Arbeit, die 
einen ganz erheblichen Kraftaafwand nOtig suchte. Sohon am niehsten 
Arbeitstage hat der KUger seinen mtarbekem gegenüber über Brnstschmerzen 
geklagt and du Zarttckheben des Wagens hienttr Terantwortlich gemacht. 
Aach dem Enappschaftsarzte Dr. M. gegenüber hat er bereits bei dem ersten 
Besnoh am 1. Dezember 1906 die Besohsresden in der linken Brast aof 
die am 26. Nosember 1905 Teirichtete Arbeit zarüokgeführt. Wenn aoeh 
Dr. M. nach seinem Qntaehten Tom 10 Febraar 1006 nichts Krankhaftes 
gefanden hat and aneh der im Krankenhaase „Beramanastrest* erhobene Bn* 
fand negatiT war, so ist doch — wm aaoh Prof. Dr. C. and Dr. 8t. betonen 
— nicht za bezwetfeln, daß die ersten, kars nach dem Torgaage Tom Ü. No> 
Tsmber 1905 aafgetretensn Besehwer^ aaf db Laagenerkrimkang bnogen 
werden müssen. Aaoh daroh dM besonders seUeauge Fortsohieitea m 
L eideM im Aaschlaß an den Vorgang Tom 25. NoTomlm 1905 nnteisdheidet 
sieb der Verlauf dm Erkraakmig Sn Torliegenden Palle Ton der regelmifi%en 
Entwiekelnng taberkaMser Ernankangen. Der zebliche Zasammeahang ist 
also nirgends onterbroehm. Die ersten Anfinge der Erkraaknng sind Mler« 
din^ Blökt daroh körperliehe AMtrengang Tom 25. Norember 1905 reraunekt. 
Es ut rielmehr anzanehmen, daß der fflüger ror jener Zeit ein — allerdings im 
Bnhestaad beßndliohM — taberkalOsM Leiden gehabt hat. Es kann sich also aar 
darnm handeln, ob daroh den Vorgang rem 25. Norembrn 1905 dbsM bis da« 
hin iahende LsMaa znm Aafflammen and PortschreiteB angeregt worden ist 
Bei eiagebender Würdigang der sümtliehen in dem Venahren ersta t teten 
irstttehen Qntaehten hat dM B.* V.«A. die Frage beijabt Für die große Wahr« 
aeheintiohkeit einm arsichlichsn ZasammenhangM sprechen s^ die fünf 
Ontaohter aas. Den arsichUehen ZasamnuBhang remeineB nai zwei Aerzle, 
indem sie roa der darch die Beweisaafnahme nicht beotitigten Voraassetsang 
aasgehen, daß m sich am eine rerhiltnismißig Idchte Arbeit gehandelt 
hat Tatsiohlicb erforderte die Arbeit anter dsai gegebenen VerhiltnisseB 
«hu poß« kBrperliohs Autrengang. Eise solche Anrtrengang ist non •>«- 
wie Prot Dr. C. and Dr. St. anftthren — nicht nar mit erheblicher 
Bteigeiang dM Blatdrucks, sondern ror allem mit starker Anspaenasg der 
Atemmnakela and starker Neigang du Laftdracks im Isner« im Brast« 
korbM Torbinde«. DisM Umsftlad« sisd aber geeigaet hleia Zerreißongen 
an «teem bereits dareh den taberkalQsen Proseß gesehldigtea Longsn« 
gaweb« herroraamfea, die aafge^eieherten TahmkelbasilUQii ln Bewegaag 
za seikasn and in den S&fteatrom dm Körpers za treiben. Es Int 
a n aaneh ms a , daß «ach beim Kläger iafolg« dm aMtreagendsn Hebens klebere 
Zerreißangen dlMer Art stattgefonden naben. Da nnn — wie schon herror« 



vKltliiere lOttolloikfen und Referate ans Zeiteehrtflea. 


875 


^(eliolMa — die Itr dM LnnfenleldeD eharaktariitisclien EraakheHsenoheiaaogen 
ebfcald aadi den uhieeveB Hebea erkeoabar geworden elBd, die Erknnkang 
ferner lieh mit bewmderw Beeehleonignng enteegen dem Mhleiehenden Verbiiu 
eoniüger taberkolOser Erkrankongmi entwickdt hat, die Entwieklong endlich 
aaeh dareh intUehe fieobachinng dehergeetellt ist, hält es das Bekmgericht 
für dargetan, daß der Unfall ron wesentlichem Einflofl auf den Wiederaasbraeh 
des alten taberkalOsen Leideni gewesen ist. Das Schiedsgotiebk hat hiernach 
die Beklagte mit Recht rar Bntsehädigong des Unfälle Terarteilt. 


9. Bafctarlalagta, lafektjonakrejilrhaltan «ad aadar« JEraakhadtam. 

Die Bfiredmeta falUda and der Cyterrhjktes lals. Von Assistemi- 
ant Dr. Jancke in Berlin; TheiapentiBche Monatshefte; 1906, H.8; and: 
Bamarkaagea ra Dr* Jaaeket Die Spireehaeta palBda and der CyterrlijMeB 
lala* Von X)r. C. T. Moeggerath in Berlin; Ebenda. 

Jancke leogaet es eheaso wie Siegel, Saling and W. Schalze, 
dad die ^irochaeta palBda der Erreger des G^hfUs sei. Er sieht in fiir 
lediglich einen harmloaen Pils, einen Sramarotser, der hiafig, aber nicht Immer 
hei STphilis and bisweilen nach bei anderen Krankheiten Torkomme. Dagegen 
nimmt er fttr den ron Siegel angeblich gefandenen Cjtorrhyktea lau die 
Bolle des Erregers der Syphilis in Ansprach. Noeggerath sacht alle diese 
Behaoptangea in seinea «Bemerkangen“ ra widerl^n. Es wärde ra weit 
führen, hier sämtlicAea Argamentea nachzag^en, die „für* and «gegen* die 
Identität der «Glemsa** and «GHlberspiroohaste*, die Protozeennatar der Sphro- 
«kaeta etc. Toa beiden Seftea yorgebracht werden; Referent maß rielmehr 
bezüglich dieser Unnelheiten auf ^e Originalien yerweisea. Mam wird jeden* 
falls nadi ihnr Lektüre mh N. der Meinang sein, daß yorläaflg kein Grand 
yorliagt, die Aaffassang yon der ätiologischen RoBe der Spirochaeta palBda 
für dte Lass aoganstea des Cytorrhyktes aotengebea, der nach Mühlens and 
Hartmans mn großer Watersohefadichkeit als ein Zerfidlsprodakt aas nor* 
malsm Biat aazasebea ist. Dr. Klare-Haiaa (Bei. Cassel). 


üeker die ffllaflgkelt der CteseUeehtBkrankheltea. Von Kreisarzt 
Dr. Dohrn*Hannoyer. Konkordia; 1908, Nr. A 

Fassen wir die Resaltate der Zosaraneastelinng der preoMsehea Statistik, 
der yon Schwiening and yon Dohrn karz sasammen, so haben wir ia der 
preaßisehai Jagend ia der Jahresklasse yon 21—26 Jahren mit einem Prozent* 
satie yea 0,78 Gescblechtakrankea ra rechnen. Die Mindestiahl der allen 
Altersklassen aagehSrigea Geschlechtskraidiea ist aof Gkand der nw objektiven 
Befände berücksichtigenden Statistiken aaf 2,8 bis 8,87« ^ Preaian za yer* 
anscblagen. Einen Büokschlaß aas dieser Zahl der Ktaiuien anf die Händf^Eeit 
der Geachleehtskrankheiten mßohte Verfasser aas den oben angeführten Gründen 
nicht akhen. Selbst wena nma diese Zahlen aotwen^gerweise nach oben 
korrigiert, so geht doch dacaas heryor, daß wir im Vergleiche za ftühesen 
Zeiten om kn Veagleiehe n aakaltrasitea VBlkern der Jetztzeit relatfy 
günstig dastellen. _ Dr. Wolf* Hatbarg. 


Das 8Uavan^ satn Verhanmnen and aetna Dabnniling* Von Professor 
Dr. Gerb er-Königsberg i. Pr. Therapeatische Monatshefte; 190T, H. 12. 

Es ist notw^ig, Abwehnnaßregeln gegen das Sklerom m treffen wie 
gegen die Lepra. Wurend diese aber efaie ateterbeade Krankhdt ist, stdit 
daa Sklerom neck in der «Maleablüte seiner Sünden*. Wir haben berffts zwei 
Heede Asses Leldeas in Deatscbland, efaun in Sdüesien and den anderen ta 
Ost ps e aß e n (Kreise Lpvk and Marggvabowa). Eine Vorbedingnng rar Be- 
käapiang der Kraßheit ist ihre genaoe Krastnls hmerhalb ^ Aerztewelt. 
Ahgesehn von dem InMalstadiam in der NasmhOhle rfnd für die Diagnose 
bssoniisffi wlditig Ae hoaaentrisoben Veränderaagen des Nasearaehearanou, 
die nar hsim Sklerom yerkommen, ferner die mMst sabklottbches, Msweflen 
aber aaeh rapsaglottischea lailtvate «nd Tamerea im Kditkopf. Daß wir es 
kn SUesom mit Anar kontagiOsen Krankheit za tan haben, daran kann 
nicht gesweifelt werden, wenn nach die Spesifltät des sogenannten Sklerom- 
e r t agers bisher ateht erw iese n ist. Dir. Klare*HAaa (Bes.Cassel). 



376 


Kleinere Mitteilnngen und Referate aoi Zeitsehriften. 


Zun üebertritt tos dnreh Helminfken n^teMnderton glfUgMi 8iib> 
stnuen ln den Oi^anlfluu« (Skleroetemn, Oeeephagostoina, Ankyloetomn). 
Von W einber g. Ana dem Lnboratorinm des Prof. Metaobnikof L Comptea 
rendna de la aoo. bioL; 1908, LZIV, Nr. 1. 

Der Anfaate lat fttr. die Lehre ronder Aakyloatomiaaia TMgrofier 
Bedentnng. 

Fttr du Skleroatoma hatte Anter nachgewleaeB, daS ea Sabataasen 
abacheidet, die die roten BlntkSrperchea anflOeen, die Blntgerinnnng ver¬ 
hindern und bei Bertthrnng mit dem Serom einen Niederachlag geben. Von 
Humolyainen and apeailiachen Praeaipitinen aind dieu KOrper verschieden. 
Sie • ähneln dagegen dem Blntegelextra^ and den SitoeUonsprodnkten be¬ 
stimmter Organe des Verdaanngstraktns. So iSet auch die Qalle die roten 
Blntkörperchen auf, so hat du Dttnndarmextrakt eine thermostabile Sabstana 
von denselben Eigeuchalten anm Inhalt, und hindert du Paakieueztraitt die 
Blutgerinnung. 

Die Unterauchungea in vivo bestätigten die Versaohe in vitro. Bei 
82 Pferden mit Sklerostomoaiasis fand sich, dafi die toxischen Substanaen in 
den Ereialauf eindringen und dort die roten Blutkörperchen aeratören. Die 
Zerfallsprodukte werden a. T. durch die Nieren ausgeschiede^ bleiben aun 
andern Teil in Leber und MUa. — Aehnlichm fud sich bei 80 AKen mit 
Ouophagostomiuis. 

Auch beim Ankylostomum handelt u sich um einen Nematoden, 
der mächtige Mittel nur Fixation >) hat und der sieh vom Blute seinM Wirtes 
nährt. Die Untersuchungen von Calmette und Breton ttber die humoly- 
sierende Wirkung des Ankylostomenextraktes, dievonLoeb und Smith ttber 
den Einfluß desselben auf die Blutgerinnung die Ergebnisse von Daniels 
ttber Pigmentierung verschieduer Orgue bei&uken, die der Ankylostomiasis 
erlegen sind, und die üntersachnnuen des Verfauers Itthren au dem Schlosse, 
dafi m sich auch bei dieser Erukneit um eine chronische Vergiftung du Or- 

S anismus durch toxische, von den Helminthen abgeschiedene Substonaen handelt. 

u den toxischen Wirkungen kommen hinan: intestinale Blutungen, 
ferner infektiöse StOrnngu durch Msimpfung pathogener Mikroben in die 
Darmwand mit HUfe jener Helminthen. Dr. Mayer-Simmern. 


I 


I 




Das Auftreten der BUnddarmentiflndnng In Prenssen. Statistischo 
Eorreepondena; 1906. 

Die A^aben ttber die Häufigkeit der Blinddarmentattndu^ in den all¬ 
gemeinen Heilanstalten Preufiens sind bisher unter der Gruppe «Peri- 
tonitis“ (Banchfellentattndung) geftthrt worden. Die Zahl der Behandelten 
dieser Gruppe ist von 896 (w9 m., 497 w.) im Jahre 1877 auf 19171 (10009 m., 
9162 w.) im Jahre 1906 gestiegen. Während aber bis anm Jahre 1892 die 
jährliche Zunahme kaum 100 betragen hat, wurden seitdem bis 1901 jährlich 
rund 600 Personen dieser Eruikhdt mehr anfgenommen; in den folgenden 
Jahren stieg die Zahl um mehr als 1000, 1908 bereits um 1700, 1904 um 2600, 
1906 um 2910 und 1906 sogar um 8268. Die SterbUchkeit an dieser Eraak- 
heit schwankte in den Ji^en 1876 bis 1886 awischen 24 und 88 v. H. und 
sank dann fortdauernd bis auf 10 v. H. im Jahre 1906. Die Abnahme der 
Sterblichkeit läßt sich durch die sunehmende Aufnahme in leichteren Erank- 
heitsfällen erklären. 

Mit Hilfe der Zählkartenmethode ist es mOglich geworden, au nnter- 
suchen, ob die Blinddarmentattndnng das auffallende Anwachsen der 
Erankheitsfälle, welche aur Gruppe „Bauchfellentattndang* gerechnet werden, 
veranlaßt hat. ln der Tat ergibt sich auch, daß in den Jahren 1908, 1904, 
1906 und 1906, in denen die größte Zunahme der Peritonitisfälle festgesteUt 
ist, an Blinddsjrmentzttndunf (Perityphlitis, Appendidtis) 8412, 10793, 18714, 
16781 an den 10689, 18008, 16918, 19171 Peritonitisfällen geaählt waren. 
Die Sterblichkeit an der BUnddarmentsttndnng betrag nur 9,46 beaw. 944, 
7,91 und 6,68 v. H., während de fttr die 2137 teaw. 2216, 2104 und 
2390 ttbrig oleibenden PeritonitisfäUe sich auf 80, 84, M und 84 v. H. belief. 

Verfolgt man die Zahl der Blinddarmentattndungen, je nadidem di» 

0 VergL Zeitschrift fttr Medizinalbeamte; 1906, 8. 688. 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeltsebriften. 


877 


Xmakenhinser der einzeben Begiernngsbesirke beteiligt waren, so 
stallt sieb heraus, daß das Vorbandensdn von Anstalten wobl den Haupt* 
dafloB auf die OrOfie der Zahl der Behandelten ansgettbt hat. So sind in 
Berlin allein in den Jahren 


1908: 1847 Erkrankte behandelt, daron gestorben 177 = 9,68 t. H., 

1904 : 2878 , , , „ 288 = 10,08 , . 

1906 : 2818 . , , , 220 = 7,81 , , 

1906: 8817 « , , , 216 «= 6.61 „ , 

Welchen großen Wert diese Statistik beanspmohen kann, geht ans der 
Tatsache heryor, daß Ton den überhaupt in Berlin in den drei Jahren 1904, 
1906 nnd 1906 an Blinddarmentzttdnng destorbenen (282, 281 nnd 266) 84, 80 
nnd 86 ▼. H. in den KrankenhSnsern gestorben sind. Ob aber die 
Zahl der Behandelten einen Bttckscblnß anl die Zahl der Erkrankten über¬ 


haupt gestattet, die Frage ist nnr insoweit zn bdahen, als für die BevOlkernng 
in großen Städten die Zahl der Fälle von Blinddarmentzündung b den 
Era^enhänsern ab ebe Mindestzahl anznsehen bt, deren Größe mit Recht 
db Öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. 

Was das Geschlecht der Behandelten betrifft, so bt ermittelt, daß 
das weibliche Geschlecht unter den Behandelten nicht weniger erheblich ver¬ 
treten ist, ab das männliche. Dies trifft auch für die einzelnen Altersklassen 
zu bb a^ die erkrankten Ebder von 6 bb 16 Jahren, unter denen bedeutend 
mehr Knaben ab Mädchen Hilfe b den Krankenhäusern suchen. Vergegen¬ 
wärtigt man sich, daß für Ebder verhältnißmäßig selten Hilfe b den Kranken¬ 
anstalten gesucht wird so erscheint die große Zahl b diesem Alter, die wegen 
Blbddarmentzündung den Krankenhäusern überwiesen bt, recht auffallend. 
Oh die körperlichen Anstrengungen bei der Ausübung des 8 ports für die 
Jugend die Erkrankung an Blbddarmentzündung zu veranlassen vermögen, 
bedarf noch ebgehender Untersuchung. 

Für das Jahr 1906 bt auch bei der Todesursacbenstatbtik die Beteili¬ 


gung der Blbddarmentzündung für die ebzeben Altersklassen der Gbstorbenn 
ermittelt worden. Von 1886 Todesfällen dieser Art im 8taate überhaupt 
kamen auf männliche Personen 1098 ^ 68,01, anl weibliche 793 = 41,99 v. tL 
Darunter befanden sich im Alter von über 1—16 Jahren insgesamt 476 = 
26,24 V. H. (270 m. = 28,68, 206 w. = 26,01), von 16-80 Jahren 660 = 
29,69 V. H. (864 m. = 82,66, 206 w. = 26,01). 

Die nachfolgende Zusammenstellung vergleicht den Anteil der Cbstor- 
heaen überhaupt und der an Blbddarmentzündung Gestorbenen nach 
Altersklassen nnd Geschlecht. Daraus geht ebenfalb bervo^ daß beide Ge¬ 
schlechter im kräftigsten Lebensalter stärker von dieser Krankheit dahb- 
gen^ werden, ab von allen anderen Krankheiten zusammen genommen. 


Alter 

An Blbddarment- 
züadnng gestorbene 
Personen 
m. 1 w. 1 zus. 

an I 
zündni 

m. 

Es 
Ubddar 
Bg Gest 
w. 

starben 

ment- 

orbenen 

zus. 

von Je 
ü 

Qi 

m. 

100 

iberhau] 
»torbei 
w. 1 

pt 

lea 

808. 

bb 1 Jahr 

17 

7 

24 

1,56 

0,88 

1,27 

86,41 

81,11 

88,86 

UDor 

1 — 2 Jahr 

10 

6 

16 




6,18 

6,86 

6,28 

2 — 8 

n 

8 

8 

16 


HSl 


2,11 

2,26 

2,18 

8 — 6 

9 

80 

80 

60 

2,74 

8.79 

8,18 

2,29 

2,48 

2,88 

6—10 

9 

97 

82 

179 

8,87 


9,49 

2,44 

2,77 

2,69 

10—16 

n 

126 

80 

205 

11,48 



1,28 


1,48 

16—20 

n 

186 

89 

226 

12,48 

11,24 

11,98 

1,96 

1,89 

1,93 

20—26 

n 

129 

68 

192 

11,79 

7,96 


2,27 

2,26 

2,27 

26—80 


89 

64 

148 

8,13 

6,82 

7,68 

2,19 

2,60 

2,84 

80—40 


148 

109 

267 

18,63 

18,76 

18,68 


4,96 

4,83 

4(K-60 

9 

104 

77 

181 

9,61 

9,72 


6,44 

6,17 

6,88 

60-60 


96 

64 

169 

8,68 


8,48 

8,82 

6,96 

7,66 

60—70 

n 

69 

77 

146 

6,81 

9,72 

7,74 


11,16 

10,70 

70-80 

Jahr 

88 

86 

69 


4,66 

8,66 

9,68 


10,78 

über 80 

4 

10 

14 


1,26 


4,69 


6,69 

ubekaimt | 

— 

— 

— 

-1 

— 

- 



0,04 

zusammen . | 

1 1094 1 

1 792 1 

1886 II 100,001100.001100,00 

100,001 lW.OOl 000,00 





























878 


Kleinor« Mitteilungen nnd Refemto «m Zalteehriften. 


Aaeh die Feetetollang dee Benife der Gestorbenen UAt den SehloA n 
dafi die jugendlichen Personen von 10—25 Jahren besonders gefihrdet er> 
scheinen. So befanden sich unter 1904 an Blinddannentafladuug gestorbenen 
minnlichen Personen 270 = 24,68 r. H. Gtehilfea, Gesellen und Lehrlinge, 
die in der Industrie, ferner 81 = 7,40 ▼. EL, die im Handel und Verice&e 
beschäftigt waren, und 122 = 114.5 t. H. Personen, die der Armee nnd 
dem Beamtenstande angehSrten, w&hrend tmi den 852777 ttberhaupt gestorbenen 
minnlichen Per8<men den angefOhrten Berufen nur 15,45, 2,88 uid 2,56 ▼. H. 
sugesihlt waren. 

■Demnach ist die BlinddarmeatiOadnag su denjenigen Krankheiten su 
rechnen, welche Iftr die jugendliche BeuOlkernng gefihrlioh sind. 


B. Penlafsktlow. 

üeher die nnttseptlsehe Wirkung tou Thjmel und Tnnnetbjmol und 
das Terk^ten einiger Substansen snr Sehwefelwasserstoffblldaag. Von 
Dr. med. Herrn. Hildebrandt, Priyatdosent an der Unlrersitit Halle a.8. 

Verfasser bediente sich bei der Untersuchung der antiseptischen Eigen¬ 
schaften von Thymol und Tannotbymol (Eondensationsprodukt ans Thjuiiü, 
Tannin nnd Formaldehyd) der sog. Milch-Schwefel-Methode, die darauf beruht, 
daß die Milchbakterien im stände sind, fein rerteilten, der Milch sngesetsten 
Schwefel (Sulfur praecipitatum) in Schwefelwasserstoff umsnwandeln, der mittelst 
Bleipapier nadiweisbar ist. ^ fand sich, daß es unter dem Einfluß der betr. 
Substansen, die in wechselnden Mengen der Milch gleichfalls sngesetst wurden, 
nur SU gans geringer H*8-Entwicklung kam; bei Znsats von 0,05 Thymol su 
100 ccm Milch fenltea sie sogar yOUig. Verfasser weist sum Schluß noch 
darauf hin, daß mit dieser Bildung yon Ha S ans Schwefel durch Bakterien 
die schon Unger bekannte analoge Bildung yon HsS ans Schwefel durch 13- 
weiß nichts su tun hat; letstere kann antm durch die sogenannte AntisepMca 
nicht gehemmt werden. Dr. Klare-Hatea (Bes. Cassel). 


Lysol und Kreaolseife« Von Prot Dr. M.Schottelins. Mflnchnner 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 6. 

Bekanntlich ist im Königreich Preußen an Stelle des in dem prenflisehen 
Hebammenlehrbnch seither yorgeschriebenen Lyaols eine neue Kresolseife 
eingefflhrt. 

Zahlreiche Untersnehnngen haben die Inkonstans des offlsinellen liq. 
cresoli saponatns ergeben; jedenfalls ist die Wirkung desselben unsicher, 
was nicht an yerwundem ist, da sowohl Kaliseife als auch das yorgesdirieboae 
Oresolnm omdum, aus denen der Id^er uresoU sap o natn s hergestelH wird, in¬ 
konstante Großen sind. Aehnlieh yerhält es sich mit der neuen Kresolseife. 
Für den Ersats des Lysois durch eine neue Kresolseife würden drei MOf^ch- 
keiten als maßgebend in Betracht kommen, wenn eine Verbesserung erreicht 
werden soll. Das neue Pr&parat müßte kriftiger wirksam (bakterisider), 
für den Menschen weniger giftig und endlich billiger sein wie Lysol. Verfssser 
führt die Gründe an, wel«jhe dartun, daß die Kmolseife weder sicherer und 
stirker desinflsierend, noch auch, daß sie weniger giftig oder billiger ist als 
I^rsoL Wenn der ßtaat die stündige Kontrolle ülw KnsoLwifenprIparate über- 
nelunen würde, dann konnte gewiß auch für das Lysol unsere KoutroU- 
prüfnng fortfaUen. So lange aber dies nicl^ der Fall ist, wird trots der Ein- 
lühmng der neuen Kresolseife das Lysol als das suyerUssigBtennd wirksamste 
KresolseMsaprtpaiat su beaeiehaea sein. Dr. Waibel-Kempteu. 


Zur Hiudeiesinfektleu. Von Obeiaxut Dr. Leasmaan-Onisbwf- 
ZeiMralhlatt f. Ofair.; 1268, Nr. A 

Verlasset empflehk au dem Zweck eine Seifen nasse yon fblgeader Zn- 
ssmmennetanng; Fommlia 5,0, Benäh 15,0, Dermosiml SQA Dieses IfittsI 
besitst genügende Deshfektioaskraft, diin(^ h die ^efe der Bant eia und 
sMat die Haut aüdM. Dis Methode ist folgendesmaßen: Mechanische Beinitung 
dar Hiado im fthßendmu heißen Wasser mit steriler Bürste und Manasneifn 
(5 Min.X Abreihen der H&ade ssit trockener steriler (Hse, krtftlges fihnftau 



Kldnace JUtteilongen und B«feiata »«• Zeitsohiiftca. 


m 


dar genaantan Seileniaasse (9 Nfushbflntao ntt SaifeaqpUtiui (9 
Abapflla« ia 1 ‘/m SablioiatlOsaag. Aoob sor Vorbereitoag das Oparatkns« 
leldss kaaa bumi disse Seile beaatiea. Br. Wolf •Marburg. 


Uaterfuehuagea tber y,FeetoferaS ela Forauüdehyd-Selfeapriparat. 
Voa Br. E. Walter, Aeabtenc am bygieaisobea lastitut ia Greifswald. ljiaiig.r 
Bissertatioa. Greifswald 1907, H. Adler. 

Bas aeue Besialektioasmittel Festoform ist eiB aach PatentTorfahrea 
(Cbemisehe Werke Beiheistieg, Hamburg) bergestelltes festes Formaldeivd* 
Seifeapräparat. Es ist ia kaltem Wasser schwer, ia auf 60* erwirmtem nst 
augeaDlieklich löslich. Bie LOsuagea reagierea aeutral und opalesderen, je 
aaä dem Gehalte, mehr oder weniger stark. 1—2pros. Lösungen riechen 
last gar nicht nach Formaldehyd und geben beim Schütteln einen seifen- 
artigen Schaum. Bas Mittel ist in den gebr&uchlichen Verdttnaungen ungiftig. 

Bie ersten Versuche mit dem neuen Präparate wurden von Symanski*) 
Uagestellt, die in ihrea Ergebnissen, wie schon jetst bemerkt werden mag, 
im wesentlichen mit denen Walters ttbereinstimmea. W. stellte sunächst 
ebe Beihe sehr exakter rergleichender Untersuchungen an über die Bes- 
^ektionakraft des Festoforms und des Formalins fai gleich starken Lösungen, 
wobei er als Testmaterial Staphylokokken, Typhus*, Biphtherie*, Coli*, Mflz* 
brandhasillen und MUsbrandsporen, ferner ^en sehr reaiateaten, sporenhaltigen 
Eeubacttlusbenutste. 

Biese Versuche zeigten, daß das Festoform im wesentlichen die 

S leiche keimtötende Wirkung hat, wie das Formalin, daß es aber 
I Tielen Fällen ^e Wirkung des Formalins noch ttbertrifft. So tötete eine 
2pros. Festoform lös ung Biphtheriebazillen nach 10 Sekunden, 
Typhusbazillen und Staphylokokken nach 60 Sekunden, Coli* 
baZillen nach 1*/* Stunden ab, während die entsprechende Formalialösung 
eine wesentlich längere Einwirkungsdauer beanspruchte. Eine Iproz. Feste* 
formlösung xermochte Typhusbazillen in 1 Stunde, Staphylo* 
kokken und Biphtheriebazillen in 2 Stunden abzutöten. 

Walter konnte bei seiner ünterauehung ebenso wie Symanski fest* 
stellea, daß sich die erwärmten Festof ormTösuBgen durdi besondere 
desinliziereBde Kraft anszeiohnen. 

Er prüfte sodann xergleieheBd die entwickluncshemmende 
F&^keit im Festeioinns und £e des FomaliBs, wobei er ski eines für der* 
artige Untersuchungen besonders geeigneten Verfahrens Ton Löffler be¬ 
dielt Es zeigte snk, daß das Festoform auch ln seiner entwich* 
lungshemmenden Eigenschaft das Formalin deutlich über* 
trifft, namentlich in schwächeren Lösungen. 

Besonderes Interesse beaasprudieB die xon Walter eagestellten Ver* 
eudie mit den «Festoform*Baumdesinfektoren*. Es sind dieskleiBe, 
mit umlegbaren Füßen Tersdiene Blechbüchsen, die bis zur Hälfte mit Feste* 
form gefult sbd und in ihrem Beckel die zur Verdampfung notwendige Menge 
Afftspiritas enthaHen. Na^ den Angaben der Firma solneB 60 g Festeferm 
zur Beshifektion von 60 cbm Baum — und zwar ohne gleichzeitige Vor* 
dampfig Ton Wassw — ansreiebeB. 

Walter führte nun mH dem Festoform eine Beihe xoa Smmer* 
desinfehtioBsrersnehen durch, wobei er die tob Flügge gegebenen Vorschiifteu 
bezüglich der Vorbereitung des Baumes (Abdichtung etc.) streng beobachtete. 
Ik benutzte als Testobjmete Biphthede*, Typhnsp, Pyoeyaneus-, Milzbrand* 
bazillen, Milzbcaadsporea und Stsphylokokkea (aureus), an Leiawandläppoheu 
besw. Be^gläschen angetrodmet und als Agar* besw. Serumkultur in Böhr* 
eben, um so das Eb^rmgen des Formaldehyds fai BHaen zu prüfen, feiner 
mH ßts^yldcokkeneiter beschmutzte Verbaadgase. 

Kd diesen Untenuohungmi konnte Walter zunichot feetsteliea, daß 
ein betriedigender Erfolg yon der Festoformraumdesinfektioa ohne i^chzeitige 
Entwicklung tob Wasserdampf nicht nu errdehea war. 

Günstige Besuitate ergab dagegen die folgende Versuchs* 


Geher „Festai<»m* als Bednßdens. Zdtschdfk für Mediaiaalheamte 
lÜOß, Nr. 13. 



880 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ane Zeiteohrifteo. 


anordnnng: In don 60 cbm enthaltenden Baume worden ea.400 g 
Feitoform (Inhalt einer große Bttchae) ttber einen mehiflamnügen Spiritos- 
breaner mit 1 Liter Wasser aor Yerdamplnng gebracht; nach 6 Stondea 
wurde mit der Ammoniakentwicklong begonnen. Diesem Verfahren erlagen 
simtliche Testbakterien, abgesehen von HUzbrandsporen und einem Staphylo- 
coccos aoreus, der sich als sehr widerstandsfähig erwiesen hatte; indessen wird 
dies auch bei dem Flügge sehen Verfahren beobachtet 

Bei seinen Versuchen prüfte Walter auch nach dem hierfür besonders 

S eeineten Titrationsverfahren von Bomyn den Formaldehydgehalt 
er Luft des betr. Zimmers und fand einmal p. 1 cbm 0,875 g, ein zweiteii 
Mal 0,46 g Formaldebyd, Werte, die denen beim Breslauer Verfahren ent¬ 
sprechen. Trotzdem mOchte er die Festoformraumdesinfektion nicht an die 
Stelle des exakt ansgearbeiteten Breslauer Verfahrens setzen; er glaubt ea 
aber für Improvisationszwecke, weil man nichts weiter benOtigt als 
einen Kochtopf, ein Gestell und einen Spiritusbrenner, in erster Linie em^ 
fehlen zu können, zumal das Präparat nicht teuer ist (1 Oo Festoform: 1,20 M.). 

Uebereinstimmend mit Symanski stellte Walter fernerhin fest, daß 
das Festoform schon in kleinen Dosen ein hervorragendes Desodorierungs¬ 
mittel ist (für Aborte, Pissoirs, Ausgüsse nsw.)* Lr faßt das Gesamtresnltat 
der von Ihm angestellten Versuche in feigenden Schlußsätzen znsamment 
1 . Das Festoform besitzt in wässerigen Losungen zum mindesten 
die gleiche keimtötende nnd entwicklungshemmende Eigenschaft 
wie das Formalin. In vielen Fällen übertrifft die Wirksanäeit der 
FestoformlOsnngen die gleich starke FormalinlOsungen um ein Geringes. 

2. Durch Verdampfen des Festoforms zusammen mit Wasser 
lassen sich ohne besondere Apparate nahezu die gleichen Wirkungen 
erzielen wie mit dem besten der bisher bekannten Zimmerdesinfektionsverfahren,, 
das von Flügge angegeben worden ist. 

8 . Das Festoform eignet sich in gasförmigem Zustande nnd ln wässriger 
Losung gut zur Beseitigung schlechter Gerüche. 

Dr. D a s k e • Düsseldorf. 


F. WohiMuigpaliyglaiia, BeaaitlgiinM Aar AbCallatoffa, StnuHMn- 
hyglana, WassarveraorgiuiM* 

Die Trockanstellung und Troekenerhaltung der Heinwohnungen» 
Von ProL H. Chr. Nnßbaum-BLannover. Archiv L Volkswohllahrt; Jahr. I, 
Nr. 2. 

Verbtfser macht zur Erreichung dieser Forderung folgende VorscUl^: 

1) Schutz der Wände gegen au&teigende Erdfeuchtigkeit und das hon- 
dringen des Schlagregens. 

2) Verwendung von Stark dnrchlissigea Steinen nnd MOrtelarten für 
die Wandbildnng, z. B. der Gemenge von Zement nnd der besseren Arten des 
Wasserkalks. 

8 ) Anlage der für Kleinwohnungen bestimmten BauUOoke im Stadtplan 
derart, daß ihre beiden Langseiten tunlichst viel Sonne erhalten, die herr- 
si^enden Winde sie möglichst senkrecht treffen. 

4) Bestimmung des Beziehens der Kleinwohnungen im Frühjahr. 

6 ) Biehtige Aufstellung eines ausreichende Wärme abMbmiden Ofens 
und einer Grude zum Kochen. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Bauordnungen und Wohnungsrefonn* Von Beg.-AB8essor Beohtel- 
Darmstadt. Blätter für Volksgesnndheitspflege; Jahrg. VITE, Nr. 2. 

Neben der Frage, ob nnd mit welchem Erfolg man sich der Staffelbau- 
Ordnung im gegebenen Fiül zur Hebung des Wohnungswesens bedienen kann, 
Üeibt noch eine Anzahl weiterer Pume zu erwägen, bezüglich deren die 
Bauordnnnj^ vielfach hinter den zeitgemäßen Anforderungen zurückbleibon. 
Dies betriA besonders Bestimmnngen, die sich mit der Lage nnd der bau¬ 
lichen Beschaffenheit der Wohnung näher beschäftigen. 

Manche der unumgänglichen Reformen lassen sich bei gutem Willen 
und bei verständnisvollem Zusammenwirken der maßgebenden Faktoren auch 
bei weitgehender Bücksiebtnahme auf private Ltteressenwiderstäade nur Dnreh- 
führuag bringen. Durchgreifende Verbesserungen unserer Wohnuagsverhilt- 



Kleinere Mitteilnngen ond Referate ans Zeiteehriften. 


881 


niese werden allerdings erst dann sa erzielen sein, wenn die derzeitige aer« 
mlitterte, Tiellach nddare and rftckst&ndige Rechtslage beseitigt, und unsere 
Mugese^ebong, sei es darcb reicbs*, sei es darch landesgesetzliche Ma߬ 
nahmen rmormiert und mit den Anforderungen der Neuzeit in Einklang ge¬ 
bracht ist. Die Aufgaben aber, die durch &e zeitgem&ße Bau- und Woh- 
nungsgesetzgebung der Losung entgegengeftthrt werden müssen, gipfeln 
in Beseitigang des Mietskasemensystems, in Bereitstellung von Freiflächen 
für Hsusgärten, Yolksparks, Kleingartenkolonien, damit auch die großstädtische 
Bevölkerung den lebendigen Zusammenhang mit der Natur nicht verliert und 
zieh gärtnerisch und landwirtschaftlich betätigen kann. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 


Mittelbare Ckwheizuug. Von Obering. F. Schaefer-Oessau. Ge- 
«undhmt-Lig.; 1906, Nr. 8. 

Alle Unzuträglichkeiten und Schwierigkeiten der Gasheizung kommen in 
Fortfall, wenn man das Gas außerhalb des zu beheizenden Raumes in einem 
Warmwasser- oder Dampferzeuger verbrennt, die dabei freiwerdende Wärme 
in einem KreislanfBjstem durch Warmwasser oder Dampf nach der Gebrauehs¬ 
stelle fortleitet und dort in Heizkörpern die bekannten Bauarten und Anord¬ 
nungen zur Wirkung kommen läßt, mit anderen Worten, wenn man eine 
Biitti^are Gasheizmig anlegt, welche schon verschiedentlich ausgestaltet und 
erprobt ist. Auf diese Weise ist das Anwendungsgebiet der gasförmigen Brenn- 
ntoffe wieder um ein bedeutendes Stück erweitert worden. 

Dr. Wolf-Marburg. 


Ueber die Grundlagen teehniseher und gesetilleber Massnahmen 

f egen Banehseblden. Von Prot G. Wislicenus-Tharandt. Verlag von 
’. Parey-Berlin. 1908. 

In Betracht kommen für die Entstehung der Rauchschäden 8 Haupt- 
gruppen schädlicher Betriebe: 

1) Die Steinkohlenfeuerungsanlagen. 

2) Die gewerblichen und industriellen Anlagen mit besonders hoch¬ 
konzentrierten Schwefelsäureabgasen. 

8 ) Die industriellen Betriebe mit besonderen, stark mineralsauren 
Abgasen. 

Um die Schädigungen zu verhüten, wird man zunächst einen bestimmten 
Abstand der Rauchquelle verlangen, ferner aber vor allen Dingen eine zweck- 
in^ge Verdünnung der Abgase mit Luft — wo nOtig nach vorausgegangener 
Waschung (Entsäuerung) —; dies ist das einzige künstliche Mittel nach der 
Ansicht des Verfassers, das ^e Rauchschäden aus der Welt zu schaffen ver¬ 
spricht. Es wird nOtig sein, die Schornsteine und sonstigen Abgasmündungen 
wach weitesten hygienisdien Rücksichten zu vervollkommnen. 

Außerdem bedarf es der Einführung eines Luftgesetzes, das 1. anpassungs- 
fiUiig sein und 2. den Fortschritten der Technik und Wissenschaft genüge 
tun muß. Dr. Wolf-Marburg. 


Die Bauehplage lu den Grossstädten. Von Geheimrat Prof. Dr. 
Rubner. Nach einem auf dem intemationalen Kongreß für Hygiene und 
Demographie gehaltenen Vortrage. Archiv für Volkswohlfahrt 1907, H. 8. 

Zu den Eigentümlichkeiten des Großstadtklimas gehOrt die trübe At¬ 
mosphäre die sich in der kalten Jahreszeit besonders geltend macht. Der 
Himm el ist auch am den heitersten Tagen nicht rein blau, sondern grau-blau, 
fahl. Eine Dunstschicht gleich ^er Kugelschale deckt die Stadt; sie wird 
zur regelrechten Wolkenschicht, dann Hochnebel oder sinkt auf den Boden als 
^nefnebel. Die Verbindung von Bauch und Nebel erzeugt den sogen. Erbsen- 
suppennebeL Die trübe Atmosphäre ist auf das Zusammenwirken von Staub 
und Rauch zurückzuführen; der letztere ist der eigenüiche Nebelbildner. 

Unter den Erscheinungen, die Dxmst und Nebel in den Großstädten 
Temrsachen, ist die Abblendung und Verdeckung der Sonne, der Mangel direkten 
Sonnenscheines, die aufdringlimiste. Verfasser ist der Ansicht, daß die Gesamt¬ 
summe Sonnenlicht, das einer Großstadt mit stärkerer Rauchentwicklung ent¬ 
zogen wird, in rascherem Verhältnis abnimmt, tJs die Zahl der Sonnenschein- 



882 


Kleinere Kitteilnngen nnd Bef ernte ans Zeiteebriften. 


stniideB. Es lillt in den leisten Jahren auf, daft sieh der Trttbheftsnad der 
bedeckten Tage Termntlioh hi dem Sinne dner lortschreltendea Abnuune des 
lichtes nnd euer Zonahme der Dunkelheit indert Die Dunst- Und Bauche 
massen wenlen nicht nnr h&nliger, sondern auch dichter. 

Bauch und Buß machen skh ferner auch durch biologbche Sehhdigungen 
bemerkbar. Das schärfste Beagens auf den Bauch in der Luft sind die 
Pflansen. Hole- nnd Holzkehlenrauch sind indifferent, dagegen schädigend auf 
den Pflanzenwachstum zeigt sich der Stein- und Braunkohlenrauch, dann folgen 
Industriegase, Btotgase von Pyritäfen, Säurefabriken, GlasfabiikeD, ZiegelSfmi 
nsw. Nadi tntennchnngen der Forstwissenschaft ist es die langdauemde Ein- 
Wirkung hochTerdtInnter Gase, die eine Benachteiligung des Wachstums 
und schließlich Yernlchtung des Baumbestandes herbeilttbrt. 

Auch die mit einer Abnahme der Phthisemortalität eiahergehende 
Steigenuyg der Mortalität an entzündlichen Lnngenkrankheiten fuhrt Verfasser 
Ml die Emwirkung von Bauchgasen zurück. 

Der Bnuch M nichts Einheitliches. Wir haben zu unterscheiden zwischen 
Gasen der Kohlensäure (COt), des giftigen Kohlmoxyds (COX schwefligen 
Säure (SO*), Schwefelsäure (SO,), Salzsäure (HCl) uud zwisdien Dämpfen, die 
etwa dem Teer gleich, und Asche und Kohlenpartikelchen, dem «Buß* im 
engeren Sinne. Die Menge des Busses, welcher der Stadtluft beigemengt ist, 
ist noch nie in sorgfältiger Weise bestimmt worden. Man kann sich über 
sein Vorkraimen nach einem Tom Verfasser schon früher angegebenen 
und benutzten Verfahren eine quaatitatite Vorstellung machen: MIttds Mnes 
ca. 60 cm langen Glasrohres wird Luft abgesogen naui einer Metallkapsel, in 
wdche gewOh^ches Filtrierpapier gelegt nnd fixiert ist. Nach der FUter- 
folgt ein seitlich ansitzendes luuometer zur Messung des negatiTen 
Dmdces behufs genauer Berechnung der Volumina, dann sine Gasuhr nnd eine 
Wasserstrahlpumpe znmAnsangen der Luft Es genügen etwa 2—8 cbm Luft, 
um (Ue kleinste Torkommende Bnßmenge anfzufiaden. Die benntztmi Papiere 
zeigen mikroskropisch den durch die Imtration ansgeschiedeaen Baß aal der 
Vorderseite. Im Mittel findet sich pro 1 cbm Stadtinft O^äO mg Buß bei 
60*/* Steinkohle ss 0,084 mg Kohlenstoff. 

Als mittlere Zunahme des CO* Wertes für Berliner Stadtinft nimmt 
Verfasser 0,076*/,* m. Im Bauch stecken aber außer der (X)s auch noch fiüch- 
dge Eohlenstoffrerbindungen. Zu ihrer Aufonchnng hat man sich yiellaoh 
der dazu ungeeigneten PermanganatlOsnng bedient. Verfasser gibt ein anderes- 
Verfahren an: Nach Absorption der Kohlensäure durch Barjtwasser wird die 
Luft über glühendes Knpferozyd geleitet und der Terbreuüidie organische 
Kohlenstoff bestimmt. Dieser macht 4,4*/, des in der präformieiten Kohlea- 
sbure enthaltenen Kohlenstoffes ans = 0,016 */,*j auf den mitUermi Kohlen- 
säaregehalt gerechnet. Im Gesamtdurchschnitt sind in 1 cbm Berliner Winter* 
Inft 9 mg ^hlenstoff in Form yon Süchtigen KohleastoffTerbindungen, dazu- 
kommen noch AL mg als (X)t in mazimo, berrührend aus Baucbgassn. 

Der Nachweis der schwefligen Säure (SO*) ist ungemein schwierig. 
Während Bnßbildnng, kohlenstoffhaltige Gase und Dämpfe nnd Kohlenozyd- 
gehalt in eine Gruppe nrsäcbUcb miteinander yerknüpfter Substanzen znsammen- 
gehören. ist die SO* nur von der Art der gebrannten Kohle abhängig. Der 
schädlicne Schwefel der Steinkohlen wird aä 1—2*/* angegeben. Zum Nach¬ 
weis des SO* wird nach Volbard eine PermangMatlösnng in saurer LOsnng 
mit Jodkalinm zersetzt und das frei gewordene Jod titriert. Oliyer hat bm 
sdnen qualitativen Versuchen gefunden, daß Kohle auch schweflige Säure gut 
absorbiert. Die Absorptionskrut steigt ganz außerordentlich, wenn man die 
Luft durch Kokusnußkohle schiebt, welche annährend auf die Temperatur der 
fittßigen Luft gebracht ist. Man kann dann durch Erwärmen die SO* aus-- 
treiben nnd, da kondensierte Schwefelsäure nicht flüchtig ist, durch Brom 
zerlegen, absorbieren nnd als Schwefelsäuren Baryt wäg^ Die Werte be¬ 
wegten sich zwischen 1,6—2 mg SO* in 1 cbm Luft. Wenn man die Luft 
durch stark gekühlte, d. b. in flüssiger Luft beflndliche BObren gehen läßt, 
so zeigt das Kondenswasser eine sehr starke Beaktion durch salpetrige Säure 
mit Si^nilsänre oder a-Naphthylamin oder mit Jodkalinmstärkekleister. Jod¬ 
kalium wird zerlegt, Jod titriert nnd so pro 1 cbm Luft, 1,77 mg NOsH 
berechnet = 1,18 mg SO* gleichwertig. Ans der Bestimmung der NO*H in Kon- 
denswasser läßt sich entnenmen, daß 1 cbm Luft 1,8—8 mg an NO*H und NOiH 



Kleinere liitteUnngen und Beferate ans Zeitsebriften^ 


888 


eathUi. Wenn nach die Menge des SOa nur auf 1—1,6 mg pro einn bewertet 
wird, so ist diese Menge doch Tiel großer, als die in der Lnlt naduvweüMide 
Bnßmenge, die nur Bmchteiie eines mg betrfigt. Die Banebsehwängemng ist 
siobtbar, ue viel größere Schwtngemng mit SOa nnd den anderen Produkten, 
wie NOaH nsw. dagegen nicht. Die vorUnflgni ScMtmmgen würden also 
daraal hinanslanlen, daß die Vemnrein^nagsqnote mit Baachgasen im all» 
gemeinen 1 —der Lnft betragen dimen, Werte, die in einsdnen Gr^ 
stiUten bereits erheblich überschritten sind. Die Banchgssschwingernng der 
Lnlt ist demnach nach diesen Untersnehnnffea eine recht bedentsame. 

Znm Schlosse weist Yerfssser daraal hin, daß die hyden. Vereine die 
Agitation gegen BandibeUstigang aalnehmen konnten, nnd daß es Sache der 
Polisei wfan, bei allen Neuorganisationen die Einrichtnng ranchschwacher 
Feuemngen sn fordern. Wenn auch alle BaßaaflOsangen und Verbrennnngs» 
gase Irä Ton auTerbranniem Kohlenstoff den Essen entströmten, würde 
die SOa doch ebenso massig auftreten, aber, da kein Buß mehr herabfUh, dne 
nmnhafte Quelle von SOa rerdegt sein, etwa */a oder m^. Als Ersats lür 
Brennmaterial -- Kohle, Braunkohle — wird Brenngas und Motorengas Tor> 
geschlagen. Dr. Kypke*Bnro.hardi*Bittbu3^. 


Zur Miethedik der qunatttetlTen Staub, und Bimsbertinaniig. Von 
ProL Dr. M. Hahn-München. Gesundhdts-Ing.; 1908, Nr. 11. 

Der nach tielen gemeinmuaen Yasuehea Ton Ingenieur W. Seid- 
beuer.München konstruierte Apparat besteht im wesentlichen aus einer 
swdsylindrigen Pumpe mit Z&hlwerk, die durch einen Elektrmnolor mittels 
Akkumulatoren betrieben wird. Nach den bisherigea Erfahrungen eignet sieh 
dv Aspirator Tortrettich für 

1) bakteriologisehe LuftuntersnehnagA 
8 ) die Bestimmung des Staub* und Bnßgehaltes der Luit 
8 ) die Bestimmungen gasförmiger Yerunreinigangen der Luit. 

Yerfssser hat mit gutem Erfoi^ mit Kollodiumwdle gefüllte EUter an» 
Durch diese M et hode, die nur für praktische Zwme bestimmt Ist, 
sicbeflkfa für die gewerbehygieniseben Erfahrungen und für die Yer* 
hfltuBg der Staubgeiahr eia grotier Yortdl su erwarten sein. 

_ Dr. Wolf.Marbarg. 


wild 


Me Sfnubbelrimpftuig auf SteluseUagstrassca iu BrisM* Von 
Leoahard.Karlsbad. Gesundhdt; Jahrg. 88, Nr. A 

In Bristol hat man mit au^esdehaetem Erfolg die Straßenteemnff mit 
dem Tarspraspemnragen Torgeaommea, der den Teer unter DraA in rainen 
StraUcn auf m Pshrbahn ^rengt. Akoaia und Oaldumchlorid — bdde sind 
geruchlos — sdgtea diesdbe Wirkung; nach der Kostenpunkt war dersdbe. 
Ihre günstigen Wirkungen hladchtlieh der Staubnnterdrüänng erklftrea deh 
dadurch, daß bdde die Fencbtigkdt der Luft gierig auffaagen, so daß die 
mit Urnen besprengten StrafieafUdien lange leucht Udbea. 

_ Dr. Wolf.Marbarg. 


Strasseustaub. YonB. Welzel-DüssddorL Gesundhdt: Jahrg.88,Nr.6. 

Verfasser beriditet über Versuche mit Geolin, Spesiaiol, Yionol und 
Bustomit, Ton denen dch am besten Bustomit bew&hrte, das aber genauer 
nachgeprüft werden muß, zumal auch in Beziehung auf den Einfluß auf die 
Pflanzenwelt. YorlSuflg würde auch die Kostenlrage gegen eine allge¬ 
meine Einführung sprewen. Es wäre wünschenswert, wenn die Chemie ein 
mOgUohst billiges unschKdlidies und staubbindendes Om Ton möglichst kleinem 
Volumen auf den Markt br&chte. Bis dahin wird man sich mit der Straßen¬ 
sprengung mittels Wasser und dner sorg^tigen StraßenrdniOTng begnügen 
mflSMn. Dr. Wo 11-Marburg. 


BeltrSge zur Frage der MlUlbeseitlgnug. Von Dr. Thiesing- 
Berlin. Archiv f. Yolkswohlfahrt; Jahrg. 1, Nr. 2. 

Verfasser ist der Ansicht, daß eine Müllabfuhr, wenn de rasch, staub* 
und ueruchlrd aasgeführt wird, den iuiforderungen der Hygiene gerecht wird 
und beweist dies an Texschiedenen Beispielen. Auch die Besdtigung des 



884 Kleinere Hlttellangen and Befente «ne Zeiteohriften. 

Mfllle, die un einfacbsten dnrch Stapelung gesehieht, wie es frOher ttberhaupt 
nur gebr&nchlieh war, ist nidit an beanetanden, wenn sie syetematisch and 
rationell gebandbabt wird. Das beete Mittel, eolcbe Stapelpl&tze eo zu g^ 
etalten, daß sie nicht durch Staub- oder Oerucbsentwicldung lästig werden 
ist rasches Besiedeln derselben mit Vegetation, und zwar in der Weise, daß 
man znnächst nnr einen Teil des Platzes aulfOllt, ansät und liegen läßt, so 
daß sich die Pflanzen auf ihm entwickeln können und ihr bodenreinigendes 
Werk vollltthren kOnnen; dann wird der nächste Teil so behandelt. Han 
erreicht auf diese Weise den dreifachen Vorteil, daß man das Mflll in sine 
hygienisch und ästhetisch einwandfreie Masse verwandelt, daß man die in ihm 
enuaitenen Pflanzennätotoffe ausnfltzt und schließlich dnmi schlechten Boden 
verbessert. _ Dr. Wolf-Marburg. 

Die Bedeutung des Trink- und debranohswassen In ehendseher und 
bakteriologiseher Hinsicht flir die Entstehung von Krankheiten, beson¬ 
ders von Infektionskrankheiten. Von Kreisarzt Dr. Hillenberg-Springe. 
Zentralblatt f. Stadt- und Landgemeinden; Jahrg. 2, Nr. 6. 

Verfasser faßt seine Ausftthrungen folgendermaßen zusammen: 

1 . Trink- und Gebranchswasser ist in der Praxis nicht zu trennen; 
Anlagen, die lediglich ein Gebrauchswasser liefern sollen, sind demgemäß nicht 
zuznUssen. 

2.. Die natürlichen Wässer können gesundheitsschädlich wirken: 

a) durch Beimengung von Stoffen chemischer Natur, von denen haupt¬ 
sächlich das Blei in Betracht kommt. 

b) durch teils direkte, teils indirekte Verbreitung der Erreger von 
ansteckenden Krankheiten, die in das Wasser hhieingelangt sind; vor allem 
kommen hier die Erreger der Cholera, des Typhus und der Bohr in Fr^e. 

8 . Teich- und ^brauchswasser, das in Bleirohren fortgefflhrt wird, ist 
überall do^ wo vorwiegend das öffentliche Interesse eine Bolle spielt, von 
Zeit zu Zeit auf seinen Bleigehalt zu untersuchen. 

4. Trink- und Gebranchswasser darf nicht fans offenen Wässern oder 
anderen diesen gleicbzuachtenden Wasserbezugsquellen, z. B. offen oder sonst¬ 
wie hygienisch mangelhaft beschaffenen Brunnen wegen der damit verbundenen 
Infektionsgefahr entnommen werden. Dr. W olf-Marburg. 

Zur Enthärtung des Wassers. Von Dr. Klut. Pharmaseutische Ztg.; 
1907, Nr. 91. 

Verfasser läßt hiermit seiner praktischen Anleitung zum Enteisenen von 
Wasser (Pharmazeutische Zeitung; 1906, Nr.86) eine instruktive Abhandlung 
über praktische, auch im kleinen ausführbare Methoden zur Enthärtung des 
Wassers folgen. Zur Enthärtung des Wassers für häusliche und technische 
Zwecke ist eine große Beihe von Mitteln bekannt; zu warnen ist besonders 
vor den Geheimmitteln hierfür. 

Bevor eine rationelle Enthärtung vorgenommen werden soll, ist die 
chemische Zusammensetzung des Wassers genau festzustellen; und zwar genügt 
in der Begel die Bestimmung von Kalk und Magnesia, sowie die Besti^ung 
der Karbonathärte (vorübergehender Härte). 

Am besten und vorteilhaftesten haben sich in praxi zum Enthärten 
Aetzkalk und Soda bewährt. Die Kalbalze werden hierbei als Galciumkarbonat 
und die Magnesiasalze als Hydroxyd niedergeschlagen. Die zum Weichmachen 
eines Wassers erforderlichen chemischen Mengen berechnet man am einfachsten 
nach der J. Pfeifferschen Formd. Bei Wässern, deren Mineralsänrehärte 
(bleibende Härte) = 0 ist, fällt der Sodazusatz fort; bei Wässern mit Alkali¬ 
karbonatgehalt, die zuwmen beobachtet werden, wird ebenfalls nur Elalk zu- 
gesetzt. Freie Kohlensäure erfordert einen entsprechenden Kalkzusatz. 

Den Aetzkalk setzt man am besten in Form von gesättigtem Kalkwnsser 
zu; die Soda verwendet man in Form einer 10 proz. Lösung. Das etwa im 
Wasser vorhandene Eisen, welches besonders bei der Wäsche ungemein stört, 
wird dadurch ebenfalls in unlöslicher Form abgeschieden. Mehr ^ die — wie 
angegeben — chemisch zu berechnenden Zusätze zur Enthärtung sind nicht 
zu verwenden, da sonst das Wasser eine schlüpfrige Beschaffenheit und aueh 
mehr oder weniger schädliche Eigenschaften bekommt Bei Verwendung heißen 
Wassers geht die Enthärtung ziemlich schnell von statten. 



Kleinere Mitteilungen und Beferate ans Zeitschriften. 


385 


Weiter wird die genaue Aasffihrong der Enthärtung angegeben; das 
Mreinigte Wasser ist mit Ammoniumozalat, Lackmuspapier'und Clark scher 
SeilenlOsuog zu prüfen; es soll dann unter 5<* Härte haben. 

Zu Trinkzwecken ist im allgemeinen ein künstlich mit Chemikalien ent¬ 
härtetes Wasser nicht zu empfehlen. Eint weist am Schluß noch auf das 
neue künstliche Zeolithfilter nach Gans zur Enthärtung und Enteisenung des 
Wassers hin. Dr. Eraemer*Worbis. 


Wasserrersorgung und Entwässerung der Gemeinden. Von Zir.-Ing. 
Geifiler-Großlicbterleide. Gesundheit; Jahrg. 33, Nr. 6. 

Aus allen Einzelheiten der OertUchkeit, ans allen besonderen Verhält¬ 
nissen heraus ist festzustellen, nach welchem System die Entwässerung ein- 

f erichtet sein soll, was mit den häuslichen Abwässern, den Fabrikwässern und 
em Begenwasser geschehen muß, wenn die Entwässerung für diese Verhältnisse 
und für die mögliche Entwickelung der Gemeinde passen soll. Dabei gibt es 
kein starres Festbalten an Systemen. Im Innern eines Ortes sind nicht nur 
manchmal, sondern fast immer ganz verschiedene Bedürfnisse, und ebenso 
verschieden müssen die Einrichtungen sein, die diesen Bedürfnissen dienen; 
z. B. wird man sehr oft das Regenwasser von Höfen auch dann mit in die 
Kanalisation aufnebmen müssen, wenn sie sonst nach dem Trennsystem ein¬ 
gerichtet ist. In England und Amerika tut man das häufig. Für die Bear¬ 
beitung von Eotwässernngsprojekten genügt es nicht, wenn der Bearbeiter 
Flächen, Rohrweiten und Gefälle berechnen kann, und mechanisch aufgenom¬ 
mene Kenntnisse von Entwässerungssystemen, Kläranlagen usw. hat. Ans 
den Verhältnissen von hundert anderen Orten heraus muß bestimmt werden, 
wag für die Gemeinde gut ist, auf die es gerade ankommt. So wenig, wie es 
zwei gleiche Orte gibt, gibt es zwei Kanab'sationen, die sich gleich sein 
dürften. Immer steht der Bearbeiter vor einer neuen Sachlage. — Aehnliches 
gilt auch von der Wasserversorgung. Dr. Wolf-Marburg. 


Beinignng von Abwässern durch Fischteiche. Von Dr. W. Corn 
heim-Berlin. Gesundheits-Ing.; 1908, Nr. 8. 

Verfasser glaubt mit seinen angestellten Versuchen bewiesen zu haben, 
daß auch Sauerstoff bedürftige Fische (z. B. Forellen) einen Zusatz von Ab¬ 
wässern (z. B. 1 ^o) gut vertragen, während er früher schon festgestellt hatte, 
daß weniger sauerstoffbedttrftige Fische, wie Karpfen und Schleie, selbst den 
Zusatz großer Abwässermengen, die bis zu 10°[o der gesamten Wassermenge 
betrugen, anstandlos vertrugen. Natürlich wird man nicht daran denken 
können, die Abwässer eines großen Gemeinwesens nur auf diese Weise zu 
reinigen, doch mag in bestimmten Fällen eine Reinigung durch Fischteiche, 
besonders wenn es sich um nicht zu große Mengen handelt, den vorhandenen 
Verfahren gleichberechtigt zur Seite treten. Die gute Rentabilität der Fisch¬ 
teiche wird dabei sicher angenehm empfanden werden. 

Dr. Wolf-Marburg. 


Betriebsergebnisse der Versnchsrelnlgungsanlage der Stadt Dresden. 
Von Dr. Ing. Kusch-Berlin. Gesundheit; Jahrg. 33, Nr. 4. 

In Nr. 22, der Gesundheit 1007 (s. Referat in Nr. 28 dieser Zeitschr., Jahrg. 
1907) hatte Oberbaurat Klette erklärt, daß die Kremer - Apparate sich 
nicht für die Dresdner Verhältnisse eignen. Verfasser weist nun nach, daß in 
Dresden ein ganz besonderer Fall vorliegt, und daher ein Vergleich des Kremer¬ 
apparates mit der Rienschschen Separatorscheibe nur bedingungsweise gelten 
dürfe. Er tritt für den Kremerapparat ein, der durch eine neue Konstruktion 
des Schlammraumes noch vervollkommnet ist. Dr. Wolf-Marburg. 


Besprechungen. 

Hofrat Dr. Filedrloh Or&mar : Die Blnvlrkimg der Oennssmlttel aaf 
den menaohllohen Organismus. Vorlesungen über Magen- und Darm¬ 
krankheiten; 8. Heft. I. Tabak, Kaffee und Tee und Verdauung. II. Alkohol 



386 


TageBnachrichteiL 


and Verdaaang. Verlag von J. F. Lehmann, München. 190 Seiten. 
Preis: 4 M. 

Eine Fülle wertvoller Ergebnisse über die Einwirkang der gebräachlichen 
Genaßmittel Alkohol, Kaffee, Tee and Tabak auf die Verdaaang vermittelt ans 
die sorgfältige Arbeit. Der Alkohol steht dabei im Verhältnis au Tabak, Kaffee, 
Tee vergleichsweise günstig da. Gramer ist vornehmlich dadurch za seinen 
Stadien angeregt worden, daß er sich bei mäßigem Baachen (darchschnittlich 
drei Stück Holländer Zigarren täglich) eine recht schwere Tabakvergiftong 
zagezogen hatte. 

Nach Crämers fester Ueberzeagang ist für Viele ein Liter Tee oder 
ein Liter Kaffee täglich getrunken viel gefährlicher wie ein Liter Bier. Für 
viele bringen mehrere Zigarren täglich mehr Beschwerden wie zwei Glas Bier 
oder eine entsprechende Menge reinen Weins. 

Gräm er referiert sehr sorgfältig über die bereits vorliegenden For> 
Behängen über die Wirkung der Genußmittel auf die Magenverdaaang and 
berichtet dann über seine eigenen im Brutschrank angesteliten Versuche and 
seine zahlreichen Erfahrungen an Kranken. 

Besonders wichtig ist die Tatsache, daß die alkoholfreien Getränke im 
Brutschrank keineswegs besser verdauend wirken als die alkoholhaltigen. Nach 
der Ansicht von G r ä m e r wird daher bei Magenaffektionen durch die Verordn 
nung von alkoholfreien Getränken mehr geschadet als genutzt. 

In bezug auf die sonstigen wichtigen Ergebnisse, zu denen Gramer 
gelangt, maß auf das Original verwiesen werden. Niemand, der über die Frage 
nach der Wirkung unserer Genußmittel Kaffee, Tee, Tabak, Alkohol aof den 
Magen sich künftig gutachtlich zu äußern hat, wird an den Forschungen 
Grämers Vorbeigehen dürfen. Dr. Paul Schenk-Berlin. 


Dr. Ludwig Hopf: Ueber das speslfleoh Mensohllobe ln anatoml- 
aoher, physiologlBOher und pathologleoher Beziehung. Eine 
kritisch vergleichende Untersuchung. Mit 217 Teztbildern and 7 Tafeln. 
Verlag von Felix Lehmann, Stattgart 1907. 

ln diesem Werke ist versucht worden, die Besaltate der üntersuchongen 
hervorragender Anthropologen, das Wesen des Menschen im Vergleich mit der 
unter ihm stehenden Tierwelt za ergründen, zu einem Gesamtbilde za ver¬ 
einigen, das in anparteiischer Weise das dem Menschen spezifisch Eigentümliche 
und das mit den Tieren Gemeinsame abzuwägen ver.sncht. 

In der Einleitung spricht sich Verfasser über die Entstehung des Menschen, 
über dis Einteilung des Menschengeschlechts, über die Vorfahren des Menschen 
und vieles andere aus. Dann geht er in der zweiten Abteilung zur ver¬ 
gleichenden Anatomie und Histologie über; darauf läßt er die vergleichende 
Physiologie und Psychologie folgen, um diesen Teil mit einer vergleichenden 
Pathologie und pathologischen Anatomie za schließen. 

ln dem folgenden Teile behandelt er in ausführlicher Weise die spe¬ 
zielle Pathologie und pathologischen Anatomie; den Schluß bildet ein Absch^tt 
über vergleichenden Therapie. 

Mit dieser kritischen and vergleichenden Behandlung eines so wichtigen 
Gegenstandes ist es dem Verfasser in glänzender Weise gelangen, eine große 
Lücke, die bisher noch in der so umfangreichen anthropologischen Literatur 
herrschte, auszufüllen. Diesem lehrreichen, in so geschickter and leicht ver¬ 
ständlicher Weise geschriebenen Werke ist daher die weiteste Verbreitung 
za wünschen. Dr. B. Thomalla-Waldenburg (Schl.). 


Tagesnachrichten. 

Die Klage der Stadt Hagen gegen das polizeiliche Verbot der Be- 
natzang des dortigen Krematoriums zur Feuerbestattung bat das preußische 
Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 15. Mai dieses Jahres abgewiesen 
and das polizeiliche Verbot als zu Becht bestehend anerkannt. In dem Urteil 
wird angeführt, daß gesetzliche Bestimmungen über die Feuerbestattung zur¬ 
zeit in Preußen allerdings nicht bestehen and daß die Feuerbestattung in 



Tagesnaohriohten. 


387 


religiOaer Beziehung nicht als Öffentliches Aergernis anzosehen and deshalb za 
rerbieten sei. Dagegen gefährde die Feaerbestattang das Interesse der Staats- 
ordnang insofern, als sie ein wichtiges Mittel zur Feststellang schwerer Ver¬ 
brechen der Strafrechtspflege entziehe. Aach die Bestimmongen des Bürger¬ 
lichen Qesetzbaches über die Disposition minderjähriger and geschäftsunfähiger 
Personen, sowie die des Personenstandgesetzes seien nicht ohne weiteres für 
die Feaerbestattang anwendbar; desgleichen fehlen zurzeit Bestimmongen über 
die Behandlnng der Aschenreste, über die Wahrung der Würde und Pietät 
bei der Feuerbestattung. Alle diese Lücken der Gesetzgebung erlauben yor- 
läufig nicht, die für die Erdbestattung bestehenden allgemeinen Staatsgrand- 
Sätze auch auf die Feaerbestattang anzawenden; es müsse deshalb vor ihrer 
Zalassang erst eine Begelang dieser Verhältnisse stattgefanden haben. So 
lange dies nicht geschehen sei, würde ein Brach der bestehenden Bechts- 
ordnung entstehen, der im Interesse der öffentlichen Ordnung nicht geduldet 
werden könne. — Hoffentlich wird die preußische Begierung diese bestehende 
Lücke der Gesetzgebung bald ansfüllen, um dadurch die Einführung der 
fakultatiyen Feaerbestattang in Preußen ebenso wie in den meisten anderen 
Bandesstaaten za ermöglichen, woza sie jetzt mehr als früher geneigt sein 
soll (yergl. Nr. 8 dieser Zeitschrift, S. 300). 


In Bayern sind durch eine Königliche Allerhöchste Verordnong unter 
dom 26. April 1908 ebenfalls Apothekenkammern eingeführt. 


Wie in Sachsen (Verordnung vom 18. Juli 1907, siehe Nr. 7, Jahrg. 1908 
der Zeitschrifc), so hat jetzt auch in Baden die oberste Schalbehörde das 
Tragen ron Korsetts während des Tarnanterrlchts an Mittelschalen ver¬ 
boten. Ein bestimmter Schnitt der Turnkleidor darf jedoch nicht verlangt 
werden; sie müssen nar den Anforderungen der Gesandheit und des Anstandes 
entsprechen. _ 


Am 11. und 12. d. Mts. hat die II. Konferenz der Zentralstelle für 
Tolkswohlfahrt stattgefanden, in der über Förderung und Ansgestaltnng 
des hauswirtschaftlichen Unterrichts verhandelt worden ist. Alle Befe¬ 
renten (Frau Kommerzienrat Heyl-Berlin, Geh. Mcd.-Bat Prof. Dr. Bahner- 
Berlin, Stadtschulrat Dr. Kerschensteiner-München, Fräulein Martin, 
Vorsteherin des Pestalozzi-Fröbelhauses U in Berlin, Fräulein Foerster, 
Vorsteherin des Lohrerinnenseminars und der kaufmännischen Schale des 
Frauenbildungsvereins in Cassel) sprachen sich übereinstimmend für die Not¬ 
wendigkeit einer solchen Förderung aus and wurde diese auch von der Kon¬ 
ferenz einstimmig anerkannt._ 


Auf der Tagesordnung der am 27. d. Mts. in Essen a. Bohr (städtischen 
Saalbau) stattflndenden Haaptversammlang der Deutschen Gesellschaft 
fär Volksbäder stehen außer zahlreichen zur Besprechung angemcldeten 
Gegenstände (24) folgende Vorträge: 1. Die physiologischen Grundlagen 
des Badens: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Brieger-Berlin. 2. Ein Beitrag 
zur Bentabilitätsfrage von Volksbadeanstalten: Badeinspektor Nuß-Essen. 
8. Wie kann der Badebetrieb rationell gestaltet werden: Ingenieur B. 
Pöthe, Friedrichsort-Kiel. 4. Bäder und hygienische Kultur im Orient: 
Prof. Dr. von Düring. 5. Der gegenwärtige Stand des Schüler-Schwimm¬ 
unterrichts in Bheinland und Westfalen: Bektor Lotz-Elberfeld. 


Tagesordnung der General-Versammluug des Deutschen Vereins für 
Volksbygiene in Stettin: 

Donnerstag, den 28. Mai, abends 8 Uhr: Begrüßung im Preußen- 
Hof. Freitag, den 29. Mai, vormittags 10 Uhr: Mitgliedcr-Versammlung 
im Preußen-Hof, die sich hauptsächlich mit internen Vereinsangelegcnheiten 
beschäftigen wird. Sonnabend, den 30. Mai, vormittags 10 Uhr: Oeffent- 
liche Versamnüang im Preußen-Hof: 1. Frau Kommerzienrat Heyl: Zur 



388 


TasesnachriohteiL 


Frage moderner, haoswirtschaftlicher Bildong. 2. Herr Geh. Ober-Med.-Bat 
Prof. Dr. Kirchner: Hygienische Maßnahmen gegen die Einschleppang yon 
Krankheiten auf dem Wasserwege. 8. Herr Chefarzt Dr. Schnitzer: Die 
Verhütung der Geisteskrankheiten. Sonntag, den 81. Mai (bei genügender 
Beteiligung): Dampferfahrt nach Heringsdorf. 


DieVereinignngfttrSchulgesundheitspflege des Berliner 
Lehreryereins hat einen Aufruf an sämtliche schulhygienische Vereine 
ergehen lassen zwecks Zusammenschluss der Lehrerrerelntgangen für Schul¬ 
hygiene. Es soll erstrebt werden: 1. Förderung und Verbreitung der Schul¬ 
hygiene; 2. Wahrung des berechtigten Einflusses, der der Lehrerschaft in 
schulhygienischen Fragen gebührt; 8. Anregung zu Versuchen über die Fragen 
der Unterrichtsbygiene und Verwertung ihrer Ergebnisse; 4. Ausgestaltung des 
Unterrichts in der Gesundheitspflege in allen Schulen; 5. Verbreitung ülgemein 
hygienischer Kenntnisse unter den Mitgliedern. Die Gründung des Verbandes 
ist auf der zu Pfingsten nächsten Jahres in Dortmund stattfindenden deutschen 
Lehreryersammlnng geplant. _ 


Ferienkurse über Schulhygiene werden als besondere Abteilung der 
jährlich in Jena stattfindenden Ferienkurse vom 5.—18. August stattfinden. 
Folgende Themata sind in Aussicht genommen: 1. Allgemeine Schulhygiene: 
Prot Dr. Gärtner; 2. Stimmbildung und Stimmpflege in der Schule: Privat- 
dozent Dr. Gutzmann-Berlin; 8. Psychopathologie des Kindesalters: Privat- 
dozent Dr. Strohmayer; 4. Das Auge, seine Erkrankungen und Pflege 
während der Schulzeit; Prof. Dr. Hertel; 5. Hygiene des Mundes und der 
Zähne: Dr. Hesse; 6. Kursus über Ohrenheilkunde. Nähere Angaben folgen. 

Auskunft und kostenfreie üebersendung der aussührlichen Programme 
vermittelt das Sekretariat der Ferienkurse, Fräulein Clara Biomeyer, Jena, 
Gartenstraße 4. 


Der soeben yon der Aktiengesellschaft J. D. Biedel-Berlin heraus¬ 
gegebene 52. Bericht — Biedels Mentor 1908 — bringt eine Zusammen¬ 
stellung der neueren Arzneimittel bezw. Spezialitäten die sich über tüle be¬ 
merkenswerten, während der letzten 20 Jahre in den Arzneisebatz eingefübrten 
Präparate erstreckt und bei jedem der angeführten Mittel eine kurze Beschrei¬ 
bung über die Zusammensetzung, Eigenschaften und Anwendung bringt. Der 
Sammelband ist daher ganz besonders dazu berufen, als ein praktisches Nach¬ 
schlagewerk zu dienen, das auch den Medizinalbeamten willkommen sein 
dürfte. Soweit das Werk nicht von der J. D. Bi edel A.-G. Berlin N. 89, 
kostenlos an die Interessanten abgegeben wird, ist es durch den Buchhandel 
Anton Bernetti, Berlin N. 54.) gegen Nachnahme des Betrages yon M. 2 
portofrei erhältlich. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 12. bis 25. April 1908 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Bückfallfieber und 
Pest: — (—); Fleckfieber: 4 (— ), — (—); Pocken: 42 (—), 19 (4); 
Tollwut: — (1), — (—); Bißyerletzungen durch tollwutver- 
dächtige Tiere: 2 (—), 1 (—)(—); Botz: — (1), — (—); Milz¬ 
brand: 8 (—), 5 (1); Buhr: 22 (—), 5 (—); Unterleibstyphus: 149 
(18), 198 (25); Diphtherie: 1067 (80), 1081 (78); Scharlach: 1195 (89), 
1221 (75); Genickstarre: 65 (23), 64 (29); mndbettfieber: 124 (26), 
123 (21); Körnerkrankheit (erkrankt): 313, 266; Tuberkulose (ge¬ 
storben): 608, 718. 


Verantwort!. Bedaktenr: Dr.Bapmund, Keg.-n. Geh. Med.-Bat in Minden i.W 
J. C. 0. Bnuu, HtrsogL SZeha o. V. 8chv-I- Hofbnohdmcksiyl in mns—. 




1908. 


2t Jahrg. 


Zeitschrift 


Iflr 


MEDIZINALBEAMTK 


Zminlklitt fir iu gsturte disnilMiitsMsm, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Hemugegebea 

TOB 

Dt. OTTO RAPMÜND, 

BegloraBfo* und 0eh. MedlafaialrBt Ib XlBdoB« 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischeri, Bayerischen, WQrftembergischen,. 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fisohers media Buehhandlg., E Kornfeld, 

BMSOaL Bof*«. BRbMIoaL «mmw—-— iiMimw- 

Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

iBaerale BekaieB die TcrUgthaadliug sowie alle ABBOBoeB-BzpedltioB#B des In« 

nnd Auslandes entgegen. 


Nr. 11. 


BM€kel«t mm S. nd SO. Jeden Mensts. 


5. Juni. 


Nicht tödliche Schussverletiung der. Aorta. 

Von Dr. Berg, Geriditsftrat in Danseldori 

GfewChnlicli wirken gröbere Verletzungen der Aorta rsech 
tödlich, gleichgttltig, welcher Abschnitt des Clefäßes getroffen ist. < 
Im Anllangsteil fUirt die Herzbeuteltamponade, im Bmstteil die 
Verblutong in die Nachbarhohlräume oder Erstickung durch 
gleichzeitige Eröffnung der Luftröhre, im Bauchabschnitt die 
innere Varblntung znm Tode. In allen von mir sezierten ein¬ 
schlägigen Fällen — meist handelte es sich nm Stich- nnd Schuß- ^ 
Terletzungen der Bmstschlagader — waren die Oetroffenen schnell 
gestorben. 

Tranmatische Bnptnren der Aorta ans anderen Ursachen 
sind nach Eduard Hof mann selten; während Prellnngen der* 
Intima durch vorbeifliegende Geschosse ziemlich häufig sein 
sollen. Von Ansnahmefallen, in denen der Tod bei Aortenver- 
letznngen nicht sofort eintrat, erwähnt dieser Autor in seinem 
Lehrbndi einen Messerstich in den Arcns, an der Intima 1 mm' 
lang, der den Tod erst am 16. Tage infolge von Pericarditis ver- 
nrsachte. Er führt ferner den Emm ertsehen Fall an: Mann 
nut Messerstich durch den 8. Brustwirbel in die Aorta (Klinge . 
im Lumen bei der Leicheneröffnung gefunden) lebte 12 Stunden. 

Insbesondere wirken Geschosse, weiche die Aortenwand 
gank durchbohren, schnell tötend. Ich habe einen . einwands-. 











890 Dr. JB«rg. 

freien Aaenahmefall in der Literatnr nur bei P.^Wagner ge« 
landen^): 

W. K., 20 JAhr alt, hatte sich mit ebem 7 lam BerolTer eiaea Sohafi 
ia die Hake Uatexbaachgegead beigebiacht. la den ersten Tagen fehlte jedes 
Zeichen einer schweren inneren Verletsong. Am 8. Tage trat plOtalich beim 
Ueraossteigea ans dem Bett der Tod eia unter den Symptomen einer inneren 
Yerblutong. Die Leichenöffnung wies nach, daß die Brustschlagader sweimal In 
einem Abstand ?on 1,6 cm durchbohrt war. Um beide Steilen hatte sich ^ 
sehr dttnnwandigee Aneurysma spurium gebildet, das 8 Tage gehalten hatte, 
dann am 8. Tage bei der Anstrengung mit breitem Bitt geborsten war and tu 
einer Verblutung in die rechte Pleura geführt hatte. 

£m ftlmliehdr, aber komplizierterer Fall von Schnßverletziuig 
der Baachaorta war in Dttseeldorf kürzlich Gegenstand einer ge¬ 
richtlichen Leichenöftnong. Ich halte ihn der Mltteüang für wert, 
weil er intra vitam diagnostische Schwierigkeiten und einen höchst 
seltsamen Sektionsbefand bot, ferner weil aach die Vorgeschichta 
p^chologisch fesselnd ist: 

Der 24Jihrigo Marineheiadr KL hatte ein LiobesTerh&ltnls mit der 
SOjihrigen Einiegerm Christine M. Diese glaubte sich im Januar 1907 Ton 
ihm geschwängert, weil ihre Hegel 1V* Monate ausgeblieben, dann aber in¬ 
folge eines heftigen Schreckes ttber einen Brief mit Trauerrand von KL 
(solche Briefe werden als Sehers gern Ton den Soldaten Torschickt) sehr stark 
eingetreten war. Weil sie somit von ihrem Qeiiebten Mutter gewesen, wollte 
sie nicht mehr Ton ihm lassen, obgleich KL nach seiner Entlassung Tom 
Militär sich Ton ihr iossagte. Am 1. Morember 1907 schrieb KL ihr einen 
Abschiedsbrief und gab als Urund darin an, er hätte sich ein anderes Mädchen 
angeschafft, well er sich nicht nbesähmen** könne. Christine M. hatte ihm 
nämlich na^ seiner Bttckkehr die Beiwohnung nicht mehr gestatten wolian. 
Uieichseiiig verlangte er sein Bild zurUck. Christine antwortete ihm am 
2. Borember: Wenn er nicht zu feige wäre, solle er sich sein Bild am 3. selber 
holen. Sie kaufte alsdann beim Althandler einen Bevoirer, einen klobigen alten 
SchießprhgeL nebst 7 mm Patronen und setzte sich am Sonntag den b. in ihrer 
Dachkammer an den Tisch, den Beroiver mit einer Zeitung bedeckt, vor sieh, 
am den treulosen KL zu erwarten. Kaum war dieser mit einer höflichen An¬ 
rede eingetreten, da druckte sie auf einen Schritt Bntfernung mit den Worten: 
„Da, du Biest* einen Schuß auf ihn ab. Den zweiten richtete sie gegen ihr« 
eigene Brust. KL war sofort aus der Tür geeilt and suchte die Treppe su 
gewinnen. Christine eilte ihm nach und schoß noch sweimal auf den Fliehenden, 
„Er soll kaput gehen 1* rief sie den erschreckt zusammen laufenden Uaaz- 
bewohnern au. KL kroch, mit den Armen am Treppengeländer hängend, auf 
den Knieen die Treppen vollends hinab und wurde alsbald zusammen mit den 
gietchlails verwundeten Christine in das Josefkrankenhaus gebracht. 

Der leitende Chirurg, Dr. Fischer, fand den herkulisch gebauten 
Mann fast pulslos, mit kaltem Schweiß bedecat vor. Er bekam von ihm noch 
Angaben Uber den Vorfall. Mitten unter dem Schwertfortsau fand er den 
Einschuß. Bin Ausschuß fehlte, ln der Bhckenmuskulatnr steckte ober¬ 
flächlich ein zweites Qeschoß (das dritte war fehigegangen). Sofortiger Bauck* 
schnitt. Beim Anheben des linken Lederlappens stUrzte dem Operateur ein 
solcher Blutstrom entgegen, wie er ihn noch nie gesehen hatte. Et beschränkte 
sich aul die Tamponade, weil er mit Sicherheit den tödlichen Ausgang ia 
wenigen Minuten erwartete. Aber wunderbarer Weise erholte sich iQ. Am 
10 . Eovember konnte die Tamponade entfernt werden, KL war flebeifrei und 
schien zu gesunden. Da bildete sich am Ende der zireiten Woche ein Anen- 
rysma in der linken Leiste ans, es folgte Oangrän des linken Unterschenkels. 
Am 15. Kovember schnitt Dr. Fischer, nachdem er die Einwilligung zur 
Amputation erhalten hatte, auf die Arterie iiiaca sinistra ein, fand das Uefäß; 


*) Ueber Schnßverletzungen im Frieden. D. Zeitschrllt für Chirurgie 
1888, 28. Bd., 8. H., Seite 281. 



Nidit tOdlielie.SehiiflTerlttiiag der AorU. > 


891 


ttMabMlnt, Mtee Weed «nl 9 om Lfaige eiOflbet imd duebea iwischen 
Äiitti» ud y«M eia wohlerheliMee 7 mm Qesohoß Ireiliegen. Necli dieser 
OperetioB Zoaehme der Gaagriii, DemerkeÜon ia der 8. Woche. Zar Absetnug 
des Beiaei kam es jedoch alcht mehr, da eine allgemebe Sepsis eiatra^ der 
KL am 1. Deaember erlag. 

Dr. Fischer hatte die Sachlage so gedeutet, daß er annahm, 
die Kugel sei in die Aorta eingediningen, innerhalb des Gleftß> 
•chlanches bis zu der Stelle hinabgeglitten, die ihrem Umfang 
entsprach, habe hier in der Iliaca externa das Gefäß allmählich 
durchbohrt und thrombosiert So sei das Aneurysma und die 
Gangrän zustande gekommen. 

Durch die Leichenöffnung am 4. Dezember 1007 wurde 
diese Deutung bestätigt Es wurde gefunden: 

Sohr starke Abaehroag. Decabitos am Ereaabehi. Linker Unterschenkel 
Iris 15 cm unter dem Knie nolett, in der Sohlenhaat schwane Flecken. Zwei 
Operationswandea: 1) in der Hittelllinie des Bauches 84 cm lang. An ihrem 
oberen Ende war noch deutUch der geechwänte Band des Einsdiasses 2 em 
■aterhalb des Schwertfortsataes kenntlich. Die Wandränder waten aiit den 
«wischen ihnen teilweise freiliegenden Tellen des Netaes und der Dünndarm« 
achlingea yerklebt. 2) Die andere OperaUonswunde ia der linken Leistengegend 
war miAbubig und stinkend, ln ihrem Grunde die thrombosierte Arterie iJiaea 
■ai cruralis. 

Der Schufikaaal war b der Leber gut au Übersehen; er begaaa 1 cm 
links Tom TJgMiaMtiiwi Suspensorium und drang sagittal ln einem gallig ge« 
lirbtea Hohlgaag auf die Vorderwaad der Baachaorta. Hier fand sich der 
Eiaachafi, nur ron einem dünnen Häutchen yerschlossen, das bei dem Frei- 
präparieren des Gefässes aerriß; 0,5 cm nach rechts tos der Abgangstelle der 
Artetia eoeliaca, also gerade an der Stelle, wo die Aorta awisohen den Sehen* 
kela des Zwerouells ln die Bauchhöhle tritt, 12,5 cm oberhalb der Teilung 
der Schlagader ia die beiden Art iliacae. Das SchuAloch hatte nach außen 
gswulstete Bänder, eine querorale Form mit 8 Zipfeln und klaffte 0,7 : 0,8 cm 
weit Aa der dem Einschuß gegenüberliegenden Stelle der Aorta fand sich 
eine dreistrahlige, 7 mm lange Prellwunde der Intima, keine Tollständige 
Durehbohrung der Media. Sie lag nur 8 mm wagerecht Tom Bande der Ein- 
aohußoffnung eatlernt Die Aorta war mithin nicht im größten Durchmesser, 
sondera mehr nach dem rechten Bande su getroffen. 

5 em nach abwärts Ton der Teilung der Aorta in die beides Art iliacae, 
begaaa sIb fester, braunroter Thrombus, der nur bis sur Art cruralis hinab- 
leiekte. Letstere hatte eine freie Lichtung, während die Veaa eruralis am 
Obencheakel yOllig tluombosiert war. 

Hach aufwärts yom Sehußloch neigte die Aorta außer einigen flachen 
aklarotisehen Stellen der Intima nur eine Schwanfärbung der Adyentitia, her- 
rUhmd yon dem eingedrungenen Blut aus der Verletsung. 

Der Thrombus der Uiaca war an der Operationsteile nekrotisch ge- 
wwrden. In seiner Nachbarschaft fanden sich in den flbrinOsoi Yerklebungen 
der Daramehliagea nahlreiohe Absnesse, mit dickes^ gelbem Eiter gefüllt 
Sjpärlieher faadw sich diese auch weiter entfernt im Baachraum xerstreut, 
euer sogar xwischu Perikard und linker Pleura. Ferner fuden sich mehrere 
broachopneumoaiaehe Herde im Unterlappu der rechten Lunge, midigne In¬ 
farkte der Miln, der Nieren, aebu parenchymatöser Degueration der Organe. 
Alu das Biid der allgemeinu Blutyergiftung. 

Offenbar batte eich der Vorgang ün Kßrper des Verletzten 
■0 abgespielt, wie der behandelnde Arzt yermntet hatte. Das 
Geschoß war tatsächlich in der Banchschlagader bis etwa znm 
Idgamentnm Ponpartii hinabgeglitten, hatte hier das Gefäß throm- 
botot nnd infiziert Von hier hatte sich die Infektion dem 
Banchfell mitgeteilt nnd znr Septhämie geführt 



8 d2 


Br. Barg: Nicht tödliche SchoETerlatfiug dar AxaU. 


Der Fall kam vor die GeBchwerenen. Die Angeklagte 
Christine M. hatte sich, wie schon erwähnt, am 8. Noyember eben¬ 
falls angeschossen. Die Engel war durch den Metallverschlnß 
des Schnttrleibes abgelenkt worden nnd war unter der Haut vom 
Brustbein bis zur linken Brustdrüse gedrungen, wo sie leicht 
heransgeschnitten werden konnte. Erwähnenswert ist, daß ihr 
Haß gegen den ungetreuen Liebhaber durch ihre Eeyolyertat 
noch nicht ausgeiöscht war. Im Vorraum des Operationszimmers, 
wo sich die beiden auf ihren Tragbahren nochmals begegneten, 
ballte sie noch die Faust gegen den Todwunden. 

Auch in der Hauptverhandlung bewahrte das 20 jährige 
Mädchen eine erstaunliche, stolze, reuelose Ruhe, sodaß man, wie 
sie so hochaufgerichtet in ihrer durchschossenen roten Bluse yor 
ihren Richtern dastand, über der Rächmrin ihrer zerbrochenen 
Franenehre leicht die Mörderin des blühenden jungen Mannes 
yergessen konnte. Sie kam denn auch mit der geringen Strafe 
yon einem Jahr Gefängnis dayon; in Paris wäre sie wahrschein¬ 
lich ganz freigesprochen worden. 

Der Verteidiger warf noch eine bemerkenswerte Frage auf: 
Der yerstorbene j^. hatte yor Jahr und Tag einen Messerstieh 
ebenfalls in die linke Leistengegend erhalten. Der Verteidiger 
meinte nun, es wäre keineswegs ausgeschlossen, daß dayon noch 
Krankheitskeime latent an der yernarbten Stichstelle zurück¬ 
geblieben wären, die zu der totbringenden Blutyergiftung Anlaß 
gegeben hätten. Daran wäre Kl. gestorben, nicht an dsr Schu߬ 
wunde der Aorta; denn yon dieser an sich gewiß schweren 
Verletzung wäre Kl. längst genesen, als die Sepsis ihren Aus¬ 
gang yon der linken Leistengegend genommen hätten. Er¬ 
fahrungsgemäß machen solche Einwände auf die Geschworenen 
häufig mehr Eindruck als die Versicherung des Sachyerständigen, 
daß ein solcher Zusammenhang ausgeschlossen sei. Auch 
im yorliegenden Falle wurde nur Körperverletzung mit Todes¬ 
erfolg angenommen nnd mildernde Umstände zugebilli^ — 
Es ist gut, wenn der ärztliche Sachyerständige auch mit sol¬ 
chen Nebendingen bekannt ist, deshalb bin ich auf de hier ein¬ 
gegangen. 

Vielleicht wären die Geschworenen zu einer anderen Auf¬ 
fassung gekommen, wenn der ärztliche Sachyerständige hätte be¬ 
haupten können: Die an der Leiche ermittelte Schußverletzung. 
war unter allen Umständen tödlich, nach den bisherigen Er¬ 
fahrungen ist jede schwere Schußverletzung der Aorta von 
schneller oder langsamer eingetreteuem Tode gefolgt gewesen. 
Unser Fall beweist die Unzulässigkeit solcher Behauptung. Er 
ist gewiß eine seltene Ausnahme. Ich nehme an, daß nur die> 
feste Lagerung der Aorta zwischen Wirbelsäule, Zwerchfell und 
Leber das große Schußloch hat verschließen können. Ob beim 
etwaigen Ausbleiben der Infektion nicht doch ein Aneurysnia 
das Leben bald beendet hätte, lasse ich dahin gestellt. Jeden-, 
falls war die Schußverletzung der Aorta an sich nicht direkt! 
tödlich. 



Zu dem Artikel: Nicht tödliche Schussverletzung der Aorta. 










Dr. Toto: üebor den Soltotmord durch Verbrennung. 89d 

Die beigegebene Abbildung stellt den Abschnitt der Aortn 
mit der Verletzung dar. Das Q^efäßrohr ist an der Hinterseite anf- 
gesdinitten, nach Härtung in Formel auf ein Brett gespannt und in 
natftrlicher Große abgenommen. Etwa in der Mitte der Aortenintima 
sieht man zu oberst die Abgangsstelle der Art. coeliaca, 1 cm darunter 
die der Art. Mesenterica superior und zu unterst die beiden Nieren- 
Bchlagadem. In der gleichen Hohe mit der Arteria coeliaca er* 
blickt man die Schußverletzung; rechts Ton der Anstrittsstelle der 
Arterie den Einschuß, ein dreizipfliges, qnergestelltes Loch; 1 cm 
nach rechts davon die Stelle der Intima, wo das Geschoß die Hinter¬ 
wand der Aorta getrofien, aber nicht ganz durchbohrt hat. Diese 
Stelle liegt gerade in der Linie der kleinen Arteriae intercostales. 
Die 2. Abbildung stellt das untere Stück der Aorta und die Art. iliacae 
dar, an der Vorderseite aufgeschnitten. Man sieht die Thrombus« 
messen in der linken Art. iliaca bis auf 4 cm an das Ende der Bauch- 
Bchlagader heranreichen._ . , 

7 lieber den Selbstmord durch Verbrennung. 

Vm Dr. Camillo Toro in Turin. 

Ans dem gerichtlich •medizinischen Institut yon Turin (Dir. Prof. Carrara). 

Eine gewisse E., 29 Jahre alt, früher Prostituierte, lebte seit 
einigen Ja^en in ehelichem Zustand mit einem jungen Arbeiter, 
in welchen sie sehr verliebt war. Der junge Mann war jedoch seit 
einigen Monaten des Verhältnisses müde und hatte sie verlassen; 
trotz ihres wiederholten Bitten wollte er nicht mehr zu ihr zurück- 
kdiren. Am 26. NovbrI 1907 um 9 Uhr abends begab sich die Frau, 
die einen verzweifeltmi Entschluß gefaßt hatte, in die Wohnung 
des jungen Mannes, der abwesend war. Um hineinzudringen, zer¬ 
brach sie die Scheibe einer Flügeltür und schlich sich unbemerkt 
hinein. Dann befeuchtete sie ihre Kleider mit Spiritus, den sie zu 
diesem Zwecke mitgebracht hatte, und zündete die Kleider an. 
Der Schmerz der Verbrennungen entriß ihr einen heftigen Schrei, 
der die Eltern des jungen Mannes herbeirief, die überrascht waren, in 
dem Zimmer eine Unbekannte zu finden und sich beeilten, die Flam¬ 
men zu unterdrücken. Die Frau wurde gleich ins Krankenhans ge¬ 
bracht, wo sie am nächsten Tage um 4 Uhr, also 19 Stunden nach der 
Tat, nachmittags starb, nachdem sie vorher gestanden hatte, daß sie 
Selbstmord begangen habe, um sich an ihrem Geliebten zu rächen. 

Der Leichnam wurde acht Tage später auf Veranlassung des 
Gmchts im gerichtlich-medizinischen Institut seziert. Trotz der 
Verspätung fand sich an der Leiche bei einer Außentemperatur von 
8,2*0. als einziges Fäulniszeichen ein grünlich-grauer Flecken 
an der Bauchwand. Die Obduktion ergab folgenden Befund: 

Die Totenstarre ist noch in den unteren Gliedern vorhanden. 

Die Kopfhaare sind größtenteils versengt, zerbrechlich, fast krans, wie 
anch die Angenbranen, die Wimpern, and die Achselhaare; am Vennsberg 
waren dagegen nnr die Spitzen von wenigen Haaren versengt. Bei der mikros- 
koj^chen Frfifang zeigen sich in den Haaren die eharakteristischen Zeichen der 
Versenirang, unter denen beim Querschnitt die Luftblasen sehr deutlioh waren. 

Am Gesicht, am Hals, in den seitlichen oberen Teilen des Thorax sowie 
ln der 'Achselhöhle finden sieb schwere und ausgedehnte Brandwunden von 
versohiedenen Graden (siebe Figur); meistenteils sind es Brandblasen, die aufg»* 



894 


Or. Toto. 


plfttit ifaid, 4 m (Aorlam bloUaaend, doi u moaehoB SteUoa Mtfookaok« 
pergamentortig, rBtlIeli>gelb iit, ble and da tob tbTomblsiertoB GMueii dnnli* 
zogen. An anderen Stellen ist dM Choriam stftrker Terlndert nnd il^ 
gr&oUeh’feaeht, fast kSmig ans. Diese Stellea sbid mit erhobeaeB Biadam 
amgeben, an denen noch radge meistens yerkoblte Epidensisfetzea hingen. 
Kleine, WMig ansgedebnte und oberfl&ehliche Verkohlangen befladoa sich na* 
regelmiSig zerstrent im Clebiete der Brandwunden. 

Aof den Vorderarmen, an den DanmenballeB, an der linken, seitUehea, 
naterea Seite findet man pofle BlMen, deren ^^bide mdsteas dareh dM 
Flatzen ersoblailt sind. An einigen Stellen sieht man dM lotgofirbte Cfiiotiam 
bloß gelegt; sdne Oberfiiehe ist hier and dort mit dnem etWM trttben rot* 
gdblichen Fldsdgkdtsschleim bededct. Aal der rechten Handoberlliehe Ist 
ein rundlicher Schorf, 26 mm Dnrchmesser, mit rotem Band. 

Auf der Thoraxoberfiiehe findet man hier nnd dort Udne Fliehen tob 
gerSteter Haut, im Dnrchschnitt 6—12 mm brdt (Erytheme). 

üm die NMenlOeher befindet deh dae bidihnliehe, ecMdmlge, dareh 
zahlrdehe Bafitdle geschwirzte ICasM. 

Baßspnren sind auch in der Nasenhöhle dchtbar. 

In der Mundhöhle and Im Bachen haben keine pathologlsdiea Veriade* 
rangen stattgefnnden. Die Kehlkopfschldmhaat ist gerOtet, mit wdA«gdlK 
lidiem Schleim bedeckt, der auch in der Trachea sichtbar ist nad dch bis 
in die mitUerea nnd kleinen Bronchien fortMtit; die Schleimhant ist ge* 
schwollen, im allgemdnen schmatdg-rot, hie and da etwM rOtlidier. ^wohl 
amkroskopisoh aä mikroskopisoh bemerkt man die 2SdebeB daer starken 
Bronchitis). 

Aal den Stimmbindem and im Morgagni-Sinns findet man einige BuA- 
tdle mit Eiter Termens^ Auf den Schnittoberfitchen der Langen flieAea bd 
Druck aas den Bronchloll Udne Tropfen einer ihaliehea Sabstaaz heraae. 
(Bd der mikrokopisohea Prttfnag findet man Terdnzdte FettttuboUea ia den 
Kapillargef&Äen). 

Im Herzen sind zahlrdehe wdehe, schwarze Blatgerinnnngea; weder 
die chemische, noch die spektroskopi|iche üaterinelinng dee Blatee ergibt 
Sparen Ton CO. 

In der linken IQere dnd die Binden- and MarkBubotaaz nidit deatUeh 
za anterschdden und tob einer gleichfOrmigeB schmatdg-rot-grauen Fhibe; 
in der rediten Niere ist die Binde sehmntzlg-rot, dM Mark dnnkdrot gefirbt. 
(Bd der miskroskopischen Prüfung findet man Zdehen tob Epithd-desfinamatio 
(post-mortem ?), Olomemlo-Hyperlmie. Verdieknng der Gefifiw&nde. 

Im Dnodennm and am Anfang des Jejnnnms bieten deh die Zeichea daea 
leichten Katarrhs, in den letzten Tdlen findet dch dae merkliche Hypettm^hle 
dar Lymphknötchen im Peyerschen Haufen Tor. 

An der Leber deht man eine strahlenförmige etwM dngezogeae Narbe 
(wahrscheinlich Syphilis); dM Parenchym ist gleiehfOnnig rot-braun gefirbt, 
die Lfippebensdehnnng wenig deutlich. 

OMchlechtsorgane: Hypertrophie der g roeeea und Udaea flnhsadippeB, 
Scheiden- nnd GebSrmatterkatarrh, Blasenkatarrh. 

SchSdd: Kopfhaut unTersehrt, Verwachsung der mhte der Schidd- 
wOlbnng, Qehimhyper&mie. 

Der Selbstmord durch YerbreniiiinK ist sehr selten. *) In 
Italien sind in den Jahren 1905 nnd 1906 (es war nnr mOglich, 
die Daten bezüglich dieser Jahre zn sammeln) im ganzen nur 
4 Selbstmorde dnreh Verbrennnng beobachtet: eine 68 alte Frau, 
die sich in einen brennenden S&ohhanfen stürzte, ein 28 alter 

1 ) Er war hKkfiger im Altertam; er wurde nach tob berühmtea 
MSaaern aageweadet, oamater Amileare, Fddherrr der Karthager (tm 
Diodorns Sienlns erwähnt), Onesierito, Zen ones Schüler (wie num ia 
Lakianos .PetlgriBO* liest) nsw. Aach die alte Sitte, wodurch dch die 
Witwen mit dem Ldchaam ihres Gemahls Terbrenaea lassoi, sd enrihat. 



Ud>er dM Mbrtnofd dardi VerlnreiiBtug, 


895 


Mann, dar aidi in ainan brannandan Sehaiterbanfen atlnta; iwai 
I^Dan, aine 29, die andere 60 alt, die ihre Eleidar anittndeten, 
nachdem aie dieselben mit Petroleum angefenehtet hattmi.*) 

Die in der Literatnr erwähnten Fälle sind sehr wenige. 
Von den Antoren berichtet nur y. Ho fmann allein fther zwei Fälle 
Yon Belodradsky*) nnd yier eigener Beobachtung: Dieersteran 
beziehen sich anf zwei Arbeiter, die sich in einen Kessel von 
siedendem Bier stürzten; die letzteren sind: eine 29 jährige wahn¬ 
sinnige Fran, eine junge Brant nnd ein 72jähriger Mann, die 
äre mit Petroleum oder Spiritus besprengten Eleider anzündeten; 
sowie ein Narr, der, nachdem er sieh zwei Messerstiche im Unter¬ 
leib yersetzt lutte, den Kopf auf die brennenden Kohlen eines 
Ofcms legte. 

Neugebauer*) erwähnt den Fall eines russischen Selbst¬ 
mörders, der in einen Backofen gekrochen war; zwei Drittel yom 
KOrper waren yerkohlt.^) 

Im allgemeinen beschränken sieh die Autoren darauf, das 
selteue Vorkommen des Selbstmordes durch Verbrennung heryor- 
zidieben und daß es meistens und fast ausschließlich bei Irr¬ 
sinnigen beobachtet wird. Wenn man auch über den geistigen 
Zustand des Selbstmörders im Augenblick des Selbstmordes kein 
richtiges Urteil geben kann, so ist anderseits doch als gewiß an- 
zunelmen, daß in einigen dieser Fälle kein offenkundiger yorher- 
gehender Irrsinn bestanden hat; yielmehr konnte man auf Grund 
der wenigen gesammelten Fälle sagen, daß Irrsinn meist nicht 
wahrgenommen ist. 

Die yon Blumenstock in Maschkas Handbuch (I. Bd., S.478) 
yertretene Ansicht; „Bei durch Einwirkung zu hoher Temperatur 
umgekommenen Indiyiduen, deren Geisteszustand zuyor ein nor¬ 
maler gewesen, kann es sich nur um die Beantwortung der 
Fnge handeln, ob diese durch Zufall oder durch die Schuld 
eines Dritten zugrunde gingen P* muß deshalb dahin ergänzt 
werden, daß der Verdacht auf Selbstmord in Erwägung zu 
ziehen ist. 

Ebenso wie bei anderen Selbstmordarten ist es auch bei dieser 
unerklärUch, daß sie yon Personen" angewandt ist,* denen die 


*) Auf dlesdba Webe brachte eich auch die berflhmte nuabche Bero- 
lltieBiiiD Vietrowna im Jahre 1897 um. 

*) Prager Zeltscbrift für HeQkunde; 1880. 

*) Internat Monatsschrift für Hedisüi u. Nat. 1896. Besnmö in Annalea 
d’Hji^ftne publique et H6dieine 16gale; Tome XXXV, 8. 177. 1896. 

*) Auch einige mißlungene Selbstmordfalle durch Verbrennung sind 
beobachtet, z. B. der von Moska beschriebene Fall, von y. Hofmann zitiert, 
einer Frau, die im betrunkenem Zustand mit Branntwein die EQeider befeuchtete 
und sieh dann ins Feuer setzte; Hendel (Im Eulenburgs Enzyklop&dle, 
Bd. 16, 8. 186) idbt den Fall einer Helancholica an, die sich lebensgefährliche 
Brandwunden am Kopfe zugefügt hatte. F&lle von Selbstverbrennung ßndet 
man in Friedreichs BlXtter für gerichtL Medizin; Jahrg. 1860, V, 8; 1862, 
IV, 57; 1868. IV, 86; 1868, I,'6'; 1871, I,'27s'neider »habe Ich diese'Nummern 
uhAt ausüadig madien können. 



896 


Dr. Toto: üeboT den Selbttmoid dueb Yorbiemiiuig. 


Mögliehkeit, rieh durch andere bequemere ICetheden vmznbrmgeii, 
nicht benommen var.^) 

Die geringe Zahl der gesammelten Fälle and die sie be¬ 
treffenden Daten erlauben jedoch nicht, besondere Fennzrichen fttr 
den Selbstmord dnrch Verbrennnng festznlegen; nur h^othetisch 
mbriite ich die Aufmerksamkeit anf einige Daten lenken, die rieh 
aus den gesammelten Fällen ergeben. 

Der Unterschied zwischen dem männlichen und dmn wrib- 
lichen Geschleckte scheint nicht so bemerkenswert zu sein, wie 
derjenige, der sonst bei tötUchen UnglftcksfftUen durch Verbren¬ 
nung vorkommt; in Italien entfielen z. B. im Jahre 1905 von 
708 derartigen Todesfällen bei Personen über 15 Jriiren: 210 auf 
Männer und 498 anf Frauen, also ein Verhältnis von 27,7:72,9 
Von besonderem Interesse ist ^e Art der Selbstmorde dur<A Ver¬ 
brennnng: Entweder handelt es sich um eigenartige Formen, 
z. B. sich in einen siedenden Kessel oder auf einen brennenden 
Holzstoß stürzen, den Kopf in einen Ofen legen, oder, was haupt¬ 
sächlich bei den Frauen verkommt, die Kleider anzttnden, nach¬ 
dem man diese mit einer entzündbaren Flüssigkeit, gewöhnlich 
Spiritus oder Petroleum, übergossen hat. 

Die ünglücksfälle durch Verbrennung erfolg^ ^egen, wie 
die tägliche Erfahrung lehrt, entweder durch Hineingeraten in 
riedende Flüssigkeiten, oder, und das ist weit häufiger, durch zu¬ 
fälliges Anzünden der Kleider. Das Vorhandensein und der Gb- 
brauch von besonderen entzündbaren Stoffen, deren Nachweis 
durch chemische Untersuchung') oder dnrch die begleitenden 
Umstände erbracht werden kann, lassen mit großer Wahrschein- 
lidikeit auf Selbstmord') schließen. Auch ein anderer Umstand, 


1) Siehe T. Hofmann betreffs des Selbstmordes dnrch Stichwunden — 
Handbuch — Seite 881. 

*) Bie betreffenden Personen verteilen sieh auf die einselnen Älteia- 
klassen wie folgt: 


16-30 Jahre: 63 

M., 

80 Fr. 

80—40 

« 26 

11 

26 

fl 

40—60 

, 17 

n 

86 

9 

60-60 

» 29 

n 

88 

N 

60—70 

» 66 

ft 

81 

9 

ttber 70 

» 19 

fl 

239 

II 


810 M.,498 Fr. 

Es fehlen die Zahlen fflr die juendiiohen Alterddassen unter 16 Jahren; 
meines ^^Issens sind jedodi derartige Bdbamorde in diesem Alter nie beobachtet 
worden. 

') Siehe zu diesem Zweck Poppe: .üeber den Nachweis flflssiger 
Brennmittel bei Brandstiftungen*. Zeitschrift ftlr Untersuchung der Nahmngs* 
und Uenußmittel; Bd. 14, H. 1 u. 2. 

Brauchbare Baten über die Brandwunden in bezug auf die Art der 
Verbrennung findet man bei Schjerning: üeber den Tod ülolge von Ver¬ 
brennnng und Verbrühung (Vierteljahrschrift fttr gerichtl. Medizin; Bd. ELI, 
1884, S. 67) und Seliger: Ber Tod durch Verbrennung vom gerichts&rzt- 
lichen Standpunkt (ebenda; XLVII. Bd„ 1887, 8. 259). 

üeber die Wirkungen der Verbrennung, je nach dem man Spiritus, Oel 
oder Petroleum anwendet, siehe die Untersuchungen von Bescoust. Bobert, 
Ogier in Annales d’Hy^öne publique et de Mddicine 16galej ,1894, S. 648. 



Dr. Hon: Der Eefaliik. 


897 


den ieh sovolil in dem oben AngrefiUiri»n Falle, wie auch in einem 
anderen, den ich vor einigen Jahran sah^), ist bemerkenswert: hRm- 
lich die Lokalisation der Brandwnnden in den oberen Körperteilen 
spricht fflr Selbstmord, da die Selbstmörder im allgemeinen daranf 
bedacht sind, die den Oberkörper bedeckenden Kleider anzn- 
zttnden, nm ^e wichtigsten nnd lebensfähigsten Organe zu treffen. 
Ist dieser Umstand einfach znfäUig oder ist er in anderen Selbst¬ 
mordfällen YorgekommenP Leider fehlen in den wenigen Fällen, 
die ich sammehi konnte, ausführliche Angaben darüber, aber es 
wäre nicht ohne Interesse fflr den Oerichtsarzt, der Selbstmord¬ 
fälle durch Verbrennung zu untersuchen hat, seine Aufinerksam- 
kelt auf diesen Umstand zu lenken. 

Es ist sicherlich Ton Wichtigkeit, auf Omnd des festgestellten 
Befundes den Nachweis führen zu kOnnen, ob der Tod durch Selbst¬ 
mord oder durch Unfall oder Mord erfolgt ist; denn wenn auch 
der Verbrannte sehr häufig die Verbrennungen noch einige Zeit 
ttberlebt und demzufolge die erforderlichen Angaben über äre Ur¬ 
sache machen kann, so kann es doch Fälle geben, in denen diese 
Angaben verdächtig erscheinen. Vom zivilrechtlichen (z. B. mit 
Bflcksicht auf die Unffdlversichernng), wie vom strafrechtlichen 
Standpunkt (Verheimlichung von Verbrechen) ist es aber oft von 
großer Bedeutung, über die begleitenden Umstände der Verbren¬ 
nung volle Klarheit zu schaffen. Deshalb sollte m. E. der Samm¬ 
lung von Selbstmordffdlen durch Verbrennung mehr Anfmerk- 
■aiäeit als bisher gewidmet werden; diese EWägnng hat mich 
mehr als die Seltenheit dieser Fälle veranlaßt, den obengenannten 
Fäll hier mitznteilen. 


Der Kefaluk.*) 

Ein Apparat zum Fixieren des Kopfes bei der Sektion.^ 

Von Dr. Osear Honi in Kopenhagen. 

Die postmortale Erflffnnng des Kraninms ist fflr den nicht 
speziell ansgebildeten Arzt eine schwierige Prozedur nnd mit 
etwas Gefahr, sich selbst zu verletzen, verbunden. Die Schwierigkeit 
liegt teils darin, den Kopf ordentlich zu fixieren, teils darin, ihn 
in solchen Stellungen zu lagern, daß man^Gelegenheii ringsum 
zu sägen bekommt. 

Die Apparate, die man bisher konstruiert hat, nm den Kopf 
zu fixieren (Koda, Nyrop, Satterthwaite, Stille) haben 
beinahe alle das gemein, daß schon die Anlegung insofern mit 

*) Es handelte sich um ein jonges Zinunenn&dchen, das sich die Kleider 
entzündete, nachdem sie diese mit Petroleum angefeuchtet hatte. Leider yer- 
naehlissigte mau im Krankenhaus, wohin sie gebracht wurde und wo sie nach 
einigen Stunden starb, die klinischen Daten zu ziehen. 

*) Herr Dozent 1^. phil. 0. Sies by e ist so gütig gewesen, mir behilflich 
zu sein mit der Bildung des obenstehenden Namens, der ans xstpotXyj = Kopf 
und Ix» = ich halte fest, zusammengesetzt ist. 

*) Demonstriert auf dem nordischen Chimrgenkongresse in Christiania 
1907, auf der Versammlung des lülgemeinen dänischen Aerzteyereins in 
Kopenhagen 1907 nnd auf dem Kongresse der deutschen pathologischen 
OeseOschaft, Dresden^lOOT. 



Dr. Hon. 


Sehwierigkdteii Terbnnden iit ala lie an d«ii Kopf aiifeaehraabt 
werden mftesen. Demnftchst fixieren eie nicht den Kopf in der 
Weiset daß dieser fest liesrt. sondern sie dienen eiffentlieh nur 
als eine Art Handhabe, mittels derer man dann selbirt den Kopf 
feetanhalten versuchen mnß. 

Um diesem Mani^el abznhelfen, habe ich in den letiten 
Jahren daran (gearbeitet, ein Apparat zn konstmieren, der selbst 
den Kopf fixiert h&lt Die Anfi^be zeigte sich indessen mit 
einigen Schwierigkeiten verbunden, indem dabei verschiedene 
Punkte berücksichtigt werden mußten. Ich verfahr deshalb syste¬ 
matisch, indem ich zuerst prüfte, welche Stellungen des Kopfes 
für das Sftgen am besten seien und wie man am leichtestmi 
den Kopf in diesen Stellungen fixieren könnte. Uanz naheliegend 
und verlockend war der Uedanke. das Prinzip einer Hobelbank 
zu benutzen, so daß man mittels einer Schraube zwei fixierende 
Elemente gegen einander näherte. Der Versuch wurde gemacht 
und in Nyrops Etablissement (Kopenhagen) eine solche modifi¬ 
zierte Hobelbank angefertigt, die ans einem Stück Eichenholz be¬ 
stand, auf dem zwei löffelförmige Eisenbranchen — ungeftlbr wie 
die Dochleae einer Geburtszange — angebracht waren, die mittels 
einer Schraube gegeneinander genähert werden konnten. Theo¬ 
retisch sah dies sehr schön aus, aber bei dem Gebrauch des 
Apparates zeigte es sich, daß er zu unhandlich war und au^ 
nicht eine solche Fixierung des Kopfes ermöglichte, bei der das 
Kranium rückwärts dnrehgesägt werden konnte. Danach versuchte 
ich einen ungefähr sentrecht stehenden trichterförmigfen, aber 
vom offenen Apparat. Der Kopf sollte sich dann heben und sich 
in dem Trichter mittels des Zuges festklemmen, den der Körper 
durch den Hals ausüben konnte. Das Kranium sollte dann in 
einer ungefähr wagerechten Lbiie darchgesäirt werden. Aber 
auch hier war es nicht möglich, den Kopf hinreichend zu fixieren; 
dazu kam, daß das (ranze Verehren zu kompliziert wurde. 

Endlich entschloß ich mich zn dem unten näher an¬ 
gegebenen mechanischen Prinzip, aber auch hierbei waren etliehe 
Schwierigkeiten zu überwinden, z. B. wie viel der Kopf eleviert 
bezw. flektiert und an welchen Teilen er von dem Apparat 
im ganzen gefaßt werden sollte; man mußte also nicht allein die 
vmuchiedene Größe und stark variirenden Form der Köpfe, 
sondern auch die Dicke und Länge des Halses berüdcsichtigen. 
Ich wurde deshalb genötigt, immer neue Modelle zu machen; 
doch gelang es mir allmählich, ihre Zahl reduzieren zu können, 
so daß ich zuletzt nur mit etwa 10 selbstgemachten Holzmodellen 
und 6—7 Eisenmodellen arbeitete. Jedes einzelne von allen 
diesen Modellen repräsentierte das Ergebnis einer Versuchsreihe 
mit einem bestimmten Objekte. Bei jeder Sektion probierte idi 
dann so lange, bis ich ein passendes Modell fand; diese Form 
wurde jedesmal notiert, so daß ich schließlich eine Art Durdi- 
schnittszahl bekam und genau angeben konnte, wie das endlii^e 
Modell sein sollte. 

Das Prinzip des Kefiduks ist, daß der Kopf sich 



Dir Ktlklok. Vtm Appmt mm Ftzltrm dm Kopfm M der SckUos, 890 


■ittalo lainaa Oawiehtt faotklammt Seine Eonetniktien 
iet fiddrende (s. Fig. I): 

Der Apparat besteht au zwd winkelgebogeam, mit eloander mittele 
efaiee Chanders rerbudueD Eiambraneheo. Auf der einen Seite hat er ehe 


gewisse Aehnlichkdt mit einer Oeburtssange, auf der andern Seite nihert er sieh 

einem gewOhnliehea SIgeboek. Die Teile, die 

den Kopf umfassen, sind Ihnlieh wie der Lbifd n ^ 

(Cochlea) einer Oeburtssange geformt; siebe- ## Vh 

stehen au swd ungeflhr pa^el laufudu, If II 

hogufbrmigen Costae (Hippen), die in der U M 

Spitn mittels eines kleinen Quersttteks Ter- 

^gt sind. Die über den grSfiten Badiu ge- 

b<^(uen Costae shd indessen auf der Innm- 

Seite mm Teil keOfBrmig gebildet, um in die 

Furche iwischen Proc. mgom. ossis frontls 

und ossis sjgomatioi m passen. Du 

klefae querlaufende Verblsdugastftok oben 

swischa den Spitsen der Costu ist exkariert, 

um fhr Tub. ossis sygomatiei m passu. 

Die nach einem kleineres Badiu gekrümmten KlS« I« 

Ooetee hbu uter gewöhnlichen Verhlltnissen i>_ vma mi»!» mmi»» 

kein« flxiermd« EbfluB aus, treten aber t« 


in Tttigkeit, falls man d« Kopf in Seitenlage m leg« wtnseht Sie hab« 
auSerdem eiu nicht uww«tliehe Bedentug, Indem sie als Hudhab« bdm 
Anleg« d« Apparats dien«. Die switch« der Costee beflndlich« Fenster 
sind M breit, m die Nase, w«n der Kopf in der Seitenlage liegt, hier m 
mh« Termag, ohu beschidigt m werden. Die d« Kopf fnsscod« Teile 
dnd au Bronse, damit sie nldit rosten. 


Du Oharnier ist so angebracht, dafi « swei Drittel der Brdte der 
Bruch« auf der betreffmd« Stelle einnimmt, wodvch erreieht wird, daS 
mu noch ein Stflck nach ut« swisch« d« Brüchen sig« kau. Die 
FuSgestelle sind nach ut« gebog«, um der S&ge möglichst ugehinderte 
Bewegug« geben m kOnn«. Um die Hud wlhr«d d« Sägeu nicht m 
mrletsen, sind die Bek« abgerudet, so dafi sie in dner «dem Linie Ueg«, 
als in deijenigen, in der sich die Hud bewegt. Die senkrechte Linie, tos dem 
nnch grOfites Badiu gebog«« Costae lUlt also bedmtend nach anfi« Ton 
d« Stfltspnnktra d« Apparats. Mit Bttcksicht auf die Schultern der Leiche 
findet rieh noch Torn auf dem Fnfigestelle eine kleinere Abplattug. Aufier 
d« swei abgerudeten Kuten, auf dem der Kefalnk in Fig. lU ruht, sind die 
Fnfigestelle abgMchnitten, so daß swei udere stttsude Kuten herrorkommen, 
die dem Apparat rine schräge Stellug mit einem Winkel Ton ca. 46* geg« 
die Unterlaß rinsuehm« erlaub«. Um die Bruch« in ihrer Stellug m 
rinuder m fixieren, ist swisch« den FufigesteU« eine Zahnstange an¬ 
gebracht, weiohe u rin« Zapf« auf dem Gestell pafit Die Bewegung« 
der Zahnstuge werd« t« swei Stopffedem modifisiert, die so eingmiohtet 
iWl, daß sie teOs die Wiricsamkrit der Zahnstuge gus aufhebw, teils 
aber uch die Stellug konsolidier« kOu«, w«n die Zahnstange mit dem 
erwähnt« Zapf« in Kontakt gebracht ist. Alle bewegUch« Teile d« Ap¬ 
parats kOu« auetnuder g«omm« werd«. 

Der Kefalnk faßt den Kopf in der Weise, daß du Charnier in 
der Naek«geg«d ud die Cochleu u d« Wug« lieg«. Um sn errriehen, 
dafi die na« dem größten Badiu gebogen« Costae in der Furche swisch« 
Tub. ossis sygomatioi auf der ein« Seite ud Pros, sygom. om. frontis auf 
der udern Seite m lieg« kommen, muß mu indus« wahrnehm«, dafi die 
erwähnten Costae gus dicht geg« d« Hargo rapraerbitalis, also ttber dem 
Auge Ubs liegen. Der am malten prominier«de Teil der Wug« (Tub. 
ossb sygmnatiri) wird dau in d« Fenstern ruhen, oder — bei sehr grofi« 
KBpf« — in dem konkaren, querlauf«d« YerUndugnttlcke swischen d« 
SpRs« der Costae. 


Eh« ieh daza übergehe, die Anwendiug des Kefhliika za 
enrilmeii, erleabe ich mir einige Worte über die Dnreheehnei- 



'400 •- 


Dr. Horn. 


* .i - 4 • ■ , 

dang der Kopfhaut anznfflhren. Gewöhnlich le^'man ja 
einen vorderen and hinteren Lappen nieder. Wenn man den 
Kefalnk anwendet, wird der vordere Lappen als Beschfitznng des 
Gesichts dienen, indem der Kefalnk auße» auf dem nngestfllpten 
Lappen angele^ .wird; deshalb wird der vordere Lappen am 
besten so groß wie möglich gemacht (d. h. man führt den Hant> 
schnitt von der Anheftung des äußeren Ohres über den am 
meisten prominierenden Teil des Hinterkopfes, also etwa 5 cm 
oberhalb der Protnberantia ossis occipitalis ext.) 

Im Nacken mnß der Kefalnk indessen einen festen Angriffs- 
Punkt haben, und daher unmittelbar an der Haut liegen, weshalb 
wir zuerst keinen hinteren Lappen bilden. Man führt 
demnach den erwähnten Schnitt in der Kopfhaut, stülpt aber 
nur einen grossen vorderen Lappen nach unten über das Gesicht 
und legt dann den Apparat an. 

Die Anlegung des Apparates geht so vor (siehe 
Figur n): 

Man stellt sich an das Kopfende des Sektionstisches, faßt mit Tollet 
Hand den Kefalnk in jeder der vorderen Costae, die nach einem 
kleineren Badins als die hinteren gebogen sind, legt die Cochleae an jede 
Seite des Kopfes (Fi^ U), macht darauf eine hebende Bewe- 
gnng,*wodarchXdie Ftt.fie^des Apparates nach innen [ttber den 



Kig. II 

zeigt, wie idad den Kefalnk fasst, wenn er angelegt werden soll. Der vordere 
Hautlappen Ut nach unten über das Gesicht gestülpt; ein Hlntcrlappen noch nicht 

losgemacht. 


Sektionstisch geführt werden and gleichzeitig .der Kopf 
zwischen die Branchen eingleitet in der Weise, daß das 
Charnier in der Nackengegend zn rnhen and die Cochleae 
ringsum die Wangen za liegen kommen, kaudal vom Margo 
sapraorbitalis. 




Der Eelelok. Ein Apparat~zum fixieren dee Kopfes bei der Sektion. 401 




Der Kopf wird sich jetzt von selbst festkleinmen, znm Teil mittels 
seines eigenen Gewichts, znm Teil mittels des Znges, den der Bnmpf dvch 
den Hftls ensfibt. Die Stellnng wird außerdem mittels der Zahnstange fixiert* 

Jedenfalls liegt der Kopf 
sehr bequem Ihr die 
Durchs&gung des vor¬ 
deren Umfangs des 
Kraniums (Fig. UI). 

Um auch hinten sägen 
zu können, stellt man den 
Kefalnk in eine schräge 
Stellung zu der Unter¬ 
lage : Man faßt ihn wieder 
an den vorderen Costae 
und biegt mit einer he¬ 
benden Bewegmig den 
Apparat -{- Kopf nach 
vorn, so daß er jetzt auf 
den vorderen schrägabge- 
schnittenen Kanten der 
Fnßgestelle ruht. Der im 
Kefaluk fixierte Kopf wird 
dadurch fiektiert und eie- 
viert. ln dieser Lage 
sägt man dann den 
hinteren Teil des 
Rlg. III; Kraniums durch (Fig. 

zeigt, wie^'der^Ropf bei dem Durchsagen dei Torde'ren Teili IV). DftS DlUChsäffeil 
d«. Sebidau zu u«,rei> kommt. bedeutend erÄ- 

tert, wenn man die hintere Sägelinie in einem stumpfen Winkel zur vorderen 
fortftthrt; hierdurdi erreicht man auch den Vorteil, daß die Theca cranii hin¬ 
terher nicht so ge¬ 
neigt ist, nach hin¬ 
ten zu gleiten. Will 
man lieber das Kra- 
nium in einer Linie 
durchsägen, so ist, 
aber erst wenn der 
Kefaluk angelegt 
ist, die Haut ein 
wenig im Nacken 
loszumachen und so 
ein kleiner Hihter- 
lappen zu bilden, der 
nadi unten über die 
äußere Seite des 
Kefaluk umgesttQpt 
wird. Bei Verwen¬ 
dung der elektri¬ 
schen Rundsäge 
wird die Prozedur 
noch mehr verein¬ 
facht. Wünscht Klg. IV j 

ma®, nach-beendeter' > lel^ den Kefaluk auf seinen vorderen StOtzkanten stehend. Van ' 
Sektion des Gehirns sieht, wie man von dieser Stellung aus den hinteren Teil des 
Ata 'Rnflia ornnii Schädels beqeuni durchfägeii kann. £in hinterer Hantlappen ist Jetzt 
• ^ 1 losgelöst und nach aussen über den Apparat nmgestülpt. 

in einer o sni wwil* 

linie (a. m. Harke) dnrcbzusägen, dann ist das Charnier in der Weise an- 
ziüe^en, daß man zwischen die Branchen sägen kann. , 

Sollte der Sektionstisch sehr glatt sein, wie z. B. Porzellantische, so,' 
kann man unter den Apparat ein angefeuchtetee Handtuch legen. 

Wenn der Kefaluk den Kopf in der beschriebenen Weise faßt, dann ist 

dieser tatsächlich vollständig fixiert. Doch muß bemerkt werden, daß bei 

.. . 1 « • •••»* 



402 


Br. Becker. 


KOj^ea mh eehr epUs soleBfeadem Untergeeieht ier Keblnk eb ud ai aaek 
natca Ober das Qeneht gleiten kann, was dso dem »senkrecktea* AbgMtea 
der Gebnrtssange entspricht (ein nWagereehtes* AbgieitM kann nkht statt- 
Anden). Dieses Abgleiten kann man indessen dadoroh leicht Terhindem, dafi 
man mit gekittaimtea fingern unter den Marge snpraorbitalis hineinfafltj and 
anf diese Weise den Kopl dem Keütlok entsprechend Axiert. Sollte man Köpfe 
mit anderen Delormititen antreffen, so kann man sie in der Begei dotch Aiui* 
polstern mit einem Handtnche hinreichend Axieren. Will man endlich aas 
irgendeinem Grande den Kopf w&hrend des Sigens in Seitenlage haben, 
dum Ulhet man den Kefalak etwas, laßt mit der einen Hand das Untergedekt 
der Leiche and dreht danach den Kopl so, daß die Nase in dem Fenster na 
rahea kommt. 

Für die Anlegung der Kinderkranien Ußt sich keine bestimmte 
Begei geben, weil es olt wAhrend des Sigens Tiel praktischer sein wird, die 
gante Leiche tu drehen, als die Stellung des Apparats an Terladera. Die 
Kopie Ton Kindern unter 1 Jahr werden in der Bi^rel tu klein sein, am in 
dem Kefalak Axiert sa werden; solche kleine Schidel öffnet man aaek am 
besten mit einer Scheere. 

Bei Gebraach des Kefalnke^) erreicht man alio 
an/ leichte and echnelle Weise (d. h. wAhrend weniger Sekunden), 
dass der Kopf, ohne dass er verletzt wird, YoUständig fixiert 
vrird und zwar in Stellungen, in denen man den SchAdel im 
ganzen Umkreise darchsfigen kann. Die Gefahr, dch selber zn 
verletzen, wird hierbei auf das Mindeste beschränkt Die durch 
das Anlegen des Apparats bewirkte gehobene und gebeugte 
Stellung des Kopfes ist ferner zweckmässig und bequem fflr das 
Herausnehmen des Gehirns; nach dessen l^tfemang erhält man 
audi einen guten Ueberblick Uber die BaMs cranii, und kann 
Ausmeisslung und ähnliches vornehmen. Als einen weiteren Vor¬ 
teil muss es erachtet werden, dass man in den Grenzen des Sek¬ 
tionstisches arbeitet und demzufolge der Fassboden nicht be¬ 
schmutzt wird; ausserdem ist man von keinem Assistenten abhängig. 

Der Apparat ist geprüft und seine Brauchbarkeit festgestelit 
von: ProL Dr. J. Fibiger, Prosektor beim »KgL Frederiks 
Hospital** und Prof, der pathologischen Anatomie an der Univer¬ 
sität Kopenhagen, Privatdozent Dr. V. Scheel, Prosektmr am 
yKommunehospital** und Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Schmorl, Pro¬ 
sektor am „Stadtkrankenhaus** in Dresden. Ausserdem habe ich 
in Berlin (;ielegenheit gehabt, den Apparat dem Geh. Med.-Bat 
Dr. J. Orth, Prof, der pathologischen Anatomie und dem (Hh. 
Med.-Bat Dr. F. Strassmann, Prof, der gerichtlichen Medizin 
daselbst zu demonstrieren mit dem Besaitete, dass jedes der be¬ 
treffenden Institute ein Exemplar angeschafft hat. 


lieber Geeundbeitsichädigungen durch bletfarbenbaltige 

Tapeten. 

Yoa Med.-Bat Dr. Becker, Kxefaust fa HlMeekeiai. 

Anf Ersuchen der Kfiniglichen Staatsanwaltschaft hatte icb 
jungst ein Gutachten darüber zu erstatten, „ob ein Gehalt von 
1,4 g Bleichromat auf ein Quadratmeter Tapetenfiäche die mensch- 

*) Za bekoBuaea im »Medfaiaiseken Wareakaa»*, Akt-Gei., Beriia 
NW. 6 , BAilsiiaße 81. Freii: bO Mark. 



Ueb«r Q«nudlieitnchldigiuig«i dueli bleUwb«ii)i«ltiga Tapatea. 408 

liehe Geeimdheit in irgendeiner Weise za schädigen geeignet seL* 
Des Stadiom der Literator lehrte mich, daß diese in gewerbe¬ 
hygienischer Hinsicht nicht unwichtige ifrage bislang so gnt wie 
gw nicht geklärt ist, so daß eine kurze Wiedergabe meiner Er¬ 
mittelungen tär den Medizinalbeamten von Interesse sein dttrlte. 

Der Fall ist kurz folgender: 

Am 8. Dexembar 1906 erkrankun der SijUuiga Wiuer Fiaai nad 
aaina 85 Jahre alte Schwester Maria T. aoa nachdem bareitB mahraia 
Tage lang Leibschmenen yoraosgegangen waren, mit Erbrechen, Stahlyerhal- 
tong nnU heftigen Kopf* und Uliederschmerzen. äie worden anfangs yon ihrem 
Uaosante und yem 8. Januar 1907 ab in einem Krankenhaose in T. be* 
handelt. Beide Imtten einen deutlichen Bleisaum am Zahnfleische. Der Bruder 
wurde nach 4, die Schwester nach 8 Tagen gebessert in die Heimat entlassen. 
Auch der Vater hatte während der ganzen Zeit an Schwindel, Magen* 
besohwerden und Appetitlosigkeit gelitten, brauchte sich aber nicht zu legen. 
Alle drei blieben aber in den folgenden Wochen krank, ohne datt die Ursache 
gefunden werden konnte. Besonders bei dem Sohne yerschllmmerte sich der 
Zustand so, daß er wiederum das Krankenhaus aofsuchen mußte, wo er 
bis lum 80. Januar blieb. 

Daß CB sich in den vorliegenden Fällen nm eine chronische 
Bleivergiftung handelte, konnte nach dem Urteile der Aerzte 
nicht zweifelhaft sein, aber die Suche nach bleihaltigen Qe- 
Bchirren und sonstigen Qebrauchsgegenständen blieb ergebnisk». 
Schließlich erinnene man sich, daß Ende August oder Anfang 
September 1906 das Wohnzimmer und die Schlafzimmer der 
Familie Msch tapeziert und gestrichen waren. Es wurden daher 
von einem gerichtlichen Chemiker Proben sämtlicher Tapeten, 
des Anstriches und des Wassers aus dem eigenen Brunnen unter¬ 
sucht. Das Ergebnis war in bez^ auf Anstrich und Wasser 
negativ. Dagegen wurden in zwei Tapetenproben beträchtliche 
Mengen Bleichromat nachgewiesen, nämlich: aus dem Schlaf¬ 
zimmer des Sohnes Franz, mit einer beklebten Wandttäche von 
28,71 qm auf einem Quadratmeter Fläche 0,8978 g Blei und 
0,2713 g Chrom und aus dem gemeinschaftlichen Wohnzimmer 
mit 11,46 qm beklebte Wandfläche auf dem Quadratmeter 0,7413 g 
Blei und 0,12 g Chrom. Metallgifte wuruen dagegen vermißt 
in den Tapeten auf dem Hausflur, dem Schlafzimmer des Vaters 
und dengenigen der Tochter. Bezeichnend ist es, daß der Sohn, 
dessen Schlafzimmertapete die größten Giftmengen enthielt, bei 
weitem am heftigsten erkrankte, während Vater und Tochter, die 
in Kammern mit giftfreien Tapeten schliefen und nur tagsflber 
sich im Wohnzimmer mit bleihaltigen Tapeten aufhielten, weniger 
heftig erkrankten. Auch ist zu berflc^ichtigen, daß ^e Leute 
im Winttf häufig tagelang ihre Zimmer nicht verließen und den 
Kaum nuteten. 

Sämtliche Tapeten wurden nun entfernt und die Wände 
sorgfältig abgekratzt und mit Kalk gestrichen. Damit trat in 
der Folgezeit eine allmähliche Besserung in dem Befinden der 
drei Personen ein, so daß sie Mitte Februar 1907 wieder als 
vollständig geheilt anzusehen waren. Auch später aind keine 
Krankheitserscheinungen wieder aufgetreten. 

Von der Tapete, welche nachweislich ans einer Tapeten- 



404 Dr. Becker. 

fabrik der Firma X. in Y. bezc^en war, wurde eine ans dem 
Schlafzimmer des Sohnes stammende Probe in der hiesigen land¬ 
wirtschaftlichen Versnehsstation untersucht mit folgendem Er¬ 
gebnisse: 

Ein Qoadratmeter Tapete wog im Mittel yon drei Wftgangen b 82,6 g 
und enthielt 0,896 g Blei und 0,2144 g Chrom. Oie Analyse stimmt also last 
völlig genau mit der Irtlhem, an anderer Stelle vorgenommenen überein. Da¬ 
nach berechnet sich der Gehalt an Bleichromat (chromsaures Blei) aal ein 
Quadratmeter Tapetenfläche auf rund 1,4 g. Nach einer Angabe der Firma X.' 
waren zur Hersteliung von 100 Bollen der Iraglichen Tapete verbraucht: 
6 kg Kreide, 1 kg Neapelgelb, 1 kg Chromgelb, 2 kg Seidengrfln, 0,6 kg 
Schwarz; lerner als Bindemittel: 2,5 kg Kartoffelstärke und 5 Liter 40 
ChlorkalziamlOsung. 

Nach einer Irüheren chemischen Analyse stellte Neapelgelb eine Mischung 
von Bleichromat und Bariumsullat mit einem Bleigehnlte von 9,92*/, (Pb) und 
einem Chromgehalte von 2,61 **/o (Cr.), entsprechend rund 16 */o Bleichromat dar. 
Chromgelb ist neutrales Bleichromat. 

Sodann wurde auf meine Veranlassung noch folgendes fest¬ 
gestellt: 

Das Bett des Frans T. stand hart an der Wand, enthielt wollene 
Decken und Federbetten und wurde von seiner Schwester tAglich gemacht. 
Seine Arbeitskleider bängte er zum Teil direkt an die Tapete und nicht in den 
Kleidersehrank. Sämtli<£e Bäume haben eine Hohe von nur 2,14 m und be¬ 
sitzen keine Yentilatioiisvorrichtangen. 

Mein G^utachten machte etwa folgende Ansffihmngen: 

dfaromsaures Blei 0 kommt im Handel in drei verschiedenen 
Arten vor: 1) als neutrales Bleichromat (sog. Chromgelb), 2) als 
basisches Bleichromat (sog. Chromrot) und 3) als sog. Chromorange, 
einem Gemenge der beiden ersteren Arten. Alle ^ei Farben sind 
in Wasser unlOslich. Sie würden daher an sich — ganz ab¬ 
gesehen von ihrer Giftigkeit — gar nicht zur Tapetenfabrikation 
vmrwandt werden können, sondern man muß fixierende Zusätze, 
zumal Kartoffelstärke benutzen, damit die Farbe an dem Papier 
haftet. 

Durch die Liebenswürdigkeit des Besitzers einer der größten 
Tapetenfabriken, Herrn Peine in Hildesheim, bin ich in die Lage 
versetzt gewesen, einen Einblick in die Fabrikationsräume zu 
tun, in dem Herr Peine mich durch seine ganze Anlage per¬ 
sönlich führte. Ohne auf die Einzelheiten des Betriebes näher 
einzugehen, sei nur erwähnt, daß die Erdfarben von den Farben¬ 
fabriken in breiartig feuchtem Zustande in Fässern bezogen, 
unter Zusatz erheblicher Mengen von Kreide in Wasser, dem 
als Bindemittel Leim und Kartoffelstärke zugesetzt ist, aufgelöst 
und in teils offenen, teils bedeckten Bottichen ordentiieh dureh- 
gerührt werden. Die Menge des Bindemittels variert kaum, 
wird allerdings nach Gutdünken von den Arbeitern zugesetzt. 
Gifdge (blei- und chromhaltige) Farben werden dagegen von den 


^) Heinserling: Hygiene der chemischen Groflindustriejn Tb. Weyla 
Handbuch der Hygiene; YUI. Bd., S. 729. Jena 1897. 

Panienski: Geber gewerbliche Bloivergiftung und die in deren* Yer- 
bindung geeigneten -sanitätspolizeilichen Maßregeln. Ylerteljahrschiilt für 
gerichtliche Medizin und Öffentliches Sanitätswesen; 1891, Dritte Fidge, L Bd., 
8eite 141. 



üdber OwnndheteaBchidlgiuigWi dvroh U«Üarb«Bludtige Tapeteit 406 


Tapetenfabriken im polTerfbrmigen Zustande in dichten Fiasem 
beiogen nnd nur in geringen Mengen der Hanptmenge des Farben- 
gemisehes zagesetzt Die Verwendung eines erheblicheren Qoan- 
tiims verbietet sich schon durch den hohen Preis der Metall¬ 
farben. Der Prozeß der Farbenmischnng erfolgt also anf nassem, 
nicht auf trockenem Wege. Es sind deshalb auch die Arbeiter 
einer besonderen Ge&hr nicht ansgesetzt; denn es ist klar, daß 
sie sich jedesmal, bevor sie irgend etwa anderes, znmal Lebens¬ 
mittel antassen, erst den dicken Farbschlamm grtlndlich von den 
Händen abwaschen müssen. Die Versicherung der beklagten 
Firma X., daß bei ihren Arbeitern, welche täglich mit der Zu¬ 
bereitung der Farbmischungen beschäftigt sind nnd direkt mit 
den Farben in Berührung kommen, Gesnndheitsschädigungen 
irrgend welcher Art in einer langen Reihe von Jahren nicht 
beobachtet seien, entspricht demnach der allgemeinen Erfahnmg 
nnd ist nach der Herstellnngsart durchaus verständlich. Dazu 
kömmt daß für Fabrikbetriebe, in denen mit bleihaltigen Farben 
gearbeitet wird, ganz besonders strenge Vorschriften^) erlassen 
sind und die Arbeiter belehrt werden, wie sie sich am leichtesten 
vor Bleivergiftung schützen können. 

Wesentlich anders liegen dagegen die Verhältnisse in bezug 
auf die Gtoftdir der Verstäubnng von bleihaltigen Substanzen; 
denn darüber sind sieh alle Autoren*) einig, daß die längere 
Zeit hindurch fortgesetzte Einführung selbst kleinster 
Bleimengen vergiftend auf den Körper wirkt. Ob hierbei die Ein¬ 
verleibung durch Einatmen oder durch Aufnahme in den Magen 
erfolg ist für den Endeffekt ziemlich gleichgültig. „Die Mög- 
lickeit*', sagt Naunyn*) „daß in der Atemluit enthaltener Blei¬ 
staub auf diesem Wege einverleibt werden kann, ist selbstver¬ 
ständlich*. Weit häufiger scheint indessen die Einführung des 
Giftes auf dem Verdauungswege stattzufinden. Nach Nannyn 
spielt diese Art des Importes sogar die Hauptrolle, indem der in 
dtf Luft suspendierte Bleistaub verschluckt wird und auf diese 
Weise in Magen nnd Darm gelangt. 

Wie gering die Mengen nur zu sein brauchen, um — wenn 
sie längere Zeit hindurch verschluckt werden — Vergiftungs- 
erscheinnngen beim Menschen hervorzubringen, hat man experi¬ 
mentell begreiflicherweise nicht feststellen können. Kob ert*) 
steht indessen ganz auf dem Standpunkt von Bronardel, welcher 
ansführt, daß schon die tägliche Zufuhr von nur einem 
einzigen Milligramm Blei nach einigen Monaten krank 
machen kann. 

Es fragt sich daher, ob bezw. unter welchen näheren Be¬ 
dingungen Farbstanb sieh von Tapeten loslösen und — falls die 
Farben giftig sind — die menschliche Gesundheit schädigen kann. 


^) Bekanntinuchimg vom 27. Joui 1906. Bdchsgemtiblatt 8. 656. 

*) Nannyn: Die ohroniaehe Bleivergiftung in ZiemsBens Handbach 
der Bpeüdellen PaUudogie nnd Therapie; Xv. Bd., Seite 256. Leipiig 1880. 

*) Nannyn: L o.; Seite 868. 

*) Kobert: Lehrbuch der Intoxikationen. Stuttgart 1898, Seile 409. 



Bai mainer Besicktigrnaj' dar hiaBigaB Tapatanlabrik wirdan mir 
einige TapetenroUen gezeigt, die zum Versandt varpaekt wnrdaB. 
Von ihnen konnte man unschwer beim Ueberstraichan mit dam 
Finger geringe Farbstoffmengen abwischen. Bei Tapeten, die 
bereits längere Zeit an der Wand unserer Wohnungen gesassan 
haben, ist das in der Begel nicht möglich. Ob dieser üntarsckied 
in einem verschieden großen Gehalt an Bindesnbstanz oder durch 
die Verwendung solcher Farben, die (wie Chromgelb, Chromrot, 
Chromorange) in Wasser unlöslich sind und daher leicht ver¬ 
stäuben, oder endlich dadurch bedingt ist, daß bereits beim An¬ 
kleben der Tapeten und später beim Abwischen mit Besen und 
Tllchem der ftberschüssige Farbstoff entfernt wird, lasse ich 
dahin gestellt. Tatsache ist, daß zumal von minderwertigen 
Tapeten die Farbe sich loslOsen kann. Wenn nun die bdÜajg^ 
Firma X. zu ihrer Verteidigung vorbringt, daß die Verwendung 
von Bleifarben in der Tapetenfabrikationsbranehe 
ganz allgemein üblich sei und in den 50 Tapetenfabriken 
Deutschlands jährlich etwa 100 Millionen Stück solcher Timten 
hergestellt würden, daß insbesondere von dem betreffenden Muster 
bereits 5000 Bollen verkauft seien, ohne daß bisher von irgend¬ 
einer Seite Beschwerden laut geworden seien, so kann das aller¬ 
dings auf dem ersten Blick auffällig sein. Erklärlich ist es 
aber, wenn man bedenkt, daß die Erkennung der chronischen 
Bleivergiftung überhaupt nicht leicht ist und in milde verlaufen¬ 
den Fällen von den Aerzten, sicherlich vielfach gar nicht er¬ 
kannt wird. 

So habe ich denn auch bei der Durchsicht der Literatur 
nur einen einzigen ganz analogen Fall gefunden: 

Dr. Gnyot*) berichtete in der medüdniseben Oesellseheft sn Pnrie 
ttber ein Mädchen vom Lande, dessen sämtliche Streckmoskeln an den GUed- 
mafien gelähmt waren. Man dachte an Bleilähmnng, eine Annahme, welche 
aber durch die Erwägung keine üntersttttzong fand, daß kein weiteree Mit¬ 
glied der Familie von ähnlichen Zufällen befallen war. Nach Ablauf ?on seehe 
Monaten wurde das Mädchen ans dem Hospitale entlassen. Sie kehrte anfi 
Land zurttck, nahm Wohnung ln ihrem früheren Zimmer und wurde nadi 
einiger Zeit von neuem yon Lähmungen behtUen. Man yermutete wiedemi 
Bieiyergiftung, aber die Untersuchung der Nahruagsmktel und Gebrauehs- 
gegenstände ergab kein BleL Man nahm nun Yeraalassung. die Tapete den 
bewohnten Zimmers zu untersuchen. Die üntersuchnng erMD einen {Sicht¬ 
lichen Qehalt — wie yiel, ist nicht angegeben — an Blei, so daß sage-* 
nemmen wurde, daß die Krankheit durch Einatmung yon bleihaltigem Strab 
entstanden seL 

Auf welche Weise aber der Giftstoff der Tapete sich der 
Zimmerloft mitteilte, geht auch ans diesem Falle nicht hervw. 
Offenbar ist es auf die verschiedenste Art möglich. Es mag zua 
Vergleiche daher gestattet sein, die in früherer Zeit häufiger vtnr- 
gekommenen Arsenikvargiftungen durch arsenhaltige Tapeten 
heranzuziehen. Elinen besonders lehrreichen Fall dieser Art er¬ 
zählt Nannyn*). 

ln einem Gerichtslokale in Königsberg kamen unter den Beamten mehr- 
faich Areenyergiftungen yor, die sich folgendermaßen anfklirten: Durch dna 
Hinworfen yon Akten in ein Begal war der gdbe Wandanstrich hinter dem¬ 
selben allmählich abgestoßen und darunter sine grüne Tapete nun VoneheiB 
gekommen. Diese grüne Tapete teilte sieh den Akten mit und wurde beim 



üeber OMiudlMitMehidigingeii dinh bldlurbeakaltige 407 


ümbUtten denelbea Tentfabt Die grüne Farbe erwiei aieb ab SohweinF 
Inrter Grün (areeaig-eesigBaiirefl Kopferoxyd). 

Man ersieht ans diesen beiden Fällen, daß der Nachweis des 
ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Gesnndheitschädignng 
nnd der schädigenden Ursache viellach erst nach langem Suchen 
erbracht werden konnte; daß man aber, wenn das Erankheits- 
bUd fftr Bleivergiftong typisch wu*, unbedenklich die bleifarben¬ 
haltigen Tapeten beschuldigt hat, auch wenn man die nähermi 
Umstände nicht kannte, unter dcmen die Emanation des Giftes 
erfolgte. 

Im Torliegenden Falle ist in einem Quadratmeter Tapete 
1,4 g Bleichromat festgestellt worden. Von dieser Tapete waren 
22,71 qm in der Schla&ammer des Franz T. befestigt; die Wände 
enthielten also insgesamt 81,794 g Bleichromat. 

Wenn man non nach den Lel^n der Wissenschaft annehmen 
muß, daß die tägliche Znfnhr Yon nnr einem einzigen Milligramm 
Blei nach einigen Monaten Vergiftnngserscheinnngen hervormfen 
kann, so mnß man zageben, daß in dem fraglichen Schlafzimmer, 
welches eine 31794 mal so große Menge Blei in seiner Tapete 
enthielt, die besten Vorbedingungen geschaffen waren. Ueberdies 
handelte es sich um einen sehr niedrigen, nur 2,41 m hohen 
Banm ohne Veatilationsyorrichtangen. Es bestand die Gewohn¬ 
heit, in den Wintermouaten wenig oder gar nicht zu lüften. Die 
Arbeitskleider wurden direkt an die Tapete gehängt und konnten 
folglich in trockenem nnd feuchtem Zustande Farbstoff in sich 
anmehmen nnd tagsüber bei der Arbeit an den Träger abgeben. 
Da das Bett an der Wand stand, so mußte mit der Möglichkeit 
gerechnet werden, daß die Hände des Schlafenden die Tapete 
berührten nnd abwischten und später ungewollt, bevor eine Beini- 
gnng hatte vorgenommen werden können, die Lippen berührten. 
Mit Federbett nnd Wolldecken konnte der Tapetenstanb ab¬ 
gewischt nnd in die Luft gewirbelt werden. Jedenfalls war der 
Franz T. mehr als sein Vater nnd seine Schwester, welche in 
Kammern mit bleifarbenfreien Tapeten schliefen, der Vergiftungs- 
gefahr aasgesetzt Tatsächlich ist er auch am bedenklichsten 
Ton allen cfteien erkrankt gewesen. Seine Schwester konnte sich 
beim Machen seines Bettes und beim Aufenthalte im Wohnzimmer, 
das ebenfaUs bleifarbene Tapeten trug, vergiften, der Vater, der 
am leichtesten erkrankte, wohl nnr in letzterem. Die verschiedene 
Schwere der Vergiftungserscheinangen bei den drei Personen geht 
also Hand in Hand mit der Häufigkeit und Zeitdauer der Gift¬ 
einwirkung. Nach dem Gesagten ist es endlich einleuchtend, daß 
die Vergiftungserscheinungen, obwohl die Tapeten bereits Ende 
Angast oder Anfang September 1906 angeklebt waren, erst An- 
ftuig Dezember eintreten konnten. Daß es tatsächlich sich um 
Bldvergiftong bei der Familie T. gehandelt hat, kann ebenso- 


*) GuTot in Viert^ahrachrift für gerichtliche Medfarin und Öffentliches 
S—kHetwsen; Jahrg. 1894, Dritte Folge, VllL Bd., Seite 178. 

*) Nnanyn: Die ArsenTergiftuog in Ziemssens Hnndbaeh der spe- 
riellen Fntholog^ und Therapie. XV. Bd., Seite 847. 



408 Dr. Becker: Ueber Oestndhdtesch&digongeB darob bleifarbenkalUge Tepetea 

wenig zweifelhaft sein, wie die Tatsache, daß die Tapeten Sehnld 
duan waren; denn sobald die Personen ans dem Zimmer entfernt 
wurden and sich im Erankenhanse za T. befanden, fflhlten sie 
sich wohl, erkrankten aber sofort wieder in der eigenen Behaa< 
sang. Erst nach Beseitignng der Tapeten trat andaaerndes Wohl* 
befinden aaf. Die Kette der Beweisglieder ist mithin geschlossen. 

Ich gab daher mein Gutachten dahin ab, daß die von der 
Firma X. in Y hergestellte Tapete mit einem Gehalte von 1,4 g 
chromsaoren Blei aaf einem Quadratmeter geeignet sei, die 
menschliche Gesundheit za schädigen. Im vorliegenden Falle 
schienen allerdings, wie ich besonders hervorzaheben mich fflr 
verpflichtet hielt, mehrere ongflnstige Momente — niedriger, 
schlecht ventilierter Baum, direkte Berflhrong von Eleidong and 
Stoff mit der Tapete — zosammen getroffen zu sein, am die 
Wiiicang hervorzorofen. 

Der Fall ist in mehr als einer Hinsicht beachtenswert. 
Zunächst ist festgestellt worden, daß Bleifarben in der Tapeten* 
indastrie eine ausgedehnte Verwendung finden. Dagegen läßt 
sidi gesetzlich nichts machen; denn nur die Verwendang von 
Arsei^rben ist bei der Herstellung von Tapeten auf Grand des 
§ 7 des Gesetzes betr. die Verwendang gesundheitsschädlicher 
Farben bei der Herstellung von Nahrangsmitteln und Gebrauchs- 
gegenständen vom 5. Jali 1887 verboten, während Bleifarben 
zulässig sind. Weyl sowohl wie Lehmann^) haben dagegen 
die schwersten Bedenken erhoben and sich dahin ausgesprochen, 
dass die Verwendang von Bleichromat znm Färben von Tapeten, 
Möbelstoffen, Kleidern, Garnen und Lunten, wie in Frankreich, 
so aach im Dentschen Reiche verboten werden müsste. 

Trotzdem sind offenbar Bleivergiftungen durch Tapeten bis* 
lang ausserordentlich selten zur Kenntnis gekommen; jedenfalls 
fiudet sich in der Literatur bislang wie gesagt nur ein einziger 
von Guyot beschriebener Fall. Wenn man aber bedenkt, daß 
die chronische Bleivergiftung sicherlich häufig von den Aerzten 
gar nicht erkannt wird, so wäre es denkbar, daß in der Folge* 
zeit, nachdem erst einmal die Aufmerksamkeit auf diesen Puiät 
gelenkt ist, zahlreiche Fälle mitgeteilt würden. 

Im vorliegenden Falle wurde das ^Vorverfahren von der 
Königlichen Staatsanwaltschaft eröffnet, und zwar auf Grund 
der |§ 14 und 12 Ziffer 2 des Reichsgesetzes betr. den Verkehr 
mit Nahrungsmitteln, Genaßmitteln und Gebrauchsgegenständen 
vom 14. Mai 1879. Der § 12 lautet: 

Mit Gefängnis.wird bestraft,.wer TorsäUUeh Be* 

kleidangsgegenstände, Spielwaren, Tapeten, E6*, Trink*Kochgeschirr oder 
Petroleam derart hersteUt, daß der bestimmongsgemäße oder ToranszosebeBde 
Gebraach dieser Gegenstände die menschliche Gesundheit zu beschädigen ge* 
eignet ist, ingleichen wer wissentlich solche Gegenstände Terkaoft, leilhäit 
oder sonst in Verkehr bringt. 

Im Gegensatz zu Weyl und Lehmann möchte ich daher 
hervorheben, daß also das Nahrangsmittelgesetz die Handhabe 


Zitiert nach Heinzerling; L c., Seite 780. 






Dr. Heidenluüa: üeber Hilzbruid. 


400 


bietet, eyentaell die Verwendung von Bleifarben in der Tapeten- 
indnetrie zn ahnden. In dem von mir mitgeteilten Falle wnMe 
die angeschnldigte Firma X. in T. auf Antrag der Staatsanwalt* 
sehaft allerdings ansser Verfolgnng gesetzt, da die weiteren Er- 
mittelnngen ergaben, daß ihr eine Fahrlässigkeit nicht nachge¬ 
wiesen werden konnte, sondern angenommen werden mußte, daß 
eie den Erfolg keineshdls bei Anfwendnog der gebotenen Anf- 
merksamkeit hfttte voranssehen können. 


Ueber Milzbrand. 

Von Med.« Bat Dr. Heidenhain, Kreisarzt in Insterbarg. 

In Heft 8 der Anweisungen des Ministers znr Ansftthmng 
des Gesetzes, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krank¬ 
heiten, vom 26. August 1905 — Milzbrand (beim Menschen) — 
werden nur drei verschiedene Formen der Krankheit angenommen, 
und zwar: Karbunkel, Lungen- und Darmentzündungen. Es er¬ 
scheint jedoch eine vierte Form dieser schweren Infektionskrank¬ 
heit hervorgehoben werden zu müssen; ich mochte diese als 
OdematOse Form des Milzbrandes bezeichnen. Unter die Rubrik 
dieser Form kann ich vier Fälle eigener Beobachtung verzeichnen, 
von denen der letzte vor knrzer Zeit von mir amtsärztlich festge¬ 
stellt wurde. 

Die Infektionsstelle bei dieser Form kennzeichnet sich als 
kleines Bläschen, oder — wenn wahrscheinlich das Bläschen be¬ 
reits durch B[ratzen usw. vernichtet war — als schwärzlicher, 
etwas eingezogener und sich härtlich anfühlender und schneidender 
Fleck von der Große eines Stecknadelknopfes. Die Infektion selbst 
schien in allen diesen Fällen 8—4 Tage früher eingetreten zu sein, 
bevor der Fall zu meiner Kenntnis kam. Es erscheint nach meiner 
Beobachtung angenommen werden zu müssen, daß, sobald die In¬ 
fektionsstelle charakteristisch diagnostizierbar wird, die Allgemein¬ 
erkrankung — ähnlich wie beim ulc. dur. — bereits vorhanden 
ist; in allen vier Fällen trat bereits der Tod ein 2—8 Tage 
nachdem die Erkrankten in ärztliche Beobachtung gekommen waren. 

In drei von den von mir beobachteten Fällen war die In¬ 
fektionsstelle im Gesicht, im vierten Falle am Unterarm; in den 
drei ersten Fällen trat ein Oedem besonders der betreffenden Ge¬ 
sichts- und Kopfhälfte von bläulich - roter Farbe ein; im letzten 
Fall schwoll der ganze KOrper stark OdematOs an und zeigte eine 
dunkelblaue und blau-schwarze Verfärbung. 

Das Oedem der Haut und des Bindegewebes entsteht durch 
Verstopfung von Blutgefäßen mit enormen Mengen von Bazillen. 
Dagegen werden in der Infektionsstelle und in dem daran liegenden 
ödematösen Gewebe gewöhnlich keine Bazillen gefunden. 

Werden in die tiefer liegenden Gewebe des Gesichts- und 
Kopfes Einschnitte gemacht, so zeigen unter der ödematOs ge¬ 
schwollenen Haut die Glewebe eine merkwürdig trockene Be¬ 
schaffenheit und Blutleere; häufig sieht man trockene schwarze 
SteUen; es sind das im nekrotischen Zerfall begriffene Gewebe, 




410 


Dr. FleUU: Ailb«wftkruf der Ijnphe kei Landielsea. 


dMsen Nekrose diirck die VerstopAuig der betreffende! Bhitfe- 
fiße mittelst Klnm^n Ton Bazillen bedingt ist. 

Da der Tod in allen Fällen bei sehnell zunehmender Be- 
wnßtlosigkeit nnd unter schweren Bflckenschmerzen eintritt, kt 
mit Sicherheit anzonehmen, daß im Gehirn und ‘Bhckenmark 
schwere Zirkulationsstörungen eintreten, verursacht durch Throm¬ 
bosen größerer Gefäß-Bezirke. Der Tod selbst erfolgt durch 
Erstickung infolge von Verstopfung der Lungengeiäße mit enormen 
Mengen von Bazillen. _ 


Aufbewahrung der Lymphe bei Landreieen. 

Von Geh. Med.>Bat Dr. Flellti) Erebarst Is Halle a. 8. 

Jeder vielbeschäftigte Imp&rzt macht alljährlich die unan- 
gmehme Erfahrung, daß die tierische Lymphe bei längerem Trans¬ 
port an heißen Ta|:en leidet. Sie verliert einen Teil ihrer Wirk¬ 
samkeit um so leichter, je mehr der Arzt gezwungen kt, eine 
Beihe kleinerer Impfstationen zu besorgen nnd infolgedessen das 
Glas oder die Tube, in denen sich die Lymphe befindet, wiederholt 
Offnen nnd schließen muß. Lymphe, welche zur Beserve mit- 
geftUirt nnd nicht verwendet wurde, gibt häufig bei späterem 
Ghebranche nur kttmmerliche Pusteln. 

Diesem Uebelstande hilft in vollkommenster Weise ein kleiner 
Apparat ab, welcher nach Angabe des Beg.- und MedizinabBats 
Dr. Wo dtke-Merseburg gefertigt kt. 

In einer sogen. Thermo8fi9;8che trägt der Kork einen Glas¬ 
zylinder (Beagenzglas) von 11 cm Länge nnd 1,8 cm lichter 
Weite. Dieser Zylinder ist mit Gummistopfen verschlossen und 
hängt an einem Nickelbfigel, welcher gleichzeitig ein Oeifiien 
wältfend des Transportes verhütet. Ueber das untere Ende des 
Zylinders ist zum Schutz gegen Berflhrnng mit der Flaschenwand 
eine Gnmmikappe gezogen. Die mit Lymphe gefQllten Gläschen, 
Böhrchen oder Tuben werden vor der Abreise zum Impftermin 
aus dem Keller oder Eisschrank in den Zylinder gelegt, die 
Thermosflasche wird mit kaltem Wasser gefüllt, wie es z. B. vom 
Eisschranke abläuft, der Zylinder eingeschoben nnd der Kork fest 
anfgedrückt. Die Flasche ist außerdem noch mit einem Nickel- 
verschloß versehen. 

Meine Versuche ergaben folgendes: 

1. Die Flasche wurde der Sonne bei 28^ 3 Stunden ans- 
geeetzt; die Wassertemperatur stieg von 5 auf 11*’. 

2. Fahrt im offenen Wagen 5 Stunden. Lufttemperatur 
25* im Schatten. Flasche zweimal geöffnet. Wassertemperatur 
von 5 auf 5,5*. 

8. Fahrzeit 6 Stunden, schwüle Gewitterluft Wasser¬ 
temperatur nach sechsmaligem Oeffnen von 5 auf 10* gestiegen. 

4. Fahrzeit 7 Stunden bei 18* im Schatten. Wassertempe^ 
ratur nach zehnmaligem Oeffnen von 5 auf 11* gestiegen. Bei 
1100 Impfungen kein Ausfall, sämtliche Pusteln gut entwickelt. 

Diese Versuche zeigen, daß der einfache Apparat vollkommenen 
‘Schutz gegen das Verderben der Lymphe bietet. 



KIcinera MtMtoBgm nad Befwale M 0 ZeitieliilftWL 


411 


IMa Temperatar de« Watsen in der Fhwehe steigt um so 
langsamer, je seltener der Lymphbehftlter heransgenommen und 
je schneller er wieder mit dem Eorkverschloß eingesetzt wird. 
£rwirmt sich der Zylinder nach längerem Heransnebmen, steigt 
natftilich die Wassertemperatnr schneller. Bei weiten Beisen 
dürfte in solchem Falle das gelegentliche Einschieben eines Eis* 
Stückchens genügen. 

Wünschenswert ist ein Beserrekork, um die Flasche nach 
dem Heransziehen des Zylinders sofort Terschließen zn können. 
Die Korke müssen bester Qualität nnd nicht zn weich sein, der 
Zylinder ist von starkem Glase anznfertigen. 

Ich kann den Eühlapparat allen Kollegen, welche Impfreisen 
zn machen haben, warm empfehlen. Er ist znm Preise von 12 M. 
kinflieh bei Jnlins Loth, Fabrik chimrgischer Instrumente in 
EOalin. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

»aktertöloyte, Infskttonskraaklieltea und andere Krankheiten. 

A. Desinfektion. 

Ueher HiadedesInfektioB mit Chlreseter. Voo Dr. O. Becker, 
Awbtesmnt der Uniyersitlte'Frauenklinik in Halle a.8. Mflnchener Hed 
Wooheasokrift; 1908, Nr. 11. 

Dae Ton der Firma Krewel ln COln bergestellte Chiresoter stellt eine 
Losung rerschiedener wachs» und balsamartiger Körper in Tetracblorkohlen* 
Stoff dar. Der Preis ist billig und die Anwendongswelse sehr einfach, da die 
hellgdbe, nicht feuergefihiliäe Flttssigkeit durch einen gewöhnlichen Qummi» 
baUon aiH die Haut auigesprayt und fest eingerieben wird etc. 

Verfosser berichtet nun des ntheren aber seine Yersuche mit dem Chiro* 
soter und muß auf Qmnd derselben dem geburtshilflichen Praktiker entschieden 
ahraten. Chiresoter auf der undeslnfisierten Hand su gebrauchen. In F&Uen, 
in welenen rasdies Handeln nötig ist, kann man fast in derselben Zelt, die 
Ae Herstellung der Ghirosoterendecke in Anspruch nimmt, Gummihandschuhe 
mit Wasser und Seife (8 Min.) und Sublimat (2 Min.) absolut steril machen. 
Yerfasser will die Bedeutung des Chirosoter zur Festleimung der nach toU* 
stindiger Desfaifektion tief u der Haut zurückgebliebenen Keime nicht be» 
sWeiten. Da aber sowohl seine Yersuche, als die von anderen Autoren über 
Chiresoter ohne Toihergehende Desinfektion neben sehr günstigen Ergebnissen 
direkte Yersager aufweisen, kann die Anwendung des Chirosoter 
ohne Torhergehende Desinfektion bei Operationen am Men¬ 
schen nicht empfehlen werden. Dr. Waibel*Kempten. 


Die HindedealnfektteB nur mit Alkohol. Yon Oeneraloberant 
Dr. Sehumbnrg in Straftburg i. Eis. Deutsche Medizin. Wochenschrift: 
1906, Nr. 8. 

Schumburg wies schon frther nach, daß durch das übliche Bearbeiten 
dev Hinde mit Seife und Bürste nur wenig Keime entfernt worden, während 
aal der Haut Schmadea und Bisse eraeugt werden. Er empfahl deshalb ein- 
faehee Abreibeii mittds Wattebinschchen in Alkohol-Aether getränkt. Jetzt 
hat er dae Yerfahren modiiaiert, indem er die Hände mit Alkohol (rectißeatis« 
sksum dos Araneibnches) oder Brennspiritns mit Zusatz von Salpetersäoce 
oder 1 */, Formalia höchstens 8 Minuten lang abrribt. Das aweifelloe sehr 
einfache Yerfahren würde sich besonders für die Kriegsdiimrgie, für die Land« 
prasis nad Ihr den Gebraneh der Hebammen eignen (für letztere dürfte wohl 
Boiae Yerwendung enri nadi wetterenj ansgedehnten^ Erfahrengen möglldh 
sein. Bef.). Dr. Lieb et rau« Hagen L W. 



412 


Kleinere IDtMlnngen ond Referate nu ZeitMhriften. 


UBtermieliuig«i Aber du DerinfektleuTennSgeM des AvtsMU Von 
B. Gnlli-Valeiio. Aue dem hygienisch-parasitoloKischen Institut der üni* 
Teisitit Lausanne. Therapeutis(^e Monatshefte; 1908, H. 8. 

Zu den ünteisuehungen wurden Bonillonkutnren yon B. coli, M. pyogenes 
aureus, B. subtitis benutzt. Verfasser kommt zu folgenden Schlüssen: 1. Du 
Desinfektionsrerfahren mit Autan verdient Im praktischen Gebrauch zu bleibu 
als einfaches und gefahrloses Mittel zur Desinfmetion der Zimmer unter folgenden 
Bedingungen: a) alle Qegenst&nde, welche ln Dampfdesinfektionsapparatu oder 
durch Auskodien zu sterilisieren sind, müssen entfernt werden, aa in sie du 
Autan nur schwerlich eindringt; b) alle Oeflhnngen, Fenster etc. mflraen her¬ 
metisch geschlossen werden; c) man mufi größere Dosen Autan verwenden, als 
die Fabrik anftibt. 2. Du Desinfektiouverfahren durch Auton kann zur Du 
Infektion von Gegeut&nden, die in SchrSnken h&ngen, unter der Bedingung 
verwandt weiden, daß man Pulver verwendet, da die Tabletten eine wenig 
energische 'VVlrkung haben. Braucht man Tabletten, so muß mu eine 8—4mi3 
größere Zahl verwenden, als die angegebene und sie währud einu 2—8 mal 
Ibigeren Zeitraums wirken lauen, äs ugegeben ist, speziell, wenn u zieh 
um sehr resistente Keime handelt. 8. Du Anton kann als ein ansgezeichnetu 
Deso^rierungnnlttel gehrauoht werden. Dr. Klare-Haiu (Bu. Oassel). 


8. S&ugllBgwtnrlitloliltolt. 

Entwleklung und Tttigkeit der stldtlgehen SXngUngzfBrsorge in 
Chnrlottenburg. Amtliche Nachrichten der Charlottenburger Armuverwaltung; 
1907, Nr. 12. 

Während im ersten Jahre von der Erölbinng am 16. Juni 1905 ab bis 
zum 81. März 1906 nur 968 Kinder die Fflrsorgesbulen brauchten, stieg die 
Zahl der E^der im Bechnnngsjahre 1906 auf nicht weniger als 2007, darunter 
970 BrnstkiBder, 810 Brust- und Fluohenkinder und 727 Fluchenkinder. 

Als besonders erfreulich darf es bezeichnet werden, daß die Zahl der 
Brustkinder von 19,62’/o Jahre 1906 auf 48,83Vo bu Jahre 1906 g^ 
stiegen und demnach nahezu die Hälfte der die Fttrsorgratelle aufsuchuden 
Kinder von den Müttern selbst gestillt worden ist, — ein Erfolg, zu dem 
neben der unausgesetzten Propaganda für du Selbststillen (wobei auch die 
städtischen Hebammen um ihre Mithilfe gebeten wurden) auch die neuein- 
geführten StiUpiämien nicht unwesentlich beigetragen haben. Für die Tätig¬ 
keit der Fürsorgratellen besonders bedeutsam war der ümstond, daß nicht 
woiiger als 86,92 **/« der E[inder schon im ersten Lebensmonat, also kurz nach 
der Geburt, in die Fürsorge eintraten. Weitore 49,48 **/, kamen vor dem 
6. Lebensmonat in Fürsorge. — Von den 2007 Kindern, die sich in Fürsorge 
Wandu, waren 88,86 °/o ehelich und 16,14**/« unehelich. 1906 waren nur 
16,84 **/« uneheliche Ünder in Fürsorge. Erfremicherweise besuchten nam ent 
Ueh die Halte- und Pflegekinder in steigendem Maße die FürsorgwteUen. 
Unter den ehelichen Kindern waren 68,80**/« Brustkinder, 16,28**/« Brust- und 
Fluchenkindra und 80,42**/« FUschenkinder, unter den unehelichen Kindern 
nur 22,68**/« Brustkinder, 11,11**/« Brust-und Flaschenkinder, dagegen 66,86 */e 
Fluchenkinder. 

Bei der Aufnahme in die Fürsorge waren 48,10**/« aller Kinder krank. 
l^Uirend der Fürsorge haben sich 77,48 */o güutig, 9,67**/« ungüutig ent¬ 
wickelt, während 7,17^0 wegen zu kurzer Dauer der Beobachtung nicht zu 
beurteilen waren. Gestorben sind von den in Fürsorge gewesenen Kindern 
nur 5,88 */o (1906 8,47o)i während die allgemeine Sänglingssterbliohkeit in 
Charlottenburg 1906 nodi immer 14,21 **/o betragen hat. Berücksichtigt man, 
daß gerade die ärmsten und schwächsten Kinder in großer Zahl die Fürsorge¬ 
stellen aufsuchen, so darf man diese Ergebnisse als sehr günstig bezeiehnu. 
1.80 Wo der Sterbefälle war auf Magen- und Darmkatarrh zurttckzuführen. Auf 
100 l^der entflelen bei Brustkindern 2,89 o/o Sterbefälle, bei Brust- und Flaschen¬ 
kindern 8,66 o/o, bei Fluchenkindern aber 10,78 o/o Sterbefälle, — ein erneuter 
Beweis für die Bedeutung der Brnsternährung. 

Für die künstliche Ernährung wurde hauptsächlich puteuiisirte Klnder- 
milch verwendet Es wurdu hiervon an alle vier Fürsorgestollu im Berl^to- 
jahre 188626 1 abgegebu, und zwu 41278 1 unentgeltlidi und 97247 1 gegen 
Zahlung von 18 Pfg. für du Litw, während der Stadt selbst du Liter von 



Kliere rntteilangea imd Befento ftoi ZeitidiriftM. 


418 


dies« IDleli 28 Pfg. kostete. Die uentiteltlioh empfangeae lOleh s^t nioht 
als Armenuaterstlttsiiiig. Fftr die ErnUinuig der dtronisek Darm* 
kraakea and in der Entwicklung znrttekgebliebener S&nglinge wurde an^ 
andere, eTeatuell mit Zutaten Termisehte trinkfertige MOch yerwendet, welche 
die Stadt in swei am 20. Juni 1906 erOffneten Milchkdehen unter ärztlicher 
AuMeht hersteilen und verabfolgen liefi. Von dieser Milch wurden im Jahre 
1906 11824 Portionen ausgegeben, und zwar 6718 Portionen unentgeltlich und 
6611 gegen Bezahlung. 

Als neuer Zweig der Fttrsorgestellen trat mit Beginn des Berichtsiahres 
die Gewährung von Beihilfen an schwangere und an stillende Mfltter hinzu. 
FlLr die Aushändigung der Beihilfen an Schwangere und deren Kontrolle diente 
der Charlottenburger Hauspflegeverein als ausfOhrender Faktor. Als Dauer 
diesor üntersttttzung sind vier Wochen vor der Entbindung und 10 Tage, in 
denen die Pflege durch den Hauspflegeverein erfolgt, nach der Entbindung fest¬ 
gelegt worden. Als hSohster Satz waren 6 Mark wOchentlieh bewilligt. Im 
Berichtsjahre wurden in dieser Weise 148 Schwangere mit zusammen 1486,26 M., 
durchsehnittUoh 10.04 M. unterstützt. Die Beihilfen an stillende Mfltter (Still¬ 
prämien) beliefen sich im Jahre 1906 auf 14474,48 Mark. 

Die Kosten, die der Stadt Charlottenburg im Berichtsjahre durch die 
vorstehend skizzierte Art der Säuglingspflege erwachsen sind, beliefen rieh mit 
allen Verwaltungskosten, Mieten, Aerzte- und Schwestemhonoraren usw. auf 
02683.60 M., wozu noch als einmalige Ausgaben für die Einrichtung der beiden 
Mildikflehen 10197 M. kamen, so daß der Gesamtwert 72880,60 M. betrag. — 
Fflr die weitere Pflege solcher Kinder, die stationärer Behandlung auf längere 
Zeit bedürfen, wurde die Kindererholungsanstalt Westend des Vaterländischen 
Frauenverrins mit üeberweisung von 10 Säuglingen brautst. Der Erfolg war 
ausgezetehnet, so daß die Stadtverwaltung mit Hilfe eines besonderen Komitees 
Aufang November 1907 eine Sänglingsklinik erOffnete, die allerdings zunächst 
nur 12 Betten enthält. — Wenn man die überaus günstigen Erfolge dieser 
planmäßig durchgeführten Säuglingsfürsorge sich vor Augen hält, so kann man 
nur anderen Stadtverwaltungen empfehlen, das gleiche zu tun. 


Bericht über das erste Jahr der Tätigkeit der Singlingsfflrsorge 
in Weissenhorg i. B. Von Dr. Hans Doerfler hi Weissenburg i. B. 
Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 2. 

Verfasser mBcbte durch seinen Jahresbericht über die Tätigkeit der 
Säuglingsfürsorge In W. den Beweis erbringen, daß und rrie in einer Stadt 
von etwas über 6000 Einwohner die Säuglingsfürsorge in nahezu vollkommener 
Wrise durohgeführt werden kann und zwar 1) durch Belehrung der Friseh- 
entbundenen über den Wert des Stillens für Mutter und Kind (üeberreichung 
eines Merkblattes an jede Frischentbundene), 2) dnreh Verteflung von StiQl- 

S rämien an mittellose Entbundene, 81 durch Üeine Hebammenprämien (ä 60 Pf. 

Ir den Nachweis 4wüehentliehen StUlens seitens der Matter), 4) durch eine 
aDwSehentlich einmal von sämtlichen Aerzten in attemierendem Turnus ab- 
suhaltende Säuglingsberatxmgsstunde in geeignetem Lokale, 6) durch das alle 
14 Tage betätige Vorführen der Säuglinge zu dieser Beratnngs- und Kon- 
trollstude, 6) durch Beschaffung von einwandsfreier Kindermilch in den ver¬ 
schiedenen Mischungsverhältnissen. 

Verfasser geht in sehr interessanten Ausführungen auf obige Punkte 
näher ein und faßt am Schlüsse das Besultat der einjährigen SäuglingsfÜr- 
sorgearbeit in folgende Sätze zusammen: 

1. Die Mortalität der im ersten Lebensjahre gestorbenen IQnder von 
einem 10 jährigen Durchschnitt ist von 27 Prozent auf 12 Prozent zurück* 
g^^angen. 

2. Statt wie früher 29 Prozent haben im Berichtsjahre 60 Prozent der 
Mütter ihre Kinder in einem für das Gedeihen der Kinder in Betracht kom- 
mnaden Zutrauen gestillt. 

8. In 62 Beratungsstanden sind insgesamt 689 Kinder^anr Beratung 
gebracht worden. 

A In einem Zritraum von l'Jahr sind 69861 Fläschchen Kindermlleh 
abgegeben worden. _ Dr. Waibel-[Kempten. 



414 


Kleimn MKteHaDgMi nad Beferato ani Zeitadurlfifla. 


Slaglbisiet«rbll«kkelt and KMtkladerwaaai ia Maailaafcatf- 
Sahwerla* Yoa Privatdos. Dr. G. Brttaiag'Bostoek. Zdltadulft f. 8 iaf> 
liagifanorge; 1908, Nr. 8 . 

1) Die Oeaamtsaagliogaiterblichkeit ist eine müttere (Ib—80*/.), Jedoob 
ist dieselbe in Wismar als &r aweltkleinstea Stadt adt 18,88*/« grOaer ids 
den drei ttbrigen. 

^ Fttr die ebelidien Gebarten gilt das gleiche; aach hier ibea* 
trifft Wismar mit 17,34o/« den nächsthöheren Wert Bcetoeks mit 16,€4*/« 
am 1,7*/«. 

8 ) Die Mortalität der aaehelidien Sänglinge nimmt mH der GiöAe der 
Stadt ab and schwankt awischea 81,84*/, bei GOstrow and 81,61*/« bei Boslorft 
(Differena etwa 10*/« ! 1 ). 

4) Das Prosentrerbältnis der ehelichea sa den anehelichea Todesfalka 
bei Säaglingen nimmt mit der Abnahme der Einwohnersahl der Städte sa, so 
daSBostock mit 1:1,88 am günstigsten, das 8 V* mal kleinere Güstrow mH 
mH 1:2,19 am angttastigsten dasteht, aber, was herTorgehobea werden 
mofl, die Haupt« and Besidenzstadt Schwerin mit 1:1,95 aar weaiff ttbertiül. 

6 ) Aach die Zahl der aaehelichen Gebartea pro 1000 Einwohaer ist ia 
der Beeideosstadt Schwerin mit 1,4 eine aaSerwdentUich geringe gegenüber 
8,6 bei Wismar and Güstrow bezw. 4,8 bei Bostock (in letaterem mehr ak 
8 mal so nofil). 

6 ) Die Zahl der Lebendgebartoa and der SäagUagatodesfätte pro 
10(X) Einwohner ist in den beiden Seestädten Wismar and Bostock am gräStea; 
Schwerin steht auch in dieser Hinsicht am aBergünstigstoa mit 21 Gebartea 
oad 8,0*/,« Todesfällen bei Säaglingen da. 

7) Das Verhältnis der ehelichen sa den unehelichen Lebmidgebartea 
ist wiederam in Schwerin am günstigsten mit 1:14, nimmt in Güstrow mit 
1: 8 sine Mittelsteilang ein and beträgt in Bostock 1: 4,7, d. h. hier kommt 
schon auf weniger als 5 Lebendgeborenen rin illegitimes Kind. 

Was das Eostkinderwesen anbelangt, so ist die Organisation in Mecklea- 
burg sehr reformbedürftig. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Bericht Iber die SäogHagsfllrBergesteUen der Schmidt-Gallkeh- 
stlftnng ia Berlla. Voa Dr. G. Tagendreich. Zeitschrilt für Säugiiags- 
fürsorge; Bd. 2, Nr. 2 . 

ln Berlin bestanden im Berichtsjahr 1906 5 Fürsorgestellen, die über 
dk ganze Stadt verteilt sind. Es wird in erster Linie dahin gewirkt, dk 
Mütter zam Stillen zu veranlassen, nötigenfalls anter Gewährong voa Still* 

S rämien (ca. 2—4 M. pro Woche). Im anderen Falle wird neben mr Berataag 
> nach Erfordernis gute, ärztlich kontrollierte Milch za ermäftigtem oder 
eriassenem Preise geliefert. Aafnahmebedingang ist vorhandene Bedürltigkrit, 
dk durch Becherche der Fürsorgeschwester jedesmal festgestellt wird. Dk 
Schwester soll ferner der Matter bei Befolgang der diätetischMi und hygieni* 
sehen Vorschriften mit Bat and Tat aar Hand gehen und sieh, soweit es 
möglich, von der strikten Innehaitang der ärztlichen Asordaungen überaengen. 
Für den Betrieb der Fürsorgestellen sind 5—6 große Bäame and eke Milck* 
kttche erforderlich. Das Personal setzt sich zusammen aas dem Iriteodea 
Arzt, einen oder mehreren Assistenten, einer Oberschwester, übBcbea Hilfs¬ 
kräften und unteren Dienstpersonal. Dem Leiter obliegt außer dem ärztlichen 
Dienst der Schriftverkehr, Bechnnngslegong usw. Er ist aaßerdem verpfliehtai, 
zweimal im Jahre öffentlich Korse über Sriiglkgspflege abaobalten. Dk Er¬ 
folge sind bis jetzt ermutigend und beweisen, diä die Fürsorgeotellen auf dem 
richtigen Wege skd. _ Dr. Wolf-Marburg. 


O. 8 oli«]]ijgl«B 0 . 

Beitebnngen zwischen Sebwaehslnn und SchwerhSrfgkelt. Voa 
Dr. Franz Kobrak-Breslau. Zeitschrift für Scholgesondheitspflege; 1906, Nr.K 
Auf dem Gebiete der Fürsorge für nicht normal veranlagte Ünder spleU 
die Schwerhörigkeit eine hervorragende Bolle, ist es doch eme nicht sriteM 
Beobachtung, daß schwache Befähigung, ja geradezu geistige Impotenz durch 
hochg^radige Schwerhörigkeit vorgetäuscht werden kann. Belativ häufig kt, 
was nicht wandernehmen kann, die Schwerhörigkeit in den Bilbklassea für 



Tagesnaohriohtea. 


416 


Sebwaekbaflhij^ an iladen: Waaaai iaad oiiler 89 Kiadera dat Httadiener 
HUlaUasBea 12, die Flttsteratimme nur aal weniger als 20cm liOrten; Hark* 
maan onteraaehte 205 Kinder der Berliner Hilfsklaeaea aal ihr HörrermOgea 
and stdlte 20 V, Schwerhörige fest, d. h. solche, die aal eine DistaBa tob 
weniger ids 4 m Klttsterstimme hörten. Verfasser selbst stellte genaae Dnterw 
sachangen an 677 Kindern der Breslaaer HUisklassea an and fand dabei S% 
schlechte Hörer, als wdche er diejenigen bexeJchnet, die leise KonTcrsationa- 
spraohe flberhaapt nicht aafnahmen. Gleichseitig worde bei den einselnmi 
Kindern das Prädikat der Klassenleistongen (nach Ansabe der Lehrer) notiert. 
Es ergab sich a. a. hierbei, daß onter den Schwerhörigen 8% ^>1^ guten 
Leistungen waren; dies ist eigentlich ein Widerspruch, da die SchwerhOrigkdt 
den Schwachsinn begOnstigt. 

Nach der Qualität der Schalleistangen and den Grad der Schwerhörig¬ 
keit will Verfasser folgende drei Gruppen unterschieden wissen: 

1. Kinder, die wegen hochgradiger Schwerhörigkeit Schlechtes leistea: 
.tauhabn^e* Kinder; 

2. ^der, die bei hochgradiger Schwerhörigkeit Schlechtes leistea: 
atanh schwachsuin^^e'' Kinder; 

8. Kinder, die trotu hochgradiger Schwerhörigkeit Gutes leisten: ataub- 
intelligente* Kinder. 

Praktisch ergibt sich hieraus folgendes: Alle Kinder mit stärkerer 
Schwerhörigkeit, die für das Fortkommen im Unterricht hinderlich sein kann, 
BÜid Tom S^ularst ausaamustem und nach einer speslellea Nachuntersuchung 
in Tersehiedene Kategorien su ordnen unter Beiöcksichtigung der äntliehea 
ud pädagogischen Gesichtspunkte. 

Es werden die unheilbaren, besserungsfähigen und heilbaren Schwer- 
hötigen bei dieser spesiellen Ohruntersuchung festsusteUen und danach in ebs 
der drei Sehulsjsteme: Normalklasse, Schwerhörigenklasse, Hilbklasse, einau- 
laagieren sein. Anfangs kommen alle Kinder in die Normalklasse, dann aber, 
wenn die Leistungen hinter dem Durchsehnitt surttckhleiben, entweder in die 
Sehwerhörigenklam oder, wenn auch hier kein Erfolg erzielt wird, in die 
Hilfsklasse. _ Dr. Solbrig-AllensteiB. 

Beitrag nr Lehre Iber den Jugendllehen 8<diwaehslnn an der Hand 
rem IbteranehuBgen an Kindern der Göttinger Hllfssebule. Von Or. Karl 
Viz, Aasisteaten der Poliklinik. Monatsschrift fOr Psychiatrie und Neurologie; 
Band XKUI, 1908, Ergänsnngsheft. 

Vorliegender Arbeit lieg^ die Untersuchungen zugrunde, welche im 
Jahre 1906 an 51 Kindern der Göttinger Hilfsschule in der dorti^n PolikHaik 
tHu psychische und Nenrenkrankheiten vorgenommen wurden. 

Diese Untersuchungen hatten folgendes Ergebnis: 

1. Bei den HUfsschölern besteht meistens eine auffällige Vorstellungs- 
armut, wobei abstrakte Begriffe weniger gelänfig sind als konkrete. 

2. Einen besonderen Platz nehmen hier die Defekte in den Farben- 
Toratellungea ein. 

8. Die Urteils- und Schlußbildung ist der am meisten gestörte Teil der 
Verstandestätigkeit, so daß meisteBS eine erhebliche UrteUssdkwäehe resultiert. 

4. Diese Urteilsschwäehe zeigt sieh besonders darin, daß Auswendig- 
gelemtea kritiklos reproduziert wird. 

5. Die hauptsächlichsten psychologischen Faktoren der schwaehen Be¬ 
gabung der Hilfsschttler sind Mangel an Auffassungsgabe, GedäcbtnissGhwäehe 
und Anfmerksamkeitssehwäche. 

6. Störungen des Cbftthlslebens fallen bei den HUfsschlUem bfolge der 
Flttchtigkeit der kbdlichen Erregungen im allgemeben weniger ins Gewicht. 

7. Der degeneraÜTe KörperbM deckt sich Tielfaeh mu den Störungen 

der Intelligenz. _Dr. Többen-MOnster. 

Tagesnachrtchten. 

In der preußischen Gesetzsammluag sbd jetzt das preußische 
Hnbammengebthreagesetz und das QueUsohutsgeaets Teröffent» 
lieht. Wir werden beide Gesetze b der Beilage zur nächsten Nummer der 
Zeitschrift bringem _ 




416 


Ta^snachriehten. 


Am 11. Jon! d. J, wird im Beiehsamt des lanein eiae Konfereas 
stattdadea, der außer Kommissionea der beteil4rtea Bdehs- und prenßisehea 
BehBrdea, sämtliche bei der geplaaten Beferm der retehsiirMetiliehea Arbeiter» 
rerstehemag beteiligten Interessengruppen, also außer Vertretern der Kranken» 
hassen auch Aerzte und zwar sowohl Vertreter der freien Aerztewahl, als 
des Kassenarzt 83 rstem 8 teilnehmen werden. Auf der Tagesordnung steht 
speziell die Begeluag der Bestehungen zwischen Krankenkassen und Aersfeen. 
Von seiten der Aerzte wird bekanntlich die gesetzliehe Einführung der frdea 
Aerztewahl und der Ausschluß aller nicht im Inlande approbierten Aerzte Toa 
der Behandlung der Eassenmitglieder verlangt. 


In Berlin hat im vorigen Monat unter Vorsits des Prlsideatea des 
Bdehsversichemngsamts und unter Teilnahme eines Vertreters des K^erliehea 
Gesundheitsamtes mit Vertretern der Lederindustrie »Berufsgenossensehaft dne 
Beratung über die Bekämpfung der Hilsbrandgeflahr m Gerbereien and 
Lederfabriken stattgefenden. Der Vorstand der Berufsgenossensehaft berichtete 
über die Erfahrungen der letzten beiden Jahre und legte einen Entwurf von 
Verhfttungsvorschiiften zur Bekämpfung der Milzbrandgefahr vor, der im 
wesentlichen die Zustimmung der Versammlung fand; doch sollen nach 8 Jahren 
die Vorschriften auf Grund neuen Materials erneut geprüft werden. 


Das Kaiserliche Gesundheitsamt ist zurzeit mit üntersuchungen über 
Betnignng der Abwässer einiger in den Main entwässernder ZeUnlosefiabriken 
beschUtigt; sie bilden die Fortsetzung der im Jahre 1906 durch die Königliche 
Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Ahwässerbeseitigung 
bei einer Anzahl von Sulfit-Zellulosefabriken angestellten Untersuchungen. 
Die Begierungen sind von den beteiligten Ministem angewiesen worden, an 
der Hand eines sorgfältig ausgearbeiteten Fragebogens ülxur die Verhältnisse 
innerhalb ihres Beärkes zu berichten. 


Der dem Bayerischen Landtage vorgelegte Entwurf zu dnem am 
1. Januar 1909 in Kraft tretenden Beamtengesets enthält auch wichtige Be» 
stinunungen über die Versetzung ln den Bnhestand mit Buhegehalt und die 
Fürsorge für die Hinterbliebenen der etatsmäßigen Beamten. Es soll nicht 
mehr wie bisher bei erreichtem 70. Lebensjahr das volle Diensteinkommen, 
sondern höchstens 76 Prozent desselben als Buhegehalt gewährt werden. Bo» 
treffs der Medizinalbeamten, die erst im vorgerückten Alter zur Anstellung 
kommen und infolgedessen in bezug auf Bdiegehalt und Versorgung der 
EDnterbliebenen wesentlich ungünstiger als andere Beamte gestdlt sind, besteht 
begründete Aussicht, daß durch eine entsprediende Berechnung der Dienst» 
Jahre ein Ausgleich getroffen wird. 


Nach dem den sächsischen Ständekammera angegangenen EgL Dekrete, 
den Entwurf einer Besoldungsordnung betreffend, sind die Gehälter für die nach 
dem Dienstalter aufrückenden Beamten wie folgt geordnet: a. Für die 
1. Omppe 900—1200 Mk.: Pflegerinnen bei den Landesanstalten, Pfleger I. KL 
bei den akadem. Lehranstalten der Universität, Oberin daselbst, Oberhebamme 
bei den akadem. Lehranstalten der Universität. — 8. Gruppe 1200—1600 Mk.: 
Küchenmeisterin, Wäscheverwalterin bei' der Frauenklinik, I. Oberin bei der 
Universität. — 6. Gruppe 1200—1800 Mk.: Oberpfleger bei der Universität. 
— 10. Gruppe 1600—2200 Mk.: Oberhebamme und Oberschwester bei der 
Frauenklbik, Operationswärter daselbst. — 28. Gruppe 1800—4200 Mk.: 
Wissenschaftlich gebildete Hilfsarbeiter bei der Zentralstelle für Öffentliche 
Gesungheitspflege in Dresden. — 26. Gruppe 8800—4500 Mk. : Chemiker, Bak¬ 
teriologe bei den hygienischen Untersucbungsanstalten, Hausinspektor bei der 
Frauenklinik, Apotheker bei den Landesanstalten. — 84. Groppe 8500— 6400 Mk.: 
Arzt bei der Unversität. — 47. Gruppe 8600— 7200 Mk.: Aerzte bei den 
Landesanstalten. — 49. Gruppe 4500—7500 Mk.: Bezirksärzte IL EL — 
60. Gruppe 5400 — 7800 Mk.: Bezirksärzte I. El.; Direktor der Zentralstelle 
für Öffentliche Gesundheitspflege zu Dresden (der Stelleninhaber rückt, so 
lange er das Amt eines Medizinischen Bates beim Ministerium des Innern be¬ 
kleidet [für welches 4000 Hk. aufgeworfen sind — vergL unten] nur hie 



TageiDMluiehteiL 


417 


6000 Mk. im Qehalte miO* — Gruppe 6000—8400 Mk.: Hedislaeliut beim 
Leudeemedisiiiulkolleglnm; Badediiektor beim fUeterbede. — 67. Qmppe 
7800—9600 Mk.: AcUt iJirektoren der Laodeeheil* und Pflegeeustelten (j* 
400 Mk. penaionefibige SteUenxolage für vier). — 88. Qmppe 8400—10600 Mk.: 
PrUdent des Leodeemediginelkollegtuma. 

Yen doi nicht nach dem Dienetalter aaliflckenden Beamten sollen er- 
kaUea u. a.: Unterhebammen bei der OniTersität 800—480 Mk.: Wirterinnen 
dsMlbet 420-600 Mk.; Pflegerinnen II. KL 420-480 Mk.; Pfleger U. Kl. 
660—900 Mk.; Hills* und Volontirirste nicht Uber 1000 Mk.; Pflegerinnen 
L KL 900 Mk.; ApothekenreTisoren 2000 Mk.; Prosektoien 2100—8800 Mk.; 
Poliseiarst 8000 Mk.; Direktoren, Dirigenten und Vorstände bei den akadem. 
Lehranstalten der Universität nicht Aber 4500 Mk.; Medizinischer BAt beim 
Ministerium des Innern 4000 Mk. (vergL oben 60. Qruppe); Direktor der Frauen¬ 
klinik 4200 Mk. Für die Medizinisohen Beiräte der Krefahauptmannschaften 
sind wie bisher, im gansen 10000 Mk. ausgeworlen. 


Die nweite Wflrttembergische Kammer hat in ihrer Sitsung am 20. Mai 
d. J. den Antrag ihrer Kommission betreffs Uebertragung der reiohsgesetslichen 
KrankenTersieliemng auf die land* und forstwirtschaftlichen Arbeiter 
an^nommen und «in»timinig den Wunsch gebilligt, dafl in der dort Ittr 
Heimarbeiter, Dienstboten usw. z. Z. bestehenden landesgesetzlichen Kranken* 
pflegeversicherung ^e Zwi der Unteistfltzongspflicht nach dem Yorbilde der 
Heichskrankenversicherung auf 26 Wochen ausgedehnt werde. 

In den Sitzungen am 16. und 19. Mai beschäftigte sich die Kammer 
mit der Begelnng des Apothekenwesens aus Anlafi einer Denkschrift der 
konditionierenden Apotheker, in der u. a. eine zahlreichere Vergebung der 
Personalkonzessionen, Pensions* und HinterbliebenenversorgunK verlangt wurde, 
und der von den Abg. Dr. Lindemann (8oz.) und Dr. Eisele (Volksp.) 
gestellten Anträge, in denen die Zulassung von Qemeindeapotheken bei 
rcdclugesetzlicher ^gelung des Apothekenwesens gefordert wurde, ln der 
Debatte prach sich die Mehrzahl der Bedner gegen die Verstaatlichung und 
Kommunalisierung der Apotheken ans, ebenso wie der Minister des Innern 
Dr. T. Pischeck, der jmoch bemerkte, daß ihm das hessische System, die 
Verpachtung der Qemeindeapotheken, unter Umständen Zusagen kOnne. Die 
betreffenden Anträge wurden demzufolge abgelehnt, dagegen ein von der 
Kommission gestellter Antrag auf schnellere Vermehrung der Apotheken und 
Zentralisierung des Verleihungsverfahrens im Ministerium des Innern last ein¬ 
stimmig angenommen. Damit war auch der oben erwähnten Denkschrift s. T. 
Bechnung ^tragen; der in dieser ausgesprochene Wunsch betreffs obiigu* 
torischer J^beziehung der Besitzer von Personalberechtigungen zu einer 
Pensio&s* und HinterbUebenenversorsorgung und betreffs anderseiter Begelnng 
der Dienstzeit wurde der Begiemng zur Berücksichtigung empfohlen. 


In Württemberg ist nunmehr durch Ministerialverfttgung vom 6. Mai 
1906 ebenfalls eine phurmaseutiBche Standesvertretnng nach Art der Ape* 
tbekenkammem anderer Bundesstaaten geschaffen, indem die seit 1875 be¬ 
stehenden Vorschriften über den pharmazeutischen Landesverein entsprechend 
abgelndert sind (s. Beiiage Bechtsprechung und Medizinalgeaetzgebung zur 
heutigen Hummer, 8. 104). _ 


Am 19. Mai d. J.gelangte imLandtage des Herzogtums Braun- 
sehweig ein von dem Abg. Med.-Bat u. Stadtarzt Dr. Both-Braunschweig 
gestellter Antrag, dafl die Kosten der polizeilich angeordneten Schlnssdesln- 
fektlouea in jedem Falle von der Staatskasse Übernommen werden sollen, zur 
Verhandlung. Der Antrag war bereits in der Sitzung vom 26. März d. J. 
gestellt und nach Begründung durch den Antragsteller der Kommission für 
das Innere zur Vorprüfung und Berichterstattung überwiesen. Der Antrag- 
steUer führte damals aus, dafl die im Limdesseuchengesetz geforderte Schlui^ 
deainfektion im Sffeatlichen Interesse geschehe, also nach Becht und Billigkeit auch 
von der Allgemeinheit zu tragen seL Außerdem mache diese Maßregel nach 
Tersehiedeaea Bichtungen hin Schwierigkeiten und werde gerade deshalb mOg- 



418 




lichit nrngugMi. Die dem Staate darau erwaohsendeo Eoaten aeiaa aaeh 
akkt i^r erheblich, da sohoa jetit die HUfte der DesinfekUoeen auf OffeaUiehe 
Kutea flbemommen werde; sie würden etwa 20000 Hark betragen. Der nw* 
mehr nach Eommissiouberatiuig snr Verhandlung gekommene Aatn^ wurde 
mit 2 Stimmen Minderheit abgelehnt. Im AUgemetaen wurde iwar die Zweck* 
mifligkeit deiteiben anerkaant, die Mehrheit des LaadtMee meinte jedoch, 
dafi dai LaudeneuchengeMts noch su neu <!*/> Jahre in S^t) sei, um leboa 
jetat eine Aendemng Torxuehmea. Man solle erst noch abwarten, wie sidb 
die Sache entwickle und noch mehr Erfahrungen sammeln. Dagegen wurde 
ein Uaterantrag angenommei^ das Gesetz insoweit su Indem, „du die Kosten 
für den Trauport ud für die Zeitrersinmnis der Desinfektoren auf die Staate* 
hasse zu übernehmen seien.“ Man will damit die Ungidchheit der Kosten 
augleichen, die zwischen den llndlicheu ud stidtischen Desiafektkmen herrscht, 
die bei den enteren durch die längere Zeitbeaupruchug ud die Traasportaosteu 
fast du Doppelte im Durchschnitt betragen. Gelangt dieser Antrag au 
Dnrchführug, wu bei dem nicht ablehnenden Verhalten der Begierug zu 
erwarten steht, so würde jedenfaUs ein wesentlicher Gewiu erreicht sdn, da 
die Beteiligten dun nur noch die Materialkosten zu bezahlen hitten, also 
den kleineru Teil der Kosten für die Schlußdesinfektion. 


Am Mai d. J. ipt in Berlin eine Internationale Verelnigug für 
Krebsforsehmg beg:^det. In der Festsitzug, der der ünterrlchtsmlnister 
Holle mit den Spitzen der Behörde beiwohnte, und die von Exzellenz 
Ton Leyden präsidiert wurde, sprachen Dr. Borrel (Paris) über du ätio¬ 
logische Problem des Krebses, ron Prof. Dr. Dollinger (Budapest) über 
einige Ergebnisse der Krebsatatistik, von Prof. Dr. Jensen (Kopenhagen) 
über einige Probleme der experimentellen Krebsforschung, Ton Prof. Dr. Pod* 
wyssotzki (Moskau) Ober neue Ansichten der Beiztheorie des Krebses ud 
der bösartigen Geschwülste. Die Internationale Vereinlgug für Krebsforschug 
bezweckt die Förderung Ton Einrichtugen für die Erforschung ud die Be- 
kämpfug der Krebskrukheit, die Einführug einer einheitlichen internatio¬ 
nalen Krebsstatistik ud die Bildug einer internationalen Aukuftsstelie für 
alle die Krebsforschung betreftenden Fragen. Ferner soll eine internationale 
ZMtschrift für Krebsforschug heraugegeben ud die zukünftigen internatio¬ 
nalen Krebskonferenzen Ton ihr yorbereitet werden. Dann soll ein Zentrum 
gmhaffen werden, welches sich die Verbreitug der Kenntnbse über die 
Krebskrukheit unter den Laien zur Aufgabe macht, damit diese in der 
Lage sind, möglichst frühzeitig die Krankheitssymptome zu erkennen. Auch 
8 <dien im Auchlnfi u die in Berlin begründete Ausknnfts- ud Fürsorgestelle 
für Krebsrerdächtige und Krebskruke u zahlreichu uderen Ortu des In- 
ud Auludes solche segensreidien Einrichtungen geschaffen werden. Die 
Augaben der Vereinigung werden durch Beiträge der der Vereinigung u- 
gehOrenden Länder ud durch besondere Zuwendugen aufgebracht. An Bei¬ 
trägen hat jede der Vereinigug ugehOrende Ludeszentralstelle für Krebs¬ 
forschung für jedes ihrer zur Internationalen Vereinigug delegierten ordut- 
Uchen Mitglieder jährlich 100 Mk. zu entrichten. Soweit die Einnahmu au 
den laufenden Beiträgen ud besonderen Zuwendungen zur Deckug der 
Kosten nicht ausreichen, werden sie von dem deutschen Zentralkomitee 
für Krebsforschung yorschufiweise bestritten werden. Zum ständigen Ebru- 
rorsitzenden wurde Exzellenz y. Leyden-Berlin gewählt, zum Vorsitzendu 
Czerny (Heidelberg), zu dessen Stellyertretera Pierre Marie (Paris), 
Fibiger (Kopenhagen) und ein Vertreter der Vereinigten Stuten, dessu 
Beoeraug dem heuuisdien Komitee überlassen bleibt, zum Schatzmeister 
y. Hansemann (Berlin), zum Generalsekretär George M eyer (Berlin). Der 
gesehäftsführude Ausschuß besteht außer den Genunten au Prof. y. Pod- 
wyssotzki (St. Petersburg), y. Hochenegg (Wien) und Gelgi (Payia). 


In der am 27. Mai d. J. in Berlin (Beichstagsgeblnde) abgehaltanu 
IÜ[L Generalyenammlung des Deutsehen Zentral-Komltees zur Bekimpfnug 
der Tnberkulue betonte der Vorsitzende, Staatssekretär des Innern, Dr. 
y. Bethmann-Hollweg. In seiner Eröffnungsrede den großen Wert der 
Auzlninlts- ud Fürsorgestellen für die Bekämpfung der Tuerkulose, deru 



ZkU rieh bi Beviehbjahre b erfrevlicher Webe rermelurt kebeii üm eb m5g- 
lidut gleichm&ßig über du gesamte Land n Terbreiten, habe du Prisidiom 
ebu sjstematbche Propaguda namenUich in desjenigen Landesteilen bsgennea, 
wo sie gegenwärtig noch fehlen. Auf diue Webe weide u hoffentUdi ge¬ 
lingen, nach auf dem platten Lande die Taberknlosebekämpfon^ wirksam na 
gestaltu. Ebeuo habe du Präsidinm ebe besondere Kommission eingesetit, 
um gegen eine der schrecklichsten Formen der Tabeikolose, den Lnpu, eine 
qrstematbche Bekämpfnog za organbieren. Worte hoher Anerkennong 
widmete der Vorsitzende dem lugjährigen bisherigen Vorsitzenden, Staats- 
minbter Graf t. Posadowsky, der hierauf auf Antrag du Präsidioms eln- 
sUminlg zom Ehrenmitgliede gewählt wurde. 

Nach dem hiernach von dem Generabekretär, Prof. Dr. Nietner, er¬ 
statteten Geschäftsbericht bt die Mitgliederzahl auf 1689 gestiegmi; 
278000 Mark sbd im Vorjahre für Tuberkuose • Einrichtungen augegeben. 
Die zurzeit vorhudenen 99 VolksheUstätten verfttgen über 10589 Betten 
(6000 fhr Männer und 4689 ffir Frauen. Außerdem stehen noch 86 Prirat- 
nutalten mit 2176 Betten, 18 Ebderheibtätten mit 887 und 78 Autaltu fftr 
skrophulOse ]Under mit 6848 Betten zur Verfügung. Im Bau begriffen sbd 
8 VolksheUstätten mit 180 Betten. 176 Fürsorge- und Auakunftutellen sbd 
neu ebgerichtet. 

Zu der Bobert Koohstiftung, deren Fonds schon mehr ab ebe 
MiHion betri^, wurden auf Vorschlag du Präsidiums 60000 Mark bewilligt. 

Mach Zuwahl yon 4 Ausehußmitgliedem suchen Dr. Jur. Neubecker 
und Pr^. Dr. Kayserling-Berlb über die Frage: Welche gesetn- 
liehen Bestimmungen stehen den Off entliehen Verbänden und 
Gemeinden imKampf gegen die Tuberkulose zur Seitef Hierzu 
hatte du zweite Referent folgende Leibätze anf^teUt: 

Die guetzUehen Butimmnagen der deubuen ArbeiteTrersiehernng und 
du deubehen Armenrechts Uefem wirksame Handhaben für die Bekämpfung 
du Tuberkulose b der Richtung der HeUbehandlung der Erwachsenen und 
Kinder, sb yerragen bdu b dem wichtigsten Punzte der Tuberknluebo- 
Umpfung, der Heim und Anstalbfürsorge für die unheilbar yorguchiittenen 
FiOe. Da diese Fälle gerade die HauptqueUen für die Verbreitung der 
menschlichen Tubericulose darsteUen, reichen die angeführten guetzlichen Bo- 
■Ummungen nicht aus. Im Interuse du Forbenritb der Tuberkulraebe* 
kimpfang eischebt eine Ergänzung der butehenden guetzlichen Butimmun- 
gen dringend erforderlbh. Mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die Tuber* 
kuloee durch bren Charaktu ober chronbehen über Jahre sich ansdehnenden 
bfektbnskraakheit ebe Sonderstellung unter den übertragbaren Krankheiten 
ebnimmt, erschebt die Regelung der Tuberkaluebekämpfang durch em be¬ 
sonderes Gesetz gerechtfertigt. Da die Tuberkulue b allen Tellen du 
Reichu Ihre Opfer fördert, ist die Regelung der Taberkulosebekämpfnng durch 
Reichsguetz au empfehlenswertuten. Die Schaffung ebu einheitlidien 
Reichstuberkulose-Gesetzes ist als ebu der wichtigsten Erforderniue 
du Tuberkaluebekämpfang der Gegenwart zu bezeichnen. 

Db yon beiden Referenten gegebenen Anregungen wurden einu Kom- 
mbaioa zur weiteren Beratung übugeben. Hierauf sprach Geh. Rat Prof. Dr. 
Noißer aus Brubu über die Notwendigkeit der Lnpusbekämpfung. Lupus sei 
ebe Tuberkulue du Haut, die sich durch langsamen, schleichenden Vubuf aus- 
zeiehne. Db Infektion mit Tuberkelbazillen erfolge teUs yu bnu, teUs yon 
außen durch zufällige Verletzungen, butehende Wanden und Hautkrankheitea. 
Db meuten Krankheiten gehu yon der Nue aus, dahu findet sich auch 
Lupus namentUch im Guicht. Der Verlauf sti anfangs harmlos; demzufolge 
würde db Krankheit zunächst oft nicht beachtet, in den ersten Stadiw kOnne 
abu der Lupus leicht operatiy entfernt werden; duhalb müßten besonders 
yorgebildete Auzte die Schalen absuchu, da die Krankheit yorzuuwebe im 
Kbdesaltu beginne. In Erkennung du Lupus sei das TubukuBn eb an- 
trüglichu Mittel. Durch die moderne Licht- und Röntgenbehandlung konnten 
selbst schwere Lupufälle geheilt werden. Da die Behandlung aber langwierig 
sei, empfehle sich die Erriutnng yon Lupusheimen. Wenn die Kommission 
jeist energisch mit der Gründung yon Lupusheimen yugehe, werde u gelbgen, 
db Krankheit aus du Welt zu schaffen. 



420 


T^fenuMhilelitan. 


Die Dentieke OeseUieheft fir Yelkeblder hat aal ihrer am 27. Maid. J. 
niiter aahireicher BeteUigong in Essen abgehaitenen dieejährlgen fiaapt- 
Tersammlnng einen Tom Berliner Verein tttr Volksbftder llberwiesenen Betrag 
ton 20000 Mark aor Begrfindong einer 0. Lassarstiftang bestimmt 


Auf dem yom 19. bis 21. Jnni d. J. in Kiel stattilndenden 9*De«t* 
sehen Kongress f&r Volks- und Jagendsplele kommen folgende Themata znr 
Verhandlong: 1. Die Notwendigkeit der vorbindiichen Spielnachmittage für die 
städtische Yolksscholjagend. San.-Bat Prot Dr. F. A. Schmidt, Bonn, stell- 
Tertretender Vorsitzender des Zentralaosschnsses. 2. Fortbildangsschalpflicht 
nnd körperliche Ertüchtigung der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter. Direktor 
Dr. Enörk, Berlin. 8. Der 2. September, ein Nationalfesttag der deutschen 
Jugend. Prof. Dunk er, Beadsburg. 4. Zur Geschichte der deutschen Spiel¬ 
bewegung. Prof. Dr. Unzer, Kiel. Anmeldungen von Vertretern der Be? 
hOrden nnd der Städte zum Kongreß sind an Hofrat Prof. Baydt in Leipzig, 
LOhrstr. 8/5, Anfragen Über KongreOeinrichtungen an Prof. Peters in Kiel 
nnd Besteilnngen wegen Sicherung des Unterkommens an den Kieler Ver- 
kehrsrerein zu richten. 


Ebenso wie in Essen a. B. ist jetzt auch in Erfurt ein Hochbau¬ 
techniker als Wohnnngslnspektor nnd ToUbesoldeter Gemeindebeamter an- 
gestellt, nnd ihm die Wohnnngsanfiiicht übertragen. Er ist Hilfsorgan des 
Wohnungsausschnsses (der unter Mitwirkung der Stadtverordneten eingesetzt 
wird) und dem Magistratsdezernenten für das Wohnungswesen unmittelbar 
unterstellt. Seine Aufgabe besteht hauptsächlich in der Beaufsichtigung aller 
Wohn-, Schlafränme und Küdien, Wascüküchen, Aborte, Keller, Zugänge nnd 
sonstigen Nebenräume zwecks Feststellung von Mißständen. Er hat ferner 
Klagen nnd Beschwerden der Mieter und Aftermieter über Mängel nnd Mi^ 
stände in der Beschaffenheit der Wohnungen, sowie der Hauseigentümer über 
unsachgemäßes, die Benutzung der Wohnung schädigendes Verhalten der 
Mieter nnd Aftermieter entgegenznnehmen, auf alle sonstwie im städtischen 
Wohnungswesen sich ergebenden gesundheitlichen oder sittlichen Mißstäade 
und Gefahren, insbesondere infolge der DeberfüUnng von Wohnungen, acht- 
zugeben, die Beseitigung der Vorgefundenen Mängel durch Erörterung mit den 
Beteiligten, Belehrung, Mahnung nnd Warnung an Ort nnd Stelle ananstreben. 
Zur Kontrolle nnd Unterstützung des Wohnnngsinspektors dient der Wohnung»- 
ansschnß, der zur örtlichen Nachprüfung der Angaben des Wohnnngsinspektors 
berechtigt ist und der namentlich dann einzngrcdlen hat, wenn erhebliche 
Mängel vorliegen, Zweifel über zu treffende Maßnahmen bestehen, oder wenn 
insbeeondere eine Wohnung überhaupt nicht mehr bewohnt werden solL Be¬ 
lästigungen der Beteiligten sollen möglichst ausgeschlossen bleiben. 


Am 18. Mai d. J. Ist vor der Strafkammer des Landgerichts in Braun- 
schweig ein Müller in Negenborn (Kreis Holzminden) an 6 Wodien Gefängnis 
verurteilt, weil er die schadhaften Steine seiner Mühle mit Blei hatte aus¬ 
gießen lassen nnd dadurch zahlreiche Bleivergiftungen unter den Bewohnern 
des Dorfes verschuldet hatte, ln der zweiten Hälfte des Jahres 1906 waren 
von diesen annähernd 100 Personen erkrankt, ohne daß man anfangs Wesen 
nnd Ursache der Krankheit erkannte. Eine von den Erkruikten wurde schlie߬ 
lich in das Krankenhaus zu Holzminden übergelührt und hier die sogenannte 
«Negenborner Krankheit“ als Bleivergiftung lestgestellt. Bei der darauf an- 
gesteilten Untersuchung ergab sich, daß die Erkrankten sämUich ihr Getreide 
bei dem Angeklagten hatten mahlen lassen nnd in dessen Mühle die schad¬ 
haften Mühlsteine mit Blei ausgegossen waren. Auch die chemische Unter¬ 
suchung des betreffenden Mehles ergab einen Gehalt von BleL 


Verantwortl. Redakteur: Dr.Bapmnnd, Reg.-n. Geh. Med.-Rat in Minden LW. 
i.0.0. Bnus. HmmzL Bieha n. F. BAA*. Haftaeadmeksnt ln Mlnftn 




2L Jahrg. 


1908. 


Zeitschrift 

fSx 

MEDIZINALBEAMTE 


ZentnlUitt für iat gesaite (knmdktibntm, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

HeraiugegebeB 

▼OB 

Dr. OTTO RAPMUND, 

Beftenuf^ «ad Ckk. MedlilBBlrol tat lOadeB« 


Olfizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher's medis. Buohliandlg., H. Kornfeld, 


Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

Taeerate aehaieB die Yerlagthaadlang sowie alle Anaoaoen-SzpedlUoaeo des In* 

und Auslandes entgegen. 


Nr. 12. 


Braekelat mm 8. ud SO. Jedem Kemmts. 


20. Juni. 


Das heiratsfähige Alter und seine gesetzlichen Unterlagen. 

Von Dr. Ahlfeld. 

In den letzten Jahren habe ich Gelegenheit gehabt, yer- 
hältniemäßig riele jugendlich Geschwängerte zn entbinden; die 
Besnltate waren, soweit es sich nm Schwangerschaft und Ge* 
burt handelte, nicht in Uebereinstimmnng mit den allgemeinen 
Vorstellnngen über den Verlauf dieser Vorgänge bei unreifen 
Personen. 

Diese Beobachtungen erweckten in mir die Frage, ob bei 
der gesetzlichen Festlegnng des heiratsfähigen Alters ärztliche 
Momente, und in welchem Maße, herangezogen worden seien. 

§ 1803 unseres bflrgerlichen Gesetzbuches lautet: 

.län Mann darf nicht vor dem Eintritte der VoUjShrigkeit, eine Frau 
darf nicht ror YoUendong des 16. Lebensjahrea eine Ehe eingehen. 

Einer Frau kann Befreiung Ton dieser Vorschrift bewilligt werden.* 

Danach darf also ein Mädchen, wenn sie 17 Jahr alt ge* ^ 
worden ist, sobald nicht andersartige Ehehindemisse vorliegen, 
heiraten. 

Die Altersgrenzen waren frfther andere und es war daher 
zunächst festznstellen, warum sie in neuerer Zeit geändert 
waren. 



422 


Dr. AhUeld. 


In Hinschins Kommentar*) fand ich nnr eine knr 2 e Er- 
klämng: 

„Ehemttndigkeit. Der Entwarf (sc. für du BeichaeeeeU) hotte du 
Alter der Ehemttndigkeit mit Bttckdcht anf den aUaemeinen m ganz Preußen 
seit dem Gesetz Tom 21. Dezember 1872, G. 8. 1873, 8. 1 geltenden Ternda 
auf du vollendete 18. rup. 14. Lebensjahr ohne Znlanong der Dispensation 
festgesetzt and war damit auch noch ttber die in einzelnen Teilen Deutsch¬ 
lands, namentlich Bayerns, geltende rOmische kanonische Altersgrenze von 
14 bezw. 12 Jahren binaosgegangen. Die ErhOhang des Termins aof 20 bezw. 
16 Jahr and die Zolusung der Dispensation hat der Beichstag aof Grund 
einu dahin lautenden Amendements der Abg. Dr. v. 8chalte, Dr. Mar- 
quardsen und Genossen angenommen. 8tenogr. Bericht 8. lOllff. 

Da auch das Strafgesetzbuch vor dem 16. Jahre ein Mäd¬ 
chen schätzt, indem der § 182 den Verf&hrer eines unbescholtenen 
Mädchens auf Antrag der Eltern oder des Vormundes zur Unter¬ 
suchung, eveutl. Bestrafung bringt, § 176,3 die Personen, die mit 
einem Kinde unter 14 Jahren unzfichtige Handlungen — worunter 
auch der Akt der Begattung zu verstehen ist, ^ .vornehmen oder 
dieselben zur Verfibung oder Duldung ungänstiger Handlungen 
verleiten, mit einer Miudeststrafe von se^s Monat Gefängnis¬ 
strafe bedroht, so werden auch die Motive zu diesem Paragraphen 
Aufklärung über die mir gestellten Fragen bringen kOnnen. Da¬ 
von weiter nnten. 

Mit dem römischen Rechte ist auch der frtthe Heirats¬ 
termin in Deutsches Recht ttbergegangen. Vorschriften, die fElr 
ein südliches Klima geeignet waren, sind in die nördlichere Zone 
eingepflanzt worden, obwohl, wie wir aus Tacitus wissen, vorher 
andere Bestimmungen unter den Germanen Sitte waren. Auch 
Caesar (De bello Gail. lib. VI, cap. 21) berichtet: „intraannnm 
vero vicesimum feminae notiam habuisse in turpissimis habent 
rebus. Tacitus (Germaniae, cap. XX) meldet sogar, daß die 
Frauen gegen Frähheiraten wirkten und schließt seinen Bericht 
mit den Worten: robora parentum liberi referont. 

Gegen die römische Ueberliefernng machte der Deutsche 
Beichstag vom Jahre 1875 (Sitzung vom 15. Januar) Front. Ob¬ 
wohl die Regierungsvorlage ein früheres Lebensalter verschlug, 
ging doch das 16. Jahr für das Mädchen ans der Abstimmung 
hervor. 

Abgeordneter Dr. Löwe, betonte gleicherweise die physiolo¬ 
gische, wie die soziale Seite: 

Er führte aus, wie die physiologische Bntwieklung eines MIdcheas in 
unseren Breitengraden in einem Alter zwisdien 14 und 16 Jahren nur selten 
soweit gediehen sei, ndaß in der Tat häufig noch keine Vorstellung von der 
Ehe stattfindet, weil die körperliche Entwicklung noch nicht soweit vorge¬ 
schritten ist." „Denn die Beurteilung dieses Vertrages (Ehe), seinem Wesen 
und seiner Bedeutung nach, den sie eingeben soll, ist doch gänzlich abhängig 
von der Entwicklung, d. h. von den Anschauungen und GeftÜden, die erst mit 
der vollen Pubertät eintreten kOnnen." „Ich habe schwere Bedenken gegmi 
die Dispositionsfähigkeit eines Mädchens von 14 Jahren für diesen das ganne 
Lebensglück entscheidenden Akt." 


*) Das Beichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes; 8. Aufl., 
.S. 101, Anm. 77. 



Dts heiratsfihige Alter und seine gesetsllehen Unterlagen. 


428 


Um aber die Möglichkeit za belaesen, unter Umständen aneh 
jOngeren Individuen das Heiraten zu gestatten, nahm der Reichs¬ 
tag das Amendement „Dispensation ist zulässig** an; in dieser 
Form warde der Paragraph Iflr das Bürgerliche Gesetzbuch 
perfekt 

In wie weit haben beim Zustandekommen rein ärzüiche 
Motive mitgewirkt P Soweit solche in der Motivierung des Abg. 
Dr. Löwe zur Sprache gekommen sind, möchte ich antworten: 
gar nicht; denn den Schluß Löwe’s, daß die Beurteilungsfähig- 
keit eines Ehevertrags gänzlich abhängig sei von der Pubertäts- 
entWicklung, halte ich fftr einen Trugschlaß. Aber es ist wohl 
anzunehmen, daß stillschweigend die Mehrzahl der Abgeordneten 
ein Mädchen vor dem abgelaufenen 16. Lebensjahre fär nicht 
reif gehalten haben mag, um Matter werden und ein Kind er¬ 
nähren und sachgemäß aufziehen zu können. 

üeberdies ist der Ausdruck „volle Entwickelung der Puber¬ 
tät* eine unbestimmte Größe, indem die einen von der Entwick¬ 
lung der Pubertät sprechen, sobald die Periode regelmäßig ein- 
tritt, während die anderen außerdem die volle Eörperentwi^ung 
dazu verlangen. Zwischen beiden Zeitpunkten liegen aber mehrere 
Jahre. Wenn nun gar noch der Termin der Beurteilungsfähigkeit 
des einzugehenden Vertrags mit der vollen Pubertätsentwick- 
lung in Zusammenhang gebracht wird, dann werden zeitlich noch 
andere Resultate herauskommen. 

Hingegen sind fttr die Annahme des Amendements, „Dis¬ 
pensation ist zulässig*, medizinische Grttnde maßgebend gewesen, 
wenn auch die Motive sich nicht darüber auslassen. Denn dieser 
Zusatz hat vor allem den Zweck, Frflhgeschwängerten das Ein¬ 
gehen einer Ehe zu ermöglichen, fundiert also auf der Tatsache, 
daß auch in unserem Klima schon vor dem 16. Jahre unter Um¬ 
ständen die Entwicklung eines Mädchens so vorgeschritten ist, 
um Matter werden zu können. Ob sie damit eine Ehefrau wer¬ 
den kann, ist natürlich eine andere Frage. 

Die strafrechtliche Verfolgung des Schwängerers eines Mäd¬ 
chens, das sein 16. Lebensjahr noch nicht beendet hat, setzt eine 
Schädigung des Mädchens durch den vorgenommenen Akt und 
seine Folgen voraus. Die Schädigung kann in einer physischen 
und in einer ideellen Weise oder in beiden vor sich gehen. Von 
der den Ruf nnd die Ehre, also die Zukunft des Mädchens be¬ 
treffenden Schädigung rede ich hier nicht, sondern gehe nur auf 
die angeblichen körperlichen Schädigungen ein, soweit sie als 
Folgestände von Schwangerschaft und Geburt anzusehen sind. 

In dieser Beziehung enthalten die Motive zum Strafgesetz¬ 
buch*) folgende Andeutungen: In Anlage 8, Erörterungen straf- 


*) Dm Strafeeeetzbuch, bearbeitet für den Norddentscben Bond, wurde 
im Entwarle am 14. Februar 1870 dem Reichstage des Norddentscben Bandes 
vorgelegt und am 81. Mai 1870 eingeführt- Am 1. Januar 1872 wurde es 
Beichsgesets. Die dasu gehörigen Motive finden sich als Anlage zum Ent¬ 
wurf des Gesetzes fttr den Norddeutschen Bund. 



424 


Dr. Ahlleld. 


rechtlicher Fragen ans dem Gebiete der gerichtlichen Medim'n, 
findet sieh Seite 10 die Bemerkung: 

nin den Vorarbeiten znm geg^enwärtig geltenden StrafgeseUbnohe wurde 
auch das swölfte Lebensjahr als ünterscheidnngsjahr Torgcschlagen; and 
die in dem § 144, Nr. 3 erfolgte Annahme des 14. Lebensjiäres erfolge in 
der Erwignng, dafl erfahrnngsgem&ß mit snrttckgelegtem 12. Lebensjahre die 
Entwickelong des weiblichen Qeschlechts noch lücht als Tollendet betrachtet 
werden kOnne.“ 

Hierüber wurde die Königliche Wissenschaftliche Deputation 
für das Medizinal wesen befragt; ihre Antwort (Seite 31) ist 
entscheidend dafür geworden, das 14. Lebensjahr als das zu em¬ 
pfehlen, welches in § 144 des Strafgesetzbuches des Norddeut¬ 
schen Bandes (entsprechend § 176 des Strafgesetzbuches des Deut¬ 
schen Reichs) angenommen ist. Es heißt in diesem Gutachten: 

„Im allgemeinen tritt in nnaerem Klima bei dem weiblichen Geschlecht 
die Geschlechtsreife nicht vor dem 14. Lebensjahre ein, diejenigen Mäd^en 
aber, welche in den mit Besng auf § 144, Nr. 3 geführten Verhandlongen eine 
BoUe spielen, gehören meistens den ärmeren Klassen der BevOlkernng an and 
die Brfahrnng seigt, daß selbst diejenigen unter ihnen, welche dem 14. Lebens¬ 
jahre bereits gans nahe stehen, in der Begel einen noch dorchans kindlidten 
Habitus darbieten und in geschlechtlicher Bealehnng mehr oder weniger un¬ 
entwickelt sind. 

Schon dieser Umstand scheint uns dagegen zu sprechen, daß man in der 
betreffenden Strafbestimmung statt des 14. Lebensjahres einen ftUheren 
Termin wähle. 

Noch wichtiger indes dürfte die Berücksichtigung des geistigen Zu¬ 
standes der Mädchen oder Knaben sein. Früher als im Alter Ton 14 Jahren 
dürfte ein Mädchen oder ein junger Mensch kaum die Urteilskraft besitzen, 
um mit genügender Klarheit die nachteiligen Folgen ln ihrem ganzen Umfange 
zu ermessen, welche ihnen daraus erwachsen, wenn sie sich unzüchtigen Hand¬ 
lungen Preis geben, zumal der Geschlechtstrieb die Ueberlegung beeinträchtigt 
und die Willenskraft gegenüber geschlechtlichen Zumutungen schwächt.* 

Gegenüber der ersten Ausgabe des Gesetzes erfuhr der uns 
besonders interessierende § 176 später eine wesentliche Aendemng. 
Während vorher selbst bei Mißbrauch von Kindern unter 14 Jahren 
die Verfolgung des Verführers nur auf Antrag eintrat, fiel später 
diese Bestimmung, so daß also nun in jedem Falle die Staats¬ 
anwaltschaft verpfiichtet ist, eine Untersuchung vorzunehmen, 
während die Bestimmung für das Alter von 14—16 Jahren (§ 182 
d. Str. Q. B.) erhalten geblieben ist. 

Diese wichtige Aendemng ist aber, wie ich mich ans den 
stenographischen Berichten des Deutschen Reichstags ^) überzeugt 
habe, nur aus juristischen Bedenken gefallen, während m. E. in 
gleicher Weise ans sozial-medizinischen Gründen die Schwängerung 
eines Kindes unter 14 Jahren hätte für ein Verbrechen erklärt 
werden müssen. 

Von ärztlicher Seite sind bisher nur wenige Versuche gemacht 
worden, eine bestimmte Grenze des heiratsfähigen Alters nach 
unten festzusetzen. Derartige Versuche erscheinen, oberfiächlich 
betrachtet, für die Praxis ziemlich zwecklos, da in kultivierten 
Ländern das geschlechtliche Zusammenleben mit Eingehen der 
Ehe zusammenfällt und die Zeit hierfür sich in der Hauptsache 


>) Steoographiache Berichte 1876/76; Nr. 2, S. 801. 



Du hdntsf&hige Alter und seine gesetzlichen Unterlagen. 


425 


nicht nach der Entwicklnngsstafe der beiden beteiligten Individuen 
richtet, eondern nach sozialen Verhältnissen. 

Und da zumeist (der junge Mann erst seiner Dienstpflicht 
genügen und dann sich eine Existenz verschaffen muß, ehe er an 
die Gründung eines Hausstandes denken kann, so verzögert sich 
damit eo ipso auch für seine Auserwählte das Heiratsalter. Wir 
dürfen also keineswegs aus dem großen statistischen Material, 
das wir durch die Standesämter erhalten, einen berechtigten 
Schluß auf das natürliche Heiratsalter machen und sagen: 
Weil im Deutschen Reiche die meisten Ehen in einem Alter der 
Frau von 24—25 Jahren geschlossen werden, deshalb sei das 
24. Jahr dasjenige, in dem physiologischer Weise die Ehe einge¬ 
gangen werden sollte. 

Je niedriger das Mädchen in wenig kultivierten Völkern be¬ 
wertet wird, desto früher wird es geschlechtlich benutzt. Außer 
zur Befriedigung der Sinneslnst ist es dem Manne nicht viel mehr 
wert als ein nützliches und notwendiges Haustier. Dieser mangel¬ 
hafte Eulturzustand fludet sich häufiger in den heißen Klimaten, 
wo sowieso die körperliche Entwicklung des Mädchens frühzeitiger 
eintritt 

Teils die höhere Kultur, besonders auch strengere sittliche 
Anschauungen, teils die größeren Schwierigkeiten, einen Haushalt 
zu gründen und stetig zu erhalten, bringen es mit sich, daß die 
zu erwählende Ehehälfte nicht nur nach ihrer körperlichen Seite, 
sondern auch was geistige Entwicklung und Erfahrung anbetrifft, 
Yorgeschritten, also auch älter sein muß. Der junge Mann wartet 
daher nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Reife 
des Mädchens bis zu einem gewissen Stadium ab. 

Der Staat und die Gesetzgebung glaubte, bald mehr die 
körperliche, bald mehr die geistige Reife berücksichtigen zu 
müssen. Auch bei den Aerzten herrscht in dieser Beziehung 
keine Einmütigkeit. 

In neuerer Zeit hat sich Straßmann in dem v. Winckel- 
schen Handbuche der Geburtshilfe (Band I, 1. Hälfte, S. 93) 
über die Frage des heiratsfähigen Alters von ärztlichem Stand¬ 
punkte aus ausgesprochen. 

Er verwendet zu seiner Beweisfährung drei Kriterien: die 
Zeit des Eintritts der Menstruation, die Geburten in 
früherem Alter und ihr Einfluß auf den Körper der 
jungen Mutter und den Grad der Ausbildung des 
ersten Schwangerschaftsprodukts im Verhältnis zum 
Alter der Mutter. 

Seine Ansicht zum ersten Punkte ist die: 

„Die Grenze des Bttrgerlichen Gesetzbuches, das 16. Jahr, ist eher etwas 
zu niedrig; denn es erheilt aus den Tabellen (se. Uber Eintritt der Menstma* 
tion). dafi mit dem vollendeten 16. Jahre erst etwas ttber 60 “/o als geschlechts- 
reil betrachtet werden dürfen.* 

Ich kann es nicht für richtig halten, den Eintritt der Men¬ 
struation als Beweis für die Geschlechtsreife anzusehen. Wissen 
wir doch, daß menstruelle Blutung und Ovulation nicht immer 



426 


Dr. Ahlleld. 


zu gleicher Zeit eintreten, yielmehr die OTnlation der Meneimation 
Yoranegeht. 

Weiter wiesen wir, daß die Menstruation, also auch die 
Ovulation in einem großen Prozentsätze auch in unserem Klima 
zwischen dem 12. und 14. Jahre eintritt, also in einem Alter, wo 
niemand das Mädchen — Ausnahmen mögen Vorkommen — tflr ge* 
schlechtsreif erklären wird. 

Man tut daher wohl besser, dies Beweismittel bei der Frage 
nach der unteren Grenze des heiratsfiihigen Alters ganz wegzu¬ 
lassen. 

üeber das zweite Beweismittel schreibt Straßmann: 

,Q«biirten von Kindein, die erst in der ersten Hälfte des sweiten Jehi* 
zehnte stehen, sind leider nichts allznseltenes. Han könnte hieraus schließen, 
daß die Grenze des 14. Jahres zu hoch angesetzt ist. Aber erst der Toll aus- 
gebildete Körper des Weibes ist in nationalökonomischem und ärztlichem Sinze 
fortpflanznngsfähig. Denn von diesem ans mnß berücksichtigt werden, daß die 
spätere Gesundheit es der Hutter gestattet, sich dem Au&ehen des Kindes 
zu widmen, daß ihre geistige Ausbildung einen annähernden Grad von Ver* 
ständnis für diese Aufgabe erreicht hat und daß der Körper fttr etwaige 
^wangerschalt nicht durch die vorzeitige geschlechtliche Tätigkeit ge* 
litten hat." 

Sehen wir zunächst von der geistigen Ausbildung ab, Aber 
die wohl alle darin ttbereinstimmen, daß sie vor dem 14. Jahre 
kaum jemals einen Grad erreicht hat, der eine erfolgreiche Selbst¬ 
ständigkeit in der Aufziehung eines Kindes gewährleistet; aber 
auch darüber herrscht wohl Einmütigkeit, daß dieser Grad geistiger 
Ausbildung bei der Mehrzahl unserer „heiratsfähigen“ Töchter 
mit dem 20. Jahre noch nicht erreicht ist. Treten wir der Frage 
vom medizinischen Standpunkte näher, so vertritt Straßmann 
die Ansicht, Geburten vor dem 20. Jahre zeigten für die Mutter, 
„da der Körper noch nicht volle Beife und Ausbildung erlangt 
hat“, größere Geßüiren. 

Das halte ich für eine unbewiesene Behanptnng und werde 
weiter unten meine nnd Anderer Beobachtungen Über Geburten 
jugendlicher Erstgebärender bringen. Schon hier möchte ich aber 
vorausschicken, daß Schwängerung nnd Heirat im fHihen Alter 
fast ausschließlich Mädchen betrifft, die in Folge ihrer Körper¬ 
entwicklung ihrem Alter vorausgeeilt sind. 

Mit einem dritten Beweismittel stützt sich Straßmann 
auf Arbeiten Wernich’s, Issmer’s und v. Winckers: „Ja, 
es scheint, als ob nach dem Gewicht der ersten Neugeborenen 
das Optimum erst auf das 24. Jahr entfällt (Wernich)“. üeber 
diese „Prädilektionsjahre“ haben anchlssmer nnd v. Win ekel 
bemerkenswerte Publikationen gegeben. Fassen wir zunächst die 
drei Publikationen zusammen: 

Von dem Gedanken ausgehend, die Vollreife für das heirats¬ 
fähige Alter lasse sich daraus ersehen, in welchem Alter ein 
Mädchen (eine Frau) als erstes Kind das bestentwickelte ge¬ 
bäre, haben Wernich^) nndlssmer’) (v. Winckel*) aus den 

0 Beiträge zur Geburtsh. nnd Gynäk.; Bd. 1, 8. 11. Berlin 1872. 

*) Archiv für Gynäkologie; Bd. 80, 8. 806 n. 808. 

') Sammlung klinischer Vorträge; 1901, Nr. 292/98, 8. 181. 



Das heiratsfUiige Alter and seine gesetslichen Unterlagen. 427 

Journalen der M&nchener Entbindnngfsanstalt g:efanden, daß nach 
Wern ich das 24. Lebensjahr die kräftigsten Erstgeborenen 
liefere, während Issmer, nach gleicher Berechnnogsweise, das 
28. Jahr fand, nach anderer Weise das 24. Jahr. 

Wollte jemand ans dieser Tatsache den Schloß ziehen, das 
23. Lebensja^ sei das Ton der Nator gegebene Heiratsjahr, so 
würde dem mancherlei entgegenznhalten sein, vor allem, daß ge> 
mäß unserer sozialen Verhältnisse der geschlechtliche Verkehr, der 
außereheliche, wie eheliche, in eine spätere Zeit fällt, als wenn 
rein natürliche Zustände den Ausschlag geben würden. In den 
Journalen einer mitteleuropäischen Entbindungsanstalt fehlen 
daher die früheren Jahrgänge oder sind nur in einer solchen 
Minderzahl vorhanden, ^ß sie statistisch keine Bedeutung er¬ 
langen. 

Im folgenden werden wir sehen, wie, wenn man nur mit 
einer halbwegs hinreichenden Zahl von Geburten aus früherer 
Zeit aufwarten kann, Zweifel an der Richtigkeit obiger Schloß- 
lolgerung berechtigt sind, üeberdies handelt es sich in den bei¬ 
den Arbeiten nur um bayerische Verhältnisse. Auch in dieser 
Beziehung sei man mit einer Verallgemeinerung vorsichtig, finde 
ich doch z. B. aus dem Rheinlande ganz andere Resultate. 

Die Geburten vor dem gesetzlichen Alter. Wie 
Eingangs schon erwähnt, war ich in der Lage, eine nicht mehr 
kleine Zahl Entbindongen von Mädchen zwischen dem 13. und 
16. Lebensjahre zu beobachten. Grund hierfür ist das Bestehen 
einer Anstalt in Marburg (Versorgungshaus), der seit einer Reihe 
▼on Jahren frühzeitig geschwängerte Mädchen zur Unterbringung 
und weiteren körperlichen und geistigen Pflege von den Behörden 
fiberwiesen werden. So konnte ich 60 Entbindungen im besagten 
Lebensalter beobachten. 

Diese und eine Reihe von Gebnrtsberichten aus der Hallen¬ 
ser, Straßburger und Bonner Klinik, die in den Dissertationen 
Ton Fuchs*), Nikes*) und Jacobs’) niedergelegt sind, so wie 
noch einige einzelne in der Literatur befindliche Fälle, zosam- 
men 153, habe ich benutzt, um mir ein Bild über Verlauf von 
Geburt und Wochenbett dieser jugendlichen Mütter zu machen. 

Es mag noch viel Material in den Journalen der Entbin¬ 
dungsanstalten niedergelegt sein, was für meinen Zweck ver¬ 
wendbar wäre. Auch sind eine Reihe von Dissertationen und 
Aufsätze in Zeitschriften, die Geburten in den Entwicklongsjahren 
betreffend, erschienen. Aber diese Arbeiten fassen die Geburten 
bis zum 18. oder 20. Jahre zusammen und geben auch keine 
einzelnen Geburtsgeschichten, so daß ich sie zu einer Zusammen¬ 
stellung nicht verwenden konnte. Hingegen werde ich mich mit 
ihren Gesamtresnltaten nachher kurz befassen müssen. 

0 Fuchs: Die Abhängigkeit des Qebartsgewichtes des Neageborenen 
vom Stende und der Beschiftigong der Matter. Inaag.-Diss. Halie (Ltttsen) 
1399 . 

Nikes: Der.gleiche Titel liiaag.-Diss. StraBbarg 1902. 

*) Jacobs: Statistik des Alters der Gebärenden an der UnlTersitäts* 
Fraaenkiinik su Bonn, 1902—1908. Inang.-Diss. Bonn 1904. 



428 


Dr. AUfeld. 


Die ganz seltenen FftUe von Schwängerung Ton Kindern 
Tor dem 13. Jahre bertthre ich hier nicht. 

Was die allgemeine Statistik anbelangt, so sind Geburten 
vor dem 14. Jahre in Mitteleuropa selten. In Frankreich kamen 
in 6 Jahren nur 3 Fälle von Geburten unter dem 14. Jahre Tor. *) 

Während ich in den statistischen Arbeiten von Wernich 
und yon Winckel aus der Mflnchener Frauenklinik keinen ein¬ 
zigen Fall von Eindsschwängemng finde, enthalten die Tabellen 
der Jacobs sehen Dissertation ans der Bonner Klinik innerhalb 
11 Jahren allein 45 Fälle, die hierher gehören. Man müßte die- 
Verhältnisse genauer kennen, die diese großen Unterschiede her 
beifflhren, ehe man yielleicbt die Leichtlebigkeit der Rhein- 
beyölkemng dafür vm’antwortlich macht. 

Hier in Marburg gehörten derartige Geburten vor dem 
Jahre 1901 auch zu den Seltenheiten und wurden erst yon da ab, 
ans dem oben angegebenen Grunde, häufiger. 

In 115 dieser 153 Fälle sind Angaben Aber den Bau des 
Beckens yorhanden und zwar wird dasselbe 94 mal als normal, 
21 mal als yerengt — 20 mal als allgemein oder jugendlich yer- 
engt, 1 mal platt yerengt — angegeben. 

Wie zu erwarten, ist die ZaU der yerengten Becken größer, 
als in einer allgemeinen Statistik. Immerhin werden wir sehen, 
daß die Beckenyerengemng nur in sehr wenigen Fällen eine Ge- 
bnrtserschwemng ergeben hat; denn der Gebnrtsyerlanf, der 
in 122 Berichten angegeben ist, erfolgte in 114 Fällen ohne einen 
Kingriff, angeblich sogar normal. Nur Imal machte sich die 
Perforation (Nabelschnnryorfall beim einzigen platten Becken), 
2 mal die Einleitung der künstlichen Frühgeburt und 3 mal die 
Zange nötig. Eine Geburt wnrde durch Steißlage, eine durch 
Fieber in der Geburt kompliziert. Im ganzen ist also der Ghe- 
bnrtsakt selbst sehr günstig yerlanfen. 

Größer als normal ist die Zahl der erheblicheren Damm¬ 
riße, läßt sich aber prozentisch nicht genau feststellen. Die 
Biutmenge in der Nachgeburtsperiode ist in 59 Fällen 
gewogen und betrug im Durchschnitt 514 gr, eine Menge, die bei 
der größeren Zahl der Verletzungen nicht anffäUt und uns be¬ 
rechtigt, zu yermuten, die Muskeltätigkeit der üteruswand 
(Wehentätigkeit) habe in besagter Periode ihre Schuldigkeit 
getan. 

Die Dnrchschnittsmenge des Blutyerlnstes stellt sich bei 
Erstgebärenden im allgemeinen auf 444 gr (3526 benutzte Proto¬ 
kolle) und bei Kindern zwischen 2500—3500 gr Gewicht auf 
434 gr. Danach überschreitet die yorhin gefundene Zahl yon 
514 gr die Dnrchschnittsyerluste um nicht allznyiel. 

Auch der Verlauf des Wochenbetts gibt keine ungün¬ 
stigen Resultate. In 126 Protokollen ist er berücksichtigt und 
94 mal als normal bezeichnet. 32 mal bestand Fieber, yon denen 


*)*Alilield: Lehrb. der Gebortih. 8. Anfl., 8. 1. 
*) Heilkonde; 1898, 8. 449. 



Om hcirstsf&hige Alter and seine gesetzlichen ünterlngen. 429 

in 14 Fällen ein extri^enitaler Ansgangf wahrecheinlieh war 
(9 Mastitiden, 3 mal G^stitis und Pyelitis, 2mal Masern). Keine 
der 153 Wöchnerinnen ist gestorben, keine hat ein 
schweres Eindbettfieber dnrchgemacht. 

Wir können also als Gesamtresnltat yerzeichnen: Die Ge¬ 
burten und Wochenbetten dieser jugendlichen Mütter 
Terliefen wider Erwarten günstig. 

Wie ans dem folgenden zu ersehen, war nicht etwa eine 
anfiallend geringe Entwicklung der Früchte Ursache dieses gün¬ 
stigen Gebortsverlaufes. 138 Kinder waren reif, 48 cm nnd 
dariiber lang. Ihr Dnrchschnittgewicht betrug 3111 gr, 
ihre Körperlänge 50,0 (genau 49,99) cm. 

In 151 Protokollen ist das Geschlecht angegeben; 
80 Knaben, 72 Mädchen (ein Paar Zwillinge) ergaben ein Ver¬ 
hältnis Yon 106 : 94, also ein üebergewicht der Enabengebnrten. 

Beim Verzeichnen des günstigen Gesamtresultats sagte ich 
,wider Erwarten**. In der Tat berichten die Mehrzahl der Ar¬ 
beiten über jugendliche Erstgebärende Yon weniger günstigen 
Gebnrtsansgängen. Walthard^) hingegen setzt in die Natur 
das Vertrauen, daß, wenn sie eine Konzeption zuläßt, auch 
die Entwicklung nnd Tätigkeit der Genitalorgane schon ansreicht, 
um ein gutes Besnltat zu ermöglichen. Er Yerweist auf das 
Mauriceausche Wort: „Les femmes andessns de quinze ans 
aeconchent d’autant plus facilement qn’elles sont jennes.** 

Ich möchte bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß eine Vor- 
ahne unseres großen Kanzlers Bismarck mit 15 Jahren gehei¬ 
ratet hat nnd im 17. Jahre den Urgroßyater Yon Bismark’s 
Mutter gebar. Freilich kostete ihr diese Geburt das Leben. Sie 
starb, wahrscheinlich am Kindbettfieber.’) 

Die Befürchtung, daß die Kinder jngendlidier Mütter in 
einem relaÜY großen Prozentsätze elend, Yerkrüppelt, mißbildet 
geboren würden, bestätigt sich ans unserer Statistik nicht. Schon 
Frank in seiner Medizinischen Polizei’) sagt Yon jugendlichen 
Müttern: „Der Körper der Mutter muß der Frucht ]^nm geben 
können, wenn er nicht Yor der Zeit nnd das Kind verkrüppeln 
soll.** Auch Moritz Mayer (Simmem) erklärt neuerdings’) eine 
Reihe von Mißbildungen eines Kindes als in Folge Raummangels 
der Gebärmutter entstanden. „Infolge der großen Jugend der 
Mutter — die Mutter war bei der Geburt des Kindes erst 
17 Jahre alt nnd ist gesund — dürfte eine mangelnde Aus¬ 
dehnungsfähigkeit der Gebärmutter Vorgelegen haben.** 

Diese Befürchtung halte ich für nicht berechtigt. 

Ob die Mütter unserer Statistik nun auch ihren weiteren 
Verpflichtungen genügen konnten, die Kinder nähren und 
aufziehen, das läßt sich aus unseren Erfahrungen nidit fest- 


*) Y. Winekers Handbach. 2. Band, 8. Teil, S. 2084. 

*) Eekale von Stradonitz: Die Leipzigei Ahnen des Fürsten 
Bismarck. Grenzboten; 1907, Nr. 49, S. 618. 

•) Wien 1786. 8. Anfl., Bd. 1, 8. 280. 

*) Vierteljahrssehr. f. gerichtL Medizin; 1907, 4. H., 8. 822. 




480 


Dr. AUfeld. 


stolleiiy da, äußerer Verhältnuse halber, die meisten jngendlidieD 
Mütter vom Kinde getrennt wurden. Doch läßt die Terhältnie- 
mäßig große Zahl der Brustdrttsenentzflndungen darauf schließen, 
daß es mit dem Stillgeschätt schlecht ausgesehen hat. 

Komme ich nun nach diesen Vorbereitungen auf die Frage: 
Welche Kriterien berechtigen von rein ärztlichem 
Standpunkte aus den Termin des heiratsfähigen Al> 
ters unter normalen Bedingungen zu bestimmen, so 
muß als Resultat einer Ehe verlangt werden, daß die junge Frau 
bei vemttnftiger Lebensweise, an der Seite eines gesunden Man¬ 
nes, Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ohne Schädigung 
der Gesundheit ttberstehen and ihr Kind bis zum nennten Monate 
nähren kann. 

Da letztere Bedingung von der zur Ehe notwendigen Ge¬ 
schlechtsreife getrennt werden kann nnd leider oft getremt wer¬ 
den muß, so gehört die Beschaffenheit der Brttste nicht absolut 
notwendig zu einem Kriterium der Geschlechtsreife. 

Ich beginne mit einer Negation. In den meisten Publika¬ 
tionen, so auch in den Motiven fär unsere deutschen Gesetzbücher, 
wird Geschlechtsreif e in der Regel identifiziert mit dem Be¬ 
ginne der geschlechtlichen Tätigkeit, mit Auftreten der 
monatlichen Blutung und der damit zusammenhängenden 
Eireifang nnd Eiausstoßung (Ovulation). 

Nun ist es gar nichts seltenes, daß dieser Vorgang im 
12., 13. Lebensjahre eintritt, also in einem Alter, wo, mit 
ganz seltenen Ausnahmen, gar nicht daran gedacht werden kann, 
ein solches Kind wäre körperlich den Anforderungen an Schwan¬ 
gerschaft, Gebart und Mutterpfiichten gewachsen. 

Von vornherein lehnen wir also dieses Kriterium als zur 
Bestimmung des heiratsfähigen Alters ungeeignet ab. 

Auch die Hinneigung des Mädchens zum heran¬ 
reifenden Manne, soweit sie dem Backfischalter angehört, 
dürfen wir noch nicht als einen Beweis vorhandener Gesclüechts- 
reife auffassen. Hingegen wenn sie sich später mit geschlecht¬ 
lichem Triebe paart, so wäre dieser Zeitpunkt wohl geeignet, 
ihn als einen Hinweis der Natur anfzufassen, jetzt sei die Ge¬ 
schlechtsreife soweit gesehen, um eine Vereinigung gestatten zn 
können. 

Leider hängt aber dieser Termin viel zu sehr von der Art 
der Erziehung, von der Ausdehnung des Verkehrs mit dem männ¬ 
lichen Geschlechte, von der aufreizenden Lektüre usw. ab, als 
daß man sein Erscheinen als einen natürlichen Beweis für einge¬ 
tretene Geschlechtsreife ansehen könne. 

Eher schon würde die allgemeine Körperentwicklung, 
die Summe der äußerlich und im Wesen bemerkbaren Reife¬ 
erscheinungen einen Anhalt gewähren, also der Zeitpunkt, in dem 
das Mädchen von Seiten des männlichen Geschlechts als ge¬ 
schlechtlich begehrenswert angesehen wird. 

Will man diesen Zeitpunkt bestimmen, so darf man selbst¬ 
verständlich nicht das durchschnittliche Heiratsalter einer Ge- 




Du heiiatsffthige Alter md seine gesetslichen ünterUgen. 


481 


Minthdit zar ünterlag^e wählen^ das in Preußen auf daa 24. und 
25. Lebensjahr fUlt,*) denn dieser Termin ist nicht von natttr- 
liehen Verhältnissen, sondern von Gesetz, Sitte und sozialen Um¬ 
ständen abhängig. 

Wohl aber können wir ihn annähernd ans der Zeit der 
waten Schwängerung und Geburt außerhalb der Ehe erkennen. 
Gerade unsere Entbindungsanstalten, die, soweit es sich um 
Erstgebärende handelt, weitaus von unehelich Gleschwängerten 
au^esucht werden, können uns mit ihrer Statistik einen Anhalte- 
pnnkt geben, wenn wir feststellen, in welches Lebensalter die 
größte Zahl der ersten Geburten gefallen ist 

Ißmer*) fand bei einer Zahl Yon 12303 Neugeborenen 
7612 Kinder, die er ihrer Länge halber als reife anspricht, die 
er zu seiner Statistik benutzt. Danach fanden die meisten Ge¬ 
burten Erstgeschwängerter im 22. Lebensjahre statt; es würde 
demgemäß das »Beifealter des Mädchens“ auf das 21. Jahr zu 
Yerlegen sein. 

Ich yerf^e aus den Journalen der Marburger Entbindungs¬ 
anstalt zur Zeit meines Direktoriats über ca. 8000 Notizen. Erst¬ 
geschwängerte sind darunter 4018. Die meisten Erstent¬ 
bindungen fielen in das 21. Jahr. Danadi würde das 
20. Jahr als Beifejahr anzunehmen sein. 

So geringe Zahlenunterlagen können aber diese Frage nicht 
deflnitiY entscheiden. Vielmehr wäre es wünschenswert, aus dem 
ganzen Deutschen Reiche oder wenigstens aus einem der größten 
Bundesstaaten eine Statistik zu bekommen, aus der zu ersehen 
wäre, in welchem Jahre die meisten außerehelichen Erstgeburten 
stattgefhnden haben. 

Eine solche Statistik habe ich nicht finden können. 

Weiter könnte man zur Beantwortung unserer Frage ein 
anatomisches Kriterium heranziehen, das Auf hören des Körper¬ 
wachstums, und daraus schließen, dann sei der Körper erst 
fertig, also zu seinen Fortpfianzungsfonktionen reif. 

Aber weder für die Ffianzenwelt noch für die Tierwelt 
finden wir diesen Schloß gerechtfertigt, indem Pfianzen und Tiere, 
ehe ihr Wachstum beendet ist, bereits mit Erfolg und ohne 
eigenen Schaden Früchte hervorbringen, die als yoU reif und 
weiter fortpfianzungsfähig anznseheu sind. 

Bei Mensch und Säugetier würde sich gleich daran die 
Frage knüpfen, ob das Längswachstnm oder das Wachstum 
des für die Geburt wichtigsten Skeletteils, des Beckens, zur 
Beantwortung heranzuziehen sei. 

Die Anatomen yerlegen die Beendigung des Wachstums in 
das 22.-25. Lebensjahr. SchwegeH) schreibt: „Sämtliche 
Epiphysen yerschmelzen mit dem Körper des Hüftbeins im 
22.-25. Jahre, am spätesten die Epiphyse am oberen Bande des 
Darmbeins.“ 


*) StatistischM Jahrbuch fttr den Preußischen Staat. Berlin 1904: S. 29 
>) L e.; 8. 801. 

*) Entwicklungsgesehichte der Knochen; Seite 21. 



483 


Dr. AJiUeld. 


Froriep ') bildet als „erwachsenes Weib‘ ein Weib von 
25 Jahren ab, mit einer Hflftenbreite von 89 cm. 

Zweifellos würde man za hoch greifen, wollte man dieses 
Alter als das der eigentlichen natürlichen Geschlechtsreife ansehen; 
denn die tägliche Beobachtang lehrt, daß schon vor dem 25. Jahre 
ein Weib seine Matterpflichten vollständig erfüllen kann, ohne 
ihrem Körper za schaden. 

Und, was das Becken anbelangt, so wissen wir, daß 
dieses, ehe es vollständig starr in seinen Verbindangen wird, nadi- 
gibt, so daß eine Gebart in früherem Lebensalter nicht durch 
Starrheit des Beckens behindert wird. 

Ich habe in einer Dissertation diesen Punkt feststellen lassen, 
indem ich unsere sehr genauen Beckenmessongen aas den Fällen 
verwerten ließ, wo die Mädchen und Frauen wiederholt bei nns 
niederkamen. 

Dabei stellte sieh heraus, daß die Unterschiede der Becken* 
maße von einer Gebart zur anderen um so größer sind, je jagend* 
lieber die Person bei der voraasgegangenen Gebart war. Mit 
dem 25. Jahre hörte die Erweiterung des Beckens auf. 

Schließlich bleibt doch der physiologische Vorgang 
von Schwangerschaft und Gebart mit seinen Folge* 
Zuständen der sicherste Gradmesser für Beantwortung der ge* 
stellten Frage. Wir werden daher prüfen müssen: Von welch em 
Alter an ist das Weib imstande, eine kräftige, an die 
Außenwelt gebracht, widerstandsfähige Frucht zu 
bilden, sie ohne Schaden der Matter von sich zu geben 
und das Neugeborene zu nähren? 

Wie oben schon erwähnt, ist die erste Frage von einigen 
Autoren in der Weise in Angriff genommen, daß man aus der 
vollkommensten Entwickelung des Kindes auf das ge* 
eignetste Lebensalter der Mutter schließen zu dürfen glaubte. 

Den Gedankengang billige ich vollständig, flnde aber das 
zu diesem Zwecke verwendete Material nicht genügend geeignet. 
Vor allem fehlen in den Statistiken von Wernich, Issmer und 
von Win ekel die frühen Jahrgänge der Mütter. 

Wernich verfügte unter 6348 Gebartsfällen nur über 
105 Fälle, in denen die Mutter 15—19 (inkl.) Jahr alt war, und 
ein reifes Kind gebar. Aus Issmer’s Arbeit, der 12303 Fälle 
benutzte, bei denen es sich 7612 mal um reife Kinder handelte, 
ist nicht zu ersehen, wieviele jugendliche Mütter mitrechnen. Da 
das Material aber aus der gleichen Anstalt stammt, ist wohl an* 
zunehmen, daß es von dem von Issmer benutzten nicht allzasehr 
abweicht. 

So ist es auch erklärlich, daß beide Autoren auf hohe 
Prädilektionsjahre kommen, Wernich auf das 24., Issmer 
(v. Winckel) auf das 24. resp. 28. 

Es kam mir nun besonders darauf an, diese in allen Be- 

*) AMtomio fOr Kttostler. Lelpiig 1890. Tafel VIIL 

*) Pretssch: Erweitert eich das Becken infolge voraosgegangener 
Oebortenf Inang.'Dies. Marburg 1905. 



Dm heiratsfähige Alter und seine gesetzlichen Unterlagen. 


438 


sprechnngen unseres Themas angezogenen und benutzten Resultate 
am eigenen Materiale nachzuprfifen. Um die Angelegenheit 
genau bis auf ihre Grundzahlen in die Hand zu nehmen, habe ich 
mehrere Wochen geopfert und aus den von mir persönlich ange¬ 
legten Einzelprotokolien alle Erstgeschwängerten ansgezogen, 
deren Kinder, auf Grundlage der Längenmessung, als reif anzn- 
nehmen waren. 

In Uebereinstimmnng mit Hecker, Wernich, Issmer 
und von Winckel habe ich 48 cm Scheitel-Sohlenlänge als 
untere Grenze angenommen und habe nicht, wie die ebengenannten 
Autoren, allein das Gewicht bei der Berechnung des Prädilektions- 
Jahres benutzt, sondern auch die Länge des Kndes. 

Die Länge habe ich auf ganze cm nach unten zu abgerundet. 
Das Gewicht ist bis auf 5 gr berechnet. 

Unter 8100 Protokollen der Jahrgänge 1885—1907 fand ich 
4018 Erstgeschwängerte und unter diesen wieder 8589, deren 
Kinder eine Mindestlänge von 48 cm anfwiesen. Zwillingsgeburten 
sind nicht mit benutzt. 

Das Alter der Mtttter schwankt zwischen 13und 45 Jahren; 
die jugendlichen Jahre, bis zum 19. inkl., von denen Wer¬ 
nich nur 150 Fälle benutzen konnte, sind in meiner Statistik 
mit 673 Fällen vertreten. 

Das Prädilektionsjahr habe ich zuerst in der Weise 
berechnet, daß ich die Gewichts- und Längenangaben nach dem 
Alter der Mutter zusammengestellt, addiert und die Durchschnitts-' 
zahlen genommen habe. 

In der folgenden Tabelle findet sich in der ersten Kolumne 
das Alter der Matter bei der Gebart, in der zweiten die Zahl 
der Erstgebärenden, die Kinder mit der Mindestlänge von 48 cm 
geboren haben, in der dritten das Durchschnittsgewicht, in der 
vierten die Durchschnittslänge. 


Alter 
der Ge¬ 
bären¬ 
den 

Zahl der 
beob¬ 
achteten 
FäUe 

Durch- 
Bchnitts- 
gewicht des 
reifen Kindes 

Länge 

des 

reifen 

Kindes 

Alter 
der Ge¬ 
bären¬ 
den 

Zahl der 
beob¬ 
achteten 
Fälle 

Durch¬ 
schnitts¬ 
gewicht des 
reifen Kindes 

Länge 

des 

reifen 

Kindes 

13 Jahr 

1 

2970,0 


49,0 cm 

29 Jahr 

60 

3123,7 

gr 

50,65 cm 

» 

2 

3333,3 

Tn 

51,0 , 

30 

fl 

67 

3116,7 

99 

50,62 „ 

IB , 

12 

2933,3 

J! 

49,3 „ 

31 

fl 

35 

3033,4 

fl 

50,63 , 

16 , 

37 

3158,7 

Jt 

60,2 . 

32 

fl 

22 

8071,4 

fl 

50,64 „ 

17 „ 

80 

3187,25 

J! 

50,5 „ 

33 

fl 

23 

3012,6 

fl 

50.74 „ 

18 , 

195 

3116,3 

Vl 

50.38 , 

34 

fl 

15 

3232,0 

99 

61,33 , 

19 » 

846 

8181,3 

n 

50,44 , 

35 

n 

18 

3166,6 

99 

50,61 h 

20 , 

450 

3186,7 

n 

50,19 „ 

86 

fl 

17 

8078,8 

99 

61,18 „ 

21 , 

512 

3155,9 

j> 

50,46 

37 

fl 

10 

3226,0 

99 

50,7 , 

22 , 

458 

8183,6 

w 

50,51 , 

38 

fl 

7 

8307,1 

99 

52,14 „ 

23 , 

333 

8167,3 


50,68 „ 

89 

fl 

8 

3256.0 

99 

50,76 „ 

24 „ 

261 

3151,7 

n 

50,54 „ 

40 

fl 

3 

3303,3 

fl 

61,33 „ 

26 , 

229 

3179,3 

D 

60,65 „ 

41 

n 

5 

2892,0 

fl 

49,8 , 

26 , 

175 

3158,9 

ji 

60,58 „ 

42 

n 

1 

8000,0 

99 

51,0 , 

27 , 

107 

3136,2 

fl 

50,71 „ 

44 

fl 

1 

2680,0 

99 

48,0 , 

28 „ 

98 

8135,2 

fl 

50,67 „ 

45 

91 

1 

2340,0 

99 

48,0 , 


Nach dieser Tabelle fallen die meisten Erstgeburten in das 




434 


Or. AkUeld. 


21. Jahr. Wdlten wir also nach dieaem Eriteriiim allein das 
heiratof&higfe Alter bestimmen, so wäre es das 20. 

Die schwersten Kinder fallen in das 20. Jahr, wenn man die 
Jahrgänge, in denen über 100 Fälle zar Beobachtung gekommen 
sind, als ausschlaggebend berücksichtigt. Danach könnte man 
schon das 19. Jahr als Prädilektionsjahr ansehen. Doch ist zu 
bemerken, daß bereits das 17. Jahr mit der schon erheblichen 
Zahl Yon 80 Geburten, das größte Eindesgewicht dieser Jahres¬ 
gruppe aufzuweisen hat. 

Ordnen wir, nach dem Vorgänge von Ißmer, die Gewichts¬ 
resultate auf die Frage hin, in welchem Jahrgange der Mutter 
das mittlere Gewicht eines jeden Jahrgangs am häufigsten ftbtt- 
schritten wird, nehmen wir also ans jedem Jahrgange z. B. die 
Kinder heraus, die 3500 gr und mehr gewogen haben, so erhalten 
wir folgende Tabelle: 


Alter 

Zahl 

der 

FlUe 

8500 gt 
imd darüber 
wogen 

Pros. 

Alter 

Zahl 

der 

F&Ue 

8500 gr 
and darüber 
wogen 

Pros. 

13 Jahr 

1 

0 

0,0 

25 Jahr 

229 

42 

18,4 

14 . 

2 

1 

50,0 

26 

n 

175 

35 

20,0 

lö » 

14 

1 

7,1 

27 

n 

107 

14 

13,1 

16 , 

37 

6 

16,3 

28 

ff 

98 

20 

20,4 

17 , 

80 

15 

18,7 

29 


60 

13 

21,7 

18 , 

195 

32 

16,5 

80 


67 

11 

16,4 

19 » 

846 

70 

20,2 

31 

n 

85 

8 

20,8 

20 , 

450 

91 

20,2 

82 

ff 

22 

1 

4,6 

21 » 

512 

94 

18,4 

33 

n 

23 

8 

18,0 

22 „ 

458 

89 

19.4 

34 

ff 

15 

5 

88,3 

28 , 

833 

63 

18,9 

85 

ft 

18 

4 

22.2 

24 , 

261 

48 

18.4 

36 

n 

17 

4 

23,5 


Läßt man die Anfangs- und Endreihen, ihrer geringen Zahl 
halber, weg, die sich auch in den prozentischen Resultaten, ange¬ 
sichts deren Unregelmäßigkeit, als nicht verwertbar heranssti^en, 
so sind das 19. und 20. Jahr die bevorzugten. 

Und vergleichen wir die Doppeljahre vor und nach den 
Jahren 19/20, soweit wir noch mit reichlichem Materiale rechnen 
können, so erhalten wir folgende entscheidende Tabelle: 


Alter 

Zahl der Fälle 

8600 gr and 
darüber wogen 

Pros. 

17—18 Jahre 

275 

47 

17,09 

10-20 , 

796 

161 

20,28 

21-22 , 

970 

183 

18,87 

28—24 , 

594 

113 

19 03 

25—26 , 

404 

77 

19,06 

27-28 , 

205 

34 

16,59 


Um dem Einwnrfe zu begegnen, indem ich 48 cm als Min¬ 
destmaß fflr reife Kinder meiner Berechnung zugrunde gelegt, 
hätte ich eine Anzahl reifer Kinder aasgeschaltet, die nur 47 cm 
Länge aufzaweisen hatten und vielleicht wären gerade die Kin¬ 
der jugendlicher Personen, obwohl reif, doch in der Länge gegen- 
flber denen entwickelterer Erstgebärender zurflckgeblieben, und 



















Dm hdratailhlge Alter and seliie geMtilicheii ünterlegea. 486 

bei positiver Beantwortnng dieser Fri^e würde sieh vielleicht 
das Prädilektionsjahr doch etwas weiter nach unten hin ver- 
sdiieben, habe ich noch alle Erstgreschwängerten ans meinen 
Listen ansgfeschrieben, deren Kinder unter 48 cm lang waren. 
Es sind dies, ZwUlingsgeborten nnd wenige Aborte abgerechnet, 
426 F&lle. 

Berechne ich nnn für die Gesamtzahl aller Erstgeburten 
das Verhältnis zu denen, deren Kinder unter 48 cm lang waren, 
so erhalte ich 10,6 ^/q. 

Diese mittlere Durchschnittszahl wird tatsädüich von den 
17 Jahr alten Müttern um ein erhebliches ttberschritten; denn 
von 95 Erstgebärenden dieses Alters gebaren 15 Kinder unter 
48 cm Länge, also 15,8 <^/o. Danach besteht die Möglichkeit, daß 
Mütter dieses Alters einerseits wohl reife Kinder unter 48 cm 
Länge hervorbringen, anderseits häufiger vor dem richtigen 
Schwangerschaftsende niederkommen. 

Gegen die erstere Annahme möchte ich die Tatsache hervor¬ 
heben, daß meine 47 16 jährigen Erstgebärenden nur 5 Kinder, 
also 10,6 (Normaldurchschnitt) ’^/o, unter 48 cm geboren haben. 

Die Länge des Kindes bringt für die Frage des Prädilektions- 
jahres keinen Entscheid, ein Beweis für die Bichtigkeit der An¬ 
nahme, daß die Länge des Kindes ein sichereres Zeichen für das 
Alter des Kindes abgibt, als sein Gewicht, wo wir hier nur aus¬ 
getragene Kinder ausgewählt haben. 

Aus diesen Tabellen geht hervor, daß das Weib im Alter 
von 19 bis 26 Jahren im Vollbesitze ihrer Fortpfianznngs- 
ffihigkeit sich befindet, daß aber das 19. und 20. Jahr für 
die Erstgeburt die bevorzugtesten sind, die wir 
also als Prädilektionsjahre anzusehen haben. 

Diese Tatsache gestattet uns den Schluß, das 18. nnd 
19. Jahr als das Alter der Heiratsfähigkeit, soweit die körperliche 
Beschaffenheit das Weib zur Matter geeignet macht, anzusehen. 

Außerdem entnehmen wir noch aus den Tabellen, daß aus¬ 
nahmsweise schon in frühem und in späterem Alter Fälle ver¬ 
kommen, in denen eine ausgezeichnete Frnchtentwicklung zu 
verzeichnen war. Wir werden nicht fehl gehen, hieraus den 
Schluß zu machen, daß, wenn Männer mit sehr jugendlichen oder 
im Alter schon vorgeschrittenen Personen außerehelich sieh 
einließen, ganz besonders körperlich gut entwickelte Individuen 
in Frage gekommen sind. 

Haben wir nun gefunden, daß in diesem Doppeljahre die 
Frucht sich für eine Erstgeschwängerte am besten entwickelt, so 
muß nun weiter festgestellt werden, ob auch die Geburt 
dieses Kindes im besagten Alter der Mutter ohne 
größere Gefährdung als in einem anderen Alter vor 
sieh gehen kann. 

Diese Frage müssen wir mit einem positiven Ja beant¬ 
worten. Nach dem, was ich oben in dem Abschnitte über Gebur¬ 
ten jugendlicher Matter aus eigenen Erfahrungen referiert habe, 
könnte sogar die Gebart in einem noch früheren Alter erfolgen; 



486 Dr. AUfeld: Dm lielrfttslihlge Alter and seine gesetsUehen Dnterlsgen. 


ich kann deshalb nnr die Worte von Manricean bestätige: .Les 
femmes andesons de qninze ans acconchent d'antant facilement, 
qn’elles sont jetmes*; wobei nattlrlich ebenfalls zn berficksichtigen 
ist, was ich eben angedentet habe, dass jagendliche Individuen 
nnr dann geschwängert zn werden pflegen, wenn sie ihrem Alter 
Yorans entwickelt sind. 

Die dritte Bedingung aber, ob mit dem Alter Yon 
10/20 Jahren auch die Fähigkeit, das Geborene nn> 
gefähr 9 Monate stillen zu können, gegeben sei, kannidi 
ans meiner Anstaltspraxis nicht feststellen, da ich die Wöchnerinnen 
nach wenigeh Wochen aus den Augen Yerliere. Das Yorliegende 
Material ist zur Beantwortung der hier einschlägigen Fragen 
nicht geeignet. 

Hingegen möchte ich aus meinen Erfahrungen sonst auch 
diesen Pnnkt positiY beantworten, wenn auch, wie bekannt, leider 
in einem grossen Prozentsätze der Fälle, die Wöchnerinnen wegen 
nngenflgender Ausbildung der Brflste Yom Stillen absehen mflssen. 
Dieser Mangel ist aber einer, der allen Altersklassen gemeinsam 
ist, nicht etwa für die 19—20jährigen Frauen als ein noch nidit 
beendetes Entwicklnngsstadiom angesehen werden muss, ein 
Mangel, der mit weiteren Jahren und weiterer EörperansbUdnng 
sich ausgleichen wird. 

Unsere Beweismittel haben uns, um nun ein Schlnssresultat 
kurz zusammenzufassen, dahin geführt, dass in unserem Klima 
unter normalen Verältnissen einMädchen Yon 18 und 
10 Jahren zur Ehe geeignet ist und zu einer im 19. 
oder 20. Jahre zu erwartenden ersten Gebart alle 
Eigenschaften mitzubringen pflegt, die einen gedeih¬ 
lichen Ausgang für Matter und Kind erwarten lassen. 

Somit hätten wir, Yon physiologisch-ärztlichem 
Standpunkte ans, das 18. und 19. Jahr als das heirats¬ 
fähige Alter anznsehen. 

Stimmen damit unsere gesetzlichen Vorschriften 
flberein? 

Im grossen nnd ganzen ist die Frage zu bejahen, nachdem 
bei Aufstellung unseres Deutschen Bftrgerlichen Gesetzbuches im 
Reichstage das heiratsfähige Alter auf das 16. Jahr hinaus- 
geschoben worden ist und nachdem aus § 176,8 des Strafgesetz¬ 
buchs der dort trflher befindliche Zusatz, dass die Verfolgung des 
Schwängerers nur auf Antrag geschehen könne, gefallen und damit 
der Gebrauch eines Mädchens unter 14 Jahren unter die Yer- 
brecherischen Handlungen einbezogen ist. Ich glaube, man hätte 
auch ffir diesen Paragraphen das Alter auf das 15. Jahr hinans- 
schieben können, zumal der Zusatz, dass mildernde Umstände be¬ 
willigt werden können, fftr die Fälle, wo ein Mädchen dieses 
Alters ganz auffallend weit entwickelt ist, ein gelinderes Strsi- 
mass gestattet. 

Ich betone schliesslich noch einmal, dass ich bei der Fest¬ 
stellung des heiratsfähigen Alters einzig nnd allein die körper¬ 
liche Ausbildung im Auge gehabt habe. Doch darf ich w^l 



Dt. Wegner: Hitwirkong der Hebemmeo bei der Säagliogapfiege osw. 487 

annehmen, dass bei einer richtigen Erziebnnsf auch die g^eietig'en 
Fähigkeiten mit 19 nnd 20 Jahren soweit vorgeschritten sein 
können, nm die Pflichten einer Ehefrau, Hausfrau nnd später Er¬ 
zieherin des Kindes verstehen zu können. 

Niemand wird verlangen, dass eine jnnge Mutter in letzterer 
Beziehung vollkommen sein wird. Erst das Leben nnd die Er¬ 
fahrung vollenden die Ausbildung. 


Dreijährige Erfahrungen über die Mitwirkung der Hebammen 
bei der Säuglinge-Pflege und -Ernährung im Kreise Lieea. 

Von Ctoh. Medieinalrat Dr. Wegner, Kreisarzt in Lissa. 

üeber drei Jahre sind jetzt verflossen, seitdem ich angefangen 
habe, die Hebammen bei der Pflege und der Ernährung der Säug¬ 
linge heranzuziehen. Ich will nun einen Rflckblick halten über 
die Erfahrungen der Jahre 1905, 1906 nnd 1907 auf diesem Ge¬ 
biete. Im Anfang des Jahres 1905 hatte ich die Hebammen auf¬ 
gefordert, in ein kleines Böchelchen ihre Besuche bei den Säug¬ 
lingen einzntragen. Ferner hatte ich ihnen eingeschärft, daß sie 
nun nicht mehr wie bisher nur 10 Tage nach der Entbindung, 
sondern das ganze erste Jahr die Säuglinge überwachen und 
die Augen aufmachen sollten, um etwaige Mißstände bei der Säug¬ 
lingspflege festzustellen. Sie sollten die Lagerstätte der Kinder 
bis auf den Grund besichtigen, desgleichen £e Kinder selbst am 
Körper wie in bezug auf ihre Kleider. Auch die Brüste der 
Mütter sollten sie sich ansehen, den Müttern immer zum Selbststillen 
nnd nur im Notfälle zum Gebrauche verdünnter Kuhmilch raten. 
Bei künstlicher Ernährung sei die Milch, ihr Aufbewahrungsort, 
die Milchflasche nnd der Pfropfen za kontrollieren, sowie besondere 
Aufmerksamkeit auf etwaige Unsauberkeit usw. der Wohnungen 
zu richten. 

Als die Hebammen im Januar 1906 zur Zusammenstellung 
ihrer Entbindungen, zum Abholen von Medikamenten, Gerätschaften 
und Tagebüchern zu mir kamen, da hatten manche zwar ihre 
Eintragungen in das zu diesem Zwecke angeschaffte Büchelchen 
nicht richtig gemacht, aber alle waren erstaunt, was sie alles 
beobachtet und zu sehen bekommen hatten. Ihre Berichte zeigten, 
daß sie bemüht waren, ihrer neuen Aufgabe möglichst gerecht 
zu werden, wenn es ihnen auch zunächst nicht überall gelungen 
war. Ich belehrte sie von neuem und betonte, daß sie eine Art 
Lehrerin sein sollten; denn es handele sich hier darum, alt ein¬ 
gewurzelte Vorurteile und Gewohnheiten, die nicht auf den ersten 
Streich fallen, zu bekämpfen. Es komme gar nicht darauf au, 
möglichst viel Kinder zu besuchen, sondern darauf, daß diese 
dauernd besucht und gründlich beraten würden. 

Die Hebammen haben meine Mahnungen und Belehrungen 
beherzigt; sie haben sich jetzt in die neue Tätigkeit leicht hin- 
e^efunden, üben sie bereitwillig und mit Neigung aus; auch 



488 Dr. Wegaer: Mitwirkung der Hebammen bei der Säuglingspflege usw. 


ist ihr Bat in allen Fällen gern angenommen. Die mir zu 
Neojahr 1907 and 1008 vorgelegten Bflcher waren meist richtig 
geführt. 

Als Entgelt haben die Hebammen für diese Sängliogsffirsorge 
jährlich je 10 Mark erhalten. 

Der Beweis ist also gelangen, daß die Hebammen geeignete 
Beraterinnen sind und daß anch die Mütter den nngeforderten 
Bat gern annehmen. Dazu stimmt allerdings nicht, was Kollege 
Lemke in der Medizinalbeamten-Versammlang za Liegnitz (si^e 
Beilage zn Nr. 8 dieser Zeitschrift, Jahrg. 1908) sagt, daß der 
halbberechtigte Bat der Hebammen eine unglückliche Bolle spiele, 
und daß von ihnen oft in den ersten Wochen and Monaten den 
Säaglingen Eindermehle and andere Zutaten verordnet würden. 
Ich weiß nicht, ob das die Ansicht vieler Kollegen ist, das glaube 
ich aber, daß meine Hebammen auch in schwierigen Fällen anf 
Selbststillen der Mütter dringen. Wenn dies nicht geht, ver* 
ordnen sie vorschriftsmäßig bereitete Milch und dringen auf Zu¬ 
ziehung des Arztes. Wenn die verkehrte Handlungsweise der 
Hebammen, wie Lemke sie schildert, weiter verbreitet wäre, 
dann wäre ja eine bessere Vorbildung der Hebammen und das 
lange ersehnte Hebammengesetz das allerdringendste Bedürfiiis. 

Es sind aber auch tatsächliche und zahlenmäßig nachweis¬ 
bare Erfolge in bezug auf die Verminderung der Säuglingssterb¬ 
lichkeit in den letzten drei Jahren im Kreise Lissa erzielt; wäh¬ 
rend nämlich hier vor drei Jahren von 100 lebendgeborenen Kin¬ 
dern jährlich durchschnittlich 20 im ersten Lebensjahre starben, 
ist diese Ziffer auf 15 bis 16,5 in den Jahren 1906 und 1907 ge¬ 
sunken. Das bedeutet einen offenbaren Erfolg; denn wenn andi 
der Zeitraum von drei Jahren nicht groß ist und Zufälligkeiten 
dabei mitsprechen können, so sprechen die Zahlen doch deutlich 
für den Erfolg des Verfahrens. 

Wir sind mit der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit 
wieder in eine Sackgasse geraten, üeberall schießen die Säug- 
lingsmilchanstalten und die Säuglingsfürsorgestellen wie Pilze ans 
der Erde, ohne daß sieh die Säuglingssterblichkeit verringert, 
weil deren Bekämpfung keine Milchangelegenheit ist, sondern eine 
soziale Frage bildet. Die Mütter müssen erst erzogen werden 
für die Pflege und Ernährung der Säuglinge, dann werden sie 
Milchküchen und Fürsorgestellen auch schätzen lernen und in 
Anspruch nehmen. Für diese Erziehung sind die Hebammen, die 
den Müttern schon in den Kindesnöten beigestanden haben, die 
berufensten Personen. Dazu müssen die Hebammen aber kleinere 
Bezirke, bessere Besoldung und eine bessere Vorbildung Imben. 
Deshalb ist unbedingt ein Hebammengesetz erforderlich, das jenen 
Anforderungen genügt und die Ausbildung und Mitwirkung der 
Hebammen auch in der Pflege und Ernährung der Säuglinge 
vorsieht. 



SLl«inere ICitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


439 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oeriohtllohe Medizin. 

Aosseheldaiif des Stiekoxydols. Terteilong iwisolien BlatkSrperelieii 
nd Plasaalm Mement der Narkose. Von Hanrice Nioloaz. TrareU da 
laboratoire de physioL g6n4rale da mosäom d’histoire naturelle. Comptes 
readoB de la soc. de biol.; LXIV., 1908, Nr. 12. 

Stickozydal yerschwindet ans dem Blate außerordentlich rasch, sobald 
die Tiere reine Luft einatmen. Nach dem Aafhdren der Anwendung des 
NarkoUkuau tritt dementsprechend aach die Sensibilität sofort wieder ein. 

Wie bei Chloroform (Tissot), Aether^) (Nicloux), Aethylchlorid*) 
(L. Camus und Nicloux), yerschwindet auch bei Stickoxydalnarkose das 
Mittel weniger rasch aus dem yenösen, als aus dem arteriellen Blute. 

Das Plasma enthält bei der Narkose weniger Sti<±ozydal als die Blut* 
kOrperehen. _ Dr. Uayer*Simmeni. 

Heber die Bildung praeilpitlerender Substanzen bei Kaninchen, 
denen Alenronat Intraperitoneal injislert wurde. Von J. Cantacnsäae. 
Comptes rendus de la soc. de biol.; LXHl, 1907, Nr. 82. 

Die Versuche sind fOr den Qerichtsarzt yon großem Interesse. Der 
Autor legte sich die frage yor, ob es mOglich sei, bei normalen Kaninchen 
durch einfache Einyerleibung yon Substanzen, die auf die 
Leukozyten energische chemotaktische Wirkung austtben, 
Antikörper zu bilden, die auf fremde Sera präzipitierend 
wirken. In der Tat konnte er beim nicht yorbehandelten normalen Eaidnchen 
dies durch intraperitoneale Injektion einer an Alenronat reichen Emulsion er* 
zielen. Ans seinen Beobachtungen ergab sich: 

a) Die Inoknlation einer chemotaktischen Substanz, wie Alenronat, ge* 
attgt, bei hinreichender Größe der injizierten Menge, um in den lymphoidea 
Orgaaen, insbesondere in der Milz, ferner in leukozytenreichen Exsudaten Anti* 
kOrper auftreten zu lassen, die auf Pferdeserom präzipitierend wirken. 

b) Diese Präzipitine sind im Gegensatz zn jenen, die nach Inokulation 
yon Pferdeserom anftreten, nicht spezifisch. Bei Mischungen in gleidien 
Meagenyerhältnissen fällen sie yerschiedene Sera (Pferd, Hammel, Meerschwein¬ 
chen, Hand — dieses letztere allerdings yiel weniger reichlich). 

c) Diese nicht spezifischen Präzipitine treten schon nach Ablauf 

yon 20 Standen auf und finden sich sogar manchmal um diese Zeit auch in 
Spven im Blate. Zar Ausbildong spezifischer Präzipitine bedarf es da- 
segen einer längeren Inkubationszeit. Solche treten erst 6 bis 8 Tage nach 
oer Injektion im Blute aal _ Dr. Mayer-Simmem. 

Sin Fall yon Tei^ftung nach Gebrauch yon Thloslhamln. Von Dr. 
Faul Große-Leipzig. Mfinchener mediz. Wochenschrift; 1908, Nr. 17. 

Bin 54jähriger Geschäftsmann erhielt wegen Schmerzhaftigkeit an der 
linken und rechten Schulter zwischen den 29. Oktober 1907 und 16. Dezember 
1907 im ganzen 6 Einspritzungen yon 0,2 Thlosinamin Merk. Die behandelnden 
Aerzte bezeichneten die Injektion yom 16. Dezember als Ursache einer 
schweren Erkrankung mit nachstehenden Vergifiungserscheinungen: Hers* 
schwäche, Fieber, Anuie, Erbrechen, hochgradiger Verfidl der körperlichen 
und geistigen Kräfte. Anffallenderweise traten (Qe Vergiftnngssymptome erst 
■ach der 6. Injektion auf; die yorhergegangenen Injektionen mögen dis¬ 
ponierend mitgewirkt haben. 

Bisher waren nur yereinzelt geringe Fiebererscheinungen und Mattig* 
keitsgeftthl nach Gebrauch yon Tiüosinamin beobachtet worden. Der yor* 
Beende Fall beweial daß auch bei diesem Mittel, wie bei so manchen andern 
gsniUshst als ansehädlich angesehenen Medikament große Vorsicht am Platze ist. 

_ Dr. Waibel*Kempten. 


*) Zeitschrift f. Medizinalbeamte; 1907, S. 280. 
*) Ebenda; 1908, S. 203. 



440 


Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften. 


üeber Hon subita der Henkraaken. Von Prot Pr. H. Kisch in 
Prag - Marienbad. Mttnchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 14. 

Yeifasser bemühte sich schon seit Jahren an! Grandlage der Beohaehtongea 
am eigenen Krankenmateriale wie anf Basis zahlreicher Obdnktionsbefande 
bei plötzlich Verstorbenen den Verhältnissen näher za treten, anter denen bei 
Personen mit Herzleiden Mors sabita inopinata za befürchten ist. Er sichtet 
seine 166 Fälle nach 3 Haaptgesichtsponkten: 1. nach dem Alter des Herz¬ 
kranken, 2. nach der Beschaffenheit des Herzens and der Gefäße and 8. nach 
den nnmittelbaren Anlässen der Mors sabita. 

Za 1. Hiernach sind Herzkranke im Alter bis za 80 Jahren sehr wenig 
disponiert, plötzlich za Grande za gehen. Bei sonst gat kompensierten Herz- 
feUem in diesem Lebensalter ist der fhcitns sabitas fast so selten wie bei 
herzgesonden Individaen. Häafiger schon ist Mors sabita and zwar mit den 
Jahren progressiv steigend bei Personen von 80—50 Jahren. Im Alter von 
über 50 Jahren maß bei Personen, die an Herz and Gefäßen erkrankt sind, 
mit dem plötzlichen Exitos als einem Faktor gerechnet werden, welcher anter 
gewissen Umständen bezw. pathologischen Verhältnissen eine große Wahr- 
si^einlichkeit hat. 

Za 2. Am häafi^ten tritt Mors sabita bei 2 Grappen von Personen 
mit Herzbeschwerden ein: bei hochgradig lipomatösen Individaen and bei 
Personen mit allgemeiner Arteriosklerose, noch häufiger bei Personen im Alter 
von über 50 Jahren mit hochgradiger Lipomatosis and Arteriosklerose zagleich. 
Dieselbe schlimme Prognose bietet sich beim Zasammentreffen der Insaffizienz 
der Herzklappen gewöhnlich von Bikaspidalinsaffizicnz mit Endarteiitis and 
Insaffizienz der Aorta, wenn dabei vorgeschrittene fettige Degeneration des 
Myokards and starke Dilatation dos linken Ventrikels vorhanden ist. 

In allen Fällen von hochgradigem Aortenanearysma maß der plötzliche 
Exitos dorch Baptar des Aneorysma als ein za erwartendes Ereignis betnchtet 
werden. 

Za 8. Den anmittelbaren Anlaß zar Mors sabita geben häofig: körper¬ 
liche Anstrengang, Bergsteigen, reichliche Mahlzeiten, Genoß alkoholischer 
Getränke, Vollziehang des Coitas, Hastenanfall, Absetzen des Stahlgangs, ein 
Anfall von Darmkolik, Gallenstein- oder Nierenkolik etc. Anch Schwächezu- 
stände in der Bekonvideszenz Herzkranker nach akaten Erkrankongen, beson¬ 
ders Pneamonie, Typhös osw. bilden nicht selten die Ursache von plötzlichem 
Herzstillstände. 

Schließlich erwähnt Verfasser noch, daß der plötzliche Tod der Herz¬ 
kranken zameist ein foodroyanter ist. Wie das Licht rasch aosgeblasen, so 
erlischt das Leben dorch aogenblickliche Herzparalyse; der Betreffende sinkt 
laatlos hin oder es tritt der Tod erst nach Standen an akotem Longenödem ein. 

_ Dr. Waibel-Kempen. 

Beitrag inr Kenntnis der spontanen Helinng der Herzwnnden. Von 
Attilio Cevidalli, Assistent and Privatdozent am Institot für gerichtliche 
Medizin za Florenz. Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin osw.; 8 F., 
85. Bd., 2. H., 8. 272. 

Hystologische Untersnchong einer in Vemarbnng begriffenen Herzstich- 
wonde, in deren Gefolge am 7. Tage der Tod dorch hinzagetretene Broacho- 
pneomonie an Herzschwäche eintrat. Die reparatorischen Vorgänge entsprechen 

f enaa den am Tierexperimenten gewonnenen Anschaoongen: keine Eiterong, 
'ehlen der Maskelfasern in der Narbe, Karyokinese in den Maskelkernen, aber 
keine Muskelneabildang, sondern Bindegewebswacherong (Fibroblasten). Diese 
Wacherang bildet kleine warzenförmige Erhebongen im Grande des trichter¬ 
förmigen Defekts; sie geht anscheinend mehr vom sobepikar^alen als vom 
interstitiellen Bindegewebe ans. Aach die Zeiten, in denen die einzelnen Be¬ 
fände zar Boobachtang gelangen, scheinen mit dem im Experiment ermlttelteB 
za stimmen, so daß möglicherweise aas dem hystologischen Befand einer Herz- 
narbe ein Bückschlaß aof die Zeit der Verwondang gezogen werden kaaa. 

_Dr. P. Fraenkel-Berlin. 

Zar Lehre von der Gehlmersehttttemag. Ein kasoistischer Beitrag. 
Von Dr. Baller, Oberarzt an der Provinzial-Irrenanstalt Owiask. Viertel- 
jahrsBchrift für gerichü. Medizin osw.; 8. F., 85. Bd., H. 2, 266 S. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aoa Zeitsohriften« 


441 


Ein Oeieteskranker erUelt von einem anderen mit der Schneide des 
Spatens einen wnchtigen Schlag gegen den Unterkiefer. Er stürzte bewustlos 
auf den locker aufgegrabenen Erdboden und war sofort tot. Der rechte Ast 
des Unterkiefers war mit Weicbteilen und Zähnen bis zum Unterkicferwinkel 
abgesprengt. Schädelkapsei intakt. Blutgerinnsel in der ganzen Arachnoidea, 
unter dem Plexus chorioideus und im yierten Ventrikel. Der Dornfortsatz des 5. 
Halswirbels war zur Hälfte, der 6. Dornfortsatz an der Basis abgebrochen, 
die Halswirbelsäuie zwischen 2. und 6. Wirbel abnorm beweglich, dabei der 
Bandapparat zwischen Atlas und Epistropheus unverletzt. Im Wirbelkanal war 
eine massige Menge Blut, ln den Maschen der Arachnoidea und unter ihr 
überail Blutkoagula. Der 6. Halswirbel war samt der Knorpelscheide vom 
Körper des 5. Wirbels abgerissen. 

Diese Veränderungen erklärt Verfasser durch eine unter der Wucht des 
Hiebes zustande gekommene Ueberstreckung der Halswirbelsäule, die zuerst 
die Frakturen und sekundär die Blutungen in den Kanal zur Folge hatte. 
Die subarachnoidale Blutung wird auf eine Uebordehnung des Marks zurttck- 
geführt, wobei an die nach Schulz eschen Schwingungen beobachteten 
Bfickenmarksblutungen godacht wird. Todesursache war der Hirndruck durch 
die Hirnblutung. Die diffuse Blutung in die weichen Hirnhäute ist durch die 
Himerschütterung beim Schlage zu erklären; diese Erschütterung werde be* 
günstigt durch die Beweglichkeit des Hirns im Arachnoidalsack, zumal, wenn 
wie hier eine Atrophie des Hirns besteht. Dabei entstehen QefäJBzerreißungen. 
Ueborhaupt habe man die Gehirnerschütterung als eine Quetschung des Gehirns 
aufzufassen, die durch eine gewisse Bewegung desselben ln toto bewirkt wird. 
Auch die leichtesten Fälle von Commotio seien hierauf zurttckzuführen, nicht 
auf den aShock*. Dr. Fraenckel*Berlin. 


lieber Lokalisation and kltnlsohe Symptome intrakranieller Blnt- 
ergttsse Nengeborener. Von Privatdozent Dr. Seitz, Oberarzt der KönigL 
Universitäts-Frauenklinik in München. Münchener Medizinische Wochenschrift; 
1908, Nr. 12. 

Verfasser berichtet über 28 an der oben genannten Klinik beobachtete 
Fälle von während der Geburt bei Kindern entstandenen intrakraniellen 
Blutungen, wobei er sein Hauptaugenmerk uuf die Lokalisation und auf 
die klinischen Erscheinungen richtete. 

Im Gegensatz zu dem Erwachsenen, bei dem die arteriellen Blutungen 
llberwiegen, sind die während der Geburt entstehenden Blutungen fast aus¬ 
nahmsweise venös; sie sitzen fast immer subdural, zwischen Dura und Pia 
gelegen, fast nie in der Gehirnsubstanz, selten in den Ventrikeln. Die zwischen 
Dura und Knochen gelegenen Hämatome sind selten, wegen der starken Ad¬ 
härenz des Knochens wenig ausgedehnt und bewirken wohl nie Hirndruck- 
Symptome. 

Klinisch von größter Bedeutung ist, ob die Blutungen unterhalb des 
Tentoriums über Üeinhlra und Medulla oblongata (infratentoriale 
Blutungen) oder ob sie oberhalb desselben über dem Großhirn gelegen sind 
(supratentoriale Blutungen). 

Die infratentorialen Blutungen sind gefährlicher, als die supratentorialen 
wegen des Druckes auf die Medulla oblongata und das Atemzentrum. Auch 
ist die Menge des ergossenen Blutes bei den ersteren Blutungen meist gering, 
während bei den letzteren Blutungen die Blutmenge meist groß ist, so daß 
eine starke Druckwirkung auf die benachbarten Gehirnpartien ausgoübt wird. 
Das Blut stammt aus den angerissenen Venen, die in den Sinus longitudinalis 
einmttnden; ihr Platzen erfolgt teils durch Stauung bei aspbyktischen Zuständen, 
teils durch Zerrung bei raschem und starkem Uebereinanderschicben der beiden 
Scheitelbeine. 

Mancher Arzt wird nach einer schweren operativen Entbindung mit 
Bangen die Entwicklung der Hirndrucksymptome verfolgen. Auch das Publikum 
ist geneigt, Schädigungen am Kopfe des Kindes stets der Zange zuzuschreiben 
mit Unrecht; denn unter den 23 Fällen des Verfassers verlief die Geburt 6mal, 
also mehr als spontan und leicht; in einem Falle handelte es sich 
gm eine 16, Gebärende, bei der alle Geburten spontan erfolgten und alle Kinder 



442 


Kleinere Hitteilnngen and Referate atu Zeiteehriften. 


lebend zur Welt kamen, und in einem anderen Falle am die Geburt des gleich 
großen zweiten Zwillings einer Erstgebärenden; der erste Zwilling bUeb 
yOlUg gesund. Diese Tatsachen sind auch in forensischer Be¬ 
ziehung von Wichtigkeit. Stirbt plötzlich ein anscheinend gesundes 
Kind, so wird nicht selten der Verdacht einer beabsichtigten Tötung heiror- 
gerufen. Findet sich bei der Sektion eine Blutung um die MeduUa oblongate, 
so ist der Tod genttgend erklärt. Die Beurteiiang einer solchen Blutung 
bedarf jedoch besonderer Vorsichtsmaßregeln. Blutungen über einer 
Großhirnhemisphäre bei tot auf gefundenen Kindern brauchen 
nicht durch eine äußere Gewalteinwirkung, sondern können 
auch lediglich durch den Geburtsakt entstanden sein. 

_ Dr. Waibei-Kempten. 


Bigor mortis bei Totgeborenen. Von Parkinson. British medical 
Journal; 1908, 8. Februar. 

Parkinson teilt 4 Fälle (eine Abbildung) Ton Bigor mortis bei tot¬ 
geborenen Früchten mit und kommt zu folgenden Schlußsätzen. Die Toten¬ 
starre kann unter Umständen schon vor dem Beginn der Geburt eintreten und 
ablauien. Tritt die Totenstarre erst während der Geburt ein, so kann sie die 
Anstreibungsperiode yerzOgem. Die Siarre kann auch erst nach Beendigung 
der Gebart mehr oder weniger vollkommen zur Ausbildung selangen. Die 
Haltung, wdche totgeborene Kinder während der Starre einnehmen, ist eine 
andere als die, welche die Muskelstarre sonst heryorbringt. Die Extremitäten 
und der Bumpf nehmen die gleiche Lage ein, welche sie in utero haben. Die 
Totenstarre als solche ist kein Zeichen des Gelebthabens. Dagegen läßt sich 
ans der Art, wie die Starre in die Erscheinung tritt, ein Urteil über diesen 
Punkt gewinnen. Bei einem totgeborenen Kinde werden die Glieder durch die 
Starre an den Bumpf gezogen. Hat das Kind dagegen Gelegenheit gehabt, 
seine Glieder außerhalb der Gebärmutter frei zu bewegen, d. h. gelebt, so 
bleiben die ^remitäten während der Starre ansgestreckt. 

Dr. Beyenstorf-Hamburg. 


üeber die Entstehung des Geschleehtstriebes. (Sulla gened dell' 
impulso sessuale). Aus dem Institut für gerichtliche Medizin der Uniyersität 
Payia. Direktor Prof. Gioele Fiiomusi-Guelfi. Von Dr. Angelo De 
Dominicis. Sep.-Abdr. ans Bisveglio Medico.; 1908, Nr. 41. 

Zur Auslösung des Geschlechtstriebes bedarf es des Uebergann 
wirksamer Substanzen yon Hoden, Prostata und Samenblasen in das Blut. Als 
aktlye Grundlage des Brown-Sequardschen Versuches hat Poehl das 
Spermin isoliert, das sowohl auf die Genitalsphaere wirkt, als auch ein allge¬ 
meines Tonikum ist. Der Autor hat mit Barberios Beaktion die Anwesen¬ 
heit yon Spermin im menschlichen Hoden, in größerem Maße in der Prostata 
nachgewiesen. P o s n e r hat zwischen Impotenz bei Diabetes und Veränderun¬ 
gen der Prostata übrigens Beziehungen gesucht. Die Funktion der Prostata 
kann durch Spermingebalt der übrigen Organe auch kompensiert werden. 

Da die Auster (Ostrea edulk) und bestimmte Trttlfeiarten (Tuber- 
magnatum und melanospermum) als Aphrodisiaca gelten, stellte der Verfasser 
die Barberlösche Probe mit dem Rückstände des ammoniakalischen Alkohol- 
eztraktes der Auster und mit weißen Trüffeln direkt an. Beide geben mit 
Pikrinsäure die charakteristische Beaktion. 

Der Autor glaubt, in der gerichtlich-medizinischen Praxis Fälle yor- 
aussagen zu dürfen, in denen die Barber io sehe Beaktion zur Bestimmung 
der Sexuidfanktion gute Dienste tun dürfte. Dr. Mayer-Simmem. 


Drei Fälle yon Persistenz des Hymens nach der Terehellehnng und 
Sehwangersohaft ln ein und derselben Familie. Bevue de th6rap. medic. 
Chirurg.; 1. Dez. 1907. Von Dr. Marx, Spitalsarzt (St. Lasaire) in Paris. 
AUg. W iener med. Zeitung; 1907 Nr. 62. 

Der wesentliche Inhalt der Mitteilung ist in der Ueberschrift enthalten. 
Es handelte sich um zwei Schwestern, bd denen der Verfasser gelegentlich 
anderer Erkrankungen, einmal Pyämie und Meningitis, das andere mal Abortus, 



Kleinere Mittellangen and Befemte »ne Zeiteehriften. 


443 


die Pereietens des Hymens feetetellen konnte. Zni&Uig erfahr er bei dieser 
Gdegenheit, dafi die Matter der beiden Schwestern bei ihrer ersten Entbindang 
noch im Besits der intakten Hymens gewesen war. Der damals hinzage* 
»ogene Arzt maßte, um die Gebart zu yollenden, das Hymen mit dem Glüh» 
eisea zerstören. 

Der Verfasser zitiert aas der Literatar noch eine Beihe von F&Uen, bei 
denen das Hymen trotz b&aflgen, geschlechtUohen Verkehrs, mitonter selbst 
noch der Entbindang intakt geblieben war. Entweder handelte es sich hier 
OB dehnbare Hymen oder cs kam ein yestibolirer Coitas in betracht, wie in 
den beiden letzten Fällen des Verfassers. Dr. Karpjaweit-Berlin. 


Zar Konserrlerang der Farbe anatomischer Priparate. Von Giaseppe 
Fornario. (Institut Pasteur de LUle). Comptes rendus de la soc. de bioL; 
LXIV., 1908. 

Das Kayserling sehe Verfahren zur Konseryierung anatomischer 
Priparate hat den Nachteil, daß es histologische Textur und die Beaktionen 
gegenttber bestimmten Farbstoffen yerändert. Der starke Glyzeringehalt, der 
daaa gehOrt, macht es ttberdies sehr teuer. 

In Formol lange Zeit konseryierte Präparate, die ihre Farbe eingebftßt 
hatten, wurden einige Angenblicke in Pikrinsäure-EssigsauielOsung gegeben 
und nahmen dadurch ihre frische Farbe wieder an. 

Der Autor empfiehlt daher: Einbringen in 4**/o Formol, nach 48 Standen 
in 90* Alkohol, nach 14 Standen in frischen 90* Alkohol, dem auf das Liter 
10 ccm folgender Ldsung zugesetzt sind: Gesättigte wässrige Pikrinsäure* 
lOsuog 100 ccm, Eisessig 4 ccm. Die ursprüngliche Farbe tritt dann in 
wenigen Minuter ein. Nach einigen Tauen nimmt man die Präparate heraus 
und bringt sie endgültig in 90* Alkohol. Die Farbe wird dann nicht mehr 
yerändert. 

Bei großen Präparaten ist es ratsam, der Pikrinsäure-Essigsäurelüsung 
ein kleine Menge Hämoglobin hinzuzuffigen. 

Der Autor betont die Einfachheit der Methode und die Begelmäßigkeit 
ihrer guten Ergebnisse. _ Dr. Hayer-Simmem. 


B. QerlohtUolia Poyohlatrla. 

Zar Klinik der arterlosklerotisehen SeelenstSningen. Von Prof. 
Dr. Web er-Gottingen. Zeitschrift f. Psychiatrie a. Neurologie; Band XXIU, 
1908, Ergänzun^sheft. 

Die arteriosklerotischen SeelenstOrungen sind nach den Darlegungen des 
auf klinischem wie anatomischem Gebiete gleich erfahrenen Verfassers Er¬ 
krankungen, die im 6. Lebensjahrzehnt oder etwas früher, jedenfalls im Prädi- 
lektionsuter der Paralyse, akut beginnen und zwar mit expansiven GrOßenideen, 
gehobener Stimmung, motorischer Unruhe und einigen organischen Symptomen. 
Gegen die Diagnose „Paralyse* sprechen folgende Momente: 

1. Die GrOßenideen werden mehr in den normalen Vorstellungskreis der 
Persönlichkeit und ihrer Stellung eingeordnet; sie werden logisch zu begründen 
yersneht und sind saggestiy weniger beeinfiuiSbar. 

2. Auch in den Zeiten hougradiger Erregung bleibt die Besonnenheit 
und das Bewußtsein der Persönlichkeit erhalten. Es treten keine traumhaften 
Zustände und keine Verwirrtheit wie bei der Paralyse auf. 

8. Der Intellekt bleibt lange erhalten; Gedächtnis und Merkfähigkeit 
brauchen gar nicht gestOrt zu sein. 

4. Vielfach stehen im Vordergrund des psychischen Bildes ethische 
Defekte, die nicht nur wie bei der Paralyse die Vernachlässigung der äußeren 
Haltung betreffen, sondern namentlich in einem Verschwinden alier altruisti¬ 
schen Begangen auch gegenüber den nächsten Angehörigen bestehen. 

6. Die organischen Symptome sind wenigstens im Beginn nicht so 
charakteristisch und nicht so konstant wie bei den meisten Paralysen. Artiku- 
latorische Sprachstörung fehlt fast ganz. Dagegen finden sich Pupiliensymptom^ 
aber gewOnlich nicht die einfache Lichtstarre, sondern meist kombiniert mit 
akkomodatiyer Lähmung und nicht yon konstanter Intensität und Lokalisation 
aof demselben Auge. Erst nach sehr langer Krankheitsdauer kommen Herd¬ 
symptome yor. 



444 


Kleinere Hittellnngen und Referate ans Zeltaehriften. 


6. Die Däner der Erkranknag ist dorehwog eine iäagere als bei den 
Paralysen. 

7. Der Verlauf ist sehr schwankend, ohne daS es au TOlligen BemissioneB 
kommt. 

8. Die Erankheitsbilder entstehen auf dem Boden einer angeborenen 
degeneratiTen Anlage, die sich hauptsächlich in einer Terringerten Widerstands¬ 
fähigkeit des Oefäßsystems äußert. 

9. Neben diesen endogenen Momenten sind als akzidentelle Krank¬ 
heitsursachen exogene Schädlichkeiten, namentlich Lues, Alkoholismus und 
geistige Üeberarbeitnng nachznweisen. 

10. Die anatomische Grundlage ist eine diffuse Erkrankung zahlreicher 

kleiner Gefäßäste, die zunächst nur zu Störungen in der Blutzirknlation und 
Himemährung, später zu dauernden Gewebsveränderungen in Gestüt von 
Gtowebsödem, perivaskulärer Gliawucherung und Untergang nervöser Ele¬ 
mente fährt. Dr. Többen-Mänster. 


Beitrag zur Kenntnis der Poliomyelitis anterior snbaenta adnltomm. 
Von E. M e d e a - Mailand. In das Deutsche übertragen von Dr. Kurt Meyer. 
Aus der psychiatrischen und Nervenklinik der König!. Charitö Berlin. Geheim- 
Bat Prof. Dr. Ziehen. 

1. Die subakute Poliomyelitis anterior der Erwachsenen ist eine klinische 
Krankheitsform, die, wenn auch selten, doch das Recht auf selbständige Existenz 
hat. Sie hat auch eine bestimmte anatomische Grundlage, die in vielen PÜlen 
an die Veränderungen bei der akuten Poliomyelitis, wenigstens was die Vorder- 
hömer betrifft, erinnert. 

2. Die Sensibilitätsstörungen, die in einigen seltenen atypischen Fällen 
bei der subakuten Poliomyelitis anterior beobachtet werden, können, wenn nicht 
Veränderungen an den peripheren Nerven vorhanden sind, auf leichte Verände¬ 
rungen der Hinterstränge zuräckgeftthrt worden, die sich bei jenen seltenen 
und atypischen Fällen von subakuter Poliomyelitis finden können. 

8. Bisweilen kann man bei der subakuten Poliomyelitis anterior eine 
mehr oder weniger bedeutende Veränderung der Vorderseitenstränge neben der 
Haupterkrankung der Vorderhörner beobachten. Diese Veränderungen stehen 
höchstwahrscheinlich mit der Erkrankung der Vorderhörner in Zusammenhang. 

4. Wenngleich die typischen Formen der amyotrophischen Lateralsklerose 
Und der subaknten Poliomyelitis anterior sich in klinischer wie anatomischer 
Hinsicht als sehr weit voneinander entfernte Krankheiten darstellen, so können 
sich doch zuweilen bei den atypischen Formen beider Erkrankungen klinische 
und pathologisch-anatomische Befunde von großer Aehnlichkeit ergeben. 

Dr. T ö b b e n -Münster. 


Posttraumatlsche, transitorische Bewusstseinsstörungen. Von Dr. Carl 
Wendenburg. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie; Band XXIIl, 
Ergänznngsheft. 

Für die posttraumatischen, transitorischen Bewußtseinsstörungen scheint 
dne jähe Unterbrechung der Assoziationskette und hochgradige nachfolgende 
Amnesie charakteristisch zu sein, während das Verhalten des Bewußtseins, die 
Affektlage und die Ideenassoziation nicht immer gleichmäßig sind. Nach 
Traumen können dipsomanische Attacken, eigentliche Dämmerzustände und 
solche BewußtsebsVeränderungen anftreten, welche mehr einen somnambulen 
Charakter tragen. Diese posttraumatischen Bewußtseinsstörungen können die 
Ursache der Poriomanie sein, so daß wir Wanderungen außer bei Epilepsie, 
Hysterie und in dysphorischen Zuständen degenerativ veranlagter Personen 
auch noch bei traumatischen nervösen Erkrankungen, die nicht zur Epilepsie 
oder Hysterie gehören, erwarten können. Wanderznstände sind demnach kein 
Symptom einer bestimmten Krankheit. In den bis jetzt genauer untersuchten 
Fällen waren sie nur der Ausfiuß eines psychischen oder nervösen Grundleidens; 
sie dürfen solange nicht als pathogenetisch angesehen werden, als der Nach¬ 
weis einer solchen Krankheit nicht erbracht ist. 

Bei der forensischen Beurteilung bleibt auch noch der Beweis zu führen, 
daß ein Wandern im Zustande krankhafter Veränderung der Bewußtseinstätig- 



Kliere Mitteilangen and Referate aas Zeitaohriflen. 


445 


keit Torliegt. Nor in dieeen Fällen könnte nach Ansicht den Yerlnssen der 

L öi aal die während der Wanderung yorgenommenen Handlangen Anwendung 
iden. Dr. Többen'Httnster. 


Bin Fäll yen Dementia pesttraonuittca mit nagewöhnlichea Begleit* 
ersehelnungen* Von Stabsarat Dr. Trespe in Httblhaosen L E. Münchener 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 18. 

Ein 28 jähriger Masketier fahr in angotrankenem Zustande Karussel and 
ntttrste beim Abspringen yon diesem, kara yor Beendigung der Fahrt, an Boden. 
Et glaubte sich keinerlei Schaden getan aa haben und aechte dann weiter. 
Nach seiner Rückkehr in die Kaserne warde er yon älteren Kameraden seiner 
Stube dafür, daß er betranken so spät nach Hause kam, durcbgeprügelt. Hierbei 
wurde er auch des öfteren mit dem Kopf gegen eine Spindtür und gegen eine 
eiserne Bettstelle geworfen. Im Anschluß an diese — wahrscheinlich mehr* 
fachen — Kopfyerletaungen trat ein etwa 14 Tage andauernder Zustand yon 
hochgradiger Bewoßtseinsstöruag auf, aus dom er mit totaler Amnesie für die 

S tnae Vergangenheit, mit hochgradigem Schwachsinn und einem isolierten 
efekt des Lesens und Schreibens erwachte. Die DUgnose lantete auf: trau* 
matischer Schwachsinn (Dementia tranmatica im Sinne Koeppens). 

Das Kriegsgericht forderte ein Qntachten ein unter anderem darüber, 
inwieweit der Stars yom Karussel aal den Kopf als Ursache für die Entwick¬ 
lung der Deistesstörung in Betracht kommen könne. 

Verfasser gab unter Hinweis darauf, daß erfahrungsgemäß einerseits 
gerade der trunkene Zustand eines Verletzten sehr wohl leichte, für einen 
Laien nicht erkennbare Erscheinungen einer Qehirnerschütterung yerdecken 
kann und anderseits recht häufig diese Erscheinungen erst nach Standen offen 
zutage treten, sein Gutachten d^ahin ab, daß es zwar wenig wahrscheinlich, 
aber dennoch nicht sicher auszuschließen sei, daß der Sturz yom Karussel im 
Gehirn bereits Veränderungen heryorgerufen habe, infolge deren die spätere 
Körper- und Schädelyerletzung durch die Kameraden so schwere Schädigungen 
des Gehirns herbeigeftthrt habe. Dr. Waibei*Kempten. 


Psjehnpathla sexnalis und Epilepsie* Von Dr. E. Andenino-Turih. 
Archiyio di Psichiatria, Neuropatologia etc.; 1907, Fasz. VI. 

Die 3 näher beschriebenen Fälle aus der psychiatrischen Klinik in Turin 
sind insofern zusammengehörig, als es sich jedesmal um angeborene sexuelle 
Psychiatrie — im ersten Fall 89 jähriger Arbeiter, seit früher Jagend Onanist, 
CunnOingus usw., im zweiten Fall 16 jähriges Mädchen als Uranistin 
zu bezeichnen, im dritten Fall 16 jähriges Mädchen* mit frühzeitiger 
zexueller Betätigung — mit schweren psychischen Erscheinungen, die sich bei 
genauerem Nachforschen ^ Epilepsie — teils als typische epileptische Anfälle, 
teils daneben auch als substituierende heftige Wutausbrüche und dgl. — 
deutlich feststellen ließen. Diese Vereinigung yon EpUepsie und sexuelle 
Anomalie ist nach der Ansicht des Verfassers keine zufälligej yielmehr ist, 
wie solche Fälle auch yon anderen Autoren beschrieben sind, die Epilepsie als 
der Boden, auf dem die sexuelle Anomalie entstanden ist, anzusehen. 

Alle 8 Personen wurden als geisteskrank der Irrenanstalt zngeführt, 
aacbdem bei dem ersten eine Bestruung yorangegangen war und die zweite 
Kranke ohne Nutzen in yerschiedenen Instituten nntergebracht gewesen war. 

Dr. Solbrig-Allenstein. 


O. BaohwarztAadigantAtigkalt ln Unfall- und InvalldltAtsanohen. 

Paralysb ai^tans und Unfall. Von Dr. Kurt Mendel. Monatsschrift 
i Psychiatrie und Neurologie; Bd. XXIIl, 1908, H. 5. 

Ein Trauma ist sehr wohl imstande, die Erscheinungen der Schüttel¬ 
lähmung zum Ausbruch zu bringen. Immerhin kommt man auch in diesen 
Fällen ohne die Annahme einer yorhandencn Prädisposition zur Erkrankung 
ni^t aus. Zu dieser Prädispositionsanlage gesellt sich dann noch die For¬ 
derung eines gewissen Alters des Verletzten und eines zeitlichen Zusammen¬ 
hangs zwischen Beginn der Krankheit und Trauma als Bedingungsfaktoren 



446 


Kleinere MitteilnnKen and Referate ans ZeitBchrlften. 


Ittr den Anebmch des Leidens nach dem ünfoll besw. fflr draen beiderseitigea 
Zosammenbang binsn. _ Dr. TObben-Münster. 


Znr Frage des nrslehllehen Znsammenhnngs ren Tabes nnd Tnrama. 
Von Dr. Paal Koeppen-Berlin. Monatssebrilts für Unlallbeilkande and In* 
Talidenwesen; Nr. 8. 

Der Maarer T. batte drei Unf&Ue erlitten. Erst fiel ibm ein Hammer 
aal den Kopf, beim zweiten bandelte es sieb am eine Kontosion der rechten 
Brasteeite, beim dritten fiel er von einer kleinen Leiter berab anf den Kraf, 
wobei ibm Kaik in beide Angon spritzte. Nachdem er nach dem letzten Da* 
lall weiter gearbeitet hatte, erkrankte er später an Tabes and erblindete 
anf beide Aagen. Die yersebiedenen Gatachten drehten sich haaptsicblieb 
daram, ob die Erblindong infolge der jedenfalls yor dem Unfall bestandenen 
Tabes oder infolge eines eyentaellen bei dem Unfall erfolgten Braches der 
Schädelbasis entstanden sei. Letzteres*warde yerneint and der Verletzte mit 
seinen Ansprüchen yom Beichsyersicberangsamt abgewiesen. 

Dr. B. Tbomalia-Waldenbnrg (Sebles.). 


Tmvmntlsche Aecessorlnslibmnng dnreb stampfe Gewall) Im Zi- 
snmmenbang mit tranmattscher Lnngentaberkalose. Von Dr. Ernst Steinitz. 
Monatsschrift für Unfallheilkande and InytJidenwesen; Nr. 1. 

Das Zastandekonunen yon Verletzangen des Neryns accessorias, wenig* 
stens In einem Teil seines Verlaafes, ist darch seine tiefe Lage erschwert. — 
Bei Einwirkang Stampfer Gewalten werden meist nar Verletzangen des yon 
diesen Neryen yersagten Mnscol. trapezias beobachtet. Verfasser schildert 
einen Fall, in dem darch direkte stampfe Gewalteinwirkang eine Accessorias* 
lähmang zostande kam, an der sowohl alle Abschnitte des Moscal. trapezias, 
als aach des Stemocleidomastoideas beteiligt waren. Derselbe Unfall hatte 
auch eine Erkrankang an Langentaberkolose zar Folge. 

Dr. B. Thomalla* Waldenburg (Schles.). 


Llhmang des Bamos UI trigeninl, des FaelaliS) Vagos, Aeeessorinsy 
Glossopharjngens, HTpoglossaS) Sjmpnthiens and der N. thoraelci ante¬ 
riores nach Dolchstleh. Von Dr. Hans Hirsehfeld*Berlin. Monatsschrift 
für Unfallheilkande and Inyalidenwcsen; Nr. 1. 

Ein 25 jähriger Patient erhielt einen Dolchstofi, der dicht anterhalb des 
rechten Jochbogens yor dem Kiefergelenk eindrang. Bei der Behandlong der 
Wände soll ein Arzt dreimal die Gefäße anterbanden haben. Patient merkte 
einige Zeit nach der Verletzang eine erschwerte Beweglichkeit der Zange, 
SchlackstOrangen and fast absolute Unmöglichkeit za sprechen. Mit der Mt 
yerschlechterte sich auch der Kräfte- und Ernäbrangszastand. Patient bekam 
leichtes Herzklopfen and Atemnot. Beim Schlacken blieben ihm oft Bissen in 
der rechten Seite des Halses stecken; es gelangten häufig Speisereste in die 
Luftröhre. Die Zange konnte er nicht gerade, sondern nar schief nach rechts 
heraosstrecken, der Geschmack an der rechten Zangenhälfte fehlte; in der 
rechten Handhälfte herrschte eine größere Trockenheit als links. Gegenstände 
konnte er mit dem rechten Arm ni^t bis zur Senkrechten erheben; der rechte 
Stemocleidomastoideas wurde atrophisch. Verfasser gibt interessante Er* 
klärangen über die Entstehang dieser Lähmangen sowie über ihren Zusam¬ 
menhang mit dem Dolchstich and eyentaeli mit Verletzangen, die bei der 
Gefäßanterbindang heryorgerafen wurden. 

Dr. B. Thomalla-Waldenbarg (Schics.). 


Urslehlicher Zosammenbang yon Trachom and Unfall. Von Dr. Pani 
Koeppen-Berlin. Monatszeitschrift für Unfallheilkande und Inyaliden- 
wesen; Nr. 2. 

Ein Zimmerer hatte sich am 6. Februar 1905 eine Verletzung des linken 
Aages zagezogen and meldete dies am 10. Januar als Unfall an, nachdem er 
während dieser Zeit an Trachom erkrankt war. Die Sachyerständigen waren 
geteilter Ansicht, ob die Erkrankang mit dem Unfälle zasamme^ng oder 
nicht. Prof. S. war der Ansicht, daß die Erkrankang an Trachom mit größter 
Wahrscheinlichkeit durch die Verletzang herbeigeführt worden sei, indem 



Xleineire lOtteihiogen und Referate ans Zeitsohrifteiu 


447 


dweh die rerletiie Stelle die Infektion durch Krankheitnkeime erleichtert 
Prot Q. als Obergutachter sprach gegen dieses Urteil, indem er ans- 
führte, daß das Trachom nnr durch direkte Ansteckung von Auge su Auge 
erfolgCL nicht durch Vermittelung von trockenen Clegenst&nden. Der Unfall 
^be also mit der eigentlichen Krankheit nichts zu tun. 

Der Zimmerer wurde mit seinen Ansprüchen abgewiesen. 

Dr. B. Themalla-Waldenburg (Schles.) 


üeher Tendinitis osslflcans traumatica. Von Oberarzt Dr. F. Hoering- 
Stuttgart. Mttnchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 18. 

Die Ossifikation innerhalb der Mu^tkeln geht bekanntlich h&nfig auf 
Sehnen und Bänder über. Im Qegensatz zu diesem sekundären Auftreten von 
Knochenneubildung in Sehnen, ausgehend vom Muskel, beobachtete Verfasser 
im Eatharinenhospital in Stuttgart einen Fall, in welchem diese Verknöcherung 
primär und isoliert in der Sehne auftrat. Es handelte sich um einen 
66jährigen Mann, welchem beim Herabtragen eines schweren Schreibtisches 
ttber eine Treppe der letztere stark gegen die linke, schwächer gegen die 
rechte Achillessehne anstiefi. Er spttrte sofort Schmerzen in der linken Sehne 
und stetige Verschlimmerung innerhalb der nächsten Wochen. Der Verlauf 
der Krankheit, die Untersuchung und der operative Eingriff ließen fiber die 
Diagnose einer ossifizierten Sehne keinen ZweifeL Die histologische Unter¬ 
suchung des exstirpierten Sehnenstückes ergab, daß es sich um wirkliche 
Knochenneubildung handelt, die teils durch Metaplasie direkt aus dem Binde¬ 
gewebe, teils indirekt mit Uebergang durch ein knorpeliges Vorstadium ent¬ 
standen war und spongiOse Kuochenspangen mit Knochenmark gebildet hatte. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Erwerbsrermindemng bei Verlust des linken Armes. Bekursent- 
scheidung des Beichsversicherungsamts vomSO. Januar 1908. 
Kompaß; 1^, Nr. 9. 

Die Auffassung des Schiedsgerichts, daß bei einem Arbeiter der Verlust 
des linken Arms die Erwerbsfäblgkeit in höherem Grade als um 60*/o herab¬ 
setze, kann in dieser Allgemeinheit nicht gebilligt werden. Wie hoch der 
Verlust des linken Armes zu bewerten ist, hängt von den besonderen Um¬ 
ständen des einzelnen Falles ab. Vorliegend handelt es sich um einen Ver¬ 
letzten in noch jugendlichem Alter, der offenbar die Fähigkeit besaß, den 
Beruf eines Schreibers, Boten, Wächters und in gewissem Unuange auch eines 
Aufsehers auszuttben. Nur mit Bttcksiebt darauf, daß ihm noä nicht hin¬ 
reichende Zeit gegeben war, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen 
und sich ihm die etwa noch nicht genügend innewohnenden Fähigkeiten dazu 
anzueignen, war ihm durch die Bekursentscheidung vom 21. Februar 1906 
noch £e Bente von 60**/, gewährt worden. Die seitdem verfiossene Zeit von 
mehr als zwei Jahren genügte aber vollkommen, um dem Kläger den Ueber¬ 
gang in einen anderen, für ihn geeigneten Beruf zu ermöglichen. Die vom 
Kläger selbst nach eigener Angabe gefertigte Bekursgegenschrift läßt übrigens 
auch nach der Ueberzeugung des Bekursgerichts erkennen, daß der Kläger 
die zur Ausübung des Schreiberberufs erforderlichen Fähigkeiten in hinreichendem 
Maße bereits besitzt. Wenn er noch keine Stellung trotz mehrfacher Be¬ 
mühungen gefunden hat, so bat die Beklagte für diesen Mangel an Arbeits¬ 
gelegenheit nicht aufzukommen; dieser Umstand ist nicht entscheidend für die 
Bemessung des Grades der Erwerbsunfähigkeit des Klägers. Diese ist, nach¬ 
dem jetzt eine hinreichende Uebergangszeit verflossen ist, nicht höher als auf 
60 **/o zu bemessen. Der Kläger ist ein rüstiger Mann, er hat den linken Arm 
nicht völlig eingebüßt, sondern besitzt noch einen nicht völlig unbrauchbaren 
Armstumpf (Oberarm); auch der ihm von der Beklagten gelieferte künstliche 
Arm ist nicht ohne Wert. 


Die Einholung ftratlicher Gutachten seitens der Bemfsgenossen- 
sehaften von schledsgeriehtliehen Vertrauensärzten ist unzulässig. Ver¬ 
fügung des Beichsversicherungsamtes vom 21. Oktober 1907. 

Die Unfallversicherungsgesetze verbieten es den Berufsgenossenschaften 
zwar nldit ausdrücklich, die Vertrauensärzte der Schiedsgerichte mit der Er- 



448 


Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitschriften. 


stattnng Ton Gutachten ftber ünfallverletate au beauftragen; es empfiehlt sicli 
aber, dies tunlichst zu yermeiden. Einmal sind die Versicherten leicht geneigt, 
der Unparteilichkeit des Arztes, der sie im Aufträge der Berufsgenossenschut 
begutachtet, za mißtrauen. Damit dürfte, es Zusammenhängen, daß ein Arzt, 
der zu einer Bernfsgenossenschaft in einem VertrauensTerhäitnisse steht, für 
den Bereich des preußischen Staates nach der auf Grund des § 8 Abs. 2 des 
Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallrersicherongsgesetze, erlassenen 
AnweisuDg des Königlich Preußischen Ministers für Handel und Gewerbe vom 
29. Dezember 1900, betreffend die Wahl der ärztlichen Sachrerständigen bei 
den Schiedsgerichten für Arbeiteryorsicberung zum schiedsgerichtlichen Ver» 
trauensarzte nicht wählbar ist. Aber auch ohne ein solches Vortrauensyer- 
hältnis zur Bernfsgenossenschaft wird ein auch nur yereinzelt yoa Berufs- 
genossensebaften mit der Begutachtung üafajlvcrletzter betrauter Arzt den 
versicherten als schiedsgerichtlicher Vertrauensarzt leicht weniger yortranens- 
würdig erscheinen. Es Uegt ferner auch nicht im Interesse der Schiedsgerichte 
selbst, daß ihre Vertrauensärzte yon den Berufsgonossenschaften mit der Be- 
rataebtung Unfallyorletzter betraut werden. Denn es wäre bedenklich, wenn 
aas Schiedsgericht einen Arzt, der ln einer Streitsache schon für die beteiligte 
Bernfsgenossenschaft ein Gutachten abgegeben hat, im Berafungsverfahren als 
Gutachter zuziehen würde. Anderseits können für das Schiedsgericht durch 
solche Beschränkung in der Auswahl des ärztlichen Sachverständigen Wei¬ 
terungen entstehen. Diese Erwägungen haben das Reichs-Versieherungsamt 
schon mehrfach yeranlaßt, Vorstände yon Berufsgenossenschaften zu ersuchen, 
die Vertrauensärzte der Schiedsgerichte — abgesehen yon besonderen Ans- 
nahmefällen — nicht mehr mit der Erstattung yon Gutachten über ünfall- 
yerletzte zu beauftragen. _ 


Anhfiriuig des behandelnden Arztes gemltos § 69^ Abs. 8 des G. U. 6. 
Bescheid des Reichs-Versicherungsamts yom 27. Dezember 1907. 

Es genügt, wenn der behandelnde Arzt, falls er neben dem Gutachten 
eines anderen Arztes gehört wird, sich über seine Wahrnehmungen während 
seiner Behandlung äußert. Er ist in diesem Falle bei seiner gerichtlichen 
Vernehmung als sachverständiger Zeuge zu hören, seine Vernehmung als Sach- 
yerständiger erfordert die Gesetzesbestimmung an sich nicht. Ob eine solche 
zur Aufklärung des Sachyerhalts erforderlich ist, liegt unabhängig yon der 
Vorschrift des g 69, Abs. 8 des G. ü. G. im pflichtmäßigen Ermessen des 
Rentenfeststellungsorgans. 


Inhalt des Iritllchen Gntaehtens Im Bentenstreltverflahren. Re- 
yisions-Entscheidnng des Reichs-Versicherungsamts yom 
18. März 1908. 

Die Annahme des Schiedsgerichts, daß die Klägerin nicht erwerbsnnAhig 
im Sinne des Inyalidenyersicherungsgesetzes sei, beruht auf dem Gutachten 
des praktischen Arztes Dr. X. Dieses Gutachten entspricht jedoch nicht den 
Anforderungen, welche an ärztliche Gutachten in Rentensachen gestellt werden 
müssen. Danach sollen die Gutachten die subjektiven Beschwerden, den ob¬ 
jektiven Befand und die ärztliche Beurteilung scharf auseinanderhalten und 
besonders den objektiven Befand eingehend darlegen. Die Darstellang des 
objektiven Befundes muß so eingehend, bestimmt und anschaulich sein, daß 
eine Nachprüfung möglich ist. Das Gutachten des Dr. X. beschränkt sich in¬ 
dessen auf folgende Angaben; 

„Die Klägerin klage über Gliederschmerzen, besonders bei Witterungs¬ 
wechsel, und allgemeine Schwäche. Es bestehe Rheumatismus, auf den 
die Gliederschmerzen zurückzubcziehen seien, ferner hochgradige Blut¬ 
armut, welche die allgemeine Schwäche und öfters Herzklopfen yernisache. 
Der Befund an der Lunge und den übrigen Organen weise auf nichts 
Krankhaftes hin. Die Erwerbsfäbigkeit sei dauernd um 50 Prozent beein¬ 
trächtigt. Die Krankheit — der Rheumatismus und die Blutarmut — 
hätten sich in den letzten zwei Jahren aasgebildet, aller Wahrscheinlich¬ 
keit nach infolge schlechter Ernährung und Ueberanstrengung. Die 
Klägerin sei noch nicht rentenberechtigt: es sei Besserung des Gesundheits¬ 
zustandes bei guter Pflege und vernünftiger Lebenswolse zu erwarten.* 



BJeinere Mittcilnngen and Beferate ans Zeitschriften. 


449 


Das Oataehten läßt hiemaeh insbesondere eine aosreieliende Darstellmig 
des objektiTen Befondes Termissen. Es fehlt die Angabe, welche objektireii 
Ansdeben fttr Bbeamatismos yorliegen, ob es sich um Moskel* oder Odenk- 
ihenmatismas handelt, wie weit der Bheomatismos Torgescbritten ist and in 
welchem Umfange dadurch BewegangsstOrnngen heryorgerofen werden. Es 
ist nicht ersichtlich, ob das Hersklopfen yon dem Sachyerständigen sdbst be¬ 
obachtet, ob das Herz yon ihm genau untersucht, ob der Puls au Schlagfolge 
und Eigenschaften kontrolliert worden ist und ob ttberhaupt eine den r^ea- 
sehaftlichen Anfordemngen entsprechende üntersuchung stattgefunden hat. 

fehlt jede n&here Begrttndnng dafür, weshalb der Arzt die Beeinträchtigung 
der Erwerbsfähigkeit gerade auf 50 yom Hundert schätzt, insbesondere ist 
nicht angegeben, in welcher Art und in welchem Maße die Leiden der Klägerin 
die Gebrauchsfähigkeit der Gliedmaßen und der KOrperkräfte überhaupt beein¬ 
trächtigen, und zu weldien Arbeiten sie noch fähig ist. Wenn der Sadi- 
rerständlge die Erwerbsbeschränkung auf 76 anstatt auf 50 yom Hundert 
geschätzt hätte, so würde auch diese Schätzung mit dem Inhalte des Gut¬ 
achtens yereinbar sein; tatsächlich sind nicht selten Gutachten, in denen auf 
Grund eines ebenso allgemein gehaltenen Befundes wie hier die Inyalidität 
anerkannt wurde, zur Kenntnis des Beichs-Versichernngsamts gekommen. 
Wäre das Gutachten auch hier zu diesem Endergebnisse gekommen, so würde 
die Versicherungsanstalt wahrscheinlich, und mit Becht, Anstand genommen 
haben, daraufhin die Bente zu bewilligen, weil sie sich nicht überzeugt halten 
künnte, daß dem Urteile des Sachyerständigen eine hinreichend genaue und 
erschSpfende Erforschung der körperlichen Verhältnisse zugrunde liege. Ebenso 
hrt aber umgekehrt der mitgeteilte Befand nicht ausreichend für die Fest- 
steilang, daß die Klägerin nicht inyalide seL Unzweifelhaft kOnnen hoc^radige 
Blutarmut und rheumatische Beschwerden auch in dem Alter der Eaägerai 
unter Umständen Inyaliden heryorrufen, und daß die Umstände hier nicht so 
liegen, bedarf der näheren Darlegung. Nach alledem gibt das Gutachten des 
Dr. X. keine genügende Grundlage für die Prüfung, ob die Klägerin erwerbs¬ 
unfähig im Sinne des Inyalidenyersicberungsgesetzes ist Indem das Schiedsgericht 
s^e Sitscheidung lediglich aUi dieses Gutachten stützte, yerletzte es seine Auf- 
klirungspfllcht. Das Urteil war daher anfzuheben und die Sache zur ander¬ 
weiten Verhandlung und Entscheidung an das Schiedsgericht znrückzayerweisen. 


Die Berufsgenossensehaften sind nicht zur Ahziehung des Porto¬ 
betrages bei Zusendung yon Gebühren für ürstliehe Gutachten usw. be¬ 
rechtigt. Bescheid des Beichs-Versicherungsamts yom 7. No- 
Tcmber 1907. 

Durch diesen Bescheid wird ein früherer Bescheid des Beichs-Versidie- 
mngsamts abgeändert mit der Begründung, daß der Schuldner nach § 270 des 
Bürgerlichen Gesetzbuches Geld im Zweifelsfalle aauf seine Kosten* dem 
Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln hat. 


B. Bakteriologie, Infektlonakraakhelten «ad aadere Kraakheltea. 

Das Tuberkulin ln der Hand des praktbohen Arztes. Von Dr. H. 
Weicker b Görbersdorf. Wiener Uedb. Wochenschrift; 1907, Nr. 47—51. 
Nach ebem auf der 79. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte b 
Dresden 1907 gehaltenen Vortrage. 

Verfasser tritt warm für die Anwendung der Tuberkulbkur b der 
ärztlichen Priyatprazb eb, da das Tuberkulb eb unbestreitbares Hilfsmittel 
b der Hand des yorsichtigen Arztes gegen die Tuberkulose ist 

Nachdem er die yerschiedenen Theorien über die Tuberkulbwirkung im 
Organbmus und im erkrankten Gewebe erörtert hat, betont er, daß sich für 
die Tuberkulbkur nicht eignen: Kranke im yorgeschrittenen Stadium, ferner 
solche mit ausgesprochenem toxischen Charakter oder bei denen der KOrper- 
sustand reduziert bt, sowie unzuverlässige Kranke; geeignet sbd dagegen 
frisch Erkrankte, chronbehe, offene oder geschlossene Langentaberkulosen, 
ferner Kranke mit Tuberkulose anderer Organe, darunter auch Larjnxtuber- 
knlose im Begbn der Erkrankung. Genaue Körperwägungen und Temperaturen 
sbd unentbehrlich. Lungenblutungen bilden kebe generelle Kontrabdlkation 
für die Tuberkulbkur. Verfasser gibt dann wertvolle Winke für die Art der 
Behandlung, und Dosierung des Trachoms. Jede Erhöhung der Temperatur 



460 


Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitechrlften. 


um S bis 8 Teilstriche Aber die Norm ist als spesiflsehe Reaktion anfsnfassea, 
ebenso leichte Störungen des Allgemeinbefindens. Die Temperatur mnß drei* 
stfindlichy erent. auch nachts gemessen werden. Jede hone Reaktion mnfi 
streng Tcrmieden werden. Bei den geringsten Anseichen einer Reaktion darf 
bei der nächsten Injektion die Taberkolindosis nicht gesteigert werden; durch 
vnsweckmäSige Dosierong der Taberkolininjektionen kOnnen schwere Schädi* 
gangen, sogar der Tod, herbeigeftihrt werden. Ueber die maximale Enddosis 
können keine allgemein gültigen Regeln anfgestellt werden; in einem Falle g^ 
iMgte der Verfasser bis za 1 cg reinen Alttaberkolins, mitnnter Termag 
man jedoch ttber die erste kleine Dosis (1 mg) nicht hinaasgehen. BezfigUch 
der Weiterbehandlang stehen eich zwei Ansichten gegenüber. Nach der einen 
soU mit der erreichten Haximaldosis in Intervallen von 2 bis 4 Wochen, Monate, 
ja, Jahre hindurch, die Behandlung fortgesetzt werden. Nach der anderen 
Ansicht (Petraschky) beginnt man mit der Behandlung nach einigen Monaten 
Ton neaem. Diese Etappenkuren werden ttber einen Zeitraum bis sa zwei 
Jahren verteilt. Der Verfasser bevorzuf^ die erste Methode. 

Die Fiebernden werden zweckmäßig in Heilanstalten einer Injdktionskar 
unterzogen. 

Bei den diagnostischen Tuber kalininjektionen soll man auch 
mit kleinsten Dosen beginnen, z. B. ttnd lan^am steigern. Losen 

diese dentliohe Temperatarsteigerungen von 2 bis 3 Teilstrichen ans, so mnß 
der Kranke als tuberkulös angesprochen werden. Eine Tempeiatursteigemng 
aof sehr niedrige Dosen spricht fttr eine frische Erkrankung. LOsen geStmgerte 
Dosen erst Reaktion aus. so ist wahrscheinlich die Erkrankung schon eine 
länger bestehende. Wird vorübergehend während der Reaktion die Stimme 
belegt, so liegt der Verdacht einer submukOsen Larynztuberkulose nahe; findet 
aidi Aibumen, so muß man an eine etwaige Nierentuberkulose denken. 

Jeder der reagiert, kann als tuberkulös angesprochen werden, wenn sonst 
die Diagnose wahrscheinlich ist. 

Zum Schluß bespricht der Verfasser noch die Stellang der Kranken¬ 
kassen za den Tuberkulinkuren; danach liegen diese nicht außerhalb ihres 
Fttrsorgegebiets, eine Verpflichtung dazu wird aber heute noch verneint werden 
mttssen, da die Kassen die Tuberkulinkuren nicht zu den ärztlicherseits all¬ 
gemein anerkannten Behandlungsweisen rechnen. Einzelne Landesversicherangs- 
anstalten haben die Tuberkulfainachbehandlung auf ihre Kosten ttbemommen. 
ünfaUversicherte rät der Verfasser von der Behandlung als ungeeimet aos- 
zoschließen. _Dr. Karpjaweit-Berlm. 


Die Dosierung des Alt-Taberklins in diagnostischen Zwecken. Von 
Dr.LOwenstein-Beelitz. Deutsche Aerzte-Zeitung. 

Verfasser wendet sich gegen die Auffassung, daß zur Erzielung einer 
Reaktion die Steigerung der Taberkolindosis unentbehrlich sei, da von kumu¬ 
lativer Wirkung keine Rede sein kOnne. Er hat deshalb zu diagnostischen 
Zwecken von einer Steigerung der Dosis abgesehen und dieselbe niedrige Doris 
von */io lüg viermal in Abständen von 3—4 Tagen injiziert. Er fand bei 800 
Fällen, daß auf die erste Einspritzung 23,0’/o reagierten, auf die zweite 24,0*/«, 
auf die dritte 85,7**/* und auf die vierte 17,0 */o. Auf Grund dieser Erfahrungen 
empfiehlt Autor, seine Methode weiterhin zu prüfen und betont folgende Mo¬ 
mente: 1. Durch die Anwendung derselben Dosis, mag dieselbe Vi«, '/lo oder 
1,0 mg betragen, kommt der qualitative Charakter der Reaktion 
zum Ansdru^ der durch die Steigerung der Dosis bis zum Eintritt einer 
Reaktion völlig verwischt wird. 2. Der diagnostische Wert der Reaktion wird 
um so hoher angesehlagen, je kleiner die Dosis ist, durch welche sie hervor- 
gerufen wird. Dr. Klare-Haina (Bez. Cassel). 


Die frUiieitige Diagnose der Tuberkulose und die Ophthalmoreaktion. 
Von Dr. Giovanni C o c c i - Florenz. Allg. Wiener med. Zeitung; 1908, Nr. 1—8. 
(.La Clinica Modema“ 1907, Nr. 32). 

ln einer Einleitung streift der Verfasser alle Methoden, die abgesehen 
von den klinischen Ontersuchungsmethoden, angewandt werden, um die Dmgnose 
Tuberkulose sicher zu stellen. 

Neuerdi^ ist ebe neue Methode mitgeteilt worden, die Cutisreaktloa 
T. Pirquet-Wien). Diese beruht darauf, daß bei tuberlralOsen Säuglbgen 



Kleinere Mitteilungen und Befemte nnn Zeitaohriften 


451 


nnek einer Hnntimpfang mit verdlinntmn Tnberknlin an der Impfstelle eine 
bald yersohwindende rosagef&rbte Papel ersoheint, bei gesunden dagegen nicht. 
Zahlreiche Nachprüfungen haben nicht immer die gleichen Besultate ergeben. 

Wolll Eisner modiflsierte die Methode, indem er in das Auge eines 
tnberkulSsen Tieres einen Tropfen verdünnten Tuberkulins einbrachte. Nach 
12—20 Stunden sidi er eine starke Conjunktivltis anftreten. 

Calmette hat ^ese sogenannte Ophthalmoreaktion auf eine solide 
Basis gestellt, indem er eine prizise Technik angab. Zahlreiche Nachprüfungen 
haben ergeben, daß nur bei tuberkulösen Personen eine Beaktion erfolgt. 

Zur Beaktion benutzt man eine Lösung von trockenem 

TuberkuUn in sterilisiertem, destilliertem Wasser, wovon ein Tropfen in den 
inneren Augenwinkel geträufelt wird. Die Beaktion tritt nach 6—18 Stunden 
auf; je nach der Intensität der konjunktivalen Veränderungen unterscdieidet 
man eine leichte, eine mittlere Form, die 24—86 Stunden anbalten, und eine 
intensive Form, ue 6—6 Tage dauert. Ceratitis, Iritis und Entzündungen der 
tieferen Angenhäute treten nie auf, sondern lediglich eine Entzündung der 
C<Mi|unctiva bulbi et tarsi. Das Sekret besteht ans Schleim, nie aus Kbrin, 
und im wesentlichen aus polynukleären Leukozyten. 

Junge Individuen und Kinder reagieren frühzeitig und energisch. Kranke 
mit veralteten Läsionen und mit scheinbarer Gesundheit können kräftig, wenn 
auch spät reagieren. Alte, kachektische sowie sterbende Personen reagieren 
schwach oder gar nicht Geheilte Tuberkulöse und Neugeborene realeren 
gar nicht. 

Gegenindikaiionen gegen die Anwendung der Methode sind Augen* 
affektionen. 

Auf die Pharynx* oder Genitalschleimhaut appliziert, ruft die Tuberkulin- 
lOsnng keine Beaktion hervor. 

Der Verfasser hat auf Veranlassung des Prof. Bruoi an dem Material 
der chirurgischen Eiinik in Florenz die Methode an 66 Individuen nachgeprüft; 
16 davon waren klinisch tuberkulös, 25 nicht tuberkulös und bei 14 war die 
Diaraose zweifelhaft. Bei den Tuberkulösen erhielt er stets eine positive 
Beaktion, bei den 14 zweifelhaften Fällen 7 mal positive, 7 mal negative und 
und bei 25 Nichttuberkniösen 9 positive, 16 negative Beaktionen. Die Stärke 
der Beaktion war vom Lebensalter nicht abhängig; intensive Beaktionen 
konnte der Verfasser nicht beobachten. Die nichttuberkulösen Personen nüt 

I tositiver Beaktion waren nach den anamnestischen Erhebungen z. T. tuberku* 
Os belastet. 

Der Verfasser kommt auf Grund seiner Beobachtungen zu folgendem 
Schluß: 

1. Die Methode ist ungefährlich. 

2. Bleibt die Ophthalmoreaktion bei einem nicht kachektischen Individuum 
negativ, so ist er sicher nicht tuberknlös. 

8. Eine positive Ophthalmoreaktion bietet ein Kriterium für die Diagnose 
Tuberkulose, ohne aber einen Anhaltspunkt weder für die Schwere der Er* 
krankung noch für ihre Lokalisation zu geben. 

Absolut spezifisch ist die Beaktion nicht, da auch bei nicht tuberkulösen 
Erkrankungen mitunter eine positive Beaktion auftritt. 

_ Dr. Eurpjuweit-Berlia. 

Die Ophthalmoreaktion nach Calmette hei Kindern mit Berttcksleh* 
tignng der llbvigen spezillsehen Beaktionen auf Tuberkulose. Von Assistenz¬ 
arzt Dr. Bayaerdin Aarau. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung; 1908, Nr.7. 

Das feinste Beagens auf Tuberkulose, besonders für die Diagnostik der 
laitialfälle, ist das Koch sehe Alttuberkulin. Zu diesem Zwecke kann es dem 
zu Untersuchenden einverleibt werden: durch subkutane Injektion, nach Pir* 
quet durch Vakzination zur Herbeiführung der Kutireaktion, nach Calmette 
durch Eintropfen auf die Bindehaut des Auges. Jede der drei Anwendungn* 
arten wird für sich eingehend besprochen und hinsichtlich ihrer Zuverlästigkdt 
gewürdigt, die letztgenannte unter Zugrundelegung einer tabellarischen Ueber* 
acht über die im Kinderspital in Zürich beobachteten Erfolge der Ophthi^o* 
reaktion bei 94 Kindern im Alter von 8 Monaten bis 15 Jiüiren. Bei 44 klinisdt 
sicheren TuberkulosefäUen erfolgte bei 4 Patienten keine Beaktion; unter 
letzteren waren 2 Fälle als ansgeheilt zu betrachten; ein Anhaltspunkt, wes* 



452 


Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zeitaehriften. 


halb die beiden anderen I^le nicht reagierten, konnte nicht gefonden werden. 
Unter 46 klinisch nicht tnberkolOsen Patienten reagierte einer. Die in den 
bisher erschienenen VerOffentiichnngen ttber die Ophthalmoreaktion bei Kindern 
beschriebenen Resultate verhalten sich fast ebenso. 

Sowohl die Ophthalmoreaktion, wie die Kutireaktion zeichnen sich ans 
durch das Fehlen der Allgemeinreaktion, durch ihre Oefahrlosigkeit, ihre leichte 
Ausführbarkeit und durch die Möglichkeit, auch bei Fiebernden angewendet 
werden zu können. Verfasser meint, das Publikum würde der Methode der 
Ophthalmoreaktion sympathischer gegenüberstehen, als der der Kutireaktion; 
erstere würde sich besonders in der Kinderheilkunde rasch einbürgem. Viel« 
leicht wird sich das Prinzip auch bei auderen Erkrankungen, deren Erreger 
wir kennen, anwenden lassen. _ Dr. Lohmer-COln. 


Yerglelehende üntersuehnngen mit der Koüjanktivalreaktlon nneh 
Wolff-Elsner und der Salbenreaktion nach More. Von Dr.H. Heine« 
mann-München. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 11. 

Verfasser stellte Versuche über die Wirkung der Konjunktivalprobe nach 
Wolf-Eisner und ttber die Salbenprobe nach Moro an und kam zu folgen¬ 
den Schlüssen: 

1. Die Salbenprobe nach Moro kommt der Tnberknlosediagnostlk beim 
Erwachsenen mindestens in dem Maße zu Hilfe, wie die Konjunktivalprobe 
nach Wolff-Eisner. 

2. Nach der Konjunktivalprobe sah Verfasser Konjunktivitiden auftreten. 

die oft 14 Tage hindurch die Patienten belSstigten. Die Salbenreaktion verlief 
stets harmlos und belästigte die Patienten in keiner Weise, worin Verfasser 
einen bemerkenswerten praktischen Vorteil der Salbenreaktion vor der Kon- 
jnnküvalreaktion erblickt. _ Dr. Waibel-Kemptmi. 

Zur Frage nach dem Wert und den Gefahren der Ophthalmoreaktion* 
Von Prof. A. Siegrist, Direktor der Üniv.-Angenkllnik in Bern. Therapeut» 
Monatshefte; 1908, Heft 4. 

Verfasser bespricht besonders die Gefahren der Ophthalmoreaktion auf 
Tuberkulose: 1) Ein Augenleiden kann durch sie sehr heftige Verschlimmerung 
erfahren; 2) auch ein gesundes Auge bleibt oft nicht inti^t. Mehrmals sah er 
heftige phlyktänuläre Ophthalmie entstehen. Am meisten erregten aber seine 
Aufmerksamkeit 4 Fälle, bei welchen außer der Conjnnctiva der Lider auch 
die Conjonctiva bulbi sich ziemlich stark entzündete und nach 8—10 Tagen 
mit kleinen Knötchen flbersät war, die sich mikroskopisch als Tuberkel er¬ 
wiesen. Dr. Klare-Heina (Bez. Cassel). 


Die SteUnng des Augenarztes zur Ophthalmoreaktion* Von Dr. P. 
Sobultz-Zehden in Berlin. Tharapentische Monatshefte; 1908, Heft 4. 

Auf Grund seiner Erfahrungen, die er an 160 Fällen gewonnen hat, 
steht Verfasser der Ophthalmoreaktion durchaus freundlich gegenüber. Er 
sah selbst an kranken Augen keine besonderen Schädlichkeiten danadi anf- 
treten. Nur an Augen mit frischen Verletzungen und frischen Homhant- 
geschwttren resp. geplatzten Phlyktänen hat er sie bisher nicht geübt ans 
Furcht, die in dem Tropfen Tuberkulinlösung befindlichen Tuberkelleiber 
könnten eine tuberkulöse Wucherung verursachen. Den größten Wert legt 
er darauf, daß allgemein ein einheitliches Präparat benutzt werden möge; 
denn nur so werde man zu einem abschließenden Urteil ttber'den Wert und 
die Gefahren der Ophthalmoreaktion, die er nicht als Spielerei oder diagnostische 
Eselsbrücke benutzt haben will, gelangen. Dr. Klare-Haina (Bez. Cassel). 


Ueber die Schwierigkeiten der Diagnose der zerebrospinalen Menlngl- 
tiden* Von Dr. L. F. Dmitrenko. Ans dem Neuen städtischen Krankea- 
hanse zu Odessa. Allgemeine Wiener Med. Zeitung; 1907, Nr. 60—62. 

Der Verfasser weist auf einen namentlich von französischen Autoren 
eingehend beschriebenen Symptomenkomplez hin, den man unter dem Namen 
Meningismus (d. h. Pseudomeningitis) zusammenfaßt. Die Pseudomeningitidea 
können sämtliche Symptome der echten Meningitis cerebrospiniüis aufwdbma. 
Sie kommen vor bei fibrinöser Lungenentzündung, Influenza, Abdominaltyphns- 



Kleinere Hitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


453 


Ziegenpeter, Tetanus, Darmeikrankungen und auch bei Hysterie. Hie ünter- 
suchung der Zellen in der Lumbalfltissigkeit (Zyptoskopie) und die bakterio* 
loräcbe Untersuchung haben bei der genauen Diagnose der Meningitis wert, 
T<^e Aulschlttsse ergeben; namentlich letztere hat bei der Deutung des 
Meningismus eine wichtige Rolle gespielt. Wenn die Untersuchung weder 
Eiter noch Bakterien ergibt, so ist, wie zahlreiche Autoren annehmen, an die 
Wirkung von Toxinen zu denken; für die Erkrankung schlägt der Verfasser 
die Bezeichnung Intozikationsmenin^lis Tor. Mitunter sind aber in solchen 
Fällen noch Bakterien in der Hirnsubstanz gefunden worden, z. B. Ton Seitz: 
Eolibazillen. 

Um die Schwierigkeiten der Dir^ose darzutun, erwähnt der Verfasser 
einen Fall, bei dem deutliche Erscheinungen einer Meningitis oerebrospinalis 
bestanden. Die einzelnen Symptome waren aber wenig stabil und gleichsam 
launenhaft, gegen Schluß der Erkrankung traten zahlreiche Pusteln am ganzen 
KOrper auf. Auf Grund dieser Erscheinung wurde die Diaraose Pyämie mit 
mutmaßlicher pyämischer Meningitis gestellt. Die Lumbalpunktion war negatir 
Terlaufen. Die Sektion bestätigte die Diagnose nur zum Teil, da am Gehirn 
keine Veränderungen nachweisbar waren. 

ln einem zweiten Falle mit ausgesprochenen Zeichen von Meningitis 
eerebrospinalis, bei denen die Lumbalpunktion eine eitrige Flüssigkeit ergeben 
hatte, fand man bei der Sektion eine yerrnkOse ulzerierende Endocarditis, die 
Sur Thrombose der linken A. carotis und zirkumskripten hämorrhagischen 
Encephalitis geführt hatte; Meningitiserscheinungen waren nicht vorhanden. 

Bei einem dritten Patienten bestanden neben den Zeichen einer Nephritis, 
meningitisohe Erscheinungen, die aber wenig ausgeprägt waren und, da Fieber 
fehlte, mehr an Urämie denken ließen, zumal die Lumbalpunktion negativ 
verlaufen war. Bei der Sektion fand man jedoch eine ansgebreitete Meningitis 
cerebrospinalis, die durch Fränkelsche Diplokokken verursacht war; die 
Nieren zeigten das Bild der chronischen Schrnmpfniere. 

_Dr. Kurpjnweit'Berlin. 

Erfahrungen mit Kelle •Wassermannschem Meningokokkenhellsemm. 
Von Dr. E. Levy in Essen. Deutsche Med. Wochenschrift; 1908, Nr. 4. 

Verfasser behandelte von April bis November 1907 in den städtischen 
Baracken zu Essen 40 bakteriologisch sichergesteUte Genickstarre'Fälle. 
Während außerhalb des Krankenhauses verpflegte Kranke zu 80°/o starben, 
betrug die Mortalität ^ den Baracken insgesamt 42,6*’/o. Von den nicht mit 
ChBaidostarre* Serum behandelten 14 Fällen starben 11 (= 78,5 **/o), dagegen von 
den mit systematischer intralumbaler Serum - Injektion versehenen 17 Kranken 
ging nur 1 (= 6,26**/o) ^1». Verwendet wurde das Kolle>Wassermann- 
sche, im Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin hergestellte Heilserum, 
und zwar in hohen Einzeldosen (20 ccm bei Kindern und leichteren Fällen 
von Erwachsenen, 80—40 ccm bei schweren Fällen), die solange wiederholt, 
wurden, bis eia dauernder deutlicher Erfolg verblieb. Die subkutane Injektion 
versagte, nur die Einspritzung in den Duralsack scheint wirklichen Wert zu 
haben. Die Wirkung auf Fieber und AUgemeinbeflnden war verschieden 
Nebenwirkungen, abgesehen von einigen harmlosen Serum>Exanthemen, wurden 
nicht beobachtet. Die Levy sehen Erfahrungen dürften zur weiteren aus¬ 
gedehnten Anwendung der Sernmbehandlung der Genickstarre ermutigen. 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Uehor Meningitis cerebrospinalis epidemica Im hßheren Lebensalter. 
Von Prof. Dr. Hermann Schlesinger in Wien. Wiener med. Wochenschr.; 
1906, Nr. 14. 

Vom 60. Lebensjahre ist die Zahl der Erkrankungen eine sehr kleine, 
wenn auch epidemische Genickstarre selbst noch in hohem und höchsten 
Lebensalter Vorkommen kann. Diesen Schluß konnte der Verfasser ans zafal- 
reieben Statistiken ziehen; so entfallen nach Platten auf 2916 Erkrankungen 
der schlesischen Epidemie vom Jahre 1906 nur 11 auf das 60.—60. und 6 auf 
flas 60.-70. Lebensjahr; nur 2 Kranke waren älter als 70 Jahre. 

Bisweilen weicht das Krankheitsbild bei den älteren Personen so er¬ 
heblich von dem bei den jugendlichen Personen ab, daß man, nach Ansicht des 

VAvIftflflATfl wAfi AinATTi hAaAniiAi*An (rrMnlrhAit.fltTnnR. <lAm fiAnilAti Tvnnfi 



464 


Tagesnachriehten. 


midemisehen MeningitiB sprecheB kaoB. Die BrkraBkiug begdaBt sehleieheBdf 
KopfschmeraeB aad Erbrechea sind hinfig, dagegea ist die naekeasteifigkeity 
was besoBders aaffaUead erscheint, nur wenig entwickelt. Bei aliea wmde 
frühzeitig das Kernig sehe Symptom gefunden oder ihm ein gleichartiges 
Symptom, n&mlich das Auftreten heftiger Schmerzen bei Beugung des ge* 
streckten Beines im Hüftgelenk. Das Sensorium ist frühzeitig schwer getrübt 
und zeigt Torübergehende Besserungen nach Spinalpunktionen. Die Puls¬ 
frequenz ist nicht herabgesetzt, semdern gesteigert. Anfallsweise tritt Cheyne- 
Stockessches Atmen aul 

Himlähmungen (Paresen des Facialis, des Abdneens) sind h&aftg und 
transitorischer Art. Herpes wurde überall beobachtet Die Temperatur ist 
subfebril, normal zeitweilig sogar snbnormal und nur selten aadauemd kodi. 
Die bei jüngeren Individuen regelm&ßig auftretende starke Abmagerung madit 
sieh nur selten bemerkbar, 

Meningokokken (vom Typus Weichselbaum) wurden bei allen Spinal- 
Punktionen gefunden, ln zwei Fällen hatten wiederholte Spinalpunktionen in¬ 
folge ausgedehnter Verklebungen der Meningen ein negatives Besultat. Wieder¬ 
holte Spinalpunktionen haben im idlgemeinen einen günstigen Einfluß auf den 
Krankheisverlauf. 

Eine sichere Diagnose ist nur durch die Spinalpunktion und bakterio¬ 
logische üntersersuchung der Spinalflüssigkeit mOglicb, zumal auch neben der 
Meningitis epidemica die tuberkulöse Meningitis zu gleicher Zeit gehinft auf tritt. 

Die pathologisch-anatomischen Veränderungen sind bei der senilen 
Meningitis nicht andere als bei der jugendlichen. 

Bei der Behandlung scheint sowohl das Jochmannsche als auch das 
Buppelsche Serum zweckmäßig zu sein. Heiße Wicklungen des Bumpfb 
und der Beine wirken schmerzlindernd. Die Prognose ist im ^Igemeiuea etee 
ungünstigere als im jugendlichen Alter. Dr. Kurpjuweit-Berlin. 


Tagesnachrichten. 

Das Ergebnis der am 11. und 12. d. Mts. im Beichsamt des Innern 
stattgehabten Konferenz von Kommissaren der beteilgten Beichs- und 
preußischen Behörden, Vertretern der Aerzte und v<m Krankenkassen usw. 
auf der die bevorstehende Abänderung des Kranken •VersiGhernngsgeeetBee» 
insbesondere die Begelung der Beziehungen zwischen Krankenkassen und 
Aerzten zur Erörterung gelangt ist (s. Nr. 11 dieser Zeitschrift, S. 416), soll 
nicht zugunsten einer gesetzlichen Einführung der freien Aerste- 
wahl ausgefallen sein. Es soll jedoch angestrebt werden, das Verhältnis der 
Aerzte zu den Krankenkassen zum Nutzen der Aerzte und ohne Schaden der 
Kassen durch Einführung obligatorischer Schiedsgerichte und Einigungs- 
kommissionen zu verbessern. Die seinerzeit von dem Krankenkassentag 
stdlte Forderung des Knrierzwanges für die Kassenärzte wurde von aUMi 
Aerzten abgelehnt. 


Durch Gesetz vom 19. Mai ist die MedlzinalordnuBg der freien Haase- 
staflt Bremen vom 2. Juni 1901 dahin abgeändert, daß für die Stadt ein 
vollbesoldeterKreisarzt mit Untersagung der Privatprazis vorgesebmi ist. 
Die übrigen Kreisärzte, sowie der Gerichtsarzt beziehen dagegen nach wie vor 
nur ein Jahresgehalt, ohne Beamte im Sinne des Beamtengesetzes zu sein. 
Das Gehalt des vollbesoldeten Kreisarztes beträgt 65(X) Mark, steigend von 6 zu 
6 Jahren, zuerst um 1500 und dann 8 mal um je 1000 Mark bis au 10000 Mark. 


Der Deutsebe Verein für Öffentliche Gesnndheitspflego hält seine 
XXXni. Hauptversammlung vom 16 —19. September in Wiesbaden ab. 
Folgende Tagesordnung ist festgesetzt: 

Mittwoch, den 16. September: 1. Städtische Gesundheitsämter und Ihre 
Aufgaben; Geb. Med.-Bat Dr. V. Es mar ch-Göttingon, 2. Wasserversorgung 
in ländlichen Bezirken; Geh. Oberbanrat Schmieck-Darmstadt — Donnerstag, 
den 17. Se^ember: 1. Die Ursachen der „Nervosität" und ihre Bekämpfung; 
Geh. Med.-mt Prof. Dr. Kramer-Güttingen. 2. Die hygienischen Omndsätso 

fftr "Ran WAn VAllraaAlinlAti • Rt’.aiifhtt.nrAf P. RAlilAti« MUtiAtiAti _ PpAlt m g» 



Tagemaohrlehtaii. 


466 


4«b 18. 8ept«mb«r: Die hygieeieche Bedeatoog Btftdtiioher KarktheUea, ihte 
EinrichtUDg and ihr Betrieb. Stadtbaoinspektor Dr. ing. Küster•Breelan.— 
Samstag, den 19. September: Gemeinsamer Ansflag nach dem NiederwalddeakmaL 


Auf dem inteniatleMleii Kongress für das Bettnagsweseny der Anfang 
Joni U Frankfurt a. tf. tagte, wurde beschlossen, den Kongiw m ^er 
danernden Einriohtnng unter den KongreSstaaten xn machen und alle 5 Jahre 
einen solchen absahalten. Für 1918'wurde eine Einladnng der Stadt Wien 
angenommen. Anßerdem wurde ein ständiges internationales Komitee für 
Bettnngswesen gebildet 


Die sSchsisehe zweite Kammer bewilligte 200000 Mark für die 
1911 in Dresden stattflndende grosse IntemattonsSe Hygiene-Ansstellug) 
die dadurch gesichert ist. _ 


Auf dem KIT* Deleglertentag der Yerelnignng Dentseker Hebammen 
am 26. und 26. Mai d. J. in München stellte Prof. Dr. Stumpf •München 
folgende Forderungen zur Beform des Hebammenwesens auf: 

Jeder Hebamme soll ein bestimmter Bezirk zugewiesen nnd das freie 
Praktizieren der Hebammen beseitigt werden. Den Bezirkshebammen soll ein 
Mindesteinkommen von 700 Mark auf dem Lande nnd von 900 Mark in den 
Städten garantiert werden; anfierdem sollen sie gegen Krankheit, Invalidität 
nnd Alter sichergestellt werden. 

Die Ausbildangszeit soll in ganz Deutschland gleichmäßig auf 10 Monaten 
festgesetzt und in einen Vor- und Hanptkurs eingeteilt werden; den Hauptkurs 
sollten nur solche Schülerinnen besuchen dürfen, die den Vorkurs erfolgrei^ 
absolviert haben; anderenfalls sollen diese nur als Wochenhettpflegerinnen 
anerkannt werden. 

Von den Schülerinnen soll ein besseres nnd umfassenderes Allgemein¬ 
wissen verlangt und bei der vor einer Kommission am Sitze der Begierung 
absnlegenden Aufnahmeprüfung nachgewiesen werden. 

Den Gemeinden soll das Vorschlagsrecht von Schülerinnen entzogen 
werden. Die Ausbildung der Hebammen soll auf Kosten des Staates erfolgen. 

Die Hebmnmenschulen sollen selbständig, von den üniversitäts-Frauen¬ 
kliniken unabhängig gemacht und der Staatsregiernng direkt unterstallt 
werden. 


Epidemisch auftretende Haarkrankheit, ln SchSneberg bei Berlin 
herrscht seit einiger Zeit eine Haarkrankheit unter den Schülern einer dortigen 
Schule, die durch einen besonderen Pilz, Mikrosporon Andonini, verursacht 
wird. Auf der behaarten Kopfhaut treten mnde weiße Flecken auf, die Haare 
brechen ab und fallen schließlich ans. Die Krankheit, die in früheren Jahren 
bereits in Paris und Basel in größerem Umfange aufgetreten ist, ist zwar an 
sich ungefährlich, aber sehr langwierig und vor allem sehr leicht übertragbar. 
Die Berliner medizinische Gesellschafc hat sich in ihrer letzten Sitzung vor 
Pflegsten bereits näher mit der Epidemie beschäftigt. Wie in der Sitzung von 
mehreren Aerzten mitgeteilt wurde, hat die eigenartige Epidemie in SchOnebers 
schon einen erheblichen Umfang angenommen; einige Fälle haben bereits An^ 
nähme in das dortige Auguste-Viktoria*Krankenhaus gefunden. Geh. Med.- 
Bat Prof. Dr. His, der vor Jahren in Basel eine Epidemie von 200 Fällen 
beobachtet und deren Bekämpfu^ dort geleitet hat, bestätigte die außer¬ 
ordentliche Uebertragbarkeit des Krankheitserregers. Er empfahl, bei Zeiten 
gegen die SchOneberger Epidemie einzuschreiten, damit man nicht schließlich 
zu so großen Aufwendungen gezwungen werde wie in Paris, wo man bereits 
viele kosende für die Bekämpfung der epidemisch auftretenden Kranklmit 
ansgegeben hat und zuletzt gar eine besondere Schule für die davon befallenden 
Kinder einrichten mußte. 

Der SchOneberger Magistrat ist in energische Bekämpfung der Krank¬ 
heit eingetreten und hat auf den Bat vom Geb. Med.*Bat Dr. His an- 
^rdnet, daß alle Schüler der Oemeindeschulen, erforderlichenfalls auch der 
hüheren Schulen, sofort ärztlich untersucht, etwaige erkrankte oder der 
Krankheit verdächtige Schüler vom Schulbesuch ausgeschlossen und einem 



466 


SpreohsML 


Knukeiüiftiise zur Behandlung bezw. Beobachtung ftberwiesen werden. Diener 
ersten systematischen ärzUichen Untersnchong aller Schnlen sollen sieh 
periodische Untersuchungen in kttrzeren Zeiträumen ansehlieBen. 

Durch Fertigstellung des vier Bände umfassenden ofilzleUeu Kengrezs- 
beriehtz sind die Arbeiten des XIY. internationalen Kongresses ftr H^ene 
und Demographie Berlin 1907 beendet. Der Versand der beiden letzten 
Bände an Mitglieder des Kongresses erfolgt noch im Laufe dieses Monats. 

Der gesamte Bericht ist im Verlag August Hirschwald, Berlin, er« 
schienen und zum Preise yon M. 60 im Buchhandel erhältlich. Auch weirden 
die Bände einzeln zu folgenden Preisen abgegeben: Band I: 6 M., Band U: 
14 M., Band XU 1. TeU: 10 M., Band IH 2. TeU: 10 M., Baad IV: 10 M. 

Erkrankungen und Todesfälle an anzteekenden Krankheiten ln 
Prenssen« Nach dem Ministerialblatt fftr Medizinal« und medizhiische Unter« 
riehts« Angelegenheiten sind in der Zeit yom 26. April bis 28. Mai 1908 er« 
krankt (gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, 
Bflckf allfieber und Pest: — (—); Pocken: 25 (7), 82 (5), 82 (4), 18 (2); 
Tollwut: — (—), — (—), — (—), 1 (—); Bißyerletzungen durch 
tollwntyerdächtlge Tiere: 6 (—), 6 (—), 8 (—), 12 (—); Botz: — 
(-), - (-), 2 (-), 1 (l); Milzbrand: 6 (1), 4 (2), 6 (-), 8 (1); Buhr: 
12(—), 8 (—), 4 (—), 4 (1); Unterleibstyphus: 164 (18), 170 (16), 16t 
(19), 199 (lO); Diphtherie: 1128 (98), 1198 (86), 1206 (57), 1099 (65); 
Scharlach: 1506 (94), 1418 (72), 1888 (65), 1227 (51); Genickstarre: 
60 (18), 69 (21), 49 (21), 59 (27); Kindbettfieber: 120 (29), 104 (88), 89 
16, iOO (29); Fleischyergiftung: 4 (—), 6 (1), — (1), — (—); Trichinose: 
— (—), 6 (—), — (—), — (—); KOrnerkrankhelt (erkrankt): 876, 869, 
281, 806; Tuberkulose (gestorben): 745, 679, 721, 677. 

■praohnnaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. L ln M.t 1. Sind sämtliche hom6o« 
pathische Mittel (KSmer, Tropfen, Pulyer usw.) ohne weiteres dem freien 
verkehr ttberlassen oder nicht P 

Antwort: Auf die homöopathischen Arzneimittel finden die Be- 
stinunnngen der Kaiserlichen Verordnung yom 22. Oktober 1901 Anwendung; 
danach sind alle Zubereitungen wie Tropfen, Pulyer, Körner usw. dem frden 
Verkehr nicht fiberlassen (s. Verzeichnis A 4, 6 und 9); desgldchen dttrfen de 
von Kurpfuschern nicht abgegeben werden. 

2. Kann nach den jetzt geltenden Bestimmungen nicht gegen Kur« 
pfusch er yorgegangen werden, wenn sie lediglich auf eingeschlclrten Urin die 
Diagnose stellen und dann homöopatische Körnchen abgeben P 

Antwort: Nur wegen gesetzwidriger Abgabe yon nicht freigegebenea 
Arzneimitteln (s. Antwort auf Frage 1). 

Anfrage des Kretsarztes Dr. 8. in L«: Gibt es eine gesetzliche Vor« 
Schrift, nach der ein Typhns*Bekonyaleszent bestraft werden kann, der aus 
dem Krankenhanse entweicht, bevor seine Absonderung aufgehoben ist, d. h. 
die yorgeschriebenen bakteriologischen Untersuchungen seiner Ausscheidungen 
sich als frei yon Typhuskeimen ergeben haben P Die Strafyorschriftmi des 
Preußischen Seuchengesetzes sehen diesen Fall nicht vor. Kann ein Strafyer« 
fahren wegen Verletzung des § 327 Str.>G.*B. eing«fleitet werden P Sind sdbon 
Entscheidungen der Gerichte in gleichen oder ähnlichen Fällen bekannt P 
Würde eine Strafverfolgung Aussicht auf Erfolg haben P 

Antwort: Falls die Absonderung von der zuständigen Polizeibehörde 
angeordnet und diese Anordnung dem Kranken bekannt gegeben ist, handelt 
es sich zweifellos um eine wissentliche Verletzung der angeordneten Absperrungs« 
maßregeln, die nach § 827 Str.-G.>B. strafbar ist. Eine Strafverfolgung würde 
donunfolge Aussicht auf Erfolg haben, wie sich aus dem Urteil des Beichs« 
gerichts vom 8. März 1896 (s. Z. f. M., 1896; B eüage, 8. 127) ergibt. 

Verantwort!. Redakteur: Dr. Rapmund, Reg.-n. Geb. Med.«Rat in Mindeni. W. 

J r! f? läranu TTsiwwrkfrl n V _T I« 




21 Jahrg. 


1908. 


Zeitschrift 

ffl? 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zmtnlblitt für das gesants fissundbeitswssn, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

HerauBgegebea 

ron 

Dr. OTTO RAPMÜND, 

Regtoroiift- nnd Oeh. XediibialrAl In Minden« 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fisehers mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

HlnogL Bayw. HM- m. Bntwno^ Kammir - BnchMiUU w. 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Inserate nehmen die Torlagshandlong sowie alle Annoncen-Expeditionen des In- 

nnd Auslandes entgegen« 


Nr. 13. 


BMeheiiat mm S. and 90. Jeden Monate. 


5. Juli. 


Die gesundheitliche Beaufsichtignng der Bergwerksbetriebe 

durch die Kreisärzte. 

Von Ereisnrat Dr. Cnrtlag-GToßkamsdorf. 

Im allgemeinen werden die gesundheitlichen Schädigfungen 
der Bergwerksarbeit vom Publikum sehi* überschätzt, anderseits 
aber auch von einzelnen Fachleuten in ein etwas zu rosiges Licht 
gestellt. Wenngleich die allgemeine Mortalität der Bergleute 
entsprechend derjenigen der übrigen Bevölkemng in den letzten 
Jahren Dank der Verbessemng der sozialen und hygienischen 
Verhältnisse nicht nnerheblich znrückgegangen, bei ein¬ 
zelnen besonders gefährdeten Gruppen von Bergleuten gegen 
früher verhältnismäßig sogar noch stärker gesunken ist, so 
überragt sie doch um ein allerdings geringes Maß die Mortalität 
der übrigen gleichaltrigen männlichen Bevölkerung. Die allge¬ 
meine Regel, daß die Mortalität entsprechend der Bevölkernngs- 
dichtigkeit wächst, hat anch hier Giltigkeit; es ist z. B. 
die Sterblichkeit der Bergmannsbevölkernng in den westlichen, 
dichtbevölkerten Indnstriezentren größer, als im Oberbergamts¬ 
bezirk Halle. 

Bei der Benrteilnng der Sterblichkeitsverhältnisse der Berg¬ 
arbeiter zu der übrigen, gleichaltrigen männlichen Bevölkerung 
ist jedoch zn berücksichtigen, daß den Bergleuten von Seiten der 
Betriebe znm Teil ganz erhebliche Wohlfahrtseinrichtnngen 












468 


Dr. Cnrtiiu. 


geboten werden, daß die ErwerbsverhältnisBe derBerglente 
im allgemeinen recht gut sind nnd daß fOr den Bergmannsbemf 
infolge der ärztlichen üntersnchnng meist nnr kräftige nnd 
gesunde Leute zngelassen werden. Zn Zeiten der HochkoDjnnktnr 
werden freilich in den Indnstriezentren vielfach anch schwäch¬ 
liche Leute in die Betriebe eiogestellt, da man bei genflgen- 
dem Angebot von einheimischen Arbeitern sicherlich nicht noch 
auf Ausländer nnd Sachsengänger zorttckgreifen würde. 

Die Unfallstatistik dieser Bergarbeiter ergibt im all¬ 
gemeinen ein recht nngflnstiges Resultat Nach dem Durch¬ 
schnitt der Jahre 1900/02 wurde die Zahl der Unfälle nnr von 
den Betrieben der Lagerei, Spedition, des Fuhrwesens nnd der 
Steinbrttche flbertroffen; desgleichen sind die entschädigungs¬ 
pflichtigen Unfälle in stetig anfsteigender Linie von 6,59 
auf 1000 versicherte Personen im Jahre 1886 auf 15,71 im Jahre 
1906 gestiegen, wobei allerdings zu bertlcksichtigen ist, daß im 
allgemeinen mehr Unfälle angezeigt werden, als früher. 
Auch wird durch vermehrte Einstellung von Sachsengängern und 
ausländischen Arbeitern die Zahl der Unfälle erhöht, weil bei den 
an diese Arbeit nicht gewöhnten Leuten naturgemäß mehr Un¬ 
fälle Vorkommen, als bei Berufsbergleuten, i^derseits spricht 
der Rückgang der tödlichen Unfälle von 2,13 auf 1000 
Personen im Jahre 1886 auf 1,76 im Jahre 1906 für eine 
beachtenswerte Leistung der Bergbehörden auf dem Gebiet 
der Unfallverhütung. Die ziemlich konstant bleibende 
Ziffer der tödlichen UnfUle in den letzten 5 Jahren scheint aber 
darauf hinzudeuten, daß man an der Grenze des Erreichbaren 
steht und daß man damit rechnen muß, daß in dieser Bemfs- 
genossenschaft, von der Binnen- und Seeschiffahrt abgesehen, 
prozentual die meisten tödlichen Unfälle Vorkommen. Im Durch¬ 
schnitt verhielt sich 1906 bei sämtlichen Enappschaften der Ab¬ 
gang durch tödlichen Unfall zu dem anderer Sterbefälle genau 
wie 1: 8; dieser hohe Prozentsatz weist auf die Gefährlich¬ 
keit vieler Bergwerksbetriebe hin, da zu berücksichtigen ist, 
daß z. B. im Oberbergamtsbezirk Halle diese Verhältniszedil nur 
1 :5 beträgt. 

Auch bezüglich der gesamten Dienstzeit nnd des 
Eintritts der Invalidität ist der Bergmannsbemf in vielen 
Gegenden, vornehmlich in den Industriezentren nicht günstig 
gestellt. Eine erfreuliche Ausnahme macht auch hier wieder 
der Oberbergamtsbezirk Halle, in dem im Durchschnitt die In¬ 
validität mit 54,4 Jahren eintritt nnd das Dienstalter 29,1 Jahre 
beträgt; noch günstiger würden sich diese Zahlen stellen, 
wenn sie nicht durch den Halberstädter und den Mannsfelder 
Euappschaftsverein nachteilig beeinflußt würden. Aber auch im 
Oberbergamtsbezirk Clausthal und Bonn, hier allerdings von ver¬ 
einzelten Enappschaftsvereinen abgesehen, kann man in dieser 
Beziehung nicht von ungünstigen Verhältnissen sprechen. Be¬ 
denklicher sind hingegen diese Verhältnisse in den Oberberg¬ 
amtsbezirken Breslau nnd Dortmund, sowie im Saarbrückener 



OoBiudheitliche BeanfBichtigong der Bergvrerksbetriebe dnrch die ErelB&rzte. 469 

und Warmknappschaftsyerein. Die Ganzinyalidität trat hier im 
Jahre 1906 bereits anfangs der vierziger Jahre ein; es 
dauerte die dnrchschnittliche Dienstzeit z. B. 

im Oberschlesischen Enappschaftsverein 17,3 Jahre, 

n Wurm „ 19,8 , 

„ Allgemeinen „ 20,2 „ 

9 Saaarbrttckener „ 25,3 , 

Absichtlich sind hier größere Vereine gewählt, um Zufällig¬ 
keiten auszuschließen. 

Der Eintritt der Oanzinvalidität beginnt in allen Oberberg¬ 
amtsbezirken fast von Jahr zu Jahr früher und betrug in den 
Oberbergamtsbezirken: 



1901 

1903 

1906 

Bückgang 

Breslau 

48,6 

47,6 

44,7 = 

4,1 Jahre 

HaUe 

54,9 

54,0 

54,4 = 

0,5 


Clausthal 

52,0 

51,3 

50,9 = 

1,1 

9 

Dortmund 

45,2 

41,3 

41,8 = 

3,4 

9 

Bonn 

50,5 

50,5 

48,1 = 

2,4 

9 


48,1 

46,6 

44,7 




Zum besseren Verständnis dieser Statistik muß ich auf die 
bei der Knappschaft anders gehandhabte und kompliziertere 
Begelung der Invalidität eingehen, zumal auch in den meisten 
Abhandlungen über diese Dinge eine gewisse Unklarheit 
herrscht und die beiden Groppen der Invalidität nicht auseinander¬ 
gehalten werden. Bei den Bergleuten ist die Beruf sin Vali¬ 
dität streng von der allgemeinen Invalidität bei ’/s Erwerbsun¬ 
fähigkeit zu scheiden. Die erste tritt ein, sobald der Bergmann 
bergfertig, daß heißt zur allgemeinen Berg- oder Werksarbeit 
untauglich wird; diese Invalidenpension wird von den einzelnen 
Vereinen ans den Enappschaftspensionskassen bezahlt. Auf den 
zweiten Grad der luvalidenversorgnng im Sinne der Alters¬ 
und Invalidenversicherung, ich will sie zum Unterschiede „staat- 
liche** nennen, hat der Bergmann auch Anspruch, aber erst dann, 
wenn er */s erwerbsunfähig ist. Sie wird auch seit Inkrafttreten des 
Beichsgesetzes, also vom 1. Januar 1891 gewährt, kam bisher 
zur Hälfte, seit dem 1. Januar 1908 aber ganz zur Auszahlung 
und zwar seitens größerer Verbände, in Erfurter Bezirk aus der 
Norddeutschen Enappschaftspensionskasse. Da beide Eassenein- 
richtnngen mit dem Namen Koappschaftspensionskassen bezeichnet 
werden, so erklärt sich die vielfach hierbei auftretende Unklar¬ 
heit. In allen Statistiken, welche die Invalidität der Bergleute 
behandeln, ist aber nur stets die Berufsinvalidität gemeint. 

Aus den oben angegebenen Ziffern dürfen deshalb nicht 
ohne weiteres Schlüsse dahin gezogen werden, daß die Bergarbeit 
von Jahr zu Jahr gesundheitsschädlicher, anstrengender, 
oder gefährlicher geworden wäre. Zum mindesten ist hierbei 
noch zu berücksichtigen, daß die Bergleute, da sie aus den 
Enappschaftspensionskassen in anbetracht der hohen Lohnsätze 


*) Bei den DarchBchnittBzahlen Bbd die HelbinTaliden mitgesählt 



460 


Dr. CarÜtbi. 


nnd sonstigen günstigen Pensionsbedingnngen ziemlich none 
Renten erhalten, sich mdglichst bald in den Genuß dieser Be* 
Züge setzen wollen nnd daß sie nach ihrer Bernisinyalidisimmng 
in vielen Fällen in neu ergriffenen Beraten noch lange tätig sein 
können. In dem instrnktiven nnd mit großem Verständnis für 
diese nnd für hygienische Fragen geschriebenen Jahresbericht 
des Saarbrückener Knappschafts Vereins für das Kalenderjahr 1906 
ist diese Pensionsfrage anch noch ans einem anderen Ge* 
sichtspnnkte, der nnn ohne weiteres klar ist, mit folgenden Worten 
belenchtet: 

„Der Tiefstand der Pensionierungen findet darin seine Erklftmng, daß 
viele Bewerber in Erwartung der Erhöhung der Pensionss&tae ihre Wflnsche 
einstweilen zurhckgestellt haben und es ist daher mit Sicherheit zu erwarten, 
daß mit Inkrafttreten der neuen Satzung, die wesentlich höhere Pensionen 
yorsieht, ein großer Andrang von Pensionsbewerbern eintreten wird.* 

Die Morbidität ist in den verschiedenen Bezirken wech* 
selnd and erreichte z. B. im Saarbrückener Knappschaftsverein 
60,7, im Bochnmer 64,6 ®/o im Jahre 1906. Anf die hauptsächlich 
in Betracht kommenden Krankheitsgmppen, speziell a^ die ty* 
pischen Bergarbeiterkrankheiten wUl ich an anderer Stelle ein* 
gehen. 

Nach dieser allgemeinen üebersicht, die teilweise 
anch znm Verständnis für die hier in Betracht kommenden Fragen 
notwendig war, gehe ich nnnmehr anf die spezielle Be* 
sprechnng der Gesandheitsschädignngen im Bergwerks¬ 
betriebe und deren Verhütung ein. 

Da mir hierbei der wichtigste Punkt die Verderbnis 
Lnft in den Bergwerken und ihr ausgiebiger Ersatz durch 
möglichst gute, frische Luft zu sein scheint, will ich mit diesem 
Kapitel beginnen. Die Ursachen zur Luftverschlechte* 
rang sind äußerst mannigfach und nehmen mit der Tiefe 
und Ausdehnung der Baue zu. Zunächst steigt im allgemeinen 
die Gesteinstemperatur, nachdem sie annährend in einer Tief- 
von 20 m konstant geworden ist und hier die mittlere Jahres* 
temperatur erreicht hat, in rund 30 m um 1 Grad, falls nicht 
durch besondere Einflüsse, wie heiße Quellen, Zersetzung 
in den Verwaschbergen ein noch schnelleres Ansteigen eintrittO 
Die Lufttemperatur entspricht dieser Gesteinstemperatur, ist aber 
bis zu ca. 400 m gemeinhin höher, in tieferen Graben niedriger 
als die Gesteinstemperatur. Gleichzeitig tritt bei Anwesenheit 
von Wasser ein erhöhter Feuchtigkeitsgehalt auf. Durch die 
Atmung und Ausdünstung von Menschen und Tieren, Brennen 
der Lampen, Schießen, Zersetzung der Mineralien und des Graben* 
holzes, sowie anderer Einwirkungen wird dann die Luft derartig 
irrespirabel, daß die Zuführung frischer Luft im Ueberschuß 
notwendig wird, um die schädlichen Gase zu verdünnen und zu 
entfernen und den verbrauchten Sauerstoff zu ersetzen. Beide 
Forderungen sind unbedingt notwendig, weil die Atmung in 
sauerstoffarmer und durch sonstige Gase verdorbener LuR in 


*) Diese Zahlen sind keineswegs fflr alle Orte konstant. 



Gesnndlidtliche Beaafiichtigiug der Bergwerksbetriebe doreh die Kreis&rzte. 461 


doppelter Hinsicht schädlich wirkt. Durch den Sanerstoff- 
mangely insbesondere aber durch den Ueberschnß an Kohlensäure, 
wird nicht nur ein rascheres Atmen und damit eine schnellere 
Erwärmung und üeberladung der Luft mit Kohlensäure und 
Wasserdämpfen veranlaßt, sondern auch die Schädigung des Or¬ 
ganismus durch die beschleunigte Aufnahme giftiger Gase be¬ 
fördert. Noch ungünstiger gestalten sich diese Verhältnisse, 
wenn in dieser Luft eine anstrengende Arbeit geleistet werden 
muß, die ihrerseits ebenfalls eine schnellere Atmung und Luft- 
Verderbnis herbeifOhrt. Es besteht also ein förmlicher circnlns 
vitiosus, der unter Umständen erhebliche Gesnndheitsschädigungen 
reranlassen kann. 

Bei der Wetterführung ist unbedingt darauf zu achten, 
daß die zugeführte Luft möglichst rein ist. Jedenfalls muß ver¬ 
mieden werden, daß sie durch Banchgase der Schornsteine oder 
durch Dampf verunreinigt ist. Dann empfiehlt es sich behufs 
gleichmäßiger und besserer Fortführung des Wetterstroms, daß 
die Kanäle (Lutten) tunlichst dicht, rund und glatt sind, nicht 
in Winkeln, sondern in Bögen ihre Richtung ändern und daß 
namentlich bei der Bewetterung durch Diffusion, sowie bei der 
sonstigen Wetter Versorgung und Wetterführung stets auf die 
genaue Einhaltung der diesbezüglichen bergpolizeilichen Bestim¬ 
mungen geachtet wird. Die bergpolizeilichen Verord¬ 
nungen über die Bewetterung sind je nach der Möglichkeit 
1er Bildung von schlechten Wettern in den einzelnen Oberberg¬ 
amtsbezirken mehr oder weniger weitgehend und im Erfurter Be¬ 
zirk den meist günstigen Wetterverhältnissen angepaßt. 

Der Gehalt der Luft an Kohlensäure darf l°/o nicht über¬ 
steigen; denn selbst geringe Mengen dieses Gases sind schon 
unangenehm und auch schädlich, wenn dieses Gas nicht durch 
Zersetzung von Mineralien, sondern vorwiegend durch Ausatmung 
und Ausdünstung von Mensch und Tier herstammt. Stärkere 
Konzentrationen wirken schon nach kürzerer Zeit direkt ge¬ 
sundheitsschädlich und rufen bei 3C/o rasch gefährliche Erkran¬ 
kungen hervor. Es ist deshalb sehr empfehlenswert, daß sich 
der revidierende Medizinalbeamte nach den Analysen des anszie¬ 
henden Gesamtstroms erkundigt. 

Auf die selten vorkommende Lnftverderbnis durch Schwefel¬ 
wasserstoffgas und die meist durch elementare Ereignisse auf¬ 
tretenden Kohlenoxydgasvergiftnngen will ich hier nicht eingehen. 
Nur soviel sei erwähnt, daß das Kohlenozydgas schon bei einer 
Konzentration, die wenig über O,2®/00 liegt, bald schädlich wirkt, 
daß bei 0,5®/oo schon nach 1^/t Stunden die ersten Vergiftungs- 
erscheinungen anftreten und daß bei 2—3°/oo rasch gefährliche 
Erkrankungen eintreten. 

Die hohen Temperaturen in den größeren Täufen wirken 
weniger direkt als indirekt gesundheitsschädigend. Der 
Hauptsache nach veranlassen oder vermitteln sie leichte Er¬ 
müdung, ein stärkeres Atmungs- und großes Durstbedürßiis, 
Erkältungskrankheiten, eine größere Verletzungsgefahr des leicht 



462 


Dr. Oaitioi. 


oder wenige bekleideten Körpers, die Neigron^ zn Fnrankelbildong, 
sowie zn Ekzemen nnd last not least die Verbreitung des Qmben- 
wnrms in doppelter Hinsicht. Es ist deshalb stets anf die Zn- 
yerlässigkeit der Hrnbenthermometer nnd ani die Tem¬ 
peratur in den tieferen Gruben zn achten, zamal yon ihr die 
Schichtdauer abhängt. Ob zu den in hochtemperierten Gruben 
meist yorgeschriebenen Temperatnrmessnngen auch Mazimal- 
und Minimalthermometer yerwendet werden, ist mir un¬ 
bekannt, empfehlenswert wären sie aber wohl, wenn ganz hohe 
Temperaturen beobachtet werden, oder wenn die Frage akut 
wird, ob infolge der höheren Temperatur (28—29®)^) die Sechs- 
stnndenschicht einzufähren ist. Auch müßte stets danach ge¬ 
forscht werden, ob die höheren Temperaturen durch unyorher- 
gesehene Einflüsse (Durchbruch heißer Qoellen, Oxydations- 
yorgänge im Vorsatz etc.) entstanden sind und ob nicht der Ver¬ 
such gemacht ist, diese Einflüsse zu beseitigen oder die Tem¬ 
peratur durch yermehrte Wetterznfuhr herabzudrücken. Ob und 
inwieweit es sich ermöglichen lassen wird, die Luft an den 
Arbeitspunkten durch Erzeugung yon Verdnnstungskälte 
mittelst flüssiger Luft abzukühlen, ist noch nicht erwiesen, doch 
wären diesbezügliche Versuche wohl recht wünschenswert. 

Die auskömmliche Versorgung mit einwandsfreiem 
Trinkwasser oder sonstigem alkoholfreien Getränk ist in 
sämtlichen Gruben unbedingt zu yerlangen. In mehreren Berg¬ 
polizeiverordnungen habe ich zu meiner Ueberraschung hierüber 
keine Bestimmungen gefunden, doch mag es sehr wohl mög¬ 
lich sein, daß ich bei der Fülle des zu bewältigenden Materii^ 
Angaben darüber übersehen habe. Im ganzen habe ich den 
Eindruck gewonnen, daß in den Bauen unter Tage die Trink¬ 
wasserversorgung häuflg besser ist, als in denen über Tage. 
Namentlich geht dies aus den mir durch Vermittlung des Herrn 
Beg.- nnd Med.-Bats Dr. Dütschke von der Begierung zu Cöln 
und aus den seitens des Oberbergamts zu Bonn zur Einsichts- 
nahme überlassenen Besichtigungsprotokollen der Kreisärzte her¬ 
vor, daß in den Braunkohlengruben jenes Bezirks die Wasser¬ 
versorgung früher zuweilen recht viel zu wünschen übrig ließ. 

ln Anbetracht der verschiedenen Verhältnisse, sowie der 
Schwierigkeiten nnd Kosten, welche die Wasserversorgung der 
Belegschaft namentlich in ausgedehnten und warmen Bauen hat, 
wird die Art der Wasserzuführung erheblich differieren; 
die Aufsichtsbehörde wird daher bei ihren Anforderungen billiger 
Weise anf die Eigenart der Betriebe Bücksicht nehmen müssen. 
Beim Vorhandensein einer Wasserleitung wird es sich manch¬ 
mal empfehlen, den Füllort direkt an die Leitung anzuschließen, 
um die Versorgung der großen Wassertransportgefäße zu verein¬ 
fachen, während wiederum in flachen Gruben mit mäßiger ^eg- 


1) Nach der Allg. Berg-Pol.-Verordn. im Oberbergamtabesirk Halle ist 
die Bstttndige Schicht erst bei 29**C. vorgeschrieben. Nach dem Berggeeets 
hat ihr KoUengraben die 6 Stnndenschicht bei 28** einsntreteii. 



(Jesaiidheitliche Beaafsiohtigiuig der Bergwerksbetriebe durch die Kreisinte. 468 


sehaft einwandfreies Deckentranfwasser der Stollen an Ort 
and Stelle in geeigneten Behältern anfgefangen nnd benntzt 
werden kann. 

In Brannkohlengrnben, in denen das dort gewonnene 
Wasser häufig gennßantanglich ist, oder in tiefen Banen, in 
denen es gewöhnlich gänzlich fehlt oder zn heiß ist, mnß das 
Trinkwasser in Behältern an die Arbeitsstelle geschafft werden. 
Von diesen Wasserbehältern ist zn verlangen, daß ihr 
Inhalt vor Vernnreinignngen sicher geschützt nnd nnr durch 
Zapfliähne entnommen werden kann. Dann ist es wünschens¬ 
wert, daß in Gmben mit hohen Temperaturen die hier meist 
fahrbaren eisernen Wasserbehälter zur besseren Kühlhaltung des 
Oetränks mit einer Isolierschicht versehen sind nnd daß in 
Tagesbanen während der heissen Jahreszeit ein nach Bedarf 
mehrmaliger Ersatz des Trinkwassers stattfindet, wenn es sich 
nicht frisch hält. Um ein Trinken ans den Zapfhähnen zn ver¬ 
hüten, werden diese zweckmässig mit einem Schntzsiebe ver¬ 
sehen; hat die weitere Wasserverteilung mittelst dicht- 
schÜessender Kannen oder in den eigenen Behältern der Bergleute 
za geschehen. Die Wasserbehälter müssen schliesslich vor dem 
Füllen vollkommen entleert, dnrchgespült nnd von Zeit zn Zeit 
mit Dampf dnrchblasen werden, wenn sich dies ermöglichen 
■lässt. 

Von durststillenden Wasserznsätzen rate ich im 
allgemeinen ab, da es m. £. für den Chemismus der Verdauung 
nicht gleichgültig ist, wenn auf die Däner namentlich bei starkem 
Wassergenuss in hochtemperierten Gruben reichliche Mengen von 
Zitronensäure oder anderen Säuren zugefügt werden. Auch 
ist nach Versuchen von Bruns die Zitronensäure, wie dies von 
Goldmann behauptet wird, kein Vorbengnngsmittel gegen 
die Wurmkrankheit. 

Wegen ihrer Zweckmäßigkeit kann ich bezüglich der Ver¬ 
sorgung der Grubenarbeiter mit Trinkwasser eine Verfügung des 
EOnigl. Oberbergamtes zu Freibnrg vom 30. März 1904 em¬ 
pfehlen. 0 

Die künstlichen Lichtquellen in den Grnben sind 
nicht selten ungenügend. Es empfiehlt sich deshalb bei den Be¬ 
sichtigungen stets darauf zu achten, daß zur Vermeidung von 
UnfWen die Vorschriften über die Beleuchtung der in¬ 
folge des Betriebes besonders gefährdeten Punkte befolgt werden. 
Wünschenswert wäre es auch, daß überall, wo ein Gebrauch von 
Sicherheitslampen als Wetteranzeiger nicht erforderlich ist, an¬ 
stelle der rußenden nnd wenig leuchtenden Oelgrnbenlampen 
solche mit dem viel helleren Azetylenlicht eingeführt werden, 
zumal seit ihrer Benutzung nach mehrfachen Erfahrungen Unfälle 
dnrch Firstbruch viel seltener Vorkommen, weil die iü'beiter das 

0 Nach Entschdclang des BeiohsTenicherongsomts wurde der Tod eines 
Arbeiters an ünterleibstyphns infolge des Genusses verseuchten Trinkwassers 
aus einem Zechenbrunnen beim Scbachtabtäufen auf Zeche Badbod als Betriebs¬ 
unfall anerkannt. 



464 


Dr. Curtiiu. 


lose Gestein an der First viel leichter wahmehmen und beseitigen 
können. Auch haben sich diese Azetylenlampen in der hiesigen 
Gegend als dnrchaas zuverlässig und widerstandsfähig erwiesen. 
Die Ansichten über die Einwirkung der Verbrennnngsgase 
des Azetylens auf die Luftbeschaffenheit sind noch geteilt, doch 
wird die Eeinheit des Bohmaterials hier gewiß von wesentlichem 
Einfluß sein. 

Die Beseitigung der Abfallstoffe spielt in den Berg¬ 
werksanlagen über und unter Tage eine sehr wichtige Rolle, 
erster Linie ist bei allen Untertagesbauen jede Verunreini¬ 
gung der Grube, welcher Art sie auch sei, nach Möglichkeit zn 
vermeiden, weil hierdurch eine unerwünschte Verschlechterung 
der Luft hervorgerufen wird. Alles Fortwerfen von Früh¬ 
stückspapier, üeberresten der Mahlzeit nsw. müßte auf das 
Strengste verboten und alle fäulnisfähigen Stoffe ans der Gmbe 
baldtnnlichst entfernt werden; insbesondere rechne ich hiemnter 
auch die Exkremente der Pferde. 

Seit der großen Wurmepidemie in den westlichen Gmben- 
bezirken ist der Abortfrage eine ganz besondere Beachtnng 
zuteil geworden und viel gegen früher verbessert. Im allge¬ 
meinen ist zu verlangen, daß die Abortgefässe trans¬ 
portabel, undurchlässig, gut verschliessbar sind und an geeig¬ 
neten Stellen, sowie in genügender Anzahl aufgestellt werden. 
Holzgefässe eignen sich hierzu im allgemeinen nicht, weil sie 
zn wenig widerstandsfähig und wegen des häuflgen Ersatzes zn 
teuer sind. Ein grosses Gewicht ist auf einen guten Ver¬ 
schluss der Gefässe (Keilverschluss) zn legen, namentlich in 
in den Gruben mit höherer Temperatur, weil hier die Zersetznngs- 
vorgänge viel intensiver sind und der üble Gestank in den engen 
Bäumen die Luft sehr verpestet. 

Ferner ist es notwendig, dass der Eübelinhalt in einem 
möglichst geruchlosen Zustand erhalten wird. In warmen 
Graben erreicht man das wohl am besten durch Zusatz von Sa- 
prol W, in denen mit mehr niedriger Temperatur durch Ein- 
streuen von Sägespähnen oder Torfmull. 

In den meisten Bergpolizei-Verordnungen, auch in der des 
Oberbergamtsbezirks Halle ist auffallender Weise angeordnet, dass 
dem Kübelinhalt ein Desinfektionsmittel zugesetzt wird; 
mir scheint das für viele Fälle unzweckmässig zu sein, zumal 
„ein mässiger Zusatzvon Desinfektionsmitteln dort, wo diese 
Mittel notwendig sind, keinen Zweck hat. Viel sachgemässer 
ist die Bestimmung der Dortmunder Polizeiverordnnng, nach der 
nur beim Auftreten von Krankheiten, welche dui'ch menschliche 
Ausscheidungen verbreitet werden können, die Kotgefässe auf 
Anordnung der Bevierbeamten mit Desinfektionsmitteln zu 
versehen und die Abortsitze beim Aaswechsel dieser Gefässe 
unter Verwendung geeigneter Desinfektionsmittel zu reinigen 
sind. Bei allen Kübeln unter Tage ist also Desodoration 
stets, Desinfekion nur unter besonderen Verhältnissen zn 
verlangen. Wenig schicklich scheint es mir auch zu sein, wenn 



Oenudlieitliehe BeaafBiohtigiuig der Bergwerkebetzlebe durch die Ereiiftrzte. 466 


die Abortplätze in Tielen Gruben jeden Ab sch ln es nach aussen 
durch Vorhänge oder Vorschläge entbehren. 

Dass die Eflbel rechtzeitig ansgeurechselt, ihre Um¬ 
gebung erforderlichenfalls gereinigt oder desinfiziert wird, dass 
sie ferner über Tage in nndorchlässige Groben entleert werden, 
zu säubern und eyentuell mit Dampf zu durchblasen sind, ist ein 
weiteres Postulat. Ein Ausschütten des Inhalts auf die Halden, 
wie dies auch empfohlen ist, halte ich für durchaus unzulässig 
und unökonomisch. 

Trotz Aufstellung Ton Abortgefässen in genügender Anzahl 
und bequem zu erreichender Entfernung findet vielfach ein Ab- 
setzen des Kotes in den Gruben leider garnicht selten 
statt, namentlich in schwer passierbaren Teilen derselben. Es 
kann deshalb nicht genug empfohlen werden, dass auch über 
Tage namentlich für grössere Belegschaften in der Nähe der 
Kaue oder an einem sonst geeigneten Platz eine, ich möchte 
fast sagen einladende Abortvorrichtung vorhanden ist. 
Auch wäre es erwägenswert, ob man nicht Bergleuten, die an 
akuter Diarrhoe leiden, das Befahren der Grube während der 
Dauer dieses Erankheitszustandes besser untersagte. 

Eurz ist hier noch auf die Aborteinrichtung in Tages¬ 
bauen einzugehen. Nach den Beobachtungen der Kreisärzte im 
Oberbergamtsbezirke Bonn finden sich auf den dortigen Braun¬ 
kohl engraben sogenannte wandernde Aborte, deren hölzerne 
Zelle beim Vorschreiten des Baues oder sonst nach Bedarf dis¬ 
loziert wird, während die vielfach im Erdreich auf der Sohle der 
Baue oder den Abraumplätzen ausgeworfenen Gruben früher zu- 
geschfittet wurden. Aus hygienischen Gründen müssen auch hier 
unbedingt Kübel verlangt werden. 

Bei den Bergleuten kommen gerade so, wie bei andern 
Berufsklassen, gewisse typische Krankheitsgruppen vor, 
während andere eine mehr regionäre Ausbreitung haben. Da bei 
den Elnappschaften außerordentlich genaue Erankheitsstatis- 
tiken geführt werden, so kann ich nicht dringend genug em¬ 
pfehlen, diese vor jeder Revision einzusehen, oder bei den l^app- 
schaftsärzten Erkundigungen einzuziehen, um ein Bild darüber 
zu gewinnen, welche Erankheitszustände vorwiegend in den 
einzelnen Belegschaften auftreten, und ob diese von dem ge¬ 
wöhnlichen Typus abweichen. Hierdurch kann der Medizinal¬ 
beamte unter Umständen einen wertvollen Aufschluß darüber er¬ 
halten, worauf er bei seinen Besichtigungen hauptsächlich zu 
achten hat. Es wäre auch nur der ganzen Sache dienlich, wenn 
diese Statistiken, wie dies z. B. bei dem Saarbrückener Enapp- 
schaftsverein geschieht, von seiten der größeren Vereine oder 
der Oberbergämter einer genauen Prüfung unterworfen würden, 
um durch entsprechende Mitteilung an die Reviervorsteher und 
Kreisärzte deren Aufmerksamkeit auf das gehäufte Auftreten von 
gewissen Erankheitsznständen zu lenken, sie um Aufklärung des 
ursächlichen Zusammenhangs und um Angabe von Vorbeugnngs- 
maßregeln^zu ersuchen. Da ich diesem Punkt auch aus anderen 



466 


Dr. Cartiu. 


Gründen eine besondere Wichtigkeit beimesse, werde ich später 
noch kurz darauf znrttckkommen. 

Unter allen Erkranknngen kommen bei den Bergleuten fast 
flberall die Affektionen der Luftwege infolge der schroffen 
TemperaturflbergftDge bei erhitztem Körper, der nngesnnden Luft, 
des Dampfes nnd Staubes am häufigsten vor. Schwankend, aber 
immerhin beträchtlich ist auch namentlich die Zahl der Lungen- 
entzttndungen, die erfahrungsgemäß bei den Bergleuten r^tiv 
häufig tödlich verlaufen. Auch akute Katarrhe des Kehlkopfes 
sind gar nicht selten. 

Von den chronischen Lungenerkranknngen möchte 
ich nur bezflglich des Emphysems und der mit ihm in einem 
Kansalnezus stehenden Kohlenlunge sagen, daß diese Krankheiten 
infolge der Verbesserung der hygienischen Zustände, namentlich 
infolge der besseren Wetter Versorgung und der Einführung der 
Berieselung, in den Kohlengruben ganz wesentlich znrückgegangen 
sind. 

Im allgemeinen sei über die Entstehung von Lungenkrank¬ 
heiten nur noch angegeben, daß nach Prof. Haldane-Oxford 
das Einathmen von harten Gesteinsstaub viel gefährlicher 
ist, als das von weichem oder von Kohlenstaub. Zur Bewässe¬ 
rung sehr trockener nnd staubiger Arbeitspunkte in Erzgruben 
können deshalb Spritzwasserleitnngen, ähnlich wie sie in 
Kohlengruben zur Verhütung von Kohlenstaubexplosionen eingeÄhrt 
sind, nicht genug empfohlen werden. 

Die Verbreitung der Tuberkulose unter den Bergleuten 
ist je nach der Art des entstehenden Gesteinsstaubes verschieden; 
deshalb können aus den Statistiken der großen Knappschaftsvereine 
keine allgemeinen Schlüsse Über die Gefährdung der Bergleute 
in dieser Hinsicht gezogen werden. Ein Besultat läßt sich nur 
erreichen, wenn man die Erkrankungsziffern der einzelnen Beleg¬ 
schaften unter einander nnd mit den gesamten Dorchschnittsziffem 
vergleicht. 

An zweiter Stelle stehen wohl die chronischen Magen¬ 
darmkatarrhe, die vielfach auf eine unregelmässige und nn- 
zweckmässige Ernährung, Alkoholmissbrauch, übermässigen Wasser¬ 
genuss in den Gruben mit wärmeren Temperaturen, aber auch 
auf das Arbeiten in ungewöhnlichen Stellungen und andere Ur¬ 
sachen zurückznführen sind. 

Der mehrfach vertretenen Ansicht, dass rheumatische 
Erkrankungen, inklusive Neuralgien, unter den Bergarbeitern 
nicht so häufig sind, als gewöhnlich angenommen wird, kann ich 
nicht beipflichten. Zweifellos gehören sie jedoch infolge des oft 
sehr starken Wetterzuges, der starken Temperaturunterschiede, der 
öfteren Durchnässung der Bekleidungsstücke in vielen Tages¬ 
und Untertagesbanen, der notwendigen täglichen Beinignngsbäder 
namentlich in kalten Jahreszeiten zu den typischen und ver¬ 
breitetsten Bergarbeitererkranknngen. 

Sehr zahlreich sind ferner Zellgewebsentzündungen, 



OesoadlieiUiohe Beanldchtignng der Bergwerlrebetriebe dnrch die Kreiebzte. 467 


nunentlich anch Bose, Fanmkel, diese besonders in warmen 
Graben and im Salzbergbau, sowie Ekzeme. 

Verbreitet sind ferner Angenkrankheiten in staubigen 
Graben, Trachom in den Bezirken mit polnischer and tschechi¬ 
scher Arbeiterbevölkerung, sowie das Bollauge infolge der First¬ 
arbeit. 

Bezüglich der Warmkrankheit, über deren Wesen and 
Verbreitung eine im Kaiserlichen Gesondheitsamte unter Mitwir¬ 
kung von Löbker und Bruns bearbeitete Schrift alles Wissens¬ 
werte enthält, will ich nor angeben, dass eine Desinfektion der 
Graben unausführbar ist und dass die üebertragung auch von 
den Larven durch die Haut erfolgt. In prophylaktischer Be¬ 
ziehung kommen hauptsächlich in Frage: Verbot der Beschäf¬ 
tigung von solchen Personen unter Tage, in deren Ausleerungen 
sich Warmeier befinden, strenge Befolgung der Vorschriften be¬ 
züglich der Abortanlagen, Berieselung mit 5 oder mebrprozentigem 
salzhaltigen Wasser, falls solches zur Verfügung steht, Douchen 
der Arbeiter nach der Schicht. 

Für den Erfurter Bezirk ist noch die Reizung der Nasen- 
schleimhäute durch feinverteilten Salzstaub zu erwähnen, 
gegen die eine Anwendung der Nasendouche zu empfehlen ist. 

Im übrigen wäi’e hier noch anzugeben, daß zur Beschäftigung 
in Druckluft nur Arbeiter mit gesunden Brustorganen, in Gruben 
mit trockenem Gesteinsstaub nur solche mit gesunden Lungen 
zugelassen werden sollten. Anch empfiehlt sich zu § 176 
der Allgemeinen Bergpolizei-Verordnung hinter dem Satz: 
«Niemand darf innerhalb der Bergwerksanlagen sich 
aufhalten oder geduldet werden, der betranken oder 
mit einer Krankheit oder einem Gebrechen behaftet ist, welche 
daselbst sein Leben gefährden kOnnen*, der Zusatz: «oder das 
Anderer“. Ich möchte in dieser Beziehung nur auf Schwerhörige, 
Schwachsichtige und Bazillenträger hinweisen, die gemeinhin be, 
derartigen Betrieben der Umgebung viel gefährlicher werden 
können, als sie selbst gefährdet sind. 

Die erste Hilfe bei Unfällen unter Tage und das sonstige 
Rettnngswesen im Bergbaubetriebe erfordern zum Teil ganz 
eigenartige Vorkehrungen und Ausrüstungen, von denen nament- 
li^ die letzteren so verschiedenartig und mannigfach sein müssen, 
daß deren Besprechung nicht umgangen werden kann. 

Zunächst ist zu berücksichtigen, daß der Transport in den 
zuweilen sehr engen und niedrigen Strecken und bei den sehr 
langen Wagen recht beschwerlich ist und deshalb für den Ver¬ 
letzten au^rordentlich qualvoll sein kann. Oft bleibt nichts 
anders übrig, als diesen auf ein Brett festzubinden, ihn so in 
den Strecken fortzubewegen und in der senkrecht aufgestellten 
Bahre den Schacht hinaufzubeförden. Die Tragbahren sind des¬ 
halb zweckmäßig mit Achselriemen und sonstigen Garten 
zu versehen, um ein Rutschen des Verletzten zu verhüten; beim 
Bergau^ehen muß tunlichst das Kopfende, beim Bergabgehen 
das Fußende vorn sein. Genügende Beleuchtung, Fort- 



468 


Dr. CortioB. 


räumen von Hindeinissen und Hinweis anf Wegeschwierig'' 
keiten dnrch weitere Personen außer den eigentlichen Trans- 
portören sind außerdem erforderlich. Die eigentliche Kran¬ 
kentrage kann meist erst anf den Hauptstrecken benutzt werden, 
falls hier nicht Grubentransportwagen mit Federn oder federnde 
Einhängevorrichtungen aus Drahtgeflecht zur Verfügung stehen. 
Auch ^e Beförderung in den im Bau begriffenen Schächten ist 
häufig sehr schwierig und zuweilen nur nnter Zuhilfenahme be¬ 
sonderer Vorkehrungen ausführbar. Das Lehrbuch des lang¬ 
jährigen Knappschaftsarztes, Geh. San.-Hat Dr. Vogel: »Die erste 
Hilfe bei Unfällen*' beschäftigt sich näher mit diesem Transport 
der Verletzten, ist speziell ^ die Verhältnisse im Bergbau be¬ 
arbeitet und kann allen, die sich mit dieser Frage beschäftigen 
wollen, nur empfohlen werden. 

Das plötzliche Auftreten irrespirabler Luftgemische macht 
anf manchen Gruben, besonders auf Kohlenbergwerken, das Vor¬ 
handensein genügender Atmnngsapparate notwendig, die un¬ 
gefähr in einer Menge von 5 % der in einer Schicht beschäftigten 
Arbeiter vorhanden und gebrauchsfertig sein müssen. Außerdem 
muß ein genügender Vorrat von Sauerstoff, oder sonstigen 
in chemischen Materialien (Pnenmatogen) zur Sanerstoffentwicklung 
den Apparaten, Kalipatronen, Gummibentel und gelöschter K(ük 
zur Kohlensäurebindung vorhanden sein. Ferner ist zu verlangen, 
daß je nach Bedarf auf den Gruben Wetterleinen, Druckluft¬ 
pumpen, Schläuche, elektrische Grubenlampen, weil sie auch in 
sauerstofffreier Luft brennen, Medikamente nsw. in ausreichenden 
Mengen vorrätig sind. 

Ich übergehe das sonstige stets in Bereitschaft zu haltende 
Material zur Bekämpfung von großen Bränden, Absperren von 
Grabenteilen und ähnliches, da die Kontrolle hierüber dem Medi¬ 
zinalbeamten nicht zusteht. 

Eine auch für Massennnglficksfälle ausreichende Einrichtung 
ist in den Bettungsstationen der grossen Graben, in denen 
explosive oder irrespirable Luftgemische auftreten können, sowohl 
über, als anch unter Tage erforderlich und muss das Personal 
der Bettungswehren regelmässige Uebungen abhalten, weil 
das Atmen mit dem Pnenmatophor, die Herrichtung der einzelnen 
Bettangsapparate Buhe, Sicherheit und Geschicklichkeit erfordern. 

Beachtenswert ist eine Einrichtung in England, wo man in 
jüngster Zeit Bettungsschulen für Bergleute eingerichtet hat, in 
denen die Bettangsmannschaften aasgebildet werden, Uebungen 
und Bettangsarbeiten in künstlichen Stollen hei irrespirabeln 
Gasgemischen vornehmen und in einer Zentrale zum Bedarf bei 
grösseren Unglücksfällen kaserniert sind. 

Einer besonderen Erwähnung bedürfen schliesslich noch die 
Wohlfahrtseinricbtnngen da sie nicht nur innig mit der 
Hygiene des Bergbaues Zusammenhängen, sondern me^fach sogar 
ein wesentliches Glied derselben darstellen und vielfach unent¬ 
behrlich sind. 

Am meisten gilt das wohl von den Badeeinrichtungen, 



Oeaiudlieitliehe Beaolaiehtignng der Bergwerkebetriebe dnzch die EreisSrzte. 469 


die fftr Steinkohlenbergwerke in den Oberbergamtsbezirken Bres* 
lau, Dortmund and Bonn vorgeschrieben sind, während im Ober¬ 
bergamt Halle eine Braasebadeanlage nnr verlangt werden kann, 
wenn die Arbeit mit Hitze und Staub verbanden ist. Im Halle¬ 
schen und Clausthaler Bezirk waren bisher verhältnismäßig am 
wenigsten Bäderanlagen eingerichtet, doch hängt dies mit 
von der Art der Betriebe ab. Stets ist eine genfigende Er¬ 
wärmung und • Sauberkeit der ganzen Anlage, ein besonderer 
Ankleideraum, womöglich eine getrennte Abteilung fttr jugend¬ 
liche Personen und leichter Wasserabfluß von dem Fußboden des 
Doncheraumes zu verlangen. Gemeinschaftliche Bassinbäder 
müssen vom hygienischen Standpunkt ans beanstandet werden, 
auch wenn Brauseeinrichtungen vorhanden sind; sie dürfen be¬ 
sonders in Gegenden, die warmverseucht sind, wegen der An¬ 
steckungsgefahr nicht geduldet werden. 

Stets sind bei den Besichtigungen auch die Kauen zu 
revidieren, unter denen man Aulenthaltsräume versteht, welche 
von seiten der Grabenverwaltung fflr die Belegschaft errichtet 
sind und den verschiedenartigsten Zwecken dienen. Die oben 
erwähnten Badeeinrichtungen gehören als Waschkauen auch in 
diese Gruppe von Räumen. Die Dortmunder Berg-Polizeiord¬ 
nung bestimmt über sie in sehr zweckmäßiger, kurzer und be¬ 
stimmter Weise, daß sie reinlich, gut gelüftet und der 
Witterung entsprechend geheizt sein müssen, während im Ober¬ 
bergamtsbezirk Halle von diesen Bäumen nnr verlangt wird, daß 
sie gesäubert, gelüftet und in der kalten Jahreszeit geheizt 
werden müssen. Bestimmtere Vorschriften wären hier m. E. 
wünschenswert. 

üeber die Unterbringung der in gewerblichen oder 
landwirtschaftlichen Betrieben, beim Bergbau oder bei Bauten 
beschäftigten Arbeiter enthalten die Grnndzüge im Erlaß der 
Minister für Handel und Gewerbe, der Medizinalangelegenheiten, 
des Innern und für Landwirtschaft vom 19. Murz 1901 ausführ¬ 
liche Anweisungen. Wenngleich auf diesen Erlaß hin nicht über¬ 
all entsprechende Polizei-Verordnungen ergangen sind, so geben 
diese Grandzüge doch bei den Revisionen, soweit nicht ander¬ 
weitige gültige Verordnungen bestehen, dem Medizinalbeamten 
einen wertvollen Anhaltspunkt dafür, wieweit er in seinen An¬ 
forderungen gehen kann und in welchem Rahmen er eine Einigung 
mit dem mitrevidierenden Bergrevierbeamten zu erzielen bestrebt 
sein muß. Diese Unterkunftsräume sind, soweit Schlafräume in 
Betracht kommen, namentlich dort einer eingehenden Besichtigung 
zu unterziehen, wo viel Krätze herrscht, die nach den Be¬ 
obachtungen im Saarbrückener Knappschafsverein dort vielfach 
eine starke Zunahme erfahren hat. Auch müssen, falls Granu¬ 
löse unter den Insassen vorkommt, die entsprechenden Anord¬ 
nungen getroffen und im allgemeinen nach dem Gesundheitszu¬ 
stände der ausländischen Arbeiter in diesen Schlafräumen 
geforscht werden. 

Falls der auswärtigen Belegschaft in diesen Kauen Speise 



470 


Or. Cartiiu. 


and Getr&nke verabfolgt werden, oder hier den Arbeitern fttr 
eigene Verwendung besondere Eoeheinrichtnngen zur Ver* 
fflgung stehen, so wäre auch stets die Kflche zn besichtigen nnd 
ai^ das Vorhandensein einer einwandsfreien, ausreichenden Wasser* 
bezDgsstelle zu achten. 

Im allgemeinen ist die Errichtung von derartigen ünter- 
kunftsräumen anzustreben, wenn die Wohnstätten der Belegschaft 
weit entfernt sind, passend gelegene Arbeitszfige fehlen und die 
Graben kalt und naß sind. Lungenentzündungen und Erkältungs¬ 
krankheiten der Atmungsorgane, sowie rheumatische AffekUonen 
lassen sich gerade darauf häufig zurflckführen, wenn die Leute 
nach weitem anstrengendem Marsch mit erhitztem Eürper in die 
Graben einfahren. 

In vielen Gegenden, in denen die einheimische Arbeiter- 
bevülkerung nicht ausreicht, haben die Verwaltungen teilweise 
mit enormen Kosten den Bau von Arbeiterhäusern selbst in 
die Hand genommen oder durch Gewährung von Darlehen und 
Prämien den Arbeitern fiberlassen. So waren im Saarbrückener 
Bezirk bis zum Jahre 1906 6466 Wohnungen mit Hilfe staatlicher 
Darlehen und Prämien erbaut worden, auch ist in Bleicherode auf 
diesem Gebiet bereits manches geschehen. 

Neuerdings sind auch mehrfach an diese Arbeiterkolonien 
eigene, gemeinschaftliche Waschhäuser und Waschanstalten an* 
geschlossen, die den großen Vorteil haben, daß die Wohnhäuser 
nicht durch Wasserdämpfe feucht werden und ein Sparen an 
Heizmaterial sowie an Geräten ermfiglicht wird. 

Zur Bekämpfung des unter vielen Bergarbeitern vorkommen¬ 
den Alkoholmißbrauches haben die oben erwähnten Ai> 
beiterspeiseanspalten wesentlich beigetragen. Wünschenswert 
wäre es aber, daß in dieser Beziehung noch mehr geschieht. 
Besonders haben sich ffir diese Zwecke die Eaffeekttchen be¬ 
währt, von denen fttr Großbetriebe der Dampfkochapparat der 
Fabrik pharmazeutischer und chemischer Apparate und Maschinen 
von E. A. Lentz--Berlin empfohlen werden kann. Ferner 
kommt die Abgabe von billigem Selters- und Limonaden¬ 
wasser in Betracht. Zweifellos wird auch manches durch Ver¬ 
teilung von Flug- und Merkblättern, sowie durch Strafbestim¬ 
mungen erreicht, doch bleibt es immer zweckmäßiger, dem Arbeiter 
einen Ersatz fttr den Alkohol zu bieten, als ihn durch Be¬ 
lehrung und Bestrafung von dessen Genuß abzuhalten. 

Die Erankenhausfrage ist in den einzelnen Oberberg¬ 
amtsbezirken von verschiedenen Gesichtspunkten aus geregelt. 
Im Breslauer Bezirk besitzen die großen Enappschaftsvereine 
eine ganze Reihe großer, geeignet verteilter, ausgezeichneter 
Erankenhäuser, während im Dortmunder Bezirk mit den dort 
reichlich zur Verfügung stehenden kommunalen Erankenhäusem 
Abkommen zur Aufnabme kranker Bergleute getroffen sind; außer¬ 
dem hat der dortige Enappschaftsverein drei große eigene Elranken- 
anstalten in Bochum, Gelsenkirchen und Recklinghausen. Im Be¬ 
reich des Oberbergamtes Halle existiert nur das allerdings sehr 



Gesiuidheitliche BeanbiehÜgang der Bergwerkebetriebe durch die Ereie&rzte. 471 


große Erankenliaas Bergmannstrost in Halle. Ob nnd inwieweit 
lüerdoreh Nachteile dorch weiten Transport oder in sonstiger 
Hinsicht entstanden sind, entzieht sich meiner Benrteilong; jeden¬ 
falls liegt die Einrichtung im Breslauer und im Dortmunder Be¬ 
zirk mehr im Interesse der Yerunglflickten. 

Nur auf zwei wichtige Gebiete der mannigfachen Gmppen 
der Wohlfahrtseinrichtungen mochte ich am Schluß dieses Ab¬ 
schnittes noch kurz eingehen, auf die Haushaltungsschulen nnd 
und auf den Unterricht im Obst- und Gartenbau, weil ich die 
großen Vorteile beider Bestrebungen aus eigener Beobachtung in 
dieser Gegend kennen gelernt habe. 

Unter der Industriebevölkernng ist die Ausbildung der 
Mädchen im Fähren des Haushaltes ebenso ungenfigend, 
wie dringend notwendig. Es wäre deshalb sehr zweckmäßig, 
wenn die Bergmannstöchter im Alter von 14—16 Jahren tlberaU, 
wo sich dasermöglichen läßt, inHanshaltungschulen unter¬ 
richtet worden, die sehr passend, soweit ein Eochunterricht 
in Frage kommt, an die Arbeiterspeiseanstalten angeschlossen 
werden könnten. Noch mehr empfiehlt sich vielleicht die in 
Meiningen getroffene Einrichtung, wo man den Besuch der¬ 
artiger Haushaltungsschulen obligatorisch eingefflhrt nnd sie an 
die bestehenden Volksschulen angegliedert hat. 

Für den Unterricht im Obst- und Gartenbau hat die 
Arbeiterbevölkemng ein ganz außerordentliches Interesse und 
entfaltet in der praktischen Handhabung desselben eine große 
Geschicklichkeit. Da zu den Arbeiterwohnungen meist kleine 
Gärten gehören, so empfiehlt sich eine derartige Unterweisung 
auch deshalb, weil die Bergarbeiter bei der gemeinhin geringen 
Schichtdauer genfigend Zeit haben, sich dieser gesunden und 
einträglichen Beschäftigung zu widmen. 

Ans den vorstehenden AusfOhrungen geht hervor, daß es 
keine leichte Arbeit fflr den beamteten Arzt ist, wenn er 
seiner Aufgaben gerecht werden soll, als staatlicher Gesundheits¬ 
beamter an der hygienischen Ueberwachnng der Bergwerks¬ 
betriebe erfolgreich mitzuarbeiten. In erster Linie ist hierzu eine 
eingehende Beschäftigung nicht nur mit diesem Spezial¬ 
gebiet der Hygiene, sondern auch eine genaue Kenntnis der in 
den Bergpolizei-Verordnungen behandelten hygienischen Gesichts¬ 
punkte unbedingt erforderlich, zumal sich der Kreisarzt in seinen 
Vorschlägen, von eventuell erforderlichen Ausnahmen abgesehen, 
innerhalb des Bahmens dieser Bestimmungen zu halten hat. Aber 
auch die hier sonst in Frage kommenden gesetzlichen Be¬ 
stimmungen und die Abgrenzung der Befugnisse der Berg- 
nnd der allgemeinen Landespolizei müssen dem Kreisarzt genau 
bekannt sein. 

Ueber seine Hechte und Pflichten an der gesundheit¬ 
lichen Beaufsichtigung der Bergwerbsbetriebe nnd über sein amt¬ 
liches Verhältnis zu den Bergbehörden geben die §§21, 92, 93 
der Dienstanweisung für die Kreisärzte, der Erlaß des Mi- 



472 


Dr. Cartins. 


nisters fftr Handel and Gewerbe vom 29. Angast 1901, sowie die 
auf Grand des § 21 Absatz 2 der Dienstanweisnng and des Er¬ 
lasses ergangenen gemeinschaftlichen Verfflgangen der Ober¬ 
bergämter und der Regiemngspräsidenten Aafschlnß. Da diese 
Verfagungen in den einzelnen Bezirken in verschiedenen Pankten 
von einander abweichen, kann im einzelnen auf sie nicht näher 
eingegangen werden.^) 

Die oben erwähnten Bergpolizei-Verordnnngen er¬ 
strecken sich, soweit sie für den Medizinalbeamten von Interesse 
sind, auf die Sicherheit des Lebens and der Gesundheit der Ar¬ 
beiter und den Schatz gegen gemeinschädliche Einwirkungen des 
Bergbaues. Teilweise passen sie sich in ihren hygienischen Be¬ 
stimmungen ganz modernen Anschauungen an, teilweise aber auch 
veralteten. Wünschenswert wäre es deshalb, wenn die Oberberg¬ 
ämter vor dem Erlaß allgemeiner und spezieller Bergpolizei- 
Verordnungen von ihrer Befugnis gemäß § 21 der Dienstanwei¬ 
sung für die Kreisärzte Gebrauch machen und den zuständigen Kreis¬ 
arzt bezüglich der hygienischen Bestimmungen zur gutachtlichen 
Aeusserung auflordern würden. Auch bei den anderen Verwal- 
tungsbehürden ist es Brauch, daß vor Erlaß von Verord¬ 
nungen und Gesetzen, soweit es sich in ihnen um sanitätspolizei¬ 
liche und hygienische Fragen handelt, das Urteil der auf diesem 
Gebiet bewanderten Sachverständigen gehört und die Ausarbei¬ 
tung nicht allein juristischen und technischen Beamten über¬ 
lassen wird. 

Die Ausführung von Vorschlägen des Kreisarztes im 
Bahmen der Bergpolizei-Verordnungen kann der Bergrevierbeamte 
sofort anordnen, da es zu seinen Obliegenheiten gehört, die Durch¬ 
führung der in den Bergpolizei-Verordnnngen enthaltenen Vor¬ 
schriften zu überwachen, üeber weitergehende Vorschläge, die 
der Kreisarzt im gesundheitlichen Interesse der Arbeiter für nötig 
hält, darf der Bergrevierbeamte jedoch nicht selbstständig eine 
Entscheidung treffen, sondern nur das Oberbergamt auf Grund 
von Berichten der Bergrevierbeamten und eventuell des Kreis¬ 
arztes, gegebenenfalls nach Anhörung des Gesundheitsbeirates. 

Bezüglich des Ermittelungsverfahrens bei anstecken¬ 
den Krankheiten und bei der Anordnung von Vorbeugungsma߬ 
nahmen ist je nach dem Machtbereich die Berg- bezw. die all¬ 
gemeine Landespolizei in Anspruch zu nehmen. Da diese Verhält¬ 
nisse jedoch etwas verwickelt sind, möge noch kurz darauf einge¬ 
gangen werden. Zunächst besitzt hier der Kreisarzt bei dring¬ 
lichen Feststellungen das Zutrittsrecht zu Bergwerksanlagen 
jeder Art, ohne sich vorher mit dem Bergrevierbeamten ins Ein¬ 
vernehmen setzen zu müssen. Das Befahren einer Grube wird 
sich freilich wohl meist unnötig erweisen oder hinaus¬ 
schieben lassen. Doch könnte der Kreisarzt z. B. verlangen, daß 
ein eingefahrener typhusverdächtiger Bergmann b^ufs Unter- 


*) Aob Terschiedenen Gründen ist besonders beachtenswert die Arnsberg* 
Dortmunder Verfügung vom 8. und 6. April 1906. 



Qesnadheitliche Beanfsichtigmig d«r Bergwerksbetriebe darcb die Ereisirzte. 478 

■aehnng ans den Graben geholt wird. Zar Anordnnng Ton 
Sehntzmaßregeln gegen die Weitenrerbreitnng ansteckender 
Krankheiten ist hier die allgemeine Landespolizei nar dann 
anst&ndig, wenn diese Maßnahmen außerhalb des eigentlichen 
Bereichs des Bergwerksbetriebes yorznnehmen sind; im anderen 
Falle hat die Bergpolizei einzntreten, z. B. beim Verbot der Be* 
nntznng Ton verdächtigem oder gesnndheitsschädlichem Trink¬ 
wasser innerhalb des Bereichs der Bergwerksbetriebe, bei Anord¬ 
nungen bezflglich des Desinfektion der Abortkflbel bei Krank¬ 
heiten der Bergleute, die durch menschliche Ausleerungen ver¬ 
breitet werden können, Sicherung gegen Verbreitung von Wnrm- 
krankheiten, grappenweiser Verteilung der Belegschaft an ge¬ 
trennten Arbeitsstätten je nach dem Wohnsitz beim Auftreten von 
Genickstarre und ähnlichem. 

Wenn bei dem Vorliegen des Begriffs Gefahr im Verzüge 
der Kreisarzt die zur Verhütung der Verbreitung der Krankheit 
zunächst erforderlichen Maßregeln anordnet, so hat er diese 
Anordnungen, soweit sie im Bereich des eigentlichen Bergwerks¬ 
betriebes vorznnehmen sind, dem Betriebsleiter schriftlich 
zu geben und dieser den getroffenen Anordnungen Folge zu 
leisten. Eine schriftliche Mitteilung von diesen Anordnungen 
ist in entsprechender Weise der Bergpolizei und nicht der 
allgemeinen Landespolizei zu machen. Glaubt der Kreisarzt nicht 
entscheiden zu können, welche Polizeibehörde maßgebend ist, 
oder nimmt er an, daß ein Interessengebiet beider berührt ^ 
wird, so empfiehlt sich eine Benachrichtigung von Berg- und 
Landespolizei unter entsprechendem Hinweis.^) 

Eine viel größere Bolle, als die akut auftretenden, an¬ 
steckenden Krankheiten, spielen bei den Bergarbeitern chro¬ 
nische Krankheitsznstände. Es ist deshalb erforderlich, 
daß sich der Kreisarzt mit den eigenartigen Verhältnissen des 
Bergbaues, ferner mit den gesundheitsschädlichen Einfiüssen des¬ 
selben und den vornehmlichsten Erkrankungsformen der Berg¬ 
leute vertraut macht, üm die in hygienischer Hinsicht sehr 
s^ wichtige Frage, wie die Gesnndheitsverhältnisse der in 
seinem Amtsbezirk wohnhaften Belegschaft sind, beurteilen zu 
können, wäre es sehr zweckmäßig, wenn ihm die entsprechenden 
Krankheitsstatistiken der Knappschaftsvereine zugänglich gemacht 
würden. Bei auffallenden oder ungewöhnlich gehäuften Krank- 
heitsznständen hätte er dann anzuregen, daß unter seiner Mit¬ 
wirkung nach den Ursachen dieser Erscheinungen geforscht und 
sehie gutachtliche Aeußerung zur Anordnung von Schutzmaßregeln 
«ngeholt wird. Wie wichtig diese Durchsicht der Krankheits- 


*) Der AnMcht der Bergpolüei untersteheo nicht nur die Bergwerke, 
sondem auch die AulbereitangS'- und lugehOrigen Betriebeanetalten: i. B. Best-, 
QllUi*, Koksöfen, Poch-, Qaetsch- und Mablwerke, Brikettfabriken und die 
Gradierwerke der Salinen. Dagegen nicht Hütten- und Walzwerke, Anlagen 
mr Herstellang Ton Kalisalzen aas Karnalit, Bingofenziegeleien, Mineral-, 
Del«, Paraffln- und Ammoniakfabriken und ähnliche Betriebe, in denen eine 
weitere Verarboitang yon Nebenprodakten yorgenommen wird. 



474 


Dr. Cnrttm. 


Statistiken der Enai^schaftsvereine ist, habe ich bereits bei der 
Besprechung der Taberknlose kurz erwähnt. Aber auch die Zn* 
nähme der Geschlechtskrankheiten unter der Belegschaft eines 
Knappschafts Vereins, anf die in einem Jahresbericht jetzt aufmerk¬ 
sam gemacht ist, spricht für die Darchffthrung meines Yorschlages. 
Mit dieser Dorchsicht der Krankheitsstatistiken die Knappschafts¬ 
ärzte zn betrauen, erscheint mir nicht empfehlenswert zu sein, 
w^ der Kreisarzt bei seiner amtlichen unabhängigen 
Stellung den Knappschaftsvereinen und Bergbehörden gegenäber 
die hier eventuell notwendigen hygienischen Forderungen weit 
besser geltend machen kann, als der von diesem Behörden imaeiv 
hin abhängige KnappschaftBarzt.*) 

In einer anderen Hinsicht jedoch möchte ich warm fttr die 
Knappschaltsärzte und ftlr die Hebung ihrer Standsinteressen 
eintreten. Ich bin überzeugt, daß viele Knappschafteärzte auf 
diesem Spezialgebiet der Hygiene sehr beachtenswerte Kennt¬ 
nisse besitzen, die bisher der Allgemeinheit nicht nutzbar gemacht 
sind. Es würde deshalb der Sache gewiß außerordentlich gedient 
werden, wenn eine ähnliche Einrichtung, wie sie durch die 
Eisenbahnverwaltung in den alljährlichen Yersammlunj^ 
der Bahnärzte eingeführt ist, auch seitens der Bergbehörden ins 
Leben gerufen würde. Sie würde sicher den großen Vorteil 
zeitigen, daß die Kenntnisse in diesem Spezialfach gerade 
so gefördert und gesammelt werden könnten, wie die auf dem 
Gebiet der Bergbankunde anf den allgemeinen Bergmannstagen. 
^lerdings ist es hierbei eine Vorbedingung, daß alle Aerzte, weldm 
die Hygiene des Bergbaues fördern wollen, häufiger Gruben be¬ 
fahren, damit sie um einen alten bergmännischen Ausdruck in 
(Huem etwas andern Sinne zu gebrauchen, nicht bloß Berg¬ 
hygieniker von der Feder bleiben. Vielleicht ist die Scheu vor 
dl^ Befahren der Gruben einer der Gründe, daß die Tätigkeit 
der Bergbeamten bisher in hygienischer Hinsicht eine nm- 
fassendere, durchgreifendere und erfolgreichere gewesen ist, als 
die der Aerzte. 

Trotz aller erreichten Erfolge auf dem Gebiet der Bergwerks¬ 
hygiene gibt es noch viele Fragen, die erst ihrer Lösung 
hanen, und bedürfen hier manche hygienischen Einrichtungen 
einer weiteren Vervollkommnung. Wenn auch gerade die deut¬ 
sche Bergbaukunde schon lange den hohen Ruhm für sich in An¬ 
spruch nehmen kann, die führende Stellung in der ganzen Welt 
zn haben, so würde der Ruf des deutschen Bergwesens noch 
weiter gefestigt werden, wenn man auch in wissenschaftlichm' 
und praktischer Hinsicht die Bergwerkshygiene noch weiter 
ausbaute. Diesem letzteren Ziel wird man, hofle ich, näher kommen, 
wenn die Bergbehörden im höheren Maße, wie bisher, auch von 
Hygienikern vom Fach und den staatlichen Gesindheitsbeamteii 

*) Im OberbergamtabeEirk Dortmund hat man berdta fttr den Baraieh 
des Begierongsbezirlu Arnsberg in nachahmenswerter Weite die |§ 84 und 86 
der Dienstanweisung fttr die Kreisärzte auf die mir Zostindigkeit des Oberberg¬ 
amtes gehörenden Anlagen ausgedehnt^ 



OesandheiUiolie Beaafaichtigang der Bergwerksbetriebe darob die Xreisärzte. 476 

eine größere Mitwirkang auf hygienischen Gebiet einränmten 
nnd die weitere Fdrdemng und üeberwachnng dieser so wich¬ 
tigen Materie nicht so vorwiegend den technischen Bergbeamten 
llbiarließen. 

Leitsätze. 

1. Die große wirtschaftliche Bedentnng der Bergwerks¬ 
betriebe, sowie die zahlreichen gesundheitlichen Schädigungen 
nnd Betriebsunfälle der in den Bergwerken beschäftigten Arbeiter 
machen es erforderlich, daß diesen Betrieben eine ständige 
staatliche Aufsicht in hygienischer Hinsicht in wmt 
höherem Maße zuteil wird, als dies bisher vielfach der Fall ge¬ 
wesen ist. Diese Aufsicht anszuttben, ist der Kreisarzt als 
staatlicher Gesundheitsbeamter dank seiner allgemeinen ärztlichen 
und speziellen hygienischen Vorbildung in erster Linie berufen. 

2. Zur Durchführung dieser Maßnahmen empfiehlt sich be¬ 
sonders folgendes: 

a) Eine eingehende Beschäftigung der Kreisärzte mit diesem 
Spezialgebiet der Hygiene und eine regere Teilnahme an 
den amtlichen Besichtigungen der Bergwerke. 

b) Inanspruchnahme der Kreisärzte bei der Prüfung nnd Begut¬ 
achtung von Bergpolizeizerordnungen, soweit ihnmi von 
gesundheitlichen Angelegenheiten die Bede ist. 

c) Bei aufiallenden oder ungewöhnlich gehäuften Krankheits¬ 
zuständen einzelner Belegschaften sind unter Mitwirkung 
des Kreisarztes die Ut sachen dieser Erscheinungen zu er¬ 
forschen nnd Vorschläge von Vorbeugungsmaßnahmen einzn- 
fordern. Von den getroffenen Schutzmsßregeln ist dem 
Kreisarzt Kenntnis zu geben. 

d) Weitgehender Gebrauch der Oberbergämter von der Be¬ 
fugnis, in gesundheitlichen Angelegenheiten Ersuchen an 
den Kreisarzt zu richten. 

8. In wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht bedarf die 
Bergwerkshygiene einer weiteren Vervollkommnung, die durch 
Versuche in staatlichen Instituten sowie durch Vortiäge und 
Diskussionen auf den Bergmannstagen und Aerzte-Kongressen an- 
zostreben ist. 

Litsratur. 

1. Selbach: Illustriertes Handlexikon des Bergwesens. 

2. Zeitschrift für das Berg-, Hatten- und Salinenwesen im preufl. 
Staate. 

8. Dr. Wejl: Hygiene der Berg-, Tunnel- und Hüttenarbeiter; aus 
dem Handbuch der Hygiene. 

4. Dr. W e y 1: Handbuch der Arbeiterkrankheiten. 

6. Beg.-Bat Dr. Stegemann: Bauliche Anlagen für die Wohlfahrt 
der Arbeiter; ans dem Handbach „Anlage von Fabriken*. 

6. 22. Bericht über die Terwaltang der Knappschaftsberufsgenossen- 
aohaftea für das Jahr 1906. 

7. Dr. B. Laspeyres: Stat. üntersachungen über die Gesundheits- 
Terhältnisse der Bergleute mit besonderer Berücksichtigung der in Steinkohlen¬ 
bergwerken beschäftigten Arbeiter. (Zentralblatt für allg. Qesundheitspllege; 
26. Jahrg., 1. u. 2. Heft. 

8. Dr. Hugo Goldmann: Die Hygiene des Bergmanns, seine Berufs¬ 
krankheiten, erste Hilfe und die Wurmkrankheit. 



476 


Kldnare MÜtenanfeii and Befente not Zdtfdurlllaa. 


9. Dr. Elslsser: üeber die eogeuuuitea Bergmuneknakbeiten. 

10. Dr. LObker and Dr. Brans: Ueber du Weeen der Yerbieitanf 
der Wnrmkrenkheit. 

11. Dr. Diemlnger-Merklinde: üeber die Erfolge der Abtnibnage* 
koren bei Ankjlostomiesis. Klin. Jahrb.; Bd. XVn, H. 8. 

12. Jahresbericht des NiederadilMischen EnappsehaftsrereiM fflr 1906. 

18. Jahresbericht des Saarbrückener KnappscnaftaiTereins für 1906. 

14. Berichte über Besichtigungen Ton Bergwerken seiteu der Ereie* 
inte im Oberbergamtsbesirk Bonn. 

16. Ueberricht über die Erankbeitsformen bei den intlich bebaadeUea 
Bergleuten des Oberschlesischen Enappschaftsrerebu im Jahre 1906. 

16. Die in den einzelnen Monaten dngetretenen ErankheitsfiUle nnd 
deren ürsuhen im Jahre 1906 ans dem allgem. Enappsehaftsrerein Boehnm. 

17. Dr. M. Vogel: Die erste Hilfe bei Unfulen. 

18. Polizeirerordnnngen Tersehiedener Oberbersamtsbesirke. 

19. Journale der Eassen&rzte des Haiberst. Enappschaftsrerds 1906. 

20. Erebs- and Tnberknlose* Statistik des NiederschL Enappsehnfts- 
yereiu 1906. 

21. Dr. P. Stolper: Qeenndbeitsbaoh für den Steiakoblenbergban. 

22. Der Eompafi; Jabrg. 28, Nr. 6. 

28. Westhoff nnd Schlüter: Berggesetz. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitschriften. 

D. BaktarloloEla, InfalctlonakrajiklialtaB uid MteiifllohaB 

BanitAtawaaaii. 

Ortshyglane. 

a) Beinbaltung der Lnft, Beseitigung der Abfallstoffe. 

Laftreinlgnag durch Ozea. Von Dr. O. Erlwein. Qesnndbdts« 
Ingenieur; Jahrg. 81, Nr. 18. 

Verfasser beschreibt die Ton der Firma Siemens ft Halske be> 
sobriebenen Ozonisiernngseinrichtungen für Ventilationszweeke, welche für 
rerschiedene Zwecke geeignet sind, wie z. B. zur Desodorisierung und Beinigung 
der Luft Yon Theater-, Eonzert-, Bestauratiou- nnd Fabrikrinmen, Markt- 
und Schlachthallen, Untergrundbahn-Tunnels, Euernen, Eirchen, Ton Schills- 
r&umen, städtischen Asylen etc. Ferner sei noch darauf hingewiesen, daß bei 
den beschriebenen Eonstraktionen eine Begulierung der Ozonmengen äußerst 
bequem auf elektrischem Wege durch Aendeiung der Betriebsspannung oder 
durch Zu- und Abschalten einzelner Ozonelemente möglich ist, so daß die Omm- 
leitung der Apparate von Fall zu Fall dem jeweiligen Bedarf leicht angepaßt 
werden kann. _ Dr. Wolf-Marburg, 


Schutz der Schomstelue gegen die EtnflllBse der IHtteruag. Von 
Prof. Naßbaum-Hunorer. Oesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 16. 

Die Nachteile, welche die gewöhnliche Anlage der Schornsteine bietet, 
lassen sich sämtlich mit einem Schlage aufheben, sobald wir die Schorutefae 
oder ihre freistehenden Teile außen mit Eörpern bekleiden, die für Wasser 
undurchlässig sind und ein besonders niedriges WärmdeitungsvermOgen besttzen, 
während der Schornsteinkopf durch eine Haube gegen das Eündringen der 
Niodersebläge (und nachteiligen Winddruck) gesichert wird. Als Schutzhüllmi 
werden aus Eorkklein und Pech hergestellte Platten Yon einer Stärke YW 
6 bis 8 cm empfohlen. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Bericht über die Erfolge der meehanlsekeU) ehemlacheu nd Mel^ 
glsohen Abwisserkllmng. Von Qeh. Ober-Med-Bat Prof. Dr. Schmidt- 
mann. Vierteljahrsschr. t geriehtL Med. u. öffentL Suiitätswesea; 8. Folge. 
XXXV. 2. 

Verfasser gibt in diesem auf dem XIV. Intemationalea Eongreß für 
Hygiene nnd Demographie gehaltenen Beferate eine kleine, knrzgefaßte und 
übersichtliche Schilderung der Yorschiedenen Abwässer-BefadgangsYmlahrea, 



Kleinere Mitteilongen and Referate ane Zeitsohriften. 


477 


M der er nicht nur ihre Nachteile und Vorteile, sondern auch die Anlase- 
Betiiebskosten an! Oinnd seiner reichen Erfahningen sowie auf Gmod der W 
bestehenden Anlagen gemachten Beohachtnngen berflcksichtigt. Seine vorsflg- 
liehen AnsfOhrongen hat er in folgenden Schlnßsätsen snsanunengefaßt: 

1. Khi für lüle Fälle passendes, allgemein befriedigendes and allgemein 
anwendbares Verfahren der Abwasseralärug gibt es nicht. 

Erfolge lassen sich in einer fhr die praktischen Erfordernisse ans- 
reichenden Weise mit jeder Art der Abwasserklämng erdelen, wenn das 
Verfahren nach den Verhältnissen des Einselfalles richtig gewählt, bei seiner 
Sbrichtnng der Oertlichkeit angepaBt ist und unter sachkundiger Kontrolle 
ordnnngsmäfiig betrieben wird. Die Ergebnisse der Kontrolle haben augleich 
die Unterl^^en für die etwaige weitere Ansgestaltung des Verfahrens su geben. 

2. Die Forderungen, weldie im Interesse der Allgemeinheit an den 
Reinhdtsgrad der geklärten Abwässer su stellen sind, sind keine feststehenden, 
aondera Ton Fall su Fall unter eingehender Prttfnng der Qesamtverhältnisse 
festsnsetsen. In der Regel best! nunt sich das Höchst* bezw. Mindestmaß nach 
den Forderungen, welche ün Interesse der Oesundheitspflege gestellt werden 
mlsaen. Hit der Erfüllung der gesundheitlichen Forderungen wird zumeist 
allen billigen Ansprüchen an eine Abwasserklärnng, die im hauswirtschaftlichen, 
landwirtscbaftlichen, gewerblichen und fischereilichen Interesse su stellen sind, 
Ton besonderen Fällen abgesehen, genügt. 

3. Wenn der nach den gegebenen Verhältiüssen su fordernde Bebheits* 
grad mit ebem einfachen Verfahren erreicht werden kann, so bt es unberechtigt, 
ebe weitergehende und kostspieligere Klärung su fordern. Die zu stellende 
Anlage muß aber b ihrer Art möglichst Tollkommen mit allen Mitteln der 
Technik hergestellt werden. Vlde Mißerfolge erklären sich daraus, daß 
Ton Tomhereb an den Herstellungskosten der Anlage zu sehr gespart 
worden bt. 

4. Den Terhältnbmäßlg sichersten Erfolg für die ebwandfreie Be¬ 
seitigung Ton Abwasser, insbesondere wenn es sidi um große Mengen handelt, 
bi^t die Rebigung durch Verteilung auf ausreichenden Landflächen Ton 
geeigneter Beschaffenheit (Berieselung, Eduardsfelder Verfahren, bter- 
ndt^ende Bodenfiltration, Untergrundberieselung). 

6. Die durch den natürlichen blologbchen Prozeß der Bodenbehandlung 
SU erzielende Reinigungswbkung kann b ähnlicher Webe, abgesehen Ton der 
Beebflussung der Infektionsstoffe, durch das künstliche biologische 
Verfahren erreicht werden. 

Je nach der Durchbildung der biologischen Anlage läßt sich eb 
Rebignngserfolg erreichen, der emerseits dem der Rieselfelder nahezu gleich 
kommt, anderseits b der Mitte stehen kann zwbchen ebem Rieselfeldabfinß 
und dem Abfiuß einer mechanischen (Becken oder Bronnen) Anlage. Die 
Ausbildung im ebseben, wie n. a. die Art der Vorklärnng und die der Nach- 
klbung (für Tropfkörperabfiüsse wegen der darb enthaltenen Schwebestoffe), 
hfcagt Ton den Verhälbbsen des Ebzelfalb, insbesondere Ton der Beschaffenheit 
des Vorfiuters ab. 

Das Ziel der biologischen Abwasserrebignng durch künstlich aufge- 
sehichtetes Material (Füll- und Tropfkörper) muß die Schaffung ebes fäulnb- 
uaflUiigen Abflusses seb. 

Der Erfolg der blologbchen Reinigung hängt neben der richtigen 
GrOßenbemessung, passender Vorbehandlung und erforderlichenfalb Nach- 
bohandlung, zweckmäßiger Auswahl des Körpermateriab und der Verteilungs- 
art des Abwassers über die Körper Tor allem Ton ebem sachgemäßen 
Betrieb ab. 

Zur Sicherstellung ebes sachgemäßen Betriebes bt neben der Anstellung 
siues ansgebildeten Klärwärters die Führung ebes Betriebsbnehes nnd ebe 
lOgdmäßige swedrentsprechende üntersuchung der Abflüsse zu fordern. 

6. Die chemische Abwässerreinigung bt durch das biologbohe Ver¬ 
fahren und die bessere Ausbildung der mechanbehen Verfahren in neuerer Zeit 
surflekgedrängt; doch bt in manchen Fällen, namentlich wenn gewerbliches 
Abwasser b Frage kommt, die Anwendung Ton chembchen Fällungs- oder 
Bbdnngsmitteb m sich alleb oder b Verbindung mit anderen KlärTerfabren 
aneh heute noch wertToll und unter Umständen sogar unentbehrlich. 



478 


Kleinere Hitteilnngen and Keterate ans Zeitflchriften. 


7. Die mechanischen Abwasserkl&rnng durch Becken, Brannen 
oder Ttlirme hat sich namentlich in Deatschland bei gflnstigen VorllatTerh&it- 
nissen and zweckmäßiger Darchbildong bisher bewährt Unerläßlich fflr einen 
befriedigenden Erfolg ist die den gegebenen Yerbältnissen angepaßte richte 
Einzeldarcbbildang der Becken oder Brannen, sowie ein sachgemäßer Betri^, 
insbesondere die rechtzeitige Fürsorge für eine einwandfreie Beseitigung des 
Schlamms. Letzteres gilt für alle mit Schlammablagerangen rechnenden ffl&r- 
einriebtangen. Die in nenester Zeit angewendeten Verfahren, den Schlamm 
in den Becken oder Brannen während des Betriebs von dem darchfließenden 
Abwasser abzntrennen and aosfaalen za lassen (Hampton, Chemnitz, Essen, 
Becklingbaosen) yerdienen Beachtang. 

8. Um mit Bechenanlagon befriedigende Erfolge za erzielen, ist bei 
ihrer Aasbildang vor allem za beachten, daß ein Zerreiben der angesefawemmten 
Sehmatzstoffe tanlichst yermieden wird. Qat aasgebildete Bechenanlagen 
können als alleinige, selbständige Elläreinricbtangen nnr bei ganz besonders 
günstigen Vorflatyerhältnissen in Anwendung kommen.. 

9. Durch möglichste Aasschaltang der Handarbeit and weitgehende An» 
wendang automatischer Betriebsweise kann bei Kläranlagen, wie die Erfahrongea 
in Frankfart a. H. in sicherer Weise bewiesen haben, die Gesandheit der 
Arbeiter in erheblichem Maße gefördert werden. 

10. Oie Kosten der einzelnen Abwasserreinigongsyerfahren stehen im 
allgemeinen annähernd im direkten Verhältnis za der jeweils dadarch za er¬ 
reichenden Beinigangswirkang. Ein zahlenmäßiger Vergleich der Beinigon^ 
wirkang der yerschiedenen Klärsysteme ist aaßerordentlich schwierig. Eb 
lassen sich mit einiger Sicherheit nar die Unterarten innerhalb der einzelnen 
Belnigangsmethoden miteinander yergleichen. So kann z. B. eine zweckent¬ 
sprechend aasgebildete Bechenanlage mit Sandfang in ihrer Leistang hinaicht- 
llch der Aassebeidang angelöster Schmutzstoffe auf etwa */• hin */* ▼<>■> deso, 
was Becken oder Brannen leisten, geschätzt werden. 

11. Die ständige Verbindang der Desinfektion mit dem Betrieb 
zentraler Kläranlagen empfiehlt sich nicht; sie ist auf Aosnahmefälle (Epide¬ 
mien) za beschränken. Die Vernichtung der Infektionsstoffe ist für gewOhnlk^ 
am Ort ihrer Entstehung darchzaführan, jedoch schon bei der Anlage zentraler 
Klireinrichtangen ist die Möglichkeit einer etwa erforderlichen Desinfektion 
des Gesamtabwassers yorzabereiten. Za diesem Zweck ist bei Becken- and 
Bmnnenanlagen die Möglichkeit einer Eiintereinanderschaltang yorzosehen, bei 
biologischen Tropfkörperanlagen sind die Nachklärbecken yerwertbar zar Des¬ 
infektion za gestalten. Wo baalich die Desinfektionsmöglicbkeit nicht sicher¬ 
gestellt werden kann, ist Land bei der Anlage bereit zu halten, auf dem ad hoo 
Desinfektionsbecken hergerichtet werden können. 

Die Desinfektion der Bobabwässer ist unsicher and kostspielig wegen 
des großen Bedarfs an Chemikalien; es empfiehlt sich deshalb, die DeawektiOB 
an den geklärten Abwässern auszoführen. Bei der Verwendung der Vor- 
reinigangsanlagen für biologische Körper za Dosinfektionszwecken ist zu be¬ 
achten, daß die Körper in ihrer Wirkang nicht geschädigt werden. 

12. Nar eine regelmäßige sachyerständige Untersachung 
der Abflüsse der Kläranlage and des Vorflaters gibt ein richtiges Bild yon der 
Wirkang der Anlage. Der Umfang and die Art der Untersachung richtet sich 
nach dem jeweiligen Kläryerfabren. 

18. Die bakteriologische Prttfang kann der Begel nach bei der 
Kontrolle des aas irgendeiner Kläranlage abfließenden Abwassers entbehrt 
werden; sie kommt jedoch in Betracht, wenn es sich um desinfiziertes 
Abwasser handelt; alsdann ist festzastellen, ob die Abflüsse noch BazUlen aas 
der Gruppe des Bacteriam coli enthalten. 

lÄ Für die Beorteilang der Einwirkang gereinigter Abwässer 
auf die Vorfiat ist neben der chemischen and bakteriologischen Unter- 
sachang, welche die aogenblicklichen, zar Zeit der Prüfung be¬ 
stehenden Verhältnisse erkennen lassen and unter denen besonders im fischerei- 
lieben Interesse die Bestimmang des Saaerstoffgehalts and der Saaerstoffzehrang 
wichtig ist, auch die biologische Untersachang namentlich des fest- 
sitzenden Materials (Schlamm, Boden, Uferbesatz) aaszaftthren, welche in der 
Fauna and Flora ein yon der augenblicklichen Beschaffenheit des fiießenden 
Wassers unabhängigeres Darchsebnittsbild yon dem Zustand des Flasses bietet. 

- Epd. 



Xklnere Mitteilungen and Befente aae Zeitsohrifteii. 


479 


KniaTerrernlehtaiif — KadATerrenrertiaig. Yen Ing. P. Naam ann- 
BerUi. Oeenndheite-Ingenieur; 1908, Nr. 16. 

Be wird znn&chst von einer der Neuzeit angepaßten Anlage rerlanrt 
werden mttesen, daß eine Wiederinfektion des Fertigpr^nktes darch dae BoiE< 
prodakt unter allen Umständen ausgeschlossen sein maß, daß ferner die Ab* 
tOtung der im Bohprodakt stets Torhandenen Bakterien eine darchaus einwand* 
freie ist und daß die ganze Anlage m&gliehat gerooblos arbeitet. Verfasser 
beschreibt ausfUhrlich ein System, das von der Firma D. OroTe-Charlotten* 
borg gebaut wird und rationell und zweckmäßig arbeiten soll 

_ Ur. Wolf* Marburg. 


b) WasserTersorgung. 

Zlnkhalttge TrinkwSsser. Von A. Brttning in Düsseldorf. Zeit* 
■ehrift für üntersachung der Nahrangs* und Genaßmittel; Bd. 14, H. 12, 8. 766. 

Brüning weist nach, daß die in den Kreisen von Brannenmachem und 
Wassertechnikern weit verbreitete Ansicht, daß verzinkte Eisenrohre für Trink¬ 
waeserleitangen hygienisch unbedenklich seien, zu Unrecht besteht. Verfasser 
fand in einem Trinlcwasser, das darch ein derartiges Bohr geleitet war, er¬ 
hebliebe Mengen von Zink and zeigt, daß eine solche AaflOsnng von Zink in 
Wasser die Hegel bei Verwendung derartigen Bohrmaterials ist. Nor bei 
einer tadellos vollkommenen Verzinkung, wo an keiner Stelle das Eisen mit 
Wasser in Berübrang kommt — in der Praxis kaum vorkommend — geht 
kein Zink in LOsang, während sonst stets 2 Metalle (Zink and Eisen) in Be* 
rührung mit einem Elektrolyten sind. Es bilden sich mithin 2 galvanische 
Ketten, wobei das Metall mit der größeren Lösnngstension (Zink) in Lösung 
geht. Aas dem Wasser läßt es sich zam Teil durch Kochen als kohlensaures 
Zink abscheiden. Es geben also derartige Bohre so lange Zink ab, als über¬ 
haupt Verzinkung in ihnen vorhanden ist; eine analoge Bildung etwa von 
Zinkkarbonat, wie sie z. B. bei Bieirohren die Begel ist, ist wegen der stän¬ 
digen Elektrolyse bei verzinkten Bohren ausgeschlossen. Ein geringerer oder 
nüßerer Gehalt des Wassern an Kohlensäare ist für die Entstehung dieser 
Vorgänge ohne wesentliche Bedeutung. Dr. Symanski-Mete. 


Heber ein zinkhaltiges Trinkwasser. Von F. Schwarz. Mitteilung 
aus dem chemischen Untersuchungsamte der Stadt Hannover. Zeitschrift für 
üntersachung der Nahron^- und Genußmittel; Bd. 14, H. 7, S. 482. 

Verfaser erhielt seiner Zeit eine Wasserprobe von einem Gute zur 
Untersuchung auf Brauchbarkeit als Trinkwasser. Als Ursache der Unter* 
snebung des Wassers wurde angegeben: ,KrystallflaEohen und Gläser er¬ 
halten von ungekochtem Wasser einen weißen Absatz, gekochtes Wasser hat 
einen weißgrauen, flammigen Absatz, Fleisch kocht rot, und Gemüse, wie 
Bohnen und Erbsen, grün.“ Die Vermatung, daß das Wasser etwa reichlich 
Salpetersäure und ev. Kapfersalze enthalte, wurde durch die Untersuchong 
nicht bestätigt. Dagegen zeigte sich, daß es Zink enthielt und zwar 
82,4 mg Zinkozyd im Liter. Bei der Lokalinspektion stellte sich heraus, daß 
der betreffende Bronnen, der zinkfreies Wasser enthielt, jedoch wenig Hydro- 
karbonate sowie viel freie Kohlensäare und Saaerstoff anfwies, durch ein 
mehrere 100 m langes verzinktes gußeisernes Bohr mit der Pampe in 
Verbindung stand. Nunmehr war es klar, daß bei der Beschaffenheit des 
Wassers (Vorhandensein von Sauerstoff und freier Kohlensäare bei Abwesen¬ 
heit von Hydrokarbonaten) das Zink des Bohres sich zu basichem Zinkkar¬ 
bonat amgewandelt und in dem kohlensäurebaltigen Wasser gelöst worden 
war. Durch experimentelle Versuche ergab sieh überdies, daß auch die Grün- 
Bttbung von Gemüsen beim Kochen auf das im Wasser gelöste Zink zurück* 
zuführen war. Das Wasser war im übrigen weder zum Trinken tauglich, weil 
eo bei verschiedenen Konsumenten Magenbeschwerden verursachte, noch andi 
zum Kochen, da es bisher sich milchig trübte, und das ansgeschiedene Zink¬ 
ozyd sich niederschlug. 

Als Erfahmngslehrsatz ergibt sich hieraus: Man hüte sich vor der 
VOTwendnng von verzinkten Wasserleitungsrohren bei Wässern, die keine 
Hydrokarbonate, dabei jedoch freie Kohlensäure und Saaerstoff enthalten. 
(Nach iBrfalunagen von anderer Seite scheint das Vorhandensein lesp. Fehlen 



480 


Kldnere MitteUnngen and Befeisto an« ZdtaehriftMu 


dlMor genaanton Stoffe nicht die Vorbedingnag sa der LOrang Ton Snk m 
Müiy sondern etoe selche aal elektrolytischen vorgiagen sn hemhOBy die in 
jedem rersiakten Eäsenrobr, wo an irgendeiner Stelle das Wasser n einer 
sinklrelen Eisen «Stelle des Bohres Zutritt hat, anftreten. Der Bef.). 

_ Dr. Symanski-Mets. 


Eatetsennng and Wlederentelaennnf des Wassers. Yen O. Oesten- 

Berlln. GestiDdheitS'lngenieor; 1908, Nr. 17. 

Verfasser sieht aas seinen Aasftüirnngen die Schlnßfolgemng, dafi mit 
einem Enteisenongsrerfahren ohne Aaslftftang der Koblensänre ans dem Wasser, 
abgesehen yon der Scbidigang des Behmetses durch die Kohlensftare, ein 
daaemder Erfolg in der Eateisenang des Wassers nicht sa etaielen, hiem 
yielmehr eine derartige Darchlttftnng des Wassers unerläßlich ist, bei der 
eine gründliche Entfernung der K o hlensäure aus dem Wasser surerlisaig 
stattfindet. _ Dr. Wo 11 «Harburg. 


Heber Bilekhalteberken. Yon Dr. ing. Th. Heyd«Darmstadt. Gesund« 
heits« In genier; Jahrg. 81, Nr. 14. 

BOckhaltebecken speichern als kleine Stanweiberanlagen die allsugrofien 
Abflüsse bei heftigem Regen auf und dienen daher als Hilfsmittel, die Leistua^ 
fäbigkeit der Vorflater wirtschaftlich aussunutsen. Verfasser bespricht die 
verschiedenen Arten dieser Anlage, sowie deren Abmessung; er besieht sich 
namentlich auf die bereits ln Tätigkeit sich beflndenden Bückhaltebeckea ln 
Darmstadt, Bemscheid und Pfungstadt LH. Dr. Woll«]iarbnrg. 


Hjgiane dar Nahrongs« und QeaaasmlUeL 

Fleisehyerglftung und Wldalsche Reaktion. Von Dr. H. Lief mann, 
Priyatdosent und 1. Assistent am bygien. Institut der üniyersität Halle a. 8. 
liflnohener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 4. 

Verfasser berichtet dann über eine Fleischyergiftungs« Epidemie, wobd 
binnen wenigen Tagen in einer Kaserne über 60 Soldaten unter sum T^ aiem« 
lieh schweren Krankheitserscbeinangen erkrankten. Zn gleicher Zeit wurden 
etwa 12 Insassen eines Versorgungsstiftes yon ähnlichen Kraiuheitserscheinnngen 
Wallen. Han dachte sunächst an Inflaensa, dann an eine yermutliche Vergiftung 
mit Nahrungsmitteln, an eine Infektion mit Milch, eine Vergiftung dnru 
Kartoffeln, ohne daß man auf diesem Wege die Verbreitung der Erkrankunfl^ 
in der Kaserne hätte erklären können. Die weiteren Dntersuchungen ergaben 
nun, daß der ütsprnng der Epidemie in einer bestimmten Metsgerei besw. in 
einem yon dort bezogenen Hackfleisch (einem Gemisch yon Schweine- und Blad« 
fleisch) zu suchen and zu finden war. Aus dieser Metzgerei bezogen auch die 
in dem oben erwähnten Stift Erkrankten Hackfleisch. 

Verfasser behandelt nun in längeren Ausführungen, unter Mitteilnng der 
Versuche die Tatsachen, welche mit genügend großer Sicherheit den Säilnfl 
ziehen ließen, daß als Ursache der Infektion der Bao. enteiitidis Gärtner an« 
Zusehen war, der in dem Hackfleisch enthalten war. 

Die Bemühungen, zu erfahren, ob das gelieferte Fleisch yon einem 
kranken und notgeschlachteten Tiere berrührte, waren bei der Länge der yer« 
schiedenen Zeit leider erfolglos. 

Bekanntlich pflegt man bei Infektionen durch Nahrungsmittel mit Recht 
zu fragen, ob die letzte Ursache in einem Menschen oder im 
Tiere zu erblicken sei. Verfasser glaubt, daß bei der fraglichen Epi¬ 
demie die Erreger yon einem Tier aus ihre Verbreitung gefunden haben, um 
so mehr als Infektionen mit dem Gärtner Bacillns beim Menschen überhaupt 
doch ziemlich selten yorkommen, und auch die gewöhnliche Paratyphus« 
erkrankung in der Gegend yon Halle eine ganz extrem sdtene ist. Diese 
Wahrscheinlichkeit, daß in den meisten Fällen ein erkranktes Tier die Ursache 
der Fleischyergiftung ist, muß notwendig dahin führen, die prophylaktischen 
Bestrebungen mit einer Reform der Fleischkontrolle zu hegten. 
Dadurch werden die Fälle, bei denen yon sichtlich erkrankten Tieren die ln« 
fektion ausgeht, mit einiger Sicherheit yermieden werden. Ob in anderen 
Fällen, in denen anscheinend gesunde Tiere die Erreger beherbergen, etwa 



Xl«in«re IQtteUiingen and Beferate an« ZeitsohriAen» 481 

tina bakteriologiBohe Prttfong dea Fldaehes oder Blutea eine DiagnoM em6g« 
lichea wurden, liBt Verfaner daUn gestellt. Eine weitere ProabyUze wire 
das Verbot oder wenigstens eine Wamang vor dem Genoß ronen oder an- 
genflnend gekochten Fleisches. Wenn noch eine Torherige Abkochnng nicht 
anbedingt vor Erkranknng schiltst (wegen der Hitzebestknoigkeit der Basillen), 
BO roft doch das abgek^te Fleisch ln der Begel nor leichtere^ KrankheitB» 
ersoheboagen herror. 

Schließlich wire ebe ^aoere Kontrolle der Ton den Ifetsgem b den 
Handel gebrachten Ware b oesng auf den Znsats von KonseiTiernngsmitteb 
ebe wichtige Forderang, da solche Zositze nicht nur Uber die Gttte and das 
Alter des Flebcbes hinwegtioschen, sondern nach direkt gesandheitsschidlioh 
sbd. — Aas der gleichen Qaelle, d. h. aas der gleichen Metzgerei warde näm¬ 
lich b eber später entnommenen Probe Ton Hackfleisch eine ziemlich erheb¬ 
liche Menge Toa schwefliger Säore (anf 1(X> g : 0,01696 g 80 1 ) nachgewiesen. 

_ Dr. Wal bei-Kempten. 


Ueherleben ren pathegenen Bazillen ln dem Brod nach dem Bnek- 

? resess. Von J. Bonssel'Parls. Annales d’hygihne pabli^ue etc.; 4. Särie, 
ome Vin, norembre 1907. 

Belm Backproseß steigt die Temperator b der Krame anf 101—108*, 
b der Knute anf 126 bb IbO** Hierbei werden zwar die pathogenen Bak¬ 
terien abgetOtet, die Sporen b der Begd aber nor b der Kroate. Besondere 
Versnche ergaben noch, daß der TaberkelbacUlos sebe Virnlens bewahrt. Es 
ist demnach aosschließlich mechanische Brotberdtong za fordern, da eb einmal 
Inizbrter Teig eb InfektiQses Brot liefert. P. Fraenckel-Berlln. 


Ueber biologbehe HUebilfferenztemng. Von Dr. J. B a n e r, Assbtens- 
ant an der akadembchen Klinik fflr KbderheiUcande za DOsseldorl Htbchener 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 16. 

Verfasser teilt sebe Untersachongen mit, b welchen er das Komplement- 
AUenkongsTerfahren zom Nachweb der Verfäbchang eber Milch mit der 
Mileh eber anderen Art benatzte. Ab Sehlaßerp;ebnb fand er, daß sich mit 
der Komplement-Ablenkongsmethode nicht allem die MilchTerfälschong ab 
solche aachweben, sondern mit Hilfe ebes aastitrierten Serams noch die Menge 
der b betrflgerbcher Absicht zagegossenen Milch annähernd bestimmen läßt. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Ueber eine Temnreinlgnng der Milch dnreh Holz- nnd Zbntellehen« 
Von Dr. F. Beiß. Zeitschrift fttr Untersnchong der Nahrongs- nnd Genoß- 
mittel; Bd. 14, H. 9. 

Bekanntlich werden b Milchverkaabwagen nicht selten viereckige, eben- 
Tendnnte Milchkannen, die b verschlossenen der behördlichen Kontrolle nicht 
zngängllchen Wagenfächem angebracht sbd, verwendet, die aoßerhalb mit 
Mnem Zapfhahn and innerhalb mit frei beweglichen, die abgestampfte Spitze 
nach oben gerichteten dorchTochten eisenver^nten Trichtern and darüber mit 
einem Brett aas Pappelhob sog. Schwimmer, versehen sind. Diese an sich 
innerlichen Einrichtongen, die eberseits eb Abrahmen darch Schütteb während 
des Transports verhbdem, anderseits eb Ueberspritzen vermeiden, haben fol¬ 
gende Nai^teile: Darch die notwendige Beinigong werden die Schwimmer 
nach einiger Zeit brüchig and geben Hobteilchen an die Milch ab, während 
die hb- and herschaokebden Trichter durch Scheaem mit den Wänden bezw. 
den Boden der Kannen Zinnteilchen abgeben, die sich b Form von mehr oder 
weniger zahlreichen größeren blaagraaen Feldern b der Milch bemerkbar 
machen. Der Nachweb dieser Veronrebigangen bt bei den Hobteilchen 
naturgemäß ongemeb leicht; bei den ZbnteUchen bt folgendes Verfahren 
erprobt: Die graabbaen Substanzen werden abgeschöpft, aof ebem Filter mit 
Alkohol und Aether entfettet and entwässert, zasammen mit dem Filter b 
eb BeMensglas gegeben, mit 25*/oiger Salzsäare heiß gelöst, and mit eb 
wenig Ctoldäüoria dann die Beaktion aof Cassiusschen Goldpurpur aos- 

f efünrt. Da das Beichsgesetz vom 6. JoU 1887 die Verwendung solcher 
arbmi bei der Herstellang von Nahrangs- and (jbnafimitteb verbietet, die 



482 Klelii«re Mitteilongmi imd Referate aue ZeltsohrUten. 

a. a. aaeh Zinn enthaltea, ao ergibt sieh ia Biangeiiilfiei Andegnag anek die 
ÜBznl&Migkeit des Gehaltes der Milch an Zinn in irgendwelcher Ferm. 

Dr. Symanski-Mets. 


Ueber Zlegenmlleh und ZIegenbntter. Von K. Fischer. Hitteflnng 
ans dem chemischen Laboratorium der Anslandsfleischbeschanstelle Bentheim. 
Zeitschrift fttr üntersacbnng der Nabrangs- und Gennßmittel; Bd. 16, H. 1, 8.1. 

Da die stetig und in manchen Gegenden Deutschlands besonders fort« 
schreitende Ziegenzucht vermuten lädt, daß auch die Nabrungnnittelkontrolle 
in Zukunft mehr wie bisher sich mit der üntersacbnng von Ziegenmilch und 
Ziegenbutter befassen wird, so hat Verfasser Ziegenmilch und Ziegenbutter 
ans dem Indnstrieort Schttttorf, wo seit Jahren ein bltthender Ziegenzachb* 
verein, einer Prüfnng unterzogen. Die Untersuchuugen erstreckten sich auf 
Bestimmung des spezifischen Gewichtes der Milch und des Serums, Bestim¬ 
mung des Fettes und der Trockensabatanz. Die Fettbestimmung erfolgte nach 
dem Ger berschen Verfahren, wobei sich bei sehr fetter Milch oft ein zwei¬ 
maliges Zentrifagieren als nötig erwies. Die Zusammeasetzung der Zlep^eamilcb, 
insbesondere ihr Fett gebalt, schwankt ebenso wie bei der Kuhmilch in weites 
Grenzen (2,03°/,—6,90%); im allgemeinen ist der Fettgehalt der Ziegenmilch 
höher, im Mittel 8,47% gegenüber einem durchschnittlichen Fettgehalt von 
8*/o bei den Kühen der dortigen Gegend. Das spezifische Gewicht des Serums 
ist hoher wie das der Kubisch und schwankt zwischen 1,0861 bis 1,0386 
(im Mittel = 1,0297). 

Die Ziegenbutter zeigt, was eine Eägentümlichkeit derselben au sein 
scheint, stets, unabhängig von Jahreszeit und Fütterung, eine rein wette 
Farbe. Ihr Geschmack ist angenehm, nußäbnlich; allerdings scheint sie 
leichter ranzig zu werden wie Knhbutter. Die Reich er t-Meißlsche Zahl 
war stets ni^riger wie bei Kuhbutter, Verseifongs- und Fallenskesche 
2Sahl höher als bei normaler Kuhbutter. Das Gesamtbild der vom Verfasser 
erbrachten Analysen würde, worauf auch schon von anderer Seite hingewiesw 
worden ist, bei allen Proben auf eine mit erheblichen Mengen Kokosfett ver¬ 
fälschte Knhbutter hinweisen, so daß in solchen Fällen schließlich nur mii 
Hilfe der Phytosterinazetatprobe festgestellt werden kann, ob ein rdnea 
Tierfett oder ein mit Kokosfett vermischtes Butterfett vorliegt. 

_ Dr. Symanski-Meta. 


Ueber Schaf- und ZIegenbntter. Von R. K. Dons in ‘KopenhMen. 
Zeitschrift für Untersuchung der Nahrangs- und Gennßmittel; Bd. 16, H. 8, 
Seite 78. 

Verfasser erhielt seiner Zeit zur Untersuchung 6 Proben Butter von 
Island, von denen 4 für reine Butter abnorm analytische Werte aufwiesen; 
insbesondere war die Pollenskesche Zahl und die Kaprylsänrezahl so hoch, 
daß Verfasser den Verdacht auf Kokosfettbeimischung hatte, die jedoch nur 
auf 6 geschätzt werden konnte. Aus den verschiedensten anderen Grttndea 
aber und von der Erwägung aus, daß eine Beimischung von nur 6°/o Kokos¬ 
fett sich kaum bezahlt maäen dürfte, vermutete Dons, daß bei der Her¬ 
stellung der Butter zu der Kuhmilch Schafmilch zugesetzt worden seL Veac^ 
fasser hatte Gelegenheit, Schafbutter zu untersuchen und hierbei festsustellea, 
daß eine lUsohung von gleichen Mengen Kuh- und Schafbutter Zahlen gibt, 
die den bei den isländischen Butterproben gefundenen sehr nahe liegeB|, es 
sich also bei diesen Butterproben wohl um ein Milchprodukt aus 2 MÜch- 
sorten gehandelt hatte. Auch Ziegenbutter ergab ziemlich ai^oge Zahlen 
und Resultate. _ Dr. Symanski-Mets. 


Ueber Eier-Konservierung. Von Dr. Prall in Bremen. 2Seitschrift 
fttr Untersuchung der Nahrangs- und Genußmittel; Bd. 14, H. 7, S. 446. 

Bei der Konservierung der Eier kommt es nicht nur darauf an, ihren 
Inhalt vor dem Verderben zu schützen, sondern auch ihr gutes Aussehmi, 
ihren normalen Geruch und Wohlgeschmack möglichst lange zu erhalten. 
Diejenigen Fi^toren, welche eine Hauptrolle, bei der Veränderung des Eäes 
bei längerer Aufbewahrung spielen, sind der Feuchtigkeitsgehalt und die 
Temperatur der umgebenden Luft und gewisse Mikroorganismen. Fenier 



kleinere Mitteilangvii und Referate ans Zeiteohriften« 


483 


ntssea Eier in möglichst gentohlosea BSamen aofbewabrt werdoiy da das Ei 
'viel empfindlicher bexttglieh Anfiiahme von Riechstoffen ist, als viele andere 
KahrongsmitteL Unter den Mikroorganismen, die das Ei verindern können, 
sind Schimmelpilze and Bakterien beteiligt. — Prall hat nun die 8 Haapt* 
konserviemngsverfahren fttr Eier, nämlidx trockene Anibesrabrnng in nnprig- 
liiertem Zostande, trockene Aafbevrahrang nach vorhergegangener Umhttliang 
oder Imprfigniernng und schließlich Aafbevrahrong in Flüssigkeiten ohne 
oder mit Vorbehandlnng teils in einer großen Zahl, aber verschieden 
modifizierter Versnche geprüft, teils anch die Besnltate von diesbezüglichen 
Wettbewerbsversnchen in seiner Arbeit zosammengestellt and ist hiernach 
za folgenden Schiaßergebnissen gekommen: 1) Frische, saaber gehaltene 
Eier halten sich frei aafgestellt in kühlen, aber frostfreien nicht za feachten 
B&amen mit gater Ventuation viele Monate lang ebensogat braacbbar als 
in Packongsmaterial (Häcksel, Sand) eingebettete Eier. 2) Besonders günstig 
sind die VerhUtnisse fttr die trockene Aafbewahrung von Eiern bei der Kalt* 
lagerang in modernen Kühlhünsern, in denen die Eier auf etwa 0** abgekühlt 
gehalten and mit frischer Laft von etwa 80**/o relativ Fenchtigkeit amspült 
'Werden. 8) Von den Verfahren, hei welchen die Eier in Flüssigkeiten konser- 
'Viert werden, ist das Einlegen in etwa lO^/oige Natriom-WasserglaslOsang 
am mehten za empfehlen. Während das zweite Verfahren sich mehr für die 
Anfbewahrnngsweise großer Niederlagen eignen dürfte, ist das letzgenannte 
wohl das geeignetste für den Haashait. ln der Regel empfiehlt es sich za 
1 Liter der Wasserglaslösang 10 Liter Wasser hinznzofügen, was fttr 
140—löO Eier genügt. Die Flüssigkeit maß einige Zentimeter über den Eiern 
stehen and müssen die Eier in einem kühlen Raam (am besten in laftdicht 
schließenden Büchsen, am das Eindicken der Lösung za vermeiden, wodarch 
Bisse in der gelatbiscben Masse entstehen, and Lnft za den Eiern gelangt) 
aafbewahrt werden. So hatten sich beispielsweise in dieser Art konservierte 
Eier 6 Monate lang gut gehalten, obwohl die Temperatar des Anfbewahrangs- 
raames zeitweilig 25** betragen hatte. Empfehlenswert ist es, die Eier vor 
dem Einlegen mit einer Vaselinschicbt za überziehen bezw. mit einer starkea 
Lösung von Magnesium* und Ealciamsulfat za behandeln, um ein Eindringen 
von Wasserglas in das Innere der Eier noch besser za vermeiden. Eier, die 
i/t Stunde in konzentrierter Magnesium > EaldamsolfatlOsang gelegen hatten 
und dann in Wa8Bergias>Lösang gebracht worden waren, hatten voue 10 Mo* 
nate lang ihren frischen Geschmack behalten. Dr. Symanski'Metz. 


Zar Beortellang des konservierten Eigelbs. Von A. Brüning in 
Dflsseldorl Zeitschrift fttr Untersachang der Nahrangs* and Genaßmittel; 
Bd. 16, H. 7, S. 414. 

Dem Verfasser wurde von einer Nahrangsmittelfabrik die Frage vor* 
gelegt, wie die in ihrer sonst tadellosen Ware seit einiger Zeit aaftretenden 
gelben and dunklen Flecke za erklären seien, die etwa 2 Wochen nach 
Fertigstcllong der Produkte und besonders an der Obeifiäche derselben za 
bemerken waren. Die mikroskopische Prüfung ergab, daß diese Flecke aus 
zahlreichen Pilzmyzelien bestanden, and als Quelle derselben die Verwendung 
sog. „sterilisierten" chinesischen Eigelbs. Bei Untersachang des letzteren fiel 
nur seine dunkle Farbe and seine dicke Konsistenz aaf; Konservierangsmittel 
waren nicht nachweisbar. Die genauere bakteriologische Untersuchung (Zttch* 
tang auf Berliner „Sökeland-Pumpernickel") ergab das Vorhandensein einer 
ganzen Reihe von Schimmelpilzen, Bakterienarten und einer Hefe, und zwar 
in ganz erheblichen Mengen. Da die unter den gefundenen Keimen vor* 
handenen Danerformen auch ein Erhitzen auf 100** vertragen, so verlangt 
Verfasser mit Recht, daß konserviertes Eigelb nur zur Herstellung solcher 
Nahrungsmittel verwendet werden dürfe, die bei der Bereitung auf n^destens 
120* erwärmt werden. _ Dr. Symanski-Metz. 


EnrllOy ein neues Kaffeeenatzmlttel. Von A. Beitter in Göppingen, 
Zeitschrift fttr Untersachang der Nahrangs* und Genaßmittel; Bd. 16, H. 1, 
Sdte 21. 

Die Untersachang dieses von der Firma Heinr. Franck Söhne in 
Imdwigsbarg hergeetellten Kaffeeersatzmittels, das die Hersteller selbst als 



484 


Kleinere Mitteilungen und Referate ane Zeitaohrlften. 


imsammeageeetst ane gerosteten WamelgewOohsen und inllndisoliett Halm- 






•T! w lO fUijii* rm 




gerosteten EOmern, in denen sich anscheinend Zerealien* and Zichorienwniael- 
bestandteiie mikroskopisch naohweisen lassen. Der Gemeh des Absudes ist 
aromatisch, kaffeeartfg, der Geschmack wflrsig, bitter und auch bei Mileh- 
snsats angenehm; die Ansgiebigkeit selbst bei starkem Milchsnsats eine he* 
triohtliehe. Koffein war nicht nachweisbar. Dr. Symanski-Mets. 


Zieherle. Von Dr. Heinrich Zeller, Berlin •Wilmersdorf. Zentral¬ 
blatt Ihr allg. Gesnndheitspliege; 1908, 1. und 2. Heft. 

Verfasser wOnscht eine rermehrte Aufmerksamkeit der Nahmngsmittel- 
hygieniker auf die Zichorie xu lenken, dieses in unserem Volke weit Terbreitete 
Ersatzmittel des Kaffees. Der Unwert der Zichorie ist oft genug festEestellt, 
Terschiedene Forscher haben darin nachgewiesen: Torf, Erde, ZiMelmelu, 8&g^ 
sp&ne, Gerberlohe n. a. schOne Ingredienzien. Wenn auch diese Verf&lschnngen 
seltener geworden sind, so ist es doch sicher, daß die Zichorie mit LOwensahn- 
wnrseln, BankelrOben, Eicheln n. a. gemischt ist Die Wirkung der Zichorie 
auf den Organismxu ist durchaus keine harmlose; sie übt eure nng&nstigu 
Wirkung auf die Sehkraft (Buss), den Verdauungstraktus und die Nerrea 
ans. Deshalb betrachtet Erismann es für ein nationales Ökonomisches Un- 
glttck, dafi das Volk statt einer Mehl- oder Brotsuppe gemeines SpOl- 
wasser“ zu sich nähme. — Lehrreich sind auch die Zahlen ttber die Ein- und 
Ausfuhr der Zichorie; es wurden 1902 eingeftthrt 18184 Doppelzentner fertig« 
Fabrikate, ausgefOhrt nur 7641. Das Ausland bedankt sich also daftir, nr 
seine miserablen Erzeugnisse von Zichorie nennenswerte Mengen unserer 
Fabrikate einzntauschen. Fast idle im Handel befindlichen Ersatzmittel des 
Kaffees sind besser als die Zichorie, trotzdem das Kaiserliche GesundheitBamt 
sagt: aJedenfalls mu6 man die Ersatzmittel des Kaffees, gleichgültig welchen 
Namen sie ftthren, im wesentlichen als unter sieh gleichwertig betrauten.* 

_Dr. Solbrig-Allenstein. 

üeber alkohoUlrele Getrfinke. VonO. Mezger. Mitteilnng aus dem 
obemischen Laboratorium der Stadt Stuttnurt. Zeitschrift für Untersuchung 
der Nahrungs- und Genußmittel; Bd. 15, H. 1, S. 14. 

Mezger hat 44 im Stuttgarter Handel befindliche alkoholfreie Ge¬ 
tränke analysiert. Bei seinen Untersuchungen, die bis zum Jahre 1898 zurück- 
reichen, ging Verfasser im wesentlichen darauf aus, den Alkoholgehalt dieser 
ja nie absolut alkoholfreien Getränke zu ermitteln. Nur 8 Ton den analy¬ 
sierten Getränken zeigten einen Gehidt von über 0,6 Gewichtsprozent Alkohä. 
Jedenfalls hält Verfasser eine Beaufsichtigung der Fabrikation dieser Getränke 
für sehr wünschenswert, da nicht immer trotz gründlicher Analyse im fertigen 
Produkt eine stattgehabte Fälschung ermittelt werden kann. Außerdem würde 
eine schärfere Kontrolle, wie beispielsweise die beim Wein eingelührte Keller¬ 
kontrolle, dem einheimischen Obst- und Beerenbau durchaus zugute kommen. 
Für die Herstellung dieser Getrfinke existiert eine Beihe ron Patenten, nach 
denen der Alkohol entweder im Vakuum durch einen Luft- oder Wassei- 
dampfstrom yerjagt wird, oder sterile Flüssigkeiten mit gewissen Mikroorga¬ 
nismen beimpft werden, die Alkohol angeblich nicht erzeugen. Nach andern 
Patenten wird in sterilen Getränken durch Leukonostokarten der Zucker in 
Kohlensäure und Glykose gespalten; andere wieder pasteurisieren die Getrfinke; 
jedoch macht sich bei den Getränken letzterer Art nicht seit» ein unan¬ 
genehmer Pasteurisieruagsgeschmack bemerkbar, der der weiteren Verbreitung 
solcher Produkte dann leider hindernd Im Wege steht 

_ Dr. Symanskl-Mets. 

SohnUiyglene. 

Die Etttwieklnng und Ziele der SchulhygleBe. Von Dr. W. Hanauer- 
Frankfurt a. M. Das Schalhaus; 1908, Nr. 5. 

Das große Gebiet der Schulgesnndheitspfiege zerfällt ln swd Gebiete: 
die Hygiene des Schulgebäudes und des Unterrmts. Was die Hygiene des 
Bcbul^bfiudes anbeluigt, so ist sdbstTersttndlich, dafi alle Errungmisohalten 



Kl^en BfitteUnngeu iiiid Referate aof Zeltsohriften. 


485 


der Beahygleae aneli dea Sehnlhftaseni mgnte kommen mfltsen. Gibt ee be> 
nfl^ek der Hygiene des Seholgebdudes wenig Streit, so differieren die 
Mmnngen nm so mehr, wo es sieb nm den eigentuehen Unterricht und seinen 
Einflnd ani die Gesnndheit bandelt. Hier stehen noch eine noBe Ansahl ?on 
Fragen sor Diskussion: üeberbttrdong, Beginn der Schnlpflicht nnd des Unter¬ 
richts, Daner der Lehrstanden, der Pansen, des Vor* nnd Nachmittagsnnter* 
riehts. Des weiteren hat die Schale daranf an achten, daß sie nicht anr 
Verbreiterin ansteckender Krankhdten wird. Kit der Einsetanng Ton Schnl- 
Kraten ist die Schnlbygiene in ihre letate and Terbeifiongsvollste Epoche ein- 
getreten, sie wird neben dem direkten Nataen nach indirekt dea Vorteil 
herbeiftthren, daß die Kinder Ifir die Fragen der Gesondheitspflege besseres 
Verstindnls haben. _ Dr. Wolf*Harbnrg. 


Ans der sehnlhygienisehen Praxis« Von Oberbealrksarat Dr. H. 
Wolff. Gesnndheit; Jahrg. 88, Er. 7. 

Verfasser besoh&ftigt sieh annlehst mit der Belenehtnng, rerlangt eine 
ausreichende Hefacana (MantelOfea) nnd warnt Tor direkter Bestrahlnng Ton 
selten des Ofens; daner empfiehlt er anr Verhfltnng hohe, Toraflnlich doppel¬ 
wandige (mit einer 2 cm starken Lnftschicht) Ofenschirme. Das Thermometer 
mnfi an der dem Ofen gegenfiberliegenden Wand in etwa 1,60 m HOhe an¬ 
gebracht werden. In allen Pansen sind s&mtliche Fenster an fiffnen, desgleichen 
nach Schnlschlnß. Die Garderobe darf nicht im Zimmer bleiben. Die Um- 
gebnng des Sehnlbmnnens bedarf einer besonderen Beachtung. Die peinlichste 
Beinhdtnng der Aborte mnfi den Kindern aneraogen werden. Jede rierklassige 
Schale soll mindestens drei yerschiedene BankgrSfien haben, in mehrklassigen 
Schulen sind bis 7 yerschiedene Großen yoransehen. Die Schalkinder sind an- 
xnhalten, yor Eintritt in das Sehnlhans die Schuhe yon Schmnta an reinigm. 
Die Beinigong (auch die Heiannff) der Sehnlrfinme soll einer anyerlfissigen, 
gesnndoi (insbesondere nicht tnoerknlOsen) and körperlich leistnngsf&higen 
Person fibertragen werden. Bin endgültiges Urteil über das StanbOl ist no^ 
nicht möglich. Alle hastenden Kinder sind an die Ecke der Schnlbinke an 
Mtaen. d^t sie die mit Wasser geffillten Spneknäpfe benntaen kOnnen. Alle 
geimpften Schalkinder sind 14 Tage yom Tornnnterricht an befreien. 

_Dr. Wolf-Marburg. 


Die kSrperliehe ZBehtigang der Schulkinder. Von Dr. Trangott 
Pilf-Blankenburg a. Hara. Zeitschrift für Scholgesondheitspfiege; 1908, Nr. 4. 

Einen ener^chen Appell gegen Prügelstrafe in Hans nnd Schule enthält 
der Aafsata. Verfasser yerlanute yor allem, daß sich jeder Arat, besonders 
Schnlarat, ein wohlüberlegtes dorchdacbtes Urteil über die körperliche Züch¬ 
tigung bildet and den Standpunkt der Lehrer darttber kennen za lernen sacht. 
Aus cdgener Erfahrang berichtet er, daß der nTerprfigeltste* Jange einer Klasse 
aldi au stark schwerhörig heraasstellte, was Lehrer und Schüler selbst nicht 
geahnt hatten. An irgendeinem Erfolg durch Schlage beim Erziehangswerk 
des Kindes glaabt Verfasser nicht, yielmehr sind die Prügel, unter denen die 
Kinder hfta& gwng seelisch and körperlich leiden, meist nur ein Ausfioß des 
2k>rae8, der Gereiztheit oder der schlechten Laone des Erziehers. 


Wlu kMui der neryßseu Jugeud unserer hßheren Lehmnstulten ge- 
helfeu werden! Von Bichard Fis eher-Glaachaa. Zeitschrift für Schiü- 
gesundheitspfiege; 1908, Nr. 1—8. 

Im ersten Teil seiner Arbeit bespricht Verfasser die leider feststehende 
Tatsache, daß heatzutage sowohl in den überfüllten Klassen der VoUcsschole, 
als in den swar schwieher besetzten, dafür aber höhere Anforderungen 
stellenden höheren Schalen eine große Anzahl nervOser Kinder sich befinden. 
Jeder scharf beobachtende Lehrer kennt die üaßeren Merkmale dieser Schüler: 
die naehlissige Haitang, den müden, ängstlichen oder angespannten Aosdraok 
des Gesichts, das onrohige Bewegen des Kopfes, das Blinzeln der Augen u. a. 
Im Unterricht sind die Kinder meist zerstreut, oft yersUmmt, mürrisch 
und durch mangelnde Willoiseaergie einem starken Stimmungswecl^ unter¬ 
worfen; oft aber finden sich gerade unter den neryOsen Kindern die ge- 



486 


Klefaiere Mitteilongeii and Referate ans Zeitsdiriftea. 


aeheitestea E5pfe mit einem hohen Grad von DenkrermSgen, starkem Ehrfeis 
und grofier Gewissenhaftigkeit. Daß unsere höheren Schnien mit ihrem Lehr- 
^gramm und ihrer langen Unterrichtszeit auf solche nerrOs diraonierteu 
lOnder einen unheilyolien Einfloß haben, darauf ist in dem letzten Jahrzehnt 
unermttdlich hingewiesen. Der Fachunterricht verbietet ein Eingehen auf die 
Eigenart des Kindes; aber gerade die Erziehung nerrOser Kinder erfordert ein 
genaues Studium ihrer Eigenart und ein TersUndnisToUes Eingehen auf die¬ 
selbe. Die Erhaltung der Neryengesundheit muß zu den Tomehmsten Auf¬ 
gaben einer guten S^ulerziehung gehören, und so sehr man die Fortschritte 
anerkennen muß, welche die äußere Gestaltung des SchuUebens zuspinsten einer 
gesunderen Entwicklung der Sehuljugend genommen hat, so ist sie doch noeh 
immer «nicht die richtige Erziehongsstätto für nerrOse Kinder". Verfasser 
tritt nun im zweiten Teil dafür ein, daß der Staat sich der Notwendigkeit, 
Sonderschulen für nervOse Kinder zu errichten, nicht mehr versohließen dürfe. 
Nach dem Beispiel der schon bestehenden privaten Landerziehungsheime und 
die richtige Folgerung ziehend aus der Tatsache, daß der Gesunriieitszastand 
der Schüler kleineren Städten ein bedeutend besserer sei, als in den großes 
Städten, seien diese Erziehungsstätten für NervOse ausschließlich in kleine oder 
Mittelstädte zu verlegen, fern vom Getriebe der großen Stadt. Verfasser ent¬ 
wirft nun ein ideales Bild solcher Schule, die sowohl durch die Lage des Schul- 
hanses, als durch seine äußere und innere Ausstattung jeden Gedanken an 
Zwang und ünfreudigkeit verbanne, und durch schlichte einfache SchOnhdt 
den Eindruck einer heiteren Lobensstinunung erwecke. Die Schüler, die 
einer solchen Erziehnngsstätte ja ganz übergeben würden, sollen mit den 
Lehrern und deren Familien eine gemeinsame große Familien bilden, um den 
gleichmäßigen DrUl der Internate zu vermeiden. Die Erziehung fördere KOrp« 
und Geist gleichmäßig, sie achte vor allem darauf, daß die Beschäftigung in 
und mit der Natur der heilsamste Faktor für nervOse Sander ist. Die Aus¬ 
bildung und Uebnng der Sinnesorgane, die Beherrschung der Unlnstempfindungea 
■ei Ziel der Erziehung. Der Unterricht gebe weniger Verstandeedressur und 
mehr Herzensbildung und fordere Frohsinn und Heiterkeit. Dann wird sidi 
die Liebe zu den Lehrern und die unbedingt notwendige Anerkennung ihr« 
Autorität von selbst einstellen. 

Wahrlich ein ideales Bild einer höheren Schule, die man nicht nur den 
nervOsen, sondern allen Kindern wünschen mOchte. Das neu eröffnete staat¬ 
liche Arndt-Gymnasium in Dablen bei Berlin bedeutet vielleicht den ersten 
Schritt auf diesem Wege. Dr. SoIbrig-Allenstein. 


Die Organisation der Hilfsschule. Von Rektor Hens e- Frankfurt a. M. 
Zeitschrift für die Erforschung des jugendlichen Schwachsinns; Bd. IL, H. 2. 

Die Prüfung betr. Auswahl der Hilfsschulen ist unter Beteiligung einss 
Arztes vorzunehmen, dessen Mitwirkung bei der Beobachtung der Kinder 
während der ganzen Schulzeit nicht zu entbehren ist. Nicht inuner ist ein 
zweijähriger Besuch der Normalschule vor der Ueberweisung notwendig, wenn 
in gewissen Fällen schon früher kein Zweifel über die geistige Schwäche der 
betr. Kinder besteht. Es empfiehlt sich, einen sorgfältig geführten Personal¬ 
bogen anzulegen und spezifizierte Zeugnisse zu geben. Die Einrichtung der 
Hilfsschule richtet sich nach der Größe der betr. Siadt; in großen Gemeinden 
werden 6-6 aufsteigende Klassen, in Städten mittlerer Größe 2—8 anfsteigendo 
Klassen und in kleinen Städten eine Klasse mit mehreren Abteilungen notwendig 
sein. Trennung nach Geschlechtern und Konfession ist nicht nötig. Die Klassea- 
freqnenz soll nicht über 20 25 Schüler betragen. Der Stundenplan maß, was 
Dauer, Zahl und Wechsel der Standen, Pausen anbelangt, den besüglichea 
pädagogischen, psychologischen und hygienischen Anforderungen noch sorg¬ 
samer als sonst Beebnung tragen. Hier sei namentlich auf die Einführung des 
einmaligen Schulbesuchs und eines Austausches von Kindern zwischen den ei^ 
zelnen Klassen bei bestimmten Fächern hingewiesen. Die Zahl der wöchent¬ 
lichen Unterrichtsstunden bewegt sich meist zwischen 20 bis 28. Als der 
Hilfsschule eigentümliche Unterrichtsfächer treten namentlich der Artiku- 
lationsnnterricht und der Handfertigkeitsunterricht für Knaben anl Beeonderz 
bedeutungsvoll ist der ersieherische Einfluß, den die Hilfsschule ausflben solL — 



TagetnaohriditeiL 


487 


Der TOlUge Amben der HiUnehnlmetliodik ist eine wkhtige nad der nichsteii 
Zokonlt obliegende Aufgabe. _ Dr. Woll-Merbnrg. 

Wesen, UnnelieB, Terbreitnng und Beklnmfang des AlkohelgeuBsses 
ln den Telkssehnlen. Von Kurt W. F. B o a s. Zentralblatt fflr aUgemeine 
Gesundheitspflege; 1908, 1. und 2. Heft. 

Verfasser ^bt zun&chst eine Zusammenstellnng der wichtigsten neueren 
Statistiken über den Alkoholgenofl der VolksschtUer, Ton denen nur eini^ hier 
herrorgehoben seien. Der ülmer Schularzt stellt fest, dafi 84,7 */o der Under 
gewohnhdtsm&flig alkoholische Qetr&nke zu sich nehmen; in einer ^hOneberger 
Knabenschule tranken 66,2 regelmäßig Bier, nach den Befunden Berliner 
Schulärzte nahmen täglich Bier zu sich 81,9'’/o der Mädchen und 84,4 **/• der 
Knaben. Interessant sind die Erhebungen KOnigs Aber den Alkoholgenufi 
der Schuljugend: An einem Montag stellte er fest, daß tags zuvor von 9405 
Knaben und Mädchen 8868 Wein, 2864 Bier und 697 Branntwein getrunken 
hatten; 2006 Sünder hatten an diesem Sonntag ein Wirtshaus besucht. Fr9h* 
lieh in Wien berichtet, daß von 100000 Wiener Sündern unter 14 Jahren 
72702 regelmäßig Bier und Wein und 6958 regelmäßig Branntwein genießen. 

Die Verbrdtung des Alkoholgenusses in den Vo&sschulea ist &o ganz 
erschreckend hoch, üeber seine Wirkungen auf die Schulleistungen hat Bayr 
EmittlangeB angestelit, die alle ergeben haben, daß die trinkenden Schäler 
weit schlechter fortkommen wie die abstinenten; die betreffenden Kinder sind 
gcdbtig zerstreut, matt, wenig leistungsfähig, nehmen überwiegend die unteren 
Plätze ein und zeigen nicht selten moralisme Minderwertigken. 

Die Volksschule hat also die größte Verpflichtuon, aufklärend auf ihre 
Schäler einzuwirken, um so mehr, & sie vom Eltemhause nicht nur keine 
Untentätzung, sondern eher Widerstand zu erwarten hat. Als bestes Hilfs« 
miüel in diesem Kampfe erscheinen dem Verfasser der verständig betriebene 
^rt, Scbulamflttge unter Vermeidung jegUchen Alkohols und Volks* und 
Ji^pendspiele. Dr. Sol b big* Allenstein. 


Ueber die Erfolge eines versuchsweise elngefnhrten orthopSdlseh- 
gjmnastisehen Splelknrsns fftr kranke und znrflekgebUebene Sehnlkinder 
JBngeren Alters. Von Dr. Her bst* Barmen. Zentralblatt für aUgemeine 
Qerändheitspflege; 1901, 1. und 2. H. 

Um kranken und zurückgebliebenen Schulkindern jüngeren Alters, welche 
von den Ferienkolonien nicht gern aulgenommen werden, eine gesundheitUche 
Fürsorge zuteil werden zu lassen, hat Verfasser im Verein mit einem Lehrer 
einen orthopädisch • ^mnastischen Spielkursus eingerichtet. Zn diesem wurden 
80 Teilnehmer zngelassen im Alter von 7—9 Jahren, die an Skoliose, Skro* 

f hulose, Blutarmut, Affektionen der Luftwege Utten. Der Kursus fand an 
Nachmittagen der Woche zu je 2 Stunden auf einem freien Spielplatz statt. 
Die üebungen bestanden im Marschieren mit Stäben, in Hantelübungen, Atem* 

g rmnastik und Spielen. Am Ende erhielt jedes Kind Liter Milch und Brot. 

ie Erfolge waren ausgezeichnet. Nach 6 Monaten betrug die Durchschnitts* 
Gewichtszunahme 2,6 kg, die Umfangszunahme des Brustkastens durchschnitt* 
lieh 8,1 cm; Skrofulöse und Blutarmut waren entweder ganz geschwunden oder 
doch erheblich gebessert, die Muskulatur gekräftigt, die Skoliose fast ganz 
zurückgegangen. Das Urteil der Lehrer über die Leistungen in der Sdule 
lautete durchaus befriedigend, z. T. waren die Leistungen bessere geworden, 
trotzdem sämtliche Kinder während der 6 monatlichen Dauer des Kursus vom 
Nachmittagsunterricht ganz befreit waren. 

Die Kosten betrugen pro Kind 21 M. unter Einrechnung des Gehalts 
für den Lehrer, der die Spiele leitete, und der Anschaffung der nöti^n Geräte. 

Derartige Kurse werden also einen guten Ersatz und eine Ergänzung 
der Ferienkolonien bilden. 

Der Arbeit sind Photographien von 5 Kindern im Anfang und nach 
Schluß der Spielkurse beigegeben, welche die außerordentlich günstige Beein* 
flussnng auf die körperliche Entwicklung der Kinder aufs deutlichste erkennen 
lassen. Dr. Solbrig-Allenstein. 



488 


TBgeBiiMluriöht«ii. 


SpeigefiMe !■ der Selrale« Von Dr. med. Fttrit-Hunlnug. Dm 

afth nlrimm ar; Jehrg. 6, Nr. 2. 

Dem stMtlichen Schnliwus entspricht die Terpilichtniig des StMtei, 
die Schiiir&ame so anszostatten, dw sie die Eatstehnng und VerbreltiiBg Toa 
Krankheiten nach HSglichkeit Terhindern. Neben der rationellen t&guchen 
leachten Beinignng aller benutzten Scholr&nme gehört dazu die AnfsteUang 
Ton Schnbpein&pfen. Han sollte in Schnlgebänden nnr solche ^nckn&pfe an* 
bringen, welche in etwa 1 m Hohe ln einem Rahmen an der Wand buestigt 
sind und etwas FlOssigkeit enthalten. Bei Neaanlaeen von Scholgebioden 
wird man von romherein auf die AnbrioKiing von Spn(^ipfea in Klassen and 
auf den Korridoren bedacht sein. Da smd es sich dann empfehlen, ron rorn- 
herein Wandspnckbecken mit direkter WasserspOlong anzolegen, wie sie z. B. 
Ton der Firma HOlsmann*Freibarg LB. geliefert werden. Han hat solche 
Wandspackbecken in weißer Fayence ^t Za* and AbfloBstataen. Bei dießendeni 
Wasser wird der Ans warf sofort Tcrdr&ngt; es bleibt stets gendgasd 
sauberes Wasser im Yerscblaß. _ Dr. Wo 11*Marburg. 


Statistik Aber Tolksschnl'Branseblder. Vonlngenieor W. Gruaow- 
Altona. Blitter fflr Yolksgesondheitspflege; Jahrg. 8, Nr. 4. 

Aof Qrund einer angestellten Band]mge weist Yerfasser nach, daß maa 
neuerdings die Warmwasserbereitang mittels Niederdraokdampfnssd mit 
Boiler uwendet. Nach seiner Ansicht wird man bei Yolks-Braosebidem T<m 
der Einrichtung einzelner Zellen absehen, da die Trennungswinde 

1. die Beaufnchtigung der Badenden, 

2. die Reinigung des Baumes, 

8. die LichtTerhältnisse im Baderaum nicht unwesentlich erschweren. 

Er empfiehlt die Anlage zweier An* und Auskldderftnme und hilt die 
Aufsicht während des Badens durch einen Lehrer resn. einer Ldirerin für not¬ 
wendig. Der Durchschnittspreis für eine technisch ToUkommene Schdbiausebad* 
einrichtang beträgt in einer neu erbauten Yolksschule ca. 8600—4000 Mark 

__ Dr. Wolf-Marburg. 


Tagesnachrichten. 

Der Ton der Medizinalabteilang des Kultusministeriums bearbeitete Be¬ 
richt ftber das Gesundheitswesen des Preussisehen Staates Ins Jahre 190(1 
Ist soeben im Yerlage von Richard SchOtz (Berlin, Luisenstraße) etsdiieaen 
und kostet bei direkter Bestellung für die KOnigL Behörden und Medlainal* 
beamten: 8 Mark. 


Am 14. Juni d. J. hat im Bokokosaale des Parkhotols Maximilian zu 
Begensb-urg die 6. Landesrersammlnng des Bayerischen Hedlslnal* 
heamten-Yereins unter zahlreicher Beteiligung der Mitglieder aus allen Gauen 
des Königreichs stattgefunden. Der Vorsitzende dos Vereins, Herr Bezirksarst 
Dr. Henkel*Mfincben, erOffnete die Versammlung, worauf der Begierungs* 
und Kreismedizinalrat Herr Dr. Dorfmeister, namens des Herrn Begierungs* 
Präsidenten der Oberpfalz Freiherrn von Aretin und in seinem eigenen Namen 
die Versammlung in ttberaus warm empfundenen, herzlichen Worten, zugleich 
nüt einem Bttckblick auf frühere Zeiten, begrüßte. Infolge Verhinderung des 
Herrn Oberbürgermeisters brachte Herr Becätsrat Dr. Wild den Anwesenden 
den herzlichsten Willkommensgraß der alten Batisbonia dar. 

Von der Tagesordnung wurde der „Bericht der Vorstandschaft 
über die Stellung des Vereins zu dem neuen Beamtengesetz 
und GehaltsregulatiT* sowie „die Reform des Hebammenwesens* 
in besonders gründlicher, übersichtlicher Weise Ton Bezirksarst Dr. Henkel, 
als Referent, Torgetragen. Die Versammlung beteiligte sich daran mit lebhafter 
Diskussion. 

Nach dem offiziellen Teil Tereinigte noch ein gemeinsames Diner und 
ungezwungenes, yon echt koll^alem Geiste getragenes Beisammensein die 
Teilnehmer; man hatte den Eindruck, daß die Tagung in Begensburg allen 
anwesenden Mitgliedern in bester, freudigster Erinnerung bldben wird. 

Der ausführliche stenographische Bericht wird demnächst in dieser 
Zeitschrift erscheinen. 



Tagesnaehrichteo. 


48» 


Ana Baden« Der Ton der Großb. Begiernng der 2. Bad. Kammer tot* 
^egte Entwarf za einem nenen Gehaltstarif Ittr die Staatsbeamten des 
«ffoßberzogtams ist jetzt Ton dieser einstimmig angenommen, nadidem ihn die 
■dt der Dorcbberatong betraate Kommission nicht nnwesentlich Terbessert hat. 
^ neaen Gehaltstarif sind aacb die GehaltSTerh&ltnisse der Bezirksärzte 
■ad damit aacb die Pensionsbezttge derselben and die HinterbliebenenTersorgnng 
Terbessert. Bisher betrag das Anfangsgebalt der Bezirksärzte aosnahi^oa 
1200 M. bis za einem Höchstgehalt Ton 8400 M., der aber selten erreicht worde, 
da die Zolagelristen dreijährig waren and jeweils nar eine ErhOhong Ton. 
250 H. brachten. Im neaen Gehaltstarif sind non zwei Klassen Ton Bezirks* 
Irzten Torgesehen: 

a. eine Klasse D mit einem Anfaagsgehalt Ton IdOOJM. steigend bis 4000 M. 
and zweijährigen Zolagelristen mit je 800 M.; 

b. eine Klasse mit Anfangsgehalt Ton 2500 H. and 2 jährigen Zolagefristea 
Ton 850 M. 

Fttr die Berechnong des pensionslähigen Einkommens werden in Klasse D 
1400 M., für Klasse C. 2000 M. als wandelbare Gebühren hinzngerec^et« 
AnOeidem erhalten die Bezirksärzte den vollen Wohnongsgeldzascboß, der 
anun pensions^igen Einkommen zagerechnet wird. 

Als Pension werden nach 10 Dienstjahren 85 Einkommens* 

anscblages berechnet. Diese erhobt sich fttr jedes weitere Jahr am 1,6 % bis 
■am HOchstbetrag von 75% des Gesamteinkommens. 

In Klasse C sind die Bezirksärzte der wichtigeren Stellen — bis zu ^/a 
aller Stellen — eingereiht. 

Damit die Eiende nicht za groß werde, hat leider die Begiernng gleich* 
zeitig einen Diätengesetz entwarf vorgelegt, bei dessen Anntmme die 
Sezirksärzte besonders schlecht abschneiden. Während diese Beamten z. Z. 
bei Dienstreisen bis za 4 Standen ^lo, bis za 9 Standen and nach 
9 Standen die volle Diät mit 10 M. pro Tag erhalten, soll jetzt bei einem Zeit¬ 
aalwand nnter 8 Standen überhaopt keine Diät, bis za 9 Standen */i and erst 
darüber eine ganze Diät in Ansatz gebracht werden dürfen. Dabei ist die 
Yolldiät der Beziiksärzte Klasse D aaf 8 M. herabgediückt. Als Ersatz der 
Fahlkosten sollen künftig nar die Baraaslagen ersetzt werden. Der Entwarf 
sieht allerdings vor, daß für einzelne Beamtengiappen, die viel aaswärtigen 
Dienst haben, eine andere Berecbnang Platz greifen kOnne. Letzteres wird 
zweifelsohne bei den Bezirksärztcn, die vielfach eigenes Gefährt, Aatomobil 
oder wenigstens ein Bad besitzen, eintreten müssen. Ob die Bezirksärzte bei 
der nenen Berechnongsait Einbaße erleiden, steht nicht fest, ist aber leider za 
fürchten. 

Im ganzen ist jedoch nach dem nenen Tarif die Stellong der Bezirks* 
irste Badens eine wesentlich verbesserte geworden. 


Der Strafanstaltsarzt Dr. TSbben in Münster hat einen Lehraoftrag fttr 
gerichtliche Psychiatrie an der Westfälischen Wilhelmsoniversität daselbst 
erhalten. 


Den Satznngen der Bobert Koch*Stiftung zur Bekämpfung der Tuber-^ 
kolose ist am 28. Mid d. J. die landesherrliche Genehmigung erteilt worden. 
Der Zweck der Stiftnng ist, wissenschaftliche Forschungen zur Bekämpfung der 
Taberkoloae zu unterstützen. (§ 2). Dem Vorstand liegt die Beschlaßfassong 
über die zu bewilligenden ünterstützangen ob; hierbei sind Bobert Koch all¬ 
jährlich vorweg diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, welche nach seinem 
freien Ermessen fttr die von ihm angeregten oder geleiteten Arbeiten in An- 
ramch genommen werden sollen (§ 7). lO'^/o der jährlich aofkommenden 
Zinsen des Stiftangskapitals müssen so lange zam Kapital geschlagen werden, 
bis die Somme von 2 Millionen Mark erreicht ist (§ 8). 


In der Sitzung vom 1. Juli genehmigte der Senat in Born einen Gesetz¬ 
entwurf über die Errichtung des durch die Konvention vom 9. Dezember 1907 
beeehlossenen Internationalen Bnreans für die Sffentllche Hygiene« 



490 


ATasesnaehiiobteD. 


Eine Sonderkonuaiesion des »Deateohen Amsohnsses Itr ge-> 
snndkeitliehe Einriehtangen in den Kur* und Badeorten*, din 
am 21. Jnni in Misdroy tagte, stellte die Grandlage Ittr Sobaffang einer Zentral« 
Clr balneeloglseber Fesehangea sowohl nach wissessohaftliober, wie nach dar 

J raktist^a Seite hin feet. Die Aalgaben and die Organisation eines solchen 
ostitots worden im allgemeinen festgelegt and als zweckmässig anerkannt, 
daß es aal nentralem Boden, nicht in einem Kurort, aber in der Nähe 
des Datschen Qaellzentram errichtet werden müsse. Ueber die weiter« 
Ansgestaltnng and Errichtung dieser Zentralstelle soll in einer späteren 
Sitzung im Herbst beraten und aieh die Finanziernng des Unternehmens dann 
erörtert werden. 


Aul dem vom 26. und 27. Juni d. J. in Danzig abgehaltenea XXXfl* 
D entgehen Aentetag gelangte als erster Beratangsgegenstand das im 
Vorjahre zurückgesteilte Beferat über Schalgesandheitspllege znr 
Verhandlang. Zunächst referierte Dr. Stephan •Mannheim über die üntez- 
treisnng nnd Erziehang der Schaljagend zur Gesandheits« 
pflege. Nach einer längeren daran anschließenden Diskassion, in der aach 
die Frage der sexuellen Aulklärong erörtert wurde, wurden lolgeade Leitsätze 
des Beierenten angenommen: 

nl. Die heranwachsende Schaljagend muß darch die Schale mit den 
Hegeln der Gesundheitspflege yertraat gemacht werden. Ein richtiges Ver> 
ständnis der Gesondheitspflege ist Yorbcdingong für eine zweckmäßige Ae> 
wendang derselben. Diese führt zur Hebung der Volksgesandheit, der Volks* 
wohüahrt and der Volkswehrkraft nnd mehrt dadurch den Volksrdchtum. 


2. Bei der Ausbildong aller Lehrkräfte für Volks* and höhere Scholen 
muß die Gesundheitspflege einen besonderen Gegenstand bilden. Zu diesem 
Unterricht sind in erster Linie die Aerzte berufen, welche darch die Ausbildung 
in ihrem Berufe die Gewähr bieten, daß dieser Unterricht ein zweckmäßiger ist. 

8. Bei jedem geeigneten Unterrichtsstoffe sind die Schüler aal £e Ge- 
eandheitspflege hlnzaweisen und zar dauernden Betätigung ihrer Hegeln anza* 
halten. In die Lesebücher der Schalen sind geeignete lUpitel Uber di« 
Gesondheitspflege aufzonchmen. 

4. Ein besonderer Unterricht über Volksgesandheitspflege ist haapU 
sächlich für ältere Schüler wünschenswert. An Schalen mit Fachlehnystem 
ist der Unterricht in der Gesundheitspflege durch geeignete Fachlehrer, wo- 
inögllch durch Aerzte zu erteilen. 

5. Behufs zweckmäßiger Durchführung der Unterweisung und Erziehung 
der Jagend ist die Mitwirkung der Aerzte in der Schulbehörde erforderlich.* 






handlang yon Krankheiten nicht erteilen dürften, ferner, daß der Aerztetag 
die Frage der Mitwirkung der Schule nn- der sexuellen Aufklärung der Schale 
no^h nicht lü| spruchreif hielt. Ueber die schulärztliche Organi» 
sationsbowegung sprach sodann Stadtarzt Dr. Gaspar-Stuttgart und 
begründete in eb gehender Weise die nachstehenden Leitsätze der KommissioB 
für Schulgesundheitspflege: 

,1. Eis erschebt wünschenswert, dad überall dort, wo die Verhältnisse 
es zulassen, also namentlich b den grcüSea Städtee, den yoUmntlidi angeetellteB 
Sohuläreten der Vorzug gegeben wird. 

2. Ebe Verbindung der Schularzt nnd Bezirksarztstellen ist nu s«* 
lisidg, wenn dem Inhaber einer sobhen Stelle die Priyatpraxis untersagt isL 

S. Ist ans irgendebem Grunde die Durchführung des unter 1 und 2 b«> 
awiebieten Modus, welcher ab der ideale betrachtet werden muß, nsduroli- 
führbar, so sbd Priyatärzte neben ihrer Praxb mit der Ausübung der Schul* 
arzttütigkeit nu betrauen; aber nur dann, wenn yertragsmäßig les^elegt witd, 
daß eb Uebergriff b die Priyatprsxb der Kollegen nicht erfolgen kan. 

4. Im allgemeinen hängt db Leistung auf dem Gebbte der Schulhygiene 
nicht yom Schularztsystem, sondern der Persönlichkeit des Sdhularztes, sowie 
yom Ausbau der Itr das körpeiliehe Wohlbefinden des Scholkindsi get^ffenen 
Maßnahmen ah.“ 

Nach lebhafter Dbkussiou Wü^dß aiaa Hesolutfon den WgUMIBini, 
daß die Frage der Schulärzte im Haupt* und Nebenamt zurzeit noch nicht 


Tageaaachrichtea, 


401 


4 q^V«elueil sei; die Entscheidong sei yoa der geforderten Arbeitsleistiuig 
«ewie yoB lok^en und persdnlicben Yerhältaiasen abhlagig. län üebergrdfes 
•dev Sdliüärste in die Frivatpraxis der Kollegen sei nicht statthaft. 

Xlie darauf folgende Beratung ttber das Yerhältnls der Aerzte 
.au den Yersicherungsgesellschaften ftthrte zur Annahme der vom 
Yorstande nach Yerhandlong mit diesen G^ellschaften Torgeschlagene Staffelung 
-der Honorare sowohl für Tertrauensärztliche, wie für haus&rztliche Zeugnisse 
<<fftr eine Yersicherungssumme unter 5000 10 M., bis zu 19999 M. 16 If. und 
«ber 20000 li. für die rertrauensärztUche, sowie 6, 7,50 und 10 für hausäizt* 
liehe). AuSerdem wurde beschlossen, einen Yertrag nur auf 3 Jahre abzu» 
schließen. G&igen die Gesellschaften darauf nicht ein, so sollen die weitere^ 
Verhandlungen dem wirtschaftlichen Verbände in Leipzig überlassen werden. 

Bei der darauf verhandelten Erankenkassenfrage entspann sieh 
■eine eingehende Debatte, nach der folgender Beschluß zur Annahme gelangte: 
Der Aerztetag hält an dem Programm des Eönigsberger Aerztetages au/äi 
In dem Punkt fest, daß Personen mit über 2000 H. Gesamteinkommen Eassm» 
fl^glieder weder werden noch bleiben dürfen. Für den Fall der Ausdehnung 
der Erahkenversichernng auf Personen mit einem Gesamteinkommen von über 
'2000 M. ist jeder Yersueü eines Pauschalhonorars zurttckzuweisen. Für die neu 
hinzugetretenen, besser gestellten Kategorien von EassenmitgUedern ist das 
-Ortsübliche Honorar der Privatprazis zu zahlen. 

Nachdem noch ein vom Bezirksverein Leipzig-Land gestellter Antrag 
betreffs Einführung einheitlicher ärztlicher Gebührenordnung für das 
Beichsgebiet angenommen war, referierte Dr. Lindeman -Mannheim über den 
Gesetzentwurf betreffend die Bekämpfung der Kurpfuscherei. Der¬ 
selbe bedeute ein Fortschritt gegenüber dem bestehenden Zustande, wenn er auch 
nicht das Verbot der Eurpfnscherei bringe, das nicht im Interesse der Aerzte, 
■sondern dem der Allgemeinheit gefordert werden müsse. Beferent begründete 
die Abänderungsanträge, die nach eingehender Diskussion die Zustimmung des 
Aerztetages fanden, ebenso wie ein von Dr. C. Alex ander-Breslau gestellter An¬ 
trag: »Der Deutsche Aerztetag hält — unbeschadet seines grundsätzlichen Stand¬ 
punktes, daß ein völliges Enrpfaschereiverbot mit einem Verbot kurpfoscherischer 
Beklame das erstrebenswerteste Ziel sei — im Hinblick auf die Wahrschein¬ 
lichkeit, unter den obwaltenden Verhältnissen dies Ziel zu erreichen, den vom 
dos Innern unlängst veröffentlichten Entwurf eines Enrpfuscherei* 
bekämpfungsgesetzes für zweckmäßig und geeignet zur Eindämmung des Heii- 
Schwindels unter der Voraussetzung, daß die ärztlicher Seite vorgeschlagenen 
Ergänzungen und Abänderungen darin aufgenommen werden.* 

Ferner wurde eine EommisMon zur Abfassung einer Denkschrift bestellt; 
auf Antrag Heselbarth-Berlin werden der Deutschen Gesellschaft für 
Eurpfüscherei ein Zuschuß von 500 H. überwiesen. 

Die IT. Typung der Denisehen Gesellschaft ^ gerichtllehe Hcdlzin 
vrird vom 21. bis 28. September d. J. in Cöln bei Gelegenheit der Natttr- 
ioischerversammlung stattfinden. 

Als Diskussionsgegenstände hat der Vorstand folgende Themata 
-auf die Tagesordnung zu setzen beschlossen: 1. Üeber den heutigen Stand 
•der Lehre von der Magendarm-Schwimmprobe. Beferent: Geb. Med.-Bat Prof. 
Dr. Ungar-Bonn. 2. Die Hysterie in ihrer Beziehung zur Erwerbsfähigkeit 
im Sinne der Invalidmi-Versichernngs-Gesetzgebung. Beferenten: Med.-Bat 
Kreisarzt Dr.Bockendahl-Kiel und Dr.FritzLeppmann -Berlin. 

Ferner haben Vorträge angemeldet die Herren: 1. Fritsch-Bonn: 
Veber die Berechtigung zum künstlichen Abort. — 2. Ipsen-Innsbruck: Zua< 
'fennsischeo Gonokokkennachweis. — 8. Eenyeres-Elausenburg (Kolocsvar) 
■Ungarn: a) Farbige Photographien aus dem Gebiete der gerichtlichen Madlri« 
ndt Frojektionsbilden. b) Thema Vorbehalten. 4. Ko ekel-Leipzig: Dar 
mikroskopische Bau der Vogelfedem und seine Bedeutung für die KriminftlMtiir. 
— 6. Leers-Berün: Thema vorbehalteB. — ß. Liniger-Düsseldoif: Arzt« 
uttest und Lohaauskunft. — 7. Lochte-Göttingen; Thema Vorbehalten, -r- 
S. Molitoris-Innsbruck: Erfohrungen zur Frage des biologischen Blutnach- 
wa i a oB . — 9. Plempel-Cöln: Zur Frage des GeistesBustandes der heimiidi'* 
•Qehäfmiden. — Anmeldungen von weiteren Vorträgen und Demonstrathmeai 
-werden an Hem Geheinpirat Busack-Cöln, Deutscher Bing 76, erbeten. 



492 


Tageanachricbten. 


Nach eioer Nitteiiang an! dor yor karaem in Jena abgehalteoen Jahns» 
Tenaaräüaag der devtaehea Chemiker beabsichtigea die Profeesoren der Phar» 
maxie an den preußischen Unirersit&ten eine Eingabe an den preußischen Knltus-- 
minister, in der sum Schatze des reellen Anaeimittelrerkehrs dent 
Kahrangsmittelgesetz entsprechende gesetzliche Bestinunangen gefordert werden- 

Erkrankangen and Todesfllle an ansteckenden Krankheiten in 
Pnassen* Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit Tom 24. Mai bis 18. Juni 1908 er¬ 
krankt (gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber,. 
Bftckfallfieber, Tollwutund Pest: —(—); Pocken: 6(1), 8(—),9(1), 
Bißyerletzungen durch tollwutverdächtige Tiere: 20 (—), 
14 (—), 6 (—); Milzbrand: 4 (—), — (—), 1 (1); Buhr: 7 (1), 9 (—),. 
15(1); Unterleibstyphus: 176 (18), 198 (22), 208 (17); Diphtherie: 
1040(48), 1030 (68). 941 (4f*); Scharlach: 1222 (75), 1086(68), 1035(70);. 
Genickstarre: 30 (11), 29 (12), 22 (12); Kind bettfieber: 68 (16), 90 (21), 
70(16); Fleischvergiftung: 1 (—), — (—), 1 (—); Trichinose: 1 (—),. 
— (—) — (—); Körn erkrank heit (erkrankt): 273, 217, 110; Tuber¬ 
kulose (gestorben): 590, 629, 617. 



2L Jahrg. 


1908. 


Zeitschrift 

ftti 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZmtnlUatt Ur iu gNanti SniiikeitsiNttn, 

fOr gerichtliche Medizin, Peychiatrie und Irrenweeen. 

Heransgegebeii 

▼on 

Dr. OTTO RAPMÜND, 

Boflenuiff- oad Oeh. Medtitaatrat tu Mindeii* 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WOrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fisoher 8 mediz. Buehhandlg., H. Kornfeld, 

BmOQL Bdy Wf. Hiof- IL SntÜISO^ ge-mimn» - 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

ÜBteraie sehmen die Yerlagtbandlani: lowie alle AnnoDoen-Bxpedltioaea dea In- 

ond Auslandea entgegen. 


Nr. 14. 


Eraehelnt am 5. und IBO. Jeden llonata« 


20. Juli. 


Simulation oder Geisteskrankheit? 

Von Dr. Oerlaeb, Abteilaogsaizt an der Provinzial Heil* nnd Fflegeanatalt 
za Hildesheim; staatsärztlich approbiert. 

Der Matrosenartillerist E., geboren am 24. November 1885 
■zxL B., wurde am 25. Oktober 1907 in die Anstalt zur Be* 
obaehtong anf seinen Geiatesznstand aufgenommen, üeber sein 
Vorleben ist aktenmäßig wenig bekannt. Er ist erblich anschei¬ 
nend nicht belastet, hat in der Schule ganz gut lernen können. 
Nach seinen Angaben bekam er in der Jugend ihr alles, was 
seine Geschwister getan hatten, die Prügel. Nach beendeter Lehr¬ 
zeit als Anstreicher ging er auf Wanderschaft nach der Schweiz, 
Italien, Belgien etc., ohne es an einem Orte längere Zeit auszu¬ 
halten. Er selbst bezeichnet sein Wandern ,als Leidenschaft*. 
Am 4. November 1905 wurde er zur Mariae ausgehoben und in die 
ni. Matrosenartillerieabteilang eingestellt. Vor seiner Einstellung 
unbestraft wurde er während der Dienstzeit sieben Mal weg^n 
geringerer Vergehen (Trunkenheit, Trägheit, unerlaubter Ent¬ 
fernung etc.) mit leichteren Strafen, Strafexerzieren, Mittelarrest 
belegt. 

Am 11. August trieb er sich mit andern Kameraden laut 
singend und schreiend auf der Straße umher. Einem Schutzmann, 
der seine Personalien teststellen wollte, setzte er erheblichen 
Widerstand entgegen nnd schlug schließlich derart mit Fäusten anf 












494 


Dr. GerUcli. 


ihn ein, daß er Notsi^ale geben mußte. Mit Hülfe zweier Maaten 
wurde er zor Polizeiwache gebrachL An! dem Wege hierhin be¬ 
leidigte er den Schutzmann mit groben Scbimpfwoiten, bedrohte 
ihn and trat ihn mit Fußen. Auf dem Transport von der Wache 
nach der Kaserne schimpfte er dauernd vor sich hin, ohne dem 
wiederholten Befehl seiner Vorgesetzten, sich ruhig zu verhalten, 
zn gehorchen. Vor Gericht gab er am 24. Angust 1907 zu, auf 
der Straße gelärmt und auf den Schutzmann eingeschlagen za 
haben. Daß er auf dem Transport nach der Kaserne gelärmt 
habe, wisse er nicht. An den folgenden Tagen tat er seinen 
Dienst, ohne besonders aofzufallen. Am 6. Oktober nachmittags 
hatte er sich in der Kaserne betranken nnd meldete sich, als ihm 
Ton seinem Feldwebel ein Befehl gegeben wurde, krank. Der 
Revierarzt stellte Trunkenheit fest, hatte aber die Ueberzeugung, 
daß E. sich betrunkener stellte, als er war. „Er roch*, wie es 
im Militärkrankenblatte heißt, „ans dem Monde stark nach Al¬ 
kohol, blickte starr vor sich hin; seine Papillen waren erweitert, 
wurden aber auf Lichteinfall enger. Der Pals war regelmäßig 
nnd nicht beschleunigt. Die Temperatur betrag 86,8. E. ging 
im Zimmer auf nnd ab, machte aber stets Kehrt, wenn er vor 
einen Schrank oder ein sonstiges Hindernis kam.* Auf die War¬ 
nung des Revierarztes,* sich nicht betrunkener zu stellen, als er 
war, reagierte er in keiner Weise; auch der Aufforderung, 
sich zu Bett legen, kam er nicht nach. Daraufhin wurde er in 
Arrest abgeführt. Am andern Morgen fand ihn der Revierarzt 
in einer Ecke der Arrestzelle sitzen. Er stand auf Aufforderung 
auf, gab aber auf Fragen keine Antwort. Zur Verrichtung seiner 
No^nrft hatte er sich durch Schellen gemeldet. Nahrung hatte 
er nicht zu sich genommen. „Der Revierarzt ist auch jetzt über¬ 
zeugt, daß E. simuliert*, heißt es in der Krankengeschichte. 
Am 8. September fand E., der dasselbe Bild bot, Aufnahme im 
Lazarett. Aus dem hier erhobenen Befunde sei das folgende 
wörtlich wiedergegeben: 

„Er blickt klar aas den Angen, and der körperliche Befand ist in jeder 
Weise ein regelrechter. Er gibt anf Fragen nar selten, mit leisen abgerissenen 
Worten Antwort, meist reagiert er aber ttberbanpt nicht darauf. Zam Urin* 
lassen meldet er sich and läßt nicht unter sich. Der Bcvierarzt rät ihm hier 
eindringlich, daß Simulieren anfzugoben, da er durchschaut sei und 
seine Strafe nur höher würde, jo länger er simuliere; er reagiert hierauf in 
keiner Welse." 

Am 11. September wurde E. das Ergebnis der Ermittlungen 
vor Gericht mitgeteilt. Er reagierte hier auf kein Frage, 
stand stumpfsinnig da und war zu einer Unterschrift nicht zu 
bewegen. Ins Lazarett zurückgeführt bot E. dasselbe Bild. 
Unter dem 18. September steht im Krankenblatt vermerkt, der 
Stuhlgang sei angehalten; die Empfindlichkeit der 
Haut scheine herabgesetzt. Sämtliche Reflexe der Haut und 
der Sehnen seien regelrecht. Der Za stand blieb weiter unver¬ 
ändert. E. gab auf Fragen keine Antwoit, ging aber sonst auf 
Aufforderungen ein. Dem trägen Stuhlgang mußte stets nach¬ 
geholfen werden. Appetit und Schlaf waren regelrecht. Unter 



Simulation oder Gefsteskrankheit. 


486 


dem 24. September steht im Erankenblatt: „Sein Zustand ist 
noch immer wie vorher; an einer Simulation besteht gar 
kein Z weifel.* Am 26. September bemerkte der San.-Feldwebel, 
der nnvermntet das Zimmer betrat, daß E. ein Stftck Zeitnngs- 
papier unter der Bettdecke verbarg, in dem er „offenbar vorher 
gelesen hatte*. Am 28. September wurde E. die Anklageschrift 
vorgelesen, er nnterzeichnete ein hierftber anfgenommenes Proto¬ 
koll. In der Sitzong des Gerichts, die 2 Tage später statttand, 
gab E. weder auf die Verlesung des Nationale, noch auf Fragen 
eine Antwort. Die beiden behandelnden Aerzte gaben anch Mer 
an, sie hätten die Ueberzengnng, daß E. simnliere, da er 
anfangs sich durch Zeichen bemerkbar machte, auf Fragen nickte, 
später darauf nicht mehr reagierte, und da er als frflherer 
Sanitätsgast wohl einige Erfahrungen gesammelt habe. Am 
13. September wurde E. gefragt, ob er Anträge in bezug auf die 
Beobachtung seines Geisteszustandes zu stellen habe; er ant¬ 
wortete hierauf nicht. „Er sah vor sich nieder und gab keiner¬ 
lei Zeichen des Verständnisses am Bekanntgegebenen von sich.* 
Aus dem Erankenblatt sei noch erwähnt, daß E. am 9. Oktober 
einen Obergasten zu sich winkte und ihn an seiner Krankentafel 
auf die Buchstaben „g e t r ä n k* wies; als er nicht verstan¬ 
den wurde, machte er die Bewegung, als wenn er ein Getränk 
znm Munde führte. Die Ernährung war gering, vom 11. Oktober 
bis 18. Oktober nahm das Körpergewicht um 2,5 kg ab. Der 
Stuhlgang war dauernd angehalten. 

Am 25. Oktober wurde E. der Anstalt zngeftthrt. Ein Gut¬ 
achten sollte darüber abgegeben werden, „ob E. sich bei Be¬ 
gehung der Straftaten, bezw. nach Begehung derselben in einem 
Zustande krankhafter Störung der Geistesfähigkeit befunden hat, 
durch welchen seine freie Wiliensbestimmnng ausgeschlossen war*; 
ferner „ob E. seinen obigen Zustand simuliert, damit eventuell 
ein Strafverfahren dieserhalb gegen ihn anhängig gemacht wer¬ 
den kann.* 

Bei der Aufnahme war E. völlig gehemmt; er starrte vor 
sich hin, tat spontan garnichts und reagierte nicht auf Fragen. 
Die Maßnahmen, wie sie bei der Aufnahme getroffen werden 
(Baden etc.), ließ er widerstandslos über sich ergehen. Nahrung 
nahm er nicht zu sich; die Zähne hielt er fest aufeinander ge¬ 
preßt, sodaß es nicht gelang, ihm die geringste Quantität einzn- 
flößen. Zu Bett gelegt starrte er, lang ausgestreckt daliegend, 
mit weit aufgeiissenen Augen auf einen und denselben Punkt, 
ohne die geringste Teilnahme für seine Umgebung zu zeigen. 
Während der Nacht verhielt er sich ruhig und schien zu schlafen. 
Am andern Morgen bot er dasselbe Bild. Die NahrungsanfnaWe 
war gut; er nahm die Speisen ohne Aufforderung, führte aber alle 
Bewegungen sehr langsam ans. 

Stataa: Großer Mann von grazilem KOrperbaa und sehr mSßigem 
Ernihrungszastande (1,69 m, 54 kg). Farbe der Haut und der sichtbaren 
Schleimhäute blaß. Muskulatur außerordentlich schlaff. Der Langschädel, 
nach der Stirn zu sich aufbreitend, mißt im Umfang 54 cm; auf Druck und Be¬ 
klopfen keine Reaktion. Das Kopfhaar reicht bis tief in die Schläfen- und 




496 


Dr. Oerlaeb. 


Stirogegend. Beide Ohrläppchen angewachsen. Augenbranen fiber der Naaen- 
warzel zasammongewachsen. Lidspalten aallallend weit, Lidschlag selten. 
Papillen gleichweit, reagieren etwas träge aal Lichteinlall. Prttlang aal Blick 
in der Nähe nicht möglich. Linke Papille nicht ganz zentriert. Das Gesicht 
ist beiderseits gleich, sehr schlaff innerTiert. Drack aal die V-pankte an¬ 
scheinend nicht empfindlich. Die Zange wird aal Aallorderang nicht herans- 
gestreckt. Sobald man mit dem Spatel etwas zwischen die Zähne eingedrangen 
ist, wird sie ein wenig yorgestreckt; sie ist grauweiß belegt, zittert sehr 
stark fibrillär and weist an ihrem Bande zahlreiche tiele Zahneindrücke auf. 
Zugleich läult Speichel aus dem Monde heraus. An Brast- und Baachoiganen 
nichts besonderes za bemerken. Anscheinend keine Spinalirritation, keine Oyarie. 
Deatliche idiomnskaläre Wülste beim Bekloplen der Brastmaskeln. Aasge- 
sproebene Dermographie. Steigerung sämtlicher Sehnen-Beflexe, bes. der 
Eniephänomene; keine Differenz aaf beiden Seiten. Kein Faßklonas, kein 
Babinski. Eornealrefiex aaslösbar, Eonjanktiyalreflexe nicht anslösbar. Hanb- 
sensibilität nicht za prüfen. Zangcnschleimhaat für Nadelstiche wenig empfind¬ 
lich ; tiefe Nadelstiche in die Bückonhaut ohne Bcaktion. Urin frei. 

E. liegt mit angezogenen Beinen im Bett, den Eopf etwas nach yorn 
gebeugt, die Augen starr aal einen Pankt gerichtet. Qesichtsaasdruck leer. 
Einigen Aallordernngen, z. B. sich anfzarichten, kommt er nach geraumer 
Zeit sehr langsam nach, andere wieder lUhrt er überhaupt nicht aas. Sprach¬ 
liche Aeafierangen sind nicht za erhalten. Aasgesprochene flexibilitas cerea. 
Grobe passive Lageveränderangen läßt er ohne Beaktion mit sich yornehmen. 
Appetit gut. Die Nahrang wird spontan mit langsamen, matten Bewegungen 
eingenommen; Urin spontan gelassen. Dem stark angehaltenen Stahlgang 
maß stets nacbgehollen werden. Schlaf nicht gestört. 

Bis zam 11. Noyember keine Aenderang im Verhalten. An diesem Tage 
gab er zum ersten Male die Hand, sah beim Groß einen Augenblick aä. 
Zunahme des Eörpergewichts am 2 kg. An den folgenden Tagen wurde E. 
freier, richtete sieü spontan aal, sah umher. Am 19. Noyember antwortete er 
zum ersten Male aal einige Fragen mit einem leisen Ja“ und „nein“, gab 
Namen and Qebartsjahr richtig an. Tag und Geburtsort wußte er angeblich 
nicht. Die Sprache war leise, aphoniseb. E. behauptete, „den ganzen Hals 
yoU Schleim za haben, den er nicht aashasten könne“, deshalb spräche er so. 
Objektiy nichts nachweisbar, ln den nächsten Tagen trat die Hemmung 
mmer mehr zurück. E. stand auf und ging in schlaffer, gebeugter Haltung 
im Zimmer umher, fing auch nnaufgelordert an, den Wärtern bei ihren Ver¬ 
richtaugen za hellen. Aal Befragen zeigte er sich über Ort und Zeit orientiert 
fer habe das yon den Wärtern erfahren), kannte auch Eranke mit Namen. 
Sprache noch anyerändert. An den Transport nach hier konnte er sich er¬ 
innern; was unmittelbar nach seiner Ankunft mit ihm geschehen sei, 
wußte er nicht. Er habe in der ersten Zeit keinen Ton hcransbringen können. 
Ueber seine Vergangenheit machte er scheinbar ganz richtige Angaben, war 
auch in seinem Berale als Maler ganz bewandert. Außer Schmerzen in Stim- 
und Schläfengegend hatte er keine Beschwerden. In der Folgezeit zeigte er 
bisweilen noch einen gewissen Grad yon psychischer Hemmung; so starrte er 
bisweilen, wenn man ihn etwas gefragt hatte, längere Zeit yor sich hin. Aach 
wenn man die Frage mehrfach wiederholte, erhielt man keine Antwort; dann 
sah er wie erstaunt umher und antwortete. Die motorische Hemmung ging 
rascher zurück. Die Haltung wardo gerader, straffer; der Gang energischer. 
Auch die Gesichtszügo yerloren mehr und mehr den nichtssagenden Ansdraedr, 
die Stimme wurde yon Tag zu Tag klangvjller. Das Eörpergewicht nahm 
stetig bedeutend zn. Die Speichelansammlung im Munde war yerschwanden, 
der Lidschlag wieder hänfigur. Zunge gereinigt, zitterte noch beim Heraas¬ 
strecken. Gaumen und Bachen ohne Veränderungen. Papillenreuktion prompt 
aaf L. und A. Starker Tremor der gespreizten Finger. Boroberg nicht yor- 
handen. Berührangs-und Schmorzcmpfindlichkeit ungestört Eeine hysterischen 
Stigmata. Stahlgang geordnet. Intelligenz and Merkfähigkeit etwas herab¬ 
gesetzt. Ueber die Straftrat machte £. die gleichen Angaben wie yor Gericht: 
In der Arrestzelle habe er nicht zur Buhe kommen können; er habe dort zwei 
Nächte hindarch Gestalten an der Wand gesehen and sich darüber sehr ge- 
ängstigt. Sie hätten ihn nicht bedroht; Stimmen habe er nicht gehört. Im 



Simulation oder Geisteskrankheit. 


497 


Lazarett habe er keinen Bissen hemnterbringen kOnnen; er sei aber durstig 

S ewesen, deshalb habe er auch einmal „Getränk* gezeigt. An die Einzelheiten 
er ärztlichen Untersuchungen und der gerichtlichen Vernehmungen kann er 
sich erinnern; weshalb er nicht geantwortet hat, weiß er nicht. Hier in der 
Anstalt habe er keine Gestalten gesehen, auch niemals Angst gehabt. Bis zur 
Eutlassung, die am 7. Dezember stattland, war eine wesentUche Aendemng 
nicht eingetreten. 

In dem Gutachten, das über diesen Mann erstattet werden 
sollte, war auch die Frage zu beantworten, „ob er seinen obigen 
Zustand simuliere*. 

Kommen Fälle von reiner Simulation einer Geistes¬ 
krankheit vor, d. h. solche, bei denen nicht gleichzeitig noch 
irgend welche Zeichen einer krankhaften Geistestätigkeit nach¬ 
weisbar sind? Unzweifelhaft; und zwar handelt es sich dabei 
fast ausschließlich um Untersuchungsgefangene, die eine nicht 
vorhandene Geisteskrankheit absichtlich Vortäuschen, um die 
Straftat als in unzurechnungsfähigem Zustande begangen darzn- 
stellen und straffrei auszugehen. Allein, was die Häufigkeit des 
Vorkommens der Simulation anlangt, so weicht die heutige An¬ 
schauung von der früheren erheblich ab. 

Ein alter, von Zacchias^) stammender Ausspruch lautet: 
„Nullus morbus facilius et frequentius simulari solet, quam 
insania.“ In diesem Satze wird eine Anschauung zum Aus¬ 
druck gebracht, die auch heutzutage noch in Laienkreisen ge¬ 
meinhin verbreitet ist. Die psychiatrische Erfahrung der letzten 
Jfüirzeimte aber hat gelehrt, daß er nicht mehr zu Recht besteht, 
ja daß man ihn geradezu umkehren darf. 

.Um die Häufigkeit der Simulation voranzn8tellen,«so gehen 
die statistischen Angaben hierüber nach dem Material weit aus¬ 
einander, je nachdem man nämlich nur die zur Anstaltsbeobachtnng 
kommenden Fälle berücksichtigt oder auch die in den Gefäng¬ 
nissen beobachteten mitzählt. Siemerling*) hat auf diesen 
Unterschied in einem Vortrage hinge wiesen und die Simulation 
in den Gefängnissen als Tradition bezeichnet. 

Gramer”) hob in der Diskussion diesen Unterschied noch 
besonders hervor und fand damit die Differenz in den Zahlen 
über die Häufigkeit der Simulation zum großen Teile aufgeklärt, 
indem die auf Grund des § 81 Str.-Pr.-O. zur Beobachtung kom¬ 
menden Fälle als Auslese aufzufassen seien. 


Siemerling*) fand unter 64 begutachteten Fällen 2 Simulanten; 
Fritsch „ „ 200 „ »10 

Binswanger „ „ 73 „ „21 

Gramer”) unter weit über 100 „ „2 

Gerstenberg unter 158 „ »0 

andere wie Knecht keinen. 

So verschieden diese Zahlangaben sind, das geht daraus 


’) Fttrstner: üeber Simulation geistiger StSrungen. Aich. f. Psych.; 
XIX. Bd., Berlin 1888. 

*) Siemerling: Simulation und Geisteskrankheit bei Untersuchnngs- 
gefangenen. Berliner Klin. Wochenschrift; 1905, Nr. 48 n. AUgem. Zeitschrift 
fftr Psychiatrie; 63. Bd., Berlin 1906. 

') Gramer: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; Bd. 63, 8. 135. 



498 


Or. Qerlaeh. 


herTor, daß der Prozentsatz der Simulanten doch ein niedriger 
ist, sodaß man hentzntage Fälle von reiner Simulation geradezn 
als ,rarae aves“ bezeichnen darf. So warnt auch y. Erafft- 
EbingO davor mit der Yermatnng der Simulation zu schnell 
bei der Hand zn sein nnd empfiehlt, „wenn eine Praesnmption 
überhaupt zulässig wäre, eher an wirkliche Krankheit, denn an 
Simulation zu denken". 

Dies heute seltene Vorkommen von Simulation einer Geistes¬ 
krankheit beruht wohl z. T. auch auf der schärferen Diagnostik 
der modernen Psychiatrie und besonders der Grenzznstände, die 
es uns ermöglicht, auf Grund des § 81 Str.-G.-B. zahlreiche 
Fälle einer einwandsfreien Beobachtung in entsprechenden An¬ 
stalten zuznführen, in denen man früher nach der Untersuchung 
im Gefängnis, da sie klar lagen, davon absehen zu können 
glaubte. 

Ist es ferner so leicht, eine nicht vorhandene Geisteskrank¬ 
heit vorzutänschen? 

Wenn jemand auch Gelegenheit gehabt hat, Geisteskranke 
in ihrem Verhalten nnd in ihren Aeußerungen zu beobachten, so 
dürfte es ihm doch nur überaus selten gelingen, die Symptome 
treu nnd konsequent wiederzugeben. Abgesehen davon, daß er 
manche Symptome auf die Dauer Überhaupt nicht nachabmen kann, 
wird er zumeist in den Fehler verfallen, daß er mehrere Efrank- 
heitsbilder dnrcheinanderbringt nnd so eine Form darstellt, an der 
durch die inneren Widertprüche einem geübten Beobachter das 
Unwahrscheinliche bald auffällt. Nun darf eine gewisse Dishar¬ 
monie in den Erscheinungen nicht ohne weiteres für Simulation 
sprechen, gibt es doch beispielsweise degenerative Erankheits- 
bilder, besonders bei erblich Belasteten — zu diesen gehört ja ein 
nicht geringer Teil der hier in Frage kommenden Individuen —, 
die in ihrem Verlauf keiner Klassifikation sich beugen, ganz zn 
schweigen von andern Formen, die nicht selten den Eindruck des 
Gekünstelten machen. Aber dies trifft nur auf einen Mangel an 
Uebereinstimmung in gewissem Sinne zu. Im allgemeinen wird 
der Simulant in dem Bestreben, seine vorgetäuschten Symptome 
dem Beobachter auch deutlich vorzuführen, zu starken Ueber- 
treibungen neigen nnd ihm damit seine Aufgabe wesentlich 
erleichtern. Hierzu kommt noch, daß viele der körperlichen 
AUgemeioerscheinungen, deren Vorhandensein wir bei den meisten 
Geisteskrankheiten voraussetzen, nicht vorgetäuscht werden 
können. 

Wie steht es mit der Simulation im vorliegenden 
Falle? 

Die Beobachtung in der Anstalt im Verein mit der Vorge¬ 
schichte führte zn dem Resultat, daß E. nicht simulierte, 
sondern geisteskrank war. Simulation nnd Geisteskrankheit 
schließen sichnicht aus; aber bei E. waren die angeführten Er- 


') Krafft-Ebing: Lehrbuch der gerichlichen Psychopathologie. 
3. Auflage; 1900. 



Simalatioii oder Gdisteskrankheit. 


499 


sch^oDf^en, die zar Annahme der Simulation geführt hatten, die 
ersten Zeichen der Erkrankung. Er litt an einem Zustand von 
akutem Stupor, wohl ähnlich den Fällen, wie Siemerling^) 
sie erwähnt hat. Das Entstehen dieses Zustandes denken wir 
uns auch so, daß wir die Erregung über die Vernehmungen 
und über die zu erwartende Strafe, vielleicht auch den vermehrten 
Alkoholkonsum in der Zwischenzeit bei dem psychisch Minder¬ 
wertigen (Degenerationszeichen, Wandertrieb etc.) als Haupt- 
Ursache annehmen. Daß in der Arrestzelle der Zustand sidi 
wesentlich verschlimmerte, so daß sprachliche Aenßemngen nicht 
mehr erhalten wurden, ferner daß hier Halluzinationen und Angst¬ 
zustände auftraten, spricht für diese Annahme. 

Zu diesem Erankheitsbilde passen auch die Bemerkungen 
des Lazaretts zu L., nach denen auf die wiederholte Warnung 
des Arztes, von der Simulation abzulassen, keine Beaktion er¬ 
folgte, auch nicht im Sinne einer Uebertreibnng, also einer Zu¬ 
nahme der Symptome; nach denen weiter ein erheblicher Rück¬ 
gang des Körpergewichts, Abnahme der Hautsensibilität, sehr 
angehaltener Stuhlgang festgestellt wurden. Hiermit stimmt ferner 
überein das Verhalten des E. vor Gericht, wo er seine Namens- 
unterschrift verweigerte und anf Fragen nach Nationale und 
Unterbringung in einer Irrenanstalt nicht reagierte. In gewissem 
Sinne anüällig war das Verhalten des E. im Lazarett, indem er 
ein Blatt Zeitungspapier unter der Bettdecke verbarg, als unver¬ 
mutet ein Vorgesetzter das Zimmer betrat; ferner daß er einmal 
anf die Buchstaben „g e t r ä n k“ an der Tafel wies und dabei 
die Geberde des Trinkens machte. Diese Erscheinungen, die wohl 
mit dazu beigetragen haben, die Ueberzengnng, E. simuliere, noch 
zu verstärken, lassen sich durch Annahme einer vorübergehenden 
Besolution des Stupors ungezwungen erklären. In dem 2. Falle 
speziell bat E. vielleicht ein Gefühl von Trockenheit oder den 
Schleim im Halse verspürt, der, wie er nach völliger Besolution 
des Stupors angab, ihm das Sprechen unmöglich gemacht habe. 

Gerade der Stupor ist das Erankheitsbild, das vorzutäuschen 
noch die geringsten Schwierigkeiten bietet, und das nach Fürst- 
ner‘) und Mendel”) bei der Simulation auch ganz besonders 
in Betracht zu ziehen ist. Für die Annahme einer Simulation im 
vorliegenden Falle ergab die Beobachtung in der Anstalt keinen 
Anhaltspunkt. Die psychischen Symptome, die E. darbot, passen 
sämtlich in das Erankheitsbild und waren z. T. derartig, daß sie 
sich auf die Dauer nicht absichtlich hätten Vortäuschen lassen. 
Auch die körperlichen Begleiterscheinungen waren vorhanden. 
Der Versuch einer Uebertreibnng wurde nie gemacht. 

In nnserm Fall verlief der Stupor in kurzer Zeit. Nachdem 
er in der Anstalt noch fast 3 Wochen voll ausgeprägt bestanden, 
ging er unter unsern Augen zuerst langsam, dann schneller zn- 


») 1. c. 

3) Fftrstner; 1. c. 

B) Mendel, £.: Leitfaden der Psychiatrie. 1902. 



500 Dr. Hillenberg: üeber die Bedentang der Schul', Leih- und 

rfick, bis er nach Ablauf von weiteren 14 Tagen fast gänzlich 
Terschwnnden war. Wie uns vom Marinelazarett zu L. unter 
dem 7. Januar 1908 mitgeteilt wurde, sind dort bis jetzt «krank- 
hafte Erscheinungen in dem Geisteszustände des E. nicht beob¬ 
achtet worden“. 

Für die Zeit der Begehung der Tat kam bei E. die Geistes¬ 
krankheit nicht in Frage. Der Tenor des Gutachtens lautete 
daher: E. war geisteskrank; er hat seinen jetzigen Zustand 
nicht simuliert. Bei Begehung der Straftaten hat er sich 
nicht in einem Zustande krankhafter Störung der Geisteskrankheit 
befunden, durch welchen seine freie Willensbestimmnng ausge¬ 
schlossen war. 

Im vorliegenden Falle machte es keine besonderen Schwierig¬ 
keiten, Simulation auszuschließen. Auch in schwierigen Fällen 
wird es mit Hülfe einer möglichst ausführlichen Vorgeschichte, 
aus der besonders der Beginn der Erkrankung zu ersehen ist, 
durch sorgfältige Beobachtung der Ei'scheinnngen^ ihre genaue 
Prüfung und Abwägung zugleich unter Berücksichtigung der 
körperlichen Allgemeinerscheinungen in der Begel gelingen, das 
Bestehen oder Nichtvorhandensein einer Simulation nachzuweisen. 

Meinem verehrten Chef, Herrn Sanitätsrat Dr. Gersten¬ 
berg, sage ich für die Ueberlassung des Materials meinen ver- 
bindUchsten Dank. 

Nachtrag: E. wurde durch Urteil des Kriegsgerichts vom 
25. Januar 1908 zu einer Gesamtstrafe von 1 Monat Gefängnis 
verurteilt. 


Ueber die Bedeutung der Schul-, Leih- und Yoiksbibllotheken 
hineichtlich der Uebertragung ansteckender Krankheiten. 

Von Kreisarzt Dr. Hillenberg-Springe. 

In dem neuen Ministerial-Erlaß vom 9. Juli 1907 betreffend 
Verhütung der Uebertragung ansteckender Krankheiten durch die 
Schulen, in dem in kaum zu übertreffender Weise die Wege vorge¬ 
zeichnet sind, die von der Schule und allen sonstigen in Betracht 
kommenden Faktoren beim Ausbruch einer Infektionskrankheit 
zwecks Vermeidung ihrer Weiterverbreitung einzuschlagen sind, 
erscheint mir nur ein Punkt übersehen worden zu sein, der meines 
Erachtens eine gewisse Beachtung beanspruchen darf, das ist die 
Rolle, die unter Umständen die Schülerbibliothek bei der 
Verbreitung einer ansteckenden Krankheit zu spielen geeignet ist. 
Dieser Verbreitungsweg hat namentlich seit der Auffindung der 
chronischen Bazillenträger an Bedeutung gewonnen, da es nicht 
von der Hand zu weisen ist, daß z. B. Schwer, die Diphtherie oder 
Typhus überstanden haben und BazÜlenträger geworden sind, 
irgendein Bibliothekbnch, das von ihnen während der Rekon¬ 
valeszenz gelesen wird, mit den entsprechenden Bakterien zu 
infizieren imstande sind. 

Die Resistenz der meisten Bakterien ist zwar eintreten- 



Volksbibliotheken hinBiohtl. der Uebertragaog ansteckender Krankheiten. 501 

der Aastrocknong gegenüber keine große, immerhin kann es 
yorkommen, daß das betr. Bnch, das mit dem ersten Schnlbesnch 
abgeliefert wird, bald daran! in andere Hände übergeht, ohne 
daß sämtliche Bazillen abgestorben sind, und ein neuer Infektions¬ 
fall kann die Folge sein. Auch für die akuten Exantheme mag 
dieser Verbreitungsmodus in Betracht kommen, da z. B. Scharlach 
mit Sicherheit durch Briefe, Bücher, wie ich in meiner Praxis 
selbst wiederholt erlebt habe, auch Wochen nach abgelanfener 
Krankheit übertragen wird. 

Jedenfalls darf ein Zweifel an der Tatsache, daß sich die 
verschiedensten Krankheitserreger eine Zeitlang anch in Büchern 
lebensfähig halten, nicht mehr bestehen, indem seit einer Reihe 
von Jahren bald von diesem, bald von jenem Forscher von neuem 
der Beweis für das Anhaften virulenter Krankheitskeime an den 
Blättern und Einbänden von Büchern etc. erbracht worden ist.^) 

Eingehende Ermittelungen sind allerdings nur über das 
Vorkommen von Tuberkelbazillen von Mitulesen*) an zahl¬ 
reichen Büchern Berliner Leihbibliotheken angestellt worden; 
dieselben zeitigten das interessante Resultat, daß von solchen 
Büchern, die 3—6 Jahre sich im allgemeinen Verkehr befanden, 
ein Drittel sich mit Tuberkulosekeimen behaftet erwies, d. h. 
also, daß erst eine gewisse Schmutzschicht sich auf den Seiten der 
Bücher, — meist sind es die Ränder — gebildet haben muß, 
um die Tnberkelbazillen vor gänzlichem Anstrocknen zu bewahren 
und so lebensfähig zu erhalten. 

Für Schulbibliotheksbücher dürfte die Tuberkulose weniger 
bedeutungsvoll sein, da einmal wohl nie ein solcher Grad von 
Verschmutzung geduldet werden wii-d, wie bei den Büchern der 
gewöhnlichen Leihbibliotheken, sodann Kinder mit offener Tuber¬ 
kulose dem Schulunterricht ja nicht mehr beiwohnen dürfen, anch 
nicht anznnehmen ist, daß früher häufiger derartige Kinder die 
Schule noch längere Zeit besucht haben. Versuche mit älteren 
viel gelesenen Büchern würden diese Frage ja leicht lösen 
können. 

Die Uebertragnng der Krankheitserreger von den infizierten 
Büchern aus auf den Menschen beruht im übrigen zur Hauptsache 
auf der üblen Angewohnheit, die Finger vor dem Umblättern mit 
Speichel anzufenchten; hierdurch werden jene von den Bnch- 
r ändern, auf denen anscheinend ausschlieMch die betreffenden 
Keime sich lebensfähig halten, da wenigstens z. B. Tnberkel¬ 
bazillen nur auf letzteren sich nachweisen ließen, dem Körper 
zngeführt. Das Vorkommen von Diphtherie- und Typhuskeimen 
an den Händen von Bazillenträgern kann einem Zweifel kaum 
unterliegen; daß jedenfalls Hände und Finger von Tuberkulösen 
häufig mit Tnberkelbazillen behaftet sind, ist von einzelnen Autoren 
wiederholt ebenso nachgewiesen worden, wie die Tatsache, daß 

*) H. Trautmann: üeber lofektion von Büchern nnd Schriftwerken 
und ein aossichtsvollee Verfahren za ihre Desinfektion. Zeitschrift für Tuber- 
kalose; 1907, 10. Bd. 

*) Zeitschrift für Hygiene; 1903, Bd. 44. 



502 Dr. Hilioaberg: Uober die Bedeataog der Schal', Leih- and 

sie durch Händedruck (in 13 von 24 Fällen) auf andere über¬ 
tragbar sind.*) 

Einwandfreie Fälle, in denen durch SchulbibliotheksbQcher 
ansteckende Krankheiten auf Mitschüler übertragen worden, sind 
allerdings meines Wissens bisher nicht bekannt geworden, was 
wohl daher rühren mag, daß diesem Yerbreitungsweg nähere 
Aufmerksamkeit bisher nicht geschenkt worden ist; er wird auch 
nach wie vor gegenüber der großen Zahl der sonstigen Ver¬ 
breitungswege von Infektionski’ankheiten für die Schule stets nur 
eine mehr untergeordnete Position beanspruchen dürfen; nichts¬ 
destoweniger erscheint es mir wichtig genug, auch dieser Müg- 
lichkeit zu gedenken und nach Kräften ihre Vermeidung anzn- 
streben. Beweisen doch auch die zahlreichen Versuche, die von 
den verschiedensten Autoren angestellt sind, die Frage der so 
schwierigen Bücherdesinfektion einer befriedigenden Lösung ent- 
gegenzuftthren, welche Beachtung der von infizierten Büchern 
ausgehenden Gefahr in der Praxis zukommt. 

Was von den Schülerbibliotheken hier gesagt ist, gilt min¬ 
destens in dem gleichen, wenn nicht weit höherem Maße für die 
sogenannten Leihbibliotheken. Man kann nur immer wieder 
seine Verwunderung aussprechen, wie wenig Ekel das große 
Publikum vor den gewöhnlichen Leihbibliotheken mit ihrem schon 
hinsichtlich der Reinlichkeit oft mehr als fragwürdigen Material 
empfindet; wie selbst Menschen von Rang, Bildung und Besitz 
— meist sind es Angehörige des anderen Geschlechts — sich 
nicht scheuen, zur Verkürzung ihrer vielen Mußestunden sich 
aus irgendeiner Leihbibliothek ein Buch holen zu lassen, das 
bereits durch wer weiß wie viele, nicht immer ganz tadellose 
Hände gegangen nnd womöglich mit Infektionskeimen behaftet 
ist. Die Gleichgültigkeit des Publikums in dieser Beziehung ist 
oft geradezu unverständlich und läßt sich höchstens durch alte 
Gewohnheit, Bequemlichkeit nnd eine sehr zu beklagende Ober¬ 
flächlichkeit erklären, wie sie heutzutage auf großen Schichten, 
und zwar nicht nur den tieferstehenden, unseres Volkes lagert. 
Würde von dem vielen Gelde, das jährlich von dem einzelnen 
für Vergnügen nnd Sport allerlei Art, auch den unnützesten, 
verausgabt wird, nur ein Bruchteil zur Erwerbung guter Bücher 
benutzt, — für das Lesebedürfnis der Minderbemittelten wird 
ja in großen Städten durch öffentliche Lesehallen mit gnten 
Büchern immer ausgiebiger gesorgt — so würden viele von den 
nach jeder Richtung hin höchst überflüssigen und verderblichen 
Leihbibliotheken ihre Tore zum Heil des Publikums schließen 
müssen. 

Diesen privaten Leihbibliotheken gegenüber wird es nun 
kaum angängig sein, besondere Desinfektionsmaßnahmen vorzn- 
schreiben, so lange es nicht zuverlässige, bequem zu handhabende, 
nicht zu kostspielige, dabei für das Material unschädliche Des¬ 
infektionsmethoden für Bücher gibt. Recht aussichtsreich für 


') Nach einer Angabe bei Traatmann I. c. 



VolksbiblioUieken binsicbtl. der Ucbertregong ansteckender Krankheiten. lO'S 

die Praxis erscheint allerdings das von Kister und Trant- 
mann beschriebene, von Dun bar auch fttr Bücher empfohlene 
find erprobte Desinfektionsverfahren mit gesättigtem, niedrig tem¬ 
perierten (75—80®C.) Formaldehyd wasserdampf*), der unter Va- 
knam strömt. Dasselbe entspricht nach Trautmann „hinsicht¬ 
lich seiner Einwirkung auf das äußere von Büchern und Schrift¬ 
werken allen berechtigten Anforderungen“; auch „betreffs der 
Eeimtötnng dürfte kein berechtigter Zweifel bestehen, daß das 
Verfahren, richtig gehandhabt, die uns bekannten menschlichen 
Krankheitserreger einschließlich der Sporenbildner im Prinzip mit 
Sicherheit vernichtet“. Bewährt sich das genannte Verfahren in 
jeder Beziehung auch für Massendesinfektionen von Büchern, so 
könnte allerdings behördlich verlangt werden, daß jährlich etwa 
2 mal der gesamte Bücherbestand einer Leihbibliothek der amt¬ 
lichen Desinfektion unterworfen wird. 

So lange eine bestimmte bewährte Methode sich nicht ein¬ 
gebürgert hat bezw. so lange und wo sie nicht von Amtswegen 
vorgescbrieben werden kann, würde man sich auch den Leih¬ 
bibliotheken gegenüber auf Maßnahmen beschränken müssen, 
wie sie Mitulescu für Volksbibliotheken, die unter behörd¬ 
licher Aufsicht oder Verwaltung stehen, vorgeschlagen hat: Aus¬ 
merzung beschmutzter Bücher und Anbringen von Plakaten in 
den Bibliotheken, welche auf die mit dem Fingeranlecken ver¬ 
bundene Gefahr aufmerksam machen und das Waschen der Hände 
nach dem Lesen anraten. 

Wie weit hierdurch ein positiver Effekt erzielt werden 
würde, bleibe dahingestellt; sehr belangreich dürfte er kaum 
sein. Jedenfalls werden Arzt und Hygieniker versuchen müssen, 
durch gelegentliche Besprechungen und Aufklärungen auf die 
Gefahren für die Gesundheit hinzuweisen, die mit der Benutzung 
alter Leihbibliotheksbücher verknüpft sind. 

Aber nicht nur in den Städten spielt das Verlangen nach 
Lektüre eine Rolle; auch auf dem Lande fühlt mancher Arbeiter, 
dieser und jener Landmann das Bedürfnis, namentlich im Winter, 
einen Teil seiner freien Zeit mit dem Lesen nützlicher Bücher 
znzubringen. Demgemäß existieren in einer großen Zahl von Kreisen, 
teilweise mit staatlicher Unterstützung, Volksbibliotheken, die 
unter der Verwaltung von Geistlichen oder Lehrern stehen und 
von den Kreiseingesessenen gern in Anspruch genommen werden. 
„Es ist nun eine erfahrungsmäßige Tatsache“, schreibt mir ein 
Pastor, der gleichzeitig Verwalter einer Volksbibliothek ist, „daß 
die Bücher der Volksbibliothek vielfach von Kranken oder solchen, 
die Kranke pflegen müssen, gelesen werden. Man könne daher 
sehr im Zweifel sein, ob die Existenz einer Volksbibliothek sich 
mit der öffentlichen Gesundheitspflege in Einklang bringen lasse.“ 
Wenn man streng objektiv, d. h. mit der Brille der Wissenschaft 
die Frage betrachtet, so ist allerdings, wie oben auseinander¬ 
gesetzt, ein gewisser sanitärer Gegensatz zwischen beiden Fak- 


*) Kister und Tr aut mann: Gcsandheitsingcnicar; 1906, Bd. 29, Nr. 6. 



504 Dr. Hillenberg: Ueber die Bedeutung der Schul-, Leih* und 

toren nicht zn erkennen; nur darf man dabei nicht vergessen, daß 
unter diesem Gesichtspunkt sehr viele nicht beachtete hygienische 
Gegensätze im Leben existieren, und daß die Furcht vor Bazillen 
niemals so weit gehen darf, daß wir uns bei all unserm Tun erst 
fragen: laufe ich hierbei auch Gefahr, mich mit diesem oder 
jenem Bacillus zn infizieren? Immerhin dürfte es sich empfehlen, 
auch unter ländlichen Verhältnissen dieser Frage seine Aufmerk¬ 
samkeit nicht zu versagen, zumal es gerade hier angängig ist, 
mit einer gewissen nützlichen Prophylaxe der durch Volks¬ 
bibliotheksbücher drohenden Infektionsgefahr vorznbeugen. Mit 
neuen Desinfektionsanordnungen, die schon an und für sich auf 
dem Lande nicht immer sehr beliebt sind, darf man meines 
Erachtens jedoch nicht kommen, zumal sie sich hier ja auch für 
die genannten Zwecke gar nicht praktisch durchführen ließen. Auch 
von belehrenden Plakaten u. ä. ist wohl nicht viel zu erwarten. 
Dagegen möchte ich folgende einfache Maßnahmen empfehlen, die 
ich in meinem Kreise dem Landrat sowohl für Schüler-, wie für 
Volksbibliotheken vorgeschlagen habe und die wenigstens bis zu 
einem gewissen Grade prophylaktisch wirken können: 

1. Vor Abgabe eines Buches ist von dem Verwalter der 
Bibliothek durch eingehendes Befragen festzustellen, ob z. Zt in 
der betrefienden Familie eine ansteckende Krankheit herrscht; 
bejahenden Falles hat die Abgabe zu unterbleiben. 

2. Es ist bei der Abgabe jedes Mal ausdrücklich duauf 
hinzuweisen, daß bei Ausbruch einer ansteckenden £[rankheit in 
der Familie das Buch umgehend der Bibliothek zurttckzuliefem ist. 

Um diese Forderungen den Entleihern wiederholt vor Augen 
zu führen, empfiehlt es sich, vorn in jedes Buch einen gedruckten 
Zettel einzukleben, der nachstehendes enthält: 

1) Dieses Bach darf von einem an einer fieberhaften ansteckendes 
Krankheit (Scharlach, Diphtherie, Pocken, Masern, Böteln, T^hos) Erkrankten 
oder kürzlich erkrankt Gewesenen, sowie yon dessen Pflegerin nicht benntst 
werden; bei Aasbrach einer der genannten Krankheiten in der Familie ist 
dasselbe vielmehr sofort der Bibliothek znrückzaliefern. Zawider- 
handelnde haben die Kosten der Neabescbaffang za tragen. 

2) Der Leser wolle aas gcsondheitlichen Gründen strengstens vermeiden, 
zum Umwenden der Blätter die Finger mit Speichel anzofeuchten, desgleichen 
hei Hastenreiz in das Bach hineinzahusten, sondern sich stets abwenden and 
womöglich ein Tach vor den Mund halten. 

Bei strikter Durchführung dieser leicht zu handbabenden 
Maßnahmen wird es möglich sein, jedenfalls durch Schüler- 
bibliotheken, aber auch durch die einer behördlichen Kontrolle 
unterstehenden ländlichen Volksbibliotheken die Verbreitung an¬ 
steckender Krankheiten zu verhüten. Bei Schul- und Ortsbe¬ 
sichtigungen könnten auch die Kreisärzte dieser Angelegenheit ihr 
Interesse schenken und durch Rücksprache mit Lehrern und 
Geistlichen auf die Nützlichkeit der Befolgung der genannten 
Vorschläge hinweisen. 

Es kann im Anschluß an obige Ausführungen noch die 
Frage aufgeworfen werden, was etwa mit den Schulbüchern und 
Heften von Kindern, die wegen einer Infektionskrankheit die 
Schule haben versäumen müssen, zu geschehen habe, die ja auch 



Volksbibllothekeii binsichtL der üebeitiagiuig ansteckender Krankbeiten. 60b 

n. ü. einmal mit den betreffenden Krankheitserregern infiziert 
sein können. Benda*) hat ffir diese eine Desinfektion vorge- 
schlageu. Ich möchte annebmen, daß eine solche Forderung stets 
nur auf dem Papier stehen bleibt und in Wirklichkeit nie ans- 
geführt wird, also mindestens nutzlos ist. Die Gefahr einer Weiter- 
verbreitung der betr. Krankheit auf diesem Wege erscheint mir 
zudem minimal zu sein. Höchstens wäre zu verlangen, daß die 
Hefte und BQcher einen neuen reinen Umschlag erhielten, der 
jedoch auf dem Lande unter ärmlichen Verhältnissen manchmal 
ebenso schwierig zu beschaffen sein dürfte, wie das Reinigen 
bezw. Desinfizieren der Wäsche und Kleidung. 

Um die Beachtung der besprochenen Frage wenigstens den 
Sehnlen ans Herz zu legen, empfiehlt es sich vielleicht, als Schlu߬ 
satz des § 2 des Eingangs zitierten Erlasses anzuffigen: Schlie߬ 
lich ist beim Verleihen von Büchern ans den Schulbibliotheken 
in geeigneter Weise darauf Bedacht zu nehmen, daß sich Bücher 
nicht in Familien befinden, in denen eine übertragbare Krankheit 
ausgebrochen ist. _ 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. OeriohtUohe Medizin. 

Untersnehong ron 100 Leichen ln Nnbien srn römischer Zelt hinge* 
rlchteter Personen. (The ezaminatlon of the bodles of 100 loe men execnted 
ln Nnbla Inroman tlmes). Von Wood Jones. The British medical 
Joomal; 1908, 28. März. 

Keine Grabfunde eignen sich für die vorliegenden Studien besser als die 
Gr&ber in der Nähe des ersten Nilkataraktes, der Grenze des alten Aegyptens. 
Die in Bede stehenden Untersuchungen betreffen Leichen, welche in den Gräben 
einer alten römischen Festung auf dem östlichen Uler des Nils gefunden 
wurden. Ein Grab enthielt 60, ein anderes 42 Kadaver in grober Leinwand 
gehüllt. Alle Leichen schienen gleichzeitig beerdigt zu sein. Die Stricke, 
welche Arme und Beine umschnürten, waren vor der Beerdigung nicht gelöst 
worden. In einem Falie wurde sogar die Halsschnur in situ um den Hals 
liegend gefunden, ln vielen anderen Fällen lagen festgeknOpfte Schlingen 
um den Hals. Von großem Interesse ist eine charakteristische Scbädelver* 
letzung, die durch den Strang, durch welchen die meisten anscheinend den Tod 
gefunden hatten, während des Erhängungsaktes ziemlich regelmäßig bewirkt 
worden war. Die Halswirbelsäule war ln allen Fällen unverletzt. Die Schädel* 
Verletzung bestand in einer Lockerung bestimmter sagittal verlaufender Nähte, 
die zur Folge hatte, daß ein Teil der Schädelkapscl, bestehend aus Hinter- 
huuptknochen und dem einen Schläfenbein, klaffte und von dem übrigen Teil 
des Schädels abrttckte. ln den meisten Fällen lief der Sprung von rechts 
hinten nach links vorn, in wenigen Fällen von links hinten nach rechts vorn. 
Die Schädelsprengung erklärt sich aus dem Mechanismus der Hinrichtnngs* 
Prozedur. Die Ursache für den abweichenden Bichtungsverlanf der Basis¬ 
fraktur war vermutlich die verschiedene Lage des Strickes. Der Knoten lag 
in der Regel auf der rechten Halsseite, in wenigen Fällen aber auf der linken. 
Die Schädelbasis aller Erhängten trog als Zeichen vitaler Entstehung der 
Verletzung eine ausgedehnte rötliche Knochenverfärbung. Der Basisbrnch 
wird wegen seiner versteckten Lage leicht übersehen. Der Arbeit sind eine 
Anzahl instruktiver Photogramme (auch anderer Knochenverletzungen) bei¬ 
gegeben. Dr. Bevonstorf-Hamburg. 


*) Zur Frage der Desinfektion entliehener Bücher. Zeitschrift f. Schul* 
gesundheitspflege; 1904, Nr. 2 n. 8. 



50C 


Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitschriften. 


Blntspuren rltaler Entstehung avf Knochen. (The post-mortem staining 
o( hone prodnced by antemortem shcdding of blood.) Von Wood Jones. 
The British medical Jonrnal; 1908, 28. März. 

Dr. Eliiot Smith, der im Jahre 1905 die Mnmien des Hnsenms in Kairo 
nntersnchte, entdeckte an der Leiche Bamscs V. eine Schädelverletznng, in 
deren Umgebnng der Knochen yerfärbt war. Wenngleich Blntreaktionen nicht 
zn erhalten waren — der längste Zcitranm, während dessen Blntspnien dorch 
die bekannten Reaktionen identifiziert werden können, sind etwa 250 Jahre — 
blieb doch kein Zweifel, daß die Verfärbung yon Blnt herrührte. Wood Jones 
batte später Gelegenheit mehrere Tansend Leichen zn nntersnehen, die aas 
den Gräbern Nnbiens stammten and yielfach Wanden anfwiesen, die offenbar 
den Tod der Verletzten herbeigeführt hatten. Wenige dieser Verletznngen 
schienen yon Unfällen herzarühren; die meisten wiesen auf gewaltsame Tötung 
durch ZertTÜDimernng des Schädels oder Erhängen. Die prämortaie Entstebnng 
ließ sich teils aus der Beobachtung entnehmen, daß in den Gräbern yon Per¬ 
sonen, die gewaltsam ums Leben gekommen waren, Schmackgegenstände fehlten, 
teils daraas, daß Haare, Knochcnstttckc und Gehirnmasse in Form fest anein¬ 
ander haftender Ballen innerhalb der Schädelhöble sich yorfanden. ln einem 
Falle ergab sieb, daß die Knochenfragmente durch das Balsamicrungsmittel 
wieder in ihre Lage gebracht waren. Bei yielen der yorgefundenen Ver¬ 
letzungen, insbesondere der Schädelbröche fanden sich nun ansgedehnte rötliche 
^ochenyerfärbungen. Trotz ihres hohen Alters — Verfasser schätzt den yer- 
flossenen Zeitraum in einigen Fallen auf über 5000 Jahre — hoben sich die 
Flecken sehr lebhaft yon der Färbung der übrigen Knochenoberfläche ab. 
Bei den post mortem entstandenen Verletzungen fehlte die rötliche Färbung 
der Nachbarknochenfläche. Dr. Reyenstorf -Hamburg. 


üeber den Nachweis yon Kohlenoxyd im Blute. Von 0. Schümm. 
Medizinische Klinik; 1908, Nr, 23. 

Verfasser hat genauere Versuche mit dem spektroskopisch - chemischen 
Nachweis yon Kohlenoxyd im Blute angestellt und ferner die neuere chemische 
yon Horoszkiewiez und Marx empfohlene Methode einer Prüfung unter¬ 
zogen. Er ist der Ansicht, daß die spektroskopische Untcrsuchungsmethode 
yielfach nicht richtig gehandhabt wird und deshalb auch keine gute Resultate 
gibt. Bei seinen auf das sorgfältigste angestelltcn Versuchen bediente er sich 
8 yerschiedener Spektroskope und fand, daß die Empfiadlichkeitsgrenze dieser 
Probe, die Kurpjuweit bei 15,75 “/o angibt, bei einem Gehalt yon IO*/« 
Kohlenoxydblut liegt. Die beste der chemischen Proben, die Tanninprobe, hat 
eine Empfindlichkeitsgrenzo yon 5—10°/o. Bei der yon Horoszkiewitz 
and Marx empfohlenen neueren chemischen Probe‘) bat er kein befriedigendes 
Resultat erzielen können. 

Auf Grund seiner Untersuchungen kommt er zu dem Resultat: 

1. Die neue, von Horoszkiewiez und Marx empfohlene Farbprobe 
zum Nachweis yon Kohlenoxyd im Blute übertrifft die spektroskopisch-chemische 
Probe weder an Sicherheit noch an Empfindlichkeit. 

2. Die spektroskopisch-chemische Probe zum Nachweis yon Kohlenoxyd 
im Bluto gelingt bei kunstgerechter Handhabung, wenn man gutes Schwetel- 
ammonium anwendet, noch bei einem Verhältnis yon 1 Teil kohlenoxydge- 
sättigten Blutes und 9 Teilen kohlenoxydfreien Blutes. Bei einem Gehalt 
unter 10**/o wird sie unsicher. 

3. Da die empfindlichste der gebräuchlicheren wie chemischen Proben 
nach den Angaben yerschiedener Autoren ihre Empfindlichkeitsgrenze zwischen 
5 und 10**/« hat, so wird die spektroskopisch-chemische Probe auch yon dieser 
an Empfindlichkeit nicht wesentlich übertroffen. 

4. Die spektroskopisch-chemische Probe hat den Vorzug, daß zu ihrer 
Auslührung nur wenige Tropfen Blut erforderlich sind. 

Aus den aasgeführten Gründen muß sie als eine der besten bezeichnet 
werden. Rpd. 


*) Mischung mit einer 8®/oigcn Lösung yon Chin. hydrochl. im Ver¬ 
hältnis 2 : 4; Erhitzen bis zum einmaligen Aufkochen, Zusatz von 2—3 Tropfen 
ganz frischen Schwefclammoniums und kräftiges UmscbUtteln. Es soll dann 
ein leuchtend roter Farbenton eintreten. 



Kleinere Mitteilangen nnd Referate ans Zeitschriften. 


607 


Identlt&tenachirele bei Te^iftnng (Notes on seine pelsenlng eases). 
VonBahadnr. The Indian medical Qazette; 1907, Oktober. 

Bahadnr erwähnt in dem Bericht dos Gerichtscbemikers t. Bengalen 
f&r das Jahr 1906 einen Fall von kombiniertem Mord durch Vergiftung und 
Halsschnitt. Die Leiche wurde in einen Sack gesteckt und beseitigt. Die 
Kleider des Ermordeten waren mit Blut beschmutzt, das Filarien (Filaria 
nocturna) enthielt. Der gleiche Parasit wurde in den Blutflecken entdeckt, 
die sich auf den Möbeln und der Türfüllung des Tatortes und an einem Korbe 
fanden, in dem die Leiche fortgeschafft wurde. 

Dr. Bevenstorl -Hamburg. 


Die Wirkung der Flebertplstole nnd ihre gerlchtsflritllche Bedeninng. 
Von C.A. Wolter. Inang.• Dissertation; Königsberg 1907. 

Auf Grund eigener Versuche und dem Sektionsbefunde von drei tödlich 
Terlaufenen Fällen nach Flobertpistolenschoß kommt Wolter zu folgenden 
Ergebnissen: Die Einschußöffnung ist im allgemeinen rundlich, mit unregel* 
mäßig geformtem, gekerbtem oder zerfetztem Bande. Die Einschußöffnung in 
die Scbädelknochen stellt lochförroige Durchbohrungen mit glatten Bändern 
dar. Auch kommt es bisweilen zu Sprüngen in den Scbädelknochen. Die Aus- 
schußöffnnng ist manchmal mehr zerfetzt als der Einschuß. 

Der Kontusionsring fehlt selten. Die Schwärzangpzone hat durchschnitt* 
lieh einen Durchmesser von 1,6 cm und tritt oft in konzentrischen Bingen yon 
wechselnder Intensität auf. Am äußeren Bande der inneren Schwärznngszone 
findet sich am meisten metallischer Glanz, herrührend von einem Qaecksilber* 
Spiegel. Dieser Befund beweist, daß die Zündmasse Knallquecksilber enthielt. 
Metallisches Quecksilber in Kügelchen ist nicht immer nachweisbar. Bei 20 cm 
Abstand bildet sich eine noch gerade erkennbare Schwärznngszone aus, bei 
25 cm Abstand fehlt sie. Die Schwärzung des Schnßkanals bleibt schon bei 
15 cm Abstand ans, bei 10 cm ist sie noch unter der Haut angedoutet. Die 
Zertrümmerung der Umgebung des Schnßkanals ist schon bc|) 2 cm Abstand 
gering, yon 5 cm ab fehlt sie. Bei Abstand bis zu 5 cm Entfernung können 
die Haare der Haut nnd der Kleiderstoff in der Umgebung der Einschußöffnung 
yersengt werden. 

Die Flobertpistole muß als eine Waffe angesehen werden, die durchaus 
geeignet ist, tödliche Verletzungen zu ycrursachen. Der Verkauf dieser Schu߬ 
waffe an jugendliche Personen sollte yerboten werden. 

Dr. Beyenstorf-Hamhurg. 


Uebor Rcsorzlnyerglftnng bei äusaeror Anwendung. Von Dr. Nöthen- 
Cöln. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 24. 

Verfasser beschreibt zwei Fälle, die in der Abteilung für Haut- und 
Geschlechtskrankheiten der Krankenanstalten der Stadt yorgefallen sind. Es 
bandelte sich um einen 19 jährigen Kaufmann, der wegen eines parasitären 
Ekzems aufgenommen war. Zuerst Behandlung mit Ichtbjolzinkpaate und 
dann Anwendung von 15‘*/»iger Besorzinschwefelzinksalbe. Während der Ein¬ 
reibung schon Gefühl yon Onbehagen nnd Schwindel; dann trat bald Bewußt¬ 
losigkeit auf. Der Kranke war yollkommen zyanotisch, die Haut an den 
Extremitäten eiskalt, mit Schweiß bedeckt. Die Atmung war sehr schnell 
und oberflächlich; der Puls fließend, die Papillen yöllig starr and yerengert. 
Nach Entfernung der Salbe Erholung, die aber wieder einer tiefen Betäubung 
wich, mit der der Kranke erst nach 4 Minuten erwachte. Keine Temperatur- 
Steigerungen. Der Urin enthielt reichlich Blutfarbstoff. Der Kranke fühlte 
sich in den nächsten Tagen noch unbehaglich, erholte sich aber schnell. Der 
zweite Fall betraf ein 11 Tage altes Kind, das wegen Pemphigus neonatorum 
eingeliefert war. Es wurde Abends mit einer 30°/oigen Besorzinsalbe yer- 
bunden; nachts um 2 Uhr wurde es yon der Schwester tot aufgefunden. 
Pleura und Perikard zeigten bei der Sektion dunkeigraugrünliche bis dunkel- 
bräunlicho Farbe; die Ober- und Schnittflächen der Lungen, der yergrößerten 
Milz, der Nieren, des Herzens und der Lymphdrtisen wiesen eine braunschwarze 
Färbung auf; die Blutgefäße waren mit schwarzem Cruor ängefttllt. Der 
Urin ergab yiolette Phcnolreaktion. 

Aehnliche Fälle sind an der Klinik früher noch nie beobachtet worden 



608 


Kleinere Hitteilongen and Beferate ane Zeiteohriften. 


and auch sonst beschreibt nur Kaiser eine Eesorzinintoxikation nach An- 
wendnng von 50folget Pasta. Andere Antoren haben danach entstehimde 
Schläfrigkeit and Müdigkeit beobachtet, die wohl als geringster Grand einer 
Intoxikation anzosprechen ist. Verfasser ist nicht der Ansicht, daß man dieser 
Fälle wegen aaf das Resorzin yerzicbten maß; man soll nar berflcksichtigeo, 
daß das Mittel doch nicht ganz anschädlich ist. Bpd. 


Anenwassergtoffrergiftang. (Arseniareted hydrogen poisoning.) Von 
Wiley Jones. The Jonrnal of the American medical Assosiation; 1907, Nr. 18. 

Seit der Einführang der Mac Arthar-Forest Methode zar Gold- 
gewinnang aas Erz mittels einer verdünnten Zyankalinmlösong and Wieder- 
gewinnang des gelosten Metalls aof dem Wege der Filtration darch Zinkspine, 
sind dem Verfasser aas den Minendistrikten von Portland 6 Fälle von Arsen* 
wasserstoffvergiftang (darunter zwei Todesfälle) bekannt geworden. Die 
Krankheitserscheinnngen, welche im Gegensatz za der Wiikong der Aisen- 
verbindangen recht spät aaftraten, begannen mit Schmerzen in der Nieren¬ 
gegend, Gelbsacht und Hämoglobinarie. Trotz der starken BlatkOrperchen- 
aoüOsang fehlte Dyspnoe. Der Stahl war durch reichliche Gallenbeimengong 
dunkel gefärbt. Die Veränderangen des einen obduzierten Falles bestsmden 
in akater hämorrhagischer Nephritis, akuter Milzschwellang, submokOsen 
Hämorrhagien der Magen- und Darmschleimhant. Keine nennenswerte fettige 
Degeneration. Alle serOsen üeberzttge erwiesen sich als mehr oder weniger 
ikterisch gefärbt. Der chemische Nachweis des Giftes worde nicht versagt. 
Es pflegen sich Sparen von Arsen in Urin, Leber, Niere, Galle and Blai za 
Anden. Dr. Bevenstorf-Hambarg. 


Ueber eine Terglftnng mit Kaatabaeksaft. Von M. Arnold. Inang.- 

Dissertation; Königsberg 1908. 

Ein Gastwirt hatte sich schon wiederholt mit seinen Gästen den üblen 
Scherz erlaabt, ihnen anstatt Schnaps verdünnten Kaatabaeksaft, den er von 
der Firma erhielt, um den Kaataback von Zeit za Zeit etwas anzofeuchten, 
als neuesten Magenbittern vorzusetzen. Die Personen, welche von dem Tabacks- 
schnaps genossen hatten, waren an einem akaten, allerdings leicht ver* 
laafenden Magendarmkatarrh erkrankt. Ein ca. 47 jähriger Arbeiter, dem der 
Kaatabaeksaft vorgesetzt wurde, als er in angetrunkenem Zustande das Gast¬ 
haus betrat, erkrankte mit Erbrechen and Würgen and starb kurze Zeit nach 
der Einverleibung des Giftes. Die Sektion ergab die Zeichen des chronischen 
Alkoholismas, ütat mamellonO der Magenschleimhaat, chronische Nieren- 
veränderang6a, Horzvorgrößerang, braane Pigmentierang der Herzmaskalatnr, 
Sklerose der Kranzschlagader, wässerige Darchtränkang der weichen Hirnhaut. 
Im Mageninhalt warde Nikotin in einer Menge von 0,0209 g nachgewiesen. 
Die beschlagnahmte Flüssigkeit enthielt 0,0902 <>/„ eine später gefundene Flasche 
0,0550'^/o und eine aas dem Tabacksgeschäft entnommene Probe 0,1217 */• 
Nikotin. Ein Scbnappsgläschen würde somit 0,018, 0,011 oder 0,24 g Nikotin 
enthalten haben. Es war anzanehmen, daß die Menge des genossenen Nikotins 
hinreichte, den Tod des freilich darch chronischen Alkoholmißbrauch ge¬ 
schwächten Arbeiters herbeizaführen. Der Gastwirt wurde wegen fahrlässiger 
Tötung za einer Gefängnisstrafe verurteilt. 

Dr. Bevenstorf-Hambarg. 


Tei^lftang einer dreigliedrigen Familie durch ein Irrtflmlleh ge¬ 
nommenes Belladonnalnfas. Von Dr. K a 1 m a s, Landgerichtsarzt and Polisei- 
arzt in Prag. Wiener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 6. 

Im Anschluß an den Gcnnß von Hirschzangenkrauttee (FoL ScolraendrS) 
war bei einem 18 Monate alten Kinde starke Unrabe, Bötang des Gesichts 
and der Brast, ferner Palsbeschleanigang anfgetreten. Die Eltern des Kindes 
hatten vorübergehend Ucbelkeit empfanden, die Matter außerdem Mattigkeit, 
der Vater direkte Verwirrtheit gezeigt. Beide wiesen fernerhin ad manmum 
erweiterte Papillen auf. Damit war die Diagnose Vergiftung durch ein Hj- 
driatikam gegeben. Die Untersachang des Tees ergab sowohl makroskopisch, 
als auch mikroskopisch den Befand von zerkleinerten Belladonnablättem. 

Alle drei Kranken erholten sich bald; bei der Frau, die im 6. Monat 
schwanger war, trat eine Frübgebart ein. 



Kleinere Hltteihm|^ und Befbrate nne Zefteehriftea 


500 


Der Verftoser teilt eebe Beobaehtnng mit, nm die Drogisten nnd medi- 
ainischen Anfsiehtebehdrden anf die MOgUehkeit einer irrtttmlichen Yerab- 
reichnng gefährlicher Drogen an Stelle der honte allerdings nicht mehr offi- 
ainellea, aber noch im Handrerkauf gangbaren Fol. SkolopendrU anfmerksam 
za machen. _Dr. Knrpjaweit*Berlln. 

Zastandekommen, Pathologie nnd Therapie der LangenTCrStrangen 
and ein Yorschlag zn deren Terhfltnng. Von Dr. E. Preleitner. Zeit¬ 
schrift fftr Heilkunde; 1908, Sopplementheft. 

Die Natronlange and das Aetznatron bilden eine eminente Qefahr ffir 
Kinder and Erwachsene, wie die zahlreich vorhandenen schweren Yerätzangen 
berweisen. Die Laagenessenz wird in den Haoshaltongen zam schnellen Beinigen 
Ton Wäsche, Holzfaßboden and Holzgeschirr verwendet nnd kann durch Soda 
und Seife vollwertig ersetzt werden. Für den Eonsomenten würde daher das 
Verbot des Kleinverkanfs von Aetzlangen ohne Belang sein. Da die bei ans 
gebränehUche Natronlauge ans Soda hergestellt wird, so würde das Verbot 
des Kleinverkanfs der Aetzlauge auch die Produktion, da ja dann mehr Soda 
Torkaoft wird, wirtschaftlich nicht schädigen. Dr. Wolf-Harbarg. 


Ljsolverglftnng durch üterusspülnng* Von Dr. W. Piltz, Assistent 
der Hniversitäts-Frauenklinik in Erlangen. Münchener med. Wochenschrift; 
190S, Nr. 18. 

Als wesentliche Vorzüge des seit 1889 als Desinfektionsmittel zur Ver- 
wendang gelangenden Lysols worden dem Mittel eine starke keimtötende 
Wirkung bei relativer Ungiftigkeit nachgerühmt. Die letztere Eigenschaft 
des Lysols worde wie spätere Beobachtangen zeigten, anfänglich wesentlich 
überschätzt. Die erste Lysolvergiftung mit tOtlichem Ausgang im Anschluß 
an eine intrauterine Spülung wurde von Gramer 1898 berichtet. Einen 
zweiten Fall, der ebenfalls totlich endigte, veröffentlichte Hammer 1903. ln 
diesem sosde im ersten Falle war es während der Üterusspülnng au schweren 
Kollaps gekommen und wie die Sektion ergab, zu schweren nephritischen Ver¬ 
änderungen. In dnem weiteren, von Boset mitgeteilten Falle trat nach 
einer S^/oigen Lysolspülung des Uterus bei puerperaler Sepsis eine Nephritis 
dn. Die Symptome schwanden nach Aussetzung des Mittels. Eine wdtere 
schwere durch Üterusspülnng hervorgerufene Lysolvergiftung, welche unter 
dem Bilde einer schweren hämorrhagischen Nephritis verlief, teilt Verfasser mit. 

Wie alle Kresole wirkt das Lysol stark reizend auf die Nieren ein; 
es sind daher bei den meisten der beschriebenen Fälle Nierenerschdnungen 
beobachtet worden, von einfacher Albuminurie bis zu schwerer hämorrhagischer 
Nephritis, wobd wohl eine wesentliche Bolle der Zustand der Nieren zur Zeit 
der Aufnahme des Giftes in den Körper bilden dürfte, so daß ein völlig ge¬ 
sundes Organ weniger geschädigt wird als ein mehr oder weniger krankhaft 
verändertes, wie es z. B. in der Schwangersdiaft bei vielen Frauen vorkonunt 
(Schwangerschaftsniere). 

Es wäre demnach in der Prophylaxe unsere wesentlichste Aufgabe zu 
erblicken. 

Bezüglich der Konzentration der LysollOsung gibt es schließlich doch 
eine untere Grenze, wo die stark verdünnte Lösung eine nennenswerte Desin- 
fektionskraft nicht mehr besitzt, wie es nach Schott elius bei Lysollösungen, 
die schwächer als ‘/s Prozent sind, der Fall ist. Anderseits ist noch gar nicht 
erwiesen, ob nicht auch von solchen verdünnten Lösungen soviel resorbiert 
wird, daß eine Schädigung des Körpers hervor gerufen wird. 

BaUoneller erscheint es, zur Spülung einer frisch puerperalen Uterus¬ 
höhle derartige Desinfizientien überhaupt nicht mehr zu verwenden, da sehr 
verdünnte Lysollösungen nichts nützen, stärker konzentrierte Lösungen zu 
schweren Gesundheitsschädigungen führen können und in der Begel zur Be¬ 
kämpfung von Blutungen aus der Uterusböhle und zur Entfernung gestauter 
Sekretmassen aus dem Uterus genügend abgekocbtes Wasser oder sterilisierte 
Kochsalzlösung (andi bei inflzieTten Fällen) genügen dürfte. 

_ Dr. Waibei-Kempten. 



610 


Kl«hi«r« MitteUongen and Befeiato aas Zeitsshrlftsa. 


Eta B«i.trag rar ▲«tislagie dar BlslrerftfUnf. Vm Dr. Bleyer. 
ICedisiDucbe EUnüc; 1908, Nr. 

Es bandelte sich mn einen Hann, der raerst anter der Dianoee Ilens 
in die chirurgische Klinik in Prsg eingeliefert, bei dem aber Bldrer gif trag 
festgestellt wurde. Die Anamnese ergab, daß Patient seit 10 Jahren bei der 
Bahn angestelit war und während der letzten 5 Jahre beinahe täglich bis 20 
Waggons mit Bleiplomben versehen und dieselben wieder abgenommen hatte. 
Außerdem trug er die nötigen Plomben tagsüber in sdner Bocktasche, in die 
er Öfters seine Hand steckte. Eine andere Aetiologle war nicht nachzuweisen. 

Epd. 


Zur Bleiverglftuag« (Fixation du plomb par les cestodes d’animau 
satnrnins). Von E. Brumpt. Ans dem paradtolog. Laboratorium. Comptes 
rendns de la coc. de biol.; 1903. Bd. LXIV, Nr. 19. 

Unter dem Eioflusse metallischer Substanzen färben sich bdm Menschen 
Eingeweidewürmer im Dünndarm häufig in auffälliger Weise. So kennt man 
eine Schwarzfärbnng der im menschlichen Darm gefundenen Band¬ 
würmer bei Individuen, die eine Quecksilbereinreibnng durcbgemacht habem 
eine solche durch Eisen, durch Wismuth. Für die Bleivergiftung sind 
beim Menschen solche Daten noch nicht bekannt. — Bei bleikranken Hunden 
und Katzen konnte Verfasser in Verbindung mit Maillard dagegen ähnliches 
nachweisen. Schon die Farbe der Cestoden dieser Tiere ist ein besonderes 
Schwarz. Die Würmer nehmen eben das Blei in ihren Kürzer ans dem Darm 
des Trägers auf. Das Metall wird besonders an den männUchen (Geschlechts- 
Produkten der Cestoden fixiert. Es scheint übrigens, als ob das Blei bei allen 
Lebewesen eine besondere Affinität zu den Spermatozoen habe — ein Umstand, 
der aueh beim Menschen einige dunkle Punkte der Bleivergiftung erklären 
dürfte. _ Dr, Mayer-Simmem. 


Inwiefern lisst sieh ans dem Bßntgenbilde ermitteln^ eb ein Nen- 
geberener gelebt und geatmet hnti Von Vaillant. La Semaine medicale; 
1908, Nr. 20. 

Die radiographischen Untwsuchungen Vaillants ergeben, daß es in ge¬ 
wissen Grenzen möglich ist, Termittels des Boentgenogramms zu b»> 
stimmen, ob und wie lange ein Neugeborenes gelebt hat. Ergibt die Durch¬ 
leuchtung ein massives Schattenbild ohne Detailzeichnung, so ^ anznnehmen, 
daß das Kind nicht gelebt hat. Ist nur der Magen erkennbar, d. b. lufthalt^, 
so darf geschlossen werden, daß das Kind einige Inspirationen ansgeführt hat. 
Bei einem Kinde, das geatmet hat, sind Magen und Darmscblingen lufthaltig. 
Hat das Kind einige Zeit gelebt, so lassen sich in dem Skiagramm Magen, 
Darm, Lungen, Leber und Herz differenzieren. Hat das Kind nach der GelMUt 
Nahrung zu sich genommen, so treten die Organgrenzen noch schärfer hervor. 

Dr. Bevenstorf-Hambnrg. 


Die Bedeutung der Lungenprobe. Von C. Schmoll. Ing. Diss.; 
Marburg, 1908. 

Auf Grund der zahlreichen Einwände hält Verfasser die Lungenscbwimm- 
probe, die nur ein Teil der Lungenprobe ist, relativ als unzuverlässig und 
erkennt ihr höchstens nebenher den Wert eines Beweismittels zu. Man sollte 
stets außerdem noch andere Beweise des Gelebtbabens heranzieben, s. B. die 
Magendarmprobe. In zweifelhaften Fällen ist stets die mikroskopische Unter¬ 
suchung angezeigt _ Dr. Wolf-Marburg. 


Ueber die praktische Bedeutung der Barberloseheu Spermareaktteu* 
Von Karl Fraenkel und Budolf Müller. Deutsche med. Wochenschrift; 
1908, Nr. 16. 

Die Verfasser prüften eingehend die 1905 von Barberio angegebene 
Methode des Spermanachweises mittelst gesättigter PikriruanrelOsung, wobei 
ein Niederschlag von kleinen gelben Kristallen entsteht nach. Gegenüber 
den Angaben anderer Untersncher, die die Probe als spezifisdis B^enz für 
menschliches Sperma ansehen, kamen sie zu Besnltaten, die den Wert des 



Kleinere Mlttellnngen and Befen^ ans Zelteehilftea. 


611 


Verfahrens fOr forensische Zwecke erheblich einscbr&nken. 6^ wässerigen 
Anssftgen ans Flecken versagt die Beaktion oft, selbst bei Anwendnng des 
von Barberio angegebenen Konstgriffes der Verdnnstnng, abgesehen davon, 
dafi unter diesen Umständen anch mit anderen eiweißhaltigen Stoffen Kristalle 
von dnrchauB ähnlicher Art erhalten werden. Ferner sehen die Kristalle 
gegenüber denen, welehe man bei der Florenoeschen Probe erhält, sehr 
kümmerlich ans, anch bei Anwendung der verschiedenen bisher angegebenen 
Modifikationen. TroU dieser Mängel hat das Verfahren insolem Wert, sfo 
dne ansgesproohene schnell eintretende Beaktion als beweisend für menschliches 
Sperma gelten kann; jedoch spricht negativer Ansfall nicht gegen dessen Vor- 
handensMn. Dr. Liebe trän* Hagen i. W. 


8. dürlehtliolM PayüUatrl«. 

Beitrag snr Pathologie der Zwangsbewegnngen bei serebmlen Herd« 
erkranknngen. Von W. A.Mnratow, Direktor der Landesirrenanstait im 
Qonvemement Saratow. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Nenrologie; Bd. XXIII, 
Juni 1908, Heft 6. 

1. Die choreatischen resp. athetotischen Zwangsbewegnngen sind mit 
einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von Läsionen innerhalb der 
Bindearme abhän^g. 

2. Die Existenz eines direkten sensiblen Bündels in der inneren Kapsel 
(carrefonr sensitif Charcots) muß bezweifelt werden. 

8. Die Lokalisation der choreatischen und athetotischen Zwangs« 
bewegnngen in der Binde maß verworfen werden, da weder ehi anatomischer 
Beweis für dieselbe erbracht werden kann, noch auch das klinische Bild der 
wirklich kortikalen Krämpfe irgendwelche Verwandschaft mit der Athetose 
nnd Chorea besitzt. 

Zar Erklärang der Paresen bei Läsionen des Sehhügels kann man allen« 
falls eine refiektorische Bückenwirknng aaf die Binde and die Pyramidenbahn 
nach dem Typns der retrograden Degeneration heranziehen. 

Dr. TObben«Münster. 


Znr Kenntnis dos Zeltsinnes bei der Korsakoffeohen HelstesstSrnng. 
Von Dr. Adalbert Qregor. Ans der psychiatrisch•nenrologischen Klinik des 
Qeh. Bates Prof. Dr. Pani Flechsig za Leipzig. Monatsschrift für Psychi¬ 
atrie and Nenrologie; Bd.XXIIT, Jaä 1908, H. 6. 

Bei einem Korsakoff-Patienten, welcher grobe Störungen des dnrch 
Erinnerangsvorstellnngen vermittelten Zeitbewaßtseins anfwies, worden exakte 
Zeitsinnversache angestellt nnd zam Teil an zwei pathologischen Individuen, 
die keine derartigen Störungen aafwiesen, sowie an einem normalen ladividaam 
wiederholt. Der Vergleich der Befände des Verfassers am Korsakoff-Patienten 
mH den Befanden an den erwähnten Vergleichspersonen, sowie mit den in 
Betracht kommenden Literatarangaben über Untersachangen am Normalen 
er|^b nachstehendes Besnltat: Bei der Vergleichong von leeren Intervallen 
zeigte der Patient für die nntersnchten Zeitstrecken von 1—16 Sekunden eine 
Tendenz zar Ueberschätznng der voraosgehenden Normalzeit. 

Versuche über die Vergleichung aasgefüllter und leerer Intervalle 
ergaben Fehlschätzangen, die in der Bicätang der von Menmann beim Nor¬ 
malen festgestellten Verhältnisse liegen nnd kleiner sind als die Schätsnngs« 
fehler der Vergleichspersonen des Verfassers. 

Die üntersuchang des indirekten Zeitarteils an Schätzungen von Zei^ 
strecken nach dem Maß der zam Lesen von Woitreihen verwendeten Anf- 
merksamkeitsenergie ergab zam Teil konstante Fehlschätzangen, die nach den 
Erfahrangen über die Aaffassnng ansgefüllter Intervalle zu deuten waren. 
Soweit nach den Vorliegenden Angaben ein Vergleich mit dem Normalen mög¬ 
lich Ht, überschreitet die Größe der Schätznngsfehler der Korsakoff- 
Patlenten nicht das normale Maß. Dr. Többen-Münster. 


Ueber die ünterbrlngnng gemeingefährllcber Geisteskranker. Von 
Oberarzt Dr.HönkemOller in Hildesheim. Dentsche med. Wochenschrift; 
1908, Nr. 19, 20, 21. 

Die Yon^rfe gegen die Irrenärzte wegen der relativ hänfigen Ent- 



Ö12 


Kleinere mtteiliiDgvn md Kefemte nm Zdteehriflea. 


Weichlingen yon gemeingef&hrlichen QeistesknnkMi sind grOStenteile vngereeht- 
fertigt. Die verbrecherischen Elemente bereiten den Psychiatern viel Last 
und legen ihnen eine große Verantwortang anf. Die ^esetslichen Handhaben 
gegen jene sind nngoeignet. Der preußische Hinisterial« Erlaß vom 15. Juni 
1901 ist nur ein Notbehelf. Vor allem aber machen die anf Gmnd des § 51 
des Str. O. B. exknlpierten Bechtsbrecher Schwierigkeit. Besonders in den An« 
staken, welche das Material der großen Städte anfnehmen, hänfen sich die 
„geisteskranken Verbrecherund „verbrecherischen Geisteskranken* enorm an. 
Die zurzeit viel diskntierte Frage ist die, ob solche Elemente in die Irren¬ 
anstalt gehören. Hier stören sie den psychiatrischen Betrieb zweifellos oft 
erheblich. Anderseits haben Zentralanstalten für die psychisch kranken Ver¬ 
brecher wieder große Schattenseiten, wie denn auch die Erfahrnngen mit 
solchen Sonderanstalten in Amerika wenig ermutigend zu sein scheinen, ln 
Deutschland hat man jetzt vielfach feste Abteilungen in den Irrenanstalten 
eingerichtet; auch sie sind keine ideale Einrichtung (teurer Betrieb, schlechter 
Einfluß auf das Wartepersonal, häufige Komplotte und Ausbrüche). Das Ideal 
sieht M. in psychiatrischen Adnexen an Strafanstalten, die aber nicht wie jetzt 
nur bis zu 6 Monaten aufnehmen dürften. Mit ihrer Einrichtung zu längerem 
Aufenthalt würde auch die Ungerechtigkeit beseitigt, daß die in Irrenanstaltem 
verbrachte Zeit nicht auf die Strafzeit angerechnet wird. Sie müßten so be¬ 
schaffen sein, daß die Kranken zweckmäßig verteilt und beschäftigt werden 
könnten; ihre Zahl müßte beträchtlich vermehrt werden. Wie immer auch 
die Anstalten für die verbrecherischen Irren beschaffen sein mögen, so müssen 
sie jedenfalls die Forderung erfüllen, die Allgemeinheit vor jenen zu schützen. 
Anderseits maß durch immer weitergehende Heranziehung psychiatrisch durch¬ 
gebildeter Aerzte dafür gesorgt werden, daß die Geisteskrankheit Krimineller 
möglichst bald erkannt wird, und diese dann einer Anstalt angeführt werden. 
Besonders brennend ist die Frage der Versorgung der „Minderwertigen*, für 
die Anstalten geschaffen werden sollten, wo sie in nntzbringender .^beit ein 
ruhiges, die Allgemeinheit nicht bedrohendes Leben führen könnten (z. B. in 
Ackerbankolonien). Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Bericht über den I?. psychiatrischen Fortbildungskars in Ucht- 
springe. Ton Kreisarzt Dr. Friedel-Werni^gerode. 

In äußerst anregender, alle Teilnehmer voll befriedigender Form verlief 
der diesjährige vierte vom 4.—16. Mai abgehaltene psychiatrische Fortbildungs¬ 
kurs in Uchtspringe. Den Höhepunkt der Darbietu^en bildeten die täglich 
2— 3 Stunden einnehmenden klinischen Vorträge und Krankenvorstellungen des 
Direktors der Anstalt, Prof. Alt. Bei dem überreichen Material der Anstalt — 
zurzeit befinden sich hier 1400 Kranke, von denen etwa 120 zur Vorstellung 
gelangten — war es möglich, jede Form geistiger Erkrankung in jedem 
Stadium zur Anschauung zu bekommen. Frische eben eingelieferte Psychosen 
wechselten in der Vorführung mit den auf der Höhe der Krankheit befindlichen, 
um schließlich in abklingenden, der Gesundung oder Verblödung zustrebenden 
Formen den Teilnehmern am Kursus in wenigen Stunden ein eindmcksvoUes 
Bild vom Verlauf wohl aller charakteristischen geistigen Erkrankungen zu 
bieten. Ganz besonders fesselnd verstand Prof. A 11 die Vorführung und Be¬ 
sprechung der zahlreichen wegen Straftaten der Anstalt zur Feststellung des 
Geisteszustandes im Sinne des § 51 des St. G. B. zugeführten Personen zu ge¬ 
stalten. Den hohen Wert exakter Stoffwechseluntersuchnngen zeigten daige 
vorzüglich beeinflußte Fälle von Morb. Basedow. Staunen erregten die bei 
Kretinismus erreichten Erfolge n. s. m. Gleich interessant und lehrreich waren 
die Darbietungen in ihrer Mannigfaltigkeit für den praktischen Arzt, den 
Nervenspezialisten, den Militärarzt und vor allem den Kreis- und Gerichtsaist. 

Die frei bleibenden Stunden füllten praktische Arbeiten im chemische 
Laboratorium über Stoffwechseluntersuchungen, Vorlesungen über denselben 
Gegenstand und über Anatomie des Zentralnervensystems, Teilnahme an den 
Visiten anf den ausgedehnten, nach modern hygienischen Grundsätzen ein¬ 
gerichteten Krankonstationen, Besuche der Kranken bei ihrer Beschäftigung 
in den einzelnen Werkstätten (Schuhmacherei, Korbflechterei, Bttrstenfabrikation, 
Malerei, Küche, Feldarbeit usw.), Besuche der schwachsinnigen Kinder beim 
Schulunterricht, Vorführung der vorzüglichen B^ntgeneinririitung und dergL 



Kleinere Mttteilnngen and Referate ans Zeiteohriften. 


513 


Zar InfonnatioB über die Handbabong der FamUienpflege, in der 840 
Kraake der Anstalt antergebracht aind, waide das nahe gelegene Oardeiegen 
beaneht 

Auch für Biholnng nach der anstrengenden Tätigkeit war gut gesorgt, 
so dafi jeder der 2 6 T eilnehmer mit der Uelmrsengang von üchtspringe schied, 
sein Wissen erheblich erweitert nnd bereichert and sich dabm gut erholt 
vsa haben. 


O. SmehventAi&dli^Bt&tlgkelt ia Unfall' und InwaUdltAtmaohen. 

Basedowsehe Krankheit], Akromegalie, Epilepsie and Unfall. Von 
Dr. Kart Mendel. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Neurologie; Sd. XXIU, 
Juni 19Ö8, Heft 6. 

a. Aal der Orandlage einer neoropathischen Disposition vermag ein 
Unfall die ersten Symptome der Basedowschen Krankheit anszolösen. Ein 
bis dahin anscheinend gesandes, völlig arbeitsfähiges, doch nenropathiach ver* 
anlagtes Individaam kann im Anschlaß an einen Unfall durch die subjektiven 
Basedow-Symptome derartig belästigt worden, daß seine Arbeitsfähigkeit 
darunter im hohen Maße leidet. 

b. Betrachtet man die Akromegalie als Ausdruck eines Hypo¬ 
physistumors, so kann für den Zusammenhang des letzteren mit einem Unfall 
das unter „Hirntumor und Trauma" Aasgeführte Anwendung finden. 

c. 1. Eine „toxische" oder „infektiöse" Epilepsie (Alkohol-, Syphilis- 
usw. Epilepsie) kann durch ein Trauma und im Anschlaß an dasselbe zum 
Ausbruch kommen. 

2. Nach Verletzung peripherischer Nerven kommt es zuweilen zu epilep¬ 
tischen Anfällen; letztere sind aber von der genuinen Epilepsie au trennen 
und als „Reflex-Epilepsie" zu bezeichnen. Zur Erklärung des Auftretens dieser 
Reflex-Epilepsie erscheint die Annahme einer bestimmten Prädisposition des 
Individuums zur Erkrankung berechtigt. Die Reflex-Epilepsie kann späterhin 
in eine genuine Epilepsie übergehen. 

8. Ein Trauma kann Hystero-Epilepsie hervorrufen und anslOsen. 

4. In der Aetiolog;ie der genuinen Epilepsie spielt das Trauma eine 
gewisse Bolle. Zumeist wirken allerdings neben dem Trauma noch andere 
Momente, insbesondere hereditäre Belastung, Alkohol, Bleivergiftung usw. mit, 
um die Epilepsie zu erzeugen. In diesen Fällen ist anzunehmen, daß das 
Trauma lediglich deshalb die Epilepsie hervorzurufen imstande war, weil es 
ein bereits geschädigtes invalides Gehirn traf; oder aber das Trauma kann 
vmgdcehrt me Disposition zur Epilepsie schaffen, eine „epileptische Verände¬ 
rung* oder „Spasmophilie" des Gehirns erzeugen, welche alsdann bei Hinzu- 
treten neuer schädigender Momente zur Explosion führt. 

Es gibt nun aber auch Fälle, in denen das Trauma als alleinige 
Ursache des Leidens dasteht. In diesen Ausnahmefällen kann sehr wohl das 
Trauma an sich durch das Zwischenglied einer chronischen Meningitis oder 
eines anderen, das Gehirn treffenden und seine Reizbarkeit dauernd steigernden 
Reizes die Epilepsie hervorgernfen haben; für die übrigen, lediglich traumati- 
sdien Fälle, wo dieses organische Zwischenglied fehlt, ist die Annahme einer 
gewissen angeborenen abnormen Veranlagung des Gehirns ein Postnlat, ohne 
w^hes wir vorläufig noch nicht auskommen und dessen wir zur Erklärung 
des überaus seltenen Vorkommens von Fällen rein traumatischer Epilepsie im 
Vergleiche zu der Häufigkeit der Schädelverletzungen bedürfen. 

5. Bei schon bestehender Epilepsie kann ein Trauma direkt einen Anfall 

ansISsen, es kann ferner die Epilepsie verschlimmern, indem es die Häufigkeit 
der Anfälle und ihre Intensität vermehrt, es kann schließlich noch bereits 
jahrelang anhaltendem Aussetzen der Anfälle ein Wiederaufflackem des Leidens 
bedingen. _ Dr. Tübben-Münster. 


Beiträge inr Hdhlenblldnng im Rflckenmark (Syringomyelie) nach 
Unfall. Von Sanitätsrat Dr. La quer in Frankfurt a. M. Aerztliche Sach¬ 
verständigen-Zeitung; 1908, Nr. 12. 

Den Vortrag liegen drei eigene Fälle zugrunde. Einmal bildete eine 
Verbrennung des Ellenbogengelenks, einmal ein Schnitt in der Baachgegend, 
einmal eine schwere Knochen- und (ielenkverlctzung den Ausgangspunkt. 



514 


Kleinere IfitteUangen md Befemte nne Zrfta^iiften. 


Die gegenwärtige wiBseneehnftiiche Anflusnng zwiidiw Trenn nnd 
Syringomyelie ist folgende: Nneh Schlesinger sind zwei GmppM sn trennent 
1. solche, bei denen des Trnama eintmt, d. h. die Mednlln spinelis ÜTe o^ 
longntn getroffen hat; 2. solche, in denen es periphere Organe getroffen hat. 
Die zentral wirkenden Verletzungen bedingen häuffg eine Haematomydie bezw-. 
Emeichnngsberde, die eine langgestreckte Form haben nnd die den Zentral* 
kaw al umschließende Vemarbangen hinterlassen. Diese Fälle sind weniger 
progredient als die anderen Fälle. Klinisch zeichnen sie sich am Anfang der 
spinalen Störung durch einmi akuten traumatischen Läbmnngsznstand aus, der 
sofort nach dem Trauma entsteht nnd sich dann teilweise znrllckbiidet. 

Die spezielle Pathogenese der sich an ein peripheres Trauma anschlieftee* 
den Fälle ist viel umstritten und noch wenig geklärt. Zwei Theorien stehen 
im Vordergrund: 

1. Aktiyierung einer seit langen Jahren vielleicht angeborenen Qlioee 
des Zentralkanals durch Entzttndungserreger. 

2. Aufsteigende Neuritis von den verletzten Stellen ans. 

Nach H. Curschmann kann man nicht annehmen, daß in dnem völlig 
gesunden, nach keiner Bichtung hin disponierten Bfidcenmark eine derartig 
exogene, wenn auch noch so schwere Schädigung das typische Bild der Oliose 
nnd Syringomyelie herbeiführen kann. Es muß für die traumatische Syringo* 
myelie ebe kongenitale Anlage, ebe Hemmungsbildung im Bückenmark vor* 
ansgesetzt werden. Schlesinger hat in der Hälfte seber Fälle Mißbildungen 
im Zentralkanal gefunden. Die objektive Möglichkeit der traumatischen ]&t> 
stehnng bezw. Auslosung eber Syringomyelie muß zugestanden werden. 

Dr.Troeger-Kempen LP. 


Seharlaeh nnd Trauma. Von Dr. Bernstein*Sensburg. Aeratliche 
Sachverständigen‘Zeitung; 1908, Nr. 12. 

Den 23 b der Literatur bekannten Fällen fügt B. einen neuen Fall 
hbzo. Für die Begutachtung ist nach B. weniger Wert auf die Inkubations* 
zeit zu legen, ab auf den Nachweb bestehender Erschebungen, die Merkmale 
des traumatischen Scharlachs seb sollen: 1. Ansgang des Scharbdiezaathenu 
von der verletzten Stelle; 2. unmittelbarer Debergang des Scharlachexanthems 
auf den übrigen EOrper; 8. Auftreten des Exanthems vor anderen Symptomen 
des Scharlachs. Dr. Troeger*Kempen LP. 


Sind sogenannte rheumntbehe Besehwerden der Sehultergelenket 
die während der Uospitalbehnndlnng wegen Dnfallverletzungen anderer 
KSrperteile entstanden sind, nach dem Belehsnnfallverslehemng^esetz sn 
entsohädigen{ Von Oberarzt Dr. Lanenstein b Hamburg. Soziale Medizm 
und Hygiene; Bd. 111, Nr. 6. 

Es handelte sich um eben 60 jährigen Mann, dem, während er saßy ein 
schwerer ebemsr Maschbenteil auf den rechten Oberschenkel gefallen war 
nnd ihm eben Bruch des Knochens etwa 12 cm unter dem großen BoUhügeL 
sowie eine klaffende Wunde rechts vom After am Gefäß verursacht hatte. 
Außerdem hatte der Verletzte eine ganz unbedeutende Hautverletzung hbter 
dem rechten Ohr. Nach ungefähr drei Wochen kbgte er über Schmerzen b 
beiden Schultern, die ab „rheumatbche Beschwerden b beiden Schultergelenken* 
in dem Krankenblatt notiert waren nnd die sich bb zu seber Entiassnng aus 
dem Krankenhaus hinzogen. Es blieben davon ebe Verstan(bnng des Ibkei 
Schnltergelenks und ebe Atrophie der ganzen Scbultermusknbtur zurück, die 
von dem Verletzten ab Folge des Unfalb angesehen wurden und deretwegea 
er ebe Entschädigung beanspruchte. Es habe sich um ebe Verrenkung g^ 
handelt, das Eisenstück hätte höchstwahrscheinlich die Schulter getroffen. Der 
Spezialarzt der Krankenkasse war b sebem Gutachten der Ansicht, daß es 
sich um eine direkte Unfallfolge handele, ebe rheumatische Affektion sei aus¬ 
geschlossen. Das Gutachten des Schiedsgerichts trat dieser Auffassung nicht 
beL Seber Ansicht nach könne der Eisenblock die linke Schulter nicht ge* 
troffen haben, sonst müsse auch der linke Oberschenkel mit b Mitleidenschaft 
gezogen seb. Dann habe der Verletzte ja Schmerzen b beiden Sdiulter. 
gelenken gehabt. Es handele sich zweifellos um Bheumatbmus. Verfasser 
mußte nun bei dem vom Verletzten ebgelegten Bekurs beim Beichsversiche- 



Kleinere Mlttettnngen and Keferate ans Zetteehriften. 


615 


rongMint ein Obergutachten abgeben. Er trat der Auffaseang des Gatachteni 
des Sehiedsgerichts bei, daß es sich hier am eine rheamatisohe Affektion handele. 
Das Eisenstflck habe die linke Schalter gar nicht getroffen. Die Haatwande 
hinter dem linken Ohr sei dadarch entstanden, daß der Verletste im Moment 
der Yerletzong mit dem Kopfe irgendwo gegengeschlagen wbe. Aaßerdem 
setai die Beschwerden erst nach 23 Tagen aafgetreten. Aber es handele sieh 
hier nm indirekte Unfalifolgen. Es sei bei der Stellang der Betten onTer- 
meadlich, daß beim Oeffhen der Loitklappen zwecks Emenerang der Loft die 
kilte, Ton aoßen eintretende Luft zan&chst aaf das Gebiet des Krankensaales 
wirke, wo der Kranke mit Kopf and Schalter liege. Hierdorch kbnne aber 
Bheumatismos heryorgerafen werden, zomal in der kälteren Jahreszeit, wo die 
Hospitäler immer geheizt seien. Vorher sei der Verletzte immer gesond ge¬ 
wesen ; es müsse deshalb der Bheamatismos als Folge der an sich hygienischen 
and notwendigen Lttftong angesehen werden, oira somit als in^ekte ün- 
fallfolge. _ Bpd. 


n. Bnkteriologi«, lafSskttonnltrnBkbaltnn onA ßffM&tUohM 

SnaltAtswennii. 

Bakteriologie, Infektionskrankheiten nnd andere Krankheiten. 

Ueber die Typknsdiagnose mit Hilfe Ton Blataossaat anf Gallenngar. 
Von Dr. Stefansky-Odessa. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 26. 

Verfasser hat Versache mit dem seinerzeit zuerst Ton Conrad! 
empfohlenen and dann von Schüfiner verbesserten Verfahren (Blataossaat 
aaf Gallenagar) gemacht; dabei hat er das Verfahren in seinem Sinne noch 
etwas vereinfacht. Das Bosaltat war ein sehr günstiges. Von 23 ontersachten 
Fällen worden in 19, d. h. 82**/o, Typhoskultaren enthalten; je frühzeitiger 
die Blatentnahme erfolgte, desto hoher war das Verhältnis der positiven 
Besaltate. Die Mehrzahl der Fälle worden in der zweiten Krankheitswoche 
nntersacht. Aaf Grand seiner üntersachnngen empfiehlt er das Verfahren. 

Bpd. 


Ein Fall von Cholangltli nnd Cholecysttsls typhosa bei einer ebre- 
niseben Bnzlllentrigerln. Von Dr. Max Schüller. Aas der 11. mediz. 

in Wien. Wiener mediz. Wochenschrift; 1908, Nr. 2. 

Die Infektion des Gallenblaseinbalts mit Typhasbakteriea während des 
Typhös ist aaßorordentlich häufig; sie ist aber, wie Dürr experimentell fest- 
steilen konnte, mit so leichten und vorübergehenden katarrhalischen Ersckei- 
nnngen verbunden, daß sie klinisch kaum zum Ausdruck kommen kann. Scl^ 
tener treten schwere Entzündungen nnd Steinbildung auf. Eine Beihe von 
Autoren hat aas cholezystitisch and cholelithiatis^ veränderten Gallenblasen 
Typhosbazillen züchten können. Dörr hat durch Experimente nachgewiesen, 
daß die Gallenblase auf dem Blutwege infiziert wird; hier können sieh 
die Typhasbakterien jahrelang ungeschwächt erhalten. Sie gelangen von der 
Gallenblase aus stets aufs Neue in den Darm, oft auch wieder ins Blut, so 
daß gleichsam eine fast ununterbrochene Kette von Typhusrezidiven entstehen 
kann. Becht häufig bilden die Bazillenträger die Ursache von Epidemien. 
Es ist daher wünschenswert, daß alle an Gallensteinkolik leidenden Patienten 
anf etwaige Typhusbazillen untersucht werden. Bei der Typhosbekämpfong 
fan Sttdwesten des Deutschen Beichs ist es bereits Frosch gelangen, in dem 
Stahl derartiger Patienten Typhusbazillen nachzuweisen. 

Der Verfasser konnte ebenfalls bei einer Patientin, die seit mehreren 
Jahren an heftigen mit Ikterus verbundenen, fieberhaften Gallensteinkoliken 
IBt, aus dem ftahl Typhusbazillen züchten. Ihr Blutserum agglatinierte 
Typhusbazillen in höherer Verdünnung. Die Frau hatte Typhus niät daroh- 
gemacht, jedoch waren in ihrer nächsten Umgebung vor einer Beihe von 
Jahren Typhnsfälle vorgekommen. 

Chiari-Straßbarg, Hirsch-Freibarg und Forster-Straßbarg haben 
auf der Naturforscberversammlung in Dresden im Jahre 1907 als einziges 
Mittel, die Kranken bakterienfrei za machen, die Cholezystektomie empfohlen. 
Dem Verfasser gelang es daroh ElektrargoUnjektionen die Patienten be¬ 
schwerdefrei za machen; ferner konnten nach den Injektionen aas dem Stahl 



516 


Kldoere IDtteilangea nnd Beferate mm Zeitaduiften. 


TjphoBbaaiUeB nicht gezüchtet weiden. Ein nbechliefiendee Urteil behüt eioh 
der Yerluser ror. (Anm. des Bel: Die BasUlenniiMcheidang bei den Be- 
zUientrigem ist mitonter eue periodisch^ so daß in gewissen Zeiten, nach 
bei idederholter Untersacbnng keine Bazillen im Stahl resp. Drin gefondew 
werden; fernerhin kommt es Tor, daß das eine mal sehr zahlreiche Bazille« 
and ^ andere mal sehr spärliche Bazillen aosgeschiede« werden, ln letzterem 
FaUe können sich die Bazillen dem Nachweis entziebee. Bei dem obenge¬ 
nannten Kranken maß daher an diese Möglichkeiten gedacht werden, zomal 
nach alle bisherigen Yersnche, die Typhosbazillen absutrttben, keia mnwand- 
freies Besoltat ergeben haben.) Dr. Karpjaweit-Berlin. 


Ueber den Nachweis ren TTphubazlllen !■ der ZerebresplnallllBi^ 
keit bei Tjphnsabdomlnalls. Von Stabsarzt Dr.A.Mieter, kommandiert 
zom hygien. Institat Halle a.S. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 19. 

Verfasser teilt eine Beobachtang mit, derzofolge onter anderem Typhas- 
bazillen nach in der Zerebrospinalflüssigkeit gefonden worden. Im Anachlaane 
hieran berichtet er noch über weitere derartige Fälle ans der Literator and 
spricht sich dahin aas, daß die darch die Qainckesche Ponktion des Bückea- 
marks gewonnene Zerebrospinalflüssigkeit in diagnostischer Hinsicht ein überaos 
wertToUes üntersachongsmaterial erhalten wird. Es ist dadarch möglich, nicht 
nor Taberkelbazillen, Meningokokken, sondern aach Typhasbazillen festzostellen, 
was in einzelnen zweifelhaften Fällen Ton großem diagnostischen and hygieni¬ 
schen Werte sein dürfte. _ Dr. Waibel-Kempten. 


Abdeminaltyphna mit rerspStetem Eintritt der AgglatfnatlonBreaktioa 
und abnorm langer Dauer der Äikterlünie« Von Charlotte Müller-Zürich. 
Medizinische Klinik; 1908 Nr. 26. 

Verfasserin behandelte einen Fall aas der medizinischen Unirersitätsklinik 
za Zürich, bei dem die Fieberperiode 82 Tap;e anhielt, die Agglatinations- 
reaktion erst nach dem 42. Ta^e aoftrat and sich noch am 64. Tage Typhas¬ 
bazillen im Blate nachweisen ließen. Der Fall rerlief unter ziemlich schweren 
Erseheinangen; es traten Darmblatnngen mit peritonitischen Erschdnangen 
aal Verfasserin ist der Ansicht, daß die 8chwere des Falles, die lange Daaer 
der Fieberperiode mit den beiden anderen Erscbeinongen eng zosammmen 
hänge; das Fieber werde eben dordi die Anwesenheit der Bazulen im Blate 
bedüis^ und sei gleichsam der klinische Aosdrack der Bakteriämie. Das lange 
Fehlen der Agglatinationsreaktion sei in der langsamen and mangelhafte 
BUdung von agglatinierenden Substanzen seitens des infizierten Organismos zu 
suchen; darin Hege die lange Danar der Bakteriämie, die ihrerseits wieder die 
lange Fieberperiode beding habe. Verfasserin zieht daraas den Schloß, 
daß frühzeitig und kräftig einsetzende Agglatinationsreaktion einen gün¬ 
stigeren und schnelleren Verlauf erwarten lasse, als verspätet einsetzende 
Agglatination. Bpd. 


Ueber das Verkommen ron Typhasbazillen Im Blnte von nicht 
typhaskranken Personen. Von Med.-Bat Prot Dr. Otto Basse. Münchner 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 21. 

Nach Beobachtungen des Verfassers, welche er im Verlaofe des letzten 
Jahres in Posen gemacht hat, kann kein Zweifel bestehen, daß die Typhas¬ 
bazillen aach bei Kranken Vorkommen, die nicht an Typhös leiden. So wurdmi 
Typhasbazillen gefunden bei 2 Fraaen, welche unter Typhosverdacht in das 
Krankenhaos eingelicfert worden, bei denen infolge des kaltarellen Nachweises 
von Typhasbazillen aas dem Blate die Diagnose »Typhös“ gesichert schien, 
bei denen die Sektion aber hinterher eine Miliartaberkiüose als Haaptkruikheit 
and Todesursache festgestellt hat. In einem dritten Falle wurde bei einer 
seit Monaten in Anstalten behandelten Schwindsüchtigen, bei der auch nicht 
der leiseste Typhosverdacht bestand and die auch wähmid der 7 Monate 
sicher nicht an Typhus gelitten hat, andauernd im Blate kreisende Typhns- 
baaillen gefunden. Ferner worden fast gleichzeitig Typhasbazillen aas dem 
Blate eines an typischer gonainer Pneamonie erkrankten Mannes gezüchti^. 
Die mitgeteilten and aasführlich beschriebenen vier Fälle haben das gemra- 



Kleinere Mitteilnngen and Befemte aas Zeitsehriften. 


517 


BUM« dnB bei 4 u eohireren Infektionekrankbeiten, aber nicht an Tjpbns 
dMominalie leidenden Kranken Tjphasbasillen im Blute enthalten und daraua 
geatlchtet worden sind. 

Dieae Fälle werden sicher nicht ▼ereinzelt bleiben. Ea ist gewiß in 
vieler Beziehung bedauerlich, daß auch der Nachweis der Typhusbazillen im 
Kute diese zunächst untrttglich erscheinende Methode zur Feststellung der 
Diagnose die auf sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt, sondern sich auch 
wie schon viele andere ab unzuverlässig erweist und gerade in schwierigen 
Fällen im Stiche läßt, bezw. an Fehldiaraosen Veranlassung gibt. Sowohl der 
Kliniker, der behandeinde Arzt am Krankenbette, ab auch ganz besonders der 
zur Seuchenbekämpfung in erster Linie berufene Amtsarzt wird künftighin, 
wenn er anders vor vielieicbt folgenschweren Irrtümern bewahrt bleiben will, 
damit redmen müssen, daß bei bestehendem selbst dringendem Typhusverdacht 
der Nachweb von T^husbazillen im Blute keine sichere Gewähr dafür bietet, 
daß tatsäcUich ein Fall von Typhus abdominalb vorliegt. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 

Ueber Mlachlnfektlonen bei Typhus nbdeminnlis. Von Dr. F. Port- 
Oöttiagtt. Deutsche Med. Wochenschrift; 1908, Nr. 18. 

P. stellt zunächst aus der Literatur die mit anderen Infektionen kompli- 
aieiten Typhnsfälle zusammen Während hiernach Mbchinfektionen Verhältnis» 
mäßig sdten zu sein scheinen, konnte Verfasser im Stadtkrankenhause su 
Chemnitz unter 6 tödlich verlaufenen von 33 Typhusfällen 4 ab Mbchinfektionen 
durch Blutkultur erweben. Er glaubt, daß bei größerer Aufmerksamkeit auf 
die vorliegende Frage, die nicht nur wbsenschiStliches, sondern wegen der 
zumebt scbiechten Prognose der komplizierten Fälle auch praktbches Interesse 
beansprucht, noch häuffger Mbchinfektionen werden eruiert werden. Wegen 
der bakteriziden Wirkung der Galle auf Diplococcus lanceolatus und Strepto* 
eoccus mucosus hält er neben dem Anreicherungs-Verfahren noch Conradi- 
Kaiser-Kultur auf Agarblutpbtten (nach Schottmüller) oder Anreiche¬ 
rung in Bouillon (nach Castellani) für notwendig, ln den vier Fällen 
Ports fanden sich neben TyphnsbazUlon je einmal Diplokokken bezw. Coli- 
bnsUlen, zweimal Stapbylococ^ pyogenes aureus 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Zur Hetntyphusfrage. Von Stabsarzt Dr. N i e t e r, früher kommandiert 
zum Hygienbchen Institut in Halle a. S. Münchener me^zin. Wochenschrift; 
1908, Nr. 17. 

Bekanntlich hat Mandelbaum eine besondere Spezies der Typhus- 
baaillea unter dem Namen Bacterium bezw. Bacillus metatyphi unterschieden. 

Verfasser hat auf Anregung seines Cbeb, des Geh. Med.-Bats Prof. 
Dr. C. Fraenkel, eine Nachprüfung der von Mandelbaum gemachten Be¬ 
obachtungen vorgenommen und faßt das Besultat seiner Untersuchungen dahin 
xoBammen, daß die gefundenen Unterschiede zwbchen Typhus- und Metatyphus- 
bazillen höchstwahrscheinlich durch eine Zersetzung des Glyzerins bedingt 
sind. Dafür spricht, daß auf gewöhnlichen Blutagarplatten gar keine Unter¬ 
schiede sich bemerkbar machen, dagegen wohl aber mit Glyzerinznsatz sehr 
deutlich zutage treten. Auch die übrigen von M. angegebenen Differenzen 
der beiden Typhusbazillenarten waren stets nur auf den mit Glyzerin ver¬ 
setzten Nährböden zu beobachten. Ob diese Unterschiede in der Zersetzung 
des Glyzerins und zu einer Trennung der Typhusbazillen im Sinne Mandel¬ 
baums berechtigen, scheint dem Verfasser vorderhand insbesondere nach dem 
Ausfall der serodiagnostischen Versuche noch nicht mit Sicherheit zu erscheinen. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Ueber eine bakteriologisch interessante Eigenschaft des Lezithins. 
Vorläufige Mitteilung von Oberstabsarzt z. D. Dr. B. Bassenge-Berlin. 
Deutsche Med. Wochenschrift; 1908, Nr. 4. 

Verfasser konstatierte bei Versuchen mit Typhus-Toxin eine bakteriolyti- 
sehe Wirkung von Lezithin-Emulsion auf TyphusbazUlen, die bei 1 prozentiger 
Emulsion intensiv, bei l^/ooiger bedeutend geringer, aber noch deutlich war. 
Es gelang aber nicht, mit diesen Emulsionen allein Tiere gegen Typhus zu 



518 Kleinen Mitteilungen nnd Befernte ans Zeitsehriften. 

immunbierea. D^egen wurde darch Abschwemmang ron 24 ständigen 
Agar-Koltoren ein znr Immonisierong ron Meerschweinchen branchbaree Toxin 
gewonnen. Weitere Versache sollen die praktische Verwendbaiheit des lieai- 
thina xor Herstellong eines TTphostoxins feststellen. 

Dr. Liebetraii-Hi^;en L W. 


Schadenenatspflleht einer Stadtgemeinde in England beim Ansbmeh 
einer Typhnsepidemie in einer Wasserheilanstalt nach Eintritt ren Ab- 
wisser ln die Wasserleitung. Pablic bealth; XXl, Nr. 2, April 1906. 

Der Prozeß, der sich vor dem englischen Hohen Gerichtshöfe *) im Januar 
1908 abspielte, dauerte 11 Tage. 

Das Wasser, auf welches die Typhnsepidemie, die im Frühjahr 1906 in 
einer Wasserheilanstalt zu MalTem auf trat, zurOcbgeführt wurde, stammte aus 
einer unbekannten Quelle der benachbarten Hügel, lief dann zu einem Brunnen 
nnd wurde ron diesem in Böhren nach dem Eigentum des Klägers geleitet. 
Der Brunnen, früher in Benutzung des Klägers und seiner Vorfahren, war ron 
der Stadtbehörde erworben worden, die dann die Versorgung der Wasser* 
heilanstalt mit diesem Wasser aufgehoben batte. Trotzdem war die Anstalt 
von 1902 bis 1905 weiter damit versorgt worden. Am 6. Hai 1905, nachdem 
19 Typhusfälle in der Anstalt aufgetreten waren, wurde der Nachweis der 
Verunreinigung des Wassers durch Schmutzwässer geliefert. Der Wassergenuft 
wurde verboten; neue Fälle treten nicht auf. 

Aus der Beweisaufnahme ergab sich, daß die Anstalt sauber, daß Bäder, 
Klosetts in gutem Zustande waren. Als Sachverständige waren Professor 
W. B. Smith, Leiter des Instituts für öffentliche Gesundheitspflege in London, 
Dr. J. Hc. Munn und Dr. Thresh, Grafschaftsmedizinalbeamter für Essex ge¬ 
laden. Sie sprachen sich über die Aetiologie des Typhus, über Wasscrinfektionen, 
die Häufigkeit von Kanalgasinfektionen, das Vorkommen von Ptomainverg^tunges 
und ihren Zusammenhang mit Typhus aus. Die Geschworenen gaben zu, daß 
der Kläger weder Besitzer der in Frage stehenden Wasserversorgung, noch zu 
ihrer Benutzung besonders ermächtigt sei, daß die Beklagten aber sich inso¬ 
fern der Nachlässigkeit schuldig gemacht hätten, als sie den Austritt 
von Abwasser ans den städtischen Böhren duldeten, daß ferner der 
Kläger nicht auch nachlässig gehandelt habe, daß schließlich die Epidemie 
bloß auf dem Austritt der Abwässer beruhte und daß der Kläger prophy¬ 
laktisch nichts dagegen habe tun können. Die Stadt wurde zu £ 7500 Schaden¬ 
ersatz verurteilt. Dr. Mayer-Simmera. 


Cholera- oder Pseudoeholeravibrionen ln den Austern nnd Hles- 
mnseheln in Konstantinopel. Von 0. Bemlinger nnd Osman Nouri In¬ 
stitut imperial de baktöriologie ä Constantinople. Comptes rendns de la soc. 
de biol.; LXIV, 1908, Nr. 12. 

Bemlinger hat bereits 1902 auf die großen Gefahren hingewiesen, 
die die am goldenen Horn und am Bosporus gesammelten Austern für die 
Typhusverbreitung zur Folge haben können. Diese Arbeit hat ihm die 
schwersten Unannehmlichkeiten zogezogon. Umgekehrt kam im Fanuar 1908 
bei dar kleinen Choleraepidemie, die in Konstantinopel herrschte, die öffent¬ 
liche Meinung dahin, zu glauben, Austern nnd Miesmuscheln seien die Träger 
der Keime. Die Autoren wurden offiziell mit der Prüfung der Frage beauf¬ 
tragt. Sie fanden: In Austern und Miesmuscheln können Keime enthalten 
sein, die den Choleravibrionen aufs nächste verwandt sind. Sie sind wahr¬ 
scheinlich die Ursache der nach dem Genuß solcher Mollusken auftretenden 
Choleradiarrhoen. Austern und Miesmuscheln wären auch gegebenenfalls vor¬ 
zügliche Träger für den Choleraerreger; daher die Gefahr ihres Genusses in 
Bpidemiezeiten. Dr. Mayer-Simmem. 


Ceber Pyozyanosebehandlnng der Diphtherie. Von Oberarzt Dr. 
Bichard Mühsam-Berlin. Deutsche Med. Wochenschrift; 1908, Nr. 6. 

Auf Grund seiner im städtischen Krankenhauso Moabit gesanunelten Er¬ 
fahrungen empfiehlt M. die zuerst von Emmerich und LOw aufgenommene 


*) VergL Zeitschrift für Medizinalbeamte; 1905, S. 609. 



Kleinere Mitteilnngen nnd Referate aue Zelteehriften. 


519 


Lokalbehaadloag der Diphtherie mit Pyozyaaose, dem in PyoeyaBetukoltniea 
eathaitenen, anä auf Diphtheiiebaniliea bskteriologieeh wirkenden Enaym, das 
V. a. Toa Zehie auch zor Anwendung bei Qenicketarrebazilientrigern empfohlen 
wird, aber nur in Verbindong mit der bewährten Diphtherieserumbehandlong. 
Dae Mittel, welohee in Dosen Ton 2 ccm häofiger in den Bachen bezw. in die 
Haae eingeaprayt wird, scheint die Anflbsong der Belage zu beschleonigen und 
ghnstig an! daa Aligemeinbefiaden za wirken. 

Dr. Liebetraa>Hagen i. W. 


Ueher Marpmanna Seharlaohaemm and aelae Aaweadnng. Von Prof. 
Monti in Wien. Allgemeine Wiener med. Zeitung; 1908, Nr. 2. 

Weifibeck fand im Blut von Scharlachrekonvaleszenten Schatzstoffe, 
die bei andern Scharlachkranken angewendet, die Infektion gtknstig beeinfluSten. 
Marpmann erhielt durch Injektionen mit Blut, mit einer Aufschwemmung 
von Hautschuppen und mit Harn von Scharlaohkranken bd Tieren eine Er¬ 
krankung, die meistens zum Tode führte. Die wenigen überlebenden Tiere 
wurden stets von heftigen Fieberanfällen befallen. Daa Serum der ge> 
Btorbenen Tiere war wiederum toxisch für andere Tiere. 

Marpmann infizierte dann mit geschwächtem Gift die Tiere, aodafi sie 
am Leben blieben und nur schwache Fieberanfälle auftraten; er steigerte, 
allmählich die Dosis. Ans dem Blut der Tiere gewann er dann ein Serum, 
daa zu 8—10 Tropfen in Wasser drei mal am Tage resp. zweistündlich an die 
Scharlachkranken verabreicht wird und zwar solange bis die Temperatur normal 
ist und die Kinder keine Krankheitserscbeinungen darbieten. Nebenerschei^ 
nungen, wie Hautansschläge, Verdauangsstörungen etc. treten nicht auf. Das 
Serum hält sieh bei kühler Aufbewahrung in einer braunen Flasche über 
ein Jahr. 

Im Gegensatz zu dem Moserschen Serum, welches ein Streptokokken- 
serom ist und von zahlreiohen Autoren bezüglich seiner Wirksamkeit un¬ 
günstig beurteilt wird, hat der Verfasser mit dem Marpmann-Serum in 
einer Reihe von Fällen gute Erfolge erzielt. Er wandte es bei 67 Fällen 
von Scharlach an, hiervon genasen 62 nnd 6 endigten letaL 

In 200 Beobachtungen wurde das Serum prophylaktisch angewendet; 
von diesen Personen erkrankten nur zwei an Scharlacn. 

Da die Anwendung des Serams unschädlich ist, empfiehlt der Verfasser 
das Verfahren, zumal die bisherigen Erfahrungen günstig lauten. Ein sicheres 
Urteil über den Wert des Serums ist aber, seiner Meinung nach, bei der 
geringen Zahl der Erfahrungen nicht möglich. 

Dr. Kurpjuweit-Berlin. 


Ueher eine sommerliche Jnekepldemle, bedingt durch Leptus autum- 
ualis* Von Privatdozent Dr. Frh. v. Notthaft in München. Münchener 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 16. 

Seit einigen Jahren tritt in den Vororten und an der Peripherie Münchens 
im Sommer eine besondere Krankheit auf, welche geradezu epidemisch grassiert, 
vor allem Kinder, aber auch gelegentlich Erwachsene befällt, sehr hartnäckig 
ist, außerordentlich heftiges Jacken erzeugt, der gewöhnlichen Skabiee- und 
Ekzemtherapie trotzt, in der Mehrzahl der Fälle aber im Winter und Herbst 
von selbst heilt. 

Verfasser hatte in den letzten Jahren reichlich Gelegenheit diese Krank¬ 
heit zu beobachten und fand als einheitliche Ursache die Anwesenheit eines 
kleinen Insekts, des Leptus autumnalis, einer Larve von 0,25—0,3 mm Länge, 
0,25 bis 0,2 mm Breite. Die Milbe sieht rötlich aus und einem Blutkrüstchen 
täuschend ähnlich; sie wird hauptsächlich im Juli und August, vereinzelt auch 
im Mai und Juni oder Oktober beobachtet. 

Das erste, was die Milbe auf der Haut auslöst, ist ein starkes Jacken; 
das Tier scheint in der Regel nicht lange auf dem Menschen zu bleiben und 
sieh auch nicht in der Wäsche und in den Betten zu halten. Eine Ueber- 
tragung von Person zu Person findet für gewöhnlich sicher nicht statt. Die 
Tiere wohnen in großen Mengen auf Getreidearten und anderen Gräsern, 
Stachelbeeren und Hollundersträucben, auf Leguminosen und auf der Erde 



520 


Kleinere Hitteilnngen and Befemte «ob Zeitsehiifteo. 


(oft io gansen Klampen). Prophylaktisch empfiehlt sich deshalb das Mmden 
yon Qarten and Feld, was aber aas hygienischen and somalen Grttnden on- 
darchffihrbar erscheint. Es genttgt schon meistens, wenn man die Kiader ein 
paar Tage zu Ehtase läßt. _ Dr. Waibel-Kempten. 

Ueber trlehozephalische Enteritis. Ton Dr. Gh. Oarise, Assistenz¬ 
arzt in Lyon. Allg. Wiener med. Zeitang; 1908, Nr. 17 and 18. (Le Progräs 
m6d.; 1908, Nr. 11). 

Bisher sind, wie der Verfasser angibt, nur 17 Fälle yon Trichocephalos- 
Enteritis yeröffentlicht, und zwar weil die mikroskopische Untersachang der 
Fäkalien vernachlässigt wird, oder weil die Enteritis mit der gewöhnlich yor- 
kommenden, z. B. mit der taoerkolösen Form, yerwechselt wird. Becht häafig 
treten neben den Darchfällen aach Anämie and neryOse StOmngen aaf. Am 
meisten werden Kinder yon der Erkrankung betrofien. Die Hanptsymptome 
sind: Diarrhöe, Koliken, Erbrechen and Temperatarsteigerang. Häafig findet 
man Blut in den Stttblen. Das wichtigste Kennzeichen der Diarrhoe Ist, daß 
Opium und Wismut ganz yersagen. Die Diarrhoe hat ihre Ursache in der 
Beizong der Schleimhant durch die Parasiten und in einer refiektorisch ge¬ 
steigerten Sekretion der Schleimhaut. Neben den an Intensität sehr wechseui- 
den Koliken besteht eioe gewisse Schmerzhaftigkeit des Coecams. Dieser 
Schmerz kann eine Appendicitis yortäuschen. Die Schmerzen sind wahrschein¬ 
lich durch eine peritoneale Beizung bedingt. Das Erbrechen ist scheinbar 
reflekto^ch auf die Beizung der Darmschleimhaut durch den Trichocephalas 
zorttc^uftthren. Im Erbrochenen ist oft Blut oder Qalle enthalten. Toa- 
peratorsteigerungen erfolgen bis 40” C. und halten mitanter 2 bis 8 Tage 
an; sie können auf peritonitische Beizungen, anf toxische Produkte der Para¬ 
siten oder andere Ursachen zurttckgeftthrt werden. Uitnnter treten Schwindel 
and Delirien auf. 

Die Enteritis kann Jahre lang dauern und in ihrer Intensität sehr 
schwanken; mitunter schließt sich an die Krankheit ein Typhös oder eine 
Appendicitis an. 

Die Behandlung besteht in der Anwendong yon TbymoL Durch drei 
Tage nimmt der Kraime bei nüchternem Magen in Zwischenpaosen yon einer 
Stunde je 1 g yon pulyerisiertem Thymol. Es darf nichts anderes als Wasser 
getranken werden. Alkohol, Chloroform und Aether bringen Thymol zur 
Lösung und können eine Vergiftung herbeiführen. 

Zum Schloß gibt der Verfasser eine kurze Uebersioht der bishm yer- 
öffentlichten Fälle, welche seine Ausführungen ergänzen. 

Dr. Kurpjuweit-Berlin. 

Anohylostomlasls. Von Dott. Calogero, Valenti. D. Bamazzini; 1907, 
Fasbikel 12. 

Verfasser berichtet zunächst aus seiner Beobachtung über einige Fälle 
yon Warmkrankheit, die besonders durch schwere Neryensymptome gekenn¬ 
zeichnet waren (pseudo • epileptische Krämpfe, starke Nachtschweiße, Sprach¬ 
störungen, Tic nervosum der rechten Schulter). Daß es sich in allen Fällen 
um wirkliche Folgeerscheinungen der Anchylostomiasis handelte, ging darau 
heryor, daß schon nach der ersten Qabe yon Filix mas bei allen Kranken die 
besprochenen Symptome schwanden. 

Des weiteren bemerkt Verfasser, daß die Wannkranken nach seiner 
Erfahrung höchst selten an Hämorrhagien leiden; er hat unter yielen Wurm¬ 
kranken nur drei solche Fälle beobachten können (blutiger Stuhl, Nasenblutra 
oder Purpura hämorrhagica). Auch ist die Tatsache bemerkenswert, daß die 
Kranken, sobald sie yon ihren Leiden befreit sind, schnell die alte Kraft wieder- 
orlangen; man muß hieraus schließen, daß es nicht die Anämie ist, die die 
Schwäche der Warmkranken yerursacbt, sondern die Toxine, die yon den 
Würmern aasgeschieden werden. 

Besonders hat Verfasser seine Aufmerksamkeit auf die Prädisposition 
zur Wurmkrankhoit gelenkt, die nach seiner Ansicht erworben, nicht angeboren 
ist. Die begünstigenden Momente für die Infektion sind hohe Temperatur, 
verbanden mit Feuchtigkeit, Verunreinigung der Grubenluft durch CO COi, 
H a SO 4, H a SO s und ungenügende Ernährung der Arbeiter. Alle die Personen, 



BeRpreebnngen. 


621 


die BolebeB Sch&dlichkeiten besonders ansgesetzt sind, so die Häaer, erkranken, 
wie die Beobacbtnngen ergeben, häufiger an Ancbylostomiasis als z. B. die 
Karrenzieber, welche mehr Gelegenheit haben ans Tageslicht za kommen. Auch 
ist niemals beobachtet, daß die an der Qrabenarbeit nicht beteiligten Mit¬ 
glieder der Familie eines wurmkranken Arbeiters, wiewohl die Gelegenheit zur 
Oebertragung hinreichend gegeben ist, an Ancbylostomiasis erkranken. Schlie߬ 
lich spricht ittr die aufgestellte Behauptung die Tatsache, daß manche Wurm- 
kranke, wenn sie in eine immune, hygienisch günstige andere Grube übergehen, 
Ton ihrer Krankheit befreit werden, ohne dt^ irgendeine spezifische Kur ge¬ 
braucht wurde. Der Mensch ist der Infektionsträger also nur da, wo die 
Bergwerke für die Entwicklung des Wurms geeignet sind. 

Diese Beobachtungen führen zu den prophylaktischen Maßnahmen. In 
erster Linie ist die Lüftung der Grube, in zweiter die Beseitigung des Wassers 
aus den Gruben in Betracht zu ziehen. Der niüie liegende Gedanke der Gruben¬ 
desinfektion bat trotz aller Versuche eine praktische Bedeutung nicht ge¬ 
winnen können, da wirkliche Erfolge nicht zu erzielen gewesen sind und 
höchstens eine oberflächliche Desinfektion stattfindet (am besten noch mit SOt). 
Dagegen ist die Beseitigung der Fäkalien von größter Bedeutung; dem Verfasser 
erscheint es am zwechmäßigsten, in der Grube Gräben aufzuwerfen, in die die 
Fäces abgesetzt werden, um von Zeit zu Zeit mit Aetzkalk bestreut zu werden. 
Dazu würde noch die Sorge für die Erziehung zur Beinlichkeit, Bereitstellung 
guten Trink- und Waschwassers und dergl. kommen. Als letztes, nicht ge¬ 
ringstes Mittel, kommt die Behandlung der Kranken in Betracht, die nicht 
nur eine rein ärztliche Maßnahme im Interesse der Kranken selbst, sondern 
auch eine hygienische für das Gesamtwohl ist. Um aber solche verschiedenen 
Maßnahmen zur Durchführung zu bringen und zu überwachen, sind Gesund- 
heitsinspektoren unentbehrlich. _ Dr. 8olbrig-Allenstein. 


Zur Kasuistik der Serambehandiung der Schlangenbisse. Von Dr. 
Hermann Körbel, Stadt- und Spitalarzt in Bihac. Wiener mediz. Wochen¬ 
schrift; 1908, Nr. 8. 

Von Calmette ist durch Immunisierung von Pferden mit Koldagist 
ein antitozischer Serum hergestellt, welches der Verfasser bei Bissen von 
Schlangen, die in Bosnien und Herzegowina recht häufig Vorkommen, regel¬ 
mäßig mit gutem Erfolg angewandt hat. 

Der Verfasser gibt in Kürze 7 Beobachtungen wieder, bei allen waren 
unmittelbar nach dem BIß Erbrechen, Unruhe, ausgedehnte Sugillatlonen und 
Schwellungen oberhalb der Abbindungsstelle, Blasenbildungen an den Gliedern, 
allgemeine Prostration lud Nekrosen aufgetreten. Es wurden jedes mal 
10 ccm des Calmette sehen Serums injiziert und dadurch selbst noch 
46 Stunden nach dem Biß die Giftwirkung aufgehoben. Ueble Folgen traten 
auch den Injektionen nicht auf. Das Serum wird von dem Institut Pasteur 
in Lille in kristallinischer Form geliefert und muß vor der Anwendung in 
heißem Wasser gelöst werden. Dr. Kurpjuweit-Berlin. 


Besprechungen. 

Ihr. J. Helsner- Berlin; Internationale Xlebernloht Aber Gewerbe- 
hxglene nach den Berichten der Gewerbe-Inspektionen der 
KnltnrlAnder. Nr. 1 der Bibliothek für soziale Medizin, Hygiene und 
Medizinalstatistik und die Grenzgebiete von Volkswirtschaft, Medizin und 
Technik. Herausgegeben von Dr. Lennhoff. Berlin 1907. Gr. 8", 852 S. 
Preis: 10,50 Maik. 

Verfasser hat das in den Berichten der Gewerbeinspektionen des Deut¬ 
schen Reiches, Oesterreichs, der Schweiz, Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens, 
der Niederlande und Vereinigten Staaten von Nordamerika zerstreute Material 

S Bsammelt und systematisch geordnet. Er bespricht zunächst die beobachteten 
ewerbekrankheiten, die Häufigkeit ihres Vorkommens und die dagegen ge¬ 
troffenen Schatzmaßregeln; dann die sanitären Verhältnisse der Arbeite- und 
Unterknnftsräume, ferner die Wohlfahrtseinrichtungen. Man gewinnt dadurch 



522 


BegprechangeiL 


ebien kleinen Ueberblick ttber die auf dem Oebiete der Oewerbehygiene g»> 
sammelten Erfabrnngen sowie Ober die gewerbebyglenischen Einricbtnngea 
new. in anderen Ländern, die den meisten sonst nicht zagängÜoh sind. An der 
Hand des Baches, dessen Wert als Nachschlagewerk durch ein sorgfältig 
aasgearbeitetes Sachregister erhöht ist, können wir onsere eigenen MaßnaJunmi 
kontrollieren and veroessem, and werden vielleicht auch auf Schädigongen, 
die ans vorher nicht bekannt waren, aafmerksam gemacht. Bpd. 


Prot S. Olur. NoMbaum, Hannover: Die Hygiene des Wohnongs- 
vesens. Mit 20 Abbildongen. Leipzig 1907. (i. J. Göschen sehe Verlags¬ 
handlang. Taschenformat; 104 S. Preis: geh. 0,80 M. 

Während im ersten Abschnitt die Bestrebungen, allgemeine Mängel des 
Wehnwesens za beseitigen und zweckmäßige Wohnungen zu schaffen, zn- 
sammengefaßt werden, enthalten die 4 folgenden Kapitel Verbesserungsvor- 
Schläge för die Grundplangestaltungen and den Schatz des Hauses gegen 
Feuchtigkeit, hohe und niedere Wärmegrade und Geräusch. Die beiden letzten 
Abschnitte besprechen die Innengestaltung der Wohnungen nebst ihrem Komfort, 
Lüftung, Heizung und Beleuchtung. Vornehmes, bürgerliches und bescheidenes 
Haus werden in gleicher Weise berücksichtigt, überall in Anlehnung an die 
Ansprüche der wissenschaftlichen Hygiene. 

Fach- und Privatmann, Studierende des Baufachs und der Hygiene, 
Medizinal- und Verwaltungsbeamte werden das Schriftchen mit Vorteil lesen. 

Dr. Boepke-Melsangen. 


Geh. Med.-Bat Dr. Kensgen, Kreisarzt in Siegen: Anleitung nnr Dee- 
Infektion. Für den Unterricht der Mitglieder von Sanitätskolonnen. 
Berlin 1908. Verlag von Bichard SchOtz. 

Als einen Auszug seines bekannten Leitfadens für Desinfektoren bat 
Hensgen zum Gebrauch für die als Desinfektoren auszabildenden Mitglieder 
von Sanitätskolonnen eine neae Anleitung zur Desinfektion herausgegeben, 
welche im allgemeinen Teil einen Ueberblick über die wichtigsten, Mensebea- 
pathogenen Mikroorganismen und die Art und Weise, in welcher die gebräuch¬ 
lichen Desinfektionsmittel, trockene Hitze, Wasserdampf und chemische Dee- 
infizientien wirken, und eine Anleitung zur Herstellung desinfizierender Lösungen, 
im speziellen Teil genaue Anweisungen zur Körper- und Händedesinfektion, 
sowie zur Desinfektion von Wohnräumen und Gebrauchsgegenst&nden enthält. 
Ein besonderes Kapitel ist der Formalindesinfektion gewidmet. Die knappe, 
aber doch erschöpfende Darstellung des Stoffes empfiehlt das Büchlein alz 
wertvollen Ratgeber für Lehrer und Schüler der Desinfektionsmethoden. 

Dr. Lentz-Berlin. 


Dr. Frits Kimtnln, Kreisarzt des Stadtkreises Stettin-Ost und Vorsteher 
des Königl. Medizinal-Untersuchungsamtes in Stettin: Deltfiaden für Dnn- 
Infektoren ln Frage und Antwort. Vierte vollständig luageänderte 
und vermehrte Auflage. Berlin 1908. Verlag von Julius Springer. 

Die neue Auflage des bekannten Leitfadens Kirsteins ist durch die 
Ausführungsbestimmungen vom 15. September 1906 zum preußischen Gesetz, 
betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, und die Bekanntmachung 
des Reichskanzlers, betreffend Desinfektionsanweisungen für gemeingefährliche 
Krankheiten, vom 11. April 1907 veranlaßt worden, die in ihr weitestgehende 
Berücksichtigung finden. Außerdem ist das Büchlein um ein neues Kapitel 
über die fortlaufende Desinfektion am Krankenbett erweitert worden. In einem 
Anhänge sind Anweisungen über Entnahme und Einsendung von typhus-, ruhr- 
und tuberkulöse verdächtigem Material zur bakteriologischen Untersuchung, sowie 
zur Entnahme von Wasserproben zur bakteriologischen und chemischen ünter- 
suchung enthalten. 

Im übrigen ist die altbewährte Form der Anordnung des behandelten 
Stoffes die gleiche wie in den früheren Auflagen, denen sich die vorliegende 
würdig anreiht Dr. L e n t z - Berlin. 



Beeprechnngen. 


688 


Sr. Orlowskl* Berlin: Die Bebendlong der aonorrhoe des Meanee. 
Wttrzbnrg 1908. A. Stabers Verlag, K. 8**, 112 S. Preis 2,50 AL 

Qedrftagte, kritische Darstellung der Qonorrboebehandlang nach ihren 
Grondlagen and der Aasttbang, die sich für den Praktiker am meisten empfiehlt. 

_ Dr. Boepke-lCelsnngen. 

Br. Orlowakl* Berlin: Die Gtosohleolitssolivftolie. Wttrsbarg 1908. 
A. Stabers Verlag. K. 8% 85 8. Preis 0,90 M. 

Das laienrerstindlich dargesteilte Schriftchen soll and wird, wofern es 
in die rechten Hände kommt, Aofklärang nach der Bichtang bin rerbreiten, 
daß die nnfflflcklichen Träger des Leidens nicht auf jede marktschreierische 
Beklame and jede gewissenlose Ansnatzong hineinfallen. 

_ Dr. B 0 e p k e - Helsangen. 

Vro£ Dr. L. Jnllieii, Chirurg an Saint-Lazare: Seltene and weniger 
bekennte Trlpperformen. Wien und Leipzig 1907. Verlag Ton Allred 
Holder. Gr. 8**, 84 8. Preis 2,60 AI. 

Die Ton Dr. G. Herzbach-Berlin übersetzte Schrift bietet in den 
Kapiteln über abweichende — anorektale, baocale, nasale — Tripperformen, 
Ober Gonorrhoe bei kleinen Knaben and Alädchen, über tripperähnliche Er« 
krankongen und über tötlich yerlaafende Trippererkrankongen auch für den 
Hedizinidbeamten, namentlich in seiner Eigenschaft als Gerichtsarst, manches 
Interessante und Wissenswerte. Dr. Boepke>Melaangen. 


Der Alkoholismon, sein« Wirkung und nelne BekAmpfuig. Heraus« 
gegeben rom Zentralrerband zur fiekampfang des Alkoholismos. Vierter Teil 
(neue Folge). Berlin 1908. Deatscher Verlag für Volks Wohlfahrt. 224 Seiten, 
Preis: l,w Hark. 

Die von dem Zentralyerband zur Bekämpfang des Alkobolismas seit 
einigen Jahren an der Uniyersität Berlin yeranstalteten Vorlesungen werdmi 
mit jedem Jahr zahlreicher besucht Manches der behandelten Themata dürfte 
auch für den Medizinalbeamten yon Interesse sdn. 

Der yorliegende yierte Teil enthält Ausfühmngen über die folgenden 
Themata: 

Das Schankkonzessionswesen in Preußen (Dr.y. Strauß u. Torney). 
Zur Behandlung yon Alkoholkranken (Prof. Dr. C. Moeli). Künstlerische 
Erziehung und Trinksitten (Prof. Dr. Weber). Der Alkohol als Volksgennß« 
mittel (Dr. med. et polit. St ehr). Das Alkoholkapitel (Dr. jur. Eggers). 
Alkohol in den Tropen (Dr. Pbilalethes Kuhn). Die moderne Antialkohol- 
bewegung im Lichte der Geschichte (Lia Bolfls). Die Ersetzung des Alko« 
hole durch den Sport Prof. Dr. Hoffa). Alkohol und Zurechnungsfähigkeit 
(Prof. Dr. Puppe). Wohnungsnot und Alkoholismos (Damaschke). Die 
yezschiedenen Formen der Alkoholyergiftung Dr. med. Co Ha). Schule und 
Haus im Kampfe gegen den Alkoholismus 09chayyelmann). Psychologie 
des Alkohols (ProL Dr. Kraepelin). Dr. Paul Schenk«Berlin. 


Dr. Alllred Xubats: Zur Frage einer Alkoholkonsumstatistlk. 88 S. 

München 1907. Verlag yon Ernst Beinhardt. Preis: 2 M. 

Eine nach richtigen Grundsätzen aufgestellte Alkoholkonsumstatistik 
wird nach Kubatz den Ausgangspunkt einer sozialpolitischen Behandlung 
der Alkoholfrage bilden müssen. Zu unterscheiden ist nach W1 a s s a k zwischen 
einem Not« und einem Behäbigkeits-Alkoholismos. Kubatz bringt 50 Hans« 
haltnngsbudgets aus Stadt und Land als Material zu der Entscheidung der 
Frage, in welcher Weise sich bei yeränderten wirtschaftlichen Verhältnissen 
Qualität und Quantität des genossenen Alkohols ändert. Sozialpolitik für die 
Not, direkte und indirekte Bekämpfung des Alkohols für die Behäbigkeit, ist 
die Lehre, welche Kubatz aus der iUkoholstatistik zieht. 

_ Dr. Paul Schenk«Berlia. 

Dr. Jur. Fritz Boeekel: Alkohollsmua und Recht. Jena 1908. Verlag 
yon Hermann Costenoble. 140 Seiten, 2 M. 

Der Verfasser bespricht eingehend alle Beziehungen zwischen Alkoholis« 
mnz und dem Straf« und Ziyilrecht. Seine Ausführungen gipfeln in der Forde« 



624 


Tagesnachriehten. 


rang einer Reform des geltenden Rechte hanpteächlich in den folgenden drd 
Punkten: 

1. Eriaß einer geaetalichen Bestimmnng, daß nicht nur die Trankettchtigenf 
sondern auch diejenigen Trinker, welche infolge ihrer pathologischen Ver- 
aniagang daroh Alkoholgenaß gemeingefährlich werden, zwangsweise in Trinker- 
heii* bezw. Trinkerbewahranstalten nntergebracht werden. 

2. Diejenigen alkohoiischen Straftaten, welche bisher ids unter § 61 
St. 6. B. fallend straffrei bleiben, sollen einer, allerdings geminderten Strafbar¬ 
keit unterliegen, etwa nach Maßgabe einer fahrlässigen Begehung. 

8. Die Öffentlich auftretende, Aergernis erregende Trunkenheit ist an 
bestrafen. Dr. Pam Schenk-Berlin. 


Tagesnachriehten. 

Der Staatssekretär des Innern hat dem Deutschen Apothekeryerein 
gegenüber eine Besprechung wegen der Regelung des Terhältnisses twlschen 
den Krankenkassen und den Apotheken für den Monat September in Aussicht 
«stellt. Er hat sich rorbehalten, auch die Frage der Arzneiversorgung der 
Krankenkassenmitglieder zum Gegenstände der Erörterung zu machen. 


Die Feuerbestattung In Prenssen. Die Entscheidung des Ober-Ver- 
waltungsgeiichts in dem bekannten Hagener Falle*) ist auch für die in¬ 
zwischen wieder anfgenommenen Erwägungen der Staatsregierang nach der 
Richtung bestimmend gewesen, daß für die etwaige Zulassung der faknltatiTen 
Feuerbestattung nunmehr nur noch der Weg der Gesetzgebung in Frage 
kommt. Dazu wird offiziös aasgeführt: Bei der Beschlußfassung darüber, ob 
dieser Weg zu beschreiten sei, waren die Gegengründe, welche ^ederholt zur 
Ablehnung des freisinnigen Antrages auf Z^assung der Feaerbe6tattnn|; im 
Abgeoidnetenhause geführt hatten, nach ihrem vollen Gewicht zu würdigen. 
Man wird aber wohl in der Annahme nicht fehlgehen, daß bei der sorgsamstea 
Abwägung der Gründe und Gegengründe diesen Bedenken das größere Gewicht 
doch nicht zuerkannt, vielmehr den sachlichen Gründen, welche die konservative 
Regierung und Landesvertretung des Königreichs Sachsen zur Zulassung der 
fakultativen Feuerbestattung bewogen haben, in Verbindung mit den Rück¬ 
sichten allgemeinpolitischer Natur, welche für die Erfüllung dieses liberaloi 
Wunsches sprechen, die größere Bedeutung beigemessen worden ist. Hiernach 
erscheint begründete Hoffnung zu bestehe^ daß auch in Preußen in Sachen 
der fakultativen Feuerbestattung in naher Zeit die Klinke der Gesetzgebung 
ergriffen werden wird._ 


Yerleihung medizinischer Relsestlpendien in Bajrem. Durch Be¬ 
kanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom SO. Mai d. J. werden die 
Bewerber um Verleihung medizinischer Reisestipendien aufgefordert, ihre Ge¬ 
suche bis zum 15. September d. J. bei der zuständigen Kreisregierang, Abteilung 
des Innern, einzureichen. Dem Gesuche, in dem Ziel und Zweck der Reize 
anzugeben sind, ist die ärztliche Approbation, ein Zeugnis über die Vermögcnz- 
verhUtnisse und ein Leumundszeugnis neueren Datums beizufttgen. Die Reisen 
sind bis Ende 1909 anzutreten. 


Der 8. internationale Kongress für Irrenpllege findet vom 7.—13. Oktober 
1908 in Wien statt. Der Kongreß soll sämtliche Fragen des praktischen Irren- 
wesens, nicht nur reine ärztliche, umfassen. Als Verhandlungsg^genstiade 
sind folgende in Aussicht genommen: 

1. Zusammenfassender Bericht über den gegenwärtigen Stand des Irren- 
wesens in den verschiedenen Ländern (Ref.: Oberarzt 1^. Bresler-Lublinitz). 
2. Aerztliche Irrenpflege. 8. Irrenpflege und Technik. 4. Irrenpflege und Ver¬ 
waltung (Ref.: Dr. Gor6nyi-Wien). 6. Irrenpflege und Versichernngswesea. 


*) Siehe Nr. 10 dieser Zeitschrift; S. 386. 



TagesnacbtiöhtieiL 


525 


6. Irrengesetsgebani; in den Tenobiedenen Lftadern 7. FüisoTge (ttr Idioten, 
Epileptilcer nnd geistig minderwertige (Bef.: Dr. Scbiner-Wien und Prof. 
Dr. Weygandt'Wttrzbnrg). Bericht des internationalen Komitees ttber den 
Vorschlag des Dr. Frank-Zttrich: „Qrttndnng eines internationalen Instituts 
zum Stadium nnd zur Bek&mplung der Ursachen der Geisteskrankheiten*. 
9. Irrenpflege bei den Armen. _ 


Der nehte Kirnnkenpflegekongress wird vom 6.-9. August d. J. in 
München stattflnden. Der Kongreß wird über wichtige Fragen aus dem 
Gebiete der beruflichen Krankenpflege beraten; nenbenbei wird eine Beihe 
sacbUcber Vorträge gehalten werden. 


Im September d. J. flndet in Genf der erste Internationale Kongress 
zur Bek&mpfung der Nahmngs- und Arsnefmittellfllsehnngen statt, zu der 
alle Kulturstaaten Vertreter entsenden. Deutschland wird auf dem Kongreß 
durch den Direktor im Kaiserlichen Gesundheitsamt Geh. Beg.-Bat Professor 
Dr. Kn 0 p, Geh. Beg.-Bat Prof. Dr. K 0 n i g - Münster und Prof. Dr. Juckenack- 
Berlin vertreten. 


Erkrankungen nnd TodesfUle an ansteckenden Krankheiten in 
Preussen« Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- nnd medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 14. bis 27. Juni 1908 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, Bück* 
lallfieber, Tollwut und Pest: — (—); Pocken: 6 (—), 2(1); 1 (1); Bi 6- 
yerletzungen durch tollwntverd&chtige Tiere: 4 (—), 1 (—); 
Milzbrand: 3 (—); 6 (—); Buhr: 6 (—), 5 (—); Unterleibstyphus: 
292 (8ö), 352 (35); Diphtherie: 891 (50), 1035 (50); Scharlach: 1824 
(68), 1225 (71); Genickstarre: 80 (14), 22 (11); Kindbettfieber: 74 (18), 
85 (19); Fleischyergiltung: 1 (—), 5 (—); KOrnerkrankheit (er- 
krallt): 207, 221; Tuberkulose (gestorben): 671, 557. 


MpraohsauL 

Anfrage des Kreisarstes Dr. M. in Seh. t Hat der Kreisarzt, wenn er 
auf private Aufforderung eine Untersuchung am Wohnort des Antragstellers 
zur Ausstellung eines amtsärztlichen Attestes, z. B. zum Zweck der Pen¬ 
sionierung, einer Militär - Beklamation u. dgL vomimmt, nach der Gebühren¬ 
ordnung von 1896 oder nach dem Gesetz vom 9. März 1872 bezw. 17. Sep¬ 
tember 1876 zu liquidieren P 

Antwort: Bei Ausstellang eines amtsärztlichen Zeunisses sind 
die Gebühren stets nach dem Gesetze vom 9. März 1872 zu berechnen. 


Anfragen des Kreisarztes Dr. Pf. in G.: 1. Stehen einem Medizinal¬ 
beamten Gebühren zu, wenn er als Zeuge aus Anlaß seines Amtes von dem 
an seinem Wohnsitz beflndlichen Gericht vorgeladen wird? 

2. Wenn der Kreisarzt vor Gericht ein mündliches Gutachten abgibt, 
zu dem er vorher in seiner Wohnung eine Untersuchung hat vomehen müssen 
(z. B. auf Virginität oder auf kurz vorher überstandenen Abort usw.), darf 
er dann für ^ese Untersuchung noch besonders liquidieren und auf Grund 
welcher Bestimmungen P 

Antwort sn 1: Den nicht vollbesoldeten Kreisärzten steht in 
solchem Falle nur eine Entschädigung für Zeitversänmnls bis zu 1 Mark für 
jede angefangene Stunde zu gemäß § 2 der reicbsgesetzlichen Gebührenordnung 
für Zeugen nnd Sachverständigen vom 80. November 1878; der voll- 
besoidete Kreisarzt erhält dagegen eine solche Entschädigung nicht, da er 
keinen Erwerbsverlust erleidet. 

Antwort zu 2: Ja, und zwar 1,60 Mark für jede angefangene Stunde^ 
Urteil des Beicbsgerichts vom 6. Februar 1893 und Min.-Erlaß vom 12. Mai 
bezw. 7. Juni 1898 (siehe Anm. 5 auf S. 17 des Beiheftes zum Kalender für 
Medizinalbeamte). 



52« 


Tagesordnung der XXV. HauptTersammlung zur Feier 


Preu88i8Cher Medizinalbeamtenverein. 

XXY. HanptversammluDg 

zur Feier des 25jälirigen Vereins-Jubiläums 

am Dienstag und Mittwoch, den 29. und 30. September 


Im Preansinclien Abgeordnetenhauee. 

Xagesorclnu ng. 

Montag, den 28. September: 

8 XJliT abends: Qeselllge Vereinigung zur BegrQssung (mit Damen) 

im Bestaurationsraume des Prenssisclien Abgeordnetenhauses. 

Dienstag, den 20. September: 

10 Ubr Tormittags: Fest-Sitzung im Festeaale des Preusslsohen 
Abgeordnetenhauses') (Prinz Albrechtstraße). 

1. Eröffnung der Yersanunlnng und Begrflssnng. Ueberwelsnng des 
Stlftuogsfonds. 

2. Gesehärts- und Kassenberleht; Wahl der Kassenrerlsoren. 

a. Ueber die hygienische Kontrolle der zentralen Wasserleitungen. 
Beferent: H. Qeh. Med.-Bat Prof. Dr. Flügge, Dir^tor des 
hygienischen üniversitätsinstituts in Breslau. 

4. YorlSuflger Entwurf des Reichsgesetzes, betreffend die Ans« 
flbung der Heilhnnde durch nicht approbierte Personen und den 
Geheimmittelrerkehr. Beferent: H.Beg.- n.Med.'BatDr.Dütschke 
in Erfurt. 

6 Ubr naobmittags: Festessen mit Damen im Hotel „Prinz Albrecht“ 
(Prinz Albrechtstraße). 

9 Ubr abends: Qeselllge Vereinigung2) 

Dienstag, den 80. September: 

O'/a Ubr TOrxnlttags: Zweite Sitzung. 

1. Der gegenwärtige Stand nnd Wert der Kriminalnnthropologie. 
(Mit Demonstrationen). Beferent: H. Qerichtsarzt nnd Privatdozent 
Dr. Strauch in Berlin. 

2. Die Psychologie der Anssage. Beferent: H. Prot Dr. Lochte, 
Direktor des gerichtsärztlichen Instituts und Kreisarzt in Göttiagen. 

8. Torstandswahl; Bericht der KaBsenrerlsoren. 

4. Mediainalbeamter und ärztliche Priratpraxls. Beferent: H. Kreis¬ 
arzt Dr. Gutknecht in Beigard. 

Naob Soblnsa der Sitsong: Oemelnsohaftliohes Essen mit Damen 
im Zoologischen Garten.*) 

Abends: Beeuoh der Königlichen Theater; nach Schluß: Qeselllge 
Vereinigung. 

Die Versammlung des Deutschen HedlzinalbeamtenTerelns fällt mit 

Biicksicht auf diese Versammlung, zu der alle Mitglieder des Deutschen 

Medizinalbeamtenyeieins wie deren Damen freundlichst eingeladen 

sind, aus. 

Um recht zahlreiche Teilnahme wird gebeten. 

Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins. 

Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender. 

Keg.« und Ge.b Med.-Rat in Minden. 

*) Anzug für Festsitzung nnd Festessen: Frack und weiße Binde. 

2) Das Nähere wird am Sitzungstage bekannt gegeben werden. 



des 25j&hrigeii VereiS'Jabil&ums des Freuß. Medizinalbeamteii-Vereins. 527 

Preussischer Medizinalbeamtenverein. 

Festschrift zur Feier 
des 25 jährigen Vereinsjubiläums. 

Entsprechend dem Beschloß der letzten HaoptTersammlong hat der Vor¬ 
stand zur Feier des in diesem Jahre stattflndenden 26jährigen Jobilänms 
des Vereins die Heraosgabe einer Festschrift veranlaßt, die, wie das nach¬ 
stehende Inhaltsverzeichnis zeigt, nicht nor eine kurze Geschichte des Verdns 
and einen üeberblick ttber dessen Tätigkeit, Sondern auch eine ScÜlderung 
der Entwicklung des preußischen Medizinal- und Gesundheitswesens, sowie der 
fär die Medizinalbeamten hauptsächlich in Betracht kommenden Gebiete der 
Hygiene (einschl. der Bakteriologie), der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie 
imierhalb der letzten Ittnlundzwanzig Jahre in kurzen, ftkr sich abgefaßten 
Abhandlungen bringen wird. Bei ihrer Ausarbeitung sind ausschließlich Mit¬ 
glieder des Vereins beteiligt gewesen, denen dafttr ein besonderer Dank des 
Vereins gebührt. Die Festschrift wird mindestens 40 Druckbogen um- 
H fassen; ihr Preis ist für die Mitglieder des Preußischen und Deutschen Vereins f 
j auf 8 Mark (gebunden) festgesetzt; im Buchhandel wird der Preis später | 
1 ' 16 Mark betragen. Die Festsetzung eines so niedrigen Preises für die Vereins- 
mitglieder war nur in der sicheren Voraussetzung mOglich, daß wenigstens 
jedes Mitglied des Preußischen Medizinalbeamtenvereins ein Exemplar bestellen 
wird; der Vorstand hofft jedoch, daß auch die übrigen Mitglieder des Deut¬ 
schen Medizinalbeamtenvereins dasselbe tun werden. Jedenfalls ist bei Be¬ 
messung der Höhe der Auflage darauf Bttcksicht genommen. 

Bestellungen nimmt schon jetzt die Expedition der Zeitschrift, Hof- 
buchdruckerei von J. C. C. Bruns in Minden i. W., entgegen. I| 

Minden, den 16. Juli 1908. 

Der Vorstand des Deutschen Medizinaibeamten-Vereins. 

Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender, 

Beg.- a. Geh. Med.-B*t in Minden. 

InhaltSTerselolmls der Festsohrlft. 

Erster Abschnitt. 

I. Geschichte und Tätigkeit des Vereins ln den Jahren 1888—1908. 
H. Kreisarzt u. Geh. Med.-Bat Dr. Fielitz-Halle a. S. 

IL Entwickelung des Preusslschen Medizinal- und Gesundheits¬ 
wesens während dieser Zelt unter besonderer Berücksichtigung der Stel¬ 
lung und Tätigkeit der Kreismedizlnalbeamten. H. Begierungs- u. Geh. 
Med.-Bat Dr. Bapmund-Minden. 

Zweiter Abschnitt. 

Medizinal- und ßffentllehe Gesundheitspflege elnschllesslleh Hygiene 

und Bakteriologie. 

I. Ortshygiene. 

a. Allgemeines und Wohnungshy giene. H. Beg.-u. Med.- 
Bat Dr. Nesemann-Berlin. 

b. Wasserversorgung. H. Geh. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr. 

8 c h mi d t m an n-Berlin. 

c. Beseitigung der Abwässer und Abfallstoffe; Bein¬ 
hai tu ng der Wasserläufe. H. Beg.- u. Geh. Med.-Bat Dr. 
Salomon - Coblenz. 

II. Verhütung und Bekämpftang von ansteckenden Krankheiten. 

a. Fortschritte der Bakteriologie auf dem Gebiete der 
Seuchenbekämpfung. H. Geh. Ob.-Med.-Bat Prot Dr. Gaffky 
in Berlin und Dr. Lentz, Abteilungsvorsteher am Institut für 
Infektionskrankheiten in Berlin. 

b. Die Seuchenbekämpfung unter Berücksichtigung 
der einschlägigen deutschen und preußischen Ge¬ 
setzgebung. H. Geh. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr. Kirchner -Berln. 



528 Tagesordn. der XXV. HanptTereammliing des Preofi. Med.-Beamten*Vereins. 

III. NahruBgemitteUiyfleAe; llkoholUimiis. H. Geh. Med.-Bat Dr. Ab e 1 - 
Berlin. 

IV. Gerrerbehjfiene. H. Heg.- o. Geh. Med.-Bat Dr. Both-Potsdam. 

T. Hygiene des frühen Kindesalters, S&ngllngspflege und Halteklnder- 
wesen. H. Beg.- n. Geh. Ob.-Med.-Bat Dr. Di et rieh-Berlin. 

TIr Schulhygiene. H. Stadtarzt Dr. Oebbeoke-Breslad. 

YII. Fürsorge fOr Kranke nnd Gebrechliche. 

a. Fürsorge für Kranke and Gebrechliche im allge¬ 
meinen; Krankenanstalten. H. Beg.« and Geh. Med.-Bat 
Dr. Basak-Cöln. 

b. Die Fürsorge für psychische Kranke. H. Geh. Med.-Bat 
Prof. Dr. Mo eil, Direktor der städtischen Heil- and Pflegeanstalt 
Herzberge bei Berlin. 

c. Krankentransport and Bettangs wes en. H. Kreisarzt 
Dr. Fromm-Frankfart a. M. 

YlII. Hellqnellen and Kurorte. H. Kreisarzt Dr. Friedei-Wernigerode. 

IX. Oeffentliches Badewesen. H. Kreisarzt n.Med.-Bat Dr. Schafer- 
Frankfart a. 0. 

X Gefäiignlshyglene. H. Qerichtsarzt and Med.-Bat Dr. Hoffmann- 
Berlin. 

XI. Leioheaschan, Begrübnlswesen, LelchenTorbrennang. H. Kreisarzt 
and Med.-Bat Dr. Mewias-Oppeln. 

XII. HeilpersonaL 

a. Aerzte (Aasbildang and Standesorganisation). H. Geh. San.-Bat 
Dr. Aschenborn-Berlin. 

b. Niederes HeilpersonaL H. Kreisarzta.Med.-BatDr.Elten- 
Berlin. 

c. Hebammenwesen. H. Dr. Köstlin, Direktor der Hebammen¬ 
lehranstalt in Danzig. 

d. KarpfaschereL H. Beg.- and Geh. Med.-Bat Dr. Wehmer 
and Kreisarzt Dr. Pflanz in Berlin. 

XIII. Verkehr mit Arzneimitteln nsw. Innerhalb and ausserhalb der 
Apotheken. 

a. Apothekenwesen. H. Beg.- and Geh. Med.-Bat Dr. Born¬ 
träg e r - Düsseldorf. 

b. Verkehr mit Arzneimitteln außerhalb der Apo¬ 
theken, sowie mit Geheimmitteln and Giften. Herr 
Kreisarzt Dr. Meder- Cöln. 

Dritter Abschnitt. 

SachTerständlgentätlgkolt auf dem Gebiete der gerichtlichen Medizin, 
Psychiatrie, Unfall- und InTalldenTerslcherang. 

I. Gerichtliche Medizin and Psychiatrie. 

a. Entwicklung der gerichtlichen Medizin und deren 
Fortschritte innerhalb der letzten 26 Jahre. Herr 
Geb. Med.-Bat Prof. Dr. Straßm ann-Berlin. 

b. Gerichtlich-medizinische Unters achangsmethoden. 
H. Med.-Bat Prof. Dr. Pappe-Königsberg. 

c. Die gerichtliche Psychiatrie inbezug aufdieStraf- 
gesetzgebang. H. Kreisarzt o. Med.-Bat Dr. Leppmann- 
Berlin. 

d. Die gerichtliche Psychiatrie in bezag aafdieZiril- 
g'esetzgebang. H. Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Gramer, Direktor 
der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt in Göttihgen. 

II. Sachverständigentätigkeit auf dem Gebiete der Unfall- nnd In¬ 
validen Versicherung. H. Kreisarzt a. Med.-Bat Dr. Bockendahl- 
Kiel. 


Vcrantwortl. Bodakteur: Dr. Bapmnnd, Beg.-n. Geh. Med.-Rat in Minden t. W 
J. C. C. Brun«, lIcfzoKl. SSeb«. o. F. 8ch.-L. BolbocbCraclMral ln 




2t Jahrg. 


1908. 


Zeitschrift 

ftti 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZantralHitt für du gesanb llnnHdlMitsKun, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Henrasgegebeii 

TOB 

Dt. OTTO RAPMÜND, 

RagleraBff- und Gelu ModlilBalrBl Ib IflBdoB. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Württembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fisehers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld, 

HmogL Bajw. Bot -«. BnbmogL irMiiniir-Bndiitiand.!er. 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

iBseraie oebmeB die Torlagshandlang sowie alle Ajinonoen-Expedlllonen des In- 

und Auslandes entgegen. 


Nr. 15. 


Ifineheiat mu S. nad SO. Jedes Heaete. 


5. August. 


Unsere Hebammen. 

Von Dr. E. Angerer, k. Bezirksarzt in Mttncben. 

Mit Entschließong vom 21. September vorigen Jahres hat das 
K. Staatsministerinm des Innern Erhebnngen über die wirtschaft¬ 
lichen Verhältnisse der bayerischen Hebammen angeordnet, nm 
eine Unterlage zar Würdigung der Frage zu gewinnen, ob ein 
Bedürfnis zu einer Reform des bayerischen Eebammenwesens be¬ 
steht. Mit diesen Erhebungen wurde zweifellbs der wundeste 
Pnnkt unseres heutigen Hebammenweseus angefaßt; es wird 
konstatiert werden, daß die Hebammen für ihre doch so verant¬ 
wortungsvolle Dienstleistung ganz beschämend niedrig bezahlt 
werden, daß das Einkommen fast aller Hebammen ein so geringes 
ist, daß man sich nur darüber wundern muß, daß doch noch 
immer eine so große Anzahl von Frauen sich zu diesem Berufe 
meldet. 

Um jedoch die Frage nach der Notwendigkeit einer Reform 
des Hebammenwesens voll und ganz würdigen zu können, würde 
68 eich empfehlen, Erhebnngen auch darüber anzustelien, ob die 
heutige Hebamme hinsichtlich ihrer Berufstätigkeit den durch 
das Fortschreiten der geburtshilflichen Wissenschaft bedingten 
vermehrten Ansprüchen genügt. Hierüber könnten nicht nur die 
Aerzte — insbesondere die Amtsärzte und die Lehrer an den 
Hebammenschnlen —, sondern anch gebildete Franen am besten 













530 


Dr. K Angerer. 


Anskimft geben. Und warn man eine diesbezügliche Umfrage 
halten würde, dürfte eicherlich übereinstimmend zom Ansdroek 
gebracht werden, daß unsere Hebammen diesen Termehrten An¬ 
sprüchen durchaus nicht mehr genügen. 

Die Wahrnehmungen nach dieser Richtung gaben seit vielen 
Jahren die Veranlassung, daß die Aerzte lüler Bundesstaaten 
immer dringender eine Reform des Hebammenwesens verlangt 
haben. 

Die Ausbildung und die Bemfstüchtigkeit der Hebammen 
muß dem jeweiligen Stande der geburtshilflichen Wissenschaft 
entsprechen. Um nur das nächste zu berühren, muß bei der so 
eminenten Bedeutung, welche der Asepsis und Antisepsis für den 
krankheitsfreien Verlauf des Wochenbetts znkommt, zunächst ge¬ 
fordert werden, daß die Hebammen hierfür volles Verständig 
besitzen. Um aber schon bei den Hebammenschülerinnen ein 
solches Verständnis zu erreichen, bedarf es einer besseren Vor¬ 
bildung der zum Berufe sich meldenden als wie bisher. So lange 
jedoch die Einkommensverhältnisse und die soziale Stellung der 
Hebammen nicht besser werden, ist ein Zugang besser vorge¬ 
bildeter Elemente zum Berufe nicht zu erwarten. Um dies alles 
erreichen und die Hebammen den modernen Fordernngen ent¬ 
sprechend heranbilden zu künnen, ist der Rnf der gesamten 
Aerzteschaft nach einer Reform des Hebammen weeens gewiß 
gerechtfertigt. Eine Reform des Hebammenwesens, die Anpassung 
der Verhältnisse der Hebammen an die modernen Anfordernngen 
bedeutet aber eine sehr schwierige Sache, weil diese Verhältnisse 
eine große Verschiedenheit zeigen, je nachdem es sich um Heb- 
bammen in der Stadt oder auf dem Lande, um dicht oder dünn 
bevölkerte Gegenden handelt. 

Es dürfte deshalb nur nutzbringend sein, wenn aus der 
Praxis heraus Mitteilungen erfolgen würden, welche auf Grund 
praktischer Erfahrung Anregungen geben, wie den verschiedenen 
Verhältnissen des Hebammenstandes bei einer Neuregelung am 
besten Rechnung getragen werden könnte. 

Ans diesem Gesichtspunkt bitte ich auch die nachfolgenden 
Zeilen beurteilen zu wollen, in denen ich meine Erfahrungen ans 
einer fast 30 jährigen Tätigkeit mitteilen will, soweit £ese zu 
einer Reform des Hebammenwesens in bezug gebracht werden 
können. 

Die beruflichen Verhältnisse der Hebammen in Bayern 
werden bestimmt durch die E. A. V. vom 4. Juni 1899, zu der 
eine Min.-Bek. vom 8. Juni 1899 die Ausftthrnngsbestimmnngen 
in Form einer Dienstanweisung gibt. Es muß immerhin auffällig 
erscheinen, daß eine Verordnung, die erst einige Jahre besteh^ 
schon so bald wieder reformbedürftig sein soll. Mit den nach¬ 
stehenden Ansführnngen möchte ich darauf hinweisen, daß die 
Dienstanweisung der Hebammen, wie sie auf Grund A. V. vom 
8. Juni 1899 heute noch in Geltung ist, einer Reform nicht 
bedürftig erscheint. Reformbedürftig ist nur die A. V. vom 
23 . April 1874, welche die Hebammenschulen und die PrüAing 



ünaere Hebwmen. 


581 


der Hebammen, die Zalassung^Bbedingiinifen und die Art and den 
Umfang des Hebammenanterrichts zum Gegenstand hat. Die 
Bestimmnngen dieser letzteren Verordnung genügen durchaus 
nicht mehr für die Anforderungen, wie sie die Dienstanw^ung 
stellt. Werden diese beiden Verordnungen zu einander besser in 
Einklang gebracht, wird auch die Tätigkeit der Amtsärzte, so 
weit sie sich anf den Vollzug der angeführten Verordnungen zu 
erstrecken hat, einer entsprechenden Revision unterstellt, dann 
wird es sicher gelingen, das Hebammenwesen so zu gestalten, 
daß es allen Anforderungen der Jetztzeit entsprechen wird. 

Die Hebamme ist unentbehrlich und unersetzlich. Alle 
Versuche, die schon an verschiedenen Orten gemacht wurden, die 
Hebamme bei der Entbindung entbehrlich zu machen oder durch 
andere Pflegepersonen bei ausschließlich ärztlicher Leitung der 
Gebart zu ersetzen, haben sich nicht bewährt. Man ist sehr bald 
wieder auf die Mithilfe der Hebamme zurüdcgekommen; dieser 
Zustand wird und soll auch fortbestehen. Der Hebamme fällt 
eine außerordentlich wichtige und verantwortungsvolle Tätigkeit 
zu — eine Tätigkeit, die in geradezu bedenklichem Widersprach 
zu ihrem allgemeinen Bildungsgrad steht. In der Regel aus den 
untersten Volksschichten hervorgegangen, ausgerüstet mit den 
oft mangelhaften Kenntnissen einer Elementarschule, und einem 
diesen entsprechenden Urteilsvermögen, soll ein 5 monatiger 
Ausbildungskurs die Hebamme in den Stand setzen, */io 
Geburten vollständig allein zu leiten und zu Ende zu ft^en sowie 
vollständig allein die Pflege und Ueberwachnng des Wochenbettes 
und des Neugeborenen für die ersten 10 T^e seines Lebens zu 
Übernehmen. Man vergleiche damit die Ausbildung des männlichen 
niederärztlichen Personals — der Bader. Welche Zeit muß auf 
die Ausbildung dieser verwendet werden, und wie geringfügig 
und wenig verantwortungsvoll ist die Berufstätigkeit dieser im 
Vergleich zu den Hebammen P Es muß nun allerdings zu¬ 
gegeben werden, daß es sich bei der Tätigkeit der Hebammen 
zunächst um normal verlaufende Entbindung, normales Wochen¬ 
bett und um die Pflege eines gesunden Säuglings handelt. Man 
muß jedoch bedenken, daß ein Unverständnis oder fehlerhaftes 
Handeln der Hebammen den vorhandenen normalen Zustand so¬ 
fort in einen anormalen, krankhaften überführen kann. Welche 
Kenntnisse, welches Urteil muß aber eine Hebamme besitzen, 
wenn sie in ihrer Berufsansübnng, allein, ohne weiteren Beistand, 
das Richtige für Mutter und Kind treffen soll? Wo in aller Welt 
ist eine Berufsart, der bei einer solchen Vor- und Ausbildung 
eine solche verantwortungsvolle Tätigkeit zu gewiesen istP 

Diese Frage ist so recht erst in den Vordergrund getreten, 
seitdem wir wissen, daß die gefährlichste Wochenbettkrankheit 
— das Kindbettfleber — eine Wnndinfektionskrankheit ist, eine 
Krankheit, die vermieden werden kann und auch vermieden 
werden wird, wenn genau nach aseptischen und antiseptischen 
Grundsätzen verfahren wird. Im Deutschen Reich sterben alle 
Jahre 6000 Mütter an Kindbettfleber. Eine wohl ebenso große 



632 


Dr. E. Angerer. 


Zahl von Fraaen geht infolge schlecht flberstandenen Wochen¬ 
bettes alle Jahre einem langen Siechtum entgegen. Da % 
aller Gehörten von Hebammen allein geleitet werden, läßt sich be¬ 
rechnen, wie vielfach die Hebammen bei Aosübong ihrer Bemis- 
tätigkeit fehlerhaft handeln. Der Kampf gegen diese forchtbaren 
Wochenbettserkranknngen müßte von einem am so größeren 
Erfolg begleitet sein, je tüchtiger and gesicherter der Hebammen¬ 
stand gestaltet werden könnte. Wie es heate keinen gewissen¬ 
haften Arzt mehr geben kann, der gegen die Antisepsis verstößt, 
ebensowenig darf es eine Hebamme geben, die ihre Bernfs- 
tätigkeit nicht streng nach diesen Grandsätzen ansübt. Diese 
Grandsätze maß die Hebamme nicht bloß darch Aoswendiglemei 
kennen, sie maß aach das Wesen derselben erfaßt haben; sie müssen 
ihr geistiges Eigentum geworden and so in Fleisch and Blnt 
flbergegangen sein, daß ein diesen Grundsätzen entgegenstehendes 
Denken und Handeln ausgeschlossen ist. 

Nun stelle man sich die Vorbildang der überwiegenden 
Mehrzahl der heutigen Hebammen vor and vergleiche damit die 
Anforderungen, die an ihren Verstand gestellt werden müssen, 
wenn man ein volles Verständnis der Asepsis and Anti¬ 
sepsis — der Hauptsache der heutigen Hebammentätigkeit — 
erreichen will. Denn darüber herrscht wohl kein Zweifel mehr, 
daß nur das Verständnis der Antisepsis die Gewähr dafür bietet, 
daß nach diesen Grundsätzen auch gehandelt wird; niemals wird 
man dieses durch mechanischen Drill allein erreichen können. Es 
soll zwar nicht behauptet werden, daß die Volksschalbildong als 
solche nicht hinreichend wäre, um dem Unterricht über Asepsis 
und Antisepsis mit Erfolg anwohnen za können. Es gibt zweifellos 
eine ganz erhebliche Anzahl von Frauen and Mäddien, die, ob¬ 
wohl nar durch die Volksschule gegangen, geistig doch so vor¬ 
gebildet sind, daß sie den Hebammenlehrkurs mit Erfolg absol¬ 
vieren und tüchtige Hebammen werden können. Doch wird man 
zageben müssen, daß solche Fraaen und Mädchen nicht in allzu 
großer Anzahl vorhanden sind, daß sie sich insbesondere nicht 
in den untersten Volksschichten vorflnden. Die Erfahrong, daß 
das heutige Schülerinnenmaterial entsprechend den modernen An¬ 
forderungen zu tüchtigen Hebammen nicht mehr aasgebildet 
werden kann, hat dazu geführt, im Louisenheim zu Mannheim im 
Oktober v. J. eine Privathebammenlehranstalt zu eröffnen, die in 
besonders eingerichteten Räumen nur Schülerinnen mit höherer 
Töchterschalbildung oder einer dieser gleichwertigen Vorbildang 
auf nimmt. Zum ersten Kurs hatten sich 81 Damen aus besseren 
und besten Gesellschaftskreisen angemeldet, es wurden aber bloß 
8 als befähigt zum Eintritt zngelassen. Diese Schülerinnen 
werden jetzt in einem 9 Monate dauernden Unterrichtskurs bei 
reichlich zu Gebote stehenden Unterrichtsmateriale zu Hebammen 
aasgebildet. Bei solch vorgebildetem Schülerinnenmateral wird 
es für ^e Lehrer der dortigen Schale nicht besonders schwierig^ 
sein, die Schülerinnen zu vorzüglichen und modernen Hebammen 
auszubilden. Diese Hebammen werden sicherlich in ihrer späteren 



üiwere Hebunmeo. 


583 


Berulstätigkiiit die in den staatlichen Schulen ansg^ebildeten 
Hebammen weit znrttck in den Schatten stellen. 

Und doch erscheint es sehr fraglich, ob man die Anforde- 
mngen, welche die Mannheimer Schale stellt, verallgemeinern 
darf, ob man künftighin die gleiche Vorbildnng, wie sie die 
höhere Töchterschale gibt, von allen Hebammenschülerinnen ver¬ 
langen soll. Wenn man bedenkt, wo and unter welchen Ver¬ 
hältnissen Hebammen, besonders anf dem Lande, ihre Tätigkeit 
aasüben müssen, dann wii'd man za der Ueberzeagung kommen, 
daß man die Forderung nach höherer Töchterscholvorbildang 
nicht verallgemeinern kann. Hebammen mit solcher Vorbildang 
werden sich niemals in einem Baaemdorfe znrechtfinden können, 
werden immer und bei jeder Entbindung für eine Reihe von 
Hantierangen noch besondere Pflegepersonen beanspruchen, die 
man ihnen nur in den seltensten Fällen wird zur Verfügung 
stellen können. Wir brauchen aber nicht blos Hebammen für 
die elegante Welt der Residenzstädte, sondern auch ebenso not¬ 
wendig Hebammen für die entlegenen Dörfer der Gebirgstäler. 
Und hierin liegt schon eine der Hauptschwierigkeiten einer Re¬ 
form des Hebammenwesens. Gut vorgebildete, intelligente Damen 
aus besseren Gesellschaftskreisen werden gewiß dem Unterrichte 
verständnisvoller folgen und sich dadurch zu tüchtigeren Hebammen 
aasbilden; deshalb ist der Zugang von solchen besseren Ele¬ 
menten nur zu begrüßen. Solche Hebammen werden in den 
großen Städten auch sehr gesucht und begehrt sein, aber keine 
von ihnen wird sich dazu herbeilassen, ihre Berufstätigkeit in 
einem entlegenen Dorf bei einem mehr als bescheidenen Ein¬ 
kommen anszuüben. Hier den richtigen Ausweg zu finden, dürfte 
sehr schwer sein. Und doch muß der Weg gefunden werden, 
am allen Hebammen für alle Frauen und alle Orte die gleiche 
Ausbildung, die gleiche Fachtüchtigkeit zu verschaffen; es muß 
erreicht werden, daß auch der ärmsten Frau im entlegensten 
Dorfe der volle, von der Wissenschaft gebotene Schatz für Leben 
and Gesundheit während und nach der Entbindung gesichert wird. 

Die Mannheimer Schale wird fortbestehen; denn die Nach¬ 
frage nach Hebammen, die neben vorzüglicher Fachausbildung auch 
über bessere allgemeine Bildung und bessere gesellschaftliche 
Formen verfügen, wird immer vorhanden sein. Die Hebammen, 
die aus der Mannheimer Privatschale hervorgehen, werden voraus¬ 
sichtlich eine Zierde des Standes bilden und können nur dazu 
beitragen, den ganzen Stand in seinem Ansehen zu erhöhen; sie 
werden aber auch für die Zukunft den Maßstab abgeben, wieweit 
die Hebamme in ihrer Fachausbildung gebracht werden muß. 

Meines Erachtens liegt zwischen der Mannheimer Privat- 
schnle and den heutigen staatlichen Anstalten das einzig Richtige 
and Mögliche in der Mitte. Gewissenhafte Auswahl unter den 
zom Lelnkurs sich Meldenden mit ausschließender Berücksichtigung 
der ablolut Befähigten and Verlängerung der Unterrichtskurse 
in der Weise, daß die jetzt vorgeschriebene Unterrichtszeit von 
5 Monaten zur Erlemnng der rein hebammentechnischen Fertig- 




534 


Df. E. ÄageNT. 


keiten verwendet wird, daß jedoch zur Erlernung und zum Ver¬ 
ständnis der Lehre Aber Krankheitsursachen und Erankheitsver- 
hfttung im Wochenbette — Asepsis und Antisepsis —, sowie über 
Säuglingspflege für die ersten 10 Tage der hierzu bestimmten 
Hebammentätigkeit und eine genflgende Ausbildung in der 
Krankenpflege eine weitere, entsprechende Unterrichtszeit an- 
geffigt wird. 

Verlängerung des ünterrichtsknrses ist die erste, 
wichtigste und fundamentale Forderung zur Hebung und Besserung 
des Hebammenberufes. Dies ist der notwendigste und wichtigste 
Punkt, wo eine Reform einzusetzen hat. Wird diese Forderung 
erfflllt, dann wii‘d sich der Hebammenstand von selbst reformieren 
und den Forderungen der Neuzeit anpassen. Mit der Verlängerung 
des Lehrkurses muß eine erhöhte Ausbildung Hand in Hand 
gehen. Diese stellt größere Anforderungen an die Verstands¬ 
kräfte der Schülerinnen; in anbetracht dessen werden in Zu¬ 
kunft viel mehr Bewerberinnen als nnbefähigt zurückgewiesen 
werden müssen. Die Auswahl muß nach strengeren Gesichts¬ 
punkten erfolgen, es muß nicht nur ausreichende Schulbildung, 
sondern auch Bildungsfähigkeit, Charakter, Tüchtigkeit und Nei¬ 
gung zum Berufe gefordert werden. Sind diese Gesichtspunkte 
bei der Auswahl maßgebend, dann wird der Stand intellektual 
und sozial auf eine höhere Stufe gestellt werden; die Anforderungen 
an Intelligenz, Vorbildung und Herkunft der Hebammenschülerinnen 
stehen aber in direkter Wechselwirkung mit der Besserung 
der pekuniären Lage der zukünftigen Hebammen. Kommen 
bessere Elemente zum Hebammenbernfe, dann wird nicht bloß die 
Berufstüchtigkeit eine bessere, auch das Einkommen wird ein 
besseres werden; ist dieses besser geworden, dann wird auch der 
weitere Zugang von besseren Elementen sich forterhalten. Es 
bleibt dann nur noch die eine Sorge übrig, daß die Hebamme 
auf der Höhe ihrer in der Schule erhaltenen Fachausbildung er¬ 
halten bleibt. 

Was das Einkommen der Hebammen betrifft, so ist ihre 
Bezahlung mit einigen Ausnahmen wohl überall eine sehr 
schlechte, die durchaus nicht den Leistungen entspricht. Auf 
dem Lande waren früher auch Naturalleistungen — Brod, Eier, 
Butter und dgl. — vielfach als Entschädigung für die Hilfeleistun¬ 
gen der Hebammen in Gebrauch, was aber jetzt ziemlich abgekommen 
ist. Die Leistungen der Hebammen werden mit geringen Aus¬ 
nahmen überall in der Stadt sowohl, als auf dem Lande durch¬ 
schnittlich mit 3—5 Mark für die Geburt entlohnt. Die Be¬ 
zahlung der Hebammen ist dort am geringsten, wo mehrere 
Hebammen domizilieren; bessere Bezahlung findet sich nur da, 
wo eine solvente Bevölkerung auf eine Hebamme angewiesen ist. 

Zweifellos drückt die große Konkurrenz, die seit der Frei¬ 
zügigkeit der Hebammen geschaffen wurde, die Ansätze der Ent- 
lo^nng immer mehr herab. Auffallend ist dabei, daß die Heb¬ 
ammen im allgemeinen über diese niedrige Entlohnung nicht 
besonders Klage führen — ein Umstand, der darin seine Er- 



Unsere Hebeminen. 


535 


klftmng fiadet, daß der Hebammenberni eben nur als Neben- 
besehäftignng betrieben und dementsprechend auch von der Heb¬ 
amme selbst und dem Publikum bewertet und honoriert wird. 

Nach der bestehenden Verordnung soll die Bezahlung der 
Hebammen zunächst der Vereinbarung Vorbehalten bleiben. Wo 
eine solche fehlt) — und das ist wohl überall der Fall — ist als 
Norm die Gebührenordnung vorhanden, deren Ansätze der Tätig¬ 
keit vollkommen entsprechen. Würde die Hebamme nach dieser 
Gebührenordnung ihre Liquidation einrichten, so müßte einer be¬ 
schäftigten Hebamme auch heute schon ein entsprechendes Ein¬ 
kommen gesichert sein. Nach dieser Gebührenordnung liquidiert 
aber die Hebamme in der Regel nur bei Frauenspersonen, die 
besonders einer auswärtigen Armenpflege zugehören. Hier ver¬ 
steht sie es mit Beträgen von 25 und 80 M. und darüber für 
eine Hilfeleistung zu liquidieren und der revidierende Amtsarzt 
muß eine solche Liquidation als nach der Gebührenordnung be¬ 
rechnet bestätigen. Die wohlhabende Bürgers- oder Bauersfrau 
aus dem Orte erhält dagegen eine Liquidation von 3—5 M., weil 
die Hebamme darauf rechnet, daß sie infolge ihrer Billigkeit bei 
der Verwandtschaft und in dem Bekanntenkreise dieser Frau 
weiter empfohlen wird. Das Bestreben, die Kundschaft zu ver¬ 
größern und die kärglichen Einnahmen zu erhöhen, führt vielfach 
zu einer wüsten Konkurrenz, die oft mit den unlautersten Mitteln 
betrieben wird, wie dies bei Personen, die auf einer immerhin 
niedrigen Bildungsstufe stehen, nicht anders erwartet werden 
kann; diese rücksichtslose Konkurrenz schafft auch allenthalben 
höchst unwürdige, jede Beruftsfieudigkeit und Zuverlässigkeit 
schwer schädigende Verhältnisse. 

Um die Einkommensverhältnisse der Hebammen besser, 
d. h. ihrer Tätigkeit angemessener zu gestalten, ist zweierlei er¬ 
forderlich : 

1. Es sollte für jeden Bezirk unter Berücksichtigung der 
Vermögensverhältnisse der Bewohner eine alle Hebammen bindende 
Mindesttaxe eingeführt werden, unter welche die Hebamme bei 
keiner Geburt herabgehen darf. 

2. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Hebammen voll¬ 
beschäftigt sind, d. h. Se Hebammen sollten mit ihren Wohn¬ 
sitzen innerhalb des Bezirkes so verteilt sein, daß auf jede im 
Laufe eines Jahres mindestens 50 Geburten kommen. 

Beide Forderungen sind nur dann zu erreichen, wenn die 
große Konkurrenz unter den Hebammen durch Verminderung ihrer 
Anzahl beseitigt wird. Dies ist nur möglich, wenn die Nieder¬ 
lassung der Hebammen reguliert und beschränkt wird in der 
Weise, daß für jeden Verw^tungsbezirk unter Berücksichtigung 
der Einwohnerzahl, der Verkehrsverhältnisse, der Entfernung zum 
nächsten Arzt und zur nächsten Hebamme jene Orte von der 
Behörde bestimmt werden, in denen eine Hebamme sich nieder¬ 
lassen kann. Die seit Einführung der Gewerbeordnung ent¬ 
standene frei praktizierende Hebamme muß damit verschwinden; 
es muß wieder zur Schaffung von Distriktshebammen 



636 


Dr. E. Aogerer. 


and Hebammendistrikten kommen. Nach der Verordnnng 
steht es ja den Gemeinden and Distrikten anch hente noch frei, 
eigene Hebammen für bestimmte Bezirke anfznstellen, aber die 
Bedentnng der früheren Distrikshebamme ging mit der Gewerbe¬ 
ordnung bezw. durch die hierdurch veranlaßte K. A. V. vom 
4. Januar 1899, nach der die Niederlassung freipraktizierender 
Hebammen neben den Distrikshebammen nicht ausgeschlossen 
werden kann, vollständig verloren. Die Hebamme benötigt zu 
ihrer Niederlassung bloß das Befähigungsattest einer bayerischen 
Prüfungsbehörde; unter Vorlage dieses meldet sie sich beim 
Bezirksamt und beim Bezirksarzt als Hebamme für irgendeinen 
Ort des Bezirkes an. Auf Grund dieser Verhältnisse hat sich die 
Zahl der Hebammen in gewissen Bezirken außerordentlich ver¬ 
mehrt; denn jede Gemeinde will nun selbst ihre eigene Hebamme 
haben, während in besseren Orten mehrere ansässig geworden sind. 
Was die Niederlassung betrifft, so kann diese jetzt schon dadurch 
geregelt werden, daß zum Eintritt in die Hebammenschale die 
Genehmigung der Ereisregierung erforderlich ist, die nur erteilt 
wird, wenn die Bedürfnisfrage zur Niederlassung einer Hebamme 
vom Bezirksamt und Bezirksarzt bejaht wurde oder wenn es sich 
um Anstellung von Distrikshebammen für ganz arme und welt¬ 
verlassene Dörfer handelt; hier muß die Zulassung in erster 
Linie berücksichtigt werden, der einzige Vorzug, auf den die 
Distrikshebammen heute noch gesetzlichen Anspruch haben. Der 
Zuzug bereits approbierter Hebammen in den Bezirk kann aber 
nach den heutigen gesetzlichen Bestimmungen nicht anfgehalten 
werden. Und doch ist es unbedingt erforderlich, daß auch der 
Zuzug solcher Hebammen reguliert wird; dies kann jedoch nur 
dnrch Aufhebung der freien Niederlassnngemöglichkeit geschehen, 
also durch eine landesgesetzliche Bestimmung, daß zur Ausübung der 
Hebammentätigkeit das Approbationszengnis allein nicht genügt, 
sondern daß hierzu auch die behördliche Anstellung erforderlich 
ist. Die Schaffung solcher Distrikte ist der einzige Weg, um die 
Hebammen voll zu beschäftigen und finanziell entsprechend zu 
stellen. 

Die Einrichtung von Hebammendistrikten soll der Gewerbe¬ 
ordnung entgegenstehen; eie besteht aber in verschiedenen deut¬ 
schen Bundesstaaten, für welche doch ebenfalls die Gewerbe¬ 
ordnung gilt, so in Sachsen, Braunschweig, Altenburg, Anhalt, 
Schwarzburg-Sondershausen, Beuß j. L. und Lübeck. Es würde 
jedenfalls von seiten des Reiches kaum geduldet werden, daß in 
diesen Staaten die auf die G. 0. sich stützende Freizügigkeit der 
Hebammen eine Beschränkung erfahren darf, wenn es nicht doch 
möglich wäre, daß die einzelnen Bundesstaaten durch eigene 
Landesgesetze solche Ausnahmen von dem Reichsgesetze gesetz¬ 
lich festlegen können. 

Wird bei der Schaffung von Hebammendistrikten darauf 
Rücksicht genommen, daß benachbarte Hebammen einander ans- 
helfen können, werden in großen Städten die Hebammen möglichst 
gleichmäßig auf die Stadt verteilt, so wird es seitens der hilfe- 



llBswe Hebammen. 


537 


snchenden Frauen zu keinen Klagten kommen, um so weniger, als 
die angestellte Distriktshebamme znr Hilfeleistung in jedem Falle 
yerpflichtet ist, was bei der freipraktizierenden Hebamme nicht 
strikte durchgeffthrt werden kann. 

Erfordern Lage und Verkehrsyerhältnisse die Niederlassung 
einer Hebamme auch in einem kleinen Orte oder kleinen Distrikte, 
dann sollte solchen Hebammen durch Kreis- oder Staatszuschttsse 
eine Mindesteinnahme garantiert werden. 

Die wirtschaftliche Besserstellung der Hebammen sollte in 
Zukunft noch dadurch unterstützt werden, daß für Krankheit, 
Alter und Invalididät eine Beihilfe gewahrt wird, um die Heb¬ 
ammen im Falle der Erwerbsunfähigkeit, yor Not und Sorge zu 
schützen. Dies ließe sich erreichen, wenn die sämtlichen Heb¬ 
ammen des Königreichs in einer ünterstützungskasse yer- 
einigt würden, der jede Hebamme ohne Ausnahme angehören muß. 
Die Anmeldung zu dieser Kasse und die Zahlung der Aufnahme¬ 
gebühr sollte schon bei der Schlußprüfung des Unterrichtskurses 
erfolgen. Aufnahmegebühren und Jahresbeiträge eventuell ein 
zu bewilligender jährlicher Staatszuschuß würden zweifelsohne 
genügend Mittel zur Verfügung stellen, ans denen die Hebamme 
für den Krankheitsfall und wenn sie eine entsprechende Zeit 
Mitglied war, auch für Alter und Invalidität einen Zuschuß er¬ 
halten könnte. Eine solche Kasse ist leicht zu gründen und 
leistungsfähig zu gestalten, umsomehr, als die Bezirkseinteilung 
und die Bezirksvorstandschaft in der Person des zuständigen 
Amtsarztes schon gegeben ist. 

Znr weiteren Fortbildung der im Berufe tätigen Heb¬ 
ammen ist nach der Verordnung der Bezirksarzt verpflichtet. 
Dieser hat die Aufgabe, die Hebammen seines Bezirkes nicht nur 
auf der Höhe der hi der Schule erworbenen Fachausbildung zu 
erhalten, er muß sie auch mit allen neuen Vorschriften, und so¬ 
weit sie ihren Beruf und ihren Wirkungskreis betreffen, auch 
mit den neuesten wissenschaftlichen Forschungen bekannt machen. 
Zn diesem Zwecke haben sich die Hebammen alljährlich einer amts¬ 
ärztlichen Nachprüfung zu unterziehen. Diese Prüfung ist 
nun für den gewissenhaften Amtsarzt eine harte und dabei wenig 
erfolgreiche Arbeit. Die noch heute gütige Vorschrift ans dem 
Jahre 1859 bestimmt, daß die Prüfung in einem mündlichen und 
einem schriftlichen TeUe bestehen soll; schriftlich hauptsächlich 
deshalb, damit die Hebamme das erlernte Schreiben nicht ganz 
yemachlässigt. Es ist gewiß ein seltsamer Kontrast, wenn man 
bei dieser Prüfung neben der wissenschaftlichen Seite auch noch 
Schreibnnterricht geben soll. Tatsächlich kommt bei dieser 
Prüfung auch heute noch nicht viel mehr heraus, als was in der 
betreffendenden Verfügung vom Jahre 1859 als der Hauptzweck 
bezeichnet wurde. Bei den heutigen intellektuellen Qualitäten 
der Hebammen ist der Erfolg dieser amtsärztlichen Prüfung eben¬ 
so gering zu bewerten, als der Erfolg der seit einigen Jahren 
eingefüh^n sog. Wiederholnngskurse; eine FortbUdnng ist 



688 


Dr. E. Aig«rer. 


eben nur dann möglich, wenn eine Bildung schon ymrhanden ist. 
Man soll mit den Hebammen Wissenschaft treiben nnd bat Personen 
Yor sich, denen die elementarsten Begriffe noch nicht geläufig 
sind. Ja, wenn man es mit gebildeten Hebammen zu tun hätte, 
die ihre Dienstanweisung nicht bloß lesen können, sondern auch 
verstehen, dann wäre die Tätigkeit der Amtsärzte nnd der 
Bepetitoren eine schöne nnd auch erfolgreiche. 

Das wird sich aber sofort ändern, wenn dem Hebamme- 
Stande besser vorgebildete Elemente zugeführt werden, nnd wenn 
dementsprechend die Hebammen intelligenter nnd besser unter¬ 
richtet ans der Schule kommen. Dies muß daher zuerst erreicht 
werden; es ist, wie schon erwähnt, die erste und grundlegende 
Forderung. Ist diese erst erfüllt, dann kommt noch als zweite 
Forderung hinzu, daß man den Bezirksarzt auch in den Stand 
setzt, auf die Verhältnisse der Hebammen erfolgreicher einwirken 
zu können; dies wird man aber nur erreichen, wenn die Hebamme 
bei Nichtbefolgnng der ihr gegebenen Vorschriften auch in Strafe 
genommen werden kann; Büge oder Verweis sind nicht ansreichend. 
Nach Art. 127 Abs. II P. Str. G. B. kann die Hebamme nur be¬ 
straft werden, wenn sie ihre Befugnisse überschreitet; wegen 
Außerachtlassung positiver Verpflichtungen, wegen Unterlassungen 
kann sie nur dann bestraft werden, wenn dadurch eine Schädi¬ 
gung der Gesundheit oder der Tod der ihr anveitrauten Frauens¬ 
person nachgewiesen werden kann, also wegen fahrlässiger Körper¬ 
verletzung oder Tötung. Man sollte nun meinen, daß bei den 
heutigen Dnrchschnittsqualitäten der Hebamme solche Fälle öfter 
Vorkommen müßten; dies müßte auch sicher der Fall sein, wenn 
der Nachweis nicht so schwer zu führen wäre. 

Ueberschreitnng der Befugnisse seitens der Hebammen 
ist heute schon ziemlich selten. Sie wird noch seltener zur Beob¬ 
achtung kommen, wenn der Hebammenstand im ganzen erst aut ein 
höheres Niveau gestellt worden ist. Häuflg sind dagegen die Unter¬ 
lassungen, die sich die Hebammen in bezug auf ihre Dienst¬ 
anweisung zuschulden kommen lassen. Würden die Hebammen 
ihre Dienstanweisung in allen Punkten befolgen, dann wäre eine 
Beform des Hebammenwesens durchaus unnötig. Die Dienst¬ 
anweisung für die Hebammen ist die mustergiltigste Vorschrift, 
die es geben kann; sie wird durch eine bessere kaum ersetzt 
werden können. Sie hat nur den einen Fehler, daß sie nicht für 
die Fassungskraft der gegenwärtigen Hebammen paßt, sondern 
hoffentlich für die der zukünftigen. Die Dienstanweisung kann 
v<Mi der heutigen Hebamme mit ihrer Vorbildung, ihrer Aus¬ 
bildung, ihrer sozialen und wirtschaftlichen Stellung im Sinne 
der Verordnung gar nicht befolgt werden. Aber anch hinsichtlich 
der zukünftigen Hebammen ist es erforderlich, daß sie nicht nur 
für Ueberschreitnng ihrer Befugnisse, sondern anch für die Anßer- 
achüassnng positiver Verpflichtungen in Strafe genommen werden 
können; deshalb sollte der Art. 127 P. Str.-G.-B. die Fassung be¬ 
kommen, daß Hebammen der Strafe unterliegen, wenn sie in 



ÜBMre Hebamm«ii. 


639 


Ansfibmig ihres Berufes den Anordnungen der Behörde zuwider- 
handeln. 

Man hat als Bedingung zur Zulassung zum Hebammenbemf 
die Eigenschaft der zu diesem Berofe nötigen Zuverlässigkeit 
verlangt. Aber wie läßt sich der Besitz dieser Eigenschaft ans der 
immerhin nur kurzen Vorpr&fang erkennen, und welche Gewähr 
besteht dafür, daß sich diese Eigenschaft auch im Berufsleben 
erhält. Verfehlt sich heute eine Hebamme fortgesetzt gegen 
die Bestimmungen der Dienstanweisung, dann kann man sie 
als nicht genügend zuverlässig für den Hebammenbemf er¬ 
klären und beantragen, daß einer solchen Hebamme das zur Aus¬ 
übung des Berufes berechtigende Prüfnngszeugnis im verwaltungs- 
rechtlichen Verfahren entzogen werde. Solche Anträge werden 
aber bis jetzt wohl nur ganz vereinzelt gestellt worden sein. 
Eine Zurücknahme des Prüfungszeugnisses erfolgte bisher nur bei 
hochgradiger Gebrechlichkeit, Taubheit oder nahezu vollständiger 
Blin^eit, also nur wegen physischer Berufsbeschränkung. Und 
auch in solchen Fällen hat der Bezirksarzt oft seine liebe Not, 
um bei der Behörde seinen Antrag durchznsetzen, weil auch 
hier der strickte Nachweis erbracht werden muß, daß nur durch 
die Hebamme, d. h. ihre physischen Gebrechen eine Schädigung 
hervorgerufen wurde. Und dann, wieviele der heutigen Land¬ 
hebammen würden noch im Besitze ihres Prüfungszeugnisses ver¬ 
bleiben, wenn man gegen alle mit dieser strengen Maßregel 
vorgeben würde, die sich fortgesetzt durch Unterlassungen gegen 
die Dienstanweisung verfehlen und daher als nicht vollständig 
zuverlässig im Berufe bezeichnet werden müssen? 

ln welcher Weise der Amtsarzt die Fortbildung der Hebam¬ 
men betätigt, darüber sollte man — vorausgesetzt, daß in Zukunft 
nur besser vorgebildete Hebammen als bisher die Schule ver¬ 
lassen, — keine zu detaillierten Vorschriften erlassen. Es würde 
vollständig genügen, wenn es hieße: „der Bezirksarzt ist ver¬ 
pflichtet, die Hebammen auf der Höhe der fachtechnischen Aus¬ 
bildung zu erhalten, auf der sie beim Austritt aus der Schule 
gestanden sind; er ist weiterhin verpflichtet, sie in der Praxis 
noch weiter auszubilden und in ihrer Berufstüchtigkeit zu vervoll- 
kommen.“ Wie der Amtsarzt dies bewerkstelligt, sollte man 
seinem Ermessen überlassen. Es bedarf darüber ebensowenig be- 
smiderer Vorschriften, als z. B. über die Ausführung der Imp^g; 
auch hier regelt der § 13 der Ausführungsbestimmungen zu der 
K. A. V. vom 17. Dezember 1899 die Tätigkeit des Impfarztes 
von selbst durch die ganz allgemein gehaltene Bestimmung. „Die 
Impfung ist eine chirurgische Operation und so ausznführen, daß 
Wnndinfektionskrankheiten ferngehalten werden.“ Diese allge¬ 
meine Bestimmung verpflichtet nicht bloß den Amtsarzt zur ge¬ 
eigneten Ausführung der Impfung, sie macht ihn auch dafür ver¬ 
antwortlich. In Beziehung auf die Hebammentätigkeit ließe sich 
ebenfalls eine ähnliche Verfügung treffen. Die Hebammen kommen 
entsprechend ansgebildet ans der Schule. Der zuständige Amtsarzt 
hat die Verpflichtung und trägt dafür die Verantwortung, daß 



540 


Dr. E. Aiigerer. 


die Hebamme so onterricbtet bleibt, daß ihre Tätigkeit jede 
Schädi^ng der ihr anTertranten Fraaensperson and ihres Kindes 
ansschließt. 

Notwendig wäre nnr noch eine Einrichtnng, nm dem Bezirks¬ 
arzt einen besseren Einblick in die Bernfstätigkeit der Hebamme 
zn rerschaffen. Der Bezirksarzt kennt — insofern er selbst ge- 
bnrtshilfliche Praxis ansznfiben in der Lage ist, — nnr die ^t 
der Bernfsansttbnng der Hebammen seines Praxisrayons; fiber 
die Tätigkeit der übrigen Hebammen seines Bezirkes am Ereiß- 
bette nnd in der Wochenbettspflege erfährt er aber soviel wie 
gar nichts. Und gerade darüber sollte der Amtsarzt anfs genaneste 
informiert sein. 

Ich habe seit einer Reihe von Jahren die Aerzte meines Be¬ 
zirkes znr Mithilfe bei der Qualifikation der Hebammen ersncht 
in der Weise, daß ich sie gebeten habe, alljährlich nach einem 
einheitlichen Formular einen kurzen Bericht fiber die Bernfsans- 
ttbnng derjenigen Hebammen zu liefern, mit denen sie gemein¬ 
schaftlich am Ereißbette beschäftigt waren. Diese Einrichtung 
hat sich sehr gut bewährt; ich habe dadurch alljährlich wertvolle 
Winke bekommen, in welcher Richtung ich bei der Prüfung auf 
die einzelnen Hebammen einzuwirken hatte. Die Aerzte habe 
immer reichlicheres und wichtigeres Material berichtet, je mehr 
sie sich überzeugen konnten, daß ihre Mitteilungen in streng ver¬ 
traulicher, amtlicher Weise verwertet wurden. 

Auf diese Weise wird der Bezirksarzt in die Lage versetzt, 
jede Hebamme seines Bezirkes den tatsächlichen Verhältnissen 
entsprechend zu qualifizieren. Wird diese Qualifikation dann noch 
nachgeprüft in der Weise, daß jede Hebamme in gewissen 
Zwischenräumen auf einige Tage in die Hebammenschale einbe¬ 
rufen wird, dann dürfte jede Gewähr geboten sein, um die Heb¬ 
ammen fachtüchtig zu erhalten. 

Zum Schlüsse wäre noch die Aenderung einiger Vorschriften 
zu begrüßen, die sich in der Praxis nicht bewährt haben. 

Für Watte und Desinfektionsmittel darf die Hebamme, 
falls diese Mittel nicht von der Gemeinde oder der Kundschaft 
zur Verfügung gestellt werden, den Betrag von 1 M. in Anrech¬ 
nung bringen. Dieser Betrag sollte entsprechend erhöht werden. 
Ich habe einen diesbezüglichen Antrag schon vor Jahren in der 
oberbayrischen Aerztekammer gestellt; es ist unmöglich, für 1 M. 
die erforderlichen Mengen dieser Materialien aus einer A^tbeke 
zu beziehen. Außerdem sollte die Menge der Watte nicht so 
knapp bemessen sein. 

Lysol sollte zweckmäßig durch Lysoform ersetzt werden. 
Dieses besitzt dieselbe desinfektorische Kraft, belästigt aber nicht 
so sehr durch den Geruch. Ans dem gleichen Grande ist der 
Brennspiritus zur Händedesinfektion durch absoluten Alkohol zn 
ersetzen. 

Weiterhin sollte angeordnet werden, daß die Hebammen zn 
jeder Geburt die notwendigen Desinfektionsmittel nnd Watte frisch 



Unsere Hebnmnien. 


641 


beziehen, nnd nicht, wie das jetzt all^^ein ftblich ist, 
Wattereste von einer Geburt zu einer anderen mitndimen. 
Ebenso ist es geradezu bedenklich und den aseptischen Grund* 
Sätzen durchaus nicht entsprechend, Material zur Tamponade 
jahrelang bis zur Verwendung in der Hebammentasche zu ver¬ 
wahren. 

Die von mir im Jahre 1902 eingeftthrten Hebammendes- 
infektionskästchen, welche alle nötigen Materialien (Watte, Lysol, 
Alkohol, gläsernes Mntterrohr, Gnmmiflnger und Nabelband) zn 
einer Geburt enthalten, haben sich sehr gut bewährt und ver¬ 
dienen allgemeine EinfOhrung. Die in jedem Kästchen entiialtene 
Kontrollmarke muß bei jeder in der Monatstabelle gemeldeten 
Geburtsanzeige eingeklebt werden und dient als Kontrolle der 
Verwendung. 

Eine gut unterrichtete Hebamme, wirtschaftlich unabhängig 
nnd infolge besserer allgemeiner nnd genossener tttchtiger Fach¬ 
ausbildung, gesellschaftlich angesehen und geachtet, wird außer 
einer segensreichen, beruflichen Tätigkeit noch weiter dazu be¬ 
rufen sein, besonders auf dem Lande eine Summe von hygienischer 
Kleinarbeit zn leisten; insbesondere könnte ihre Mitwirkung in 
der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit von größtem Nutzen 
sein. Die Hebamme ist die erste Beraterin der jungen Mutter; 
sie wird zunächst dazu berufen sein, — vorausgesetzt, daß sie 
selbst durch entsprechende Erziehung nnd Unterricht zuerst davon 
freigemacht worden ist, — alteingewnrzelte Vorurteile von den 
Müttern zn nehmen und diese znm Selbststillen zn veranlassen. 
Sie wird aber auch erfol|p*eichen Einfluß ansttben auf die Be¬ 
schaffenheit der Eindermilch; ihre gesundheitsgemäße Aufbe¬ 
wahrung im Haushalt und ihre Zubereitung zur Säuglingsnahrung, 
eine Tätigkeit, die von großer Bedeutung für die Herabsetzung 
der Säuglingssterblichkeit sein müßte. Es muß festgehalten wer¬ 
den, daß, auch wenn alle hierzu befähigten Mütter ihre Kinder 
selbst stillen wollten, doch noch ein großer Prozentsatz von Kin¬ 
dern übrig bleibt, die auf künstliche Ernährung mit Kuhmilch 
angewiesen bleiben. Die Beschaffenheit dieser Milch muß aber 
hinsichtlich der Bestrebungen zur Herabsetzung der Säuglings¬ 
sterblichkeit ebenso bewertet werden, wie die Darreichung der 
natürlichen Nahrung durch die Mutterbrust. 

Daß eine gebildete Hebamme auch nach dieser Richtung 
auf dem Lande segensreich wirken könnte, dürfte keinem Zweifel 
unterliegen. Sie wird eine solche Tätigkeit mit sichtlichem Er¬ 
folge entfalten, wenn sie aufgeklärt und frei von allen Vorurteilen 
und abergläubischen Ueberlieferungen neben einer besseren, allge¬ 
meinen Bildung nicht nur eine vorzügliche Fachausbildung, son¬ 
dern auch in Verbindung damit einen entsprechenden Unterricht 
in den GrnndzOgen der Hygiene erhalten haben wird. 



542 


Dr. Beninde. 


\ 


Ein bakteriologisch - chemischer Wasserkasten. 

Von Kreisarzt Dr. Beninde in Liebenwerda. 

Der Erlaß des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts* 
and Medizinalangelegenheiten nnd des Herrn Ministers des Innern 
yom 23. April 1907 mit seiner Anleitung für die Einrieh* 
tnng, den Betrieb and die Ueberwachnng öffentlicher 
Wasserversorgangsanlagen, welche nicht aasschließ* 
lieh technischen Zwecken dienen, wird den Kreisarzt 
▼oraossichtlieh mehr als bisher zur selbständigen bakteriologischoi 
and chemischen Wassernntersachnng führen; denn wird ihm, 
was za erhoffen and za erwarten steht, die in der genannten 
Anleitang bezeichnete Bolle des hygienischen Beirats bei 
der Mehrzahl der öffentlichen Wasseryersorgangsanlagen über* 
tragen, so wird er sich nicht mit der bloßen Besichtignng der 
An^e begnügen können. Wenn anch die hohe Bedentong dieser 
Inaugenscheinnahme jedem praktischen Hygieniker klar ist, so 
läßt es sich anderseits doch anch nicht yerkennen, daß die 
mittel der bakteriologischen und chemischen Untersnehnng des 
Wassers bei Neuanlagen überhaupt nicht entbehrt werden können 
und für eine geordnete, regelmäßige Beaufsichtigung eines öffent¬ 
lichen Wasserwerkes durch einen Hygieniker als ein integrieren¬ 
der Bestand dieser werden angesehen werden müssen. 

Bei der Besprechung des genannten Erlasses im Verein 
der Medizinalbeamten des Begierungsbezirks Merseburg wurde 
denn auch bald die Frage nach einer für die genannten Zwecke 
braachbaren Zusammenstellung der Utensilien lür die bakteriolo¬ 
gische und chemischen Untersuchung laut. Es gibt yerschiedene 
sogenannte Wasseruntersnehungskästen für die bakteriologische 
und auch solche für die chemische Untersuchung; aber bisher 
bestand — soweit ich das in Erfahrung bringen konnte — noch 
kein Kasten, der in sich alles Notwendige sowohl für die bak¬ 
teriologische, als auch chemische Untersuchung beherbergte. 
Für £e Handlichkeit und Billigkeit mußte aber ein sol^er 
Kasten wesentliche Vorteile haben; denn es maßte der Gesamtpreis 
für alles erforderliche ein wesentlich geringerer werden, da yer¬ 
schiedene Gegenstände sich für beide Untersuchnngsarten gleich¬ 
zeitig benutzen lassen. Es kostet z. B. der bakteriologische 
Wasserkasten nach Geh. Bat Kirchner 220,00 M. und der che¬ 
mische nach Prof. Schreiber 60,00 M. Diese immerhin erheb¬ 
lichen Ausgaben berechtigten gewiß dazu, Ausschau nach etwas 
Billigerem und dabei Ausreichendem zu halten. 

Ich habe deshalb — auf Wunsch der Herren Kollegen des 
hiesigen Bezirks — bei der Fii’ma F. u. M. Lautenschläger- 
Berlin N 39, Chausseestraße 92 einen solchen bakteriologisch- 
chemischen Wasserkasten zusammenstellen lassen, der dort für 
den Preis yon 98,50 M. zu haben ist und alles Notwendige ent¬ 
hält. Der yerhältnismäßig sehr niedrige Preis ließ sich auch 
noch besonders dadurch ermöglichen, daß alles nicht unbedingt 
Erforderliche und alle teueren Materialien yermieden worden. 



Ein bakteriologisch •chemischer Wasserkasten. 


543 


Schließlich wurde bei der Auswahl der ütensilien noch besonders 
darauf Rücksicht genommen, daß die Sterilisierung lediglich mit 
trockener Hitze sich erreichen läßt, wie sie jedem, der auch kein 
Gas hat, in seinem Bratofen in genügender Höhe zur Verfügung 
steht. 150*^ sind hier stets zu erhalten; Istttndiges Sterilisieren 
bei dieser Temperatur genügt. Allerdings wird man jedesmal 
die Temperatur genau kontrollieren müssen. 

Der chemische Wasserkasten nach Prof. Schreiber mit 
den Tabletten von Merck, der in der Nr. 1, Jahrgang 1908 
der Zeitschrift für Medizinalbeamte eingehend beschrieben ist, 
dürfte in seiner Art das Zweckmäßigste darstellen, daß wir für 





unsere Zwecke für die chemische Untersuchung haben. Ich habe 
deshalb für den chemischen Teil des Kastens die von Prof. 
Schreiber in der genannten Nummer der Zeitschrift für Medi¬ 
zinalbeamte beschriebenen Tabletten nach E. Merck-Darmstadt 
verwendet. Die Utensilien habe ich auch hier auf das Notwen¬ 
digste beschränkt und nur das ergänzt, was nicht bereits vom 
bakteriologischen Teil zur Verfügung steht. Ich möchte hier 
noch ausdrücklich betonen, daß es sich bei dem chemischen Teil 
des WasseruntersQchangskastens um nichts weiter handelt, als 
gewissermaßen um den genannten Schreiberschen chemischen 
Wasserkasten, der mit einem bakteriologischen in einen einzigen 
vereinigt ist. Zur chemischen Analyse wird demnach die An¬ 
leitung von Prof. Schreiber und Dr. Eint (E. Merck in 
Darmstadt) benutzt werden müssen. 

Der bakteriologische Teil des Kastens ist für 2 Unter¬ 
suchungen berechnet und enthält folgendes: 

12 Böhrchen mit Gelatine and Gammikappen, 














544 


Kleinere Mitteilnngen ond Befente ans Zeiteohriften. 


2 ErlenmeyerkSlbehen sn 100 g Ktr die WMaerentnahme, 

1 IHefentnahmeapparat nach Bonx, mit einem Erg&nzongikOlbehen; 
diene KOlbehen können Ton Lantenschliger jeweilig bezogen werden, 

1 gnt TerecblieBbarer Spiritnebrenner mit DraUmetz and einem Rmaille- 
tOpfohen, 

1 Thermometer, 

4 gradoierte Pipetten za 0,6 ccm, eingestellt in 10 Teile, 

2 BlechbOcbsen mit Je 6 Petrischalen, 

1 Handtach zam Kühlen der gegossenen Platten im Sonuner. Die 
Platten werden aof das in kaltes Wasser getaochte and ansgehrdtete Hand« 
tnch gestdlt Es entwickelt sich znr Erstarrong der Gelatine genügend KUte. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. OnrlohtUoh« Mndlsiii. 

Eine mene ehemische Blatprobe. Von DelOarde and A. Benoit. 
Comptes rendos de la soc. de biol.; LXIV. 1008, Nr. 20. 

Die Antoren empfehlen die Anwendung des Ton Meyer «München 19<M 
angegebenen Beagens zur Prüfung auf Blot, das bereits vorher von Kastle 
and Scheede zam Nachweis von Ozydgasen angewandt worden war. 

In einem Erlenmeyersehen KOlbchen wird eine Mischung von 2 g 
PhenolphtalOin, 20 g KiO, gelOst in 100 g destilliertem Wasser, and 
10 g Zinkstaub zam Sieden gebracht. Die Hischang ist anfangs rot, entfirbt 
sich allmählich anter dem Einflasse des darch die Einwirkong von Kalilaoge 
auf Zinkstanb entstehenden naszierenden Wasserstoffs. Wenn die vollkommene 
Entfärbong erzielt ist, filtriert man die siedende Flüssigkeit Die so erhaltene 
alkalische LOsong von Phenolphtalin, die darch Bedoktion des Phenol- 

S htalelns entstanden ist, stellt das Meyer sehe Beagens dar. Setzt man 
em Fläschchen eine kleine Menge Zinkstanb hinza, so hält sich die LOsong lange. 
Zar üntersachong aof Blat gibt man in ein Beagensglas 2 ccm der zu 
untersachenden Flüssigkeit, 1 ccm des Beagens, and lügt 2 oder S Tropfen 
frischen Wasserstoffsaperoz^ds hinza. 

Bei Anwesenheit der geringsten Blatsparen nimmt die Flüssigkeit sofort 
fachsinrote Färbung an, deren Stärke nach der Menge des in der nntersuohten 
Flüssigkeit enthaltenen Blotes variiert. Gleichzeitig entsteht ein Schaum, der 
sidb rosa färbt. — Durch die Zersetzong des Htöt durch das Hämoglobin 
des Blutes geht die ungefärbte Verbindung von oxydiertem Phenolphtalin in 
Phenolphtaleiu über und die alkalische Mischung nimmt ^e Botfärbung dieses 
Körpers an. Das Blut spielt bei der Beaktion die Bolle eines indirdet oxy« 
dierenden Fermentes, das unfähig ist, direkt den Sauerstoff zu fixieren und 
gezwungen ist, diesen KOrper dem 0reichen H>Oi zu entnehmen. 

Die zu untersuchende Flüssigkeit darf nicht etwa durch einen Gehalt 
an Säure das Beagens neutralisieren; sie darf ferner nicht über 26* warm sein. 

Die Beaktion muß sofort eintreten; jede Färbung, die erst nach einigen 
Standen eintritt, ist ohne Wert, da sie nur beweist, daS die Mischang darch 
die Luft oxydiert worden ist. 

Das Beagens ist feiner als die Gaajaktinktor und Barbaloin;*) in der 
Verdünnung 1 : 1 Million zeigt Blut noch eine Bosafärbung des Bei^^ens, 
während spektroskopisch die charakteristischen Haemoglobinstreifen mit so 
verdünntem Blut nicht erhalten werden. 

Das Haemoglobin braucht nicht unverändert zu sein; alle Derivate des 
Haemoglobins, das Methaeglobin, das salzsaure Hamnatin, das redozierte 
Haemoglobin, getrocknetes oder gefaultes Blut verhalten sich dem Beagens 
gegenüber, wie frisches Blut. Auch nach Kalzinierung des Blutes und Be¬ 
handlung der Asche mit dem Meyer sehen Beagens tritt sofort die charak¬ 
teristische Botfärbung ein. — Mit einem Schädel, der 26 Jahre lang im 
Laboratorium für gerichtiche Medizin der Fakultät von Lille aalbewahrt war 
und der Blutflecken zeigte, konnten die Verfasser eine eindentige Beaktion 
erhalten. Dr. Mayer-Simmem. 


*) Vergl. J. Moitessier: üeber die Bolle der Peroxydase beiden mit 
dem Blute erhaltenes Farbenreaktionen. Zeitschr. f. Med.-Beamte; 1906, S. 45. 


I 



E^leinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


545 


Ueber die ehemtgehe Prflfdngr avf Blat ln den organlgehen Sekreten. 
Von Del6arde und Benoit. Comptes rendns de la soc. de biol.: 190B, 
Bd. LXIV, Nr. 21. 

Bei ünteisnchnng anl Blat in organischen Flttssigkeiten mittelst 
des Meyer sehen Reagens kommt es darauf an, sich gegen eine Einwirkung 
der yerschiedeneu organischen Fermente, die sie enthalten können, zu schtttzen. 

Blutflecken: Boi gerichtlich medizinischen Untersuchungen auf Blut 
nimmt man den verdächtigen Fieck mit destilliertem Wasser auf und wendet 
die Meyersehe Reaktion in einem Reagensglase an. Eine direkte Unter« 
Buchung des Blutes auf dem Substrat des Fleckes bietet dem Reagens eine 
zu große Ozydationsfläche dar und empfiehlt sich daher nicht. 

Harn: 2 ccm Harn, 1 ccm Reagens und 2—3 Tropfen HiOa werden 
gemischt. Beim Auftreten einer Rosaiärbung darf man auf Biutgehalt schließen. 

Holz, Tannin, Chlorophyle, Brot, Papier, verschiedene Gewebe, Erde sind 
gegenüber dem Reagens indifferent. 

Bei Untersuchung organischer Substanzen auf Blut — etwa Getreide« 
mehl — empfehlen die Verfasser, vorher durch Erhitzen die organischen Fer« 
mente zu zerstören, die auf das Reagens wirken können. 

Eiweiß, Gallenpigmente, Urobilin, Glukose, Harnsäure, Urate, Phos« 
phate, Indikan, Azeton, Eiter des Harns wirken auf das Reagens nicht, 
ebensowenig Medikamente, die man im Harne finden kann, wie Salizylsäure, 
Antipyrin, Jodide, Bromide. Dr. Mayer«Simmern. 


Die Erkennung des Todes dureh Ertrinken mittels BlntkSrperehen« 
ilhlnng. Von L. Vorderenu. Bevista de dencias medicas de Barcelona; 
1908, Nr. 2. 

Mit Hilfe der Blutkörperchenzählung läßt sich ermitteln, ob Tod durch 
Ertrinken vorliegt oder nicht. Das linke Herz ertränkter Tiere enthält pro 
Kubikzentimeter weniger Blutkörperchen als das rechte. Die hämolytische 
Wirkung anisotoniacher Ertränknngsfliissigkeit stört die Verwertung des Unter« 
snehungsergebnisses nicht, da die Verminderung der Blutkörperchenzahl in 
jedem Falle von dem Uebertritt des Wassers in das Blut herrtlihrt. Nur muß 
man sich gegenwärtig halten, daß die Verminderung der Blutkörperchenzahl 
größer ist, als der Verdünnung des Blutes entspricht. 

Verdereau experimentierte an 23 Hunden und Kaninchen, die teils in 
Süß Wasser, teils in Meerwasser ertränkt wurden. Die Obduktion fand meist 
sofort, in wenigen Fällen später (bis zu 30 Standen) statt. Das linke Herz 
der in Sttßwasser ertränkten Tiere enthielt pro Kubikzentimeter 2 268(KX) bis 
4 760 (XX), das rechte Herz 6320000 bis 112Ö0000 Biutkörper. Tiere, die in 
Meerwasser ertränkt waren, zeigten keine so ausgesprochene Verminderung der 
Blutzellen (linkes Herz 6 070 (XX) bis 6630000, rechtes Herz 7400000 bis 
8160000). Verfasser nimmt an, daß die hämolytische Wirkung des Meer« 
Wassers weniger kräftig ist, als die des Süßwassers, doch dürfte auch die 
stärkere Transsudation von Serum aus den Kapillaren in die Alveolen, welche 
das Eindringen von Meerwasser in die Luftwege zu begleiten pflegt und zu 
starkem Lungenödem führt, in Betracht kommen. Auch in den Fällen, in 
denen eine isotonisebe Flüssigkeit (Lockesche Flüssigkeit) als Ertränkungs« 
medium diente, war der Blutkörperchengehalt des linken Herzens vermindert 
(linkes Herz 6 360 (XX) bis 5900000, rechtes Herz 77200(X) bis 8020 (XX)). 
Wurde das Wasser nicht auf dem Wege der Lungenkapillaren, sondern durch 
Einspritzen in die V. Jugularis in die Blutbahn gebracht, so ergab sich bei der 
Obduktion, daß im Gegensatz zum Ertriukaogsbeland das Blut des rechten 
Herzens mehr verdünnt war. Durch bloßes Eintauchen der Leiche in Wasser 
wurde eine Blatverdünnung nicht herbeigeführt. — Hinsichtlich der praktischen 
Verwertung der Blutkörperchenzählung hat Referent a. a. 0. (Zeitschrift für 
Medizinalbeamte; 1907, H. 10) darauf hingowiesen, daß nicht immer ganz zu« 
verlässige Werte erhalten werden, da die postmortale Eindickung und Ge« 
rinnselbudung mitunter große Unterschiede in der Zusammensetzung des Blutes 
beider Herzhälften schafft. Dr. Revenstorf -Hamburg. 



64« 


Kleinere Kitteilnngen nnd Referate ans Zeiteohriften. 


Nene Unteranehnngen Uber die Bednktien des Ozyhaemoglobins mwh 
dem Tode. Von Jean Gantrelet nnd Pierre Lande. Bäonion biolo^qne 
de Bordeanz. (Ans den Laboratorien für Physiologie nnd gerichtliche Med^in). 
Oomptes rendns de la soc. de biol.; 1908, Bd. L^V, Nr. 21. 

Die Versuche der Verfasser *) ergaben: 

1. Die Zeit, innerhalb deren das Ozyhaemoglobin reduziert wird, schwankt 
sehr. Das Verschwinden des Ozyhaemoglobins in einem beschränkten Zeitraum 
darf daher nicht als sicheres Todeszeichen angesehen werden. 

2. ln allen Fällen, in denen das Herz als nltimum moriens nach der 
Atmung stille steht (Erstickungen, Vergiftung durch Strychnin, durch Blau> 
säure), findet eine Verteilung im Kreislauf derart statt, daß im 1. und im 
r. Herzen die Reduktion des Blutes etwa gleichzeitig vor sich geht. 

8. Haematoskopisch lassen sich in bezug auf die Dauer der Reduktion 
die Todesarten in 2 Gruppen teilen: die Asphyxien und die Nicht-Asphyzien. 

4. Bei den letzteren zeigt sich das Reduktionsvermögen der toten Gewebe 
gegenüber dem Blute erst innerhalb längerer Zeiträume. 

Einige Versuche seien erwähnt: Strychninvergiftung beim Kaninchen. 
Es treten Nackenstarre, allgemeiner Staarkrampf, Zuckungen ein. Tod nach 
8 lünuten. Nach Eröffnung des Brustkorbs: Kontraktion der Arterien und der 
Ventrikel, AUorhythmie. Nach 7 Minuten ist das Haemoglobin des Blutes im 
rechten Herzen, nach 10 Minuten im linken Herzen ganz reduziert. — Ein 
anderer Versuch: Tod durch Chloroforminhalation; bei Eröffnung des Thoraz 
des Kaninchens einige fibrilläre Herzkontraktionen. Das venöse Blut ist in 
85 Minuten, das arterielle erst nach 6 Stunden reduziert. 

Tod durch Erfrieren innerhalb einer Stunde: Die Tiere sterben unter 
dyspnoischen Erscheinungen. Das venöse Blut ist in 4 Stunden reduziert, das 
arterielle noch nicht nadi 6 Stunden. 

Der Tod eines Kaninchens in siedendem Wasser fand innerhalb 
80 Sekunden statt — der Kopf war außerhalb der Flüssigkeit gehalten worden. 
In weniger als 5 Minuten war arterielles und venöses Blut ganz reduziert. 

_ Dr. Mayer*8immern. 


Ueber einen Fall von Vei^ftung nach Formamlnttabletten. Von Dr. 
Glaser-Lippehne. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 26. 

Verfasser berichtet einen ähnlichen Fall, wie seiner Zeit R o t e r s. Nach 
Genuß von 2 Formaminttabletten stellten sich nach ca. 4 Stunden zwei mark* 
stückgroße Quaddeln am Halse ein, die heftiges Jucken verursachten. Es 
bildeten sich dann während der Nacht noch mehr Quaddeln nnd am anderen 
Tage traten Kopfschmerzen, Uebelkeit nnd Erbrechen hinzu. Patient bot dann 
das BUd einer schweren Urticaria. Der ganze Körper, von Stirn und Augen* 
Uder bis zu den Fußsohlen, war mit zahllosen Quaddeln bedeckt, die einen 
unerträglichen Juckreiz austtbten. Außerdem bestanden heftige Kopfschmerzen, 
Appetitlosigkeit und Erbrechen. Kein Fieber; Urin eiweißfrei. Der Zustand 
dauerte acht Tage. Patient gab an, daß er 3 Wochen vorher nach Genuß nur 
einer Formaninttablette auch vereinzelte juckende Quaddeln bekommen habe; 
sonst hat er noch nie an Urticaria gelitten, so daß der oben goschUderte 
Symptomenkomplez wohl auf eine tozische Wirkung der Formaminttabletten 
zurückgeführt werden muß. _ Bpd. 


Vergiftung oder Idiosynkrasie mit besonderer Berttckslcbtigung des 
Formamints. Von San.-Rat Dr. Rosenberg*Berlin. Medizinische ERnik; 
1908, Nr. 28. 

Verfasser, der seinerzeit das Formamint in den deutschen Arzneischatz 
eingeführt hat, wendet sich gegen den von Dr. Glaser-Lippehne in Nr. 25 
der medizinischen Klinik veröffentlichten Fall von angeblicher Formamint* 
Vergiftung, bei dem es sich doch um einen offensichtlichen Fall von Idio* 
synkrasie handele. Das sei aber nie eine Vergiftung; das seien Erscheinungen, 
dde lediglich Folgen einer individneUen abnormen Reaktion des Organismus 
seien, aber nie Nebenerscheinungen des betreffenden Präparates. Wenn jemand 
Verkanfsbesebränkungen bei einem Mittel verlange, von dem bei manchen 


Vergl. Zeitschrift f. Med.*Beamte; 1908, S. 869. 



E^leinere Mitteilangen and Kel'erate ans Zeitschriften. 


647 


Menschen solche IdiosTnkrasien hervorgerafen seien, so mflsse er auch ein 
Verbot der freien Abgabe mancher Qenoßmittel, wie Erdbeeren, Krebse nsw. 
verlangen. Er geht dann noch näher anf den indifferenten Charakter des 
Formamints ein, der durch die Tierversnche wie daich Erfahrungen und Vor* 
kommnisse in der Praxis deutlich erwiesen sei. Bpd. 


Ueher den Tod durch Stun aus der Hdhe« Von Dr. Camillo Tovo 
Assistent am Institut ftlr gerichtl. Medisin der Universität zu Turin (Prof 
Carrara). Vierteijahrsschr. Ittr gerichtl. Medizin usw.; 8. F., KXXV, H. 2 

Aul Grund der in der Literatur niedergelegten und mehrerer eigenen 
Beobachtungen werden die in Betracht kommenden Verhältnisse und Ver¬ 
letzungen mit Bticksicht auf die Fragen abgehandelt: 1. Ist der Tod durch 
Sturz aus der Hohe erfolgt? 2. Fand der Sturz vor oder nach dem Tode 
statt? 3. Liegt Mord, Selbstmord oder Unfall vor? 

Zn 1. hebt Verfasser die nahezu regelmäßigen zahlreichen Knochenver¬ 
letzungen hervor, die diese Todesart vor anderen, durch stumpfe Gewalt er¬ 
folgenden auszeichnen, ferner einige auf Muskelwirknng zurttckzuftthrende 
Verletzungen. 

Zu 2. sind außer den allgemeinen Kennzeichen vitaler oder postmortaler 
VeHetzungen auch einige Erfa&utagen ttber die Häufigkeit, Form und Lokali¬ 
sation der Knochen- und Organverletzungen beim Sturz des Lebenden oder der 
Leiche heranzuziehen. 

Zu 3. wird besonders darauf aufmerksam gemacht, daß beim Selbstmord 
gegenüber dem Unfall der Sturz auf die unteren Gliedmaßen überwiegen und 
daß dadurch ein charakteristischer Komplex von Verletzungen entstehen soll. 
Ferner sprechen indirekte Verletzungen der Knochen und Weichteile, die auf 
Muskelzug beruhen, für Selbstmord. 

Alle Einzelheiten sind Im Original einzusehen. 

Dr. Fraenckel-Berlin. 


Zwei Gutachten als Beitrag au der Frage Selbstmord oder Unfall. 
Von Pref. Dr. E. Giese-Jena. 'Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin 
uzw.; 3. F., XXXV., 2. 

Ein auf der Jagd pldtzlich verstorbener Mann zeigte eine Nahschuß- 
wunde an der linken Schläfe, deren Znstandekommen von den zwei Gutachtern, 
dem Fachmann in Schießangelegenheiten, einem Oberförster, und dem Verfasser 
als Gerichtsarzt. verschieden gedeutet wird. Während der erstere, wesentlich 
auf Hypothesen und psychologische Setrachtnngen gestützt, einen Unfall an¬ 
nimmt, gelangt der Verfasser auf Grand des Tatsachenmaterials zu der Wahr¬ 
scheinlichkeit eines Selbstmordes. Diese Tatsachen sind: Lage der Einschuß- 
üffnung in der Schläfengegend, die Bichtang des Schosses, eine Verletzung am 
linken Daumen, ungefähr zwischen Grund- and Endglied, die durch den etwas 
scharfrandigen Gewehrabzng leicht zu erklären ist, und schließlich der Um¬ 
stand, daß die Mütze hernntergefallen war, während bezeugt wurde, daß sie 
kurz vorher fest über den Kopf gezogen war. 

Nach dem Tode wurden in der Tat auch Verhältnisse dbs Verstorbenen 
bekannt, die die bis dahin fehlenden Motive zum Selbstmord lieferten. 

Dr. Fränkel-Berlin. 


Zur Kenntnis der kongenitalen Hantdefekte am Kopfe des Neu¬ 
geborenen. Von Baimund Keller, Medizinalpraktikant. Aus dem patho¬ 
logischen Institute in Straßbarg. Direktor Prof. Dr. ChiarL Vierteljabrs- 
Bchrift für gerichtl. Medizin usw.; 8. F., XXXV, H. 2. 

Die nicht so ganz seltenen angeborenen Hantdefekte der Neugeborenen 
bieten dem Gerichtsarzt die Aufgabe, sie von solchen zu unterscheiden, die 
durdi kriminelle Eingriffe hervorgerufen werden. Die vorliegende Arbeit 
bringt hierzu einen schätzenswerten Beitrag, indem sie alles bisher über diese 
Erkrankungsform Bekannte zusammenstellt unter Wiedergabe aller bisher ver¬ 
öffentlichten Abbildungen. Ein Fall, den der Verfasser selbst untersuchen 
konnte, betraf den 9 Monate alten Fötus einer 24 jährigen, an Endometritis 
Iddenden Frau. Der Hautdefekt saß, wie in der Mehrzahl der Fälle auf dem 
Scheitel, mitten über der Pfeilnaht nodi in die hintere Ecke der großen 



648 


Kleinere lUtteilnngen and Referate ans Zeitachiiften. 


Fontanelle hineinreichend, war rundlich und einen qcm groß. Br war m 
einem etwa 1—2 mm breitem Saum amgeben, der aarch eine scharfe Sinne 
yon der amgebenden Haut getrennt war. Die ganze Stelle war bei makro¬ 
skopischer Betrachtung im Gegensatz zum übrigen Kopfe yoUkommen haarig 
Die histologische üntersachang stellte yoUständiges Fehlen der Epidermis im 
Bereich des Defektes fest, ebenso den Mangel yon Drüsen und yon subkatanem 
Fettgewebe, wie dies der gewöhnliche Befand za sein pflegt. Ferner ergaben 
sich Gefäßerweiterangen, Sandzelleninfiltration and Blutpigment führende 
Wanderzellen. Am aaffälligsten war das bisher nie beobachtete Vorhandensein 
gat entwickelter Haare, au denen sich jedoch niemals die Kerne and Zellen 
der Warzelscheidon and Haarpapillcn nach weisen ließen. Auf Grand dieser 
Befände erörtert der Verfasser die matmaßlicho Entstehung der Anomalie. Die 
neaerdings überwiegende Anschauung führt sie aaf amniotische Verwachsungen 
zurück, yon denen man frühzeitige, im Beginn der Schwangerschaft entstehende 
und entzündliche, in jeder Graviditätsperiode mögliche, unterscheiden muß. 
Hier könnte es sich wegen der gut entwickelten Haare nur um eine nach dem 
4. Monat entstandene Verwachsung handeln, die mit der Endometritis zn er¬ 
klären wäre. Die zweite Möglichkeit, Entstehung durch Druck yom Uteros 
her, kann aber nicht abgelehnt werden. Dagegen schließt Verfasser ein Trauma 
yon außen (etwa kriminelle Absicht) aus, weil der Befand makroskopisch alle 
Eigenschaften der angeborenen Defekte bat and die tieferen Verletzungen, 
namentlich der Knochen, die man bei Traumen gewöhnlich sieht, fehlen. Die 
mikroskopische Untersagung allein gestattet in diesem Falle keine sichere 
Unterscheidong. Dr. P. Fraenckel-Berlin. 


B. Oerlohtllolie PsyoU&trle. 

Ueber einen Fall yon hysterischem Dämmerznstand mit retrograder 
Anuesle. Von Dr. Math!cs. Aus der Irrenanstalt Dalldorf. Allgemeine 
Zeitschrift für Psychiatrie; 65. Baud, 2. Heft. 

Verfasser berichtet über eine am Ende des dritten Jahrzehnts stehende 
Frau, die in yerworrenem Zustande in die Anstalt cingeliefert wurde, nachdem 
sie zuvor vorsnebt hatte, sich das Leben zu nehmen, ln der Anstalt wurde 
ein Dämmerzustand festgestellt. Hach Ablauf des Paroxysmus zeigte sieb, 
daß sie sich nicht allein auf die Vorgänge, welche ihrer Aufnahme in die 
Anstalt yoraufgingen, nicht besinnen konnte, sondern einen Erinnerangsdefekt 
hatte, der sich fast auf ihre ganze Vergangenheit erstreckte. Da die Patienten 
über ihre Persönlichkeit keine brauchbaren Angaben machen konnte, mußte 
sie in Akten und Journalen als „unbekannte Frau“ geführt werden. Einzelne 
Vorstellungen und Vorstellungskompleze aus früheren Zeiten ihres Lebens 
waren yorhanden, die auch in der Folge ziemlich unverändert bestehen blieben. 
Bei allen Explorationen und wiederholt vorgekommenen HypnoUsiorungen 
kam man hinsichtlich der Feststellung von Namen und Herkunft nur bis za 
einer gewissen Grenze; ihr Verhalten erweckte den Verdacht, daß Patientin 
absichtlich bemüht wäre, ihre Personalien zu verheimlichen. Im Jahre 1903 
wurde die Kranke in Familienpflege gegeben, und im Sommer y. J. unternahm 
sie eine Reise nach Danzig, die insofern yon Erfolg begleitet war, als es 
gelang, Persönlichkeiten ausfindig za machen, mit deren Hilfe sie dann schlie߬ 
lich identifiziert wurde. Patientin zog nun für einige Zeit za den bei Berlin 
wohnenden Verwandten, und durch den ständigen Verkehr mit ihnen warde 
die Erinnerung für die Vergangenheit zum großen Teil wieder wachgeroien. 

Der im Verlauf der weiteren Anstaltsbehandlung konstant bleibende 
Erinnerangsdefekt umfaßte im wesentlichen die Zeit vom Ende des Jahres 1901 
bis zum 6. Juli 1902, jedoch waren auch ans früheren Jahren noch einzelne 
Lücken vorhanden. Bei der Sensibiiitätsprüfung zeigte sich anhaltend Anästhesie 
des ganzen linken Armes, außerdem der linken Brust- and Baachhälfte, wobei 
die Grenze direkt in der Mittellinie verlief. Da an der hysterischen Katar 
der fcstgestellten Symptome nicht zu zweifeln war, Patientin anderseits niemals 
Zeichen einer organischen Hirnerkrankung geboten, niemals Krämpfe oder 
Schwindelanfälle gezeigt hatte, mußte auch der damalige Dämmerzustand wie 
die Amnesie als hysterisch auf gefaßt werden. Dr. Többen-Münster. 



Kleinere Mitteilangen nnd Referate aus Zeitsohriften. 


549 


Die Erwartnn^nearose. Von Dr. Max Isaerlin, Assistent der 
psychiatrischen Klinik in München. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 27. 

Ans Erfahrung wissen wir, daß „die Erwartung irgendeines Ereignisses 
eine allmählich wachsende innere Spannung erzeugt, die sich einmal in ge¬ 
wissen Trugwahrnchmungen, anderseits aber in allerlei Bewegungsantrieben 
äußert. Ist das bevorstehende Ereignis ein unangenehmes, so können die Vor- 
empftndungen äußerst peinigende und selbst schmerzhafte werden. Zugleich 
wird die Sicherheit des Handelns auf das empöndlicbsto beeinträchtigt." 

Ein ganz ähnliches, nur krankhaft vergrößertes und verzerrtes Bild, wie 
diese schon im Bereiche des normalen Lebens anzutreffenden Phänomene bietet 
nach Kraepelin die Erwartunganeurose. „Die krankhafte Entwicklung voll¬ 
zieht sich hier dadurch, daß die peinlichen Störungen nicht bei einem einmaligen, 
besonderen Anlaß auftreten, sondern daß sie sich an Vorgänge heften, die sich 
allmählich immer wieder vollziehen. Dadurch entsteht eine sich fortwährend 
steigernde und so allmählich zu ganz außerordentlichen Graden anwachsende 
Erwartungsangst, welche die gesamte Lebensführung in der nachhaltigsten 
Weise beherrschen kann." Es folgen nun mehrere Beispiele. 

Aetiologisch handelt es sich zweifellos um psychogene Störungen. Es 
sind Vorstellungen und Erwartuogsbeängstiguogen, welche die krankhaften 
Erscheinungen bedingen. Und der letzte Grund der Erkrankung liegt in einer 
psychopathischen Veranlagung, welche bisweilen ganze Familien kennzeichnet. 
Die Kranken sind meistens erblich belastete Persönlichkeiten, deren Wesen oft 
durch übertriebene Aengstlichkeit und Zaghaftigkeit ausgezeichnet ist. Als 
Veranlassungen lassen sich bestimmte Erlebnisse, welche die Störung irgend¬ 
einer Funktion mit sich brachten, häufig nachweisen.. 

Schließlich erörtert Verfasser noch die Beziehungen der Krankheit za 
Hysterie, Neurasthenie, Phobien, Unfallhysterie etc., und betont, wie wichtig 
die richtige Erfassung der Erkrankung für die Behandlung ist. Wird die 
Natur der Krankheit verkannt, so bedeuten die Heilversuche gewöhnlich nur 
Steigerung der Beschwerden, während planmäßige psychische Behandlung durch 
Hypnose selbst in sehr schweren Fällen zum Ziele führt. 

_ Dr. W a i b e 1 - Kempten. 


Ueber psychische StSruigen im Kindesalter. Von Privatdozent Dr. 
A. Schttller-Wien. Zeitschrift für die Erforschung des jugendlichen Schwach¬ 
sinns; Bd. II, H. 8. 

Verfasser teilt 3 Fälle mit, die wegen ihrer Seltenheit von Interesse sind: 

1. Ein Knabe, der seit seinem 1. Lebensjahr an einer rechtsseitigen 
Hemiplegie litt, entwickelte sich geistig ziemlich gut. Im 10. Jahre traten 
epileptische Insulte (petit mal) vom Charakter der Jacksonscheu Epilepsie 
Seit dieser Zeit hat sich auch das Wesen des Kindes verändert; es handelt 
sich um fiiguc-ähnliche Zustande. Es ist eine Heerderkrankung (vielleicht 
eine porenkephaliscbe Cyste) der linken Großhirn-Hemisphäre vorhanden; im 
Anschluß daran kam es zur Epilepsie. 

2. Bei dem zweiten Kinde handelt es sich um ein sogenanntes „Fett- 
kind", bei dem eine seit frühester Kindheit vorhandene abnorme Fettsucht, 
mangelhafte Entwicklung des Genitale und infantile Psyche festgestellt wurden. 
Scbilddrüsentherapie ohne Erfolg. 

3. Ein etwas schwächlicher, 6*/i Jahre alter Knabe ohne körperliche 
Anomalien — seit 1 Jahr erkrankt — zeigte eine eigentümliche Haltung, 
lächelnden Gesichtsausdruck, tonlose Artikulationsbewegungen mit den Lippen, 
flechtende Bewegungen mit den Händen; das Gehen bestand in einem eigen¬ 
tümlichen Hüpfen, absoluter Mutezismus, Unreinlicbkcit nnd Widerstand gegen 
Nahrungsaufnahme. Einige Wochen später trat das Gegenteil ein; er wurde 
sehr lebhaft, die Stimmung besserte sieb, die Sprache war noch etwas gestört. 
Neuerdings ist eine erhebliche Besserung zu konstantieren. Verfasser hält die 
fast 2 Jadtre dauernde Psychose für eine manische Depression. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 


Die Ausbildung in der gertcbtlichen Psychiatrie. Von W. Weygandt. 
Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 16. 

Verfasser faßt seine höchst interessanten Ausführungen über die Aus¬ 
bildung in der gerichtlichen Psychiatrie in folgenden Leitsätze zusammen: 



560 


Kleinere Mittellnngen und Referate ans ZeitBehrifleo. 


1. Die psychiatrische Prhfang mofi sich auch eingehend an! die ge¬ 
richtliche Psychiatrie erstrecken. 

2. An jeder Üniversität müssen sowohl Vorlesungen, als auch praktische 
Kurse über gerichtliche Psychiatrie gehalten werden. 

3. Jeder Mediziner ist verpflichtet, Vorlesungen und Kurse über ge¬ 
richtliche Psychiatrie zu hören. 

4. Jeder, der sich zur Physikatsprttfung und einem staatlichen Amt 
meldet, mnß drei Monate in einer Irrenanstalt tätig gewesen sein. 

5. Den Studierenden der Jurisprudenz ist der Besuch von Vorlesungen 
und Kursen über gerichtliche Psychiatrie dringend zu empfehlen und mögli^t 
zu erleichtern. 

6. Die Ausbildung in der gerichtlichen Psychiatrie ist durch Fort¬ 

bildungskurse und durch kriminalistisch-psychiatrische Vereinigungen zu 
fördern. Dr. Wa i b e 1-Kempten. 


O. Saohwerzt&ndlg^ent&tlg^keit In Unfall- und Znvalldlt&tMaol&en. 

Simulation einer Tastlflhmnng. Von Dr. Alb. Knapp, Privatdozent 
in Döttingen. Deutsche mcd. Wochenschrift; 1908, Nr. 22. 

Ein 63jähriger Mechaniker erlitt eine Fraktur des linken Scheitelbeins, 
nach der sich eine kurzdauernde Sprachstörung, eine bald schwindende Parese 
des rechten Armes und eine noch nach einem Jahre bestehende Störung des 
Tastvermögens, ein gänzlicher Verlust des stereognostischen Sinnes in der 
rechten Hand einstellte. Der Mann bezog daraufhin 60 % Rente. Nach weiteren 
2 Jahren wollte der Mann die Rente erhöht haben und simnlierte zu diesem 
Zwecke das Weiterbestehen der Tastempfiodungsstörung. In mühsamen häufigen 
Untersuchungen konnte ihn En. der Simulation überführen, bei der jener z. B. 
entgegen allgemeiner Erfahrung gar keinen Gebrauch von akustischen Ein¬ 
drücken (Klirren der zu begutachtenden Mctallstücke, Auffallen von Holz- 
gegenstanden etc.) machte, bei der er aber vor allem trotz der anscheinend 
großen Störung dos Raumsinnes eine Verkleinerung der Web ersehen Tast¬ 
kreise bei PrüSnng des jenem nächstverwandten Tastsinnes angab, während 
eigentlich eine Vergrößerung der Tastkreise hätte bestehen müssen. Die 
Kürzung der Rente auf 20—30**/« wurde empfohlen. 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Ein Fall von Zerreissnng des Ductus thoraclous infolge von Brnst- 
quetschnng. Von Dr. Oeken, Krankenhausarzt in Castrop i. W. Münchener 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 22. 

Verfasser berichtet ausführlich über einen Fall, bei dem es sich um eine 
durch Brustquetschung entstandene Verletzung des Ductus thoradcus and der 
rechten Pleura ohne Nebenverletzungen des knöchernen Brustkorbes und der 
übrigen Brustorgane handelte. Die Verletzung erfolgte bei dem 20jährigen 
Bergmann dadurch, daß ihm aus geringer Höhe schwere Steinmassen auf den 
Rücken fielen, wobei er derart verschüttet wurde, daß nur die obere Bmst- 
partie, -^opf und Arme frei blieben. Der Verletzte starb 14 Tage nach dem 
Unfälle* 

Die Sektion ergab folgendes: Nach Eröffnung der Bauchhöhle sieht man 
die re hte Zwerchfellhälfte den rechten Rippenbogen ca. 8 Querfinger breit 
nach unten überragen, die Leber nach abwärts gedrängt und derart nach Hnln 
verlagert, daß der sonst horizontal verlaufende untere Rand in vertikaler 
Richtung die Mittellinie um 2 cm überragt. In der Bauchhöhle keine freie 
Flüssigkeit. Die linke Zwerchfellkoppe steht in normaler Höbe. Ans der 
eröffneten Brusthöhle bezw. aus dem rechten Brustfellraum werden ca. 6 Liter 
einer milcbigschokoladcfarbigen Flüssigkeit entleert; die rechte Lunge ist bn 
auf Faustgroße nach dem Hilus zu komprimiert. Rechts von der Wirbelsäule 
und auf dem Zwerchfell mehrere Blutgerinnsel; nach Entfernung derselbm 
sieht man direkt oberhalb des Zwerchfellansatzcs rechts von der Aorta in der 
Pleura mediastinalis eine für einen dicken Bleistift durchgängige Oeffnnng, aus 
der sich auf schiebenden Druck von unten her Milchsaft entleert. Rechts von 
der Oeffnung verläuft die intakte Vena azygos. Der Ductus thoradcus ist von 



Kleinere Mitteünngen nnd Referate ans Zeiteohriften. 


651 


der Oeffnang ans als einzelner Gang nicht anfznflnden, er besteht vielmehr 
oberhalb nnd unterhalb derselben ans einem Geflecht feinster Lymphgefäße, 
die schwer zn präparieren nnd zn isolieren sind. An den der Vorderflä^e der 
Wirbel anliegenden Bändern nnd an den WirbelkOrpern selbst ist keine Spnr 
einer Verletzung nachweisbar. Auch ist kein Eippenbrnch an Anden. Die 
linke BrnstbSble enthält keinerlei Flüssigkeit. ' 

Bezüglich des Verletznngsmodns läßt sich vielleicht annehmen, daß die 
ans geringer Höhe niedcrfallenden Steinmassen den Mann derart verschütteten, 
daß Bauch nnd Brustkorb zusammengedrückt worden nnd derselbe nnr durch 
stärkstes Hintttberbengen der Wirbelsäale atmen konnte; dadurch worden die 
vor der Wirbelsäule liegenden Weichteile stark gespannt. Es kam hierzu die 
durch CO s-Ansammlung angeregte, auf das stärkste angespannte Kontraktion 
der Zwerchfellmnsknlatnr; durch letzteres erscheint der Eiß direkt oberhalb 
des Zwerchfellansatzes einigermaßen plausibel, jedoch ganz klar nnr durch die 
Annahme, daß an der zerrissenen Stelle eine nachher natürlich nicht mehr 
nachweisbare abnorme Erweiterung (Cbylangiektasie) und Vorwölbnng des 
Milchsaftganges bestand nnd demnach eine sog. pathologische Enptur vorläge. 

_ Dr. Wai bei'Kempten. 


Zwei Fälle von Lnngenerkranknng im Anschluss an einen Unfall« 
Von Dr. Wilhelm Baumann in München nnd Dr. M. Groedel in Bad Nan« 
heim. Deutsche med. Wochenschrift; 1908, Nr. 21. 

Die Verfasser teilen zwei Fälle mit, die zwar selbst nicht Gegen¬ 
stand der Unfallbegutachtnng wurden, die aber für die Praxis derselben 
recht lehrreich sind. Einmal handelte es sich um eine ausgedehnte rechts¬ 
seitige Pneumonie nach Sturz mit dem Eade beim gleichzeitigen Tragen 
eines schweren Korbes auf dem Rücken; es trat sofort blutiges Sputum 
unter starken Schmerzen auf. ln den ersten Tagen war der Verlauf sehr 
stürmisch, jedoch ging die Krankheit in Genesung über. Im zweiten Falle 
wurde ein kräftiger 20jäbriger Mann beim Eingen gegen die rechte 
Brnstseite getroffen; er erkrankte sofort und zeigte das Bild einer rechts¬ 
seitigen Pneumonie. Nach 12 Tagen Exitus nach vorheriger heftiger HaemoptoS. 
Die Autopsie bestätigte nicht die Pneumonie, sondern ergab neben Pleuritis 
und Pericarditis eine Fraktur der rechten ersten Rippe mit epipleuralem, nach 
abwärts nnd median verschobenem Haematom. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Schenkelbrnch nnd Unfall. Entscheidung des Eeichsver 
Sicherungsamts vom 2. März 1908. Kompaß; 1908, Nr. 14. 

Nachprüfung des gesamten Sachverhalts hat das E.-V.-A. keinen Anlaß 
gefunden, den Entscheidungen der Vorinstanzen entgegen zu treten. Auch die 
Ausführungen des Klägers in der Eekursinstanz und das Ergebnis der Beweis¬ 
aufnahme konnten nicht zu einer abweichenden Stellungnahme führen, weil 
dadurch die Gründe der Vorentscheidung in keiner Weise wiederlegt werden. 
Dem vom Kläger beigebraebten Gutachten des Prof. Dr. Fi. insbesondere war 
keine Bedeutung bcizulcgen, da die von diesem Arzte entwickelte Ansicht über 
die Entstehung von Schenkelbrüchen mit der sonstigen wissenschaftlichen Er¬ 
fahrung, die von hervorragenden Aerzten, wie z. B. von dem Geheimen San.- 
Bat Prof. Dr. Körte in Berlin in seinem in den Amtlichen Nachrichten des 
B.-V.-A. 1903 Seite 616 veröffentlichten Gutachten bezeugt wird, in Wider¬ 
spruch steht. Nach der in der medizinischen Wissenschaft als richtig aner¬ 
kannten Erfahrung geht die Entstehung der Schenkelbrüche in der Regel ganz 
allmählich vor sich, indem das Bauchfell an einer neben der Schenkelvene be¬ 
findlichen schwachen Stelle sich vorwölbt und so einen Brnchsack bildet, in 
den dann Eingeweide eindringen. Die Entstehung eines Schenkelbruchs nach 
Verletzung ist mit Rücksicht auf den anatomischen Bau des Schenkelkanals 
noch sehr viel seltener als die traumatische Entstehung von Leistenbrüchen, 
die bekanntermaßen ebenfalls zu den größten Seltenheiten gehört. 

Im vorliegenden Falle war schon die Art der Verletzung nicht geeignet, 
den in Rede stehenden Bruchschaden hervorzumfen. Nach der vom Zeugen 
K. bestätigten Angabe des Klägers ist dieser ausgeglitten nnd auf die li^e 
Hand nnd die linke Körperseite gefallen. Der Bruchschaden befindet sich 



562 


Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften. 


dagegen auf der rechten vom Fall nicht betroffenen EOrperseite. Gegen die 
Entstehung des Braches durch den Unfall spricht ferner, daß der Zenge K. 
unmittelbar nach dem Falle des Klägers eine eigroße ErhQhong an der rechten 
Eörperseite wahrgenommen hat. Würde das weiche Gewebe, welches für ge¬ 
wöhnlich die Lücke neben der Schenkelvene, den sogenannten Schenkelkanal 
yerschließt, durch den Fall yerletzt und zerrissen worden sein, so bitte 
im anmittelbaren Anschlaß an die Verletznng eine Heryorstülpnng des Baach¬ 
fells mit Nachdringen der Eingeweide nicht erfolgen können. Denn nach 
wissenschaftlicher Erfabrang entwickelt sich diese Heryorwölbang des Baach¬ 
fells erst ganz allmählich, indem das Baachfeil, das an der betreffenden Stelle 
seiner normalen Stütze beraubt ist, yorgedrängt wird and eine Art Sack 
bildet, in den später Eingeweide eintreten. Das yom Zeugen E. sofort wahr¬ 
genommene Heryortreten des Braches spricht also gerade gegen die Entstehung 
des Braches durch den Unfall. Dagegen spricht weiter, daß der Kläger, nach¬ 
dem er längere Zeit an der Arbeitsstelle antätig zagebracht hatte, imstande 
gewesen ist, allein and ohne fremde Hilfe aas der Grube aaszufahren and in 
die Behandlang des Dr. M. sich za begeben. Eine plötzliche gewaltsame 
Entstehung des Braches würde mit schweren Krankheitserscheinungen, insbe¬ 
sondere nahezu anerträglichen Schmerzen und Entzündnngserscheinnngen yer- 
banden gewesen sein, die dem Kläger jede körperliche Anstrengang unmöglich 
gemacht und ihn auf die Inanspruchnahme fremder Unterstützung angewiesen 
hätten, ln Uehercinstimmung hiermit steht die Tatsache, daß Dr. M. bei der 
yon ihm noch am Unfalltagc yorgenommenen Untersachung des Klägers weder 
Beiz- oder Entzundungserscheinungen, noch eine Geschwulst oder einen Brach 
festgestellt hat. Dieses Fehlen jeglicher Geschwulst bei der ersten ärztlichen 
Untersuchung erklärt sich yermutlich dadurch, daß der Kläger beim Aasfahren 
aas der Grabe and beim Gehen die Hände gegen die schmerzende rechte 
Körperseite gepreßt and dabei die von E. dort wahrgenommene Erhöhnng oder 
Geschwulst, das heißt den Eingeweidebrueb in den Leib zurückgedrückt hat. 
Das wäre dem Kläger nicht möglich gewesen, wenn es sich am einen plötzlich 
darch gewaltsame Dehnung und Zerreißung des Bauchfells entstandenen Ein- 
geweideaustritt gehandelt hätte. Bei der Aufnahme des Klägers in das 
Enappschaftslazarett in Salzbach am Tage nach dem Unfälle fanden sich eben¬ 
falls keine Zeichen einer Verletzung an der rechten Bauchseite yor, wohl aber 
zeigte sich dort der inzwischen wieder hervorgetretene Eingeweidebrach in 
Gestalt einer etwa halbhühnereigroßen Anschwellung, über welcher die Haat 
yöllig normale Beschaffenheit nnd Verschieblichkeit aufwies. Dr. J., in dessen 
Behandlang der Kläger am 19. August 1906 trat, stellte ebenfalls einen 
Schenkelbrach fest, welcher zwar Einklemmungserscheinungen erkennen ließ, 
aber trotzdem yerhältnismäßig leicht sich zurttckbringen ließ. 

Aaf Grund aller dieser Tatsachen and Erwägangen hat aach das 
B.-V.-A. nicht die Ueberzeugung gewinnen können, daß der Unfall yom 10. Jali 
1906 den rechtsseitigen Schenkolbruch des Klägers hervorgerufen hat, and daß 
die yon Dr. J. am 19. August 1906 Vorgefundenen Einklemmangserscheinangen 
mit jenem Fall des Klägers in ursächlichem Zusammenhang stehen. Das 
B.-V.-A. ist vielmehr in Uehercinstimmung mit den Entscheidangen der Vor¬ 
instanzen der Auffassung, daß das Bruchleidcn des Klägers aas angeborener 
oder anmerklich entstandener Anlage allmählich sich entwickelt hat and bei 
dem Fall des Klägers am 10. Juli 1906 nach außen hin nur zufällig in die 
Erscheinang getreten ist. Der Vorgang yom 10. Jali 1906 bildete somit nor 
die Gelegenheit, nicht aber die Ursache für den Brachaastritt; er ist der 
Anlaß nur für die Entdeckung, nicht für die Entstehung des Brachleidens 
gewesen. 


Verfahren nnd Kostenregelang bei Obduktion von Leichen Unfall¬ 
verletzter. Bescheid des Beichs-Versicherangsamtes vom 
21. Mai 1908. 

Maßgebend für das Vorgehen bei Leichenöffnungen gelegentlich einer 
UnfaUontersachung ist im Königreiche Preaßen die Verfttgong der Minister 
des Innern and für Handel and Gewerbe yom 3. Oktober 1903 — 
(Ministerial-Blatt der ; Handels- and Gewerbeyerwaltang, Jahrgang 19C^, 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


653 


S. 888).*) Nach dieser Verfttgnng haben die OrtspolizeibehOrden von Amts- 
wegen die Frage nach der Notwendigkeit der Ansgrahnng und Oeffnnng der 
Leiche eines Vemnglückten zu prüfen und erforderlichenfalls anf ihre Kosten 
die Leichenöffnung herbeiznführen. Anf Ersuchen einer Berufsgenossenschaft 
sind die Ortspolizeibehörden in jedem Falle verpflichtet, ohne weiteres die 
Leichenöffnung in die Wege zu leiten; in diesem Falle hat die Berufsgenossen¬ 
schaft die entstandenen Kosten zu tragen. Im vorliegenden Falle hätte daher 
allein die Frage zweifelhaft sein können, ob die Depesche der Bemfsgenossen- 
sdiaft, in welcher die Leichenöffnung beantragt wnrde, als eine Anregung oder 
ein Ersuchen anfznfassen war, d. h. ob die Kosten von der Ortspolizeibohörde 
oder von der Berufsgenossenschaft zu tragen waren. Da die Berufsgenossen- 
schaft ihre Kostenerstattungspfliebt jedoch anerkannt hat, so scheidet diese 
Frage ans. Der Ortspolizeibehörde lag es ob, der Verfügung vom 3. Ok¬ 
tober 1903 entsprechend alles zu veranlassen, was zur ordnungsmäßigen Vor¬ 
nahme der Leichenöffnung erforderlich war. Insbesondere war von ihr der 
E^reisarzt zu ersuchen, die Leichenöffnung vorznnehmen, ferner fcstznstellen, 
ob die Unterbliebenen mit der Leichenöffnung einverstanden waren, endlich 
ein Zeugnis des Kreisarztes darüber zu erfordern, ob der Ausgrabung sanitäts¬ 
polizeiliche Bedenken entgegenstanden. Die ihr dadurch erwachsenen Kosten 
hatte sie von der Berufsgenossenschaft einzozieben. 

Was die Gebührenberechn ung dos Kreisarztes anlangt, so kommt das 
Gesetz vom 9. März 1872 und nicht die Preußische Gebührenordnung für 
approbierte Aerzte und Zahnärzte vom 16. Mai 1896 zur Anwendung; denn 
der Kreisarzt ist von der Ortspolizeibehörde mit der Leichenöffnung beauf¬ 
tragt. Für die Anwendung des § 3 des Gesetzes vom 9. März 1872 ist 
nicht erforderlich, daß der Auftrag von der Vorgesetzten Dienstbehörde 
erteilt ist; es genügt vielmehr jeder Auftrag eines Gerichts oder einer Behörde, 
der das Recht auf Rechtshilfe zusteht. 

Zweifelhaft könnte nur sein, ob man so weit gehen darf, anzuerkennen, 
daß ein unmittelbares Ersuchen der Bernfsgeuossenschaft an den Kreisarzt 
gleichfalls die Anwendung des Gesetzes vom 9. März 1872 bedingen würde. 
Deim die Bernfsgenossenschaft ist keine eigentliche Behörde, wenn ihr auch 
durch § 144 des Gewerbe-Unf.-Vers.-Ges. das Recht auf Rechtshilfe ver¬ 
liehen ist. Trotzdem wird man namentlich hinsichtlich der Gebühren für 
Leichenöffnung die Frage bejahen müssen, da die Gebührenordnung vom 
15. Mai 18% nur eine Gebühr für die Sektion einer Leiche „infolge Privat- 
auftrags“ vorsieht, und die höhere Honorierung der privaten Leichenöffnung 
ihren Grund darin hat, daß die im öffentlichen Interesse vorgenommene 
Sektion einen Akt der Notwendigkeit, die private dagegen in der Regel einen 
Akt des persönlichen Interesses von Privatpersonen darstellt. Die auf Grund 
des Ersuchens einer Bernfsgenossenschaft vorzunehmende Leichenöffnung 
bezweckt, Verhältnisse klar zu stellen, die im wesentlichen öffentlich-rechtlicher 
Natur sind, und dient an sich nicht privaten Interessen. 

Die Regelung der Kostenfrage kann unbedenklich in gleicher Weise wie 
bisher erfolgen, wenn sich ans der unmittelbaren ZaMung der Kosten an die 
Fordernngsberechtigten keine Zweifel ergeben. In Zweifelsfällen dagegen 
empfiehlt es sich, die Kosten durch die Ortspolizeibehörde begleichen zu lassen 
und dieser die verauslagten notwendigen Kosten zu erstatten. 


D. Bakteriologie, Infekttonskrankheiten und fiffentliohee 

Sanitätflweaen. 

Bakteriologie, Infektionekrankhelten and andere Krankheiten. 

Zur Dfagnose der Syphilis. Von Privatdozent Dr. Naegeli - Ackerblom 
und Dr. Vernier. Therapeutische Monatshefte; 1908, Heft 4. 

Die Verfasser weisen darauf hin, daß die Anwendung des Ultramikro- 
skops (bei welchem der Ab besehe Kondensator durch das ultramikroskopische 
Diapositiv ersetzt wird) eine schnelle Diagnose der Syphilis ermöglicht, im 
Gegensatz zu den jetzt gebräuchlichen Methoden, die zum Nachweis der 


*) Siehe Beilage za Nr. 22 der Zeitschrift, Jahrg. 1903, S. 286. 



554 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Schandinnsehen Spiralen eine Terhältnismäßig lange Zeit erfordern. Bedient 
man sich des Ed hl er sehen (bei Zeiß konstruierten) Mikroskopes fftr Ultra* 
yiolettstrahlen, so kann man mit Leichtigkeit in den zu untersuchenden Flüssig* 
keiten die Zusammensetzung der Filamente der Spir. pallida, die spindelförmigen 
Zellen, die Stäbchen beobachten. Dr. Klare*Haina (Bez. Kassel). 


Sind SjphlHs und FramhSsie rerschfedene Krankheiten. Von Prof. Dr. 
Albert Neisscr. Archiv für Schiffs* und Tropenhygione; 1908, Bd. 12, Nr. 6. 

N ei SS er hält Syphilis und Frambösie für vollkommen verschiedene 
Krankheiten. Als beweisend führt N. seine Impfversuche an Affen an. Das 
Bestehen der einen Krankheit schloß die Infektion mit der anderen nicht aus. 

_ Dr. D o h r n - Hannover. 


Vaceination against Plague. Von Prof. Dr. Strong*]fanilla. Archiv 
für Schiffs* und Tropen • Hygiene; 1908, Bd. 12, H. 13. 

Die Engländer haben gegen die Pest in Indien trotz aller Bemühungen 
bisher nichts aasrichten können. Im Gegenteil brachte das letzte Jahr wieder 
eine Epidemie, die die früheren an Umfang weit übertraf und über eine Million 
Opfer an Menschenleben forderte. St. fordert, daß man mit den alten Systemen 
der Pestbekämpfang aufhöre und mit Impfungen nach der von ihm angegebenen 
Methode (mit abgeschwächten Kulturen) anfange. Die hierdurch bedingten 
erheblichen Kosten würden durch den voraussichtlich günstigen Erfolg auf* 
gewogen werden. Dr. D o h r n • Hannover. 


Ekzema vacclnlcum. Von Dr. Paul Schenk, Berlin. Deutsche Medi* 
zinalzeitung; 1908. 

Seitdem Professor Blochmann sein eigenes ekzematöses Kind, auf das 
Vaccine durch gelegentliche Berührung übertragen worden war, auf einem 
Auge erblinden sah, hat man den ekzematösen ändern bei der Impfung größere 
Aufmerksamkeit gewidmet. Voigt nimmt an, daß der Impfstoff, wenn er 
auf Crusta lactea oder Ekzema madidans gelangt, größere Giftigkeit annimmt. 
Bei Kindern, die vor der Impfung ein ausgedehntes Ekzem hatten, ist nach 
der Impfung tödlicher Ausgang mehrfach beobachtet worden, und zwar stellte 
sich eine allgemeine Postelbildong ein, oder dieselbe blieb auf die ekzema* 
tösen Stellen beschränkt. 

Wenn das Ekzem durch Deckverband geschützt und die Impfstellen 
mit einem Schatzverband bedeckt werden, gelingt es, das Ekzema vacdnicum 
zu verhüten. Trotzdem aber wird der Impfarzt gut tun, mit Ekzem behaftete 
Kinder nicht zu impfen. Es entsprach einem dringenden Bedürfnis, daß der 
Ministerial* Erlaß vom 2. November 1907 den Angehörigen der Erstimpflinge 
entsprechende erweiterte Verhaltungsmaßregeln gab. 

Dr. Holfmann*Berlin. 


üeber die Behandlung der übertragbaren Genickstarre mit Menlnge« 
kokkenhellsernm. Von Primarius Dr. V. Arnold*Lemberg. Zentralblatt 
für innere Medizin; 1908, Nr. 17. 

Verfasser teilt 8 Fälle von übertragbarer Genickstarre mit, die mit 
Joch mann sehen Heilserum intralumbal behandelt worden waren; er ist der 
Ansicht, daß diese Behandlung bei genügend hohen Dosen, die wiederholt ge* 
geben werden müssen, auf den Verlauf der Erkrankung einen günstigen ^* 
floß ausgeübt hat. Dr. Wolf* Marburg. 


Uebor die Therapie der übertragbaren Genickstarre. Von Dr. 
W. A r n 0 1 d * Lemberg. Zentralblatt für innere Medizin; 1908, Nr. 19. 

Verfasser kommt zu folgenden Schlüssen; 

1) Durch Verabreichung von Salzsäure ließ sich in einer Reihe von 
Fällen das im Gefolge der Meningitis (besonders in protrahierten Fällen) auf* 
tretende Erbrechen, welches jede Nahrungsaufnahme aufs äußerste erschwerte 
oder vereitelte, sowie in leichteren Fällen die Appetitlosigkeit der Kranken 
erfolgreich bekämpfen, während durch Morphium, welches die Entleerung des 
Magens verzögert, dieses bedenkliche Symptom in den vom Verfasser beobach* 
teten Fällen eher eine Verschlimmerung erfuhr. 



Kleinere Hitteilnngen und Beferate aas Zeitschriften. 


555 


2) In mehreren FSUen von Übertragbarer Genickstarre wurde darch 
Anwendung Ton Qusjakol binnen einigen Tagen Bttckgang des Fiebers und 
der meningitischen Krankheitserscbeinungcn und binnen kurzer Zeit die 
definitive Ausheilung der Krankheit erzielt. Gr. Wolf-Marburg. 


Beitrag zur Infektion von Mutter auf Kind Im Wochenbett. Von 
Dr. May er-Marburg. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 27. 

Verfasser beschreibt zwei Fälle aus der Marbnrger Frauenklinik. Im 
ersteren Falle handelte es sich um eine V. Gebärende, wo die Geburt spontan 
in Abwesenheit der Hebamme erfolgt war. Am 7. Tage stellte sich Fieber ein; 
der Tod erfolgte unter den Erscheinungen einer allgemeinen Sepsis, 
die anscheinend von einem Eiß im inneren Muttermunde ausging. Das 
Emd war bis zum 8. Tage völlig gesund, dann wurde es apathisch und starb 
am 12. Tage. Die Sektion ergab eitrige Peritonitis durch Infektion von den 
Nabelarterien ans. Es wurden bei Matter und Kind die gleichen langgliedrigen 
Streptokokken gefunden. Die Matter selbst hatte das Kind nie aufgebunden, 
aber wohl die erwachsene Tochter, die die Matter pfiegte. Auf diese Weise 
könnte die Keimfibertragang, die hier zweifellos stattgefanden bat, geschehen 
sein. Im zweiten Falle handelte es sich bei der Mutter um eine rechtsseitige 
Mastitis. Das Kind wurde bei den ersten Ersebeinangen sofort abgosetzt und, 
nachdem alles verheilt war, wieder angesetzt. Nach einiger Zeit bekam es 
auf der linken Halsseite unterhalb des Kieferwinkels eine wallnußgroße, fink- 
tuierende Geschwulst, die bei der vorgenommenen Punktion reichlich Eiter 
entleerte, ln dem sowohl bei der Mutter, wie bei dem Kinde entleerten Eiter 
wurden dieselben Gram > positiven Staphylokokken nachgewieson. Also auch 
hier handelt es sich wohl um eine üebertragung von Matter auf Kind. Die 
Keime haben wahrscheinlich ihren Weg durch makroskopisch nicht sichtbare 
Verletzungen der Schleimhaut der Mundhöhle genommen. Es müssen in diesem 
Falle demnach doch noch virnlente Keime in der Milch gewesen sein, auch 
wenn keine entzündlichen Erscheinungen mehr vorhanden waren. Im Anschluß 
an die Fälle weist Verfasser auf die so oft geforderte Notwendigkeit der 
strengen Trennung der Pflege im Wochenbett bei fieberhafter Erkankung von 
Mutter und Kind hin; wenigstens muß die sorgfältigste Desinfektion und 
größte Vorsicht walten. Epd. 


Die Anielgepflicht beim Klndbettfleber. Von Prof. Dr. Veit- Halle a.S. 
1908; Bachdruckerei des Waisenhauses. 

Verfasser beklagt die große Anzahl der Todesfälle an Kindbettfieber, 
die in Deutschland noch immer 4—5000 betragen. Die durch die Seuchen¬ 
gesetzgebung vorgesehenen Maßnahmen genügen nicht, da die Anzeigepflicht 
nur auf die sicheren Fälle beschränkt ist. Auch die Bestimmungen des 
Hebammenlebrbuches sind nicht in der Lage, Abhilfe zu schaffen. Verfasser geht 
dann genauer auf die Definition des Kindbettfiebers ein und legt klar, daß eine 
bestimmte Krankheit damit nicht bezeichnet werden kann, sondern daß sowohl 
die krankheitserregenden Keime wie die Erscheinungen sehr verschieden sind. 
Er legt ferner klar, daß cs sich um eine Infektion von außen her handele, die 
vermieden werden könne und müsse, und bespricht eingehend den Wert der 
verschärften beaufsichtigten Desinfektion der Hebammen und der unbedingten 
Anzeigep^cht auch der verdächtigen Fälle. Seine Forderungen faßt er zum 
Schlüsse in folgenden Sätzen zusammen: 

Die Ursache der häufigsten und besonders der schnell tödlich ver¬ 
laufenden Fälle von Kindbettfieber ist der virulente hämolytische Strepto¬ 
coccus. Er ist nachweisbar in den Sekreten des Genitalkanals und im Blute. 

Nicht immer, wenn er in dem Genitalkanal gefunden wird, lebt er auch 
im Blute; aber jedesmal wenn er im Blute lebt, findet man ihn auch in den 
Lochien. Auch anderweite Keime können Kindbettfieber bedingen, so der 
minder virulente Streptococcus, z. B. bei der puerperalen Pyämie, ferner der 
Staphylococcns und andere. Manche der verschiedenen Keime können kulturell 
im Blute gefunden werden; andere werden nur im Sekret gefunden. Eine 
Üebertragung, insbesondere der hämolytischen Streptokokken, bedingt wieder 
eine Streptokokkenerkrankung. 

Die Anzeigepflicht beim Kindbettfieber ist aufrecht zu erhalten, nicht 



556 


Kleinere Mitteilongen und Referate ans Zeitschriften. 


als eine Last and eine odiöse polizeiliche Maßregel^ sondern als eine freiwillig 
anerkannte Maßregel, deren gewissenhafte freiwUlige Darchführang allein den 
Erfolg verspricht. 

Angezeigt müssen aach alle zweifelhaften Fälle werden. Die Grenze 
der Temperatur, ob 38 oder 88,2, ist noch diskatabel. 

Erfolgt eine Anzeige von einer Hebatntne, so hat diese die Behandlung 
der erkrankten Wöchnerin aufzageben. Sie hat sich unter Aufsicht des Kreis* 
arztes oder eines dafür verpilichtetcn Arztes sorgfältigst zu desinfizieren, ihre 
Instrumente neu anszukochen und ihre Waschkleider, die sie bei dem Fall 
trag, za desinfizieren oder wenigstens waschen za lassen. 

Erfolgt eine Anzeige durch einen Arzt, so hat er den Namen der Heb* 
amme dem Kreisarzt mitzutcilen and hinzuzofügen, daß er sich desinfiziert hat. 
Damit ist der Anzeige genügt. 

Häufen sich zweifelhafte Fälle in der Praxis einer Hebamme, so ist diese 
za einem Nachkarsus einzaberafen. Bpd. 


Desinfektion. 

Ueber neuere Bestrebangen sar Terbesserang and Tereinfachang 
der Uantdesinfektiou. Von Privatdozent Dr. M. v. Br an n, Assistenzarzt der 
Tübinger Chirurg. Klinik. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 17. 

Nach einem kurzen historischen Rückblick auf die verschiedenen Des* 
infektionsmethoden berichtet Verfasser über die in jüngster Zeit vorgenommenen 
Versuche, die Vorteile der einseitigen Desinfektion durch Verwendang des 
reinen 96 proz. Alkohols als einzigen Desinfektionsmittels aaszunützen. Das 
Prinzip, die Keime, welche man doch nicht sicher entfernen kann, für die Daaer 
der Operation fostzalegen, hat sich in neuerer Zeit immer mehr Geltung 
verschafft; man gelangt damit dazu, dio früher so nachdrücklich geforderte 
mechanische Reinigung als etwas Schädliches zu verwerlen, die Bakterien 
möglichst ruhig in ihren Schlupfwinkeln za belassen, sie 
durch die schrumpfende Wirkung des Alkohols noch weiter 
festzalegen and diese Alkoholwirkang möglichst lange za 
erhalten. 

Dreimonatliche Versuche mit der reinen Alkoholdesinfektion für Hände 
und Operationsfeld lassen feststellen, daß diese Methode mindestens dasselbe, 
wenn nicht besseres leistet, als die fast allgemein übliche Für bring er sehe 
Methode. Ein Vergleich mit der Ahlfoldschen Methode ergibt eine Ueber* 
legenheit der einfachsten Alkoholdesinfektion, was also wiederam 
gegen den Wert der mechanischen Desinfektion und zugunsten der Festlegang 
der Bakterien spricht. 

Hält die Alkoholdesinfektion, was sie verspricht, so 
haben wir damit ein ungeahnt einfach es Verfahren, mit dem 
es durch einen einzigen Desinfektionsakt von 5 Minuten Dauer 
gelingt, eine hinreichende Desinfektion zu bewirken. Voraus* 
Setzung ist dabei selbstverständlich, daß die Hände des Chirurgen immer in 
ganz ungewöhnlichem Grade rein sind und rein gehalten werden durch sorg* 
fähigste Handpflege, Fernbaltung jeder Beschmutzung durch Verwendung von 
Garamihandschnben bei nicht ganz einwandfreien Verbandwechseln, bei Unter* 
Buchungen in Mund, Nase, Rektum und Vagina pp. Zu vermeiden ist nur 
eine Aufweichung der Haut vor der eigentlichen Desinfektion. 

„Bei der Alkoholdesinfektion reibt man die Haut der 
Hände und des Operationsfeldes mittels eines in Gaze ein* 
gehüllten, sterilen Wattebausches schonend ab.“ Dr. Waibel*Kempten. 


Zur Frage der Formaldehjrddampfdesinfektlon. Von Oberstabsarzt 
Prof. Dr. G. Bischoff* Berlin. Gesundheits * Ingenieur; 1908, Nr. 12. 

Verfasser konnte kein befriedigendes Resultat bei seinen Versuchea 
verzeichnen; er hält daher die Methode nicht für ein sicheres Desinfektions* 
Vorfahren. Ob gerade der Formaldebyd sich als bester Zusatz zu dem Dampfe 
herausstellen wird, darüber ist zurzeit noch kein Urteil möglich, wenn auch 
die günstigen Erfolge, welche v. Esmarch erzielt hat, dafür sprechen. Sine 
allgemeine Einführung von Apparaten, welche eine genügende Druckemiedrigung 
ermöglichen, steht vor allem der hohe Preis dieser Apparate entgegen. Da 



Kleinere Mitteilangen and Beferate aas Zeitschriften. 


657 


man dahin streben mnB, die Desinfektion möglichst ttherall zn ermöglichen, so 
fällt eine derartige Preissteigerang ganz erheblidi ins Qewicht, zumal die älteren 
Apparate nicht umgebaat werden können. Dr. Wolf- Marburg. 


Ueher Baumdesinfektion mit dem neuen AutanprSparat (Packung B). 
Von Oberarzt Dr. Fromme-Hamburg. Qesundheits-lngenieur; 1909, Nr. 21. 

Eine unbedingte Zuverlässigkeit in der Wirkung kann dem Verfahren, 
tJso auch in der jetzigen Form der Packung B, noch nicht zugesprochen 
werden. Es steht jcdcnfalis in dieser Beziehang hinter der Breslaaer Methode 
zurttck. Erhöht man die Desinfektion auf 7 Standen, so durfte unter günstigen 
äußeren Verhältnissen der Desinfektionseffekt zunehmen. Die Hauptwirk^g 
scheint zwischen den ersten 1—2 Standen zu erfolgen. Das Verfahren macht 
außerdem ungefähr 6 mal bezw. 3 mal so viel Unkosten als das mit dem 
Breslauer Apparat. Die Vorzüge sind 

1) einfache Handhabung, 

2) bequemer Transport, 

3) üngefährlichkeit betreffs Feuersgefahr. 

Die neue Packung würde besonders zur Verwendung auf Schiffen in 
Betracht kommen. Dr. Wolf-Marburg. 


Zur Antanfrage* Von Oberarzt Dr. Christian. Aus dem hydenischen 
Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bühner. 
Hygienische Bundschau; 1908, Nr. 7. 

Die Verschiedenheit in der Benrteilung des neuen Desinfektionsverfahrens 
durch die einzelnen Autoren ist eine große und steht im Gegensatz zu der 
Einstimmigkeit in der Begutachtung der älteren Formalindesinfektionsmethoden 
nach Flügge, Czaplewski, Proskauer, Lingner, Prausnitz n. a. 

Eine Reihe von Autoren hat sich für das Autanverfahren, andere, 
darunter auch der Verfasser, haben sich gegen das Autanverfahren nach der 
Elberfelder Vorschrift erklärt. 

Die Resultate der einzelnen Untersacher weichen wesentlich von einander 
ab, da ihre Prüfungstechnik für Desinfektionsversnehe eine sehr verschiedene 
ist. So ist das Testmaterial der einzelnen verschieden widerstandsfähig, die 
Testobjekte werden nach nicht einheitlichen Grandsätzen aufgestellt n. a. m. 

Der Verfasser verweist dann noch auf verschiedene Schwächen des 
Verfahrens, so z. B. darauf, daß nngefähr eine doppelt so große Autanmenge, 
als vorgeschrieben, zn einer wirksamen Desinfektion erforderlich ist, ferner 
daß möglichst nicht zu flache und nicht zu breite, hölzerne Kübel für eine 
gute Autanverdampfang gefordert werden. Ferner ist die Menge des aus dem 
Autan in Gasform entwickelten Formaldebyds viel zu gerbg. Die Sättigung 
der Luft mit Wasserdampf reicht auch nicht aus. Und schließlich ist eb 
sorgfältiges Abdichten der Zimmer nicht überflüssig, sondern direkt notwendig. 

Um offenbare Schwächen des Autanverfahrens ausznschalten, hat die 
Elberfelder Fabrik eine nene Packnng des Autans angegeben. Der Unterschied 
gegen die ältere Packnng besteht darin, daß die Reaktion durch einen 
besonderen Zusatz verlangsamt wird, und ihr bhalt um 45 **/o Formaldehyd 
liefernde Substanz vermehrt ist. Ferner werden die beiden anfeinander wir¬ 
kenden chemischen Körper des Pulvers getrennt voneinander anfbewahrt 
zwecks größerer Haltbarkeit. Anf Grund eines orientierenden Versuchs glaubt 
der Verfasser eb vorläufiges Urteil dahin abgeben zu können, daß mit den 
Abänderungen ein Vorteil erreicht ist. Aber auch der neuen Packung steht 
die Preisfrage hindernd im Wege. Dr. Kurpjuweit-Swbemünde. 

Autan ln der Deslnfektlonspraxb. Von Kreisassistenzarzt Dr. Lan ger¬ 
mann in Gießen. Aus dem hygienischen Institut der Univertität Gießen. 
Hygien. Rundschau; 1908, Nr. 11. 

Der Verfasser hat umfangreiche Versuche mit der neuen Autan- 
packnng angestellt. Diese enthält etwa 80 g Autan pro ebem bei ebem 
Baumbhalt von über 40 cbm und etwa 35 g Autan pro cbm bei ebem Banm- 
gehalt unter 40 cbm. 

Die Beaktion nach dem Zuschütten von Wasser tritt auch nicht mehr 
wie früher rasch und stürmisch, sondern erst nach wenigen Minuten eb, so 
daß man Zeit zu ebem btensiven Umrtthren hat. 



558 


Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitachriften. 


Diese neue Antanpackong wurde in einer Reihe von Fällen dranßen 
in der Praxis benaut and die Wirksamkeit in den betr. Zimmern mit Hfllfe 
yon Testproben festgestellt. Znm Vergleiche dienten Desinfektionen mit dem 
Lingner sehen Formaldehjddesinfektionsapparat. Bei sorgfältiger Abdichtong 
zeigten beide Verfahren keinen Unterschied in der Wirkung. Bei mangelnder 
Abdichtong yersagte Antan im Gegensatz za dem Formaldehyddesinfeküonsyer* 
fahren ganz. 

Die Schlttsse des Verfassers ans den Versuchen, die aus der Praxis 
fttr die Praxis yeranstaltetsind, wie aosdrflcklich heryorgehoben wird, sind 
karz folgende: 

Die im Baum entwickelte Feachtigkeitsmenge scheint eine genügende 
zu sein. Eine Einwirkungsdauer yon 6 Standen ist am zweckmäßigsten. Ein 
Abdichten der Bäume ist unerläßiieb, ebenso die Mitwirkung yon geschulten 
Desinfektoren. Es ist überall die yorgeschriebene Autanmenge zu nehmen. 
Eine bestimmte Temperatur in dem betreffenden Desinfektionsraum ist nicht 
erforderlich. Die Wirkung erstreckt sich auch auf Ecken, Winkel und Neben* 
räume. Eine Abtötang der Keime findet bei den in Betracht konunenden 
Infektionskrankheiten in der größten Mehrzahl der Fälle statt. Bei Tuber¬ 
kulose, Wundrose, Pocken, Flecktyphus, Pest und Lepra müßte eine erhöhte 
Autanmenge bei längerer Einwirkung yerwandt werden. Wo ein Abdichten 
nicht möglich ist, zeigt sich das Formaldehydyerfahren dem Antan überlegen. 

Zum Schluß bezeichnet der Verfasser es als wünschenswert, daß die 
Technik yersuchen müßte, den im Antan zur Wirkung kommenden Formal- 
debydgehalt noch zu yermehren, sowie die Entwickelung der Gase noch mehr 
in die Länge ziehen. Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. 


Weitere Untersnehnngen über Antandeslnfektion. Von Priyatdozent 
Dr. Selter. Aus dem hygienischen Institut der üniyersität Bonn. Hygieni¬ 
sche Rundschau; 1908, Nr. 12. 

ln der Einleitung bespricht der Verfasser kurz die bisherigen An¬ 
schauungen über das Autanyerfahren. Dann wendet er sich gegen die abfällige 
Kritik yon Christian und weist nach, daß seine eigenen Autanyersnehe 
zweckmäßig und einwandsfrei aasgeführt sind. 

Der Verfasser hat dann Versuche mit der neuen Autanpackung an- 
gestellt, um die Tiefenwirkung des Autans festzustellen. Zum Vergleich 
dienten Versuche mit dem neuen Lingnerschen Desinfektionsapparat. Hierbei 
fand er (über die Untersuchungsaoordüiang s. d. Originalarbeit), daß das Autan- 
yerfahren dem Lingnerschen Verfahren in seiner Desinfektionskraft gleich- 
kommt. Die Tiefenwirkung ist eine ziemlich beträchtliche. 

Seiner Meinung nach erfüllt das Autanyerfahren in seiner jetzigen 
Packung mit Trennung des Paraforms und der Superoxyde alle Forderungen, 
die wir an ein Wohnungsdesinfektionsmittel stellen dürfen. Bezüglich des 
Prebes hat die Fabrik dem Verfasser mitgeteilt, daß sie eine bedeutende 
Herabsetzung yorgenommen hat. Für Behörden, Verwaltungen, Kranken¬ 
anstalten etc. inkl. Ammoniakentwickler yon 20 cbm an kosten die Packungen 
jetzt: für 10 cbm 1 M.; 20 cbm 2,05 M.; 40 cbm 8,50 M.; 00 cbm 5,05 IC.; 
80 cbm 6,75 M.; 110 cbm 8,40 M.; 175 cbm 14 M. 


Bemerkungen zu yorsteheuder Arbeit yon Oberarzt Dr. Christian 
(Berlin): Die Bemerkungen sind lediglich kritisch-polemischer Art. Erwähnens¬ 
wert ist nur die Aeußerung, daß durch noch so große Mengen (yon Antan) das 
Wesen des Formaldehydyerfahrens als einer Oberflächendesinfektion nicht ge¬ 
ändert wird, und andere Autoren mit noch größeren Autanmengen (als Selter) 
gearbeitet haben, ohne Tiefenwirkung zu Anden. 

Dr. Knrpjuweit-Swinemflnde. 


W ohnungshyglene. 

Die Aufgaben der Gemeinden bei der Ausgestaltung des Bebannngs- 
planes ln Büokslcht auf das Kleinwohunngswesen. Von Beigeordnetem 
Schilling in Trier. Techn. Gemeindeblatt; 1907, Nr. 23/24. 

Der in der Hauptyersammlong des „Westfälischen Vereins sur Forderung 
des Kleinwohnungswesen* zu Hagen am 18. Noyember 1907 gehaltenen Vortrag 



Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitaohriften. 


659 


behaqdelt ein wichtiges Thema. Hat man doch gerade in schnell anfgeblflhten 
Städten Tielfach nicht genttgend Rücksicht auf Schaffung hygienisch einwand¬ 
freier Kleinwohnungen (ron 1—8 Zimmern) genommen, obwohl diese 40 bis 
60**/o und mehr ailer Wohnungen ausmachen. Der Bebauungsplan muß in 
rasch anwachsenden Industriestädten besonderen Anforderungen entsprechen; 
es muB eine Differenzierung in Qeschäfts* nnd Wobnzentren stattfindon. Dabei 
muß eine Gemeinde mbgiichst Hand in Hand mit nahen Nachbargemeinden 
arbeiten, damit nicht z. B. die eine das Wohnzentium der anderen durch ihre 
FabrikTiertel beeinträchtigt. Bei der Auswahl der Wohnnngsviertel mnfi 
natürlich auf die Boden gestaltnng Rücksicht genommen werden. Die Ton 
manchen Seiten zwecks Vermeidung sozialer Gegensätze befürwortete Ver¬ 
einigung Ton größeren und kleineren Wohnungen in einem Ortsteil ist mög¬ 
lichst zu vermeiden, weil sie nur zur Trennung der verschiedenen Klassen in 
teueren Vorderhäusern und hygienisch unzulänglichen Hinterhäusern führt. 
Es sollen vielmehr für die „Arbeiter" möglichst eigene Ortsteile geschaffen 
werden. Das Terrain hierfür muß möglichst groß, billig und nahe an den 
Arbeitsstellen gelegen sein. Am besten tritt eine Trennung in Verkehrs- nnd 
Wohnstraßen, eventuell mit Gartenanlagen, Vorgärten etc., ein. Die Straßen 
sollen nicht zu breit, die Häuserblocks nicht zu tief und nicht schematisiert 
sein. Streng zu vermeiden sind Mietkasernen. Als ideale Beispiele werden 
die künstlerisch aufgebauten englischen Arbeiterdörfer Barnville nnd Sunlight 
besprochen, ferner unter Beifügung zahlreicher Abbildungen die Kruppschen 
Arbeiterwohnungs-Anlagen, die in ihren letzten Formen geradezu vollendet 
erscheinen. Sehr segensreich hat bereits der „Rheinische Verein zur Förde¬ 
rung des Arbeiterwohnnngswesens" gewirkt, der Gemeinden bereitwillig berät 
und auf die Schaffung hygienischer und ästhetischer Wohnungsanlagen ab¬ 
zielt. Die von England ausgehende Gartenstadtbewegung verdient große Be- 
aditnng, soweit sie realisierbare Forderungen zeigt. Vielleicht wird später 
eine noch weitergehende Trennung in Arbeite- und entfernt gelegene Wohn- 
Zentralen eutreten, wozu eine hohe Vervollkommnung nnd VerbiUigmig der 
verbindenden Verkehrsmittel nötig ist. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Der Einfluss schlechter Wohnungen auf die Gesundheit der Menschen. 
Von Dr. F. Lebram-Danzig. Gesundheit; Jahig. 33, Nr. 10. 

Alle Schädlichkeiten, die der menschlichen Gesundheit innerhalb der 
Wohnung erwachsen können, kann man von 2 Gesichtspunkten ans betrachten. 
Es kommen in Frage: 

1) unzweckmäßige Benutzung, dadurch daß man die Gebote der Reinlich¬ 
keit, Ventilation etc. vernachlässigt oder durch Ueberfüllnng der Wohnränme; 
ferner ist hier der schädliche Einfluß der Hausindustrie zu erwähnen; 

2) schlechte Beschaffenheit der Wohnung infolge baulicher Mängel, 

a) Mangöl an Luft nnd Licht, 

b) Mangel an genügendem S<^utz gegen Kälte und Wärme, 

b) Mangel an Trockenheit_ Dr. Wolf-Marburg. 


Ein Nachtrag zur Staubzersetzung auf HeizkSrpern. Von Prof. Dr. 
Ghr. Nuß bäum. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 22. 

Für die Heizkörper, deren Wärmgrade meist nicht über Oh*) C. 
hinansgeht, dürfte ausschließiich 'der Staub zu nachteiligen Erscheinungen 
führen, der tierische Abgänge enthält; der frühzeitigste Zersetzungsbeginn 
trat bei Staub, der ans frischen, noch feuchten, festen Abgängen der Pferde 
oder ans Gemenge mit ihrem Harn durch vorsichtiges Trocknen und Zerreiben 

S gewonnen wurde. Der Straßenstanb wies eine wesentlich höhere Zersetzungs- 
ähigkeit nach anhaltend trockener Witterung auf. Der in gut ge¬ 
haltenen, rings von der Straße durch Häuser getrennten Gärten gesammdte 
Staub war viel weniger zersetznngsfähig. Für die Zersetzung des Staubes an 
der Oberfläche von Heizkörpern ist hauptsächlich der Straßenstaub belangreich. 
Die Sauberhaltung der Straßen nnd Säuberung des Schuhwerks kommen daher 
nicht nur für die Staubfreiheit der Raumlnft, sondern auch für die Reinhaltung 
der Luft geheizter Zimmer von lästigen Zersetzungserscheinnngen große Be¬ 
deutung zu. Für zentrale Lüftnngsanlagen ist die Luft nur ans gut gehaltenen 
Gärten oder Schmnekhöfen zu entnehmen. Für Schulen, Wirtschaften nnd 



660 


Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften. 


Öffentliche VerBammlongsr&ame sollen keinesfalls Heizonraartea Anwendug 
finden, die eine hohe Oberfiächentemperatnr ihrer Heizkörper, onyeihttllte 
Eohiteile innerhalb der Anfenthaltsränme o. dergl. zolassen. 

_ Dr. Wolf •Harburg. 


Qeverbehygleno. 

Ueber den Einfluss der Berufsarbeit auf die HengrSsse. Von Ober* 
arzt Dr. Schieffor, kommandiert zur Ellinik. Ans der med. Klinik in Giefien. 
Deutsches Archiv für klin. Medizin; 92. Bd., 5. und 6. H. Geber den Elnflnss 
des Militärdienstes auf die HerzgrOsse. Von demselben; ebendort. 

Als Qesamtmaß der Herzgröße wurde der (planimetrisch aasgemessene) 
Oberfiächonwert des in sagittaler Eichtang aufgenommenen Orthodiagramms 
verwendet. Sch. berechnete nach den D i e 11 e n sehen Tabellen für erwachsene 
Männer die Herzoberfläche 0 nach der Formel: g — 60 — 0, wobei g die 
Körpergröße bedeutet. Bei seinen vergleichenden Dntersuchungen von Per¬ 
sonen mit leichten und schweren Berten fand Sch. im Durchschnitt aller 
Fälle fflr das Herz bei einem schweren Beruf ein Plus von 8 qcm gegentlber 
der Norm, bei einem leichteren nur ein solches von 0,9 qcm. Bei sämtlichen 
83 Fällen mit schweren Berufen fand er 19 = 68*’/o auf seiten der größeren, 
und 14 = 42**/o auf seiten der kleineren Herzen; umgekehrt von sämtlichen 
28 Fällen mit leichteren Berufen 18 = 78 ä^f seiten der kleineren, und nur 
6 = 22 "/o auf seiten der größeren Herzen. 

Sen. machte die erste orthodiagraphische Aufnahme der Leute in den 
ersten 6—8 Wochen ihrer Einstellung in den Militärdienst, die zweite 
ungefähr nach Jahresfrist. Von seinen Schlußfolgerungen interessieren hier diese: 

Das häufigere Vorkommnis ist unzweifelhaft eine gewisse Zunahme der 
Herz^öße während des Militärdienstes. Eme von vornherein bestehende größere 
Ausbildung des Herzens, die in Hinsicht auf die bis dahin bestehende völlige 
Leistungsfähigkeit des Herzens vorwiegend auf Hypertrophie beruhen miu, 
läßt in der Mehrzahl der Fälle weitere große Veränderungen beim Militärdienst 
nicht zu. Umgekehrt zeigen die von vornherein kleineren Herzen erhebliche 
Zunahmen. Es bleiben demnach, wo ein durch die Berufsanstrengung bedingtes 
Training des Herzens vorhanden ist, größere Zunahmen meist aus und um¬ 
gekehrt. Ebenso wirkt das durch Radfahren bedingte Training des Herzens. 

Dr. Lohmer-Cöln. 


Ueber die Blutveränderungen bei den Seldensptnnerlnnen. Von 
Dr. Vincenzo Co rrenti-Messina. U Ramazzini; 1907, Fasz. 12. 

Die Arbeiterinnen in den italienischen Seidenspinnereien leben unter be¬ 
sonders ungünstigen und ungesunden Verhältnissen: Die Arbeitsräume sind 
trotz ihrer Größe überfüllt, schlecht gelüftet und belichtet; die Arbeiterinnen 
sind gezwungen bei der Arbeit viel ihre Hände in heißes Wasser zu stecken, 
teils andauernd zu sitzen, teils permament zu stehen; die Arbeit selbst dauert 
täglich 12 Standen; die Mehrzahl der Arbeiterinnen ist in jugendlichem Alter, 
die Wohnungs- und Ernährungsverhältnisse sind meist recht dürftige, zumal 
der Arbeitslohn ein minimaler ist. Was Wunder, wenn so jedem Besucher 
einer Seidenspinnerei die bleiche, ungesunde Farbe und der schlechte Ernähruogs- 
zustand der darin beschäftigten Arbeiterinnen auffäilt ? 

Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Gesundheitszustand der 
Seidenspinnerinnen zu studieren; er hat zu die.sem Zweck 20 derartige Arbeite¬ 
rinnen einer Seidenspinnerei in Gazzi, verschiedenen Alters und verschiedener 
Arbeitskategorien, genau untersucht und dabei sein Hauptaugenmerk auf die 
Blutveränderungen gerichtet. Jeder einzelne Fall wird anamnestisch und nach 
den subjektiven und objektiven Erscheinungen besprochen. Die Hauptergebnisse 
der Untersuchungen lassen sich kurz in folgendem zusammenfassen: Fast alle 
Seidenspinnerinnen verlieren früh ihr gesundes Kolorit; nach einigen Jsihren 
beginnt eine Hypertrophie der Schilddrüse sich bemerkbar zu machen; es treten 
Kopfschmerz, Oedeme, Verdauungsstörungen, Menstruationsanomalien n. dergL 
auf. Objektiv wird bei über bO^j» beginnender oder ausgebildeter Kropf, sme^ 
häufig auch eine Entzündung der Finger und Handfläche festgesteUt. Dan 
kommen nicht selten Herzanomalien (Geräusche und Hypertropuen) und MU>- 
vergrößerungon. Die wichtigsten Veränderungen zeigt die BIutbesehaffeBheit, 



Kleinere Mitteilangen nnd Referate ane Zeitachriften. 


661 


indem der Himoglobingehalt and die Zahl der roten Blutkörperchen vermindert, 
nach laweilen die Zahl der Leakozyten vermehrt üt. iilo diese Verände* 
rangen sind aal die ungünstigen Arbeite- und Lebonsbedingangen der Seiden- 
Spinnerinnen sarückzaführen und als eigentliche Qewerbekrankheit aufzufassen. 

Dr. Solbrig-Allenstein. 


Die Erhebnngen des Osterrelehlselien Arbeltsstatlstlsehea Amts über 
Bleivergtftangcn. Von Dr. W. Henbner, Privatdozent in Straßbarg. Thera¬ 
peutische Monatshefte; 1908, Heft 3. 

Die VerOffentlicbnngen des k. k. Arbeitsstatistischen Amtes über Blei- 
vergiftnngen ln hüttenmännischen nnd gewerblichen Betrieben basieren auf 
Erfahmngen, die von eigens dazu eingesetzten and aus Regiernngsvertretorn, 
Gewerbeinspektoren and ärztlichen Sachverständigen (Bezirksärzten) bestehenden 
Kommissionen auf ihren Inspektionsreisen gewonnen sind. Diese worden durch 
mehrtägige Beratnngen an der Hand eines sorgfältig vorbereiteten Fragebogens 
ergänzt, woran außer Qewerbebeamten, Mediziner and Ingenienre auch M^er- 
nnd Anstreichermeister, Hüttenarbeiter, Lackierer etc. teilnahmcn. Von den 
Ergebnissen dieser Arbeiten beansprnchen das meiste Interesse die Bestrebnngen, 
die Bleigefabr mit der Wurzel auszurotten, d. h. die Bleifarben durch andere 
Snbstanzen zn ersetzen. Sehr leicht ersetzbar sind nun die Bleiverbindnngen 
als Pigmente, besonders Bleiweiß durch Zinkweiß, oder Mennige durch Eisen- 
rot etc. Doch fehlt diesen Verbindungen leider das Vermögen, wie die Blei¬ 
farben gegen weitere Oxydation widerstandsfähige and in Wasser unlösliche 
Seifen zu erzeugen; sie liefern daher schön aassehende Anstriche, zerfallen 
aW an Flächen, die Licht nnd Fenchtigkeit aasgesetzt sind. Es besteht 
jedoch die Aassicht, daß dnrch Zusatz basischer Aluminiamverbindangen zu 
Zinkfarben das Ziel eines vollwertigen Ersatzes erreicht wird. Leicht ersetzbar 
ist ferner die Bleiglätte bei ihrer Verwendung zn Firnisbereitung dnrch Mangan- 
snperoxyd. Auch gelang es, dnrch bloßes anhaltendes Kochen des Leinöls 
ohne jeden Metalloxydznsatz brauchbaren Firnis herzustellen, wenn anch mit 
etwas höheren Kosten; ein gesetzliches Verbot könnte hier jeden Bleizusatz 
ansschUeßen, ohne daß prinzipielle technische Schwierigkeiten geschaffen würden. 
Keine völlige Einigkeit ließ sich unter den Sachverständigen Uber die Möglich¬ 
keit des Bleiersatzes in Lacken, Sikkativen and Kitten dnrch Mangan- 
verbindangen erzielen; von allen Seiten wurde anerkannt, daß ein Ersatz 
der Mennige als Eisenanstrich and Rostsuhutz zurzeit noch völlig undenkbar 
ist. Vom hygienischen Standpunkt wäre es immerhin als enormer Fortschritt 
zn bezeichnen, wenn die ganze Produktion nnd Verwendung von Bleifarben in 
absehbarer Zeit auf die Mennige beschränkt werden könnte. 

Dr. Klare- Haina (Bez. Cassel). 


Hfimatologlsche nnd klinische Studien über den chronischen Phos- 
phorlsmns. Von Prof. Dr. Ccsara Biondi-Cagliari. 11 Ramazzini; 1907, 
Fascikel 12. 

Den Untersnehnngen wurde die neuere Beobachtang zngrnnde gelegt, 
daß sich im Blut von Tieren, die mit Arsen, Phosphor n. a. vergiftet wurden, 
Leakozyten mit Grannlationen, von Fettröpfchen herrährend, landen (lencociti 
sndanofili* genannt). Dieser Befand ist am der Ansdrnck eines degenerativen 
Prozesses anfznfassen. 

Verfasser untersuchte eine Anzahl Arbeiter ans mehreren Phosphorzünd- 
hOlzeriabriken, im ganzen 46, wobei das Hauptaugenmerk auf das Vorkommen 
jener Leakozyten im Blute gerichtet wurde; er stellte fest, daß solche bei 
21 von 45 Untersuchten bis zur Höchstzahl von 21*’/o gefunden wurden. Dieser 
Befand ist kein zufälliger, sondern auf die Inhalation von Phosphordämpfen 
zurückzuführen, was n. a. daraus hervorgeht, daß in hygienisch einwandafreien 
Fabriken dieser Befand bei keinem der Arbeiter erhoben wurde. Ein solcher 
Befand ist wertvoll, da er schon, bevor andere charakteristische Erscheinungen 
von Phosphorvergiftung vorliegcn, auf das Bestehen einer solchen Vergiftung 
hinweist, und zwar steht die Zahl der fraglichen Leakozyten mit der Schwere 
der Intoxikation in direktem Zusammenhang. 

Im übrigen kommt Verfasser zu folgenden Schlußfolgerungen: 

1. Bei den Arbeitern der Phosphorzündhölzer trifft man in etwa der 



562 


Kleinere Hittellnngen und Referate ans Zeitsehriflea. 


Hälfte der Fälle somatische oder bämatologiscbe Zeichen tob chroniseber 
Pbosphorvergiftong, welche jedoch nnr in einer beschränkten Zahl Ton Fällen 
deutlich in die Erscheinung tritt. 

2. Periostitis phosphorlca wurde hei 8,6*/, der untersuchten Arbeiter 
angetroffen. 

8. Bei denjenigen untersuchten Arbeitern, die in gelfifteter Umgebung 
und nadi Methoden und mit Masi^inen arbeiteten, bei denen weniger Phosphor* 
dämpfe entweichen, wurden keine nennenswerten Yergiftnngszeichen festgestellt. 

Dr. Solbrig-AUensteb. 


Angenerkrankung infolge Arbeit mit einem kÜBBtllehen Dilnfemlttel. 
Von Dr. Maximilian Bon di in Iglau (Mähren). Münchener med. Wochenschrift; 
1908, Nr. 15. 

Verfasser teilte einen Fall ton schwerer Aetzung der Augen mit, als 
deren Ursache unvorsichtiges Hantieren mit Kunstdünger, im vorliegenden 
Falle mit Chilisalpeter anznsehen war. 

Von den bekannten künstlichen Düngemitteln Kainit, sehwefelsanrem 
Kalium, Chilisalpoter, schwefelsaurem Ammoniak, Superphosphat und Thomasmehl 
scheint nach Beobachtungen von Augstein das Superphosphat als das hanpt* 
sächlichste, vielleicht sogar allein schädigende Düngemittel anzusehen zu s^. 

Verfasser mOchte die in landwirtschaftlichen Hegenden praktizierenden 
Kollegen auf die Möglichkeit einer Angenerkrankung durch znfäiliges Ein* 
streuen von Kunstdünger in die Augen aumerksam machen — UnfalimOglichkeit 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


lielcbenBchau und Begr&bnlsweneii. 

Die Leichenschanbestimmnngen in EbasB-Lothringen* Von Dr. med. 
Albert Hamm, Assbtent an der üniversitäts*Frauenklinik zu Strafibnr^LE. 
Straßburger medizinbche Zeitung, Juli 1908. 

Als Ergänzung der im Oktober 1901 in dieser Zeitschrift erschienenen 
Arbeit V. Böllens t er ns: „Zur Einführung der allgemdnen obligatorischen 
Leichenschau im Deutschen Beich* seien aus der ausführlichen Abhandlung 
hier lolgendo Punkte wiedergegeben: 

Eine sämtlichen Anforderungen einer rationellen Leichenschau ent* 
sprechende Einrichtung (allgemein obligatorische Leichensehau durch Aerate) 
besteht bloß in 8 Gemeinden mit insgesamt 404623 (Volkszählung vom 1 De¬ 
zember 1906) Einwohnern und durchschnittlich (1904—1906) 7978 jährlichen 
Todesfällen. 

Eine beschränkt obligatorbche Leichenschau durch Aerzte gegen be¬ 
sondere Vergütung (bei Vermögenden durch die Familie des Verstorbenen, bei 
Armen durch die Gemeinde) ist vorgesehen in 34 Gemeinden mit insgesamt 
123123 Einwohnern und 2059 jährlichen Todesfällen. 

Von einem Honorar bei beschränkt obligatorbcher Leichenschau ist nicht 
die Bede in 17 Gemeinden des Bezirkes Lothringen mit 85285 Einwohnern und 
1873 jährlichen Todesfällen. 

Eine beschränkt obligatorische Leichenschau durch Laien ßndet sieh in 
Gemeinden des Kreises Bappoltsweiler mit zusammen 6005 Einwohnern und 
121 jährlichen Todesfällen. 

Daraus ergibt sich, daß auf die 1814564 Einwohner Ebaß*Lothringens 
mit jährlich ca. 36592 Todesfällen bei 1201583 Einwohnern mit durchschnitt¬ 
lich 25182 jährlichen Todesfällen eine Leichenschau überhaupt nicht ausgelibt 
wird und daß Bestimmungen, die eine regelrechte allgemein obligatorische 
Leichenschau durch Aerzte vorsehen, für 1409 941 Einwohner mit 28 614 jihr- 
liehen Todesfällen fehlen; eine genügen de Leichenschau wird mtthiii 
bloß bei 22°/o sämtlicher Todesfälle ausgeübt. 

Dies ist um so bedauerlicher, als in mehreren Städten des Landes uiiie 
allgemein obligatorische Leichenschau durch Aerzte schon seit der ersten HUfte 
des vorigen Jahrhunderts (in Straßburg seit dem 22. Juni 1811) mit gutem 
Erfolge durebgeführt wird. 

Der Verfasser bringt folgenden Gesetzes-Entwurf zur Einführung 
der allgemein obligatorischen ärztlichen Leichenschau in Elsaß-Lothrfaigen 
ia Vorschlag: 



Kleinere Mitteilongen nnd Keferata was Zeitschriften. 563 

§ 1. Eb darf keine Beerdignng statlfladen, bevor dem ZivilsUtndeB* 
beamten von dem Familienhaapte bezw. deaaen Stellvertreter oder vom Wohnnnga« 
berm dne irstliche Beacbeinigang über das Ablel^n and die Uraacbe 
dea Todeaeintritta vorgelegt iat. 

§ 2. Ala Leicbenacbaner kann jeder approbierte Arzt fangieren. 

§ 8. Die Koaten der Leicbeaaohaa fallen der Familie dea Veratorbenen 
zur Last. Bei Unbemittelten ttbemimmt der Kantonalarzt die Leicbenaebao 
entnreder nnentgeltlicb oder gegen ein von der Oemeinde beaw. dem Bezirke 
za entrichtendea Honorar. 

Im allgemeinen beträgt die Qebttbr für die Lelcbenacbaa bei Unbemittelten 
M. 2; auf dem platten Lande werden anfierdem die dblicben Kilometergelder 
in Anrechnnng gebracht. Ob die Tragung dieser Kosten der Gemeinde oder 
dem Bezirke zofälltj iat dnrcb lokale Beatimmongen entsprechend festznaetzen. 

§ 4. Der Leichenachanschein (vorgedracktea Formular) darf nicht frtlher 
aoagestellt werden, als der dazu beraune Arzt durch Featatellung von 
mindestena zwei dentlichen Todeszeichen sich persönlich von dem tatsäch¬ 
lichen Eintritt des Todes ttberzeugt hat. 

Diese Besichtigung ist möglichst biüd, im allgemeinen bnerhalb 24 Standen, 
nur auanahmsweise erat innerhalb 48 Stunden nach erfolgter Todesanzeige 
vorzanehmen. 

§5. Erregt die Untersachnng den Verdacht, daß eine nicht 
natttrliehe Todesursache vorliegt, oder trägt der Verstorbene Sparen 
von Gewalttätigkeit an sich, ao ist darüber der FomeibehOrde sofort Anzeige 
za erstatten. 

§ 6. Begegnen dem Leichensebaner Todesfälle, die nicht ärztlich be> 
bandelt waren und die ihm von einer ansteckenden Krankheit herza- 
rttbren scheinen, so hat er alsbald dem Kreisarzt, bei gemeingefährlichen 
Krankheiten auch der zuständigen Polizeibehörde (Bürgermeister, Polizei¬ 
diener) darüber Mitteilung zu machen.“ 

Der schwierigste Punkt ist bei Durchführung der obligatorischen Leichen- 
achaa entschieden die Begelung der Kostenfrage, besonders da je nach der 
Bewertung des einen oder des anderen Zweckes der Leichenschau deren Nutzen 
mehr auf Seite des Individuums oder des Allgemeinwohles verlegt wird. 

Wernich ist zwar der Ansicht, daß durch die ausgesprochene Aufgabe 
der Leichenschau, in der Öffentlichen Feststellung der Todesart das Mittel zu 
erlangen, hygienische Ursachen nnd Wirkungen zu erkennen, die Notwendig¬ 
keit, die Totenschau durch Beichsmittel (Staatsmittel) zu regeln, eindringliä 
gerechtfertigt sei; hiergegen vertritt Hamm die Ansicht, daß bei der immer 
noch weit verbreiteten Furcht vor dem nDebendigbegrabenwerden“ wenigstens 
für die Bemittelten eine Uebernahme der Kosten durch den Staat durchaus 
nicht erforderlich erscheint. BLandelt es sich um Verstorbene, die in ärztlicher 
Behandlung gestanden haben, so wird die Honorierung eines letzten durch die 
Leichenschau erforderlichen Besuches, so gut wie in den Städten des Ober- 
Blsasaes sich sicherlich auch sonst ohne Schwierigkeit einbürgetn; trat der Tod 
ein, ohne daß bei Lebzeiten ärztliche Hille in Anspruch genommen war, so 
dürfte gerade auf dem Lande, wo Aberglaube, üble Nachrede und phantastische 
Gerüchte sich viel schwerer geltend machen als in der Stadt, den Angehörigen 
des Verstorbenen eine sachverständige Feststellung des Todes, sowie der Todes¬ 
art von nicht zu unterschätzendem Werte sein. 

Eine Belastung des Staates bezw. der Gemeinde würde somit voraus¬ 
sichtlich bloß für die Fälle in Frage kommen, wo es sich um die Totenschau 
Unbemittelter bandelt. Nun gehört ja die unentgeltliche Behandlung Armer 
sowieso zu den Obliegenheiten der Kantonalärzte, so daß bei diesen auch die 
Verpflichtung zur unentgeltlichen Vornahme der Leichenschau a priori durch¬ 
aus gerechtfertigt erscheint. Immerhin ist zu bedenken, daß bei der Mehrzahl 
der Gemeinden, in denen eine allgemeine oder beschränkte obligatorische 
Leichenschau durchgeführt ist, für diesen Dienst auch eine besondere Ver¬ 
gütung (1 —2 M. pro Besichtigung) vorgesehen ist, daß also schon vom Stand¬ 
punkte des Gewohnheitsrechts aus eine Beibehaltung und allgemeine Einführung 
einer derartigen Honorierung natürlich sehr erwünscht wäre. 

Auch ist anzunehmen, daß die Gemeinden von 2000 und mehr Ein¬ 
wohnern eine derartige Mehrausgabe für die Leichenschau ihrer Ortsarmen 



564 


Bosprechangen. 


leicht ttbernebmen könnten, da hier ein Honorar Ton M. 2 pro Beeicbtignng im 
idlgemeinen genügen dürfte. Eine höhere Taxe müfite hingegen angeaetzt 
werden für diejenigen Gemeinden, in denen infolge der weiten J^tfernnng der 
Ortschaft Tom Arzt oder der abgelegenen Lage einzelner Gehöfte die Vor* 
nähme der Leichcnschaa mit einer unTerhültnismäßig großen ZeitTersäamnis 
Terknüpft ist. Hier wäre naturgemäß eine Vergütnng des Arztes unter An¬ 
rechnung Ton Kilometergeldern, ähnlich wie für die Wiederimpfungen Torzn- 
sehen, eine Vergütung, die in den meisten Fällen dann nicht mehr der Ge¬ 
meinde, sondern dem Bezirke zur Last gelegt werden müßte. 

Durch eine derartige Regelung der Eostenfrage, teils aus priraten, tefls 
aus öffentlichen Mitteln, würde dem doppelten Charakter der Leichenschau 
wohl am besten Rechnung getragen. Autoreferat. 


Der moderne landsohaftUehe Zentralfrledhof ln den Gross- und 
Indnstrlestftdten. Von Emil Gienaph in Hamburg. Technisches Gemeinde¬ 
blatt; 1907, Nr. 12. 

ln Großstädten ist ans wirtschaftlichen, hygienischen und ästhetischen 
Gründen die Anlage eines an der Peripherie gelegenen, mit allen Teilen der 
Stadt durch Verkehrsmittel verbundenen, Zentralfriedhofs ein dringendes 
Postulat, das schon in einer Reihe von Großstädten (z. B. für Hamburg in Ohls¬ 
dorf) erfüllt ist. Der Zentrallriedhof muß in würdigerWeise mit Anpflanzungen, 
Blumen- und Wasseranlagcn versehen werden. Die Verwaltung muß nach ein¬ 
heitlichen Grundsätzen allein der Stadt zufallen unter Ausschaltung der kirch¬ 
lichen Einmischung. Mit der hygienisch so bedenklichen Unsitte, die Leichen bis 
zur Beerdigung im Hause zu belassen, muß gebrochen werden. Aus wirtschaft¬ 
lichen Gründen muß eine Belegzeit (25—50 Jahre) festgelegt werden. Die 
umfangreiche Anwendung der Leichenverbrennung würde eine Raumersparnis 
bedingen, jedoch wird diese in absehbarer Zeit noch keine praktische Bedeutung 
gewinnen. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Besprechungen. 

Dr. Wolfgang Wetohardt, Privatdozent in Erlangen: Jshresbexlolit über 
die Ergebnisse der Immnntt&tefOTSohnng. II. Band: Bericht über 
das Jahr 1906. Stuttgart 1908. Verlag von Ferdinand Enke. Gr. 8^ 448 8. 
Preis geh.: 14 Mark. 

Biologische Probleme beherrschen die medizinische und, man darf wohl 
sagen, die ganze naturwissenschaftliche Forschung überhaupt. Ersteres beweist 
der Umfang des verdienstlichen Weichardtschen Sammelwerkes. Es konnte 
sich nicht mehr, wie der 1. Band, allein auf die Ergebnisse der Immunitäts- 
forsebung erstrecken. Es hat die Grenzgebiete, soweit diese der Immuniiäts- 
forschung bereits erschlossen sind, mit hineingezogen und durch besondere 
zusaromenfassende Spozialbearbeitungen berücksichtigt, so die Ergebnisse der 
Karzinomforschung (von Dr. Schöne am Institut für exp. Therapie in Frank¬ 
furt a. M.) und die Opsoninfrage (von Privatdozent Dr. Rosenthal am 
hygienischen Institut in Göttingen). , 

Gerade die jenen Forschungsgebieten ferner stehenden Aerzte werden 
dem Heransgebor für seinen Jahresbericht Dank wissen; ebenso für die »allge¬ 
meine Uebersicht“ über die Ergebnisse der Immunitätsforscbung, mit welcher 
der Herausgeber ihn einleitet, und für die „Zusammenfassung'* und den »Aua- 
blick“ am Ende des umfangreichen Werkes. Dem Spezialforscher ermöglicht der 
Jahresbericht eine schnelle Orientierung über die wichtigsten Ergebn&e deut¬ 
scher und ausländischer Immunitätsarbeiten, insbesondere auch aus dem Gebiete 
der Syphilis- und Tuberkuloseforschnng, aus dem Bereich der Veterinärmedizia 
und chemischen Literatur. Ein ausführliches Sachregister ermöglicht das rasche 
Aufflnden dor Referate, an deren Abfassung die maßgebensten Schulen und 
Forscher selbst beteiligt sind. 

ln dem Bericht steckt eine enorme Arbeit; möchte sie die verdiente Aner¬ 
kennung finden! 


Dr. R 0 e p k e - Melsungen. 




Tsgesnaohriohten. 


566 


S*ii.-Bat Dr. li. FArst • Berlin: Yademeonm der velbliohen Qe- 
eundheltspflege. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. W&rsbarg 
1908. A. Stabers Verlag. KL 8**. 106 8. Preis: 1,90 M. 

Inhalt: Gesundheitspflege in den Entwicklangsjabren. — Das Aasbleiben 
der Menstruation. — Eongestionsfragen. — üeber krankhafte Schleimflflsse. — 
Zar Abortfrage. — Die Frau in Schwangerschaft and Wochenbett. — Die 
Pflege der Brost. — Unregelmäßige, sicht menstraelle Blatangen. — Nervbse 
Frauenleiden. Das kritische Alter. — Körper • Uebangen als Mittel der Ge- 
sondheitspflege. — Verhältnis zwischen Gesundheit and Schönheit — Das sind 
die so wichtigen Fragen der weiblichen Oesandheitspflege, die der Verfasser 
mit wissenschaftlichem Ernst in leicht faßlicher und höchst dezenter Form 
behandelt Möchte das Bach darch weiteste Verbreitang seinen Zweck erfüllen, 
gesunde und moderne Anschauangen in alle beteiligten Kreise za tragen. 
Möchte es insbesondere auch die Literatur verdrängen, die unter ähnlichen 
Titeln auf die Sinnlichkeit und die Sacht des Pablikanu nach Pikantem 
spekuliert. Dr. B o e p k e- Melsungen. 


Tagesnachrichten. 

Gehaltsregelung dei* Medizinalbeamten in Bayern. Das Beamten* 
gesetz and die neoe Gebaltsordnang sind von der Kammer der Abgeordneten 
erledigt worden. Der Versuch, die Bezüge der Landgerichtsärzte mit denen 
dor Bezirksärzte za vereinheitlichen, ist nicht gelangen. Die Münchener 
medizinische Wochenschrift gibt eine neae tabellarische üebersicht der Bezüge, 
die wir hier folgen lassen; 





Dienstjahre 




mlSbMi 


ES 

10—12 

13—16 

V. 16. 

V. 19. 

Vortragende Bäte im Mini* 
sterium. 

8400 

9000 

9600 

10200 

10800 

11400 


Kreismedizinalräte, ordentL 
Universitätsprofessoren . 

6000 

6500 

7000 

7600 

8000 

8400 


Landgerichtsärzte, Profes¬ 
soren d. Hebammenschulen 

4800 

5300 

6800 

6300 

6800 

7200 


Außerordentliche Universi¬ 
tätsprofessoren .... 

3600 

4100 

4600 

6100 

6600 

6000 


Bezirksärzte, Hausärzte der 
Strafanstalten, Zentral* j 
impfarzt, Oberärzte der 
Universitätskliniken . . | 

3000 

3500 

4000 

4600 

5000 

5500 

6000 


Im KSnIgreleh Bayern sind unter dem 7. Juli d. J. neue Vorschriften 
fflr das Verfahren der Aerzte bei den gerichtlichen Untersnehnngen von 
Leichen erlassen. Sie stimmen mit dem preußischen Obdaktions-Begolativ 
fast wörtlich überein, nur an einzelnen Stellen sind sie etwas besser stilisiert. 
Eine wesentliche Abweichung enthält § 12, wo die Anordnung getroffen 
ist, daß bei einer etwa notwendigen Untersuchung der inneren weiblichen 
Genitalien auf Spermatozoen diese Teile unter möglichster Schonung der 
Vagina sofort an die zuständige Behörde zu senden sind. Im § 18 wird 
weiterhin darauf aufmerksam gemacht, daß die Prüfung der Weite der Vorhof* 
kammeröffnung erst bei der Untersuchung des heraasgeschnittenen 
Herzens vorzunehmen ist; § 22 hat einen Zusatz betreffs Untersuchung 
der Nachgeburt erhalten. Beigegeben sind den Vorschriften außer einem 
Auszug aus der Str.*Pr.-0. noch die Bekanntmachung über die Vornahme 
richterlicher Leichenschau, Leichenöffnung uaw. vom 20. Januar 1904, eine 
Anweisung über Konservierung und Versendung von Organen oder Organteilen 
zur mikroskopischen, bakteriologischen und chemischen Untersuchung sowie 
eine Zusammenstellung der Durchsebnittsgowiebto und Maße von neugeborenen. 
Kindern und der Durchschnittsgewichte der Organe normaler erwachsener 
Menschen. 

Sobald Württemberg und Baden dem Beispiel von Bayern und Sachsen 










666 


Tagesnaohriohten. 


naehfolgeo, werdea wir einheitliche ObdoktioaB-Vonohriften im ganaea 
DenUehen Beieh haben; denn in allen andern Bondeastaalen sind bereitn die 
preußischen Vorschtiften elngefhhrt. 

Die Aerntekammer der Provinz Posen hat zur Bewertung tob 
Attesten nlehtbeamteter Aerzte seitens der SebulbehSrden maßgebende 
Grundsätze aufgestellt und dafttr die Zustimmung der anderen preuischen 
Aerztekammern angeregt. Die Grundsätze lauten: Im all^uieben soll das 
Attest eines jeden, insbesondere des behandelnden Arztes ids ToUgttltig und 
genügend angesehen werden; nur in besonders wichtigen Fällen darf unter 
wirklich triftigen Gründen ein Attest des beamteten Arztes eingeiordert 
werden; in diesen Fällen sollen die Kosten des Attestes von der Schue über¬ 
nommen werden. _ 

Der Landesrerein preußischer yolksschullehrerianen hat im Min d. J. 
eine Eingabe, betreffend die sexuelle Belehrung ln der Yolksschule^ an den 
Eultusmuiister gerichtet. In dieser wird zum Schluß folgende Bitte aus¬ 
gesprochen: Das Unterrichtsministerium wolle 

1) mit der Ausarbeitung methodischer Grundlagen für sexuelle Belehrung 
in den verschiedenen Lehrfächern der verschiedenen Lehranstalten Kommissionen 
betrauen, in denen außer Aerzten auch solche Männer und Frauen mitarbeiten, 
die schon in der Praxis sexueller Belehrung mitgewirkt haben; 

2) anordnen, daß Lehrer- und Lchrerinnenseminare, sowohl die positiven 
biologischen, als die pädagogisch - methodischen Vorkenntnisse zur Erteilung 
sexueller Belehrung zu vermitteln haben, und daß demgemäß der naturkundliche 
und pädagogische Unterricht der Seminare erweitert und ausgebant werde; 

3) von Aerzten bezw. Aerztinnon oder von sachkundigen Pädagogen 
Kurse abhalten lassen, die jetzt amtierenden Lehrkräfte beraten, in welchem 
Maße und in welcher Art geschlechtliche Belehrung übermittelt werdea kann; 

4) Anweisung geben, daß solche Lehrkräfte, welche bereits auf dem 
Gebiete sexueller Belehrung mit Takt und Sachkenntnis praktisch gearbeitet 
haben, in ihrem Wirken nicht durch behördliche Eingriffe gehemmt, sondern 
gegen Angriffe geschützt werden. 

Die Dentsehe Otologisehe Gesellsehaft hat bei ihrer diesjährigen 
Tagung in Heidelberg am 6. und 7. Juni beschlossen, an die Gemeinaen 
Deutschlands mit über 10000 Einwohnern folgende ErUärnng zu schicken: 
Die Deutsche otologisehe Gesellschaft hält die Anstellung von Schulohren¬ 
ärzten an allen Volks- und höheren Schulen für erforderlich. Durch viele 
Untersuchungen ist festgestellt, daß bei etwa der Hälfte der schwerhörigen 
Schulkinder die dauernde Schwerhörigkeit durch frühzeitige Behandlung hätte 
vermieden werden können. Da der Erfolg des Unterrichts vom Grade der 
Schwerhörigkeit abhängig ist, liegt die Verhütung und Beseitigung der Schwer¬ 
hörigkeit [sowohl im Interessejfder Schule, als (auch dem der betreffenden Kinder. 

Am Internationalen Tuberkulose-Kongress im September in 
Washington wird als Führer der Delegierten für das Beich der Geheime 
Ob.-Med.-Bat und vertragende Bat im Kultusministerium Prof. Dr. Kirchner 
teilnehmen. Um eine Verständigung zwischen den deutschen Teilnehmern am 
Kongreß herbeizuführen, ist es wünschenswert, daß alle, die nach Washington 
gehen wollen, ihre Adresse dem Schriftführer des Deutschen National-Komitees, 
Prof. Dr. Nietner, Berlin W. 9, Eichhornstraßee 9, mitteilen. 

Die diesjährige Hauptversammlung des Deutschen Apothekervereins 
findet vom 8. bis 11. September in Darmstadt statt. Auf der Tages¬ 
ordnung befindet sich u. a.: Beform des Krankenversicherungswesens, Entwurf 
eines Beiebsapothekengesetzes, Vor- und Ausbildung, Deutsche Arzneitaxe, 
Großindustrie und Apotheke, Bevision der Kaiserlichen Verordnung über den 
Verkehr mit Arzneimitteln, Knrpfuschergesetz, Verkehr mit Mineralwässern, 
Standesbezeichnung. Außerdem wird Geh. Hofrat Professor Dr. Staedel- 
Darmstadt einen Vortrag über „die Umbildung fester Stoffe“ halten. 



Tsgesnaehiiehten. 


667 


Im KSiilfreich Sachsen ist unter dem 6. Kal d. J. eine A.bSndeiaBg 
der Hebammenordnaag und der Dienstanwelsnng fOr die Hebammen car 
VerhOtong des Wochenbettfiebers erlassen, durch die 14 tägige Wiederholunn- 
knrse Ittr alle angestellten Hebammen eingeltthit wmden, die einschließlich der 
Veipflegong anent|;eltlieh sind. Außerdem ist durch die neue Anweisung 
„Sublimat* als Desinfektionsmittel vorgeschrieben. 


Der „Arbeiterfreund* hat eine Zueammenstellnng ttber die FSrsorge- 
elnrlehtangen der dentsehen Arbeitgeber gemacht. Danach sind von diesen 
in den Jahren 1898 bis 1905 nicht weniger als 551599686 M. aufgewendet 
worden, und swar handelte es sich dabei um direkte freiwillige Fttrsorgen ffir 
die Arbeiter und deren Angehörige. Im Jahre 1905 sind 92948592 hf. aus- 
gegeben und swar fttr: Pensions- und Onterstütsungsfonds usw. 17 026 579 M., 
Prämien, Gratifikationen, Gewinnbeteiligung 10910688 H., Arbeite rwohlfahrts- 
swecke, nicht spezialisiert 88244878 M., gemeinnätzige Zwecke im allgemeinen 
2240512 H., Altenheime, Stifte 8621832 M., Kranken-, Verwundeten-, Ge¬ 
nesenden-Fflrsorge, Wöebnerinnenpflege 4864440 Mark, Wohnungsfttrsorge 
9561185 M., Ersiebnngs- und Unterri^tsswecke 2188689 M., Bildungs- und 
Vereinszwecke 2794775 M., Armenunterstütsung im allgemeinen 1545124 M 


Im Deutschen Verlag ffir Volkswohlfahrt (Berlin W., NoUendorf- 
Straße 29—30) erscheint seit dem 1. Juli eine neue Monatsschrift: ,)Deslnfek- 
tlea% die ron Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Fittgge-Brealau, Geh. Ober-Med.-Bat 
Prof. Dr. Gaffky, Baurat Herz borg, Geh. Ober-Med.-Bat Prof. Dr. 
Kirchner, Geh. Beg.-Bat Prof. Dr. Proskauer, sämtlich zu Berlin, unter 
Scbriftleitung yon Dr. med. Lentz und Dr. phil. Lockmann, Abteilungs- 
Torsteher im Kgl. Institut fttr Infektionskrankheiten in Berlin, heransge^eben 
wird. Sie will ein Zentralorgan fttr das Gesamtgebiot der Desinfektion, 
Sterilisation und Konseryierung werden. 

In Originalartikeln wissenschaftlicher Forscher wird sie an dem weiteren 
Ausbau dieser Gebiete tätig sein, in Besprechungen, Literaturttbersichten, 
Einzel- und Sammelreferaten wird sie dauernd einen zuyerlässigen Ueborblick 
ftber den jeweiligen Stand der gesamten, hierher gehörigen Forschungsarbeit 
darbieten. 

Durch Gewinnung einer Beihe von tflehtigen Mitarbeitern ist die Zeit¬ 
schrift in der Lage, nicht nur aus der ganzen umfangreichen sowohl deutschen, 
wie ausländischen wissenschaftlichen Literatur das einschlägige Material zu 
sammeln, sondern auch patentamtliche Mitteilungen, statistische Angaben und 
Berichte Aber gesetzliche und behördliche Bestimmungen zu bringen. Dabei 
wird ttberall bis auf Januar d. J. zurttckgegriffen werden, so du die Zeit¬ 
schrift noch fttr das Jahr 1908 ein vollständiges Bepertorium bilden wird. 
Ferner sind Beschreibungen bewährter oder neuer Dssinfcktionsanlagen yon 
Krankenhäusern und anderen Anstalten in Aussicht genommen; auch bemerkens¬ 
werte Tagesereignisse werden kurz Berücksichtigung finden. Der Preis des 
Jahresabonnements beträgt 10 Mark. 


Als Organ der Gruppe „Krttppelfttrsorge der deutschen Zentrale fttr 
Jugendfttrsorge und des Berlin-&andenburgischen Krflppel-Heil- und Fttrsorge- 
Versins* erscheint vom 1. Juli d. J. ab als neues Fachblatt die „Zeitschrift 
fflr KrBppelfBrsorge^ die unter Mitwirkung von Hilfsschuldirektor Delitsch- 
Planen L V., Geh. Ober-Med.-Bat Dr. Dietrich und Stadtrat Dr. Mttnster- 
berg-Berlin. Pastor D. Schäfer-Altona von Dr. Biosalski, leitenden 
Arzt der Berlin - Brandenburgischen Krttppel • Heil - und Erziehungsanstalt im 
Verlage von Leopold Voß, Hamburg und Leipzig, heransgegeben wird. In 
der Zeitschrift soll über die Literatur der einzelnen Sondergebiete in ttbersicht- 
lichen Sammelberlcbten referiert, Nachrichten aus den Krttppelheimen, den 
Vereinen und Kongressen, besonders auch aus dem Ausland, kurz, ans der 
praktischen Arbeit gebracht werden und in besonderen Aufsätzen nach und 
nach jedes Sonderfach Gelegenheit finden, sich „den andern* bekannt zu 
nsaehen, um einen organischen Zusammensdilnß aller an der Krfippelfttrsorge 
beteiligten Sonderfächer zu erreichen. Preis: 12 Mark fttr jeden Band. 



668 


äprechsaal. 


•pr«o]iMk«L 

Anfrage des Kreisarztes Dr. M. N.: Wo beginnt im Sinne des § 66 a 
der Qewerbeordnang sowie des Ministerial-Erlasses vom Januar 1903 das 
Gebiet der Zahnheilkunde gegenüber derT&tigkeit als Zahn¬ 
techniker. Fallen insbesondere a) Zahnextraktion, b) Plombieren von Zihnen 
unter die Zahnheilkunde P 

Antwort: Ausziehen und Plombieren von Z&haen gehOrt zur Zahnheil- 
künde und da gemäß § 66 a die Ausübung der Heilkunde allen Personen, die 
nicht für diese approbiert sind, verboten ist, gilt dies Verbot auch für die 
Zahntechniker, soweit sie nicht etwa als staatlich geprüfte Heilgehilfen die 
Befähigung zum „Zahnziehen" besitzen. In diesem Falle werden sie Zahn- 
eztraktionen, aber nicht Plombieren der Zähne im Umherziehen vornehmen 
können. 


Anfrage des Kreisarztes Vr* K. in St«: Ist das Attest zwecks Mel¬ 
dung zur Prüfung als Schwimmlehrerin in das Gebührenverzeichnis 
dor vollbesoldeten Kreisärzte anfzunebmen oder nicht? 

Antwort: Nein. Nach dem Ministerial-Erlaß vom 18. Dezember 1906 
— U. 111 B. 4018 — können Meldungen zur Tum- und Scbwimmlebrerinnen- 
prüfung nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie mit den in § 4 der 
Prüfungsordnung vom 16. Mai 1894 vorgeschriebenen Schriftstücken ordnungs¬ 
mäßig versehen sind. In § 4 wird aber nur ein „ärztliches Gesundheitsattest" 
und kein „amtsärztliches" verlangt. 


Anfrage des Dr. B. in M.: 1. Ist es — z. vergL § 9 des Beichs- 
impfgesetzes — zulässig oder dem Sinne des Gesetzes nach gültig, wenn 
Impfstoff aus ausländischen Instituten verwendet wird? 

2. Sind in bezug auf §§ 1, 2, 8, 10 n. a. dos B.-L-G. von ausländi¬ 
schen Aerzten vorgenommene Impfungen, besonders auch von 
solchen ausgestellte Scheine und Zeugnisse gesetzlich gültig? Ist es nach 
dem Impfgesetz gültig, wenn in Grenzgegenden ausländischen Aerzten Praxis 
in irgendeiner Ausdehnung im deutschen Gebiete gestattet ist, daß diese 
dann auch wie inländische Aerzte impfen und Scheine ausstellen können? 

Antwort zu 1: Die Benutzung von Lymphe ans ausländischen Instituten 
ist nach § 9 des Impfgesetzes in Verbindung mit den von allen Landes¬ 
regierungen erlassenen Beschlüssen des Buudcsrats vom 28. Juni 1899 nicht 
zulässig; denn in Nr. 3 der Beschlüsse, betreffend die allgemeine Einführung 
der Impfung mit Tierlymphe, heißt es, daß die Tierlymphe für alle Impfärzte 
aus staatlichen oder ans uen einer staatlichen Kontrolle unterstehenden Privat- 
Impfanstalten bezogen werden muß; unter den „staatlichen" sind aber im 
Sinne der Beschlüsse nur inländische Anstalten zu verstehen. 

Zu 2: Derartige Impfungen sind im allgemeinen nicht gültig, da nach 
§ 8 des Impfgesetzes die Impfung von einem Arzt, d. b. einem in Deutschland 
approbierten Arzt, ausgeführt werden muß. In den Grenzgebieten sind jedoch 
nach dem Wortlaut der betreffenden Vereinbarungen die ausländischen Aerzte 
zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit in gleichem Maße, wie ihnen dies in 
der Heimat gestattet ist, befugt, also auch zur Vornahme von Impfungen. Die 
Von ihnen ausgestellten Impfscheine sind daher gültig, vorausgesetzt, daß sie 
der vorgeschriebenen Form entsprechen. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. M. in Z.: Wer hat die Uebersichten der 
Impfungen und Wiederimpfungen ausznstellen ? 

Antwort: Die Uebersichten der Impfungen und Wiederimpfungen sind 
von der Ortspolizeibehörde bezw. vom Landrat (für den ganzen Kreis) anl- 
zustellen. Die Impfärzte haben nur einen Impfbericht gemäß dem Erlaß vom 
12. Juli 1883 anzufertigen, und der Kreisarzt hat dann auf Grund dieser Impf¬ 
berichte und der Impfiisten (§ 89 der D. A.) den Hauptimpfbericht zu er¬ 
statten. Zu ,den Listen gehören aber auch die Uebersichten. 

Verantwort!. Redakteur; Dr.Rapmnnd, Reg.-u. Geh. Med.-Rat inIDndenL W. 
J. O. C. Bnuu, PanofL Zieha a. F. ScIl-L. Hofl>neädrack«r«l tr Mtmi— 




21. J>hrg. 


Zeitschrift 


1908. 


Iftr 


MEDIZINALBEÄMTE. 


ZairtralMatt für das gnante Sasaailkeitswesan, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

HeransgegebeB 

▼OB 

Dr. OTTO BAPMUND, 

Refienuigs- und Qeh. ModlilnAlrat 1b MiBdoB. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Wflrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinaibeamtenvereins. 


Verlag von Fisehers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld, 

HaraogL Bajraar* HM- b. BnBMBogL gMwnMir.BiMihhtoBiMP. 

Berlin W. S5, Lützowstr. 10. 

iBierBte Bohmea die YerlogtliAndliuig sowie alle ABBonoeB-SxpedllioBeB des Ib- 

BBd AnslaBdes entgegen« 


Nr. 16. 


Brs«laeliit »at S. ud HO. Jeden Honnta. 


20. August. 


Schädelbruch durch Hundebiss. 

(Hit swei AbbildoogeB.) 

VoB Mediaiaalrat Dr. Pfleger, Gericbtsarzt dea Ereieee Nieder-Bamim luad 
Dr. Marx, Gerichtaarzt dea Kreises Teltow. 

Im April dieses Jahres hatten wir eine Obduktion yorzn- 
nehmen, bei der wir eine interesssante Schädelyerletznng fest¬ 
stellen konnten; schon ihrer Seltenheit wegen erscheint sie uns 
der Veröffentlichung wert: 

Am 7. April d. Js. spielte das IVt Jahre alte Töchterchen 
des M. in K. vor dem Hanse seiner Großeltern nnd kam dabei 
dem Hofhunde, einen ziemlich großen Tiere, nah. Das Kind 
streichelte den Hnnd, plötzlich schnappte das Tier zu nnd nahm 
dabei den ganzen Kopf des Kindes ins Maul. Der hinzneilende 
Vater mußte den Kopf des Kindes ans dem Manie des Hundes 
befreien, dabei zeigte sich, daß das Kind tot war. 

Am 11. April nahmen wir die Obdnktion der noch frischen 
Leiche vor. Ans dem ObdoktiousprotokoU lassen wir die wesent¬ 
lichen Befände hier folgen: 

A. Aensaere BezicbtigUBg. 

Die Leiche des 1V» alten HSdchena ist 80 cm lang, zeigt legelm&fligeB 
Edrperbao, guten Ernftbrangszoatand. 

1 cm Aber dem linken Ohranaatz aitzt eine von Torn nach hinten Ter- 
laofende Zuaammenliaagztrenaang der Weiobteile bia auf den Knochen gehend, 












570 Dr. Pfleger und Dr. Marx: Sichfldelbruch durch äandebiß. 

Yon 6 cm LSnge und bis 8 cm klaffend. In der Tiefe sieht man Knochen- 
trflmmer und freiliegende Gehirnsubstanz. 

2 cm oberhalb dieser Zusammenhangstrennung findet sich eine zweite 
Zusammenhangstrennung, welche in einer Linge von 4 cm und 0,5 cm klaffend 
gerade nach oben yerläuft. 

An der Grenze zwischen Stirnbein und Scheitelbeinen verlfluft Yon rechts 
nach links eine Zusammenhangstrennung der Weichteile bis auf den Knochen 
gehend, in Länge Yon 3 cm und 1 cm klaffend. 

6</i cm über dem rechten Ohransatz findet sich eine weitere Zusam- 
menhangstrennnng, welche dicht hinter der Haargrenze beginnt und 9Vt cm 
nach hinten Yerläuft. Sie klaffe bis 8 cm. Auch hier liegt der Knochen yoU- 
kommen frei. 

An der linken Ohrmuschel findet sich ein Biß, welches am oberen Band 
beg^t und 1 cm nach abwärts geht. Die Bänder sind unregelmäßig, blutig, 
eingetrocknet. 

Auf der linken Wange sitzt eine Zusammenhangstrennung der Haut, 
welche in Länge Yon 4 cm und bis 1 cm klaffend Yon oben nach unten Yor- 
läuft und unten gabelförmig in 2 Zacken auslänft. Die Bänder sind unregel¬ 
mäßig, blutig. Dicht hinter dieser Zusammenhangstrennung Yerlaufen zwei 
striemenartige, braunrote, 2 cm lange Hautabschürfungen, Yon oben nach unten. 

Im rechten Ohreingang etwas angetrocknetes Blut, sonst in den natür¬ 
lichen Oeffnungen des Kopfes kein Fremdkörper. 

B. Innere Besichtigung. 

I. Kopfhohle. Die weichen Kopfbedeckungen sind fast in ganzer 
Ausdehnung mehr oder weniger stark blutig durebtränkt. 

Das Schädeldach ist regelmäßig gebaut Yon graurOtlieher Farbe; auf der 
Sägefläche bis 0,15 cm stark. Die Eranznaht ist YoUständig auseinander¬ 
gesprengt und klafft bis zu 1 cm; das linke Scheitelbein ist in seinem unteren 
Abschnitt yielfach zertrttnunert. 

An beiden Scheitelbeinen finden sich insgesamt 6 LOcher Yon der Grüße 
etwa einer Linse von dreieckiger, Yiereddger und länglicher Gestalt, welche 
den Knochen YoUständig durcluetzen, derartig, daß die innere Tafel des 
Schädelknochens dachfirstfOrmig nach innen gegen die Schädelhohle aufge- 
richtet ist. 

Die Bänder sämtlicher Enochenznsammenhangstrennungen sind unregel¬ 
mäßig, zackig, laicht blutig belegt. 

Die harte Hirnhaut ist entsprechend der Zertrflmmung des linken 
Scheitelbeins mehrfach zerrissen. Im übrigen ist sie unYorletzt, an der inneren 
Fläche blaß, perlmutterglänzend; Gefäße und Längsblutleiter leer. 

Zwischen harter und weicher Hirnhaut findet sich, das ganze Gehirn 
überziehend, eine dünne, nicht meßbare Schicht locker geronnenen Blutes. 

Die weiche Hirnhaut ist zart; ihre Gefäße nur sehr wenig gefüllt. 

An der Stelle, wo der linke Schläfen-, Scheitel- und Stirniappen Zusam¬ 
menstößen, ist die Hirnsubstanz in Ausdehnung eines Fünfmarkstückes zer¬ 
trümmert, bis in eine Tiefe Yon 1 cm und blutig durchsetzt. Im Übrigen ist 
das Gehirn regelmäßig gebaut und so weich, daß es bei der Herauanabrae zer- 
fäUt und eine regelNchte Sektion der einzelnen Himteile nicht mOglich ist. 
Nirgends finden sich in der Substanz Blutaustritte. Es treten fast gar keine 
Blutpunkte auf. 

Die harte Hirnhaut der Schädelgrundfläche ist glatt und glänzend 
Querblutleiter leer. 

Die Knochen der Schädelgrundfläche sind unYerletzt. 

Naehdem das Schädeldach mazeriert war, zeigten sich die 
schon im Obdnktionsprotokoll beschriebenen SchädelYerletznngen 
am vieles deutlicher. Die beigegebenen Abbildungen (Photo¬ 
gramme) geben die charakteristischen Befunde sehr schön wieder. 

Die Seltenheit des Falles beruht einmal in der Lokali¬ 
sation der durch die Hundebisse bewirkten Verletzungen, vor 
allem aber in der durch die Gestalt der Hundezähne bedingten 




Zu dem Artikel: Schädelbruch durch Hundebiss. 





Dr. T. SuTj: PraktlBclie Drlalunuigak bei EoblenozydTergiftnngeii osw. 671 

Form der Verletzangen. Wir haben him* den nicht alltägliehen 
Fall des Vorkommens geformter Lochbrüche an einem Kinder« 
Schädel vor nns. Wäre das Tier, von dem die tOtlichen Verlet- 
znngen aasgingen, nicht bekannt gewesen, so hätte man sehr 
wolü nach der Form der Schädelverletzangen den „schuldigen“ 
Hand an seinen Zähnen ausfindig machen können. 

Aach an diesem kindlichen Schädel bewährt sich das be¬ 
kannte Gesetz, daß bei Lochbrüchen des Schädels der Aosbmch 
an der der einwirkenden Gewalt abgekehrten Knochentafel größer 
ist, als an der zagekehrten Tafel. 

Die übrigen, nicht geformten Brüche dieses Schädeldaches 
sind teils, wie der breite Einbrach des rechten Scheitelbeins, 
durch das direkte Einwirken der Kieferränder des Hundes ent¬ 
standen, teils sind sie, wie die Anseinandersprengong des Schädel¬ 
daches in der Kranznaht, vielleicht durch Schlag mit der Pfote 
entstanden. 

Figur I zeigt das Schädeldach von der Außen-, Figur n 
dasselbe von der Innenseite. 


Praktische Erfahrungen hei Kohienoxydvergiftungen mit 
Einschluss der Wachholz-Sieradzkischen Tanninprohe. 

Ans dem gerichtlich>medizini8cbeii Institut der ünirersität Wien. 

Von Dr. Kurt t* Sury (Basel), ehemaliger Assistent am Institut. 

Im Laufe jeden Winters kommen stets eine ansehnliche 
Zahl von Kohienoxydvergiftungen am Institut zur Sektion. 
Reuter*) stellte für die Jahre 1896—1905 52 solcher Fälle 
zusammen und im verfiossenen Wintersemester kamen 8 neue Fälle 
dazu. Unter diesen letzteren selbst beobachteten Fällen präva- 
lierten auffallend häufig Leuchtgasvergiftungen bei Dienstboten, 
die entweder in der Küche selbst oder in mit dieser verbundenen 
Räumen ihre Schlafstätten hatten. Die Intoxikationen sind so 
zu Stande gekommen, daß wohl der Gashahn am Rechaud ge¬ 
schlossen, aber der Haupthahn und der Hahn an der Mauer, wo 
der Schlauch ansetzt, offen gelassen war. Hat nun das 
Gummirohr durch längeren Gebrauch seine Elastizität eingebflßt, 
so gleitet dasselbe durch den in seinem Innern herrschenden 
Druck vom Rechaud ab und das Gas strömt frei aus. Man kann 
daher bei der Wiederholung des gleichen Geschehnisses nicht 
genug warnen und zur Vorsicht mahnen. In erster Linie sollten 
die zuständigen Behörden genaue Verordnungen über das 
Schließen sämtlicher Hähne in der Nacht, besonders in 
Schlafränmen, mit Strafandrohung bei leichtfertiger 
Unterlassung der Vorschrift, erlassen. Unsere Pflicht 


M Beut er: Vierteljahrecbr. f. gerichtl. Mediz.; 3. Folge, XXXT, 1906, 
Seite 240. 



672 Dr. T. Sarj: Praktbohe Erfahraagdo bei KoblenozydTergiftangea 


ilt 68, diese Fälle za publizieren, am noch mehr wie bisher die 
allgemeine Aufmerksamkeit auf sie za lenken. 

Beispielsweise fielen auf diese Art 4 Mädchen miteinander 
einer Leachtgasvergiitong zam Opfer; die eine wurde tot aaf- 
gefanden, die 2. starb b^d darauf, die beiden anderen konnten 
gerettet werden. 

Bei einer dieser frischen Leichen demonstrierte sich die be¬ 
ginnende Erweichung an symmetrischen Teilen des 
Globus pallidus entsprechend dem Knie der Capsula interna 
sehr schön. Einen noch ausgesprocheneren Befand erhoben wir 
im letzten Sommer bei einer 55jähr., an Myodegeneratio cordis 
plötzlich verstorbenen Frau. Auch hier fanden sich an der er¬ 
wähnten Stelle symmetrisch ca. erbsengroße, von Narbengewebe 
umgebene Zystchen. Die bei den Verwandten erhobene Anam¬ 
nese ergab eine vor 4 Jahren dorchgemachte Eohlenoxyil?ergif- 
tung. Gleich verhalten sich auch die Befunde an mehreren 
Sammlungspräparaten (Eohlenoxydvergiftungen); so beträgt die 
Größe der symmetrischen Erweichungsherde bei dem einen Falle 
1,7 : 1,1 cm, in dem andern 1,8 : 0,7 cm. 

Auf das Vorkommen dieser symmetrischen Erweichungsherde 
hat schon v. Hofmann^) an Hand eigener Beobachtungen hin¬ 
gewiesen und ihre diagnostische Bedeutung hervorgehoben. 
Koch*) stellte außer 2 eigenen noch 14 Fälle aus der Literatur 
zusammen; in 8 Fällen lagen die Erweichungsherde symmetrisch, 
in 5 Fällen nur einseitig. 

So können wir sagen, daß uns die symmetrisch in den 
Zentralganglien, speziell im Globus pallidus am Knie 
der inneren Kapsel gelegenen Encephalomalacien 
einen sicheret Anhaltspunkt für eine stattgehabte 
Eohlenoxydvergiftung ergeben. 

Das ursächliche Moment dieser Erweichungsherde liegt in 
der spezifischen Gefäßanordnung der Zentralganglien. Diese 
Partien werden, wie schon Kolisko’) hervorhob, von Eudarterien 
versorgt, die rechtwinklig aus den i^t. cerebralis ant., med. und 
post, abgehen und keine Vasa vasorum besitzen. So kann schon 
die durch die Eohlenoxydvergiftung bedingte Zirkulationsstörung 
infolge des mangelhaften Sauerstoffgehaltes des Blutes, eine fettige 
Degeneration der Gefäßintima hervorrufen mit nachfolgender 
Thrombosierung, die ihrerseits in dem anastomosenlosen Ge¬ 
biete die schweren Veränderungen nach sich zieht. Eine Ver¬ 
kalkung der Gefäßwand, wie Poelchen^) annimmt, ist sicher 


0 V. Hof mann: Lehrbnch der gerichtl. Medizin: VlI. Aofl., 8. 710 
und 711. 

*) Koch: Eozepbalomalazie nach CO vergiltongen. 1. D. Oreifswald, 

1808 , Ijit. 

*) Eoliako: Sammlung von Vorträgen der Wiener klin. Wochea- 
achrilt; 189 L. 

*) Poelehen: Virchows Archiv; CXU, 8. 26. Berliner kliniache 
Woohenaehrift; 1882, Nr. 86 (Lit.). 



mit Einschlnfi der Wacbhols • Sieradzkisobeii TMwioprobe. 


578 


nicht der Eoblenoxydeinwirknng zuziuchreiben. Das symmetrische 
Bild der EDzephalomalazie findet seine ErUärang in dem beider» 
seits genau gleichen anatomischen Verhalten der entsprechenden 
Geiaßäste. 

Trotzdem wir znr Erkennnng der Eohlenozydyergiftnng in 
der spektroskopischen Probe, in derjenigen von Hoppe» 
Seyler and Schnlz-Ennkel ausreichende Hilfsmittel besitzen, 
werden wieder neuere Methoden^) in die forensische 
Praxis eingeiflhrt. Es ist gewiß von größtem Werte, genau 
wissenschaftlich eine sichere Diagnose stellen zu können; es ge» 
nfigen aber dazu die erwähnten Proben, wie die Erfahrungen am 
Wiener Institute alle die Jahre hindurch gelehrt haben, vollauf. 
Eine neue, besonders ffir den Praktiker aasgearbeitete Methode 
muß ebenso handlich sein und mindestens gleich gute, wenn 
nicht bessere Resultate wie die der bisher gebräuchlichen er¬ 
geben. Im Speziellen haben sich Wachholz und Sieradzki**) 
experimentell im Anschluß an Begutachtungen kronkreter Fälle 
mit dem Verhalten und dem Nachweise des Kohlenoxyds im 
menschlichen Blute beschäftigt und unter anderem eine emp¬ 
findlichere Modifikation der Eunke.lschen Tannin¬ 
probe empfohlen. 

Ich habe nun mit dem Blute unserer Eohlenoxydleichen 
vergleichende Untersuchungen inbezug auf die Wertig¬ 
keit der angeführten alten Methoden mit Einschluß der modifi¬ 
zierten Tanninprobe (Wachholz-Sieradzki) vorgenommen, 
worüber hier kurz berichtet sei. 

1) Leachtgasyergiftang: Spektroskopische Probe positiy; 
HoppO'Seyler poaitiv; Kunkel positiy. Wachholz: COhaltige Portion 
mattbraunrot, CO freie Portion graubräunlich. 

2) Lenchtgasyergiltung (Doppelselbstmord?): Spektr. Probe 
positiy; Hoppe-Seilor positiy; Kunkel positiy. 

Wachholz: 1. Reduktion mit Scbwefelammon: CO haltige Portion 
mattbraunrot, CO freie Portion schmutzig graubräunlich. 

IL Bedukion mit Hydrazinhydrat: COhaltige Portion matthelibraunrot 
etwas leuchtender wie bei I, CO freie Portion schmutzig graubraun mit einem 
Stich ins Bdtliche. 

8) Leuchtgasyergiftung: Spektr. Probe positiy; Hoppe- 
Seyler positiy; Kunkel positiy. 

Wachholz: I. Reduktion mit Schwefelammon: COhaltige Portion 
mattbrannrot, CO freie Portion schmutzig graubraun. 

II. Reduktion mit Hydrazinbydrat: COhältige Portion matthellbräun¬ 
lichrot, CO freie Portion schmutzig bräunlich mit einem Stich ins ROtUche. 

4) Kohlendunstyergiftung: Spektr. Probe positiy; Hoppe- 
Seyler positiv; Kunkel positiy. 

Wachholz: I. Reduktion mit Schwefelammon: COhaltige Portion 
hellziegelrot, CO freie Poition rotbraun. 


') a. Wachholz-Sieradzki: Zeitschrift f. Medizinalbeamte; 1897, 
Heft 8. 

b. Puppe: Der beamtete Arzt (Rapmund); 1901, Lieferung III., 
Seite 256. 

c. W achholz-Lemberger: Vierteljahrschrift f. gerichU. Medis.; 
3, Folge, XXIII, 1902, S. 223. 

d. Wachholz: ibid.; S. 231. 

e. Straßmann-Schulz: Berlin, klin. Wochenschrift; 1904, Nr. 48. 

f. Qrflnaweig-Pachonski: Zeitschrift für Medizinalbeamte; 1906. 



574 Dr. T. Sary: Praktbche Erfahrongen b«i EohleBoxydrergiftiuigeB 

IL Bednktioa mit Hydraziiihydrat: CO haltige Portion dnakelziegolrot, 
CO freie Portion granbrann. 

5) Leachtgasvergiftang: Spektr. Probe positiT; Hoppe* 
Seyler positiv; Kunkel positiv. 

Wachhois: 1. Beduktion mit Schwefelammon: CO haltige Portion 
dunkelrotbraan, CO freie Portion graugelblieh. 

II. Beduktion mit Hydrazinhydrat: CO haltige Portion graugelblichrot, 
CO freie Portion hellbraungelblich. 

6) Leuchtgasvergiftung: Spektr. Probe positiv; Hoppe*Seyler 
positiv; Kunkel positiv. 

Wachholz: CO haltige Portion hellbr&nnlichrot, COfreie Portion 
brftnnliehgelb. 

7) Leuchtgasvergiftung: Spektr. Probe positiv; Hoppe*Seyler 
positiv; Kunkel positiv. 

Wachholz: COhaltige Portion hellbräunlichrot, COfreie Portion 
bräunlichgelb. 

8) Kohlendunstvergiftnng: Spektr. Probe positiv; Hoppe« 
Seyler positiv; Kunkel positiv. 

Wachholz: COhaltige Portion dunkelziegelrot, COfreie Portion 
schmutzig i^ünlichbraun. 

9) Kindsmord, foetus praematurus, Mens. VIII, wurde von der 
Mutter mit Petroleum ttbergossen und angezttndet. Verbrennungen bb HI. Qrades; 
im Magen eine Luftblase, im Bachen blutiger Schleim mit Bufi. 

Spektroskopbche Probe negativ, reduziert aber mit Hydrazinhydrat 
langsamer wie das Kontrollblut. Hoppe«Seyler negativ; Kunkel negativ; 
Wach holz negativ. 

Diese VersachsreiheD lehren uns, daß in allen Fällen mit 
Ansnahme von Nr. 9 die alten Proben sich bewährt haben. Hin¬ 
gegen ist Wachholz-Sieradzki nnr bei 4) und 8) positiv 
ausgefallen, während im übrigen nie ein der Knnkelprobe 
ähnliches schönrotes Gerinnsel erhalten wurde, worauf 
Be nt er (1. c.) bei seinen Untersuchungen an 14 CO« Leichen 
schon anfmerkMm gemacht hat. Wie ans der mitgeteilten 
Tabelle ersichtlich ist, besitzen die Fällnngen meist einen bräun¬ 
lichen Ton, den wir bei Ennkel absolut nicht kennen. Auch 
Straßmann und Schulz ei'hielten bei ihien experimentellen 
Untersuchungen stets negative oder unsichere Resultate mit der 
Wachholz sehen Probe (s. Berliner Klinische Wochenschrift; 
1904, Nr. 48). 

Wachho Iz will sogar mit dieser Modifikation noch 5—10% 
Kohlenoxyd, Mengen, wo die spektroskopische Untersuchung ver¬ 
sagt, im Blute nachgewiesen haben (bestimmt nach seiner Farben¬ 
skala). Haben nun diese kleinen Mengen eine positive Probe 
ergeben, so ist es sehr verwunderlich, warum die Probe nicht 
auch bei meinen Untersuchungen mit dem viel größeren Kohlen¬ 
oxydgehalt des Blutes, welches das typische spektroskopische 
Bild zeigte, positiv ausgefallen ist. Ein Versuchsfehler meiner¬ 
seits liegt sicher nicht vor, da ich mich in jeder Beziehung an 
die Wachholzschen Angaben hielt und die Proben stets wieder¬ 
holt ausgeftthrt habe; es sei dabei noch ausdrücklich betont, dass 
erstens das verwendete Schwefelammonium gut. reduzierte und 
zweitens mit dem noch stärker reduzierenden Hydrazinhydrat die 
gleichen negativen Resultate gewonnen wurden wie mit Schwefel¬ 
ammon. 


I 



mit EiMchlofl der Wsohhola-SieredskiBchen Tannisprebe. 675 

Um dem Sachverhalt von einer andern Seite näher zn treten, 
leitete ich in das indifferente Blnt einer großen An¬ 
zahl von Leichen Leuchtgas ein bis keine Redaktion auf 
Zusatz von dem schon oben verwendeten Schwefelammon oder 
Hydrazin mehr erfolgte and die beiden Absorptionssti’eifen deutlich 
als solche erhalten blieben. Bei der nun angewandten modifizierten 
Tanninprobe Wachholz erhielt ich beinahe immer ein ffir die 
CO haltige Probe mattziegelrotes und für die CO freie Probe ein 
m. w. schmutzig graubräunliches oder grttnlichbraunes Gerinnsel, 
also Unterschiede, die wirklich eine sichere Diffe¬ 
renzierung gestatteten! 

Worin liegt die Erklärung? Meines Erachtens in dem 
vitalen Prozeß; durch die viel festere Bindung des Eofalen- 
oiyds an das Hämoglobin der lebenden Blutzelle bei der Einat- 
mnng des Gases bis zum Eintritt des Todes kann das Kohlen¬ 
oxyd nicht auf mechanischem Wege durch einfaches Umschtttteln 
völlig entfernt werden. Von dem event. Gelingen dieses Vor¬ 
habens, z. B. bei den künstlich mit Kohlenoxyd versetzten 
Blutproben, hängt dann natürlich auch das schließliche Re¬ 
sultat ab. 

Der praktische Wert der Wachholz-Sieradzki- 
schen modifizierten Tanninprobe ist also, wie jetzt 
und schon früher von Reuter gezeigt wurde, fraglich, 
da nicht einmal die mit Sicherheit Kohlenoxyd ent¬ 
haltenden Blutproben ein wie bei Kunkel gleich 
schön gefärbtes Gerinnsel gegeben haben und im Ver¬ 
gleich zum Kontrollblute der Farbennnterschied 
nicht scharf und deutlich genug hervortritt. Der nur 
in 2 Fällen erhaltene positive Ausfall der Wachholzschen 
Modifikation rechtfertigt diese ablehnende Stellung ebenfalls. 

Der Methode haftet aber noch ein zweiter Mangel 
an, die große Umständlichkeit und der Zeitverlust In einem 
Institut mit all seinen Hilfskräften kann das Umschütteln der 
Blutmischung 10—15 Minuten lang bei Untersuchungen, die 
aus wissenschaftlichem Interesse geschehen, wobl ansgeführt 
werden, trotzdem genügend Vergleichsblut zur Verfügung steht. 
Draußen aber auf dem Lande, wo Kontrollblut vielleicht mangelt, 
für welche Fälle Wach holz gerade seine Methode empfiehlt, da 
macht der Sachverständige diese zeitraubende Arbeit voraussichtlich 
nicht. In einschlägigen Fällen sollen zur Diagnose in erster Linie 
der anatomische Befand an sich, dann das spektroskopische Ver¬ 
halten des Blutes und die erprobten chemischen Methoden genügen. 
Vom beamteten Arzte, der eine solche Obduktion vorzunehmen 
hat, darf man füglich verlangen, daß er die Leichenerscheinungen 
und auch die zufälligen Befunde bei der CO Vergiftung kennt und 
das Spektroskop richtig zu handhaben weiß, nicht aber daß er 
Untersuchungen vomimmt, die selbst in zweifellosen Fällen keine 
eindeutigen Resultate liefern. 



676 Dr. KarpjiiweH: Saaititfpoliseiliebe MaBatkmM bei 

Sanitätspolizeiliche Massnahmen bei nicht typhuskranken 
Personen, die im Blute Typhusbazillen führen. 

Von Dr. Knrpjnweit, Kreisarzt in Swinemttnde. 

Vor knrzem erschien eine Arbeit in der Mflncbner Medizi¬ 
nischen Wochenschrift*) von Medizinalrat Prof. Dr. 0. Bnsse in 
Posen: ^Ueber das Vorkommen von Typhnsbazillen im Blnte von 
nicht typhnskranken Personen“, die ihr den Medizinalbeamten von 
größtem Interesse ist, weil der Verfasser aof Gmnd seiner 
Beobachtungen zn dem Schloß kommt, daß Typhnsbazillen im 
Blnte auch bei Kranken Vorkommen, die nicht an Typhus leiden. 

Es handelte sich in den Fällen nm drei weibliche Kranke 
mit Miliartuberkulose, von denen zwei mit der Diagnose Typhns- 
verdacht in das Krankenhans anfgenommen worden waren, und 
nm einen Mann mit einer typischen Pnenmonie. Die drei Er¬ 
krankungen an Miliartaberknlose endeten tötlich. Bei der Sektion 
worden nirgeods Erscheinnngen gefnnden, die iflr Typhös sprechen 
konnten, dagegen waren toberkolöse Darmgeschwüre, tnberkolOse 
Herde in den Langen und miliare Tuberkel in fast allen inneren 
Organen nachweisbar. Bei allen Kranken war dagegen durch 
die Blotontersochang intra vitam mit Hilfe der Gallenanreichemng 
bei wiederholter Untersuchung die Anwesenheit von Bazillen fest¬ 
gestellt, die durch ihr ganzes biologisches Verhalten, Wachstum 
in Lakmusmolke, Milch, Bouillon, Neutralrotagar, auf Gelatine, 
Lakmusmilch-Zuckeragar, durch die hohen Agglotinationswerte 
über 3000, sich als Typhusbazillen erwiesen. Einmal gelang der 
Nachweis auch in den Blutgerinnseln und einmal an der Leiche 
in der Galle. Die Widalsche Reaktion war auffallenderweise 
fiberall negativ. In den Darmgeschwüren fand man reichlich 
Tuberkelbazillen. Stuhl und Urin waren nur bei einem FaUe 
von Miliartuberkulose auf Typhnsbazillen mit negativem Erfolg 
untersucht worden. 

Auf Grund dieses Befundes ließ es sich mit Bestimmt¬ 
heit verneinen, daß die Kranken zur Zeit, als sie Typhnsbazillen 
im Blnt beherbergten, an Typhus erkrankt waren. Fernerhin ließ 
sich kein Beweis dafür erbringen, daß sie vor nicht zu langer 
Zeit einen Typhus dnrchgemacht hatten. Nach Ansicht des Ver¬ 
fassers blieb nur die Annahme übrig, daß die Kranken „soge¬ 
nannte Bazillenträger“ gewesen sind, und daß den Typhnsbazillen 
durch Katarrhe — der Pneumonialkranke hatte auch vorübergehend 
an Darmkatarrh gelitten — und ulzeröse Prozesse der Darmschleim- 
haut Gelegenheit gegeben war, in die Gewebe nnd in das Blut 
einzudringen. 

Busse erwähnt dann noch eine Beobachtung von v. Krehl, 
wo bei tödlich endender Miliartaberknlose intra vitam Typhns- 
bazillen im Blut gefunden waren, fernerhin eine ähnliche 
Beobachtung von Jürgens. J. fahrt außerdem Fälle an, die in 


*) Nr. 21 Tom 26. ICai 1908; Beferat darüber io Nr. 14 dieser Zeit- 
scbrift; 8. 616. 


I 



Dicht typhnskraDkeB PersoBeo, die im Blute TyphusbsBilleD ftkhreD. 677 

den Darmentleerungren Typhnsbazillen anfwieeen und sich im 
weiteren Verlanfe als Tuberkulose herausstellten. 

Ans seinen Beobachtungen zieht Busse mit Recht folgende 
Schlußfolgerungen: 

„Zum Uotypbos wird eine DeraerkranbuBg einre BazilieDtrSgere euch 
dann noch nicht, wenn die Bazillen in das Blut gelangen und hier kreisen. 

Sowohl der Kliniker, der behandelnde Arzt am Krankenbett, als auch 
besonders der zur Senchebekämpfang in erster Linie bernfene beamtete Arzt 
wild kttnftigbin, wenn anders er vor Tielleicht folgenschweren Irrttlmem be> 
wahrt bleiben will, damit rechnen mttssen, daß bei bestehendem, selbst dringen> 
dem Typhnsverdacht der Nachweis von Typhnsbazillen im Blute keine sichere 
Qewähr dafür bietet, daß tatsächlich ein Fall von Typhus abdominalis yorliegt" 

Ebenso wie bei anderen überraschenden Befunden erscheint 
es auch hier zunächst zweckmäßig, weitere Untersuchungen ab* 
znwarten. Sollten diese zu dem gleichen Resultat kommen, so 
stehen wir ‘vor Tatsachen, die für den Medizinalbeamten von 
grosser Bedeutung sind. Wir wissen dann, daß Kranke, 
die klinisch nicht typhnskrank sind, Typhnsbazillen in ihrem Blute 
führen können. So interessant diese Tatsachen sind, so wenig 
werden jedoch unsere sanitätspolizeilichen Maßnahmen dadurch be¬ 
einflußt: Ein Kranker, sei es ein Tuberkulöser, sei es ein Pneumonie- 
kranker, der Typhnsbazillen im Blut führt, muß in sanitäts¬ 
polizeilicher Hinsicht als Typhnskranker anfgefaßt werden, da er 
diese seine Nebenkrankheit, — als solche muß das Kursieren 
der Typhnsbazillen im Blot anfgefaßt werden — teils mehr, teils 
weniger leicht auf Andere übertragen kann. 

Die Gefahr der üebertragung wird bei einer Pneumonie ja 
nicht besonders groß sein. Immerhin kann das rostfarbene Sputum, 
welches gewöhnlich zahlreiche Blntbestandteile, weiße und rote Blut- 
kö^erchen, aufweist, Typhnsbazillen enthalten, wie wir ja auch 
bei der Bronchitis von Typhnskranken gelegentlich Typhnsbazillen 
im Sputum nachweisen können. Und durch das Sputum kann dann 
beim Husten und unvorsichtigen Umgehen mit dem Speiglas, bei 
mangelnder Desinfektion eine Üebertragung zustande kommen. 
Eine weitere Möglichkeit der Infektion bestände auch noch beim 
Setzen von blutigen Schröpfköpfen, beim Aderlaß, Maßnahmen, 
die bei der Behandlung von Pneumonien wieder in Aufnahme 
gekommen sind. In 1 ccm Blut sind bei Typhnskranken mitunter 
mehrere Hunderte, ja Tausende von Typhnsbazillen enthalten.*) 
Selbst wenn in einem solchen Falle die Zahl der Typhnsbazillen 
im Blut eine wesentlich geringere ist, kann z. B. bei einer Blut¬ 
entnahme zur Wi dal sehen Reaktion oder bei einer größeren 
Blutentziehnng, falls nicht mit der genügenden Vorsicht verfahren 
wird, jeder Zeit Gelegenheit zu einer Infektion gegeben sein. 

Weit gefährlicher als der Pneumoniekranke sind die Kranken 
mit Miliartuberkulose, die in ihrem Blut Typhusbazillen führen. 
Bei der Sektion der drei an Miliartuberkulose Verstorbenen sind 


') Bei den ünteraaebangen „üeber den Nachweis von Typbasbazillen 
in Blntgerinnseln* (VerOffentUchangen des Beiebsgesundheitsamts und Klin. 
Jahrbnob 1907) habe ich ans einem Blatgerinnsel von 0,1—0,16 ccm Inhalt 
ca. 1600 Paratyphos-B-Kolonien gezüchtet. 




578 


Dr. Helwes: Bek&mpfiuig der Taberkolose auf dem Luide 


taberkolOse Danng:e8chwflre gefunden worden» Der Verfasser 
nimmt nnn an, daß die Darmgeschwüre den Uebertritt der 
Bakterien ans dem Darm in die Gewebe und in das Blnt erst 
ermöglicht haben. Anf dieselbe Weise, wie die Bakterien ins 
Blnt hineingekommen sind, können sie aber auch jeder Zeit 
wieder heranskommen. Bei jeder Darmtnberknlose können plötz¬ 
lich Darmblntangen anftreten und damit massenhaft Typhnsbazillen 
znr Ausscheidung gelangen. Und daß dann die Infektionsgefahr 
eine sehr große ist, wenn alle Desinfektionsmaßnahmen fehlen, 
steht außer Zweifel. Ich begnüge mich hier damit, nur einige 
Möglichkeiten der Uebertragung kurz zu skizzieren, selbstrer- 
ständlich kommen noch viele andere, z. B. bei Longenblutungen, 
Nasenbluten n. s. w. in Betracht. 

Für den Medizinalbeamten ist jedenfalls, um es nochmals 
zn betonen, der Standpunkt dahin zu präzisieren, daß jeder 
Kranke, auch der nicht Typhuskranke, welcher 
Typhusbazillen im Blute führt, als Typhuskranker 
zu behandeln ist, und daß demnach alle diejenigen Maßnahmen 
zu treffen sind, die durch das Gesetz vom 28. August 1905, betr. 
die Bekämpfung Übertragbarer Krankheiten, vorgeschrieben sind. 

Die Beobachtungen von Busse, v. Krehl und Jürgens 
stehen vorläufig noch vereinzelt da und bedürfen noch weiterer 
Bestätigung. Man ist ja zunächst leicht geneigt, derartige Be¬ 
obachtungen, ebenso wie seiner Zeit die sogenannten Bazillen¬ 
träger, als Kuriositäten anfzufassen. Wie wir aber jetzt bei der 
Aufklärung jeder Typhnserkranknng eifrig nach BaziUenträgem 
forschen, so könnte einst die Entstehungsmöglichkeit von Typhus 
durch Kranke, die nicht typhnskrank sind, aber Typhnsbazillen in 
ihrem Blute führen, eine größere Bolle spielen, als wir jetzt zu 
vermuten in der Lage sind. 

Jedenfalls ist es wünschenswert, daß die erwähnten Be¬ 
obachtungen durch weitere Untersuchungen ergänzt und unter¬ 
stützt werden. Man müßte prinzipiell in der Umgebung von 
Typhuskranken sowohl die Gesunden in Rücksicht anf die Bazillen¬ 
träger, als auch die Kranken, selbst wenn sie offensichtlich an 
anderen inneren Krankheiten leiden, in Rücksicht darauf, daß sie 
eventuell Typhnsbazillen im Blute führen, untersuchen. Derartigen 
systematischen Untersuchungen, die anfangs zwecklos erscheinen, 
verdanken wir mitunter Beobachtungen, die uns neue Wege bei 
der epidemiologischen Aufklärung und Bekämpfung des T^hus 
weisen. 


Bekämpfung der Tuberkulose auf dem Lande mit Hülfe 
der sogenannten Tuberkuloseausschüsse. 

Von Kreisarzt Dr. Hel wes in Diepholz. 

Die Auskünfte- und Fürsorgestellen für Tuberkulöse haben 
sich, das ist jetzt wohl allgemein anerkannt, in städtischen Ver¬ 
hältnissen ausgezeichnet bewähit und bilden mit den B[eil8tätten 
zusammen die wirksamste Waffe gegen die Tuberkuloee. Anf 



mit Hälfe der sogenannten TaberkoloseaiisBchfisse. 


679 


dem Lande scheinen sie sich jedoch bis jetzt nnr wenig einzn* 
bürgern. Wenn auch in manchen Kreisen (z. B. des Beg.-Bez. 
Münster und Minden) mit ihnen gute Erfahrungen gemacht sind, 
so konnten sie wiederum in anderen gar nicht aufkommen, so 
auch im Kreise Diepholz. 

Es dürfte nun von Wert sein, nach den Ursachen zu suchen, 
welche der Einrichtung der Auskünfte* und Ffirsorgestellen auf 
dem Limde im Wege stehen, damit man, falls diese nicht zu be* 
seitigen sind, andere Wege der Bekämpfong einscblagen kann. 

Zunächst seien die Verhältnisse im Kreise Diepholz kurz ge¬ 
schildert: Die Beteiligung des Kreises, der sehr große Entfernungen 
hat (22000 Bewohner auf 632 qkm verteilt), ist allen Neuerungen 
gegenüber mistrauisch und schwerfällig. Es sind im ganzen 
4 Krankenschwestern vorhanden. Seit 6 Jahren werden von 
den Aerzten des Kreises zunächst in 8, dann in 4 Ortschaften 
12 mal im Jahre Tuberkulosesprechstunden abgehalten — für 
Minderbemittelte umsonst —. In diesen Sprechstunden sollten 
den Unbemittelten zugleich Spucknäpfe, Wäschebeutel, Desin¬ 
fektionsmittel, künstliche Nahrungsmittel usw. übermittelt werden 
— kurz, es sollte der Anfang von Auskunfts- und Fürsorgestellen 
sein. Aber die Einrichtung wurde nicht benutzt trotz genügender 
Bekanntmachung und trotzdem die Aerzte im ersten Jahre zu 
diesen Sprechstunden in die am meisten verseuchten Orte hin¬ 
kamen. Dabei ist die Tuberkulose im Kreise sehr verbreitet, es 
Btirbt jährlich der 6. Teil aller Gestorbenen an Tuberkulose. 

Als Hinderungsgrttnde für die Einrichtung der Auskunfts* und 
Fürsorgestellen auf dem Lande dürften nach den hier gemachten 
Erfahrwgen besonders in Frage kommen: 

1. ^e (weiten) Entfernungen, 

2. die Indolenz der Landbevölkerung, 

8. der Mangel an Krankenpflegerinnen. 

Mit Absicht ist das Vorhandensein eines Arztes am Orte 
der Einrichtung nicht als notwendige Bedingung besonders nam¬ 
haft gemacht; denn wahrscheinlich würden bei der Einrichtung 
von Auskunfts- und Fürsorgestellen auf dem Lande zunächst nur 
Ortschaften mit Aerzten in Frage kommen. Sollte aber aus¬ 
nahmsweise eine solche anderswo geplant sein, so würde sich das 
Hinkommen eines Arztes dorthin ebenso ermöglichen lassen, wie 
es hier möglich war. 

Die weitere Erfahrung auf diesem Gebiete wird gewiß bald 
lehren, ob die genannten Hindernisse die einzigen für die länd¬ 
lichen Auskunfts* und Fürsorgestellen bilden. Sind sie es, dann 
w^d die Einrichtung der letzteren um so leichter sein, je weniger 
diese Hinderungsgründe vorhanden sind und je mehr sie sich be¬ 
seitigen lassen. Dabei sei noch kurz darauf hingewiesen, daß 
m. E. weite Entfernungen den hauptsächlichsten Hinderungs* 
gmnd für die Einrichtung abgeben. 

Die Indolenz der Bevölkerung ist durch Aufklärung zu 
bekämpfen. An dieser Aufklärungsarbeit sollen möglichst weite 
Volkskreise beteiligt werden. Jeder, der Verständnis und Interesse 



580 Dr. Helwei: Bekiopfoog der Taberknlose eof dem Leade nsw. 


fflr die Taberkoloeebekämpfang bat, mOge daran teilnebmen. Als 
besten Platz ifir gnte und kurze (eie können nicht kurz genug 
sein!) Anfklftrangsblfttter sei auf die Wartezimmer der 
Bahnhofe hingewiesen. 

Dem Mangel an Erankenpflegepersonal wird in hoffent¬ 
lich nicht allzoferner Zeit abgeholfen werden. Was auf diesem 
Gebiete in wenig Jahren geleistet werden kann, zeigen die Kreise 
Isenhagen und Gronan. 

Wo Krankenpflegerinnen noch fehlen, kann man ja auch, 
wie das Öfters vorgeschlagen ist, die intelligenteren Hebammen 
zn dem Dienste der Fürsorgeschwestem heranbilden. 

Im ganzen läßt sich auf Grand dieser Betrachtungen jedoch 
sagen, daß die Entfernungen und die Indolenz der Bevölkerung 
auf dem Lande große Hindernisse für die Einrichtung der Aus¬ 
künfte- und Fürsorgestellen für Tuberkulose bilden werden, die 
sich nur schwer beseitigen lassen, auch wenn die als FQrsorge- 
schwestem nötigen Krankenpflegerinnen vorhanden sein sollten, 
und daß man daher oft vorziehen muß, in ländlichen Verhältnissen 
die Arbeit der Auskünfte- und Fflrsorgestellen einer anderen 
Organisation zu übertragen. 

In Baden, wo man in der Tuberkulosebekämpfung schon 
sehr weit gekommen ist, hat man damit besondere Tuber- 
knloseausschüsse beauftragt, bestehend ans Geistlichen, 
Lehrern, Aerzten, Krankenschwestern und Mitgliedern der Vater¬ 
ländischen Frauenvereine. Daß man mit Hülfe der eben genannten 
Personen, die in den meisten ländlichen Ortschaften vorhanden, 
die genauesten Kenner der Örtlichen Verhältnisse sind und 
auch meist das Vertrauen der Bevölkerung genießen, Vorgehen 
muß, wenn man Erfolg haben will, steht für jeden Kenner der 
Verhältnisse außer Frage. Man kann jedoch im Zweifel darüber 
sein, ob man zu den Tuberkaloseansscbüssen, oder wie man sie 
sonst nennen will, nur wenige oder viele Personen hinzuziehen 
will. Je zahlreicher die Ausschüsse sind, desto mehr Personen 
wird man für die Bekämpfung interessieren, desto besser wird 
man über die Verhältnisse orientiert sein, desto schwerfälliger 
wird jedoch auch der ganze Apparat. Auch erfordert das Vor¬ 
gehen der Ausschüsse, sollen sie etwas Brauchbares leisten, 
zweifelsohne viel Takt. In Bücksicht darauf wird man besser 
mit wenig als mit viel Mitglieder fahren; hat man einen Wohl¬ 
tätigkeitsverein, z. B. den Vaterländischen Frauenverein, zur 
Verfügung, so wendet man sich am besten an diesen und veran¬ 
laßt ihn vielleicht, eine besondere Abteilung für Tuberkulosebe¬ 
kämpfung zu bilden; man versäume jedoch nie die oben genannten 
Personen mit heranzuziehen. 

Eine wichtige Frage darf hier auch nicht übergangen werden: 
Wie soll man die Mitglieder der Vereine, welche in der Tuber¬ 
kulosebekämpfung tätig sein wollen, resp. die Mitglier der Tuber- 
kuloseausschüsse mit den nötigen Kenntnissen versehen, damit 
sie ihren Aufgaben in der richtigen Weise gerecht werden, d. h. 
auf der einen Seite nicht eine übermäßige Bazillenfurcht hervor- 



Dr. Deipser: Betrag zar Säaglingafftnorge. 581 

rafen, anf der anderen Seite doch auch wieder die Angelegenheit 
ernst genug and richtig darstellen P Sicherlich ist es nicht genügend, 
wenn den Beteiligten ein oder zwei Vorträge gehalten werden, 
sie müssen noch mit Merkblättern und kurzen Belehrungen über 
Tuberkulose ausgerüstet sein. Außerdem erscheint es aber zweck* 
mäßig, ihnen bei den gemeinsamen Zusammenküniten noch be¬ 
sondere Instraktionsblätter zu überweisen, wie es im Kreise 
Diepholz geschehen ist, und wie ich ein solches hier folgen lasse. 

Aufgaben der TabexbaloseauMobflese. 

Zireek der AoBachllsse ist die Bek&mptaDg der Taberkulose (Longen« 
sckwlndsocht) ond zor Erreiohong dieses Zieles die Verbesserong der Wob« 
nongsverbältnisse. 

Oberster Grondsats fttr die Mitglieder der AosscbUsse soll sein: 

1. keinen za belästigen, der die Hülle der Aosschttsse rerweigert ond 

2. aber die Verhandlangen in den 8itznngen nach aofien^ hin StiUschweigen 
ZI beobachten. 

Zor Bekämpfong der Sohwindsueht ist nOtig: 

1. das Aaffinden der Kranken (Besprechong darüber in den Sitzongen der 
Toberkoioseaasdchüsse ond Erkondigongen bei den Ae.zten, Kranken« 
Schwestern ond in der BevOikerong); 

2. die Aolklärong der Kranken ond ihrer Umgebong über die 
Hoilong ond Yerhütong der Toberkolose (dorch Yerteilong von Schriften, 
dorch Vorträge); 

8. Die Vermittiong yon Beihülfen des Kreises ond des Vaterlän« 
disehen Fraoenyereins für die Heilong der Erkrankten ond die Anmeldong 
der Toberkolosetodosfälle beim Landratsamt (zwecks Desinfektion); 

4. die Beobachtang der Kranken ond Genesenen; (wo sie bleiben, 
wie sie sich verhalten, insbesondere, ob die Kinder genügend vor An« 
steckang geschützt sind); 

5. die Besserang der Wohnongsverhältnisse der Schwindsüchtigen 
(Vermittiong einer anderen Wohnong, Verschaffen von Beihülfen des Kreises); 

6. die Verbesserong der Wohnongsverhältnisse ttberhaopt, 
denn je großer und luftiger die Wohn« ond besonders die Schlafzimmer 
sind, desto weniger kann die Schwindsocht von einem Menschen aof den 
anderen übertragen werden. 


Beitrag zur SäuglingsfUrsorge. 

Von San.« Bat Dr. Deipser, Physikos in Eisfeld. 

In der neuesten Zeit wird in weiten Kreisen die Sänglings- 
fürsorge erörtert. Die Absicht geht dahin, die grosse Sterblich¬ 
keit der Kinder im ersten Lebensjahre, wie sie sieh in einzelnen 
Teilen Deutschlands und in grossen Siädten findet, zu bekämpfen. 
Man sieht mit Eecht die Ursache der Uebersterblichkeit in nn- 
zweckmässiger Ernährung. So sind z. B. im Kreise Nieder- 
Bayern mit der höchsten Sterblichkeitszifier nur 24,1 °/o ^der 
an der Brust gestillt worden nnd im Bezirksamte Friedberg 32<*/o. 

^ Die zur Bekämpfung vorgeschlagenen Mittel lassen sich in 
zwei grosse Gruppen bringen. Zur ersten Gruppe gehören die 
Vorschläge, welche den Säuglingen die natürliche, d. h. die Brust- 
nahrung noch mehr als seither ermöglichen sollen. D ahin gehört 
die Empfehlung der Stillprämien, der Mutterschaftskassen, welche 
eich als private Einrichtung in Frankreich nnd Italien finden. 
,Es ist auch angeregt worden eine obligatorische Mntterschafts- 



682 


Dr. Deipaer. 


versicherang im Anschlüsse an die staatliche Erankenyersicheniiig, 
welche den arbeitenden M&ttem eine Rahezeit von sechs Wochen 
vor und sechs Wochen nach der Entbindang bei Zahlung des 
vollen Arbeitslohnes, freie Hebammendienste, freie Hanspflege nnd 
Stillprämien gewähren soll“ (Dietrich-Berlin; Hyg. Kongress). 
Die Vorschläge der zweiten Groppe Sachen nach bestem Ersatz 
der Mattermilch nnd glauben das Ziel za erreichen durch Dar¬ 
reichang guter, sterilisierter Kahmilch; ihr Preis fflr arme 
Familien soll verbilligt werden durch Inanspruchnahme der öffent¬ 
lichen Wohltätigkeit. Die Bestrebungen dieser zweiten Gruppe 
stiften unbestreitbar grossen Nutzen und sind wohl geeignet, die 
Sterblichkeitsziffer der Säuglinge herabzudrficken. Anderseits 
darf nicht unberäcksichtigt bleiben, dass die Darreichung der 
Bmstnahrung um so mehr zurttckgeht, je mehr den Müttern die 
künstliche Ernährung der Kinder erleichtert wird. Unbestreitbar 
ist der Satz: Für den Säugling ist die schlechteste 
Mutternahrang besser als jede künstliche Ernährung. 

Ich bin überrascht von den vielen Aufsätzen Über die zweck¬ 
mässige Ernährung der Säuglinge. In meinem kleinen Bezirke 
von 20000 Bewohnern (Eisfeld in Sachsen-Meiningen) ist diese 
Angelegenheit keine Frage. Ich muss vorausschicken, dass das 
Herzogtum Sachsen-Meiningen nach der Statistik von 1905 die 
niedrige Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahre von 14°/o 
der Lebendgeborenen hat nnd nur von Oldenburg mit IS**/«, 
Waldeck mit 8,7 °/o, Schaumburg-Lippe mit 9% und Lippe mit 
ll,7®/o übertroffen wird gegenüber einer Sterblichkeit von 20,4 
Deutschlands. Beim diesjährigen Impfgeschäfte habe ich, um eine 
Unterlage zur allgemeinen Beurteilung zu beschaffen, bei jedem 
Erstimpfiing festgestellt, ob und wie lange das Kind an der Brust 
getrunken hat. 

Mein Bezirk liegt am Südabhange des Thüringer Waldes 
und kann nicht als wohlhabend bezeichnet werden. Die Höhen¬ 
lage schwankt zwischen 400— 750 Meter. Ein Städtchen von 
4500 Einwohnern ist der grösste Ort. Abgesehen von wenigen 
kleinen Ortschaften, die nur Landwirtschaft betreiben, ist die 
grosse Mehrzahl der Bewohner mehr oder weniger von Haus¬ 
und anderer Industrie abhängig. Die Bevölkerung muss als 
intelligent bezeichnet werden. 

Im zweiten Quartale 1908 erledigte sich das Impfgeschäft. 
Geimpft wurden 553 Erstimpfiinge; davon sind 10 abzuziehen, 
weil über sie keine Auskunft über ihre Ernährungsweise erlangt 
werden konnte. Von den 543 Kindern wurden 283, also 52<'/o 
bis zum Impftermine an der Brust genährt. Diese Zahl an sich 
will wenig besagen — kommen doch Kinder von 15 Monaten und 
mehr bis herab zu 3 und 4 Monaten in Betracht —, weil sie uns 
nichts sagt über Beginn und Ende des Stillgeschäftes; ihr ist nur 
eine unterstützende Wirkung für die folgenden Zahlen beizumessen. 
Gar nicht an die Brust gelegt wurden 14 Kinder, also 2,6 °/o. Von 
diesen 14 Kindern litt eines an Hasenscharte, eines hatte die 
Matter durch den Tod verloren. Bei Abzug dieser beiden Kinder 



Mittag zur dKnlingslOrsorga. 


688 


sinkt der Prozentsatz anf 2,2 */o. Dieses Verhältnis wird als 
hervorragend günstig gelten müssen. 

Wenn es anch langweilig erscheint, einige Zahlen über die 
Dauer des Stillgeschäftes mögen hier gleichwohl angegeben 
werden. Es wurden gestillt: 


10 Kinder V* Monat lang. 
18 „ l‘/t 

12 , 2 

33 , 3 

42 , 6 

86 . 9 


1 » 1 > 

n fl 

t» Jl 

fl w 

I» fl 


50 Kinder 12 Monat 

4 , 18 , 

6 « 14 „ 

6 , 16 , 

1 . 18 . 


lang. 


fl 


Die verbleibenden Kinder verteilen sich auf die zwischen¬ 
liegenden Monate. 

Wenn jüngst ein Arzt in der Presse seine Stimme erhoben 
hat gegen zu langes Stillen, so luuß ich dem widersprechen, denn 
für das Kind ist Muttermilch die beste Nahrung. Ich darf nicht 
verschweigen, dass das festgestellte günstige Verhältnis der 
Säuglingsemähmng meines Bezirkes jedenfalls abgeschwächt würde, 
wenn ich die Ernährung und die Zahl derjenigen Kinder angeben 
könnte, die in der Berichtszeit gestorben oder wegen KranUeit 
nicht zum Impftermine gekommen sind. Ich glaube nicht, dass 
die Abschwächung ansehnlich wäre. In einem Bezirke musste eine 
Anzahl Kinder wegen Keuchhusten dem Termin fernbleiben, gewiss 
ein unverdächtiger Grund, ferner konnte ich in meinem Impf¬ 
berichte angeben, dass ich bei keinem Kinde Skrophulose, Tuber¬ 
kulose oder Syphilis festgestellt habe. Der Fehler meiner Zu¬ 
sammenstellung bleibt bestehen, vielleicht schenkt man ihr als 
Anregung einige Bedeutung, bei späteren ZusammensteUungen die 
Fehlerquelle möglichst einzudämmen. 

Für mich ist es ein reiner Genuss, die Schar von ein halb 
Tausend zappelnder Kleinen zu impfen. Nicht weniger hoch wie 
andere aesthetische Darbietungen einznschätzen ist der Anblick der 
menschlichen Schönheit des kindlichen Körpers, und er wird mir 
reichlich zu Teil. Ich wünschte den Genuss allen meinen Kollegen. 
Es dürfte nicht ohne Interesse sein, den Ernährungszastand der 
Kinder in etwas höherem Lebensalter zu kennen. Der schulärzt¬ 
liche Dienst ist im Herzogtum Sachsen-Meiningen für die Volks¬ 
schulen schon seit Jahren eingeführt. Mein Schularztbezirk ist 
kleiner als mein Impfbezirk. Meine Untersuchungen um Pfingsten 
1908 hatten folgendes Ergebnis: 


ErnihningsziiBtand: 

gut befried, mittelm. 

AjifSuger (6 jähr.) 285 98 184 8 

18 j&hr. Knaben 109 60 57 2 

Die Zensuren sind subjektiv; aber ich bin zufrieden, und der 
Volksfreund kann es mit mir sein. 


Nach der Uebersicht des Heeresergänzungsgeschäftes für 
1907 waren von den endgültig Abgefertigten meines Bezirkes 
49,15 <*/o tauglich und 6,28 ^/o untauglich, ein günstiges Verhältnis. 



584 


ELleinere Hitteilangen und Referate ans Zeitaohrfften. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. OoriolitUoh« Madlsin. 

Ueber Clilorhlinin, Jodh&iniB und Bromhlmln. Von A. Lecba-Harao. 

1. Sobre nuestros procedimientos para el diagaoetico medico-legal de 
las mancbas de sangre. Berista Ibero • Americana de cienclas me^cas; 
Madrid 1907. 

2. Inflaeada de la edad y la pntrefaceion en la obtendon de los cristales 
de sales de hematina. Protocollo medico‘lorense; 1907, Nr. 9. 

8. Inflaenda de las temperatnras elevadas y de la los solar en la ob¬ 
tendon de los cristales de sales de hematina. Ciinica y Laboratorio; 1907, Nr. 7 n. 8. 

4. Note experimentale sor les cristanx de bromo-h6matfaie. Le Coorrier 
medical; 1907, Nr. 26. 

5. Inflaenda de los agentes qaimicos en la obtencion de los cristales 
de sales de hematina. Qaaeta Farmaxentica espagnola; 1907, Nr. 112. 

Fügt man zu einem Blntflecken, der anf dem Objekttr&ger in 2proz. 
w&sserige oder alkoholische Jodlösnng gebracht ist, nach vorherigem Erwärmen 
Pyridin und eine geringe Menge Ammoninrnsnlfat, so treten momentan nadel- 
lOrmige oder rhomboedrische, in Groppen liegende Krystalle von Jodhämin 
aaf. Wird statt des Jods Chlorwasser als Lösungsmittel benutzt, so schießen 
bei gleicher Behandlnng Krystalle von Chlorhämin anf. Die Anwendung 
von Brom Wasser ergibt ßromhämin krystalle. Die Bromhäminkrystalle sind 
den Krystallformen des Jodhämin ähnlich. Sie bilden teils charakterütische 
Verzwdgongen, die an Neurogliazelien erinnern, teils rechteckige und rhombi¬ 
sche Täfelchen, die einzeln liegen oder fächer- und sternförmig angeordnet 
sind. Ihre Größe beträgt 5—20 pi, ihre Farbe ist die des Brom. Nach Ent¬ 
fernung des UeberSchusses der zugefflgten Beagentien können die Krystalle 
durch Umrandung des Deckglases mit Kanadabalsam konserviert werden. 

Versuche mit Blutproben, die Tage, Wochen, Monate und Jahre alt 
waren, ergaben, daß trotz vorgeschrittener Fäulnis und trotz Austrocknung 
die Krystalle des Jod-, Chlor- und Bromhämins stets erhalten werden konnten. 
Allerdings veränderte das Alter und die Zersetzung des Blutfarbstoffs manch¬ 
mal das Aussehen der Krystalle, die klein und unregelmäßig ausflelen. Sonnen¬ 
licht, das 10—100 Standen auf angelrocknetes Blut eingewirkt hat, schädigt 
die Krystallbildung nicht. Ebenso wenig die Austrocknung allein. Ans flüssigem 
und angetrocknetem Blute, das 20 Minuten lang auf 180—200 Grad erlützt 
oder kurze 2jeit der Einwirkung einer offenen Flamme aasgesetzt wurde, 
konnten wohl aasgebildete Krystalle erhalten werden. Auch verkohltes Blut 
lieferte noch gute Krystalle von intensiv roter bis dunkelbrauner Farbe. 

Chemische Beimengungen hemmen die Krystallbildung meist nicht* 
Speziell schien die Anwesenheit von Fetten und Seifen, Zusatz von Ferrum 
sesquichloratum, Schwefelsäure, Salzsäure, Salpetersäure, arsenige Säure, Oxal¬ 
säure, Ameisensäure, Gerbsäure, Phenol, Pottasche, Soda, Ammoniak, Chlor- 
kalium, Sublimat und Kupfersulfat keinen störenden Einfluß auf die Krystall- 
bildung aaszuüben. Dr. Bevenstorf -Hamburg. 


Der Tod lässt sich bei der allgemeinen Paralyse durch Prflfong des 
Blutdrucks Voraussagen* Von N. Vaschide und Baymond Meunier. (Aus 
dem Lab. von A. Marie, öcole protique des hautes öiudes.) Comptes rendus 
de la soc. de biol; 1908, Bd. LXIV, Nr. 21. 

In 8 Fällen von allgemeiner Paralyse sank der Blutdruck einige Tage 
vor dem Tode plötzlich und in typischer Form um etwa 80 mm Hg. Auch 
bei mehr oder weniger flüchtigen apoplektiformen Anfällen flndet man ähn¬ 
liches ; der Blutdruck sinkt aber hier weniger intensiv und weniger anhaltend. 
Die Autoren halten den niedrigen Druck für einen eindeutigen Vorläufer des 
tödlichen Ausgangs. 

Sie suchen die Erklärung in der Art und Weise des Sterbens der Para¬ 
lytiker, bei denen die Erregbarkeit des vasomotorischen Zentrums progressiv 
aufgehoben wird. Dr. Mayer-Simmem. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


586 


Experimentelle Alkoholrergiftnng: YergrSsserong der Leber mit 
Glykegenaneammivng. Von Ch. Aubertin und Pierre Höbert Comptet 
rendos de la soc. de bioL; 1908, Bd. LXIV, Nr. 20. 

Die Autoren reichten Kaninchen und Meerschweinchen verdllnnten 
Absynth; einige Tiere Überlebten die Vergiftung mehr als 1 Jahr. Leber* 
sirrhose wurde nur selten gefunden, fettige Entartung der Leber nur bei ab* 
semagerten Tieren. Wenn die Tiere aber die Intoxikation gut ttberstanden 
hatten und dann getötet wurden, so fanden die Verfasser weder Zirrhose noch 
Fettentartung, sondern Volumrergrößorung der Leber mit starkem Glykogen* 
gehalt (Hyperhöpatie glycogöoique). 

Den ttbermäßigen Gebalt der Zelle an Glykogen sehen Aubertin und 
Hubert als antitoxisches Mittel an. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich 
um Reaktion auf Alkoholvergiftung Tom Munde aus; auch bei Quecksilber* 
und Bleivergiftung kann man ähnliche Befunde treffen. 

_ Dr. Hayer*Simmem. 


üeber Mentholvergiftung dee Menschen. Von Prof. Dr. Schwenken¬ 
becher. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 28. 

Verfasser beabsichtigte an awei Kollegen und an sich eine ,Oelknr* 
anszufähren und bediente sich hierbei folgender Ebsteinschen Mischung: 

OL oliv. 200,0, Menthol 10,6, Konak 80,0, VitelL ovi 11. Hiervon nahm 
Verfasser innerhalb 2 Stunden ca. h. ca. 8 g Menthol ein, während die 

beiden anderen Herren etwas mehr, d. h. ca. 9 g Menthol in der gleichen Zeit 
zu sich nahmen. 

Bereits während des Einnehmens trat lebhaft brennende Kälte im Mund 
und Rachen auf, die bei jedem Riüttns sich in gesteigertem Grade wieder¬ 
holte. Auch auf der Nasonschlcimbaut trat „Mentbolempfindung“ auf. Als es 
dem Verfasser nach 27> Stunden in leichtem Grade Übel war und er einen 
Schluck Wein trank, erschien das Getränk ganz intensiv gekühlt, obwohl dies 
nicht der Fall war. Etwas später getrunkener heißer Kaffee erschien lauwarm. 
Nach zirka B’/t Stunden entwickelte sich ein leichter Rauschzustand, Ein¬ 
genommenheit des Kopfes, Müdigkeitsgefühl; daneben machten sich ganz 
sonderbare Parästhesien in der ganzen Hautoberfläche bemerkbar, namentlich 
in den Händen und Füßen. Jeder mit der Hand berührte Gegenstand, wie 
z. B. Serviette, Brot etc., verursachte eine ganz intensive Kälteempfindung — 
als ob alles auf Eis gelegen habe. Nach hubstündiger Bettruhe verschwanden 
die Parästhesien und Raxucherscheinungen und nach einigen Stunden fühlte 
sich Verfasser wieder wohl. 

Die beiden anderen Kollegen hatten nur leichtes Unwohlsein, der eine 
davon 18 Stunden nach dem Einnehmen starkes Erbrechen. Von Bausch* und 
Parästhesie* Erscheinungen spürten sie nichts. Abgesehen davon, daß diese 
Mentholintoxikation ein gewisses Interesse für den Sinnespbysiologen hat — 
was Verfasser weiter ansführte —, dürfte es nach dieser Erfahrung angezeigt 
sein, bei der innerlichen Darreichung des im allgemeinen recht harmlosen 
Menthols doch nicht zu große Dosen (10 g) zu wäUen und zur Geschmacks- 
Verbesserung sich eventuell mit 2 g Mentiiol zu begnügen. Die individuelle 
Empfindlichkeit gegmiübor Menthol scheint sehr schwankend zu sein. 

_• Dr. Wal bei* Kempten. 


Der Tod durch Ertrinken. Von Martin E. La Province mädicale; 
1908, Nr. 1. 

Der Tod durch Ertrinken tritt beim Meerschweinchen etwa in 2Vt, beim 
Hunde etwa in 4 Minuten ein. Der Hund vermag sich gegen das üntersinken 
80 —40 Minuten zu wehren. Nicht der Glottisschluß vermndert das Eindringen 
von Ertränknngsflüssigkeit in die Luftwege während des ersten und zweiten 
Stadiums, sondern die Ruhigstellung des Thorax. Auch tracheotomierte Tiere 
inspirieren das Wasser erst nach Ehitritt der Bewußtlosigkeit. — Die Tempe¬ 
ratur des Versuchstieres sinkt während des Ertrinkungsaktes um 2—8 Grad. 
Das Körpergewicht nimmt zu; die Gewichtsvermehmng ist gleich der Menge 
dee aspiriert Wassers. Beim langsamen Ertrinken wird mehr Wasser in £e 
Lungen befördert, ab beim raschen Ertrinken. Das rechte Herz, die V. cava 
und die Leber sind prall mit dunklem Blut gefüllt. Die Leber erfährt durch 



586 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitachriflcn. 


den Ertrinkangsvorgang bei Meerschweinchen eine Qewichtsrcrmehmng um 
ein Drittel. Die menschliche Leber wiegt statt 1500 g 2000 g und darftber. 
Martin nimmt an, daß die Leber in Beziehung steht zur Oerinnongsfähigkeit 
des Blntes und daß die Leberhyperämie der Ertrunkenen die Drsache ist für 
das Flhssigbleiben des Blutes. Dr. Beyenstorf-Hamburg. 

Heber den Tod durch ErwQrgen rom gerichtsärztlichen Standpunkt. 
Von Dr. Losen er, Oberstabsarzt in Königsberg i. P. Aus dem Institut Ittr 

f erichtliche Medizin in Königsberg. Vierteljahrsschrift für ger. Medizin usw.'; 
. Folge, 36. Bd., 1. H. 

Im Anschlnß an eine eigene interessante Beobachtung gibt der Ver« 
lasser eine systematische DarsteUung des Erwttrgangsproblems. 

Die Wertlosigkeit der alten sogen. HErstickangszcichen* wird oft betont; 
der Nachweis der Erwürgnug läßt sich nur durch die Fcststellnng der den 
Luftabschluß bewirkenden gewaltsamen äußeren Ursachen sicher erbringen. 
Spuren des Angriffs können fehlen, weil schon ein geringer Druck zur Herbei¬ 
führung eines wirksamen Abschlusses der Stimmritze genügen kann; aber audi 
bei starkem Druck können jegliche Verletznngsspnren ausbleiben. Die be¬ 
sonders für Erwürgen charakteristischen Merkmale sind die Finger-und Nägel- 
abdrttcke, Blutaustretungen an den verschiedensten Halsorganen, Brüche der 
Kehlkopfs- oder Luftröhrenknorpel und des Zungenbeins, Zerreißungen oder 
Blutungen in den Arterionwänden des Halses; aber sie erlangen nie selbst¬ 
ständig, sondern nur in Verbindung mit dem Ocsamtbefunde und allen Neben- 
umständen Beweiskraft. Neben ihnen finden sich oft Verletzungen anderer 
Körperteile, weil die Mörder versuchen, das Opfer zunächst zu betäuben. 
Kombination mit anderen Tötungsarten ist häufig. Ob die Verletzungen vital 
oder postmortal entstanden sind, ist vielfach nicht möglich festzustellen. 
Fäulnis kann die Würgespnren vollständig verwischen. Der häufige Kinds¬ 
mord durch Erwürgen bietet einige Besonderheiten. Selbsthilfe bei der Ent¬ 
bindung ist schwer dnrehzuführen und man darf nur dann annehmen, daß 
anscheinende Würgespnren durch sic entstanden sein können, wenn der Befund 
an den mütterlichen Oeburtswegenj an der Eindesleiche mit den Aussagen der 
Mutter, der Zeugen und den ermittelten Nebenumständen der Tat in Ueber- 
einstimmung zu bringen ist Dr. P. Fränekel-Berlin. 

Ein Beitrag zur Frage der Selbsterdrosselnng. Von Dr. Eurp- 
juweit, Kreisassistenzarzt in Berlin. Vierteljahrsschrift für gerichtliche 
Medizin usw.; 3. Folge, 36. Bd., H. 1. 

Ein etwa dOjähriger, anscheinend geistig abnormer Landstreicher hat 
sich durch seinen Hosenträger selbst erdrosselt. Nichts sprach für einen Mord. 
Der Träger lag so fest um den Hals, daß an der Leiche kein Finger darunter 
gdegt werden konnte. Sein hinterer Teil lag vorn an der rechten Seite des 
Halses. Von diesem Verbindungsstück aus umschlang nach einer beigefügten 
Zeichnung der eine Träger den Hals in der Richtung vorn — links — hinten — 
vorn, sein Endstück lag an der linken Seite der Brust; der andere Träger lag 
umgekehrt in der Richtung hinten — links — vorn, sein Endstück auf der 
rechten Seite der Brust; vom war dieser Träger unter dem ersten durch- 
gezogen, so daß also überall eine doppelte, vorn in der Mitte aber eine drei¬ 
fache Lage vorhanden war. Die Breite des Trägers, 5 cm, und die feste 
Schlinge haben die Selbsterdrosselueg ermöglicht. 

Dr. P. Fränckel-Berlin 

Beitrag zur Kasuistik des Selbstmordes während der Geburt. Von 
Dr. Kurt von Sury, Assistent am gerichtlich-medizinischen Institut zu Wien. 
Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 29. 

Verfasser berichtet über zwei während der Geburt ausgeführte Selbst¬ 
morde. In dem einen Fall handelte es sich um ein Mädchen, welches sich vom 
zweiten Stocke in den Liebthof herabgestürzt hatte, in dem anderen Fidle 
hatte sich ein Mädchen in einem See ertränkt. 

Heber die letzten Motive des Suizids in diesen beiden Fällen konnte 
keine Klarheit gewonnen werden. 

Osiander, Hucklenbroich und Siegwart geben auf Grund ihrer 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeiteohriften. 687 

Beobachtungen Uber Saizidrersuche an, daß die betreffenden Frauen aus Schmerz 
und Angst den Tod suchten. Diese Faktoren können bei sensiblen Naturen sicher« 
lieh bis zur Selbstrernichtung führen; die Annahme einer verminderten Zu« 
rechnun^fähigkeit ist aber dazu gewiß nicht notwendig. Fritsch gibt speziell 
für Gebärende infolge der Angst, Schmerzen, Blutverlust, Erschöpfung etc. 
eine Herabsetzung der Besonnenheit und Widerstandsfähigkeit zu, wodurch die 
freie Willensbestimmung eioge.schränkt, bei psychopathischer Ver¬ 
anlagung sogar schwer beeinträchtigt und aufgehoben werden kann. v. Soelder 
drückt sich zarückhaltender aus, da er meint, es sei nicht sicher erwiesen, «ob 
der Zustand von Gebärenden ohne krankhafte Momente die Bedeutung einer 
Sinnes Verwirrung erlangen könne“. 

Diese Frage ist forensisch sehr wichtig; denn wenn für den Geburtsakt 
selbst eine Sinnesverwirrung anzunehmen wäre, so würde eine solche auch für 
die Zeit kurz nach der Gebart — Eindsmord — wohl erklärlich sein. Auf 
Grund der reichlichen Erfahrungen am Institut zu Wien ist 
aber in der großen Mehrzahl der Fälle von Eindsmord eine 
Sinnesverwirrung durch den erschöpfenden Einfluß der Ge¬ 
burt auf das Gehirn oder durch gesteigerte Affekte bei 
starken Wehen bei psychisch gesunden Frauen nicht zuzugeben. 

Ganz ähnlich lauten die Resultate Bischoffs in seinen vergleichenden 
Studien über die Geburten in Wien, wobei er zu dem Schlosse kommt, daß 
Geisteskrankheiten und vorübergehend abnorme Geisteszustände bei Kreißenden 
selten sind und vorwiegend bei Disponierten auftreten. Die durch den Geburts- 
akt bedingte Erregbarkeit wird also im allgemeinen noch innerhalb der physio¬ 
logischen Grenzen fallen. _ Dr. Waihel-Kempten. 


Wag bedeutet „Tollendnng der Geburt« Im Sinne des § 11 des 
Bürgerlichen Gesetzbuches 1 Von Dr. Paul Fraenckel, 1. Assistenten der 
Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikande der Universität Berlin. Vierteljahrs- 
schrift für gerichtliche Medizin usw.; 3. F., 36. Bd., H. 1. 

Das B. G. B. läßt den Beginn der Rechtsfähigkeit mit der Vollendung 
der Gebart zusammenfallen, und überläßt ausdrücklich der medizinischen 
Wissenschaft die Bestimmung dieses Zeitpunktes. Trotzdem ist erat 1906 eine 
eingehendere medizinische Erörterung dieser Sachlage durch AhIfeld erfolgt. 
Dieser verwirft überhaupt den Standpunkt des § 1 als antiquiert und verlangt 
eine Rechtfäbigkeit auch des Fötus etwa von dem Zeitpunkt ab, wo seine 
Existenz sicher nachweisbar ist. Die Durchführong des § 1 stößt in der Tat 
auf große Schwierigkeiten. Der Endpunkt der Geburt ist allerdings einfach 
durch die Vollendung der Ausstoßung des Kindes gegeben, ohne Rücksicht 
auf Abnabelung, etwa anhaftende „Glückshaube“, Entbindung durch Kaiser¬ 
schnitt; der Körper des Kindes muß aber den Mutterleib völlig verlassen 
haben, so daß ein mit dem Kopf geborenes, schreiendes und vor der völligen 
Ausstoßung absterbendes Kind rechtlos bleiben muß. Bei der Feststellung des 
Lebens darf, will man dem Gesetz und den naturwissenschaftlichen Tatsachen 
nicht Gewalt antun, die Atmung nicht das entscheidende Merkmal sein, sondern 
jedes sicher bezeugte Lebenszeichen muß genügen, weil es ein Leben ohne 
Atmung g^bt und weil in den bei Erbstreitigkeiten in Betracht kommenden 
Fällen, wo der Tod bald nach der Geburt eintritt, die etwaige Atmung keinen 
größeren Wert als Beweismittel „selbständigen Daseins“ (Motive) besitzt, als 
die übrigen Lebensäußerungen. Die großen Schwierigkeiten, die diese aus dem 
Gesetze folgende Sachlage bringt, können nur im Einzelfalle jeweilig gelöst 
werden; der Lebensbeweis wird zu einem Zeugenbeweis, so daß allerdings eine 
Aenderung der Bestimmungen etwa im Ahlfe Id sehen Sinne, vom medizini¬ 
schen Standpunkt aus nicht als ganz unzweckmäßig bezeichnet werden muß. 

Autoreferat. 

Ueber die fraglichen Beziehungen der sog. Mors thymica zu den 
plStzlIohen Todesfällen im Kindesalter. Von Dr. Kurt v. Sury, Assistent 
am gerichtlich • medizinischen Institut in Wien. Vierteljahrsschrift für gerichtl. 
Medizin usw.; 3. Folge, 36. Bd., 1. H. 

Unter scharfer, kritischer Berücksichtigung der Literatur und sorg¬ 
fältiger Prüfung des Verhaltens der Tbymus bei 200 Kindersektionen, die das 



588 


Kleioere Mitteilungen nnd Referate auB Zeitschriften. 


reiche Material dos Wiener Inatitnts in S'/i Monaten bot, gelangt der Vor* 
lasser zu einer Reihe von wertToUen Scblnßfoigernngen. Keiner der bei Neu¬ 
geborenen beschriebenen Fälle von Mors tbymica ist einwandfrei nachgewiesen, 
weil bei keinem der Lnngensalt anf eine die Asphyxie erklärende Aspiration 
untersucht worden ist. Das Lumen der Trachea ist bei Neugeborenen an sich 
qneroral nnd verschmälert sich bei der Härtung noch mehr; ans ihr darf daher 
nicht anf Kompression geschlossen weiden. Ebenso entbehren die über der 
Bifurkation (Arcus aortae) nnd an anderen Stellen der Trachea (Art. anonyme, 
Art carotidea) konstatierten Abplattungen jeder pathologischen Bedeutung, weil 
sie als Konfigurationen nnd Adaptationen der Blutgefäße an die LnftrOhre anf- 
znfassen sind. Die Größe der Thymus entspricht in der Regel dem Ernährungs¬ 
zustände ihres Trägers. Sie wird fast stets überschätzt. Ein plötzlicher Tod 
von Kindern kann auf mechanische Weise durch eine solche normal große 
Thymus nicht erklärt werden. Es liegt stets eine natürliche Todesursache, 
m^t eine Bronchitis oder eine Enteritij vor, die oft übersehen werden. 
Chronische Atembeschwerden, andauernder Stridor und Erstickungsanfälle bei 
kleinen Kfaidem werden durch teilweise oder gänzliche Entfemnng der Thymus 
günstig beeinflnßt; die Erklärung dafür steht aber noch ans, weil nur einmal 
(Reileston) die Sektion eine über 800 g schwere Thymus ergab. Eine 
Druckwirkung der normal großen Thymus auf Blutgefäße und Nerven ist nicht 
erwiesen nnd für gewöhnlich große Drüsen ganz nnwahrscheinlieh. 

Dr. P. Fraenkel-Berlin. 


D. Baktwrlologri«! Infekttonnkrankhelten nad öffentliehen 

Sattlt&tsweaea. 

Bakteriologie, Infektionskrankheiten und andere Krankheiten. 

Malaria ohne Parasltenbefnnd und Parasitenbefund ohne Malaria. 
Von Regiernngsarzt Dr. Külz-Duala. Archiv für Schiffs- nnd Tropen-Hygiene; 
1908, Bd. 12, Nr. 8. 

Für die Diagnose Malaria wird der Nachweis der Erreger im Blute 
meist als unerläßlich hingestellt. Die Praxis lehrt aber, daß die Plasmodien 
im Mripheren Blut sich gar nicht selten dom Nachweis entziehen, ohne daß 
an der Diagnose Malaria ein Zweifel besteht. Derartige parasitenfreie Malaria¬ 
fälle sind häufig bei den erwachsenen Eingeborenen zu beobachten, ferner bei 
chronischer Malaria, bei Europäern, die eine nur mangelhafte Prophylaxe ans¬ 
führen, nnd bei Eaemoglobinuiie. Jedenfalls schließt der negative Ausfall 
der Blutuntersnchnng die Diagnose Malaria keineswegs aiu. 

Umgekehrt ist es nicht angängig, nach Auf&den einiger Erreger im 
Blute den Betreffenden als Malariakranken zu bezeichnen. Es gibt hier ebenso 
Parasitenträger wie bei der Diphtherie nnd beim Typhus. Die mikroskopische 
Feststellung darf keineswegs für die Diagnostik der Malaria allein ma߬ 
gebend sein. _ Dr. Dehrn-Hannover. 


üeber das Wesen der Berlberikrankhelt anf Grund meiner epidemie- 
logischen nnd bakteiiologisehen Untersnehnngen. Von Oberstabsarzt Dr. 
F. Tsnznki. Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene; 1908, Bd. 12, Nr. 12. 

T. hält die Beriberi für eine Infektionskrankheit, deren Erreger im 
Kßrper starke Gifte produziert. Er hat darin Aehnlichkeit mit dem Dipthorie- 
nnd dem TetanusbaciUns. Die Reisdiät schafft die Disposition zur Erkrankung, 
ebenso wie der Sumpf die Disposition zur Malaria durch Entwicklung der 
Anopheles bildet. Körperliche nnd geistige Anstrengung bilden die Qelegen- 
heitsursache. 

T. hat bezüglich der Richtigkeit der von ihm vertretenen Auffassung 
interessante Beobaditungen bei einer Beriberiepidomie in der 12. japanischen 
Division machen können. Die äußeren Bedingungen, unter denen die Mann¬ 
schaften dieser Division lebten, waren dieselben wie bei den übrigen Truppen. 
Insbesondere war auch die Reisverpflegung dieselbe; sie erfolgte mit demselben 
Material wie bei den beriborifreien Truppen. & konnte sich demnach nur 
um eine Infektion handeln. Die Infektionsquelle waren aus dem Krieg zurück- 
kehronde Kranke. An der Spezifität des von ihm gefundenen Brregers hält 
T. fest. Dr. Dohrn-Hannover. 



Kleinere Kitteilnngen nnd Befemte «u Zeiteohrlften. 


589 


Daa Aiftreten der Fest In Zuiilbnr im Jnkre 1907. Yen Dr. Fried- 
richeen. Arehir ftir Schifle- and Tropenbyglene; 1908, Bd. 12, Nr. 18. 

Alle Krankheitsf&Ue des Jahres 1907 kamen ln demselben Quartier und 
aom Teil aach in denselben H&asem vor wie bei einer Pestepideide im Jahre 
1905. Das betroffene Qaartier zeichnete sich tor den ftbrigen durch großen 
Schmutz aus. 

Von den sicher festgestellten Fällen starben alle. Eine Beihe weiterer 
Fälle, die als höchst rerdächtig angesehen werden mußten, yerUef leicht 
Die bakteriologische Feststellung machte ganz besondere Schwierigkeiten. Die 

f efundenen Bazillen zeigten morpholoräcn und tinktoriedl ehi abweichendes 
'erhalten. Auch die Empfänglichkeit der geimpften Batten und Ueerschwein- 
eben war sehr gering. 

Aus den gefährdeten Bezirken wurden annähernd 2000 Personen der 
Schutzimpfung nach Haffkine unterzogen. Dr. Dohrn-HannoTer. 


Beobaehtungen ttber Bahr in Tsingtau in den Jahren 1906—1908. 
Von Marine-Oberstabsarzt Dr. T rem bar. Archiv fOr Schiffs- und Tropen- 
Hjgieae; 1908. Bd. 12, H. 12. 

Die Bohr kommt an der ostasiatischen Küste im Laufe des ganzen 
Jahres vor; am häufigsten in den warmen Sommermonaten. Erreger der Er¬ 
krankung waren nicht nur die verschiedenen Bahrbazillen, sondern auch 
Amöben, gelegentlich waren auch beide zusammen anzutreffen. Erwähnens¬ 
wert ist die Tatsache, daß die von Stampf gegen Cholera empfohlene Bolus 
alba auch in einem Falle von Amöbenruhr sehr gute Dienste leistete. 

Dr. Dobrn-Hannover. 


Ueber einen unter dem Bilde des Tetanus verlaufenden Fall von In¬ 
fluenza Encephalitis. Von Prof.Dr. Berger. Medizinische Klinik; 1908, Nr.28. 

£a handelte sich um eine 24jährige Landwirtsfran, die wegen schwerer 
epileptischer Krampfanfälle mit nachfolgenden Dämmerzuständen der psychia¬ 
trischen Klinik in Jena zugefilhrt war. Keine erbliche Belastung, als Kind 
Qehimerschätterung ohne Fo^en. Seit Ende Januar 1908 Influenza. Am 
4. Februar plötzlich heftiger Krampfanfall; vom 7. Februar an gehäufte der¬ 
artige Anfälle bis 7mal am Tage; hinterher Verwirrtheitszustände. Die Unter- 
Buchung in der Klinik ergab gesunde innere Organe, aber stark ausgeprägte 
pathologische Erscheinungen des Nervensystems, die anf eine organische Er¬ 
krankung desselben hinwiesen (Patellarklonus, Babinski, Ptosis, aufgehobene 
Sensibilität usw.). Dabei bestand starker Trismus; Patientin ist nicht imstande 
sich verständlich zn machen. Bei jeder Berührung gerieten der linke Arm und 
das linko Bein in tonische Spannung. Pupillen waren im Anfall erweitert und 
reagierten nicht auf Lichteinfall. Spinalpnnktion ergab einen Druck von 90 
bis 100 mm Wasser; die entleerte Flüssigkeit war klar; Untersuchungen auf 
Tetanus waren negativ. Das Krankheitsbild änderte sich in den nächsten 
Tagen nur wenig; der Trismns nahm zu, die Krampfanfälle steigerten sich. 
Patientin war bei Bewußtsein, konnte sich aber nicht verständigen. Sie batte 
heftige Schmerzen. Es gesellte sich Bronchopneumonie hinzu und am 19. Fe¬ 
bruar erfolgte der Tod. Die Sektion ergab eine leichte Pacbymeningitis hae- 
morrhagica interna in der hinteren Schädolgrnbe, sonst am Gehirn und am 
Bückenmark kein krankhafter Befund. Ferner fand sich eine beginnende 
Bronchopnenmonie des rechten Unterlappens, ein leichter Darmkatarrh und 
eine alte Verdickung eines Triknspidalsegels. Bei gonancrer Untersnehung 
und Zerlegung des Gehirns fanden sich flohstichartige kleine Herde in dem 
Marklager des Großhirns, in der Großhirnrinde und im Eirnstamm. Ein 8 mm 
großer Herd befand sich in der rechten Brückenhälfte. Genauere mikroskopi¬ 
sche Untersuchungen ließen dieselben als kleine Blutaustritte erkennen und 
zeigten deutlich, daß es sich im vorliegenden Falle um eine akute hämorrhagi¬ 
sche Encephalitis gehandelt hatte. Bpd. 


Die Paratyphnsepldemle beim Feldartillerie-Beglmeut Nr. 76 Im 
Jahre 1907. Von Oberstabsarzt Dr. Baehr-Mainz. Aus dem hygienischen 
Institut der Universität Halle. Hygienische Bundschau; 1908, Nr. 9. 

Innerhalb von 4 Tagen erkrankten bei dem Begiment 56 Kanoniere 



590 


Kleinere Hitteilangen and Referate ans ZeiUcbriften. 


plötzlich mit Kopf- and Halsschmcrzeo, allgemeiner Mattigkeit, Brechneigntng, 
Stohldrang, LeiiMchmcrzen und Darchfällen. Bei allen Erkrankten war eine 
leichte Biötnng der Angenbindehant, Schwellang and stärkere Bötang der 
Bacbenschleimbaat, dicke belegte Zange, bei einigen Kranken aoBerdem Giemen 
and Schnarren Aber den Longen festzosteUen. Die Körpertemperatar stieg 
bis anf 39,7 ** C. Nach 3—4 Tagen waren die Kranken entfiebert, and am 4. bis 
6. Tage alle Krankheitserscbeinangen Terschwandcn. Die Mehrzahl der er¬ 
krankten Soldaten gab za, Hackfleisch oder SUlzwarst aas der Kantine gegessen 
za haben, ln einem Altersheim, welches sein Fleisch aas derselben Schlä^terei 
wie die Kantine bezog, waren za gleicher Zeit mehrere Personen, die das Fleisch 
z. T. in solchem Zustande gegessen hatten, nnter den gleichen Ersebeinongen 
wie die Soldaten erkrankt, fernerhin auch zwei Gesellen ans der betreffenden 
Schlächterei. In dem Stahlgang mehrerer Personen wurden Paratyphns B- 
Bazillen gefunden. Das Blatsernm zeigte für Typhasbazillen eine stärkere 
Agglutination als für Paratypbas B-Bazillen. Durch diesen Befand wurde die 
Mwenerkrankung als eine durch Enteritisbakterien herrorgerafene Form der 
Fleischvergiftungen charakterisiert. 

In seinen weiteren Ausführungen behandelt der Verfasser die ver¬ 
schiedenen Formen der Fleischvergiftung bezw. deren Erreger. Er hält es für 
sehr wahrscheinlich, daß der gesetzlich nnzalässige Zusatz von Präseivesalz 
zam Hackfleisch durch die im Körper sich entwickelnde schweflige Säure das 
Eindringen der Paratyphusbazillcn in die Darmwand begünstigt, da schweflige 
Säure <Ue Epitbelien deutlich schädigt. 

In Hackfleisch läßt sich die schweflige Säure und ebenso beginnende 
Fäulnis durch die Anwesenheit von Ammoniack mit Hilfe einfacher Proben 
(s. d. Originalarbeit) nachweisen. 

Die Paratyphusbazillen können in das Hackfleisch mit verseachtem 
Wasser, durch Vermittlung von Bazillenträger oder auch von Batten hinein¬ 
gelangen. 

Zum Schloß bespricht dor Verfasser noch die bakteriologische Diagnose 
der Fieischvergiftnngen and die voibeagenden Maßnahmen. Er hält eine 
strenge Nahrangsmittelkontrolle durch entsprechend geschalte Nahrungsmittel- 
Chemiker oder Aerzte für erforderlich. Dr. Kurpjaweit-Swinemünde. 

Zar Frage der Miscblnfektion mit Typhus und Paratyphns. Von 
J. K. Beckers. Aus dem hygienischen Institut zu Kiel (Geh. Bat B.Fischer). 
Mit 1 Photogramm. Hygien. Bundschaa; 1908, Nr. 6. 

Dem Verfasser gelang es, was bisher noch nicht beobachtet war, aas 
dem Blatkachen einer Blutprobe von einem Typhnskranken Typhnsbakterien 
und Paratyphns B.-Bakterien zu züchten. Er beschäftigte sich weiterhin ex¬ 
perimentell mit der Frage, ob die Typhus- oder Paratypbasbakterien in Bouillon 
und Galle eine größere Wachstamsenergic entwickeln. Er kam zu dem Besultat, 
daß die Paratyphusbakterien die Typhnsbakterien bei gemeinsamer Einsaat 
ttberdaaern. Im menschlichen Körper dagegen scheinen die Typhasbazillen 
zahlreicher zu sein als die Paratyphnsbazillen und ein üeberwachern des einen 
Bakteriums durch das andere nicht vorzukommen. 

Aus dem Urin der erwähnten Patientin wurden nun Typhusbazillen ge¬ 
züchtet. Das Serum agglutinierte erst im weiteren Verlauf der Erkrankung, 
and zwar Typhus 1: 200, Paratyphns B l: 60. 

Nach Ansicht des Verfassers ist der Fall so zu erklären, daß ein Bak¬ 
terium zuerst im Darm saprophytisch gewuchert hat, und erst nachdem die 
Infektion durch das andere Bakterium erzeugt war, auch in die Blutbahn ge¬ 
treten ist. 

Der Verfasser erwähnt dann eine Reihe von Beobachtungen, bei denen 
Typhus- and Paratyphusbakterien in den Entleerungen von Kranken oder 
Bazillenträgern gleichzeitig festgestellt worden sind. Seiner Annahme nach 
scheint die Anwesenheit des einen Erregers für das Eindringen des andern 
den Weg zu ebnen. 

Schließlich berichtete er noch über ein typhusähnliches Bakterium, welches 
er aus dem Stuhl einer vorher bakteriologisch sicher festgestellten Typhas- 
Beko.ivaleszentin isolieren konnte. Dr. Kurpjuweit -Berlin. 



Kleinere Hitteilnngen and Referate aus Zeitschriften. 


591 


Ueber den dii^noBtleehen Wert der Ophthalmoreaktion hei TTphna 
abdominalie. Von Dr. Oscar Orsz&g in Budapest. Deatscbe med. Wochen* 
Schrift; 1908, Nr. 15. 

Auf Grand seiner üntersnchongen an einem größeren Material der 
T. Kor^nyischen Klinik kommt 0. zn dem Schloß, daß die Reaktion bei dem 
Verfahren nach Chantemesse nach 24 Stunden bei Typhösen meist positir 
anslällt, und daß negativer Ausfall nach dieser Zeit gegen Typhus spricht. 
Allerdings wird auf der anderen Seite auch bei anderen Krankheiten bisweilen 
positive Wirkung erzielt. Nach 6 Standen ist die Reaktion noch nicht fttr 
^phus beweisend. Auch Rekonvaleszenten reagieren oft (in etwa der Hälfte 
der FWe). Da wir noch kein beständiges Typhastoxin (analog dem Tuber* 
kulin) haben, ist das Verfahren vorläufig für die allgemeine Praxis noch nicht 
geeignet. Die Kutan*Reaktion ist für die Diagnose unbrauchbar. 

Dr. LiebetraU'Hagen L W. 

Ueber die Ophthalmoreaktlou bei Typhus abdominalis. Von Dr. Ama* 
tore Meroni*Pavia. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 26. 

Verfasser benutzte zu seinen Dntersachungen Material ans einem viru¬ 
lenten Typhasbakterienstamme aus der Sammlang des Instituts für spezielle 
Pathologie der Universität Pavia und faßt am Ende seiner Arbeit die Resul¬ 
tate seiner Untersuchungen in folgende Sätze zusammen: 

1. Die Ophthalmoreaktion bei Typhus abdominalis kann nach 6 Stunden 
nicht nur bei Typhösen, sondern auch bei anders Erkrankten positiv ansfallen. 

2. Nach 24 Standen ist die Reaktion positiv bei Typhösen; ein nega¬ 
tives Ergebnis spricht gegen Typhus abdominalis. 

8. Bezüglich des positiven Ausfalls der Reaktion ist zn berücksichtigen, 
daß Ausnahmen Vorkommen können, indem es, scheinbar sehr selten, über* 
en^findlicho Konjanktiven gibt, welche auch für gewöhnlich gegenüber in¬ 
differenten Substanzen (Alkoholfällung von steriler Bouillon) stark reagieren. 

4. Die Erwärmung auf 60 zerstört die Typhustoxine nicht. 

6. Die Installation von Typhneextrakt führte in Versuchen nie za 
schädlicheu Folgen. 

6. Die Ophthalmoreaktion kann, ohne daß ihr ein absoluter diagnosti¬ 
scher Wert zukommt, praktischen Nutzen bieten. Dr. Waibel-Kempten. 

Die Ergebnisse gleichzeitig angestellter kutaner, konjnnktivaler und 
subkutaner Tnberknlinreaktionen bei vorgeschrittenen, Initialen und sus¬ 
pekten Formen der Lungentuberkulose. Von Chefarzt Dr. Roepke- 
Melsungen. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose; 1908, Band IX. 

Da trotz der Fülle der Veröffentlichungen über die „Cuti- und Ophthalmo¬ 
reaktion bei Tuberkulösen man sich noch kein abschließendes Urteil über ihre 
praktische Brauchbarkeit machen kann, so hat Verfasser, um sich ein eigenes 
ürteU bilden zu können, selbst an dem Material seiner Heilstätte eingehende 
Untersuchungen angestellt. Er stellte im ganzen bei 191 Fällen Versuche an, 
von denen 51 dritte, 48 zweite, 75 erste Stadien und suspekte Fälle waren, 
ferner 15 mit Tuberkulin vorbehandelte Patienten aller 3 Stadien, 8 nicht- 
tuberkulöse Lungenkranke und 4 Gesunde. Zuerst wurde den Kranken ein 
Tropfen einer ‘/^ptozentigen Verdünnung des bekannten Kochseben Alt- 
tuberkulins in ein Auge geträufelt und gleichzeitig die Kutanreaktion mit 
einer 26prozentigen Lösang angestellt. Bei denjenigen, die nicht reagierten — 
es war die Mehrzahl — wurde eine Einträufelung am gleichen Auge mit einer 
2prozentigen Verdünnung wiederholt. Bei den dann noch nicht Reagierenden 
wurde jetzt eine 4prozentige Verdünnung genommen und bei den noch übrig 
bleibenden nochmal eine solche. Es wurde immer das gleiche An ge genommen. 
Dies geschah, weil die abwechselnd rechts und links geübte Einträufelung 
die Erkennung der leichten und leichtesten Grade positiver Roaktionsorschei- 
nungen erschwert, und weil nach des Verfassers Erfahrungen viermalige Ein¬ 
träufelung an dem gleichen Auge alle ersten Stadien zur konjunktivalen Reak¬ 
tion bringt, während die viermalige abwechselnde Einträufelung nur 60**/o der ersten 
Stadien zur Reaktion brachte. Da R. bei seinen Versuchen in den tatsächlichen 
Beobachtangaergebnissen andere Resultate bekam wie z. B. Wolff-Eisner, 
so stellte er noch weitere Versuche an, wobei er die Technik der Kutan- 



692 


Kleinere MitteUnngen and Befermte ans Zeitediriften. 


renktion nnch t. Pirquet and die der KonJonktiTolrenktion genau unch den 
Ton Wolll'Eisner angegebenen Anweisungen gebrauchte. Sdiließiich niodi* 
Aderte er sein Verfahren noch, nahm eine stirkere Konsentration zur Ein¬ 
träufelung und trilufelte zunächst einen Tropfen ins rechte und bei negotiTem 
Verholten ins linke Auge. In Tabellen, die olie einzeln eingehend erläutert 
werden, bringt er die Ergebnisse seiner Versuche, die wesentlich anders sind 
als die Ton Wolff-Eisner. Verfasser hat sieh nicht Ton dem dia> 

f nostischen Wert sowohl der Kutan-, wie der Konjunktivolreoktion Aberzeura 
Onnen und kommt auf Grund seiner Versuche schiiefllich zu folgendem lad- 
resultat: 

1. Die Ko eh sehe subkutane Tuberkulinmetbode ist auch heute noch 
dos soureräne Diagnostikum fflr die Erkennung der initialen Lunsentuberkulose. 

2. Will man ihr Anwendungsgebiet einschränken und die kutane und 
konjunktirole Tuberkulinprflfung Torschalten, so sind die beiden Methoden 
gleichzeitig nebeneinander onzustellen. 

8. Der gleichzeitig negative Ausfall der einmol^en Kutonimpfung mit 
unTerdflnntem Tuberkulin und der Tiermaligen KonjunktiTaiimpfung am glucken 
Auge mit steigenden Tuberkulindosen (1—4**/o) beweist dos Fehlen eines 
tulmrkalOsen Heerdos im KOrper des Impflinge während gleichzeitig Tor- 
hondene Kutan- und KoujanktiTolreaktionen auf ^berkulose scbliefien lassen, 
ohne Aber ihren Sitz und Charakter zu orientieren. 

4. Weichen die Ergebnisse der Kutan- und Eonjunktiralimpfang von¬ 
einander ab, so entscheidet die suhkutone Methode endgAltig, ob wo Tuber¬ 
kulose vorliegt oder nicht. __ Bpd. 


Opkthnlinereaktioii und AUergieprobe* Von Oberstabsorst Dr. Ham¬ 
mer Schmidt- Donziu. Medizinische EQinik; 1908, Nr. 28. 

Verfasser hat Im Lazarett Danzig bei 600 Personen gleichzeitig die 
Ophthalmoreaktion und die Allergieprobe angewandt und zwar nach den An¬ 
gaben von Citron resp. Petruschky. Die Mehrzahl der Versuchs¬ 
personen waren Gesunde. Bei 28 °/o Ael die Cutireaktion, bei 19,4 ”/o die 
Ophthalmoreaktion positiv aus, und zwar war Aberall da, wo die Ophthalmo¬ 
reaktion positiv war, auch die Cutireaktion positiv. Die Beoktion erfolgte 
stets in den Fällen, wo sie zu erwarten war resp. wo man sie vermuten 
konnte. 6 erste Stadien der Lungentuberkulose reagierten prompt auf beide 
Beaktionen, desgleichen Fälle von anderweitigen tuberkulösen Erkrankungen. 
Auf Grund seiner Versuche ist Verfasser der Ansicht, daß ein negativer Aus¬ 
fall mit großer Warscheinlichkeit gegen, ein positiver aber mit noch größerer 
Wahrscheinlichkeit lAr Tuberkulose spricht. Ophthalmoreaktion und AUerrie- 
probe seien namentlich gleichzeitig angewandt recht geeignet, die probatorischen 
Einspritzungen voll und ganz zu ersetzen. Bpd. 


Zjtologisehe' Befunde bei der Konjunktivnlrenktion auf Tnberkulin. 
Ophthnlmosjtodingnose. Von Dr. Budoif Dietschy-Bosel. MAnchener 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 24. 

Es schien dem Verfasser von Interesse, einige Beobachtungsreihen mit 
Tuberkulininstiliation unter spezieller BerAcksichtigung der mi¬ 
kroskopischen Verhältnisse des Augensekrets bei den Versuchs¬ 
personen onzustellen. 

Die gewonnenen Besultate faßt er in folgende Schlußsätze zusammen: 

1. Die mikroskopische Untersuchung des Augensekrets bei der Kon- 
junktivoireaktion auf Tuberkulin ergibt eine Leukozytenformel, deren Schwon- 
kungen im Verlauf der Beoktion typisch sind und mit den Befunden bei anderen 
akuten Entzündungen ttbereinstimmen. 

2. Auf das vereinzelte Vorkommen von polynukleären Leukozyten darf 
kein Wert gelegt werden, da solche sich zuweilen auch im Konjunktivaisekret 
des unbehandelten Auges vorflnden. An und für sich scheint dos Tnberkulin 
keine chemotaktische Leukozytose hervorzurnfen. 

8. Für die Praxis hoben die üntersuchungen die interessante Tatsache 
zutage gefördert, daß das Konjunktivaisekret hinsichtlich seiner Zytologie die¬ 
selben Veränderungen bei manchem Tuberkulösen durchmachen kann, ouie daß 
makroskopisch eine Beoktion zu konstatieren ist. Die Ophthalmozyto- 



Kleinere Hitteilnngen and Befemte nne Zeiteehiiften. 693 

dingnose dürfte aomit nie ein Mittel angesehen werden nur 
Erhühnng des Wertes der bisher Ubliohen KonJanktiTal- 
reaktion. Dr. Waibel*Kempten. 


Ueber die Ophthalmoreaktion der Taberknlose ln Ihrer Beilehnng 
anm Sektionsergebnis nnd tnr Tnberknllnlnjektlon. Yon Dr. O. Fehsen- 
ield, Assistenzarzt am stödtischen Krankenhans in Kiel. Münchener med. 
Wochenschrift; 1908, Nr. 26. 

Yer&sser hat bei 168 TaberknlinelntrSofelnngen ln den Eon|anktiTalsack 
in einer Anzahl yon Fällen die Sdctionsbelonde anfügen kOnneo, in einer 
anderen Anzahl yon Fällen yergleichsweise die snbkntane ProbelDjektion yon 
Alt-Taberknlln (Koch) yorgenommen und berichtet hierüber ausführlich. 

Verfasser kommt zu dem Schlüsse, dafi die Ophthalmoreaktion als spezi¬ 
fisches diagnostisches Hilfsmittel zwar yon Wert ist, daß ihr aber eine 
absolute Bedeutung nicht znkommt. Eine ganz sichere Diagnose 
ergibt sich ans einer bei einem tuberkuloseyerdächtigen Indiyidunm positiy 
yerlaufenden Ophthi^oreaktion noch nicht. Die Ophthalmoreaktion gehürt 
also zu den Kriterien, deren Ausfall nur in Verbindung mit anderen Krank- 
hdtserschdnungen verwertet werden nnd dann auch yon Bedeutung sein kann. 

Dr. W a i b e 1 - Kempten. 


Die kutane Tnberknllnlmpfling nach y. Pirquet bei Kindern des 
ersten Lebensjahres. Von Stabsarzt Dr. Morgenroth-KOln. Münchener 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 26. 

Vom August 1907 bis zum April 1908 worden im ganzen 200 Kinder 
des ersten Lebensjahres nach y. Pirquets Methode geimpft. Das Ergebnis 
dieser Impfangen läßt sich in folgende Schlußsätze znsammenfassen: 

1. Durch die y. Pirquetsche Eatanimpfang ließ sich feststellen, daß 
etwa 6 Prozent der in der Zeit yom August 1907 bis Ende März 1908 in der 
akademischen Kinderklinik zu E9ln behandelten Säa^linge taberkalOs war. 

2. Die kutane Taberkulinimpfung ist, ohne jede Vorbereitung in der 
^rechstunde mit unverdünntem Alttnberknlin ansgeführt, zuverlässig, frei von 
Nebenwirkungen, für den Säugling ganz irrelevant. 

8. Sie sollte vom praktischen Arzte in jedem Falle angewandt werden, 
wo offene Taberknlose der Umgebung des Säuglings yorkommt und eine tuber¬ 
kulöse Erkrankung des Kindes angenommen werden kann. 

4. Die y. Pirquet sehe Kutanimpfung entscheidet über die Diagnose: 
Tuberkulose im SäugUngsalter. Der umständlichen, nidit immer ganz unge¬ 
fährlichen nnd manchmal nicht zuvetlässigen snbkatanen Impfang bedarf es 
nicht mehr. 

5. Wo immer ein Säugling auf die kutane Impfung positiv reagiert, 
ist die Untersuchung seiner Umgebung auf offene Tuberkulose nOtig; fast aus¬ 
nahmslos ließ sich eine solche offene Tuherknlose in der Umgebung nach- 
weisen. 

6. Da die tuberkulöse Infektion des Säuglings sehr häufig von der 
offenen Tuberkulose der Umgebung herrührt, so können die Kinder des ersten 
Lebensjahres nicht früh genug aus dieser gefahrbringenden Umgebung ent¬ 
fernt werden. 

7. Die Säuglingstuberknlose ist meist eine Inhalationstuberkulose, ent¬ 
standen durch Ambahme menschlicher Tuberkelbazillen. 

_ Dr. Wal b e 1 - Kempten. 


Ueber die angeblichen Gefahren der KonjunktiTalreaktlon. Von 
Dr. Teichmann-Berlin. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 26. 

Gegenüber den zahlreichen Arbeiten, die über leichtere oder schwerere 
Schädigungen des Auges infolge der Konjunktivalreaktion berichten, nimmt 
Verfasser Stellung und teilt seine Erfahrungen übor 1500 Fälle aus dem städtischen 
Krankenhaus Fiiedrichshain in Berlin mit. Außer vereinzelten intensiven 
Beaktionen, die die Patienten etwas belästigen, im übrigen aber auf die Binde¬ 
haut beschränkt bleiben und nach 4—8 Tagen yerschwinden, hat er keine Schä¬ 
digungen beobachten können. Diese Entzündungserscheinungen gingen aber auf- 
mehrmaliges Einträufeln einer Kokain- (2 **/,) Adrenalin- (1 "/o) LOsung zurück und 



594 Kleinere Hitteilnngen dnd Referat« ans ZeitBchriften. 

waren im übrigen nur bei klinisch manifest Taberkolösen za finden. Schwerere 
Folgeerscheinungen hat er niemals beobachten können. Uoble ZofäUe (Horn- 
haatgeschwäre, Iritiden uaw.) sind seiner Ansicht nach nnr der Wahl der 
Taberkalinpraparate oder der Vernachlässigong von schon wiederholt betonten 
Eontraindikationen (Skrolnlose, Erkrankangen des inneren Änges osw.) zoza* 
schreiben. Anf Grund seiner Beobachtungen kommt er zu folgenden Schlu߬ 
sätzen : 

1. Die angeblich durch Eonjunktiralreaktion hervorgerufenen, bisher 
mitgeteilten Schädigungen beruhen ausnahmslos auf der Wahl ungenügender 
Tuberkulinpräparate oder der Vemachlässigung wichtiger Kontraindikationen. 

2. Solche sind: Installation bei kranken, vor allem tuberkulösen Augen. 
Skrofulöse, Tiellcicbt überhaupt jugendliches Alter. Wiederholung in sraon 
früher der Reaktion unterzogenen Augen, ganz besonders mit starken Lösungen. 

8. Die Konjunktivalreaktion — vorgenommen mit frisch bereiteter 1 proz. 
Tuberkulinlösung — ist absolut ungefährlich und nach unseren Erfahrungen 
zurzeit das einfachste Mittel, einen den sonstigen klinischen üntersuchungs- 
methoden nicht zugänglichen !]^borkuloseherd zu diagnostizieren. Bpd. 


IstdiekonjuiiktiTaleTaberkallnreaktlonangeffilirlioht Von Assistenz¬ 
arzt Dr.Max Qöriieh zu Schwäbisch Gmünd. Münchener med. Wochenschrift; 
1908, Nr. 26. 

ln den Chor der Begeisterung für die theoretisch hochinteressante Kon- 
junktiTalreaktion nach Wolff-Eisner mischen sich immer mehr warnende 
Stimmen, weiche die Zuverlässigkeit der Reaktion in praxi bezweifeln und ihre 
Anwendung durchaus nicht für angefährlich halten. 

Trotz seiner schlechten Erfahrungen ist Verfasser kein prinzipieller 
Gegner der konjunktivalen Reaktion. Es ist zweifellos gefährlich, sie mit den 
üblichen 1 proz. Lösungen bei allen Kranken wahllos anzustellen. Verfasser 
wird in Zukunft und noch schwächere Verdünnungen von Alt-Tuber¬ 

kulin verwenden und die Reaktion nnr in streng aasgewählten Fällen benutzen, 
in denen sie nach Erschöpfung der bisher geübten diagnostischen Hilfsmittel 
zur Erkennung der Tuborkuloso beitragen könnte. Zugleich beschränkt Ver¬ 
fasser die konjunktivalo Tuberkulinapplikation durch folgende Kontra¬ 
indikationen: 

Niemals werde die Probe angewendet bei Angenerkrankungen oder bei 
Neigung zu Reizzuständen des Auges. Weiterhin sind Säuglinge und 
Skrofulöse aaszuscblieäsen. Bei entzündlichen Erkrankangen des Nasenrachen¬ 
raums ist Vorsicht geboten, ebenso bei Hysterischen und Hypochondern. Dem 
praktischen Arzte ist die Probe noch nicht zu empfehlen. 

Dr. W a i b e 1 - Kempten. 

Die Tuberkulose im schulpflichtigen Alter. Von Ereisassistenzarzt 
Dr. Ascher in Königsberg i. Pr. (Aus der Fürsorgestelle für Lungenkranke 
und Tuberkulöse.) Hygienische Rundschau; 1908, Nr. 10. 

Wie der Verfasser an der Hand einer Tabelle nachweist, fällt die 
Sterblichkeitskurve sowohl bei allen Todesursachen, wie im besonderen bei 
Tuberkulose vom Säoglingsaltcr und nach der Schulzeit (5—15 Jahren) ab und 
steigt bei allen Todesursachen bis zum höchsten Alter an, bei der Tuberkulose 
aber nur bis zum 60.—70. Jahre und zwar bei beiden Geschlechtern. 

Die beiden Ge.schlechter unterscheiden sich insofern voneinander, als im 
allgemeinen die Sterblichkeit an allen Todesart achen, ebenso wio die Tuber¬ 
kulose beim weiblichen Geschlecht eine niedrigere ist, mit Ausnahme des 3. bis 
zum 20. Lebensjahre, wo die Tuberkulose beim weiblichen Geschlecht überwiegt. 

Man kann daraus den Schluß ziehen, daß nnr wenige Tuberkulöse in 
der Schulzeit und diese hauptsächlich beim weibUchen Geschlecht anzu- 
treffen sind. 

Diesbezügliche Erhebungen bestätigten diese Annahme; von rund 26000 
Kindern waren in Königsberg nur 31 tuberkulös (davon 6 Knaben, 25 Mädchen). 
Auch andere Autoren sind zu dem gleichen Resultat gekommen wie der 
Verfasser. 

Nach der zweiten Hälfte der Schulzeit (10.—15. Jahre) steigt die Sterb¬ 
lichkeit und zwar schneller bei der Tuberkulose als bei der Gesamtiterblichkeit. 


I 



Kloinero Mitteilangen ond Referate aas Zeitschriften. 


695 


Aas einer Statistik ttber Obdaktionen weist der Verfasser nach, dafi 
die Zahl der obduzierten Leichen, welche Zeichen von Taberkolose aafweisen, 
▼om 1. bis zam 15. Lebensjahre rasch zanimmt; daraus ergibt sich der Schluß, 
daß die Infektion mit TuberkelbazUlen mit der Gelegenheit zur Infektion, also 
mit dem Alter, steigt. 

Auf eine Infektion muß aber nicht eine Erkrankung oder gar der Tod 
erfolgen; dabei kommt die natttrliche Widerstandskraft des betreffenden In* 
dlTiduums in Frage. 

Im schulpflichtigen Alter ist diese natttrliche Widerstandskraft noch 
größer als im Alter von 16—20 Jahren, so daß die Aussichten auf eine erfolg* 
reiche Behandlung noch gttnstiger sein müssen. 

Es empfiehlt sieb, diese infizierten, aber nicht offen erkrankten Schul* 
kinder in Walderholangsstätten, in Erholungsheimen usw. nnterzubringen, wo 
sie eventl. auch Schulunterricht erhalten können. Sehr wünschenswert wäre 
es, wenn der Staat und die Provinz in dieser Hinsicht die Fürsorge ttber* 
nehmen würden. _Dr. Earpjuweit*Berlin. 

Zur Bekämpfung der Tuberkulose auf dem Lande. Von Kreisarzt 
Dr. Hillenber g'Springe. Soziale Medizin und Hygiene; 1908, Bd. 8, Nr. 1. 

Durch eine Umfrage bei den Aerzten des Kreises Springe (SlOOOEinw.) 
stellte H. fest, daß die dort tätigen 10 Aerzto 55 Langen* bezw. Kehlkopf* 
Tuberkulöse behandelten. Nur 15 Kranke hatten eine eigene Schlafkammer, 
14 (25 ‘*/o) teilten ihr Bett mit einem anderen; in neun Fällen waren andere 
Fan^enmitglieder augenscheinlich krank. 

Die Bekämpfung der Tuberkulose findet auf dem Lande in der Indolenz 
der fievölkerang das Haaptbindernis. Ferner macht sich der Mangel an Heil* 

S ersonal als Hindernis geltend. H. schlägt vor, durch Heranziehung geeigneter 
[ebammen hier Abhilfe zu schaffen. Für die Fürsorgestellen müßten im Falle 
der Not auch geeignete Frauen aas dem Volke herangezogen werden. 

Die Organisation der Bekämpfung denkt sich H. so, daß am Sitze des 
Landratsamtes die aus Land rat, Kreisarzt und Lokalkomitee zusammengesetzte 
Zentrale besteht. Dieso Zentrale steht mit den Unterstellen in Verbindung, 
die am besten am Wohnsitze eines Arztes eingerichtet werden und aus dem 
Arzt, Pastor, Gemeindevorsteher und sonstigen Interessenten bestehen. Dieser 
Unterstelle steht als Helferin eine Schwester oder eventl. Hebamme zur Seite. 

Zur Aufbringung der Kosten müßten die Landesversicherungsaustalt 
und mit Hilfe des Landrats alle in Betracht kommende staatliche und private 
Organisationen heran gezogen werden. 

H. empfiehlt des weiteren die Einrichtung von Pflegostätten für vor* 
geschrittene Kranke, am besten nach Master der norwegischen Anstalten mit 
4—20 Betten. Schließlich ist auch eine Förderung der ländlichen Wohlfahrts¬ 
pflege mit besonderer Berücksichtigung des Kindesalters (Schulärzte) nötig. 

Dr. D 0 h r n - Hannover. 

Zur Frage der Heilstättenbohandlung und der Anzeichen für dieselbe. 
Von Dr. A. Frankenburger, prakt. Arzt und Leiter der Auskonfts- und 
Fürsorgestelle für Lungenkranke in Nürnberg. Münchener med. Wochenschrift; 
1908, Nr. 17 n. 18. 

Verfasser sucht auf Grund seiner Erfahrungen in der Privatprazis und 
besonders auf Grund seiner Tätigkeit in der Fürsorgestelle in längeren intores* 
ganten Ausführungen die Fragen zu erörtern: 1. Was leistet die Heilstätten* 
behandlungP 2. Welchen Kranken leistet sie etwas? 3. Können diese Kranken 
gleiches ohne Heilstättenbebandlung erreichen? 4. Können die bisher in der 
Mehrzahl von der Heilstättenbebandlung ausgeschlossenen Fälle nicht mit 
Nutzen ihr zugefübrt werden? 

Zum Schlüsse seiner Arbeit faßt er seine Ausführungen in folgenden 
Thesen zusammen: 

1. Die Heilstätten sind und bleiben ein wichtiges Glied in der Kette 
der Maßnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose. 

2. Für die Aufnahme in die Heilstätten darf nicht dio Rücksicht auf 
dio Erfolgstatistik maßgebend sein, sondern nur der für den ebzelnen Fall 
zu erwartende Nutzen. 



596 


Besprechangen. 


8. Die E[nuiken des 1. Stadiums, vor allem aber die Taberkaleserer* 
dlchtigen and die Träger latenter Taberkalosen kOnnen der Heilstätten« 
bebandlang zumeist entraten. Diesen kann bei ambulanter Behandlung durch 
Aufenthalt in Tages* (Wald) Erholungstätten, durch Versckaifang hygienischer 
Schlafgelegenheit in der Wohnung, durch sonstiges Eingreifen der fttrsorg^ 
tätigkeit gleicher Erfolg gebracht werden. Bei dem geringeren Kostenaufwand 
fftr den einzelnen kann diese Hilfeleistung riel mehr Sedttrftigen geleistet 
werden. 

4. Die Heilstätten sind besonders den Kranken des 2. Stadiums zu* 
gänglich zu machen. 

6. Die Aufnahme in die Heilstätten soll nicht auf Grund eiamali|^ 
üntersuchung, sondern nach yorgängiger Beobachtung durch eine Zentralstwe 
(Krankenhaus, Poliklinik, fürsorgestefie) erfolgen. 

Dr. Wai bei'Kempten. 


Besprechungen. 

Dr. A. Oramar, Geh. Med.-Bat n. o. Professor und Direktor der üniyersitäts* 
Klinik und Poliklinik fflr psychiatrische und Nerrenkraake in Göttingen: 
QerlohtUolie Psjohlatrie. Ein Leitfaden für Mediziner und Juristen. 
Vierte umgearbeitete und yermehrte Auflage. Jena 1908. Verlag yon 
Gustay Fischer. Gr. 8**, 540 8. Preis: geh. 10,50 M., geb. 11,50 Mark. 

Die neue Auflage des Leitfadens hat wieder eine ganz erhebliche Ver¬ 
mehrung erfahren, so daß sein Umfang um fast 160 Seiten zugenommen hat 
Dieses war bei dem großen Fortschritt der psychiatrischen Forschung, bei der 
zunehmenden Bedeutung und allgemeinen Beachtung, die gerade der forensi¬ 
schen Psychiatrie zuteil geworden ist gar nicht zu umgehen, falls sich das 
Werk auf der Höhe der Zeit halten und seinen Aufgaben gerecht werden 
wollte. So erforderten die einzelnen Kapitel, um die neueren wissenschaftlichen Er¬ 
fahrungen und die große Menge der Beachtung yerdienenden Veröffentlichungen 
nach Möglichkeit zu berücksichtigen, zum Teil eine wesentliche Umarbeitung und 
Umgestaltung. Die Vermehrung ist diesmal beiden Teilen, dem allgemeinen wie 
dem speziellen zugute gekommen. In dem ersteren sind es wieder die Abschnitte 
Uber die Beziehungen der Geisteskranken zur Straf- und Ziyilgesetzgebung 
und über die ärztliche Sachverständigentätigkeit, die erhebliche Verbesserungen 
erhielten, wobei besonders die neueren wissenschaftlichen Ergebnisse der 
psychologischen Forschung und der Psychologie der Aussage Berttcksichtigung 
fanden; im speziellen Teil ist hauptsächlich der Abschnitt Ober endogene Ner- 
yosität und Ober Alkohoilntoxikationspsychosen, die genauer spezialisiert sind, 
erweitert worden. Im übrigen ist aber die ganze Anordnung des Stoffes die 
gleiche geblieben. 

Der Wert des Werkes bat durch seine Umarbeitung erheblich gewonnen; 
es wird seinen Aufgaben mehr als je gerecht. Sowohl dem Mediziner, wie dem 
Juristen wird es wertvolle Anregungen und Fingerzeige geben und ihm gegebenen¬ 
falls als treuer Batgebcr zur Seite stehen. Was an dieser Stelle von den früheren 
Auflagen gesagt ist, gilt in erhöhtem Maße yon der jetzigen. Und wenn wir 
bei der letzten Auflage schon darauf hingewiesen haben, daß das Werk eigent¬ 
lich mehr die Bezeichnung „Lehrbuch“ wie „Leitfaden“ verdiene, so können 
wir dies jetzt nur wiederholen. Es nimmt auf dem Gebiete der gerichtlichen 
Psychiatrie mit die erste, wenn nicht gar dio erste Stelle ein. Wir können 
daher nur wünschen, daß es ebenso, wie die früheren Auflagen, überall eine 
seinem Werte entsprechende Aufnahme finden möge. Bpd. 


Oeh. Ked.-B»t Prof. Dr. Bnlenbnrg-Berlin: Real-Bnnyklopftdle der 

gesamten Heilkunde. Medizinisch - chirurgisches Handwörterbuch für 
praktische Aerzte. Verlag von Urban und Schwarzenberg in Berlin 
und Wien. IV. gänzlich um gearbeitete Auflage. Gr. 8^ Preis pro Band 
28 Mark, yollstäi^ig in 15 Bänden. 

In rascher Aufeinanderfolge sind jetzt die 4 ersten Bände (Buchstaben 
A—F) der neuen Auflage von Eulonburgs Ecal - Enzyklopädie erschienen und 



Besprechungen. 


597 


lusea erkennen, ds6 dai Werk das hält, was es yerspricht 128 der heryorragend- 
sten Minner der Wissenschaft sind Mitarbeiter an diesem großen Werke; sie 
verbürgen ein gutes Gelingen und geben die Gewähr, daß sein Inhaltmit den 
gewaltigen Fortschritten der neuesten Forschungen der Wissenschaft in Ein¬ 
klang steht. Dabei ist der Herausgeber mit allen Kräften bemüht gewesen, 
den Standpunkt, den die Enzyklopädie von ihrem ersten Erscheinen planmäßig 
vertreten hat, auch jetzt wieder zu wahren, nämlich daß sie sich fest auf den 
^den realer wissenschaftlicher Tatsachen stellt und eine Inventur des in 
langjähriger Forschungsarbeit errungenen Gesamtbesitzes der wissenschaft¬ 
lichen Heilkunde unserer Zeit bildet. Diese Aufgabe haben er und seine Mit¬ 
arbeiter, soweit sich bis jetzt beurteilen läßt, auch dieses Mal vorzüglich 
gelöst; überall ist, soweit als möglich, nur das, was als allgemein feststehend 
anerkannt ist, berücksichtigt, während persönliche Ansichten, noch strittige 
Fragen fortgolassen oder nur, falls es zum Verständnis notwendig erschien, 
gestreift sind. Trotz der Fülle des Stoffes wird der ganze Umfang des 
Werkes ein geringerer werden, statt 26 erscheinen nur 15, allerdings etwas 
vergrößerte Bände; diese Kürzung gereicht dem Ganzen nur zum Vorteil, 
denn bei einem an und für sich schon so umfangreichen Werke muß «dies 
üeberflüssige, Veraltete und Unwichtige forlfallen, damit Baum genug bleibt 
für die wichtigeren und wesentlicheren Abschnitte, an denen zu kürzen ein 
Herabmindern des wissenschaftlichen Wertes bedeutet. Die alphabetische 
Beihenfolge ist wie früher für die einzelnen Abhandlungen innegehalten. Bei 
den wichtigeren Gegenständen ist die einschlägige Literatur kurz angeführt; 
bd den übertragbaren Krankheiten (z. B. Abdominaltyphus, Diphtherie 
UBW.) sind auch Prophylaxe, Bekämpfung usw. eingehend berücksichtigt. 
Jedem Band ist ein ausführliches Inhaltsverzeichnis beigefü^. Die Aus¬ 
stattung des Werkes ist eine vorzügliche. Zahlreiche Abbildungen dienen 
wesentlich dazu, den Inhalt zu erläutern, besonders ist die vorzügliche Aus¬ 
führung der farbigen Tafeln hervorzuheben (bei Tafel I und II zum Artikel 
«Bakterien“ ist ein kleiner Druckfehler untergelaufen, in dem die Nummern der 
flguren mit den Nummern der Erklärung nicht Übereinstimmen). Die ersten 
4 Bände enthalten nicht weniger als 25 farbige und 4 schwarze Tafeln, sowie 
562 Textabbildungen. Jedenfdls stellt die neue Auflage der Enzyklopädie ein 

J anz hervorragendes, auch auf der Höhe der Wissenschaft stehendes Werk 
ar, das für joden Arzt von unschätzbarem Wert sein und in dem er nie ver- 

f eblich Bat suchen wird. Der an und für sich hohe Preis des Werkes muß 
ei dem Umfange noch als gering bezeichnet weiden. Bpd. 


Dr. Cbotjalm «nd Dr. Kriegal-Berlin: Jahreaberloht über aoslale 
Hygiene, Demographie und Medlalnalntatlatih, sowie alle Zweige 
des soalalen VersioherangBWesens. VII. Band: Bericht über das Jahr 
1907. Jena 1908. Verlag von Gustav Fischer. 8**; 391 S. Preis 11,50 M. 
Eine mit großem Fleiß zusammen gestellte, für jeden, der sich mit den 
Aufgaben der sozialen Hygiene befassen muß, sehr brauchbare Arbeit. Der 
Umfang des Werkes ist ungefähr der gleiche geblieben; die Anordnung des 
Stoffes hat keine Aenderung erfahren. Möge auch dieser Bericht wie die vor¬ 
hergehenden anderen überau die verdiente Anerkennung Anden. 

Bpd. 


Dr. A. Wolff-Blmer, Berlin: Die Ophthalmo- und Kutan• Diagnose 
der Tuberhnlose. Würzburg 1908. A. Stübers Verlag. Gr. 8 **,1978. 
Preis geh.: 6 M., geb.: 7 M. 

Die Wolf-Eisnersehe Monographie über die neuerschlossenen Gebiete 
der Tuberknlosediagnostik ist als besonderes Heft der bekannten Br an ersehen 
«Beiträge zur SLlinik der Tuberkulose“ erscÜenen. Das Verdienst Wolff- 
Eisners an der Entdeckung der konjnnktivalen Tuberkulin-Boaktion steht 
fest. Man vrird auch den Eifer, mit welchem der Verfasser die Führung auf 
dem Nenlande der lokalen Tuberkulinproben zu übernehmen bestrebt ist, an¬ 
erkennen können. Und doch scheint es uns verfrüht, über einen noch gar 
nicht genügend geklärten Stoff so viele Worte zu machen. Die Folge davon 



598 


Besprechungen. 


ist, daß der Verfasser allsiiTiel mit Hypothesen operiert nnd es sogar unter¬ 
nimmt^ mit mindestens anbewiesenen Ansichten gegen besser and fester fan- 
dierte Ansehaaangen in der Taberkalose-Prophylaze and -Therapie anznk&mpfen. 
Es ist hier nicht der £aam, dies darch 8ticbproben za belegen. Jedenfalls 
bietet die fleißige Arbeit Tiel mehr als der Titel besagt; aber das Viel ist 
kdn Vorzag — wenigstens nicht für den Praktiker, der kaam geneigt sein 
dürfte, sich die Information über eine noch schwebende diagnostische Frage 
aas einem ad hoc geschriebenen, ziemlich dickleibigen Bach za holen. Aaßer- 
dem ist das eigentliche Thema des Baches darch neaere Arbeiten überholt, 
die in der Einsebätznng der Ophthalmo- and Katandiagnose einen recht kri¬ 
tischen Standpankt einnebmen. 

An die taberkalindiagnostischen ErSrterangen schließt Wolff-Eisner 
eine aosgiebige and in vieler Hinsicht interessante Schilderang der klini¬ 
schen frühdiagnostischen Methoden (Spatamantersnehang, Thermometrie, 
Röntgen-Methode, Spitzenperkassion, Aaskaltation, Zytodiagnose, Inoskopie). 

_Dr. Boepke-Melsangen. 

Dr. Wilhelm Xttller, Tütrabäza: Kompendtum der Langentaber- 
kulose. Wiesbaden 1908. Verlag von J. F. B e r g m a n n. 112 8. Preis: 2 M. 

Das Eompendiam soll „A.erztea and Stndierenden als praktischer Weg¬ 
weiser in dem großen Labyrinth der Langentaberkniosefrago dienen“. Die 
Absicht ist löblich, ihre Darchftihrang im Rahmen des Gebotenen aber nicht 
gelangen. Inhaltlich weist das Eompendiam an recht vielen Stellen, nament¬ 
lich aach hinsichtlich der Diagnose and Therapie, viele and große Lücken aof, 
während sich an anderen Stellen viel üeberflüssiges findet. So wirkt die „sympto¬ 
matische Behandlnng“ darch die aasfiihrlicbc Anfzählnng von Rezepten von der 
^t: Tinct. (^i 20,0 D. 3mal tgl. 15—20 Tropfen; Tinct. Chin. comp., Tinct. 
Ferri pomati ää osw. geradeza lang«veilig. Das Bach hätte kritischer, moderner 
and — in einem besseren Dentsch aasfallcn müssen, wenn es seinen Zweck 
als Wegweiser erfüllen and empfohlen werden soll. 

_ Dr. Roepke-Melsangen. 

Dr. mad. H. HUdebrandt, Privatdozent der Pharmakologie in Halle a/S.: 
Neaere ArBneixnlttel. Leipzig 1907. Akademischo Verlagsanstalt. 
Gr. 8«; 168 S. 

Verfasser legt die Beziehangen zwischen der chemischen Eonstitation 
and der pharmakologischen Wirkung der neueren, synthetisch hergestellten 
Arzneimittel dar. Dos Bach ist für Chemiker, Pharmazeaten and Mediziner 
geschrieben. Chemikern and Pharmazeaten wird es ein besonderes Interesse 
dadurch bieten, daß es eine große Anzahl anderwärts noch nicht publizierter 
Eigen-Beobachtangen über die Wirkung neuer chemischer Verbindungen ent¬ 
hält ; auch der Mediziner, der in Chemie noch sattelfest ist, wird an der Hand 
des Baches einen Einblick gewinnen in die Pharmakologie, soweit sie in streng 
wissenschaftlicher Weise an der Aoffindang neuer Arzneimittel beteiligt ist. 

Hildebrandts Arbeit ist vom pharmakologischen Standpunkte aas 
modern and verdienstlich, insofern sie dom ordinierenden Mediziner aas der 
Synthese des Arzneimittels heraus seine pharmakologische Wirkung zu er¬ 
klären sacht. Diese Erkenntnis ist für den wissenschaftlichen Arzt auch not¬ 
wendig, wenn er das Rezeptschreiben nicht handwerksmäßig betreiben wilL 
Wir möchten daher das Buch warm empfehlen. Dr. Roepke-Melsangen. 


Helene Simon: Schale and Brot. Zweite erweiterte Aaflage. Verlag 
von Leopold Voß in Hamburg, 1908. 

Nicht zam mindesten unter dem starken Eindruck, den die im Vorjahr, 
erschienene Schrift Helene Simons „Schale and Brot“ machte, ist die Frage 
der Unterernährung der Schulkinder nnd der Schnlspeisangen in den Vorder¬ 
grund getreten. Sicherlich sind die Einwände derer, die eine Mindcmng der 
elterlichen Verantwortlichkeit durch die Einführung von Schulspeisungen 
fürchten, keineswegs anbegründet. Wir schleppen ohnedies genug Ballast 
von schwachen, anbrauchbaren Elementen mit, welche die Starken in der Ent¬ 
faltung ihrer Eräfte hindern. Verfechter solcher Ansichten werden besonders 



TsgesnachriclitoiL 


699 


die ncuzageffigton Kapitel interessieren. Im tibrigen kann man der neuen 
Auflage der- interessanten Schrift nur eine ebenso freundliche Aufnahme 
wünschen, wie die erste Auflage gefunden hat. Or. D ohrn>Hannoyer. 


Tagesnachrlchten. 

S. Maj. der Kaiser hat aus sebem Dispositionsfonds der Robert 
Koeh-Stiftnng zur Bekämpfung der Tuberkulose 100000 M. bewilligt. 


Ehrung. Der Kaiser von Japan bat S. Exz. Qeheimrat Prof. Dr. Koch 
in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die medizinische Wissen¬ 
schaft auf dem Gebiete der Bakteriologie gelegentlich seines Besuches in Japan 
eine silberne Schale mit dem KaiserUchen Wappen zum Geschenk gemacht. 
Koch wird ttbrigens als Delegierter der Deutschen Regierung an dem inter¬ 
nationalen Tuberkulose - Kongreß io Washington teilnehmen. 


Am 12. d; H. ist es dem Nestor der preußischen Medizinalbeamten, 
H. Geh. Med.'Rat Dr. Meder in Altenkirchcn (Reg.-Bez. Koblenz) vergönnt 
gewesen, sein äOjähriges Doktorjnbilänm zu feiern. 44 Jahre hat er unter 
den schwierigsten Verhältnissen mit unermüdlicher Pflichttreue seine Tätigkeit 
als Kreisphysikns bez w. Kreisarzt, wie als Landarzt ansgeübt und sich überall 
eines ungewöhnlichen Ansehens und der größten Beliebtheit erfreut, was auch 
durch die zahlreichen Glückwünsche zu seinem Jubiläum in vollstem Maße 
zum Ausdruck kam. Auch der Vorstand dos preußischen Medizinalbeamten¬ 
vereins hat nicht verfehlt, seinem ältesten, jetzt 75 jährigen Mitglicde, der dem 
Vereine von Anfang an angehört hat, die herzlichsten Glückwünsche zu über¬ 
senden. Möge ihm noch manches Jahr in gleicher körperlicher und geistiger 
Frische vergönnt seinf _ _ 

Der diesjährigen Prfifung für den ärztlichen Staatsdienst in Bayern 
haben sich 17 Aerzte unterzogen; 2 erhielten die Note I, 11 die Note II, 
1 die Note Ul; 3 bestanden die Prüfung nicht. Gesuche um Zulassung zur 
PrOfung für den ärztlichen Staatsdienst 1908/09 müssen bis spätestens zum 
80. September d. J. bei der Kreisregierung, Kammer des Innern, eingereicht 
werden, in deren Bezirke sich der augenblickliche Wohnsitz des Gesuohs- 
stellers befindet; vorzulegen sind dabei die Originale des Approbationszeugnisses 
und des Doktordiploma der medizinischen Fakultät einer Gniversität des Deut¬ 
schen Reiches. Ferner ist die Adresse für die seinerzeitige Zustellung des 
Zulassungsdekretes genau anzugeben. Zu spät eingoreichto Gesuche finden 
für das kommende Prüfungsjahr keine Berücksichtigung mehr. 

Den badischen Landständen ist der Entwurf eines Gesetzes^ 
hetreffend die Irrenfärsorge» zugegangen, das sich im wesentlichen mit der 
Unterbringung und Zurückhaltung Geisteskranker ohne oder gegen ihren 
Willen befaßt. Zur Unterbringung des Kranken ohne oder gegen seinen Willen 
in eine Anstalt ist ein amtsärztliches Zeugnis als notwendig vorgesehen, nur 
in dringenden Fällen, wenn es die Heilung des Kranken oder die Vermeidung 
von Gefahren notwendig macht, kann sofortige Aufnahme ohne ein solches er¬ 
folgen. Der Kranke ist dann 24 Stunden nach der Aufnahme vom Bezirksarzt 
zu untersuchen. Zur Unterbringung in eine Privatirrenanstalt kann das bezirks¬ 
ärztliche Attest durch ein Attest eines Arztes der Privatirrenanstalt ersetzt 
werden, sofern dieser dazu vom Ministerium des Innern besonders ermächtigt ist 


Am 27. Juni d. J. hat der Kreistag zu Worms die Einrichtong einer 
Wohnnngsinspektion und Anstellung einer Frau alsWohnungsinspek- 
torin beschlossen, der rund 3400 Wohnungen mit über 7800 Bewohnern 
unterstellt werden sollen. Es ist zu diesem Amte eine Frau gewählt worden, 
weil man sie für besser geeignet hält, da sie als Frau zur Frau sprechend, 



600 


Tagdsnachriobten. 


die Belehrung der Mieter beanstandeter Wohnungen leichter durehfttbren, dch 
bei den Frauen Ittr ihre Batschl&ge leichter GehOr Terachalfein und durch 
rtlhrige Tätigkeit erfolgreicher aur Nachahmung anregen kOnne. Die neue 
Wohnungsinspektion soll aber nicht scharf Vorgehen, sondern in der denkbar 
mildesten Form, durch Belehrung und Aufklärung der Mieter und Eigentümer 
und durch Unterstützung mit Bat und Tat die Wohnungsfürsorge ansüben. 
Die Bewohner sollen auf möglichst schonende Weise zur Ordnung und Bein* 
lichkeit erzogen und gewohnt werden, die einfachsten Gesnndheltaregeln zu 
beachten. 


ln Württemberg ist unter dem 27. Juli d. Js. gleichfalls eine ministerielle 
Verfügung, betreffend den Verkehr mit gebrauchten Verbaiidgtoffen ähnlich 
der preußischen vom 4. Mai d. Js. (siehe Beilage zur Zeitschrift für Hedizinal- 
Beamte, 1900, Nr. 10) erlassen worden. Desgleichen ist Sachsen vor kurier 
Zeit dem Bei^iele Preußens gefolgt. 


Die im Großherzogtnm Hessen durch die Ereisgesundheitsämter an* 
gestellten Erhebungen über die Em&hmngsweise der Erstimpflinge haben 
auch dort die gleichen Besnltate, wie in Bayern gehabt, nämlich di^ in Ge¬ 
bieten mit hoher Säuglingssterblichkeit die künstliche Ernährung vorherrscht, 
in denen mit niederer Säuglingssterblichkeit diejenige durch die Mutterbrust. 


Die Stadt Solingen beabsichtigt für die Zeit vom 18. bis 26. September 
d. Js. eine Ausstellung für Säuglings- und Kinderpflege zu veranstalten. 
Diese soll alle Klassen der Bevölkerung über die Sänglingsernährung, Pflege, 
Wartung und Haltung in Privathäusern und Öffentlichen Anstalten aufklären 
und die Mittel zeigen, wie zur Verminderung der Säuglingssterblichkeit bei- 
getragen werden kann. Sie soll ferner über die wichtigsten Fragen der körper¬ 
lichen und seelischen Aufzucht des Kindes aufklären und so heuen, alle Kraise 
dafür zu gewinnen, ihre geistigen und materiellen Er^te in den Dienst der 
Säuglings- und Einderfürsorge und damit des Volksnachwnchses zu stellen. 
Zur Ausstellung gelangen alle Gegenstände und Produkte, die der Sänglings- 
und Kinderpflege und ^nährung uenen. Es sind nenn Abteilungen vorgesehen. 


In Spanien besteht bekanntlich noch kein Impfzwang und die BevOlko> 
rung verhält sich dem Impfen gegenüber sehr abhold. Der Bürgermeister von 
Madrid ist nun auf einen eigenartigen Eänfall gekommen, um die Pookeu- 
Impfung populärer zu machen. Er rechnet auf die Gewinnsucht und dem 
Spielteufel der Bevölkerung und hat aus städtischen Geldern eine Lotterie ver¬ 
anstaltet, bei der diejenigen Leute, die nachweisen kOnnen, daß sie geimpft 
sind, ein Los umsonst erhalten. 


ln den Vororten von Magdeburg Groß-Ottersleben und Lendsdorf Ist 
am 12. August eine Massenvergiftung durch verdorbenes PSekelflelsch auf« 
getreten. Es bandelte sich dabei hauptsächlich um Fabrikarbeiter, die auf 
dem Wege zur Fabrik von einem Lendsdorfer Schlachter POckelfl^ch zum 
Frühstü(ä eingekauft hatten. Die Erkrankungen, deren Zahl sich auf 800 
belief, waren zum Teil sehr schwerer Natur. Todesfälle sind jedoch noch 
nicht zu verzeichnen gewesen. Proben des Fleisches sind zur genaueren Unter¬ 
suchung an das Beichsgesundheitsamt in Berlin geschickt worden. 


Die Oholera breitet sich in Bußland immer mehr aus. Vom 8. bis 
14. d. Mts. sind in den ergriffenen Bezirken 668 Erkrankungen und 270 Todes¬ 
fälle vorgekommen. Die Stadt Nishniwowgorod ist für cboleragefährlich und 
die Wolga von dieser Stadt ab bis nach Bybinsk für cholerabedroht erklärt 
worden. In Preußen sind deshalb schon die nötigen Vorkehrungen ge¬ 
troffen, um eine Einschleppung der Cholera aus Bußland, namentlich auf dem 



Ta geanachrichten. 


601 


Wasserwege zu veraeides. üm auch die erforderliche Anzahl von Aerzten 
im Bedürlcisfalle zur Verffignng zu haben, sind den BcgiernngspiSsidenten 
dnrch Min.-Eri. vom 10. Angnst ersacht, diejenigen Medizinalbeamten und 
Aerzte, insbesondere kreisärztlich geprüfte, festzustelJeo, die zur Yerwendnng 
im Ueberwachnngsdienst gegen die übliche Entschädigung (reglementmäfiige 
Reisekosten and Tagegelder für Hin* and Rückreise sowie wUrend der Tätig¬ 
keit Tagegelder (20 Mark für onrerheiratete and 24 Mark für verheiratete 
Aerzte) bereit sind. 


Tagesordnung der 80* Tersammlnng Deutscher Naturforscher und 
Aerzte ln C91n a. Rh. vom 20.—26. September d. J* 

Sonntag,den20. September, vormittags: Sitzung des Vorstandes. 
Eröffnung der Ausstellung. Abends 8 Dhr: Begrüßung in der Bttrgergesellschaft. 

Montag, den 21. September, Vormittags Dhr: Erste allgemeine 
Versammlung (Gürzenich): 1. Begrüßungsansprachen. 2. Prof. Dr. Stadler- 
München: Albertas Magnus von COln als Naturforscher und das Cölner Auto¬ 
gramm seiner Tiergeschichte. 3. Major von Parseval-Berlin: Motorballon 
und Fln^aschine. — Nachmittags 3 Ohr: Konstituierung und erste Sitzungen 
der Abteilungen. Abend 7 Uhr: Festessen im Gürzenich. 

Mittwoch, den 23. September, vor- und nachmittags: Sitzungen 
der Abteilungen. Abends 7 Uhr: Festrorstellnng in den städtischen Theatern: 
Opernhaus und Schauspielhaus. 

Donnerstag, den 24. September, vormittags 8V> ühr: Geschäfts- 
sitzung der Gesellschaft. Vormittags: Sitzung der beiden Hauptgruppen 
(Gürzenich). 1. Prof. Dr. Wien er-Leipzig: Die Entwicklung der Farben- 
photographie. 2. Prof. Dr. Doflein -München: Die krankheitserregenden 
Trypanosomen, ihre Bedeutung für Zoologie, Medizin nnd Kolonialpolitik. 
Nachmittags 3—4 Uhr: Einzelsitzung der medizinischen Hanptgrnppe in der 
Aula der Akademie für praktische Medizin im Krankenhause Lindenburg. 
Prof. Dr. Einthoven-Leyden: Ueber das Elektrokardiogramm. Prof. Dr- 
Wright-London: Ueber die Vaccine - Therapie und die Kontrolle der Be¬ 
handlung mittels opsonischen Indexes. Abends 8V2 Uhr: Empfang in den 
Räumen des Gürzenichs, veranstaltet von der Stadtverwaltung. 

, Freitag, den 26. September, vormittags 9’/« Uhr: Zweite all¬ 
gemeine Versammlung. 1. Prof. Dr. Rubner-Berlin: Kraft und Stoff im 
Haushalt des Lebens. 2. Prof. Dr. He im-Zürich: Ueber den Deckenbau der 
Alpen. Prof. Dr. Hasser t-Cöln: Vorläufige Ergebnisse einer landeskundigen 
Forschungsezpedition ins Karner an gebirge nnd nach Nordwest-Kamerun. Nach¬ 
mittags: Besichtigungen oder Sitzungen der Abteilungen. 

Sonnabend, den 26. September: Tagesausfiüge: 1. Rheinfahrt 
nach dem Sieben gebirge, 2. Ausflug nach der Gemünder Talsperre, 3 Ausflug 
nach Bad Neuenahr und ApoUinarisbrunnen (Einladung der Badedirektion). 

Sitzungen der Abteilungen. 

28. Abteilung: Qeriohtllohe Mediuln. (Zugleich Tagung der 
Deutschen Gesellsckaft für gerichslichc Medizin.) Sitzungsranm: Königliche 
Maschinenbauschule. Verpflegnngsstätte: Hotel EwigeLampe. Einführende: 
Reg.- n. Geh. Med.-Rat Dr. Rnsak-Cöln a. Rh. und (leb. Med.-Rat Prof. 
Dr. Ungar- Bonn. Schriftführer: Dr. L 0 h m e r - Cöln a. Rh. und 
Med.-Rat Prof. Dr. Puppe-Königsberg i. Pr. Angemeldete Vorträge: 

1. Plempel-Cöln: Zur Frage des Geitseszustandes der heimlich Gebärenden. 

2. Bockendahl-Kiel und Leppmann-Berlin : Die Hysterie in ihrer Be¬ 
ziehung zur Erwerbsfähigkeit im Sinne der Invalidenversicherung. 3. Pollitz- 
Düsseldorf: Stellung und Aufgabe des Strafanstaltsarztes. 4. Förster - Bonn: 
Forensische Erfahrungen bei Dementia praecox. 5. Liniger-Düsseldorf: 
Arztattest und Lohnauskunft. 6. Kenyeres-Kolocsvar (Ungarn): a) Farbige 
Photographien aus dem Gebiet der gerichtlichen Medizin (mit Projektion), 
b) Kurze Mitteilungen kasuistischer Fälle mit Demonstrationen. 7. C. Ipsen- 
Innsbruck: Zum forensischen Gonokokkennachweis. 8. H. Molitoris-Inns¬ 
bruck: Erfahrungen zur Frage des biologischen Blutnachweises. 9. Kockel- 
Leipzig: Der miikroskopisebe Bau der Vogelfedern nnd seine Bedeutung für 
die Kriminalistik. 10. Fritsch-Bonn: Ueber die Berechtigung zum künst- 



602 SprechsaaL / 

liehen Abort. 11. Ungar^Bonn: Beferat fiber den bentigen Stand der Lehre 
Ton der Magendarmprobe. 12. Lochte-Qöttiogen: Ueber Schoßverletziingen. 
13. Leers'Berlin: BeiträKO sam forensischen Blatnachweis. 14. Marx- 
Berlin: Demonstrationen. 15. P a p p e - Königsberg: Die gerichtsärztliche nnd 
kriminalistische Bedeatong der Zasammensetzong zertrümmerter Schädel vor 
der Haaptrerhandlang. 16. Weidanz-Berlin: Ueber die Technik and Me¬ 
thodik der biologischen EiareiSdifferenzierang. 17. Ziemke-Kiel: Zar Aeti- 
ologie homosexaeller Handlangen. 18. Derselbe; üeber die diagnostische 
Bedeatong der Carotis intima • Baptaron Itt» den Tod darch Strangalation. 

29. Abteilang: Hjglene und Bakteriologie. Sitzangsraam: EgL Ma- 
schinnnbaascbole. Verpflegongsstätte: Eestaaration Bajenbaas. Einführende: 
Dr. Czaplewski-Cöln a. Bh.. Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Finkler-Bonn, 
Prof. Dr. £ rase-Bonn, Geh. San.-Bat Dr. Lent-Cöln a. Bh., Kreisarzt Dr. 
Meder-Cöln a. Bh. and Med.-Bat Dr. Schobert, Kreisarzt in Cöln a. Bh. 
Schriftführer: Dr. Bernbach a.Dr.Göbel in Cölna.Bh. Gemeinschaft¬ 
liche Sitzang mit den Abteilungen 15, 16, 18 a. 22: WoIf-Eisner-Berlin: 
Ueber die Konjanktivalreaktion. Hamburger-Wien: Katan- and Süchreaktion 
mit Taberkalin; für Carl ▼. Pirqaet. Gemeinschaftliche Sitzang mit den 
Abteilungen 19 and 20: Keller-Berlin and Beicher-Wien: Ueber die 
Fürsorge für die anehelichen Kinder. Gemeinschaftliche Sitzang mit den 
Abteilangen 19 a. 22: 1. Finkler-Bonn: Ueber die Mitwirkung der Aerzte 
bei hygienischen Maßregeln. 2. Josef Wimmer- Wien: Ueber rorteilhafte kör¬ 
perliche Erziehang. 8. K. Beicher-Berlin: Ueber Lipolyse and Immanität. 
4. Kronfeld-Wien: Wohnangslage and Infektionskrankheiten. 5. Praos- 
nitz-Graz: Die Bearteilang von Wassefversorgen mit natürlicher Fil¬ 
tration. 6. Kruse and Bürgers-Bonn: Ueber Angriffsstoffe (Aggressine). 

7. Krase und Bürgers-Bonn: Grandlagen der natürlichen Immanität. 

8. Selter-Bonn: Ueber Genickstarre-Kokkenträger. 9. Lob'mer-Cöln: 
Ueber Typhus in den letzten Jahren in Cöln. 10. Gustav Muskat-Berlin: 
Probleme der Körperentwicklang. 11. Frau Lydia B ab in o witsch-Berlin: 
Zar Frage der Milch-Streptokokken. 12. Schrammen-Cöln: Hygienische 
Anforderungen an Flaßbadeanstalten. 13. W. Han.aaer-Frankfurt a. M.: 
Die Säuglingssterblichkeit in Frankfurt a. M. 14. E. Kindberg-^nn: 
Ueber eine neue Farbenreaktion zum Nachweise des Typhasbacillos und ver¬ 
wandte Arten und Plattenanstrich. 15. B. Nied er st ad t-Hamburg: Die 
Untersuchang von Wässern und des Eibwassers bei Hamborg. 


SpreohsaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. H. ln 6.: Darf ein Apotheker einen 
Drogisten mit kaufmännischer Tätigkeit, Ordnung machen nsw. bescbäftigenP 
Ist ein solcher als Personal im Sinne des § 48 der Apotheken-Betriebsordnang 
anzusehen und bei dem Kreisarzt anzameldenf 

Antwort: Nach dem Min.-Bescheid vom 30. Januar 1900 ,ist zwar das 
Halten von Drogisten in einer Apotheke oder in der mit einer solchen in dem 
gleichen Baam verbundenen Drogenabgabe anzalässig". Wenn dieser jedoch 
nur mit einer rein kaufmännischen Tätigkeit beschäftigt wird, so dürften seiner 
Verwendung keine Bedenken entgegen.stehcn, vorausgesetzt, daß jede Ver¬ 
wendung als pharmazeutisches Hilfspersonal aasgeschlossen bleibt. Unter 
dieser Voraassetzung ist z. B. durch Min.-Erlaß vom 9. April 1894 die An¬ 
stellung eines besonderen Kassierers gestattet. Das „Ordnung machen* in 
einer Apotheke gehört dagegen, soweit es nicht unter „Beinmachen* usw. 
fällt, zu der dem pharmazeutischen Hilfspersonal obliegenden Tätigkeit und 
darf demnach einem Drogisten nicht übertragen werden. Nur das pharma- 
zeatische Personal ist nach § 48 der Apothekenordnang anmeldepflichtig; wird 
also ein Drogist außerhalb des eigentlichen Apothekenbetriebes (Handverkaaf, 
Bezeptar, Defektar usw.) mit rein kaafmännischen Arbeiten beschäftigt, so 
ist er nicht anmeldepflichtig. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. H. ln H.: Ist die Ankflndigong als 
ärztlich geprüfte Massöse* zulässig, auch wenn die betreffende Penon von 



Tagesordn. der XX7. Haaptrersammlong des Freaß. Med.* Beamten-Vereins. 603 

einer anderen Massöse einige Handgriffe erlernt nnd vor einem beliebigen Arzt 
eine Prüfung bestanden hatP 

Antwort: Ja! Nor die Bezeicbanng „staatlich geprüfte MassOse* 
kann verboten werden. 


XIV. HaDptTersammlnng 

des 

Preussischen Medizinalbeamten-Vereins 

m feier des 25 jährigen Bestehens des Vereins 

verbanden mit der 

diesjälirigeii Rauptversammlniig 

des 

Deutschen Medizinalbeamten' Vereins. 


am 

Diensiag, dea ll Septenibfr and littvoeli, doa li Septeiaber 111$ 


in Berlin. 

im Preussischen Abgeordnetenhause 

Prioz Älbrechtstraße. 


Tagesordnung. 

Montag, den 28. September: 

8 Uhr abends: Qeaelllge Vereinigung zur BegrQesung (mit Damen) 
im Bestaarationsraume des Preabischen Abgeoidnctenbanses. 

Dienstag, den 29. September: 

10 Uhr TOzmlttaga: Fest-Sitzung im Feetsaale des Preueeiechen 
Abgeordnetenhauses ') (Prinz Albrecbtstrabe). 

Für die Damen der Teilnehmer sind Plätze freigebalten. 

1. ErSffnnng der Yersanunlang nnd BegrUssnng. Ueberweisong des 
Stlftnogsfonds. 

2. Hesebftfts- nnd Kassenberloht; Wahl der Kassenrevlsoren. 

8. Ueber die hygienische Kontrolle der zentralen Wasserleitungen« 
Befercnt: E. Oeh. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge, Direktor des 
hygienischen üniversitätsinstitnts in Breslan. 

4. TorlSaflger Entwurf des Belchsgesetzes, betreffend die Ans- 
Übung der Heilkunde dnreh nicht approbierte Personen nnd den 
Cteheimmittelverkebr. Referent: H.Reg.- n. Med.-Rat Dr.Dütschke 
in Erfurt. 

6 Uhr nachmittags: Pastessen mit Damen im Hotel „Prinz Albrecht“ 
(Prinz Älbrechtstraße Nr. 9).*) 

0 Uhr abends: Qoselllga Vereinigung im „W eihenstepban", Friedrich¬ 
straße 176/177. 


*) Anng für Festsltsiug und Festessen: Frack and weiße Binde. 




604 Tagesoidn. der XXV. Hauptversammliuig des Preoß. Hed.-Beamten •Vereins. 

IKittwooh, den 30. September: 

9V* nbr Tormlttaga: Zweite Sitzung. 

1. Der gegenwärtige Stand nnd Wert der Krlmlnalantliropologle. 
(Mit Demonstrationen). Beferent: H. Gerichtsarzt nnd Priratdozent 
Dr. Strauch in Berlin. 

2. Die Psychologie der Anssage* Beferent: H. Prof. Dr. Lochte, 
Direktor des gerichtsärztlichen Instituts und Kreisarzt in GSttingen. 

8. Vorstandswahl; Bericht der KassenreTisoren. 

4. Hedttlnalbeamter nnd ärztliche PrlTatpraxia. Beferent: H. Kreis¬ 
arzt Dr. Gutknecht in Belgard. 

Nach Sohluas der Sitaong (gegen 8 Dlir naohmittaga): Qemein-^ 
eohaftllehes zwangloses Essen mit Damen im Zoologischen 
Garten. 

Abends: Besuch der KSnIgllohen Theater; nach Schluß: Qeselliga 
Vereinigung. *) 

Der Vorstand des Preussischen und Deutschen Medizinalbeamten-Vereins. 

Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender. 

Be;.* nnd Oe.h Hed.-Ret in Minden. 


2) Das Nähere wird am Sitzungstage bekannt gegeben werden. 


Entsprechend dem Beschluß der letzten Hauptyersammlung hat der Vor¬ 
stand zur Feier des 25 j ährigen Vereins-Jubiläums die Herausgabe einer 


veranlaßt, die, wie das in Nr. 14 dieser Zeitschrift (S. 527) aufgefährte Inhalts¬ 
verzeichnis zeigt, nicht nur eine kurze Geschichte des Vereins und einen 
üeberblick über dessen Tätigkeit, sondern auch eine Schilderung der Ent¬ 
wicklung des preußischen Medizinal- und Gesundheitswesens, sowie der ffir 
die Medizinalbeamten hauptsächlich in Betracht kommenden Gebiete der Hy¬ 
giene (einscbl. der Bakteriologie), der gerichtlichen Medizin nnd Psychiatrie 
innerhalb der letzten lünfundzwanzig Jahre in kurzen, für sich abgefaßten 
Abhandlungen bringen wird. Bei ihrer Ausarbeitung sind ausschließlich Mit¬ 
glieder des Vereins beteiligt gewesen, denen dalUr ein besonderer Dank des 
Vereins gebührt. Die Festschrift wird mindestens 40 Druckbogen um¬ 
fassen; ihr Preis ist für die Mitglieder des Preußischen und Deutschen Vereins 
auf 8 Mark (gebunden) festgesetzt; im Buchhandel wird der Preis später 
16 Mark betragen. Die Festsetzung eines so niedrigen Preises für die Vereins¬ 
mitglieder war nur in der sicheren Voraussetzung mOglich, daß wenigstens 
jedes Mitglied des Preußischen Mcdizinalbeamtenvcreins ein Exemplar bestellen 
wird; der Vorstand hofft jedoch, daß auch die übrigen Mitglieder des Deut¬ 
schen Medizinalbeamtenvereins dasselbe tun worden. Jedenfalls ist bei Be¬ 
messung der Hübe der Auflage darauf Bücksicht genommen. 

Bestellungen nimmt schon jetzt die Expedition der Zeitschrift, Hof- 
buchdmekerei von J. C. C. Bruns in Minden i. W., entgegen. 

Minden, den 15. Juli 1908. 

Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins. 

Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender, 

Re;.- Q. Geh. Med«-Rfti ln MlBden« 


1^ 


Verantwortl.Bedaktenr: Dr.Bapmnnd, Beg.-n. Geh. Med.-Sat inlOndeni. W. 
J. C O. Bmaa, HarsogL Stcha xl F. ScIl-I. Hoftonehdraekar«! in im-irn 




2 L Jahrg. 


1908 . 


Zeitschrift 

fttr 

MEDIZIN^BEAMTE. 

ZMrtralMatt für du gaunti BenndlMitnnsm, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

HeransgegebeB 

▼Oll 

Dr. OTTO RAPHÜND, 

Eogleruif»* und Gtb. Modlxtiialr«l In Mlndoo i. W« 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Württembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fiseher s medix. Buehhandlg., H. Kornfeld, 

BmotfL Bivar. Hoa- v. BtsbanogL Sammer-BBaiiilaaiT. 

Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

iBseraie nohmea die YerUfthaiidlluBg sowie aUe AnDoneeii-lBxpedilloiien dies In- 

ttnd Auslandes entgegen« 











606 Dr.Bosenb&um: Auffälliger Sektioosbeiond bei Selbstmord durch Schufi nsw. 


ist bis auf einen 6 Markstück großen Best der Herzspitze oberflächlich zerfetzt. 
Die Fingerkuppe dringt an manchen Stellen bis zu 1 cm in die Tiefe, jedoch 
nur an einer Stelle und zwar schräg nach rechts bis in das Herziunere und 
zwar in die rechte Herzkammer. Domentsprccheod findet sich an der linken 
Wand der Innenfläche der rechten Herzkammer, 1 cm unterhalb der Klappen 
eine 1 cm große, runde, etwas zerfetzte Oeffnung, die zu der zertrümmerten 
linken Herzoberfiäche führt. Die linke Herzkammer, die Vorkammer und 
sämtliche Klappen sind unverletzt. Die Muskulatur fühlt sich derb an, ist 
rechts 1 cm, links 2 cm stark. 

Die Zertrümmerung der Herzoberfläche reicht bis an die Eintrittstelle 
der großen Gefäße. 

Der Befand ist meines Erachtens folgendermaßen zustande 
gekommen: 

Der Holzpfropf der Platzpatrone, der bekanntlich hohl und 
sehr dünnwandig ist, hat die Haut glatt durchschlagen, ist bis in 
die Mnsknlator der Brost gedrungen und hat sich dort vollständig 
zersplittert. Die übrigen Veränderungen sind lediglich durch den 
Gasdruck entstanden. Die Durchstanzung der Brustwand nnd die 
Zerreißung des linken oberen Lungenlappens erklären sich hier¬ 
durch zwanglos. Daß nur das Gas und nicht andere Teile der 
Patrone diese Verletzungen bewirkt haben können, geht daraus 
hervor, daß unter der Oeffnung in der Brustwand sich der unver¬ 
letzte Herzbeutel befand. Feste Teile wären unbedingt in ihn 
eingedrungen (ein Wasserschnß ist durch die Anamnese aus¬ 
geschlossen). 

Vor allem bemerkenswert ist jedoch die eigenartige 
Verletzung des Herzens bei unversehrtem Herzbeu^, 
denn die kleine oberflächliche Abschürfung ist nicht zu rechnen. 
Das Loch in der rechten Herzkammer erlUäre ich mir folgender¬ 
maßen: 

Durch den überaus heftigen Stoß, der den Herzbeutel ge¬ 
troffen, hat derselbe nachgegeben, das mit Blut prall gefüllte 
Herz ist dagegen rupturiert, genau wie ein Stück Eis in einem 
Tuch durch einen Schlag zertrümmert wird, das Tuch jedoch un¬ 
versehrt bleibt. 

Schwieriger ist die oberflächliche Zertrünunerung der Vorder¬ 
seite des linken Herzens ohne Herzbeutelverletzung und ohne 
gleichzeitige Buptur der linken Kammer zu verstehen. Gewiß 
kann bei der sehr heftigen Gewaltwirkung die Ifuskelmasse 
oberflächlich zertrümmert werden, während der mehr elastische 
Herzbeutel ganz bleibt; unverständlich bleibt dann jedoch, daß 
bei der so heftigen Einwirkung nicht auch Buptur der linken 
Kammer eintrat, die doch in erster Linie durch den Stoß getroffen 
wurde, während die rechte mehr abgewandte und nur indirekt 
getroffene Kammer zerrissen ist. Gegen die nahe liegende Annahme, 
daß allein die dünnere Wandung des rechten Ventrikels die Ursache 
sei, spricht der Verlauf der Buptur, die schräg nach links und 
vorn durch die Wand des linken Ventrikels geht. Eher ver¬ 
ständlich wäre der ganze Vorgang, wenn man annimmt, daß im 
Augenblick des Schusses der rechte Ventrikel noch voll, der 
linke leer gewesen wäre, was aber der bisher gütigen Anschauung, 
daß die Systole beider Kammern gleichzeitig erfolgt, widerspricht. 



Dr. Liedig: Zur Eenotnia der kongenitalen Hantdefekte new. 


607 


Zur Kenntnis der kongenitalen Hautdefekte am Kopfe des 

Neugeborenen. 

Voa Kreisarzt Dr. Liedig in Lingen. 

Die VeFÖffentlichnng von Keller in der Vierteljahrsschrift 
für gerichtliche Medizin (3. F. XXXV. H. 2), über die in Nr. 15 
d. Z. S. 547 referiert ist, möchte ich durch einen weiteren Fall 
ergänzen, den ich ans diesem Gmnde 8 Monate post partnm nodi- 
mais aufgesncht habe. 

Anfang Dezember y. J. wurde ich zu einer verheirateten MehrgebSrenden 
auf dem Lande gerufen wegen Oedem der Beine und besonders der Labien, 
das seit der am frühen Morgen erfolgten Qebnrt anfgetreten war. Die 
Frau sollte im Frühjahr an Nierenentzündung gelitten haben; meine Be¬ 
obachtung im weiteren Verlauf ließ diese Annahme zu, wenn auch das schnelle 
Zurückgehen der schweren Harnveränderang — äußerst wenig, dick, faserig, 
viel Harnsäure und Eiweiß — für Schwangerschaftsniere sprach; denn seit 
Monaten hat die Frau gesunde Nieren bei nicht gerade zweckmäßigem Ver¬ 
halten; hielt sie doch nach 10 Tagen weitere Bettruhe usw., sowie ärztliche 
Kontrolle für unnOtig. 

Ich erwähne den Zustand der Mutter wegen der Frage der AeÜologie 
des Befundes am Kinde. Dieses war völlig normal bis auf eine kreisrunde, 
etwa 6 mm im Durchmesser haltende Stelle gerade auf dem 
WirbeL Die normale, behaarte Haut bildete einen etwa 1 mm breiten, 
sich gleichmäßig erhebenden Wall, der völlig glatt und 
reaktionslos war und sich scharf absetzte gegen die wenig 
vertiefte Stelle, auf der kleine Unebenheiten wie frische 
Granulationen sichtbar waren. Sie waren mattrot, bluteten nicht bei 
Ueberstreichen, Haare fehlten. Am Knochen war nichts Abnormes zu fühlen. 

Das Kind war geboren vor Eintreffen der Hebamme; eine 
Nachbarin war behilflich gewesen. Innere üntersnchong, Be- 
rflhmng mit Fingernagel oder sonstigem Gegenstand worden ver¬ 
neint. Die Hebamme fand kein Blnt, keine Ernste. Nach Sach¬ 
lage und Befand war die Entstehung in utero nicht zweifelhaft; 
der Befund allein hätte auch bei verdächtigen äußeren Umständen 
nicht gut eine Entstehung intra oder post partum zagelassen, 
wenn auch der Vergleich sich sofort aufdrängte: wie mit einem 
Locheisen aasgestanzt. Die Stelle blieb während meiner Beobach¬ 
tung anverändert (wurde mit Borsalbe bedeckt). Nach einigen 
Wochen soll sie überhäutet gewesen sein. Jetzt ist die kreis¬ 
runde Form verschwanden; die haarlose, weiße, leicht glänzende, 
gegen den Knochen gut verschiebliche Hautstelle mißt ca. 
1,5 cm; von Wall oder Narbenrand ist nichts zu sehen. 


Zur Frage der Gesundheiteechädlichkeit zinkhaltiger 

SaughUtchen. 

Von Dr. med. Biehard Hndlleh, prakt. Arzt in Wdmar, staatsärztUch 

approbiert. 

Der § 2 Abs. 1 des Beichsgesetzes vom 25. Juni 1887, 
betr. den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Giegenständen 
(B.-G.-B1. S. 173) lautet: 

„Zar Hersteliung von Mundstücken für Sangflaschen, Saugringen und 
Warzenhtttchen darf blei- oder ziokhaliiger Kautschuk nicht verwendet sein.“ 



608 


Dr. Richard Hadlich. 


Es ist dies zweifellos ein durchaus berechtigrtes Verbot; das 
Mißliche bei der Sache ist nnr das, daß seine Umgehung: sehr 
leicht nnentdeckt bleiben kann. Denn, falls Gesnndheita- 
Schädigungen eintreten, werden diese gewöhnlich Erscheinungen 
machen, &e die Speziflzität des Erankheitsbildes nicht ohne 
weiteres erkennen lassen, und wenn dem Arzt wirklich bei einem 
an Verdauungsstörungen leidenden Säugling der Verdacht einer 
Blei* oder Zinkyergiftung aufisteigen sollte, so ist der Nachweis 
doch nnr unter gewissen Umständen möglich, sodaß er deshalb 
wohl meist unterbleiben wird. 

Um so mehr nehme ich Veranlassung, Ton einem hierher 
gehörigen Fall Mitteilung zu machen, in dem ich mich berechtigt 
glaube, eine Zinkvergiftng anzunehmen. 

Anfang Januar d. J. wurde ich zu einem 6 Monate altem Kinde ge* 
rufen, das nach angeblich zunächst normaler Entwicklung seit etwa 4—5 
Wochen im Ernährungszustände erheblich zurttckgegangen war, nicht mehr den 
frttheren Appetit zeigte, meist ziemlich hartleibig war und vor allem Tag und 
Nacht fast unausgesetzt schrie. Es waren schon 2 Aerzte zu Rate 
gezogen worden, ohne daß eine Besserung eingetreten wäre. 

Ich fand ein hochgradig atrophisches Kind mit geradezu greisenhaften 
Zttgen. Leib stark gespannt und bei Berührung offenbar schmerzend. Puls 
kl^ und beschleunigt, Temperatur normaL Lunge, Mund und Rachen* 
hohle ohne krankhaften Befund, ebenso die Extremitäten (kein Barlowl). 

Ich war zunächst darauf bedacht, die Verdauungstätigkeit zu regeln; 
auf die üblichen Kalomeldosen trat auch eine gewisse Erleichterung ein. 
Doch nnr vorübergehend. Schon nach wenigen Tagen waren die Eltern ge* 
nOtigt, wieder zu klystieren, wie seit Wochen, wenn auch auf den verordneten 
Nahrungswechsel (Mufflers Kindernahrung) die Verdauung etwas besser von 
statten ging. Ich verordnete daher noch Mannasaft, reine Butter, Pankreon* 
Zucker, aber wenn schließlich auch die Hartleibigkeit sich besserte, das 
Schreien wollte nicht aufhOren. Das machte mich dann doch stutzig; ich be¬ 
mühte mich, eine Erklärung für die Koliken, die doch wohl vorliegen mußt^ 
zu finden. Da der Vater iQs Maler arbeitete, dachte ich schließlich an eine 
Bleivergiftung, etwa dadurch, daß er dem ^nd mit unsauberen Fingern in 
den Mund gekommen war; doch ließ sich darüber nichts sicheres eruieren. 
Schließlich fiel es mir aber auf, daß das Kind — zur Beruhigung natürlich — 
stets einen „Nuckel“ im Munde stecken hatte, und zwar eines der gewöhn¬ 
lichen Gummisaughütchen, mit einem Kork verschlossen. Ich ließ mir mehrere 
der in der letzten Zeit gebrauchten und noch nicht fortgeworfenen Exemplare 
geben und beantragte auf der Polizei die chemische Untersuchung. Diese 
wurde dann auch von dem Nahrungsmitteluntersuchungsamt in Jena (Prof. 
Dr. Matth es) ausgeführt und dabei, wenn auch kein Blei, so doch Zink 
gefunden. Daraufhin erhielt der schuldige Drogist ein Strafmandat von 
ca. 20 M. Die Saughütchen — es waren solche aus rotem Gummi — wurden 

B " ilich beschlagnahmt. Zugleich wurden auf meine Veranlassung hin 
orschungen an den übrigen Verkaufsstellen angestellt 
Schon ehe mir das Untersuchnngsergebnis bekannt geworden war, hatte 
ich natürlich der Mutter auf alle Fälle verboten, dem Kinde wieder den 
Nuckel zu geben. Es stellte sich jetzt alsbald eine fortschreitende Besserung 
ein: das Schreien hOrte auf, und das Kind fing wieder an znzunehmen. In 
der Woche nach Verbot des Nuckels konnte ich meine Besuche einstellen. 
Zwar hatte die Mutter in der bekannten nachlässigen Art und Weise solcher 
Leute inzwischen doch Öfters mal wieder den Nuckel gegeben, aber es waren 
der Aussage des Drogisten nach sicher unschädliche, ans schwarzem Gummi. 
Sie haben dem Kind dann auch weiter nicht geschadet; denn als ich nach 
Monaten mal wieder hingemfen wurde — es handelte sich um eine leichte 
Bronchitis — war es rund und dick geworden, hatte auch nie wieder der¬ 
artige Ersdieinungen gezeigt, wie früher. 



Zar Frage der GeeandheitssdiidUehkeit zbkbaltiger Saagbfltebeo. 600 

leh halte mich auf Gmnd des Sachverhalts fOr berechtiget, 
im vorliegenden Fall eine Zinkvergiftneg anznnehmen. Ohne 
Zweifel sind die beobachteten klinischen Symptome geeignet, diese 
Annahme zn rechtfertigen: zunehmende Abmagernng, Schwäche, 
Appetitlosigkeit, Verdannngsstörnngen, besonders in Gestalt heftiger 
Leibschmerzen, anf deren Vorhandensein das unausgesetzte Schreimi 
des Kindes schließen ließ, das sich beim Betasten der straff 
geq>annten Banchdecken noch wesentlich steigerte. 

Weiterhin stützt die Diagnose vor allen Dingen natürlich 
der Nachweis des Zinks in den Sanghütchen und schließlich die 
sofortige Bessernng nach Weglassen derselben — in der Hanpi- 
Sache also Diagnose ex jnvantibns I Leider habe ich die Faeces nicht 
anf Zinkgebalt untersuchen lassen. 

Nehmen wir also die Richtigkeit der Diagnose an, so fragt 
sich, wie man sich das Zustandekommen solcher Zinkvergiftnng 
im einzelnen zn denken hat. Einige Fingerzeige ergeben sich 
ans der leider nur sehr spärlich vorhandenen Literatur über dies 
Thema. In der „Zeitschrift für die Staatsarzneiknnde* von 1861 
findet sich die älteste mir bekannt gewordene Arbeit von Prof. Dr. 
Sonnenkalb, Stadtbezirksarzt in Leipzig: „über vulkanisierte 
Warzenhütchen und Sangstöpsel ans Kautschuk.* Die „Monats- 
schritt für exakte Forschung auf dem Gebiete der Sanitätspolizei* 
bringt 1862 zwei weitere kleine Arbeiten von Dr. Eulenberg: 
„Die Kautschnck-Saughütchen betreffend* und „Ueber Zinkgehalt 
des vulkanisierten Kautschuks.* Beide Autoren kommen zu ent¬ 
gegengesetzten Ergebnissen: ' 

Sonnenkalb experimentierte, indem er in kleine Stücke 
geschnittene, zinkhaltige Warzenhütchen und Sangstöpsel: 
1. 24 Stunden in warmem Wasser liegen ließ und fieißig nm- 
rührte, 2. mit verdünnter HCl, 3. mit Milch in einer flachen 
Schale, 4. mit Wasser, dem Magensaft zugesetzt war, behandelte. 
Da sich bei sämtlichen 4 Proben im Filtrat kein Zink nach- 
weisen ließ, glaubte Sonnenkalb, daß das Zinkoxyd mit dem 
Gummi unlöslich verbanden sei und daher eine Gesundheitsschäd- 
lichkeit der Saughütchen nicht angenommen werden dürfe. 

Eulenberg dagegen gibt an, schon vor Sonnenkalb zu 
einem anderen Resultate gelangt zu sein. Er legte die Proben in 
schwach ammoniakalische Lösung 2 mal 24 Standen lang, bei 
gleichzeitiger Digestionswärme, und konnte deutliche Reaktion anf 
Zink-, bezw. Bleioxyd nachweisen, ebenso in sauren Lösungen 
n Teil Salz- und 2 Teile Milchsäure). Allerdings trat die 
Reaktion nicht immer gleichmäßig deutlich auf, was er sich damit 
erklärte, daß die metallischen Bestandteile verschieden stark von 
dem Kautschuk umhüllt sind. Aber selbst wenn man die Wirkung 
des alkalischen Speichels oder der Milchsäure nicht anerkennen 
will, bleibt noch die Möglichkeit, daß die Saughütchen nach und 
nach mechanisch abgerieben werden und so die Vergiftung ent¬ 
steht. Eulenberg gibt gleichzeitig als Erkennungszeichen der 
verfälschten Saughütchen an, daß sie in Wasser geworfen unter- 
sinken, während der Apotheker Hirsch in Grünberg in demselben 




eio 


Dt. Bieliard Hadlicli. 


Bande der genannten Monatsschrift anf Qmnd seiner Unter- 
snchnngen mitteilt, daß dies Merkmal dnrchans nnzayerlässig sei 
Er fand bei zinkhaltigem Gummi ein spez. Gev. von 0,989 bis 
1,0859, bei zinkfreiem meist unter 1,0, aber doch auch bis zu 
1,0676, sodaß das üntersinken nichts beweist. Auch kann die 
Schwimmfähigkeit des Gummis durch eingescblossene Lnftbläs- 
chen verursacht sein. 

In der zweiten oben genannten Arbeit von Eulenberg 
werden die üntersuchungsergebnisse von 3 Sorten Saughfitchen 
mitgeteilt: 

In der 1. Sorte — gelblich* weiß, hart, wenig elastisch, rissig — fanden 
sich 20,85 <*/o Zinhoxyd, 4,98**/, Ideeelsaare Tonerde, Sporen Ton Eisen- and 
Manganoxyd and Kalk. Die 2. Sorte — mehr gelblich • weiß und granblaa — 
enthielt 19,65 **/, Zinkoxyd, 14,43 % Barytoollat, 8,32 **/, Kalkerdesolfat. Die 
8. Sorte war elastischer, mehr bläolicfa, weicher; sie zei^e sich frei Ton frem¬ 
den Beimischangen. 

Weiterhin berichtet Prof, von Patruban in Nr. 11 der 
„Oesterr. Zeitschr. f. prakt. Heilkunde* vom Jahre 1861 über die 
üntersuchungsergebnisse von Prof. Bapsky. Er selbst gibt an, 
sich „zinkhaltiger Sanghtttchen ohne Nachteil bedient* zu haben. 

Leider beschränkt sich meine literarische Ausbeute auf 
dieses Wenige. In den bekannten Nachschlagewerken (Yirchow- 
Hirsch, Schmidt) istgamichts zu finden. In den 60er Jahren 
mttssen aber doch öfters VeröfTentlichungen Aber das Thema er¬ 
schienen sein, da es in einem der obengenannten Aufsätze heißt: 
„Der Gegenstand wird jetzt viel besprochen.* Es wfirde sich 
vielleicht verlohnen, darttber noch weitere Nachforschnogen anzu- 
stellen, doch muß ich das anderen Kollegen Aberlassen, denen die 
betr. Zeitschriften etc. leichter zugänglich sind, als mir hier in 
Weimar. 

Jedenfalls existieren neuere einschlägige Arbeiten bestimmt 
nicht. Außer meinen vergeblichen Nachforschungen dArfte dafAr 
wohl der Umstand sprechen, daß mir anf spezielle Anfrage bei 
Prof. Dr. Straßmann nur die ausgefilhrten älteren yeröffentlichnn- 
gen genannt werden konnten. 

Nur eine Arbeit muß ich noch erwähnen, die sich zwar mit 
den SanghAtchen Aberhaupt nicht befaßt, aber doch hierher ge¬ 
hört. Es ist eine kleine Studie des bekannten WArzburger 
Hygienikers K. B. Lehmann,*) in der auf Grund des negativen 
Obduktionsbefunds bei einer */, jährigen Dogge, die 11 Monate 
lang mit Zinkkarbonat gef Attert war, die Gesundheitsschädlichkeit 
des Zinks erheblich angezweifelt wird. Das Tier erhielt durdi- 
schnittlich täglich 464 mg Zink in Form des nicht ätzenden 
Karbonats, ohne daß sich irgendwelche schädliche Wirkung ge¬ 
zeigt hätte, bei Lebzeiten des Tieres ebensowenig wie bei der 
Sektion. Wenn Verfasser auch sagt: „Ich enthalte mich weit¬ 
gehender SchlAsse aus diesen wenigen Versuchen,* so fährt er 
doch gleich darauf fort: 


') Einige Beiträge zar Bestimmung and hygienischen Bedeatang des 
Zinks. Archiv für Hygiene; Bd. XXVIII, Hefe 4, 8. 291, 1897. 



Zttr Frage der OesnodheiteaehSdlichkeit ziakhaltiger Sanghfltchen. 611 

„Mil haben diese Versuche geaeigt, daß .... sogenannte akute Zink- 
vergiftuogen des Haushalts .... höchstwahrscheinlich Ptomain« resp. sonstige 
Vergiftuoeen, aber keine Metallvergiftungen sind;* und weiter: „Eine chronische 
i^kvergiftang im Sinne einer Allgemeinschädigung des KOrpers konnte ich 
trota der großen Dosen also nicht beobachten.“ 

Lehmann trägt demzufolge keine Bedenken, ohne weiteres 
seine praktischen Folgemngen zn ziehen, nnd spricht sich Ober 
seine Stellnngnahme zum Zinkgehalt der Nahrungsmittel, z. B. 
der amerikanischen Ringäpfel, dahin ans, daß „ihr — oft recht 
hoher — Zinkgehalt in der l^gel oder fast ausnahmslos weder 
akut noch chronisch schädlich sei.* Wenn er auch, wie gesagt, 
die zinkhaltigen Saughtttchen unbesprochen läßt, so ist doch 
selbstverständlich, daß er sie ebensowenig als gesundheitsschäd¬ 
lich ansehen wird, wie die zinkhaltigen Ringäpfel. Es ist aber 
mindestens sehr zweifelhalit, ob es richtig sein wird, auf die 
Lehmann ’schen Versuche aÜzuviel zu geben. Sie beweisen doch 
zunächst weiter nichts, als daß dem Hnndemagen selbst große 
Mengen Zinkkarbonats nichts schaden. Es ist aber bedenklich, 
das, was fftr den Hund seine Richtigkeit haben mag, ohne 
weiteres auf den Menschen zn übertragen; wissen wir doch, daß 
manche Tiere völlig unempfindlich gegen Gifte sind, die den 
Menschen töten können. Und zudem ist der Verdanungsapparat 
eines zarten Säuglings doch gewiß wesentlich empfindlicher als 
der knochenverdanende Magen einer VsjfihniTOii Dogge. 

Möglicherweise erklären sich Lehmanns Resultate auch 
dadurch, daß er das schwerlösliehe Zinkkarbonat verwandt hat; 
er tat es deshalb, weil es ihm darum zu tun war, „etwaige 
Allgemeinwirkungen des Zinks zu entdecken*. An der Beob¬ 
achtung der Aetzwirkung der leicht löslichen Zinksalze war ihm 
nichts gelegen. Ich weiß aber nicht, ob nicht gerade die feste 
Bindung des Zinks als kohlensaures Salz eine Wirkung des 
Metalls auf den Organismus unmöglich macht, daß eine Metall- 
Vergiftung ansbleibt, trotz der „recht ansehnlichen Resorption*, 
der längere Zeit eingeführte, schwer lösliche, nicht ätzende Zink¬ 
salze unterliegen. Jedenfalls scheinen mir die Lehmann’schen 
Versuche doch nachgeprttft werden zu müssen und zwar zunächst 
einmal bei ganz jungen Hunden, Katzen und anderen Tieren, 
dann aber auch mit Verwendung von Zink in den Formen, die 
für unsere Betrachtungen von Interesse sind, vor allem von Zink¬ 
oxyd, das sich sehr wohl dem Futter beimischen läßt. Wie wir 
gleich sehen werden, kann man dabei doch noch zu anderen Er¬ 
gebnissen kommen. Aber selbst, wenn diese gleichfalls in nega¬ 
tivem Sinne ansfallen sollten, möchte ich entsprechend dem Oben¬ 
gesagten, noch nicht ohne weiteres die Nutzanwendung auf den 
Menschen als zulässig erachten. 

Wie groß die Dosis toxica des Zinks ist, ist immerhin 
nicht leicht zu sagen, besonders bei solchen Fällen chronischer 
Zink Vergiftung. Lewin hält Dosen von 0,05—0,1 g pro Liter 
bei chronischer Zufuhr für schädlich. Die chronische Vergiftung 
mit Zink schildert er als allgemeine Ernährungsstörung mit Er¬ 
brechen, Schwäche, Abmagerung, teilweisem Verlust der Sensibilität, 



612 


Dr. Fertig. 


Albominiirie nnd G^lykosiuie) ZentSrong' roter und Zunahme weißer 
Blntkörperchen. Pathologisch-anatomisch fitnd sich nach seiner 
Angabe nach 10—15 Tagen bei Händen, die chronische Zink- 
o:^dyergiftang hatten: Anämie und Yerfettnng in Leber, Nieren 
nnd Pankreas, Schwellnng und Desorganisation des Epithels der 
Glallengänge, Verändernngen am Zentralnervensystem (c. f. Leh- 
mannl). 

Der Zweck des Zink- wie auch des Bleiznsatzes ist, ab¬ 
gesehen von der betrügerischen Absicht, das Gewicht za erhüben, 
der, die Elastizität za vermindern, um dem Gummi mehr Härte 
and Widerstandsfähigkeit gegen Temperatareinflflsse za verleihen. 
Früher nahm man za dem Zweck Schwefelblamen mit and ohne 
Magnesia, Ealk, Ereide, kohlen- and Schwefelsäure Magnesia, 
Asphalt, Gommilack osw. Seit 1852 kam dann unterschweflig- 
saares Zink, bezw. Blei zur Verwendung; danach fand man es 
als das zweckmäßigste, weil billigere Verfahren, dem Eaatsehak 
einfach nur Zinkoxyd zazosetzen, and zwar fanden sich bei einer 
Analyse 44,7 Zn and 3,8 CaS. 

Zam Nachweis des Zinks in Faeces, Urin oder inneren 
Organen werden die Proben mit Salzsäure und Ealiumchlorat 
versetzt behufs Zerstörung der organischen Substanz, das freie Chlor 
and die Säure durch Erwärmen verjagt; durch Ammoniak und 
Schwefelammoniam findet sich dann Zink als Schwefelzink (L e win). 

Es sollte mich freuen, wenn meine Veröffentlichung einem 
anderen EoUegen die Anregung bieten sollte, das Thema noch 
weiterhin za bearbeiten. 


Desinfektionspraxis in der Stadt und dem 
Landkreise Worms. 

Von (leb. tfed.-Bat Dr. Fertig, Ereiearzt in Woims. 

Für beide Bezirke ist je ein Desinfektor in dem hygienischen 
Institut zn Giessen aasgebildet worden. Als man non von den 
günstigen Besaltaten der Desinfektion mit Autan vernahm, ging 
man gleichzeitig auch wegen der vielfachen seitherigen Unan¬ 
nehmlichkeiten, Fenersgefahr, Defekte der Apparate und wegen 
des mühsamen Transports etc. zu diesem Mittel über. Einer der 
Herren Chemiker der Elberfelder Fabrik Bayer, weicher zufällig 
hier anwesend war, instruierte die beiden Desinfektoren; außer¬ 
dem nahm in dem bakteriologischen Institut des städtischen Eran- 
kenhauses Herr Chemiker Schmitt die Untersuchung über den 
Desinfektionswert des Autans vor und kam za demselben günstigen 
Besaitete wie neuerdings Herr Dr. Langermann in Giessen.^ 
Als Testobjekte dienten Bakterien von Typhus, Diphtherie 
und auch der Stophyloc. aureus. Die Proben waren ver^t auf 
dem Fußboden, in der halben Höhe des Zimmers und unter der 
Decke. Nach 7Va Standen waren sämtliche Eoltoren abgetötet. 


*) Siehe Referat darüber in Nr. 15 d. Zeitschr.; S. 557, Jahrg. 1906. 



DesiiifektioBsprtxi« io der Stodt und dem Ludkreise Worms. 618 


Üm nnn aneh die Tiefenwirkniig: za prüfen, imrden die 
Proben teils in Rocktaschen gesteckt, teils in Fließpapier einge- 
wickelt. Auch hier erfolgte AbtOtong aller Kulturen. 

Derselbe Herr machte auch Versuche in bezug auf die Des* 
infektion des Erankentransportwagens, den man seither wegen der 
Feuersgefahr nie gründlich desinfizieren konnte. Das Resultat 
war ebenso günstig wie bei den früheren Versuchen, ausserdem 
stellte sich dabei heraus, das auch bei niedriger Temperatur, da 
man den Wagen doch im Winter nicht erwärmen kann, die 
Wirkung des Autans eine gleich gute war. Zu demselben Resultate 
gelangte auch Herr Kollege Langermann. Nach seinen Vei> 
suchen liegt das Temperaturoptimum zwar bei etwa 15^ G., jedoch 
ist es in praxi nicht möglich, dasselbe immer herznstellen. Auch 
haben seine Versuche die Notwendigkeit einer bestimmten Tem¬ 
peratur nicht ergeben. 

Von unseren beiden Desinfektoren wird das Verfahren mit 
Autan seiner Zweckmässigkeit und Einfachheit halber sehr ge¬ 
rühmt. Nach ihren Berichten sind Beschwerden über die Zeit¬ 
dauer der Desinfektion seitens der Beteiligten niemals ein¬ 
gelaufen. 

Es wurden vom 1. April 1907 bis 1. April 1908 in dem 
Landkreise Worms 865 und in der Stadt 527 Desinfektionen vor- 
genommen. Die Kosten betrugen, einschliesslich der Ammoniak- 
entwickelnng und der Gebühren, für den Landkreis 2184 M. und 
für die Stadt 2899 M. 70 Pf.,^ also durchschnittlich 6,0 bezw. 
5,70 Mk. für jede Desinfektion. 

Nach der Polizeiverordnung für die Stadt Worms ist „die 
Schlnssdesinfektion nach ansteckenden Krankheiten, einerlei ob 
dieselbe von Privaten begehrt oder von der Polizeiverwaltnng an¬ 
geordnet wurde, unentgeltlich für diejenigen Einwohner, welche 
mit weniger als 2600 M. zur Einkommensteuer zngezogen sind. 
Einwohnern, welche ein grösseres Einkommen haben, kann auf 
ihren Antrag die Zahlung der Gebühren und Auslagen ebenfalls 
erlassen werden. ** — Für den Landkreis ist Erlass und Er- 
mässignng nur bis zu 1500 M. Einkommen vorgesehen, allein das 
GrossL Kreisgesundheitsamt hat einen weiteren Antrag gestellt, 
nach dem alle Desinfektionen auf Kosten des Kreises vorge¬ 
nommen werden sollen. Auch ist ja jetzt durch Min.-Erl. vom 
20. Mai 1908*) für das Königreich Preussen das Autan den 
übrigen Desinfektionsmitteln gleichgestellt, seine Zuverlässigkeit 
bestätigt und auch zur Desinfektion von Droschken und kleineren 
Gegenständen, Büchern und Akten empfohlen. Die Angabe, dass 
ein Nachteil in der grösseren Kostspieligkeit bestehe, können 
wir, wie wir oben gesehen haben, nicht beistimmen. Beim Bezug 
im Grossen wird dieser Nachteil außerdem verschwinden. 


*) Ebenda; Beilage au Nr. 10. 



614 


Klrinere Mittailaacea and Bafente «ns ZeftMhriftea. 


Kleinere Mitteilungen und Referate tue Zeitechriften. 

A. Oarlelittleh« M«4lsla. 

Zar patitalarlsehea laatomle der Atexjlreirlftaaf. Voa A. Birch« 

Hirschfeld and G. K9ster. Fortschritte der Medizin; 1908, Nr.22. 

Im Anschlad an zwei Fälle Ton schwerer Atozjlrergiftnnir, deren 
Haaptsymptome Opticosatropbie mit Tölligcr Erblindang bei erhaltener Pnpillea- 
reaktion, sowie Blasen- and Mastdannstörongen waren, haben Verfasser Ver- 
sache mit Händen and Kaninchen angestellt. Neben den gleichfalls aoftretendea 
Aogenstbrangen zeigten beide Tierspezies in den letzten Lebenstagen resp. 
•Wochen einen immer ansicherer werdenden Gang, der besonders die hinterea 
Extremitäten betraf. Dabei traten Incontinentia arinae, Abnahme der Fred* 
last, Darchfalle and schließlich eine terminale Lähmong aller vier Extremitätea 
aal. Die Sehnenreflexe waren trotz Ataxie and Parese der Extremitäten ge¬ 
steigert. Bei den bisher zar anatomischen üntersachang gelangten zwei Händen 
zeigte die Netzhaut einen hochgradigen Zerfall der Ganglienzellen Ton Chro- 
matolyse and VakaolenbUdang beginnend, bis za Kemschrompfong and Tölliger 
Anflbsong der Zelle fortschreitend. Aach die innere Eömerschicht bot das 
Bild des 2^rfalis. Am NerTos opticas war ein diffaser, über den ganzen Qaer* 
schnitt gleichmäßig verteilter, weitgehender Markscheidenzerfall za erkennen; 
desgleichen zeigte sich Markscheidenzerfall an den Nervenfasern des Gehirns 
and Böckenmarkes sowie an den aas dem Ettckenmark aostretenden Worzela, 
besonders den hinteren. Ferner fand sich fettige Degeneration der Gehirn¬ 
zellen, Fettansammlong in der Arachnoidea and Pia; zahlreiche Gehimgefäße 
waren durch Fettembolie verstopft. Von den inneren Organen zeigten Leber 
and Nieren Veränderangen; die Leber bot das Bild hochgradiger Verfettong; 
die Nieren ließen außer der fettigen Degeneration ihres Epithels, Verstopfang 
der Harnkanäle mit zahlreichen Fettkßmchenzylindern and ausgedehnte 
Hämorrhagien erkennen. Biä. 


Zar Kenntnis der chemischen Verginge bei der Pk^hervcrglltnng. 

VonO. Pirges und K Pribram-Wien. Archiv für experiment. Pathologie 
und Pharmakologie; 59. Bd., 1. Heft. 

Die Verfasser ziehen aas ihren Ergebnissen folgende Schlfisse: 

1. Die Verarmung der Phosphorleber an Hexonbasea ist größer, als daß 
sie durch bloße Eiweißrerarmang der Leber bedingt sein kennte. 

2. Die Eiweißspaltang and die Bildung von mit Salzsäure abspaltbarem 
N. aas mit Salzsäure nicht abspaltbarem N. bei der Antolyse wird nicht von 
den gleichen Fermenten besorgt, denn nar der erstere Vorgang wird bei 
Phosphorvergiftang gesteigert, der zweite bleibt nnbecinfloßt. 

3. Die Bildang von mit Salzsäure abspaltbarcm N. ans mit Salzsäore 

nicht abspaltbarem N. bei der Antolyse zwingt nicht zur Annahme eines Amide« 
säare spaltenden Fermentes, kann vielmehr aal die Wirkung der Arginase bezw. 
Adenaso and Gaanase bezogen werden. Dr. Wolf-Marburg. 


Zar Kasaistik der sogenauntea Flelflchverglftangen. Von Professor 
Wach holz-Krakau. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 32. 

Verfasser berichtet über 5 Fälle mit tödlichem Aasgang. Im ersten and 
zweiten Fall hatte ein Mann den Kadaver einer zugrunde gegangenen Koh, 
der auf Befehl des Bczirkstierarztes verscharrt war, wieder aasgegraben und 
einen Teil des Fleisches nach Hanne gebracht, wo es seine Matter kochte. 
Von den 4 Familienmitgliedern, die davon aßen, erkrankten dieser Mann selbst 
and sein 12 jähriger Sohn; beide starben karz darauf and das Sektionsergebnis 
ergab Milzbrand. Aaffallend war es, daß die anderen mit heiler Haut davon 
kamen, während der Sohn, der nar ein ganz kleines Stück gegessen batte, gestor¬ 
ben war. Im dritten Falle handelte es sich am einen 89 jährigen Schastergesellen, 
der nach Genoß von Fischen an Erbrechen and Diarrhoe erkra^te und nach 2 Tagen 
starb. Nach 6 Tagen erfolgte die Sektion, war aber völlig negativ. Im vierten 
Fall handelte es sich am einen 39jährigen Steinpflasterer, der nach Genoß von 
'^elchwaist an Erbrechen, Durchfall, Magenschmerzen erkrankte and nach 
i Standen starb. Nach 2 Tagen Sektion; das Bild ähnelte einer Arsenik- 



Kleinere Iflttellnngen imd Befrante «u ZeiteolurifteiL 


615 


▼ergiftong, jedock fiel die ehemieche ÜBterenehaag des Mageninhalte negaUr 
ans. In den beechlagnahmten Waretatticken konnten keine geeandkeitsBäid- 
lichen Sabstaneen oder Keime feetgestellt weiden. Auch die bakteriologische 
Unteraachang der Leickenteile war negativ. Im fünften Fall erkrankte ein 
89 jähriger Qrofigrandbesitzer nach Genuß von Lachemajonaise and reiBtaib 
nach 6 Tagen. Er war nach Krakau gekommmen, um eich dort der Schute- 
impfung gegen Tollwut zu unterziehen, da er nachweislich von einem toll* 
wtmgen Hunde gebissen war. Das Kraokheitsbild entsprach dem durch den 
Bac. botulinue heryorgerufenen; einige Erscheinungen deuteten aber auch auf 
Lyssa hin. Der Tierversuch bestätigten den Verdacht auf Lyssa nicht; aber 
auch für Fleischvergiftun^i durch B. botulinus ergab die 24 Standen nach dem 
Tode vorgenommene Sektion keinen Anhaltspunkt; denn die bakteriologische 
Untersuchung der Leichenteile war negativ. Hieran knüpft Verfasser die Be- 
mer^ng, dsB der Sektionsbefand in allen Fällen von Fleischvergiftung kein 
Besultat habe. Die bakteriologische Untersuchung müsse die Diagnose sichern; 
sie böte aber nur Aussicht auf Erfolg, wenn sie bald nach dem Tode ausge* 
führt werde. Leider ginge das nicht, weil der Instanzenweg ebe gewisse Zeit er¬ 
heische, und es vorher nicht gestattet sei, die Leiche zwecks bucteriologischer 
üntersuchung zu öffnen. Auä die Beschlagnahme der betreffenden Nahrungs- 
mittelreste werde meistens zu spät angeordnet, so daß sie meist schon be¬ 
seitigt seien; anderseits könnten sie auch in Fällen von echtem Botulismus 
unscbädlick sein, indem eben nur der genossene Teil giftig war. Epd. 


Experimentelle Untennchungen fiber Ersttekiuig durch Quetsokuog 
des Thorax. Von G. Brun. Bevue de Hödidne lögale; 1908, Nr. 2. 

Die Versuche wurden an Meerschweinchen und Kaninchen angestellt, 
der Erstickungstod durch langsame oder brüske Kompression des Brustkorbes 
herbeigeführt. Die äußere Gewalteinwirkung bestand entweder in dner late¬ 
nten Kompression des Thorax oder in einer Buhigstellung des Brustkorbs 
durch Umschnürung oder in einer gleichzdtigen Belastung der vorderen Brust- 
und Baachwand. 

Unter den äußeren Läsionen ergab sich nur Exopktalmus als konstanter 
Befand. Nach brüsker Thoraxkompression war das Unterhautzellgewebe und 
die Muskulatur Sitz von Saffusionen. Deformation des Thorax blieb aus. 
Zweimal unter 30 Versuchen wurden Bippenbrüche festgestellt. Die wichtigste 
Veränderung betraf die Langen, die je nach der Dauer und Intensität der 
Thoraxkompression im wechselnden Grade blutreich und emphysematös waren. 
Subpleurale Ekchymosen fehlten nur in zwei Fällen. Herzbeutelblutungen 
waren selten. Das Herz enthielt dunkles, flüssiges Blut. Die Baachorgane 
waren in leichtem Grade byperämiseb. Wurde die Kompression dos Brust¬ 
korbes vor Eintritt des Herzstillstandes unterbrochen, so erholte sich das an¬ 
scheinend im Sterben liegende Tier ungemein rasch. Immobilisierung des 
Zwerchfells in Exspirationsstellang beschleunigt den Todeseintritt. 

Dr. Bevenstorf-Hamburg. 


Die Barberiosche Untersnehnngsmethode zur gerlchtlich-medlzliil- 
sehen Feststellung von Sperma. Von A. Lecha-Marzo. Bevista do chimica 
pura e applicada; 1907, Nr. 9 und 11. 

Die mikrochemische Pikrinsäurereaktion Barberios auf Sperma über¬ 
trifft die Florencesche Beaktiou an Wert. Die Krystalle, welche aus dem 
Pikiophosphat des Spermin bestehen, treten in größerer Zahl auf, wenn das 
Untersuchungsobjekt einer Vorbehandlang mit Chloroform unterzogen wird. 

Dr. Bevenstorf-Hamburg. 


Ueber die Ursaehen des Gesehlechtstriebes. Von A. de Dominicis. 
Bisveglio medico; 1908, III, Nr. 41. 

De Dominicis nimmt an, daß die Funktion dor Prostata und die 
Menge des gebildeten Spermins in naher Beziehung zu der Stärke des Ge- 
sohlechtstriebes steht. Es gelang ihm aus einigen Nahrungsmitteln, die als 
Aphrodisiaca gelten, mit Hilfa der Pikrinsäurereaktion Barberios einen 
Körper nachzuweisen, der dem Spermin nahesteht. Wenn sich die Hypothese 



61 « 


Kldnere Mitteilungen nnd Refermte «u Zeitaohriftea. 


des Verfsbrens bestttigt, so ist sa erwarten, dafl in fferiebtlicb>mediiiniseber 
Besiebnng ans der SpermareiJition anob binsicbtlieb der Feststellung der 
Funktion der Geschlecbtsdittsen Nutzen gesogen werden kann. 

Dr. Berenstorf•Hamburg. 


B. OnriohtUobe Psyohiatrln. 

Seltene Fille tob sexueller Frlibretfe. Von Q. Boasenda. Arcbiyio 
di Psichiatria, Neuropatologia etc.; 1908, Fase. I—II. 

Es werden aus der Literatur einige interessante derartige Fille be> 
sproeben, wie sie meist nur bei Degenerierten und Verbrechern Vorkommen, 
im ganzen aber zu den großen Seltenheiten geboren. So bat Lombroso ein 
Mädchen, einer Ehe eines Edelmanns mit einer perversen Ballerina entsprossen, 
beschrieben, das wenige Jahre alt allerlei Untugenden nnd Bobheiten zeigte 
und mit 6 Jahren seinen eigenen Erzieher verführte (1). Bei einem anderen 
Mädchen entwickelte sich im Anschluß an eine Kopfverletzung im fünften 
Lebensjahre eine Obszoenität, verbunden mit Lügenhaftigkeit und dgl. 

Von weiteren Fällen derart erzählt Andenino, so von einem 4jährigen 
Mädchen, das nicht nur masturbierte, sondern den Coitus mittels eines Holz* 
Stückes bei seinen Schwestern naebzuahmen versuchte und schon im frühesten 
Alter mit ihrem eigenen Großvater sexuell verkehrte; dann von einem anderen 
Mädchen, das nach einer Meningitis mit 6 Jahren sich der Onanie hingab und 
erklärte, Prostituierte werden zu wollen. 

Blas io kannte eine zehnjährige, vollständig entwickelte Prostituierte, 
die die Tochter ebes Spitzbuben war. Nach euer Statistik dieses Autors 
konnten 62 männliche Verbrecher mit entwickelter Pubertät unter 18 Jahres, 
166 solche zwischen 13 nnd 14 Jahren gezählt werden, während unter den 
Mädchen sogar schon 8 derartige unter 9 Jahren befindliche (davon 2 Prostituierte) 
nnd im Alter von 9—12 Jahren deren 226 (davon 86 Prostituierte) waren. 
Die Pubertät tritt danach erheblich früher beim weiblichen Geschlecht eb. 
Was die Kriminalität bezw. Degeneration dieser frühreifen Personen betrifft, 
so überwiegen bei dem weiblichen Geschlecht Prostituierte und Diebe, beim 
männlichen Geschlecht die Taschendiebe. 

S t e i n - Königsberg hat neuerdings eb Mädchen beschrieben, das mit 
8*1$ Jahren geschlechtlich entwickelt war. regelmäßig menstruierte nnd zu 
Onanie nnd Ezbibitionismns neigte. Die hier beigegebene Photographie läßt 
die Frühreife des Körpers nnd Qesichtsansdmcks deutlich erkennen. 

Dr. Solbrig'Allensteb. 


Ein Fall von femininer Homosexualität. Von Dr. G. L. Gasparini- 
Genua. Arcbivlo di Psychiatria, Neuropatologb etc.; 1908, Fasz. 1—2. 

Dergleichen Fälle sbd selten, mindestens kommen sie nur selten zu 
ärztlichen Beobachtung, da naturgemäß das Streben solcher Individuen dahin 
geht, im verborgenen zu bleiben, was beim weiblichen Geschlecht leichter ist 
ab beim männlichen. 

Der Fall betrifft ein 19jährige8 Mädchen, Tochter ebes Gastwirts,^ das 
dem elterlichen Hanse nach vorangegangenen Auftritten aus Anlaß ihrer 
glühenden Leidenschaft für eine junge Dame in männlichen Kleidern entflohen 
nnd nach 3 Tagen, ab es im Begriffe war, sich als Kellner zu vermieten, der 
Irrenanstalt zugeiührt war. Anamnestisch ließ sich ermitteln, daß die Mutter 
Alkoholistin war nnd alle 7 Geschwister im zarten Alter gestorben waren. 
Mit 9 Jahren, ab das Mädchen in einer religiösen Erziehungsanstalt unter* 
gebracht war, fing es an, abweichende Chartüctereigenschaiten zu zeigen; es 
trat eine starke Abneigung gegen alle weiblichen Arbeiten und eine Vorliebe 
für männliche Beschäftigung ein; wiederholt wurde das Mädchen b der Ab* 
teilung der mit Handwerkerarbeiten beschäftigten Knaben betroffen. Die An* 
staltsleitung sah in diesem Gebahren eine moraUsche Untugend nnd sorgte für 
strenge Ueherwachnng des Kbdes. Trotzdem gelang es dem letzteren, mit 
eber um einige Jahre älteren Schulgenossin, an die sie sich in bnigster 
Freundschaft angeschlossen hatte, heimlich Na^ts zu entweiehn. Die Wieder* 
ergreifung dauerte aber nicht lange, nnd nun wurde das Mädchen ids nnvei^ 



Klconere lOtteilangen and Referate ans Zeiteehriften. 


617 


besseilieh in die Familie xnr&ckgeiichickt. Mehrfache Versnehe, es in anderen 
Familien zn bewem, scheiterten immer daran, daß das Mädchen lediglich 
an männlichen Arbeiten, auch schwererer Art, wie Besorgen der Pferde, 
Schmiede» and Tischlerarbeiten, Befriedigung fand. Schließlich kam dss 
Mädchen in die Familie znrttck. Anfänglich schien es jetzt, als ob eine 
Gharakteränderong eintrete, bald begann sich jedoch immer stärker eine 
Vorliebe fttr das weibliche Qeschlecht bemerkbar zu machen; es kam zn 
Liebeleien zwischen dem Mädchen und anderen Mädchen. Ais es 17 Jahre alt 
war, entwickelte sich ein Liebesroman zwischen ihm and einer 20 jährigen 
Dame ans guter Familie. Es kam za einer regelrechten Liebeserklärong and 
dem Wonswe, eine „religiöse Ehe“ mit der der Geliebten eiozogehen. Allem 
weiteren wurde durch die Verlobung der Dame ein Ende beratet. Darauf 
erfolgte eine Flucht des Mädchens, wie oben bemerkt wurde. 

Aus dem in der Irrenanstalt erhobenen Befund ist folgendes bemerkens« 
wert: Die P. zeigte körperlich keine besondere Abweichungen, doch wurde die 
tiefe Stimme, der Haarwuchs an Armen, Beinen und in der Linea alba, die 
sdiwach entwickelten Brttste, verbunden mit starker Muskelkraft als Zeichen 
des männlichen Typus erkannt, während Becken und Geschlechtsorgane (Hy* 
men intactus) vollständig dem weiblichen Typus entsprachen. Die Gesichts* 
büdung entbehrte nicht einer gewissen Feinheit; das Gesicht und das starre 
kurzgetragene Kopfhaar liessen jedoch nach der beigegebenen Photographie 
eher auf einen Jüngling denn ein Mädchen schließen. Psychisch war die P. 
Ird von besonderen Anomalien, abgesehen von einem leichten Depressions* 
Zustand mit zeitweise aufgehobenen Bewustsein und der glühenden Leidenschaft 
für die oben genannte Dame, der sie trotz der Trennung Treue bewahren zu 
wollen angab. üeber ihre Vorliebe für das eigene Geschlecht sprach sie sich 
offen ans, wies aber mit Entrüstung die Vermutung, daß dabei nicht rein 
platonische Gefühle im Spiele seien, zurück. Trotz des ziemlich negativen 
Pfundes kommt Verfasser aut Grund der Anamnese — AlkohoUsmus der 
Matter und Abstammung aus neuropatischer Familie, Gnbändigkeit der P. von 
früher Jagend, Art von Dämmerzustand während der letzten Flacht — und 
der festgestellten leichten körperlichen Abweichungen, wie Asymmetrie des 
Chwichts, Einschränkung des Gesichtsfeldes und der, wenn auch nur kurzen 
Bewußtseinstrübung zu der Ueberzeugung, daß es sich um eine latente 
epileptische Neurose handelt. Die Homosexualität findet auf dieser 
Basis leicht eine Erklärung Der vorliegende Fall würde am ehesten nach 
der Krafft*Ebing8chen Theorie den Inversionen, nicht den Perversionen 
zuzurechnen sein. Dr. 8 olbrig* Allenstein. 


üeber GebtezstSmiigeii bei Gehirnzyphllis. Von Dr. Hugo Birn* 
bäum*Conradstein. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 66. Bd., 8. H. 

Die von Birnbaum geschilderten Fälle erhalten sämtlich, abgesehen 
von einem einzigen Patienten, der nach voraufgegangener Depression die Er* 
seheinungen des Stupors darbot, dadurch ein gemeinsames Gepräge, daß als 
endgültiges Erankheitssymptom eine geistige Schwäche resultiert, die nach 
voraufgogangenen Insulten, teils primär, teils sekundär im Anschluß an Ver* 
wirrtheits- und Erregungszustände hervortritt. Es handelt sich in diesen 
Fällen nicht um eine vollständige Demenz, sondern vielmehr um eine geistige 
Schwächej, die sich durch gemütliche Stumpfheit und Gleichgültigkeit, durch 
Gedächtnisschwäche und Verlast der Merkfähigkeit dokumentiert. Größen* 
ideen traten nicht in die Erscheinung und überall bestand ausgeprägtes Krank* 
heitsbewußtsein. Am häufigsten waren EUagen Uber Kopfschmerzen, zu denen 
sich ein mannigfaches wechselreiches Bild von körperlich nervösen Störungen 
gesellte. Erbliche Belastung war in keinem Falle vorhanden, übermäßiger 
Alkoholgenaß auszuschließen und als alleinige Krankheitsursache Lues in Be¬ 
tracht zu ziehen. Auffallend erschien das verhältnismäßig jugendliche Alter 
der Erkrankten und das frühzeitige Auftreten von arteriosklerotischen Gefäß- 
veräaderungen, die mit Sicherheit als syphilitische Erkrankungen aufgefaßt 
werden konnten. Dr. Többen*Münster. 



618 


Kleinere Mitteilongen and Referate ans Zdteehrillaa. 


üeber kenjagale PandyM mad ParalyBe* Tabes. Yoa Dr. PanlJanias 
nnd Dr. Max Arndt. Monatsschrift fdr Psychiatrie and Neurologie; Bd. XXIY, 
Heft L 

Die Verfasser berichten Uber 81 Ehepaare mit Paralyse beider Gatten 
and Ober 7 Ehepaare mit Paralyse des einen and Tabes des anderen Gatten, ins* 
gesamt also über 38 parsüytische oder paralytisch-tabische Ehepaare. Aafler 
diesen 38 Ehepaaren, Ton denen mindestens einer von den Gatten in Dalldorf 
behandelt worden war, worden noch 16 weitere Fälle gesammelt, bei denen 
das Vorliegcn Ton Paralyse oder Tabes bei dem zweiten Ehepaar zwar wahr¬ 
scheinlich war, aber sich nicht mit yoUer Sicherheit erweisen liefi. 

Auf eine Babrizierang der Fälle, je nachdem die Syphilis bei den beiden 
Gatten fest gestellt werden konnte, mähte yerzichtet werden, da die Art des 
Nachweises bei den einzelnen Paaren eine za yerschiedene ist. Hier tritt yor 
allem die Schwierigkeit hindernd in den Weg, bei Fraaen die Laes anam¬ 
nestisch za emieren, obwohl ihr in der Aetiologie der koojagalen Paralyse da 
orhebUebes Uebergcwicht Ober die anderen in Frage kommenden ätiologischen 
Faktoren, anter denen Traamen, Kammer and Sorgen, sowie der Alkoholismas 
genannt seien, zozuerkennen ist Nor einmal waren beide Gatten erblich be- 
Uutet, and in 12 Fällen fand sieh eine mehr oder weniger erhebliche nearo- 
psychopatbisebe Belastang des einen der beiden Gatten. Dagegen lag bd 
20 Ehepaaren Oberbaapt keine erbliche Belastong, sd es des ^en oder des 
anderen Gatten yor; in den Obrigen Fällen waren keine genOgenden An- 
haltsponkte fOr die Heredität yorhanden. 

Dr. Többen-Mfinster. 


Zar Prsgnosestellang bei der Denaentla proeeex» Von Marie Emma 
Zablocka. Allgemeine Zeitschrift fOr Psychiatrie and psychisch-gerichtliche 
Medizin; 66. Bd., HL H. 

1. Zirka 60*/« aller prognostisch yerwertbaren Fälle der Dementia 
praecox sind nach dem ersten Anfall leicht, zirka 18°/o mittel- and drka 22*/, 
schwer dement. 

2. Ein gewisser Einflaß aaf den Aasgang des ersten Schabes bd der 
Dementia praecox mafi der Krankheitsform zngeschrieben werden, nnd zwar 
zeigt bd den Männern die Katatonie den schwersten Aasgang, die parandde 
Form den leichtesten, während die Hebephrenie in der Mitte steht. Bd dea 
Fraaen erscheint die Katatonie nicht so schlimm. 

8. Die Bcziehangen zwischen dem Grade der YerblOdong nach dem 
ersten Schabe and der Art des Beginnes der Krankhdt sind deutlich aos- 
geprägt, indem die chronischen Fälle die schlechteste Prognose zdgen, während 
die akuten, nachdem der akute Schab abgelaofen ist, bk auf den Status qao 
ante zarOckgehen können. Dieser Satz güt natOrlich nur fOr die in die An¬ 
stalten kommenden Kranken. 

4. Ein Einflah des Erkrankangsalters auf die Prognose läßt dch nicht 
deutlich nachweisen, man kann nur yermaten, daß die Erkrankungen yor der 
Pubertät and diejenigen zwischen 85 —45 Jahren eine schlechtere Prognose 
zeigen. 

5. Ein stärkerer Einflaß der katatonen Symptome flberhaupt auf 
den Ausgang des ersten Schabes der Dementia praecox ist nur bei den Männern 
nachgewieseu. Sie yerschlechtern die Prognose, aber nicht hochgradig; während 
ein gewisser Zasammenhang zwischen einzelnen katatonen Symptomen and der 
Prognose möglich ist; Negativismas und Stereotypien trüben die Prognose; 
Fälle mit erhöhter Beeinflaßbarkeit and besonders diejenigen mit Katalepsie 
zeigen dagegen weniger stärkere Formen der Demenz im Ansgange. 

6. Von den Papillenstörangen scheint nur die Anisokorie die Prognose 
ein wenig za yerschlechtern. 

7. Der frühere körperliche Zustand hat keine aasschlaggebende Be¬ 
deutung für den Aasgang, während ein gewissser Zusammenhang zwischen 
der allgemeinen geistigen Disposition yor der Erkrankung und dem Aus¬ 
gange sich nachweisen läßt. Die als „yerscblossene Charaktere* yor der Er¬ 
krankung rubrizierten Fälle zeigten einen schlimmeren Aasgang als die nor¬ 
malen. Es läßt sich aach ein yerhältnismäßig guter Aosgang bei dmi yorher 



ffleinere Mitteilungen und Referate ans Zeiteohriften. 


619 


NerrOson nachweisen. Der Grad der Intelligenz yor der Erkrankung beein* 
floßt nur ganz onweeentlich den Ansgang. 

Die veranlassenden Ursachen, wie wir sie jetzt rnbrizieren, sind von 
keinem erw&hnenswerten Binflnß auf den Ansgang. 

Dr. T 0 b b e n • Mflnster. 


Znr pernlelSs verlanfenden Melaneholle. Yen Dr. DSblln in £nch 
(städtische Irrenanstalt). Allgemeine Zeitschrift fflr Psychiatrie nnd psychisch* 
gerichtliche Medizin; Bd. 65, H. III. 

Döblin berichtet Uber 2 Fälle, in denen ein Erankheitsbild yorliegt, 
das znnächst dnrchans von der Angst beherrscht wird, welche die hohen Grade 
der Melancholia activa erreicht, nnd Beziehnngsideen, Versttndigungsideen, 
phantastischen Bedrohnngswahn, sowie Phoneme darbietet. Yorttbergehend 
treten nnn affektflache Znstände anf mit Sprech* nnd Bewegnngsdrang, Inko* 
härenz, Ziellosigkeit nnd letalem Ansgang ohne befriedigende lokale Ursache. 
Die Znstände als aSteigernng“, „Wellengipfel“ der Angst im Sinne Wernickes 
anfznfassen, geht nicht an; sie erheben sich nicht anf den Gipfel der Angst, 
lassen diesen Affekt nicht in ihrem Ablauf hinreichend erkennen, erscheinen 
im ganzen andersartig, keinem Ausdruck des Affekts dienend. In den Krank* 
heitsverlanf dürfte nur mit Zwang eine psychologische Einheit hineinkonstrniert 
werden können. Ob der perniziöse Yerlanf etwa nur anf Kosten der Schwere 
der Angsterregang zusammen mit komplizierenden Faktoren (Alter der Patien* 
tinnen, leichte Arteriosklerose nsw.) zu sehen ist, bleibt dahingestellt; der 
Kräftokonsnm war bei der kontrollierten Ernährung jedenfalls anch nach Fort* 
fall der Erregung im ersten Fall progressiv. Das klinische Bild ist recht 
eigenartig und erinnert an die gleichfalls schwer rnbrifizlerbaren katatonoiden 
senilen Formen, die in Schwachsinn übergehen. Dr. Többen«Münster. 


Myasthenia gravis und Mnskelatrophte. Yen Dr. Ch. De Montet 
nnd Dr. W. Skop. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Neurologie; Jnli 1907, 
Bd. 28. H. 1. 

Der Yerfasser berichtet über einen sehr interessanten Fall von Hy* 
asthenia gravis, der in der Kant. Irrenanstalt Münsterlingen (Thurgau) znr 
Beobachtung kam. Der Beginn vor 28 Jahren am Ende des dritten Dezenniums 
mit Diplopie, das zeitweise alternierende Auftreten von Ptosis, dann wieder 
das totale Anssetzen aller Symptome, ferner das aknte Einsetzen der Er* 
scheinnngen in den unteren Extremitäten, die lebhafte Beteiligung der Kan* 
nnd Atemmnsknlatnr nnd anch wieder temporär völlige Bestitntion, endlich 
die lange Daner ergaben eine Anamnese für Myasthenie, wie man sie 
sprechender nicht wünschen kann. Der gegenwärtige objektive Znstand bot 
ebenfalls das reine klinische BUd der Myasthenie. Die ganz im Yordergrnnd 
stehende anßerordentliche Erschöpfbarkeit der gesamten Körpermnski^tnr, 
die jeden Moment die Atmnngsmnsknlatnr zu befallen drohte, die Tatsache, 
daß ein heute scheinbar vollkommen gelähmter Mnskel morgen wieder normal 
operierte, das absolute Fehlen von definitiven Lähmungen, von Spasmen, sen* 
slblen Störungen, Yerändemngen der Reflexe, das deutliche Yorhandensein 
myasthenischer Reaktion sprachen eindeutig für die gestellte Diagnose. 

Dr. Többen*Münster. 


Ein Fall von Bromismus. Yon Dr. Hank ein in Königsberg. All¬ 
gemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 65. Bd., 8. H. 

Han kein berichtet über eine Kranke, bei der nach jahrzehntelanger 
Pause im Sommer vorigen Jahres wieder vereinzelte epileptische AnfUle nnd 
andere nervöse Störungen auftraten, die zum Gebrauch von Bromkalium führten, 
von dem in kurzer Zeit sehr große Mengen genommen wurden. Bald nach 
Beginn der Bromkur wurden Störungen der Sprache und der Schrift bemerkt, 
die Kranke wurde verwirrt, schlaflos, aß wenig und hatte viel Gesichtshalln* 
zinationen. Sie war sehr gehenunt und ließ eine hochgradige Störung der 
Merkfähigkeit erkennen. In körperlicher Beziehung zeigten sich träge Reaktion 
der PnpiUen, Absehwächung des Konjunktival-, Korneal* nnd Rachenreflexes, 
erhebliche Steigerung der Patellarreflexe und starker Gehalt des Urins an 
Brom. Nach Aussetsen des Broms konnte man ein allmähliches Znrflckgehen 



630 


Kleinere Mitteilungen nnd ICefemte mu Zeitechxiften. 


der KrnnklieitsencbeinaBgen fesUtellen. Von der Derrdchiuig größerer Koeli* 
salzdoeen warde Abstnnd genommen, weil eine Indikation hieran nicht Torl^. 

Da der Bromismne im großen and ganzen eine seltene Etkranknng ist, 
dürfte der erwähnte Fall geeignet sein, beim Verordnen von Bromkalinm n 
besonderer Voraicht anfzofordern, anderseits soll er aber keineswegs die irat- 
lichen Praktiker reranlassen, ins Extreme za rerlallen und ein Heilmittel 
preiszageben, dessen überaas günstige Wirkung darch jahrzehntelange Beob¬ 
achtung an Tausenden Ton Kranken sicbergestellt ist. 

Dr. T 0 b b e n - Münster. 


Die Art der Delikte bei den einzelnen krankhaften eebteKnstladen 
Ueeresangehdriger. Von Stabsarzt Dr. Benaecke-Dresdea. Klinik für 
psjehische und nervOse Krankheiten; Bd. 1^ H. 2. 

Verfasser hat auf Qrund seiner langjäMgen Erfahrungen rersucht, eia 
Bild Ton der Art der Kriminalität geisteskranker Soldaten zu mitwezfen, 
welches sich natürlich hinsichtlich der einzelnen meist spezifisch rnilh* 
tärischen Delikte von der sogenannten bürgerlichen Kriminalität unterscheidet, 
aber doch zam Aosdruck bringt, daß im großen und ganzen die gleichen 
Krankheitsformen und -Symptome zu Gesetzesübertretangen Anlaß geben. 
Von 281 beobachteten Fällen gerieten 164 in Konfiikt, 110 gerichtlich, 64 nur 
disziplinarisch. Vor dem Diensteintritt waren Torbestraft 41. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 


Uober das Sjniptoai des Gedaakenslehtbarwerdens. Von Dr. Kurt 
Halbey, Oberarzt. Allgemeine Zeitschiift für Psychiatrie nnd psyi&iseh- 
gerichtUche Medizin; fö. Bd., 3. H. 

Halbey hat in der Prorinzialheilanstalt bei üeckermünde eine dgen- 
artige hallazinatorische Erscheinung beobachtet, bei der unmittelbar im Aa- 
schlaß an Vorsteilangen oder an gedachte Worte nicht nar Qehörstäaschnngen 
plötzlich in die Erscheinang treten, sondern auch optische Hallozinationen, bei 
denen die gedachten Worte and Vorstellongen vor dem Kranken geschrieben 
erscheinen, und zwar einerseits in .deutschen Schriftzeichen" oder anderseits 
auch in .Gabelsberger Stenographie". Dieses Symptom möchte der Verfasser 
analog dem yon Gramer bMchriebenen .Gedankenlautwerden* als das 
Symptom des a^sdankensichtbarwerdens" benennen. 

Dr. Többen-Münster. 


Ueber Zureehuuiigsfihlgkeit* Von Prof. Friedenreioh in Kopen¬ 
hagen. Monatsschrift für Psycmatrie und Neurolo^; Bd. XXIV, H. 1. 

Zurechnungsfähigkeit and Unzorechnongsfähigkeit sind spekolatiye und 
metaphysische Begriffe, mit denen in der Medizin ab einer Erfahrangs- und 
Naturwissenschaft nichts anzafangen bt. Verschiedene Aerzte haben si^ dafür 
ausgesprochen, daß die Mediziner diese Entscheidang den Juristen überlassen 
sollen, jedoch mit Unrecht, da die Beurteilang yon gebtig abnormen DeUn- 
qaenten haaptsäohlich durch den Psychiater geschieht, der allein imstande ist, 
die krankhaiiten Momente des psychbchen Zastandee aafznfinden und za be¬ 
urteilen. ln praxi spricht sich erfabrangsgemäß der Sachyerständige immer 
über die Zurecbnongsiähigkeit aus, obwohl es bekannt bt, daß alle Versuche, 
ein sabjektives Kriteriam für sie aufzastellen, bbher gescheitert sind, da wir 
eben in Wirklichkeit nicht wbsen, was unter Zarecmiangsfähigkeit za yer- 
stehen bt. Die Aasdrücke Willensbestimmang", aEinsicht in die Be- 

deatang der Handlang", .identitö personelle" and aSimilitude sociale* sbd 
b dem üblichen Zasammenhange alle onbraachbar, da die Normalität auf der 
eben, die krankhafte Störung der Gebtestätigkeit auf der anderen Seite yiel 
zu amfassend sind and zahlreiche Störangen der Gebtestätigkeit sich finden, 
die nicht genügen, um den Täter anzar^nongsfähig za machen. 

Sobald man aber den Boden der Anschauung yerläßt, welche die Strafe 
ab Sühne und Baße für die yerletzten Sittlichkeitsgebote aoffaßt, wird ledig¬ 
lich das Utilitätsprbzip Berücksichtigang finden und die Beantwortung der 
Frage zum leitenden Gedanken werden: «Was bt für die Gesamtheit das 
Nützlichste und glebhzeitig gegenüber dem Verbrecher das human zu Ver¬ 
wertende?" Den letzteren Qezlwtspunkt macht sidi der Verfasser zu eigen 



Kldnere MitteUang«n und Referate aus Zelteohriftea. 


621 


and Terracht, ihn auf diejenigen Zast&nde nn ezempUfisieren, bei denen die 
Zarechnoogsfähigkeit gewöhnlich in Frage kommt. Seine beacbtenawerten 
ErOrterongen, die sich an einem kurzen Referate nicht eignen, nehmen auf zwei 
große Gruppen Bezug, die Geisteskrankheiten im gewöhnlichen Sinne und die 
angeborenen und erworbenen Defektzustände. Dr. TObben^Mflnster. 


O. Buohwarnt&ndlgantfttlg^kalt ln Unfall- nnd Znwalldlt&tMaohen. 

Untersnehnngen Uber Sinialatlon bei Unfallnerrenkranken. Von 
Stabsarzt Or. Th. Becker-Gießen. Klinik ftlr psychische und nervOse Krank¬ 
heiten; Bd. III, H. 2. 

Verfasser bespricht einige KrankheitsfSlle, die der Klinik Ittr psychische 
Kranke zur Oberbegutachtung tiberwiesen nnd dort mittels der auf der Klinik 
ansgebildeten graphiscben Methoden untersucht worden waren; er erOrtert dann 
an der Hand der angestellten Simulationsversnche die gefundenen Unterschiede 
nnd charakteristischen Merkmale. In 3 Fällen, die vorher als Simulanten 
bezeichnet waren, zeigten sich keine auf Simulation oder ausgesprochene Ag- 

f ravation verdächtigen Erscheinungen, während in drei anderen Fällen die 
Krankheit an sich zwar nicht simuliert, wohl aber der Grad der Erwerbs- 
nnfllbigkeit von dem Rentenempfänger übertrieben wurde. Schließlich wird 
noch ein Fall mitgeteilt, der sich dadurch auszeichnet, daß die Simulation 
und speziell die Art der Simulation, deutlich für eine vorliegende ürteils- 
schwäche sprach. — Verfasser hält es nicht für richtig, alle nach Unfällen auf¬ 
tretenden Neurosen nnd Nenropsychosen als Schreckneurosen aufzufassen; nur ein 
Teil bietet die hierlür charakteristische Aetiologie nnd Symptomatologie. Die 
Psychoneurosen nach Vorletznngen entstehen im wesentlichen auf psychischem 
Wege. Um ihre Genese, ihre Symptomatologie zu verstehen, ist Kenntnis 

S lyrischer Krankheitsbilder, insbesondere der Hysterie, Neurasthenie und 
ypochondrie unerläßlich. Im Hinblick auf diese Krankheitsbilder von nicht- 
traumatischer Entstehung wird auch das nicht zu seltene Symptom des Vor¬ 
täuschens und Uebertreibens dem Verständnis nahegebracht nnd erklärt. Vor 
allem ist nSiig, daß man eine genaue neuroiogisch-psychiatrische Unter¬ 
suchung des sweinbar oder wirklltmen simulierten Symptoms dnrchffihrt. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 


Hysterische Lähmung durch einen Schuss. Von Oberstabsarzt 
Dr. Hammersohmidt. Monatsschrift für Unfallheilknnde und Invaliden¬ 
wesen; 1908, Nr. 4. 

Ein Grenadier, der beim Scharfschießen dicht neben liegenden Schützen 
stand, will bereits nach dem ersten Schuß in seinem HOrvermOgen auf dem 
reehten Ohr beeinträchtigt worden sein. Die Schwerhörigkeit nahm zu, im 
Lazarett fand ein Spezialarzt eine Lähmung des rechten Gehörnerven infolge 
Labyrintherschtttterung. Das Trommelfell war unverletzt. Es traten dann 
Taubheitsgeffihl in der rechten Gesichtshälfte, später rechtsseitige Hemianästhesie 
und eine schlaüe Lähmung der ganzen Seite auf. Verfasser ist der Ansicht, daß 
zweifellos ein hysterischer Status in der Anlage bei den Verletzten schon be¬ 
standen habe, die Merkmale desselben seien aber so gering gewesen, daß 
sie der Umgebung der Kranken entgangen seien. 

Dr. & Th 0 malla- Waldenburg (SchL). 


Traumatische Isellerte periphere Lähmung des Obersehnlterblatt- 
nerven (Nerrus suprascapnlarls). Von Dr. Kähne, Kottbus. Mit einer 
’ Abbildung. Monatsschrift für Unfallheilknnde und Invalidenwesen; 1908, Nr. 4. 

Verfasser erwähnt, daß im ganzen 16 Fälle von isolierter peripherer 
Lähmung des Oberschulterblattnerven in der Literatur niedergelegt seien. 
Hiervon bleiben als traumatisch im gesetzlichen Siiue entstandene Nerven¬ 
lähmungen, d. h. Lähmungen, hervorgerufen durch eine innerhalb eines kurzen 
Zeitabschnittes einwirkende Gewalt, nur fünf. Diesen Fällen fügt Verfasser 
einen sechsten hinzu, bei dem es keinem Zweifel unterliegt, daß der Verletzte 
an einer Lähmung des rechten Oberschulterblattnerven leidet, wie es sich ans 
der genauen Beschreibung des Falles nnd der beigefügten Abbildung ergibt. 

Dr. R. Thomalia, Waldenburg (S^). 



622 


Kleinere Mitteflongen and Referate aoa Zeitschriften. 


Beitrag rar Kerreaehlrargle aaeh UnfUlea. Von Dr. Hebrkh Mohr. 
Moaatsichrift f&r UnfaUheilkonde and InTaUdenweeen; 1908, Nr. 6. 

L Rezidivierendes Ampatationanenrom desNeiros mediaans als Ua* 
iallfolge. 

Infolge euer Schaittwonde am Onteram war eine Verletzong des N. laed. 
entstanden. Heilang der Wände ohne Naht. Bildang eines bohnengroden, 
draekempfindlichen Fibroms bezw. Ampatationaneoroms du N. mediaaas. Erst 
schwanden die Folgen der Nervenverietzang, später kehrten sie wieder; die 
Schmerzhaftigkeit worde immer größer, das Nearom wachs bis Haselnoßgröße; 
es traten Lähmongserscheinongen aaf. Darch Operation wurde die Qeschwolst 
entfernt and Nervennaht angelegt Die Lähmongserscheinongen schwanden, 
aber es bildete sieh an der Operationssteile eine erbsengroße drackempllndliche 
Qeschwolst Eine nochmalige Operation wurde verweigert, obgleich mehrere 
nachteilige Folgeerscheinongen sich wieder eingestellt hatten. 

2. Operativ mit Erfolg behandelte Badiaslähmang nach Armbracb. 

Die Lähmang war wahrscheinlich eine sekundäre, hervorgerufen darch 
feste Verlötang des Nerven mit dem Kallas and Kompression des Nerven durch 
das amlie^'ende Narbengewebe, das ihn fest gegen den Knochmi drückte. 
— Operativ wurde der Nerv aas dem Narbengewebe aasgelöst and zwischen 
normale Moskelschichten gel^. Es erfolgte rascher Bücägaag der Lähmang 
nach Massage und Elektrizität 

Dr. R. Thomalla-Waldenborg ^chL). 


Dareh Traaiia hervorgerafeae SteaoM des PalmoaaloatinBM. Von 
Dr. Bruno Leick, Chefarzt in Witten. Münchner medizinische Woehasdnift; 
1906, Nr. 29. 

Ein Ißjähriger Mensch, der bis dabin völlig gesund und arbeitsfähig 
gewesen war, erlitt ein schweres Traoma, indem er von einem gußeisernen 
Rahmen, der von einer Polierscheibe absprang, mit voller Wacht gegen die 
Brost getroffen worde, so daß er za Boden stürzte and längere Zeit bewoßt- 
los war. Nach Jahren worden zum ersten Male HerzveränderanM 

festgestellt, die sich im Laufe der nächsten Jahre zu dem typischen Bude 
der Polmonalstenose aasbildeten. Im Alter von 22 Jahren ging der Kranke 
an einer hinzatretenden Longentaberkulose za Grande. Die Sektion ergab 
hoebnadige Stenose des Polmonalostiams ohne sonstige BildangsanomaUen 
des Herzens. Bei dieser Sachlage kann man nach Verfassers Ansicht nicht 
lunhin, den Herzklappenfehler mit größter Wahrscheinlichkeit als durch den 
Unfall bedingt anzusehen. Durch den plötzlichen heftigen Schlag gegen die 
Brost maß es zu einer starken Dracksteigerang im Thorax gekommen sein; 
darch die Erfahrungen bei Unfallverletzten wissen wir aber, daß eine derartige 
Dracksteigerang nicht so selten zu Zerreißungen, Einrissen oder doch za 
Blatangen an den Herzklappen führt. Derartige ^appenverletzongen geben 
dann einen günstigen Boden für die Ausbildong endokarditischer Prozesse, 
als deren Endresoltat im vorliegenden Falle die Stenose der Paimonalklappen 
anzusehen ist. Dr. Waibel-Kempten. 


Kohlenoxyd Vergiftung und Diabetes mellitus. Von Dr. med. H. Zieschd. 
Monatsschrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesen; 1908, Nr. 6. 

Verfasser führt eine große Reihe Autoren an, welche darauf hingewiesen 
haben, daß nach der Kohlenozydvergiftung Zocker im Urin aasgeschieden 
werde; er bespricht dabei die Ursachen der Zackeraasscheidang. Alle Be* 
obachtangen über die Glykosorie stimmen aber darin überein, daß es sich nor 
um eine vorübergehende Zackeraasscheidang handelt. Fälle von bleibender 
Diabetes nach der Vergiftung sind no„ii nicht mitgeteilt, doch müssen sie nach 
Angabe früherer Autoren schon vorgekommen sein. Verfasser führt non einen 
Fall von Diabetes mellitos schwerster Form an, der sich die Krankh eit durch 
etne mäßig schwere Kohlenozydgasver^tang zagezogen haben sollte. Die 
Gutachter waren üW die Entstehang der Zackerkrankheit aneinig. Verfasser 
gibt die einzelnen Oatachten aasführlich wieder und kommt selbst za dem 
Schloß, daß der schwere Diabetes des Verletzten, der außer der Vergiftung 
darch Kohlenoxyd noch eine starke Kontusion bei dem Unfälle davon getragen 



Kltiinere Mitteilungen nnd Befente ans Zeitschriften. 


623 


halte, awar nicht mit ahsolnter Gewißheit, aber doch mit überwiegender Wahr¬ 
scheinlichkeit orsüchlich mit dem erlittenen Unfälle aosammenhängt. 

Dr. ILThomalla - Waldenburg (Schl.). 

Die frihseitlge Radiographie der Frakturen lur DlagnosensteUnng 
bet BetriehsnnflUleu. Von Dott. A. Bienfait-Liegi. La medlcina degU 
infortnni del lavoro e delle malatie profesaionali; 1908, Nr. 8. 

Bei der Behandlnng der Frakturen, selbst wenn letztere klinisch sich als 
gann einfache Fälle darstellen, sollte die Böntgenanfnahme niemals fortgelassen 
werden; denn hinter anscheinend dentlichen Knochenbrüchen können sich an« 
bedentende Absprengnngen kleiner Knochenstttcke and umgekehrt hinter an¬ 
scheinend nur Kontusionen Frakturen mit oder ohne Luxationen verbergen. 
Zur Ulustration solcher Vorkommnisse wurden 7 BOntgenbilder gegeben, die 
nach Konsolidation von Frakturen aufgenommen sind und lum Teil recht er¬ 
hebliche Deviationen der Fragmente erkennen lassen. Deshalb geht die Mahnung 
des Verfassers dahin, einmu alsbald nach dem Vorkommen einer als Fraktur 
anzusprechenden Verletzung eine Böntgenaufnahme zu machen, damit die 
genaue Diagnose gestellt werde, dann aber alsbald nach Anlegung des immo- 
blUderenden Verbandes eine weitere Aufnahme folgen zu lassen, um sich zu 
gewissem, ob die Fragmente in der richtigen Stellung zueinander sich befinden. 

_ Dr. Solbrig-AUensteia. 

D. Bukturlologl«, Infektlonskruiiklieituii nnd öffentllohuu 

BanltAtuweuen. 

BaRterlologrle, Infektionskrankheiten nnd andere Krankheiten. 

Mitteilougeu ans dem Jahresbericht des chemischen Dntersuchnugs- 
amtes am Hygienischen Institut der Unlversitdt Halle a« H. (Direktor 
Prof. Dr. C. Frankel). Von Dr. phil. Max Klostermann. Hygienische 
Rundschau; 1908, Nr. 10. 

In der Einleitung erläutert der Verfasser die allgemeinen (dienstlichen pu.) 
Verhältnisse der Ansmt. Diese übt die staatliche Nahrungsmittelkontrolle 
für einen Teil des Bezirks Merseburg aus. 

Im ganzen wurden rund 4500 üntersucbungen, die sich hauptsächlich 
auf Nahrangs-, Qenußmittel und Gebrauchsgegenstände erstreckten, ausgeführt. 
Beanstandung von Fleisch und Fleischwaren erfolgten wegen Geblütes an 
unerlaubten Konservierungsmitteln, die namentlich beim Hackfleisch in 
größerem Umfange in Form von Präservesalz (schweflige Säure und ihrer 
Salze) angetroffen wurden. 

In einer Beihe von Fleischvergiftungen gelang es einen zur Para- 
typhnsgruppe gehörenden Erreger zu isolieren. 

Bezttgliim ihres Fettgehutes mußten lö**/, aller untersuchten Milch- 
prohen beanstandet werden. Ein Vergleich mit der Zahl der Beanstandungen 
in früheren Jahren ergab, daß die Einführung einer geregelten Kontrolle durch 
eine Polizeiverordnung eine plötzliche Besserung veranlaßt hatte. Bezüglich 
der Beschaffung einwandsfreier Säuglingsmilch ääert sich der Verfasser daUn, 
daß alle Vorschriften, die sich auf Stallungen und Gewinnung der Milch er¬ 
strecken, sich in der Praxis schwer oder gar nicht durchführen lassen. 

In Batterproben konnte man Margarine resp. Kokosnußfett nachweisen. 
Nach Meinung des Verfassers wäre es wünschenswert (durch gesetzliche Bege- 
lung) bezüglich des Wassergehalts an Margarine nündostens die gleichen An¬ 
forderungen zu stellen wie an Butter. 

Beis und Graupen waren mehrfach mit Talkum überzogen, Eiergraupeu, 
Eier- und Wasseraudeln enthielten fast niemals Eier, wohl aber einen gelben 
Farbstoff. 

In Trinkbranntwein konnte mit Hilfe einer besonderen Probe denatu¬ 
rierter Spiritus nachgewiesen werden. 

Eine große Zahl von Untersuchungen erstreckte sich auf Wasser und 
Abwässer. Für gerichtliche Zwecke wurde einmal festgestellt, daß Chlor- 
magnesium wie Kochsalz ln ganz erheblichen Mengen dem Wasser zugesetzt 
werden können, ohne daß sie geschmeckt werden. In den geklärten Abwässern 
einer Lungenheilstätte konnte man TuborkelbazUlen nachweisen. 

Bei den Untersuchungen von Watteproben aus einem Kohlenbergwerk, 



624 Kleiaere Mitteiloiigai und Beferate ans Zeftaehitftca. 

ia dem mehrere tödliche Vergiftaagea Torgekommm wara, &ad ama eiae 
stirkere Schwefeliraaserstoffatwicklaiig. 

Eßlöffel oad Spielwarea waren anr anm Teil bleilreL 

Haarfarben bestanden gewöhnlich aas Höllenstein mit Pyrogallnminrfc 

4 Fflanzenpalver, die xor Abtreibang, aber ohne Erfolg, Terwandt 
waren, bestanden aas Flor. Tanacet c. foL (Warmkraat). 

8 Fairer bestanden aas Heroinam mariat 0,6 g, wodurch äne Ver* 
giftnng mit tödlichem Aosgang reranlaßt war. ln den Leichenteilen fand 
sich kein Heroin mehr vor; es war unter Aufspaltong in Morphin and Esa^* 
siare flbergeitthrt worden, ron denen das Morphin im Darminhalt and im 
Blnt naehgewiesM wurde. 

Bei Tersochtem Giftmord bestand das Gift einmal aas KaL hiozalk. 

_ Dr.Karpjaweit-Berlin. 

Jahresberieht Iber die Ergeboisse der DntenaebingstJUigfcatt des 
byfteniscb>bakterielegiscben Institats der Staift Dertmaad aof dem Ge* 
biete der ansteckenden Krankheiten fir des Jahr 1907. Von Dr. C. Stade. 

Hygienische Bandschaa; 1906, Nr. 9. 

Die Gesamtziffer der Dntersacbongen stieg Ton 889 (1906) aof 8908 in* 
folge Termehrten Aoftretens der Meningitis epidemica. 

ln 2 Fällen Ton Meningitis, daron einmal an der Leiche, gelang der 
Nachweis der Meningokokken im Blat. Bei dieser Leiche gelug es auch, den 
Meningococcos als alleinigen Erreger einer lobulären Pneamonie nachzaweisen. 
Von 166 Spinalpanktaten waren 68 positiT. ln einer Beihe Ton Fällen keimten 
noch Diplococcas pneamoniae, Strepto- and Staphylokokken nacbgewiesen 
werden, ln dickeitrigen Panktaten maßte man häofig bei der mikroskopischen 
Unteranchong der Aasstrichpräparate lange nach typischen Meningokokken* 
bildern Sachen, während wiederum Spinalflttssigkeiten mit geringem Bodensatz 
Bilder darboten, die an eine frische Gonorrhöe erinnerten. An der Leiche mißli^ 
häofig der l^tarelle Nachweis, ln den Panktaten Ton Lebenden hielten s^ 
die Meningokokken mitunter tagelang, ln 707 Bachenabstrichen, die zameist 
aus der (Tmgebng der Erkrankten stammten, wurden 89 mal Meningokokken 
kulturell gefanden. Hier waren sie fast in Beinkultur Torhanden. E& gleich¬ 
zeitig bestehender Bachenkatarrh schdnt die Ansiedlung der Meningokokken 
za MgUnstigen. 

Eine große Zahl Ton Untersuchungen betraf Typhus, Diphtherie, 
Taherkulo8e and andere Krankheiten. Erwähnenswert ist noch, daß einmal 
dne Lehrerin nach einer Diphtherieerkrankong und in einem Waisenhaos 
gelegentlich einer Diphtherieerkrankung 8 gesunde Kinder als Bazilleatriger 
ermittelt worden. Dr.Karpjaweit*Berlin. 

Jahresbericht Uber die Tltlgkeit des Untersnehongsamtez des hygl« 
enlseben Instituts in Freibarg L B. Tom 1. Januar 1907 bis 1. Januar 190$. 

Von PriTatdozent Dr. E. K ft s t e r. Hygienische Bundschau; 1908, Nr. 7. 

Aus dem Bericht, der zahlreiche Angaben Aber den Versand der Proben, 
Untersuchungsmethoden usw. enthält, sind folgende Punkte bemerkenswert. 

Am häufi^ten waren die Untersuchungen auf Tuberkulose, dann die 
auf Diphtherie. Die mikroskopbche, direkte Untersuchung des Diphtherie* 
materials hält der Verfasser nicht für empfehlenswert. Die sofortige Diagnose 
hat, seiner Meinung nach, keine sehr große Bedeutung, da jede klinisch schwere 
diphtherieTerdächtige Angina sofort mit Heilserum behandelt werden sollte, 
ohne erst das Besaltat einer bakteriologischen Untersuchung abrawarten. 
Die bakteriologische Diphtherieuntersachung ist Tor allem ffir die Hand¬ 
habung der Diphtherieprophylaze entscheidend, namentlich bei Diphtherie- 
rekonTaleszenten. 

Bei den Typhus Untersuchungen, deren dort gettbte Methode der Ver* 
fasser eingehend beschreibt, konnten einmal im Eiter ans einem Abszeß bei 
Epididymius Faratyphus B.-Bazillen isoliert werden. Es handelte sich um 
einen Patienten mit chronischer Gonorrhoe, der kurz Torher anscheinend eine 
leichte Paratyphnserkranknng durchgemacht hatte. Ebenso wurden zweimal 
bei Mastoiditis und bei einem Cholesteatom Terbunden mit Abszeß des rechten 
'^chläfenlappens Faratyphus B. - Bazillen gefanden. Weiterhin beobachtete der 



Kleinere MitteHongen and Befemte nne Zeiteehriften. 


626 


Verfnuer eine Pnrntyphae-HaiuepideBle in dem dortigen UinJaohen Hoepital, 
deren Elrnnkheitebild dem einer schweren GastroenteritiB entsprach. Von 
19 Personen, die im Laote Ton 24 Standen erkrankten, starb eine. 

Bei den üntersnchangen ron Meningitis konnten im Nasenschleim der 
Eltern eines meningitiskranken Kindes Meningokokken nacbgewiesen werden. 
Diese Beobachtung ist zor Beleuchtung der sozialen Seite der Genickstarre* 
bekimpfung von gewissem Interesse, da es sich um eine B&drerfamilie handelte. 

Im allgemeinen hat die Zahl der Untersuchungen im Berichtsjahre 
zugenommen. _ Dr. Kurpjuweit-Berlin. 

Bericht über die Ergebnisse des Untersnebnngsamtes fBr ansteekende 
Krankheiten ln Heidelberg Tom Januar bis Dezember 1967. Von Professor 
Dr. med. et phil. R.O. Neumann. Hygien. Bandschau; 1908, Nr. 8. 

Aus einer Tabelle ttber die Verteilung der Untersuchungen auf die ein* 
seinen Monate in den letzten 8 Jahren geht herror, daß die Monate Mai 
und Juni die grOßte Zahl von Untersuchungen aufweisen, während die Monate 
Norembor, Dezember and Februar „gesttnder* zu sein scheinen. Am gtinstigsten 
stellt sich der September. 

Eine Tabelle gibt weiterhin Auskunft ttber die Zahl und den positiTcn 
oder negatiren Ausfall der Untersuchungen bei den einzelnen Krankheiten. 
Auffällig konstant sind in den letzten Jahren diese Zahlen bei Tuberkuloee, 
Typhus und Diphtherie geblieben. 

Im allgemeinen hat die Einsendung von Material bei Typhus verdacht 
zugenommen; hierauf ist auch das Absinken der poslÜTen Ergebnisse bei den 
Untersuchungen zurttckznftthren. Der Verfasser weist von neuem darauf hin, 
daß bei Typhus die Einsendung von Blutproben der Einsendung von Stuhl Und 
Urin weit vorzuziehen ist, da die Agglutinationsprobe verläßlicher ist, und dem 
Arzt auch schneller das Besultat mitgeteilt werden kann. 

ln 8 Fällen von Meningitis verdacht wurden 6 mal Streptokokken ver¬ 
schiedener Art, je Imal ein influenzaähnliches Stäbchen, Bact. pneumoniae 
Friedländer und ein koliähnliches Stäbchen gefunden. Dies beweist die 
alte Erfahrungstatsache, das ein meningitisähnliches Bild Öfters auch von anderen 
pathogenen Erregern hervorgebracbt werden kann. Bei Meningitis hat sich, 
wie der Verfasser erwähnt, die Agglutination der Meningokokken nicht immer 
als ganz verläßlich erwiesen. 

fiüne große Zahl von Untersuchungen erstreckte sich auf die ver¬ 
schiedenartigsten Krankheiten, z. B. Pneumonie, Dysenterie, Syphilis, Milz¬ 
brand usw. Erwähnenswert ist, daß einmal der Nachweis von Milzbrandbazillen 
aus dem Kehrichtstaub einer Haarspinnerei gelang. Ferner konnte einmal ans 
dem Stuhl von Cholera nostras Paratyphus B., bei Bhinitis zweimal Diphtherie¬ 
bazillen und aus Konserven (Kohlrabi) Bact. pneumoniae Friedländer isoliert 
werden. _ Dr. Kurpjuweit-Berlin. 


Tropenbyglene. 

Weitere Beobachtungen Aber Atoxylfestlgkelt der Trypanosomen. 
Von A. Breinl und M. Nierenstein in Idverpool. Deutsche medizinische 
Wochenschrift; 1908, Nr. 27. 

Im Anschluß an Ehrlichs Feststellung, daß es gelingt, atozylfeste 
Ti^panosomen zu zflchten, konnten die Verfasser durch Versuche mit Nagana- 
Stämmen nachweiscn, daß deren erworbene Resistenz gegen Atozyl nur fttr 
die betreffende Tierspezies besteht, in der die Trypanosomen gezttchtet sind, 
daß die Arzneifcstigkeit aber aufhOrt, wenn die Stämme auf andere Tierarten 
ttberimpft werden. Am Schluß ihrer Arbeit weisen Br. und N. auf eine vom 
therapeutischen Standpunkte aus sich ergebende Gefahr hin, daß nämlich eventuell 
durch ungenügende Arscnikbehandlung Schlafkranker atozylfeste Stämme von 
Trypanosoma gambiense (das sie bereits in Meerschweinchen resistenzfäUg 
macnen konnten) kttnstlleh gezttchtet werden. Dr. Liebetrau-Hagen L'V^ 


Zum WlrkungsmecluuilfmuB des Atoxyls bei der Trypuosemlasls. 
Von 0. Levaditi und T. YamanouchL Aus dem Laboratorium des Prof. 
Metschnikoff im Institut Pasteur. Comptes rendus de la soc. de biol.; 
LXV, 1908, Nr. 24. 



626 


Kleinere Mitteilungen and Befeiate aoe ZeltedirlfteL 


Ehrlich hatte in der dentaehen dmaatologischen Oeeellsehaft die 
Mitteilnng gemocht, er Termnte, dofi Atoxjl nnter dem EinflnB der rcdn* 
zierenden Kraft der Organe Verindernngen erldde. Die Autoren hatten dann 
nachgewieeen, daß, wenn Atoxyl im Orgi^muB sich in einen Kfirper yerwandelt, 
der £e Trypanosomen und bestimmte pathogene Spirochaeten zu zerstören im> 
Stande ist, dieser Körper 24 Standen nach Einführung des Medikaments im 
Serum nicht wiedergefunden werden kann. Sie legten sich daher die Fri^ 
ror, ob diese Umbildung nicht bei direktem Kontakt mit den Zellen yor sich 

S ehe und zur Bildung einer parasitiziden Substanz führen könne, die im Moment 
er Entstehung wirksam sei und rasch eliminiert werde. Sie fand«, daß die 
Leber das Atoxyl in eine trypanolytische Substanz yerwandelt, das Trypano- 
toxyl, das die Trypanosomen in einer Konzentration yon 1 : 1000 Ato^l in 
2stündiger Berührung tötet. Auch Muskeln und Langen wirken ähnlich, wie die 
Leber. Auf der reduzierenden Eigenschaft dieser Organe beruht die Um¬ 
wandlung yon Atoxyl in TrypanotoxyL Entnimmt man sofort nach dem Tode 
des Tieres ein Fragment der Leber und wirft es in siedendes Wasser, so er¬ 
weist es sich ebenso aktir, wie frische Leber; nicht wirksam erweist sich dagegen 
das alkoholische Extrakt. 

Die prophylaktische und heilende Wirkung des Atoxyls 
beruht also auf der direkten Einwirkung des Trypauotoxyls, 
eines Beduktionsprodnktes des Atoxyls auf die Trypanosomen. 

Dr. Mayer-Suuuem. 


DealnfektloB. 

Ueher die bakterizide Wirkung des Olyierius. Von Prof. Dr. K Leyy 
und Dr. E. Krencker. Aus dem hygienischen Institut der Uniyersität und 
der med. Abteilung U des Bürgerspitals zu Straßbarg L Eis. Hygienische 
Bandschau; 1903, Nr.6. 

Wegen seiner antipatriden Eigenschaften hat man Glyzerin lange Zeit 
in der Chirurgie und in der Ohrenheilkunde yerwandt. Weiterhin gelang es 
Pockenlymphe, ferner bei der Toliwatschutzimpfang Babiesmednllen durch Zu¬ 
satz yon Glyzerin zu konseryicren. 

Zahlreiche Autoren haben nacbgewiesen, daß Glyzerin die widerstands¬ 
fähigsten Begleitbakterien der Lymphe, die Staphylokokken, zum Verschwinden 
bringt. Auch auf Cholerayibrionen, Stapbylococcus pyogenes aureus und das 
Bacterium coli wirkt Glyzerin nach den Untersuchungen eines Autors bak¬ 
terizid ein. Durch Abtötung der Bakterien yermag man ferner Antigene und 
Virus darzustellen, da die Lcibessubstanz der Bakterien und ihre Stoffwechsd- 
produkte nicht tiefgehend yerändert werden. 

Die Verfasser prüften eingehend die bakteriziden Eigenschaften des 
Mittels nach yerschieden langer Einwirkungsdaner und bei yerschiedenen 
Temperaturen, indem sie die Konzentration der Glyzerinlösungen yariierten. 
Ihre Versuche ergaben folgendes: Die Entwickelung yon SchimmelpUzen wird 
durch eine GlyzerinlOsung yon 30—35°/o yerhindert. Tuberkelbazillen yom 
Menschen sowohl, wie yom Bind in SOproz. Glyzerin bei 37** gebracht, erwiesen 
sich in 49 Standen als yollkommen abgetötet. Das Vakzineyims wird durch 
das Glyzerin abgeschwäcbt und schließlich abgetötet. Durch Aufbewahrung 
bei 12** mit Glyzerin wird es nach 7 Monaten oder noch später wirkungslos. 
In 10 proz. Glyzerinlösungen wurden bei 37** Staphylokokken am 12. Tage, 
Typhusbazillen am 13. Tage, Diphtheriebazillen am 3. Tage abgetötet. Je 
höher die Glyzerinkonzentration, desto rascher erfolgte das Absterben (eine 
umfangreiche Tabelle gibt über die zahlreichen Versuche mit den yerschiedensten 
Bakterienarten Auskunft). 

Praktisch wichtig sind die Untersuchungen in folgender Hinsicht. Falls 
es darauf ankommt, möglichst schnell Eubpockenlymphe herzustellen, bringt 
man die Lympheglyzerinmischung für 20—24 Standen in den Brutofen bei 87*, 
wodurch die Entzündungserreger, die in jeder frischen Lymphe yorhanden sind 
und die frühzeitige Verwendung hindern, yerringert und in ihrer Virulenz ab¬ 
geschwächt werden. 

Bei der Einwirkung des Glyzerins handelt es sieh um keinen chemischen 
Prozeß, sondern um einen solchen, der in Analogie zu setzen ist mit der Ein- 
wirkung yon Lösungen mit hohem osmotischen Druck auf gequollene Körper. 

_Dr. Kurpjuweit-Berlin. 



KleiBere Httteiliingen and B«ferste aas Zdtsohriften. 


627 


üntersaeliiBgeii Aber 41« bakterliideii WirkiufeB de« Hyfi«««]*. 
Von Dr. 0. Blasius. Ans dem hygienischen Institut der Onirersität H^e s.H. 
(Geh. Med.-Bat Prof. Dr. C. Fränkel). Hygien. Bundschau; 1908, Nr. 5. 

Das von der chemischen Fabrik Vahrenwald bei Hannover in den 
Handel gebrachte Hygienol ist eine Verbindung von Eresol und schwefliger 
Säure. Die Spros. LOsung besitzt ziemlich beträchtliche desodorierende Eigen¬ 
schaften. 

Enltnranfschwemmungen von Staphylococcus pyogenes, Streptococcus 
pyogenes, Pyocyaneus, Diphtherie und Cholera wurden durch eine 2prozentige 
Losung in einer Minute sicher abgetOtet. Das Mittel versagte aber bei Mil« , 
brandsporen, die an Seidenfäden angetrocknet waren. Die desinfizierende 
Wirkung zeigte sich hier erst so spät oder bei so starker Eonzentration, daß 
dadurch die praktische Verwendbarkeit des Hy^enols dort, wo es sich um 
Milzbrand handelt, sehr erheblich eingeschränkt wird. 

Dr. Eurp juweit-Berlin. 

üeber den Deslnfektienswert der drei KresoMsomeren in Gemiseken 
mit Seife. Von Dr. H. Schneider. Archiv für Hygiene; Bd. LXVIT. Sonder- 
Abdruck. 

Auf Grund des preußischen Ministerialerlasses vom 19. Oktober 1907, 
durch den fOr die Hebammen eine Eresolseife vorgeschrieben wurde, die an 
Stelle des früher verwendeten Trikresols eine nur aus meta- und para-Eresol 
bestehende Eresolmischung enthält, während ortho-Eresol wegen Minder¬ 
wertigkeit ausgesohieden war, hat Verfasser Veranlassung genommen, den Des¬ 
infektionswert der drei Eresol-lsomeren genau zu prüfen, zumal ihm der Wert 
der neuen Eresolseife nicht genügend geprüft zu sein schien. Auf Grund 
seiner Versuche kommt er zu folgendem Ergebnis: 

1. Die von Herzog und Emde vertretene Anschauung der Minder¬ 
wertigkeit von ortho-Eresol gegenüber para-Eresol läßt sich bei eingehender 
objektiver Prüfung der vorhandenen Literatur nicht aufrecht erhalten. 

2. Untersuchungen über den Desinfektionswert der drei isomeren reinen 
Eresole, und von Eresolgemiscben aus reinen Eresolen, bei Gegenwart einer 
fettsäurereichen LeinOlseife, haben gezeigt, daß Unterschiede von praktischer 
Bedeutung zwischen den einzelnen Eresolen hinsichtlich ihrer bakteriziden 
Wirksamkeit nicht bestehen, und daß Gemische der Eresolisomeren gleich¬ 
mäßiger und etwas besser als die einzelnen Erosoie wirken. 

3. Technisches Trikresol von gleicher Qualität, wie es im Lysol ent¬ 
halten ist, wies stärker desinfizierende Eigenst^aften auf, als ein ähnlich zu¬ 
sammengesetztes Trikresolgemisch. 

4. Auf Grund der vorliegenden Untersuchungen erscheinen die Voraus¬ 
setzungen, die zur Einführung der neuen Eresolseife des Erlasses vom 19. Ok¬ 
tober 1907 Veranlassung gegeben haben, hinfällig. 

ß. Durch ausführliche Untersuchungen wurde erneut festgestellt, daß 
Lysol der neuen Eresolseife des Erlasses vom 19. Oktober 1907 überlegen ist, 
im Gegensatz zu den Angaben des betreffenden Erlasses. Bpd. 

Desinfektion der Hände und der Haut mittels Jodtetraehlorkohlen- 
stoff und Dermagummlt» Von Dr. Wederhake in Düsseldorf. Medizinische 
Elinik; 1908, Nr. 34. 

Eingehende Versuche über die Desinfektion mit Jodtetrachlorkohlenstoff 
ergaben eine Eeimvermindernnu um 95<^/o, ein sehr zufriedenstellendes Besnltat, 
was diesem Desinfektionsmittd den Vorzug vor anderen ^bt, zumal es autii 
nicht feuergefährlich ist. Um eine vollständige Eeimfreiheit der Hände zu 
bekommen, ging Verfasser noch weiter und es gelang ihm eine Eautschuklösnng 
(Dermagummit) herzustellen, die der Haut so fest anhaftet, daß sie durch 
keinen mechanischen Insult, wie eine Operation ihn mit sich bringt, von der 
Haut entfernt werden kann. Er löst 4 g Parakautschnk in 100 g Tetrachlor¬ 
kohlenstoff auf und fügt hierzu 100 g Jodtetrachlorkohlenstoff (Jod. pur. 0,4, 
Tetrachlorkohlenstoff 100). Die Desinfektion geht folgendermaßen vor sich: 1) 
3 Minuten langes gründliches Beiben oder Bürsten mit Jodtetrachlorkohienston 
(1,0:1000,0); 2) Uebergießen der Hände mit steriler Dermagummitlösnng und 
gründliches Verreiben derselben. 3) Ev. Elbpudem mit Talk- oder Eaolin- 



628 


Kleinere Mitteiliibgen ond Referate ane Zeitschriflen. 


polrer. Vetlueer hat hiermit die besten Erfolge erzielt sowohl bei seinen 
LalNnratoriiunsTersiiehen, als aneh bei zahlreichen Operationen. Nach 62 Ope¬ 
rationen hat er zu Versachszwecken einen sterilen Sddenfaden mehrmals darai 
die Hand gezogen, mittels desselben Kulturen auf Agarplatten angelegt und 
diese 5—6 Tage bebrttten lassen. Die höchste Zahl der aufge^Mgenoi Kulturen 
betrug 88, wobei es sich größtenteils um Luftkeime handelte, die bei der 
Operation unTormeidlich sud. Bpd. 


Tersueho ttber die Desinfektion mit Antan*] Von Dr. A. Lleoy Morera, 
Direktor del Laboriatorio Mlcrobiologico 7 de AndUsis del Hospital de Ninos 
Pobres de Barcelona. Anais de Medicina, Barcelona, 1908, Nr. 6. 

Um sich nach Einsicht der zahlreichen, teilweise sich günstig und teil¬ 
weise ungünstig äußernden Literatur über Autan ein eigenes Urteil über dessen 
bakterizide Eigenschaft zu bilden, hat Verfasser unter Benutzung von Staphylo- 
coccus pyogen, aureus, Kolibazilien, TyphusbaziHen, Pyocyaneus und Anthrax, 
sowie Sputum als Testobjekte in einem Operationssaale von 93 cbm Versuche 
angestelit. Bei Benutzung von einem die vorsdiriftsmäßige Menge um über¬ 
schreitenden Autanquantums wurde folgendes Besultat nach einer Entwicklungs- 
dauer von 7 Stunden erzielt: 

Sämtliche Teste mit Ausnahme des ^utums wurden nach einer Beob- 
achtungszeit von 6 Tagen steril befunden. ^ dem Sputum konnte in einmn 
Fall nach drei Tagen, in einem anderen nach vier Tagen Wachstum be¬ 
obachtet werden, während in Wattepfropfen aufgesaugtes eitriges Wundsekret 
nickt sterilisiert wurde. 

Verfasser kommt zum Schluß, daß mit Autan eine sehr gute Ober- 
flächendesbfektion erreicht wird, wohingegen die Tiefenwirkung wie bei all« 
Formaldebydverfahren nur gering ist; auch ist die Wirkung in den oberen 
Teilen d« Raum« energischer als am Boden. Dr. A. Döll-Vokwinkel. 


Zwei elnfaehe Deslnfektlonsverfahren durch Formaldebyd.i) (Autan- 
und Permanganat-Formalin). Travail fait au Laboratoii de bactäriologie du 
Bureau de salubritö. Von Dr. FrödöricBilliet. Bevue medicale de la 
Suisse romande; 1908. 

Verfasser vergleicht an Hand einiger praktischer Versuche das Autan- 
verfahren und das Evans- und Busselsche Permanganat-Formalin-Ver¬ 
fahren in seiner Modifizierung nach Dörr und Baubitschek miteinander. 

Ans einer vergleichenden Tabelle über die Entwicklung von Formal¬ 
dehyd bei Anwendung des Breslauer und der beiden genannten Verfahr« 
geht hervor, daß mit Autan die größte Menge Formäldehyd pro Kubikeinheit 
erzielt wird, dagegen die Menge des entwickelten Wasserdampfes geg«über 
sämtlichen anderen Verfahren zurückbleibt. 

Aus den angegebenen Versuchen schließt Verfasser, daß das Permanganat- 
verfahren wirksamer sei, als die Autanmethode und in Anbetracht d« billiger« 
Preises ersterem der Vorzug zu geben sei. Es ist hierbei jedoch zu berück¬ 
sichtigen, daß sämtliche Versuche in einem Baum ansgeführt wnrd«, welcher 
keine besondere Abdichtung erfahren hat und daß die dem Autan zugesetzte 
Wassermenge in keinem Falle der Vorschrift (80**/o) entsprach. 

Bei dem ersten Versuch, bei dem 23 g Autan pro Kubikmeter mit un¬ 
gefähr der gleichen Menge Wasser übergossen wurde, war das Besultat ein 
wesentlich besseres als bei den übrigen, in denen zwar bis zu 60 g Autan pro 
Kubikmeter zur Verwendung kamen, dieselben jedoch mit der exorbitanten Menge 
von bis zu 120**/o Wasser behandelt wurden. Aus der in der Einleitung ans¬ 
geführten Bemerkung, daß augenblicklich die Autankomponenten in der n«« 
Packung voneinander getrennt erhältlich seien, geht mit Berücksichtigung der 
Versuchsanordnung hervor, daß die Arbeit selbst nicht mit dem heute noch 
allein im Handel befindlichen neuen Autan ausgeführt wurde. 

Dr. A. D öll-VohwinkeL 


>) Siehe Beilage zu Nr. 17 d. Zeitschr., S. 166. 



Kleinere Hitteilengen and Befente «ae Zeltsohrlften. 


620 


Ortehjglmie. Wnseerreraorgimg und AbvteeerboMliignng. 

Die WehnnngsrerMltnlifle In Fmnkreieli mit kesenderer Berlek« 
•lehtlgang der Stidte* Die Notwendigkeit^ billige Wohnnngen rlelkdpflgen 
Fmlllen la llberlusen. Von Dr. Jaqaee Bertillon. Borne d* Hygiene 
et de Police saoitaire; Bd. 80, Nr. 6. 

Die Wühnnngarerh&ltniese der Stadt Paris sind nach Bertilion’s Ans- 
fttbrnngen erheblich besser als die anderer eorop&ischer Orofist&dte. Han kennt 
dort weder Eellerwohnnngen noch Schiafstelienweaen. Immerbia wohnt ein 
grofier Teil der BerOlkernng in nogenftgenden Wohnnngen. In dem flbrigen 
Frankreich sind die WohnnngsrerhUtnisse nicht so günstig wie in Paris. Am 
besten sind sie in den mittleren Städten zwischen 50—100000 Einwohnern. 

Kinderreiche Familien haben besonders Schwierigkeiten angemessene 
Wohnnngen zn finden. Bertilion schlägt vor, die reichen Mittel prirater 
Wohltätigkeit (Bothschild hatte allein 10 Millionen iür Arbeiterwohnnngen 
gestiftet) nnr solchen Familien zu Gute kommen za lasse^ die mehr als 
8 Kinder haben. Dr. Dehrn •Hannover. 


DieBowton Honsesln London. VonG. Albreoht>Leipzig. Gesnndheits* 
Ingenienr; 1908, Nr. 27. 

Bis heute bat die Gesellschaft „Bowton Honses London* 6 Männerheime 
als »Poor Men's Hotels* errichtet; das erste wnrde 1892 eröffnet and verfügt 
über 484 Bettränme. Im letzten Jahre gewährt die Gesellschaft jede Nacht 
durchschnittlich 4000 Männern Scblafstätte, Speisung und Erholung; Baum ist 
für ca. 6000 vorhanden. Die Gesamtziffer der 1^6 vermieteten Betten betrug 
1500000. Dr. Wolf*Marbarg, 


Gartenstadt nnd Gesnndhelt. Von Dr. A. Fisch er•Karlsmhe. Verlag 
von Baedeker and MOllor>Berlin. 

Von dem Verlag wird eine Monographiensammlnng (Vorortsbibliothek) 
heransgegeben, die das Ziel bat, die einzelnen Fragen des Vorortlebens zn 
wOrtern nnd anf den verschiedenen Gebieten die Erfahmngen von Fachleuten 
nutzbar an machen. Die vorliegende Abhandlung beschätigt sich zunächst 
damit, die Entwicklung der Gartenstadtbewegnng zu schildern nnd namentlich 
die Brfolge in England klarzulegen. Wenn aucm in Deutschland andere Ver* 
hUtnisse sind, so ist Verfasser d^och der sicheren Hoffnung, daß auch hier in 
den nächsten Jahren Gartenstädte, besonders aber Gartenvorstädte entstehen 
werden; in Karlsruhe ist die Bewegung bereits im Gange. Um diese aber 
zu unterstützen, stellt Verfasser von sozialhygienischem Standpunkte aus die 
Forderung, die Gartenstadtgenossenscbaft möge auch die Mietskaserne in ihrer 
Sieddung zulassen. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Voranschlag zur Abfindemng der ln Landesbanordnnngen bisher 
ttblleben Grnndsfttze über die Bebaubarkeit des Gmnd nnd Bodens. Von 
Prof. Ewald Genzmerin Danzig. Technisches Gcmeindeblatt; 1908, Nr. 5. 

G. woist mit Becht darauf hin, daß die bisherigen Landcsbau- 
Ordnungen In den Vorschriften betreffend unbebaut zu lassende Freifläche, zu¬ 
lässige Geschoßzahl und erforderliche Abstände an dem schweren Fehler kranken, 
daß die Verhältnisse der größeren Städte mit den naturgemäß geringsten An¬ 
forderungen an die Hygiene auf die kleineren Orte übertragen werden, und 
daß auch in diesen einer ungesunden Bauspekulation freier Spielraum gegeben 
wird. „Sie setzen das Minimum der Bedeutung in der baulichen Ausnutzbarkeit 
des Grund und Bodens fest,'* die Hoffnung aber, daß die örtlichen Bauordnungen 
ans freiem Antriebe schärfer gestaltet werden, ist trügerisch. Deshalb 
fordert G., es sollen die LandesbaupoUzeirorschriften vielmehr „das Maximum 
der Beschränkungen allgemein festsetzen nnd erlauben, daß Erleichterungen 
getroffen werden können.** Dem Unfug der Mietskasernen soll möglichst 
gesteuert nnd der Bau von Einfamilienhäusern gefördert werden. 

Dr. Liebetran-Hagen L .W. 


Die Genebmlgnng von Entwttrfen für Stadtgesondheltswerke. Von 
Privatdozent Max Knauff in Charlottenburg. Technisches Gemeindeblatt; 
1906, Nr. 6. 



680 


Kleinere MitteUangen nnd Beferate nne Zeltsehrlllen. 


K n a n f f fahrt heftige Klage darüber, daß durch den veralteten Instanzen* 
weg viellaoh die Ctenehniignng kommunaler hygienischer Anlagen (Kanalisation, 
Wasser Werksanlagen etc.) eine unnötige und kostspielige Verzögerung erfi^e; 
er fordert Einrichtung einer Zentralstelle (unter dem Minister des Innern 
oder einem besonderen Gesundheitsministerinm), die hauptsächlich mit Ingenieuren 
und Chemikern besetzt werden soll, während Aerzte nur eine Nebenrolle spielen 
sollen, nnd an die sogleich vom Begiernngspräsidenten die Entwürfe unter 
Innehaltnng bestimmter Fristen zum Endentscheid gehen sollen. (Die geringe 
Beteiligung des ärztlichen Elementes an einer solchen zentralen Behörde dürfte 
wohl verkehrt sein. Bef.) Dr. Liebetran*Hagen L W. 


Ctofthrllehe Anordnung des Ueherlauflrohres eines Trinkwasser* 
behSlters mit Schwimmkngelhahn» Von Ingenieur H. Goodson*Berlin. 
Qesundheits • Ingenieur; 1908, Heft 29. 

Verfasser teilt einen Fall mit, in welchem der Ueberlanf des Heißwasser- 
rohrreserroirs an den dicht dabei liegenden Küchenabflußstrang angeschlossen 
war. Dieser war balbverstopft, so daß er nur kleine Mengen Wasser auf einmal 
abführen konnte. Infolgedessen trat die Flüssigkeit, sobald sie in der oberen 
Etage in größerer Menge in das Ausgußbecken der Küche geschüttet wnrde, 
dnrä das Deberlaufrohr in das Beservoir, wo sich bereits eine 10 cm hohe 
Schlammmasse angesammelt hatte. Da das Heißwasser zum Spülen des Ge¬ 
schirrs etc. verwandt wurde, so kann man wohl verstehen, welche Folgen diesor 
Mißstand hatte. Daher rät Verfasser, bei allen Anlagen derartige Fehler zu 
vermeiden. Dr. Wolf*Marburg. 


Eine neue Tauehelektrode. von Dr. Pleißner. Arbeiten ans dem 
Kaiserlichen Gesundheitsamt; Band XXVUI, Heft 2. Berlin 1906^ Verlag 
von Jnlins Springer. 

Verfasser beschreibt eine neue Tauehelektrode, die zur Bestimmung des 
elektrischen Leitvermögens des Wassers gebraucht werden soll, da die von 
Kohlrausch nnd Ostwald angegebenen nicht genug Widerstandsfähigkeit 
gegen Stoß nnd Erschütterung zeigen nnd auch nicht die Möglichkeit leichter 
Beinhaltung bieten. Sie besteht ans einer weiten, unten offenen nnd oben mit 
einem Eautscbukslopfen verschlossenen Glasröhre, in die eine zweite engere 
Glasröhre so eingesetzt ist, daß von ihr ein Hohlranm abgetrennt wird und 
sie selbst mit ihrem zu geschmolzenen Teil, der zwecks Beschwerung und sicherer 
Stellung beim Eintauchen mit SchrotkOrnern angefUUt ist, frei in den Hoblraum 
zu hängen kommt. Beim Eintauchen füllt sich der Hoblraum mit der zu unter¬ 
suchenden Flüssigkeit, wobei die Luft durch zwei SeitenlOcher entweicht. 
Als Elektroden sind ungefähr in halber Höhe des Hohlraums an der Innen¬ 
wand des äußeren und der Außenwand des inneren Glasrohres zwei Zylinder 
ans feinmaschigem Platindrahtnctz ein geschmolzen, die durch starke Platin* 
drähte mit mehrdrähtigen Leitungsschnüren verbunden sind. Die Drähte gehen 
ans dem Hohlraum durch die Wandungen der Glasröhren, mit denen sie ver* 
schmolzen sind, zu den Bohrungen des Kantschukstopfens hinaus. Der Apparat 
ist unabhängig von dem Volumen des ihn umgebenden Mediums; er gestattet 
Messungen in einem kleinen Becher glas, wie in einem großen Faß. Er gestattet 
auch Messungen in der Tiefe. Die Stellung der Tauehelektrode in dem zu 
messenden Medium soll nach den gemachten Versuchen ohne Einfluß auf das 
Besultat der Messung des elektrischen Leitvermögens sein. Angefeitigt wird 
die Elektrode bei der Firma Blechmann nnd Burger; Berlin Nr. 24, 
Auguststraße 3 a. _ Bpd. 


Die Abwasserbeseitignng In den modernen Kadaver •Terniehtnngn- 
und Verwertongsanstalten. Von Prof. Dr. T h i e s i n g. Arbeiten der Deutschen 
Landwirtschaftsgesellschaft; Berlin 1908. Heft 139, S. 71. 

Verfasser hat gelegentlich eines Preisausschreibens durch die Deutsche 
Landwirtschaftsgescllscbaft für Apparate zur zweckmäßigen Verwertung nnd 
Vernichtung von Tierkadavern nnd Abdeckereiabiällen die in Betracht 
kommenden sechs Systeme der Kadaver*Vernichtangs- bezw. Verwertungs* 
anstaltcu, Podewils, Greve, Venuleth und Ellenberger, Dr. Otte 
und Co., Forschepiepe, Voigt geprüft und ist nach den Untersuchungs- 



Kleinere WiteUnngen nnd Befente rae Zeitecfarifken. 


681 


ergebniesen zn dem Besaitete gekommen, daß, wenn man die in nngünstigem 
Sirae beeinflasaenden Crtliehen Verb&ltnlsse berttcksicbtigt, im aUgemeinen die 
Systeme den rem sanitären and technischen Standpunkte gestellten Anforderungen 
genflgen. Wo dieses nicht der Fall war, wie bei den Systemen Dr. Otte a. Co. 
and Forschepiepe lag der Fehler weniger bei den Systemen, wie bei den 
nnzalänglichen Einrichtangen der Abdeckereien. Die Leistungen der Systeme 
waren aber eben wegen der rerschiedenen ongUnstigen Verhältnisse keine 
genügenden; nur da konnte ron einer ünschädlichmachang der Abwässer die 
Bede sein, wo sie in die jeweilige Kanalisation entlassen wurden. Da aber 
die im landwirtschaftlichen Interesse, also in ländlichen Gemeinden errichteten 
Abdeckereien fast nie mit einer Kanalisation rechnen kOnnen, sondern vielfach 
sogar eine äufierst wasserarme Vorflnt haben, so ist dies auch keine befriedigende 
Lteung der Frage der Abwässerbeseitigung ans den Abdeckereien. Verfasser 
geht dann auf die einzelnen Punkte, die zu fordern sind, ein und 
macht zweckentsprechende Vorschläge. Fflr die richtige Wahl des Systems 
kommen in erster Linie die Menge und die Beschaffenheit der Abwässer der 
Vorflut in Betracht. Ihre Menge müßte durch Messungen festgestellt werden. 
V<ni den Verfahren selbt seien die besten die biologischen, sowohl die natürliche 
Berieselung, wie die künstlichen biologischen Verfahren, das Faulverfahren 
und das Ozydationsverfahren. Bei der Berieselung müsse die Beschaffenheit 
in Betracht gezogen; auch müßten gröbere Bestandteile vorher abgefangen 
werden. Von den künstlichen biologischen Verfahren hält er das Faulverfahren 
für das zweckmäßigere; dem Faulraum müßten aber Fettfänger vorgeschaltet 
werden. Bei der hohen Konzentration der Abdeckereiwässer müßten die Ab¬ 
messungen der Beinigungsanlagen groß genug gewählt werden, und die ganze 
AnlaM müßte so eingerichtet sein, daß sie in allen ihren Teilen ohne 
Schinerigkeit erweitert werden könne. Bpd. 

Gutaebten des Belchs-Gesundheitsrates über die Ableitung sjan- 
baltlger Abwässer der Znekerrafflnerie su Dessau lu die Elbe. Bericht¬ 
erstatter: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bubner und Geh. Ober-Bcg.-Bat Prof. 
Dr. V. Bnchka-Berlin. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Beiebsgesundheitsamt; 
Baad XXVIil, Heft 2, 1908. Verlag von Julius Springer. 

Ende Juni 1903 hatte sich in der Elbe ein plötzlichen Sterben von 
Fischen gezeigt, weshalb die Fiscbcreiberechtigten eine Beschwerde gegen die 
Zuckerraffinerio Dessau wegen Flußvernnreinigung durch Abwässer erhoben. 
Es wurde auch in den Abwässern der Fabrik das Vorkommen von Zyanver- 
bindungen festgestellt; das Herzoglich Anbaltische Ministerium veranlaßte daher 
eine Begutachtung durch den Beichs-Gesundheitsrat. Durch genaue Untersuchun¬ 
gen und Ortbesichtigungen wurde festgeatellt, daß tatsächlich im Sommer 1908 
ein Fiachaterben stattgefunden hatte, was höchstwahrscheinlich auf die giftigen 
Abwässer zurückgelührt werden mußte, in denen in dem Jahre 1903 und 1904 
häufig giftige Zyanverbindungen nachgewiesen waren. Die Fabrik war aber 
laut Konzesaionsbedingungen verpfiiebtet, die Abwässer frei von schädiiehen 
Bestandteilen abzuleiten. Auf Veranlassung der Aufsichtsbehörde hat dann 
die Fabrik ein Verfahren zur Beinigung der Abwässer angewandt, das als 
ausreichend bezeichnet werden mußte, denn seit April 1905 konnten 
weder giftige noch ungiftige Zyanverbindungen mehr nachgewiesen werden. 
Auf die Fragen der Begierung über die Schädlichkeit 1. von ganz geringen 
Mengen von Zyan, 2. von Zyanwasserstoff und Alkalizyaniden, 3. von Zyan-Doppel- 
Verbindungen, insbesondere Eisenzyanverbindungen, mußte geantwortet werden, 
daß diese sämtlich von den Abwässern ferngeh^len werden müßten. Das gelbe 
Blutlaugensalz gelte allerdings in geringen Mengen als ungiftig, aber es liege 
doch die Mögliäkeit der Umbildung in giftige Zyanverbindungen vor. Die 
Konzesaionsbedingungen wären also sinngemäß dahin zu ändern, daß „alle 
Einzel • Abwässer, welche irgendwie Zyan enthalten können, nur nach vorheriger 
Beinigung nnd bis auf Spuren frei von giftigen nnd ungiftigen Zyanverbindungen 
abgeleitet werden dürfen“. Die augenblicklichen Einrichtungen der Fabrik 
genügten, sofern keine Aenderung eintrete; es sei jedoch ständige Ueberwachung 
am Platze. Die Fabrik müsse fortlaufende Untersuchungen machen, die in ein 
dem Aufsichtsbeamten vorzulegendes Kontrollbuch eingetragen werden müßten. 
Mindestens 2 mal monatlich sei eine unvermutete behördliche Untersuchung 
notwendig. _ Bpd. 



682 


Kldnere lUttelliingwi imd Befente aiu Zdtsehriften. 


GntMliteB d6f Belohs • GMui4h«litrmt6ty betreffeid die Teria> 
refaüfMiif der Orla ud Kdtseha« direh fewerbllehe Abwlseer. Beriehi* 
ersUtter: Qeh. Ober>Beg.«Bat Prof. Dr. t. Basohka*Berlin and Gtoh. 
Med.«Bat Ministerialrat Prot Dr. Benk-Dresden. Arbeiten ans dem Kaiser* 
liehen Gesundheitsamt: Band XXVni, Heft 2. 1908. Verlag yon Jolhu 

Springer. Preis 4,40 Mark. 

Schon seit langem bestehen ünanträgliohkeiten wegen Vemntelnigongen 
der Floßlinfe der Orla nnd EOtsehan durch gewerbliche Abwisser, die in 
yerschiedentlichen Beschwerden ftihrten. Bereits im Jahre 1888 nnd dann 1897 
hatte sich der Beichsgesundheitsrat dazu gutachtlich geäußert nnd Vorschläge 
sur Abstellung der Mißstände gemacht, die aber nnberhcksichtigt blieben. Da 
auch die mit Anordnung der beteiligten Begierungen (S^sen-Weimar, 
•Meiningen, >Altenbnrg) getroffenen Einrichtungen keinen Erfolg hatten, wurde 
der Beichs-Qesnndheitsrat erneut um ein Gutachten gebeten. Er stellte fest, 
daß besonders die Abwässer der Tuchfabriken und Gerbereien von Pflsneck 
nnd Neustadt, dann auch die häuslichen Abwässer dieser Städte die Schuld 
an der Verunreinigung yon KOtschau und Orla tragen. Es sei notwendig, in 
beiden Städten die Abwässer zusammenzufassen nnd gemeinsam in geschlossenen 
Kanälen nach unterhalb der Städte anznlogenden lUäranlagen zu leiten. Es 
mflsse zunächst eine Versuchsanlage eingerichtet werden, um zu sehen, wie 
die Abwässer nach ihrer Vermischung sich gegenseitig beinflnssen würden. 
Falls die sofortige Ausführung der gesamten Anlage auf Schwierigkeiten stoße, 
könne im Bahmen des Gesamtplanes eine schrittweise Ausführung zugestandea 
werden, jedoch so, daß die Uär* und Beinigungsanlagen jeweUs der Menge 
und Zusammensetzung der zu behandelnden Abwässer angepaßt sein müss^ 
Unter allen Umständen bedürfe der Betrieb der EJäranlagen einer fortlaufenden 
sachverständigen Ueberwachung. Die Abwässer beider Städte müssen soweit 
gereinigt sein, daß die Mischung yon Abwasser mit der Vorflut selbst bei 
größter Schmutzwassermenge weder faule noch faulende Stoffe mitbringe 
oder ausscheide. Das durch das Wasser der Orla yerschuldete gelegenüiwe 
Auftreten yon Milzbrand ließe sich nur durch weitgehende Beinigung der 
Abwässer durch Bodenfiltration yerhüten. Unabhängig yon diesen Vorsclüägen 
müßten sofort Maßnahmen getroffen werden, die geeignet seien, die yorhandenen 
Mißstände zu beseitigen, wie Verbot des Einweichens der Felle in der Orla 
und KOtschau, sorgfältiger Betrieb und genaue Beaufsichtigung der bereits 
yorhandenen fänzelklärnngen. periodische und nach einem unter den beteiligten 
Begiemngen yereinbarten Plane auszuführende Beinigungen des Flußbettes. 

_ Bpd. 


Neue Erfahrungen auf dem Gebiete der MiUlbeseitlfung. Von ProL 
Dr. Thiesing'Berlin. Gesundheits•Ingenieur; 1908, Nr. 80. 

1. Der bislang üblichen Methode der Mttllaufsammlnng, dem sogenannten 
Mischsystem, ist die getrennte Aufbewahrung nach dem Dreiteilnngsqmtem 
hygienisch überlegen. 

2. Das Dreiteilungssystem ermöglicht auch eine wirtschaftlich ratioadle 
Beseitigung der Abfälle, 

8. f^r die zweckmäßige Durchführung des Dreiteilungssystems empfiehlt 
sich am meisten das Schema: 

1. Asche, 

2. Nahrungsabfälle, 

8. sonstige Abfälle. 

4. Die Einrichtung des Dreiteilungssystems setzt Erfahrung yorans, 
nnd es erscheint deshalb zweckmäßig, sie nach dem Vorbilde Charlottoaburgs 
unter gleichzeitiger Verstadtiiehong der Abfuhr einem leistungsfähigen Unter¬ 
nehmer zu übertragen mit dem Vorbehalt, daß das Unternehmen nach efaier 
gewissen Frist unter bestimmten Bedingungen an die Gemeinde übergehen kann. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 


Der Kampf gegen die Stechmücken. Von Fr. Begensberg-Stuttgart 
Blätter für Volksgesnndheitspflcge; 1908, Nr. 6. 

Die häufigste Art ist die gemeine Stechmücke (Culex pipiens L.); ferner 
kommt noch yor die geringelte Stechmücke (C. annnlatns Senrk). Die Laryea 



Xlein«n Mittetlongeii and Referate ans Zeitsehrifteo. 


6S8 


dieser beiden beimischen Arten leben xn Millionen in stehenden and ruhenden 
CiewSssem. Die Bekimpfnng mnfi sich am rationellsten gegen die Eier and 
Larven richten. Allgemeine fieschtong verdient das systematische Vorgehen 
der Breslauer stEdtischen Behörden, das erireuUcherweise auch bereits an 
andern Orten nachgeahmt ist. Hauptsache ist die Vernichtung der in Tttmpeb, 
Regentonnen, Bassins usw. sich entwickelnden Larven und Pappen (Larvidd, 
rohes Petroleum, Saprol oder Venol). Ferner müssen Tümpel, Sümpfe und 
Oriben mit stehendem Wasser aasgetrocknet oder xngeschüttet werden, eventl. 
sind sie so miteinander xn verbinden, dafi ein Abflufi stattfinden kann. Nach 
lertiggestellter Anlage sollen die im Herbst, Winter und Frühjahr sich mit 
Wasser füllenden Tümpel etc. mit Wasserpflanxen versehen, und außerdem 
Fische und andere Mückenfeinde eingesetxt werden. Es wäre wünschenswert, 
wenn die Behörden durch Belehrung des Publikums und finanxieUe Beihilfe 
sich an der Bek&mpfung beteiligten. Dr. Wolf •Marburg. 


H 7 |fl«ne der NaliriuigB* uad OenuesmlUeL 
Ist der teuernde Ziehorlengenuss sleher absolut unsehldlieht Von 
Dr. L. HorwitZ’Nümberg. Zeitschrift für neuere pbysikaL Medixin; 1908, 
Nr. 10. 

Die Autoren (Chemiker, Hygieniker, Aerxte etc.) sprechen sich seit der 
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis heute fast einstimmig in meist außer« 

f ewöhnlich scharfen Worten gegen die Verwendung des Zichorienabsudes aus. 

>ie früher enorm häufigen Verfälschungen sind auch heute noch lange nicht 
verschwanden. Verfasser zitiert eine Anzahl neuerer absprechender Urteile 
und widerlegt dann die wenigen Autoren, die hiermit nicht übereinstimmen. 
Wenn der Zichorie auch die Herz und Nerven anregenden — und demgemäß 
auch diese Organe eventuell schädigenden — Substaiuen vollkommen fehlen, 
müssen doch, zamal nach Boruttaus experimentellen Arbeiten, die reichlich 
vorhandenen und dem Körper in einfach gelöstem, elektrolytisch dlssoziertem 
Zustande zageführten Kalisalze als das Herz schädigend angesehen werden. 
Verfasser hat selbst bei ausgedehnten Versuchen sein Augenmerk hanpt- 
sächlich auf die Verdauungsorgane gerichtet und gefunden, daß Zichorien¬ 
xusatz zum Kaffee besonders bei nervösen Magenstörungen aller Art, bei 
Störungen, die mit Superazidität einhergehen, bei Magengeschwüren, Magen- 
katarrhen mit verschiedenerlei Sekretionsverhältnissen, endlich akuten und 
chronischen Darmkatarrhen verschiedener Art schlecht vertragen wird. Die 
durch Zichorie hervorgerufenen Beschwerden (Magendrücken, Sodbrennen, 
saurer Geschmack im Munde, selbst Uebelkeit und Brechneigung, sowie selbst 
Durchfall) verschwanden mit Weglassung der Zichorie, um umgekehrt wieder 
nufzutreten. Dazu kommt ,die Wertlosigkeit des Zicnorienabsudes in bezug 
auf Anregung und Nährstoffgehalt, endlich der ... unangenehme... Geschmack 
und Gerach“, die den Vorzug der Zichorie, ein wohlsdmeckendes, dunkleres 
Getränk zu liefern, hundertfach anfwiegen. H. resümiert, daß mindestens 
bei den recht zahlreichen Individuen, deren Magen- und Darmkanal eia 
wenig reizbar ist, der dauernde Zichoriengenuß ebie erhöhte Reizbarkeit 
leiqht hervorrnfen kann, die allmählich auch ihrerseits Beschwerden macht. 

(Autoreferat). 


Die Bewegung für reine Milch ln den Vereinigten Staaten. Von 
Dr.Emst Schnitze in Hamburg-Großborstel. Archiv für Volkswohlfahrt; 
Heft 8, 1908. 

Die Vereinigten Staaten, namentlich Neuyork und die östlichen Staaten, 
haben jetzt eine Bewegung aufznwelsen, die die größte Reinlichkeit in der 
Nahrungsmittel-Versorgung verfolgt, nämlich die Bewegung für die Lieferung 
reiner Milch. Früher wurde die Much einfach in offenen Kannen geliefert, die 
auf dem Wege vom Kuhstall zum Verkäufer soviel Bakterien aumehmen und 
entwickeln mochten, als sie wollten. Heute wird Me in Neuyork in dicht ver¬ 
schlossenen Flaschen geliefert und durch 800 städtische Beamte kontrolliert 
und untersucht. 

Im Städtchen Rochester trat man zuerst der Frage der Versorgung 
der Stadt mit guter und reiner Milch näher; man begann mit der Pss^- 
risiemng, setzte dann aber an Stelle dieses Verfahms die Rdnhaltnng 



684 


Kleinere Hitteilangen and Referate aus Zeitschriften. 


und Ktthlbaltong von Anfang an. Der Erfolg war ein Sinken der Kinderstetb* 
liohkeit um weni^tene 40in knizer Zeit. 

Dem Beispiel Bochesters folgte Nenyork; jedoch ist hier ein heftiger 
Kampf entbrannt zwischen den Anhängern der Pasteorisiernng and der der 
anderen Methoden. Erstere behanpten, daß mit der Pasteorisiernng sehr gute 
Erfolge erzielt seien nnd führen die von Mr. Nathan Strauß in Nenyork ins 
Leben gernfenen Milchverkanfsstellon als Beweis an. Die Gegner behaopten 
anderseits, daß diese Miichverkaafsstellen gewiß viel Gates getan, daß dies 
aber hauptsächlich durch die Methode der Beinlichkeit, die nicht eine Eigen* 
tttmlichkeit nur des Pastearisierungsverfahrens allein sei, erzielt worden lei 
und dadurch, daß man den Mttttern auf ihren Wunseh Anweisnng zur Be* 
handlang der Milch gegeben habe. Der Nenyorker Milchausschnß hat sieh 
ebenfalls in diesem Sinne ausgesprochen und gleichzeitig die Forderung auf* 
gestellt, an Stelle der Pasteurisierung lieber die Deberwachung der eingeUmeitea 
Milch und der Milchkühe durch städtische Inspektoren zu verstärken, gleieh* 
zeitig aber auch die der Straufischen MilohVerkaufsstellen zu vermehren. 

Bis jetzt beschäftigt die Stadt SO städtische Inspektoren, von denen 
die eine Hälfte die Behandlung und den Verkauf der Milch in den Läden und 
Straßen Überwachte, und deren Tätigkeit bereits aut den vier großen Bahn* 
hofen beginnt. Die andere Hälfte hat die Aufgabe, den Zustand der Meiereien, 
welche den Milchbedarf der Biesenstadt decken, ständig zu kontrollieren. Auch 
deren Tätigkeit ist keine leichte, wenn man bedenkt, daß die Milch nnd Sahne 
ans einer Entfernung von 600 km und noch weiter (aus Kanada) per Eisenbahn 
nach Nenyork transportiert wird. Es wird noch hervorgehoben, daß sie an 
die Meiereibesitzer Anweisungen verteilen, die diesen zeigen soUen, wie eb 
Kuhstall gehalten werden müsse, daß das Milchvieh, die Milch und das mit 
derselben hantierende Personal sich der grSßten Beinlichkeit zu befleißigen 
habe und die möglichste Kühlhaltung der Milch unbedingt gefordert werae, 
will nicht der Besiuer Gefahr laufen, daß seine Milch bei der Einlieferung in 
Nenyork zurttckgewiesen werde. 

Man beabsichtigt ein Bandes-MUchgesetz einzubringen. das für das 
ganze Gebiet der Union nicht nur die Verdünnnnu der Milcn mit Wasser, 
sondern auch ihre Verunreinigung infolge mangelnder Sorgfalt unter Strafe 
stellen will. Dr. Kypke*Barcharai-Bitbarg. 


Untenuchnugsergehniss Uber die tu Montevideo elngefdhrte Milch. 
Von H. van deVenne. Bevisla de la SeccionApronomdadelaUniversidad 
de Montevideo; Nr. II, Dezember 1907, S. 160—194. 

Verfasser hat 100 Milebproben, die er teils aus den MUchniederlasoi 
in der Stadt, teils von den mit einem Wägelchen oder Pferde herumziehenden 
Milchhändler in Montevidio, teils gleich auf dem Bahnhof bei der Ankunft des 
vom Lande hergelieferten Anteils entnommen und auf Bakteriengehalt, Sänr^ 
grad, Fettgehalt and Genußbrauchbarkeit untersucht Keine einzige Probe 
war vor dem Verkauf einer Sterilisation, Pasteurisierung oder Durchkochuag 
unterzogen, dagegen fand sich bei einzelnen (6) ein Säuregrad, der mit der 
geringen Bakterienzahl in solchem MinderverhÜtnIs stand, daß Hinzufttgüig 
eines Desinfektionsmittels anzunehmen war. 

Der Fettgehalt war im allgemeinen gering, was darauf zurttekzu- 
ftthren ist, daß es in Uruguay landesüblich ist, die Kälber nicht abznsetzo, 
und die Kühe nur zum Teil auszumelken, sodaß gerade die fettreichere Portitw 
gegen Ende der Euterentlehrung für das Kalb zurttdcbleibt. Prozentgebalts 
von 2,2 **/o Fett sind daher auch als normal zu betrachten und erst darunter 
beginnt der Verdacht an Verdünnung. — Der Bakteriengehalt schwankte 
in weiten Grenzen; von 88 Proben waren 2 verflüssigt, 15 enthielten weniger 
als 500000 Keime pro ccm, 30 je 1—10 Millionen, 21 je 10—160 Millionen, 
21 sogar noch mehr. Die im höheren Sommer entnommenen Proben hatten die 
höheren Zahlen, wobei der prozentische Anteil der peptonisierenden Baktnnn 
besonders groß war. 

Bei der Bestimmung der Säuregrade wurde vergleichswetse die 
Untersuchung auf Gerinnung bei Vermischung mit 50 **/• Alkohu nach Grosse* 
Bohle vorgenommen. Die von diesem Autor vorgenommene Gruppierung hat 
sich nicht ganz stichhaltig erwiesen. Die begneme Ermittelung hochgradig 



Kleioero Mitteibogen and Beferate ans Zdtachrilten. 


685 


Teraäaerier Milch (Aber 11 S&nregrade) miUela Znaatz des halben Volumens 
50 ‘/* Alkohol läfit aber dieses Verfahren nodi praktisch brauchbar erscheinen. 
Soldie Milch kann also sofort ganz ungeeignet bezeichnet werden. 

Insgesamt masten Ton 87 genau untersuchten Proben 82,2 ’/o als durch* 
ans ungeeignet zu menschlichem Genuß bezeichnet werden, und nur 50,6 **/» 
konnten, mit geringen Schwankungen der Werte, als geeignet gelten, wenn auch 
nur Ittr Erwachsene; der Best war verdtinnt oder sonst bedenklich. 

Dr. P. Speiser-Sierakowitz. 


SAnglingspflege. 

Die Pnsteurlslenug der Sängilngsmilelu Von Dr. A. Luerssen* 
Berlin. Blätter fttr Volksgesundheitspflege; 1908, Mr. 7. 

Die Erfolge, welche N. Strauß-Neuyork mit der Pasteurisierung 
der Sänglingsmilch gehabt hat, sind derart, daß eine Einführung dieses Ver* 
fahrens wünschenswert erscheint. Es wird folgendermaßen gehandhabt: Die 
beste Bohmildi, die jeweilig an dem betreffenden Orte zu haben ist, wird sofort 
nach Empfang (früh morgens) ftltriett und auf einem Weliblechkübler auf 
etwa 2—8** C. abgekühlt. Sodann werden in besonderen Behäitern und unter 
Zuhilfenahme besonderer Maschinen (Separator, Schleimkocher) die Mischungen 
nach bewährten Bezepten amerikanischer Aerzte hergestellt; es kann jedoch 
jeder Arzt Milch nach seinem Bezept für seine Paüenten herstellen lassen. 
Die Milch oder die Milchmischungen werden in den Behälter des Füllapparates 
gegossen. Unter diesen wird ein Korb .mit Fiaschen bis zu 886 Stück geschoben, 
die sich auf einen Hebeldrnck automatisch bis zu der gewünschten Marke 
füllen. Die Fiaschen sind so groß, daß sie je nur eine Mahlzeit enthalten. 
Nach dem Füllen werden die Flaschen leicht gekorkt. Der Stopfen trägt bis 
zur halben Höhe eine Bille, durch die während der Pasteurisierung Luft und 
Dämpfe entweichen können. Behufs Pasteurisierung kommen die Flaschen in 
einen einfachen Wärmeschrank, werden darin bis auf 70’ C. erhitzt und dann 
20 Minuten in dieser Temperatur belassen. Zur Kontrolle steckt in einem der 
Fläschchen ein Thermometer; darauf werden die Fiaschen sofort mit dem 
ScUägei fest zugekorkt, rasch bis auf 6 oder 6’ C. abgektthlt und schließlich 
in einen Eisschrank getan. 

Bei der Abgiure einer Tagesmenge wird jedesmal ein Stück Eis zur 
Kühlung mitgegeben. Familien, die keine Etthlrorrichtung besitzen, können 
einen einfachen Eiskühlkasten entleihen. Die gebrauchten Flaschen werden 
Torgebürstet, sterilisiert und nachgespült in Apparaten, die es gestatten, mit 
einer großen Menge gleichzeitig zu arbeiten. Die Pasteurisiernngsanlage 
arbeitet so schnell, daß in etwa einer Stunde bis zu 2000 Flaschen Milch 
fertiggestelit werden können. Die Mischung und Pasteurisierung der Milch 
ist im großen auch nicht teuer; die fertige Milch kostet etwa 20 bis 25 Pfennig, 
wenn die Bobmilch 16 bis 18 Pfennig kostet. Für die Pasteurisierung in 
einem einzelnen Haushalt ist ein Pasteurisiertopf bestimmt. Neben der Sänglings¬ 
milch geben die Strauß sehen Anstalten auch pasteurisierte Vollmilch in 
Flaschen und Gläsern ab; auch Butter wird ans pasteurisierter Milch hergestellt. 

__ Dr. Wolf-Marburg. 


Kefirmileh als Slngllngsnahrnng. Von Dr. Dresler-EieL Medi* 
rinisehe Klinik; 1908, Nr. 27. 

Bei den günstigen Erfahrungen, die Ton den meisten Autoren mit Kefir 
als Nähr- und Heilmittel bei den yerschiedensten Erkrankungen gemacht sind, 
hat sich Verfasser veranlaßt gefühlt, es auf seine Fähigkeiten zur Verwendung 
als Sänglingsnabrung zu prüfen, worüber bis Jetzt nur sehr wenige Versuche 
angestellt sind. Während Monti, der einzige, der größere Versuche an- 
gestelit hat, über sehr gute Erfolge berichtet, widerraten andere, wie Leyy und 
Metschnikoff besonders wegen des Alkoholgehaltes des Kefirs von 0,5—1,6 ’/o. 
Verfasser hat nun zur Herstellung der Kefirimch, die er zu seinen Versuchen 
brauchte, ein besonderes Verfahren angewendet, das sehr einfach war und 
Kefir von nur 0,1’/o Alkohol lieferte, das aber alle guten Eigenschaften, die 
verlangt wurden, besaß. Inbezug auf die Einzelheiten der Herstellungsweise 
verweise ich auf den Artikel selbst. Der Kefir wurde vorzüglich vertragen; 
erkrankte Kinder zeigten eine schnelle Besserung, die Gewi<mtssunahme war 



636 


Kldaere Hitteflongen and Bofente nas Zeltsebriftea. 


eine sehr rate. Nach seiner Ansicht hat er durch Eefinniloh manches Kind 
gerettet, das bei der sozialen Lage der Eltern zugrande gegangen wlre. 
Seine Erfahrongen faßt er in folgenden Sätzen zasammen: 

1. Die Kefirmilch ist wegen der Billigkeit, Zarerlässigkeit and Einfach¬ 
heit ihrer Einrichtong allen Saaermilchpräparaten Torzuziehen. 

2. Die Kefirmilch stellt ein vorzügliches Nahrungsmittel für gesunde 
und kranke Säuglinge dar. 

8. Die Kefirmilch ist wegen ihrer Billigkeit die Säuglingsnahrung der 
armen Familien. 

4. Die Kefirmilch ist berufen, bei Bekämpfung der Säuglinnsterblich- 
keit hervorragende Dienste zu leisten. Bpd. 


Dns Siuglingslielm lu Bannen. Von Dr. Th. Hoffa. Zeitschrift 
t Säuglingsfürsorge; 1908, Nr. 6—6. 

Das neue Säuglingsheim in Barmen ist am 1. Mai 1^07 eiOifhet und 
seiner Bestimmung übergeben worden. Die neue Anstalt ist wohl die erste, 
die in Deutschland in einem eigens zu diesem Zweck errichteten Gebäude unter- 
gebracht ist.*) Sie hat infolg^essen vielseitiges Interesse erweckt und schon 
jetzt recht zahlreiche Besuäer herbeigeftthrt. Das Erdgeschoß dient den 
Zwecken der Krippe. Hier werden Kinder tagsüber verpflegt, und zwar so¬ 
wohl Säuglinge, die größtenteils von ihren Müttern teilweise (morgens, mit¬ 
tags und abends) gestillt werden, als auch ältere Kinder von 1—8 Jahren. 
Im 1. Stockwerk ist das eigentliche Säuglinraheim untergebracht, das Säug¬ 
linge zu dauernder Verpflegung für Tag und Nacht aufnimmt. Um die Ein¬ 
schleppung ansteckender Krankheiten nach MOglchkeit zu verhüten, werden 
die neu zugebenden Säuglinge zunächst in sogen. Beobachtungsränme, den 8 
wesentlichen Bäumen an der Südseite, untergebracht. Die üebersicht über 
diese 8 kleinen Bäume ist dadurch sehr erleichtert, daß die Zwischenwände zu 
einem großen Teil aus Glas bestehen. Erst nach 14 Tagen bis 8 Wochen 
werden sie dann in die beiden größeren Säle verlegt. Das Kinderbett ist das 
von Schloßmann modifizierte Baginskische Bett. Unter jedem Bett 
hängt die Badewanne, in der Badetuch, Badethermometer und Seife auf- 
bewahrt werden. Unter jedem Bett liegt ferner in aufgerolltem Zustand die 
Billrothbattist-Unterlage, die dann benutzt wird, wenn das Kind auf der 
Wickelkommode untersucht oder (nach dem Bad) abgetrocknet und bekleidet 
wird. Im allgemeinen werden die Säuglinge im Bett trocken gelegt, weil 
dabei die Infektionsgefahr am geringsten ist. Im übrigen ist die Ausstattung 
der Bäume, die seit Schloßmann übliche (Uhr, Wage, Windeleimer, Vor* 
bandstoffeimer usw.). 

Im Anschluß daran wird über den Betrieb und die Diätetik berichtet; 
außerdem werden die Bestimmungen mitgeteilt betr. Aufaiahme von Kindera 
sowie von Mädchen zur Aasbildung. Dr. Wolf-Marburg. 


Ueber die stßrenden Einwirkungen von Brotsuppen (Abkeehangen von 
Brot ln Wasser) auf die Ernährung und Entwicklung Junger Organismen. 
Von G. Variot und P. Lassabliäre. Comptes rendus de la soc. bioL; 
LXV, 1908, Nr. 24. 

Bei Kindern, die ausschließlich mit Brotsuppen ernährt werden, findet 
man oft beträchtliche Erweiterung von Magen und Darm, dicken Lmb, Ver¬ 
zögerung im Wachstum, Anschwellung der Epiphysen, rachitischen Bosenkranz, 
Fersistieren der Fontanelle. 

Den Autoren gelang es nun, durch ausschließliche Brotsuppenfütterung 
— junge Tiere wurden bloß mit Brot ernährt, das in Wasser anfgeweidit und 
gekocht war — an Hunden dieselben Bilder zu erzeugen, wie sie bei Kindern 
Vorkommen. Bei den Tieren, die im Laufe solcher Unternährung starbms, 
fanden sie überdies Bronchopneumonien, Erweiterung des Magendarmkanals, 
Verrinrarura der Skelettentwicklung, beträchtliche Deminerallsation der Knochen. 

Die Untersuchungen bestätigten aufs Nene, daß die bei Armen in der 


*) Inzwischen ist ein weiteres in München eröffnet worden. (Anm. der 
Bedaktion.) 



- Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


687 


Kinderemähmng so hSnfig angewandten Brotsuppen ein fttr die Entwiokelong 
und die Qesondheit junger Organismen unzureichendes Nahrungsmittel darstellen. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Die stXdtisehe Sftnglingsflirsorge ln Berlin. Von Dr. Qust. Tugend* 
reich*Berlin. Archir für Volkswohllahrt; 1908, Heft 9. 

Während der Erwachsene eine Zeitlang sich unzureichend oder unzweck* 
mäßig ernähren und unter unhygienischen Verhältnissen leben kann, ohne 
dauernde Schädigung seiner Gesundheit, setzt bei dem Säugling aui^ eine 
Tortibergehende, unzweckmäßige Ernährung, eine unhygienische Pflege gewOhn* 
Uch Schädigungen, die nicht mehr zu beheben sind. Damm ist fttr den Säug* 
ling die Prophylaxe von allergrößter Bedeutung, die im wesentlichen auf der 
Stetigkeit in zweckmäßiger Ernährung und Pflege beruht. Man schätzt fttr 
Berlin die in diesem Sinne fürsorgebedarftigen Säuglinge auf 25—80000. 

Fttr die der öffentlichen Armen- und Krankenpflege unterstehenden 
Säuglinge sind das Kinderasyl und die Säuglingsstation des Bummelsberger 
Waisenhauses zur Verfttgung gestellt. Sobald die erkrankt gewesenen Säug¬ 
linge sich in der Rekonvaleszenz befinden, gibt sie die Stadt in Außenpflege 
an Haltefrauen gegen monatliches Entgelt von 20—30 Mark. Diese Halte¬ 
frauen werden von 8 städtischen Aerzten bezirksweise monatlich ehimal kon¬ 
trolliert. Hierin werden sie untersttttzt von 10 städtischen Aufsichtsdamen 
(„ W aisenhelferinnen“ ). 

Außer diesen von der Stadt untergebrachten Kindern gibt es noch eine 
viel größere Menge Kinder, die von ihren Müttern direkt an Haltefrauen ab¬ 
gegeben werden und über diese ttbt die Polizei die Aufsicht aus durch die 
&ei8ärzte und polizeiliche Aufsichtsdamen. 

Fttr die ungleich größere Schaar fürsorgebedttrftiger Säuglinge von 
solchen Eltern, die nicht so arm sind, daiß sie überhaupt nichts zur Pflege 
beisteuern könnten (Arbeiter, kleine Beamte und Geschäftsleute) können 
seitens der Kommune nur Beihilfen gewährt werden. Zu diesem Zwecke sind 
seit 1905 7 Säuglingsfürsorgesteilen errichtet worden, in denen Eanderspezial- 
ärzte täglich Sprechstunden abhalten und in erster Linie darauf hinwirken 
sollen, daß die Mütter ihre EÜnder selbst stillen. Daneben wird den künst¬ 
lich ernährten Kindern gute, ärztlich kontrollierte Milch zu ermäßigten 
Preisen geliefert. 

Die Tätigkeit dieser Fttrsorgestellen gestaltet sich folgendermaßen: 
Zunächst gelangen die Säuglinge aus dem Wartezimmer in das Wiegezimmer, 
von hier in das ärztliche Ordinationszimmer, wo sie untersucht, die Mutter 
aufs genaueste über Ernährung und Pflege instruiert, und gleichzeitig über eine 
zu gewährende Unterstützung entschieden wird. Diese besteht fttr stUlende 
Matter in Gewährung einer „Stillprämie*^ (Geld oder Naturalien); die Flaschen¬ 
kinder erhalten gute Kindermilch zu 20 Pfg. pro Liter. 

Neben dieser Anstaltstätigkeit entfalten die Fttrsorgestellen noch eine 
rege Außentätigkeit, die von Recherchedamen versehen wird. Diese sollen 
niät ausschließlich die Bedürftigkeit ermitteln, sondern sich auch von der 
Befolgung der ärztlichen Ratschläge überzeugen und, wo nötig, die Pflege 
und Zubereitung der Nahrung für den Säugling demonstrieren. 

Ein abschließendes Urteil läßt sich im Hinblick auf die kurze Zeit des 
Bestehens noch nicht abgeben. Dr. Kypke-Burchardi-Bitburg. 


SohoUiyglene. 

fNiruitennehnng bei Sehnlkindem. Von Prof. Dr. Preysing-Cöln. 
Zentralblatt fttr allgemeine Gesundheitspflege; 5. und 6. Heft, 1^8. 

In der Schule wird leider noch wenig Wert auf eine regelmäßige und 
grttndliche Untersuchung der Obren gelegt, obwohl letztere durchaus notwendig 
tot, wie daraus hervorgeht, daß durchschnittlich etwa 80 *>/o Volksschulkinder 
schwerhörig sind, darunter 2 "/o mit schwerem Ohrleiden, wie mannigfache 
Statistiken dartun, und daß etwa die Hälfte aller dieser seWerhörigen Kinder 
durch ärztliche Behandlung geheilt oder gebessert werden kann. Auch die 
pädagogische Seite ist besonders beachtenswert; denn der Nachteil der 
Schwerhörigkeit fttr den Unterricht liegt auf der Hand. Schließlich verdient 
hervorgehoben zu werden, daß etwa 1 "/o der Gestellungspflichtigen militär- 



638 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate aas Zeitschriften. • 


dienstmitauglich gefunden werden wegen Erkranknng der Ohren und dafl ein 
Teil dieser ontanglichen bei frühzeitiger Beanfsichtignsg nnd Behandlung Tor 
den schwereren Ohrerkrankongen hätte geschützt werden können. 

Die Wichtigkeit der Ohrnntersachnngen der Schulkinder ist ärztlicherseits 
l&ngst erkannt; praktisch ist bei uns in dieser Beziehung noch nicht viel 
geschehen. Es wirft sich die Frage auf, wer die Untersuchung Tomehmen 
soU, der Schularzt oder der Ohrenarzt, oder beide. Nor für große 
Gemeinwesen wird die Anstellung eines Schnlarztes angängig sein. Jedenfalls 
muß die technische Ausführung der Untersuchung gleichmäßig nnd einheitlich 
sein. Zu beachten ist die kleine Schrift der deutschen Otologischen GesellschaR: 
.Methode der Ohr Untersuchung bei Schulkindern“. Wenn der Schularzt hiernach 
die Voruntersuchung (Qehörprüfang mit Flüstersprache) ausführt, so sind alle 
sshlechthürenden, d. h. solche, die Flüstersprache unter 2 m hören, ohren¬ 
ärztlich nachzunntersuchen. Kinder mit kranken und bebandlungsbedttrftigea 
Ohren sollen durch den Schulleiter ihren Eitern bezeichnet werden. Wichtig 
ist, daß die Lehrer in richtiger Weise interessiert werden. Arzt nnd Lehrer 
müssen bestimmen, welche von den schwerhörigen Kindern im Unterricht in 
der Nähe des Lehrers sitzen sollen, welche einer Schwerhörigen-Klasse, einer 
Taubstummenanstalt, einer Klasse für zurückgebliebene Kinder oder einem 
Idiotenheim überwiesen werden müssen, ln München und Berlin sind probe¬ 
weise Schwerhörigen-Klassen eingerichtet, die sich gut bewährt hab^; es 
kommen dabei auf jeden Lehrer 2 Abteilungen zu 5 Kindern. 

Wenn man bedenkt, daß in Deutschland im Jahre 1880 Ton den Taub- 
stommen nur 42,6 ^/o erwerbsfähig waren nnd diese Zahl im Jahre 1900 sich 
auf 70,2 °/o gehoben bat, so kann man daraus schließen, welche Erfolge auf 
dem Gebiete der Ohrkrankheiten zu erzielen sind. 

_Dr. Solbrig-Allenstein. 


Kurzsiehtlgkeft und Ihre Terhtttung. Von Prof. Dr. Best in Breslau. 
Münchener Wochenschrift; 1908, Nr. 29 und 30. 

Verfasser beschäftigt sich in längeren, äußerst interessanten Ausführungen 
mit der Theorie der Karzsichtigkeitsentstehung nnd stellt als Quintessenz des 
praktischen Teiles der Abhandlung fest: Nor die Nahearbeit, Lesen und 
Schreiben und teilweise Handarbeit, macht das wachsende Auge unseres Kindes 
kurzsichtig. Vielwesentlicher als dieSorgefürguteBelenchtung 
istdieEinschränkung des Lesens nnd Schreibens (Abschaffung 
des deutschen Alphabets) und die Verbreitung dieser Kennt¬ 
nis in allen Bevölkcrungskreisen. Dr. Waibei-Kempten. 


Die Schulzahnpflege. Gesundheit; Jabrg. 83, Nr. 10. 

Die Schulzahnflcge gehört ohne Zweifel zu den Fragen, die gegenwärtig 
nicht nur die medizinischen Fachkreise, sondern auch die Laienkreise im weit¬ 
gehendsten Maße beschäftigt. Es ist unbedingt nötig, daß von seiten der 
Schule, also der Gemeinde bezw. des Staates, diesen Punkten die Aufmerksam¬ 
keit geschenkt wird, die sie verdient. Die Verbreitung der von dem Verein 
hessischer Zahnärzte heraasgegebenen Aufsätze betr. Belehrung über Zahn- 
gieno der Schuljugend ist wünschenswert. Die Behandlung der Zähne muß 
aber auch in der Fortbildungsschule und Armee Eingang finden. Die Frage: 
Schulzahnklinik oder ein Ersatz dafür? ist Us jetzt noch nicht geklärt. 

_ Dr. Woll-Maxbuig. 


Die freiere Gestaltung der Oberklassen der bßberen Schuleu vom 
Standpunkt der Hygiene. Von Sanitätsrat Dr. Benda-ßerlia. Zeitschrift 

für Scbnlgesnndheitspflege; 1908, Nr. 5. 

Verfasser wünscht, daß die hygienische Bedeutung der Frage eber 
freieren Qestaltnog der Oberstufe der höheren Lehranstalten bei den Sdbul- 
bygenikern mehr Beachtung finde. Die geistige Ueberanstrengong der Schttleir 
kommt nach Ansicht des Verfassers hanptsächlich dadurch zu Stande, daß die 
iadividBrllen Anlagen der Schüler, ihre Neigungen nnd Interessen gar kehm 
BerUckaichtigong finden; gerade aber in der Beschäftigung mit einem au^e- 



Klnnwe HitleUoBgeii and Referate ans Zeiteeh rift a n . 


489 


■ Oegenotaad liegt eine grofie AnipoaiiaBg 4 m GMsteo, die noch 

dasn Ton Jünglingen verlangt wird, deren „psychische und ptaysiache Um* 
bildong noch nicht vollendet ist, and bei denen Störaugen des seelischen 
Gleichgewichts häufig aoltreten“. Verfasser verlangt daram eine Entlastong 
der Oberstafe in dem Sinne, daß den Schülern die größtmöglichste Freiheit 
io der Wahl der Lehrgegenslände gewährt wird, and daß bei dem Abitarienten- 
examen auch gute Leistungen in Nebenfächern für angenügende Leistung in 
einem Hauptfach zam Ausgleich dienen können, ln der Frima des Gymnasiums 
za Straßbarg i. P. ist dazu ein praktischer Versuch gemacht durch die Spaltung 
der Schüler in eine mehr philologische und eine mehr mathematische Groppe; 
bemerkenswert ist, daß von 29 Schülern 24 sich der ersteren, nur ö der 
letzteren Grappe zugewandt haben. Beide Groppen geben aber in ihren Zielen 
nach Ansicht des Verfassers viel za weit and bedeuten mehr eine Be- als eine 
Entlastung. Verfasser verlangt für die Oberstafe auch andere Schulgesetze 
and andere Unterrichtsmaximen als für die Sextaner, da das Gefühl der Un¬ 
freiheit and des Druckes in uuerfroalichster Weise auf die Gemütsstimmang 
der jungen Leute ein wirke. Dr. Solbrig-AUeostein. 

Die Fflrsorge für die gchalentlassene Jagend. Von Geh. Admiralitäts- 
Eat Dr. Feilsch. Deutsche Aerzte-Zeitung; 1908, H. 8 und 4. 

Als ganz besonders geeignetes Hilfspersonal bei der Fürsorge für die 
schalentlassene Jagend empfiehlt Verfasser das Pflegersystem, waches das 
Grundprinzip des Berliner „Freiwilligen Erzichungsbeirats für schulentlassene 
Waisen*^ ist. Dieser Verein bringt 1500 bis 1600 Waisenkinder in jedem Jahre 
unter und behält sie dann noch 4 Jahre in Pflegschaft; er beschäftigt za diesem 
Zweck ebensoviel Pfleger und Pflegerinnen, laßt durch 150 Veretnsärzte os- 
entgeltlich die Pfleglinge untersucheu und bebandelo, sowie ihnen durch hundert 
fachmännische Beistände Bat und Belehrung für die einzelnen Zweige der ver¬ 
schiedenen Berufe gewahren. Uoborhaupt ist es von der größten Wichtigkeit, 
Aaß das Ergreifen eines falschen Berufs vermieden wird; deshalb soll neben 
der ärztlichen Untersuchung auf die körperliche Geeignetheit eine Belehrung 
über die Berufsgefabren etc. rechtzeitig eintreton. Dafür zu sorgen, wäre die 
Pflicht solcher Pfleger, die sich in den Dienst der schulentlassenen Jugend 
stellen wollen. Aach für die Beschaffung einer geeigneten Lehr-, Dienst- oder 
Arbeitsstelle müßten die Pfleger sorgen, event. mit Hilfe fachmännischen Bei¬ 
standes. Ist das geschehen, so hätte sich eine liebevolle Beratung für die 
nächsten 4 Jahre anzuschUeßen, damit der Pflegling in guten Beziehungen mit 
seinem Lehrherrn bleibt und eine geordnete Ausbildung erfährt. Daneben 
sollen die weiteren großen Bestrebungen sozialer Art gehen: die Wohnange- 
fürsorge, welche für die schulentlassono Jugend die besondere Gestalt der 
Lehrlingsbeime, der Fabrikpensionate, der Mädchenheime, der Arbeiterheime etc. 
annimmt; die Verbesserung der Volksbildung; die Weckung des Sparsinns und 
Verbesserung der Spargelegenhciteu; die Förderong der Mäßigkeitsbestrebungen 
etc. etc. Verfasser ist überzeugt, daß sich bei gutem Willen alle diese Be 
strebongen selbst in läudiiehen Yerbältnissen durchführen lassen würden. 

Dr. Elare-Hoina (Bez. Cassel). 

Anleitong zar hygienischen Erziehang. Von Frau Dr. Wilfa. Geißler, 
Waldheim bei Luzern, Zeitschrift für Schnlgesnndheitspflege; 1908, Nr. 4. 

Eine bessere hygienisch« Erziehang für unsere Jugend durch die Schule, 
verlangt Verfasserin, uud zwar nicht nur die Verbreitung theoretischer Kenntnisse 
sondern das Erreichen hygienisch vernünftigen Bouehmens. In ihrem Erziehungs- 
Institut bedient sie sich hierzu einer eigenen Methode: Indem sie auf die 
Neigung des Kindes baut, gute Lehren an andere Kinder weiterzugeben, ernennt 
sie in den Klassen verständigere Kinder als Augen wart, als Trink- und Eßwart, 
als Beinlichkeitswart, die unier ihren Genossinnen auf Befolgung der betreffenden 
hygienischen Begeln zu achten haben. Natürlich sind diese Kinder erst selbst 
darin unterwiesen; das Amt soll außerdem wechseln, damit die Kinder sich um so 
mehr daran gewöhnen. „Die frühe Gewohnheit ist das Beste und Richtigste; 
die spätere Belehrung soll sich daran auschiießen und findet an der vernünftigen 
Gewohnheit die beste Stütze“. Dr. Solbrig-AUenstein. 



640 


BUeinere Mitteilangen and Referate aoe Zeitschriften. 


Wormser Erholugshelm für krXnkliehey sehwielillehe SohalkiBdor. 

YonG. Bttttner -Worms. Zeitschrift für Scholgesandheitspflege; 1608, Nr. 6. 

Ycrfasser gibt einen üebcrblick ttber die Mittel and Wege, die der 
„Verein Ittr Gesundheitspflege armer, kränklicher Schulkinder“ in Worms gefundmi 
hat, um im Laufe von 4 Jahren ein Erholungsheim einznrichten, das etwa 
600 erholunesbedttrftigcn Kindern im Laufe des Jahres Aufnahme gewähren 
soU. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 75000 Mark, die Betriebskosten 
werden, unter Hinzurechnung von Verzinsung und Amortisation, auf 1,09 Mark 
pro Tag und Kind angenommen. An die Kurdauer, die in 4 wöchentlichem 
Turnus, eventl. länger, stattfinden soli, wird sich in geeigneten Fällen eine 
Nachpflege durch Milch, Bäder u. a. anscbließen. Eine neugebildete Wohnun^- 
inspektion wird mit dem Verein gemeinsam arbeiten. — Das Erholungsheim 
wird im Laufe des nächsten Jahres eröffnet. Dr. Solbrig*Allenstein. 


Sehnllrztllehe Erfahmngeii* Von Dr. med. Bayerthal, Nervenarzt 
und Schularzt der städtischen Hilfsschule in Worms. Psychiatrisch • Neuro¬ 
logische Wochenschrift; IX, 43/44. 

Aus dem reichen Schatze seiner schulärztlichen Erfahrungen teilt Bayer¬ 
thal einiges Wissens-und Beachtenswerte mit. In Abschnitt A, „Zur Aetiologie 
und Prophylaxe der Imbezillität“ wird der Alkoholismus in Überzeugender 
Weise für den Schwachsinn der Kinder verantwortlich gemacht und der Einfluß 
der Infektionskrankheiten, der Ehachitis und der verschiedenen nervösen Be¬ 
lastungen in begründeter und sacblichor Art zurückgewiesen. Es erscheint 
dem Verfasser auffallend, daß so außerordentlich selten schwachsinnige Kinder 
„jüdischen Glaubens“ (es hieße wohi richtiger jüdischer „Easso“ oder „4b- 
stammung“) angetroffen werden; er erklärt dies durch den geringen Aikohol- 
genuß der Juden; eine Erklärung, die trotz ihrer Einseitigkeit sehr viel 
Wahres enthält. 

In dem zweiten Abschnitte „üeber die Zalässigkeit kOrperUcher 
Züchtigung bei abnorm veranlagten Schulkindern“ spricht sich Verfasser be¬ 
dauernd darüber aus, daß auch von seiten der Eltern schwachsinnige Kinder 
häufig in zweckloser Weise gezüchtigt würden. Die Frage der körperlichen 
Züchtigung zum Zwecke der Strafe und Besserung ist ja noch lange nicht 
gelöst (Eef. hat selbst kürzlich in der Zeitschrift für Schulgcsundheitspflege, 
XXL Jahrg., 1908, ein kleines Teil dazu beizutragen versncht); Bayer¬ 
thal führt eine Eeihe klangvoller Namen an, die sich für oder gegen die 
PrUgelerziehung anssprechen. Im allgemeinen hat man aber doch den Ein¬ 
druck und das Gefühl, als ob ethisch höher stehende Menschen mit durch¬ 
gebildetem Charakter und planvoller Selbstbeherrschung sich gegen das Prügeln 
anssprächen. 

Für die gute Wirkung der Elektrizität bei schwachsinnigen ELindem, 
als Straf- und Erziehungsmittel, werden mehrere Beispiele angeführt, durch die 
dieses Mittel immerhin beachtenswert gemacht wird. Im übrigen sind die An¬ 
sichten, die über das Züchtignngsrecht der Lehrer in den Hilfsschulen aus¬ 
gesprochen werden, recht verständig und verdienen allgemeine Beherzigung, 
besonders auch von den Lehrern selbst. 

Im dritten Abschnitte, „Kopfomfang und Intelligenz im schulpflichtigen 
Alter“ beschäftigt sich Bayerthal auf Grund der von Möbius aufgestellten 
Behauptung, daß der Umfang des annähernd normal geformten Kopfes im 
allgemeinen mit den geistigen Kräften wächst, mit der Frage des Schädel¬ 
umfanges der Schnlkinder. Er kommt durch etwa 8000 Messungen zu dem 
Ergebnis, daß die Möbius sehen Ansichten im wesentlichen richtig sind. Ein 
abschließendes Urteil will er jedoch vorsichtigerweise noch nicht aassprechen, 
ehe er nicht über den Prozentsatz der Aasnahmen genaue Angaben machen kann. 

Es kann den Medizinalbeamten und Schulärzten dringend empfohlen 
werden, die Bayer thal sehen Beobachtungen zu beachten und weitere 
eigene Erfahrungen nach Möglichkeit zu sammeln und zu veröffentlichen. 

Dr. Pi If-Wiesbaden. 


Der Kampf gegen den Stanb ln den Schulen. Von Stadtbauinspektor 
Ublig-Dortmund. Technisches Qemeindeblatt; 1908, Nr. 7. 

Verfasser spricht sich anerkennend Uber die guten Erfahrungen nflt 
Fußbodenöl, um den Staub festzuhalten, aus, ist aber der Ansicht, daß es viel 



Ti^esnachrichten. 


641 


wiebtiger ist des Stsnb ttberhsnpt sss der Schnle fehizobslten, wie ihn am 
Boden festznkleben, was schliefiiich nur bei HolzfnßbOdon mOglich sei. Die 
einmaligen Aaslagen Ittr die Anlagen gegen die Einschleppnng des Staabes 
würden ja wohl beträchtlich sein, aber aaf die Dauer ktoe das Tiermalige 
jährliche Oelen doch bedeatend teuerer. Bei der Bekämpfung müßte man 
die Tersebiedenen Arten, wie der Staub hineingetragen würde, berücksichtigen; 
man müsse mindestens gepflasterte Eingänge haben; dann müsse die Umgebong 
der Schulen staubfrei, das Faßbodenmaterial ein gutes sein, daß es nicht 
so leicht abgenutzt würde, und schiießiieh müßten genügende und ausreichende 
Anlagen zur Beinigung des Schuhwerks vorhanden sein. U. beschreibt die Ton 
ihm angegebenen Fußabstreicher, die er lür sehr praktisch hält und die auch 
mit großem Erfolg in Dortmund gebraucht werden. Bpd. 


Pftrnorge fttr Kranke; Krankenanstalten usw. 

Deslnfektlonganlagen für Abwässer aus SrankenanstalteD. Von Dr. 
A. Wolfs holz •Berlin. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 20. 

Verfasser beschreibt die Ausführung, welche in dem Lazarettneubau in 
Myslowitz getroffen ist. Während die Eegenwässer durch eine besondere 
Bohrleitung dem Straßenkanal zugeführt werden, werden sämtliche andere 
Abwässer in einer Schmutzwasserlcitung einer Grabenanlage zugeführt, die in 
mehrere Teile zerfällt. Zunächst gelangt das Abwasser in die als Faulraum 
dienende Kammer, die geneigte Bodenanordnung und an der tiefsten Boden¬ 
stelle einen herausnehmbaren Schlammeimer erhält. Eine Ueberfall- und Tauch¬ 
wand unterstützen die Sedimentierung der Sinkstoffe und die Bildumg einer 
Schwimmdecke zur Aufnahme der Schwebestoffe. Einlauf und Ablauf liegen 
unter der Höhe des Wasserstandes, damit das Wasserbett nicht aufgerührt 
wird. Die Größenbemessung dieses Verfaulraums erfolgt mit der Maßgabe, 
daß der Fassungsraum der Abwassermenge eines Tages entspricht. Die Faul¬ 
kammer hat 2 Zwecke zu erfüllen: 

1) Zurückhaltung aller im Abwasser enthaltenen gröberen Teile, 

2) Zersetzung dieser Stoffe durch den Faulprozeß. 

Nach längerem Aufenthalt tritt nun das Abwasser unterhalb der 
Schwimmdecke aus der Faulkammer auf das Eoksfllter, das in der Zumisch- 
kammer oberhalb des Wasserspiegels untergebracht ist. Das Filter hat den 
Zweck, etwa noch mitgerissene gröbere Teile zurückzuhalten. Durch ein 
genau beschriebenes und patentanitlich geschütztes Verfahren wird dann in 
einer 3. Kammer eine selbsttätige und dauernde zuverlässige Abwasserdesinfl- 
zierung mittels jeden Morgen frisch bereiteter Chlorkalklösung an geschlossen; 
hier findet auch die Abscheidung der in Emulsion im Abwasser enthaltenen 
Schmutzteilchen (z. B. Fette, Seifenlauge etc.) dgreh die sedimentierende 
Wirkung des Fällmittels statt. 

Alle Kammern können leicht gereinigt werden. Die Ausführnngs-, 
Unterhaltungs- und Betriebskosten einer derartigen Anlage sind verhältnismäßig 
niedrig und kommen bei dem zweifellosen Nutzen kaum in Betracht. Durch 
eine derartige Anlage wird nicht nur den hygienischen, sondern auch den 
sozialen Forderungen genügt; die obligatorische Anwendung sollte nicht nur 
bei Krankenhäusern, sondern auch für andere Betriebe, z. B. Scblachthöfe 
verlangt werden. Dr. Wolf-Marburg. 


Tagesnachrichten. 

Ernennung. Auf Grund Allerhöchster Ermächtigung Seiner Majestät 
des Kaisers und Königs vom 15. August dieses Jahres ist Geh. Med.-Bat 
Dr. Salomon, bisher Bcg. u. Med.-Bat in Coblenz zum Honorarprofessor in 
der Abteilung für Bau-Ingenieurwesen der Technischen Hochschule zu Berlin 
ernannt worden; jedenfalls der erste Medizinalbeamte, der in eine solche Stellung 
berufen ist. Wir dürfen wohl annchmen, daß diese Berufung den Wünschen des 
Kollegen Dr. Salomon, der sich um die Frage der Abwässerbeseitigung 
durch sein vorzügliches Werk „die Städtische Abwässerbeseitigung in Deutsch¬ 
land“ hochverdient gemacht hat, entspricht und verfehlen nicht, ihm unsere 
Glückwünsche aaszusprechen. 



TageBnaohrichten. 


M2 


Eade September \>der Anfang Oktober soll im Beicbsamt des Innern 
in Berlin die seit längerer Zeit beabsichtigte Konferenz, nur Beratong 
Arsneirenorgang der Krankenkassenmltgileder unter Zaziehnng von Ver¬ 
tretern der beteiligten Kreise staitfinden. 


Die von der Aerztekammer Berlin-Brandenburg angeregte Errichtung 
einer Zentmlprfifongsstelle fttr Arzneien nnd Gebelmmlttel findet auch bei 

anderen Aerztekammera Unterstützung. Die schlesische Aerztekammer hat 
folgende Anträge einstimmig angenommen: 1. der Ausschuß der Aerztekammer 
welle an zuständiger Stelle die Einrichtung einer Zentralprüfungsstello zur 
Untersuchung von Arzneien, Gehcimmitteln nnd ähnlichen zur Behandlung für 
Kranke bestimmten Stofl'en und Apparaten im Anschluß an ein pharmazeutisches 
Institut oder beim Kaiserlichen Gesundheitsamt an regen. 2. der Aerztekammer- 
ausschuß wolle bei derselbon zuständigen Stelle die Erwägung darüber anregen, 
ob es nicht geboten scheine, die Herstellung und den Vertrieb der eben- 
genannten Arzueien, Stoffe nnd Apparate unter dauernde staatliche Kontrolle 
za stellen. 


In Bayern ist jetzt die neueingerichtete Stelle eines Laades-Gewerbe- 
arztes, der die Gcwerbeaufsichtsbeamten als hygienischer Fachmann beratmi 
und seinen Amtssitz in München haben soll, ausgeschrieben. Er muß mit der 
wissenschaftlichen Methodik, sowohl der statistischen, als der ezpofimentellen 
.vertraut nnd für hygienisch-ätiologische Untersuchnagen durch entsprechende 
Schulung in der klinischen, physikalisch - chumischen- und bakteriologisch- 
hygienischen Methodik vorgebildct suin. 

Der Landesgewerbearzt ist den K. Gewerberäten koordiniert. Anfangsg 
gebalt 4800 M., alle 3 Jahre um 600 M. bis zu 7200 M. steigend, eventaell 
Boreauentsebädigung; bei Dienstreisen Beisekostenersatz und Tagegeld voa 
It M. Ausübung von Privatpraxisistausgesublossen, Bewerbungsgesuebe 
sind mit den geeigneten Belegen über Vorbildang und etwaige bisherige wissen¬ 
schaftliche Arbeiten bis zum 15. Oktober d. J. beim Staatsministerium des 
Innern in München einzureichen. 


Behufs besserer Ausgestaltung des DestzfektioBSWMeiis sbd in 
Bayern nach Bekanntmachung des Min. d. Inn. vom 16. JaU d. J. an den 
hygienischen Instituten der drei Landesaniversitäten in München (für Oberbayem, 
Niederbayem und Schwaben), Würzburg (für Pfalz, Oberfranken und Unter- 
franken), nnd Erlangen (für Oberpfalz und Mittelfranken) Knrse zur Unter¬ 
weisung der Amtsärzte und zur Ausbildung von Desinfek¬ 
toren eingerichtet. Durch die Kurse für die Amtsärzte sollen 
diese zu einer gleichmäßigen Beaufsichtigung und Unterweisung der aus- 
gebildeten Desinfektoren befähigt werden. Der Unterricht wird von den 
Vorständen der betreffenden hygienischen Institute erteilt werden; die 
Dauer der Kurse ist auf 3 Tage, die Zahl der Teilnehmer auf höchstens 20 
festgesetzt; in erster Linie sollen diejenigen Amtsärzte einbernfen werden, ia 
deren Bezirken sich bereits aiisgebildete Desinfektoren befinden. Die nicht 
am Sitze der hygienischen Inslit ute wohnenden Amtsärzte erhalten die verord- 
nnngsmäßigen Tagegelder und Ersatz der Beisekosten. 

Die Kurse zur Ausbildung von Desinfektoren werden zum 
ersten Male vom 19.—26. Oktober d. J. io München, vom 12. —19. Oktober in 
Erlangen und vom 23.—31. Oktober in Würzburg abgehulten worden. Die 
Knrse sind unentgeltlich (für Bedienung 2 Mark); in einem Kursus sollen 
in der Begel nicht mehr als 20 Desinfektoren ausgebitdet werden. Gesuche 
um Zulassung sind mit den erforderlichen Belegen 2 Monate vor Beginn des 
Kursus bei den Distriktsbehörden einzureichen. Unbemittelte Teilnehmer er¬ 
halten event. Unterstützungen ans öffentlichen Mitteln. Am Ende des Kurses 
findet eine Prüfung statt, über deren Erfolg ein Zeugnis ausgestellt wird. 


Die Cholera hat in Bnßland leider eine immer größere VerhroHang 
genommen und sich schon bis Moskuu, von wo eine Erkrankung gemeldet wird, 
ausgedehnt. Nach den amtlichen Nachrichten erkrankten in der Woche vom 



Sprecbsaa). 


648 


14.—20. Aagast 1145 Peiaonen mit 517 TodesfäUen and 21.—28. Angast 1199 
mit 578 Todesfällen. Seit dem Aasbrncli der Cholera am 21. Joli sind bis zam 
28. Aogost 8141 Erkrankungen mit 1505 Todesfällen yorgekommen. 


Erkiaakiuigdii uid TodesfBUe aa anateckenden Erankk^ten ba 
PravSMn. Nadi dem Ministerialblatt für Medizinal* and mediziniBche ünter*^ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 28. Joni bis 1. Aagast 1908 
erkrankt (gestorben) an: Aassatz, Cholera, Gelbfieber, and Pest: 

— (—); Pocken: 8 (1), 8 (1), 4 (1), 4 (2), 2 (—); Bhckfallfieber: 

— (—). 1 (—), — (—), — (—). — (—); Pieckfieber: — (—), — (—), 
2 (-), - (-), - (-); Milzbrand: 5 (2), 1 (1), 6 (-), 4 (1), 3 (1); 
Tollwat: — (—), — (—), — (—), 2 (1), — (—); Biliverletzangen 
durch tollwutverdächtige Tiere: 1 (—), 4 (—), 4 (—), 4 (—), 
2 (—); Bahr: 41 (8), 20 (1), 19 (1), 16 (3), 22 (1); Unterleibstyphus: 
816 (18), 317 (23), 356 (28), 352 (35), 351 (84); Diphtherie: 945 (49), 
929 (62), 911 (56), 837 (44), 847 (55); Schariach: 1004 (46), 1223 (70), 
1168 (69), 1016 (67), 1079 (70); Genickstarre: 27 (11), 17 (8), 20 (9), 
19 (12), 9 (6); Kindbettfieber: 87 (16), 72 (22), 69 (17), 84 (19), 85 (28); 
Fleisch- and Wurstvergiftang: 1 (—), 6 (—), 1 (—), 61 (1), 2 (—); 
KSrnerkrankheit (erkra^t): 184, 311, 405, 128, 99; Tuberkalose 
(gestorben): 530, 606, 570, 669, 516. 


Anfragen des Krelarztes Dr. B. In W.: Fallen Dienstreisen im Aaf- 
trage des Landrats a) behufs Feststellang etwaiger Gesundheitsschädi- 
gungen darch gewerbliche Betriebe (Lärm, Baach osw.) oder b) be- 
hnfs üntersachongeiner Wasserentnahmes tellefttr eine anzalegende 
Wasserleitung unter das „Paascfaale* oder kann der Kreisarzt dafür 
liquidieren? 

Antwort: Nach § 1, Abaw 6 des Kreisarztgesetzes fallen die Kosten 
aller Beisen, die der Kreisarzt im Aufträge des Begierangspräsidenten oder 
des Landrats aasführt, der Staatskasse znr Last, also jetzt unter das Beise- 
paoschale. Durch diese, erst auf Beschloß des Abgeordnetenhauses zo dem 
Gesetz hinzugefügte Bestimmung ist zum Ausdruck gebracht, daß in allen 
Fällen, in denen der Kreisarzt als technischer Berater des Landrats oder von 
Amtswegen, z. B. auf Grund seiner Dienstanweisung, Beisen macht, die Kosten’ 
dafür der Staat zu tragen hat. In den unter a angeführten Fällen ist die 
Tätigkeit des Eireisarztes jedenfalls von dem Landrat io Anspruch genommen, 
um auf Grund des Gutachtens seines technischen Beraters eine Entscheidung 
treffen zu können. Die Dienstreise fällt demnach unter das Pauschale, auch wenn 
ein ortspolizeiliches oder Privatinteresse dabei außerdem in Frage kommesi 
sollte. Dasselbe gilt betreffs des unter b genaunten FaUes; denn die Begutachtniui 
einer Wasserentnahmeatelle für Wasserleitungen, liegt dem Kreisarzt nach 
§ 74 seiner Dienstanweisung und den Min.-Erlaßen vom 25. Februar und 25. Sep* 
tember 1902 von Amtswegen ob. Die Gesuche um seine Mitwirkung sollen 
noßerdom in solchen Fällen nicht unmittelbar an ihn von den Ortspolizeibe* 
hOrden gerichtet werden, sondern durch den Landrat erfolgen, der dann gemäß 
§ 1 Ahs. 6 des Kreisarztgesetzes den Auftrag erteilt (Min.*Eil. vom 23. März 
1907, Z. f. M. 1907, Beilage zu Nr, 9. S. 69). 


Anfrage des Krelsantes Dr. G. ln M.: Hat ein Kreisarzt Anspruch 
auf Gebühren für Ausfüllung der Fragen 1—12 des Fragebogens für die &ub* 
Stummenstatistik ? 

Antwort: Nein. Nach den Ministerialerlaßen vom 18. Dezember 1902 und 
20. Mai 1903 gehört diese Tätigkeit zu den Dienstobliegenheiten des Kreisarztes 
im allgemeinen staatlichen Interesse; deshalb werden auch die Kosten für die 
etwa aus diesem Anlaß entstehenden Beisen vom Staate getragen. — Jetzt 
fallen sie unter die Beisepauschate. 



I 


Tagesnacbriohten. 


644 


XXV. Hanptversammlnng 

des 

Prsussischen Medizinalbeamten-Vireins 

zur feier des 25iäbrigen Bestehens des Vereius 

verbunden mit der 

diesjährigen Hanptversammlimg 

des 

Deotschen HedizinaUieamten'Vereins. 

am 

liensUf, den 29. September and littioeh, dea Sl. Septeaiber INS 

in Berlin. 

im Prenssischen Abgeordnetenhanse 

Prinz Albrechtstrafie. 

, Xagesordnung. 

Montag, den 28. September: 

8 Uhr abende: Qeselllge Vereinigung zur BegrQesung (mit Damen) 

im Bestaurationsraume des Preußischen Abgeordnelenbauses. 

Dienstag, den 20. September: 

10 Uhr Tormlttags: Fest - Sitzung *) im Festsaale des Preueeisohen 
Abgeordnetenhauses (Prinz Albrechtstraße). 

Für die Damen der Teilnehmer sind Plätze freigehalten. 

(Betreffs der Tagesordnung siehe Nr. 15 u. 16.) 

6 Uhr naohmlttage: Festessen*) mit Damen im Hotel „Prinz Albrecht“ 
(Prinz Albrechtstraße Nr. 9); Preis des Gedeckes 6 Mark). 

9 Uhr abends: Qeselllge Vereinigung im „W eihenstepkan*, Friedrich* 

Straße 176/177. 

Mlttweeta, den 30. September: 

9*/t Ubr Tormlttage: Zweite Sitzung. 

IVaoh Soblnes der Sitaong (gegen 8 Uhr naohmlttage): Qemein* 
sohaftllches zwangloees Essen mit Damen im Zoologischen 
Garten. 

Abends: Besueh der KSnlgiiohen Theater; nach Schluß: Qeselllge 
Vereinigung. 

Die Yereinsmitglieder werden nm recht zahlreiche Teil¬ 
nahme sowie am Anmeldung derselben unter Benntznng der 
anliegenden Postkarte gebeten. 

Dar Vorstand des Preussischen und Deutschen Medizinalbeainten-Vereins. 

Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender. 

Reg.- and Qeh. Hed.-Rst iu Mmden. 

*) Anzug fttr Festsitzung und Festessen: Frack und weiße Weste, 
yerantwortl. Redakteur: Dr.Rapmund, Reg.-n. Geh. Med.-Rat in Minden i. W 

J. C. O. Bmns, UsrsogL Sächs. a. F. 6 c1l-L. HofbDchdmckvoi Ia jUn dom. 




2t Jaiütg, 


1908. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZMrtnlMatt für üs gesanti BesmOeibmsn, 

fOr gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heniugegeben 

Ton 

Dr. OTTO aAPHUND, 

ud Oah. lf«dl>liulr«t in Minden I. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Württembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fisoher's medis. Buohhandlg., E Kornfeld, 


Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

Inserate nehmen die Torlagshandlang sowie alle Annoncen-ExpedlUoaen des In- 

nnd Auslandes entgegen. 


Nr. 18. 


KmekelMt K. uid 90. Jeden Monate. 


20. Septbr. 


Zum Jnbilänm des Preussischen 
Hedizinalbeamten'Vereins. 

Fünfundzwanzig Jahre sind verflossen, seit der 
Preussische Medizinalbeamten-Verein durch Beschluss einer 
bei Gelegenheit der Berliner Hygiene-Ausstellung abge¬ 
haltenen Vorversammlung am 22. Juni 1883 ins Leben 
gerufen ist und seit dem am 28. und 29. September 1883 
seine erste Hauptversammlung in Berlin stattgefunden hat. 

Mit freudigem und dankbarem Gefühl kann der 
Verein auf die ersten 25 Jahre seines Bestehens zurück¬ 
blicken; sind während dieser Zeit doch viele der zahl¬ 
reichen bei seiner Gründung gehegten Hoffnungen und 
Wünsche der Medizinalbeamten in Erfüllung gegangen; 
und dass die Tätigkeit des Vereins nicht zum kleinsten 













646 


Zam JubilSam des t^renßischen ItediziMlbeamteaTerebs. 


Teil mit zu dieser Erfüllung beigetragen hat, muss ihn 
mit besonderer Genugtuung erfüllen. 

Fünfundzwanzig Jahre ist eine verhältnismässig kurze 
Zeitspanne. Noch niemals hat aber die Wissenschaft 
auf den für die amtliche Tätigkeit des Medizinalbeamten 
in Betracht kommenden Gebieten der gerichtlichen 
Medizin und Psychiatrie, sowie vor allem der 
Hygiene so grosse Fortschritte aufzuweisen, und noch 
niemals sind die wissenschaftlichen Errungenschaften auf 
hygienischem Gebiete von den staatlichen und kom¬ 
munalen Behörden in so umfassender Weise zum besten 
der öffentlichen Gesundheitspflege nutzbar gemacht, wie 
in dem jetzt verflossenen Vierteljahrhundert. Vor allem 
hat es aber noch keine Zeitepoche gegeben, in der das 
Medizinal- und Gesundheitswesen des Preussi- 
schen Staates eine so ausserordentliche Umgestaltung 
und Förderung erfahren hat, wie in den letzten zehn 
Jahren; denn wenn auch noch manche Wünsche in dieser 
Hinsicht unerfüllt geblieben sind, so ist doch eine feste 
und brauchbare Grundlage geschaffen, auf der mit bestem 
Erfolge weitergebaut werden kann. 

Und wenn wir nun heute fragen, ist der Preussische 
Medizinalbeamten-Verein den sich bei seiner Gründung 
gestellten Aufgaben gerecht geworden, so dürfen wir diese 
Frage aus voller Ueberzeugung bejahenl Der Verein 
hat aber nicht nur seinen Mitgliedern, er hat durch seine 
Tätigkeit auch der Wissenschaft und dem Vaterlande ge¬ 
dient. Möge die kommende Generation die Bestre¬ 
bungen des Vereins in der bisherigen Weise fördern, 
seine Fahne hochhalten und seinen Grundsätzen treu 
bleiben! 


Der Herausgeber. 



l)r.'Bihler': Sechsfacher Kindermerd dttrchlEbstechen einer Hutnadel nsw. 647 

Sechsfacher Kindermord durch Einetechen einer^ Hutnadel 

in den Kopf. 

Von Dr. E. Blhler in Httnchen. 

Großes Aufsehen erregte es in der Oeffentlichkeit, als im 
Oktober 1907 die Mitteilung durch die Tagespresse ging, in der 
Umgegend Mflnchens habe ein 14 jähriges Kindermädchen 6 kleine 
Kinder umgebracht. Es ist nicht Zweck der folgenden Zeilen, 
den traurigen Fall in seinen Einzelheiten zu beschreiben; es möge 
hier genügen, anzufflhren, daß das Mädchen eingestanden hat, die 
6 Kinder durch Stiche in den Kopf mit einer Hutnadel getötet 
zu haben; die 6 Kinder, die schon vor 14 Tagen bis über 1 Jahr 
begraben waren, wurden exhumiert; der Sektionsbefund, väta 
großem wissenschaftlichen Interesse, gibt wohl an anderer Stelle 
besondere Veranlassung zur Besprechung. 

Einem Wunsche der verehrl. Redaktion entsprechend sei hier 
aus dem Protokoll über die Sektion des zuerst exhumierten Kindes, 
des IV4 jährigen Georg Bichl er, 14 Tage p. m., folgendes kurz 
angeführt: 

..am behaarten Kopf auf der Scheitelhöhe zwei bräunliche, (zu* 

eammen) erbsengroße Blutunterlaalangen, von denen die kleinere als nur ober« 
flächlich auf die Oberhaut beschränkt sich erweist, die zweite größere in der 
Tiefe der Lederhant über der Beinhaut des Schädels eine dunkelrote, nicht 
abwischbare Unterlaufung zeigt, ln der Umgebung der Verfärbung sind die 
Haare an der Wurzel bräunlich verfärbt. 

.... an der erwähnten Stelle an der Innenseite der hinteren Weichteil« 
kappe eine dnnkelrote Verfärbung, welcher eine für eine feine Sonde 
durchgängige Oeffnung durch die Haut entspricht. Die Knochen« 
haut ist hier in StecknadelkopfgrOße verletzt, dunkelrot; man fühlt mit der 
Sonde eine Einsenkung des Knochens. Nach fhitblößung von der Beinhaut 
zeigt sich an dieser Stelle eine durch den Knochen gehende, runde, für 
eine Nadel durchgängige Oeffnung. Auffallend ist die dnnkelrote 
Färbung der in der Nähe dieser Oeffnung befindlichen Hinterhaupts« und Pfeil¬ 
naht, welche mit Ausnahme einer etwa erbsengroßen Stelle an der großen 
Fontanelle vollständig verknöchert sind. 

Schädeldach vollständig verknöchert; die vordere Fontanelle durch« 
scheinend und noch etwas dünn. 

An der Oeffnung in der Innenfiäche des Schädeldaches dunkelrote Ver« 
färbung; die bnere Platte des Schädeldaches ist ebenfalls durchlöchert, für eine 
didre Borste durchgängig. 

Die harte Hirnhaut hier dunkelrot und blutig verfärbt; das Blut haftet 
fest auf der harten Hirnhaut. In derselben ein 2 mm langer Biß in der oberen 
Sdricht bis in den Längsblutleiter; die Umgebung des letzteren in Ausdehnung 
eines 5 Mark «Stückes dunkelrot verfärbt. 

Das Oehim an dieser Stelle gleichfalls dunkelrot verfärbt und mit 
flüssigem Blut aufgelagert, im allgemeinen aber durch Fäulnis schon stark 
erweicht; außer der groben Struktur ist nichts mehr erkennbar, eine Verletzung 
ddier nicht mehr nacbzuweisen." 

Die Beschuldigte, der die deutlich sichtbare, scharf ab« 
gegrenzte Verletzung im Schädeldach vorgezeigt wurde, leugnete, 
dem Kinde etwas getan zu haben, gestand aber dann dem sie 
abführenden Gensdarm die Tat zu. 

Bei den 5 anderen exhumierten Kindern, die schon bis zu 
IV4 Jahren begraben waren, war wegen yorgeschrittener Ver« 
wesnng nichts mehr nachzuweisen. Einzelne noch bemerkbare 
Defekte in den Schädelknocben der durchgehende in den ersten 




Lebensmonaten verstorbenen Kinder konnten nicht mit Sicherheit 
als Verletznngen angesprochen werden, vor allem bestand bei der 
vorauszasetzenden !^einheit der Verletzung die Schwierigkeit in 
der Unterscheidung einer solchen von den zahlreich vorhandenen 
Emissaria Santorini, ein Punkt, der eben auch die Entdeckung 
des Verbrechens erschwert. 

Der Fall ist juristisch dadurch erledigt, daß das noch nicht 
14 Jahre alte Mädchen nach Beobachtung in der Irrenanstalt fttr 
unzurechnungsfähig erklärt wurde; aber es dürfte vielleicht zweck¬ 
mäßig sein, einige allgemeine Bemerkungen an das ziemlich ver¬ 
einzelt dastehende Vorkommnis zu knüpfen. 

^ Jetzt, nachdem die Aufmerksamkeit darauf gelenkt ist, m*- 
scheint das Verfahren, kleine Kinder in den ersten Lebensmonaten 
auf diese Weise ans der Welt zu schaffen, äußerst einfach, sicher 
und unauffällig. Um sich davon ein BUd zu machen, braucht 
man sich bloß die Darstellung vor Augen zu halten, die die Eltern 
des letzten Opfers gegeben haben: 

Das Mädchen war bei Gtttlersienten in der Nähe von Dachau zur Auf> 
sicht des in diesem Fall schon I 7 « Jahre alten Kindes in Dienst; als die 
Eltern eines Mittags yon der Feldarbeit nach Hause harnen, fanden sie das 
Kind sehr unruhig; eine Nachbarin gab an, sie hätte das S^d am Vormittag 
besonders auffällig schreien hären; am Nachmittag wurde es ruhiger, ver¬ 
weigerte aber die Nahrung; am andern Morgen um 4 Uhr äußerten die Mtero, 
ehe sie in die Arbeit gingen, wenn es bis Mittag nicht besser wttrde, mOsse 
man den Arzt holen; als sie mittags nach dem Kind fragten, sagte das Mäd¬ 
chen: draußen in der Kammer liegt e& und beim Nachsehen fanden sie das 
Kind tot im Bett liegen. Irgendein Verdacht bestand nicht; dem Leichen- 
schaner wurde gesagt, das Kind habe offenbar die „Fraisen* gehabt, und das 
Kind wurde beerdigt. 

Die „Fraisen“ sind eine so allgemein bekannte und häufig vor¬ 
kommende Krankheit, daß eine Erkrankung und ein Todesfall daran 
als ganz gewöhnlich angesehen wird; die Leute, besonders auf dem 
Lande, holen meist dabei keinen Arzt; die kleine Verletzung in der 
Kopfhaut, die keine äussere Blutung verursacht, wird nicht bemerkt, 
ist am anderen Tage überhaupt verheilt; der Leichenschauer wird, 
selbst wenn er das Kind vorher besichtigt, hinter einer kleinen 
Blutkruste am Kopfe nichts besonderes finden, wenn man bedenkt, 
dass die Kinder oft unrein sind, mit Schuppen und Kratzeffekten, 
ekzematösen Stellen behaftet sind, und wenn man berücksichtigt, 
dass es zu den alltäglichen Vorkonunnissen gehört, dass er zu 
Kindern, die ohne ärztliche Behandlung wirklich an Krämpfen 
gestorben sind, geholt wird. Tatsächlich haben im vorliegenden 
Fall die 6 Kinderleichen die Leichenschau passiert, ohne dass 
etwas Auffälliges bemerkt worden wäre. Man kann auch meiner 
Anschauung nach .den Leichenschauem deshalb keinen Vorwurf 
machen; denn an eine solche Todesursache hat natürlich niemand 
gedacht, und selbst wenn einer der Leichenschauer die kleine 
Stelle gesehen hätte — im eben erwähnten Fall fanden wir bei 
der Sektion, nach Abrasieren der Haare, zwei braunrote zirka 
hirsekorngrosse Hautvertrocknungen — würde er wohl mit keiner 
Gedankenkombination der Wirklichkeit nahe gekommen sein. 

Ist also die nachträgliche Aufdeckung des Verbrechens — 
reibst unter Umständen durch eine Sektion — äusserst erschwert 



Sechsfacher Kindermord durch Einstechen einer Hutnadel in den Kopf. 649 

nnd je nachdem unmöglich, so ist anderseits die Ansftlhmng eine 
sehr leichte, rasche nnd sichere Anssicht auf Erfolg gewährende. 

Da liegt denn die Annahme sehr nahe, dass diese Art von 
Eindstötnng eine häufig geübte sein müsste. Merkwürdigerweise 
ist jedoch die Ansbeate in der wissenschaftlichen Literatnr 
eine sehr geringe und zwar auffallenderweise gerade in der neueren. 

Bei Richter (G^erichtsärztl. Diagnostik und Technik, 1905), 
in den Handbüchern der gerichtlichen Medizin von y. Hofmann, 
Oasper-Liman, Maschka, in der Vierteljahrsschrift für 
gerichtliche Medizin yon 1852 bis jetzt findet sich nichts über 
einen ähnlichen Fall erwähnt; auch in den chirurgischen Hand- 
nnd Lehrbüchern ist nichts Spezielleres darüber yerzeichnet. 

Bei Dr. J. Maier: Gerichtlich-medizinische Kasuistik der 
Körperyerletzungen und Tötungen, Ingolstadt 1881, heisst es wohl 
bei den Kopf Verletzungen (S. 35): „Stichwunden können durch die 
Orbita, durch die Nasen- und Mundhöhle, durch das zerbrochene 
Siebbein in die Schädelhöhle eindringen“, yon den Fontanellen 
erwähnt er aber nichts und sagt bloss später (S. 124): 

„Die versteckte Lage des Oehims und die Unempfindiiekkeit seiner 
Oberfläche bewirkt, daß manche Verletzungen während des Lebens nicht leicht 
oder erst spät erkannt werden; 2. steht bei Kopfverietzungen die äußere 
sichtbare Verletzung häufig nicht in entsprechendem Verhältnis mit der statt- 
gefondenen Verletzung der inneren Organe, sondern die letztere ist nicht selten 
um BO bedeutender, je geringfügiger die äußere ist und umgekehrt. 

Dagegen lässt sich Dr. Schürmeyer, Professor in Heidel¬ 
berg (Theoretisch-praktisches Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, 
1850) im § 450 yernehmen: 

„Auf absichtliche Zufügung von Kopfverletzungen läßt sich schließen, 
wenn es Schnitt- oder Stichwunden sind. Zn letzterem werden gerne Nägel, 
Nadeln, Scheeren, kleine Taschenmesser verwendet (bei Nengeborenen)'^. 

Und Adolf Henke (Lehrbuch der gerichtl. Medizin, Berlin 
1841, 10. Aufl.) sagt im § 363: 

„Am gefährlichsten und meistens notwendig tödlich sind aber solche 
Stichwunden am Kopfe, welche durch die natürlichen Oeffnungen des Schädels, 
z. B. die Augenhöhlen) und bei zarten Kindern durch die Fonta¬ 
nellen oder an schwächeren Stellen desselben (z. B. an den Schlafbeinen) bis 
in das Gehirn eindringen und dasselbe verletzen, da weder kunstmäßige 
Untersuchung noch Behandlung dabei möglich ist.** nnd weiter § 585: 

..Neugeborene können durch Niederdrücken der Fontanelle, wodurch 

Sugillation entsteht, durch Einstechen von Nadeln in die Fontanelle, 
Ohren, Nasenlöcher nnd den Bachen getötet werden.“ 

Endlich lesen wir in dem „Kurzgefaßten System der gericht¬ 
lichen Arzneiwissenschaft durch J. D. Metzger, Königl. Leibarzt 
nnd Professor der Arzneiwissenschaft, Königsberg 1793* bei der 
Besprechung der Kopfverletzungen im § 100: 

„Stichwunden am Kopf.können auch entweder durch natüriiehe 

Lflcken dos Hirnschädels a) oder an dünneren Stellen desselben bis in das 
Hirn durchdringen und dasseibe mehr oder minder tief verwunden. Das Un¬ 
vermögen der Kunst, die Tiefe der Wunde selbst zu erforschen nnd ihre 
Heilmittel anzuwenden, macht, daß solche Wunden mehrenteils an sich oder 
wohl gar absolut-tötlich ausfallen. 

a) Z. B. durch eine Augenhöhle etc.oder durch die 

Fontanelle. So tötete eine Hutter aus Lebensüberdruß ihr 
eigen ein und einhalbjähriges Kind.“ 

Diese letztere Angabe ist zitiert aus „Michael Alberti: 





660 


Dt. Bihler. 


Systema JnriBpradentiae Medicae, Halle 1725, Tom. I, Tg. 187“; 
das Werk ist leider in der hiesig^en Staatsbibliothek nicht yorhanden. 

Ans dieser kurzen Literatnrznsammenstellnng geht heryor, 
daß den älteren Antoren ähnliche Fälle noch eher bekannt waren, 
während in der neueren Zeit die Anhnerksamkeit auf derartige 
yerbrecherische Handlungen offenbar nicht mehr gelenkt wurde 
und solche nicht mehr zur Glerichtskenntnis gelangten. 

Im Gegensatz zu diesem dürftigen Ergebnis der Fachliteratur 
ist es um so auffallender, daß, wie man ans Bemerkungen ge¬ 
legentlich der Zeitungsnotizen über das Ereignis entnehmen konnte, 
in Laienkreisen diese Tötungsart als etwas ganz Bekanntes 
und Naheliegendes angesehen wurde und in der Belletristik 
findet man wiederholt ähnliche Vorkommnisse geschildert. 

In dem bekannten Roman: Götz Erafft yon Edward Stil- 
gebauer, 1. Bd., heisst es bei der Schilderung der Episode der 
Hebamme und Engelmacherin Bouchon: 

„Erschreckende Einzelheiten brachte nan die ärztliche üntersnchong des 
toten Knaben an den Tag. Die Wanden and Beolen, die der Bflcken des 
Kindes zeigte, waren nicht daza imstande gewesen, den Tod herbeizoltthren, 
sie waren nar eine Täaschang, die im Falle der Entdeckong die Anklage auf 
Mord in eine solche aaf körperliche Mißhandlang mit tödlichem Arugange am* 
wandeln sollte. Aber das jeder Spar nacbgehende Messer des Arztes förderte 
Fürchterlicheres an den Tag. An der einen Schläfe des Knaben zeigte sich 
eine kleine, kaam mit dem bloßen Aage erkennbare Wunde. Durch die zarten 
Knochen war Ton hier aas eine lange Nadel, wie sie die Frauen znm 
Feststecken der Hüte gebrauchen, in das Gehirn gebohrt worden. 

In ihrem Geständnis yor dem Schwurgericht sagt die 
Bonchon: 

Da der Bezug von Morphium Verdacht auf sie lenkte, war sie gezwungen, 
za anderen Mitteln za greifen. „Aber auch der Stich ins Gehirn ist 
fast schmerzlos.* 

Und dann kommt noch die Bemerkung: 

„Es klinert unglaublich, daß die yerbrecherischen Machenschaften des 
entmenschten Weibes den Behörden so lange verborgen bleiben konnten.* 

Herr Dr. Stilgebauer, der Verfasser des Romans, hatte 
die Freundlichkeit, auf meine Anfrage, „ob er yielleicht auf Grund 
eines tatsächlichen Ereignisses zu der erwähnten Schilderung ver¬ 
anlaßt wurde, mir mitzuteilen, daß 

„gelegentliche Mitteilangen von befreundeten Medizinern and der Unter* 
riebt über den Bau des Schädels wohl seine Schilderung beeinflußt hätten; 
gibt doch schon die Tatsache der ungeschlossenen Fontanellen ein derartiges 
Vorgehen an die Hand.* 

Er verweist auch auf Schillers Kabale und Liebe, V, 1, 
wo Miller zu seiner Tochter Luise sagt: 

„Ich kann Dir die Messer nehmen. Du kannst Dich mit einer Strick* 
nadel töten.* 

Offenbar denkt Schiller hier an das Einstechen einer Nadel 
durch eine zugängliche Stelle ins Gehirn, wenn es auch keinen 
Bezug auf einen Kindesmord hat. 

Aus der Mitteilung des Herrn Dr. Stilgebauer geht jeden* 
falls hervor, daß ihm die Idee zu seiner Schilderung eben aus 
der auch dem Laien naheliegenden Möglichkeit einer solchen 
Tötungsart gekommen ist. 

Am bekanntesten ist aber die letztere aus der Sage von de r 



Sechsfacher Kindermord durch Einstechen einer Hutnadel in den Kopf. 651 


weißen Fran, jenem deepenet, das in einzelnen brandenbnrgischen 
Schlossern umgeht nnd immer erscheint, wenn ein trauriges Er¬ 
eignis bevorsteht. Diese Sage wird eingehend geschildert von 
L. Eranssolt: Die weiße Frau und der orlamftndische Einder- 
mord, Archiv für Oberfranken 1869, 1. Er schöpft dabei aus 
Minntoli, Monographie ttber Friedrich I, Enriflrsten von Branden¬ 
barg 1850 und Bayer. Zeitung, 1866, Nr. 162. Es heißt da: 

„Eine orlsmttndische Gr&fln, die junge Witwe eines Grafen Otto yon 
Orlamünde auf Plassenburg habe sich ei^t, es war am Ende des 13. und zu 
Anfang des 14. Jahrhunderts, in den Burggrafen Albrecht den Schönen yon 
Nürnberg yerliebt. Der Burggraf sei auch gegen die junge Witwe nicht 
gleichgültig gewesen, äußerte aber gegen einen seiner Vertrauten, daß er 
wohl geneigt sei, die Gräfin zu ehelichen, wenn nur yier Augen nicht wären. 
Nun hatte die Gräfin zwei Kinder unter 2 Jahren ans ihrer Ehe mit dem 
Grafen Otto. Mag nun Albrecht wirklich bei seinem Ausspruch an die Kinder 
der Gräfin oder wie andere meinten, an seine noch lebenden beiden Eitern 
gedacht haben, gmiug, die Gräfin erfährt diese Bede, bezieht sie auf ihre 
Kinder nnd sofort war auch der Entschlnfi gefaßt, dieselben ans dem Wege 
zu sdiaffen. 

Sie nahm eine goldene Nadel, stieß sie den Kindern durch 
den Kopf in das Gehirn und gab yor, sie seien plötzlich er¬ 
krankt nnd gestorben. 

Niemand zweifelte an der Wahrheit dieser Aussage, nie¬ 
mand ahnte etwas yon der geschehenen Untat und so wurden die Kindlein in 
das yon ihrem Ahnherrn gestiftete Kloster Himmelskron beigesetzt. 

Später wurde die Sache ruchbar. Die Mutter pilgerte nach Born, stiftete 
das Kloster Himmelsthron bei Nümbe^, soll als Aebtissin dort gestorben, 
nach anderer Version yon Albrecht in Hof lebenslänglich eingekerkert 
worden sein.* 

Die älteste Nachricht von der Sache stammt von Brn- 
schino: ChronoloKia Monasteriomm Chermaniae präcipnomm vom 
Jahre 1532. Es heißt hier: 

„. . . . es ruhen in dem Tempel dieses Kosters auch zwei Kindlein, ein 
Knabe und ein Mädchen, yon ihrer eigenen Mutter yor ungefähr 200 Jahren, 
kaum 2 Jahre alt, auf grausame und jämmerliche Weise ermordet. 

.als diese Aeußerung der yon heißer Liebe entbrannten Frau zu 

Ohren kam, tötete sie alsbald in ihrem Liebeswahnsinn mit eigener Hand ihre 
Kinder, indem sie ihnen eine Nadel in den Kopf stieß, damit diese 
mütterliche Untat nicht so leicht erkannt nnd sie desto leichter 
die Meinung yerbreiten konnte, die Kinder seien yon einer 
Krankheit plötzlich hingerafft worden. 

Diese unschuldigen Märtyrer habe ich mit meinen Augen gesehen nnd 
mit meinen Händen betastet. Das Mädchen war noch ganz nnyersehrt, als sei 
sie erat yor einem Jahre yerblichen, so gar nicht war an ihm zu bemerken, 
was einer Asche ähnlich war; dagegen begann des Knäblein Brust yon der 
Feuchtigkeit nnd dem Wasser, das zur Winterszeit von der schwitzenden 
Mauer auf den zunächst anstoßenden Sarkophag herabfloß, einigermaßen in 
Asche sich aufznlösen, der Kopf aber nnd die Scbnltern und Schenkel waren 
noch nnyersehrt und. ohne die geringste Aendernng. So hat die göttliche 
Majestät in wunderbarer Weise gezeigt, wie unschuldig diese Kindlein sind. . .* 

So gnt erhalten waren nun allerdings unsere exhumierten 
Eipderleichen nicht, obwohl sie ja auch unschuldige Opfer waren. 

Eine weitere Beschreibung findet sich in einem das Eloster 
Himmelskron verherrlichenden Gedicht des Pfarres Löer von 
Melkendorf aus dem Jahr 1559: 

. . Hier liegen auch zwei Kindlein klein. 

Bin Knäblein nnd ein Mägdelein, 

Gebohren yon hohen Stamm sie sind, 

Ihr Vater dn Graf yon Orlamünd, 




662 Dr. Bihler: Secbafucher KiDdesmord durch Einstechoi einer Hutnadel new. 


Ihr Hutter die war von Heran 
Eine Hertzoginne wohlgethan. 

Beyd Kinder grausam vor langen Jahren 
Ermordet und erwürget waren, 

Als Ihr keines noch zwegr Jahr war alt. .... 

Sie dacht: die Kinder die sie hätt, 

Werden gewiß die vier Augen seyn. 

Die mich berauben des Buhlen mein, 
ünd wurd das Weib so gar bethört, 

Daß Sie Ihre eigene Kinder ermördt 
ünd jämmerlich Ihres Lebens beraubt. 

Daß Sie es mit Nadeln in Ihr Haupt 
Stach in Ihre Hirenschall, 

Die weich und zart war überall. 

Wodurch Sie Ihre Bosheit wollt 
Verbergen, daß Niemand merken sollt. 

Dieweil Sie röhrten gar kein Blut, 

Sollt man gedenken in seinem Huth, 

Der gewöhnlich Todt hätt Ihrem Leben 
Natürlich seinen Best gegeben.* 

Ich habe diese Schildernngen eingehender and im Wortlant 
hier aoKeftthrt, weil sie im G^egensatz zn den dürftigen Angaben 
in der Fachliteratnr, sowohl in den mittelalterlichen üeberliefe- 
mngen, wie im modernen Roman mit grosser Naturtrene and 
stellenweise mit der Genauigkeit eines amtlichen Protokolls alle 
einschlägigen Verhältnisse zar Anschanang bringen und weil sie 
übereinstimmend das besonders betonen, worauf es auch mir 
hauptsächlich anzukommen scheint, auf die Leichtigkeit der Aus¬ 
führung und die Schwierigkeit der Entdeckung. 

Wie der poetische Pfarrer Löer die Verschleiernngsabsicht 
der grausamen Gräfin richtig schildert, so war auch in unserem 
konbeten Fall der Ida Schnell 6 mal die Absicht gelangen, keinen 
Verdacht zu erwecken, wie die verschiedenen Eltern überein¬ 
stimmend angaben. Erst die auffallende Tatsache, daß überall, 
wo das Mädchen bedienstet war, die Kinder so schnell starben, 
veranlaßte das Gerücht, daß das nicht mit rechten Dingen zugehen 
könne, wobei aber niemand an ein derartiges Vorgehen dachte. 
Erst „das jeder Spur nachgehende Messer des Arztes“ (nachdem 
wir zuerst mangels jeden Anhaltspunktes eine „Giftsektion“ 
machen wollten) förderte den wirklichen Tatbestand zutage“, wenn 
es uns bei aller Ueberraschung auch nicht erging, wie dem alten 
Gerichtsarzt im „Götz Erafft“, dem bei dieser Entdeckung trotz 
des jahrzehntelang gewohnten Berufes alles Blut aus dem Gesichte 
wich und der klirrend das Seziermesser zu Boden fallen ließ. 

Die Spärlichkeit in den Angaben in der Fachliteratur kann 
nun daher kommen, daß solche Verbrechen überhaupt sehr selten 
sind; es könnte aber auch seinen Grund darin haben, 
daß sie nicht leicht entdeckt werden, daß eine solche 
Methode weniger den Behörden, wohl aber in Volks¬ 
kreisen bekannt ist und geübt wird. Dafür spricht die 
Verwertung im Roman und besonders die Erhaltung in der Sage, 
und darauf aufmerksam zu machen, war der Zweck dieser Zeilen. 

Ich möchte zum Schluß nur noch beifügen, daß aus der 
jugendlichen Mörderin nicht herauszubringen war, wie sie gerade 



Dt. Federschmidt: Zar Kasuistik der Benziarergiltaogen. 


653 


aaf diese Art der Tötung kam. Sie hat nur, offenbar in Iflgne- 
rischer Weise angegeben, sie hätte es anf der Straße von zwei 
ihr Yoransgehenden unbekannten Frauen gehört. 


Zur Kasuistik der Benzinvergiftungen. 

Von Dr. Federsohmidt, EOnigl. Bezirksarzt ia DiokelsbtthL 

Am 10. Dezember 1907, Yormittags ^1^10 Uhr, trank die 
Flaschnersehefrau J., 45 Jahre alt, wegen ehelicher Zwistigkeiten 
in der Verzweiflung in selbstmörderischer Absicht aus einer 
Benzinflascdie eine größere Menge Benzin, ihrer Angabe nach 
zirka V« Liter. Der Sohn Überraschte seine Mutter bei diesem 
SelbstmordYersuche und holte sofort ärztliche Hilfe. Der Arzt, 
um 10 Uhr, also nach Vs Stunde, bei der Patientin angelangt, 
nahm sofort eine Magenausspttlnng mit mehreren Litern lauwarmen 
Wassers Yor. Die entleerte Flüssigkeit roch intensiY nach Benzin. 

Abgesehen Yon profusen Diarrhoen, die mehrere Tage an* 
hielten, und abgesehen Yon mehrtägiger Appetitlosigkeit erlitt 
Patientin keinerlei Gesundheitsschädignng. 

Einen ähnlichen Fall schildert Zoernlaib in Nr. 8 des 
Jahrganges 1806 der Wiener medizinischen Wochenschrift. Ein 
20 jähriges Mädchen nahm in selbstmörderischer Absicht ca. 100 g 
Benzin, wurde durch Emeticnm und Magenausspfllnngen bald 
wieder Yöllig hergestellt. 

Auf Grund dieser beiden Fälle können wir bei BenziuYer* 
giftungen Erwachsener, auch wenn größere Mengen Benzin dem 
Körper einYerleibt werden, die Prognose wohl fast immer günstig 
stellen, Yoransgesetzt, daß ärztliche Hilfe rechtzeitig in Anspruch 
genommen wird. 

Im Gegensätze zu dem günstigen Verlaufe der BenzinYer* 
giftungen Erwachsener, Yerlanfen, wie die Kasuistik lehrt, die 
BenziuYergiftungen im zarten Kindesalter fast immer tödlich. 

ln Nr. 24 des Jahrganges 1906 der Zeitschrift Ittr Medizinalbeamte teilt 
Both einen Fall mit, bei dem ein IV«jähriger Knabe 1 Stande nach dem 
Genosse einer ganz geringen Menge Benzin starb. 

In der Uttnchener med. Wochenschrift 1906, Nr. 9, berichtet Borgl Uber 
die tödliche Vergiftnng eines !>/« jährigen Kindes, das 30—40 g Benzin ge* 
tranken hatte und ca. 4 Standen danach starb. 

In der Wiener med. Wochenschrift, 1906, Nr. 8, teilt Zoernlaib mit, 
dafi zwei zweijährige Knaben, die aas Unyorsichtigkeit ca. 80 g Benzin ge* 
tnmken hatten, V* bezw. 1 Stande nach dem Genosse starben. 

Nach alledem werden wir bei Benzinvergiftungen Erwachsener 
fast immer eine günstige Prognose stellen können, bei Benzin- 
Yorgiftungen kleiner Kinder aber wird unsere Voraussage stets 
eine ungünstige sein müssen, wenn anch nur ein ganz kleines 
Quantum Benzin einYerleibt wurde. 

Daß Benzinvergiftungen bei Kindern so ungemein rasch zum 
Tode führen, rührt jedenfalls davon her, daß im zarten Kindes* 
alter die Magenschleimhant die Kohlenwasserstoffe viel schneller 
resorbiert und dem Blnte znführt, als es bei Erwachsenen der 
Fall ist. Bei der Sektion des oben erwähnten IVs jährigen 
Knaben, der 1 Stunde nach dem Genüsse von Benzin gestorben 



654 


Df. Wesgler. 


war, ließ eich, wie Roth mitteilt, weder im Magen noch im 
Darm bei der chemischen üntersnchnng Benzin nachweieen, wohl 
aber in den Organen. _ 


Das Kreis-Krankenhaus auf dem Lande. 

Von Kreisarzt Dr. Wen gier in Alsfeld. 

Das Ereiskrankenhans ani dem Lande soll eine bestehende 
Lftcke in der Behandlung der Minderbemittelten bei Erankheits- 
i&Uen ausfdllen. In einem Ereise mit ländlicher Bevölkerung von 
mäßigem Wohlstand kommen eine Menge akuter und chronischer 
EranUeitsfälle vor, welche in den beschränkten häuslichen Ver¬ 
hältnissen der Erkrankten die entsprechende Behandlung oft nicht 
finden können. Als Beispiel führe ich an von akuten Erankheiten 
das ganze Heer der Erkältungskrankheiten, die fieberhaften, bei 
geeigneter Behandlung rasch vorübergehenden Erkrankungen der 
Luftröhre und Lunge, die rheumatischen Anfälle der dienenden 
Bevölkerung nsw. Von chronischen Erankheiten erwähne ich das 
chronische Unterschenkelgeschwür, die skrophulösen Affektionen 
der Einder, die vorübergehenden Rezidive der durch Heilstätten- 
behandlung gebesserten Phthisiker, die chronischen Verdaunngs- 
und Stoffwechselstörnngen, manche Formen von inoperabelem Erebs, 
gewisse Arten von Unfallfolgen. 

Alle die Fälle, an welche ich hier denke, werden in die im 
wesentlichen wissenschaftlichen Zwecken dienenden klinischen 
Institute entweder nicht aufgenommen, oder sie werden doch bald 
wieder entlassen. Für das Siechenhaus sind derartige Fälle noch 
nicht reif, da sie durch Erankenhausbehandlung bald insoweit 
gebessert werden, daß die betreffenden Franken wieder für längere 
Zeit erwerbsfilhig sind. 

In der Ergänzung der heilsamen Wirkung von Elinik und 
Siechenhaus liegt also die Hauptaufgabe des Ereis-Erankenhauses. 

An die Hauptaufgabe schließen sich noch eine ganze Reihe 
hochwichtiger Nebenanfgaben: Der Schutz des Publikums bei dem 
Auftreten von Infektionskrankheiten durch Absonderung der Er¬ 
krankten, die Erleichterung der Tätigkeit der Erankenkassen 
durch Beobachtung und Entlarvung der Drückeberger und Simu¬ 
lanten, die sofortige Aufnahme und Unterbringung von Geistes¬ 
kranken bis zu ihrer Einweisung in die entsprechenden Anstalten. 

Soll das Ereiskrankenhans den genannten Aufgaben genügen, 
dann darf es nicht über den Rahmen, welcher ihm durch seine 
Bestimmung gesteckt ist, hinausgehen. Es hat weder die Auf¬ 
gabe, den Arzt durch Anwendung neuer, kühner Heilmethoden, 
durch gewagte Operationen, durch Ausbau eines Spezialgebieten 
berühmt zu machen, noch hat es die Aufgabe, in der dauernden 
Verpflegung körperlich oder geistig siecher Personen seine Kräfte 
zu verzetteln. Für die Erforschung neuer therapeutischer Bahnen 
ist die Elinik da, für die Pflege der dauernd Lebensinvaliden das 
Siechenhaus. 

Sehr wichtig für die gedeihliche, zweckentsprechende Wirk- 



Dm Kreis •EraBkenhanB auf dem Lande. 


665 


samkeit eines E^reiskrankenbanses sind im wesentlichen noch 
folgende drei Punkte: Die Art der Belegung, die Qoalit&t des 
Erankenhansarztes und die Grüße der Anstalt. 

Bei der Belegung ist za berücksichtigen, daß das Kreis- 
Krankenhaus nicht für den besonderen Bezirk bestimmt ist, in 
welchem es steht, sondern für den ganzen Kreis. Es ereignet 
sich sehr oft, daß ein ans den Mitteln des ganzen Kreises unter¬ 
haltenes Kreis-Krankenhaus zum Bezirks • Krankenhaus für seine 
direkte Umgebung oder gar zum Privat-Krankenhaus eines viel¬ 
beschäftigten ärztlichen Praktikers wird. In solchen Fällen geht 
natürlich der größere Teil des £[reises der Vorteile des Kreis- 
Krankenhauses verlustig. Für die meisten Kreisangehörigen 
liegen dann die Verhältnisse nicht anders, als wenn gar kein 
Kreis-Krankenhaus bestände. Es ist daher nötig, daß der 
leitende Arzt des Kreis-Krankenhauses von der Privatpraxis 
völlig losgelöst ist und Hand in Hand mit dem Kreisarzt arbeitet. 
Auch in ärmeren Kreisen wird sich die Anstellung eines un¬ 
parteiischen, von der Privatpraxis losgelösten Krankenhausarztes 
ermöglichen lassen, wenn man ihn noch mit anderen hygienischen 
Aufgaben betraut, z. B. mit der schulärztlichen Tätigkeit im 
Kreise. Der Kreis-Krankenhansarzt wird so auch auf die aller¬ 
einfachste Weise einen Einblick in die Gesundheitsverhältnisse 
der Kreisbevölkerung gewinnen können. 

Bezüglich der Vorbildung des Kreiskrankenhausarztes ist 
darauf Wert zu legen, daß er sich in Chirurgie spezialistisch vor¬ 
bereitet hat. Wie wir gesehen haben, ist es zwar nicht die Aufgabe 
des Kreis-Krankenhauses, den chirurgischen Kliniken das Material 
abzunehmen. Das Kreis-Krankenhaus auf dem Lande wird sich 
ja auch nie die komplizierte Einrichtung der chirurgischen Klinik 
gestatten können, welche die Vorbedingung des guten Gelingens 
der großen Operationen ist. Allein die Behandlung bei plötzlichen 
UnglücksiäUen, welche eine unerläßliche Aufgabe des Kreis- 
Krankenhauses ist, setzt die gescMckte Hand eines erfahrenen 
Chirurgen voraus. 

Was nun schließlich die Größe des Kreis-Krankenhauses 
anlangt, so ist selbst für einen kleinen Kreis eine Bettenzahl von 
mindestens 40 Erfordernis. Es muß vor allen Dingen aufnahme¬ 
fähig sein; auch lohnen sich die Betriebskosten eines modernen 
Krankenhauses kaum für eine geringere Bettenzahl. 

Beim Bau ist zu berücksichtigen, daß einerseits Männer 
und Frauen, anderseits die an inneren Krankheiten Leidenden 
und die an äußeren Krankheiten Leidenden getrennt untergebracht 
werden können. Es sind also 4 gesonderte Abteilungen vorzu- 
sehen am besten jede mit eigenem Zubehör (Abort, Bad, Wasch- 
einrichtung usw.). Unbedingtes Erfordernis sind auch 1—2 Räume 
zur vorläufigen Unterbringung von Geisteskranken und ein von 
dem Hauptbau vollständig getrenntes Isoliergebände für die Auf¬ 
nahme der von ansteckenden Krankheiten Befallenen. 



656 


Leitsätze sor Tageeordaiug für die 


zur Tagesordnung fQr die XXV. Hauptversammlung des 
Preussischen Medizinalbeamtenvereins. 

I. Za Nr. 4 der Tagesordnaog des ersten Sitzongstages: 
„Vorlänfiger Entwurf eines Gesetzes, betr. die Ansttbnna 
der Heilkunde durch nicht approbierte Personen und den 

Oeheimmittelyerkehr." 

Beferent: Begiemngs- und Mediziiizl'Bat Dr. DBt8ehke>£rfart 

§ 1 . 

Personen, welche sich gewerbsmäßig mit der Behandlung 
von Krankheiten, Leiden oder KOrperschäden an Menschen oder 
Tieren befassen, ohne die entsprechende staatliche Anerkennung 
(Prttfungszeu^is, Approbation) erbracht zu haben, sind verpfliditet, 
spätestens mit dem Beginn des Gewerbebetriebes der Polizei* 
behörde f ihres Wohnortes unter Angabe ihrer Wohnung und Ge¬ 
schäftsräume schriftlich Anzeige zu erstatten. 

Die Anzeige ist von Personen, die das Gewerbe bei dem 
Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits betreiben, spätestens inner¬ 
halb vierzehn Tagen zu erlassen. 

f Eine Veränderung des Wohnortes, der Wohnung oder der 
Geschäftsräume, desgleichen die Aufgabe oder Einstellung des 
Betriebes ist in gleicher Weise, spätestens binnen vierzehn Tagen 
anzuzeigen. 


§ 2 . 

Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art sind 
verpflichtet,t der Polizeibehörde ihres Wohnortes Aber ihre per¬ 
sönlichen Verhältnisse, soweit sie mit dem Gewerbebetriebe im 
Zusammenhang stehen, insbesondere über ihre Vorbildung und 
ihre seitherige Tätigkeit auf Erfordern Auskunft zu erteilen. 

Sie sind ferner verpflichtet, Geschäftsbücher zu ftthren,t 
die der Polizeibehörde f auf Verlangen vorzulegen sind. 

In welcher Weise die Geschäftsbücher zu führen und wie 
lange sie aufzubewahren sind, bestimmt der Bundesratf 



HaaptTorBunmlang dea PreofllBchen Hediainalbeamten •Vereins. 657 


Abänderung STOrscbläge. 


Zar Ueberschrift: ^Heilgewerbe“ statt „Heilknnde“. 


Zu § 1. 

Za Abs. 1. t* * • Polizeibehörde des Betriebsortes 
and dem dort zaständigen beamteten Arzt bezw. Tier¬ 
arzt ... za erstatten. 

Za Abs. 3. fEine Veränderong des Betriebsortes ist 
binnen einerWoche bei der Polizeibehörde des alten 
and des nenen Betriebsortes, die Aenderang der Wohnong 
oder der Geschäftsräume, sowie die Aafgabe oder Einstellnng des 
Betriebes binnen 14 Tagen bei der Polizeibehörde des alten 
Betriebsortes anzazeigen. 

Zasatz: Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬ 
treibenden ist es verboten, ans dieser erfolgten Anmeldnng die 
Berechtigong herzaleiten, sich als „staatlich, polizeilich oder be¬ 
hördlich nsw. gemeldet* oder „zagelassen* za bezeichnen. 

Aasgenommen von den Bestimmangen des § 1 bleiben die 
nach den Konventionen zwischen dem Deutschen Reich and den 
angrenzenden nicht deutschen Staaten zur Austtbang des Heil¬ 
gewerbes in den Grenzbezirken zngelassenen, nicht inländisch 
approbierten Medizinalpersonen. 

§ 2 . 

Za Abs. 1. ... f sind verpflichtet, der Polizeibehörde des 
Betriebsortes and dem zuständigen beamteten Arzt bezw. 
Tierarzt über ihre Yorbildnng und seitherige Tätigkeit Aus¬ 
kunft zu erteilen („auf Erfordern* fällt weg, desgl. „soweit sie 
mit dem Gewerbebetriebe in Zasammenhang stehen*). 

Za Abs. 2. . . . fdie der Polizeibehörde des Betriebsortes, 
bezw. dem zuständigen beamteten Arzt oder Tierarzt 
alljährlich zn einem von der Polizeibehehörde zu 
bestimmenden Termin, sonst jederzeit auf Verlangen vor- 
zolegen sind. 

fZusatz za Abs. 3: Behufs Dorchfflhrang einer wirksamen 
Kontrolle ist es erwflnscht, vorzuschreiben, daß in die Geschäfts- 
bficher außer den Personalien der behandelten Personen auch 
deren Angaben Aber ihr Leiden, die Bezeichnung der Krankheits¬ 
erscheinungen, Beginn and Dauer der Behandlung, Behand- 
lungsweise und die erhaltene Vergütung einzutragen sind. Die 
Zahl der Seiten der Geschäftsbücher ist von der Polizeibehörde 
des Betriebsortes bei der Anmeldnng unter Beidrflckong des 
Amtssiegels in dem Geschäftsbnche zu vermerken. 



«58 


Leitsttxe zar TageBordaung fflr die 


§ 3. 

Den im § 1 Abs. 1 bezeicbnetan Personen ist bei der Ans- 
flbnng ihres Ghewerbebetriebes verboten: 
an Menschen nnd Tieren: 

a) eine Behandlnng, die nicht anf Grund eigener Untersuchung 
der zu Behandehiden erfolgt (Fembehandlnng); 

an Menschen: 

b) die Behandlung von Tripper, Schanker, Syphilis, 

c) die Behandlung unter Anwendung von Betäubungsmitteln, 
die Aber den Ort der Anwendung hinauswirken; 

d) die Behandlung mittels Hypnose. 

e) die Behandlung mittels mystischer Verfahren. 

Durch Beschloß des Bnndesrats kann die Anwendung der 
unter c bis e genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die 
Anwendung anderer als der unter c bis e genannten Verfahren 
bei Menschen nnd Tieren untersagt werden. 

Behandelt einer der im § 1, Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬ 
treibenden eine Person an einer gemeingefährlichen Krankheit 
(Reichsgesetz, betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krank¬ 
heiten vom 30. Juni 1900 — R.-G.-B1. S. 306 —) oder an einer 
solchen flbertragbaren Krankheit, bezfiglich deren durch Landes¬ 
recht eine Anzeigepflicht eingeftthrt ist, oder ein Tier an einer 
der Anzeigepflicht nnterli^enden übertragbaren Seuche, so kann 
die Polizeibehörde die weitere Behandlung untersagen.t 


§ 4-t 

Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Personen ist der Gewerbe¬ 
betrieb zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die 
Annahme begründen, daß durch die Ausübung des Gewerbes das 
Leben der behandelten Menschen oder Tiere gefährdet oder deren 
Gesundheit geschädigt wird, oder daß Kunden schwindelhaft ans¬ 
gebeutet werden.f 

Der Betrieb kann untersagt werden, wenn der Gewerbe¬ 
treibende wegen einer strafbaren Handlung, die mit der Ausübung 
des Gewerbes in Verbindung steht, rechtskräftig verurteilt ist, 
bei Uebertretnng jedoch nur im Falle wiederholter Verurteilung. 

Der Betriebt kann auch dann untersagt werden, wenn dem 
Gewerbetreibenden wegen eines nicht unter Abs. 2 fallenden Ver¬ 
brechens oder Vergehens die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt 
sind. Jedoch nicht über die Dauer des Ehrverlustes hinaus. 



XX.V. Haaptrersammlang des Prenfllicbea Hedisfaialbeainten -Vereins. 669 

§ 3. 

Za Abs. 1: a) wie im Entwarf. 

an Menschen: 

b) die Behandlnng von Tripper, Schanker, Syphilis andderen 
Folgezaständen; 

c) die Behandlung yon Frauenkrankheiten; 

d) die Behandlung an einer gemeingefährlichen 
Krankheit (Reichsgesetz betr. die Bekämpfung gemeingefähr¬ 
licher Kranheiten vom 80. Juni 1900. Reichsgesetzbl. S. 806) 
oder an einer solchen fibertragbaren Krankheit, be- 
zfiglich deren durch Landesrecht eine Anzeigepflicht 
eingeffihrt ist; 

e) die Behandlung unter Anwendung von Betäubungsmitteln, 
die fiber den Ort der Anwendung hinanswirken; 

f) die Behandlung mittels Hypnose, Suggestion und der¬ 
gleichen Verfahren; 

g) die Behandlung mittels mystischer Verfahren. 

Durch Beschluß des Bandesrates kann die Anwendung der 
unter e—g genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die An¬ 
wendung anderer, als der unter e—g genannten Verfahren bei 
Menschen und Tieren untersagt werden. 

Behandelt einer der im § 1, Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬ 
treibenden ein Tier an einer der Anzeigepflicht unterliegenden 
fibertragbaren Seuche, so kann die Polizeibehörde nach zuvoriger 
Anhörung des beamteten Tierarztes die weitere Behandlung unter¬ 
sagen; sie muß es, falls der beamtete Tierarzt es ffir nötig 
erachtet. 

Zusätze zu § 8. Die Abgabe yon Mitteln oder Gegen¬ 
ständen, die zur Verhfitung, Linderung oder Heilung yon Krank¬ 
heiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere dienen 
sollen, ist den im § 1 bezeichneten Personen yerboten. 

Ebenso ist ihnen das Ankfindigen oder Ankfindigenlassen 
yon Sprechstunden außerhalb ihres der Polizeibehörde ge¬ 
meldeten Betriebsortes untersagt. 

§ 4. 

f Zusatz zu §4: Angabe, welche Behörde den Gewerbe¬ 
betrieb zu untersagen hat. 

Zusatz zu Abs. 1: f Die Untersagung des Gewerbebetriebes 
erfolgt nach Anhörung des zuständigen beamteten Arztes oder 
Tierarztes, der auch berechtigt ist, einen Antrag anf Untersagung 
des Betriebes zu stellen. 


Zu Abs. 3: f Der Betrieb ist ferner dann zu untersagen, 
wenn . . . (anstatt „kann auch untersagt werden"). 



660 


Leitsitze zur Tagesordnung fttr die 


flst die üntersagangf erfolgt, so kann die Landes-Zentral¬ 
behörde oder eine andere Yon ilu* zu bestimmende Behörde die 
Wiederaufnahme des Gewerbebetriebes gestatten, sofern seit der 
Untersagung mindestens ein Jahr verflossen ist. 

Der Bescheid, der die Untersagung ansspricht, kann im 
Wege des Rekurses gemäß §§ 20, 21 der Gewerbeordnung an- 
gefochten werden. 

Die Landesregierungen können bestimmen, daß die Anfechtung 
im Verwaltungsstreitverfahren zu erfolgen hat. Die Einlegung 
von Rechtsmitteln hat keine anfschiebende Wirkung. 

§ 5 . 

Durch Beschluß des Bnndesrats kann der Verkehr mit ein¬ 
zelnen Mitteln oder Gegenständen, die zur Verhütung, Linderung 
oder Heilung von Krankheiten, Leiden oder Eörperschäden der 
Menschen oder Tiere dienen sollen,f) beschränkt oder untersagt 
werden, wenn von deren Anwendung eine Schädigung der Ge¬ 
sundheit zu befürchten ist, oder wenn sie in einer auf Täuschung 
oder Ausbeutung der Abnehmer abzielenden Weise vertrieben 
werden. 

Soweit der Bundesrat den Verkehr mit einzelnen Gegen¬ 
ständen oder Mitteln untersagt hat (Abs. 1), ist deren Einfuhr 
verboten. 

Zur Mitwirkung bei Ausübung der dem Bundesrate nach 
Abs. 1 zustehenden Befugnis wird bei dem Kaiserlichen Gtosund- 
heitsamte eine Kommission gebildet. Die Kommission besteht aus 
Beamten, welche die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren 
Verwaltungsdienste besitzen, und aus Sachverständigen ans dem 
Gebiete der Medizin, der Tierheilkunde und der Pharmazie. Die 
Mitglieder werden vom Reichskanzler ernannt. Dieser ernennt 
auch den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter aus der Zahl der 
Mitglieder. Die Ernennung der Sachverständigen erfolgt auf die 
Dauer von fünf Jahren. 

Vor der Beschlußfassung des Bundesrats hat die Kommission 
sich gutachtlich darüber zu äußern, ob eine Beschränkung oder 
Untersagung des Verkehrs geboten sei. Die Kommission beschließt 
in der Zusammensetzung von fünf Mitgliedern, unter denen min¬ 
destens drei Sachverständige sein müssen. 

Die Kommission hat dem Verfertiger oder andere Beteiligte, 
soweit dies ausführbar ist, zur Wahrung ihrer Interessen Gielegen- 
heit zu geben. 

Im übrigen wird die Einrichtung der Kommission und das 
Verfahren vor derselben durch den Bundesrat geregelt. 

§ 6 . 

Mit Gefängnis f bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis 
zu dreitausend Mark oder mit einer von diesen Strafen wird be¬ 
straft, wer in öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen, 
welche die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten, 
Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere zum Gf^en- 
stande haben, wissentlich unwahre Angaben macht f, die geeignet 



XXV. HaaptyenftmmliiBg des PrenfliBOhen Medizhiklbeamteii*Vereiiu. 661 


Za Abs. 4: flst die Untersagang wegen wiederholter 
Uebertretnngen erfolgt, so kann die Landes*Zentralbehörde 
oder nsw. 


Abs. 5 nnd 6. Wie im Entwarf. 


§ 5 . 


Zosatz im Abs. 1: sollen ,and angepriesen wer¬ 

den,* beschränkt . . . 


§ 6 . 

f Mit G-efängnis von ... bis za einem Jahr und mit Geld¬ 
strafe Ton ... bis za dreitaasend Mark. 

Das Wort f„wissentlieh* ist za streichen and dafür der 
Zosatz za machen f.oder mit seinem Wissen machen läßt,* 
die geeignet sind nsw. 



662 


Leitsätze zor^Tzgesordniuig für die 


sind, Tänschaugen ftber den Wert oder Erfolg der angekflndigten 
oder angepriesenen Mittel, G-egenstände oder Verfahren hervor- 
znrnfen. Dasselbe gilt, wenn solche wissentlichf nnwahre Angaben 
gemacht werden in bezng anf die Person des Verfertigers oder 
Urhebers oder über die die Veröffentlichnng yeranlassende Person 
oder Aber die Erfolge einer dieser Personen. 

• § 7 . 

Mit Gefängnis f bis zn sechs Monaten und mit Geldstrafe 
bis zn eintansendfiinfhnndert Mark oder mit einer dieser Strafen 
wird bestraft 

1 . wer sich in öffentlichen Ankttndignngen oder Anpreisungen 
znr Fernbehandlnngf (§ 8, lit. a) erbietet; 

2 . wer öffentlich ankttndigt oder anpreist Mittel, Gegenstände 
oder Verfahren, die znr Verhütung, Linderung oder Heilung 
von Geschlechtskrankheiten t znr Behebung geschlecht¬ 
licher Schwäche oder zur Hervorrnfnng geschlechtlicher 
Erregung, sowie zur Verhütung der Empfängnis oder 
zur Beseitigungt der Schwangerschaft dienen sollen; 

3. wer öffentlich ankündigt oder anpreist Mittel, Gegenstände 
oder Verfahren, die znr Verhütung, Linderung oder Heilung 
von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen 
oder Tiere dienen sollen, sofern die Bestandteile oder die 
Gewichtsmengen der Gegenstände oder Mittel oder die 
wesentliche Art des Verfahrens bei der Ankündigung oder 
Anpreisung geheim gehalten oder verschleiert werden. 

Die Vorschriften unter Nr. 2 nnd 3 finden keine Anwendung, 
soweit die Ankündigung oder Anpreisung in ärztlichen, tierärzt¬ 
lichen oder pharmazeutischen Fachschriften erfolgt. 

§ 8 

Mit der gleichen Strafe (§ 7) werden bestraft Gewerbe¬ 
treibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, die 

1 . vorsätzlich den Vorschriften des § 3, Abs. 1 f odor einer 
gemäß § 3, Abs. 2, 3 oder § 4 ergangenen Untwsagnng 
zuwider handeln; 

2 . vorsätzlich sich zu den nachf § 3, Abs. 1 unter b, c, d 
nnd e oder nach § 3, Abs. 2 verbotenen Handlungen in 
öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen erbieten. 

Ist eine der unter 1 bezeichneten Handlungen ans Fahr¬ 
lässigkeit begangen, so tritt Gefängnisstrafe f bis zn drei Monaten 
nnd Geldstrafe bis zn sechshundert Mark oder eine dieser 
Strafen ein. 

§ 9 . 

Mit Geldstrafe f bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit 
Haft wird bestraft, wer gegen Entgelt Menschen ^er Tiere wegen 
einer Krankheit, eines Leidens oder eines Körperschadens be¬ 
handelt, ohne dazu staatlich anerkannt zu sein und ohne eine 
entsprechende Anzeige nach § 1 erstattet zu haben. 

Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Be¬ 
handlung wegen Gefahr im Verzüge übernommen nnd nur so lange 



XXV. HtnptTersammlaiig des Preußischen Medishialbeamten-VereiDB. 668 


Daa Wort f *wiBsentlich* ist zu streichen. 


§ 7 . 

fMit Gefängnis von . . . bis zn sechs Monaten nnd mit 
Geldstrafe von ... bis zn eintansendfttnfhnndert Mark oder . . . 

Zusatz zn Ziffer 1: Fembehandlnng erbietet, oder fFern- 
behandlnng vermittelt oder veranlaßt. 

Zusätze zn Ziffer 2: f Geschlechtskrankheiten nnd Frauen¬ 
krankheiten. 

fBeseitignng von Menstrnationsstörnngen nnd Schwan¬ 
gerschaft dienen sollen. 


Ziffer 3 fällt weg (vergl. § 6). 


§ 8 . 


Zn Abs. 1, Zifif. 1 f § 3 Abs. 1 und 4 statt Abs. 1. 

Zu Abs. 1, Ziff. 2: f§ 3 Abs. 1 b—g statt Abs. 1 unter b, 
c, d nnd e. 


t Gefängnisstrafe von . . .bis zn drei Monaten und Geld¬ 
strafe von . . . bis zn sechshundert Mark oder . . . 

§ 9 . 

fMit Geldstrafe von . .. bis zu (höherer Satz, als im Ent¬ 
wurf angegeben). 



664 


Lettsltie zur Tzgemrdniug Ittr di« 


fortgeffthrt worden ist, bis Hilfe Yon einer staatlich anerkannten 
Person geleistet werden konnte. 

Ist die Behandlung eine solche, die den im § 1, Abs. 1 be- 
zeichneten Gewerbetreibenden nach § 3 verboten ist, so kann 
neben der Strafe auf Einziehung der zur Behandlung gebrauchten 
oder dazu bestimmten Gegenstände erkannt werden, sofern sie 
dem Täter oder einem Teihiehmer gehören. 

§ 10 . 

Mit Geldstrafet bis zu einhundertundfdnfzi^ Mark oder mit 
Haft wird bestraft, wer Mittel oder Gegenstände, die vom Bnndesrat 
gemäß § 5 dem Verkehr entzogen oder Verkehrsbeschränkungen 
unterworfen worden sind, entgegen diesen Anordnungen einffihrt, 
feilhält, zum Verkaufe vorrätig hält oder verkauft oder sonst an 
andere Uberläßt oder Öffentlich ankOndigt oder anpreistf 

Neben der Strafe kann auf Einziehung der verbotswidrig 
eingefUhrten, feilgehaltenen, zum Verkauf vorrätig gehaltenen 
Mittel oder Gegenstände erkannt werden, sofern sie dem Täter 
oder einem Teilnehmer gehören. 

§ 11 . 

Ist in den Fällen §§ 9 und 10 die Verfolgung oder die Ver¬ 
urteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf 
die Einziehung selbständig erkannt werden. 

§ 12 . 

Der Öffentlichen Ankündigung oder Anpreisung im Sinne 
dieses Gesetzes wird die Verbreitung von Empfehlungen, Erfolg¬ 
bestätigungen, gutachtlichen Aeußerungen, Danksagungen und 
ähnlichen Mitteilungen in einem großen ]&eise von Personenf 
gleichgeachtet. 

§ 13. 

Mit Geldstrafe f bis zu einhundertundfUnfzig Mark oder mit 
Haft werden bestraft Gewerbetreibende der im § 1, Abs. 1 be- 
zeichneten Art, die 

1 . die im § 1 vorgeschriebene Anzeige nicht rechtzeitig 
erstatten oder die gemäß § 2, Abs. 1 von ihnen geforderte 
Auskunft über ihre persOnli^en Verhältnisse verweigern 
oder unrichtig erteilen ;t 

2 . die Geschäftsbücher, deren Führung oder Aufbewahrung 
ihnen obliegt, nicht oder nicht in der vom Bandesrate 
vorgeschriebenen Weise oder unrichtig führen oder ver¬ 
heimlichen oder vernichten oder der zuständigen Behörde 
auf deren Verlangen f nicht vorlegen. 

§ 14. 

Welche Behörde in jedem Bundesstaat unter der Bezeichnung 
Polizeibehörde zu verstehen ist, wird von der Zentralbehörde des 
Bundesstaates bekannt gemacht. 



XXy. Haaptremamliug dw FreiiKsehea üadisiBalbeuntmTerdDS. 665 


§ 10 . 

tMit Geldstrafe von ... bis za 

Zusatz zu Abs. 1: fMit der gleichen Strafe wird bestraft, 
wer die öffentliche Ankündigung in periodischen Druckschriften, 
Volkskalendem und an ähnlichen Reklameorten znläßt oder ver¬ 
mittelt, desgleichen, wer Bücher, Schriften und Zeitschriften 
öffentlich anpreist und anpreisen läßt, in denen zur Verletzung 
gesetzlicher Bestimmungen angereizt wird, die zur Verhütung der 
Verbreitung ansteckender Krankheiten getroffen worden sind 
(Reissig). 


Wie im Entwurf. 


§ 11 . 


§ 12 . 

Zusatz: Vor das Schlußwort ^gleichgeachtet“ ist noch ein- 
zufügen ,sowie der öffentliche Hinweis auf Bücher und 
Schriften, in denen die durch dieses Gesetz betroffenen 
Mittel, Gegenstände oder Verfahren empfohlen werden**. 

§ 13. 

f Mit Geldstrafe von ... bis einhundertfünfzig Mark (höhere 
Strafe, als im Entwurf vorgesehen'). 

Zu Ziffer 1. Zusatz hinter ^erteilen**: 
foder gegen die Bestimmung des § 1 Abs. 4 und des § 3 Abs. 5 
(Abänderungsvorschläge) verstoßen. 


Ziffer 2. Zusatz hinter »deren Verlangen**: 
toder zu den vorgeschriebenen Terminen nicht vorlegen. 


§ 14. 


Wie im Entwurf. 



666 


Leita&tie zur Tagesoidmuig Ittr die 


§ 15. 

Die landesrechtlichen Voi Schriften, welche die Aasttbnng der 
Heilkunde t durch nicht approbierte Personen, sowie die Anl^di- 
gungf und Anpreisung von Mitteln, Gegenstftnden und Verfahroi 
der in diesem Gesetze bezeichneten ^t betreffen, werden auf¬ 
gehoben, f 


§ 16. 

Dieses Gesetz tritt am ... . 


in Kraft. 


Leitsätze zum Referat: 

Die Psychologie der Aussage. 

Eeferent: Prof. Dr. Lochte, Ereiszrzt in GOttingen. 

1 . Die experimentelle Psychologie hat nachgewiesen, daß, 
abgesehen von der bewußten Falschaussage ein breites Gebiet 
normalpsychologischer Auffassnngs-, Erinnernngs- und Aussage¬ 
fälschungen besteht, mit. dem bei jeder Zeugenvernehmung ge¬ 
rechnet werden muß. Auch der Eid bietet keine Gewälif ffir 
Fehlerlosigkeit der Aussage (Stern). Diese Feststellung bean¬ 
sprucht in der Praxis fftr die Fälle Bedentung, in denen nur ein 
oder wenige — ungenügend anssagende Zeugen vorhanden sind. 

Der Cramer-Web ersehe Versuch lehrt anderseits, daß es 
bei Vernehmung einer größeren Reihe von Zeugen sehr wohl ge¬ 
lingt, ein annähernd richtiges Bild des Vorganges zu rekonstruieren. 

2. Der Forderung eines Aussage-Unterrichts in der Schule 
kann nicht beigestimmt werden, noch weniger der Bestellung von 
Gerichtspsychologen. 

3. Beachtenswert ist der Vorschlag, in geeigneten Fällen 
die Fragen des vernehmenden Richters und die Aussagen des 
Zeugen stenographisch zu protokoUieren. 

4. Sowohl durch körperliche, wie durch seelische Er¬ 
krankungen kann die Aussage störend beeinflußt werden. 

Unter den körperlichen Erkrankungen spielen die Kopf¬ 
verletzungen (Amnesie und Sprachstörungen), die Infektionskrank¬ 
heiten (z. B. Typhus) und Intoxikationen eine Rolle. 

Vor, während und nach Ablauf einer Seelenstömng werden 
gelegentlich krankhaft beeinflnßte Aussagen produziert, die die 
Behörden irreführen können. 

5. Der Zeugenaussage eines Geisteskranken kann nur dann 
ein Wert beigemessen werden, wenn es nachgewiesen ist, daß sie 
unbeeinflußt von krankhaften Momenten abgegeben sind (Cramer). 

6 . Die im Entwurf zur Strafprozeßordnung vorgesehene all¬ 
gemeine Einschränkung der Eide kommt den Wünschen der Psycho¬ 
logen, wie der Irrenärzte entgegen. 




XXV. HaaptTersammluDg des Preußischen Medizin albeamteuTereins. 667 


§ 16 . 

f Anstatt AoB&biiDg „der Heilkunde“ Ansflbnng „des Heil- 
gewerbes“. 

Znsatz als 2. Absatz. 

f Unberührt hiervon bleiben die landesrechtlichen Sonder- 
bestimmnngen fttr die Apotheker, die diesen die Ansftbong der 
Heilkonst untersagen. 


Leitsätze znm Referat: 

Medizinalbeamter und ärztliche Praxis. 

Beferent: Kreisarzt Dr. Gutkneeht in Belgard. 

1 . Die Voranssetznngen, die bei dem Erlaß nnd bei der 
Darehftthmng des Ereisarztgesetzes als maßgebend angesehen 
sind, haben sich in der Folgezeit namentlich in bezug anf den 
Umfang der amtlichen Tätigkeit des Kreisarztes nnd in bezng 
anf die ihm belassene Befagnis, ärztliche Privatpraxis ansznttben, 
als nnzntreffend erwiesen. 

2 . Es ist eine irrtümliche Ansicht, daß für die amtliche 
Tätigkeit des Kreisarztes die gleichzeitige Ansübnng ärztlicher 
Privatpraxis unerläßlich sei; im Gegenteil, eine solche ist nicht 
bloß überflüssig, sondern direkt hinderlich für die Dienstobliegen¬ 
heiten; außerdem gefährdet sie die für seine amtliche Stellung 
unbedingt erforderliche Unabhängigkeit. 

8 . In größeren und mittleren Kreisen haben sich die Amts¬ 
geschäfte des Kreisarztes derart gehäuft, daß ihm keine Zeit und 
Möglichkeit zur Ausübung ärztlicher Privatpraxis verbleibt. 

Es besteht demnach hier die einzig dastehende Anomalie, daß 
der Staat die volle Tätigkeit eines Beamten in Anspruch nimmt, 
ohne ihn voll zu besolden. 

Eine schleunige Abstellung dieses Mißstandes ist nicht bloß 
im Interesse der Medizinalbeamlen, sondern auch im öflentlichen 
Interesse geboten. 



668 


Beipreohnsgeii. 


Besprechungen. 

Sntsoheidiuigen 4 m PreoMisolian Bjufayrtohtih ofM fttr ArnnU, 

Im Anltrsge des Ebrengerichtshofes heraosgegeben. Berlin 1908. L Band. 

Verlag yon B. Scho et s. Gr. 12**; 251 S. Preis geh. 4,80 K., geh. 5,50 U. 

Der vorliegende I. Band der Entscheidungen des prenßischen EShrw« 
gerichtshofes enthält diejenigen ürteUe und Bescblttsse aus den Jahren 1900—1907 
ln teils wörtlicher teils auszugsweiser Wiedergabe, die von aUgemelner und 
rechtsgrundsätzllcher Bedeutung sind. Sie enthalten einen Abschnitt tibtt 
Entscheidungen von vorwiegend materieller Bedeutung (Verhalten in der Praxis, 
im Verkehr mit Kollegen, Behörden, Krankenkassen, Kurpfuschern nsw.), einen 
weiteren Abschnitt über Strafzumessung und Strafausschließung und einen 
dritten ttber Entscheidungen von vorwiegend prozessueller Bedeutung (Bechts- 
gttltigkeit des Ebrengerichtsgesetzes, Zuständigkeit, Verwaltungsverfahren, 
Gang der Untersuchung usw.). Am Schluß findet sich ein Verzeichnis der 
Entscheidungen nach der Zeitfolge, und den betreffenden Gesetsesstellen sowie 
ein Schlagwortregister, das den Gebrauch des Buches wesentlich erleichtert. 

Bpd. 


Dm OMundhoitswesen 4en Pr«iiMlaolum StMtM im Jabr« 1004. 

Im Aufträge Seiner Exzelenz des Herrn Ministers der Oeistlichen, 
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten bearbeitet von der Medizinal- 
Abteilung des Ministernms. Verlag von Bicbard Schoetz In Berlin, Gr. So. 
510 Seiten und 48 Seiten Tabellen. Preis fttr Königl. Behörden und Medizinal¬ 
beamte 8 Mk. (Ministerial-Erlaß vom 19. Juni 1908). 

Der diesjährige Bericht, der in regelmäßiger Folge mit seinen Vorgängen 
erschienen ist, bietet eine ganze Anzahl bemerkenswerter Tatsachen. Er schließt 
sich in der Form unter Berttcksichtigung möglichst vieler statistischer Nach- 
weisangen den früheren Jahrgängen an, ist aber besonders geeignet, die Fort¬ 
schritte auf dem Gebiete des Gesundheitswesens, und die sitm stetig steigernde 
Besserung der allgemeinen Gcsundheitsverhältnisse des Staates erkennen zu 
lassen. Bemerkenswert ist, daß die allgemeine Sterblichkeit bedeutend günstiger 
war als in den vorausgebenden Jahren, zum Teil auch die Säuglingssterblichkeit, 
so daß die Abnahme der Sterbeziffer im verein mit der Steigung der Geburten¬ 
ziffer eine Bevolkorungszunahme des Staates von einer Höhe, lieferte, wie sie 
bisher nicht erreicht worden war, nämlich um fast 600 (XK) Köpfe. 

Das zur Durchführung gelangte preußische Seuchengesetz rechtfertigte 
die auf seine Wirkungen gesetzten Hoffnungen. Die meisten Infektions¬ 
krankheiten forderten weniger Opfer als im Vorjahre. Die Zahl der an Tuber¬ 
kulose Gestorbenen war um fast 6(K)0 geringer als im Jahre 1905, geringer 
als in allen Jahren zuvor. Auch auf den übrigen Gebieten des Sanitätowesens 
wurden Fortschritte verzeichnet. Das reicihaltige Werk wird auch in diesem 
Jahre den beteiligten Kreisen willkommen sein. Dr. Biuber-Köelin. 


Dr. med. H. Deiohert, prakt. Arzt in Hannover: GMohlohte dM 
Medizinalwesens im Gebiet des ehemaligen KOnlgxelohe Hanno¬ 
ver. Hahn’dche Buchhandlung Hannover nnd Leipzig 1908. Preis 7 Mk. 

Die Bedeutung des vorliegenden Werkes greift weit über das Gebiet des 
ehemaligen Königreichs Hannover hinaus. Es ist eine interessante Lektttre 
nicht nur für alle Ortseingesessenen Aerzte, sondern für alle Aerite, die sich 
für deutsche Kulturgeschichte interessieren. 

Den Medizinalbeamten werden besonders die Elapitel über Hebammea- 
wesen, Kurpfuschertum, Seuchen nnd öffentliche Gesnndheitspfiege interessiereB. 
In mancher Hinsicht wird er seine Freude haben beim Vergleich zwischea 
einst und jetzt. So z. B. wird ihn die Tatsache, daß noch 1796 von Hebammea 
berichtet wird, die nngeborenen Kindern die Arme mit Stricken abrissen and 
den Best mit Schlächterhaken oder krummen Nägeln heranszogen oder scharfe 
Haken in den Kopf des Kindes einschlugen, gleichgiltig, ob es tot war oder 
lobte, doch die Fortschritte auf dem Gebiet des Hebammenwesens besser wttrdigea 
lassen. Anderseits muß man der trefflichen Organisation des Hedisfatalweseas 
mancher Städte des Mittelalters alle Achtung zollen. 



BesprechnDgen. 


669 


Dm mit b«wiudeniiw«rtaii Eleifi nsammeiigetnffeae Materiid wird ab 
Qnmdlage Itti wdtere ArbeiteD aal dem Gebiet dee MedudaalweaeM mit Erfolg 
bMiitit werdea kdaaea. _Dr. Dohra-HaiiaoYer. 

Dr. Pfallliar, lieg.* n. Geb. Med.-Bat ia T^eebadea: XXIII. JahTaaberloht 
Aber die Forteohrltte und Lelatnngen auf dem Gebiete der 
Bjglene. Jahrgang 1905. Sapplement snr Dentecben Vierteljahrsacbrift 
fttr öffentlicho GeBondheitspflege; Bd. XXXVIIL Braanschweig 1908. Verlag 
▼oa Vieweg & Sohn. Gr. 8*, 598 8. 

Die Einteilang des gewaltigen Stoffes bt bti dem Torzüglichen Jahres* 
bericht die gleiche wie in den Irttheren Jahren geblieben, aach die langjährigen 
bewährten Mitarbeiter haben nnr in bezng auf Epizootien, Schlachthaosbetrieb 
and Abdeckerei (Beg.-Bat Dr. Wehrle*Berlin statt Veterinärrat Dr. Arndt* 
Berlii^, Infektionskrankheiten (8tabBarzt Dr. Hollmann*Berlin statt Stabs¬ 
arzt Dr. Bisohofl'Berlin) and ansteckende Angenkrankheiten (Aagenarzt 
Dr. G e n t h • Wiesbaden statt Dr. Brandenburg* Trier) gewechselt. AUe Ver* 
lasser haben sich mit großem Fleiß bemüht, einen Ueberblick über die hygi* 
enbchen Fortschritte und Leistangen während des Berichtsjahres speziell im 
Deutschen Belche zu geben; ihre Zusammenstellaogen lassen erlreulicherwelse 
überall ein Vorwärts und keinen Stillstand erkennen. Jedem, der sich schncdl 
über diese Fortschritte und Leistungen unterrii^ten wolle, kann der Jahres* 
bericht warm empfohlen weiden. Es wird ihm als Nachschlagebuch viel Arbeit 
und Mühe ersparen. _ Bpd. 


Dr. A. PoUataohek- Karlsbad und Dr. H. VAdor*Märamaro8sziget: Dia 
tbarapaatisolien Iielntongen des Jahres 1007. Wiesbaden 1908. Ver* 
lag von J. F. Bergmann. Gr. 8", 362 S. Preis 8,60 M. 

Auch das vorliegende „Jahrbu«^" gibt gleich seinen bekannten Vor* 
gingern einen guten Ueberblick über den gegenwärtigen Stand der wissen* 
schalüichen Therapie und ihrer theoretischen Voraassetzungen. Allgemebe 
Therapie, Pharmakologie und die Ergebnisse der neueren bakterioloj^sehen 
Forschungen, soweit sie die Therapie beeinflussen, Anden wir berücksichtigt 
und in Kürze und übersichtlich angeordnet. Ein ausführliches Inhaltsverzeichi^ 
Autoren* und Sachregister erleichtern die Orientierung über die therapeutischen 
Publikationen des Jahres 1907, die durch den Ausbau der Chirurgie, der 
physikalischen Heilmethoden, der Ernährungstherapie und Diätetik, der Serum* 
theraple und der medikamentüsen Behandlung so außerordentlich zugenommen 
haben. _ Dr. Boepke-Melsungen. 

Dr. Q. Xrftniar, Oberarzt an der Großherzogi. Sächsischen Landes - Irrenanstalt 
ln Blankenheim: KarBgeßaeater praktiaoher Ratgeber fQr Irren* 
Arate und aolobe die ea werden wollen. Wiesbaden 1908. Verlag 
von J. Bergmann. Gr. 8**; 88 S. Preis 1 M. 

Vorliegende Schrift enthält kurz zusammengedrängt die wichtigsten 
Verhaltungsmaßregeln für den psychiatrischen Heuling. Er fladet darin neben 
wichtigen therapeutischen Winken auch Angaben über Krankenaulnahme und 
Untersuchung, über den dienstlichen Schriftverkehr usw. sowie recht viele 
wertvolle Fingerzeige, die ihm seine Tätigkeit im Anfang erleichtern werden. 
Mit Bücksicht auf den praktischen Gebrauch dürfte sich ein etwas handlicheres 
Format empfehlen. _ Bpd. 


Max Bnbnor, Geh. Med.-Bat, o. ö. Professor u. Direktor des hygienischen 
Instituts in Berlin: Daa Problem der liebenadaner und aeine 
Beatlehnngen bu Waobatnm und BmAhrung. München u. Berlin 
1908. Verlag von B. Oldenbourg. Gr. 8**, 208 8. Preis 6 M. geh. 

Bahn er s Buch läßt sich im Bahmen einer kurzen Besprechung nicht 
würdigen. Man muß es studieren, um zu erkennen, wie sich aus Experiment 
und logischer Vergleichs* und Schlußfolgerung Wahrheiten vor uns aufbauen, 
die ernährungsphysiologisch und biologisch gleich bedeutungsvoll sind. 

Der erste Teil behandelt die Theorie der Ernährung des aus* 
gewachsenen Organismus. B. kommt zu dem Schluß, daß der Nutz* 



670 


BesprechmigeB. 


•fekt fliBtt Ntltfug Uoiiehtlieh des N-Aantsee bei weehseladea EiweiS- 
gehalt SB bestes ist »Mui darf sagen, wenn es aneh paradox künij^ — es ist 
nie so.wenig Eiweifi ftlr den Ansatx yorhanden, als bei reiner Eiweifikest* 
Der sweite Teil entwickelt die ErnährnngRyorginge beim Waeks« 
tum des Kindes. Eiweißansats und echtes Wachstum sind streng aurfn- 
ander za halten. ,Die Fraaenmilch besitzt so wenig Eiweifi, da sich mit ihr 
trotzdem das physiologische maximale Wachstum erzielen läßt* 

Der dritte Abschnitt betrachtet das Wachstamproblem und die 
Lebensdaner des Menschen and einiger S&agetiere yom 
energetischen Standpunkt aas und führt au wichtigstes Ergebnis den 
Maehwaia großzügiger Wachstumgesetze bei den Säugern, die das extrauterine 
und intrauterine Leben umfassen und deren Endprobleme auf die Qrundfrage 
organisehen Geschehens, aaf Wachtumsdauer und Lebensdauer eia ungeahntes 
Streiflieht werfen. Und die lebende Substanz des Menschen xeigt, daß sie weit 
mehr Energieamsatz aus Nahrungstoffen za gewinnen rermag, als andere 
tierische Zellen. Der Mensch steht also in diesen Lebtangea andermi Warm¬ 
blütern weit voran. — Das sind Stichproben; mOgen sie zor Lektüre der geist- 
rollen Bubnerschen Schrift anregen. 

Dr. Boepke-Melsungen. 

Dr. Hnx Rnbner, Geh. Med.-Bat, o. 0. Professor u. Direktor des hygienisehen 
Instituts in Berlin: Volksern&hmaifsfrageii. Leipzig 19^ Aka¬ 
demische YerlagsgeecUschaft m. b. H. 

Babner f^t in der vorliegenden Boschüre seine beiden von ihm vor 
dem XIV. internationalen Kongreß für Hy^ene und Demographie erstatten 
Beferate über die Frage des kleinsten Eiweißbedarfs des Menschen* und ,die 
volkswirtscbaftlidien Wirkungen der Armonkost* zusammen. Mit schicer 
Kritik bespricht er im ersten Kapitel die Anforderungen, welche sieh ans dou 
Volkswohlstand, sowie aus den Sitten und Gewohnheit eines Volkes, ferner ans 
der individuellen Geschmacksrichtung und der beruflichen und außerbemflichen 
Tätigkeit des Individuums an eine vernunftgemäße Zusammensetzung der- 
Volksnahrung ergeben und beleuchtet nachdrücklich die hohe volkswirtschaft¬ 
liche und sozialpolitische Bedeatung einer zweckentsprechenden Volksemähmng 
und ihren Einfluß auf Morbidität und Mortalität im zweiten KapiteL Be¬ 
sondere Abschnitte sind dabei der Armen- und Gefängniskost gewidmet. 

Damit dio wichtigen Fragen der Volksemährung, ähimch wie dies in 
der Frage der Ernährung der landwirtschaftlichen Haustiere bereits geschehen, 
einem gründlichen Studium unterzogen werden, fordert Bubner die Gründung 
eines staatlichen Zentralnahrangsamtes, in welchem alle einschlägigen Fr^en, 
wie Ernäbrangsweiso in den verschiedenen Teilen des Landes, N^rangsmitteL 
wesen, Prüfung von Konservierungsmitteln, Nahrangsmittelverkehr und Prds- 
bildung, Nahrungsmittel- und Speisenbereitung, Ernährung in üffentlichen 
Speisehäusem, Kranken-, Gefängniskost, Kinderernährung u. ä. wissenschaftlich 
zu bearbeiten sein würden. Dr. Lentz-Barlin. 


Dr. mad. at phil. Haan Iiongwlts-Berlin: StolfvaolinelTeranolia 
Aber den Blweisebedarf des Kindes. Halle a. 8. 1908. Carl Mar- 
hold. Kl. 8«, 82 S. Preis 1,20 M. 

Daß wir alle, die Aerzte nicht ausgenommen, das Eiweiß als Nähr¬ 
stoff überschätzen, unterliegt wohl keinem Zweifel. Den wissenschaftlichen 
Nachweis hierfür hinsichtlich des Kindesalters erbringt L. durch seine im 
Laboratorium der Kinderklinik der Cölner Akademie angestellten Stoffweohsd^ 
versuche. Die Ergebnisse beweisen, daß die S i e g e r t sehen Zahlen, die einen 
Gehalt der Nahrung an Eiweiß von 10 "/o der Gesamtkalorien gegenüber den 
bisher üblichen 17°/o fordern, nicht nur ein gutes Gedeihen des kindlichen 
Organismus garantieren, sondern sogar zu Eiweißansatz führen. Da die Er- 
nährungsfragen, abgesehen von der medizinischen Seite, eine große'!sosial- 
hygienische und ökonomische Bedeutung haben, kann die Lektüre der kicken, 
interessant und flott geschriebenen Schrift sehr empfohlen werden. 

Dr. Boepke-Melsungen, 



Besprechoiigon. 


671 


ProH Dr. Adolf Solmldt- Halle a. S.: Die Fuaktloaeprflfaag dee 
Daxmeo mlUelat der Pxobekoet. Wiesbaden 1908. Yerli^ tob 
J. F. Bergmann. 98*. 81 8. Preis 8 M. 

Die in II. Termehrter nnd rerbesserter Auflage Torliegende Schrift 
Schmidts mochte ich jedem Erankenhaasarsty auch dem Leiter des 
kleinsten Stadt- oder Ereiskrsnkenbanses, dringend zur Anschaffang empfehlen. 
Schmidt macht ans mit einer Methodik, nuttels der Probekost die Darm* 
fonktionen zu prüfen and daraas diagnostische and tberapeatische Schlüsse zu 
ziehen, bekannt, die tatsächlich einfach and leicht aasführbar ist. 

_ Dr. Boepke-Melsongen. 

Bflrgormelntor Twistel-Mewe (Westpr.). Yolksbad und Sobulbad für 
kleine Stldte und das flaobe Land. Im SelbstTerlage des Verfassers. 
1908, 69 S. 

Verfasser tritt aofs wärmste für die Errichtang Öffentlicher Badegelegen¬ 
heiten gerade in kleineren Städten ein; er berichtet Über die Anlage mes 
Scholbades and eines Volksbraosebades in dem kleinen westpreoßischen Städt¬ 
chen Mewe, deren Kosten die Stadt dorchaos nicht stark belasten, and fordert, 
daß die kleine Stadt für die sie amgebende ländliche BeTOlkemng ^der Pionier 
in der Volksbäderfrage" werde! _ Dr. Solbrig-AUensteiB. 

Prlwatdoient Dr. Uoltaiaan- Halle a. S.: Heber die Ranob- and 
Bussfrage insbesondere ron» gesnndbeitlloben Standpunkte und 
eine Methode des Bussnacbveises ln der Luft. Mit 8 Abildangen. 
Braonschweig 1908. Verlag Ton Vieweg and Sohn. 8*;90S. Preis 8,50 hL 

Bei den großen Fortschritten aof dem gesamten Gebiete der Hygiene 
ist auch die Baach- and Baßfrage aktuell geworden; man hat ihre Wichtigkeit 
besonders für Großstädte erkannt and sinnt auf Abhilfe, die bei der i^er 
größeren Ausdehnung, die unsere Indostrie nimmt dringend notwendig ist. 
Mit Becht betont der Verfasser, daß, wenn hierbei auch dem Techniker das 
erste Wort gebühre, so müsse doch aaf diesem wie aof anderen Gebieten der 
l^giene Arzt and Ingenieur zusammen wirken. Nach einer Einleitung über 
die lokale Baachbelästigang und diffose Baachplage gibt er zuerst einen 
üeberblick über die gesundheitliche Bedeutung des Bauches und Basses, erOrtert 
dann seine verschiedenen chemischen Bestandteile sowie den Einflaß, den er 
auf die Atmosphäre wie auf den menschlichen Organismus hat Darauf bespricht 
er die Zukunft der Bauch- und Baßplage, unter Berücksichtigang der verschiedonen 
Feaerangsarten, der schon getroffenen Verbesserungen und der einschlägigen 
Gesetzgebung. Im letzten Abschnitt gibt er eine Methode an zar quantitativen 
Bestimmung des Basses in der Luft und zwar ein kolorimetrisches Verfahren, 
auf dessen Einzelheiten wir hier nicht näher cingehen können und über dessen 
Wert erst eingehende Versuche Sicheres sagen können. Die Arbeit enthält 
kurz zasammengedrängt und in flotter, übersichtlicher Weise geschrieben das, 
was für den Arzt speziell für den Hygieniker über diese Frage wissenswert 
ist; es wird aber auch dem Techniker und den Juristen manche Anregung bieten. 

_ Bpd. 


Dr. J. Bambounek, Privatdozent und Bezirksarzt in Prag: Heber die 
Yerbtltimg der Bleigefabr. Wien 1908. Verlag von Hartleben. 
8*; 79 8. Preis 3 M. 

Nach einer kurzen Einleitung, in der Verfasser darauf'aafmerksam macht, 
daß trotz der ständigen Verbesserung der sanitären Einrichtongea auf gewerb¬ 
lichen Gebiete ihr Erfolg doch kein durchgreifender ist, erOrtert er im ersten 
Teil seiner Abhandlung die Pathologie der Bleivergiftung. Er kommt zu 
dem Ergebnis, daß die Erscheinungen der Bleivergiftoug sich auf Erkran- 
kangen des Blates and des Gef^systems zarückftthren lassen and daß 
Heberarbeitang oder eine durch Erkrankung herbeigeführte Schwächang 
der Organe daza disponiert. Im Magen werde das Blei resorbiert, der Darm 
scheide es aas. BleisaUid sei relativ ungiftig, weil es im M^en and Darm¬ 
saft nicht lOslich sei. Im zweiten Teil werden die praktischen Schlüsse 



672 


BeBprechangen. 


MH dktom Ergelnis lur BdAmpfong der Bleigefakr geiogea. VerbHeer wtaaeht 
möglichste Verwendiing der Bl^alflds, Verwendlaiig von Bldrttokstiiide ia Blei* 
si^d nsw.; ferner will er jede Ueberanstrengong der Arbeiter Tennleden ind 
diejenigen, die mit irgendeiner disponierenden Krankheit (Taberknloee, Epilepsie, 
Hydrosephalas, Qrayidität) behaltet sind, aosgeschloasen wissen. 

£me fleißige and interessante Arbeit, ue weiterer Verbreitnng würdig 
ist and deren Vorschl&ge eingehende Prftfang yerdienen. Bpd. 


Frledrloh DesMiier, Ingeoiear in Aschaffenbarg: Bellend« Strehlen. 
Wflrzbarg 1908. A. Stabers Verlag. Qr. 99 8. Preis brosch. 2,60 B., 
geb. 8,20 M. 

Die yorliegenden ^gesammelten Aafsatze* Dessaaers bilden die Fort* 
setzong des yor 8 Jahren erschienenen ^rOntgenologischen Hillbaches*, da* 
s. Z. aach in dieser Zeitschrift (Jahrgang 1905 Nr. 13) besprochen worden ist 
Sie sind der therapeutischen Verwertung der Strahlangsenergien — 
X'Strahiang, Lichtstrablang and Badioaktiyilät — gewidmet, besprechen ihre 
oft flberschätzten Gefahren and die Höglichkeiten ihres weiteren Aasbaas. 

Wenn man aach darüber geteilter Ansicht sein kann, ob der Nicht¬ 
ara t überall den nar darch ärztliche Sachkenntnis onj Kritik za regulieren¬ 
den richtigen therapeutischen Einschlag yerrät, so wird man doch 
dem Ingenieur für die physikalischen Belehrungen in der BOnigentechnik, 
über den Schutz des Arztes and des Patienten gegen Schädigangen darch 
BOntgen- und Badiamstrahlang dankbar sein. Gerade dieses Kapitel ist in 
unserer Zeit der Haftpflicht und Haftbarmachang für jeden Arzt, der sich 
diagnostisch und therapeatisch mit BOntgenstrahlong befaßt, äaßerst wichtig. 
Der Anfang «Vom Geiste des Helfens* liest sich ganz nett; er k<mnte aber 
ebensogat fortbleiben. Dr. Bo ep ke-Melsangen. 


Prot Dr. Lenhaxts and Baarat Rappel in Hamborg: Der moderne 
Krenkenhaasban yom hyglenleohen und vlztsobnftlloli - teok- 
nlnoben Standpankte. Mit 60 Abbildangen. Braanschweig 1908. Verlag 
yon Vieweg & Sohn. Gr. 8**, 72 S., Preis: 2,40 M. 

Die Schrift enthält die bereits in dieser Zeitschrift (Berichtsbeilage za 
Nr. 24, Jahrg. 1903) besprochenen, auf der yor jährigen Versammlang des Deut¬ 
schen Vereins für öffentliche Gesandheit^flege in Bremen gehaltenen Vorträn 
der beiden Verfasser über den modernen Krankenhausbaa, wobei der hygienisme 
Standpankt yon Prof. Lenhartz, and der wirtschaftlich-technische Standpunkt 
yon Baarat Bappel yertreten wird. Ersterer weist aal den großen Auf- 
schwang, den der Krankenhausbaa gemacht hat, hin; die Zahl der Kranken- 
häaser im Deatscben Boich ist yon 1822 im Jahre 1877 aof 8603 im Jahre 1904 
und die der Krankenbetten yon 72219 auf 205117 gestiegen. Nach seiner 
Ansicht müssen Aerzte und Architekten einmütig zasammen wirken, damit 
mustergültige Anstalten geschaffen werden, jedoch müßten die hygienischen 
Forderangon aasschlaggebcnd sein. Die Wahl des Systems hänge yon der 
Größe und der Aufgabe der Anstalt, den örtlichen Bedingungen und den klini¬ 
schen Verhältnissen ab. Das Payillonsystem yerdiene bei großen Anlagen den 
Vorzag; Aagcn-, Obren-, Halskranke, Bheamatiker, Nierenkranke, Ddiranten 
seien aber besser in den Korridorhäasezn untergebracht. Je größer die An¬ 
stalten seien, desto größer wären auch die Schwierigkeiten und desto sorg- 
ältiger müßte der Generalplan angelegt werden. Besonders erfordere die 
Qrnppierang sämtlicher NebengebSade große Aafmerksamkeit. Baarat Bu ppel 
hält die Gesamtgrappiernng für die wichtigste und schwierigste Aufgabe; er 
fordert möglichste Trennang aller für den eigentlichen Krankendienst be¬ 
stimmten Gebäude and Bäame yon allen übrigen Bäamen and Nebenbetrieben, 
scharfe Trennang der Infektionskranken yon den allgemeinen &ankmi, 
möglichste Scheidang der Kranken nach Geschlecht, Krankheitsgattang, 
Alter osw. Beide Verfasser besprechen die an den beiden einzelnen Anlagen 
zu stellenden Forderungen, ihre Vor- und Nachteile and erläutern ihre Aus- 
führongen durch die Baupläne der bekanntesten und modernsten 



Tagesnaohrichten. 


673 


bantea der Jetitaeit. Wer sich in irgendeiner Weise mit Krankenhaosban zu 
beeebSitigen bat, dem werden die jetzt in erweiterter Form Torliegenden Vor* 
trige der Verianer sehr willkommen sein. Bpd. 


Tagesnachrichten. 

Aul der dieejäkrlgen Verzammlnng des Devtsehen Apotheker*Terelns 
wurde von dem Apotheker Dr. Clasz-Landahnt L SchL ein ron ihm gestellter 
Antrag, betreffs Aendemng der Bestimmung ttber die Apotheken*Naeh> 
besichtignng (§ 28 der Anweisung), wonach dem Apotheker die Kosten 
dafür zur Last fallen, damit begründet, daß durch die jetzige Bestimmung 
jeder getroffen werde, der nicht völlig den Anordnungen des medizinischen 
Kommissars nachkomme. Eine Besserung lasse sich nxu dadurch erreichen, 
daß die Bevisionea von Fach* und Standesgenossen ansgeführt würden. Die 
Unzutr&glichkeiten wurden im wesentlichen durch die mangelnde Fihig* 
keit des medizinischen Kommissars hervorgernfen. Die gegen ue 
medizinischen Kommissare erhobenen Angriffe wurden von dem Med.-Bat 
Fr Ohl ich-Berlin als durchaus unberechtigt bezeichnet und mit aller Schärfe 
znrttckgewiesen, worauf der Antragsteller seinen Antrag, gegen den sich auch 
der Vorstand durch seinen Beferenteu ausgesprochen hatte, zurücksog, jeden¬ 
falls das Beste was er tun konnte; denn solche völlig unbegründeten Vorwürfe 
können nur dazu beitragen, zwischen den Medizinalbeamten und Apothekern 
MUlstimmungen hervorzurufen, die nicht gerade im Interesse des Apotheker¬ 
standes liegen. 

Ueber den ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Gesetzentwurf, 
betreffend die Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte 
Personen und den Geheimmittelverkehr, lag ein ausführliches 
gedrucktes Beferat des Berichterstatters, Apothekers Dr. Beda 11-München, 
vor. Die Versammlung erkannte die Notwendigkeit der in dem Gesetzentwurf 
beabsichtigten einheitlichen reichsgesetzlichen Begelnng der Materie an und 
erklärte sich auch mit deren Zusammenfassung in einem einzigen Gesetze, sowie 
mit der Tendenz und dem Wortlaut des vorliegenden Eatwons im allgemeinen 
einverstanden, wünschte aber, daß die von Beferenten vorgesodagenen 
Abänderungen Berttckcdehtigung finden. 


Vorlivflges Programm zum UL Intemationnlen Kongress für Irren« 
pflege ln Wien vom 7. bis 11. Oktober 1908. 

L Zusammenfassender Bericht ttber den gegenwärtigen 
Stand des Irrenwesens in den verschiedenen Ländern. Beferent: 
Oberarzt Dr. Bresler (Lublinitz). Dr. Buchholtz: ,Einiges ans derham- 
bnrgischen Irrenfürsorge.* J. Deventer (Amsterdam): «Pflege der gefähr¬ 
lichen und schädlichen Geisteskranken.“ M. Le mos und J. Mattos (Porto): 
«L’assistance des aliOnOs en PortugaL“ J. Moreira (Bio de Janeiro): «Sur 
le type le plus convenable d’assistance ponr les ali^a^s des pays chands.“ 
Starlinger (Maner-Oehling), Direktor: «Streifzttge durch das Budget der 
n.-Q. Landes-Heil-und Pflegeanstalten.* Bizen (Breslau), leitender juztder 
Irrenabteilung im Strafgefängnis: «Fürsorge für geisteskranke Strafgefangene.* 
Kreuser (Winnental): «Bestrebungen und Erfolge der IrrenhUfsvereine.* 
Matthies (Dalldorf): «Ueber Berliner FamBienpflege.* v. Nießl (Leipzig): 
«E'ttraorge entlassener Geisteskranker.* Mich elf (lUinois): «Developement of 
the modern methods of the care of the insane in the HUnois Generai hospital 
for the insane.“ Ferrari (Imola-Bologna): «Les rapports entre les soddtds 
de patronage pour aliön^s et Tassistance familiale.“ st ein (Nagy-Szeben): 
«Bemerkungen zur Frage der Familienpflege.* Esposito (Maoerata): 
«L’institution del’assistance 6t£ro-famili^e ä l’atile provlnciale de Macerata*. 

U. Aerztliche Irrenpflege. Vos (Amsterdam): «Ueber Arbeits- 
entlohnung.“ A. Pilcz (Wien): «Moderne psychiatrische Heilbestrebungen.* 
Holub (Wien): Thema Vorbehalten. Scholz (Obrawalde): «Die Ausbildung 
deo Pflegepersonals.“ Kauffmann (Halle a. d. Saale): «Die Bedeutung der 
pbysiologi^en Chemie für die Irrenpflege.* Anton (Halle a. d. Saale): 



674 


Tagesnachiiehteii. 


,Zar BehMdlnng lud xar Klaariflziemag der fipflepeie.* Peetere (CHieel); 
„La dßmeiice eona^catire daiie raesistance lamiliale.* Hfifler (Cheouiitz): 
„Behandiang der Kranken im Stadtasyl.* 


UI. Irrenfleee and Technik. Beferent: k. k. Sektionschef Berger 
(Wien). Thema Vorbehalten. Direktor Dr. Herting (Galkhaneen): „Bau* 
Uehe Portent «ricklang der Anstalteo Ittr Oeisteekruske* (mit Photogrammen). 


IV. Irrenpflege and Verwaltung. Beferent: Oerdnyi (Wien). 
SehSlael (Breelaa): „Irrenpflege and Verwaltung in PreoBen.* Fischer 
(Wiesloch): „Einheitliehe Gestaltung der Jahresberichte*. 

V. Irrenpflege und Versicherungswesen. „Die Bedeutung 
der Irrenfttrsorge fOr die Arbeiterverslcherung und insbesondere ^e Inv^den- 
▼ersicherung der Arbeiter.* Beferenten: Begiernngsrat Dr. KO gl er (Wien), 
Privatdosent Dr. A. Fuchs (Wien). 

VL Irrengesetsgebung in den verschied. Lindern. Befe¬ 
renten Mongeri und Anfosso (Mailand): „La If^gislation Italienne sur 
rhospitalisation des ali£a6s.* „PsycÜatriache Sachverständigen-Tätigkeit und 
Geschworenengericht.* Beferenten: Aschaffenburg (Cöln), Stransky 
(Wien). Friedländer (Hobe Harkt i. T.): „Ueber die Bewertung der 
Imbesillität und der sogenannten Moral insanity in praktischer und forensischer 
Besiehung.* Fischer (Pozsony): „Geber die Sachverständigen-Tätigkeit bei 
sweifelhaften Geisteszuständen.* Nioladoni (Lüz): „Beform der Irrengesetz¬ 
gebung in Oesterreich.* Dr. J. M. Bhödes ' (Manchester): „The criminal 
mentally defective.* 

VU. Fflrsorffe fftr Idioten, Epileptiker und geistig Min¬ 
derwertige. Beierenten: Schiner (Wien), Weygandt (Wilrsburg). 
Krenberger (Wien): „Organisation der Anstalten fttr Schwachsinnige.* 
Heß (Görlits): „Pädagogische Therapie bei jugendlichen Nerven- n. Geistes¬ 
kranken.* Sioli (Frankfurt a. M.): „Aufgaben der Irrenasyle bei der Be¬ 
urteilung und Behandlung abnormaler Jugendlicher.* Heller (Wien): „Für¬ 
sorgeerziehung und Hellpädagogik.* 

VIIL Bericht des internationalen Komitees über den Vorschlag des 
Dr. Frank (Zürich) „Gründung eines internationalen Institutes 
zum Studium und der Bekämpfung der Ursachen der Geistes- 
kr ankheiten.* Beferent: Tamburini (Born). 

IX. Irrenpflege bei den Armeen. Beferent: Stabsarzt Dr. Dra- 
stich (Wien). „Vorsorge bezüglich der Geisteskranken im Kriege.* Zuzak 
(Tjrnau): „Die Irrenanstalt des k. k. Heeres.* 


Vom 28. bis 80. September findet in Luzern die fünfte General- 
Versammlung des Komitees der internationalen Vereinigung für gesetilichen 
Arbeiterschatz statt. Zur Beratung gelangen folgende Fragen: Das Arbdts- 
amt und seine Aufgaben; Finanzielle Lage des Amtes und der Vereinigung; 
Pro^amm der Vereinigung; Bleifrage; industrielle Gifte; Kinderarbeit; Heim¬ 
arbeit; Mazimalarbeitstag; Vollzug der Arbeiterschatzgesetze; Versicherung 
ausländischer Arbeiter. In einer Plenarsitzung soll speziell ue Nachtarbeit 
Jugendlicher besprochen werden. _ 

Die Chelem in Russland, die am 24. Juli in Astrachan aufgetreten ist, 
hat seitdem eine große räumliche Ausbreitung erfahren. Sie drang zunächst im 
Gebiet der^Wolga stromaufwärts vor und zog die Gouvernements Astrachan, 
Saratow, Samara, Simbirsk, Kasan, Nowgorod, Kostroma und Twer, dann im Osten 
die Kirgisensteppe und die Gouvernements Ufa und Perm in Mitleidenschaft, griff 
dann nach Westen in das Stromgebiet des Don, das Gebiet der Donsäen 
Kosaken und das Gouvernement Charkow über; dann trat sie nördlich und 
südlich des Kaukasus im Kubangebiet und in Transkaukasien aul In den 
letzten Wochen ist sie nach Westen im Stromgebiet des Dnjepr bis Kiew vor- 
gedrungen und auch in Moskau und in Petersburg aufgetreten, während 
sie gleichzeitig von Baku aus nach Transkaspien versdile^t worden, und in 
Sibirien im Stromgebiet des Jenissei aufgetreten ist. Trotz der enormen 



'ntgeanaohriohton. 


676 


rlnmUehea Yerbraltiiog ist die Zahl der ErkrankaiigeB in Bnfllaad bis jetst 
in m&fiigen Grenzen geblieben; sie betrag bis znm 16. September 6747 mit 
8180 Todesfällen. Eine Aasnahme davon macht nar Petersburg; die Gesamt¬ 
zahl der Erkrankongen und Todesfälle beträgt hier bis znm 16. September 
960 (27^, davon entfielen jedoch auf die drei letzten Tagen 180 (80), 240 (61), 
805 (115), also ein ständiges Wachsen. 

Seitens der dentschen und preußischen Behörden wird die 
Cholera in Baßland mit der größten Aofmerksamkeit verfolgt. Am 6. Sep¬ 
tember hat im Knltusministeriam unter Beteiligong von Eommiasaren 
der ressortmäßig beteiligten Beichsämter and preußischen Ministerien eine Be¬ 
ratung stattgefwden, in welcher üebereinstimmnng darüber bestand, daß alle 
erforderlichen Vorkehrungen getroffen sind, um einen eventuellen 
Einbruch der Cholera in die östlichen Provinzen mit Nachdruck entgegentreten 
zu können. — Nach einer Bekanntmachung des Beichskanzlers sind die ans 
den Häfen von St Petersburg und Kronstadt, sowie die aus den russischen 
Häfen des Schwarzen und des Asowschen Meeres nach einem deutschen Hafen 
konunenden Schiff e und ihre Insassen bis auf weiteres vor der Zulassung 
znm freien Verkehr ärztlich zu untersuchen. 


XXV. HaaptTersammlnng 

des 

Preussiscben Medizinalbeamten-Vereins 

Txx feier des 25jäiirigea Bestehens des Vereins 

verbanden mit der 

diesjährigen Hanptversammlnng 

des 

Dentsehen Medizinalbeamten-Vereins 

am 

Bieutaf, iti 21. Septeiber ud lidioeb, dei M. Septeiber INS 

in Bezrllxi. 

im Prenssischen Abgeordnetenhause 

Prinz Albrechtstraße. 

Xagesorclnu ng. 

Koatag, den 98. September: 

8 Uhr abends: Oeeellige Verelnloung zur BegrOeeung (mit Damen) 
im Beatanratlonnranme des Preußischen Abgeordnetenbaases. 

(Das Burean ist von 7 Uhr abends geöffnet.) 

Dienstag, den 29. September: 

10 XJbr TormlUags: Fest - Sitzung') im Feetsaale des Preuseleohen 
Abgeordnetenhauses (Priuz Albrechtstraße). 

Für die Damen der Teilnehmer sind Plätze freigehalten. 

1. Eröffnang der Yersammlnng und Begrflssnng. Ueberwelsnng des 
Stiftnngsfonds. 

2. Gesehlfts- und Knssenberleht; Wohl der Kassenrevfsorea. 


‘) Anrag fir Festsitzung und Festessen: Frack und weiße Binde. 



676 Tag«Mrda. der XX7. Hanptyerwfinlnig des PreuA. Med.>Beei>teB«yereiis. 


t. Ueber die byfteaieehe KeetreDe der eemtrelee WanerlelUuigeB. 
Beferent: H. Qeh. Med.-Bet Prol Dr. Flttgge, Direkter dee 
hygieniscbeii üniTersititdiistitate ia Breelao. 

4» Terlloflger Entwarf des Belebsgesetses, betreffend die Am- 
ttbimg der HeiUninde dveb nicht npprebierte Persenen ud den 
Gehelmmlttelrerkelir. Beferent: H. Beg.* n. Med.>Bat Dr. Dtttsekke 
in Erfurt. 

6 TThr anohinittags: Feeteeeen mit Dunen im Hotel ,Prins Albreekt* 
(Priax Aibrechtstmfie Nr. 9); Preis des Gedeckes 6 lürir). 

DUbrnbeiida: Oeeelllge Vereinlouna im .Weihenstepban*, Friedikho 
Straße 176/177. 

■ittwooh, den 30. ffeptember: 

OV* Dlir Tormlttngn: Zweite Sitzung» 

Naoh Sohliise der Sitsimg (gegen 8 Uhr nachmittags): ttemeln- 
nohaftllehee zwanglosen Besen mit Damen im Zoologischen 
Garten.') 

1. Der gegenwirtige Stand md Wert der Krimlnalanttrepelegie« 
(lÜt Demonstrationen). Beferent: H. Gerkhtswzt and Prhratdozent 
Dr. Strauch in Berlin. 

8. Die Psychologie der Anssage. Beferent: H. Prol Dr. Lochte, 
Diräktor des gerichtsärztlichen Instituts and Kreiswzt in GOtiingen. 

8. Torstandswnhl; Bericht der KassenreTisorui. 

4. Medlzlnalbeamter and Irztllehe Prlratpraxls. Beferent: H. Kreis* 
uzt Dr. Gntknecht in Beigud. 

Ahends: Besueh der Kßnigllehen Theater; nach Schloß: Oesslllge 
Vereinigung. 

Dir lirttiiD in Preonisehio uni Dwtscliei IbfiZMalhiaitN lii«^ 

Im Anftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender. 

Eo;.- and Oeh. Med.-BAt in lOnden. 


') Das Nähere wird am Sitznngstage bekannt gegeben wwden. 


Die Mitglieder dee Deuteohen and Preoßsieolion 
Medisinalbeamtenvereine werden gebeten, ihre Teilnahme an 
der diesjährigen Haaptvenammlnng und Jabilänmifeier 

schon vorher anzamelden and daza die der vorigen Nammer der 
Zeitschrift (Nr. 17) beigeffigte Postkarte za benatzen. 

Der ITorstand. 


Verantwortl. Redakteur: Dr. Rap mund, Reg.- n. Geb. Med.-Bat in Minden i. W 
J. C. O. Brniu, HorsogL S&chib u, F. Selk-L. Hofboc]idnick<hrai is MindüL 




21. Jahrg. 


190d. 


Zeitschrift 

Ittr 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt für das gesante Besundheitswesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heraasgegeben 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. OTTO RAPMÜND, 

Rogierungs- und Hedizinalrat in Minden i. W, 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Wörttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fischers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld, 

BanogL Bayer. Hor> n. BnbenogL Kammer 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 


Inserats nehmen <lle Torlagshandlung sowie alle Annoncen-Expeditionen des In- 

nnd Auslandes entgegen. 


Nr. 19. 


Krscheint am 5. nnd Jedeu Monats. 


5. 


Oktbr. 


Der Unterleibstyphus in Berlin. 

Nach einem in Berlin gehaltenen Vortrage von Dr. Nesemann, Begierangs- and 

Medizinalrat in Berlin. 

Die verschiedenen Krankheitsformen, die man mit dem Namen 
Typhus bezeichnet hat, der Fiecktyphus, der Rückfalltyphus oder 
das Rückfallfieber, der Unterleibstyphus und neuerdings anch eine 
bakteriologisch vom Unterleibstyphus getrennte Form, der Para¬ 
typhus, sind sämtlich in Berlin in mehr oder minder starker Ver¬ 
breitung aufgetreten; der Paratyphus ist allerdings bisher nur 
unter dem Bilde der Fleischvergiftung zur Beobachtung gelangt.^) 
Der Flecktyphus, der nach Griesinger und Hirsch*) vom 
Anfang des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die ständige 
Typhus-Form für alle Länder Europas war und während der 
großen Kriege im Anfänge des 19. Jahrhunderts seine größte 
Verbreitung erreichte, hat auch Berlin in verschiedenen größeren 
Epidemien heimgesneht. 

Von diesen ist die bekannteste die der Jahre 1757 and 1758, die sich 
während des siebenjährigen Krieges namentlich in Schlesien aasgebreitet hatte, 
später nach Berlin eingeschleppt wurde and auch Friedrich dem Großen bei 


*) Stabsarzt Dr. Kätscher: Eine Fleischvergiftongs-Epidcmie in Berlin 
infolge Infektion mit dem Bact. Paratypbi B. Zeitschrift für Hygiene; 1906, 

Band 55. 

*) Med.-Bat Dr. J acobson: Lehrbacb der speziellen Pathologie and 
Therapie. Von Dr. Felix v. Niemeyer. Berlin 1871. Verlag von August 
Hirachwald. Achte vermehrte and verbesserte Auflage; Bd. II, S. 361. 












678 


Br. Nesemann. 


der Ergänzung seines Heeres große Schwierigkeiten bereitete.*) Hach all¬ 
gemeiner Mißernte suchte eine neue Epidemie Berlin in den Jahren 1770 und 
1771 heim. 

Eine größere Epidemie herrschte noch in der Stadt in den Jahren 
1812 und 1818, wahrscheinlich durch die ans Bußland fliehenden Franzosen 
eingeschleppt.*) 

Lange Jahre ist dann nichts über das Auftreten der Seuche 
in Berlin bekannt. Erst ans dem Jahre 1863 erwähnt Zuelzer’) 
drei aus Oberschlesien eingeschleppte Fälle, die er in der Fre- 
rieh sehen Klinik in Berlin sab. Größere Ausdehnung — Znelzer 
erwähnt 92 Fälle — erlangte sie wieder, als sie im Jahre 1866 
in Berlin eingeschleppt war, in diesem und dem folgenden Jahre. 
Eine weitere größere Ausbreitung — 62 Fälle — erreichte die 
Eirankheit ferner in den Jahren 1880 nnd 1881; einzelne 
Fälle kamen noch in den Jahren 1882, 1883 und 1884 vor. Seit 
dieser Zeit sind bis zum Jahre 1893 nur ganz vereinzelt ein* 
geschleppte Fälle vorgekommen. 

Seitdem blieb Berlin gänzlich vom Flecktyphus verschont. 

Außer dem Flecktyphus herrschte früher die auch als 
Bückfall-Typhus bezeichnete Febris recurrens in Berlin. 

Nach den Angaben Znelzers (1. c.) scheint die Krankheit, 
die in Rußland weit verbreitet gewesen sein soll, in Berlin schon 
im Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt gewesen zu sein, eine 
größere Verbreitung aber erst im Jahre 1867, zu welcher Zeit 
sie mit Flecktyphus zusammen auftrat, erreicht zu haben. 

Von ihrem Auftreten in den Jahren 1879 und 1880, in denen 335 bezw. 
627 Fälle polizeilich gemeldet wurden, gibt der Generalbericht für diese Jahre 
Kunde.*) Im Jahre 1881 kamen noch 3 Fälle zur Anzeige, seitdem finden sich 
keine Angaben mehr über das Auftreten der Krankheit in Berlin. Seit vielen 
Jahren ist notorisch kein Fall der Krankheit mit Ausnahme eines im Jahre 
1906 in einem hiesigen Krankenhause beobachteten Falles in Afrika akq^uirierter 
afrikanischer Bekurrens in Berlin vorgekommen. 

Während der Flecktyphus und das Rückfallfieber stets nur 
auf dem Wege der Einschleppung nach Berlin gelangten, ist 
eine dritte als Typhus bezeichnete Krankheit seit langer Zeit bei 
uns heimisch. Es ist dieses die T^husform, die wir wegen der 
krankhaften Veränderungen, die sie im Darm verursacht, wohl 
noch allgemein als Unterleibstyphus bezeichnen, wenn ihr 
dieser Name, den sie so lange Zeit mit guter Berechtigung zu 
führen glaubte, auch neuerdings durch die bakteriologischen 
Forschungen, die nachgewiesen haben, daß der Krankheitsprozeß 
im Blute verläuft, wohl wird streitig gemacht werden.*) 

*) Fi4d6ric. IL: Hist, de la guerre de sept ans. Berl., Ed. 1847, L, p. 181. 

*) Ueber das Vorkommen von Fleckfieber und Bekurrens in Breslau. 
Von Dr. med. Max Leonhardt in Breslau. Zeitschrift für Hygiene und In¬ 
fektionskrankheiten ;■ Bd. XXIV, S. 24. 

3) Beiträge zur Aetiologie und Pathologie der typhoiden Krankheiten I. 
Die Verbreitung der Ileo- und Flecktyphus in Berlin in den Jahren 1863—1867. 
Von Dr. W. Suelzer, Privatdozent an der Universität in Berlin. Berlin 1870. 
Verlag von Aug. Hirschwald. 

*) Qeneralbericht über das Medizinal- und Sanitätswesen der Stadt Berlin 
in den Jahren 1879 und 1880, erstattet von Prof. Dr. C. Skrzeczka, Beg.- 
und Geh. Med.-Bat. Berlin 18S2. 

Dr. Lontz: Aetiologie und Prophylaxe des Typhus und Paratyphns. 
Hygienische Bundschau; 1907, Nr. 6. Beilage. 



Der Unterleibstyphoi in Berlin. 


679 


In den Berliner Todtcnscheinen der 60 er Jahre wird die Krankheit als 
Darmtyphos, Unterleibstyphus, Nervenfieber, gastrisch • neivbses Fieber be¬ 
zeichnet, auch wurde sie wohl hitziges Fieber oder lenteszierendes Herbstfieber 
genannt, mit ihrem wissenschaftlichen Namen aber als Heo-Typhus und Ab¬ 
dominal-Typhus aufgeftthrt. 

Soviel ans der Literatur ersichtlich ist, scheint man frtther 
Flecktyphus und Unterleibstyphus vielfach zusammengeworfen und 
als verschiedene Formen ein und derselben Krankheit angesehen 
zu haben, wenn man auch klinisch und pathologisch-anatomisch 
beide Krankheiten zu trennen gelernt hatte. 

Zuelzer (L c.) hebt noch im Jahre 1870 hervor, daß man gelegentlich 
der Erkrankungen mehrerer Unterbeamten der Charit6 an Unterleibstyphus, 
die zu einer Zeit erfolgten, als Flecktyphus-Erkrankungen in der Charit6 be¬ 
handelt wurden, noch die Möglichkeit erwog, ob nicht Flecktyphus durch 
Uebertragung auch gelegentlich Unterleibstyphus hervorbringen könne. Und 
auch Felix v. Niemeyer (1. c.) hält es noch in der 1871 erschienenen Auflage 
seines Lehrbuches für nötig, sich gegen die Ansicht zu wenden, daß der Fleck¬ 
typhus die einfache, der Onterleibstyphus die kompliziertere Form derselben 
Grundkrankheit sei, oder gar daß der Unterleibstyphus den höheren Grad, der 
Flecktyphus den niederen Grad der Infektion mit Typhusgift darstelle. 

Eine völlige Klärung der Entstehung der Krankheit und ihrer Ver¬ 
breitungsweise trat erst ein, als der Krankheitserreger, dessen Vorhandensein 
man wohl schon geahnt hatte, von Eberth und Gaffky im Anfang der 
80 er Jahre gefunden war und seine Lebensbedingungen festgestellt wurden. 

Schon in Anbetracht der früheren mangelhaften Unter¬ 
scheidung des Unterleibstyphus und Flecktyphus dürften die von 
Formey^) aus den Jahren 1784—89 angeführten Zahlen über 
Sterbefälle an hitzigem Fieber und Nervenfieber nicht brauchbar 
sein. Aus demselben Grunde dürften auch die von Wollheim 
aus den Totenlisten der Jahre 1834—1841 entnommenen Zahlen, 
die in Tabelle 1 mit anfgenommen sind, wie auch Zuelzer hervor¬ 
hebt, der Zuverlässigkeit entbehren, wenn auch bereits seit dem 
Jahre 1824^) ärztliche Totenschau in Berlin eingeführt ist und 
seit dem Jahre 1835 keine Leiche beerdigt werden darf, ohne 
daß zuvor von einem Arzt auf Grund der vorgenommenen Leichen¬ 
schau der vorgeschriebene Totenschein ausgestellt ist. 

Zuelzer, dessen Arbeit sich auf die Jahre 1863—1867 
erstreckt, erkennt erst den aus den ärztlichen Totenscheinen dieser 
Jahre entnommenen Zahlen über die Sterbefälle an Typhus größeren 
Wert zu, da er wohl annimmt, daß zu dieser Zeit die Aerzte im 
allgemeinen die einzelnen Typhusformen zu unterscheiden ver¬ 
mochten. 

Die am Schluss (s. S. 691) mitgeteilten Zahlen über die in 
Berlin vorgekommenen Sterbefälle an Unterleibstyphus in der 
Tabelle I sind für die Jahre 1863—1866 der Zuelz ersehen 
Abhandlung, die weiteren bis zum Jahre 1894 den Generalbe¬ 
richten über das Medizinal- und Sanitätswesen der Stadt Berlin, 

*) Formey: Versuch einer medizinischen Topographie von Berlin. Berlin 
1796; nach Zuelzer (L c.). 

*) Wollheim: Versuch einer medizinischen Topographie und Statistik 
von Berlin. 1844. 

') Die Unterlagen der Todesursachenstatistik von Prof. Dr. med. Albert 
Gttttstadt, Geh. Med.-Bat und Mitglied des Königlich Preußischen Statisti¬ 
schen Landesamts. Vortrag in der Sektion VIII des Kongresses für Demo¬ 
graphie und Hygiene in Berlin, September 1907. 



680 


Dr. Nesemann. 


die späteren dem dritten Verwaltungsbericht des Königlichen 
Polizeipräsidiums von Berlin iür die Jahre 1891 bis 1900, den 
Akten der Sanitätskommission in Berlin und den Veröffent- 
lichnngen des Statistischen Amts der Stadt Berlin entnommen. 

Bl der Tabelle I zeigen die Zahlen über die Sterbeiälle in 
den Jahren 1863 bis etwa 1877, welche unheilvolle Rolle der 
Unterleibstyphns früher in Berlin gespielt hat. 

Nach dem Skrzeczkasehen Bericht (1. c.) betrug in den 
Jahren von 1867 bis 1877 das jährliche Mittel der Typhns-Sterbe- 
fäUe im Verhältnis zum Tauseud der Gesamtsterblichkeit 28, im 
Jahre 1872 mit seinen 1208 Sterbefällen an Typhus sogar 45,4 
pro mille der Glesamtsterblichkeit. 

Legt man die Einwohnerzahl zugrunde, so starben, wie ans 
Tabelle I ersichtlich ist, von 10000 Einwohnern im Jahre 1867, 
als Berlin ungefähr 702000 Einwohner hatte, 7,3, im Jahre 1871 
(ca. 826000 Einw.) gar 14,5 an Unterleibstyphus! 

Noch in der Mitte der 70 er Jahre des vorigen Jahrhunderts 
bildeten, wie sich mit dem Verfasser wohl die älteren Kollegen 
entsinnen werden, die Typhuskranken einen großen Prozentsatz 
der in den Berliner Ki-ankenhäusern behandelten Kranken. 

Auch in den achtziger Jahi en war die Zahl der Typhusfälle 
in Berlin eine recht beträchtliche, wie sich aus den in Tabelle II 
(s. S. 692) enthaltenen Uebersichten über die in den einzelnen 
Jahren seit 1878 polizeilich gemeldeten Fälle ergibt. 

Die früheren hohen Typhuszahlen erscheinen erklärlich, wenn 
man die damaligen hygienischen Verhältnisse Berlins berücksichtigt, 
die besonders anschaulich von Skrzeczka geschildert werden: 

Die Regen- und Schmutzwässer und meist auch die Abwässer 
der Gewerbebetriebe flössen in offenen, undurchlässigen und nicht 
mit genügendem Gefälle versehenen Rinnsteinen den öffentlichen 
Wasserläufen zu. Die Fäkalien wurden in die auf jedem Hofe 
beflndlichen gemauerten Senkgruben direkt aus den Hofabtritten 
entleert, und in dieselben Senkgruben wurden die etwa in den 
Häusern aufgestellten Nachtstuhl - Eimer geschüttet. Der Inhalt 
der Grube wurde meistens nur zwei- bis dreimal im Jahre ab¬ 
gefahren, desgleichen der Inhalt des für Müll- usw. dienenden 
Sammelbehälters. Auch die Abfuhr der Gruben, die vielfach von 
kleinen Unternehmern besorgt wurden und meist in ganz primi¬ 
tiver Weise durch Abschöpfen erfolgte, hatte Verunreinigungen 
aller Art im Gefolge. 

Nach der im Jahre 1852 erfolgten Versorgung der Hänser 
mit fließendem Wasser waren zahlreiche Wasserklosetts angeleg^t 
worden, deren Wässer sich nun teils in den vorhandenen Kanälen 
und Tonröhren, teils aber auch in offenen Rinnsteinen in die öffent¬ 
lichen Wasserläufe ergossen. Daß diese sich infolgedessen inner¬ 
halb des Weichbildes von Berlin in einem Zustande nngehenerei 
Verschmutzung befanden, war natüidich. 

Im Jahre 1874 war zwar die Kanalisation von Berlin und 
deren sofortige Ausführung in einem Teile der Stadt beschlossen 
worden, doch vergingen noch Jahre, ehe ein erheblicher Teil der 
Stadt kanalisiert war. 



Der ünterleibslyphas in Berlin. 


681 


Auch die Wasserversorgung von Berlin war bis zu Anfang 
der 70 er Jahre ein sehr mangelhafter. 

Seit dem Jahre 1852 bestand allerdings, wie oben erwähnt, 
ein Wasserwerk, das an der Oberspree dicht oberhalb der Stadt be< 
legene sogenannte Stralauer Wasserwerk, das auf Veranlassung 
des Polizeipräsidenten von englischen Unternehmern angelegt 
worden war. 

Das aus der Spree entnommene Wasser wurde zwar schon 
damals durch Sandülter filtriert, doch war die Filtration keine 
ausreichende und keine kontrollierte. Auch hatte die Gesellschaft 
kontraktlich nur die Verpflichtung, die Straßen und Plätze in 
einer bestimmten Länge mit Wasserrohren zu versehen, so daß 
ein großer Teil der Stadt unversorgt blieb. Zu Ausgang des 
Jahres 1873 waren erst ca. 51 o/o der bebauten Grundstücke mit 
Wasserleitung versehen; es blieb daher etwa die Hälfte der Stadt 
auf die Wasserversorgung durch Brunnen angewiesen. Diese 
waren bis zum Jahre 1873 fast ausschließlich Kesselbrnnnen von 
nur geringer Tiefe, und daher bei der infolge der oben geschilderten 
Verhältnisse unausbleiblichen Verunreinigung des Bodens und der 
Gewässer jeglicher Verunreinigung ausgesetzt. 

Im Jahre 1873 entschloß sich die Stadtverwaltung, das 
Stralauer Wasserwerk selbst zu übernehmen, stand aber, offenbar 
mit Rücksicht darauf, daß das Ufergelände der Oberspree in der 
Nähe und oberhalb des Wasserwerks immer mehr bebaut würde, 
davon ab, das Stralauer Wasserwerk zu’erweitern, und beschloß, 
ein neues Wasserwerk am Tegeler See zu errichten, das ans 
Grundwasserbrunnen gespeist werden sollte, aber erst im Jahre 
1877 zum Teil und 1878 voll in Betrieb genommen werden konnte. 

Die so augenfällige Häufigkeit der Typhus-Erkrankungen in 
Berlin bis zum Ende der 70 er Jahre hatte natürlicherweise auch 
zu Nachforschungen über deren Ursache angeregt, wie sich auch 
bei Zuelzer hierüber Angaben befinden. 

Diese konnten jedoch zu einem brauchbaren Resultate nicht 
führen, so lange mau als Ursache der Ausbreitung der Krankheit 
die Anhäufung putrider Stoße im Erdboden, die Verseuchung der 
Brunnen von den Kü’chhöfen aus und die Höhe des Grundwasser¬ 
standes ansah. 

Die ersten Angaben über Erhebungen, die von seiten der 
Gesundheitspolizei in betreff der mutmaßlichen Ausbreitungsweise 
der Krankheit vorgenommen worden sind, finden sich in dem schon 
erwähnten Generalbericht von Skrzeezka über die Jahre 1879 
und 1880. Dieser sowohl, wie seine Nachfolger Pistor^), *, ®)_und 


*) Dritter Generalbericht'' über das Medizinal-' und Sanitätswesen der 
StadtiBerlin im Jahre 1882. Erstattet von Dr. Pistor, Reg.- und Med.-Rat. 
BerlinJ1884. Druck von A. W. Hayns’s Erben. 

*) Das öffentliche Gesundheitswesen und seine'üeberwachung in der 
Stadt Berlin während der Jahre 1883, 1884 und 1885. Vierter Generalbericht, 
erstattet von. Dr. Pistor, Reg.- und Geh. Med.-Rat. Berlin 1887. Verlag 
von Gustin. 

*) Dasselbe für die Jahre 1886, 1887, 1888. Fünfter Generalbericht. 
Berlin 1890. Verlag von Gustin. 



682 


Dr. Nesemann. 


Wernich^) haben sich die Nachforschnngfen, die sich besonders 
auf Verbreitung: der Krankheit in einzelnen, unter besonderen 
Verhältnissen befindlichen Stadtteilen erstreckten, sehr angrelegen 
sein lassen. Als solche wurden einmal die an den öffentlichen 
Wasserläufen, yon denen einzelne, wie der Luisenstädtische Kanal, 
der Königsgraben, der im Sommer fast immer Morast bildete, und 
die Parke arg durch unreine Abwässer aller Art verunreinigt 
waren, belegenen Straßen, dann aber auch die in der Nähe der 
Kirchhöfe und der Abladestellen für den städtischen Kehricht in 
Betracht gezogen. 

Es ließ sich indessen in keinem Stadtteil ein anf dessen 
besondere Verhältnisse zu beziehendes Hervortreten der Krank¬ 
heit feststellen, wie sie überhaupt ohne erkennbare Ursachen bald 
diesen, bald jenen Stadtteil mehr oder minder befiel, bald sich 
mehr gleichmäßig über die ganze Stadt ausbreitete. 

Auch die Schwankungen des Grundwassers wurden längere 
Zeit hindurch sorgfältig beobachtet; es zeigte sich jedoch bald, 
daß sie ohne erkennbaren Einfiuß anf die Typhnsfrequenz waren. 

Als das große Kanalisations-Werk in Angriff genommen 
war, lag es nahe, zu prüfen, ob sich etwa ein Unterschied im 
Befallenseinder nichtkanalisierten und der kanalisierten 
Grundstücke zeigte. Es sind auch in dieser Richtung von den 
oben genannten drei Berichterstattern in den General-Sanitäts¬ 
berichten sehr interessante Erhebungen erwähnt worden, die das 
Ergebnis hatten, daß tatsächlich die kanalisierten Grundstücke 
nicht unerheblich weniger von Typhus heimgesucht wurden, 
als die nicht kanalisierten. 

Aber schon zu Ende des achten Jahrzehnts ließ sich fest¬ 
stellen, daß mit dem weiteren Ausbau der Kanalisation dieser 
Unterschied immer mehr schwand. 

Schon längst hatte zwar die Ueberzeugnng bestanden, daß 
der Unterleibstyphus durch den Genuß verunreinigten 
Wassers entstehen könne, und auch in Berlin hatte man ver¬ 
schiedene Gruppen von Typhus-Erkrankungen anf bestimmte 
Brunnen beziehen können. Aber erst mit der Entdeckung des 
Typhusbacillus kam die Erkenntnis, daß Typhuserkrankungen nur 
von einem solchen Wasser ansgehen können, in das Typhns- 
bazillen von außen gelangt sind. 

Im Besitz dieser Erkenntnis fing man an, auch die zentralen 
Wasserversorgnngsanlagen mit ganz anderen kritischen Augen zn 
mustern als früher und daraufhin zu prüfen, ob etwa eine auf¬ 
fallende Steigerung der Typhusfrequenz mit der Wasserversorgung 
zusammenhing. Es war daher nur natürlich, daß man dem alten 
Stralauer Wasserwerk, wenn es auch mit Filter-Anlagen ver¬ 
sehen war, zu mißtrauen anfing. 

Das Wasser der Oberspree hatte mit der zunehmenden Be¬ 
bauung, namentlich nach der Anlage zahlreicher Fabriken, deren 

*) Sechster Gesamtbericht ttber das Sanitätswesen in der Stadt Berlin 
während der Jahre 1889, 1890 nnd 1891. Erstattet von Dr. A. Wernich, 
Reg.- und Med.-Bat und Dr. B. Wehm er, Med.>Assessor. Berlin 1893. 



Der ünterleibstypbos in Berlin. 


683 


Abwässer in den Flnßlanf gelangen, ohnehin auch ihr das Be¬ 
wußtsein des Laien sein Unschnldskleid in Hinsicht auf seine 
Verwendung des Trinkwassers verloren. 

Dr Hygieniker hatte aber noch anderen Anlaß, es mit 
großer Besorgnis zn betrachten. 

Der immer mehr zunehmende Schiffahrtsverkehr, die Tat¬ 
sache, daß unter der Schifferbevölkerung der Typhus heimisch¬ 
war, und die Eerfahrung, daß die Schiffer, unter denen Typhus 
Erkrankungen bekanntermaßen sehr häufig sind, ihre Dejektionen 
dem Flusse anzuvertrauen pfiegen, ferner der Umstand, daß auch 
Zufiiiase von Rieselfeldern oberhalb der Entnahme - Stelle in die 
Spree gelangten, legte die Befürchtung nahe, daß das Wasser an 
der Entnahme •' Stelle unter Umsänden verseucht werden und daß 
trotz der Filtration auch einet Verseuchnng der Wasserleitung 
eintreten könne. 

Die Tatsachen haben diese Befürchtung gerechtfertigt. 

Nach Fraenkel nnd Piefke^) stieg im Jahre 1889 im 
Februar die Zahl der polizeilich gemeldeten T^husfälle, die im 
Januar 64 betragen hatte, im Febmar plötzlich auf 271 (nach 
den Quellen des Verfassers sogar auf 347), betrug im März 258 
und sank dann im April auf 95. 

Es konnte festgestellt werden, daß an dieser explosiven 
Zunahme der Fälle in auffallender Weise und in scharfer 
Abgrenzung die Stadtteile betroffen waren, die allein von 
dem Stralauer Werk mit Wasser versorgt wurden, die¬ 
jenigen Stadtteile, die nur von dem Tegeler Werk versorgt wurden, 
fast gar nicht und eine dritte Gruppe von Stadtteilen, die Misch- 
Wasser von beiden Wasserwerken erhielt, zwar mehr als die letzt¬ 
genannte, aber weniger als die erstgenannte befallen war. 

Diese Tatsachen waren äußerst gravierend für das 
Stralauer Wasserwerk. 

Nach den Untersuchungen von Proskauer*) war auch die 
Keimzahl des Stralauer Wasserwerks, während die der Tegeler 
Werke nur selten wenig mehr als 150 Keime im Kubikzentimeter 
betragen hatte, schon im Jahre 1888 teilweise eine auffallend 
hohe gewesen, am 15. März 1888 hatten sich 8600 Keime im 
Kubikzentimeter gefunden und in der kritischen Zeit des Jahres 
1889 betrugen die im Kubikzentimeter enthaltenen Keime am 
1. Februar: 1730, am 15. Februar: 1600, am 4. März: 2400 und am 
15. März: 4800. 

Eine zweite sehr auffällige Steigerung der Fälle kam 
dann noch im November vor, als diese plötzlich von 96 im Oktober 
auf 271 stiegen, um dann im Dezember wieder auf 99 abzufallen. 


*) Versuche ttber die Leistungen der Sandfiltration. Von Dr. Carl 
Fraenkel, PriTatdozenten und Assistenten am hygienischen Institut zu Berlin, 
nnd C. Piefke, Betriebsingeniour des städtischen Wasserwerks zn Berlin. 
Zeitschrift für Hygiene; Bd. VUi, H. 1. 

üeber die Beschaffenheit des Berliner Leitnngswassers in der Zeit 
vom April 1836 bis März 1889. Von B. Proskaner. Zsitschrift für Hygiene; 
Bd. 9, Heft 1. 



684 


Dr. Nesemaim. 


Noch zu einer anderen Zeit trat die Beteiligung des 
StralanerWasserwerks an der plötzlich steigenden Typhus- 
Frequenz deutlich zutage. Nach dem Generalbericht für die 
Jahre 1892—1894*) wurde, als infolge der in Berlin im Jahre 
1892 auftretenden Cholera - Erkrankungen die Wasserentnahme- 
Stelle des Stralauer Werkes gefährdet erschien, auf Grund eines 
Ministerial - Erlasses eine besonders sorgfältige Filtration des 
Fluß Wassers und bakteriologische üeberwachung der Keimzahl 
des filtrierten Wassers eingeföhrt, die auch zunächst im Jahre 
1892 guten Erfolg zu haben schien, wie aus den Typhus-Zahlen 
für das Jahr 1902 in Tabelle II hervorgeht. 

Im Jahre 1893 nahmen die Typhnserkranknngen 
jedoch sehr zu und erreichten im September, plötzlich ansteigend, 
die sehr hohe Zahl von 231. 

Wie der Jahresbericht hervorhebt, betraf die Mehrzahl dieser 
Fälle wieder einen Stadtteil, der ausschließlich durch das Stra¬ 
lauer Werk mit Trinkwasser versorgt wurde. Von 359 
Erkrankungen des Spätherbstes fielen 203 auf den betreffenden 
Stadtteil. Daß die hohe Typhus - Frequenz fast ausschließlich 
durch das Wasser des Stralauer Wasserwerks bedingt war, ergab 
sich aus folgender Tatsache. 

Als im November 1893 das alte Stralauer Werk geschlossen 
und das Werk am Müggelsee zum Teil eröffnet wurde, trat mit 
einem Schlage — wie aus Tabelle II ersichtlich ist — ein 
plötzlicher Abfall der Typhus-Erkrankungen ein. 

Diese auffallende Tatsache gab dem Verfasser Veranlassung, 
die zu Gebote stehenden Zahlen der Typhus-Sterbefälle und 
Typhus-Erkrankungen auf ihren etwaigen Zusammenhang mit 
der Wasserversorgung zu prüfen. 

Die Tabelle I, in der die Todesfälle an Typhus in den Jahren 
1863—1907 enthalten sind, zeigt zunächst eine wie ungeheuere 
Bedeutung der Unterleibstyphus noch vor gar nicht zu langer 
Zeit für Berlin hatte, wie aber die Mortalitäts-Zahlen allmählich 
immer mehr zurückgehen, bis sie zurzeit so weit gesunken sind, 
daß die Typhus-Mortalität im Verhältnis zu den anderen in Berlin 
heimischen^nfektions-Krankheiten kaum eine Rolle spielt. 

Im Jahre 1907 starben an Unterleibstyphus 53 Personen, während allein 
an Kindbettfieber 122 Frauen zaccrunde ginp'en, an Scharlach 163, an Diph¬ 
therie 474 und an Langen- und Kehlkopf-Tuberkulose 1934 Personen starben. 

Auch unter den deutschen Städten und im Verhältnis zur Typhus- 
Mortalität des ganzen Staates steht Berlin sehr günstig da. 

Der Unterschied zwischen früheren Jahrzehnten und heute wird noch 
auffallender, wenn wir die früheren und jetzigen Bevölkerungsziffem berück¬ 
sichtigen. 

Im Jahre 1867 starben von 10000 lebenden Berlinern 7,3 an Unterleibs¬ 
typhus, im Jahre 1872 gar 14,5. Wir sehen dann die Zahlen immer mehr 
heruntergehen; im Jahre 1907 ist die Mortalität gar auf 0,28 gesunken, d. h. 


Siebenter Qesamtbcricht über das Sanitäts- und Medizhialwesen in 
den Städten Berlin und Charlottenbnrg während der Jahre 1892, 1893 und 
1894; erstattet von Dr. A. Wernich, Beg.- und Med.-Bat, und Dr. Spring¬ 
feld, Med.-Assessor im Königlichen Polizeipräsidium zu Berlin. Berlin 18^. 
Verlag von Bichard Scho etz. 



Der ünterleibstyphiu in Berlin. 


685 


es starben von 10000 Personen nnr 3 an ünterleibstyphas, während im Jabre 
1867 73 nnd im Jahre 1872 145 starben. 

Aach aas den Ziffern der in Tabelle II enthaltenen polizei¬ 
lich gemeldeten Typhös • Erkrankungen ergibt sich deutlich das 
stetige Zurückgehen der Typhus-Fälle in Berlin. 

Bei genauerer Betrachtung der Zahlen der Typhus-Mortalität 
in Tabelle I ergibt sich jedoch, daß die Abnahme der Todes¬ 
fälle im allgemeinen zwar allmählich, zweimal jedoch, in den 
Jahren 1878 und 1894, rapide erfolgte. Im Jahre 1878 fiel 
die Mortalität von 612 im Vorjahre auf 326, im Jahre 1894 von 
143 Fällen im Vorjahre auf 67.*) 

Ein derartiges sturzweises Abfallen der Mortalitätsziffern 
muß aber unsere Aufmerksamkeit um so mehr erregen, als es mit 
einschneidenden Aenderungen der Wasserversorgung 
Berlins zusammenfiel. Im Jahre 1876 war nämlich das neue 
aus Grundwasser-Brunnen gespeiste Wasserwerk für 
Berlin in Tegel in Betrieb genommen worden. Im Jahre 1877 
lieferte es nur etwa den 10. Teil des von den Stralauer Werken 
gelieferten Wasserquantums, im Jahre 1878, also dem Jahre, in 
dem die rapide Abnahme der Todesfälle erfolgte, fast das Doppelte 
des von den Stralauer Werken gelieferten. Ein zwar geringerer, 
aber doch deutlich erkennbarer Abfall der Todesfälle war übrigens 
schon in den Jahren 1876 und 1877, also in den Jahren, in denen 
die Tegeler Werke zu funktionieren anfiogen und der Verbrauch 
des Stralauer Wasser damit eingeschränkt wurde, eingetreten. 

Der zweite rapide Abfall der Mortalität fällt in das Jahr 
1894; wie wir sehen, waren aber im November des Vorjahres die 
Stralauer Werke endgültig geschlossen und nun die 
Wasserversorgung Berlins allein durch die Werke am Müggelsee 
uud die Tegeler Werke erfolgte. 

Es trat also einmal ein großer Abfall ein, als die Wasser- 
lieferung der Stralauer Werke wesentlich eingeschränkt 
wurde, ein anderes Mal, als sie ganz aasgeschaltet wurde. 

Diese Tatsachen allein dürfen dafür beweisend sein, einen 
wie großen Einfiaß die Art der Wasserversorgung in Berlin und 
speziell die Wasserversorgung mit filtriertem Spreewasser auf 
die Typhusfrequenz ausgeübt hat. 

Wenn nun danach anzunehmen ist, daß die große Aus¬ 
breitung des Unterleibstyphus in Berlin wesentlich auf eine Ver¬ 
seuchung des Stralauer Wasserwerks zurückzufübren ist, so ist 
das doch nicht in der Weise zu verstehen, daß die Spree und 
weiter das Stralauer Werk fortwährend verseucht gewesen sei. 

In der Tabelle II*) sehen wir, wie in einzelnen Monaten 
der verschiedenen Jabre die Zahl der Fälle plötzlich auffallend 
ansteigt, um dann mehr oder minder allmählich wieder abzufallen. 
Derartiges plötzliches Ansteigen deutet immer auf eine Massen¬ 
infektion ans einer gemeinsamen Infektionsquelle, die für Berlin 
damals in seiner Spreewasser-Versorgung gegeben war. An die 

‘) Die betreffenden Zahlen sind in Tab. I und II (s. S. 691 n. 692) fett 
gedruckt. 



686 


Dr. Nesemann. 


Massenerkrankangen schloß sich dann eine Anzahl neuer Fälle. 
Auf diese Weise entstand dann die hohe Typhus-Frequenz in solchen 
Jahren. 

Je mehr die Wasserversorgung immer einwands- 
freier wird, also etwa vom Jahre 1894 an, desto mehr ver¬ 
schwinden auch die plötzlich hochansteigenden Ziffern 
einzelner Monate; es bildet sich dann eine Typhus-Eurve in der 
Art ans, daß die Erkrankungen im Frühjahr allmählich ansteigen, 
im August oder September ihre Höhe erreichen, zum Winter all¬ 
mählich abfallen und etwa zum Minimum herabsinken. 

Ein derartiger, gewissermaßen regelmäßiger Verlauf der 
Typhnsknrve ist schon von Hirsch^) gefunden und u. A. auch 
vom Verfasser *) bestätigt worden, ohne daß sich wohl mit irgend¬ 
welcher Sicherheit angeben ließe, worauf ein solcher Verlauf der 
Kurve, den der Verfasser den normalen Verlauf nennen möchte, 
beruht. Jedenfalls scheint ein auffälliges Abweichen von dieser 
Kurve mit Häufung der Fälle zu ungewöhnlicher Zeit stets 
darauf hinzudenten, daß eine besondere Infektions-Quelle 
vorhanden ist. 

Wenn nunmehr in Berlin sieh die Typhus-Frequenz schon 
seit geraumer Zeit in normalen Kurven bewegt, in den letzten 
Jahren die Todesfälle an Typhus durchschnittlich bis auf 64 ge¬ 
sunken sind nnd die polizeilich gemeldeten Erkrankungen im 
Durchschnitt nur etwa 370 betragen haben, so liegt doch immer 
noch ein Interesse var, die Herkunft auch dieser Fälle auf¬ 
zuklären. 

Schon seit dem Jahre 1896 finden regelmäßig durch^ die 
beamteten Aerzte, jetzt also durch die Kreisärzte, in jedem zur 
Anzeige gelangten Falle von Unterleibstyphus Nachforschungen 
in betreff seines Ursprungs statt. 

Der Erfolg ist allerdings kein großer gewesen. 

Zunächst ist hervorzuheben, daß, wie von dem unmittelbaren 
Amtsvorgänger*) des Verfassers sowie von diesem selbst fest¬ 
gestellt worden ist, die Verbreitung des Unterleibstyphus zurzeit 
unter Berücksichtigung der Bevölkerungsziffer der einzelnen 
Stadtteile in Berlin eine ziemlich gleichmäßige ist, wenn auch 
hierjund da die Zahl der Fälle in einzelnen Stadtgegenden eine 
etwas größere ist als in anderen. 

Bei etwa 7 */o der Erkrankten ließ eich als sicher annehmen, 
daß sie sich in Sommerfrischen, auf Reisen und sonst auswärts 
infiziert hatten. 

Etwa 2*/(, der Erkrankten hatten zu der für die Infektion 
in Betracht kommenden Zeit in Flußbade-Anstalten inner- 


*) Graadriß der Hygiene. Von Dr. Carl Flttgge, Professor nnd 
Direktor des hygienischen Instituts in Breslau. 6. Ablage. Leipzig 1902, 
V eit & Co. 

2) üeber Ausbreitungsweise des Unterleibstyphus in ländlichen und 
großstädtischen Verhältnissen. Von Dr. Franz Nesemann, Beg.-und Med.- 
Bat in Berlin. Vierteljahrschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches 
Sanitätswcsen; 3. Folge, XXIX. 

*) Geh. Med. • Bat Dr. Abel, Vortragender Bat im Eultnsministeriuiii. 



Der ünterleibstyphns in Berlin. 


687 


halb der Stadt gebadet. Dazu kommt noch alljährlich eine An¬ 
zahl zur SchiffsbeYölkernng gehöriger Personen. Fast all¬ 
jährlich erkrankten sodann Personen des Pflegepersonals der 
Krankenanstalten, oft aber infolge direkter Ansteckung durch 
ihre Pflegebetohlenen, an Unterleibstyphus. Im Jahre 1906 betrug 
beispielsweise deren Zahl 8, im Jahre 1907 sogar 131 

Die bei weitem größteZahl der Fälle bleibt indessen mit 
bezog auf ihre Aetiologie unaufgeklärt. 

Dieses ungünstige Resultat kann wohl kaum etwas Ueber- 
raschendes haben, wenn man die ungeheuren Schwierigkeiten in 
Rechnung zieht, die sich den Nachforschungen bei den vielfach 
verschlungenen Verkehrsbeziehungen eines Gemeinwesens von 
über 2 Millionen Einwohnern zu den mit ihm mehr oder minder 
eng zusammenhängenden Nachbargemeinden, der Provinz, dem 
Reiche und dem Anslande und wieder bei den Verkehrbeziehnngen 
des einzelnen selbst in einem so großen Gemeinwesen entgegen¬ 
stellen. 

Diese Schwierigkeiten hat auch Doenitz^), der im Jahre 
1902 im Einvernehmen mit den Kreisärzten Nachforschungen 
über den Ursprung der Typhusfälle in Berlin anstellte, bestätigt. 

Ans den gleichmäßigen, durch keine jähen Steigungen unter¬ 
brochenen Verlauf der Morbiditäts - Kurven seit dem Jahre 1894 
muß man die Ueberzeugnng gewinnen, daß ein explosionsartiges 
Anschwellen der Krankheit seitdem nicht stattgefunden hat, daß 
also Masseninfektionen mittels verseuchten Wassers oder 
auch verseuchter Milch, durch die schon vielfach größere Epi¬ 
demien hervorgernfen worden sind*), auszuschließen sind. 

Es käme weiter die etwaige Verbreitung der Krankheit 
durch mehr oder minder direkten Kontakt, einer Ubertragungs¬ 
weise, die ja unter ländlichen Verhältnissen vielfach eine große 
Rolle spielt, in Betracht. 

Noch in den achtziger Jahren war es nach den-Jahres¬ 
berichten nichts seltenes, daß in einem Haushalte und in ein und 
demselben Hanse mehrere Fälle hintereinander vorkamen. 

In der letzten Zeit blieben jedoch, soweit zuverlässige Nach¬ 
richten vorliegen, die Fälle in der überwiegenden Mehrzahl 
vereinzelt. 

Nur in einem geringen Bruchteil von Haushaltungen kam 
später noch ein zweiter, in einigen noch ein weiterer Fall vor, 
ganz ausnahmsweise traten in verschiedenen Haushaltungen des¬ 
selben Hauses vereinzelte Fälle auf. 

Die geringe Tendenz des Typhus, sich in Berlin durch 
Kontakt auszubreiten, dürfte unschwer ihre Erklärung finden. 


*) Ueber die Qaellen der Anateckang mit Typhus, nach Berliner Beob¬ 
achtungen. Von Qeh. Med.-Bat Prof. Dr. W. Doenitz, Vorsteher der 
der Erankenabtcilnng des Institns für Infektionskrankheiten. 

Abdruck aus Festschrift zum 60. Geburtstage von Bobert Koch-Jena. 
1903. Verlag von Gustav Fischer. 

*) Die Sammolmolkerci als Typhus-Verbreiter. Von Med.-Bat Dr. Bob. 
Behla. Klinisches Jahrbuch; Bd. X. Jena 1902. Verlag von Gustav 
Fischer. 



688 


Dr. Nesemann. 


Zanächet wird ein großer Teil der Typhnskranken in die 
Erankenhänser gebracht und damit die Anstecknngsgefahr fdr 
die Anßenwelt beseitigt. Im Jahre 1907 befanden sich von 247 ge¬ 
meldeten Fällen 172, also ca. 70*’/o(!) in den Krankenanstalten. 
Die Personen, die in den Krankenhäusern Aufnahme finden, kamen 
naturgemäß ans solchen Haushaltungen, in denen eine Absondernng 
gar nicht oder nur ungenügend zu erzielen ist, in denen also 
gerade die größte Gefahr einer Weiter Verbreitung vorliegt. 

Auch dort, wo der Kranke in der Familie verbleibt und 
nicht die Möglichkeit besteht, ihn in völliger Absondernng von 
der Familie zu halten und durch besonderes Pflegepersonal ver¬ 
pflegen zu lassen, ist die Gefahr der Weiterverbreitung in Berlin 
keine so große, wie in ländlichen Verhältnissen. Der Umstand, 
daß jeder Haushaltung die Wasserleitung zu Gebote steht, er¬ 
möglicht in bequemer Weise stete Reinigung und Reinlichkeit, 
während durch die Kanalisation wieder die infektiösen Abgänge 
unschädlich entfernt werden. 

Die Verschleppung der Krankheit von einem Haushalt in 
den andern dürfte wesentlich dadui'ch hintenan gehalten werden, 
daß ein derartig enges Zusammenleben und gegenseitiges Besuchen 
der Bevölkerung, vrie es unter ländlichen Verhältnissen häufig 
stattfindet, in den großstädtischen Verhältnissen sich meist von 
selbst verbietet. 

Eine nicht zu verschweigende Möglichkeit der üeber- 
tragung des Typhus wie anderer übertragbarer Krank¬ 
heiten von einem Haushalt in den anderen gewähren aller¬ 
dings die nach der Baupolizeiverordnung .leider zulässigen, für 
mehrere Haushaltungen gemeinschaftlichen Klosetts. 

Ans den dargelegten Verhältnissen läßt sich nun wohl der 
Schluß ziehen, daß in Berlin ein einheimischer Typhus 
d. h. eine sich wie eine Kette aneinander schließende Krank¬ 
heitsweise kaum noch besteht. 

Man könnte freilich einwenden, daß diese Kette doch durch 
die Bazillenträger hergestellt werden kann. Dafür, daß hier und 
da in einzelnen Haushaltungen die Krankheit durch Bazillenträger 
verbreitet wird, spricht die Tatsache, daß vereinzelt in einer 
Haushaltung, in der früher ein Typhusfall vorgekommen war, 
erst nach mehreren Monaten eintzweiter auftrat. 

Es ist indessen doch nicht auzunehmen,; daß einzelne Ba¬ 
zillenträger in Berlin nmhergehen und nun bald hier bald da 
ihre Bazillen ausstreuen und so die Kette der Erkrankungen 
herstellen. 

Ein weiterer _ Einwand gegen die Annahme, in Berlin be¬ 
stehe zurzeit kein einheimischer Typhus, könnte {sich darauf 
stützen, daß, wie^^schon früher von Pi stör, dann von Doenitz 
hervorgehoben ist und wie sich auchj für die jetzige Zeit aus der 
im Verhältnis zur Zahl der polizeilich gemeldeten Fälle teilweise 
unnatürlich hohe Mortalität ergibt, nicht alle Typhusfälle ge¬ 
meldet werden. Es könnte danach die Möglichkeit bestehen, 
daß eine größere Anzahl nicht zur Anzeige gelangter Fälle 



Der Unterleibstyphns in Berlin. 689 

wie ein verborgener Brand fortglimmt nnd stets neue Fälle her- 
vorruft. 

Wenn anch erfahrnngsgemäß znzngegeben ist, daß hier nnd 
da leichtere Krankheitsfälle, sei es, weil sie nicht als Typlins 
erkannt worden, sei es ans bedauerlicher Konnivenz gegen 
die betreffende Familie nicht znr Anzeige gelangen, so kann es 
sich doch nicht nm irgendeine ins Gewicht fallende größere Zahl 
handeln, wie sich schon ans den völlig zuverlässigen Zahlen der 
Todersfälle ergibt. Wo etwa nicht gemeldete Fälle der Aus¬ 
gangspunkt für andere Fälle sein sollten, da könnten doch die 
weiteren Fälle nicht verborgen bleiben, und die deswegen an- 
gestellten Ermittelungen würden anch die voransgegangenen 
nicht gemeldeten Fälle ans Tageslicht bringen. 

Es ist daher nicht anzunehmen, daß die vielen Typhus- 
Erkrankungen in Berlin, deren Aetiologie sich nicht feststellen 
läßt, auf frühere, verborgen gebliebene Fälle znrückznführen sind. 

Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß die Anstecknngs- 
Qnellen der meisten dieser Fälle außerhalb Berlins liegen. 
Die Beziehungen der Stadt zu der näheren nnd weiteren Um¬ 
gebung sind infolge des ausgebreiteten Privatverkehrs und der 
ungeheuren Völkerwanderung, die an schönen Tagen, namentlich 
an den Sonntagen aus Berlin stattfindet, unzählige nnd nicht zu 
kontrollierende. 

Die Wahrscheinlichkeit, daß ans ländlichen Orten des Begiemngshezirks 
Potsdam, in denen viel Typhns vorznkommen pflegt, nicht selten die Krankheit 
nach Berlin eingeschleppt wird, ist Ton dem Verfasser schon an anderer 
Stelle betont worden. 

Diese Annahme findet ihre Bestätigung in einem Aufsätze yon Behla*), 
der die Verhältnisse des Begieinngsbezirlu Potsdam genau kennt. 

Er führt aus, daß yom Jahre 1903 jeder Fall von Typhus ortsweise in 
eine Karte eingetragen wurde, und fährt dann fort: 

„Was Nesemann in seiner Arbeit betreffs der Typhus-Erkrankungen 
in den Großstädten in bezug auf Berlin voraussetzte, daß der Typhns ans ge¬ 
wissen Herden der Vororte und weiteren Umgebung immer wieder nach Berlin 
eingeschieppt wird, wurde durch diese Typhus-Karte tatsächlich bewiesen.“ 

Es liegt doch nahe, anzunehmen, daß auf diesem Wege 
mancher sich mit Typhus infiziert, zumal da namentlich die 
ländlichen Orte nicht frei von Typhus zu sein pflegen. 

Auch dui’ch den riesigen Zuzug aus allen Provinzen 
Preußens, aus dem Reich und dem Auslande sowie den großen 
Fremdenverkehr werden gewiß T^hus-Keime importiert 
werden. 

Namentlich unter der großen Zahl des Dienstpersonals nnd 
der in Berlin Arbeit suchenden Bevölkerung mag wohl mancher 
Bazillenträger sein, und ohne selbst als gefahrbringend erkannt zu 
werden, einen oder den anderen seiner Hausgenossen infizieren. 
Diese Personen mögen anch manchmal infizierte Sachen bei sich 
führen und durch diese dann sich selbst oder Personen ihrer Um¬ 
gebung infizieren. 


*) Die geographisch - Btatistiscbe Forschungsmethode vom ätiologischen 
nnd seuchenbekämpfenden Standpunkt. Von Beg.- n. Med.-Bat Dr. Behla- 
Stralsiuid. Medizinische Knnik 1906, Nr. 26. 



690 


Dt.’ Nesemann. 


Eine weitere aoßerlialb Berlins liegende Infektionsquelle ist 
in dem Nahrangsmittelbezug gegeben, der bekanntermaßen 
zum Teil aus weiter Ferne erfolgt. 

Hauptsächlich kommt hier das Gemüse in Betracht, das 
teils aus der näheren und weiteren Umgegend, teils aber auch 
aus Italien, Frankreich, Algier usw. bezogen wird. Daß mit dem 
Gemüse aber Typhuskeime importiert werden können, ist bekannt 
und für Hamburg^) auch von Beinke nachgewiesen. 

Mehr noch als der sonstige Nahrungsmittelbezug ist für 
Berlin ^der Milchbezug zu berücksichtigen, der ebenfalls aus 
der näheren und weiteren Umgebung von Berlin, aus den nöra- 
liehen und östlichen Provinzen, aus Mecklenburg und neuerdings 
sogar aus Dänemark erfolgt.’) 

Daß gelegentlich auch typhusverseuchte Milch nach Berlin 
eingeführt wird, ist sehr wahrscheinlich, wenn sich eine solche 
Tatsache auch nur äußerst selten wird nachweisen lassen, zumal 
die Milchhändler die Milch aus verschiedenen Bezugsquellen zu 
mischen pflegen. 

Im Jahre 1907 kamen za gleicher Zeit 2 Fälle bei Personen yerschiedenei 
Haashaltangen vor, die Ton ihnen roh genossene Milch von demselben Milch* 
händler bezogen hatten. Der Milchhändler hatte die Milch aas einem Oe* 
höite im Luebbener Kreise, in dem nach Mitteilang des Kreisarztes tat¬ 
sächlich Typhus Torgekommen war, bezogen. 

Kleinere Gruppen von Typhuserkrankungen ließen sich zu 
verschiedenen Zeiten mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Milch¬ 
infektion zurückzufuhren; dahin gehörte auch eine Anzahl der 
von Doenitz (1. c.) erwähnten Fälle im Jahre 1903. 

Wenn im ganzen nicht häufiger zahlreiche Erkrankungen 
nach dem Genuß von Milch in Berlin beobachtet wurden, so düdte 
dies dem Umstande zu verdanken sein, daß die Berliner Bevöl¬ 
kerung die Gewohnheit hat, die Milch abgekocht zu genießen. 

Infektionen durch den Genuß von Butter sind in Berlin 
nie beobachtet worden, sie dürften auch, wie vom Verfasser an 
anderer Stelle hervorgehoben worden ist, auch sonst kaum ernst¬ 
lich zu fürchten sein. 

Zum Schluß möge noch ein Umstand Erwähnung finden: 

Das Wasserwerk am Müggelsee bei Friedrichsbagen entnahm oisprünglich 
sein Wasser aas dem See and unterwarf es dann der Sandflltration. Das Werk 
ist allmählich za Grandwasserentnahme ttbergegangen. Da aber das Qrand* 
Wasser führende Becken sich nicht als wasserreich genug erweist, Terwendet das 
Werk etwa noch ein Teil Seewasser, das nach Filtration dem ans den 
Tiefbrunnen entnommenen Wsser beigemengt wird. 

Den ziemlich großen See passieren, wenn auch in einiger Entfernang 
Ton der Entnahme-Stelle, Schiffer* Fahrzeuge; es liegt somit eine gewisse 
Möglichkeit, daß Typhus-Keime in die Entnahme-Stelle and aof die Filter ge¬ 
langen, wohl Tor. 

Wenn auch, zumal bei der Torsorglichen Filtration des Wassers, kein 
Anlaß zu der Annahme besteht, daß durch diese Verhältnisse irgendwie die 
Typhus-Frequenz Ton Berlin beeinflußt wird, so wäre es doch immerhin in- 


*) Zur Epidemiologie des Typhus in Hamburg und Altona. Von Dt. 
J. J. Beinke. Nach einem Vortrage im Hamburger ärztlichen Verein Tom 
2. Juli 1896. Deutsche Vierteljahrschrift für öffentliches Qesundheitspflege; 
XXVIII. Bd., 1896. 

Berliner Statistik, herausgegeben yom Statistischen Amt der Stadt 
Berlin. 1. Heft. A. Der Milchyerbrauch in Berlin. 



Der Unterleibstyphus in Berlin. 


691 


teressant, festzustellen, ob bei völliger Grandwasserversorgung der Stadt die 
Typus-Frequenz noch weiter sinkt. 

Ans den vorstehenden Abhandlungen dürfte sich folgendes 
ergeben: 

Die überaus hohe Typhus-Morbidität und Mortalität in 
Berlin fiel in eine Zeit, als große Insalnbrität dort herrschte, der 
Untergrund und die Wasserläufe verunreinigt, die Brunnen allen 
Verunreinigungen preisgegeben waren, die zentrale Wasserver¬ 
sorgung eine hygienisch äußerst bedenkliche, die Beseitigung der 
Fäkalien eine mangelhafte, teilweise sogar in gesundheitlicher 
Beziehung direkt geföhrliche war. Mit der allmählichen Besserung 
dieser Verhältnisse nahmen allmählich auch die Typhus - Erkran¬ 
kungen ab; namentlich war zunächst ein Zurückgehen der Fälle 
in den kanalisierten Straßen bemerkbar, wahrscheinlich, da dort 
mit der Kanalisation die Verseuchung des Untergrundes und 
weiter die der Brunnen aufhörte. 

Ein gewaltiger und plötzlicher Abfall der Typhus-Sterblich¬ 
keit und der Typhus-Erkrankungen knüpfte sich unmittelbar ein¬ 
mal an die teilweise Ansschaltang einer aufs höchste zu bean¬ 
standenden Finß-Wasser-Leitung, ein anderes Mal an ihre völlige 
Beseitigung. 

Füi* die vorwiegende Abhängigkeit der Typhus-Fre¬ 
quenz einer Stadt von ihrer Wasserversorgung gegenüber 
allen anderen in Betracht kommenden Faktoren, namentlich auch 
der Kanalisation, düi'fte das Verhalten des Typhus in Berlin 
ein markantes und lehrreiches Beispiel sein. 


Tabelle I. 

Todesfälle an Unterleibstyphus in den Jahren 1834—1907. 






£s starben 




Es starben 

Jahr 

Todesfälle 

Einwohner¬ 

mithin von 

Jahr 

Todesfälle 

Einwohner¬ 

mithin von 

1834 

1835 

437i 

339 

ö 

cT 

«•- 

zahl 

lOOOO Einw. 
an Typhus 

1882 

1883 

347 

239 

zahl 

10000 Elnw. 
an Typhus 

1836 

280 

22 



1884 

245 



lb37 

438 




1885 

219 



1838 

315 

c 



1886 

212 



1839 

511 




1887 

191 



1840 

513 




1888 

207 



1841 

397 

dq* 



1889 

281 



1863 

572 




1890 

133 



1864 

478 




1891 

138 

1578000 

0,8 

1865 

784 




1892 

132 


1866 

503 




1893 

143 



1867 

638 


702 041 

7,3 

1894 

67 



1868 

804 



1895 

84 



1869 

613 




1896 

62 



1870 

594 




1897 

58 



1871 

739 


825 957 

9,0 

1898 

59 



1872 

1208 

ca. 830 000 

14,5 

1899 

55 



1873 

859 




1900 

81 

1 880 000 

0,44 

1874 

696 




1901 

70 


1875 

939 




1902 

66 



1876 

623 




1903 

41 



1877 

612 




1904 

63 



1878 

826 




1905 

65 ca. 

2 000000 

0,32 

1879 

261 




1906 

86 


1880 

431 


1600000 

2,9 

1907 

53 



1881 

837 









692 


Vorläufiger Bericht Uber 


Tabelle II. 

Polizeilich in Berlin während des Jahres 1879—1907 



187 9 

1880 

1881 

1882 

1883 

1884 

1885 

1886 

'1887 

1888 

1889 

1890 

Januar 

57 

49 

116 

77 

90 

44 

43 

67 

202 

198 

65 

92 

Februar 

56 

45 

59 

44 

74 

47 

42 

22 

175 

49 

847 

62 

März 

84 

82 

56 

67 

48 

57 

63 

42 

73 

45 

153 

38 

AprU 

39 

38 

69 

49 

53 

53 

63 

36 

54 

57 

95 

51 

Mai 

33 

96 

83 

74 

56 

56 

61 

66 

47 

44 

104 

58 

Juni 

49 

99 

95 

125 

91 

71 

70 

66 

49 

68 

90 

55 

Juli 

99 

189 

202 

157 

203 

149 

123 

87 

82 

107 

190 

78 

Angnat 

162 

245 

482 

808 

210 

816 

233 

190 

151 

81 

184 

114 

September 

182 

427 

885 

472 

187 

306 

165 

201 

111 

101 

102 

157 

Oktober 

198 

886 

149 

245 

163 

224 

174 

141 

83 

77 

96 

71 

November 

106 

867 

122 

808 

68 

98 

65 

85 

49 

72 

271 

43 

Dezember 

63 

188 

67 

79 

66 

66 

74 

67 

69 

49 

99 

40 


1 968i21ö811785| 


1895112991147711136il070|ll46| 94b|l7961 869 


Die Jubiläumsfeier des Preussischen Medizinalbeamten- 
Vereins am 29. und 30. September d. J. in Berlin. 

In den letzten Jahren ist davon abgesehen, einen vorlänfigen 
Bericht über die HauptversammluDgen des Deutschen und Preußi¬ 
schen Medizinalbeamtenvereins zu bringen. Wenn wir diesmal 
davon eine Ausnahme machen, so erscheint dies mit Rücksicht anf 
die mit der Hauptversammlung des Preußischen Medizinalbeamten- 
Vereins verbundene Feier des 25 jährigen Bestehens berechtigt, 
da wir wohl annehmen können, daß trotz der inzwischen in der 
politischen Presse erschienenen kurzen Berichte die Vereinsmit¬ 
glieder Wert darauf legen, einen vorläufigen authentischen Bericht 
zu erhalten. Wir wollen uns jedoch heute im wesentlichen auf 
eine Schilderung der eigentlichen Festfeier beschränken; alles 
übrige möge dem offiziellen Bericht, dessen Herausgabe tunlichst 
beschleunigt werden wird, Vorbehalten bleiben. 

Es war eine Feier, wie sie schöner und ^oßartiger nicht 
gedacht werden konnte! Vom ersten Augenblick an herrschte 
echte Feststimmung, die sich im weiteren Verlauf immer mehr 
steigerte, bei dem Festessen zwar ihren Höhepunkt erreichte, aber 
bis zu Ende ohne jeden Mißton anhielt. Noch niemals ist eine 
Hauptversammlung des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins so 
glänzend verlaufen, noch niemals die Beteiligung der Vereins¬ 
mitglieder eine so zahlreiche gewesen, noch niemals hat der Verein 
aber auch durch die Gegenwart der für ihn in Betracht kommenden 
höchsten Staatsbehörden, von zahlreichen Vertretern anderer deut¬ 
schen Bundesregierungen und der übrigen deutschen Medizinal¬ 
beamtenvereine eine so hohe und außergewöhnliche Ehrung als 
diesmal erfahren! So ist er in das neue Vierteljahrhundert seines 
Bestehens unter den günstigsten Auspizien getreten; mögen alle 
die Wünsche und Hoffnungen, die seine Vereinsmitglieder für 
die kommenden Jahre hegen, recht bald in Erfüllung gehen! 

Die dem Verein von dem Herrn Präsidenten des Preußischen 
Abgeordnetenhauses in liebenswürdiger Weise zur Verfügung 



die Jabilänmsfeier des PrevAiechen Ifedlzinalbeamten-yereins. 698 


gemeldeten Typhusfälle nach den einzelnen Monaten. 


1891 

1892 

1893 

00 

1895 

1896 

1897 

1898 

1899 

1900 

1901 

1902 

1903 

1904 

1905 

1906 

1907 

40 

34 

32 

17 

24 

34 

10 

17 

17 

18 

22 

14 

7 

7 

4 

12 

13 

61 

46 

23 

20 

13 

18 

17 

15 

26 

23 

14 

11 

11 

13 

10 

12 

9 

62 

26 

25 

14 

12 

16 

21 

13 

10 

17 

18 

10 

12 

9 

12 

8 

12 

33 

30 

45 

18 

7 

13 

11 

22 

12 

20 

25 

12 

8 

23 

6 

13 

12 

36 

29 

44 

22 

39 

21 

15 

20 

9 

25 

44 

16 

18 

15 

14 

12 

10 

85 

43 

30 

18 

45 

19 

34 

25 

27 

26 

53 

9 

18 

22 

14 

13 

19 

139 

43 

63 

29 

52 

55 

45 

29 

41 

60 

52 

21 

35 

30 

46 

28 

27 

118 

81 

96 

49 

91 

64 

98 

53 

80 

76 

104 

27 

80 

42 

106 

49 

42 

166 

137 

2311 

56 

83 

40 

59 

66 

82 

103 

118 

31 

48 

60 

107 

93 

34 

165 

62 

53 

24 

54 

40 

20 

40 

43 

67 

50 

32 

59 

18 

47 

46 

23 

63 

49 

36 

31 

40 

27 

31 

30 

27 

62 

41 

12 

45 

15 

29 

25 

24 

63 

42 

18 

27 

35 

12 

32 

20 

19 

48 

19 

17 

22 

16 

12 

22 

21 


961|622|6B6|8 25|ö0ö| 849189 3|349|3»9|ö44|ö6U{212|ä63|270|407|333|246 


gestellten Räume waren so recht ffir die Festfeier geeignet. Dies 
machte sich schon am Begrüßungsabend bemerkbar, zu dem 
eine grosse Anzahl von Mitgliedern mit ihren Damen erschienen 
war, zu deren Empfang sich die verschiedenen Restaurations* 
räume des Abgeordnetenhauses als völlig ausreichend erwiesen. 

Zn der am 29. September in dem prachtvollen Festsaal des 
Abgeordnetenhauses abgehaltenen Festsitzung waren die Herren 
Kultusminister Dr. Holle, Exzellenz, Unterstaatssekretär Dr. 
Wewer, Exzellenz, Ministerialdirektor Dr. Förster, Geh. Ober- 
Med.-Räte Prof. Dr. Schmidtmann, Prof. Dr. Kirchner, Dr. 
Dietrich, sowie Geh. Med.-Rat Dr. Abel, Geh. San.-Rat Dr. 
Aschenborn, Geh. Ober-Reg.-Rat Dr. Bumm, Präsident des 
Reichsgesnndheitsamts, Ministerialrat Strös senreuther-München 
Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. v. Gussmann-Stuttgart, Ober-Med.-Rat 
Dr. Haus er-Darmstadt, Med.-Rat Prof. Dr. Gnmprecht-Weimar, 
Med.-Rat Dr. Roggenbau-Strelitz, Geh. Med.-Rat Dr. Engel¬ 
brecht-Braunschweig, Ob.-Med.-Rat und Geh. Reg.-Rat Dr. 
Philipp-Gotha, Reg.- und Geh. Med.-Rat Dr. Richter-Anhalt, 
Med.-!^t Dr. Osswald-Arnstadt (Sondershausen), Med.-Rat 
Prof. Dr. Nocht, Reg.- und Med.-Rat Dr. Hecker-Straß- 
burg als Vertreter der betreffenden deutschen Bundesregie¬ 
rungen, Med.-Rat Dr. Flinzer-Plauen und Bezirksarzt Dr. 
d’All-Armi-München als Vertreter des Deutschen Medizinal¬ 
beamten-Vereins, Ob.-Med.-Rat Dr. Erler-Meissen als Ver¬ 
treter des Medizinalbeamten-Vereins im Königreich Sachsen, Med.- 
Rat Dr. Köstlin - Stuttgart n. Med.- Rat Dr. K r a u s s - Kirchheim a. | 
Teck als Vertreter des Württembergischen Medizinalbeamten Vereins, 
Med.-Rat Dr. Becker-Offenburg als Vertreter des Badischen 
Medizinalbeamten-Vereins und Dr. Paul, Direktor der Staats¬ 
impfanstalt in Wien, Präsident des neugebildeten Reichsverbandes 
der österreichischen Amtsärzte, als Ehrengäste und nicht weniger 
als 211 Vereinsmitglieder, darunter 187 preußische, erschienen, 
davon etwa ein Drittel mit ihren Damen, die ebenfalls an der 
Festsitzung in großer Zahl teilnahmen, so daß der große Festsaal 



694 


Vorläufiger Bericht über 


bis aaf den letzten Platz gefüllt war. Der Vorsitzende, Geh. 
Med.-Rat Dr. Bapmnnd, eröffnete nm lOV« Uhr vormittags 
die Festsitznng. 

Er hieß zonächst die Versammlong herzlich wUlkommen and drückte seine 
Freude über den sehr zahlreichen Besuch aus, in dem er ein günstiges Zeichen für 
das weitere Gedeihen des Vereins sicht, der heute sein 25jährigc8 Bestehen feiere. 
Er gab sodann einen kurzen geschichtlichen Ueberblick über die Entwickelung 
des Vereins, der aus Terhältnismäßig kleinen Anfängen hervorgegangen ist 
und in diesem Jahre die höchste Mitgliederzahl (917) seit seiner Gründung 
im Jahre 1883 erreicht habe; last sämtliche preußische Mcdizinalbcamte ge¬ 
hörten ihm als Mitglieder an. Er dankte den Stiftern des Vereins, von denen 
noch 55 Mitglieder des Vereins sind und 20 an der heutigen Festsitzung teil- 
nahmen. Desgleichen wies er darauf hin, daß der Verein auch den Medizinal* 
beamten in den anderen deutschen Bundesstaaten als Vorbild gedient und die 
Bildung ähnlicher Landesvereine veranlaßt, sowie den Zusammenschluß aller 
dieser Vereine zu einem Deutschen Medizinalbeamlcnverein heibeigefüLrt habe. 

Die Frage, ob der Verein die bei seiner Gründung gehegten HoÖ'nungen 
und Wünsche erfüllt habe und den sich gestellten Aufgaben gerecht gewor¬ 
den sei, müsse bejaht werden. Noch niemals habe die Wissenschait auf den 
für die amtliche Tätigkeit der Medizinalbeamtcn in Betracht kommenden Ge¬ 
bieten der gerichtlichen Medizin und Psychiatric sowie vor allem auf dem 
der Hygiene so große Fortschritte aufzuweisen, als in dem letzten Viertel¬ 
jahrhundert und die Medizinalbeamten müssten stolz darauf sein, daß es 
einer aus ihrer Mitte, Robert Koch, gewesen sei, der durch seine Epoche 
machenden Entdeckungen ganz neue Bahnen erschlossen habe, auf denen 
der Kampf gegen die schlimmsten Feinde der Volksgesundheit, die über¬ 
tragbaren Krankheiten, nunmehr weit sicherer, sachgemäßer und erfolg¬ 
reicher als früher durchgeführt werden könne. Der Medizinalbeamtenverein 
habe sich durch die Verhandlungen seiner Hauptversammlungen sowie das 
von ihm ins Leben gerufene Vereinsorgan, die Zeitschrift für Medizinalbeamte, 
nach besten Kräften bemüht, diese außerordentlichen Fortschritte und Errun- 
gensekaften für das Allgemeinwohl nutzbar zu machen. Vor allem habe er 
aber immer wieder von neuem auf die Notwendigkeit einer gründlichen, den 
Anforderungen der öflentlichen Gesundheitspflege entsprechenden Umgestaltung 
der völlig unzulänglichen Stellung der früheren Kreisphysiker hingewiesen 
und wenn diese Reform schließlich in den letzten Jahren durch das Kreisarzt¬ 
gesetz erreicht sei und das Medizinal- und Gesundheitswesen des Preußischen 
Staates durch das zielbewußte Vorgehen der Königlichan Staatsregierung, ins¬ 
besondere des Herrn Medizinalministers, eine so große Förderung und eine so 
gedeihliche Entwicklung erfahren habe, wie nie zuvor, so dürfe sich auch der 
Preußische Medizinalbcamtenverein ein kleines Verdienst hieran durch seine 
fortgesetzten Anregungen zurechnen. Das Kreisarztgesetz entspreche zwar 
noch nicht allen berechtigten Wünschen der Mcdizinalbeamten, deren Erfül¬ 
lung auch im öffentlichen Interesse geboten sei, es stelle aber eine feste und 
brauchbare Grundlage dar, auf der mit bestem Erfolg weiter gebaut werden könne. 

Mit freudigem und dankbarem Gefühl, sowie mit besonderer Genug¬ 
tuung könne deshalb der Verein auf seine 2öjährige Tätigkeit zurückblicken. 
Möge die kommende Generation die Bestrebungen und Ziele des Vereins in 
der gleichen Weise wie bisher fördern, seine Fahne hochhalten and seinen 
Grundsätzen treu bleiben! 

Se. Exzellenz der Herr Enltusminister Dr. Holle begrüßte 
hieranf die Versammlnng durch eine Ansprache, in der etwa fol¬ 
gendes ausfühi'te: 

Ich danke zunächst für die freundlichen Worte, die der Vorredner der 
Medizinalabteilung des preußischen Kultusministeriums gewidmet hat, und für 
das Vertrauen, das Sie zu der Medizinalabteilnng haben. Ich spreche heute 
zum ersten Male in dem Kreise der mir neu unterstellten preußischen Medi- 
zinalbcamtcn. Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß ich mir Ihr Wohl herz¬ 
lich angelegen sein lassen werde, und daß ich Ihnen immer das größte Ent¬ 
gegenkommen zeigen werde. Wenn nicht alle Wünsche gleich erf&t werden, 
so müssen Sie bedenken, daß manche Hindernisse zu beseitigen sind. Als Ver- 



die Jabiläomsfeier des PrenßischeD Medizinalbeamten-Vereins. 


695 


treter der preußischen Medizinalableilong danke ich Ihnen herzlich für Ihr 
erfolgreiches Wirken in der Vergangenheit, and ich hoffe, daß es aach in Za- 
kanft weiter so der Fall sein wird. Ihr Verein hat den Schwerpunkt seiner 
Arbeit in die Vervollkommnung der Volksbygiene gelegt. Auf diesem Gebiete 
hat er Großes geleistet. Hoffentlich wird er zum Wohle des Volkes auch 
weiterhin in dieser Hichtung tätig sein. Die Gesetzgebung hat die Dienst¬ 
stellung des Kreisarztes gehoben; sie hat den Medizinalbeamten neue Tätig¬ 
keitsfelder geschaffen. Fleißig und unablässig sind Sie auf diesem Gebiete 
tätig gewesen. Sie haben die Erfolge der Wissenschaft auf die Praxis über¬ 
tragen und bemerkenswerte Verbesserungen herbeigeführt. Diese trefflichen 
Leistungen haben Ihren Stand in der öffentlichen Schätzung erheblich gehoben, 
und Sie haben bewiesen, daß durch Pflichttreue und unermüdliche Arbeit die 
Medizinalbeamten scheinbar unüberwindliche Hindernisse bewältigen können. 
Die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung haben Sie verbreitet, Erfahrungen 
haben Sie ausgetauscht, neue Anregungen haben Sie entgegengenommen und 
auf ihre Durchführbarkeit geprüft. Sie haben das Verständnis für die den 
Medizinalbeamtcn gestellten Aufgaben gehoben und vertieft. Ich danke Ihrem 
Verein und besonders Ihrem Vorsitzenden für diese in 25 Jahren unermüdlicher 
treuer Arbeit geleisteten Dienste. Möge der Verein auch weiterhin unter der 
bewährten Führung seines Vorsitzenden blähen und gedeihen und dieselbe 
erfolgreiche und für das Volkswohl so gedeihliche Tätigkeit in harmonischem 
Zusammenwirken mit der zentralen Medizinalverwaltung Weiterarbeiten wie 
bisher 1 

Die Begrüssungsworte des Herrn Ministers fanden den leb¬ 
haftesten Beifall der Versammlnng. Der Vorsitzende dankte 
für die aaßerordentliche Anerkennung, mit welcher der Herr Mi¬ 
nister der Tätigkeit des Vereins gedacht habe, sowie für das große 
Wohlwollen, das Se. Exzellenz dem ferneren Gedeihen des Vereins 
und den Wünschen der Medizinalbeamten entgegenbringe. Diese 
Anerkennung werde für alle Medizinalbeamten ein Sporn sein, 
auch künttighin danach zu streben, sich die volle Zufriedenheit 
ihrer Vorgesetzten Behörden zu erhalten. Hoffentlich sei es mög¬ 
lich, ihre Wünsche in absehbarer Zeit zu erfüllen, damit sich auch 
die lebende Generation dieser Erfüllung noch erfreuen könne! 

Es folgten hierauf waimherzige Begrüßungen von Seiten des 
Vertreters der Egl. Bayerischen Staatsregierung, Herrn Ministerial¬ 
rat Strössenreuther, der Vertreter der Großh. Hessischen und 
Kgl. Württembergischen Kegierungen, der Hen-en Ober-Medizinal- 
Bäten Dr. Haus er-Darmstadt und Dr. v. Guss mann-Württem¬ 
berg; die Glückwünsche des Deutschen Medizinalbeamtenvereins 
und der verschiedenen Landesvereine überbrachte H. Bezirksarzt 
Dr. d’All-Armi-München, diejenigen des Reichsverbandes der 
Oesterreichischen Amtsärzte H. Dr. Paul, Direktor der Staats¬ 
impfanstalt in Wien. 

Nachdem der Vorsitzende im Namen des Vereins für alle 
diese Glückwünsche gedankt hatte, überreichte H. Geh. Med.-Rat 
Kreisarzt Di;. Schlüter im Namen des Ausschusses den unter 
den Vereinsmitgliedern zur Feier des Jubiläums gesammelten 
Stiftungsfonds, der die erfreuliche Höhe von 17 405 Mark 
erreicht hat. Von 917 Mitgliedern haben 466, also etwas über 
die Hälfte beigesteuert. Der Fonds wurde von der Versammlnng 
mit großem Dank angenommen und am nächsten Sitzungstage, 
wie hier gleich bemerkt sein möge, der Vorstand beauftragt, über 



696 


VorlSofiger Bericht ttber 


seine Verwendangf nsw. satzongsgemäße Bestimmungen im Vermn 
mit dem bisherigen Ausschuß zu entwerfen und diese der nächst- 
jftluigen Versammlung zur Beschlußfassung vorzulegen. 

Auf Vorschlag des Vorstandes wurde hierauf Robert Koch 
in Anerkennung seiner unvergänglichen Verdienste auf dem Gebiete 
der Öffentlichen Gesundheitspflege unter allseitigem lebhaften Bei- 
fliU zum Ehrenmitgliede ernannt; nicht minder großen Beifall 
fand dann der von Geh. Rat Prof. Dr. Strassmann gemachte 
Vorschlag, auch dem jetzigen langjährigen Vorsitzenden die 
gleiche Ehrung zuteil werden zu lassen. 

Der Vorsitzende dankte hierauf mit bewegten Worten 
fflr diese ihm zuteil gewordene außerordentliche Ehrung; er 
knüpfte daran die herzliche Bitte, ihm auch künftighin das gleiche 
Vertrauen und dieselbe Freundschaft entgegenzubringen wie bisher. 
Er sprach hierauf noch dem Ortsausschuß für die vorzügliche 
Ausführung der mannigfachen Vorbereitungen zu der Jubiläums¬ 
feier, sowie allen Mitarbeitern der Festschrift, insbesondere 
dem Redaktionsausschuß den herzlichsten Dank des Vereins aus. 
Ohne diese opferwillige Mitarbeit wäre die rechtzeitige Fertig¬ 
stellung der Festschrift nicht möglich gewesen! 

Der Schriftfühler, H. Geh. Med.-Rat Dr. Fielitz-Halle a. S., 
erstattete sodann den Geschäfts- und Kassenbericht. An 
Stelle des im Vorjahre in den Vorstand gewählten Geh. Med.-Rats 
Dr. Barnick-Frankfuit a. 0., der die Wahl abgelehnt hat, ist vom 
Vorstande satzungsgemäß Reg.- u. Med.-Rat Dr. v. Hake-Marien- 
werder kooptiert. Die Mitgliederzahl des Vereins ist auf 917 
gestiegen; 23 Mitglieder sind seit der letzten Hauptversammlung 
ausgetreten, 22 verstorben und 63 neu eingetreten. Der Vorschlag 
des Schriftführers, daß jedem Mitgliede ein Exemplar der Fest¬ 
schrift des Preuss. Med.-Beamten-Vereins zugeschickt werden soll, 
flndet allgemeine Zustimmung^); bei dem außerordentlich billigen 
Preis derselben und dem gebotenen Inhalt darf wohl mit Be¬ 
stimmtheit darauf gerechnet werden, daß es auch von jedem Mit¬ 
gliede gern behalten werden wird. 

Es schlossen sich hieran die hochinteressanten Vorträge von 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge-Berlin über die „hygienische 
Kontrolle der zentralen Wasserleitungen“, und von Reg.- u. Med.-Rat 
Dr. Dütschke über „den Entwurf eines Kurpfuschereigesetzes*. 
Die von diesem Referenten zu dem Gesetzentwurf gemachten Ab¬ 
änderungsvorschläge fanden die Zustimmung der Versammlung, 
gleichzeitig wurde dem Vorstande die Berücksichtigung der in 
der Diskussion sonst gemachten Vorschläge und zutage getretenen 
Gesichtspunkte überlassen. • 

Den Höhepunkt der Jubiläumsfeier bildete jedenfalls das 
Festessen am Abend des ersten Sitznngstages. Nicht weniger, 
als 240 Teilnehmer hatten sich in den Festsälen des Prinz 
Albrechts-Hotels eingefunden; von allem Anfang an und bis 
zum Schluß herrschte eine so gehobene Stimmung, wie sicher¬ 
lich noch bei keinem derartigen Festessen des Vereii». Sein 


i\ r\z^ t:i _i._ 


\ _ ■ 


.1_ 





die JubQ&iunflfeier des PNeflischeB Hedisiaelbeeinteii-Vereins. 697 


Vwlanf war demzufolge ein wahrhaft glänzender. Außer 
Se. Exzellenz, dem Herrn Eultnsminieter Dr. Holle, hatte der 
Verein die Ehre, Herrn ünterstaatssekretär Exzelleuz Wewer 
und Herrn Ministerialdirektor Förster, sämtliche vertragenden 
medizinisch-technischen Bäte der Medizinal-Abteilung sowie iatt 
alle vorhergenannten Vertreter der Bundesregierungen und Medi- 
zinalbeamtenvereine, auch hier in seiner Mitte begrüßen zu können. 

Daß es außer dem Toast auf Se. Majestät dem Kaiser und 
König, der von Se. Exzellenz dem Herrn Kultusminister ausge- 
bracht wurde, nicht an manchen Festreden gefehlt hat, braucht 
wohl nicht erst versichert zu werden; die sich daran anschliessenden 
Hochs — auf die Gäste, insbesondere auf Se. Exzellenz deih Herrn 
Kultusminister (Vorsitzender), auf den Prenssischen Memzinal- 
beamten-Verein (Med.-Rat Dr. Köstlin-Stuttgart und später 
nochmals der Senior der Anwesenden Geh.-San.-RatDr.Wallichs- 
Altona), auf den Vorsitzenden (Geh. Med.-Rat Dr. Fielitz), auf 
die übrigen Vorstandsmitglieder und die Stifter (Vorsitzender), 
auf die Damen (Med.-Rat Dr. Leppmann) — fanden alle be¬ 
geisterten Wiederhall. Nicht minder grossen Beifall fand eine 
von dem Kollegen Gerichtsarzt Dr. Marx-Berlin verfasste 
humoristische „Nene Zeitschrift für Medizinalbeamte: M. Z. am 
Abend“ mit einer lyrischen Beilage, deren Austeilung mit einem 
Prolog erfolgte, gesprochen von der als Zeitungsfräulein aus 
Minden sich einführenden Tochter eines Berliner Kollegen. Die 
Festnnmmer enthält übrigens ein wohlgelungenes Gruppenbild von 
sämtlichen Vorstandsmitgliedern, das der demnächst zur Ver¬ 
sendung kommenden Festschrift beigefögt werden wird. Nach 
dem Festessen liess sich Se. Exzellenz, der Herr Kultusminister, 
die Vertreter ans den einzelnen Bundesstaaten durch den Vor¬ 
sitzenden vorstellen und unterhielt sich mit jedem einzelnen in 
der liebenswürdigsten Weise. 

Den Schluss des Tages bildete ein frohbewegtes Zusammen¬ 
sein im Weiheustephan. 

Der zweite Sitzungstag war mehr als der erste der 
Arbeit gewidmet. Die Vorträge der Herren Referenten Gerichts¬ 
arzt Dr. Strauch - Berlin: „Ueber den gegenwärtigen Stand und 
Wert der Kriminalanthropologie“; Prof. Dr. Lochte-Göttingen: 
„Die Psychologie der Aussage“; Kreisarzt Dr. Gutknecht- 
Belgard: „Medizinalbeamter und ärztliche Privatpraxis“ fesselten 
die zahlreich erschienenen Teilnehmer in hohem Grade. Allseitige 
Zustimmung fanden die vorzüglichen Ausführungen des letzten 
Referenten; die von ihm aufgestellten Leitsätze wurden ohne 
Diskussion einstimmig angenommen. 

Nach Schluss der Sitzung vereinigten sich die noch in Berlin 
verbleibenden Mitglieder mit ihren Damen zu einem gemein¬ 
schaftlichen Mittagessen im Weinrestaurant des Zoologischen 
Gartens. Für den Abend hatte der Herr Generalintendant des 
Königlichen Schauspiel -undOpernhauses in liebenswürdiger 
Weise eine große Anzahl von Billets dem Verein unentgeltlich 
zur Verfügung gestellt; nach Schloss des Theaters trafen sich 
die Kollegen mit ihi*en Damen wiederum im Weihenstephan. 



698 


Kleinere Mitteiinngon nnd Referate ans Zeitschriften. 


Ebenso wie der Verein mit Stolz nnd Genngtnnng anf das 
erste Vierteljahrhundert seiner Tätigkeit znrttckblicken kann, so 
werden anch sicherlich alle Festteilnehmer mit besonderer Freude 
sich der so schön verlaufenden Festfeier erinnern! Möge diese 
Erinnerung niemals erlöschen; dann wird es auch für alle Zu¬ 
kunft mit dem Preussisehen Medizinalbeamten-Verein gut be¬ 
stellt sein! _____ _ 

Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. OorlohtUohe Medizin. 

Zar Technik der Sektion ron Fällen ron Wlrbelfraktnr. Von Prof- 
H. Chiari in StraBbarg. Vorgetragen in der Sitzang des Unterelässichen 
Aerztevcreins am 30. Mai 1908. Straßburger medizio. Zeitung; 1908, Heft 8. 

Bei der gewöhnlichen Technik: Bioslegung der Wiibelaänre in ihrer 
Kontinuität und Aufsagung derselben mittels des Laer sehen Kbachiotoms, 
entgehen sehr leicht Einzelheiten der Verloizang, zamal im Bereiche der 
Bogenteile, der Quer- und Gelenk- Fortsätze, da diese Wirbelteile bei 
der Präparation der Wirbelsäule in ihrer Kontinuität nur sehr schwer in ge¬ 
nügender Weise freigolegt werden können. Vortragender empfiehlt desh^b 
ein Verfahren, welches zwar etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt, dafür aber 
genaue Resultate liefert. 

Zuerst wird die Stelle der Verletzung an der Wirbelsäule in Eontinoität 
Ton hinten nnd vorne bloßgclcgt. Dann folgt aber nicht sofort die Er¬ 
öffnung des Wirbelkanals mit dem Rbaebiotom, sondern es werden die für 
die Verletzung in Betracht kommenden zwei bis drei Wirbel von der Wirbel¬ 
säule darüber und darunter mit gleichzeitiger rein querer Dnrchschneidnng 
des Rückenmarkes losgelöst, so daß sie mit dem in ihnen enthaltenen Stücke 
des Rückenmarkes für sich des weiteren untersucht werden können. Die übrige 
Wirbelsäule wird hierauf — wie gewöhnlich — geöffnet und das Rückenmark 
über und unter der Verlctzungsstclle hcrausgenommen. Die Entfernung des 
in den separierten Wirbeln enthaltenen kurzen Stückes des Rückenmarkes ge¬ 
lingt sehr leicht mittels eines langen schmalen Messers, indem man von oben 
und nnten her die betreffenden spinalen Nervenworzeln dorebsebneidet. Nun 
kann das ganze Rückenmark wieder zusammengesetzt und in der üblichen 
Weise sammt seinen Meningen untersucht werden, wobei sehr zu empfehlen 
ist, die Durchschnitte durch die Substanz des Rückenmarkes nicht sofort bei 
der Sektion, sondern erst am nächsten Tage, nach Erhärtung des Rückenmarks 
10'*/o wässriger Formalinlösung, anzulegen. 

Die abgetrennten Wirbel werden hierauf mit eifriger Benatzong des 
Knochenschabers sorgfältig präpariert, wobei an ihnen, in stetem Verreiche 
mit entsprechenden mazerierten normalen Wirbeln, alle Einzelheiten der Ver¬ 
letzung erhoben werden können. 

Vortragender berichtet dann über zwei Fälle, in denen diese Technik 
mit gutem Erfolge geübt worden war, während ohne sie die feineren Ver¬ 
letzungen sehr leicht der Beobachtung hätten entgehen können. 

Dr. Heck er-Straßbarg i. Eis. 


Panoptfsohe Unirersalfärbang fftr Blatpräparate. Von A. Pappen- 
beim. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 32. 

Verfasser empfiehlt hier sein seit mehreren Jahren angewandtes Ver¬ 
fahren, das im Prinzip anf einer panoptiachen Bomanowskyfärbong beruht, mit 
guter Darstellung aller azuropbilen Substanz, auch des Protozoenchromata, 
aber mit gleichzeitiger tadelloser Färbung des Hämoglobins, der eosinophylen 
und neutrophilen Granulationen. Er verwendet dabei sowohl die May-Grün- 
wa Id sehe, wie die Giemsasche Färbungsmethode. Die erhaltenen Bilder 
sollen längst nicht so grobklexig wie die nach Romanowsky gefärbten sein, 
sondern die zweite Strukturzeichnung und die färberischen Kontraste des Hay- 
präparates mit den qualitativen Vorzügen (Azurrot, Eemstraktionen) des 
Giemsapräparates vereinigen. Das gewonnene Verfahren ist folgendes: 



Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften. 


699 


1. Fixation des lichttrockenen Deckgläschens (in Comettpinzette) durch 
May<Qrünwaldlösang etwa 3 Minuten. 

2. Durch Zufügung von 2—5 Tropfen Aq. dest. Einleitung der May* 
färhung, die zuerst den rein rosafarbenen Untergrund der eesingefärbten Ery¬ 
throzyten liefert. Färbnngsdauer 3—4 Minuten. 

3. Bloßes Abgießen der Maylösung nnd Zufügung einer konzentrierten 
Giemsalösung (etwa 3 Tropfen Stammlüsung auf 2—3 ccm Aq. dest.). Fär- 
bungsdauer 4—5 Minuten. 

4. Kräftiges Abspülen in Aq. dest. (nicht über der Flamme I); Einbetten. 

_ Epd. 


üeber die Abstossnng der Nabelschnur. Von Dr. Otto Leers. 
Aus der ünterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde in Berlin (Geh.-Bat 
Dr. Straßmann). Aorztl. Sachy. Zeitung; Nr. 16, 1908. 

Der derzeitiger Standpunkt der Wissenschaft ist folgender: Normaler¬ 
weise setzt die Abnabelung erst nach der Ausstoßung des Kindes ein, wenn 
der Blutkreislauf durch den Nabel stockt. Es kommt zur Stose in den Nabel- 
gefäßen, zur Auswanderung von Leukozyten, zur Infiltration und Demarkation 
an der Grenze des nekrotisierenden Straugrestes. 

Der Vorgang setzt um so prompter ein und verläuft um so normaler, 
je reifer das Kind ist. Fehlt es beim lebendgeborenen Kind, so handelt es 
sich um eine unreife Frucht oder um ein nur kurzes Leben. Dies ist von allen 
Autoren bestätigt worden. 

Umgekehrt kann bei einem völlig aasgereiften Kinde, wenn durch 
protahierte Gebart oder andere Ursachen (Druck auf die Nabelschnur, Um¬ 
schlingung) vorzeitig, d. b. vor der Aussoßung der Frucht, eine Störung in 
den Nabelgefäßcn zustande kommt, diese gerade so intrauterin den Anreiz 
zur Entnabelung geben, als wenn das Kind schon geboren wäre. 

Hiermit steht im Einklang die Aeußerung von Fritsch, daß ein Demar¬ 
kationsring zuweilen auch bei intrauterin abgestorbenen Kindern gefunden 
werde, und der Befand einer typischen Infiltration bei mazerierten Kindern, 
den Cobliner mitteilt. 

Daß die Entnabelung intrauterin niemals vollendet werden kann, ist 
klar. Mit zunehmender Stockung des Nabelblutkreislaufes stirbt das Kind ab, 
und mit dem Absterben hört der Demarkationsprozeß auf. 

Dr. Tr06ger-Kempen i. F. 


Röntgendurchleuchtung von Neugeborenen. Von Bordas,Boncha- 
court, Vaillant. Ann. d’hyg. publ. et de m6d. lig.; 4. Serie, Tome IX, 
joillet 1908. 

Die Böntgendurchlcnchtung von Kinderleichen ergibt folgende regel¬ 
mäßige Befunde: 1. Bei Kindern, die nicht gelebt haben, ist kein Organ zu 
erkennen. 2. Bei Kindern, die ein paar Atemzüge getan haben, ist zuerst der 
Magen an einer Aufhellung erkennbar, danach folgt der Darm. 3. Bei Kindern, 
die einige Zeit ohne Nahrung gelebt haben, sicht man Magen, Därme, Langen, 
Leber und Herz. 4. Sind die Kinder genährt worden, so sind alle Organe viel 
deutlicher zu unterscheiden. Das Mekonium stört die Untersuchung in keiner 
Weise (Vaillant). — Luft, die bei Wiederbelebungsversuchen ein geblasen 
wird, erreicht nicht die Lungenspitzen, so daß diese dunkel bleiben; sie führt 
aber ebenfalls zu einer AufhcUung des Magens. Außerdem veranlassen bei 
Leichen, die älter als 48 Stunden sind, auch die Darmgase ein Sichtbarwerden 
des Magens und der Därme (Bouchacourt). 

Diesen Ergebnissen hüt Bor das mit Recht entgegen, daß es längst 
feststeht, daß gewöhnlich die Luft zuerst in die Lunge und nur nach Maßgabe 
der Atmungsdauer in den Magen und weiter abwärts hingelangt; die fehlerhafte 
Technik habe das Resultat gefälscht. Er verwirft auch, entgegen den beiden 
anderen Autoren, die Radiographie als Lebensprobe, die die Obduktion über¬ 
flüssig mache, wie es Bouchacourt amtlich vorschlägt. Sie hat nur den 
Vorteil, dem Sachverständigen durch das Radiogramm einen objektiven Beweis 
für den Richter zu liefern, kann aber die Lungenschwimmprobe nimmer 
verdrängen. P. Fraenckel-Berlin. 



700 


Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitecbxlften. 


üeber die Inwendnng der htotologtoehea Untersaehiiafeiiietliode 
beim Studium der pnimonaien Atelektasie der Nengebereneiiy die extrai- 
terin geiebt haben. Von Dott. Franc. Leoncini-Florenz. Archirio di 
Faichiatria, Nenropatologia etc.; 1908, Fase. I—II. 

Verfasser bereichert znnächst die Literatnr über Atelektase der Langen 
Neugeborener trotz vorangegangenen Atmens darch Beschreibang von zwei 
im Florenzer Institut für gerichtliche Medizin unter allen Kautelen unter¬ 
suchten Fällen. Beide Male war die Qcbort unter einwandsfreien Zeugen vor 
si<^ gegangen und war nachgewiesen, daß das Neugeborene nach der Geburt 
24 bezw. 4 Standen gelebt hatte. Allerdings handelte es sich in beiden Fällen 
um sehr frühzeitig geborene Kinder von 7 bezw. 8 Monaten. Die Lungen 
ergaben sich bei der Obduktion als völlig atelektatiscb, von hepatischem Aus¬ 
sehen, bei Schwimmversuchen ganz und in Stücken völlig zu Boden sinkend 

Dann spricht Verfasser über die neue histologische Untersuchungsmethode 
der Lungen Neugeborener, welche im Einzelfalle zur Sicherung der Tatsache, 
ob die Atelektase der Langen sekundärer Art ist, herangezogen wird. Diese 
Methode beruht auf folgender Feststellung: In den Langen, die geatmet haben, 
verwandelt sich das ursprüngliche kernhaltige kubische Epistel der Alveolen 
in kernloses Plattenepistel. Der Uebergang geht nicht plötzlich, sondern all¬ 
mählich vor sich. Daher kann man in derartigen Fällen neben rein fötalen 
Alveolen solche mit verändertem Epithel finden. Diese wertvolle Probe wird 
ergänzt durch eine zweite, die darauf beruht, daß die elastischen Fasern des 
Lungengewebes, die beim Fötus in der zweiten Hälfte des Intrauterinlebens 
sich bilden, bei den Langen, die geatmet haben, kräftiger und stärker färbbar 
sind, als bei denjenigen, die noch nicht geatmet haben, daß außerdem die 
Alveolen im ersteren Falle eine größere, regelmäßigere und fast runde Form 
besitzen, während sie im zweiten Falle kleiner, oval oder polygonal geformt 
erscheinen. Diese Methode ist bereits von einigen Forschern mit Erfolg an¬ 
gewandt. Auch Verfasser bediente sich derselben in seinen beiden Fällen und 
zwar mit dem Ergebnis, daß im ersten Falle beide Proben positiv aasfielen, 
d. h. für stattgehabtes Atmen sprachen, während im zweiten Fall die Proben 
im Stich ließen. Der Grund hierfür war offenbar der, daß in diesem Falle das 
eztrauterine Leben nur kurze Zeit gedauert hatte. 

Alles in allem will Verfasser diese histologische Untersuchungsmethode 
in zweifelhaften Fällen nicht entbehrt wissen, da sie geeignet ist, wertvolle 
Aufschlüsse zu gehen, wenn die Schwimmprobe nicht aasreicht. 

_ Dr. 8 0 1 b r i g - Allenstein. 


B. Oeriohtllohe PsyoUatrle. 

Die forensische Redeutung der Dementia praecox. Von Dr. med. 
Richard Sarto rins-Aplerbeck, früher Frankfurt a. M. Allg. Zeitschrift für 
Psycchiatrie; 65. Bd., 4. Heft. 

Bei den von Sartorius beobachteten kriminell gewordenen Fällen von 
Dementia praecox war das am meisten vorkommeude Delikt öffentliches 
Aergernis. Dann folgten in allmählicher Abstufung, Diebstahl, Bettelei, Körper¬ 
verletzung, Betrag, Unterschlagung, Fahnenflucht, Sittlichkeitsverbrechen und 
Zechprellerei, sowie endlich Mord und Prostitution. Sartorius sucht den 
Nachweis zu führen, daß der Dementia praecox vom forensischen Standpunkte 
aus eine eminente, immer mehr wachsende Bedeutung zukommt, welche die 
der meisten anderen Geisteskrankheiten überragt. Auf die Schwierigkeit der 
Erkennung dieser Psychose, namentlich der einfach dementen Form, wird be¬ 
sonders hingewiesen. Dr. T ö b b e n - Münster. 


Ueber die phantastische Form des degenerativen Irreseins (Psen- 
dologla plmntastica). Von Dr. Beruh. Risch, Oberarzt auf dem Eichberg. 
Allg. Zeitschrift für Psychiatrie; 65. Bd., 4. Heft. 

Risch berichtet über sechs sehr eingehend beobnehtete Krankheits¬ 
fälle, die dadurch ein ebenso eigenartiges wie gemeinsames r} mptomatologiscbes 
Gepräge erhalten, daß bei ihnen allen in der Erscheinungen Flucht als 
charakteristisches Grundphänomen die „pathologische Lüge*^ hervortritt. Das 
Krankheitsbild zeigt ausgesprochene Züge der Entartung und hat mit der 
Hysterie nur das psychogene Moment gemeinsam. Von den übrigen Eint- 



Kleinere llitteihingen and Befemte nm Zeitsebxiften. 


701 


nrtange^cbosea ontersoheidet sioh die „phantastische Form des degenerativen 
Irrseins" dorch ihre darchaos angttnstlge Prognose. 

Dr. T 0 b b 0 n - Münster. 


Kasnlstlseher Beitrag ra den tranmattsehen Bindendefekten der 
Stirn* nnd Zentralwindnngen. Von Dr. Voll and. Aas dor Anstalt für 
Epileptische za Bethel bei Bielefeld. Archiv für Psychiatrie and Nerven* 
krankheiten; 44. Bd., 2. Heft. 

Der VerfsBser beobachtete bei einem Patienten mit traamatischem 
linksseitigem Himdefekt, der ca. ein Drittel vom Foße der dritten Stirn- 
windang und über die Hälfte des daran anstoßenden Teiles der vorderen 
Zentralwindong amfaßte, andaaemde aphasische and zentral • anarthriscbe 
SprechstOrangen, die anmittelbar nach epileptischen Anfällen am stärksten 
waren. Es bestand Storeagnosis der rechten Hand, bedingt durch Aafhebang 
der isolierten and der Zweckbewegangen der Finger reebterseits. 

Dr. T ö b b e n - Münster. 


Der pathologlsehe Baasoh. Von Dr. Kätner* Breslau. Medizinische 
Klinik; 1908, Nr. 36. 

Der pathologische Bausch entwickelt sich fast ausnahmslos auf dem 
Boden angeborener (Imbezillität, Epilepsie usw.) und erworbener (Paralyse, 
Lues cerebri, chronischer Alkoholismos osw.) Psychopathie. Oft treten noch vor¬ 
übergehende Schädigungen wie Hanger, körperliche Anstrengung, sexuelle 
Exzesse als fördernd hinzu. Irgend ein Affekt bildet dann das aaslösende 
Moment. Die Menge des Alkohols braucht garnicht groß zu sein; gerade die 
oft aufschwellonde geringe Menge ist ein Beweis für den pathologischen Zu¬ 
stand. Besonders verhängnisvoll ist, wenn ungewohnte Arten von Alkohol zu 
mch genommen werden. Der pathologische Bausch setzt meist akut ein und 
verläuft unter den mannigfaltigsten Erscheinungen. Besonders hervorstechend 
ist eine Stimmungsanomalie. Es zeigt sich eine Angst von dem einfachsten 
Grade der Beklommenheit bis zu der höchsten Verzweiflung gesteigert, ferner 
Htdiuzinationen, Wahnvorstellungen. Ihr Verhalten ist ängstlich scheu, ab¬ 
lehnend bis zu verzweifelten Wüten und Selbstmordversuchen. Grober Un¬ 
fug, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Beamtenbeleidignng ist häufig 
die Folge. Auch melancholische, wie maniakalischo Formen werden beobachtet. 
Die gewöhnlichen Erscheinungen der Trunkenheit (bammelnder Gang, lallende 
Spraäe usw.) fehlen vielfach; man findet dagegen häufiger eine Lichtstarre 
oder träge Beaktion der Papillen, die noch stundenlang hinterher anhält; 
ferner sind die Patellarrefiexe oft abgeschwächt oder fehlen ganz. Die 
Dauer des Zustandes ist gewöhnlich kurz. Wird der Kranke zu Bett ge¬ 
bracht, BO verfällt er nicht, wie der gewöhnliche Betrunkene, sofort in tiefen 
Schlaf, sondern der Zustand hält noch eine ganze Weile an nnd steigert sich 
sogar häufig. Ebenso rufen plötzlich eintretende Ereignisse keine Ernüchterung 
hervor, sondern sie wirken nur noch verstärkend auf die Erscheinungen. Die 
Schwere der Nachwehen steht gewöhnlich garnicht im Verhältnis zu der ge¬ 
ringen Menge des genossenen Alkohols. Eine vollständige, kleine Bück- 
erinnerung kommt kaum vor. Die beste Therapie ist Aufnahme in eine 
Anstalt und völlige Entziehung des Alkohols. Verfasser weist dann noch auf 
die forensische Bedeutung des pathologischen Bausches hin und auf die 
Schwierigkeit für den gerichtlichen Sachverständigen, der den Angeklagten 
erst nach einigen Tagen sieht und lediglich auf Zeugenaussagen angewiesen 
ist, wobei meistens die Zeugen auch mehr oder weniger trunken gewesen sind. 
Hier spielt die Vorgeschichte des Betreffenden eine wichtige Rollo, ferner das 
Mißverhältnis zwischen der geringen Menge des Alkohols und der Schwere 
der Erscheinungen, schließlich noch die Art seines Verhaltens während der 
Verhaftung usw. Ein genaues Erforschen der einzelnen Umstände ist unbe¬ 
dingt erforderlich. Bpd. 


Einweisung, Festhaltnng und Entlassung von gemeingefährlichen 
beiw. naeh § 51 8t.-G.-B. freigesprochenen Geisteskranken ln Anstalten. 
Beferat erstattet von Dr. Stoltenhoff - Kortau und Dr. Puppe- Königsberg auf 
der Versammlung des nordorstdeutschen Vereins für Psychiatrie und Neurologie 
zu Danzig am 29. Juni 1908. Allg. Zeitschrift für Psychiatrie; 65. Bd., 4. H. 



702 


Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften«' 


Die Referenten haben folgende von der Versammlong genehmigte 
Thesen auf gestellt: 

1. Gemeingefährlichkeit kann nur unter Berttcksichtigang aller Einzel* 
heiten des Falles als vorliegend anerkannt werden. Eine fttr alle Fälle 
passende Definition za liefern ist unmöglich. 

2. Die Einweisung von Personen, bei welchen auf Grund des § 203 
St.-P.*0. das Verfahren eingestellt ist, oder die auf Grund des § 61 St.-G.*B. 
freigesprochen sind, sowie auch solcher, bei denen das Hauptverfabren wegen 
Geisteskrankheit gemäß §§ 196, 202 St.-P.-0. garnicht eröffnet ist, sondern 
die außer Verfolgung gesetzt wurden, in öffentliche Irrenanstalten, bedarf unter 
gleichzeitiger Prüfung der Tatfrage gesetzlicher Regelung. 

3. Das die Einstellung oder Freisprechnng anordnende Gericht hat unter 
Zuziehung des psychiatrisch vorgebildeten Sachverständigen in jedem Falle 
zu prüfen, ob eine Einweisung stattzufinden bat. 

4. Eine Zeitdauer der Einweisang und Verwahrung ist nicht auszn- 
sprechen. 

5. Es bedarf jedesmal eines Gerichtsbeschlusses, daß Gemeinfährlichkeit 
nicht mehr vorliegt. 

6. Boi jeder Entscheidung des erkennenden Gerichts, daß Gemeingefähr* 
lichkeit vorliegt, bezw. nicht, bezw. nicht mehr vorliegt, ist eine Beschwerde 
an eine höhere Instanz zulässig. 

7. Geisteskrank gewordenen Verbrechern kann die in Irrenanstalten ver* 
brachte Zeit auf die Strafzeit angerechnet werden. 

8. Grnndsätzlich ist die Forderung aufzustellen, daß der Staat die Sorge 
für die gemeingefährlich erklärten kriminellen Geisteskranken übernimmt und 
dieselben zunächst in besonderen Anstalten nnterbring^; in geeigneten Fällen 
empfiehlt sich aber die spätere ünterbringung in einer ordentlichen Irrenanstalt 
(Provinzialanstalt und dergl.), zumal wenn eine Entlassung des Betreffenden 
in Frage kommen soll. 

Es wurde beschlossen, diese Thesen den in Frage kommenden Staat* 
liehen Ministerialbchörden einzusenden. Dr. Többen*Münater. 


0. Saohverntändlgentätlgkelt in ünfall* und Invalldlt&taaoheii. 

Blutvergiftung Infolge einer vielleleht im Betriebe erlittenen ge¬ 
ringen Uautverletzung als Betriebsunfall. Rekurs-Entscheidung 
des Reichsversicherungsamts vom 12. März 1908. 

Unstreitig ist der Ziegeleiarbeiter K. an Blutvergiftnng verstorben, die 
im Anschluß an eine, wenn auch nur geringe Hautverletzung des rediten 
Armes sich herausgcbildet hat. Eine anderweite Entstehung der zum Tode 
führendenden Blutvergiftung, als dadurch, daß die Krankheitskeime durch 
eine Hautverletzung in den Körper des Verstorbenen gelangt sind, ist nach 
dem ärztlichen Gutachten nicht anzunehmen. Es handelt sich daher lediglich 
um die Frage, ob der Zicgeleiarbeiter K. entweder diese Hautverletzung sich 
bei dem Betriebe zugezogen hat, oder das Ebdringen der Krankheitserreger 
bei der Betriebsarbeit erfolgt ist. In ebem jeden dieser beiden Fälle ist die 
znm Tode führende körperliche Schädigung als ein Betriebsunfall anzusehen. 
Dafür aber, daß die eine oder die andere, wenn nicht etwa beide Voraus¬ 
setzungen im vorliegenden Falle bei der Betriebsarbeit des Versicherten ob¬ 
getreten sind, sprechen nach Ansicht des erkennenden Senats ausreichende 
Wahrscheinlichkeitsgründe. Dann nach der eidlichen Aussage des 
Arbeiters Sch. hat dieser 3 oder 4 Tage vor dem Tode des K. dessen 
rechten Daumen verbunden gesehen und auf seine Frage, was er an dem 
Finger habe, von ihm die Antwort erhalten, daß er sich beim Ziegelsortieren, 
der ständigen Arbeit des K., an einem Ziegelsteine gerbsen habe. Nach der 
weiteren Aussage des Zeugen kommen derartige geringe Hautverletzungen, 
die meist von den Betroffenen gar nicht beachtet werden und ernstere Folgen 
gewöhnlich nicht nach sich ziehen, häufig bei dieser Arbeit vor. Schon am 
nächsten oder übernächsten Tage nach dieser Unterredung blieb der Ver¬ 
storbene von seiner Arbeit fort und starb nach einigen Tagen. Der ärztliche 
Sachverständige Dr. J., dem schon am 7. Februar 1907 gerüchtwebe zu Ohren 
gekommen war, daß K. sich beim Ziegelsortieren die rechte Hand gerissen 
habe, stellte die Anzeichen der Blutvergiftung b dem rechten Arme fest. 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate aas Zeitschriften. 


703 


Nach seiner Mitteilung an die Beklagte vom 7. Febraar 1907 bestand bei dem 
Sachverständigen kein Zweifel darüber, daß K. an den Folgen einer bösartigen 
Zellgewebsentzündnng des rechten Armes, za der sich die Erscheinangen einer 
allgemeinen Blutvergiftung gesellten, verstorben sei. Gegen die Annahme 
eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Schädigung bei der Betriebs¬ 
arbeit nnd dem Tude des E. kann auch, wie der ärztliche Sachverständige 
annimmt, nicht als erheblich ins Gewicht fallen, daß der stark fiebernde 
Kranke und dessen geistig etwas beschränkte Ehefrau dem Arzte von der 
Verletzung des Daumens bei dem Ziegcisortiercn nichts gesagt haben, zumal 
beiden damals jedenfalls ein Zusammenhang zwischen der Verletzung des 
Daumens und der Blutvergiftung noch nicht zum Bewußsein gekommen war. 
Bei diesem Sachverhalt hat das Rekursgericht den Tod des K. als die Folge 
eines Betriebsunfalls im Sinne des § 1 des Gcwcrbe-Ünfallversicberongsgesetzes 
anerkannt. 


Eine Versohlimmerung schon bestehender Unfallfolgen ist als eine 
erst später bemerkbar gewordene Folge des Unfalls im Sinne des § 72, 
Abs. 2 des GewrerbO'Uiifaliversicherangsge.setzes dann anznsehen, wenn es 
sich um ein nach Erschoinuiigsform, Art oder Natur wesentlich neues 
Krankheitsbild liaudelt, sei es auch an der Stelle, an welcher schon Un« 
fallfolgen bemerkbar waren. Dagegen kann eine in ganz allmählicher, 
glelchmässiger Entwicklung des Leidens auftretendc Versohlimmerung 
nicht als eine Dnfallfolge im Sinne des § 72, Abs. 2 des Gesetzes gelten. 
Rekurs-EntschciduQg des Reichs-Versicheiungsamts vom 
6. Juni 1908. 


D. Bakteriologie, Infaktlonskrankhelten und öffentliohos 

Saniiätsweaen. 

Bakteriologie. Infektionskrankheiten nnd andere Krankheiten. 

Ueber den Wert der Conradischen Gallenblntknltnr ln der Tjphns« 
diagnostik. Von Dr. Buchholz-Bcrlin. MedizinLsche Klinik; 1908, Nr.36 
Die vom Verfasser im hygienischen Institut zu Bremen bei Typhus und 
Paratyphus angestcllten Versuche hatten sehr günstige Resultate. Er ver¬ 
wendete lediglich nach den Angaben von Fornct die Blutgerinnsel aus den 
für die Widalproben gebrauchten kleinen Blntmengen und konnte z. B. 59®/„ 
positiver Erfolge bei solchen Typhusfällen erzielen, die durch die Widalprohe 
nicht identifiziert werden konnten. Im ganzen hatte er bei 130 Typhus- und 
41 Paratyphnsfälleu 42,3®/o resp. 19,6% positive Erfolge. Verfasser ist der 
Ansicht, daß das Conradisehe Verfahren bei seiner Einfachheit und seiner 
Brauchbarkeit eine große Bereicherung unserer diognostifchen Hilfsmittel bei 
typhösen Infektionen ist und die Widalreaktion in vielen Fällen in wirksamer 
und ausschlaggebender Weise ergänzt. Rpd. 


Die experimoutelle Herabsetzung der Agglutiuierbarkeit beim 
Typlinsbacillus durch die Stoffwechselprodukte des Pyocyauensbacillas. 
Von Dr. Hirschbrach, Assistent an der bakieriologischen Anstalt zu Metz. 
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt; 1903, Band XXVIII, Heft 2. 
Verlag von Julius Springer. 

Anschließend an seine früheren Untersuchungen über die Ursachen der 
Herabsetzung der Agglutiuierbarkeit beim Typhusbacillus hat Verfasser jetzt 
Versuche über die Wirkung der Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen 
auf die Typbusbazillen angestellt und dazu dun klassischen Produzenten von 
JBakterienstoffwecbsclprodukten, den Bacillus pyocyaneus gewählt. Er kam 
zu folgendem Resultat: 

1. Die Stoffwechselprodukte von Pyocyaneusbazillen aus Bouillon- oder 
von Agarkultarea sind imstande, bei Zusatz zu Agar die auf dem Mischnähr- 
'boden wachsenden Typhusbazillcn schlechter agglutinabel zu machen, als es 
der Normalstamm ist. 

2. Jo größer der Zusatz von sterilisierter Pyocyaneuskultur zum Agar 
iBt, desto geringer wird auch die Agglutinierbarkeit der auf diesem Mischagar 
wachsenden Typhusbazillen. 



704 


Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitsdiriften. 


8. Die BchlechteTe AKglatinlerbarkeit der Typhnsbazfllen, die auf mit 
Pyocyanensstoffwechselprodnkten versetztem Agar gewachsen sind, ist bedingt 
durch ihre geringere Bezeptorenzahl fttr Agglntinine. 

4. Die geringere Bezeptorenzahl ist dadurch verursacht, daß der Typhns- 
bacillus auf dem verschlechterten Nährboden weniger Bezeptoren bUdet. 

6. Die Stoffwechselprodukte des Pyocyaneusbacilius sind imstande, bei 
längerer Einwirkungszeit in ganz geringem Maße Agglutinine unwirksam zu 
machen; aber nur in den starken Verdünnungen des Serums. 

6. Die Stoffwechselprodukte des Pyocyaneus, welche die Agglntinierbar- 
keit der auf ihnen wachsenden TyphusbazUlen herabsetzen, sind in hohem 
Maße bitzebeständig. _ Bpd. 


BazUlentrSger nnd Typhiuverbreitang. Von Stabsarzt Dr. £ a u m a n n. 
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte. Bd. XXVllI, H. 2, 1908. 
Verlag von Julius Springer. 

Verfasser berichtet über eine im Bereich der bakteriologischen Anstalt 
zu Metz beobachtete kleine Typhusepidemie, die von einem Bazillenträger ans¬ 
ging. Es handelte sich um einen 66 jährigen Landwirt, der niemals Typhus 
oder typhusäbnliche Erkrankungen durchgemacht haben wollte, aber seit 
mehreren Jahren an Gallensteinkoliken litt. Es gelang, ihn durch die bakterio¬ 
logische Untersuchung als Bazillenträger zu ermitteln. Die Ermittelungen 
erwiesen sich als ziemlich schwierig; es wurden aber schließlich 16 Typhusfälle 
nachgewiesen, die mit ziemlicher Sicherheit unmittelbar oder mittelbar auf den 
gesunden Bazillenträger zurttckzuführen waren. Er wurde angewiesen, ständig 
seinen Stuhl, Urin, Leib- und Bettwäsche usw. zu desinfizieren. Im Anschluß 
daran weist Verfasser auf die Notwendigkeit von Maßregeln hin, die geeignet 
sind, eine derartige Verbreitung zu verhindern. Bpd. 


Die Grelzer Tj^hnsepldemie. Von Physikns Dr. Seheube-Greiz. 
Qreizer Neueste Nachrichten vom 29. Juli 1908. 

Um die in der Stadt über die Ursachen der Epidemie herumschwirrenden 
Gerüchte richtig zu stellen, ergreift Verfasser das Wort, ln den letzten Jahr¬ 
zehnten sei nur einmal im Jahre 1888 ein gehäuftes Auftreten von Typhus 
(50 Fälle) in Greiz vorgekommen. In diesem Jahre seien erst im Mai 2 ver¬ 
einzelte Fälle aufgetreten, bis dann von Mitte Juni an eine Epidemie eingesetzt 
habe; es seien bis jetzt 163 Fälle gemeldet. Bei dem plötzlichen explosions¬ 
artigen Ausbruch der Krankheit mußte eine gemeinsame Ursache vorhanden 
sein nnd, da alle Altersklassen, Stände und Berufsarten gemeinsam befallen 
waren, der Verdacht auf das Trinkwasser gelenkt werden. Hier konnten 
drei Quellcngebiete in Frage kommen, von denen jedoch zwei ausscheiden, da 
aus dem einen der Wasserleitung kein Wasser zugeführt wurde, während durch 
das andere der hochgelegene Teil der Stadt versorgt wurde, der von der 
Krankheit auffallend verschont blieb; denn von 163 Fällen entfielen auf diesen 
Stadtteil nur 12. Bei den Nachforschungen im Scbönfelder (dritten) Quellen¬ 
gebiet wurde dagegen festgestcllt, daß in einem Hanse, das 85 m von der 
Wasserwiese entfernt lag, in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten 5 typhus- 
verdächtige Erkranknngsfälle vorgekommen waren. Eine nachträglich im 
hygienischen Institut in Jena vorgenommene bakteriologische Blutuntersuchung 
hat den Verdacht bestätigt. Zu diesem Hause gehörte nun eine in ihrem 
unteren Teile zwar gemauerte, in ihrem oberen aber völlig durchlässige Abort- 
grube, in die die Ausleerungen der Kranken undesinfiziert oder ungenügend 
desinfiziert geschüttet waren. Diese Grube stand mit dem Grundwasser in 
Verbindung, so daß höchstwahrscheinlich Typbusbazillen aus der Grube 
in das Grundwasser, dem das Wasser der Brunnen der Wasserleitung ent¬ 
stammt, hineingelangt sind. Diese Annahme wurde noch unterstützt durch 
Erkrankung einer Gutsbesitzerin, auf derem Gut das Wasser eines neben der 
Wasser wiese gelegenen Teiches zum Spülen der Eß- und Trinkgeräte, wie der 
Milchgefäßebenutzt war. Diese Erkrankung war den Greizer Fällen 1—2 Wochen 
voraasgegangen. Vielleicht sind auch vereinzelte Fälle auf den von dem Gut 
betriebenen beschränkten Milchhandel zurückzufuhren. Wenn es nun auch nicht 
gelungen ist, TyphusbazUlen in der Schönfelder Wasserleitung selbst naehzu— 
weisen, so spricht neben den erwähnten Tatsachen dodi der Umstand für di«e 



Kleinere Mitteilongen and Beferate ana Zeitschriften. 705 

Aetiologie, daß 2 Wochen nach dem auf seine Veianlassong geschehenen Schloß 
der Wasserleitong ein Bhckgang der Epidemie zo verzeiclmen war. Eerner 
spricht dafür, daß auf dem oberen Schloß, das eine besondere Wasserleitong 
besitzt ond aoi dem 80 Personen wohnen, kein einziger Pall yon Typhös vor- 
gekommen ist. Verfasser wendet sich dann noch gegen verschiedene andere 
Behaoptongen ond Einwendongen, die aber nnr lokales Interesse haben. 

_ Bpd. 


Epldemleloglzelie Beobaehtoiigen bei Typhu abdominalis und Para* 
typhös B in der Pfalz während der Jahre 1908—1906* Von Oberarzt 

Dr. Otto Mayer. Münchener med. Wochenschrift 1908 Nr. 34. 

Verfasser hatte reichlich Gelegenheit eine Anzahl epidemiologischer 
Beobachtangen über Typhosabdominalis zo machen, welche sämtlich geeignet 
sind, als Beispiele im Sinne der Koch 'sehen Ansebaoong verwendet zo werden, 
nämlich daß der Typhös abdominalis außer dorch infiziertes Trinkwasser dorch 
direkten oder indirekten Kontakt bezw. dorch Infektion von Nahmngs- ond 
Qenoßmitteln von einem Typhösbazillen aosscheidenden Menschen aos verbreitet 
wird. Aoßer Kranken kommen bekanntlich aach Qesonde als Ansteckongs- 
qoellen bei Typhös abdominidis in Betracht ond man onterscheidet sonach 
Infektionen, aasgehend von: 

1. Schwerkranken, 

2. Leicbtkranken inkl. solcher, welche wegen leichter Erkrankong nnter 
gewöhnlichen Verhältnissen nicht in ärztliche Behandlong kommen; 

8. Typhosgesonden, also echten Typhosträgern mit vorübergehender 
Aosscheidong, 

4. Daaeraosscheidern, meist nach Ueborstehen emer mehr oder minder 
schweren Erkrankong (einmal nach 23 Jahren nach überstandenem Typhös, 
beobachtet). Unter den Daoeraossebeidem finden sich sowohl solche, welche 
mit jedem Stahlgang TyphasbazUlen aasscheiden, als aoeh solche, welche nor 
periodisch aasscheiden. Verfasser führt mehrere äoßerst interessante Bei¬ 
spiele an, welche die vielfach verschlongenen Wege veianschaalichen, aof 
denen der Typhös sich vom Menschen aos fortpflanzt. 

Um über das zweifellos vorhandene ond schon mehrfach beobachtete 
jahreszeitlich verschiedene Aoftreten des Typhus Aofklärong zo bekommen, 
fertigte Verfasser entsprechende Zosammenstellongen, aos denen mitSicheiheit 
hervorgeht, daß die Typhosverbreitang nicht das ganze Jahr hindurch die 
gleiche ist, sondern daß in den Monaten August und September weitaus der 
höchste Stand von Typhuserkrankungen zu sein pflegt, in den Monaten Februar, 
März und Aphl der niedrigste. Der Einfluß der erhöhten Außentemperator 
verbunden mit Trockenheit auf die rasche Zonabme der Typhusfälle kann 
begründet sein in der erhöhten Disposition, zo erkranken (bei veränderten 
Lebensgewohnheiten in der Hitze, Trinken von großen Quantitäten Wassers, 
Herabsetzung der Wiederstandsfähigkeit durch Uebermüdong, verminderte 
Beinlichkeit etc.) ond dann auch in der Uebertragong des Infektionsstoffes 
durch Fliegen. 

Verfasser faßt seine Aosführongen über das Aufflackern des Typhus 
nach längerem freiem Intervall mit beginnender Erhöhung der Außentemperatur 
dahin zusammen, daß in endemischen Gegenden haoptsächlich die 
Daoeraosscheider den Infektionsstoff für die Zunahme der 
Erkrankungen imSommer liefern und zwar einmal direkt durch 
Kontakt, anderseits indiiektbesonders dorch Nahrangsmitte 1* 
Infektionen, im letzteren Falle wohl haoptsächlich unter 
Mitwirkung der Fliegen als Zwischenträger. 

Sind wieder eine größere Zahl neuer Erkrankungen vorhanden, so ver¬ 
vielfältigen sich diese rasch aof dem gleichen Wege des direkten and 
indirekten Kontaktes, dorch etwaige Nahrungsmittel- und Wasserinfektionen 
and so kommt es dann zo dem hohen Anstieg der Typhaskurven im September. 
Als praktische Konsequenz ergibt sich hieraus, daß besonders zu Beginn der 
heißen Jahreszeit jeder Darmkatarrh als verdächtig angesehen und wenn möglich 
der bakteriologischen Untersochong zugänglich gemacht werden sollte. Es müssen 
ferner die Daoeraosscheider ond die Nahrangsmittel entsprechend überwacht 
and behandelt werden. Eine entscheidende Wendung in der Typhosbekämpfong 



706 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


würde dann eintreten, wenn entweder die Wissenschaft ein Mittel fände, um 
die Typhosbazillen ans dem Körper der Daueransscheider zn entfernen oder 
eine zwangsweise Krankenhansbehandlung aller jener Kranken stattfände, bei 
denen eine wirksame Isoliernng nnd sorgfältige Behandlnng bis zar bakterio¬ 
logischen Genesang in der eigenen Wohnang nicht garantiert ist event. eine 
rcichsgesetzliche Regelung für daaernde Unschädlicbmachang der Daaeraos- 
scheider sorgte. Dr. Waibei-Kempten. 


1. Ueber das Yorkommen von Bakterien der Paratjphns B- Groppe 
ln der Aussenwelt. Von Stabsarzt Dr. Hüben er, kommandiert zam Kaiser¬ 
lichen Gesandheitsamt. Deatscho mediz. Wochenschrift; 1908, Nr. 24. 

2. Zur Frage der Yerbreitung der Bazillen aas der Paratjphos- 
grnppe. Von Dr. W. Bimpaa, Leiter der bakteriologischen Untersuchungs- 
Anstalt in Hagenau i. £. Ebenda. 

Die beiden Arbeiten sind, wie Hüb euer hervorhebt, in klinischer, 
sanitätspolizeilicber und forensischer Beziehung wichtig. H. gelang es aus 
einer größeren Zahl von Wurstproben (ICO) in mehreren Fällen (6) Bakterien 
zu züchten, dio weder kulturell noch serologisch von den Bazillen der Para- 
typhus B-Gruppe, zu der u. a. Hogcholcra und Schweinepest, Mäusciyphus und 
bestimmte Arten von Wurstvergiftung gehören, zu differenzieren waren. Die 
Würste wurden ohne Gesundheitsstörung genossen und waren meist von ein¬ 
wandfreier Beschaffenheit. Früher hatte Uhlenhuth schon auf das häufige 
Vorkommen dieser Bazillen im Darm gesunder ächweine hingewiesen, von wo 
sie leicht in Wasserversorgungsanlagen nnd weiter in den menschlichen Körper 
gelangen können. Während nun Untersuchungen an ISO gesunden Leuten auf 
diese Vertreter der Paratyphus B • Gruppe im Kaiserlichen Gesandheitsamt 
negativ aasfielen, konnte Rimpau im Gebiet der systematischen Typhus- 
bekämpfung innerhalb kurzer Zeit (8 Monaten) 26 gelegentliche Paratyphus B- 
Ausscheider feststellen, unter denen sich 10 Typhus - Kranke bezw. -Rekonvales¬ 
zenten, 5 Typhusbazillenträger und 11 Gesunde befanden. Meist war der 
Befand nur ein einmaliger; vielfach konnten die Bazillen gleichzeitig aus 
dem Blut gezüchtet werden; mehrfach traten sie in Stuhl und Urin, öfter nur 
im Urin auf. Unter 50 gesunden Schulkindern einer Klasse wurden 3 Para¬ 
typhus B.-Ausscheider gefunden. Auch R. konnte in einer einwandfreien 
Lebeiwurst die Bazillen konstatieren. Die Frage der Pathogenität dieser 
Bazillen, ihre Rolle für die Epidemiologie des Paratyphus ist noch völlig un¬ 
geklärt. Jedenfalls mahnt R. mit Recht zur Vorsicht bei der bakteriologischen 
Diagnose nP^i'^^lyphus“ ohne typische klinische Symptome und ohne positiven 
Widal für Paratyphus. (Für den Medizinalbcamtcn bedeutet die Feststellung 
der weiten Verbreitung der Bakterien ans der Paratyphus - Gruppe mit der 
Unsicherheit der Pathogenitäts-Verhältnisse eine große Erschwerung seiner 
Maßnahmen, besonders bezüglich der Desinfektion. Jedenfalls kann er nur 
dringend eine baldige weitere wissenschaftliche Erforschung der wichtigen 
Frage wünschen, im übrigen aber Rimpau beistimmen, wenn er in den ]^- 
fanden eine Mahnung zur allgemeinen Hebung der Hygiene, Verbesserung der 
Fäkalienbeseitigung, der Trinkwasserversorgung und des Nahrungsmittel¬ 
verkehrs, sowie zur hygienischen Erziehung des Volkes sieht. Ref.). 

Dr. Liebetrau -Hagen i. W. 


Beitrag zur Klinik and Bakteriologie des Paratyphus. Von Oberarzt 
Dr. Wolf Bingel-Frankfarta.M. Münchenermed.Wochenschrift; 1908,Nr.83. 

Verfasser gibt zuerst einen historischen Rückblick auf die Aetiologie 
des Paratyphusbacillus, skizziert das Krankheitsbild, das durch die Infektion 
des Organismus mit dem Bac. paratyph. hervorgerufen wird, um dann teilweise 
mit Krankengeschichten auf die FäUe im einzelnen und bei Massenerkrankungen 
näher einzugehen. 

Das Ergebnis seiner Beobachtungen an Paratyphusinfektion faßt 
Verfasser in folgenden Schlußsätzen zusammen: 

Die Infektion des Organismus mit dem Bacterium paratyphi kann das 
klinische Bild des Typhus abdominalis hervorrufen. Sehr häufig jedoch verläuft 
sie unter einem anderen, ziemlich scharf zu umgrenzenden Krankheitsbild. 
Dieses Krankheitsbild zeigt mit dem Bilde des Typhus abdominalis meist nar 
wenia eemeiiisame Znec: es eleicbt. vielmehr dem Bilde der alten Gastroenteritis. 



Tagesnachriohten. 


707 


Die Erkrankong ist daher nicht als eine Abart des Typhns aofzafassen, sondern 
als eine Gastroenteritis, welche darch den Befand eines besonderen wohlcharak¬ 
terisierten Bakteriams sich aus der großen Gruppe der Gastroenteritis heraoshebt. 

Dr. W a i b e 1 - Kempten. 


Tagesnachrichten. 

Massregeln gegen die Einsohleppong der Cholera ans Russland. Am 
Montag, den 28. t. M., hat im preußischen Kultusministerium unter Beteiligung 
von Kommissaren der beteiligten Beichsämter und preußischen Ministerien, eine 
Beratung stattgefunden, in der Uebereinstimmung darüber bestand, daß die 
Cholera in Rußland in letzter Zeit trotz ihrer räumlichen Ausbreitung zu einem 
verhältnismäßigen Stillstand gekommen zu sein und auch in Petersburg den 
Höhepunkt überschritten zu haben scheint. Gleichwohl wurde zu größerer 
Sicherheit gegen eine Einschleppung der Seuche nach Deutschland beschlossen, 
daß an denjenigen Stellen, wo die Memel Weichsel und Warte ans Rußland 
nach Preußen Übertritt, die gesundheitliche Ueberwachung des Schiffahrts¬ 
and Fiößerciverkehrs eingeftthrt, das Zugpersonal auf den aus Rußland 
kommenden Bahnzügen zur Beobachtung des Gesundheitszustandrs der Reisen¬ 
den ungehalten und für die aus Rußland in deutsche Orte znreisenden Per¬ 
sonen die Verpflichtung vorgeschrieben wird, sich innerhalb 24 Stunden polizeilich 
anzumelden. ln Preußen sind infolgedessen die Regierungspräsidenten 
durch Erlaß vom 30. September 1908 ersucht, sofort auf Grund der §§ 12 und 13 
des Reichssouchengesetzes durch Polizeiverordnung die Meldepflicht und Beob¬ 
achtung aller aus choleraverseuchten Gegenden Rußlands zugereisten Personen 
anzuordnen. 

Hoffentlich erweist sich die Annahme, daß die Seuche in Rußland ihren 
Höhepunkt bereits übertroffen und infolge der vorgeschrittenen Jahreszeit ihren 
bedrohlichen Charakter verloren hat, als zutreffend. Bis zum 8. Oktober 
waren im ganzen 19612 Personen an der Cholera erkrankt und 8947 gestor¬ 
ben ; auf Petersburg entfielen bis dahin 6214 (2435); in den letzten Wochen des 
vorigen Monats schwebte die tägliche Durchschnittsziffer der Erkrankungen 
und Todesfälle zwischen 3 —400 bezw. 110—150; sie ist in den ersten Tagen 
des Oktobers auf 160—170 bezw. 84—85 gefallen. Angeblich sollen von der 
bakteriologischen Abteilung des städtischen Laboratoriums in Petersburg cho¬ 
leraartige Bazillen im Mewawasser festgesteUt sein. Auch Riga, Dorpat und 
Warschau sind für Cholera bedroht erklärt worden. 


Im Anschluß an die diesjährige Versammlung des Deutschen Vereins 
für öffentliche Gesundheitspflege in Wiesbaden hat sich auf Veranlassung des 
Stadtarztes San.-Rat Dr. König in Frankfurt a. M. und des Stadtrats San.- 
Bat Dr. Gottstein-Charlottenburg eine zwanglose Vereinigung der im 
städtischen Dienste als Magistrats - Dezernenten^ Stadtfirzte, Direktoren 
an Untersuchungsämtern tätigen Aerzte gebildet, die alljährlich im 
Anschluß an die Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesund¬ 
heitspflege zusammentreten will, um die Erfahrungen über die in den Städten 
bestehenden gesundheitlichen Einrichtungen auszutauschen. Die Führung der 
laafenden Geschäfte hat Stadtarzt Dr. König-Frankfurt a. M. übernommen. 


Anläßlich der Jabllfiumsversamnilang des Deutschen Vereins gegen 
den Mlssbraueh geistiger Getränke^ welche vom 14.—17. September in Cassel 
abgehalten wurde, ist der Vorsitzende dieses Vereins, Wirkl. Geh. Ober- 
Begierungsrat Dr. jur. von Str.auß und Torney, von der medizinischen 
Fakultät der Universität Tübingen zum Ehrendoktor ernannt worden. 


Die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte bat in ihrer 
Oeschäftssitzung vom 24. v. Mts. in Cöln für das Jahr 1909 Geh. Med.-Kat 
I*rof. Dr. Rubn er-Berlin zum Vorsitzenden und den Prof. Dr. Wiek und 
X)r. V. Frey-Würzburg zu stellvertretenden Vorsitzenden gewäMt. Die 
nächstjährige Versammlung wird in Salzburg stattfinden. Die Kölner Ver- 



708 


Tagesnachrichtes. 


Sammlung war verhältnismäßig gnt besucht (2500 Teilnehmer) und hat einea 
in jeder Weise befriedigenden Verlauf genommen. Ein ausführlicher Bericht 
darüber wird in der Beilage zur nächsten Nuuuner der Zmtschrift gebracht werden. 


Internationaler Tuberknlosekonferenz ln Washington. In der Sitzung 
vom 30. V. M. sprach Wirkl. Geh.-Hat Prof. Dr. Bobert Koch über die Be¬ 
ziehungen zwischen der menschlichen Tuberkulose und der Rindertuberkulose. Er 
wiederholte seine auf dem Londoner Kongreß geäußerte Ansicht, daß die Rinder¬ 
tuberkulose auf Menschen unübertragbar sei. Die Untersuchungen hätten bis zur 
Gegenwart diese Ansicht bekräftigt. Seine Ausführungen wurden jedoch von eiaer 
Anzahl amerikanischer und englischer Aerzte lebhaft bekämpft und im Gegen¬ 
satz dazu die Gleichartigkeit der Menschen- und Rindertuberkulose be¬ 
hauptet. In der Schlußsitzung vom 3. d. Mts. wurde auch eine Resolution 
angenommen, in der die Fortsetzung der Vorsichtsmaßregeln gegen die Rinder- 
tuberkulöse als notwendig erklärt wurde. 

Die Internationale Tnberkulosemedaille, die höchste Anerkennung 
für efrolgreiche Arbeit auf dem Gebiete der Tuberkulosebekämpfung, ist in Gold 
dem Wirkl. Geb.-Rat Exz. Dr. Alt hoff-Berlin, dem Begründer der Inter¬ 
nationalen Tuberkulosevereinigung, und Henry Phipps, dem Stifter des 
Henry Phipps - Tuberkuloseinstitnts in Philadelphia verliehen; in Silber: dem 
Geh. Med.-Rat, Prot Dr. Bernhard Fränkel-Berlin, Prof. Landouzy, 
dem Präsidenten der französischen Tuberkulosegesellscbaft, Dr. Theodore 
Williams-London und Coni-Bueuos Aires. 


Auf der diesjährigen, vom 16.—20. September in Wiesbaden abge¬ 
haltenen XXXIII. Yersammlang des Deutschen Vereins fttr Sffentlfehe 
Gesundheitspflege fand der Beschluß des Ausschusses, daß an die Städte, in 
denen die Versammlungen des Vereins tagen, fortab, ebenso wie bereits in 
diesem Jahre geschehen ist, daß Ersuchen gerichtet werden soll, von Be¬ 
wirtungen jeder Art Abstand zu nehmen, und daß auch vom Festessen und von 
sonstigen prunkvollen Veranstaltungen abgesehen werden soll, ungeteilte Zu¬ 
stimmung. Hoffentlich findet dieser Beschluß auch bei anderen Vereinen Nach¬ 
ahmung ; der Preußische und Deutsche Medizinaibeamtenverein haben bekannt¬ 
lich von jeher an diesem Grundsatz festgehalten und den Städten gegenüber, 
in denen sie getagt haben, stets von vornherein zum Ausdruck gebradit, daß 
ihrerseits auf irgendwelche Bewirtungen oder festliche Veranstaltungen nicht 
gerechnet werde. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 2. Ang. bis 12. Sept 1908 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Rückfallfieber, Fleckfieber, 
Gelbfieber, und Pest: — (—); Pocken: 4 (—), 6 (1), 4 (1), 7 (—), 
4 (1), 1 (-), Milzbrand: 6(2), 4 (-), 1 (1), 3 (-), 3 (1), 1 (-); Toll¬ 
wut: — (—), — (—), 1 (1), — (—), — (—), — (—), Bißverletznngen 
durch tollwntverdächtige Tiere: — (—), — (—), 12 (—), 6 (—), 
6 (—), 4 (—); Ruhr: 25 (3), 27 (2), 52 (2), 37 (4), 27 (1). 41 (4); Unter¬ 
leibstyphus: 390 (24), 381 (82), 481 (44), 622 (36), 583 (61), 612 (46); 
Diphtherie: 900 (55), 985 (50), 1149 (66), 1229 (65), 1199 (71), 1266 (80); 
Scharlach: 1164 (106), 942 (78), 1241 (81), 1493 (103), 1578 (93), 1549 (86); 
Genickstarre: 22 (7), 17 (8), 4 (4), 17 (4), 10 (8), 12 (2); Kindbett¬ 
fieber: 74 (17), 72 (14), 83 (26), 102 (19), 74 (2(D, 96 (20), Körnerkrank- 
heit (erkrankt): 107, 119, 415, 386, 366, 267; Tuberkulose (gestorben): 
541, 516, 537, 468, 470, 483. 


Infolge der mir dnroli Yerlellinng den Pzftdikats bIb 
„Profeesoz** zvl Teil gewordenen Ansnelohnnng habe loh so saalil- 
reiche Qlückwünsche von den Kollegen erhalten, dass es zn.lr 
nicht möglich lat, jedem einzelnen zu danken! Ich gestatte mix 
deshalb auf diesem Wege meinen herzlichsten Dank ausnaia- 
aprechen._Der Heransgrf)ex._ 


Verantw. Redakteur Prof. Dr. Rapmund, Reg.- n. Geh. Med.-Rat in Minden i. W- 

J. C. 0. Brun*, Herxogl. Süchi, n. F. Sch.-L. Hofbnchdruckerel ln Minden. 





21. Jahrg. 


Zeitschrift 


1908. 


fttr 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralklatt für Au gMonte lesnndlMiibmsffl, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegebea • 

Ton 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. OTTO RAPHUND, 

Regierungs- und Medizinalrat in Minden i. W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fischers mediz. Buehhandlg., H. Kornfeld, 

HtnogL Bayw. BW> n. BnliMiogl. ‘-■■«tKtiaiMii—, 

Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

Inserate nehmen die Yorlagshandlnng sowie alle Annoncen-Expeditionen des In- 

nnd Aaslandes entgegen. 


Nr. 20. 


Brsehelnt am E» and SO. Jeden Monate. 


20. Oktbr. 


Tod eines Schulkindes durch Alkoholvergiftung. 

Von Kreiaarzt Dr. Tollmer-Simmern. 

Anf der Jabiläoms-Hauptversammlung des Deutschen Vereins 
gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, die am 15. September 
dieses Jahres zu Cassel abgehalten wurde, hat Terbrüggen- 
Hamm betont, daß die Schule ihrer Pflicht, anfklärend über die 
Gefahren des Alkoholismus und über die Giftkraft des Alkohols 
zu wirken, nicht in vollem Umfange entspräche. Freilich ist 
zu sagen, daß Warnungen von Seiten der Schule nnr dann voll 
wirksam zn sein pflegen, wenn sie anch dorch die Lehren and 
Beispiele der Eitern in jeder Richtung unterstützt werden. Aber 
es mnß doch zagegeben werden, daß in der Schale mancherlei 
Gelegenheit ist, zu betonen, wie schädlich der Alkoholgenaß für 
die Erwachsenen werden kann und wie er für die Jagend geradezu 
ein Gift ist. Der größte Schaden wird durch den chronischen, 
gewohnheitsmäßigen Genuß bewirkt und plötzliche, akute Ver¬ 
giftungen, besonders solche, die znm Tode führen, kommen selten 
vor nnd werden zumeist gelegentlich in den Zeitungen mitgeteilt, 
wenn infolge einer unsinnigen Wette ein leichtsinniger Mensch 
bei unmäßigem Schnapsgenuß zugrunde geht. 

Daß aber auch Kinder durch Alkoholgenuß amkommen, 
wurde in der medizinischen Klinik neulich berichtet. 

Eine Leichenschaa in Manchester hat bei einem fünfjährigen Elinde akute 
Alkoholvergiftung festgestellt. Wie in der ärztlichen Sachverständigen-Zeitung 
(Nr. 18, Seite 892) mitgeteilt wird, hatte sich das Kind krank gefühlt; seine 










708 Dr. Vollmer: Tod eines Schalkindes darch AlkoholTergiftang. 

Matter hatte ftlr Sixpence (50 Pf^) Whisky gekaaft and ihm davon zwei 
TheelOffel voll eingegeben. Den Best hatte sie aal einem Tische 
neben dem Bette des Kindes in erreichbarer Nihe desselben 
stehen lassen. Am Morgen fand sie, daß der Whisky verschwanden war 
and das Kind bewaßtlos im Bette lag. Man nahm an, daß das Kind Schmerzen 
gehabt, aafgestanden sei and den ganzen Best Whisky ansgetronken habe. 
Das Kind starb 24 Standen später, ohne wieder zam Bewaßtsein gekonunen 
za sein, trotz ärztlicher Behandlang. Das ärztliche Qatachten kam za 
dem Schloß, daß der Tod darch akate Alkoholvergiftang herbeigefflhrt and 
das genossene Qaantom Whisky eine Ittr ein fünfjähriges Kind tödliche 
Dosis war. 

Dieser Fall ist eine Parallele zn einer bei einem Schnl- 
jnngen von 6^2 Jahren von mir beobachteten, tödlich verlaufenen 
Eognakvergiftung, an die ich durch die Lektttre des Falles von 
W&kyvergiftung erinnert wurde. 

Der Fall ist kurz folgender: Wilhelm Sch., Sohn eines Eisen* 
bahnbeamten, geb. 25. November 1900, ffthlte sich am Dienstag 
den 8. Mai 1907 unwohl. Da dieser Zustand sich nicht bessern 
wollte, gab ihm seine Matter am Mittwoch, den 9. Mai, morgens 
8 Uhr ein halbes Glas Kognak und ließ die halbvolle Liter* 
flasche auf dem Nachttisch neben dem Bette des 
Kindes stehen. Dann verließ sie das Zimmer und fand die 
Flasche nur noch Vi ^oll, als sie zu dem Jungen zurückkehrte. 
Derselbe saß im Bette, stotterte schon halb tranken ,ich will noch 
Kognak“ und legte sich dann zar Seite, am za schlafen, ein Schlaf, 
ans dem er nicht mehr erwachte. Er starb trotz aller ärztlicher 
Bemühongen — der Arzt war allerdings erst mittags requiriert 
worden, als die Atmung immer lauter und röchelnder wurde — 
am 10. Mai, morgens 1 Uhr. 

Die Aehnlichkeit beider Fälle ist auffallend — in beiden waren 
die unglückselige Ueberzeugung, die Beschwerden des Kindes mit 
Alkohol heilen za können, und die große Unvorsichtigkeit und 
Nachlässigkeit, den Alkohol nicht ans dem Bereiche der Kinder 
zu stellen, Grund za dem Tode. 

Was die Wirkung des Alkohols angeht, so zerfällt ja 
die Alkoholintoxikation nach Symptom und Verlauf, die wieder 
große Mannigfaltigkeit je nach der Alkoholgabe und der Getränke* 
form, unter der er gereicht wird, auf weisen können, in die akute 
und chronische Vergiftung. Letztere erscheint als Delirium tremens 
und als chronischer Alkoholismus. Erstere, die akute Vergiftung, 
um die es sich in den beiden Fällen mit tödlichem Ausgang 
handelt, erscheint als Trunkenheit in der allgemein bekannten, 
leichteren Form. Deren gefährlichste Steigerung ist die schwere 
Vergiftung, wo in kurzer Zeit oder auf einmal große Mengen 
starken Alkohols dem Organismus einverleibt werden. Hier fehlt 
das Exzitationsstadium völlig, besonders bei Kindern. Die Ver¬ 
giftung zeigt sich in der tiefen allgemeinen Depression aller 
Funktionen. Das Krankheitsbild ist ähnlich dem bei Vergiftungen 
mit korrosiven Stoffen. Man findet, wie auch in unseren Fällen, 
die Vergifteten in der Regel in völlig bewußtlosem Zustande, 
in allgemeiner Anaesthesie mit röchelnder Atmung, mit kleinem, 
frequentem Puls und dilatierten, reaktionslosen Papillen. Die Haut 



Dr. Thomalla; Aether als Schlaf* nnd^Bethabnngsmittel. 


709 


des G^esichtes ist gedunsen nnd gerötet, oft anch zyanotisch; die 
Haut des Rumpfes und der Extremitäten kühl und mit Schweiß 
bedeckt. Bei jungen Individuen, wie in den beiden zitierten 
Fällen, kann in wenigen Stunden der Exitus letalis eintreten. 

Jedenfalls beweisen solche Vorkommnisse, wie notwendig die 
immer wieder durch Artikel in der Tagespresse oder durch popu¬ 
läre Vorträge mögliche öffentliche Warnung ist, Kindern keinen 
Alkohol zu geben, sie vielmehr vom Alkoholgenuß in jeder Form 
ausznschließen, da dieser für den jugendlichen Organismus ein 
noch größeres Gift darstellt, als für den erwachsenen, nnd da ein 
in kindlicher Unwissenheit vorgenommener, übermäßiger Alkohol- 
gennß mit dem Tode bezahlt werden kann. 


Aether als Schlaf- und Betäubungsmittel. 

Von Dr. B. Thomalla, AreiaassiBtenzarzt in Waldenburg. 

Am 8. September er., morgens, wurde ein Lehrling einer 
hiesigen Drogenhandlung tot in seinem Bett aufgefunden. Der 
hinzngerufene Arzt konnte nur den Tod konstatieren, ohne in der 
Lage zu sein, eine Todesursache anzugeben. Er zog aus der Nase 
des Toten ein Stück Watte, die angeblich auf ihren Geruch nicht 
geprüft wurde. Später fand man neben der Leiche noch ein 
Fläschchen, das teilweise mit Aether gefüllt war. — Der Lehrling 
war am Abend vorher noch munter und gesund, er hatte angeb¬ 
lich unheimlich viel zum Abendbrot gegessen, darauf noch viel 
Obst genossen und Wasser getrunken. Ungefähr zwei Stunden 
nach dem Abendbrot war er zu Bett gegangen. Einige Zeit 
darauf hatte sein Stnbengenosse, der gerade im Einschlafen war, 
ihn noch röcheln gehört. Da er selbst aber müde war und das 
Röcheln bald nachließ, gab er nichts darauf und schlief bald 
darauf ein. — Am 9. September wurde die gerichtliche Obduktion 
ausgefflhrt, zu der ausser mir noch Dr. Richter hier zugezogen 
wurde. 

Außer vielen Ekchymosen in Schleimhänten nnd üeberfailang vieler 
Organe mit dnnklem, flüssigem Blut, die auf Tod dorch Erstif^nng hindenteten, 
landen wir Erbrochenes im Monde der Leiche, das sauer reagierte, aber keinen 

a eziflschen Gernch ausströmte, ferner einen stark gefüllten und geblähten 
agen, der bei Eröffnung des Unterleibes sich über die anderen Eingeweide 
lagerte. Die Lungen, besonders die rechte stark ödematös, nur am Bande 
knisternd. Kehlkopf, Luftröhre, die größeren nnd kleineren Verzweigungen 
derselben, besonders wiederum die auf der rechten Seite, waren mit weichem 
Speisebrei reichlich ungefüllt. Der Magen enthielt etwa 350 g von demselben 
Speisebrei; ein spezifischer Geruch war auch hier nicht wahrnehmbar. — Bei 
Eröffnung der Schädelhöhle entströmte ein deutlicher Aethergernch. 

Der Vorgang war, aus den Erzählungen des Lehrherrn und 
der anderen Angestellten zu schließen, jedenfalls folgender: 

Nach den unheimlich großen Quantitäten, die der Lehrling zum Abend¬ 
brot genossen, nach dem Obst nnd Wasser, das er nachher noch zu sich ge¬ 
nommen, hatte er allem Anschein nach Leibschmerzen verspürt. Die ein¬ 
schläfernde Wirkung des Aethers war ihm, wie ich in Erfahrung brachte, 
bekannt. Er begoß Watte mit Aether, steckte sie in die Nase, zog sich einen 
Aetherransch zu, die Leibschmerzen beruhigten sich, er schlief ein. Der Aether 
reizte aber bei dem vollen Magen sofort zum Brechen, doch war der Lehrling 



710 Dr. Tqomalla: Aether als Schlaf* und Bettnbnogsmittel. 

infolge des Aetherransches nicht imstande, das Erbrochene Tollkommen herans- 
zawerfen, vieles davon kam in Eohlkopf, Luftröhre nsw. and Itlhrte den Er* 
sticknngstod herbei. — Die an der ganzen rechten Eörperseite vorhandene Hypo¬ 
stase zeigt an, daß der Lehrling eine znm Entfernen der erbrochenen Massen 
an sich gttnstige Lage eingenommen hatte. 

Frägt man sich nnn, woher der Junge Aether als Betäubungs¬ 
mittel kannte, so ist darauf zu antworten, daß diese Kenntnis im 
Volke bereits eine recht yerbreitete ist. Je mehr die Chloroform¬ 
narkose in der Medizin durch die Aethemarkose verdrängt wird, 
desto bekannter wird auch das Publikum mit dem Gebrauch des 
Aethers als Betäubungsmittel. Viel mag hierzu beitragen die 
irrige, aber weitverbreitete Ansicht, daß die Aethemarkose voll¬ 
kommen ungefährlich sei. Auch Schmidtmann stellt in seinem 
Handbuch der gerichtlichen Medizin die Aethemarkose als weit 
weniger gefährlich hin, als die Chloroformnarkose, wobei er aber 
bemerkt, daß üble Zwischenfälle und Tod ebenfalls verkommen. 
Ich möchte dem weit weniger gefährlich nicht znstimmen, 
wenigstens in denjenigen Fällen nicht, wo — z. B. bei plötzlichen 
Unglttcksfällen — ol^e Rücksicht auf den mehr oder weniger 
gefüllten Magen narkotisiert werden muß; denn der Brechreiz 
wird, wie ich bei mehr als tausend Aethemarkosen in den letzten 
4 Jahren zu beobachten Gelegenheit hatte, durch die Aether- 
narkose in viel höherem Grade hervorgerufen wie durch Chloro- 
fommarkose. — Welche Gefahren durch das Erbrechen Narkoti¬ 
sierter entstehen können, auch wenn die Narkose durch einen 
geübten und erfahrenen Arzt geleitet wird, ist bekannt. 

Nnn ist Aether dem Handverkauf und jedem Kaufladen über¬ 
lassen. Jedes Kind kann sich Aether kaufen. Bekanntlich er¬ 
gingen im Jahre 1899 für sechs ostpreußische Kreise und am 
2. April 1903 für den Beg.-Bez. Bromberg Polizei Verordnungen, 
welche die Abgabe von reinem oder mit anderen Stoffen ver¬ 
mischten Schwefeläther verboten. Die Abgabe war nur gegen 
ärztliches Rezept oder gegen eine polizeiliche Bescheinigung, daß 
der Aether nicht zu Genußz wecken, sondern in dem Gewerbebetrieb 
des Empfängers Anwendung finden solle, gestattet Die betreffenden 
Polizeiverorduungen wurden aber von dem Kammergericht unter 
dem 25. September 1905 für ungültig erklärt, weil sie mit der 
Kaiserlichen Verordnung vom 22. Oktober 1901 im Widerspruch 
stehen, die Aetherweingeist dem freien Verkehr überlassen hat. 
Ein Verbot des Handverkaufs ist somit vorläufig nicht durch* 
führbar; zu Selbstmordzwecken und zu jedem anderen Verbrechen 
kann Aether in beliebiger Menge gekauft werden. Eine Ein¬ 
schränkung in der Abgabe wäre aber vielleicht möglich, oder es 
wäre wenigstens zu erstreben, daß außer der Aufschrift ,Feuer- 
gefährlich** noch eine Warnung bezüglich des Gebrauchs als Be¬ 
täubungsmittel an der Flasche anzubringen wäre, z. B. „Vorsicht, 
wirkt lebensgefährlich beim Einatmen." 

Wenn mau bedenkt, daß selbst ein Aetherrausch von kaum 
einer halben Minute beim beginnenden Erwachen einen starken 
Brechreiz zur Folge hat, so wäre eine größere Vorsicht beim 



Dr. Heidenhain: Zar Wohnongsnot armer Leute. 


711 


Verkauf diingend anznraten. Vor allem aber wird der Weiter- 
verbreitang des Märchens von der üngefährlichkeit der Aether- 
narkose entgegenzntreten sein. 


Zur Wohnungs-Frage armer Leute. 

Von Med.-Bat Dr. Heidenhain, Kreisarzt in Insterbarg. 

In der letzten Sitzung der Gesnndheits-Kommission brachte 
ich folgenden Antrag ein: 

«Eine einzelne Stube, in der nicht nur gewohnt und ge¬ 
schlafen, sondern auch gekocht und gewaschen werden muß, 
darf nicht an eine Familie, sondern nur an 1—2 unYerheiratete 
Männer vermietet werden.“ 

Dieser Antrag wurde angenommen. Als Begutachter von 
Wohnungen in der Stadt halte ich nunmehr an diesem Grundsätze 
fest. Im März d. J. gab ich z. B. über eine von einem Ehepaar 
mit drei Kindern bewohnte Wohnung nach zuvoriger Anschauung 
ein Gutachten dahin ab, daß in der Stube große Nässe herrsche, 
daß das Wasser von den Wänden laufe und die verschimmelten 
Tapeten von den Wänden herabfallen; die Wohnung müsse daher 
für ungesund und für von einer Familie unbewohnbar erklärt 
werden. Als die Sache dann zur Entscheidung des Richters kam, 
bezeugte der als Sachverständige vorgeladene Tapezierer, daß er 
dem Ehepaar im Oktober neue Matratzen geliefert habe; dieselben 
seien infolge der in dem Zimmer herrschenden Nässe teilweise — 
besonders an den der Wand zngekehrten Seiten — verfault, so 
daß er eine eingreifende und teuere Erneuerung habe vornehmen 
müssen. 

Auf eine weitere Frage des Richters sagte ich ans, daß die 
Wohnung nicht durch Nässe litte, die von außen nach innen ein¬ 
dringe, sondern durch die Nässe, die durch Anwesenheit von fünf 
Menschen, Kochen und Waschen in ein und demselben Zimmer 
erzeugt würde; die Leute seien durch die Kinder verhindert, in 
der kalten Jahreszeit so zu lüften, daß eine andauernde und mehr¬ 
mals täglich notwendige Luftveränderung eintrete. Der andauernde 
Aufenthalt in einer Stube mit so nasser Luft sei gesundheits¬ 
schädlich; die Stube müßte daher als für eine Familie un¬ 
brauchbar und gesundheitsschädlich erklärt werden. Die betreffende 
Kommission des hiesigen Hausbesitzer-Vereins hatte diese Stube, 
nachdem sie — wahrscheinlich durch andauerndes Lüften, Heizen, 
Tapezieren usw. — in einen wohnlichen Zustand versetzt war, 
besichtigt, sie für gesund erklärt und ein dementsprechendes Gut¬ 
achten zu den Akten eingereicht; der Richter nahm jedoch von 
diesen Gutachten nicht die von dem Verein erhoffte Notiz. 

Welche Anforderungen muß nun der beamtete Arzt an eine 
Wohnung stellen, um sie für gesund erklären zu können und 
welche gesetzlichen Bestimmungen sind in dieser Hinsicht er¬ 
forderlich? 

Die gewöhnlichen Forderungen erstrecken sich auf Luft und 



712 


Kleinere Mitteilangen und Referate ans Zeitschriften. 


Licht in quantitativer Beziehnng; diese Frage ist jedoch ge* 
setzlich ansreichend geregelt. Weit wichtiger ist die Luft in 
qualitativer Einsicht; eine gut ventilierte Stube ist mir, auch 
wenn sie nicht den erforderlichen Luftraum hat, lieber, als eine große 
Stube, die nur durch Aufreißen von Tür und Fenstern ventiliert 
werden kann; denn dies tun namentlich arme Leute, zumal wenn 
sie Kinder haben, in der kalten Jahreszeit gar nicht und sonst 
auch nur sehr selten, oder ebenfalls gar nicht. 

Daß eine fortwährend mit Wasserdampf geschwängerte Luft 
fflr die Atmung ungesund ist, bedarf keiner weiteren Auseinander¬ 
setzung; wenn dieses besonders fttr Kinder und Frau gilt, so ist 
bei dem Familienvater hervorzuheben, dass er, den Tag fiber an 
anderer Luft gewöhnt, von Widerwillen erfasst wird, wenn er 
abends die Stube betritt. 

Dass der Nachtschlaf in einer solchen Stube nicht gesund- 
einwirkt, ist fraglos, und dass der Ehemann abends gerne wieder 
eine solche Stube verlässt, ist natürlich. 

Soll nun der Nutzen der Hausbesitzer — die Miete für eine 
solche Stube beträgt durchschnittlich 120 Mark jährlich — über- 
wiegen, oder die Gesundheit armer Leute? Nur durch unnach¬ 
sichtige Beurteilung solcher Wohnungen durch den beamteten 
Arzt, Wohnungsinspektor usw. werden sich die Hausbesitzer ge¬ 
zwungen sehen, eine Küche ausserhalb der Wohnstube anznlegen 
und zwar so, dass die eine Wand des Ofens die Wohnstnbe mög¬ 
lichst mitheizt. 

Mit dem bisherigen Schlendrian, oder sagen wir mit der 
bisherigen Nachsicht auf die Hausbesitzer wird man niemals er¬ 
reichen, dass das ganze Niveau der Wohnungen armer Leute in 
einer den notwendigsten Anforderungen der öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege entsprechenden Weise gehoben wird. Luft und Licht 
muss den armen Leuten auch in einer kleinen Wohnnng in der 
gesetzlichen Weise gesund und genügend erhalten werden. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. QerlohtUohe Medizin. 

Ceber PbotODiethämoglobin. Von Dr. Otto Leers. Biochemische Zeit¬ 
schrift; 1908, XII., Heft 4. 

Stellt man aas 1—4°/o filtrieiter Lösung frischen Biates durch Zusatz 
einiger nicht verwitterter Erystalle von Ferrizyankali, Schütteln, Abgießen 
und mehrfacher Wiederholung dieser Manipulation eine Methämoglobinlösung 
her und setzt man diese Lösung in etwa 8 mm dicker Schicht dem direkten 
Sonnenlicht aus, so sieht man schon nach wenigen Standen die sepiabrauae 
Farbe der Lösung schwinden, die durch eine braunrote und schließiich durch 
eine tiefrote — Photomethämoglobin — ersetzt wird. 

Im Spektrum des Photomethämoglobin ist der für Methämoglobin charak* 
teristische Absorptionsstreifen im Orangerot verschwunden und statt dessen 
ein breites Band zwischen D und b, den Wellenlängen 583—522 entsprechend, 
aufgetreten. 

Leers untersuchte nun die Umwandlungsfabigkeit verschiedener 
Methämoglobinlösungen in Photomethämoglobin. Alle Methämoglobinbildner, 
soweit^er sie prüfte, erwiesen sich auch bei tagelanger Einwirkung intensiTen 
Sonnenlichtes für die Umwandlung des Methämoglobins in Photomethämoglobin 



Kleinere Mitteilnngen and Referate ans Zeitschriften. 


713 


angeeignet mit Aosnahme des Ferri> and Ferrozyankaliam. Er schließt daraos, 
daß Pbotomethämoglobin nur in Lösnngen entsteht, welche Zyanwasserstoff- 
B&are enthalten. Die Aehnlichkeit der Spektra and andere gemeinsame Zttge 
berechtigen za dem Schlosse, daß Photomethämoglobin and ZyaD(met)hämo* 
globin identische Modifikationen des Blatfarbstoffes sind. 

Dr. Beyenstorl'Hamborg. 


Ueber Yerglftang darch Phosphoroxyehlorld. Von Prof. Dr. Bampf- 
Bonn. Medizmische Klinik; 1907, Nr. 86. 

Es handelte sich am 5 Arbeiter einer chemischen Fabrik in Bonn. Nach 
ihren Angaben war am 30. Aagast 1906 einem Schmelzkessel infolge Verstel- 
lang des Abdracksrohres ein bläalicher Dampf entstrOmt. Sofort hätten sich 
Brustschmerzen and starke Atemnot eingestellt, danach Hasten and schanmiger 
AoBWorf, BO daß sie den Baam schlennigst hätten verlassen milssen. In der 
Nacht stellten sich dann heftige Atembeschwerden ein. Der eine der Abeiter 
kam am 26. Jali 1907 in Behandlang des Verfassers. Er wollte seit der Zeit 
an Atemnot, Blathosten leiden and anfähig zur Arbeit sein. Die ärztliche 
üntersachong nach dem Onfall hatte Emphysem der Langen, Bronchitis, 
Herzdilatation and Unregelmäßigkeit des Palses ergeben. Verfasser stellte 
geringe Bronchitis, Vergrößerung der Herzdämpfnng besonders nach links, 
Vergrößerong der Leberdämpfang, Herabmindernng des Hämoglobingehaltes 
des Blates aaf 85 °/o and Eiweiß im Urin fest. Gelbfärbang der Haat bestand 
nicht, soll auch nicht bestanden haben. Besserung trat nar sehr langsam ein. 
Im Januar 1908 war die Herzdämpfnng etwas kleiner geworden, desgleichen 
die Leberdämpfang, der Urin war frei von Eiweiß und Zocker. Verfasser 
nahm darauf Veranlassung, auch die beiden anderen Arbeiter zu untersuchen 
(im August 1907). Der eine hatte 6 Monate feiern müssen; vom Arzt wurde 
ein Nierenleiden konstatiert. Es fanden sich jetzt noch geringe Verbreiterung 
der Herzdämpfung nach rechts, Vergrößerung der Leber und Herabsetzung des 
Hämoglobingebaltes des Blates auf 6ö**/o. Der Urin war frei von Eiweiß. 
Der dritte Arbeiter hatte erst vor kurzem die Arbeit wieder aufgenommen. Bei 
ihm fand sich eine tuberkulöse Affektion der linken Lungenspitze; die Herz- 
dämpfong war regelrecht, über allen Etappen waren aber systolische Geräusche 
zu hören. Die Leber war vergrößert, der Hämoglobingehalt des Blates betrag 
45°/o. Kein Eiweiß im Urin. Verfasser ist der Ansicht, daß es sich sich hier 
zweifellos um die Folgen einer Vergiftung durch das ausgeströmte Gas (Phos* 
phorozychlorid) handelt und daß wir in diesem ein ganz neues giftiges Gas 
kennen lernen. Die Wirkung auf Leber and Nieren schiebt er aiu das Phos* 
phor, die auf Herz und Longen aaf das Chlor. Bpd. 


Beitrag zur Kenntnis der plßtzllchen Todesfälle. VonA. AscarellL 
BoUetino della societä Lancisiana degli ospedali di Borna; 1907, Fasz. 1. 

Ascarelli berichtet über 50 Fälle von plötzlichem Tod aus inneren 
Ursachen. Die anatomischen Veränderungen betrafen in 36 Fällen das Herz 
and Gefäßsystem, in 9 Fällen die Lange. In je einem Falle lag Glottis oedem 
and perforiertes Magengeschwür vor. In 3 Fällen fehlten pathologisch¬ 
anatomische Veränderungen. 

Verfasser bestätigt die Angabe Brouardels, daß Nierenveränderung 
bei plötzlichem Tode häufig sind. Sie fanden sich in 18 Fällen und waren in 
11 Fällen von mehr oder weniger hochgradiger Arteriosklerose der Aorta be¬ 
gleitet. Arteriosklerose lag im ganzen in 34 Fällen vor, d. b. in 68 °/,. Unter 
13 Fällen fand sie sich 10 mal bei Personen unter 40 Jahren. Bei einem 
24jährigen und einem 29jährigen Manne bestanden schwerste Gefäßveränderungen. 
Unter 10 jugendlichen Arteriosklerotikern konnte 8 mal Alkoholismus und 
4mal Syphilis, unter der Gesamtzahl von 50 Fällen 7 mal Alkoholismus und 6 mal 
Syphilis mit Sicherheit nachgewiesen werden. Die Mehrzahl der plötzlichen 
Todesfälle wurde im Winter beobachtet. Dr. Bevenstorf-Hamburg. 


Fettembolie als Todesnrsaehe. Von G. S. Graham. The Journal of 
medical Besearch; 1908, Februar. 

Bei einem 18 jährigen jungen Manne, der einen rechtseitigen Schienbein¬ 
brach erlitten hatte und am fünften Krankheitstage seiner Verletzung erlag. 



714 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeiteohrifteo. 


fand sich ausgedehnte Fettembolie in Herz, Lunge, Mieren, Milz, Pankreas und 
Gehirn neben sekundären Veränderungen in Herz und Gehirn. Auf Grund Ton 
Tieryersuchen kommt G. dann zu folgenden Schlufifolgerungen: Die Fett¬ 
embolie kann in zwiefacher Weise Todesursache werden, entweder durch Ver¬ 
stopfung einer großen Zahl von Lnngengeiäßen in Verbindung mit der 
Blockierung einer kleineren Zahl von Herz versorgenden Arterien oder durch 
eine weitverbreitete Verstopfung der feinsten Arterien des großen Kreislaufs. 
Die Schädigung der Lunge steht im zweiten Falle hinter den Läsionen 
von Herz, Niere und Zentralnervensystem zurück. Im ersten Falle tritt der 
Tod an Asphyxie sehr bald nach dem Trauma ein; im zweiten Falle vergehen 
8—8 Tage, ehe Herz und Gehirnveränderungen den Exitus veranlassen. Der 
Todeseintritt ist nicht abhängig von einer bestimmten Fettmenge; individuelle 
Disposition scheint vielmehr eine wichtige Rolle zu spielen. Die gleiche Fett¬ 
menge, welche bei plötzlichem Eintritt in die Blutbahn ausreicht, den Tod 
herbeizuführen, ruft keinerlei Symptome hervor, wenn sie im Laufe einiger 
Tage einverleibt wird. Das injizierte Fett wird von den weißen Blutkörpem 
phagozytiert und durch die Nieren ausgeschieden. Neben der Herzveränderung 
besteht oft fett^e Entartung des Zwerchfells, während die Skelettmuskulatur 
unverändert bleibt. Dieser Schädigung des wichtigsten Atemmuskels mag die 
stets beobachtete Respiiationsstörnng zur Last zu legen sein. 

Dr. Eevenstorf-Hamburg. 

Ueber 8 Fälle von Zerreissung der Vena coronarla cordis. Von 
Dott. Alb. Pepere-Pisa. Archivio di Psichiatria, Neuropathologia etc. 
Fasz. I—11, 19(fe. 

ln allen 8 Fällen handelt es sich um tödliche Zerreißungen der Vena 
coronaria bei älteren Frauen (zwischen 69 und 79 Jahren) ans unerklärt ge¬ 
bliebener Ursache und bei geringfügigen oder überhaupt fehlenden pathologisch¬ 
anatomischen Veränderungen des Gefäßsystems und der inneren Organe. 

Fall 1 betraf eine wegen leichter nervöser Störungen im äankenhaus 
befindlichen Frau mit gutem Allgemeinbefinden, die plötzlich von heftigster 
Atemnot befallen wurde und alsbiüd starb. 

In den beiden anderen Fällen fehlen klinische Angaben. 

Pathologisch-anatomisch wurde jedesmal eine Zerreißung der Vena 
coronaria, deren Sitz in 2 Fällen am Bande des rechten Ventrikels, im dritten 
Falle hinten war, gefunden. Im übrigen ergab die Sektion nur im Falle I 
leichte Arteriosklerose, während in den beiden anderen Fällen diese fehlte, 
auch im übrigen krankhafte Organveränderungen nicht nachzuweisen waren. 

Aetiologisch war in allen 8 Fällen jedes Trauma oder jede Zirkulations¬ 
störung auszuschließen, auch fehlte jeder Anhalt für eine septische oder toxi¬ 
sche Ursache; man könnte an eine Störung der trophischen Zentren denken, 
die zu degenerativen Veränderungen der Gefäßwände geführt hätten, doch bei 
der Lokalisation der Läsion scheint auch diese Annahme wenig wahrscheinlich, 
so daß die eigentliche Ursache im Dunkeln bleibt 

Dr. SoIbrig-Alleostein. 

Ueber die Fäulnis der quergestreiften Mnsknlatur. Von A. Asca- 
relli. Archivio di Psychiatria, Medicina legale ed Antropologia criminale; 
1907, XXVIU., Fasz. 1—2, Sonderabdruck 42 Seiten, 1 TafeL 

Die Fäulnis des quergestreiften Muskelgewebes verläuft in der an der 
Luft bei einer mittleren Temperatur von 18” liegenden Leiche derart langsam, 
daß am 60. Tage noch Fragmente von Muskelöbrillen mit deutlicher Quer¬ 
streifung gefunden werden. — Die Fäulnis der Skelettmuskulatur schreitet 
langsamer vorwärts als der Zerfall dos Herzmuskels. — Je weiter der Fäulnis- 
prozeß gediehen ist, um so mehr verliert das Gewebe seine Färbbarkeit 
Während des letzten Fäulnisstadiums wirken die Farblösungen nicht mehr auf 
dem Wege chemischer Bindung, sondern durch Imbibition. — Die Fäulnis 
durchläuft verschiedene Phasen: Das Muskelgewebe wird zunächt oedematös, 
verliert dann sein Kernfärbuogsvermögen und zerfällt allmählich in zahlreiche 
Teile, bis nur noch kleinste Körnchen sichtbar sind. Die aufeinander folgen¬ 
den Veränderungen des Gewebes sind: Fäulnisoedem, Dissoziation der Fibiiuen, 
Nekrose, Sarkorexis und Sarkolyse. — Die Zerstörung der Muskelfibrille durch 



Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften. 


715 


F&olnis verlänft unter dem gleichen Bilde wie die regressive Metamorphose 
wlUirend des Lebens. Sie unterscheidet sich aber von einem pathologischen 
Prozeß durch die fehlende Qieichartigkeit der Veränderungen, durch die Ab* 
Wesenheit von Reaktionserscheinungen, durch das üebergreifen des Zerfalls auf 
Bindegewebe, Blutgefäße und Nerven nnd durch das Auftreten unregelmäßig 
zerstreuter Bakterienhaufen im Gewebe. — Aus den mikroskopischen Fäulnis- 
änderungen läßt sich der Zeitpunkt des Todes nur approximativ ermitteln. — 
Die Todesart hat nur während der ersten Tage Einfluß auf den Fäulnisverlanl. 
Der schnellste Zerfall der Muskelfasern tritt nach Phosphorvergiftung ein. 

Dr. Revenstorf'Hamburg. 


Ueber hflmolytische Erscheinungen an der Leiche. Von Prof. 
Schlagenhanf er-Wien. Zontralbl. fflr Pathologie; 1908, Nr. 14. 

Die frühzeitige Imbibition mit Blutfarbstoff in einer septischen Leiche 
kann durch die hämolytische Wirkung des die Septikämie bedingenden Strepto¬ 
kokkus herbeigeführt sein. Daher ist es verständlich, warum gerade septische 
Leichen so schnell der Fäulnis verfallen; dies gilt namentlich bei puerperalen 
Prozessen, die ad ezitum kommen. Man sollte daher beim Anblick einer star¬ 
ken, durch äußere Umstände nicht motivierten, frühzeitig faulen Leiche zu der 
Vermutungsdiagnose „Septikämie" kommen nnd infolgedessen die Sektion von 
vornherein zu einer sog. bakteriologischen gestalten. — Auch für den Ge¬ 
richtsarzt kann diese Kenntnis von Wichtigkeit sein, insofern er aus den an¬ 
scheinend vorhandenen Fäulniserschcinungen auf eine kürzere oder längere 
Zeit seit Eintritt des Todes schließen kann. Unter den Begriff der htoo- 
lytischen Leiche sollte man eine Leiche verstehen, in der durch postmortale 
Veränderungen des hämolytische Eigenschaften besitzenden Krankheitserregers 
eine rasche Hämolyse des Leichenblutes herbeigeführt wird. Diese scheinbar 
faulen Leichen brauchen aber nicht faul zu sein. Dr. Wolf-Marburg. 


Der Blntgehalt der Leber und der Lunge alz Zeichen des Er¬ 
stickungstodes. Von A. Ascarelli. Archivio die Farmacologia sped- 
mentale e Scienze affini; 1907, VI., Fasz. 4. 

Verfasser bestimmte die Blutmenge der Organe bei Hunden, die auf 
verschiedene Weise getötet waren. Je nach der Todesart ergaben sich sowohl 
Unterschiede in dem Blutgehalt jedes einzelnen Organs, wie in der Blutver- 
teilung auf verschiedene Organe. 

Die Leber war bei jeder Form des Ersickungstodes kongestioniert, ihr 
Blntgehalt betrug 52—56 *’/o, während er bei Tieren, äe mittels Dorchschneidnng 
des verlängerten Markes getötet waren, im Durchschnitt nur 420/o erreichte. 
Unabhängig von der Todesart war der Blutgehalt um so höher, je länger die 
Agone währte. 

Der Lungenbefnnd Ertrunkener unterscheidet sich sehr wesentlich 
sowohl von dem Lungenbefand anderer Erstickongsarten, wie auch von dem 
Lungenbefund Nicbterstickter. Die Blutmenge der Lungen Ertrunkener be¬ 
trägt 10—18*/o während die Lungen bei anderen Ersickungsformen 55—75"/« 
nnd die Lungen Nichterstickter 28—45"/o Blut enthalten. Diesem Befunde 
entsprechend sind die Lungen bei Ertrunkenen anämisch, bei anderen Formen 
der Erstickung hyperämisch. 

Beim Tode durch MeduUarstich ist der Blntgehalt der Leber fast der 
gleiche wie der der Lunge, beim Erstickangstode der Blutgehalt der Leber 
bedeutend höher als der Blutgehalt der Lunge (56 */o : 11 "/o). Bei den übrigen 
Erstickungsformen enthält die Leber im Durchschnitt 16 "/o Blut weniger als 
die Lunge. Teilt man den Wert des Blutgehalts der Lunge durch den Wert 
des Blutgehalts der Leber, so erhält man einen Quotienten, der beim Er¬ 
trinkungstode etwa 0,19 beträgt, bei den übrigen Erstickungsformen nahe an 
1 (0,90) und bei Nichterstickten durchschnittlich bei 1,24 liegt. 

Die Vergesellschaftung von Leberhyperämie mit Lungenanämie 
ist ein diagnostisch wichtiger, für Ertrinken charakteristischer Leichenbefund. 

Der geringe Blutgehalt der Ertrinkungslunge erklärt sich teils ans der 
Verdünnung des Blutes durch resorbiertes Wasser, teils aus dem Blähnngs- 
zustand der Langen und dem Druck, den die eingescblossene Luft auf die 
Alveolarwandangen und die Kapillaren austtbt. Der Blutreichtum der Leber 



716 


Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften. 


ist teils die Folge einer Gefäßparalyse, nun anderen Teile ddifte sie dorch 
die erhebliche, bald nach dem Tode eindringende Eindickong des Pfortader- 
blates infolge postmortaler Wasseranfnahme seitens der Gewebe erklärt wer¬ 
den. Mit dieser Aufnahme stimmt überein, daß im Gegensatz zn der Behauptong 
Martins eine Gewichtsrermehrong nicht zn den regelmäßigen Yeränderongen 
der Leber Ertrunkener gehört. Dagegen übertriffc die Ertrinkongslnnge das 
Gewicht der gewöhnlichen Erstickongslonge infolge ihres Wassergchaliea fast 
um das doppelte. Dr. BeTenstorf-Hamborg. 


Ueber die akute Brnstkorberweitenuig Ertrankener. Von A. M. Cen- 
ciarini. ArchiTio di Farmacologia sperimentale e Scienze afEui; 1906, V., 
Fase 10-11. 

Cenciarini weist auf einen bisher wenig beachteten diagnostiseh 
wichtigen Befand bei Ertrunkenen hin: die akute Thorazeiweiterong. Er er¬ 
mittelte diesen Befand durch genane Messung des Tboraxumfanges und durch 
Anwendung des Pneumographen im Tierversuch. Die Brustkorberweiterung 
bleibt aus, wenn dem Tiere vor dem Ertränken beide Vagi durchschnitten 
werden. Das Phänomen ist unabhängig von der Kohlensäureüberladung des 
Blates, verdankt seine Entstehung vielmehr einer Reflezwirkung, die gleich¬ 
zeitig mit dem Eindringen des Wassers in die Luftwege durch den Reiz der 
Nervenendigungen des Vagus aasgelöst wird. Werden die Vagi erst nach 
Eintritt der Thorazerweiterung durchschnitten, eo kehrt der Brustkorb im 
Moment der Durchschneidung in seine gewöhnliche Lage zurück. Einführung 
von Quecksilber in die Luftwege ruft ebenfalls eine leichte Thorazerweiteruag 
hervor, doch wird das Metali alsbald mit großer Kraft wieder ansgehustet. 
Die abnorme Ausdehnung des Brustkorbs Ertrankener ist eine Begleiterschei* 
nung der Hyperaerie. — Nach den Untersuchungen, welche Herr Dr. L. Schwarz 
kürzlich im Hafenkrankenhause in Hamburg aasführte, ist das Röntgenver- 
fahren ein vorzügliches Mittel, die „Thorazblähang“ im Bilde zur Ansemauung 
zu bringen. Dr. Revenstorf-Hamburg. 


Ueber den Lungenbefund bei Ertrunkenen. Von de DominicisA. 
Volumen, publicato in onore del prof. G. Ziino. Messina 1907. 

De Dominicis unterscheidet drei Typen des Hypervolumens der 
Langen Ertrunkener: Hyperhydrie, Hyperaerohydrie und Hyperaerie. Die 
Hyperhydrie deckt sich mit dem von Brouardel aufgestellten Begriff des 
Oedema aquosum, die Hyperaerie mit dem Begriff der trockenen Lungenblähnng 
nach Strassmann. Die Hyperaerohydrie ist eine Zwischenfonn zwischen 
diesen beiden. 

De Dominicis beobachtete bei Tieren, die nach forzierter Ezspiration 
(brüske, manuelle Brustkorbkompression), ohne wieder an die Oberfläche zu 
kommen, ertranken, Hypervolnmen der Lunge mit starker Durchfeuchtung des 
Gewebes (Hyperhydrie). Wurde das Versuchstier nach tiefster Inspiration, die 
man reflektorisch durch die Applikation eines Kältereizes erzielte, rasch er¬ 
tränkt, BO fand sich die Lunge gleichfalls stark gebläht, aber die aspirierte 
Wassermenge war beträchtlich geringer. Hyperaerie endlich fand sich bei 
langsamem Ertrinken und Untersinken nach forzierter Inspiration. 

Diese Versuchsergebnisse bestätigen die Angabe vonMargulies, daß der 
Lungenbefund abhängig ist von der Luftmenge, welche der Ertrinkende unter 
die Wasseroberfläche mit sich nimmt. Die trockene Lungenblähnng bei Tieren, 
welche nach einer tiefen Inspiration untersinken, erklärt sich daraus, daß in 
die mit Luft vollgefttllte Lunge nicht mehr viel Wasser einzudringen vermag. 

Das spezifische Gewicht der Lunge beträgt 

bei Hyperhydrie .... 0,80—0,87 
bei Hyperaerohydrie . . . 0,68—0,72 
bei Hyperaerie.0,36—0,48 

Das spezifische Gewicht der Langen von Tieren, die durch Nackenschlag 
getötet wurden, schwankt zwischen 0,74 und 0,88. 

Wird der Ertrinkungsvorgang in der Weise unterbrochen, daß das Ver¬ 
suchstier während der vierten Phase ans dem Wasser genommen und in einen 
Behälter mit gefärbter Flüssigkeit getaucht wird, so beobachtet man, daß stets, 
wenn Hyperaerie vorliegt, auffallend wenig Wasser aspiriert wird. 

_ Dr. Revenstorf-Hamburg. 



Kleinere Mitteilangen and Keferate ans Zeitschriften. 


717 


TerletnuigeB und TentammelongeB ron Leichen im Wasser. Von 
KThoinot, Professor der gerichtlichen Medizin in Paris. Annales d’hygiöne 
pabliqne et de m6decine legale; 4. Serie, Tome IX, joillet 1908. 

Nach Beschreibung von drei forensischen Beobachtungen yon im Wasser 
durch grofie Gewalten verletzten Leichen, die zum Teil den Verdacht auf Ver¬ 
brechen geweckt hatten, werden die überhaupt durch Schiffe, Treidelketten, 
Bagger, Mtthlenflügel, Schleusentüren usw. entstehenden Leichenverstümme- 
lungen besprochen. Der Mangel von Blutergüssen ist hOchst auffällig und 
mufi die Diagnose richtig leiten, obwohl die Auswässerung zu berücksichtigen 
ist. Ferner kommen so gewaltige Weichteil- und Knocäenzertrttmmerungen 
durch Menschenhand nicht vor; auch ihre B,egellosigkeit, die jeden Plan ver¬ 
missen läßt, gestattet, eine beabsichtigte Leichenzerstückelung ausznschließen. 
Es ist meist nicht möglich zu erkennen, wodurch die Verletzungen ent¬ 
standen sind. Dr. Fr aenkel-Berlu. 


Ueher Fmchtabtrelbnng. Von E. Stockis. Annales de la Seci4t6 
de M6decine I6gale de Belgique; 1908, Sonderabdruck. 

Stockis berichtet Uber einen Fall, in welchem die Punktion der Ei- 
häute und der Abfluß des Fruchtwassers die Schwangersduift nicht unterbramh 
und über einen zweiten Fall, in welchem der Uterus seinen Inhalt erst am 
12. Tage nach Anwendung verschiedener Mittel ausstieß. Bei der 42 jährigen 
im ö. Monat schwangeren, an vorgeschrittener Lungentuberkulose leidenden 
und sehr hinfälligen Frau wurde zunächst die Cervixdilatation und der Blasen¬ 
stich angewendet. Trotz Abfluß des Fruchtwassers hatte sich der Muttermund 
am folgenden Tage wieder geschlossen. Es wurden keine Scbeidenspülnngen 
verordnet, am 7. Tage ein Laminariastift eingelegt, am 9. Tage eine hmße 
intrauterine Injektion ansgeführt. Erst 12 Tage nach dem Blasenstich traten 
ütemskontraktionen auf, durch die eia 22 cm langer Foetns ausgeatoßen 
wurde. Dr. Bevenstorf-Eambnrg. 


Beiträge mr Kenntnis der Azoospermie. Von Hans L. Po an er. 
Inaug.-Dissertation. Berlin 1908. 

P 0 8 n e r berichtet über 18 neue Fälle, in denen die diagnostische Hoden¬ 
punktion zur Ermittelung der erloschenen oder noch bestehenden Spermato- 
genese ansgeführt wurde. In 16 Fällen wurden wohlausgebildete Spermatozoon 
gefunden, in zwei Fällen fehlten dieselben. Punktionen an Gesunden (auch 
an der Leiche) hatten stets schon beim ersten Versuch ein positives Ergebnis. 

Zur Punktion verwendet man sterile dünnste Kanülen und sog. Bi er¬ 
sehe Spritzen. Bei einseitiger Epididymitis wird die erkrankte Seite punktiert. 
Blutung tritt dabei nicht auf. 

Die Spermien im Hoden sind bewegungslos. Sie erhalten ihre Beweg¬ 
lichkeit erst unter dem Einfluß des Prostata- und Samenblasensekrets. Auä 
das mikrochemische Verhalten der Punktionsflüssigkeit weicht von dem des 
Ejakulats ab. Sie gibt weder die Florencesche noch die Barberiosche 
Beaktion. 

Im Gegensatz zu der großen Zahl der positiven Befunde bei Azoospermie 
infolge Obliteration der samenleitcnden Wege steht das Besultat einer Statistik 
von 7 Fällen, bei denen Gonorrhoe und Nebenhodenentzündung in der Aetiologie 
nicht zu ermitteln waren. Unter diesen 7 Fällen wurden nur in einem Falle 
Samenfäden gefunden. Die Ursache der Azoospermie war in diesen Fällen 
nicht Verschluß der Samenkanälchen des Nebenhodens, sondern Schwund des 
funktionierenden Hodenparencbyms. Dr. Bevenstorf -Hamburg. 

B. GerlohtUohe Payohlatrle. 

Okulistlsche Beiträge zur Wertung der Degeneratlonszelehen. Von 
Dr. Walter Albrand in Sachsenberg. Aus der Anstalt Sachsenberg in 
Mekl.-Schwerin, Direktion Obermedizinalrat Dr. Matusch. Archiv für 
Psychiatrie; Band 44, Heft 1. 

Der Verfasser erstattet einen umfassenden Bericht über das Besultat 
16jähriger üntersnehungen, die sich auf die Stigmata degenerationis des Auges 
beziehen. Er kommt zu dem Ergebnis, daß diese Bildungsanomalien für die 



718 


Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ans Zeitsehriften. 


klinische Diagnose im Einzelfalle nicht ernstlich in Frage kommen können, so 
interessant sie dem Theoretiker auch für die Degenerationslehre erscheinen 
mögen. Dagegen sind die okulären Stigmen in anthropometrischer Beziehang, 
insbesondere zar Ergänzung und Vorvollständigung der Bertillonage berufen, 
eine praktisch sehr wichtige Bolle zu spielen. Bei der Anthropometrie kommt 
namentlich die Tatsache in Betracht, daü das Ange ein mit za^eichen kleinen 
charakteristischen Abweichungen yersehenes Organ ist and z. B. in der indi* 
yidnellen Konfigaration der Netzhautgeläße innerhalb der normalen Breite 
manche Besonderheiten darbietet. Dr. Többen^Mflnster. 

Nene Eintellnng der Yerbrecher. Von Dr. Josö Ingegnieros, 
Professor an der ünirersität zn Buenos Aires. Bemo Sandron, 1907, 8. 77. 

Verfasser geht davon aus, daß im Gegensatz zu der klassischen Schule 
des Strafrechts, welche das Delikt als eine einfache rechtbrecherische Tatsache 
ansieht, die moderne Eriminalogie die Aufgabe hat, das Delikt als eine krank* 
hafte Erscheinung des sozialen Individiums anzusehen und zu nntersudien, 
nicht anders, als der wahre Arzt nicht die Krankheit, sondern den Kranken 
behandelt. Bei einer neuen methodischen Einteilung der Kriminalogie folgt 
er der Pathologie, indem 8 Hauptgruppen unterschieden werden: Aetiologie, 
Klinik und Therapie des Verbrechers. Aetiologie gliedert sich in 2 Faktoren: 

a) endogene, biologische, der Person des Verbrechers, b) exogene, der Um¬ 
gebung des Verbrechers eigentümliche. Es müssen beide Faktoren Zusammen¬ 
wirken, um die Aetiologie des Verbrechens zu erklären. Dabei kommen be¬ 
züglich der quantitativen Kombination beider Faktoren mannigfache Varia¬ 
tionen vor; es kann z. B. ein Individinm zahlreiche endogene Momente 
(Degenerationen) auf weisen nnd nur in geringfügigem Maße durch seine soMale 
Umgebung geschädigt sein oder umgekehrt usw. 

Die kriminelle Anthropologie, d. h. der Zweig, der sich mit der Erfor¬ 
schung des Individiums selbst befaßt, wird eingeteilt in: a) Morphologie, 

b) Psychopathologie. Die Anomalien des Verbrechers sind solche der Moral, 
des Intellektes und des Willens; sie können angeboren, erworben oder vor¬ 
übergehend sein. Hiernach lassen sich die Verbrecher in bestimmte Klassen 
teilen (geborene, moralisch irre, Qelegenheits-, impulsive, epileptische, alkoholische 
usw. Verbrecher). 

Was die Therapie der Verbrecher betrifft, so muß nach den neueren 
wissenschaftlichen Ergebnissen, namentlich der italienischen Schale, die Prophy¬ 
laxe in den Vordergrund gestellt werden, dazu kommen reparatorische Mittel 
(Entschädigung der Opfer der Verbrechen), repressive Mittel (der Individualität 
des Verbrechers angepaßto Strafen) und schließlich eliminatorische Maßnahmen, 
die darauf hinausgehen, Rezidive zu verhindern (Todesstrafe, Deportation, 
' dauernde Einschließung in den besonderen Verhältnissen des Verbrechers ange- 
I paßten Anstalten). 

Als praktische Folgerung aus dieser Zergliederung der Kriminalogie 
gibt Verfasser eine Einteilung der Verbrecher in 3 Klassen, wobei die Schwere 
der klinischen Erscheinungen mit der Strenge der Bepressivmaßregeln in Ein¬ 
klang gesetzt wird. Dr. Solbzig-Allenstein. 

Der Schädel-Gesichts-Typus bei 800 Mördern. Von Dr. Attfl. 
Ascarelli -Born. Archivio di Psichiatria, Nonropatologiaetc.; Fasz. UI, 1908. 

Es werden die Photographien von 800 Mördern ans verschiedenen 
italienischen Provinzen zum Gegenstand einer genauen anthropologischen 
Untersuchung bezüglich der Kopf- und Gesichtsbildung gemacht. Das Ergeb¬ 
nis ist eingehend unter Einreichung der Befunde in mehrfache Tabellen nieder¬ 
gelegt. ^ Hauptgruppen werden unterschieden: 

1. Der Typus communis, bei dem besondere Anomalien nicht oder nur 
in verschwindender Zahl gefunden werden. Er findet sich zu 40 y« unter den 
800 Fällen. 

2. Der Typus anomales, als welcher der angesehen wird (Lombroso), 
bei dem sich mehr als 8 verschiedene Anomalien zugleich finden. Er ist zu 
60 “/o vertreten. 

Verfasser unterscheidet bei diesem Typus mehrere Arten, nämlich den 
Typus rogreesivus inferior, der durch besondere physische Inferiorität charak- 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitachriften. 


719 


teriaiert ist, den Typus asymmetrlciis, bei dem einzelne Abschnitte des Schfi- 
dels oder Gesichts entweder stärker oder schwächer herrortreten, den Typus 
antienrythmicos, bei dem der Schädel in anffallender Weise gegenüber dem 
QMicht entwickelt ist oder umgekehrt, und illostriert einige der Typen durch 
treffliche Photographien. 

8. Der Typus criminalls, der weniger durch Anomalien gekennzeichnet 
ist, als Tielmehr als der Ausdruck allgemeiner Roheit (ferocia) im Gesicht sich 
wiederspiegelt. Dieser Typus wird häufiger bei dem Typus communis als bei 
dem Typus anom^us gefunden (11,3 '*/o gegenüber 6,8 

Was die einzeben Anomalien selbst betrifft, so sind die häufigsten: 
stark hervortretende Augenbögen, Plagioprosopie, starkes Hervortreten der 
BÜimbacken und der pars naso-zygomatico-auricularis des Gesichts, Anomalien 
der Ohren usw. Dr. Solbrig-Allensteb. 


Das Terbreehen bei den Jugendlichen. Von Dr. Franc. Agosti. 
Archivio di Psichbtria, Neuropatologia etc., Fasz. I—ü, 1908. 

Verfasser untersuchte 40 Fürsorge und Eorrektionszöglbge im Alter 
von 9—18 Jahren b ebem piemontesischen Institut b genauester Weise hb- 
sichtlich des körperlichen und psychischen Befundes. Ohne auf die Einzel¬ 
heiten der üntersuchungsergebnisse hier ebzugehen, wollen wir nur kurz 
einiges allgemeine bteressante daraus hervorheben. Alle 40 zeigten eben 
anormalen Typus, bsofern jeder ebzelne Zögling mehr als 8 körperliche oder 
geistige Anomalien aufwies. Die Untersuchten wurden eingeteilt b Gelegen¬ 
heitsverbrecher: 27, Mangelhafte (deficienti): 3, geborene Verbrecher: 5, Epilep¬ 
tiker: 6. Eine verderbliche Rolle spielt bei diesen jugendlichen Verwahrlosten 
der Alkohol, denn unter den 40 Untersuchten zählt Verfasser eb Dutzend, die 
schon mit 10—12 Jahren angefangen hatten sich zu betrinken; dazu kommt 
der übermäßige und frühe Tabakgenuß, denn auch die kleinsten unter den 
Zöglingen waren schon an das Rauchen gewöhnt, so zwar, daß sie, man^b 
sonstiger Gelegenheit ihrem Genuß zu fröhnen jeden Zigarrenstummel auf Hof 
und Straße auflasen, um sich mit Hilfe von Zeitungs- oder sonstigem Papier 
unbeschreibliche Zigaretten zu verfertigen. Auch die Spielsucht, wenn auch 
nur in primitiver Weise durch Werfen von Kupfermünzen ausgeübt, und 
schließlich vor allem die sexuellen Verfehlungen — Onanie im frühen Alter 
bei allen, vielfach b stark gesteigerter Weise, geschlechtlicher Verlust schon 
bei zwölfjährigen Knaben, Päderastie — tragen dazu bei, Körper und Gbist 
zu zerrütten. Dr. Solbrig-Allensteb. 


Spiegelschrift bei einem normalen Knaben. Von Dr. Anselm. Sacer- 
dote. Archivio di Paichiatria, Neuropatologia etc.; Fase. HI, 1908. 

Dieser Typus der Schrift, von Vogt die „normale Schrift für die linke 
Hand“ genannt, ist an sich kein seltenes Vorkommnis auch bei Gesunden, 
waren doch nach Eiders Statistik unter 451 untersuchten normalen Individuen 
b”/« imstande, auf Aufforderung in Spiegelschrift zu schreiben. Der hier be¬ 
schriebene Fall weist einige Besonderheiten auf, weswegen er der Erwähnung 
wert ut. Es handelt sich um einen 9 jährigen Knaben, der bezüglich des 
Nervensystems erblich nicht belastet ist, selbst körperlich und geistig keine 
wesentlichen Besonderheiten darbietet, aber von frühester Kindheit an iinks- 
hän^ war. Aufgefordert, etwas zu schreiben, nimmt der Knabe die Feder 
in die linke Hand und schreibt in Spiegelschrift; ebenso ist er gewöhnt, für 
sich, namentlich auch dasjenige, was er vor anderen Augen verborgen halten 
will, in Spiegelschrift zu schreiben. Dabei ist er so geübt, daß er anscheinend 
keine größere Schwierigkeit zu überwinden hat, als wenn er mit der rechten 
Hand in der üblichen Schrift schreibt. Auch ist der Knabe ohne weiteres im¬ 
stande, rechts Spiegelschrift und links gewöhnliche Schrift zu schreiben. Von 
diesen 4 Arten von Schrift (in dem Artikel in photographischer Wiedergabe 
beigefügt) ähneln sich sehr die beiden Schriftarten mit der linken Hand und 
die Spiegelschrift mit der rechten, während die gewöhnliche Schrift mit der 
rechten Hand andere Züge aufweist. Besonders auffällig aber ist die Tatsache, 
daß die Spiegelschrift weniger orthographische Fehler und kalligraphischer ist, 
als die gewöhnliche Schrift. 



720 


Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zeitschriften. 


Durch diese habitaelle Spiegelschrift, die der Knabe bei sonst normalen 
Verhalten zeigte, zeichnet sich der beschriebene Fall aas, da bei yollkommen 
normalen Menschen dergleichen recht selten beobachtet worden ist. 

_ Dr. Solbrig-Allenstein. 

O. Baolivnrst&ndigentfttlg^kelt ln Unfkll' nnd Zavalldltätnaolien. 

Deber atTplsch rerlanfende Ps jehosen nach Unfall. Von Dr. Hasche- 
Klflndner. Ans dem allgemeinen Krankenhanse Hamborg Eppendorf nnd ans 
der Irrenanstalt Friedrichsberg. Archiy fttr Psychiatrie nnd Neryenkraak- 
heiten; 44. Bd., 2. Heft, 1908. 

Nach leichteren and schweren Kopftranmen and nach nach anderen 
körperlichen Verletznngen können gelegentlich Geistesstörnngen der yerschie- 
densten Art anftreten. Diese Psychosen haben yielfach einen so wechsd- 
yollen and atypischen Verlauf, daO es oft schwer ist, derartige ünfallkranke 
gerecht zn bearteilen and richtig za begutachten. Noch schwerer ist es, die 
sich allmählich entwickelnde Geisteskrankheit schon im Beginn festzastellen, 
sowie den ursächlichen Zasammenhang mit dem Trauma nachzuweisen. Das 
Atypische kommt bei einigen Fällen in ihrer Entwicklung zum Ausdruck, b- 
dem nach einem Unfall eine Neurose entsteht, die erst nach yielen Jahren 
allmählich oder plötzlich in Geistesstörung Übergeht. Andere Psychosen er¬ 
halten das Gepräge des Atypischen durch den Umstand, daß bei ein und der¬ 
selben Geistesstörung durchaus yerschiedene Krankheitsbilder anftreten, die 
selbst nach jahrelanger Beobachtung nicht in ein bestimmtes Schema einge* 
ordnet werden können. 

ln der sehr lesenswerten Arbeit werden 8 Fälle yon chronischen 
Psychosen nach Unfall und 2 Fälle yon akut yerlaufenden posttraumatischen 
Geistesstörungen mitgeteilt. Da bei den chronischen Unfallpsychosen in der 
Aetiologie der Kampf um die Rente eine Hauptrolle spielt, wird eine Aenderung 
des Uiiallgesetzes durch Einführung einer Abfindungssumme prophylaktisch 
empfohlen. _ Dr. Többen*Münster. 


Ueber Diabetes meUtns nach psychischem Trannuu Von Dr. B o e p ke- 
Melsungen. Aerztliche Sachyerständigen-Zeitung; 1908, Nr. 17. 

Boepke glaubt in seinem Gutachten überzeugend nachgewiesen zu 
haben, daß dnrdi ein rein psychisch wirkendes Trauma — Schreck und 
hochgradige seelische Erregung — Diabetes meUtus ursächlich bedingt war. 

_ Dr. Troeger-Neidenburg. 

Traumatlsehe Erkrankung oder Mnskeldefekt. Von Dr. A.Zweig, 
Assistent an der psychischen Klinik in Königsberg. Aerzüiche Sachyerständigen- 
Zeitung; 1908, Nr. 18. 

Im Anschluß an einen Fall yon einem beladenen Henwagen hatten sich 
bei einer 40jährigen Frau motorische Störungen einer Seite entwickelt, die 
ein Begutachter auf einen drei Wochen post trauma erfolgenden Schlaganfall, 
ein anderer wegen sich findender Differenzen im Umfang der beiderseitigen 
Muskeln auf ein Bückenmarksleiden, ein dritter ohne Berücksichtigung des 
Muskelbefundes auf eine funktionelle Neryenerkrankung bezogen hatte. 

In der Klinik stellte man die Diagnose traumatische Hysterie, kombiniert 
mit Mnskeldefekt. 

Zum Schloß wird betont, daß man mit der Diagnose einer organischen 
Neryenerkrankung aof dem Boden eines Unfalls yorsichtig sein muß, und daß 
die Begutachtung besonders yon Nervenkranken ohne längere Beobachtungs- 
nnd öftere eingehende u. a. elektrische Untersuchungsmöglichkeit sehr schwierig 
ist Deshalb ist die klinische Begutachtung in alien zweifelhaften Fällen ner¬ 
vöser Erkrankung möglichst bald zu erstreben, da sie allen Teilen nur 
nützen kann. _ Dr. Troeger-Neidenbnrg. 


Zwei Beobachtungen Plrogoffs Ober traumatlsehe Insufflslenz der 
Mitralklappen. In seinem in Dresden auf der III. Tagung der Deutschen 
Gesellschaft für gerichtliche Medizin gehaltenen Vortrage: „Beiträge zum 
Tode durch Herzyerletzungen sagt Prof. Ziemke:^) 


Vierteljahresschrift für gerichtL Medizin; 81., 86. Bd., SuppL 1908. 



Kleinere Mitteilangen nnd Referate ans Zeiteohriften. 


721 


„üebrigeas sind auch derartige Zerreißiugen der Herzklappensegel and 
namentlich solche der Trikospidalis durch äußere Gewalten recht seltene Er¬ 
eignisse, wenn es auch, wie Straß mann bemerkt, von Torherein durchaus 
plausibel erscheint, daß bei ausgedehnten Herzzerreißungen der E^appenapparat 
mit verletzt werden kann. Für die Möglichkeit einer traumatischen Ent¬ 
stehung von Herzklappenfehlem, fttr den Nachweis, daß völlig gesunde Herz¬ 
klappen infolge von äußeren Gewalteinwirkungen zerreißen können, sind solche 
mit anderen Herzverletzungen kombinierte Zerreißangen der Üappensegel 
daher von geringerer Bedeutung, als isolierte Elappenzerrelßungen, welche 
höchst selten aber sicher, so von Weiß nnd neuerdings von E. Fränkel nach 
Trauma beobachtet worden sind.“ 

Nun berichtet N. Pirogoff’)in seinen Grundstlgen der allgemeinen 
Eriegschirurgie ttber folgende Beobachtungen: „Bei starken Bmstkommotionen 
Namentlich nach einem Sturze), wenn der Patient ttber ein eigentttmliches 
Geftthl im Herzen, „als ob ihm da etwas abgerissen wäre,“ klagt nnd beson¬ 
ders, wenn die Auskultation einige Anomalien in Herztönen nachweist, muß 
man ihn nicht aus den Augen lassen. Bei zwei dergleichen Patienten — und 
bei beiden Soldaten nach einem Falle von einer bedeutenden Höhe herab — 
bestätigte ich, nachdem sie ttber dieses Geftthl geklagt hatten, später (nach 
8 Jahren) die Insuffizienz der Mitndklappe. Bei beiden fand ich nach der 
Sektion dne deutliche Narbe in einem Sebnenbttndel der Klappe.“ 

Da M. B. Schmidt (Mttnch. med. Wochenschr. 1902, S. 1565) sagt, 
die bis 1902 vorliegende Kasuistik weise keine ganz reine, unzweifelhafte Be¬ 
obachtungen ttber Fälle von Herzklappenerkranknngen auf, bei denen die 
klhiische Geschidite auf einen Zusammenhang mit einem Tage oder Wochen 
vorhergegangenen Trauma, namentlich einem Sturze, hinweise, schien mir die 
Erwähnung der Pi rogo ff sehen Beobachtungen angezeigt, umsomehr als auch 
B. Bernstein (Vierteljahresschr. fttr gerichtL Med.; 31., 80. Bd., 1905, S. 65) 
in seiner reichhaltigen Kasuistik ihrer nicht gedenkt. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


üeber Appendleitis naeh Trauma. Von Spezialarzt Dr. F. Brttning- 
Freiburg L B. Archiv fttr Klin. Chirurgie; 66. Bd, 4. J. 

Zwischen einer nachweisbaren Verletzung, direkten nnd indirekten, nnd 
einer akuten oder chronischen Appendleitis ist dann ein ursächlicher Zusammen¬ 
hang anzuerkennen, wenn sich im unmittelbaren Zusammenhang an die Ver¬ 
letzung Erssheinungen einstellen, die auf einer Erkrankung des Wurmfort¬ 
satzes hindeuten und diese auch andauern, bis die Appendicitis manifest ge¬ 
worden ist. Ein Wurmfortsatz kann nur dann als gesund augesehen werden, 
wenn er bis zur Verletzung seinen Träger niemals die geringsten, auf eine Er¬ 
krankung des Wurmfortsatzes hinweisenden Erscheinungen gemacht hat, nnd 
auch bei der Operation oder Sektion keine dem widersprechenden Befunde er¬ 
hoben werden. __ Dr. Wolf-Marburg. 

Beitr^e zur Begutachtung der WirbelsftulenTerletsnngen. Von 
Dr.A. Zweig, Assistenzart an der psych. Kiinik in Königsberg. Aerztliche 
Sachverständigen - Zeitung; 1908, Nr. 15. 

Autor faßt die Resultate seiner Arbeit kurz in folgende Sätze zusammen: 

1. Jeder Unfall, der bezttglich seiner Lokalisation und der subjektiven 
Klagen auf die Gegend der Lendenwbbelsäule hinweist, erfordert wiederholte 
Böntgenuntersuchung des Kranken. 

2. Die sogenannte traumatische Neurose ist in nicht wenigen Fällen 
nur ein fttr einen Beizzustand des Nervensystems sprechender Symptomen- 
komplez. 

8. Hinter diesem Symptomenbilde der traumatischen Neurose verbirgt 
sich oft eine schwere körperliche Erkrankung, in den Fällen der Königlichen 
Klinik eine Schädigung der Wirbelsäule. Dr. Troeger-Neidenburg. 


*) Leipzig 1864; F. C. W. Vogel, S. 85. 



722 


Kleinere Mitteilangen and Keferate ans Zeitschriften. 


Ueber Indirekte Mittelftugbrflehe. Von Oberarzt Dr. Na st-Kalb« 
Stuttgart. Münchner med. Wochenschrift; Nr. 85, 1908. 

Die militärische Faß* oder Marschgeschwalst ist seit Anwendung der 
Büntgenstrahlen als mindestens in zwei Drittel der Fälle durch die Fraktur 
eines Metatarsalknochens verursacht, erkannt worden. Im Zivilleben ist die 
bidirekte Fraktur eines Mittelfaßknochens als etwas ziemlich seltenes aufge- 
fflhrt. Verfasser beobachtete kurz hintereinander zwei Fälle indir^er Mit^- 
lußfraktur bei zwei Dienstmädchen. Es handelte sich bei den Patientinnen um 
eine indirekte, durch kein nennenswertes Trauma verursachte Infraktion des 
dritten bezw. zweiten Metatarsns. 

Als prädisponierend ist wohl das jugendliche Alter anzusehen, als Ur* 
Sache die Ermüdung der an die Arbeit und an das harte Pflaster der Gro߬ 
stadt nicht gewohnten jugendlichen Muskalatur, dadurch ein Nachgeben des 
Fußgewölbes und seiner muskulären Spannung und die Abkni<£ung des 
Metatarsns über eine Unebenheit, Treppenstufe oder Trottoirkante. Bei ge¬ 
nauerer Beobachtung wird diese in^rekte Metatarsalfraktur, die sog. militärisäe 
Fußgeschwulst, auch bei Zivilisten besonders bei jugendlichen Individuen nicht 
so selten gefunden werden, wenn Patienten mit mäßiger Schwellung des Fuß- 
rückens, geringen Schmerzen beim Geben, mehr oder weniger starker Diuck- 
empfindlidikeit über den Metatarsalknochen zur Behandlung kommen. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Ein neues Verfahren) FnssabdrOeke zu gewinnen. Von KStockis. 
Le Scalpel et Li^ge MOdical; 1908, August. 

Das Verfahren, dessen sich Verfasser insbesondere bei der üntersnchnng 
von Unfailkranken zur Herstellnng von Fußabdrücken bedient, besteht darin, 
daß der auf dem Papier befindliche, von Schweiß und Fett gebildete, unsicht¬ 
bare Fußabdruck durch Auf streuen eines Pulvers sichtbar gemacht wird. Das 
Pulver enthält 10 Teile Scharlach (Grübler), die mit 100 Teilen Lycopodinm 
im MOrser trocken verrieben werden. Zur Konservierung der Abdrücke wird 
das Papier mit einer dünnen Schicht Gummi arabicum überzogen. Es empflehlt 
sich jedesmal vier Abdrücke anzufertigen: je einen während des Gehens und 
des Stehens und je einen bei supiniertem und bei proniertem Fuß. 

Dr. Bevenstorf-Hamburg. 


Eine Herabminderung der anerkannt sehr reichlich bemessenen 
Rente ist bei unverändertem objektivem Beftinde nicht begründet« Recht¬ 
sprechung des Beichsversicherungsamts vom 2 6. Februar 1908. 

Es kann der Beklagten zugegeben werden, daß eine Bente von 70*/« 
für die Verminderung des Sehvermögens des linken Auges des Verletzten in¬ 
folge des Unfalls vom 30. April 1896 weit über das Maß derjenigen Ent¬ 
schädigung hinausgeht, welche als angemessener Ausgleich für die durch die 
Unfallfolgen bedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Verletzten 
anzusehen sein würde. Die Beklagte hat aber den vom Gesetz als Voraus¬ 
setzung einer Bentenminderung geforderten Eintritt einer wesentlichen B^erung 
im Zustande des Verletzten seit der Entscheidung des Schiedsgerichts vom 
28. Juli 1900, durch welche ihm eine Bente von 70 ^/o zugebilligt worden ist, 
nicht erbracht. Sowohl der Kreisarzt Dr. K. wie der Augenarzt Dr. V. stellen 
fest, daß der objektive Zustand des linken Auges des Verletzten sich nicht 
verändert hat, der letztgenannnte Spezialarzt hält sogar durch die Zunahme 
der Trübungen der Linse eine gewisse Verschlechterung für vorliegend. Ist 
dies aber, wenn auch nur in geringem Grade, vorliegend, so versagt auch das 
Moment der Gewöhnung und Anpassung des Verletzten an den Zustand seines 
Auges, welches sonst den Antrag der Beklagten zu begründen geeignet ge¬ 
wesen wäre. 

Unerheblich ist es, daß die genannten Aerzte den Grad der Erwerbs- 
beeinträchtigung des Verletzten bei unveränderten Unfallfolgen anders schätzen 
wie dies früher der Fall gewesen ist, denn eine solche Schätzung allein, 
selbst wenn sie zutreffend wäre, vermag eine Bentenminderung nicht zu be¬ 
gründen. 



Kleinere Hitteiinngen und Referate ans Zeitschriften. 


728 


H8he der debBhren fdr Bratllohe Gataehteiu Inanepmeluulime 
der Oeriehte seitens der Berafsgenosseasehaften behnfs Yemebmnng ron 
Aersten* Schreiben des BeichsTersichernngsamts vom 8. Juli 
1908. 

Die Gebtthr von 8 H. fflr ärztliche Qntachten wird, wie der Vorstand 
der Sektion 111 der Nordöstlichen Baagewerks-Bernfsgenossenschaft berichtet 
hat, regelmäßig nnr dann gewährt, wenn es sich mn eine karze Aeoßernng 
handelt, welche von dem Arzt anf Qrnnd der vorhandenen Anfzeichnnngen 
ohne besondere Htthewaltang abgeben werden kann. Der Sektionsvorstand 
hat jedoch anf Anregong des B.*V.>A. bereits seit einiger Zeit in den For- 
miüaren den Zusatz anfgenommen, daß andi eine höhere Gebtlhr dann znge* 
biiiigt würde, wenn diese Voraossetznng nicht zntrifft, und wird ferner 
erwägen, ob nicht der die Gebühren betreffende Vordrnck in den Formnlaren 
ganz in Wegfaii zu bringen, und die Gebühren erst nach Eingang der gnt- 
achtlichen AenBernng festzosetzen sein mochten. Da znr Entscheidung über 
die Hohe der Gebühren allein das ordentliche Gericht berufen ist, muß das 
B.*V.-A. davon Abstand nehmen, allgemein im Aofsichtswege Anordnungen 
üW die Hohe der Gebühren zu erlassen. Es ist aber immer bereit, wenn es 
bei einer Meinungsverschiedenheit angerufen wird, zwischen dom Arzt und der 
Bernfsgenossenschaft zu vermitteln. 

Was sodann die Inanspruchnahme der Gerichte behnfs Vernehmung der 
Aerzte betrifft, welche die Erstattung der gutachtlichen Aenßemng verwe^em, 
so kann die Berechtigung der Beruf^^genossenschaften dazu nicht zweifelhaft 
sein. Die gerichtliche Vernehmung des Arztes soll aber nur ein Notbehelf 
sein, wenn auf anderem Wege die Beschaffung des erforderlichen Gutachtens 
nicht zu erreichen ist. Der ßektionsvorstand hat erklärt, daß er grundsätzlich 
dementsprechend verfahre; er wird künftig vor der Anrufung des Gerichts 
zunächst den Arzt über die Sach- und Rechtslage belehren und erst dann, 
wenn dieser trotzdem anf seine Weigerung beharrt, die gerichtliche Ver¬ 
nehmung beantragen. Das B.-V.-A. steht in dieser Beziehung nach wie vor 
auf dem grundsätzlichen Standpunkte, daß durch den Streit über die Hohe der 
Gebühren die Erledigung der durchweg eiibedürftigcn ünfalisachen auf keinen 
Fall verzögert werden darf. Der ersuchte Arzt muß daher davon absehen, 
die Erstattung des Gutachtens von einer vorgängigen Vereinbarung über die 
Hohe der Gebühren abhängig zu machen. Seine Rechte werden dadurch in 
keiner Weise gefährdet, da er jederzeit, falls er mit dem ihm zngebilligten 
Honorar nicht einverstanden sein sollte, die Vermittelung des B.-y.-A. und 
erforderlichenfalls das ordentliche Gericht anrufen kann. 


D. Bnkterlologle, Infekttonnkrankhelten und Affentllohen 

SanltAtnweseii. 

Bnkterlologle, Infektionskrankheiten nnd andere Krankheiten 
Varizellen bei Erwachsenen. Vom KaiserL Bat Dr. Trip old-Abbazia 
Medizinische Klinik; 1908, Nr. 88. 

Verfasser veröffentlicht einen Fall typischer Varizellen bei einer 85jährigen 
Frau. Gleichzeitig weist er auf andere Veröffentlichungen hin, die gleichfalls 
das Vorkommen von Windpocken bei Erwachsenen bestätigen, darunter eine 
Statistik über die in den letzten 10 Jahren vorgekommenen Fälle in Triest. 
Unter 660 Erkrankten waren 86 Erwachsene. Verfasser will damit die irrigen 
Angaben einzelner hervorragender Lehrbücher (Jürgensen, Buienberg) 
rich^ stellen. Referent kann übrigens das Vorkommen von Varizellen bd 
Erwachsenen ans seiner eigenen Praxis nnr bestätigen. Bpd. 


Ueber die Wirkungsweise und die Wertbestimmnng des Genickstarre- 
serums. Von Begiernngsrat Prof. Dr. Nenfeld -Berlin. Medizinische Klinik; 
1908, Nr. 80. 

Verfasser weist auf die verschiedenen Methoden der Wertbestimmnng 
des Genickstarreserums hin, die aber noch zu keinem befriedigenden Resultat 

f eführt haben. Nach allgemeiner Anschauung kommen im Genickstarreserum 
rei Arten von Antikörpern, die an der Schutz- nnd Heilwirkung spezifischer 
Sera beteiligt sein können, vor, nämlich Antitoxine bezw. Antiendotoxine, 
spezifische Ambozeptoren nnd phagozytosebefOrdernde Antistoffe. Das ist bei 



724 


Kleinere Mitteilnngen and Beferate ans Zeitschriften. 


den yenchiedenen Methoden berficksichtigt. Nun hat sich bei Yersnchen, 
die nach der bekannten Technik des Pbagozytoseversachs in vitro ausgeftthrt 
sind, eine spezifisch phagozjtosebefOrdernde Wirkang der Immnnsera ergubenf 
die anf thermostabilen, von der Mitwirkung eines Komplements unabhängigen 
Stoffen, also aaf bakteriotropen Antikörpern beruht. Die Tatsache, daß das 
Meniogokokkenserum bakteriotrop wirkt, ist schon von verschiedenen Forschern 
festgesteilt. Verfasser hat sich bemüht, anf Grund der gemachten Erfahrungen 
über den Gehalt der Meningokokkensera an pbagozytosebefördernden Stoffen 
näheren Aufschluß zu erhallen. Seine Versuche ergaben, daß sich die bakterio* 
trope Wirkang des Meningokokkenserums konstant nachweisen läßt, daß sie 
nocn in starken Serumveidünnungen eintritt, und daß man auf diese Weise 
den Gehalt verschiedener Semmproben an phagozytären Schatzstoffen ver* 
gleichend feststellen kann. Verfasser hat bisher nar eine geringe Anzahl von 
Semmproben antersachen können, von denen eine Probe des von den Höchster 
Farbwerken bezogenen Heilserams sich als sehr schwach bakteriotrop erwies, 
während die anderen von Wassermann, von Merk und vom Schweizer 
Sernminstitut in Bern nar geringe Differenzen zeigten. Bpd. 


Ueber Komplikationen und Serunitberaple bei Meningitis eerebro« 
splnalts epidemica. Von Dr. Stephanie Weiss-Eder in Wien. Medizinische 
1908, Nr. 85. 

Bei 48 im Karolinen-Einderhospital in Wien beobachteten Fällen, 
die fast aosschließlich Kinder unter 10 Jahren, etwa 22 im ersten Lebensjahre 
betrafen, fiel es anf, daß meist blühend aasschende, kräftig entwickelte und 
vorwiegend an der Bmst genährte Säuglinge erkrankten. Im allgemeinen 
boten die Fälle das typische bekannte Bild; auffallend wenig (8 mal) wurde nar 
Herpes beobachtet. Einige seltene Komplikationen kamen vor. So bei einem 
2jahrigem Kind eine Meningokokkenseptikämie; bei der Obduktion wurde neben 
eitriger Meningitis eine beiderseitige serofibrinöse Piearitis und eitrige Pericar' 
^tis gefunden, ln dem Exsudat von Pleura und Perikard wurden Meningo¬ 
kokken naebgewiesen. ln einem anderen Fall fand sich eine Meningokokken- 
endokarditis, in einem dritten, der in Heilung überging, eine halbseitige 
spastische Parese, die wahrscheinlich auf einen enzephaiitischen Herd zurück- 
zuführen war. In einem 4. Fall endlich konnte man eine ausgesprochene 
Akkomodationsparese beobachten, die nach 6 Wochen verschwand. 23 Er¬ 
krankungen wurden mit Meningokokkenserum behandelt und zwar sechs mit 
dem von Merk hergestellten Jochmann’schen Serum und 17 mit Seram ans 
dem Wiener serotherapeutischen Institut. Außer Sernmezantbemen zeigten sich 
keine Nebenwirkungen. Von den nicht mit Serum behandelten 20 Erkrankungen 
wurden 3 völlig geheilt, 12 starben im akuten oder subakuten Stadium und bei 
5 bildete sich unter Heilung der Menineitis ein Hydrocephalus aus, der nach 
einiger Zeit den Tod der Kinder zur Folge hatte. Von den 23 mit Serum 
behandelten Fällen wurden 7 völlig geheilt, 3 starben im akuten oder subakuten 
Stadium und bei 13 bildete sich unter Heilung der Meningitis ein Hydro- 
cephaluB aus. Von diesen starben nachträglich 6; 4 wurden völlig geheilt, 
8 blieben ungeheilt. Die Mortalität dieser Kranken war also eine erheblich 
geringere geworden und ist mit ziemlicher Sicherheit als Folge der Serum- 
behandlung anzusehen. _ Bpd. 


Ueber Cerebrosplnalmentngitls. Von Dr. Leo Cohn, Assistenzarzt am 
Stadtkrankenhause in Posen. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 83. 

Verfasser berichtet über seine Erfahrungen bei 80 Fällen, die er auf 
der inneren Abteilung des Stadtkrankenhauscs zu Posen zu beobachten Ge¬ 
legenheit gehabt hat. Im wesentlichen bestätigen seine Beobachtungen die m 
der letzten Zeit gemachten Erfahrungen. Als bemerkenswert wird hervor¬ 
gehoben, daß in einer Wohnung seiten mehr wie 1—2 Insassen erkrankten, 
trotzdem bei den übrigen zum großen Teil Meningokokken im Bachenschleim 
nachgewiesen werden konnten. Das K e r n i g’sche Symptom war nur bei einem 
Drittel der Fälle positiv. In zwei Fällen trat noch sehr spät der Exitus ein, 
und zwar nach 102 resp. 118 Krankheitstagen. Der Nachweis der Meningokokken, 
in der Lumbalflüssigkeit gelang fast stets, wenn diese innerhalb der ersten 
8—14 Tagen untersucht wurde. Von 20 untersuchten Blutproben war bei 16 



Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitschriften. 


726 


die Meningokokkenaggiatination positiv; bei den 5 negativen war die Biat* 
entnähme schon vor dem 12. Tage gemacht. Einmai ergab ein Bintsernm 
schon am 7. Tage der Erkrankang positiven Ansfaii der Aggintination. 
Therapeutisch worden mit dem Koiie* Wasser man n’schen Serom keine 
Erfoige erzielt. Am wirksamsten erwies sieh systematische Anwendung der 
Lambeipnnktion znm Zwecke der Entleernug größerer Flüssigkeitsmengen. 
Zorn Schloß bemängelt Verfasser, daß in dem preußischen Seochengesetz die 
Unschädlichmachung des Meningokokkenträgers nicht vorgesehen ist. Schul¬ 
pflichtigen Kindern eines Hanses, wo Oerebrospinalmeningitis herrsche, dürfe 
der Schulbesuch nicht eher gestattet werden, bis nicht mehrmalige üntersochung 
des Bachennasenschleimes ergeben hätte, daß sie keine Meningokokken be¬ 
herbergten. Desgleichen müßten im öffentlichen Verkehr stehende Personen, 
wie Eisenbahn- und Straßenbahnbeamte, unter Umständen vom Dienst fern- 
gehalten werden. _ Bpd. 


Ueber das Toxin und das Antitoxin der Dysenteriebazillen. Von 
Dr. Schottelius. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 32. 

Verfasser hat im bakteriologischen Institute der Farbwerke zu Höchst a. M. 
Versuche angestellt, ob sich mit Dysenteriebazillen oder ihren Giften ein kon¬ 
stantes Krankheitsbild am Tier erzeugen lasse und ob zutreffendenfalls diese 
experimentelle Dysenterie durch ein spezifisches bakterizides oder antitoxisches 
Serum zu beeinflussen sei Er verfolgte dabei den Zweck, die von Bosen¬ 
thai gemachte Entdeckung eines spezifischen Dysenterietoxins einer genauen 
Prüfung zu unterziehen. Er kam dabei zu dem Besultat, daß die Dysenterie- 
bazUlen vom Typus Sbiga-Kruse in schwach alkalischen BouUlonnährböden 
ein spezifisches lösliches Toxin bilden, Flexner-Kulturen dagegen nicht. Das 
Dysenterietoxin wirkt bei Kaninchen intravenös oder subkutan injiziert in 
Mengen von 0,005—0,01 tödlich. Die Versuchstiere starben unter fortschreiten¬ 
den Lähmungen in 1 bis 3 Tagen. Das Gift wird durch die Gefäße verbreitet 
und veranlaßt im Bückenmark stets, in anderen Organen — Darm, Leber, 
Niere — seltener Hämorrhagien, Nekrosen und Verfettung. Durch Behandlung 
von Pferden mit Dysenteriegift gelingt es ein spezifisches Antitoxin zu erhalten 
das, am Kaninchen geprüft, in 0,0005 ccm imstande ist, die Wirkung der mehr¬ 
fach tödiichen Giftdosis aufzuheben. Bpd. 


Zur Differenzierung der Bohrbakterien mittels dei: Agglutination) 
der Komplementablenknng und der bakteriotropen Immunsemmwlrknng. 
Von Stabsarzt Dr. Haendel-Berlin. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Reichs- 
Gesundheitsamt; 1908, Bd. XXVIII, H. 2. Verlag von Julius Springer. 

Die von Martini undLentz mit Hilfe der Agglutination aufgestellte 
Einteilung und Trennung der Bohrbakterien in die beiden Groppen von Typus 
Shiga-Kruse und von Typus Flexner wird jetzt ziemlich allgemein an¬ 
erkannt. Später wurde dann von verschiedenen Seiten berichtet, daß mit 
Shiga-Kruse-Kulturen hergestellte Pferdesera auch Flexner-Stämme und 
umgekehrt Flexner-lmmunsera auch Shiga - Kulturen sich mitagglutiaierten. 
Dieses veranlaßte Verfasser zu erneuten Versuchen, zu denen er außer den 
beiden oben erwähnten noch 3 aus Südwestafriha stammende Buhrstämme und 
eine Y-Bnhrkultur benutzte. Er stellte fest, daß normale Eselsera in erheb¬ 
lichen Mengen Agglutinin für Flexner-BazUlen, weniger für Shiga enthielten. 
Bei Immunisierung von Eseln mit Shiga-Kruse-Stämmen trat manchmal eine 
solch beträchtliche Mitagglutination von Flexner und Y-Kulturen ein, daß der 
Titer des Serums für diese Gruppe den für Shiga um das Mehrfache überstieg. 
Eselimmunsera eigneten sich also zu einer Differenzierung der beiden Buhr- 
typen nicht, dagegen wohl Kaninchen; hier tritt so gut wie gar keine Mit¬ 
agglutination a^. Bei der Prüfung mit der Bordetschen Komplement¬ 
ablenkungsmethode zeigte es sich, daß die mit Shiga-Kruse-Kulturen 
hergestellten Eselimmunsera stärker ablenkten, ihr Gehalt an Bordetschen 
Antikörpern also größer war, wie für die Sera von Flexner-Stämmen. 
Kaninchensera erwiesen sich auf dem Wege der Komplementablenkung als 
nicht brauchbar zur Differenzierung. Bei den weiteren Verfahren auf Prüfung 
der bakteriotropen Wirkung konnte solche sowohl bei dem Esel-, wie bei den 
Kaninchen-Ruhr-Immunseris deutlich fcstgestellt werden, und zwar beeinflußte 



726 


Klefnore Mittelltiiigeii and Bnfento noa Zniteehrift«!. 


nach hier das Sbiga^ESselseram aaeh Flezner* and T>Basilleo, aber nicht M 
stark wie die Sbiga>Stämme. Dagegen Obte das Sbiga-Kantncbenseram keiaen 
bakteriotropen Einflaß anf Flexner- Bazillen aas and amgekehrt. Zam Schloß 
spricht Verfasser die Ansicht ans, daß die starke bakteriotrope Wirkung des 
Bahrserams bei der Schatz* and Heilwirkang eine wichtige Bolle spiele. Bei 
künftigen Untersachangen dürfe jedenfalls auch die bakteriotrope Wirkong 
nicht yemachläsiigt werden. _ Bpd. 


Ueber Parndjsenterie and glelehnrtfge Erkmnknngen des Kindes- 
nlters. Von Dr. Enoepfelmacher in Wien. Mediz. Klinik; 1908, Nr. 34. 

Genauere Untersachangen über die als Enteritis follicolaris bezeichneten 
und seiner Zeit von Niderhofer yortrefflich beschriebenen akuten Da^ 
katarrhe der Kinder haben ergeben, daß es sich hier am eine dysenterieartige 
Erkrankung handelt. Von Dr. Lein er sind in den Entleerungen Stäbchen 
nachgewiesen worden, die sich in sehr yielen Fällen mit dem Flexner scheu 
Dysenteriebacillos identisch erwiesen, in anderen Fällen geringe Varietätea 
zeigten. Verfasser hält den Flexnerbacillns ttberbaapt für den Bepräsentantea 
einer ganzen, yerschiedene Variiäten zeigenden Groppe yon Bakterien. I^r 
Bacillus Shiga-Krase konnte nie nachgewiesen werden. Daraas ernbt sieh 
nach Ansicht des Verfassers die Notwendigkeit, daß jedes Kind, das schleimig» 
eitrig • blatige Entleerangen hat, streng isoliert wird and dieselben Versnehs» 
maßregeln getroffen werden, als wenn es sich am eine echte Dysenterie handelt. 
Bezüglich der Therapie hat die Anwendung yon Seram keinen Zweck, da dieses 
nur die Shiga^Krase-Dysenterie beeinflußt, weil die Flexner-Groppe 
keine Toxine ilbdet. _ Bpd. 


Ela Dysenterie•BasillentrBger. Von Priyatdozent Dr. Küster, 
Assistent am üntersacbangsamt des hygien. Institats der üniyersität Frei* 
barg i. B. Münchener med. Wochenschrift; Nr. 35, 1908. 

Verfasser hatte im Laufe des letzten Jahres Gelegenheit, einen Dysenterie* 
bazilienträger za beobachten and berichtet unter Mitteilung der Kranken¬ 
geschichte über das Ergebnis seiner Untersachangen, welche mit den Unter* 
sachuogsresaltaten Bofingers ttbereinstimmen, dem es gelang, aas den 
meisten Stühlen der Bahrkranken Bahrbazillen za isolieren, ^e morphologisch, 
koltarell und serologisch als als Typus Shiga bezeichnet werden müssen. 
BofInger hält es für bewiesen, daß Bahrkranke nach der Genesang noch 
monatelang die spezifischen Bazillen bei sich tragen können, hält aber eine 
monateiange Isolierang aas praktischen Gründen nicht möglich. Während 
bisher immer nar eine spezifische Bazillenaasscheidang festgestellt wurde, die 
sich höchstens über einige Monate erstreckte, dürfte durch Verfasser zum 
erstenmale der strikte Beweis für eine mehrjährige Aasscheidang yon 
Dysenteriebazillen durch einen gesunden Menschen erbracht sein. 

Dr. W a i be 1 • Kempten. 


Ueber die Bezlehnng der Bhlnitls ehren« atropblen rar Diphtherie. 
Terench der therapeatlschen Verwendbarkeit der Pyozyanoae bei Ozaena. 
Von Dr. Wolf-Frankfurt a. M. Medizinische Klinik; 19u8, Nr. 88. 

Bei einem chronischen Fall von Keilbeinhöbleneiterang mit atrophischer 
Schleimhaat, der zur Operatien kommen sollte, worden im Nasensekret echte 
Diphtheriebazillen nachgewiesen. Dieser Befand gab Verfasser Veranlassung, 
weitere 16 Fälle yon Bbinitis atropbica aal Diphtheriebazillen untersachen 
za lassen; bei sämtlichen konnten diese nachgewiesen werden. Im Nasensekret 
anderer Fälle yon akater und chronischer, nicht atrophischer Bbinitis war deren 
Befand stets negatiy. Während Verfasser mit diesen Untersachangen beschäftigt 
war, las er über die Anwendang der Pyozyanose bei Diphtherie; er stellte 
deshalb damit Versache an and erreichte aach sehr gate Besaltate, aber 
sowie das Mittel aasgesetzt warde, yerschwand aach die Besserung. Etwas 
bessere Wirkang erzielte er, wenn während and nach der Pyozyanoseanwendong 
Aasspülangen mit laawarmer Salzlösung gemacht worden; yon einer länger 
dauernden Besserang oder Heilung konnte jedoch nicht gesprt^en werden. Die 
Diphtheriebazillen yerschwanden durch dieses Verfahren nicht. Bpd. 



Kleinere Hitteilongen und Referate ans Zeitschriften. 


727 


Scharlach nnd Serodiagnosik anf Schills. Von Dr. H e i e r, Assistent 
am Institnt fttr Infektionskrankheiten za Berlin, liedizinische Klbik; 1908, Nr. 86. 

Die Besnltate der Ton Much nnd Eichelberg gemachten Unter» 
snchnngen, wonach diese die Wassermann’sche Reaktion anch bei Scharlach 
aachgewiesen haben wollen, hat Verfasser einer eingehenden Nacbprafnng 
nnterzogen und erstattet karz darttber Bericht. Die Ergebnisse waren folgende: 

1. Von 62 nntersnchten Scharlachseris, welche teils dem fieberhaften 
Stadinm, teils der BekonTaleszenz entstammten, gab mit dem, an mehreren 
hnnderten yon Inetischen nnd normalen Seris aasgeprobten wässerigen Elztrakte 
ans der Leber eines Inetischen FOtos kein einziges die Wassermann'sche 
Reaktion. 

2. Es hinterläfit also nach den Befanden der Skarlatinainfektion im 
menschlichen Organismas keine Stofte, welche die Seroreaktion der Syphilis 
geben, wobei natürlich Voranssetzong ist, dafi der Dntersncher die Methodik 
beherrscht nnd sich genan an die yon den nrsprttnglichen Autoren nnd ihren 
Mitarbeitern (Citron, O. Meier nnd M. Wassermann) für die Lnes* 
Serodiagnostik mitgeteMten Vorschriften nnd Kontrollen hält. 

8. Demzafolge gibt das Ueberstehen einer Skarlatina keinen Anlafi zn 
einer serodiagnostischen Fehldiagnose anf Laes, nnd die klinische Zayerlässigkeit 
der W assermann’scben Reaktion wird durch die Mnch’schen Veröffent» 
lichangen in keiner Weise berührt. Rpd. 


Die Bedentnng der Serodlagnoatik der Syphilis für die Praxis. Von 
Dr. Blaschko*Berlin. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 81. 

Nach den Erfahrnngen des Verfassers ist die Wassermannsche Re* 
aktion nicht nur zweifellos für Syphilis charakteristisch, sondern sie scheint 
andi anzageben, daß in dem Körper des üntersncbten zarzeit sich noch aktiyes 
Vims befindet. Dafür spricht die Erscheinung, daß es in nicht wenigen Fällen 
gelangen ist, durch Behandlung die positire Reaktion in eine negative nm- 
zngestalten. In der Praxis kann nun die Serodiagnostik nach der Ansicht des 
Verfassers zur Entscheidung dreier Fragen angewendet werden: 1. für die 
Frage, ob in einem gegebenen Falle überhaupt Syphilis yorliegt; 2. fttr die 
Frage, ob in einem Falle eine Behandlang notwendig ist und 8. für die Frage, 
wie die Prognose im Einzelfalle za beurteilen ist. Za 1. meint Verfasser, daß 
es beim Fehlen jeglicher anderer Anzeichen nur auf Qrund deutlich aas» 
gesprochener positiver Reaktion gerechtfertigt sei, Syphilis anzanebmen; negative 
Reaktion schließe aber Laes nicht aus. Frage 2 läßt er noch ziemlich offen; 
er erklärt sich nicht gegen die Behandlnng, aber aach nicht dafür. Ob eine 
Behandlung eingeleitet werden müsse, dürfe im weiteren Verlauf der Krankheit 
nicht von der positiven Reaktion abhängig gemacht werden, sondern man 
müsse den ganzen bisherigen Verlauf des Falles, die Zahl der bisher gemachten 
Karen, den momentanen Allgemeiozustand des Kranken, sein psychisches Ver¬ 
halten, ja oft rein äußerliche Umstände mit in Betracht ziehen. Za Frage 8 
meint er, daß sich darüber heute noch nichts Bestimmtes sagen lasse. Viel¬ 
leicht sei die Annahme berechtigt, daß negative Reaktion günstiger für den 
Kranken sei als positive, und daß eine danemde positive Reaktion in pro¬ 
gnostischer Bedentnng ungünstig sei. Schließlich wendet er sich noch gegen 
den Vorschlag, die Serodiagnostik bei Lebensversicherangs- and Heiratskandi¬ 
daten, bei Ammen nnd Prostituierten za verwenden. Bei den Prostituierten 
und Ammen interessiere bloß die Frage der Kontagiosität and über die besage 
die Serodiagnostik nichts. Man könnte höchstens eine latente Syphilis fest¬ 
stellen ; ob hieran die Lebensversicherangen ein Interesse hätten, erscheine ihm 
sehr fraglich. Bei den Heiratskandidaten versetze einen ein positiver Befand 
erst recht in eine unangenehme Lage. Er ist der Ansicht, daß die Ausbeute 
für die Praxis daher noch sehr gering ist. Erst nach mehrjährigen Erfahrnngen 
werde man in der Lage sein za sagen, was denn nun eigentlich die Wasser¬ 
mann-Reaktion fttr den Patienten wirklich bedeatet, wodurch die Reaktion 
bedingt werde und in welchem Verhältnis sie zu den einzelnen Phasen nnd 
Prozessen des Krankheitsvorganges stehe. Rpd. 



728 


Kleinere Mitteilangen and Beferate ans Zeitschriften. 


Welche Bedenting hat die Senmdlagaostlk des Syphilis Im gegem- 
wlrtlgen Stadlnm für den Praktikert Von Dr. Goldstein^Marienbad. 
Prager medizinische Wochenschrift; 1908, Nr. 32. 

So sehr Verfasser den Wert der Scrodisgnostik n schätzen weiB, so 
warnt er doch davor, anf Grand positiver resp. negativer Beaktion weitgehende 
prognostische Schlüsse aalzabaaen and für die Existenz eines Kranken ein¬ 
schneidende Verfügangcn za geben. Er hält es ebenso verfehlt aaf Grand 
positiver Beaktion den Ehekonscns zu verweigern, wie aof Grand negativer 
den Patienten von einer antiluctischen Kar freizasprechen. Er empfiehlt bis 
aal weiteres, gegebenen Falls die von Wasserman n, Neisserand Brach 
angegebene Komplimontbindangsreaktion heranzaziehen, wobei der Organextrakt 
laetiscber Foeten darch normalen, sdkoholischen ersetzt werden kann, dagegen 
den anderen Methoden gegenüber ein abweichendes Verhalten za beobachten. 
Verwertet dürfen nar solche Bcsoltate werden, die von einem mit der Beaktion 
vollkommen Vertraaten aasgefübrt and vollkommen eindeatig sind. Die klinische 
ebenso wie die mikroskopische Dntorsaebang müßten dabei volle Berücksichtigong 
finden. Nar einwandfrei positive Befände können für Diagnose and Differential¬ 
diagnose herangezogen werden. Eine negative Beaktion beweisen nichts and 
darf den Arzt nach keiner Bichtang hin beeinflassen. Selbst ans wiederholten 
gleichlaatenden Beaktionsergebnissen irgendwelche prognostische Schlüsse za 
ziehen, ist noch nicht statthaft. Im allgemeinen wird man jedoch, wenn 
nicht Gegenanzeigen vorliegen and die Karen gat vertragen werden, dahin 
streben müssen, darch eine fortgesetzte, möglichst energische und den experi¬ 
mentellen Forsebnngen Bechnong tragende Behandlong positive Beaktion in 
negative amzawandeln. Bpd. 


Der serologische Laesnachwels mit der Bäuerischen ModlflkatlM 
der Wassermann’schen Beaktion. VonDr. Hinrichs-Düssoldorl Me¬ 
dizinische Klinik; 1908, Nr. 35. 

Die vom Verfasser mit der Bau er'sehen Modefikation der Wasser¬ 
mann’schen Beaktion angestellten Versache haben einen bedeatend besseren 
Prozentsatz von positiven Besaltaten bei zweifellos laetiscben Individuen 
ergeben. So waren im seknndären Stadium am Ende der Behandlung nach 
Wassermann 41,7 **/o, nach Bauer 70,6 ‘’/o; im Latenzstadiam (Infektion 
vor 5 Jahren) am Ende der Sicherheitskaren nach Wassermann 50 ^/o, nach 
Baaer 66 "/o, bei Spätsyphilis ohne Erscheinangen nach Wassermann 
50 "/«i nach Baaer 72,7 <’/a positiv. Die Ban er'sehe Modifikation zeigte 
sich überall da, wo wahrscheinlich die luetischen Stoffe nar in geringer Menge 
im Blut vorhanden waren, überlegen. 57 Kontrollfälle, bei denen weder 
anamnestisch noch klinisch Zeichen von SyphiUs vorhanden waren, ergaben 
bei beiden CJntersachangsmethoden negative Besoltatc, während alle Fälle mit 
deatlicben syphilitischen Erscheinangen positiv reagierten. Nar im Stadium 
des Primäreffektes tritt die Wassermann’scbe Beaktion erst sehr spät aaf. 

Bpd. 

Prostltation und Staat. Von Otto Münsterberg-Danzig. Vortrag 
in der Ortsgruppe Berlin der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge¬ 
schlechtskrankheiten am 8. November 1907. Heft 9 der Flugschriften. Leipzig 
1908. Verlag von J.A. Barth. Kl. S", 30 S., Preis: 30 Pfg. 

Verfasser beleuchtet in kurzen Zügen die Schäden der Prostltation, die 
angesanden sozialen Verhältnisse, durch die ein großer Teil der Fraaen syste¬ 
matisch der Prostitution in die Arme geführt würden, die schlechte und on- 
gesando Moral der Männer, die zum großen Teile den besseren Ständen an¬ 
gehörten, und die Fehler und Mängel nnserer Gesetzgebung, wie der jetzigen 
polizeilichen Maßregeln. Er bespricht die verschiedenen Abänderangsvorsebläge, 
die von allen Seiten gemacht würden, die aber noch nicht za greifbaren 
Besoltaten geführt hallen. M. ist Anhänger der Aufhebung der Beglemen- 
tierung und Gegner jeden Bordellwesens. Gesetzliclicr Schatz für die Jagend, 
anentgcltliche Behandlung der Geschlecblskraukcn, Hebung des sittlichen und 
moralischen Gefühls, eine durchgreifende Wohnungsgesetzgebung, das sind die 
Vorschläge, die er macht. Ausrotten lasse sich die Prostitution nicht und 
besonders nicht durch polizeiliche Kontrolle. Ihre Aaswüchse müsse man 



Kleinere Mitteilnngen ond Referate ans Zeitsohriften. 


729 


eindSmmen und die Franen sittlich und moralisch za heben sochen, besonderi 
ihnen schtttzead zar Seite stehen, bevor sie auf diese Bahn gedrängt wttrden. 
Die Schrilc enthält eine Falle erwägangswerte Gedanken; sie ist geeignet, im 
Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten segensreich zu wirken. Bpd. 


Geschleohfskrankheiten and Hellscbwlndel. Von Dr.K. Alexander* 
Breslao. Dritte gründlich amgearbeitete Aailage. Flugschriften der üeatschen 
Gesellschaft zar Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Heft 1. Leipzig 1908. 
Verlag von J. A. B a r t b. Kl. 8 **, 80 S., Preis: 30 Pfg. 

Verfasser wendet sich in seiner Schrift gegen die Karpfnscher, die 
gerade auf dem Gebiete der Geschlechtskrankheiten, durch die Leichtgläubig* 
keit des Pablikams untersttttzt, ungehearen Schaden anriebten and jähriidi 
eine große Anzahl besonders junger Leate anglücklich machen. Er bespricht 
genau die Art und Weise, wie sie es verstehen, das leichtgläubige Publikum 
durch falsche Versprechungen, prahlerische Annoncen, durch wissentlich falsche 
Diagnosen anzulocken und für ihren Vorteil anszubeuten. Ein besonderer Trick 
sei, sämtliche Erkrankungen für schwere Syphilis zu erklären und sich dann 
eines angeblich großen Erfolges zu rühmen. Man kann dem Büchlein nur die 
weiteste Verbreitung wünschen; beim vernünftigen Publikum wird es seine 
Wirkung nicht verfehlen. _ Bpd. 


Die Bekämpfung der Malaria In Italien. Oesterreichische Sanitäts* 
wesen; 1908, Nr. 23—25. 

In den Jahren 1902—05 angestellte statistische Erhebungen führten zu 
dem Resultat, daß nur 11 Provinzen von der Krankheit verschont, 12 mäßig 
infiziert und 46 mehr oder weniger stark heimgesucht sind. Die Sterblichkeit 
betrag bis 1895 jährlich über 15000 Menschen, von 1896—1901 ca. 18000, 
wobei noch berücksichtigt werden muß, daß in den Malariagegenden auch die 
idlgemeine Sterblichkeit eine bedeutend höhere ist. üeber die Morbidität sind 
genaue Zahlen nicht anzugeben; bis zum Jahre 1901 wird sie auf 1—2 Millionen 
jährlich geschätzt. Welche Wirkung die Krankheit auf die körperliche Ent* 
Wickelung hat, ergibt sich daraus, daß in manchen Gegenden bis zu 85 "/o der 
Stellungspflichtigen zum Militärdienst untanglich befanden wurden. 

Das Ziel, das bis Anfang dieses Jahrhunderts im Kampfe gegen die 
Malaria sowohl vom Staat, wie von Privaten verfolgt wurde, war „Trocken* 
legung“ der Sümpfe. Bis Ende 1903 hat der Staat insgesamt 201 Milionen 
Lire für Bodenassanierung aasgegeben und noch weitere 292 Millionen sind 
in Aussicht genommen. Die neueren Entdrekungen über die Krankheitserreger 
und die Moskitotheorie haben aber die Einseitigkeit der in diesem Kampfe 
vertretenen Anschauung klargelegt. Heute genügen viel geringere Mittel, um 
die Malaria wirksam zu bekämpfen: das Chinin und der mechanische Schatz 
vor den Mückenstichen bilden eine aasreichende Prophylaxe der Krankheit. 
Bei den AssanierungHarbeiten treten unter den Arbeitern häufig selbst so zahl* 
reiche Erkrankungsfälle auf, daß die Arbeiten unterbrochen werden maßten. 
Außerdem hat die hydrotechnische Assanierung nur dann einen wesentlichen 
Erfolg, wenn ihr unmittelbar die wirtschaftliche Assanierung folgt, d. h. inten* 
sive Bebauung des vom stehenden Wasser befrt'iten Bodens. 

Je mehr sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Krankheit 
lenkte, desto wertvollere Erfahrungen wurden gemacht und im allgemeinen 
Interesse verwertet. So wurde unter anderem festgestellt, daß nicht allein 
Malariker und Anopheliker für die Verbreitung der Krankheit von Ein* 
fiuß sind, sondern auch gewisse biologische, psychische und soziale Faktoren 
eine Bolle mitspielen, deren Wesen und Bedeutung aber noch der Aufklärung 
bedarf. Die Fortschritte auf dem Gebiete der Epidemiologie und die hervor* 
ragenden Erfolge des Chinins haben dazu geführt, daß dieses das erste Kampf¬ 
mittel geworden ist und noch heute ist und zwar besonders als Vorbeugungs* 
mittel. Es wird als solches in Tagesgaben von 0,3—0,4 g für Erwachsene 
und 0,2 g für Kinder gegeben; der regelmäßige Gebrauch kann ohne üble 
Folgen auf fünf bis sechs Monate ausgedehnt werden. Als weiteres Mittel 
kommt die Ausrottung der Krankheitsvermittler in Betrecht; damit wurden 
aber nur in wenigen Fällen unter ganz besonders günstigen ümsiänden Er* 
folge erzielt. Sehr wirksam erwies sich dagegen der mechanische Schatz gegen 



730 


Kleinere Mitteilungen nnd Beferste nne Zeitschriften. 


die Stiche der Insekten; besonders bei den Eisenbahnbediensteten; er soll dsJier 
demnächst auf allen Eisenbahnen nnd in den Kasernen der Zollbeamten naw. 
eingeftthrt werden. Allgemein einbttrgem wird er sich jedoch kannif weil er 
einerseits mit hohen Kosten verbanden ist and anderseits das Tragen von 
(Gazeschleiern and Lederbandschnhen onangenehm ist and schließlich, weil er 
dem viel einfacheren Cbininschatz gegenüber sozosagen Loxosmaßregel ist. 

Eine geregelte Bekämpfang konnte aber erst darch legislative Haft¬ 
nahmen erfolgen; die erste derselben bildet das (Gesetz 28. Dezember 1900 über 
den Chininverschleiß aaf Bechnang des Staates. Dem folgten dann bald weitere 
and zwar das Gesetz vom 2. November 1901, betreffend die anentgeltliche 
Verabfolgung von staatlichem Chinin an Arbeiter jeder Kategorie zam Zwecke 
der Malariabebandlnng darch die Gemeindeärzte auf Kosten ihrer Arbeitgeber, 
ferner das Gesetz vom 22. Jani 1902, betreffend die Abgabe des staatuchea 
Chinins za ermäßigten Preisen an Gemeinden, Wohltäiigkeitsvereine and 
sonstige Faktoren, welche die anentgeltliche Abgabe von Chinin an ihre Unter¬ 
gebenen freiwillig übernommen haben oder za derselben verpflichtet sind, dann 
das Gesetz vom 25. Februar 1903, betreffend die unentgeltliche Chininabgabe 
an Gemeindearme seitens der Gemeinden oder Wohltätigkeitsvereine, endlich 
das Gesetz vom 19. Mai 1904, betreffend die unentgeltliche Abgabe von Chinin 
an Arbeiter jeder Kategorie zar prophylaktischen Behandlung. Auf Grand 
dieser Gesetze sind unter dem 21. Febraar 1907 neue Aosführangsbestim- 
mangen behafs Eindämmang der die Malaria fordernden Ursachen and Begcdong 
des staatlichen Chininverk<^hr8 erlassen worden, von denen einige der wichtigsten 
erwähnt sein mögen. Hiernach werden bestimmte Gegenden als Malariagebiet 
erklärt, in denen der Provinzialarzt Ermittelangen anzasteUen hat,die dann an 
den Provinzialsanitätsrat and von da an den obersten Sanitätsrat weitergehen 
(Art. 1—6). Nicht bloß Arbeiter, auch ihre Familienmitglieder erhalten un¬ 
entgeltlich Chinin, das durch die Wohltätigkeitsanstalten ansgegeben wird, 
denen die Gemeinden helfend zur Seite za stehen haben (Art. 6—9). Es Mnd 
genaae Listen von den za Leistungen verpflichteten Grandbesitzem, Indastridlea 
asw. aafgestellt. Die Gemeindeärzte haben die Kranken za ermitteln, sie der 
Behandlung zazaführen, die Präventiybehandlang der Gesunden einzoleiten, 
monatliche Berichte über die Zahl der Kranken nnd über die erforderlidie 
Menge des Chinins vorzatragen (Art. 10—15). Die Pächter von Arbeiten in 
Malariagebieten sind za den weitgehendsten Maßregeln zam Schatze der 
Arbeiter gezwungen; empflndlicbe Geldstrafen sind für Nichtbefolgang der 
Vorschriften festgesetzt (Art. 20—25). Jeder Todesfall von Malaria perniciosa 
ist dem Gemeindesicberbeitsamte anzazeigen. In zweifelhaften Fällen ist die 
Diagnose darch die Obduktion sicherzostellen (Art. 26). Das vom Staate in 
Verkehr gebrachte Chinin wird nach der Vorschrift der offlziellen italienischen 
Pharmakopoen in einem staatlich pbarmazeatischen Institute hergestellt. Den 
Preis bestimmt das Finanzministeriam; die im Gesetze vorgesehenen Behörden 
asw. können cs za ermäßigten Preisen beziehen. Die Verkaafsstätten sind 
mit der Inschrift: »Hier wird staatliches Chinin verkauft“ zu versehen 
(Art. 40—49). Das Chinin gelangt in äaßerlicb genau bezeichneten, luftdicht 
verschlossenen Glasröhrchen, enthaltend 10 Tabletten 4 20 cg um den Preis 
von 40 Centessimi für das salzsaure and doppeltsalzsaure and 82 Centessiml für 
das Schwefelsäure and doppeltschwefelsaure Chinin zum Vertrieb. Eine hohe 
moralische and soziale Bedeatang gewinnt die Gesetzgebung dadurch, daß 
die Malaria als ein im landwirtscbaftb’chen Betriebe eingetretener Unfall 
betrachtet wird and dem Arbeitgeber die Pflicht aaferlegt ist, die nachteiligen 
Folgen za verhüten oder die eingetretene Gesandheitsschädigang wieder zu 
beheben. Den Hinterbliebenen der bei öffentlichen Arbeiten beschäftigten, an 
Malaria perniciosa gestorbenen Arbeiter erhalten Entscbädigangsgelder. Für 
Kinder wird Chinin mit Chokoladeüberzag za billigen Preisen abgegeben. Der 
Beinertrag aas dem staatlichen Chininvertrieb and die Strafgelder fließen in 
einen Fonds, der lediglich zar Malariabekämpfang verwandt wird. Gates 
Chinin ist seihst in den kleinsten Orten erhältlich. 

Für den Erfolg dieser rationellen Bekämpfang sprechen die Zahlen. 
Der jährliche Verbraach von staatlichem Chinin stieg binnen 4 Jahren von 
2000 kg auf 18000 kg, die Zahl der Malariatodesfälle sank von 15000 aof 
8000. Trotz der großen Entwicklung der staatlichen Chininerzeagung bringt 



Kleinere Mitteilungen nnd Beferste nns ZeitBcbriflen. 


781 


doch die Priratindnstrie dieselbe Menge von Chinin znr Einfuhr wie Tor dem 
Jahre 1902, ein Beweis dafür, daß die Wohltat der neuen Qesetse in erster 
Linie den armen Volksschichten zugute kommt. 

Im übrigen sind trotz der neuen Bichtung der Malariabek&mpfnng 
durch die Chininbebandluog und die mechanischen Schutzvorrichtungen gegen 
tUe Stechmücken die alten Gesetze über die Assanierung des Bodens noch zu 
Becht bestehen geblieben. 

In ausgedehntem Maße ist endlich die VolksanfkläruDg gefordert 
durch Verbreitung von gedruckten Instruktionen zur Verhütung der Krankheit, 
in denen die Bevölkerung insbesondere auch über den medikamentösen Qebraudi 
des Chinins belehrt wird. _ Bpd. 


Eine Prftifslonssaugvorrlehtnng für Messpfpetten. Von Oberarzt 
Dr. Woitke. Arbeiten ans dem Kaiserlichen Gesundheitsamt. Bd. XXVUI, 
1908, H. 2. Verlag von Julius Springer. 

Verfasser empfiehlt beim Arbeiten mit Meßpipetten eine von ihm kon« 
struierte Sangvorrichtnng, bestehend aus einer etwa 6—7 cm fassenden Spritze 
mit U'fOrmigem Ansatzrohr und seitlich an der Fassung der Spritze ange¬ 
brachten federnden Haltern. Die Vorrichtung ist zerleg- nnd sterilisierbar. 
Es soll dadurch das nicht ungefährliche Anfsangen mit dem Munde vermieden 
werden. Angefertigt wird sie von der Firma Alt mann, Berlin NW. Bpd. 


Ein neuer Filtratlonsapparat. Von Kreisarzt Dr. Hilgermann- 
Coblenz. Klinisches Jahrbuch; 1908, Bd. XIX. 

Da die bis jetzt gebräuchliche Agsrfiltrationstechnik sehr zeitraubend 
und verständlich ist, hat Verfasser durch eingehende Versuche einen Filtrations¬ 
apparat hergestellt, der eine dauernde planmäßige Filtration gestattet. Das 
Prinzip dieses Filtrationsapparates beruht darauf, daß durch die Ummantelung 
mit schlechten Wärmeleitern kochendes Wasser lange Zeit heiß bleibt, wodurch 
in einem von dem kochenden Wasser umspülten Baum hohe Temperaturen 
erhalten werden. Der Apparat besteht im wesentUchen ans zwei Zylindern, 
einem Innenzylinder, der zur Aufnahme der zu filtrierenden Losungen dient 
nnd umgeben ist von einem zweiten Zylinder, der zur Aufnahme des kochenden 
Wassers dient. Der zweite Zylinder ist von einer 1 cm starken Isolierschicht 
umgeben. Der Apparat, der nicht nur für bakteriologische, sondern auch für 
chemische Laboratorien bestimmt ist, bat nach Angabe des Verfassers folgende 
Vorzüge: 1. Keine Aonderung der Zusammensetzung oder Erstarrungsfäbigkeit 
der zu filtrierenden Losungen; 2. ununterbrochene FiltrationsmOglichkeit; 
8. Filtration auch während der Nachtzeit; 4. Wegfall der Ueberwachung der 
DampftOpfe, Verminderung der Arbeitsleistung und Arbeitnkräfte; 6. Ersparnis 
von Nährsubstänzen; 6. kein Gasverbrauch; 7. keine Hitzeentwickelnng. — Er 
wird von der Firma Lautenschläger in Berlin hergestellt. Bpd. 


Orgnnlaatton des Transportes ansteckender Kranker nnd Epidemie¬ 
dienst in grossen Städten. Von Stadtphysikus Dr. BOhm-Wien. Das Oester- 
reichische Sanitätswesen; 1908, Nr. 81 nnd 82. 

Verfasser gibt hier einen Vortrag wieder, den er auf dem internationalen 
Kongreß für Bettungswesen zu Frankfurt a. M. gehalten hat. Er kommt in 
seinen Ausführungen zu dem Besultat, daß der Transport Infektionskranker 
von anderen Krankentransport vollkommen zu trennen ist. Am besten würde 
die Transportstation einer Desinfektionsanstalt angeschlossen. Für die Organi¬ 
sation des Transportes Sorge zu tragen, sei Pfiicbt der Behörden, nnd zwar 
müsse der Transport kostenlos geschehen. Es müßten hierzu besondere In¬ 
fektionswagen angeschafft werden; seien andere Transportmittel benutzt, so 
müßten diese durch behördliche Organe desinfiziert werden. Eine anch für 
event. Epidemien genügende Anzahl von praktisch eingerichteten Transport¬ 
mitteln sei vorrätig zu halten. An der Spitze der Organisation des Trans¬ 
portes Infektionskranker müsse ein Arzt stehen und dieser ein geschultes Personal 
unter sich haben. Oie Transportstationen würden am zweckmäßigsten mit den Po- 
lizeiwacbtstnben telephonisch verbunden, damit von dort aus eine Benachrich¬ 
tigung erfolgen kOnne; am besten sei die Schaffung einer Zentralstelle, die für 



782 


Kleinere Mitteilnngen ond Beferate ans Zeiteohriften. 


Epidemien unerläßlich wäre. Zur Verhütung der Einschleppung ansteckender 
Krankheiten durch Transporte von außerhalb müßten für das ganxe Land gültige 
behördliche VerfOgangen getroffen werden. Bpd. 


Deslnfektloii. 

Karbolsinretabletten (Dlphenyloxalsäurerester), ein neues Des¬ 
infektionsmittel* Von Dr. phil. nat. F. Croner und Dt. med. Q. Schindler- 
Berlin. Desinfektion; Jahrg. 1, Nr. 2. 

Die von der Firma Schülke & Mayr-Hamburg hergestellten Karbol- 
säuretabletten haben sich sowohl gegenüber Staphylokokken und Typhna- 
bazillen als Desinfektionsmittel gut bewährt; auch vermögen sie auf die Dauer- 
formen der Milzbrand- und Eartoffelbazillen eine deutlich stärkere Wirkung 
als Phenol in gleicher Konzentration anszuttben. Zar Händedeainfektion em¬ 
pfehlen die Verfasser im Gegensatz zu den Angaben des Prospektes eine 
l*/4— Vja^lo Lösnng. Den Vorteilen (Tablettenform, leichte Dosierbarkeit, ver- 
hUtnismäßig geringer Karbolgehalt) stehen gegenüber: 

1. der hohe Preis (1 Liter 1 "/o LOsung kostet 60 Pf.), 

2. die zugesetzte Farbe haftet an den Fingernägeln fest, 

8. ein eigentümlich pappiges, unangenehmes Gefühl bleibt längere Zeit an 
den Händen zurück. _ Dr. Wolf-Hamburg. 

Ueber 2 neue Folmaldehydseifenpräparate. Von Dr. E. Seligmann- 
Berlin. Desinfektion; J. 1, Nr. 1. 

Die 2 Präparate — Morbizid und Morbizid G — sind in ihrer bakteriziden 
Wirkung fast gleichwertig und ttbertreffen die doppelprozentigen Lysoform- 
lOsungen an Totungskraft. Sie sind daher geeignet für die Einführung in die 
allgemeine Desinfektionsprazis. Dr. Wolf-Marburg. 


Das Helssluftximmer) ein grosser Troekensterllisator. Von Privat- 
Dozenten Dr. 0. B. v. Wunscheim in Berlin - Innsbruck. Desinfektion; 
Jahrg. 1, Nr. 2. 

Zur Aufnahme von größeren Haustieren z. B. Hunden, Schweinen hat 
Verfasser einen Behälter konstruiert, der eine wirksame Desinfektion gestattet, 
sich als ein Heißluftsterilisator von 6—10 qm Bodenfläche bei 2 m Hohe dar¬ 
stellt und von der Firma Lautens chläger-Berlin vertrieben wird. 

Dr. Wolf-Marburg. 


Zur Sterilisation und Verwendung von Gummihandschuhen* Von 
Dr. A. Fießler und Dr. Y. Iwase. Aus den Universitäta-Frauenkliniken in 
Tübingen und München. Münchner med. Wochenschrift; Nr. 33, 1908. 

Die Verfasser berichten in eingehenden Ausführungen über ihre Unter¬ 
suchungen bezüglich der zweckmäßigsten Dampfstcrilisation und darauf fol¬ 
genden Trockenbehandlung der Gummihandschuhe, ln einem Nachtrag zu den 
betreffenden Ausführungen zieht Prof. Dr. Doederlein die von den Verfassern 
geübte Behandlnngsweise der Gummihandschuhe den anderen bisherigen 
Methoden vor. Es ist nicht nur die aus den bakteriologischen Untersuchungen 
sich ergebende, beruhigende Sicherheit der zuverlässigen DesinfekiionsWir¬ 
kung, die sowohl die Außen-, wie die Innenfläche der Handschuhe betrifft, 
sondern es ist auch der Umstand, daß die Handschuhe bei der Präparation 
sowohl, wie beim An- und Ausziehen mehr geschont werden, so daß deren 
Verbrauch ein geringerer wird. Endlich bat der Operateur die Annehmlich¬ 
keit, trockene Hände zu haben, wodurch die Bildung des gefürchteten Hand- 
schuhsaftes vermieden wird. Näheres mit Abbildung der benötigten’Dampf- 
und Trockenapparate im Original. Dr. Waibel-Kempten. 


Erster Jahresbericht der Desinfektionsgenossenschaft der Gemeinden 
des Kreises IMedenbofen Ost* Von Dr. Giß, Kreisarzt. Straßburger med. 
Zeitung; 1908, Heft 2. 

Verfasser berichtet über die einjährige Tätigkeit der im Frühjahre 1907 
gegründeten „Desiofektionsgenossenschaft des Kreises Didenhofen Ost", welche 
bezweckt, für die Gemeinden, welche ihr angeboren, die bei der Bekämpfung 
ansteckender oder gemeingefährlicher Krankheiten entstehenden Kosten für 



Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften. 


788 


Desinfektions- and sonstige Maßregeln zu bestreiten, und fttr die Beschaffung 
und ünterhaltnng der zar Bekämpfang an Epidemien nOUgen Oesinlektions* 
Apparate und der Ansrüstnngsgegenstände fttr Desinfektoren pp. zn sorgen. 

Zar leichteren Darchfttbrnng der Desinfektionsmaßregeln wurde der 
Kreis in 5 Desinfektionsbezirke eingeteilt, und fttr jeden Bezirk ein im Dm* 
infektionswesen grttndlich aasgebildeter Kantonaldesinfektor angestellt. Die¬ 
selben, möglichst gleichmäßig ttber den ganzen Kreis yerteilt, haben sich 
nötigenfalls gegenseitig za vertreten and aaszahelfen. Alle diese Dminfektoren 
sind auf Kosten der Genossenschaft mit einem besonderen Dminfektionsanznge 
nnd der daza nötigen Aasrttstang versehen. 

Aaßerdem ist noch ein kleiner fahrbarer, zweirädriger Dampfdminfektions- 
apparat beschafft worden. 

Sobald ein Desinfektor in Tätigkeit treten soll, stellt der Kreisarzt hei 
dem Kreisdirektor — aaf Formaler den Antrag, woranf dem Dminfektor um¬ 
gehend der entsprechende Auftrag erteilt wird. 

Nach beendeter Arbeit legt der Desinfektor seine mit dem Kontroll- 
vermerke dm Bürgermeisters nnd Kreisarztes versehene, auf Formular ansge¬ 
stellte, Bechnang dem Kreisdirektor vor, welcher den Betrag sofort vorschnft* 
weise anweist. 

Am Schlosse des Jahrm werden dann die Gesamtaaslagen der Ge¬ 
nossenschaft, anf sämtliche dem Syndikate angehörenden Gemeinden dm Kreises 
im Verhältnisse ihrer Stenerprinzipale verteilt; diese Kosten betragen im 
laufenden Jahre nur 1,33 pro mille der Stenerprinzipale. Die durchschnitt¬ 
lichen Kosten einer Schiaßdesinfektion betragen 10 Mark (einschließlich Beise, 
Tagegelder and Desinfektionsmittel). Dazu kommen noch die Kosten fttr den 
Transport des Desinfektionsapparat mit 85 Pfg. jttr jeden Kilometer. 

^ Zar Erleichterung der Darchftthrang der laufenden Desinfektion worden 
sämtliche im Kreise verstreut wohnenden 10 Krankenschwestern, so 10 andere, 
in geschlossenen Krankenanstalten tätige Krankenschwestern in dem bakteriolo¬ 
gischen Institats za Diedenhofen einer gründlichen entsprechenden Aasbildnng 
, unterworfen. Fr. Hecker-Straßbnrg L £. 


Ortshyglene. WaMerrersorgnxig und Abwftsserbeseitlgnng. 

Wohnnngsmangel und Kleinwobnnngsban. Von Dr. A. Fischer* 
Karlsruhe. Gesundheit; 1908, Nr. 17. 

Verfasser sacht naebzaweisen, daß der Sozialhygieniker fttr die Arbeiter- 
wohnangen als Baasystem Häuserblocks mit Wohnhäasein, die aas dem Erd- 
gmehoß und 2—3 Obergeschossen bestehen, fordern muß, vorausgesetzt daß 
diese Wohnhäuser von einer gemeinnützigen Gesellschaft errrichtet, auf 
billigem Boden erbaut sind und allen Anforderungen bezüglich des Kubik- 
metergebaltes pro Kopf der Bewohner, Trennang von Schlaf- and Kttchen- 
ranmen, Wasscrieitang, Entwässerangsystems usw. genügen. Solche Mnster- 
hänser mit Kleinwohnungen gibt es schon eine ganze Anzahl (Frankfurt a. M., 
München). Auch die Gartenstadt muß das große Mietshaus zulassen. 

Dr. Wolf-Marburg. 


Ueber das Schlafburschennnwesen nnd ttber Ledigenheime vom 
Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege. Von Dr. Wandel-Kiel. 
Deutsche Vierteljahrsscbrift für öffentliche Gesundheitspflege; 1908, XL. B., H. 3. 

Schon im alten Bom waren durch das Zusammenströmen der Arbeiter¬ 
massen schreckliche Mißtitände in den Arbeiterquartieren hervorgerufen, die 
die Behörden zum Eingreifen veranlaßten. In neuerer Zeit treten bei dem 
ungeheuren Aufschwung der Industrie und bei dem rapiden Anwachsen der 
Arbeiterbevölkerung in den Industriezentren die Erscheinungen der Wohnungs¬ 
not aufs neue und sehr kraß zutage. Die wenigen vorhandenen Wohnungen 
genügen nicht; die Mietpreise steigen andauernd. Um sie zu erschwingen, 
werden die Arbeiterfamilien gezwungen, sich auf das allernotwecdigste an Baum 
zu beschränken und jeden nur eben freien Platz an Scblafgänger zu vermieten. 
Es werden häufig Wohnungen von nur einem Zimmer gefunden, im dem außer 
der zahlreichen Familie noch Scblafleuto beiderlei Geschlechts hausen. Wie 
hier in Deutschland, so ist es auch in anderen Ländern. Durch ein gehende 
Erhebungen hervorragender Sozialpolitiker sind die gesundheitlichen und 




734 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


Bittliehen Gefahren dieses Schlafgäagerwesens eingehend beleuchtet, und hSufiger 
verherend auftretende Epidemien ansteckender Krankheiten haben nur au dent> 
lieh die Wahrheit ihrer Worte bewiesen. Be.sonders das immer größere Dmsieh* 
greifen der Tuberkulose muß zum großen Teil hierauf bezogen werden. Von 
wen Seiten werden jetzt Stimmen laut, die Maßregeln gegen die Wohnungsnot 
fordern und die Vorschläge zur Besserung machen. Der Verein für öffentliche 
Gesundheitspflege beschäftigte sich schon auf der Generalversammlung im Jahre 
1879 eingehend mit dieser Frage. Zuerst haben nun die größeren gewerblichen 
Betriebe angefangen, menschenwürdige Arboiterwohnnngen zu bauen; auch die 
Kommunen haben nsich dafür interessiert; immer mehr Schlaf-, Logierbäuser, 
Ledigenheime u. dergL sind erbaut. An erster Stelle stehen hier die Einrichtungen 
von Krupp, ferner die 829 Vereinshäuser der katholischen Arbeitervereine n.a. 
Auch für die Arbeiterinnen wurde gesorgt und eine ganze Anzahl Mädchen* 
heime wurde errichtet. Am weitesten ist in dieser Beziehung England vor¬ 
geschritten, wo die Einrichtungen speziell der Stadt Glasgow geradezu muster¬ 
gültig sind. Besonders sind von den dortigen Einrichtungen die Bowtonbanser 
zu erwähnen; sie sind auch für manche Ledigenheime in Deutschland ma߬ 
gebend gewesen. Leider fehlt in Deutschland dem Arbeiter noch das richtige 
Verständnis für die gesundheitlichen Einrichtungen, resp. für die durch eine 
scbiechte Schlafstelle drohenden gesundheitlichen Schädigungen. Hier bietet 
sieh für die zweckentsprechende Belehrung noch ein großes Feld. Aber die 
Errichtung von Ledigenheime und ähnlicher Anstalten allein kann die WobnnngB- 
frage nicht lösen; es bedarf einer eingehenden Wobnungsreform. Den Arbeiter¬ 
familien müssen zu annehmbaren Preisen gesunde Wohnungen in ausreichendem 
Maße zur Verfügung stehen, so daß sie nicht genötigt sind, durch Schlafburschen 
Nebenverdienst zu suchen. Hier muß vor allem eine zweckmäßige Bodenpolitik 
dem Bodenwucher Einhalt tun. __ Epd. 


Zentrale Ent- und Belftftnng bei Niederdmekdampfheliung. Von 
Ing. E. Ritt in Baden-Baden. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 86. 

üm die Nachteile der heutigen Niederdruckdampfheiznng-systeme, die 
keiner Luftablaßbähne und keiner selbsttätigen Entlüfter bedürfen, zu ver¬ 
meiden, schlägt Verfasser vor, mehrere Luftleitungen von genügend großem 
Querschnitt sowie eine reichliche Dimensioniernng der horizontalen, längermi 
Kondensleitungen in Anbetracht des durchfließenden Wassers sowie der Luft 
anzubringen. _ Dr. Wolf-Marburg. 


Die Heizung und Lüftung von Restaurationen und Kafäs. Von 
Ingenieur G. Roose. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 36. 

Am besten versieht man nicht nur die Znluftanlage, sondern auch die 
obere Abluftanlage mit Ventilatorbetrieb, und zwar wählt man für die Abluft- 
anlagen zweckmäßig etwas kleinere Ventilatoren als für die Znluftanlage, so 
daß Deberdruck unter allen Umständen im Lokale aufrecht erhalten wird. 
Für die Bestimmung der Größo des Luftwechsels legt man die Fnßbodenfläche 
des Lokals oder auch die maximale Anzahl der Gäste zugrunde. Für die Be¬ 
heizung von Restaurationen ist die Niederdruckdampfheizung am zweck¬ 
mäßigsten, weil sie sowohl einer zentraien, als auch einer lokalen Regelung 
si^neli Folge leistet. Bei der Verteilung der lokalen Heizfläche ist Rüdmicht 
auf die Garderobe der Gäste zu nehmen. Dr. Woif-Marburg. 


Ueber die ‘Trinkwasserversorgung der Städte vom ehemischeu 
Standpunkt. Von Geh.-Rat Prof. W. Hempel. Städte-Zeit.; Jahrg. 6, Nr. 22. 

Verfasser verlangt, daß den Städten außer einem guten, weichen Nntz- 
wasser auch ein einwandfreies Trink- und Kochwasser geliefert wird, das aber 
nur der Tiefe entnommen werden darf. Es fragt sich nun, wie das ansgefübrt 
werden könnte. Ein radikales Mittel wäre es, wenn man in den Städten zwei 
Wasserleitungen baute. Das würde jedoch sehr kostspielig sein und außerdem 
noch andere Bedenken haben. Glücklicherweise kann man aber die Frage 
viel einfacher lösen, indem man neben der großen Hanptwasserleitung, die das 
Nntzwasser liefert in der Bescbafi'enbeit, wie es heute allgemein gebräuchlich 
ist, noch in der ganzen Stadt verteilt eine Anztüil von Pumpen oder artesischen 
Brunnen hat. Man muß dann die Menschen so erziehen, daß sie sich dort ihr 



Kleln«re Hittellongen und Sofente ans Zeitiohriften. 786 

Trink* und Eoehwasser holen. In unseren großen St&dten besteht jetzt die 
Gefahr, daß im Falle einmal die Wasserleitnng versagt, eine ganze Stadt 
plötzlich an dieser notwendigen Himmelsgabe Mangel leiden würde. Bei dem 
Gelüste eines Teiles der gesamten Arbeiterbevülkerong, durch Generalstreik 
einen enormen Druck austtben zu wollen, ist diese Möglichkeit keineswegs 
ein bloßes Hirngespinst. Daher wäre es auch ans diesem Grunde gut, wenn 
die Städte auch eine ganze Anzahl von untadelhaften Brunnen hätten. Für 
die Gewinnung von Trinkwasser kommt aber einzig Gruodwasser in Betracht. 

Dr. Wo 11*Marburg. 


Beinigong des Trinkwassers vo n Mang an durch AlnmloatsUikate. 

Von Dr. G. Noll, Ge8ündhoitff^fenleun~1908, Nr. 8*;- 

Verfasser hat in seinen Versuchen nachgewiesen, daß das nach der Vor¬ 
schrift von Gans von der Firma J. D. Biedel-Berlin hergeatellte Alumin- 
Silikat (Permutit) wegen seiner Reaktionsfähigkeit für die Beseitigung des 
Mangans aus dem Wasser sehr geeignet ist. Die Nachteile, die Löslichkeit 
des Permutits im Wasser, sowie seine Umsetzung durch Kohlendioxyd und der 
daraus entstehende Material verlast dürften kaum imstande sein, seine Ver¬ 
wendbarkeit für die Technik auszuscfaließen. Es ist aber notwendig, daß bei 
den jeweiligen Wässern vor der Verwendung immer erst Laboratoriumsversuche 
angesteilt werden. Auch die Eostenfrage dürfte der Verwendung des Permu- 
tits kaum ein Hindernis sein. Dr. Wolf-Marburg. 


Die Schwankungen der Gmndwasserstände ln München. Von 
Chr. Mezger-Metz. Gesundheits Ingenieur; 1908, Nr. 88. 

Aul Grund der in München gemachten Beobachtungen kommt Verfasser 
zu folgenden Schlüssen: 

1. Das Grund Wasser steigt: 

a. nach ausgiebigen BegenfaUen, 

b. bei einem plötzlichen ümschl^ von Frost in Tauwetter, wenn dabei der 
Boden gefroren und schneefrei ist, 

c. bei starker Temperaturzunahme, auch wenn kein Frost vorherging, 

d. bei lebhaften südöstlichen bis südwestlichen Winden. 

2. Das Grundwasser fällt: 

a. bei anhaltender Trockenheit, 

b. bei Frostwetter, wenn dabei der Boden gefroren und schneefrei oder die 
etwa vorhandene Schneedecke gleichfalls gefroren ist. 

c. bei starker Temperaturabnahme, auch wenn kein Frost eintritt, 

d. bei lebhaften nordwestlichen bis nordöstlichen Winden. 

8. Der Grandwasserstand bleibt unverändert: 

a. nach Begen von mäßiger Stärke und verhältnismäßig niedriger Temperatur, 

b. nach der Bildung einer Schneedecke, solange diese nicht gefriert, 

e. nach Ansammlung von Wasser über einer gefrorenen Bodenschicht, 
d. nach dem Eindringen von Schmelzwasser in den Boden. 

Dr. Wolf-Marburg. 


Die Sehwanknngen der Grnndwasserstünde und der Quellenansflüsse. 
Von Chr. Mezger-Meiz, Gesundheits - Ingeneur; 1908, Nr. 82. 

Verfasser gelangt zu dem Schluß, daß die Witterangsvorgänge in der 
äußeren Atmosphäre die unterirdischen Wasseransammlungen in dem Alluvium 
des Moseltales im gleichen Sinne, wenn auch vielleicht nicht in gleichem Maße 
beeinflussen, wie in dem zerklüfteten Gestein der Juraschichten, daß also weder 
die Struktur des Grandwasserträgers noch die Tiefeolage des Grundwasser¬ 
spiegels einen wesentlichen Unterschied in dieser Hinsicht bedingen. Die besten 
Aufschlüsse über diese Einflüsse wird man aber von den in verhältnismäßig 
geringer Tiefe und sehr langsam sich bewegenden Grundwasserströmen der 
Flußniederungen zu erwarten haben, da hier das Grandwasser unmittelbar an 
der Stelle beobachtet werden kann, an der es entsteht. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 



788 


Kleinere Ifittellnngen and Beferate noe Zeitschriften. 


Em^oher-Brnnnen* Von Oberinerenienr Pani Eorgefi. Zentralblatt 
ftlr Wasserbau und Wasserwirtschaft; 1908, Nr. 25. 

Der Emscherbrunnen stellt eine Kombination des reinen AbsitsTerfahrens 
mit dem Faulverfahren dar, durch welche die Nachteile beider in glttcklicher 
Weise vermieden und ihre Vorteile vereinigt werden. 

1. Es wird nur frisches, von den Schlammteilen nach Möglichkeit ge¬ 
reinigtes Wasser abgciührt. 

2. Der Schlamm braucht erst nach Monaten entfernt zu werden, nachdem 
er eine große Konsistenz angenommen hat, schnell trocknet und keine GerueW- 
belästigung mit sich führt. 

8. Das Volumen des Schlamms wird durch Ausfaulung und Konzen¬ 
trierung äußerst vermindert; derselbe enthält nur 80**/o Wassergehalt, wie 
der Schlamm ans Faulranmanlagen anderer Konstruktion. 

4. Der Grunderwoib für diese Anlagen ist sehr gering, weil für die 
Schlammplätze keine großen Flächen erforderlich werden. 

6. Während des Betriebes der Becken, die mit geringen Kosten voll¬ 
ständig abgedeckt werden können, sind Geruchsbelästignngen durch aufsteigende 
stinkende Gase fast ausgeschlossen, ebenso ist der ausgefaulte Schlamm fast 
fast geruchlos. 

6. Die Betriebskosten der Anlage sind äußerst gering, bei kleineren 
Anlagen ist nur zeitweilig eine Bedienung erforderlich. 

7. Das Gefälle, welches durch Einschaltung einer solchen Anlage in 
den Scblußkanal verloren geht, beträgt nur wenige Zentimeter, daher wird 
eine künstliche Hebung des Wassers, soweit die Kläranlage in Betracht kommt, 
entbehrlich. 

8. Der ausgefaulte Schlamm ist in stichfestem Zustande mit sehr ge¬ 
ringem Zusatz von Kohle oder Müll in gewöhnlichen Verbrennungsöfen ver¬ 
brennbar (z. B. System Custodis.). 

Die Baukosten des Emscher Brunnens sind gegenüber anderen mecha¬ 
nischen Anlagen durchgehend geringer. Noch wichtiger aber sind die Erspar¬ 
nisse im Betriebe; denn 

1) es ist jeglicher Maschinenbetrieb vermieden, 

2) die Anlagen bedürfen keiner ständigen Bedienung und 

8) die Schlammplage ist beseitigt. 

Es darf natürlich nicht behauptet werden, daß etwa der Emscherbrunnen 
für alle Verhältnisse das einzig richtige sein werde. Er wird biologische An¬ 
lagen oder Rieselfelder, wo solche mangels eines Aufnehmers notwendig 
werden, niemals vollkommen ersetzen können, dahingegen wird er sie in vielen 
Fällen entbehrlich machen, wo nur Wert darruf gelegt wird, daß unter allen 
Umständen nicht ein in Fäulnis übcrgegangencs Wasser in den Aufnehmer 
gelangen darf und im übrigen die Entfernung der Schwimm- und Schwebe¬ 
stoffe genügt. Dr. Wolf-Harburg. 


Die Sehlammbeseitigung aus mechanischeu Kläranlagen. Von 
Dr. ing. Kusch-Wilmersdorf, Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 16. 

1. Gewöhnliche Klärbecken: Großes Schlammvolumen, ungeeignete Be¬ 
schaffenheit, starke Geruchsbelästigung, Betriebsunterbrechung. 

2. Klärbrunnen: Großes Schlammvolnmen, ungeeignete Beschaffenheit, 
Geruchsbelästigung, keine Betriebsunterbrechung. 

8. Faulkammer: Geringes Schlammvolumen, teilweise geeignete Be¬ 
schaffenheit, Geruchsbelästigung je nach Betrieb, Betriebsunterbrechung. 

4. Emscherbrunnen oder andere zweckmäßige Konstruktionen nach 
gleichem Hauptgrundsätzen: Geringes Schlammvolumen, teilweise geeignete 
Beschaffenheit, Geruchsbelästigung je nach Betrieb, keine Betriebsunter- 
brediung. 

5. Kremerapparat oder dementsprechende andere Einrichtungen: Ge¬ 

ringes Schlammvolnmen, geeignete Beschaffenheit, geringe Geruchsbelästigung, 
keine Betriebsunterbrechung. Dr. Wolf-Marburg. 



Kleinere Mitteiliuigen and Beferate ans Zeitsohriftea. 


737 


Hygiene der Nahrunga- und Qennaamlttel. 

Die Fleiechverglftungen daroh da« Fleisch kranker Tiere nnd ihre 
Terh&tnng. Von Dr. Mann-Chariottenbarg. Vierteijahrsschrift für gericht¬ 
liche Medizin n. Offentl. Sanitätswesen; 1908, Bd. XXXV, Heft 2. 

Hetrorgernfen werden die Fleisch Vergiftungen durch den von Gärtner 
nacbgewiesenen FieischvergiltungsbacUlns von Frankenbausen und den von 
de Nobele nachgewiesenen Fieischvergiftnngsbacillus von Airtryck. Es 
sind lebhaft bewegliche Stäbchen mit 6—12 Geißeln, nach Gram nicht 
färbbar. Sie selbst und besonders ihre Tuztne sind äußerst hitzebeständig. 
Sie rufen Krankheitserscheinungen hervor, die entweder unter dem Bilde eines 
akuten, schweren Magenkatarrhs oder unter dem Bilde des Typbus abdominalis 
verlaufen. Die Erkrankungen werden durchweg durch Fleisch notgeschlach¬ 
teter Tiere verursacht, weshalb im öffentlichen Interesse vorgeschlagen Ist, 
solches Fleisch nicht zum Verkaufe zuzulassen. Das läßt sich aber in Anbe¬ 
tracht der Tatsache, daß in Deutschland jährlich ungefähr 160000 Notschlach¬ 
tungen aus den verschiedenartigsten Gründen ausgefUhrt werden, nicht durch- 
ftthren; dagegen ist die Forderung berechtigt, daß die Fleischbeschau notge¬ 
schlachteter Tiere nur von geschulten Tierärzten vorgenommen wird. Die Art 
der Erkrankungen der Tiere, die zu Fleischvergiftungen Anlaß geben, sind 
vorwiegend septische und pyämische; diese aber nacbzuweisen, ist sehr häufig 
selbst dem erfabrendsten Tierarzt unmöglch. Eine bakteriologische Untersuchung 
läßt sich nur in großen Schlachthäusern mit einem gut eingerichteten Labora¬ 
torium usw. ausfuhren, wird jedoch unter Umständen zu lange Zeit in Anspruch 
nehmen. Verfasser bat sich nun bemüht, eine bakteriologische Methode heranszu- 
ffnden, die innerhalb 24 Stunden auch dem bakteriologisch nicht gescholten Tier¬ 
arzt Anfsebloß gibt, und glaubt, eine solche gefunden zu haben. Er benutzt 
dazu Diigalski-Conradi-Agarplatten, aal die Untersuchungsmaterial ver¬ 
strichen wird. Die Platten kommen bei 37° in den Brutschrank; späte¬ 
stens in 24 Stunden hat man sicheren Aufschluß. Wachsen auf dem Agar 
blaue, durchscheinende Kolonien, so ist das Fleisch zu vernichten, wachsen 
nur rote Kolonien oder bleibt der Agar steril, so kann das Fleisch verkauft 
werden. Bpd. 


UntersnehuDg Aber Wurstzubereitnug und Wurstvergiftung. Von 
William G. S a V a g e - Culchester. The Medical Press. August 1908. 

Verfasser, für den die Wurst eine geheimnisvolle Zusammensetzung aller 
Arten von Substanzen ist, hat die Bestandteile nnd die Zubereitung der Würste 
häufig geprüft. Als Präservativmittel fand er bis zu 30 g Borsäure auf ein 
Pfund Wurst verwendet, häufig auch Salizylsäure, BenzoSsäure. Er verlangt 
das Verbot der Präservativmittel überhaupt; denn Würste sollen bald naä 
ihrer Herstellung verkauft nnd verbraucht werden. Bei der bakteriologischen 
Untersuchung verschiedenster, meist frischer Würste fand er in 92°/o des unter¬ 
suchten Materials in 1 g Wursifleisch mehr als 100 B. coli (in 5 Fällen von 
12 mehr als 1000), was ihm ein Beweis für unzureichende Sauberkeit ist. 
Große Aufmerksamkeit verdienen die zur Füllung verwandten Därme, in denen 
sich bei unzureichender Behandlung stets B. coli nachweisen ließen. 

Die Wurstvergiftungen führt Verfasser auf drei verschiedene Ur¬ 
sachen zurück: 

1. Aul Toxine, hervorgerufen durch die gewöhnlichen Bakterien. Er¬ 
krankungen verlaufen leicht. 

2. Auf Infektion mit Bakterien der Gärtner-Gruppe (B. enteritidis), 
deren Toxine erst durch eine Temperatur von 60—70° 0. zerstört werden; 
lebende Bazillen gelangen darum in den Verdauungstraktus und veranlassen 
ernste Erkrankungen. Der B. enteritidis wird auf cUe Wurst meist durch un¬ 
genügend gereinigte Schweinedärme übertragen. 

8. Auf die Infektion mit B. botulinus, die häufig auf den Genuß von 
ungenügend gekochten Blut- und Leberwürsten zurückzäühren ist und darum 
in England selten beobachtet wird. 

Verfasser verlangt für die Wurstbereitung eine ständige bakteriologische, 
chemische und mikroskopische Untersuchung. Dr. SoIbrig-Allenstein. 



788 


Kleinere HitteUiingen nnd Belerate ans Zeletchrlften. 


üeber den dymanogenen Wert dee. Zackers. Von Dr. CaearinL 
Qiornale di HediciBa militare; 1908, Bd. 2. 

Wae die Kohle fdr die Dampfmaschine, ist der Zocker für die Moekeln. 
Die ausgedehnten Versuche mit Zackerernährung bei forzierten KOrperanetren« 
gungen haben sowohl in der deutschen, als auch in fremden Armeen gute 
Besultate gehabt. Auch bei den unkultivierten Völkern soll der GrauS 
grofier Zuckermengen vor anstrengenden Märschen usw. viellach ttblich sein 
und zu schweren körperlichen Leistungen befähigen. Allerdings stehen den 
Angaben Aber die günstige Wirkung auch gegenteilige Ansichten gegenüber. 

Verfasser hat nun in einer Keihe von Versuchen die Leistungsfähigkeit 
der Arm> nnd Beinmuskulatur von Soldaten ohne vorhergehenden Zuckergennfi 
untersucht. Oie Hubkraft der Muskeln wurde nach freiwilliger oder luifrei' 
williger (durch den elektrischen Strom ausgelöster) Kontraktion der Muskeln 
mit dem Ergographen registriert. 

Es zeigte sich, dab unter Einwirkung des Zuckers nicht nur die Hub* 
kraft der Muskeln stärker war, sondern auch die Ermüdungserscheinungen 
langsamer eintraten. Die vermehrte Widerstandsfähigkeit der Muskeln gegen¬ 
über den Ermüdungserscheinungen trat an der Beinmnskulatur stärker hervor, 
als an den Armen, eine für die Marschfähigkeit der Truppe sehr wicshtige 
Tatsache. Der Zucker verdient deshalb in der Kost des Soldaten ernste ^ 
rücksichtigung. Dr. Dohrn-Hannover. 


Zicherie* Von Dr. H. Zellner-Wilmersdorl Zentralblatt für alL 
gemeine Gesundheitspflege; 1908, 7. und 8. Heft. 

Zn seinem in dieser Zeitschrift, Nr. 18 vom Jahre 1908 (S. 484) be¬ 
sprochenen Artikel bringt Verfasser eine kurze Mitteilung, in der er auf Grund 
einer großen Zahl ihm zugegangener Gutachten von Aerzten nnd CUemikem 
seine erste Ansicht von der Schädlichkeit der Zichorie znrücknimmt. Auflor- 
dem erklärt Verfasser, daß er Einblick in die Fabrikation von Zichorie ge¬ 
nommen und dabei eines Besseren belehrt worden sei Dem Wunsche des Ver¬ 
fassers, von dieser Berichtigung Notiz zu nehmen, muß entsprochen werden. 
Ob aber eine genaue Prüfung nnd Einsichtnahme in die Fabrikation des 
beliebten Kaffeeersatzes oder Zusatzes nicht vor Veröffentlichung der ersten 
Arbeit geraten gewesen wäre?! _ Dr. Solbrlg-Allenstein. 


Geheime Bleivergiftungen. Gesundheit; 1908, Nr. 16. 

Es wird auf die trotz aller Vorschriften immer noch vorkommenden Ver¬ 
giftungen mit Blei durch bleihaltige Wasserleiiungsrohre, durch Steingut (blei¬ 
haltige Glasur), Bleifolie, Bierglasdeckel, Abziehbilder etc. hingewiesen. Das 
Blei wirkt fast in jeder Form, auch in den geringsten Mengen schon hi tau¬ 
sendsten Teilen eines Grammes, wenn es längere Zeit dem Körper zugefühxt 
wird, giftig und führt zu Störungen der Gesundheit. Angesichts der viel¬ 
fältigen Menge metallener Gebranchsgegenstände, mit denen wir umgehen, 
die von Nahrungsmitteln berührt werden, und angesichts des Umstandes, 
daß trotz der Gesetze immer wieder das Blei in unzulässiger Menge auftritt, 
sollte man bei Krankheitsfällen, die sich anders nicht zwingend klar erkennen 
lassen, immer auch die Frage aufstellen: Lieget nicht irgendwie die Möglich¬ 
keit einer Bleivergiftung vor? _ Dr. Wolf-Marburg. 


Säuglingspflege. 

Die Entwleklung der SängllngsfOrsorge nnd deren Stand Ende 1907* 
Von Beg.-nnd Med.-Bat Dr. Nesemann in Berlin. Deutsche Vierteljahrs- 
si^ift lür öffentliche Gesundheitspflege; 1908, XL. Bd., H. 8. 

Verfasser gibt zuerst einen üeberblick über die Gründe, die zu dieser Be¬ 
wegung geführt haben, wie sich allmählich bei der erschreckend hohen Sterbe¬ 
ziffer der Kinder in den ersten Lebensjahren — in Deutschland betrug sie in den 
Jahren 1891—1895 im Durchschnitt 24**/, nnd erreichte in einzelnen Städten 
(Ingolstadt) sogar die Höhe von 40,9 *'/o — immer mehr die Erkenntnis Bahn 

S ebrochen hat, daß hier unbedingt eingegriffen werden mußte. Es wurden genaue 
irhebnngen über die Ursachen und das Wesen der Sterblichkeit angosteUt, die 



V. ^ ^ ^ U Vi 


Klaiaer« HitteUaagen und Befcrate ans Zeiticliriften. 


739 



•rgaban, daS baaonders die kanitlich ernährtea Kinder daranter za leiden 
hatten, bei denen die Sterblichkeit z. B. in Berlin sechsmal so groß war. Ferner 
wnrde festgestellt, daß dort nnr noch 33*’/, der Kinder mit Mnttermilch 
ernährt wurden, ln anderen Ländern, wie z. B. Norwegen, Schweden, Eng¬ 
land osw., wo die Kinder fast ausschließlich mit der Brust genährt werden, 
war die Sterblichkeit eine erheblich geringere. 

Bahnbrechend auf dem Gebiete der Säuglingafärsorge war Frank¬ 
reich ; hier wnrde der Kampf am frühesten und in ausgedehntestem Maße anf- 
genommen und hat, wie Verfasser darlegt, schon sehr gute Erfolge erzielt. 
Die hauptsächUchsten Einrichtungen sind dort die Secours d'ailletement, 
Gonttes de lait and Consultations dos nourrissons. Auch Amerika, Dänemark, 
Ungarn n. a. haben auf dem Gebiete vorzügliche Einrichtungen und Erfolge 
Torznweisen. In Deutschland gebührt in erster Linie dem Verein für öffent¬ 
liche Gesundheitspflege das Verdienst, hier durch Wort und Tat bahnbrechend 
gewirkt zu haben. Anfang dieses Jahrhunderts begann er den Kampf in der 
energischsten Weise and bald griff die Bewegung immer weiter um sich, so 
daß im Jahre 1905 schon eine ganze Beihe Städte Milchverteilungsanstalten, 
Säuglingsfürsorgestellen und dergl. eingerichtet hatten. Vor allem ist Char¬ 
lottenburg zu nennen, das, wie so häufig in hygienischer Beziehung, auch hier 
an der Spitze marschierte. Wesentlich gefördert wurden die Bestrebungen durch 
Ihre Majestät die Kaiserin, die den Vaterländischen Frauenverein anwies, sich 
der Säuglingsfürsorgo anzunehmen, und durch die Unterstützungen, die von 
seiten der Behörden der Angelegenheit zuteil wurden, so daß jetzt der Kampf 
im ganzen Deutschen Reiche im großen Umfange aufgenommen ist. ln erster 
Linie wird durch Belehrungen, Gewährung von Stillprämion, Einrichtung von 
Stillzimmern für die in gewerblichen Anlagen beschäftigten Mütter usw. darauf 
hingewirkt, die Mütter zu veranlassen, ihre Kinder selbst zu nähren. Dann 
sind zahlreiche Fürsorgestellen errichtet, wo einwandsfreie Kindermilch zu 
billigen Preisen abgegeben wird; jetzt bestehen sie wohl in jeder größeren 
Stadt. Die Mütter erhalten dort auch Rat; in einzelnen Fürsorgestellen werden 
unentgeltlich ärztliche Sprechstunden abgehalten. Ferner sind verschiedene 
Säuglingsheime errichtet worden und weitere im Bau begriffen. Besonders ist in 
dieser Hinsicht die in Charlottenbnrgim Ban befindliche Kaiserin Augusta-Viktoria- 
Anstalt zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, die eine Zentrale für die ganze 
Bewegung bilden soll, zu nennen. So steht jetzt auch Deutschland nicht mehr 
gegen die anderen Länder auf dem Gebiete der Säuglingspflege zurück. Rpd. 


Städtische Säuglingspflege in Bixdorf. Von Dr. M. Cohn. Zeitschr. 
1 Säuglingsfürsorge; 1908, Nr. 9. 

Bei dem kurzen Bestehen der Säuglingsfürsorgo in Bixdorf und dem 
begrenzten Umfange ihrer bisherigen Wirksamkeit ist es natürlich nicht an¬ 
gängig, hier bereits von weittragenden Ergebnissen und Erfolg zu sprechen. 
Durch Gewährung eines größeren Etats ist es jedoch nunmehr möglich geworden, 
die ärztlichen Beratungsstunden dreimal wöchentlich abzuhalten, eine Schwester 
anzusteUen und die Unterstützungen für notleidende Mütter, insbesondere an 
Stillende, an die jetzt neben Milch im Bedarfsfälle auch andere Lebensmittel, 
wie Reis, Gries, Mehl, Zucker abgegeben werden, zu vermehren. 

Dr. Wolf- Marburg. 

Sängllngsstarbltchkelt in Kiel* Von Dr. med. Spiegel. Zeitschrift 
1 Säuglingbfürsorge; 1908, Nr. 9. 

Im Jahre 1906 betrug die Säuglingssterblichkeit in Kiel 18,5’/o. Die 
Verteilung der Todesfälle auf die einzelnen Monate des Jahres zeigt, daß 
der sog. Sommerzipfel, der den Einfluß der akuten Ernäbrnogsstörungen kenn¬ 
zeichnet, für Kiel in die Monate August uud September fällt. Die Sicrblich- 
keitsziffer bei den ehelichen Säuglingen zeigt genau eine Abstufong der wirt¬ 
schaftlichen Lage entsprechend bei den Arbeitern 19,9 "lo, beim Mittelstände 
11,9 °/o, bei den höheren Ständen 6^o. Mithin ist die Saaulingssterblichkeit 
abhängig von der sozialen L>ge der Erzeuger. Die Sierblichkeitsziffer der 
unehelichen Kinder ist um 12*/o höher als die der ehelichen. Ferner ist die 
SäuglingHsterblicbkeit in ihrer Höbe immer abhängig von der Ernährung und 
den Ernährungsstörungen, namentlich bei den unehelichen und armen Kindern. 





740 


feinere IfitteUaageii und Eeferate aiulZeitscliriftsiu 


Die HaoptsteTblichheit findet sich in den ersten 2 Tagen (ca. */io ftller Sterbe- 
lälle). Erfrenlicherweise herrscht an den berufenen Stellen der Stadtverwaluing 
Tolles Verständnis fttr diese Frage; seit Beginn dieses Jahres ist die 5e> 
rufsTormundschaft eingeftthrt; städtische Pflegerinnen kontrollieren alle in 
Aufienpflege gegebenen Kinder. Dr. Wolf-Marburg. 


Sohulhygiene. 

Die Einriehtnng der hSheren Sebulen. Von Prof. A. Fisch er-Ham- 
borg. Gesunde Jugend; Jahrg. 8, H. 4. 

Verfasser tritt fttr eine besonders gründliche Ventilation der Schul- 
räume ein; als Heizsystem empfiehlt er die Niederdruckdampfheizung. Die 
Treppen liegen am besten eut<reder in der Mitte oder an beiden Enden des 
Gebäudes. Es muß fttr ausreicbeade Einrichtungen zum Beinigen der Fttße 

f esorgt werden. Es ist gut, wenn der Turnplatz fttr Qebungen im Freien Tom 
pielplatz fttr die Pansen getrennt ist, damit der Unterricht nicht gestört wird. 
Wenn der Spielplatz an einer Seite ein Schutzdach erhält, können sich dort 
bei schlechtem Wetter die Schüler in den Pansen anfhalten; sonst müssen die 
Flure breit genug angelegt werden. Neben dem Konferenzzimmer sollte noch 
em Arbeitszimmer Torhanden sein. Ueber die Fragen, ob auch fttr höhere 
Schulen besondere Schulärzte notwendig sind, und ob geschlechtliche Fragen 
im Unterricht oder auch beim Abgang Ton der Schule erörtert werden sollen, 
ist man sich noch nicht einig. Ferner ist die Frage der gemeinsamen Er¬ 
ziehung der Knaben und Mädchen auch noch im Fluß. Nach dem Kindesalter 
ist nach der Ansicht des Ve/fdssers getrennter Unterricht — auch auf der 
UniTersiiät — besser. Die Mitwirkung der Laien in einem SchulTorstand 
oder einer Schuldeputation ist angebracht. Dr. Wolf-Marburg. 

Hilfsgchulzöglinge und Milltfirdlensteignung. Von Begimentsarzt 
Dr. E. Mattausebek. Zeitschrift f. d. Erforschung des jngcndL 
Schwachsinns; Bd. II, Heft 1. 

1. Oie große Anzahl der mangels geeigneter Vorkehrungen alijährlich 
in das Heer eingestellten geistig schwachen IndiTiduen erheischt ein dringendes 
Einschreiten, um diesem Tom paritativen, psychiatrischen und humanitären 
Standpunkte gleich wichtigen Zweige der Schwachsinnigenfürsorge gerecht zu 
werden. 

2) Eine der wichtigsten Grundlagen zur rechtzeitigen Erkennung und 
Beurteilung der Mitiiärdiensteignung der Schwachsinnigen im allgemeinen 
bildet die Kenntnis der Vorgeschichte, yorausgegangene psychische Erkrankung, 
insbesondere des Schalerfolges, des Urteils des Lehrers und Schularztes. 

8. Die weitaus überwiegende Mehrzahl j* ner Individuen, welche in der 
Normalscbule nicht fortkummen und mit Abgangszeugnissen entlassen werden, 
ist zum Militärdienste untauglich. __Dr. Wolf-Marburg. 

Ergebnlase der BHckgratsuntersuchnngeii Magdeburger Sebnlkinder 
In den Jahren 1905—1907. Von Dr. £. Kirsch-Magdeburg. Gesunde 
Jagend; Jg. Vlll, Nr. 6. 

Es fanden sich im ganzen unter Knaben und Mädchen 25,0**/(, Skoliosen. 
Die 7 Schuljahre liefern aber bei weitem nicht so Tiel schwere Skoliosen, wie 
die 6 dem Schulbeäuch Torangehonden Während der Schulzeit vermehrt sich 
von den Volksscbulkindero, die bisher fast sämtlich jeder ärztlichen Behand¬ 
lung in dieser Hinsicht entbehren, die schwere Skoliose um und die 

leichte um 8,5*’/o. Der Schwirpaokt ist auf die Versorgung der unteren 
Klassen durch Einrichtung von orthopädischen Turokursen zu legen; es ist 
aber wohl ohne weiteres verständlich, daß das Aussnehen der Kinder nur 
durch ärztliche Untersuchung zu bewerkstelligen ist, ebenso wie eine ständige 
ärztliche Einwirkung bei der Handhabung des orthopädischen Turnens — soll 
dasselbe seinen Zweck erfüllen — sich als unerläßlich erweisen wird. 

Dr. W 0 1 f - Marburg. 


Bericht Aber die scbulfirztliche Tätigkeit an den Tolksscbnlen der 
Stadt Dortmund fttr das Schuljahr 1906/1907. Von Dr. med. Steinhaus, 
Staatschularat. Zentralbl. fttr allgem. Gesundheitspflege; 7. u. 8. Heft, 1908. 



Kleinere Mitteflnngen und Referate ans Zeitschriften. 


741 


Dortmund hat 88 Schalh&oser mit 457 Eiassenr&amen, aoßerdem 
10 Eiassen fflr die Hilfsschulen; einfreschult waren im Berichtsjahr 29 590 
Kinder. Nachdem Verfasser die ausftthrliche Dienstanweisunir fttr den städtiuchen 
Schularzt wiedergegeben hat, bespricht er die einzelnen Mängel, die sich bei 
den Besichtigungen ergeben haben: 

a) Bänke: Außer wenigen neueren Schulhäusern, die auf dringendes 
Anraten des Schularztes z. T. mit der Betttgbank versehen sind, sind sämt> 
liehe Scbulhäuser mit durchaus unzweckmäßigen Bänken versorgt; auch stan¬ 
den in den Klassen fast darchweg unrichtige Bankgrößen. Zur Abhilfe dieses 
Mangels soll eine größere Summe in den Etat eingesetzt werden, um allmählich 
die alten Bänke durch neue zu ersetzen, b) Ventilationsanlagen: Auch hier 
ergaben sich mancherlei Uebelstände. ln vielen Schulhäusern sind die Anlagen 
ttberhaupt nur dürftig, manche haben nur Einrichtungen für Sommerventilation, 
bei 17 Schulhäusern war die Ventilation in nicht funktionsfähigem Zustande. 
An einer neu erbauten Schule funktionierte die zentrale Anlage falsch, 
cl Die Reinigung ließ durchweg zu wünschen übrig und erfuhr erst eine wesent¬ 
liche Besserung, seit auf Anregung des Verfassers das staubbindende Fußöl zur 
Anwendung kam. d) Die tief dnnkelgrauen Fenstervorhänge absorbierten zu 
große Mengen von Licht und waren ans diesem Grunde absolut unzureichend. 
Verfasser hat die Verwaltung darum ersucht, dieselben allmählich durch belle 
zu ersetzen, neue Schulhänaer aber mit weißen Vorhängen ausznstatten. 
e) Die Belichtung mehrerer Klassen des Erdgeschosses einiger Scholen war 
nicht ausreichend, da Sstöckige Häuser zu dicht an die Schulen herangebaut 
waren, f) Die Trinkwasserversorgnng bildete durch die verschiedensten 
Uebelstände eines der größten Schmerzenskinder, doch hat das städt. Hochbauamt 
durch Einführung des Laenger-Bronnens an 8 Scholen einer einwandfreien 
Trinkwasserversorgung die Wege gebahnt. Da die sogenannten Springler- 
brnnnen mit der einen Düse für Scbulhäuser mit 1000—1500 Kinder nicht 
ansreichen, sind 8 Springler zu einem Brunnen in der Peripherie einer gu߬ 
eisernen Brnnnenschale vereinigt; 2 derartige Bronnen sind für eine Schule 
als ausreichend befanden. Kinder haben sich auffallend schnell an diese 
Wasserentnahme gewöhnt, g) Abort-undPissoiranlagen. Man ist jetzt 
immer mehr dazu übergegangen, die Aborte mit künstlicher Beleuchtung und 
richtiger intermittierender Wasserspülung in die Kellergeschosse der Schul- 
häuser zu verlogen. Die Pissoiranlagen wiesen an fast allen Schulhäusern 
Mängel auf; jetzt werden die verputzten Wände nicht mehr mit Wasser be¬ 
spült, sondern mit einem desodorisierenden Anstrich von roher Karbolsäure ver¬ 
sehen, der aber notwendigerweise öfter erneuert werden müßte, als bisher, h) Die 
Schulplätze waren mit gänzlich ungeeignetem Deckmatorial versehen und 
wurden zu wenig gesprengt, sodaß der Staub in großen Mengen aofgewirbelt 
wurde; erfreulicherweise ist man jetzt dazu übergegangen, die Schulhöfe mit 
Eies zu bedecken. Das nach den Pansen herumliegende Frübstückspapier wird 
in einigen Schalen mittelst großer Zangen aufgclesen und in Körben fortge¬ 
tragen. Als Besonderheit ist noch anzuführen, daß einige Schulhänser durch 
den Lärm des Straßenverkehrs so belästigt werden, daß selbst bei nur teil¬ 
weisem Oeffoen der Fenster der Lehrer rieh nur schwer verständlich machen 
kann. Darum wird immer wieder dringend eine Asphaltierung der betreffen¬ 
den Straßen verlangt. 

Bei Besprechung der Krankheiten der Schulkinder betont Verfasser, 
daß diese Seite die wesentlich unbefriedigende in der Tätigkeit des Schularztes 
sei. weil er wohl die Erkrankung des Kindes feststellen, aber weiter nur wenig 
helfen könne, da den Eltern beim besten Willen eben die Mittel für Arzt und 
Apotheker fehlen; auf irgendeine Weise müsse es sich erreichen lassen, daß 
auch die Kinder der arbeitenden Klassen an den Segnungen der staatlichen 
Versicbernngsgesetzo teilnebmen. Im Berichtsjahr wurden als krank ermittelt 
2469 Kinder; 570 Ueberwachungsbogen für kränkliche und der ständigen Kon¬ 
trolle bedürftige Kinder wurden ausgestellt. 

Sehr erfrenliches berichtet Verfa^-ser in dem Kapitel über die Wohl- 
tätigkeitseinrichtnn gen für skrophulöse, blutarme und lungenkranke Kinder. 
Dank der Tätigkeit verschiedener Vereine und Dank der Mittel, die durch 
Stiftungen zur Verfügung stehen, wurden im Berichtsjahr in Soolbäder ge¬ 
schickt 704, in Heilstätten 35, in Ferienkolonien 80 Kinder; Müchfrühstück 



742 


Kleinere Bfltteiliuigeii nnd Beferste ails Zeitschriften. 


erhielten 620, Schnhwerk 289 Kinder. In den 14 Klassen der Hilfsschnlen 
waren 273 Kinder antergebracbt; Verfasser ist mit der Art der Aoswabl für 
diese Hilfsschalen nicht einverstanden and hofft im Laufe seiner Tätigkeit 
manche Ihr dringend notwendig erachtete Aenderangen einftthren zu können. 
Im letzten Abschnitt des Berichts erfahren wir noch von besonderen hygienischen 
Maßnahmen, von Volks* und Jagendnpielen, von Schwimm- and Bade- 
anterricht. Im Herbst 1906 fand ein Ferienschwimmkarsas statt, an dem in 8 
^Abteilangen 160 Kinder teilnabmen; ihr jedes Bad maßte 6 Pfennige bezahlt 
werden. Außerdem verfügen die Volksschalen über 2 Braasebadanlagen. Im 
Berichtsjahr sind 38 taberkalöse Kinder mit Dettweilersehen Spackflaschen 
aasgerüstet worden. Für die an Spraebgebrechen leidenden Kinder waren 
Stotterkarse eingerichtet, durch welche von 16 Kindern 7 geheilt worden. 

Verfasser ist voll Anerkennang für das große Interesse der städtischen 
Körperschaften an der Schalhygiene and für das Ireadige Entgegenkommen 
der Lehrerschaft. Dr. Solb rig-Allenstein. 


Sckalarzt im Haupt-oder Kebenamt. Von Dr. Juba-Badapest. Zeit¬ 
schrift für Schaigpsandbeitspflege (Beilage: Der Schalarzt); 1908, Nr. 8. 

Verfasser kommt bei seinem aaf dem internationalen Kongreß za Berlin 
1907 gehaltenen Vortrag zu folgender Zasnmmenfassang: 

„1. Die Schalarzr«tellang soll im allgemeinen von praktischen Aerzten 
im Nebenamte eingenommen werden; Schalärzte im Hauptamte sollen nur in 
ganz vereinzelten Fällen in Großstädten angestellt werden. 

2. Damit mehr praktische Aerzte Gelegenheit haben, sich als Schulärzte 
za betätigen, möge ihre Betrauang eine zeitlich und örtlich begrenzte sein. 
Maximam 10, 16, 20 Dienstjahre und 1000 Schalkinder oder eine größere 
Mittelschule. 

3. Die gewesenen Schalärzte sollen in scbalhygienischen Kommissionen 
ihre hygienischen, in Schalpolikliniken ihre praktischen Kenntnisse weiter im 
Interesse der Schale verwerten können. 

4. Die Schalärzte sollen das Recht und die Pflicht haben, armen Schal- 
kindem aaf Grand ihrer Befände das Nötige verordnen za können. 

Dr. Solbrig -Allenstein. 


Bekämpfung des Alkoholismus. 

Das Ssterreichlichn Trankenheitsgesetz. Von Gürtler, Privat¬ 
dozent an der k. k. Karl Franzens - Universität in Graz. Graz 1908. Verlag 
von Leaschner & Lablinsky. 61 S. Preis: 1 Mark. 

Die Veranlassung zu dieser Schrift gab eine in diesem Jahre in Steier¬ 
mark veranstaltete Erhebung über die Entstehungsart der Trankenheitsezzesse. 
Es sollte fest gestellt werden, welche Betriebsstätten der Alkoholgewerbe an 
der Erzeugung dieser Exzesse am ersten beteiligt sind. 

Das als Trunkenbeitsgesetz zu bezeichnende österreichische Gesetz vom 
23. Jani 1881 ist auf dem Boden der Anschauung entstanden, daß an der Aus- 
dehnang der Trunkenheit der Branntwein allein die Schuld trage, während 
Bier and Weii> mehr den hygienischen Getränken zozareebnen sind. Für die 
gefährlichste Art des Brauntweinbetriebes wurde der Ausschank in ausscbliefl- 
Ueb ad hoc eingerichteten Lokalen angesehen und demnächst der Kleinver- 
schleiß durch Branntweinbandlangen ohne Aussebankräume. Die Erbebangen 
zeigen, daß diese Annahmen in keiner Weise zatreffen. Nach den Berichten 
waren die Trankenheitsexzesse häufiger durch Wein and Bier als durch den 
Branntwein hervorgerofen und spielten sich häufiger in anderen Lokalen als 
gerade in Branntweinschänken ab. Wer die Trunksucht bekämpfen will, muß 
sich gegen ihre Entstebungsarsachen wenden; sonst kann es ihm leicht er¬ 
gehen wie jenem hohen österreichischen Verwaltungsbeamten, der, von den 
besten Absichten beseelt, uubygienische Wohnungen sperren ließ and nachher 
za seinem Entsetzen erfuhr, daß die Delogierten nunmehr unter Viadukt- and 
Brücken-Bögen und in Kanälen wohnten. Dr. Paul Schenk-Berlin. 

Alkoholisnias • Sterblichkeit. Von Ch. Fern et. Bulletin Nr. 39 der 
Akademie der Medizin in Paris. 

F. bringt die Zahlen der Alkoholismus-Sterblichkeit in einer Beihe Pariser 



Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften. 


743 


Hospitäler für einen Zeitraum Ton 10—15 Monaten. In 10,2 "/o war der Alko- 
holismuB die Hiaptursache des Todes, in 23 61 **/o die Bcgleitursache. Bei den 
akaten Krankheiten steht das Delirium tremens in erster Linie, viel weniger 
häufig sind Pachymeningitis haemorrhagica und akute Leberrerfettung (?), Ton 
den chronischen Krankheiten am häufigsten Arteriosklerose des Gehirns, Gehirn> 
erweichong, interstitielle Nephritis, Encephalomeningitis diffusa, Cirrhosis 
hepatis. Dr. Paul Schenk* Berlin. 


Elsenbahnhyglene 

Beitrag snr Etsenhabnbygiene. Von Dr. Pickenbach-Berlin. Medi¬ 
zinische Klinik; 1908, Nr. 36. 

Verfasser unterzieht die Aborteinrichtungen und Waschtoiletten in den 
Zttgen einer eingehenden Kritik und kommt zu dem Schluß, daß die Einrich¬ 
tungen der Abteilwagen vom hygienischen Standpunkte ans nicht befriedigen, 
die det Durchgangswagen dagegen den hygienischen Anforderungen genügen. 
Leider fände man auch hier nur zu häufig trotz der guten Anlagen große 
Uebelstände, weil es zu viele Menschen gäbe, die sie teils absichtlich, teils 
unabsichtlich in der gröbsten Weise verunreinigten. Die Einrichtung der 
Wartefrauen sei da eine segensreiche; diese könnten aber nur einen ihnen 
sauber übergebenen Abort sauber hallen, nicht aber einen total beschmutzten 
von Grund aus säubern. Besonders in den von anderen Ländern kommenden 
Durchgangswagen fände man diese unsauberen Verhältnisse vor. Am besten 
wären die Einrichtungen in den Schlaf- und Lozuswagen, weil hier für jeden 
Wagen ein Beamter angestellt sei, der auf Ordnung und Sauberkeit halte. 
Verfasser weist dann auf die Wichtigkeit der hygienischen Abort- und Toiletten- 
einrichtungen hin und macht eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Besserung 
(gut funktionierende Wasserleitung, Trennung von Pissoir und Waschgelegen¬ 
heit, Ausgußbecken, genaue Kontrolle u. a.). Besonders wichtig sei Erziehung 
des Publikums. _ Rpd. 


Soziale Hygiene. 

SozlalmedlzlniBche Ansknnftsstellen. Von Dr. Alexander Rabe in 
Berlin. Deutsche medizinische Wochenschrift; 1908, Nr. 23. 

Habe schlägt vor, eventuell mit Dntersttttzung des Leipziger Verbandes, 
der Landesversicheruogsanstalten, auch reicher Privatpersonen sozialmedizinische 
Auskunftsstellen zu gründen, die in allen den Arzt berührenden wirtschaftlichen 
und rechtlichen Fragen Rat erteilen sollen. (So beachtenswert auch die Aus¬ 
führungen Eabe’s sind, so vermögen sie doch meines Erachtens nicht die 
Notwendigkeit solcher Institute abgesehen von der Schwierigkeit der praktischen 
Durchführung zu beweisen. Mit der Zeit wird die allgemeine medizinische 
Ausbildung der Aerzte eine genügende werden, so daß jeder ohne große 
Mühe den in der Praxis an ihn herantretenden Anforderungen gerecht werden 
kann. Ref.) Dr. Liebetrau Hagen i. W. 

Von Brztlleher Ethik. (Secret commissions). Von Dr. E. S. Mc. Kee> 
Cincinnati. Vortrag vor der mcdico-legal society. The medico-legal journal; 
XXV, Nr. 3, Dezember 1907. 

Assoziationen zwischen Arzt und Apotheker, durch die sich der Arzt 
verpflichtet, seine Patienten in eine bestimmte Apotheke zu dirigieren, sind 
nach dem Urteile eines Wisconsiner Richters ungesetzlich und laufen dem 
öffentlichen Wohl zuwider. In Cincinnati scheinen solche Verträge noch selten 
zu sein; in San Franzisco ist es die Regel, daß der Arzt bestimmte Prozent¬ 
sätze für jedes Rezept von dem Apotheker erhält. Je mehr und je öfter er 
verschreibt, einen desto größeren Nutzen hat er selbst. 

Auch Sanatorien, Heilquellen, Fabrikanten von Patentmedizinen bieten 
in Amerika den Aerzten Geschäftsantoile als Lockmittel an, um sie zu regerem 
Interesse an der Empfehlung zu veranlassen. Bemerkenswert ist das nPre- 
vention of Corruption Act“, ein Gesetz, das jüngst das englische Parlament 
erlassen hat. Praktische Aerzte dürfen nach demselben von Geschäftsleuten 
für Empfehlung ihrer Waren keine Provision empfangen; sie selbst dürfen 


J 



744 


Besprechungen. 


solche nicht an Hotelbesitzer, Hebammen n. a. fttr Znweisnng ron Kranken 
bezahlen. Elin zur Eonsnltation ungezogener Arzt darf nicht mit dem be* 
bandelnden Arzt sein Honorar teilen. Fttr Zaführnng klinischer Patienten 
dürfen an Agenten Entschädigangen bezahlt werden — aber kein praktischer 
Arzt darf eine Eotschädignng erhalten für die Empfehlnng von Patienten an 
Kollegen oder an Hotels, Pensionen, Irrenanstalten oder Sanatorien. 

Bei Unfällen oder Notfällen hat der Arzt — in Amerika — groBe 
Schwierigkeiten, zu verhüten, daß ihm seine Patienten weggenommen und 
durch Polizisten in die Krankenhänser gebracht werden, ln Cincinnati kam 
es sogar vor, daß nach einem Unfalie selbst die Angehörigen des Arztes gegen 
seinen Willen ins Hospital geschleppt werden sollten — nur die energischste 
Einsprache konnte dies verhüten. Manche Hospitäler zahlen nämlich an PoU* 
zisten und andere Hilfskräfte der öffentlichen Ordnung dafür, daß sie ihnen 
Patienten bringen, Geschenke aller Art in Form von Frühstück, von Getränken 
und ähnlichen Gratifikationen. Dr. Mayer* Simmem. 


Besprechungen. 

Dr. Borntr&ger, Reg.* und Geb. Med.*Rat in Düsseldorf: Dlät-Yor- 
Bohrlften fttr Geatmde und Kranke Jeder Art. Fünfte verbesserte 
und erweiterte Auflage. Würzbnrg 1908. ßtnbers Verlag. Preis: 2,50 M. 
ln den in handlichem Blockformat zusammengesteUten Vorschriften 
finden wir neben der rationellen Diät für Gesunde, fast sämtliche wichtigen 
Krankheitsformen berücksichtigt, dabei ist sowohl auf die bemittelten, als 
unbemittelten Kranken Rücksicht genommen. Neu bearbeitet ist in der vor* 
liegenden Auflage die Diätetik der Schwangerschaft, des Wochenbettes und 
des Säuglingsalters. Die vorzüglich ausgearbeiteteu Vorschriften ersparen 
dem Arzt viel Mühe; er braucht keinen langen Diätzettel anfznstellen, sondern 
kann den fertig gedruckten dem Patienten in die Hand drücken und braucht 
ihn nur erforderlichenfalls mit seinen Bemerknngen ergänzen. Die Diät*Vor* 
Schriften werden auch in Einzelblocks zu je 6 Stück ein und derselben Vor¬ 
schrift zu entsprechend billigen Preisen, die sich zwischen 10 und 35 Pig. 
halten, abgegeben; eine für die praktische Verwendung recht zweckmäßige 
Einrichtung. Rpd. 


Dr. Zi. Katz, Spezialarzt fttr Obren*, Nasen* und Halskrankheiten In Kaisers¬ 
lautern : Die Krankheiten der Naaeacheldewand und Ihre Be¬ 
handlung. Würzbnrg 1908. A. Stübers Verlag. Gr. 8°, 167 S. Preis 
6,80 M. brosch., geb. 8. M. 

Die Arbeit von Katz gibt eine systematische Darstellung der Erkran¬ 
kungen der Nasescheidewand nach einleitenden Vorbemerkungen über die 
Anatomie, über Dntersnehnngs* nnd Anäathesiernngsmethoden. Neben der 
Diagnose nnd Prognose ist die Therapie in allen Kapiteln sehr gründlich nnd 
klar besprochen und durch vorzügliche Abbildungen erläutert. Die Ausstattung 
des ganzen Buches mit 8 Tafeln nnd 84 Abbildungen im Text ist bekannt vor¬ 
züglich. _Dr. Roepke-Melsungen. 


Dr. O. V. Hovorka und Dr. A. Eironfeld: Yerglelohende Yolkamedlain. 

Eine Darateilnng voiksmcdizinischer äirten und Gebräuche, Anschauungen 
nnd Heilfaktoren, des Aberglaubens nnd der Zaubermedizin. Mit einer Ein¬ 
leitung von Prof. Dr. Neuburger. Mit 28 Tafeln und etwa 600 Abbildungen. 
Stuttgart 1908. Verlag von Strecker nnd Schröder. Gr. 8**; Preis 
geh. 22,40 M., geb. 28 M. 

Von vorstehendem Werke liegen jetzt die ersten drei Abteilungen; 
der I. Band mit 459 Seiten, 278 Abbildungen und 17 Tafeln und die 
ersten 528 Seiten des zweiten Bandes vor. Das wohl einzig in seiner Art 
dastehende Werk führt uns in das gesamte Gebiet der Volksmedizin, in die 
Heilmethoden und Krankhcitsvorstellangen des Volkes ein und zwar nicht nur 
einzelner, sondern aller Völker. Es gibt eine Schildernng ihrer Entwicklung nnd 
zeigt, wie sich zum Teil die volksmedizinischen Sitten nnd Gebräuche der 
einzelnen Völker untereinander gleichen. Neben einem Wust von Aberglauben 



Tagesnachriohten. 


745 


nnd kindlich naiven Anschanangen fiodet man eine Menge auf richtiger 
Beobachtung und langer Erfahrung beruhender Heilmittel, der sich unsere 
heutige Wissenschaft nicht zu schämen brauchte. Und daß sie es auch nicht 
getan hat, beweist der Umstand, daß sie eine ganze Anzahl dieser Volks- 
mittelcben übernommen hat. Unparteiisch vom ärztlich • wissenschaftlichen 
Standpunkte ans ist das Ganze bearbeitet; es wird in gleicher Weise auf 
die falschen Anschauungen und schädlichen Folgen wie auf die guten und 
nützlichen Seiten der Volks- und Heilmittel aufmerksam gemacht. Der I. Band 
enthalt den allgemeinen Teil, die allgemeine Lehre von den Ursachen, dem 
Wesen nnd der Heilung der Krankheiten. Wir finden darin alle heilwirkenden 
Kräuter, die verschiedenen Gebräuche und Heilmethoden, die im Volksaber¬ 
glauben eine wichtige Bolle spielenden Tiere, mystischen Gebilde usw. 
Im zweiten Band folgt der spezielle Teil nnd zwar sind die einzelnen Krank¬ 
heiten nach Disziplmen geordnet. Den Anfang macht die innere Medizin, 
die in 7 Abschnitten: Krankheiten der Atmnngs-, Kreislauf- und Verdauungs- 
Organe, Nieren-, Harn- und Geschlechtskrankheiten, Nerven- und Geistes¬ 
krankheiten, Blut- und Konstitutionskrankbeiten, Infektionskrankheiten, Ver¬ 
giftungen behandelt ist. Daran schließt sich der zweite Abschnitt; Chirurgie, 
getrennt in allgemeine Volkschirurgie (Wnndverband, Blutstillung, Niüit, 
Blntentziehungen, Ableitung, Geschwüre, Geschwülste, Verrenkungen, Bein¬ 
brüche, Bißwunden, Tollwut) und spezielle Volkschirurgie (darunter Trepanation, 
Verbandstecbnik, Narkose, Hämorrhoiden, Hernien, Becchneidung, Entmannung 
usw.). Am Schloß der H. Abteilung beginnt der reich illustrierte Abschnitt über 
Geburtshilfe und Frauenkrankheiten. Um aus der Fülle des dargebotenen 
Inhalts nur einige besonders interessante Kapitel herauszugreifen, mögen die¬ 
jenigen über Lungenschwindsucht, Cholera und Pest, über Epilepsie, Geistes¬ 
krankheit, Gicht und Rheumatismus sowie über Trepanation, Hundswut, 
Schlangenbiß, Beschneidung usw. erwähnt werden. Alle Abschnitte haben 
neben dem medizinisch - wissenschaftlichen auch einen großen kulturhistorischen 
Wert; sie sind mit enormem Fleiß zusammengestellt nnd lassen eine ausser¬ 
ordentliche Belesenheit der Verfasser erkennen. Das Werk, dessen Wert 
durch zahlreiche Abbildungen erhöht wird, muß nicht nur jeden Arzt, jeden 
Eulturhistoriker nnd Ethnographen, sondern jeden gebildeten Menschen inter¬ 
essieren nnd kann warm empfohlen werden. Bpd. 


Tagesnachrichten. 

Zur Beform der Arbelterversicherung. Der Staatssekretär des Innern 
hat zu den Ende Oktober im Beichsamte des Innern stattfindenden Sitzungen 
über die Beform der Arbeiter Versicherung Vertreter folgender Interessenten- 
grnppen ein geladen: 

I. Zur Besprechung der Fragen der äußeren nnd inneren Organisation, 
sowie des Verfahrens und des lostanzenzuges in Streitsachen der Kranken¬ 
versicherung Vertreter der Orts-, Betriebs-und Innungskrankenkassen, der 
Enappschaftskrankenkassen, der freien Hilfskassen, sowie der Eassenbeamten. 

II. Zu den Konferenzen über die Umgestaltung der anderen 
Zweige der Arbeiter Versicherung (gemeinsamer örtlicher Unterbau 
[gVersicherungsamt“]. und dessen Aufgaben, Gestaltung und Zuständigkeit der 
mittleren Instanz [„Ober-Versichernngsamt“], Wahrung des Rechtes des Ver¬ 
sicherungsträgers, Instanzenzug für das Benteufestsetzuogsverfahren): Vertreter 
der Landesversichernngsanstaltcn, und zwar sowohl beamtete Mitglieder, als 
Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ans den Vorständen; Vertreter 
der gewerblichen und der landwirtschaftlichen Unfallberufsgenossenschaften, 
sowie als Vertreter der der Unfallversicherung unterliegenden Arbeiter eine 
Reihe nicht ständiger Mitglieder des Reichs - Versicherungsamts. 

III. Für die Beratungen der Verhältnisse der Krankenkassen zu den 
Zahnärzten nnd den Apotheken Vertreter der Krankenkassen, der 
Zahnärzte, Zahntechniker, der Apotheker nnd der Drogisten. 

Außerdem werden an den Konferenzen teilnehmen: Vertreter des Beiebs- 
Verslcherungsamts, der Landes-Versicbernngsämter, des Kaiserlichen Gesund¬ 
heitsamts, sowie der Reichs- nnd LandeszentralbehOrden. 

Bei der zu III bezelchneten Besprechung wird es sich insbesondere um 




476 


SprechsaaL 


die ErSrterang darüber handeln, ob bei der Behandlung von Zahnkrankheiten 
neben den Zahnärzten auch die Zahntechniker gesetzlich allgemein für die 
Krankenkassenmitglieder zazolassen sind; ob die freie oder die beschränkte 
Apotheken wähl gesetzlich festznlegen ist, and ob den Krankenkassen in be> 
sonderen Fällen die Entnahme bestimmter Heilmittel aas den Drogerien za 
gestatten ist. Aach wird die Frage des Selbstdispensierrechts der Kranken* 
kassen berührt werden können. 


Zar Bekimpfang der Schlafkrankheit ist zwischen Deatschland nnd 
England nnnmehr auch ein Abkommen vereinbart worden, das vom 1. No* 
vember d. J. ab für drei Jahre gültig ist. Nach dem Abkommen haben die 
englischen and deutschen Aerzte and Beamten der Konzentrationslager mit¬ 
einander in Berührang zu bleiben, am die Besaltate ihrer Forschungen anszu* 
tauschen. Auf beiden Seiten der internationalen Grenze sollen Absonderangs¬ 
lager errichtet werden, in denen Eingeborene, die an der Krankheit leiden, 
festgehalten werden, damit sie die Krankheit nicht in Gebiete übertragen, die 
bisher von der Krankheit frei waren. Das Abkommen beschäftigt sich nach 
mit den zu treffenden Maßnahmen gegen Krokodile und andere Tiere, von 
denen die die Krankheit verbreitende Fliege ihre Nahrung besieht. 


Die Verbreitung der Cholera scheint in Baßland tatsächlich ihren Höhe¬ 
punkt überschritten und in einer stetigen Abnahme begriffen za sein. Jeden¬ 
falls gilt dies von Petersbarg, wo die Zahl der Erkrankangen in den letzten 
beiden Wochen aaf darchschnittlich 60 bezw. 27 gefallen ist. gegen 160—170 
(84—85) in der ersten Woche des Oktobers und 8(X)—400 (110—160) im 
September. 


SpraoluHUtL 

Anfrage des Kreisarstes Dr. 8t.in G.: Gehört die üntersuchang 
and Begutachtung des Gesandheitszastandes von Volks- 
schullehrern zar vertraaensärztlicben Tätigkeit des Kreisarztes gemäß 
§ 115 der Dienstuiweisang, und sind Dienstreisen im Aufträge der König¬ 
lichen Begierang aas der Paaschale za bestreiten? 

Antwort: Die Untersachang and Begatacbtung von Volksschallehrem 
gehört zwar za der amtsärztlichen Tätigkeit der Kreisärzte, jedoch nicht zor 
unentgeltlichen, denn za einer solchen sind sie nar in bezag aaf die König« 
liehen Beamten verpflichtet, die Volksschallehrer sind aber nur mittelbare 
Staatsbeamte. Dienstreisen zur Untersachang von Volksschallehrem sind 
daher auch nicht aas der PaaschalsamTn«) zn bestreiten. 


Anfrage des Dr. M. In M.t Darf ein Arzt die von ihm aus einer 
Berliner Apotheke bezogenen Medikamente an seine Patienten zum Selbst¬ 
kostenpreise abgeben? 

Antwort: Soweit solche Medikamente nach der Kaiserlichen Verordnung 
vom 22. Oktober 1901 aaßerhalb der Apotheken nicht feilgehalfen oder ver¬ 
kauft werden dürfen, ist eine Abgabe seitens des Arztes auch znm Selbet- 
kostenpreis nach § 367 Nr. 8 nicht zulässig, weil diese als ein „Ueberlassen 
an Andere“ anzusehen ist. Dagegen besteht betreffs der übrigen Arzneimittel 
und Arzneizabereitangen — wenigstens in Preußen — keine derartige Be¬ 
schränkung (Urt. des Kammergerichts vom 7. Mai 1900; Zeitschrift 1 Med.- 
Beamte; Nr. 11, S. 375). _ 


Anfrage des Dr. A. in B.: Darf ein Arzt sich zum Stadtverordneten 
wählen lassen? 

Antwort: Ja. Der Kreisarzt ist kein Aufsichtsbeamter im Sinne der 
§§ 17 und 80 der Siädteordnang bezw. 53 der Landgemeindeordnang and daher 
wählbar (s. Entsch. des Bezirksaasschusses in Mersebarg vom 11. März 1904; 
Beil, za Nr. 11 der Zeitsebr. f. Med.-Beamte, 1904, S. 116); er bedarf abtr 
zur Annahme der Wahl der Genehmigang des Begierangspräsidenten (§ 27 
Nr. 6a der Dienstanweisung). 


Verantw. Bedakienr Pro*. Dr. Kapinnnd, B^g.- n. Geh. Med.-Rat in Minden LW 
J. C. 0. Brand, Herzogl* Säobg. n. F.8ch.-L. Hofbncbdrnckerei In Minden. 




«. Jahrit, 


itoa 


Zeitschrift 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zmirilklitt fir dit gesurti iMundMibwitN, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

HeiaugegebeB 


▼on 


GeL Med.-Rat Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Regierangs- and Hedisinnlrat in Minden 1. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fiseher's mediz. Buohhandlg., E Kornfeld, 

Bwj^W.^TLützOT^. 10. 


Insernie nehmen die 


Yerlagthendlang sowie eDe Annoncen-Ixpeditlonen des ln- 
and Aoslendes entgegen. 


Nr. 21. 


Braehelat mm. S. ud HO. Jedem Memate. 


5. Novbr. 


Zur Kasuistik des Giftmordes mit Kalium bichromicum. 

(Ans dem gerichtlich>mediziniflchen Institute der üaiTersittt lu Tokio. 

Vorstand: ProL Dr. K. Katayama.) 

Von Dr. S« Mita. 

Die Vergiftungen mit Kalinm bichromicum werden in neuer 
Zeit besonders hSuflg beobachtet, da dasselbe nicht bloß in der 
Medizin, sondern auch in der Technik stark in Anwendung ge> 
zogen wird und außerdem leicht zu haben ist. Die meisten Ver¬ 
giftungen sind somit medizinale and gewerbliche, doch sind auch 
Seibstmorde wiederholt beobachtet. Dagegen gehören Giftmorde 
mit Kalium bichromicum im allgemeinen zu den äußersten Selten¬ 
heiten, derartige Fälle sind bisher — soweit wir wissen — ttber- 
hanpt noch nicht publiziert worden. 

Freilich kann Kalium bichromicum nur bei kleinen Kindern 
oder hilflosen Greisen zu Mordzwecken dienen, denn erwachsenen 
und vollsinnigen Personen gegenüber ei^et es sich hierzu be¬ 
greiflicherweise fast gar nicht wegen seiner Eigenschaften, die 
es leicht verraten. Die Möglichkeit einer derartigen Vergiftong 
war uns deshalb bis za dem Augenblick völlig unbekannt, wo uns 
der im folgenden zu schildernde Fall zor Beurteilong vorlag. 

Mit Rücksicht auf die seltene Art der Vergiftung, sowie mit 
Rücksicht darauf, daß aus dem Befunde die Unwahrheit der Be¬ 
hauptung der Augeschuidigteu Überzeugend nachgewiesen werden 
konnte, möge es gestattet sein, diesen Fall kurz zu schildern und 












748 Dr. Mita: Zar Kasaiatik des Giftmordes mit Kaliam biehromicum. 

die Easnietik Ton Giftmord mit Ealiom biehromicum um einen 
Fall zn bereichern. 

Die 56 jährige Witwe K., die in glücklichen Verhältnissen lebte, hatte 
sich am 19. Febraar 1907, abends gegen 8 Ohr, wegen Schlaflosigkeit Ton ihrem 
Dienstmädchen T „Schlafmittel* geben lassen. Nach etwa 80 Mlnnten befiel 
die Patientin Angstgefühl; sie klagte über Unwohlsein und Schwäche, sodann 
stellten sich nnerträgUch starke Schmerzen im Leibe und zngleich heftiges, 
fortwährendes Erbrechen, sowie anch Durchfall ein. Die Schwäche der Patientin 
nahm immer mehr zn; wiederholt äußerte sie mit der matten Stimme die Ver¬ 
mutung, daß die Arznei, die ihr das Dienstmädchen gegeben habe, kein „Schlaf¬ 
mittel*, sondern „Gift* gewesen sein müsse. Der gegen 9V> Ohr eintrtffende 
Arzt fand sie schon mit kleinem Puls und im tiefen Kollaps. Es wurden 
wiederholt Kamphereinspritzungen gemacht und zngleich Kochsalzlösung, sotHe 
starker Kaffee und Eiweiß gegeben. Um 11 Uhr trat mehrmaliges Erbrechen 
rötlicher Flüssigkeit ein, auch folgten reichliche blutige dünne Darmentleerungen. 
Der Zustand blieb indessen im ganzen unverändert, bis schließlich um 4 Uhr 
morgens der Tod eintrat. 

Die äußeren Umstände des Falles legten sofort den Verdacht 
nahe, daß die E. an einer Vergiftung gestorben sei. Das Dienst¬ 
mädchen Y. wurde als des Mordes verdächtig in Haft genommen, 
nachdem inzwischen ermittelt war, daß sie schon seit langer Zeit 
ein intimes Verhältnis mit einem medizinischen Schäler angeknflpft 
hatte, der ein Geschäft beginnen wollte und dazu eines nicht ge¬ 
ringen Betrages baren Geldes bedurfte. 

Am folgenden Tage wurde die Leiche der E. dem hiesigen 
gerichtlich-medizinischen Institute überliefert und die gerichtliche 
Sektion ausgefflhrt. Aus dem Ergebnisse der Obduktion seien 
nur folgende, für diesen Fall wichtige Punkte kurz hervorgehoben: 

Die Leiche der 141 cm großen, angeblich und anscheinend 56jährigen 
weiblichen Person zeigt einen ziemlicn kräftigen Körperbau; Fettpoister und 
Muskulatur sind ziemlich gut entwickelt. Die Haut der Umgebung des Mundes, 
namentlich der Kinngeuend, etwas geschwollen, zeigt eine fleckige BOtung. 
An der Volarfläche der linken Hand, über dem ersten Phalangealgelenke des 
Zeige- und Mittelflngers findet sich eine etwa taubeneigroße Hautstelle gelb¬ 
lich gefärbt; diese Färbung läßt sich weder abwischen, noch abspülen. 

Das Herz ist ein wenig größer als die Faust der Leiche; in beiden 
Kammern und beiden Vorkammern findet sich viel flüssiges, schwarzes Blut. 
In der Adventitia der Aorta innerhalb des Herzbeutels, sowie auch überall an 
der Oberfläche des Herzens bemerkt man zahlreiche Ekcbymosen von Steck¬ 
nadelkopfgröße. Das Herzfleisch der rechten Kammer ist im großen und ganzen 
von gelblich - bräunlicher Farbe; auch im linken Herzen ist die Masknlatur 
granbräunlich. 

Die Schleimhaut des Hachens, der Speiseröhre und des Kehlkopfes ist 
iqjiziert. 

Die Kapsel der Nieren ist leicht abziehbar, auf dem hyperlmischen 
Duichschnitt erscheint das Parenchym gleichmäßig granweißlich getrübt. 

Der Magen ist wenig ausgedehnt; seine Kranzgefäße sind dilatiert und 
mit flüssigem Blut stark gefüllt. Der Mageninhalt besteht aus 270 ccm einer 
trüben, blutig tingierten Flüssigkeit, in der sich eine Menge granwolkiger 
schleimiger Masse befindet. Er reagiert sauer und hat keinen spezifischen 
Geruch. Die Magen wand ist stellenweise wie verdickt, hart anzufühlen; außer¬ 
dem ist die Schleimhaut nach ihrer ganzen Ausdehnnng ödematös angeschwollen 
und injiziert. Unter der Schleimbant der großen Kurvatur ist es an 
mehreren Stellen, namentlich in der Nähe der Cardia und des Pyloms, im Um¬ 
fange eines Talerstttckes und darüber, selbst zur Blutung gekommen. In der 
Gegend der Cardia zeigt die Scbleimbaut zahlreiche größere und kleinere punkt¬ 
förmige Ekchymosen, die stellenweise in Gruppen beisammenstehen; sonst 
nirgends Erosions- oder Geschwürsbildung bemerkbar. 

Der Dünndarmkanal, vom Duodenum angefangen bis hinab zur Banhin- 



Dr. Zelle: Zwei gerichtsäratlich intereasuite Fülle tob BnutTerleUangen. 749 

sehen Klappe, ist mit einer dem Mageninhalt gleich beeohaffenen FlttssigkMt 
angefflUt; seine Schleimhaut ist stark gerOtet, die Fojersohen Plaques .sind 
etwas geschwollen. 

Der Dickdarm enthält ca. 160 ccm einer grau - bräunlich gefärbten 
Flttssigkeit von neutraler Beaktion, in der zahlreiehe graue, schleimigelHasseB 
schwimmen. Seine Schleimhaut ist rOtlich* bräunlich gefärbt, die solitären 
Follikeln stark geschwollen. 

Die Leber ist äußerlich blaß, mit einem verschieden stark ausgesprochenen 
Stich ins Qelbiiche; der gelblich «bräunliche und etwas matte Dn^schnitt ist 
verhältnismäßig anämisch und läßt die Zeichnung der Leberläppchen deutlich 
erkennen. 

Die Sektion hat somit eine heftige Entzflndnng der Schleim« 
hant des Verdannngskanals ergeben. Mikroskopisch konstatierten 
wir fettige Degeneration der Leber nnd der Herzmusknlatnr. 

Bei der chemischen Untersuchung der Yorschrifts- 
mäßig ans der Leiche entnommenen Organe (bezw. Inhaltmassen), 
die im hiesigen pharmazeutischen Institute durch Dr. Isidn statt* 
fand, wurde Chrom gefunden nnd zwar in der Forin des im Wasser 
löslichen Salzes. 

Die Ursache der akuten Gastroenteritis, des wesentlichsten 
Sektionsbefundes, ist somit eine klare. Die Erankheitserscheinnngen 
zu Lebzeiten und die Leichenbefunde stimmen genau überein; sie 
entsprechen so genau dem bekannten Bilde der Kalium bichromicnm* 
Vergiftung, daß hier ein Zweifel an Ursache und Wirkung absolut 
ausgeschlossen werden konnte. Nur konnten wir uns anfangs 
kaum die Art nnd Weise vorstellen, wie Kalium bichromicum der 
Verstorbenen beigebracht war; das inzwischen vorgenommene 
Verhör der Beschuldigten brachte jedoch darüber Klarheit. Sie 
gab an, daß sie der Wirtin ,Snlfonal* in Oblate gehüllt gegeben 
habe und blieb hartnäckig bei dieser Behauptung, auch als schließ« 
lieh durch die Hausdurchsuchung die Reste von Kalium bichromicum 
noch im Besitze der Beschuldigten gefunden wurden. Aus dem 
Sektionsbefunde, sowie ans der chemischen Analyse war sonach 
mit voller Sicherheit die Unwahrheit der Aussagen der Ange« 
schuldigten erbracht; es stellte sich schließlich heraus, daß Kalium 
bichromicum als „Schlaßnittel“ dadurch heimlich beigebracht war, 
daß die lebhafte Röte und die enorme Bitterkeit desselben mit 
Hilfe von Oblaten verdeckt worden war. Die Angeschuldigte 
wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus vernrteiit. 

Zum Schluß sei es mir gestattet, Herrn Prof. Dr. E. Eata- 
yama für gütige Ueberlassung des Falies meinen verbindlichsten 
Dank ansznsprechen. _ 


Zwei gerichtsärztlich interessante Fälle von 
Brustverletzungen. 

Von Kreiaarzt Dr. Zelle in Lötzen. 

I. Eine tödliche Verletzung durch Flohertschnss. 

Ich hatte am 31. Oktober 1907 Gelegenheit die Obduktion 
der am 29. Oktober von ihrem Bruder versehentlich erschossenen 
zwölfjährigen Marie G. zu Eranschwitz zu machen und gebe zu« 
nächst folgende wichtige Punkte des Protokolis wieder: 



760 


Dr. Zelle. 


8. Die Broet ist gut gewölbt. o» oberhalb der linkea Bnutwane 
befindet sieh eine mit festem Schorf bedeckte */t cm breite and om lange 
Haatdarchtrennang. Die Omgebang besitst scharfe blatige Bänder, welche 
nach Enilernung des Schorles klaffen. Die Umgebung ist nicht geachwoUen, 
das^Gewebe zeigt sich ringsom bis aaf die Bippen blutig durchtränkt. 

16. Die Brustmuskeln sind kräftig entwickelt und Ton fleischroter Farbe. 
Beim Abziehen der weichen Hautbedeckung von den Bippen zeigt sich links 
in der Höhe der Brustwarze in der Mitte einer etwa talergroßen Dnrch* 
tränkung der Qewebe eine erbsengroße Durchtrennung derselben mit scharfen 
Bändern. Ferner zeigt sich zwischen der 8. und 4. linken Bippe 2 cm vom 
Brostbein entfernt eine erbsengroße Durchtrennung der Zwischenrippen- 
muskulatur. Die Umgebung dieser Durchtrennung ist an der äußeren l^te 
in einem Umkreis von Markstttckgröße mit Blut durchtränkt, an der inneren 
Seite zeigen sich die Bänder der Durchtrennung nach innen gestülpt; eine 
Durchtrankung der Gewebe fehlt hier. Die Bippen und das Brustbein sind 
unverletzt. 

17. An der linken Seite des Herzbeutels befindet sich eine erbsengroße 
Oeffnung mit scharfen Bändern, aus welcher auf leichten Druck Blut quillt. 
Im Herzbeutel befinden sich 40 ccm zum Teil geronnenen dunkelroten Blutes. 
Die Innen- und Außenhaut ist grauweiß. 

Das Herz ist gewölbt, fühlt sich derb und prall an und ist von blaß- 
^muer Farbe. Seine Größe entspricht der geballten rechten Faust der Leiche. 
Etwa in der Mitte der vorderen Wand der linken Kammer sieht man ein 
erbsengroßes Loch mit scharfen Bändern, aus welchem eia kleines Blutgerinnsel 
hervorhängt. 

18. Im rechten Vorhof befinden sich 6 ccm dunkelroten flüssigen Blutes; 
sonst sind Kammer und Vorhof leer. 

Es zeigt sich, daß das Loch die vordere Wand der linken Kammer ganz 
durchsetzt hat und ebenso die hintere Wand. Die Oeffhungen sind mit scharfen 
B&sdern versehen und mit wenig flüssigem Blute bedeckt. Die Vorhofskammer- 
Öffnungen sind für zwei Finger durchgängig. Die Schlagaderklappen sind 
schlußfähig und ebenso wie die Vorhofsldappen zart und ohne Besonderheiten. 
Das Herzfleisch ist hellbraun und derb. Die rechte Kammerwand ist 4 mm, 
die linke 10 mm dick. Die Kranzgefäße sind nicht erweitert. Die großen, 
vom Herzen ausgehenden Gefäße sind leer. 

19. Die linke Longe siebt im allgemeinen graurötlich aus, fühlt sich 
überall elastisch und knisternd an. Am Vorderrande des Oberlappens, 1 cm 
nach innen von dem scharfen Bande und etwa 4 cm nach unten von der 
Lungenspitze findet sich eine erbsengroße Durchtrennung der Lunge mit 
scharfen wenig blutdurchtränkten Bändern. Das Loch durchsetzt den Ober- 
lappen und reicht 2 cm in den Unterlappen hinein. Der so entstandene Kanal 
einhält etwas dunkelflüssiges rotes Blut. Seine Umgebung ist auf V* om 
weit vom Blut durchtränkt; auf seinem Grunde, also im linken Unterlappen 
findet sich eine erbsengroße Bleikugel, welche dem Bichter übergeben ^d. 
Auf dem Durchschnitt ist das Langengewebe glatt und graurot; es entleert 
sich ohne Druck wenig dnnkelrotes Blut. Auf Druck tritt solches mit Schaum 
vermischt etwas stärker hervor. 

28. Im Kehlkopf und oberen Teile der Luftröhre etwas blutiger Schaum. 
Die Schleimhaut ist glatt. Das Zungenbein und die Knorpel des Kehlkopfes 
sind unverletzt. Die Speiseröhre ist leer, ihre Schleimhaut grauweiß und glatt. 
Das vorläufige datachten lautete: 

L Der Tod ist erfolgt durch einen Schuß ins Herz und die linke Lunge, 
n. Sonstige Verletzungen sind nicht gefunden. 

Aul besonderes Befragen: 

UL Die vorgezeigte Sebußwa^e*) ist geeignet, die gefundenen Ver¬ 
letzungen zu erzeugen. 

Unter Flobertwaffen verstellt man flach Doepner*) „Hafld- 
fenerwaffen, bei deflen die treibende Kraft anf einer in dem Boden 


*) Eine kleine spannenlange Kinderpistole unschuldinten Aussehens. 
*) AerzUiche Saidivetständigen-Zeitung; XIV, Nr. 13. 


1 



Zwei gericbtsSrztlicb interessuite FUle Ton Bnutrerletsiuigeo. 761 


der Patrone einsrelagerten Zflndmasse bemht, und die einer eigrent- 
liehen Palyerladnn? entbehren.* Während Mher Flobertgrewebre 
in den Handel gebracht wurden, sieht man jetzt meistens die sehr 
billigen kleinen Flobertpistolen, welche 6 mm Kaliber haben und 
so Uein sind, daß sie in der Hohlband versteckt werden können. 

In Laienkreisen hält man diese Scbußwerkzeuge noch immer 
für ungefährlich und gibt sie Kindern in die Hand. So hatte im 
vorliegenden Fall ein 14jähriger Knabe die Pistole im Besitz; er 
legte im Scherz in 2 m Entfernung auf seine Schwester an, der 
Schuß ging los and in 10 Minuten war das blühende Mädchen 
eine Leiche. 

Noch Schäfer erklärte 1900, daß man den Flobertwaffen 
„kaum mehr als den Wert eines Spielzeuges* beimessen dürfe, da 
Schüsse aus diesem nur zu unschädlichsten Verletzungen Anlaß 
geben und, z. B. beim Schuß in die Schläfengegend, den Knochen 
nicht zu durchdringen vermöchten. Jetzt ist man erheblich anderer 
Ansicht geworden. 

Im vorliegenden Fall hat die Zündmasse (welche ca. 0,06 g 
wiegt und aus Knallquecksilber mit wechselnden Zusätzen be¬ 
steht) die Kraft gehabt, die Haut, das Unterhautzellgewebe, die 
Zwischenrippenmuskulatur eines kräftigen 12jährigen Mädchens 
zu durchschlagen, den Herzbeutel zu durchbohren, die linke 
Kammer vom und hinten zu öffnen und sich noch einen langen 
Kanal in die linke Lunge zu bahnen. 

Da sich die Beobachtungen von Todesfällen und schweren 
Verletzungen durch Flobertpistolen in letzter Zeit unheimlich *) 
vermehren — Doepner (1* c*) ^ l^/> Jahren 5 derartige 

Todesfälle in Königsberg obduziert — so ist ein Einschreiten der 
Polizeibehörde gegen die Waffenhändler und Kaufleute, welche 
diese gefährlichen Spielzeuge den Kindern überlassen, dringend 
geboten. Möchte auch mein Fall zu diesem Zwecke beitragen 
helfen. 

IL Stichwunde in die Brnst, Verletzung einer 
Art. intercostalin, Spätblntnng. jauchige Pleuropneumonie, 

Pericarditis, Tod. 

G-eschichtserzählung. Die 20jährige Johanne L. wurde 
am 1, Juni 1907 von ihrem Bräutigam im Affekt mit einem ge¬ 
wöhnlichen Taschenmesser in die linke Brast gestochen. Geringe 
Blutung, Wohlbefinden, Heftpflasterverband. Vom 6. Juni ab fing 
die L. an zu fiebern, bekam Atemnot, am 9. Punktion mit blutigem 
Ergebnis; am 10. Juni abends wurde sie von dem behandelnden 
Arzt im elendesten Zustand in das früher unter meiner Leitung 
stehende Krankenhaus zu Muskau eingeliefert. 

Der Zustand, wie ich ihn 10 Uhr abends sah, erinnerte mich 
lebhaft an die Beschreibung, welche Hildebrandt*) von Hämo- 
thoraz gab. Hochaufgerichtet mit ängstlichem Gesichtsausdruck 


0 König (SchaBveiletzangen am Thorax) sah 1896—1902 24 derartige 
penetrierende Verletzungen durch 6 —7 mm BeTolver; 8 mal trat der Tod efw 
*) Coler-Bibliothek; XXI, 1. Bd., 8.146. 



762 


Dr. Z«Ue. 


saß die Patientin im Bett, die Arme anf dem Bettrand grestfitat, 
nm die Bmst zn entlasten. Die Lippen waren livide gefftrbt, der 
Kopf aofgfdnnsen, die Stirn mit kaltem Schweiß bedeckt. 

Die Untersnchnng' ergrab: Temperatur 39^ keine Respi- 
rationsbewegnngren auf der linken Seite, trockner blutiger Husten. 
Herz ganz nach rechts gedrängt, Puls 112; Magen tiefstehend. 

Die nächste Indikation war offenbar, der schwer Leidenden 
Linderung zu verschaffen. Es war klar, daß es sich um eine 
Blutung ans einem verletzten Gefäß (Art. intercostalis oder mammaria 
int.) handeln musste. Ich war mir wohl bewußt, daß manchem 
Chirurgen solch Hämothoraz als ein noli me tangere gilt, da er 
einmal sich meistens schnell znrfickbildet, so daß man vielfach glaubt, 
daß das ausgeströmte Blut die Blutung stillt, und dann wegen der 
grossen Infektionsgefahr. Indessen sagt schon EOnig,^) es ist 
„völlig unerwiesen, dass die Ffillnng des Thorax die Blutung 
stillt, dagegen ist es erwiesen, dass die Menschen an den Folgmi 
des Druckes sterben, wenn man den Erguss nicht herauslässt.*) 
Die Furcht vor einer etwaigen Infektion konnte zu Bedenken 
keinen Anlass geben, da solche offenbar schon (89® Temperatur) 
vorher eingetreten war. 

Ich machte demnach die Thorakotomie im ssweiten linken 
Zwischenrippenranm, in dem die Stichwunde zn sehen war, und 
entleerte allmählich, d. h. in einer Stunde, ca. 3 Liter flftssigen 
Blutes. ’) Die Atemnot hörte sofort auf, es gelang mir aber trotz 
eifrigsten Suchens und breiter Spaltung der Gewebe nicht, ein 
spritzendes Gefäss zn finden. Es konnte nur festgestellt werden, 
^ss die Blutung aus der II. Interkostalarterie, nicht aus der 
Art. mammaria int. kam. Eine weitere Nachblutung trat auch nicht 
ein, dagegen entwickelte sich leider eine septische Pleuritis. Die 
Temperatur, die am 11. anf 88® gefallen war, stieg wieder am 
12. und 13. auf 39, am 14. auf 40 Grad ; der Wunde entströmte 
ein pestilentialischer Geruch, so dass ich am 15. die Resektion der 
III. Rippe 4 cm nach innen von der hinteren Achsellinie vomahm 
und gleichzeitig die Wnndöffnung vorne erweiterte. Non war 
eine Kommunikation zwischen Wundöffoung und Resektionsöffbnng 
geschaffen; es wurde täglich zweimal mit 2 Liter abgekochtem 
Wasser dnrchgespfilt, was der Patientin sehr wohl tat. Der 
ffirchterliche Gestank verschwand; es entleerten sich anfangs 
reichlich, dann spärlicher verjauchte Blutklfimpchen und Eitw* 
masse.n. Die Temperatur sank anf 88,7® am 17., blieb dann auf 
ca. 89® stehen. Die Kräfte und das Allgemeinbefinden hoben sieh 
aber; ich hoffte schon die Verletzte dnrchzubringen, als am 
21. mittags plötzlich nach völligem Wohlbefinden der Tod eintrat. 

1) Berliner Klin. Wochenschrift; 1908, 8. 727. 

*) Aach Hildebrandt (1. c.) r&t den Hbnothorax su ponktierai; er 
iah bei abwartender Therapie 4 Verwondete qaalroll an^nde geben. Br 
sagt: „Eintretende Fiebererscheinangen mit Erschwerang der Eespiratioii er¬ 
heischen die Thorakotomie. 

*) Blat im Thorax gerinnt selten, da infolge der wie eine normale 
QefäBwand funktionierenden Pleura das Blut lange flttssig bleibt (Barthelukd: 
Inaug. Dissertation; 1905). 



Zwei geriohts&ntlieh iatereMUite FUle Ton BnutTerletiOBgen. 768 


Die Sektion am 24. Jnni ergab folgendes: 

8. Die Brnflt ist gat fr^wOlbt, die ZwieebenrippeBrSiime etwas ein¬ 
gesunken, die HUchdrOsen sind schlaff. Ans den Brnstwarzen 166t sich nichts 
ansdrttcken. Im zweiten linken Zwischenrippenranm sieht man nach Entfernung 
eines Jodoformgazeverbandes eine 7 cm lange, 8 cm breite klaffende mit grau- 
grOnen Bändern versehene Oeffnung, welche 8 cm von dem linken Brustbein¬ 
ende besrinnt und der zweiten Rippe parallel verläuft. Diese Wunde durchsetzt 
Haut, ünterhautzellgewebe und Zwischenrippenmuskulatur; man sieht durch 
sie deutlich in der Tiefe die blaugrftne linke Lunge. 

9. Der Bauch ist flach, die Bauchdecken sind straff, Schwaagerschafts- 
narben fehlen. 

10. Die Wirbelsäule ist grade. 

Auf der linken Seite des Bflekens handbreit unter dem Schulterblattwinkel 
liegt 4 cm nach innen von der hinteren Achsellinie eine 6 cm lange und 2 cm 
breite, klaffende längs verlaufende Wunde mit schmierig belegten Bändern, 
welche hier und da mit Blut betrocknet sind. Die nähere Untersuchung zeigt, 
daß hier ein etwa 5 cm langes StQck der 7. Rippe kunstgerecht entfernt ist 
Aus der Wunde ragt ein 15 cm langes Drainrohr heraus. 

16. Die Milchdrflsen zeigen auf der Schnittfläche wenig entwickeltes 
Fettgewebe. Auf Druck entleert sich keine Flflssigkeit. Das Brustbefai ist 
unverletzt, seine Innenfläche zeigt anf der linken Seite an den Ansatzstellen 
der Rippen schmierigen graugrtlnlichen Belag. 

16. Im linken Brnstfellsack finden sich etwa 60 ccm rOtliehgelber« 
stinkender Flflssigkeit, im rechten etwa 100 ccm schwach rötlicher. Die rechte 
Lunge ist graurOtlich und zurflckgelagert, sie wird zum Teil vom Herzen be¬ 
deckt. Die linke Lunge sieht schmutzig blaurot aus und läßt sich von ihrer 
Oberfläche ein schmutziggrflner Belag abstreifen. 

Das Lungen- und Rippenfell ist rechts feucht glänzend und ohne Belag, 
links sieht es blaugrflnlich schmierig aus und ist mit einer 0,1 cm dicken 
schmierigen Masse bedeckt. Das MittelfeU ist auf der linken Hälfte schmutzig- 
grfln, rechts blaßrOtlich. Die Brustdrftse ist mit Fett durchwachsen und 
geschrumpft. 

17. Das Herz liegt nach rechts verlagert und zsrar so, daß seine obere 
Grenze die zweite rechte Rippe, seine linke Grenze der linse BrustbeiBrand 
und sdne rechte Grenze die rechte Brustwarzenlinie bildet. 

Der Herzbeutel sieht äußerlich graurot aus. Beim Aufschneiden zeigt 
er sich verdickt und total mit dem Herzen verwachsen. Nachdem die Ver¬ 
wachsungen mit deih Finger gelöst sind, zeigt sieh als Inhalt ein Eßlöffel hell¬ 
rote Flflssigkeit. Die Innenbaut des Herzbeutels ist grauweiß, uneben und 
getrflbt. Das Herz ist gewOlbt; es fflhlt sich schlaff an, ist von blaßroter 
Farbe und wenig von Fett durchwachsen; die Eranzgefäße sind leer. Die 
Große des Herzens entspricht der geballten rechten Faust der Leiche. 

19. Bei der Herausnahme der linken Lunge zeigt sich, daß diese 
besonders hinten und unten derart mit dem Rippenfell verwachsen ist, daß 
die Verwachsungen teils mit dem M<>s8er gelöst werden mflssen. Die Farbe 
der linken Lunge ist schmutzig graugrflnlich. Sie fflhlt sich flberall knisternd 
an. Auf dem Darchschnitt ist das Gewebe lufthaltig glatfund bläolich- bis 
dunkel rot. Es entleert sich ohne Druck etwas dunkelrotes flfl8sig<>s Blut. Auf 
Druck fließt etwas schaumigrote Flflssigkeit und dunkelrotes flflssiges Blut 
hervor. In den größeren LuftrOhrenästen findet sich gelblich flüssiger stinkender 
Inhalt. In den feinsten Verzweignneen sitzt spärlicher grau weißlicher Schleim. 
Ihre Schleimhaut ist bläulichrot. Die Lnngenblntadem sind leer, 'ebenso die 
Schlagadern. Das Lungenfell zeigt flberall sdunierigen graugrflnlichen, bis 1 cm 
dicken käsigen Belag. 

20. Die rechte Lunge sieht graurOtlich aus und fflhlt'^ sich flberall 
elastisch und knisternd an. Auf dem Durchschnitt ist das Gewebe glatt, luft¬ 
haltig und graurot. Es entleert sich ohne Druck etwas schaumig weiße Flflssig¬ 
keit und dunkelrotes flflssiges Blut. Auf Druck tritt beides stärker hervor. 
Die LuftrOhrenäste und ihre Verzweigungen enthalten etwas grauweißen Schleim. 

24. Die.Rippen sind unverletzt mit Ausnahme der VH. linken 

Rippe, von welcher .... ein etwa 5 cm langes Stflck fehlt. 




764 Dr. Zelle: Zwei geriohtBäietlich intereeante FiUe tob BinatTerletxDBgeD. 

Vorläüfiges Gutachten: 

L Der Tod iat infolge eitriger Bnutfellatsflnduig und Herzbeutel* 
entzttodung erfolgt. 

n. Die Brustfellentzündiuig iat die Folge eines Stiches in die Brust 
Auf Befragen des lUchters: 

m. Das uns Torgelegte Messer*) ist geeignet, die Verletzung herbei* 
Zufuhren. 

Der klinische Verlauf im vorliegfenden Falle war also der, 
dass der Messerstich die II. Art interc. links geöffnet hat. Treffen 
Stichwunden den Thorax in rechtwinkliger Bichtung, so ist der 
Wnndkanal meist sehr kurz, in tangentialer Richtung kann der* 
selbe jedoch besonders in den Abschnitten, wo starke Muskel- 
Polsterung liegt, einen längeren Kanal darstellen. In jedem 
Zwischenrippenranm liegen bekanntlich 2 Art. intercostales, die 
der oberen Rippe folgende ist die kleinere, die die untere Rippe 
begleitende weit grösser. Zum Teil liegt die letztere, die 
aUein von Belang ist, etwas hinter der Rippenwand in einer 
Furche, so dass sie nur durch einen schräg nach oben und innen 
gehenden Stich verletzt worden kann. Vor der Arterie liegt die 
Vene, hinter ihr der Nerv. 

Meistens wird bei einer Verletzung die Rippe mit getroffen. 
Dies war hier nicht der Fall. 

Blutungen nach Stichverletzungen der Art intercostalia 
können primär oder sekundär sein. Froriep*) fand bei 14 Stich* 
Verletzungen 13mal sofortige Blutung; in dem einen Fall war die 
Wunde durch vorgefallene Weichteile verlegt, welche die Blutung 
verhinderten. (Bei Schußverletzungen tritt dagegen die sofortige 
Blutung nur in einem Drittel der Fälle ein.) Die primäre Blutung 
kann eine enorme sein. So entleerte in einem Falle eine Arterie 
4 Pfund Blut. Der Ausgang ist demnach auch meistens schlecht. 
Von 15 Fällen im amerikanischen Bürgerkrieg endeten 11 letal. 
Beck') beobachtete 1870—71 98 tödlich verlaufene penetrierende 
Brustverletzungen, von denen 24 an Blutung starben, und zwar 
stammte diese Blutung 18 mal aus der Lunge, 5 mal aus der Art 
intercostalis bezw. mammaria. Stromeyer (Maximen der Kriegs- 
heilknnst) berichtet über einen Fall, wo wegen Empyems die 
Thorakotomie gemacht wurde, die Ari. intercostalis wurde ver¬ 
letzt und Patient starb an Verblutung. 

Eine Unterbindung der Art. intercostalis ist nicht immer 
leicht, schon Beck sa^: „Bei Blutungen ans Zwischenrippen¬ 
arterien könnte nur unter günstigen Verhältnissen mittelst Um¬ 
stechung etwas genützt werden, da meistens der Sitz der Blutung 
nicht genau zu bezeichnen ist.“ 

Thierry und Dulac*) meinten, daß die Verletzungen der 
Art. intercostalia im mittleren Drittel des Zwischenrippenraums 


*) Ein gnwObnlichea, nicht aehr Bchnrfea, aber apitzigea Tzacbenmener. 
*) Ueber Verblntnng nach Verletzung einer Inteikoatalaiterie. Beitrag 
zu klin. Chirurgie; 1898, Bd. 22. 

a) Chiraräe der ScbußTerietzungen. 

De lableeaue des artbrez intereoatalea. Paria 1885. 



Dr. Ejff: Der piaktisohe Wert des poeitiTen Widal. 766 

am gfeffthrliehsten aeieii, weil sie dort am yersteekteaten and 
in der Längsrichtnnpr angeschnitten nicht gnt gefust werden kann. 

In unserem Fall schloß sich die Wnnde in der Arterie spontan; 
erst vom 6. Tage an fing die Nachblntnng an, sich geltend 
zn machen. Es war inzwischen Infektion der Wnnde eingetreten; 
in den Pfropf, welcher die Oeffiinng der verletzten Arterie ver¬ 
stopfte, waren Mikroorganismen eingedmngen. Wie Hilde- 
b ran dt sehr anschaulich beschreibt, beginnt die Lösung des 
Verschlusses an einer umschriebenen Stelle, durch diese ent¬ 
stehende Lücke kann anfangs nur wenig von dem Gefäß-Inhalt 
nach außen gelangen. Ist der Thrombus ganz durchweicht, so 
tritt eine gewaltige Nachblutung ein.^) Diese fiämorrhagie zeigt 
sich klinisch durch die Atemnot und die Verdrängnngserscheinnngen. 

Die vorgenommene Thorakotomie entsprach der vitalen In¬ 
dikation; es trat auch eine weitere Nachblntnng nicht auf, 
obwohl das blutende Gefäss nicht gefunden werden konnte. Die 
feste Tamponade verschloss auch ohne Unterbindung die Arterien- 
wnnde dauernd, aber nun zeigte sich wie Momburg*) ganz 
richtig schreibt; ,Spätblntnngen haben einen sehr perniziösen 
Charakter. *) Sekundäre Erscheinungen von seiten der Pleura und 
der Lungen trüben die Prognose." ESs trat auch hier eine ver¬ 
hängnisvolle Komplikation ein, indem sich eine jauchige Brustfellent¬ 
zündung") einstellte. 

Vielleicht hätte jedoch auch diese dem Leben der Patientin 
nicht ein Ende gesetzt, da sie durch die infolge der Bippenresektion 
ermöglichten ausgiebigen Spülungen sich besserte, wenn nicht 
die Veränderungen am Herzen (adhäsive Pericarditis und Endo¬ 
karditis) zum tödlichen Herzschkg geführt hätten. 


Der praktische Wert des positiven WMai. 

Von Dr. Ejff in Nimptscb, Sanitätorat, staats&rztlich approbiert. 

Mit Hilfe der Wi dal sehen Reaktion ist die Typhnsdiagnose 
wesentlich verfeinert. Bisher ist die Annahme, daß der positive 
Widal das Vorhandensein eines Typhus beweist, durch keine 
gegenteilige Beobachtung widerlegt. Dieser Tatsache ist behörd- 
Ucherseits durch die Errichtung von Medizinal-Untersuchungs- 
Stellen Rechnung getragen, welche die Blutproben unentgeltlich 
zu untersuchen verpflichtet sind. Allmählich ist die Zuhilfenahme 
der Widalschen Reaktion von allen Aerzten als ein wertvolles 
Mittel anerkannt worden, die Diagnose Typhus zu sichern. Die 


*) Die mebtea Nacbblntaagen fallen in die 2. oder 8. Woche (Hilde- 
braadt). Billrotb (▼. Langenbecks Archir; XX., S. 462) eab am 16. Tage 
eine solche aas der Mam. dextra. Palmer sah eine tödliche Naehblatong 
noch am 64. Tage. 

*) VerOffentlichangen aas dem Gebiete des Militärsanit&tswesens; H. 19. 

*) Nach Beck ftthrten Spltblatangen in 60 Ton 69 Fällen sam Tode. 

*) Einen ganz ähnlichen Fall wie den meinen beschreibt Volkmann 
(Beitr. z. Chiror^e; 1836); er yerlor einen Fall von StlchTerletzong der Brost, 
den ein Barbier tamponiert hatte, aa Veijaaohaag des Pleoraezsodates. 



756 


Dr. Eyff. 


anf&ngUche n^tiye und manchmal recht lan^e anableibende 
positive Reaktion mft allerdings den ünmnt vieler Kollegen her* 
vor und bewirkt, daß mancher dem Widal nicht diejenige große 
Bedentnng znmißt, welche ihm in Wirklichkeit znkommt. Da es 
aber nichts Vollkommenes in der Welt gibt, so darf man a priori 
anch von dieser Reaktion nicht stets den gewfinsehten Anfschlnß 
erwarten. Wie außerordentlich wertvoll jedoch der positive 
Widal bei der Benrteilnng von Krankheitsformen ist, die zwar 
den Verdacht eines Typhns erregen, klinisch aber von dem Dnrdi- 
schnitts* nnd Schnlverlanf eines Typhns außerordentlich abweichen, 
beweisen folgende Fälle, welche ich im Städtischen Erankenhanse 
Nimptsch vom 9. Oktober 1907 bis heute zu beobachten Oblegen- 
heit hatte. 

Fall 1 warde am 9. Oktober 1907 wegen Paaailtiams anfgenommea. 
Inzision an demselben Tage. Amll. Oktober Temperaturanstieg: 89,5^ Da die 
Wunde diesen nicht erküren konnte, auch organische Veränderungen nicht 
gefunden wurden, anderseits die Patientin ans einer versenchten Gegend 
stammte, wurde die Blutprobe gemacht- Diese ergab posiUre Reaktion; ebenso 
die am 80. Oktober eingesandte. Am 24. NevemW war sie negativ, ebenso 
am 6. Dezember. Am 13. Oktober kritischer TemperatnrabfaU. Leichter fieber* 
freier, weiterer Verlauf. Entlassung am 18. November 1908. 

Fall 2. Aufgenommen am 13. November 1907. Temperatur 40,2*> 
Seit 8 Tagen krank. Untersuchung der Organe ohne Befund. Am 14. No¬ 
vember positiver Widal. Bis zum 21. November langsamer TemperatnrabfalL 
Vom 22. November fieberfreier Verlaut Am 6. Dezember negativer WidaL 
Entlassung am 13. Dezember 1907. 

Fall 3. Plötzliche Erkrankung am 26. Dezember 1907 mit schnell ein- 
tfetender Somnolenz, Erbrechen, Durchfall. Am 27. Dezember Temperatur 40,2 
Entfieberung am 80. Dezember. Weiterer Verlauf fieberfrei. Am 28. Dezember 
positiver, am 9. Januar 1908 negativer Widal, ebenso am 17. Januar 1908. 

Fall 4. Erkrankung am 81. März 1908 mit Erbrechen, Kopf- und 
heftigen Schmerzen in der Gallenblasengegend. Positiver Widal am 2. April 
nnd am 21. Mai 1908. Sechs Tage (vom 81. März bis 5. April 1908) 89*—41*; 
darauf kritischer Abfall. Am 11. April Temperaturanstieg infolge exsudativer, 
durch Punktion festgestellter Pleuritis. Fieberloser Verlauf. Entlassen am 
24. Mai. 

Fall 6. Erkrankt am 26. Juni mit heftigen Kopfschmerzen, hohem 
Fieber, Durchfall. TemperatnrabfaU am 28. Juni. Leichter Temperatur¬ 
anstieg infolge Diätfehler am 7. Juli. Fieberloser Verlauf seit dem 14. JoU. 
Die erste Blutprobe am 26. Juni verUef negativ; die zweite am 80. Juni 
positiv auf Paratjphus; die dritte am 6. Juli Widal positiv; die vierte am 
11. JnU negativ; die fönfte am 30. Juli positiv auf Paratyphns. 

Pall 6. Erkrankte am 20. Juli mit heftigem Erbrechen nnd Dnrch&U. 
Bei seiner Aufnahme ist die Temperatur eine normale. Blutproben am 28. Juli 
und 80. JnU ergaben positive Reaktion. 

Sämtliche Fälle zeigen einige gemeinsame Eigentfimlich* 
keiten. 

Der Beginn ist ein plötzlicher, mit hohem Fieber nnd 

großen Beschwerden verbundener. Schttttelfrost, Erbrechen, z. T. 
Somnolenz geringen oder hohen Grades leiten die Erkrankung 
ein. Nach wenigen Tagen klingt das schwere Bild gewöhnli^ 
kritisch ab; der weitere Verlauf ist ein fieberloser. So zeigt: 

Fall 1 ... 4 Tage Fieber, FaU 4 ... 6 Tage Fieber, 

Fall 2 ... 9 „ „ Fall 6 ... 8 , , 

FaU 8 ... 4 „ „ FaU 6 hatte nur 2 Tage nach der 

Aufnahme leichte Temperatnrsteigemng bis 37,6*. 



Der praktische Wert des pesitiTen Widal. 


767 


Nach der Entflebemn^ ist die BekonTaleszenz eine besehwerde- 
lose, schnell zur Gesnndongf fahrende. So wird 


Fall 1 nach 84 
FaU 8 « 89 
Fall 8 , 84 


Tagen eaüassenv 

» n 

» n 


Fall 4 nach 65 Tagen entlassen, 
FaU6 , 66 „ 

FaU6 . 20 , 


Fall 4 nahm längere Zeit in Ansprnch infolge einer Rippen- 
fellansschwitznng, die am 12. Tag einsetzte; Falls infolge einer 
im Anfang nicht streng genug dnrchgeiahrten Diät, die am 
13. Tage der Behandlung einen nochmidigen 7 Tage dauernden 
Temperaturanstieg zur Folge hatte. 

Trotz dieser die Genesung verzögernden Komplikation blieb 
der einzelne Fall durchnittlich nur 38 Tage in Behandlung. 
Diese galt immer erst dann als abgeschlossen, wenn der Patient 
wenigstens 8 Tage mit gutem Appetit jegliche Nahrung zu 
sich nahm. 


Diese leichten Fälle bezeichneten wir frflher als gastrisches 
Fieber. Ohne die Tatsache, daß der positive Widal ünterleibs- 
typhus beweist, würde kein Diagnostiker die Behauptung, daß in 
diesen Fällen zweifellos Unterleibstyphus vorlag, anfstellen dürfen. 
Zum mindesten wflrde die Natur der Erkrankung fraglich geblieben 
sein, da bei der Mehrzahl der Fälle die den Verdacht untersttttzen- 
den und den Beweis fahrenden klinischen Symptome fehlten. 
Weder Roseolen, noch Milztumor waren in beweiskräftiger Form 
vorhanden, Durchfälle nur selten. Nur das Fieber, welches durch 
nachweisbare Organerkrankung in keinem Falle zu erklären war, 
gab Veranlassung zur Blutentnahme behufs Untersuchung; zum 
Teil auch die Tatsache, daß die Patienten aus verseuchten 
Gegenden stammten oder mit Typhuskranken in Bertthrung ge¬ 
kommen waren. 


In 5 Fällen war der Widal schon bei der ersten Blutein 


Sendung positiv, also schon am 2. Tage der Erankenhausbehand- 
lung. Dies mag Zufall sein, beweist aber doch, daß in weitaus 
den meisten FäUen die Reaktion, wenn überhaupt, schon anfangs 
positiv ist. 

Von großem Interesse ist die Dauer der positiven Widalschen 
Reaktion in diesen Fällen. Wir wissen, daß diese bei den an 
Typhus Erkrankten jahrelang positiv bleiben kann, daß wir daher, 
bevor wir den positiven Widal für die Diagnose verwerten, fest- 
steilen müssen, daß der Patient nicht schon Unterleibstyphus ge¬ 
habt hat. Es ist selbstverständlich, daß in den zur Besprechung 
herangezogenen Fällen diese Frage verneint worden ist. Hier 
wird der positive Widal 

im Fall 1 + aogetroffen am 2., — am 43. Tage, 

im Fall 2 -j- „ „ 2., — am 22. , 

im Fall 3-1- „ »2., — am 12. „ 

im Fall 4 -|- n 2., — ebenso am Tage der Ent- 

lassong. d. h. am 66. Tage, 
im Fall 6 „ „ 11., — am 66. Tage, 

im Fall 6 -j- , n 2., — ebenso am Tage der Ent¬ 

lassung, d. h. 20. Tage. 

Aus dieser Beobachtung geht hervor, daß in ’/g dieser Fälle 
das Agglntinationsvermögen ein recht kurzes war. In einem Fall 



758 Dr. Eyff. 

trat es verspätet am 11. Tagfe auf and war am 16. Tag^e schon 
verschwanden. 

Nar in zwei Fällen war die Reaktion noch am Tag^e der 
Entlassang', d. h. am 55. and am 20. Tage eine positive. Es ist 
bisher nicht klar, wovon die geringere oder größere Agglatinations- 
daaer im einzelnen Falle abhängt; es scheint, als ob die Schwere 
der Infektion einen ansschlaggebenden Einfloß aasflbt. Von den 
beobachteten Fällen verliefen 4 leicht nnd verloren schnell die 
Agglatinationskraft. Die beiden anderen Fälle (Nr. 4 and Nr. 6) 
zeigten allerdings aach einen darchans leichten Charakter and be* 
hielten doch das Agglntinationsvermögen. Es ist sicher von In¬ 
teresse, an der Hand einer größeren Zahl von Blntantersnchnngen 
bei Typhnskranken festznstellen, ob im allgemeinen die Däner des 
Agglntinationsvermögens parallel der Schwere der Erkranknng geht 
and ob das Vorhandensein der Agglatinationskraft noch nach Jahren 
einen Schloß aaf die Schwere des darchgemachten Typhös ge¬ 
stattet. 

Die Fälle beweisen ferner, daß im Verlauf einer Typhus- 
epidemie der Krankheitscharakter ein gänzlich veränderter wer¬ 
den kann. Wir haben vom Jahre 1900 bis znm Jahre 1907 
75 Typhen im hiesigen Erankenhause za behandeln gehabt. Darch- 
schnittlich dauerte die Behandlnng der Genesenen 45 Tage. Von 
diesen Erkrankten starben 15, d. h. 20®/o. Die Dauer der Er¬ 
krankung and der hohe Mortalitätsprozentsatz beweisen zur Qa- 
nftge, daß der Krankheitsverlanf fast stets ein schwerer war. 
In der Tat erinnere ich mich nicht, Typhen hier beobachtet za 
haben, die nicht wenigstens 3 Wochen ihre typischen Temperataren 
zeigten, wohl aber oft Fälle, die recht sc Wer verliefen, immer 
wieder unerwartete Temperatursteigerungen aufwiesen und recht 
lange Zeit in Anspruch nahmen, üm so ttberraschender war mir 
der eigenartige Verlauf des am 9. Oktober 1907 aufgenommenen 
Falles. Seit dieser Zeit kamen im Ganzen 8 Typhen zur Beob¬ 
achtung, von denen 6 diesen kurzen Verlauf zeigten. Auf Grund 
dieser Beobachtung ist der Schloß gerechtfertigt, daß im Kreise 
Nimptsch die Virulenz des Typhuskeims eine wesentlich abge¬ 
schwächte und daß die Erkrankung, welche durch den so ver¬ 
änderten Typhuskeim hervorgerufen wird, eine von dem gewöhn¬ 
lich sonst beobachteten Verlauf außerordentlich abweichende kurze 
and verhältnismäßig leichte geworden ist. 

Je schwerer unter diesen Umständen die Diagnose Typhus 
auf Grund der Beobachtung des klinischen Verlaufs geworden ist, 
um so wichtiger ist die Zuhilfenahme der Widalschen Reaktion; 
denn nur durch sie ist es möglich, die Diagnose zu sichern and 
so rechtzeitig diejenigen Maßnahmen zu treffen, welche einer 
Weiterverbreitung Vorbeugen. Diese leichten Fälle zu erkennen 
und sie rechtzeitig zu isolieren, wird im sanitätspolizeilichen In> 
teresse von größtem Wert sein. Sie sind für die Allgemeinheit 
gefährlicher, als schwere Fälle, die — isoliert — unschädlidi 
gemacht sind. 

Ist aber durch solche Fälle, wie ich sie beschrieben habe. 



Der prekiieehe Wert des podtiTen Widel. 769 

nachg'ewiesen, daß besondere Formen der Typhuserkrankangen 
nnr durch die Widalsche Reaktion nachgewiesen werden können, 
so ist um so mehr die von mir schon im Jahre 1903 anfgestellte 
Forderang (cf. Zeitschrift für Mediziaalbeamte 1903) za wieder- 
holen, daß in allen typhasverdächtigen Fällen auch wenn die Tempe¬ 
rataren nach wenigen Tagen normale geworden sind, die Blat- 
entnahme möglichst am Tage der Uebernahme der Behandlang von 
jedem Arzt, zam wenigsten aber vom zuständigen Kreisarzt, 
gesetzlich za fordern ist. 

Schwierig ist die Beantwortong der Frage, welche Ma߬ 
nahmen bei derartig leichten Formen sanitätspoiizeilich getroffen 
werden mtlssen. Die Isolierung im Erankenhause bis zur de- 
sondong wäre die beste, wirksamste Maßregel. Sie wird häufig 
an dem Widerstande des sich verhältnismäßig wohl fühlenden 
Patienten scheitern. In solchen Fällen wird nichts übrig bleiben, 
als darch vernünftige Vorsteilangen die Patienten zur Vorsicht 
zu ermahnen and ihnen anzageben, wie allein durch eine zweck¬ 
mäßige Behandlang der von ihnen gelieferten Ezkrete weiteres 
Unheil vermieden werden kann. Die lykargische Verordnung, 
derartige gemeingefährliche Menschen zwangsweise abzasondem, 
wird in unserer die Freiheit des Individaams möglichst wenig 
beschränkenden Zeit keine genügende Unterstützung finden. Eine 
solche gesetzliche Maßregel wäre aber das sicherste und beste 
Schutzmittel. 

Zum Schluß sei mir gestattet, noch kurz eines Falles (Nr. 7) 
zu gedenken, der am Tage vor seinem Ableben als Typhus mit Hilfe 
der Wi da Ischen Blutprobe diagnostiziert wurde. 

Die 56j&hrige Patientia wurde am 24. April im Erankenhause aufge- 
nommen. Die Untersuchung ergab eine lobuläre Entzündung des rechten oberen 
Lappens. Innerhalb 6 Tage lytische Eaifiebernng. Am 10. Tage plötzlich 
Temperatursteigerang bis 40,2**. Da neue Erkrankungen von Langengebieten 
nicht nacbgewiesen werden konnten, anderseits die Patientin somnolent 
wurde, ließ ich die Widalsche Blutprobe am 4. Mai 1908 machen. Sie ergab 
positive Beaktion. Am Tage nach derselben, am 6. Mai, trat der Tod ein. 
Die Sektion bestätigte die Lungendiagnose. Im Verlaul des Darmtraktus 
ließen sich schwere Veränderungen nicht nachweisen. Größere Partien des 
Dickdarmes sahen leicht gerötet aus. An einer Stelle war die Schleimhaut 
geschwürähnlich, wallförmig aufgeworfen. Aasgebildete Geschwüre wurden 
nicht gefunden. 

Dieser Fall ist interessant. Er beweist wieder, daß neben 
einer schweren organischen Erkrankung eine Typhusinfektion 
gleichzeitig Vorkommen kann; ferner, daß die Diagnose Typhus 
auch hier nur mit Zuhilfenahme der Wi dal sehen Reaktion sicher 
gestellt werden konnte, und drittens, daß zu einer Zeit, in der 
schwere Vergiftungserscheinungen klinisch beobachtet werden, 
schwere Veränderungen im Bereich des Darmtraktus nicht ge¬ 
funden zu werden brauchen. 

Die Wichtigkeit des positiven Widal und sein praktischer 
Wert werden durch diese Beobachtung zur Genüge bewiesen. 

Dem Arzt, der gewöhnt ist, Unterleibstyphen in alter Weise 
zu bewerten, wird es schwer fallen, sich zu der Annahme zu 
entschließen, daß Typhen einen anderen kürzeren Verlauf haben 



760 Der Entwarf eines Giesetsos, betr. die Bereitsteliang von Mitteln la Dienst* 

können^ als die Typhen, welche wir als Dorchsehnittstyphen aui 
der Universität kennen gelernt haben. Anderseits werden wir 
nicht ambin kOnnen aui Grand der angeführten Beobachtangen 
zazageben, dass im Verlaafe einer Epidemie das Viras derart ab¬ 
geschwächt bezw. in seinem Charakter geändert werden kann, 
daß es nar im Stande ist, leichte abortive Erkrankungen hervor- 
znrafen. Als Kliniker würde ich am liebsten diesen Erkrankungen 
den Namen Febris gaetrica zalegen; der positive Widal zwingt 
ans aber, den Namen Typhös zu wählen. 

Sache der weiteren Forschung wird es sein, festzustellen, 
dass der positive Widal nie bei anderen Erkrankangen gefunden 
wird. Solange gegenteilige Beobachtungen nicht gemacht werden, 
müssen wir ihm jedenfalls die Beweiskraft für das Vorhanden¬ 
sein eines Unterleibstyphus beimessen und so seinen Wert als 
einen ausserordentlichen bei der Sicherung der Diagnose Typhus 
einschätzen. 


Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Bereitstellung 
von Mitteln zu Diensteinkommensverbesserungen und die 
erste Beratung des Abgeordnetenhauses Uber den Entwurf. 

Vom Herao^geber. 

Die Bestimmungen des vorstehenden Entwurfes, soweit wie 
sie für die Medizinalbeamten in Betracht kommen, lauten wie folgt : 

g 2. Die Gewährang der Diensteinkhnfte aueschliefilieh der Wohooiiga* 

f eldzaechttsse erfolgt aal Grand der anliegenden Besolhangsordnong an die in 
ieser aafgeltthrten Beamten. 

Die Bezüge für Nebenämter and Nebenbeschäftigiugen, soweit nicht die 
Besoldangsordnang hierüber Bestimmangen enthält, bleiben Ton Torstehender 
Vorschrift anberührt. 

Aenderangen der Besoldangsordnang können durch den Staatshaoshalts* 
Etat erfolgen. 

§ 3. Den im § 1 and im § 2, Abs. 1 enthaltenen Vorschriften Uber 
DiensteinkommensTerbesserangen der Beamten wird rückwirkende Kraft tob 
1. April 1903 ab beigelegt. Dies gilt nach zagansten der seit dem Beginne 
des Etatsjahres 1908 aas dem Dienste geschiedenen Beamten mit der Wirkung, 
daß auch die Pensionen der nach dem 1. April 1903 in den Bnhestand ge¬ 
tretenen Beamten and die Versorgangsansprücne der Hinterbliebenen der n^t 
dem 1. April 1908 verstorbenen Beamten anderweitig festgesetzt werden. 

Die Vorschrift dos Abs. 1 findet auf die unter § 6, Nr. 1 b bis f dieses 
Gesetzes vorgesehenen DiensteinkommensTerbesserangen and FondserhOhoages 
entsprechende Anwendnng. 

§ 4. Soweit das Diensteinkommen eines Beamten an Gehalt, Zalagen 
and Wohnangsgoldzaschaß oder Mietsentschädigaog für das Eiatsjahr 1908 
hinter den buherigen Bezügen znrückbleibt and bei den Beamten, welchen 
auf Grand des Nachtrags zam Staatshaushalts-Etat für 1908 einmalige Za- 
iagen gewährt worden sind, nicht am den Betrag dieser Zulage verbessert 
wird, ist die Staatsregierupg ermächtigt, über den Etat den Unterschied ab 
nichtpensionsfähigen Zaschaß zu bewilligen. Der bewilligteZoschnß wird 
bb za dem Zeitpunkte gewährt, mit dem durch Gehaltserhöhung oder Aafsteigen 
im Gehalte, durch Zulagen oder durch höheren Wohnangsgeldsascbaß oder 
höhere Miotsontschädigung ein Ausgleich eintritt: hierbei bleiben ErhOhiuigea 
des Wohnungsgeldzaschasses oder der Mietsentschädigang insoweit außer Aa- 
recbnung, als sie lediglich infolge der Versetzung an einen Ort einer hOherea 
Ortsklasse eintreten. 



eiakomiiMnsverbeaserangeii nnd die I. fiemtang im Abgeordnetealieiue niw. 761 

In gleicher Weise kann den Pensioniren, welche im Staatsdienste wieder 
angestellt worden sind, ein etwaiger Anslali an Pension nnd Ihensteinkommen 
bis m dem angegebenen Zeitponkt ttber den Etat ersetzt werden. 

In der Begründung zn dem Gesetzentwurf heißt es: 

Nachdem in den letzten beiden Jahren der Wohnongsgeldzaschnß der 
ünterbeamten erhöht worden, die Gehälter zahlreicher luterer nnd mittlerer 
Beamten des Außendienstes eine dringliche Anlbessernng erfahren haben and 
die Pensions* nnd Hinter bliebenenbezttge der Beamten and Volksschnllehier 
Terbessert worden sind, beabsichtigt nnnmebr die Staatsregierang in bereit* 
williger Betätignog ihrer FOrsorgepflicht and in üebereinstimmnng mit der 
mehrfach kandgegebenen Aolfassang der Landesvertretang, das bedentsame 
Werk einer allgemeinen Nearegelang der Einkommensbezttge der anmittelbaren 
Staatsbeamten, der Volksschallebrer and der Geistlichen beider christlichen 
Konfessionen zam Abschlaß za bringen. Durch die gegenwärtige Vorlage 
wird eine Aafbesserang der Besoldangen in einem solchen Umfange and mit 
Aafwendang so großer Staatsmittel erfolgen, wie sie bisher noch nicht in 
Preußen auf einmal stattgefanden hat. 

Bei den etatsmäßigen unmittelbaren Staatsbeamten flndet nach den Vor* 
Schlägen der Besoldangsordnnng eine allgemeine Aafbesserang der Gehälter 
der Unterbeamten, durchweg auch der mittleren und eines großen Teils der 
höheren Beamten statt. Wie bisher soll aach in Znkanft die Gewährong eines 
Wohnangsgeldzaschasses an die etatsmäßigen Beamten im Beicbe und in 
Preußen nach den gleichen Grundsätzen erfolgen, insbesondere soll die im 
Beiche Torgesehene Neaeinteilang der Orte nach Ortsklassen aach für Preußen 
maßgebend sein. Die fttr das Beich in Aussicht genommenen veränderten ge* 
setziichen Vorschriften wegen Gewährung von W ohnungsgeldzuschttssen stod 
im Bandesrate noch nicht darchberaten worden. Nach den beabsichtigten 
Aenderongen soll eine namhafte Erhöhung der Wubnungsgeldzaschlisse für alle 
Beamtenklassen eintreten, wobei die 1906 erfolgte Aafbesserang des Wohnangs* 
geldznschasses der Unterbeamten Berücksichtigung finden mußte. Für Preußen 
bt nach dem gegenwärtigen Stande der Beratungen mit einer Mehrausgabe 
von rund 28 Millionen Mark für Wobnungsgeldzus^üsse zu rechnen. 

Ferner sollen die Diensteinkünfte der diät arisch beschäftigten 
Beamten mit Ausnahme weniger Beamtenklasssn heraufgesetzt werden. 

Unter Ausgleichung nicht mehr berechtigter Verschiedenheiten und unter 
Berttcksichtigung der gegenwärtigen Lebens* und TeuerungsTerhältnisse sollen 
die Besoldangen derjenigen Personen neu geregelt werden, für welche der 
Staat als Dienstherr unmittelbar zu sorgen verpfiichtet ist oder fttr welche 
zwar die Fürsorge anderen öffentlichen Verbänden in erster Linie obliegt, fttr 
die aber der Staat, soweit diese Verbände zur Erfüllung ihrer Fürsorge* 
Terpfiichtungen unvermögend sind, mit seinen Mitteln helfend einzutreten für 
geboten hält. Die vorgesehene Erhöhung der Bezüge für unmittelbare Staats* 
beamte, Lehrer und Geistliche erscheint in gleichem Maße dringlich und kann 
daher nur einheitlich in Kraft gesetzt werden. 

Aus alledem erhellt die große wirtschaftliche und soziale Bedeutung der 
Maßnahme. Einerseits bt es ein hocherfreulicher Vorgang, wenn durch die 
gedachten Aufwendungen das Einkommen von hunderttausenden Angestellten 
öffentlicher Verbände erhöht, die Lebenshaltung dieser überwiegend dem Mittel* 
mande angehörigen Bevölkerangsteile erleichtert, ihre Arbeitsfreudigkeit und 
ihre Hingebung an die öffentlichen Interessen gehoben wird. Anderseits ist 
aber als Kehrseite auch nicht die schwere nach Hunderten von Millionen sich 
beziffernde Belastung zu verkennen, die der Gesamtheit der Bevölkerung hieraus 
erwächst. Bei allem Wohlwollen, das die Staatsregierung fttr die ihrer Fttr* 
sorge anvertrauten Beamten hegt, war daher eine Beschräckung der Gehalts* 
aufbesserungen auf das Maß des Notwendigen geboten, um die Lasten aus der 
weiteren Anspannung der Staatsmittel für die produktiven Stände nicht Über 
Gebühr ansteigen zu lassen und die Erfüllung der anderen dem Staate ob* 
liegenden Kulturaufgaben nicht zu gefährden. Es mußte überall die mittlere 
Linie zwischen den vielfach weit gesteckten Ansprüchen und Wünschen der 
Beamten nnd der schuldigen BUcksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit 
des Staates sowie der steuerlichen Beschwerung der Bevölkerung innegehalten 
werden. 



762 Der Eatworf eiiiee Geeetsee, betr. die Bereitetelliug tob lütteln la DioBet* 

So glaubt die StaateregieruBg die HoffiiUBg begeB m dttiioiy daS die 
laBgereebnte Neuordoong der DieosteiBkommeBebestlge die berechtigtes Ister* 
essen der Beamtes, Lehrer und QeistJichen befriedigen und eine Quelle 
dauernden Segens fdr sie werden wird, ohne dech die Staatsdiener einseitig 
auf Kosten der anderen Bcrufsst&nde zu begünstigen und diesen gerechten 
Grund zur Beschwerde wegen Ueberbürdung zu geben. 

Beigefttgt ist dem Gesetzentwurf eine Besoldnngsord* 
nnng, in der die Gehälter der Medizinalbsamten wie folgt ge¬ 
regelt werden: 

A. Gehälter, die naeh DleBstaltersstufen aufsteigeBt 

Klasse 89. 

8000-8600-4200-4800-5400-6000-6600-7200 M. 

11. Yollbesoldete Kreisärzteeinschließlichdeijenigen, welche als ständiM 
Hilfsarbeiter bei den Begiernngen sowie beim Polizeipräsidium in Berfm 
und bei den Medizinal-üntersuchungsämtem beschäftigt werden. 

(Auf die Besoldung der yoUbesoideten Kreisärzte kommen die auf 
Grund des § 1 des Gesetzes vom 9. März 1872 [GesetzsammL S. 866] 
^währten Fuhrkostenentschädigungen und die den yolibesoideten 
Kreisärzten noch zufließenden Gebühren fm Dienstgeachäfte in 
Anrechnung.) 

Klasse 41. 

4200-4800-6400-6000-6600-7200 M. 

8. Begierungsräte bei den Begierungen. 

Klasse 50. 

7600-8700-9900-11000 M. 

1. Vortragende Bäte bei den Ministerien. 

B. Gehälter, die nieht naeh Dlenstaltersstufen anflstelgen. 

Klasse 52. 

5. 1800—8600, im Durchschnitt 2700 M. 

a. Nicht Tollbesoldete Kreisärzte und Geriehtsärzte. 

(Außerdem Stellenzulagen yon durchschnittlich 460 M. Aof die Be¬ 
soldung kommen die auf Grund des § 1 des Gesetzes vom 9. März 1872 
[Gesetzsamml. S. 265] gewährten Fuhrkostenentschädigungen und dto 
Gebühren für die Wahrnehmung ortspoiizeilicher Geschäfte in Orten mit 
Königlichen Polizeiyerwaltungen in Anrechnung.) 

b. Nicht Tollbesoldete Kreisärzte als Vorsteher der Medizinal-Unter- 

suchungämter in Potsdam, Liegnitz, Magdeburg, Hannoyer, Stade, 
Coblenz und Düsseldorf. 

(Außerdem Stellenzulagen yon durchschnittlich 460 M.) 

Begründung zu Klasse 89 u. 58. 

Die Gleichstellung der yolibesoideten Kreisärzte im Gtehalte mit den 
übrigen Beamten der Besoldungsklasse 39 bedingt den Fortfall der yon dieeea 
Kreisärzten nach den geltenden Bestimmungen zum Teil noch bezogeaen 
Gebühren für die Dienstgescbäfto und der Fuhrkostenentschädigung aus § 1 
des Gesetzes yom 9. März 1872 (Gesetzsamml. S. 265). Desgleichen sollen bei 
Erhöhung des Durchscbnittsgebalts der nicht yolibesoideten Kreisärzte yom 
2250 M. auf 2700 M. gleichzeitig die yorbezeichnete Fuhrkostenentschädigung 
und die den nicht yoUbesoideten Kreisärzten gegenwärtig noch zulUeßendeii 
Gebühren für ortspolizeiliche Dienstyerrichtungen in Bezirken mit KOniglkber 
PoUzeiyerwaltung fortfaUen. 

Die gesetzliche Grundlage für die Beseitigung dieser — übrigens teil¬ 
weise auch in ihrer rechtlichen Begründung niät zweifedsfreien — Nebem- 
einkttnfte sowfb für eine dem Vorgehen bei den Kreistierärzten analoge Begelnag 
der Pensionsyerhäitnisse der nicht yoUbesoideten Kreisärzte wird durch 
bei dem Landtage demnächst zur Vorlage gelangende Gesetz, betreffend die 




einkODUBMisTerbeBaeiiugMi and di« I. Beratong im Abgeoidneteohaoae luw. 708 


OebOhrea der Hedlsiaalbeamteii, geachaffen werden. Das Gesets, aol dessen 
nähere B^rOndnng Besag genommen wird, soll gleichzeitig mit der Besoldnngs* 
ordnang in Kraft treten. Falls diese Voraasseuang nicht eintreten sollte, ist 
beabsichtigt, die oben benannten besonderen NebeneinkOnfte der Krelsirzte 
aniiOilch der Qehaltserhöhang im Verwaltangswege zn beseitigen. Diesem 
Zwecke dienen die Vermerke za Klasse 89 Kr. 11 and Klasse 62 Nr. 5 der 
Besoldanssordnang, betreffend die Anrechnang Ton Nebenbezttgen aaf die Be¬ 
soldung der Kreisärzte. Die Vermerke werden indessen gegenstandslos, wenn 
die Gesetzesrorlage, betreffend die Qebtthren der Medizinalbeamten, gleichzeitig 
zur Verabschiedang gelangt. Welche Aendeinngen der Etat des IDniateriams 
der gebtlichen asw. Angelegenheiten im letzteren Falle erfährt, ist in der 
Schimibemerkang 6 der Besoldongsordnang (s. nachstehend) vermerkt. Im einzel¬ 
nen ist hervorzaheben, daB ihr die vor dem 1. April 1908 an gestellten Kreisärzte 
wegen des Aber die BesoldangserhOhang hinaasgehenden Fortfalles von Neben« 
einnahmen in ihren jetzigen Steilen vorttberaehende Entschädigaogen vorgesehen 
werden, welche deshalb als kttnftig wegfiuiend bezeichnet sind. Die Minder- 
dnnahmen an Gebühren, welche den in Bezirken mit Königlicher Polizcd- 
verwaltang amtierenden, nicht vollbeaoldeten Kreisärzten gegenüber den anderen 
Kreisärzten erwachsen, werden durch Stellenzalagen aas dem von Kap. 125 
Tu. 8 aaf den neuen Tit. 4 a übertragenen Fonds — SchloBbemerkong 6 der 
BeMldongsordnong (s. nachstehend) — aoszogleichen sein. Um di« Gewährung 
dieser Eatschädigang zu erleichtern, ist die dauernde Erhöhung dieses Fonds 
um 7500 H. — Ziffer 1 ebenda — in Aussicht genonunen. 

Schlufibemerkung. 

6. Für den Fall, daS das Gesetz, betreffend die Gebühren der Ifedlzinal- 
beamten, vor dem 1. April 1910 in Kraft tritt, erfährt der Etat des Ministeriums 
der geistlichen usw. Angelegenheiten bei Kap. 125 folgende Veränderungen: 

1. ErbObung des Steilenzulagefonds bei Tit. 4 a um 11500 M., darunter 
4000 M. künftig wegfallend, zur Gewährung von Entschädigungen an die 
vor dem 1. April 19^ angestellten nicht voUbesoldeteh Kreisärzte für den 
Fortfall der Fohrkostenentschädigung. 

2. Einstellung eines neuen Fonds unter Tit. 4b: 

a Künftig wegfallend 80000 M. zur Gewährung von Entschädigungen 
an die vor dem 1. April 1908 angestellten volibesoldeten Kreisärzte für 
den Fortfall der Fohrkostenentschädigung aus § 1 des Gesetzes vom 9. März 
1872 und der übrigen ihnen bisher zugeflossenen (Gebühren für Dienst- 
geschäfte.* 

8. Der Vermerk 2 bei Etatskapitel 125 Tit. 2 erhält folgende Fassung: 

«Bei der Bemessung der Pension der nicht volibesoldeten Elreisärzte 
werden dem Gehalte für sonstige Dienstbezüge 2250 M. zugerechnet mit 
der Maßgabe, daB das hiernach der Pension zu Grande zu legende Dienst- 
ebkommen nicht das pensionsfähige Diensteinkommen eines vollbesoldeten 
Kreisarztes von gleichem Dienstalter übersteigen darf. 

Den nicht volibesoldeten Kreisärzten, welche bereits vor dem 1. April 
1908 eine etatmäßige Stelle inne batten, wird, falls sie vor dem 1. April 
1918 in den Ruhestand treten, dit-jenige Pension gewährlebtet, welche sie 
bezogen haben würden, wenn ihre Pensionierung zum 1. April 1908 
erfolgt wäre.“ 

Tritt das Gebührengesetz erst nach Ablauf des Rechnungsjahrs 1906 
in Kraft, so gelten die vorstehenden Veränderungen des Etats erst vom 
1. April 1909 ab. ln diesem Falle tritt an die Stelle des ln Zifter 8 vermerkten 
Termins der i. April 1909. 

In der Begründang des Gesetzentwnrfs heißt es mit Recht, 
daß durch die gegenwärtige Vorlage eine Anfbessemng der Be- 
soldnngen in einem solchen Umfang nnd mit Anfwendnng so 
großer Staatsmittel erfolgt, wie sie bisher noch nicht in Preußen 
stattgefnnden hat. Insbesondere gilt dies betreffs der unteren 
and mittleren Beamten, während von den höheren Beamten nnr 
^ejenigen der Lokalinstanz berttcksichtigt sind. 

Von den Medizinalbeamten sind die Tollbesoldeten Kreis- 



764 Der Eatworl eiMe Geaetaee, betr. die Bereitetelleig Tee IGttebi n Dieut* 


ftrzte jedenfalls diejenigen Beamten, die mit der BesoldnngSTorhge 
bis auf einen Pankt (s. nachstehend) znfrieden sein können, besonders 
wenn man in Erwägung zinht, daß bei ihnen auch der Wohnangs- 
geldznschnß nach der vom Herrn Finanzminister in der Sitzung des 
Abgeordnetenhanses vom 26. Oktober gema<‘hten Mitteilnng tiber die 
noch aasstehende Gesetzesvoriage am 50 "/o erhöht werden wird. 
Der von der Staatsregierang eingenommene und vom Abgeordneten- 
hanse seit Jahren vertretene Standpnnkt, alle höheren Lokalbe> 
amten mit voller akademischer Bildung and praktischer Vorbildong 
im Höchstgehalt gleichzastellen, hat naturgemäß dazu geführt, 
daß das Höchstgehalt der vollbesoldeten Kreisärzte von 5700 
anf 7200 Mark, also um 1500 Mark = 26,3% erhöht und dem 
bisherigen Ge^lt der Regierangsräte gleichgestellt ist. Bei 
dieser Aufbesserung werden die betreffenden Beamten auch damit 
einverstanden sein, daß künftighin die ihnen auf Grund des § 1 
des Gesetzes vom 9. März 1872 zustehenden Fnhrkosten- 
entschädigungen fortfallen, zumal den bisher im Amte befind¬ 
lichen eine entsprechende Entschädigung dafür gewährt werden 
soll und ihnen außerdem ebenso wie den künftig angestellten 
nach der neuen Gebührenordnung die verauslagten Fahrkosten 
ersetzt werden. Die Anrechnung der Gebühren aus den Dienst¬ 
geschäften auf das Gehalt der vollbesoldeten Kreisärzte ist nichts 
neues; denn diese maßten schon bisher an die Staatskasse ab¬ 
geführt werden. 

Gegenüber dieser wesentlichen Erhöhung ihres Höchstgehaltes 
erfahren sie insofern eine erhebliche Verschlechterung, als sie das 
Höchstgehalt nicht wie bisher in 12, sondern erst in 21 Jahren 
erhalten und als das Anfangsgehalt von 3600 Mark auf 3000 
Mark, also auf das Anfangegehalt der Richter herabgesetzt 
ist.^) Daß bei einer Erhöhnug des Höchstgehaltes auch die Ge¬ 
haltsstufen erhöht und dieses demzufolge erst nach einer größeren 
Anzahl von Dienstjahren erreicht wird, ist durchaus billig und 
wird sicherlich von den betreffenden Beamten als berechtigt an¬ 
erkannt werden. Anders liegen aber die Verhältnisse in bezug 
auf die Herabsetzung des Mindestgehalts, die nur dann begründet 
erscheint, wenn die Anstellung der Kreisärzte, Gewerbeinspek- 
toren, Kreisbauinspektoren usw. tatsächlich ebenso frühzeitig 
erfolgt, wie die der Richter. Dies ist aber bei allen diesen Be¬ 
amten nicht der Fall, jedenfalls nicht bei den Kreisärzten; 
denn die vom Verfasser anfangs dieses Jahres anf Grund einwand¬ 
freien Materials aufgestellte Statistik hat ergeben, daß die Kreis¬ 
ärzte durchschnittlich erst im Lebensalter von 38,5 Jahren ange¬ 
stellt werden, während dies bei den Richtern nach Klatt schon 
im Alter von 34,69 bezw. 33,2 Jahren und bei den Oberlehrern im 
Alter von 30,1 Jahren der Fall ist. Aehnlich sollen die Verhält¬ 
nisse bei den Kreisbauinspektoren, Gewerbeinspektoren und Kreis- 

*) lafolgedessen erfahren die Tollbesoldeten Kreisärzte bis zom 15. Dienst¬ 
altersjahre eine ächadigong Ton SOO—600 M. pro Jahr (durchschnittlich 480, 
zusammen 7900 M.), die durch die Steigerung des Höchstgehaltes erst im 
28. Diesstjahre wieder ausgeglichen wird. 



dokommeniTerbesflenuigeii and die I. Beraknng im Abgeordaekenhaase osw. 766 

Schalinspektoren liegen. Wenn dies aber bei diesen Beamten 
tatsächlich der Fall ist, dann ist es nicht gerechtfertigt, sie mit 
den Richtern über einen Kamm zn scheeren, sondern yielmehr 
angezeigt, sie denjenigen höheren Lokalbeamten im Mindestgehalt 
gleichzastellen, die ebenfalls erst in späterem Lebensalter in ihre 
amtliche Stellang gelangen, das sind die Landräte. Hier ist mit 
Recht das Mindestgehalt von 3600 Mark beibehalten und nnr das 
Höchstgehalt ant 7200 Mark, sowie die Zahl der Dienstalters- 
stufen von 5 anf 6 (von 15 anf 18 Jahre) erhöht; bei den Kreis¬ 
ärzten ist eine solche Glleichstellang am so mehr angezeigt, als 
nach der von mir ebenfalls auf einwandfreien Unterlagen ans¬ 
gearbeiteten Statistik das darchschnittliche Lebensalter der darch 
Tod oder Dienstanfähigkeit Aasgeschiedenen nar 56,9 bezw. 68,2 
Jahre beträgt gegenüber 60 and 67 Jahren bei den Richtern. 
Wenn daher das in der Vorlage herabgesetzte Mindestgehalt von 
3000 Mark sowie der Zeitraum von 21 Jahren bis zar Erreichung 
des Höchstgehaltes beibebalten wird, dann würde eine verhältnis¬ 
mäßig große Anzahl der Kreisärzte erst im hohen Lebensalter in 
den Genuß des Höchstgehaltes gelangen und eine. ebenso große 
Anzahl dieses wegen zavorigen Ausscheidens aus dem Dienst infolge 
von Dienstanfähigkeit oder Tod überhaupt nicht erreichen, und da¬ 
durch eine wesentliche Benachteiligung in bezug auf Pensionierung 
bezw. Reliktenversorgung eintreten. Es ist daher dringend zu 
wünschen, daß, ebenso wie bei den Landräten, das 
Mindestgehalt der vollbesoldeten Kreisärzte wie bis¬ 
her auf 3600 Mark bemessen und das Höchstgehalt 
in 18 Jahren (6 Gehaltsstufen) erreicht wird. Jedenfalls 
erscheint es angezeigt, daß von seiten des Abgeordnetenhauses, 
wie der Abgeordnete Schröder zutreffend bemerkte, «die 
Differenzierung bei dem Anfangsgehalt der im Endgehalt gleich¬ 
gestellten Beamten genau nachgeprüft und festgestellt wird, ob 
die Berechnungen, die zu einer derartigen Differenzierung geführt 
haben, auch tatsächlich stichhaltig sind.*‘ Bei den vollbesoldeten 
Kreisärzten wird die Nachprüfung sicherlich zu dem Ergebnis 
führen, daß ihre Anstellung nicht in früherem, sondern wahrschein¬ 
lich in noch späterem Lebensalter als bei den Landräten erfolgt, 
nnd daß sie also auch diesen wie bisher im Anfangsgehalt gleich¬ 
zastellen sind. 

Was nun weiter die Besoldungsaufbessernng bei den nicht 
vollbesoldeten Kreisärzten anlagt, so ist das bisherige 
Durchschnittsgehalt derselben von 2250 M. auf 2700 M. erhöht, d. h. 
das Anfangsgehalt ist geblieben, statt des bisherigen Höchstgehaltes 
von 2700 M. aber ein solches von 3600 M. vorgesehen, also an sich 
eine Steigerung des Höchstgehaltes um 38 Vs ®/o* I^&zu sollen noch 
wie bisher Stellenzulagen kommen im Betrage von durch¬ 
schnittlich 450 Mark. Nur um diesen Betrag erhöht sich jedoch 
die Ausgabe für ihre Besoldung; denn in Wirklichkeit betrag das 
Durchschnittsgehalt jetzt 2700 Mark, wenn die bereits in den 
früheren Etat eingestellten Stellenzulagen mit eingerechnet werden. 
Immerhin bringt die neue Besoldungsordnung iusofern eine wesent- 



766 Der Entwurf eines Gtoetses, betr. die Bereitstellang Ton Eittela n Dienn« 

liehe Besserong, als jetzt alle nicht Tollbesoldeten Kreuftnte 
ein Höchstgehalt von 3600 Mark erreichen können, während dies 
bisher nnr bei denjenigen möglich war, die pensionsiähige Stellmi- 
zolagen erhielten. Diese Verbesserong erleidet aber insofern eine 
Einschränkang, als einmal die bisher den Kreisärzten bei Dienst* 
reisen an ihrem Wohnorte zustehenden Fahrkostenentscbädignngen 
fortfnllen und sie außerdem fär ortspolizeiliche Qeschäite in Orten 
mit Königlicher PolizeiTerwaltung keine Gebühren mehr erhalten 
sollen. Den jetzt im Amte befiudlichen Kreisärzten soll dafür 
allerdings eine entsprechende Entschädigung gewährt werden, 
aber für die künftigen Kreisärzte bedeutet dies einen Verlust, der 
sich an einzelnen Orten weit höher stellen wird, als die Tor* 
gesehene Steigerung ihres Durchschnittsgehaltes bezw. ihres 
Höchstgehaltes. Sehr richtig bemerkte daher der Abg. Schröder 
bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs in der Sitzung des 
Abgeordnetenhauses am 26. Oktober d. J.: 

»Die Lege der Kreieirste will ich heute nicht mehr uuefOhrlich besprechen, 
duu wird no^ Zeit sein, wenn des Qesets, betreffend die Oebfthren der 
Medixbalbeamten, vorgelegt wird. Ich halte es aber Ihr unrichtig, daß man 
nicht durchweg yollbesoldete Kreisärzte anstellt. Doch ist 
das mehr oder weniger eine Finanzlrage. Jetzt wird der Vorschlag gemacht, 
das Durchschnittsgehalt der nicht yollbesoldeten Kreisärzte von 2260 auf 
2700 M. zu erhöhen; dafür sollen indessen wieder eine Beihe yon Gbbtthren 
ihnen entzogen werden. Ich glaube mich zu erinnern, yon yielen Kreisärzten 
gehört zu haben, daß sie sich seiner Zeit zur Annahme yon geringen Be* 
soldnngen nnr durch die Anweisung auf Gebühren haben bewegen lassen, die 
ihnen znstehen sollten, und an denen sie sich entsprechend schadlos halten 
konnten. Wenn man ihnen jetzt diese Gebühren wi^er anrechnet auf ihr an 
und für sich gänzlich unzulängliches Gehalt, so ist das unbillig, doch können 
wir uns später noch darüber unterhalten.^* 

Allerdings würde dieser Uebelstund am sichersten durch die 
von den Medizinalbeamten selbst gewünschte und im öffentlichen 
Interesse gebotene Umwandlung aller Kreisarztstellen 
in yollbesoldete beseitigt werden; aber wenn auch hoffentlich 
diese Umwandlung jetzt etwas umfangreicher als früher erfolgen 
wird, so werden wir doch noch auf Jahre hinaus mit nicht voll* 
besoldeten Kreisarztstellen rechnen müssen, für deren Dienstein* 
kommen die Höhe der amtsärztlichen Gebühren yon höchster Be¬ 
deutung ist. Deshalb muß bei Festsetzung des künftigen Ge¬ 
haltes der nicht vollbesoldeten Kreisärzte jedenfalls die Wirkung 
des jetzt dem Landtage ebenfalls vorgelegten Gesetzentwurfs, 
betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten ') mit in Rechnung 
gezogen werden; der dem Gesetzentwurf beigefügte Gebühren¬ 
tarif bringt aber abgesehen von der Erhöhung der gerichtsärzt¬ 
lichen Gebühren, die für das Diensteinkommen der Kreisärzte 

>) Der Gesetzentwurf ist erst nzcb Abschluß dies« Nuuimer in die 
Hände der Bodaktion gelang so daß er diesmal nicht mehr zum Abdruck ge¬ 
bracht werden kann. Sein Wortlaut stimmt übrigens mit dem früher yorge- 
legten Gesetzentwurf (s. Nr. 7 dieser Zeitschrift, Jahrg. 1902) im allgemeinen 
überein. Betreffs des Gebührentarifs heißt es ausdrücklich, »daß nur bei einigen 
Positionen eine mäßige Erhöhung vorgesehen ist, die jedoch durch Ermäßi¬ 
gungen oder durch Einführung völliger Gebührenfreiheit an anderen Stellen, 
insbesondere an solchen, bei denen soziale Bücksiditen mitsprechen, ausgeglichen 
erscheint. * 



eiakommeBSTerbflMAniogn nod die I. Beretnag im AbgeerdaeteiüieiiM mw. 767 

weniger ins Gewieht fallen, eine wesentliche Herabsetzung für die 
hftnfigsten der sanitAts- und medizinalpolizeilicben Geschäfte, so 
daß diesen Beamten voranssichtlich dadurch eine Mindereinnahme 
erwachsen wird, durch die nicht nur die ErbOhnug ihres Durch¬ 
schnitts* und Höchstgehaltes Töllig aufgewogen wird, sondern durch 
welche die Kreisärzte iu den ersten Gehaltsklassen sogar eine 
Verringerung ihres bisherigen Diensteinkommens erfahren werden. 
Die Kreisärzte sind aber durch die in diesem Jahre erfolj^ 
Pauschalirnng der Tagegelder und Reisekosten schon so erheblich 
in ihren Einnahmen geschädigt, dass sie eine weitere Schädi¬ 
gung nicht vertragen können, vielmehr einer Erhöhung ihrer Be¬ 
soldung bedfirfen, die nicht durch eine Herabsetzung ihrer amts¬ 
ärztlichen Gebühren wieder illusorisch gemacht wird. Die Kreis- 
tierärzte sind z. B. bei der Pauschalierung der Tagegelder 
und Reisekosten viel glimpflicher als die Kreisärzte behandelt, denn 
nach dem Erlass des Landwirtschaftsministers vom 31. März 1908 
ist die ihnen gewährte Jahrespauschalvergfltnng so bemessen 
worden, „daß sie nur um rund IO^/q hinter dem nachgewiesenen 
Reisekostenanfkommen des Rechnungsjahres 1906 zurttckbleibt*; 
außerdem werden einmalige Zulagen beim Nachweis einer nicht 
unerheblich gesteigerten Reisetätigkeit gewährt. Das den Kreis¬ 
ärzten gewährte Reisepauschale stellt sich dagegen um 26 bis 
38*/, o/o niedriger, als der Dnrchschnittsbetrsg ffir die Jahre 
1904—1906, der wesentlich geringer ist, als derjenige für das 
Jahr 1906 allein; desgleichen wird ihnen nur dann eine Zu¬ 
lage gewährt, wenn die Reisetätigkeit nachweisbar mehr als 
33*/,®/o gestiegen ist und auch in diesem Falle nur */, des diesen 
Prozentsatz übersteigenden Mehrbetrages. Auch in der jetzigen 
Besoldnngsordnnng schneiden die Kreistierärzte günstiger ab, als 
die nicht vollbesoldeten Kreisärzte; denn ihr Höchstgehalt hat 
eine Erhöhung von 2100 auf 3000 Mark, also um 49 ^ 1 ^ er^ren; 
daneben sind die gleichen Stellenzulagen wie bei den nicht 
volibesoldeten Kreisäjzten (450 Mark) vorgesehen. Wir gönnen 
den Kreistierärzten diese Erhöhung aus vollem Herzen, daß 
aber die Kreisärzte schlechter als sie behandelt werden, dafür 
dürfte nicht der geringste Grund vorliegen; im Gegenteil, 
ein solches Verfahren kann nur Mißstimmung bei den betref¬ 
fenden Beamten hervorrufen. Es erscheint deshalb nur billig, 
wenn mit Rücksicht auf die voraussichtliche Mindereinnahme ans 
amtsärztlichen Gebühren infolge des neuen Gebührentarifs nicht 
nur das Höchstgehalt, sondern auch das Anfangs- 
gehalt eine Erhöhung um je 600 Mark (also von 
1800 bezw. 3600 auf 2400 bezw. 4200 Mark) erfährt. 
Daß dieses Verlangen kein unberechtigtes ist, ergibt sich 
ans der Tatsache, daß es sich auch bei den nicht vollbesoldeten 
Kreisärzten um Beamte handelt, die mehr oder weniger vollbe¬ 
schäftigt sind und ärztliche Privatpraxis weder ansüben, nocdi 
überhaupt auszuüben imstande sind. Sicherlich sind sie min¬ 
destens ebenso durch ihr Amt in Anspruch genommen, wie die 
Bayerischen Bezirksärzte, deren Gehalt durch die diesjährige neue 



768 Der Entwurf eines Gesetzes, betr. die Bereitstellung yon Mitteln zn Dienst- 

Besoldnngsordiiiiiig anf 8000— 6000 Mark festgeBetzt ist (6 Ge* 
haltBstnfen von je 500 M. in 8 jährigen Zwischenräumen). Die 
preußischen. Dicht vollbesoldeten Kreisärzte würden demnach 
ihren bayerischen Kollegen selbst bei der von uns vorgescblagenen 
Gehaltserhöhung nur dann gleichkommen, wenn sich ihre amts¬ 
ärztlichen Gebühren wesentlich höher als bei diesen stellen würden, 
was aber nur bei der Minderzahl der Fall sein dürfte. 

Ob es zweckmäßig ist, an dem Grundsatz der Stellen¬ 
zulagen iestznhalten, darüber dürften die Ansichten in den be¬ 
teiligten Kreisen, insbesondere auch der Medizinalbeamten selbst, 
auseinandergehen. Die Inhaber der Kreisarztstellen mit Stellen¬ 
zulagen werden ihre Beibehaltung, diejenigen ohne solche lieber 
eine gleichmäßige Gehaltsanibessernng wünschen. Immerhin haben 
die Stellenzulagen den Vorzug, daß ein Ausgleich zwischen den 
Stellen mit geringen und großen amtsärztlichen Gebühreneinnabmen 
geschaffen wird, anderseits aber den Nachteil, daß der weniger 
beschäftigte Kreisarzt gegenüber dem stark beschäftigten bevor¬ 
zugt wird, indem sich dieser durch vermehrte Arbeit die erhöhte 
Gebühreneinnahme erst verdienen muß, während jener das Manko 
durch die Zulage ohne Mehrarbeit ersetzt erhält. Je mehr aber 
die Kreisarztstellen mit hohen amtsärztlichen Gebühren in voll¬ 
besoldete umgewandelt werden, desto mehr wird diese Ungleich¬ 
heit verschwinden; ein gleiches wird der Fall sein, wenn die 
Höhe der Stellenzulagen lediglich nach der Höhe der amtsärzt¬ 
lichen Gebühren bemessen wird und nicht etwa, wie dies bisher 
vielfach geschehen ist, von der Höhe der zufälligen Nebeneinnahmen, 
die ein Kreisarzt hat und die er jeden Augenblick verlieren 
kum. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte wird man 
sich daher mit den Stellenzulagen bis auf weiteres anssöhnen 
können. 

Noch mehr wird dies aber der Fall sein, wenn ein Weg 
gefOnden wird, auf dem die dadurch bedingte und zur Mißstimmung 
Anlaß gebende Ungleichheit bei der Berechnung des pensions- 
fähigen Diensteinkommens beseitigt wird. 

Nach Bemerkung Nr. 6 zur Beeoldungsordnung sollen bei den 
nicht vollbesoldeten Kreisärzten bei der Bemessung der Pension 
dem Gehalte für sonstige Dienstbezöge gleichmäßig 2250 Mark 
zugerechnet werden mit der Maßgabe, „daß das hiernach der 
Pension zugrunde zu legende Dieusteiukommen das pensionsiähige 
Diensteinkommen eines vollbesoldeten Kreisarztes von gleichem 
Dienstalter nicht übersteigen darf.“ So dankenswert diese Absicht 
ist und in diesem Sinne auch von den Medizinalbeamten begrüßt 
werden wird, so bedingt sie doch anderseits wiederum eine Un¬ 
gleichheit. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, wie eich 
die Verhältnisse dann künftighin gestalten werden. Es wftrde 
z. B. ein nicht vollbesoldeter Kreisarzt mit 1200 Mark Stellen¬ 
zulage ein pensionsfähiges Höchstgehalt von 8600 4* 1200 -(- 2250 
Mark = 7050 haben, ein Kreisarzt ohne Stellenzulage dagegen 
nur 5850 Mark, also 1200 Mark weniger. Desgleichen würden 
die vollbeschäftigten, nicht vollbesoldeten Kreisärzte ohne 



einkonmiensTeritesseniiigeii ud die I. Beratmig im Abgeordnetenlmiiee oew. 769 


Stellenzulage den vollbesoldeten Kreisärzten gegenüber nm nieht 
weniger als 2258 Mark bei der Pensioniemng zniUckstehen; denn 
das pensionsfähige Höchsteinkommen der letzteren wird künftighin 
mit dem erhöhten Wohonngsgeldzaschaß 7200 203 = 8103 M. 

betragen, während in den ersten Jahren selbst bei den &eis* 
ärzten ohne Stellenzulagen dieser Unterschied nnr gering ist, 
selbst wenn man als Anfangsgehalt der YoUbesoldeten ^eisärzte 
unserem Vorschläge gemäß 8600 M. annimmt (3000 bezw. 8600 M. 
+ 903 M. = 3903 bezw. 4513 M. gegen 1800 -f 2250 = 4050 M.). 
Bei der Pensionierung kommt aber nicht das Anfangsgebalt, 
sondern hauptsächlich das Höchstgehalt in Betracht. Dieser Miß* 
stand würde also nur dann beseitigt werden, wenn die Be¬ 
rechnung des pensionsfähigen Diensteinkommens der 
nicht YoUbesoldeten Kreisärzte nach Maßgabe des¬ 
jenigen der YoUbesoldeten erfolgt, was den Wünschen 
der Medizinalbeamten <am meisten entspricht, oder ihrem Ge¬ 
halte ein Durchschnittsbetrag in solcher Höhe an¬ 
gerechnet wird, daß dadurch ihr pensionsfähiges 
Diensteinkommen demjenigen der Yolfbesoldeten 
gleichkommt. Auf alle Fälle müßte doch wenigstens den nicht 
YoUbesoldeten Kreisärzten, die keine SteUenzulage haben, außer 
dem Durschnittsbetrag you 2250 M. amtsärztUcher Gebühren auch 
den Durchschnittsbetrag der Stellenzulage Yon 450 M. bei Fest¬ 
setzung des pensionsfähigen Einkommens angerecht werden, um 
ihre Benachteiligung den übrigen nicht YoUbesoldeten Kreisärzten 
gegenüber bei Bemessung des pensionsfähigen Diensteinkommens 
zu Yerhüten. 

Die Berechtigung einer Gleichstellung aller Kreis¬ 
ärzte bei der Pensionierung ist im Landtage wiederholt 
anerkannt, denn ein Unterschied zwischen dem Umfange der amt¬ 
lichen Tätigkeit der yoU* und nicht YoUbesoldeten j&eisärzte be¬ 
steht so gut wie gar nicht; werden doch mehr als zwei Drittel 
aller nicht YoUbesoldeten Kreisärzte Yollständig Yon ihren 
Dienstgeschäften in Anspruch genommen. Sie liegt aber auch im 
öffentlichen Interesse, indem sie die rechtzeitige Pensioniernng 
der körperlich und geistig nicht mehr leistungsfähigen Beamten 
ermöglicht, was sich, wie wir schon früher betont haben, erfahrungs¬ 
gemäß sehr schwierig Beamten gegenüber durchführen läßt, die, wie 
jetzt die nicht YoUbesoldeten Kreisärzte, mit wenigen Ausnahmen 
eine zum Lebensunterhalt ausreichende Pension nicht erhalten. 

Die Gesetzvorlage läßt endlich leider noch einen Wunsch 
der Medizinal beamten unberücksichtigt: die Einführung von 
Dienstaltersstufen für das Aufsteigen des Gehaltes. 
In der Begründung zu der Gesetzvorlage werden mit Recht die 
Vorteile der Abmessung des Gehaltes nach Dienstaltersstufen 
hervorgeboben und es als ein besonderer Vorzug der Vorlage 

1) Nach der Mitteilung des Herrn Finanzministers in der Sitzung des 
Abgeordnetenhauses wird der bei der Pensionierung in Anrechnung kommende 
Durchschnitt des Wohnungsgeldzuschusses (525 M.) nmetwa72**/o (878 M.) also 
auf etwa 9<^ M. erhöht. 



770 Der Entwarf eines Gesetzes, betr. die Berdtstellong von Mitteln zn Dienstr 


beseiehnet, diaß diese jetzt bei 99,16 */o aller Beamten durch- 
gfeffthrt sei nnd nur noch bei 2268 = 0,84 ®/o ansstehe. Er* 
Ulatemd wnrde hierzu vom Herrn Finanzminister in seiner Bede 
▼(»n 20. Oktober d. J. bemerkt: 

,Ich bmacbe hier nicht naszaffthren, wie diese Abmessung des GAnltes 
nach Dienstalteisstnfen fttr die Beamten eine sehrTiel bessere, eine sehr 
Tiel günstigere, weil auf sichere YerhSltnisse basiert, ist. 
ffle hingen mit ihren Aszensionen nicht davon ab, ob zaflllig in dem oberen 
Lebensalter ein Anssebeiden von anderen Beamten statt findet, sondern sie 
haben mit Sicherheit daranf zn rechnen, dafi nach Verlanf ge¬ 
wisser Jahre ihnen eine weitere Altersstufe gewährt wird.* 

Man fragt sich Tcrgebons, warum man diese großen Vorteile 
nicht anch den Ereisftrzten nnd Ereistierärzten gegenfiber, die Amt 
die Hälfte (477 X ^68 = 945) jener nicht berQckei^tigten Beamten 
darstellen, anch hat znteil werden lassen. Weder in der Begrttn- 
dnng, noch in der der Gesetzvorlage beigegebenen Denkschrift ist 
ein Gmnd dafür angeführt; die vom Herrn Finanzminister in der 
Sitzong am 20. Oktober angeführten Gründe lassen aber andt 
nicht die Notwendigkeit für eine Beibehaltnng des jetzigen Systems 
der Darchschnittsgehaltes erkennen: Sie lanten: 

,Hier kommen die besonderen Verhältnisse der nicht voUbesoldeten 
Kreisärzte und andere Kategorien in Betracht, bei denen die Anforderungen an 
die amtliche Tätiskeit nnd die zu berücksichtigenden Nebeneinnabmen so auBer- 
ordentUch verschieden sind, dafi es hier nicht richtig war, sie über einen Kamm 
zu scheeren, sondern ein Darchschnittsgebalt anzusetzen nnd im übrigen die 
Bemessung des Gehalts der Besonderheit des einzelnen Falles vorzubebalten.* 

Die amtliche Tätigkeit der Kreisärzte ist aber durch das 
Kreisarztgesetz nnd die dazn erlassene Dienstanweisung ein¬ 
heitlich geregelt nnd in den einzelnen Kreisen nicht mehr ver¬ 
schieden, als das der sonstigen höheren Lokalbeamten; der einzige 
Unterschied besteht in der Höhe der amtsärztlichen Gebühren, 
der aber durch die Stellenzulage ausgeglichen wird. In Bayern 
liegen z. B. die Verhältnisse genau so nnd trotzdem hat man hier 
keine Bedenken gehabt, dreijährige Gehaltsstufen nach dem Dienst¬ 
alter einznführen. Was aber in Bayern möglich ist, das sollte 
sich doch anch in Preußen durchführen lassen, zumal die be¬ 
treffenden Beamten selbst eine solche Gehaltsregelung dringend 
wünschen. Es steht wohl anch nicht zu befürchten, daß seitens 
der Königl. Staatsregiemng dagegen Widerspruch erhoben wird, 
wenn von Seiten des Landt^es jenem Wunsche Rechnung getragen 
wird. Werden dann auch bei dem Dnrchschnittsbetrag von 
2250 Mark für die sonstigen Dienstbezüge einzelne Stofen etwa 
von 1200—3000 Mark vorgesehen, dann würde auch das pensions¬ 
fähige Diensteinkommen, eine Höhe erreichen, die dem der voU- 
besoldeton Kreisärzte nähekommt, was sich ans der nachstehen¬ 
den Uebersicht ergibt: 

nicht vollbARoldete Kreisärzte: vollbesoldete Kreisärzte: 

2400 + 450 -1- 1200 = 4050 8600 + 908 = 4608 

2700 + 450 -- 1600 = 4650 4200 + 908 = 6108 

8000 -j- 450 -- 1800 = 6250 4800 + 908 = 6708 

3.SOO + 450 -f 2100 = 5«50 6400 + 908 = 6303 

3600 -- 450 + 2400 = 6450 6000 + 908 = 6908 

3900 4- 450 4- 2700 = 7050 6600 + 908 = 7608 

4200 + 450 + 3000 = 7650 7200 + 808 = 8108 



einkommensTerbesseriuigeii and die I. Beratung im Abgeordneienhaase new. T71 


Die Ereisassistenzärzte zind, weil nnr geilenBemnae- 
ration beschäftigt, in der Besoldnngsordnang selbst nicht erwähnt; 
trotzdem darf wohl angenommen werden, daß ihre Bemnneration 
ebenso wie bei den anderen diätarisch beschäftigten höheren 
Lokalbeamten — Regierangsassessoren, Gerichtsassessoren nsw. 
— eine entsprechende Erhöhung and allmähliche Steigemng er* 
fahren wird, jedenfalls ist in der Gesetzvorlage ein erhebUcher 
Mehrbedarf za Diensteinkommensverbesserongen fflr diätarisch 
beschäftigte Beamte vorgesehen. Wenn den oben genannten Be¬ 
amten kflnftighin eine Bemaneration von 2160 bezw. 2400 Mark, 
alljährlich am 800 Mark steigend gewährt werden soll, dann 
durfte es nor billig sein, wenn die bisherige Bemaneration der 
Ereisassistenzärzte ebenfalls entsprechend erhöht and gleichhdls eine 
jährliche Steigerung erfährt (1800—2400 Mk.). Einen Vorteil bringt 
Übrigens der Gesetzentwarf für die Ei'eisassistenzärzte insofern, 
als kflnftighin von ihrer Dienstzeit, falls sie 4 Jahre flbersteigt, 
bis zwei Jahre aaf das Besoldan^dienstalter angerechnet werden, 
so daß sie in diesem Falle bei ihrer Anstellung als Ereisarzt 
schon nach einem Jahre in die höhere Gehaltsklasse einrflcken 
werden, voraasgesetzt, daß nicht nur für die vollbesoldeten, 
sondern auch fflr die nicht vollbesoldeten Ereisärzte Dienstalters- 
Stofen eingerichtet werden. 

Ob and inwieweit den Medizinalbeamten überhaupt die 
Vorbereitungszeit auf das pensionsfähige Dienstalter 
angerechnet wird, darüber enthält die Gesetzesvorlage leider keine 
Bestimmung; daß eine solche mit Bflcksicht aaf die späte 
Anstellung dieser Beamten dringend erwünscht ist, damit ihnen 
wie allen übrigen Beamten im Alter von 66 Jahren das höchste 
Ruhegehalt zuteil werden kann, ist bereits früher von ans wieder¬ 
holt betont. 

Abgesehen von der Erhöhung des Wohnnngsgeldzaschasses 
gehen bei der jetzigen Nenregelung der Besoldung die Regie- 
rangs- und Medizinalräte sowie die vertragenden Bäte 
in der Medizinalabteilang voUständig leer ans. Sie gehören zu 
denjenigen höheren Beamten, speziell die Begierangs- und Medi¬ 
zinalräte, bei denen von einer Erhöhung des Höchstgehaltes ledig¬ 
lich mit Bflcksicht auf die höheren Lokalbeamten Abstand ge¬ 
nommen ist, weil diese den Wünschen des Abgeordnetenhauses gemäß 
mit denen der Provinzialinstanz im Höchstgehalt gleichgestellt 
werden sollten, um sich tüchtige, mit Land und Leuten vertrante 
Beamte in der Lokalinstanz zu erhalten. Dieser Grundsatz hat 
aber doch seine großen Bedenken, wie dies auch von verschie¬ 
denen Seiten im Abgeordnetenhause, namentlich von den Abgg. 
V. Hennigs, Schröder und Bewoldt hervorgehoben ist. Alle 
diese Beamten leiden jetzt ebenso unter der Verteuerung aller 
Lebensbedürfnisse wie die unteren und mittleren Beamten; dazu 
kommt noch, daß gerade sie von der beabsichtigten Erhöhung 
der Einkommensteuer getroffen werden, daß sie also mit ihrem 
bisherigen Einkommen zu der höheren Besoldung der übrigen 
Beamten herangezogen werden sollen, während sie selbst einer 



773 Bereitstelhmg tod MittelB za DieBsteinkommeiisTerbesseruDgeB as«r. 

entsprechenden Anfbessernng ihres Gehaltes nicht teilhaftig werden. 
Daß eine derartige Behandlnng nnr Veranlassung zur Mißstim¬ 
mung und Beeinträchti^ng der Arbeitsfrendigkeit gibt, ist be« 
greifllch, namentlich gilt dies aber betreffs derjenigen höheren 
Beamten der Provinzialinstanz, für die der Ornndeatz für ihre 
Nichtberflcksichtignng gar nicht zntrifft, weil sie sich den höheren 
Lokalbeamten gegenüber in einer „gehobenen Stellong* be¬ 
finden and vielfach unmittelbare Anfsichtsbeamte der¬ 
selben sind. Dahin gehören z. B. die Landgerichtsdirektoren, 
die Ersten Staatsanwälte, Oberlandesgerichtsräte, Gymnasialdirek¬ 
toren, sowie die sämtlichen technischen Räte bei den 
Königlichen Begiernngen, also auch die Begiernngs- 
und Medizinalräte. Von den ihrer Aufsicht direkt unterstellten 
Kreisärzten wird z. B. niemals einer es als Benachteiligung 
empfinden, wenn er im Höchstgehalt ein oder zwei Gehaltsstufen 
niedriger steht, sondern im Gegenteil, er wird ein höheres Gehalt 
des ihm Vorgesetzten Begiernngs- und Medizinalrats als vOlUg 
berechtigt halten und daraus keinerlei Ansprüche für sich her¬ 
leiten. Dasselbe ist bei den übrigen technischen Beamten der 
Regierung, den Regfierungs-Bau-, Gewerbe-, Schul- und Forst¬ 
räten der Fall; sie alle befinden sich tatsächlich ihren Lokal¬ 
beamten gegenüber in einer gehobenen Stellung, ihre Anstellung 
bedeutet für sie eine Beförderung, durch die ihre Laufbahn 
im großen und ganzen mit ganz geringen Ausnahmen einen Ab¬ 
schluß erhält, während die Ernennung des Regiemngsassessors 
zum Begierdngsrat das Einrücken in eine etatsmäßige Stelle dar¬ 
stellt, und die Verwaltungsbeamten außerdem viel günstigere 
Aussichten auf eine weitere Beförderung in viel besser dotierte 
Stellen haben. Diese Gesichtspunkte haben z. B. auch in der 
neuen bayerischen Gehaltsordnung Berücksichtigung gefunden; 
danach erhalten die mit den preußischen Begiernngs- und Me¬ 
dizinalräten gleichstehenden Kreis-Medizinalräte ein Gehalt von 
6000—8400 Mark; sie sind also auch im Anfangsgehalt wesentlich 
günstiger gestillt. Will man aber grundsätzlich die technischen Bäte 
im Gehalt den übrigen Begierungsräten gleich stellen, dann sollte 
man ihnen wenigstens eine pensionsfähige Zulage von 900M. 
gewähren, damit dadurch nicht nur zum Ausdruck gebracht wird, 
daß ihre Stellung den ihnen unterstellten Beamten gegenüber 
eine gehobene ist, sondern damit auch diese Stellung von den 
tüchtigsten Beamten künftighin wie bisher als eine begehrens¬ 
werte angesehen werden wird, was im Interesse des Dienstes 
durchaus notwendig ist, wenn der Staat nicht Gefahr laufen will, 
daß eine den erhöhten Anforderungen dieser Stellen entsprechende 
geeignete Besetzung auf große Schwierigkeiten stößt. 

Hoffen wir, daß die hier vorgetragenen Wünsche bei den 
Beratungen des Abgeordnetenhauses Berücksichtigung finden! 



BMpreehnngeB. 


778 


Besprechungen. 

Baveloek Ellis: Die krankhaften QesohleohtB-Brnpflndungen auf 
diasoaiatlTex Qxnndlage. Autorisierte deutsche Ausgabe, besorgt tou 
Dr. Ernst Jentsch. Wttrzburg, ;Stübers Verlag, 1908. Or. 8%817 8., 
Preis: 4 Mark. 

Das Yorliogende Werk ist eine Ergänzung der bisher erschienenen Ab¬ 
handlungen des Verlassen auf dem Gebiete der Spezial-Psychologie, der man 
nachgerade nach so vielen belehrenden und anfklärenden Schriften mit erklär¬ 
lichem Mißtrauen entgegentritt. In der Tat sollten Abhandlungen, die sich 
so eingehend, wie die vorliegende, mit dem ganzen Gebiete des Sexuallebens 
und seinen Perversitäten beschäftigen, nur die Lektttro des Fachmannes bilden 
und weiteren Kreisen, denen sie als pikanter, aber sehr gefährlicher Unter- 
haltnngsstoff dienen, ans guten Gründen möglichst ferngehalten werden. Der 
Arzt, besonders der Gerichtsarzt und Eriminalpsychologe, wird in dem Ellis- 
sehen Buche dagegen reichliche Belehrung auf einem Gebiete finden, dessen 
Kenntnis uns vielfach äußerst wertvolle Einblicke in psychologische Vorgänge 
vermittelt. Der Verfasser gibt eine eingehende Darstellung des Geschlechts¬ 
reizes, seiner Auslösung und Befriedigung als Detumeszenzvorganges ln dem 
Sexualorgan unter Mitteilung eines reichen literarischen und anthropologischen 
Materials, welch letzteres aber mit großer Vorsicht zu verwerten sein dfiifte. 
Der größte Teil des Werkes behandelt den ^rversen sexuellen Trieb in allen 
seinen Ausschreitungen, beginnend von dem Ueiderfetiebismus, bei dem schon 
ein Elieidungsstück einer anders geschlechtlichen Person Tnmeszenz und auch 
Detnmeszenzvorgänge auszulösen imstande ist, bis zu allen jenen schwer ver¬ 
ständlichen Perversitäten der Zooptilie (Geschlcchtsreiz durch Tiere hervor¬ 
gerufen) oder des Judismus. Mancherlei interessante Beobachtungen und Selbst¬ 
bekenntnisse werden zur Illustration mitgeteilt. Das gesamte Gebiet der 
sexuellen Akte, die an Stelle des physiologischen treten, und als Aequivalente 
des letzteren dienen, werden mit einem von Enlenburg eingeführten Namen 
als nOfotlschcf Symbolismus“ zusammengefaßt. Stets handelt en sich „um eine 
neuropatbische Eindrucksfahigkeit für abnorme Beize“. Diese „erscheinen oft 
als absurd, manchmal als widerwärtig, aber von allen abnormen und normalen 
sexualpsychologischen Aeußerungen sind sie diejenigen, welche am spezifischsten 
menschlich sind“. — Ein Schlnßkapitel gibt die Psychologie der Schwanger¬ 
schaft und in einem Anhang eine Beihe kasuistischer FUle der geschleoit- 
lichen Entwicklung. Dr. P o 11 i,t z - Düsseldorf. 


Br. Xk V. Szdllftxny: Mann und Weib, swel grundlegende Natur- 
prlnalplen. Eino sozial-philosophische Untersuchung. Würsbnrg |1908. 
Stübers Verlag. IS**; 128 S. Preis: 2 M. 

Die kleine Abhandlung, die sich mit mit dem Problem der Frauenlrage 
vom naturwissenschaftlichen Standpunkte befaßt, enthält recht interessante 
Bemerkungen über die körperlich - geistigen Differenzen beider Geschlechter; 
— so besonders in dem Kapitel der Mann und die Frau — und über Wesen 
und Bedeutung des Sexuellen für beide Geschlechter. Nicht ohne Interesse ist 
die Beweisführung des Verfassers, daß mit einer Zunahme von Frauen- 
emanzipations- Bestrebungen ein Sinken der Bevölkerungsvermchrung verbunden 
ist. Damit stellt die Frauenbewegung keine Krankheit der Gesellschaft, 
sondern im Gegenteil: eine der zahlreichen Beaktionen gegen die wirkliche 
Krankheit, gegen das soziale Elend dar.“ Dr. Pollitz-Düsseldorf. 


Xbr. Otto Dornblftth, Nervenarzt in Wiesbaden: Gesunde Nexven, Amt- 
Hohe Belehrungen für NexvenkTanke und NexTenechwaobe. 
IV. verbesserte Auflage. Würzburg 1908. Stübers Verlag. 8^; 152 8. 
Preis: 2 M. 

Dx. Paul Jolre, Professor am psychologischen Institut zu Paris naw.: Band- 
buoh des Hypnotismus, seine Anwendung in Mediain, Bxaie- 
hnng and Psyohologie. Autorisierte deutsche üebersetznsg von 0. 
von Boltenstern-Berlin. Mit 44 Demonstrationsabbildungen. 



774 




Beide Btteher elad heaptsichli c h für des la der Praxis stekeBdea Arst 
bestimmt. Das Dorablftthsche hat sieh, wie die sahlreielieB Anflai^ be* 
weites, längstens Bingang ia einem größeren Leserkreise erworben. Ais Vor* 
sag ist seine klare, leicht Terständliebe Darstellong besonders au rflhmen. 
PädagOKea, Leitern ron Ersiehongsanstalten a. a. m., die mit Fragen der 
Nerroeität ihrer ZOglinge za tan haben, kann das Bach mit gntem Bedt 
warm empfohlen werden. 

Das zweite Werk behandelt eingehend die Technik and Anweadnag 
der H^nose nnter Beigabe zahlreicher iastroktizer Abbildnngea. Eiae ein> 
gebeadere Bespreehnng dieses Baches kommt an dieser Steile nicht in Frage. 

Dr. PollitS'DOsseldorl 


Dr. W. Kolle, o. 0. Professor der Hygiene and Bakteriologie an der Unirersitit 
and Direktor des Institats zar Erforschang der Infektionskrankheiten in 
Bern, and Dr. HL Hetnelk, Stabsarzt and Vorstand der bakteriologiscbea 
Untersuchongsstation des XVL Armeekorps in Metz: Die experimentelle 
Bakteriologie and die Infektionskrankheiten mit besonderer 
Berflokoiohtlgung der Immnnltltalehre. Ein Lehrbuch fhr Stadierende, 
Aerzte and Medisinalbeamte. Zweite erweiterte Anflage, mit 81 mehrfarbigen 
Tafeln and 66 Abbildangen im Text. Verlag Ton Urban & Schwarzen¬ 
berg, Berlin and Wien 1908.Qr. 8*; 740 Seiten. Prds: 26 Hark. 

In zweiter Anflage ist das Lehrbach der Bakteriologe ron Kolle and 
Hetsch erschienen. Das schnelle Vergriffensein der starken ersten Anflage, 
(2000 Exemplare in kanm 2 Jahren) beweist, daß die Heiaasgabe des Werkes 
einem lebhaften Bedfirfnis entsprach. Die zweite Anflage ist erheblich stärker 
als die erste ausgefallen. Eine große Zahl Ton Kapiteln hat eine wesentliche 
Erweiterung erfahren and mehrere Abhandlungen sind nen anfgenommen 
worden, so solche Aber Opsonotberapie. Qasbrand, Kala-Azar, Coecidien*Krank- 
heites, Ankylostomiasis nnd Krankneiten unbekannter Aotlologie. Jedem 
Kapitel ist ein kurzes Verzeichnis der wichtigsten Uteratnr angefAgt. Die 
wertfollste Bereicherung aber hat das Werk durch die Vermehrung der Ab¬ 
bildungen erhalten, deren Zahl sich gegen die erste Auflage rund verdoppelt 
hat. Der Preis von 26 Mark darf in Anbetracht der Beidibaltigkeit des In¬ 
halts nnd der Vorzüglichkeit der Abbildangen als ein äußerst geringer be¬ 
zeichnet werden. Jedem bakteriologisch nnd epidemiologisch tätigen Arzt sei 
das Werk als wertvoller Ratgeber empfohlen. Dr. Lentz-Berlin. 


Dr. Abnl nnd Dr. Flektr: Blafkoho BlUlsmlitel mtr AnofShroag 
bnktorlologlaoher TTmtomaolmiigna. Zweite Auflage. WArsborg, 
Cart Kabitsch (A. Stübers Verlag). Preis: 1,20 Hark. 

Die zweite Anflage des vorstehenden Ratgebers ist diesmal von seinem 
frAheren Herausgeber semeiusam mit Ficker bearbeitet. Eine große Menge 
praktischer Winke sind in dem Werkchen niedergelegt, wie man auch unter 
schwierigen Verhältnissen und mit geringen Mitteln sein Laboratorium e^ 
richten und sparsam arbeiten sowie Hilfsmittel, die nicht gerade zum ^täglichen 
Rüstzeug des Bakteriologen geboren, für die Zwecke des bakteriologischen 
Arbeitens nutzbar machen kann. Jeder Bakteriologe wird aus dem Büchlmn 
guten Rat und wertvolle Anregung schöpfen; es sollte in keinem Labo¬ 
ratorium fehlen. 

Zar Einfügong von Notizen ist das Bach mit weißen Blättern doreb- 
scbossen. Dr. Lentz-Berlin. 


Tagesnachrichten. 

Der Entwarf des nenen Weingesetses ist am 24. Okt. dem Reichs¬ 
tage sagegangen. Die Hauptabweicbungen gegenAber dem bestehenden 
Weingeseta vom Jahre 1901 sind: Verschärfung der Straf Vorschriften, Ansban 
der Kontrolle durch Anstellang haaptamtlicher Weinkmitrolieare, VerpBichtnng 



TaceaoMhriebtMi. 


776 


der WeioprodmeBten sar Ffllumag tob BttcherB, die rlnoüiehe BBd zdtliehe 
fiegreBSOBg der ZaekeniBg. IHuebeB werdee die Verta&lUiisee der ScheiiiB- 
«eiobereitUDg OBd der KogoakbreDoerei geordset. Die EiBfohr aoel&BdiseheB 
Weioee wird tob dem Nachweise abhiogig gemacht, daß seioe HerstelloBg 
deB VorschrilteB des dentscheB Oeeetees eBtsprocheB hat, ud der Hißbraiich, 
WeiB Biit dem geonaphischeo Nameo, ohae Bttcksicht aal seiae Herkoalt, als 
QattoBgSBamea za bezeiciuieB, roadweg Terbotea. 

Uegeottber dem Torigea Eotwarf, dea die Begieioag za Ostera rer* 
Offeotlicht hatt& am iha der Kritik der InteresseoteB za OBterbreitea, briogt die 
gegeawärtige Vorlage eioe Beihe tob MilderoBgeo, die insbesoBdere dea 
WttBscbea der Piodozeotea kleiner Weine entsprechen. Im § 8 ist man ihnen 
dadarch entgegengekommen, daß die Zeit der Zackerang, die im vorigen Ent* 
warf bis znm 81. Dezember and nur mit Genehmigung des Bondesrats bis 
81. Janaar lief, allgemein bis 81. Januar ansgedehnt worden ist. In § 4 ist 
eine Bestimmang eingeschaltet worden, daß der Zackerznsatz zam Zwecke der 
ümgärang kranken Weines mit Qenehmigang der zastindigen Behörde von 
Fall za Fall zniässig sein soll, während es nach dem alten Qesetzentworf 
keine BOgiichkeit daza gab. Erheblich ist die im § 6: Nach dem vorigen 
Entwarf sollte verboten sein, bei gezuckertem Wein, sofern nicht gleichzeitig 
der Wein als gezackert bezeichnet wird, eine Bezeichnong za wählen, die auf 
den Namen der Traabensorte and den Jahrgang Bezog nahm. Jetzt ist dies 
Verbot eingeschränkt worden, so daß bei Benennung gezackerten Weines nur 
die Bezagnabme aaf die Weinbergslage oder den Namen des Weinbergbesitzers 
verboten ist. ln § 6 und den daraaf folgenden Paragraphen, die sich mit der 
geographischen Bezeichnong des Weines bezw. den Strafbestimmungen dazu 
befassen, sind die Vorschriften durchweg, statt gegen den Handel mit Wein, 
gegen den gewerbsmäßigen Verkehr mit Wein gerichtet worden. Beim Schaum* 
wein ist eine Bestimmang eingeschaltet worden, wonach bei Schanmweinen, ^e 
nicht mittels Fiaschengärang hergesteilt sind, die Bezeichnong der Herstellangs* 
art za ersehen sein muß. Bei den Bestimmungen Ober die Verpflichtung zur Bau* 
flihrang sind nach die Kommissionäre mit Wein and mit Stoffen, die bei der 
Berdkong des Weines benutzt werden, mit einbezogen worden. 


Die Gewerbekommission des Beiehstages hat betreffs 
der Wdehnerinnenfilrsorge einen Antrag des Zentroms angenommen, der die 
Nichtbescbäftlgong der Wöchnerinnen während im ganzen acht Wouen vor 
and nach ihrer Niederkanft fordert. Der Wiedereintritt in die Arbeitsstelle 
soll an den Ausweis geknüpft sein, daß seit der Niederkunft wenintens sechs 
Wochen verflossen sind, desgleichen soll die Niederkanft als Krankheit gelten 
mit Anspruch auf Dnterstütsang, während es jetzt im Belieben der Krisen* 
hasse steht, ebe solche zu gewähren oder nicht. 


In der am 24. Oktober im Beichsamt des Innern Aber die Beform des 
Krankenverstebernngsreehts nbgehaltenen Konferenz von Vertretern der 
SLrankenkassen, der Apotheker, Zahnärzte, Zahntechniker and Drogisten worden 
von den Apothekern folgende Forderungen aufgestelit: 

1. Alle ärztlicherseits für die Krankenkassenmitglieder verordneten 
Arzneimittel müssen ausschließlich aas Apotheken bezogen werden. 2. Die 
Verabfolgung von Arzneimitteln an die Krankenkassenmitglieder durch die 
Kassenvorstände oder durch Kassenangestellte ist za untersagen. 8. Falls alle 
Apotheken eines Ortes oder Kassenbezirks oder doch die große Mehrheit der* 
smben sich bereit erklären, den Krankenkassen gleich günstige Liefemngs* 
bedingangen za gewähren, sollen die Kassen gehiüten sdn, ihren Mitgliedern 
die freie Wahl zwischen diesen Apotheken zu gestatten. 4. Bin Bezeptnr* 
rabatt für die Krankenkassen ist nur dann durch die deutsche Arzneitsxe fest* 
zoBtellen, wenn damit Hand in Hand eine reichsgesetzliche Begelang sowohl 
in der Gewerbeordnung, als auch im Krankenversicherungsgesetze in der 
Biohtung erfolgt, daß ein solcher Babatt sowohl nach oben wie nach nnten 
begrenzt ist and nur für bestimmte Verhältnisse Gültigkeit bat. 

Gegen diese Forderongen erhoben die Kassenvertreter Widernrnch. 
U. a. wurde die Beibehaltung dea Bechtes der Kassen zum Absehlufi von 



776 




Vertrigen mit bestimmten Apotheken, die Zolassang der Drogisten xar Liefemng 
▼on Annetmitteln and die Gewährong des Selbstdispensierrechtes nn die Kranken¬ 
kassen Teriangt. 


Der prenßische Kaltasminister Dr. Holle hat leider aas Gesnndheits- 
rftcksiehten einen längeren Urlaab nach Heran antreten mttssen. Hoffentlich 
bringt ihm der dortige Aufenthalt Tolle Genesang, damit er die Geschäfte seines 
mftheToUen Amtes r<^t bald wieder mit der bisherigen Tatkraft aofnehmen kann. 


Am 20. Oktober d. J. ist der frühere Ministerialdirektor in der Unter- 
ricbtsabteilang des Koltosministcriams, Wirkl Geb. Bat Dr. AltholT) Exzellens, 
im Alter von 69 Jahren gestorben. Seiner großen Verdienste speziell am die 
medizinische Wissenschaft haben wir bei seinem erst vor Jahresfrist erf<dgtea 
Ausscheiden aus dem Staatsdienst gedacht. Nar karze Zeit ist es ihm Idder 
TergOnnt gewesen, das otiam cam dignitate za genießen. 


Am 27. und 28. Oktober d. J. ist der Preussische Apothekerrut za 
einer Sitzang im Kaltasministeriam znsammengetreten. Zar Verhaadlong 
gelangten a. a Krankenhaus - Apotheken und die Beschiftigong 
nichtpharmazeatischyorgebiideten Person als in den Apotheken. 
In den darauf folgenden Tagen, am 29. and 80. Oktober, hat eine Sitzung des 
Preussischen ApothekerkammeraaHschUHses stattgefanden. Aaf der Tages- 
ordnang standen a. a. die Verleihaog des Umlagerechts an die Apotherkammera 
and die Verordnung betr. den Verkehr mit Arzneimitteln aaßerhalb der Apo¬ 
theken. 


Das Kaltasministeriam hat durch den Bildhauer F. Kliemsch eine 
Medaille für Verdienste am die Kinderfiirsorge entwerfen lassen. Sie soll 
alljährlich in Gold, Silber und Bronze verliehen werden. 


In Bayern ist jetzt darch Erlaß des Staatsministeriams dM Innern 
vom 8. Oktober 1908 für jeden Begierangsbezirk ein besonderer natarwiasen- 
schaftlich vorgebUdeter Anfsichtsbeamter zar Ueberwaehang der Belnbaltang 
der Gewisser angestelU, der die Verwaltungsbehörden bei der ihnen nach 
Art. 41 des Wassergesetzes vom 23. März 1907 nnterliegenden Anfsicht unter- 
Sttttzen soll, insbesondere mit Bücksicht aaf die ErfttUang der an die Erlaabnia 
zar Zoftthrong von Flttssigkeiten oder anderen nicht festen Stoffen oder von 
festen Stoffen geknüpften Bodingangen. Diese Aafsichtsorgane sollen die Kon¬ 
trolle über die einschlägigen Abwasseranlagen und veranreinigten Ge¬ 
wässer ansttbon; bei welchen Anlagen oder an welchen Gewässern and zu 
welcher Zeit diese Kontrolle vorzanehmen ist, bleibt zanächst ihrem Ermessen 
und ihrer Initiative überlassen. Die Abwässer der gemeindlichen Kanali- 
sationsanlagen sowie der bedeatenderen gewerblichen Anlagen sind jedoch 
nach and nach sämtlich za kontrollieren. Sie sollen ferner bei der Vornahme 
der Wasserschau mitwirken, das Endergebnis ihrer Untersaebangen in Ab¬ 
schrift den zuständigen DistriktsverwaltungsbehOrden zur weiteren Ver¬ 
anlassung mitteilen and am Schlüsse jeden Jahres einen Jahresbericht über 
ihre Tätigkeit erstatten, der von der Begierang dem Staatsministeriom des 
Innern vorzulegen ist. Die A.afsichtsorgane haben aoßerdem alljährlich an 
einem nach Anordnang des Staatsministeriams des Innern an der Biologischen 
Vexsachsstation in München abzahaltenden Ferienkurs teilzanehmen. 


Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der 
Tuberkulose beabsichtigt eine planmäßige Bekimpfong der Lupos- 
erkrankungen im Deatschen Beiche herbeizaführen. Als Unterlage für die 
zu ergreifenden Maßnahmen, die namentlich aach in der Begründung einer 
ausreichenden Anzahl von Lichtheilanstalten für Lupasbehandlong bestehen 
sollen, wird zanächst eine Erhebung darüber angestellt, wie viele dieser Kranken 
zurzeit in den einzelnen Orten und Bezirken Deatschlands vorhanden sind. 
In Anbetrasht dessen ist an alle Aerste eine aoszafülleade Zählkarte versandt, 
die am 1. November 1908 nach Auslüllung zurückzasenden ist. 



TH^esnaehxidrtan. 


777 


Am lostitat sar Erforschung der lofektionskrankheiten uu Bern (Di^ 
rektor ProL Dr. Ko Ile) sind yerschiedene Versuche mit Cholerasenim nn 
Tieren gemacht worden und günstig yarlanfen. Das neue Heilrerfahren soll 
in BnSland erprobt werden und, falls es sich als brauchbar erweist, dann yer- 
Sffentlicht werden. 


Genauere Nachforschungen haben in Oesterreich*üngarn eine 
stetige Zunahme der yenerisehen Krankheiten ergeben. Bei den Fabrik* 
arbeitern beträgt die Erkranknogsziffer 16 pro Mille, bei den kleingewerb* 
liehen Hilfsarbeitern 82 pro Mille. Auffallend groß soll die Zahl der Er* 
krankungen unter den Kürschnern, Friseuren, Kutschern, Buchdruckern und 
Bäckern sein. 


Die ständige btemationale Eonunissloii für das Stndlun der Gewerbe* 
krankhelten teilt mit, daß bei dem yom 29. August bis 4. September 1909 zu 
OleU'Pest stattfindenden XVI. internationalen medizinischen Kongreß bei ge* 
nügender Beteiligung innerhalb der Sektion 18 (Hygiene) eine Unter Sektion 
für Hygiene und Gewerbekrankheiten gebildet werden wird. 


Der TIL Internationale Kongress fttr Krlmtnalanthropelogte, mit 
dessen Organisation im Juni 1906 Prof. Dr. Sommer ans Gießen beauftragt 
wurde, wird 1910 in Küln und damit zum ersten Male in Deutschland staufinden. 
Prof Dr. Aschalfenburg hat die Vorbereitungen übernommen. 


Das langjährige Mitglied des Preußischen Medisinalbeamten*Verein8, 
Geh. Med.* Bat Dr. Georg, bst Ende yorigen Monats ein Doppeljnblllnm ge* 
feiert: am 20. Oktober sein 50jähriges Doktorjnbllänm und am 25. Okt. das 
25Jährige Jubiläum seiner Tätigkeit als Direktor der Hebammenlehranstait 
in Paderborn, die an demselben Tage ihr 75jähriges Bestehen festlich beging. 
Einer besonderen Feier des 50 jährigen Doktorjubiläums hatte sich der Jubilar 
entzogen; die Vertreter des ärztlichen Vereins hatten es aber gleichwohl nicht 
unterlassen, ihm die Glückwünsche des Vereins unter Ueberroichung des yon 
der Uoirersität erneuerten Doktordiploms za überbringen. Das zweite Jubiläum, 
das gleichzeitig eine Absebiedsfoier für ihn darstellte, da er mit dem 1. No* 
yember aus seiner Stellung als Direktor der Hebammenlehranstait ausschied, 
gestaltete sich desto feierlicher. Zu dem Festakt, der in der Hebammenlehr* 
anstalt stattfand, waren der Landeshauptmann Dr. Hamerschmidt mit 
mehreren Landesräten, der zuständige Landrat und Bürgermeister, die Mehrzahl 
der Kreisärzte des Bezirks — der Begierungs* und Medizinalrat war durch 
seine Beurlaubung yerhindert —, die Anstaltsgeistlichen, der Amtsnachfolger, 
sowie zahlreiche von dem Jubilar aasgebildete Hebammen erschienen. Nach 
einer kurzen Festrede des komm. Direktors der Anstalt, Dr. Mann, über* 
reichte der Herr Landeshauptmann dem Jubilar den ihm Allerhöchst yerliehenen 
Kronenorden 11. Klasse unter besonderer Anerkennung seiner langjährigen 
großen Verdienste während seiner amtlichen Tätigkeit. Von der Oberhebamme 
wurde dann ein Diplom mit sämtlichen Namen der yon ihm aasgebildeten 
Hebammen überreicht. Auch der Kultusminister Dr. Holle hatte in einem 
längeren Telegramm dem Jubilar, den er aus seiner Wirksamkeit als Landes* 
hauptmann näher kennt, warme Worte der Anerkennung ausgesprochen. Der 
JnbUar dankte mit bewegten Worten. Nach der Feier yereinigte die Fest* 
teilnehmer ein Festessen im Hotel LOffelmann, während für die Heb* 
ammen ein solches in der Anstalt selbst stattfand. MOge der Jubilar noch 
yiele Jahre in gleicher körperlicher und geistiger Frische die wohlyerdlente 
Buhe genießen I 


Erfreulicherweise hat die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle an 
Cholera in Baßland auch in den letzten Wochen weiterhin abgenommen. 
In Petersburg betrag die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle in der 




778 


Titiwhriohte«. 


Zeit vom 11.—17. Oktobet ou 418 (198X ki Is»» Boßland 1571 (829), du 
sind 689 (258) weniger nie in der Vorwoche. Im Genien sind seit Beginn der 
Epidemie bis Jetst 22295 Erkrnnknngen mit 10252 ToduiiUen Torgekommee. 


Brknuikuigen iwd TedesflUle nn ansteckenden Krankheiten ie 
Prenasen« Nach dem IfinisterialbUtt fftr Medizinal« and medizinische Unter« 
richts* Angelegenheiten sind in der Zeit vom 18. Sept bis 10. Okt. 1908 erkrankt 
(gestorben) an: Anssats,Cholera, Bttckfallfieber,Gelbfieber, Toll¬ 
wut u. Pest: —(—); Flecklieber: — (—),!(-),—(—), —(—; Pocken: 
-(1), 2 (1), 2(-), 8(1); Milsbrand: 9(-),-^), 1 (->-(-); Biß- 
verletsnngen durch tollwatverd&chtige Tiere: 8 (—), 15 (—), 
6 (—), 6 (—); Unterleibstyphus: 445 (32), 452 (45), 865 (82), 857(22); 
Bahr: 8 (4). 14(2), 6(2), 18 (2); Diphtherie: 1447 (75), 1424 (87), 1491 
(89), 1581 (98); Scharlach: 1656 (91). 1720 (92), 1891 (126>, 1636 (90); 
Genickstarre: 12 (8), 11 (4), 7 (4), o (8); Kindbettfieber: 81 (l4), 
82 (18), 126 (21), 118 (82); Botulismus: 1 (1), — (—), 8(1), — (-); 
Flel8ch(Mlefima8ehei«) Vergiftung: — (—), 2 (—), — (—), — (—); 
Kdrnerkrankbeit(erkrankt): 222, 280,88,87; Tuberkulose (gestorben): 
458, 467, 476, 462. 


SpnohnnnL 

Anfrage des Krelsantes Br. Z. In U.: Ist der Krelsant verpflichtet 

a) für Gutachten in privatem Interesse grundsitzlich die niedrigsten Sitze 
der KönigL Verordnung vom 17. September 1876, abo 6 Mark gem&ß 
§ 1 in Bttcksicht auf § 8 Nr.6 Abs. 1 in du Gebtthrenverzeichnis aufzu« 
nehmen und höhere Sätze buonders zu begründen? 

b) für Gutachten, die in forstwirtschaftlichen Unfällen der KOnigL Begie« 
mng erstattet werden, nach der erwähnten KOnigl. Verordnung su liqui¬ 
dieren oder kommt ^e ärztliche Gebtthren-Ordnung vom 15. Mai 1886 zur 
Geltung? 

Antwort: Zu a: Nein. Zu b: Es fludet die Gebflhren>OrdnaBg vom 
15. Mid 1896 Anwendung. 


Anfrage des Bestrksantee Dr« N. Ls G.: Ist der Impfarst Beamter 
und du Einkommen aus der Uebemahme du Öffentlichen Impfguchifts als 
Mlchu ansusehen, du eventuell gemäß § 24,8 du Militär* Pusionsgesetzu 
elneKflrzang der Pension bedingt? 

Antwort! Nein! Nuh einem im Einverständnis mit dem Fmanssri* 
nister ergangenen Erlaß du preußischen Ministers der usw. Medizinal-Aago- 
legenheiten vom 8. März 1905 gehört du Impfguchäft zur pttvatirzUichen 
Tätigkeit. Der Impfarzt ist also kein Beamter, sondern steht nur in eiaem 
privatrechtUehen Verhältnis zu der Behörde, die ihn mit der Vornahme MTent« 
Ucher Impfungen beauftragt; eine Kürzung der Peuion flndet daher wegaa 
der Bezüge au der Tätigkeit als Impfarzt nicht statt. 


MIttellnDK! achte Jahrgang du Kmlenden fftr 

Hedinlnmlbemmite für du Jahr 1909 irird in der zweiten Woche 
des Dezembers d. J. zur Ausgabe gelangen. Bestellungen nimmt sehen 
Jetst die Verlagsbuchhandlung entgegen. 

Dar Harawsgrabar. 


Verantw. Bedakteur Prof. Dr. Bapmund, Beg.* n. Geh. Med.-Bat in Minden 1. W. 

J. 0. C. Binai, Henofl. S&ebf. F.8oh.*L« Hoftmek^rnokertl In Mladaii. 



M. J«llK. 


IMS. 


Zeitschrift 

fttr 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zsotnllilatt für du gasaiti BsundMtnnsM, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenweeen. 

Hemugegebeu 

TOB 

Geh. Med-Rat Prol Dr. OTTO RAPMUND, 

Begtemiig»* und Medlzlnalrat ln Minden 1. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fiseher's medis. Buehhandlg, E Kornfeld, 

Berlin W. 85, Lützowstr. 10. 

Inaerate nehmen die YerUgihnndlnnf sowie aUe Annoncen-Ixpedltionen des In« 

and Aaslandes entgegen. 


Nr. 22. 


Bnelielnt mm S. wtd SO. Jeden Hennte. 


20. Novbr. 


Das Kreis-Krankenhaus auf dem Lande. 

Von Med.-Rat Dr. Meyer, Kreisarzt in Hannor. Münden. 

In Nr. 18 dieser Zeitschrift unterzieht Herr Kollege Wen gl er 
ans Alsfeld die Aufgaben des Kreiskrankenhanses auf dem l^de 
einer näheren Besprechung und kommt zn dem Schlosse, daß das 
Kreis-Krankenhaus zwischen Klinik nnd Siechenhans seinen 
Wirkungskreis habe, daß es eine Beihe von akuten nnd chroni¬ 
schen Krankheiten anfnehmen solle, die in den klinischen Institnten 
entweder nicht anfgenommen, oder wieder bald entlassen würden, 
aber anderseits iflr das Siechenhans nicht reif wären. Neben dieser 
Hanptanfgabe fallen als Nebenanfgaben dem Kreis-Erankenhanse 
zn, die Anfnahme von ansteckenden Kranken nnd Geistes¬ 
kranken sowie die Behandlung nnd Beobachtang von Krank¬ 
heiten, namentlich im Interesse der Krankenkassen. Ueber diesen 
Rahmen dürfe das Krankenhaus nicht hinansgehen, namentlich 
dürfe es nicht durch gewagte Operationen oder Erforschung neuer 
therapentischer Bahnen den Arzt berühmt zn machen soeben, da 
es in diesem Falle mehr Privat-Krankenhans für den leitenden 
Arzt, als Kreis-Krankenhans wäre. 

Ich bin 20 Jahre lang leitender Arzt eines solchen Kranken- 
hanses gewesen; es macht nichts ans, daß dies Krankenhaus zu¬ 
gleich ein Johanniter-Krankenhans war, denn seine Aufgabe war, 
für drei Kreise, welche kein Krankenhans hatten, das Kreis- 
Krankenhaus zn bilden nnd deren Interessen wahrzunehmen; ans 












780 


Dr. Meyer. 


diesem Grunde waren bei der Grüodang des Krankenhauses von 
den betreffenden Kreisen auch Beihillen zum Bau gegeben worden. 
Nach den Erfahrungen, welche ich in dieser Zeit meiner Tätig¬ 
keit gesammelt habe, liegen die Aufgaben des Kreiskrankenhanses 
doch auf anderem Gebiete, als Herr Kollege Wen gl er annimmt. 

Vor allem hat meiner Ansicht nach das Kreis-Krankenhaus 
keine Hauptaufgabe und keine Nebenaufgaben, sondern die dem¬ 
selben gestellten Aufgaben soll es in gleicherweise erfüllen; da¬ 
gegen stimme ich dem Herrn Kollegen darin bei, daß das 
Krankenhaus kein Siechenhaus sein soll, wenngleich es 
ohne Bedenken 2—8 Sieche, wenn dieselben noch einigermaßen 
rüstig sind, aufnehmen kann. Wir hatten immer 2—3 Sieche, 
deren Unterhaltung den Kreisen oblag; dieselben wurden in der 
Küche beschäftigt und ersparten so immerhin eine Arbeitskraft. 
Wir haben aber auch ganz hilflose Kranke aufgenommen, wenn 
dieselben den Kreisen oder Gemeinden zur Last fielen, und ihre 
Pflege im Privathause mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft 
war. Entzieht sich das Krankenhaus dieser Aufgabe, so wird man 
allerdings mit Recht sagen können, daß dem &eise der Vorteil 
eines Krankenhauses in dieser Beziehung verloren geht. 

Was im übrigen die Art der aufznnehmenden Kranken 
betrifft, so sollen alle Kranke anfgenommen werden, gleichgültig, 
ob akuter oder chronischer Art, denen das Krankenhaus Hilfe 
bringen oder die Pflege gewähren kann, die der Kranke außer¬ 
halb des Krankenhauses nicht finden kann. Namentlich sollen 
aber solche Kranke Aufnahme finden, denen eine sofortige Hilfe 
zuteil werden muß, wie Kranke mit Heus, eingeklemmten Brüchen, 
schweren Verletzungen. Und hier entsteht die Frage, welche der 
Herr Kollege gleichfalls aufwirft, wie weit soll der Kranken¬ 
hausarzt ausgebildet sein und srie weit darf er seine ope¬ 
rative Tätigkeit ausdehnen. Nach meiner Erfahrung muß der 
Arzt alle Operationen ausführen können, die ein sofortiges Ein¬ 
greifen erfordern: Er muß bei Ileus die Laparotomie, er muß bei 
eingeklemmten Brüchen die Herniotomie und auch die Darm¬ 
resektion, bei Stenosen der Luftröhren die Tracheotomie usw. 
machen können, er muß in der Behandlung der komplizierten 
Brüche, nicht nur der Extremitäten, sondern auch des Schädels 
die erforderliche Erfahrung besitzen, selbstverständlich auch ein 
Empyem operieren und in der Geburtshilfe und Gynäkologie die 
sofort erforderlichen Eingrifie machen können. Mii‘ sind im Laufe 
der Jahre wiederholt Fälle zur Behandlung des Abortes, Damm¬ 
nähte, auch verschleppte Querlagen usw. in das Krankenhaus ge¬ 
bracht worden. Ich kann nach dieser Richtung hin nicht m> 
schöpfend diesen Punkt behandeln, ich möchte mich noch einmal 
kurz dahin präzisieren: alle Kranke, bei denen ein sofortiges Ein¬ 
greifen erforderlich ist, und deren Transport nach den größeren 
Krankenhäusern nur mit Schwierigkeiten oder zum Nachteile der 
Patienten ausgeführt werden kann, sollen im Kreis-Krankenhause 
ihre Hilfe finden können. Ob der Krankenhansarzt, wenn die 
Aufgabe an ihn herantritt, eine Amputatio mammae machen wül. 



Das Kreis - Krankenhaus auf dem Landd. 781 

ob er plastische Operationen, Entfemnng größerer Geschwülste, 
Resektionen nsw. ansfiihren will, das liegt in dem Belieben der 
betreffenden Aerzte; ich weiß, daß die meisten Kollegen es tnn. 
Daraus ergibt sich znr Genüge, welche Ausbildung der Arzt des 
Kreis-Krankenhauses besitzen soll; er mnß chirurgisch gebildet 
sein, braucht aber kein spezialistischer Chirurg zu sein, was nicht 
einmal wünschenswert ist. Er mnß die innere Medizin und 
die Geburtshilfe in gleicher Weise wie die Chirurgie 
beherrschen. 

Selbstverständlich mnß die ganze Einrichtung und Aus¬ 
stattung des Kreis-Krankenhauses auch dem Arzt ermöglichen, 
diesen seinen Aufgaben gerecht zu werden; nach meiner Erfahrung 
wird bei dem Ban neuer Kreis-Krankenhäuser nach dieser Rich¬ 
tung hin auch verfahren. Ich mochte nur noch kurz den Punkt 
berühren, weshalb auch Kranke, z. B. mit Carcinoma mammae, die 
auch in der Lage sind, ein entfernteres, größeres Krankenhaus 
anfzusnchen, im Kreis-&ankenhause Aufnahme finden sollen. Es 
gibt nämlich in den ländlichen Kreisen eine ganze Reihe gering be¬ 
mittelter Personen, denen die Zahlung der Knrkosten in den größeren 
Krankenhäusern doch große Schwierigkeiten bereitet, während die 
erheblich geringeren Kosten im Kreis-Krankenhanse von ihnen 
bestritten werden können. Ferner werden in allen Kreis-Kranken¬ 
häusern mit der Zeit Freibetten entstehen, die solchen bedürftigen 
Kreisbewohnem zustatten kommen. 

Daß es die Aufgabe des Kreis-Krankenhauses ist. Kranke 
mit Infektionskrankheiten aufznnehmen und so der Bevölke¬ 
rung einen Schutz gegen die Verbreitung dieser E^rankheiten zu 
gewähren, ist selbstverständlich; ich halte dies aber nicht wie 
Herr Kollege Wen gl er für eine Nebenanfgabe, sondern für eine 
Hauptaufgabe; ein Kreis-Krankenhaus ohne Isolierhaus für 
solche Kranke hat seinen Zweck verfehlt. 

Was die Außiahme von Tuberkulosen anbetrifft, so wird 
jedes Krankenhaus in Zukunft dafür Sorge tragen müssen, Isolier¬ 
zimmer znr Aufnahme von unheilbar Tuberkulösen zu besitzen. 
Soll dieses Krankenhaus auch Tuberkulöse im ersten und zweiten 
Stadium anfnehmen, was durchaus wünschenswert ist, so kommen 
hierbei noch Liegehallen in Betracht; selbstverständlich muß das 
Krankenhaus dann auch durch seine Lage im Freien und größeren 
Anlagen diesem Zwecke entsprechen. Ich habe in dieser Bezie¬ 
hung recht gute Erfahrungen gemacht. 

Nicht minder wichtig ist, daß das Krankenhaus eine sach¬ 
gemäß eingerichtete Zelle zur vorläufigen Aufnahme von Geistes¬ 
kranken, namentlich Tobsüchtigen, hat. 

Die Aufnahme von Kassenkranken und Unfallver¬ 
letzten zur Behandlung und Beobachtung halte ich gleichfalls 
für eine wichtige Aufgabe des Kreis-Krankenhauses, und zu diesem 
Zwecke einen Röntgenapparat für die Kreis-Krankenhäuser für 
erforderlich. Namentlich bei den Unfallverletzten macht sich die 
sofortige Ueberweisnng an ein Krankenhaus immer mehr und 
mehr erforderlich, wie nicht nur die Aerzte, sondern namentlich 



782 Dr. Meyer. 

aach die Sektionerorstftnde der UnfaUversichenrngen seit laDgem 
bereits erfahren haben. 

Eine Losiösnng des Krankenhansarztes von der Privat* 
Praxis halte ich nicht fdr wünschenswert, nicht einmal für mög* 
lieh. Wie denkt sich der Herr Kollege die Besoldnng dieses Arztes, 
wenn er keine Privatpraxis treiben soll? Welcher Kreis kann die 
Besoldnog in diesem Falle bestreiten ? Nicht nur die ärmeren Kreise, 
sondern auch die wohlhabenderen kleinen Kreise werden nicht in der 
Lage sein, einen vollbesoldeten Krankenhansarzt anzustellen; größere 
Kreise aber kommen nicht in Betracht, da für diese ein Kreis- 
Krankenhans nicht genügt; ich denke hier namentlich an die 
großen ostprenßischen Kreise nnd die Indnstriekreise des Westens. 
Noch weniger kann ich einsehen, wie der Krankenhansarzt mit 
den schulhygienischen Aufgaben betraut werden soll; dies wird 
in den ländlichen Kreisen doch wohl immer die Aufgabe des Kreis* 
arztes bleiben. Es ist meiner Ansicht nach auch nicht Aufgabe 
des Krankenhausarztes, sich einen Einblick in die Gesundheits* 
Verhältnisse des Kreises zu verschaffen, soweit dies nicht seine 
Praxis nnd das Krankenhaus ihm ermöglicht, — wenn er nicht 
zugleich Kreisarzt ist. Und so kommen wir auf die einfachste 
Lösung aller dieser fraglichen Punkte, indem man den Kreisarzt 
gleichzeitig zum Krankenhausarzt macht. Diese Lösung ist in 
vielen Fällen zu allseitiger Zufriedenheit getroffen; aus den Aus¬ 
schreibungen von Kreisarztstellen ist auch ersichtlich, daß solche 
nicht selten mit Krankenhausarztstellen verbunden sind und daß 
natürlich in diesen Fällen chirurgisch befähigte Kreisärzte be¬ 
vorzugt werden. Auch meine Stelle wurde in dieser Weise aus¬ 
geschrieben. 

Was die Einrichtung des Krankenhauses anbetrifft, 
so habe ich diese bereits kurz gestreift; im übrigen wird sie sich 
ganz wie der Bau, nach der Größe des Kreises und den vor¬ 
handenen Mitteln richten. Stets aber muß gefordert werden, daß 
das Krankenhaus den bereits erwähnten Anforderungen an den 
Bau nnd Einrichtung moderner Krankenhäuser im kleinen ent¬ 
spricht, daß es den Bewohnern des Kreises in den Fällen der Not 
ein wirklicher Zufluchtsort wird, an dem sie die gewünschte Hilfe 
erhalten können. Die Aufgaben des modernen Kreis-Kranken¬ 
hauses möchte ich demnach zum Schluß wie folgt zusammenfassen: 

Dasselbe soll 

1. in allen Fällen von Verletzungen oder plötzlichen Er¬ 
krankungen, in denen ein sofortiges Eingreifen erforderlich 
ist, die entsprechende Hilfe, namentlich auch in chirurgi¬ 
scher Beziehung, gewähren können; nach dieser Eichtnng 
hin wird daher bei der Anstellung des Arztes der Befä¬ 
higungsnachweis zu prüfen sein; 

2. Aufnahme gewähren bei allen akuten nnd chronischen 
Krankheiten, namentlich in solchen, bei denen eine Pflege 
oder Behandlung im Hause nicht möglich ist, also auch 
zur vorläufigen Unterbringung von Geisteskranken,oder 
wo der Kreis resp. die Gemeinden die Unterbringung der 
Kranken zu veranstalten haben; 



Das Kreis-Erankenhaas auf dem Lande. 


783 


3. den Krankenkassen and Bernfsgenossenschaften in der 
Behandlung und Beobachtung von Kassenmitgliedem oder 
ünfallyerletzten eine entsprechende Anstalt sein; 

4. Kranke, welche an unheilbaren Krankheiten leiden, auch 
Sieche in geeigneten Fällen, auhiehmen, wenn diese 
in privater Pflege nicht verbleiben kOnnen, namentlich 
auch die Kosten der Unterhaltung dem Kreise oder den 
Gemeinden zur Last fallen. 

Nur so wird meiner Ansicht nach das Krankenhaus der länd¬ 
lichen Kreise seinen Zweck erfüllen können und auch in seiner 
Unterhaltung den betreffenden Kreisen die geringsten Schwierig¬ 
keiten bereiten. 


Erwiderung. 

Zu dem Aufsatz des Herrn Med.-Rat Dr. Meyer: „Das 
Kreiskrankenhaus auf dem Lande" bemerke ich Folgendes: 

1) Der in meinem Aufsatz „Das Kreiskrankenhaus auf dem 
Lande* in Nr. 18 dieser Zeitschrift, Jahrg. 1908 vorkommende 
Ausdruck „Hauptaufgabe und Nebenaufgaben des Kreiskranken- 
hauses* hat, scheint es, zu eiuem Mißverständnis geführt, welches 
ich beseitigen möchte. 

Es lag mir zunächst daran, die soziale Bestimmung des 
Kreiskrankenhanses genau festzustellen. Die Bestimmung des 
Kreiskrankenhauses im sozialen Leben, welche es in der Haupt¬ 
sache auf die Pflege der Minderbemittelten bei gewissen Krank¬ 
heitsfällen hinweist, nannte ich die Hauptaufgabe des Kreis- 
krankenhauses. Ich wollte also die Stellung des Kreiskranken- 
hanses unter den sozialen Einrichtungen für Krankenpflege fixieren. 

Es ist vielleicht von Wichtigkeit, sich einmal zu überlegen, 
daß bei dem Mangel eines Kreiskrankenhanses auf dem Lande 
für die entsprechende Krankenpflege der Minderbemittelten bei 
gewissen Krankheiten tatsächlich überhaupt gar keine Einrich¬ 
tung vorhanden ist, daß demnach auf dem Lande bezüglich der 
Krankenhausbehandlung vielfach noch eine Lücke zwischen Klinik 
und Siechenhans besteht. — Bei der weiteren Erläuterung der 
Bestimmung des Kreiskrankenhanses kam ich dann auf einige 
spezielle Aufgaben des Kreiskrankenhanses zu sprechen, welche 
sich freilich aus der Hauptaufgabe ergaben, aber doch ihrer 
Natur nach eine besondere Erörterung erheischten. Ich * nannte 
diese Aufgaben des Kreiskrankenhauses „hochwichtige Neben- 
aufgaben", wünschte aber beileibe nicht eine nebensächliche Auf¬ 
fassung. 

2) Bei Besprechung der Qualität des Kreiskranken¬ 
hausarztes hält Herr Med.-Rat Dr. Meyer den Kreisarzt für 
den berufenen Kreiskrankenhausarzt. Einige Zeilen vorher be¬ 
traut er aber den Eireisarzt auch noch mit der schulärzt¬ 
lichen Tätigkeit im Kreise und gestattet ihm Privatpraxis. Ich 
kann mir nicht vorstellen, wie ein Mann alle diese Aufgaben 
lösen soll, wie ein Arzt das Amt eines Kreisarztes, eines &eis- 



784 


Antwort auf die Torstebende Erwiderung. 


Schularztes und eines Kreiskrankenhansarztes in seiner Person 
vereinigen und dabei noch Privatprazis treiben könnte. 

3) Zum Schluss betone ich: Wenn ich vom Ereiskranken- 
haus spreche, will ich nicht so verstanden sein, dass in jedem 
Kreise nur ein Kreiskrankenhaus stehen soll. Größere Land¬ 
kreise müssen mehrere Krankenhäuser besitzen mit abgegrenzten 
Bezirken, wie es z. B. im Kreise Offenbach des Großherzogtnms 
Hessen eingerichtet ist. 

Dr. Wengl er. 


Antwort auf vorstehende Erwiderung. 

Dem Herrn Kollegen Wen gl er möchte ich zu seiner 
Erwiderung bemerken: Ich habe 16 Jahre lang in meinem früheren 
Wirkungskreise als Krankenhausarzt und Kreisarzt — seit 1901 
für zwei Kreise — gewirkt und dabei noch eine ausgedehnte 
Landpraxis betrieben. Ans den mir zuteil gewordenen Abschieds- 
bezengungen konnte ich entnehmen, daß ich meinen Aufgaben 
nach allen Seiten gerecht geworden bin; es gehört allerdings eine 
kräftige Gesundheit, die volle Arbeitskraft eines Mannes und der 
Verzicht auf ein bequemes Leben dazu, aber was ich durchgesetzt 
habe, wird auch vielen anderen Kollegen, vielleicht in noch 
leichterem Maße, möglich sein. Der Ausdruck „Kreisschnlarzt* 
ist mir übrigens bisher unbekannt gewesen; nach § 94 der D.-A. 
unterliegt die gesundheitliche üeberwachnng der Schulen dem 
Kreisärzte; Ausnahmen machen doch nur die größeren Städte, 
welche besondere Schulärzte angestellt haben. Daß es auch be¬ 
sondere Kreisschulärzte gibt, ist mir bisher unbekannt gewesen. 

Dr. Meyer. 


Die Büchereien der Krankenhäuser. 

Von Dr.PIir,^Erei8as8i8tenzarzt in Wiezbaden. 

Bei den amtlichen Besichtigungen der Krankenhäuser durch 
die Medizinalbeamten wird, soviel bekaunt ist, kein Wert auf 
die Art und Beschaffenheit etwa vorhandener Büchereien gelegt 
und wohl nur in seltenen Fällen Nachfrage danach gehalten- 
Die Vordrucke der Besichtigangsverhandluogen enthalten keinen 
Platz dafür, und in den Jahresberichten wird nichts davon er¬ 
wähnt, so daß auch das jährlich von der Medizinalabteiion g des 
Kultusministeriums herausgegebene „Gesundheitswesen des Preuß. 
Staates“ weder in dem Abschnitte IX. „Fürsorge för Kranke und 
Gebrechliche,“ noch sonst irgendwo einen Aufschluß oder gar 
eine erschöpfende Uebersicht davon geben kann. Es scheint 
dies ein nicht unwesentlicher Mangel zu sein, der sich unschwer 
beseitigen läßt, wenn bei Besichtigung der Krankenanstalten die 
Büchereien beachtet werden, wenn das Ergebnis der Nachfragen 
und des Selbstgesehenen in die Besichtignngsverhandlungen auf- 
genommen wird und von da aus in den Jahresbericht übergeht. 
Alle diese kleinen Quellen vereinigen sich dann wie gewöhnlich 



Dr. Pilf: Die Büchereien der Ernnkenhäiuer. 


786 


in den größeren Bächen der Begiernngs-JahreBberichte, die 
wiedernm in dem großen See znsammenfließen) mit dem ich den 
alljährlichen Gesnndheitsbericht der Medizinalabteilnng vergleichen 
möchte. Ans diesem klaren See wird dann immer wieder neues, 
frisches and belebendes Wasser für die Tätigkeit des Einzelnen 
geschöpft; man kann Mediziaalbeamte, die sich beklagen, daß 
sie nicht genng zu tan hätten, nur immer wieder darauf hinweisen; 
sie werden Anregung genug finden. 

Im Hinblicke auf diese geplante Bereicherung des Ab« 
Schnitts IX wird vielleicht mancher Medizinalbeamte mit mir der 
Ansicht sein, daß die Versorgung mit guter und zweckent¬ 
sprechender geistiger Nahrung, die belehrend und bildend, bessernd 
und unterhaltend zugleich ist, einen nicht unwesentlichen Teil 
der Fürsorge für die Kranken aasmacht. Der Diätetik der Seele 
und der Hygiene des Gemüts wird mit Recht immer häufiger der 
ihnen zukommende bevorzugte Platz neben der leiblichen Ver- 
pfiegung und dem sonstigen äußerlichen Heilverfahren eingeräumt. 
Es sind deshalb wohl in fast allen Krankenhäusern wenigstens 
kleine Büchersammlungen vorhanden, die den Kranken zur Ver¬ 
fügung stehen. Wie diese Büchereien im allgemeinen beschaffen 
sind, wie groß die Zahl der Bände ist, woher sie stammen, nach 
welchen Verfahren sie den Kranken eingehändigt werden usw., — 
davon ist wohl kaum etwas bekannt. Und doch wäre es viel¬ 
leicht eine sehr dankbare und Anteil erweckende Aufgabe, über 
diesen so wichtigen Zweig der Krankenfürsorge möglichst aus¬ 
giebige Feststellungen zu machen. Ueber die Wichtigkeit dieser- 
Art von Fürsorge mich noch näher anszusprechen, das halte ich 
vor dem Forum derer, die die «Zeitschrift für Medizinalbeamte** 
lesen, natürlich für überfiüssig. 

Die Medizinalbeamten sind in erster Linie befähigt, über 
diese Fragen Aufschluß zu geben; denn da sie alljährlich jedes 
Krankenhaus ihres Kreises besichtigen, sind sie auch in der Lage, 
über das Vorhandensein und die Beschaffenheit der Büchereien in 
den Krankenhäusern Feststellungen vorzunehmen, was jedenfalls 
ohne große Schwierigkeiten und ohne wesentlichen Zeitverlust 
geschehen kann. Ich will bereits an dieser Stelle, auf die Geführ 
hin, mißbilligendes Kopfscbütteln zu erregen, meine Absicht an¬ 
kündigen, daß ich demnächst einen Fragebogen an alle Beteiligten 
versenden werde. Ich werde die Bitte anssprechen, im Laufe 
des nächsten Jahres die nötigen Feststellungen bei Besichtigung 
der Krankenhäuser zu machen inbezug auf die Büchereien und 
dann die aasgefüllten Fragebogen am Jahresschlüsse zurück- 
zusenden. Den auf diese Weise gesammelten Stoff will ich sichten 
und ordnen und die nötigen Schlüsse daraus ziehen. Ich bin 
schon heute felsenfest davon überzeugt, daß mir die Herren bei 
meinen Bestrebungen helfen werden und daß das Endergebnis 
nebst den sich daraus ergebenden Verbesserungen zum HeUe der 
Krankenhäuser und der Kranken dienen wird. 

Zunächst wird sich wahrscheinlich ergeben, daß die Ver- 
Borgung der Kranken mit gutem Lesestofie unzureichend ist, und 



786 


Dr. Pilf. 


daß es in den meisten F&llen an der genfigenden Ordnung, 
Sauberkeit und Vorsicht fehlt. Soweit bis jetzt im allgemeinen 
bekannt ist, entspricht nämlich eine Erankenhansbächerei, wie sie 
jetzt beschaffen ist, in den meisten Fällen noch nicht einmal 
den dttrfti^ten Anforderungen an die Gesundheitspflege; es er¬ 
scheint einigermassen unbegreiflich, dass bis jetzt so wenig dafflr 
getan wird. 

Wenn wir fragen, woher die Bficher stammen, die 
wir in einer Erankenhansbibliothek Anden, so erfahren wir ge¬ 
wöhnlich zunächst, dass irgendwelche Mittel, ans denen Lesestoff 
angeschafft werden könnte, nicht zur Verfflgnng stehen. Es sind 
meist wahllos and planlos geschenkte Bücher, vielfach langweilig 
nnd altersschwach änsserlich and innerlich; Bücher, die kein 
Mensch sonst mehr haben mochte, weil sie in höchst nnerqnick- 
lichem Zustande sind, werden den E[rankenhänsem überantwortet. 
Oft stammen sie auch von den Eranken selbst oder sie werden 
von den Genesenen znrückgelassen; gelegentlich sind sie auch 
das Ergebnis von Sammlnngen, die znm Besten des Erankenhanses 
veranstaltet werden. Jedenfalls aber stehen wir vor der be¬ 
schämenden Tatsache, daß die Versorgang der Eranken mit 
guten, nenen Büchern als etwas sehr Nebensächliches, sogar Un¬ 
nötiges angesehen wird; ein Beefsteak gilt ja im Volke der 
Dichter und Denker für viel nahrhafter und wertvoller als ein 
Bach. 

Daß die Beschaffenheit der anf meist höchst unwürdige 
nnd klägliche Weise in die Erankenhänser gelangten Bücher wenig 
einwandfrei ist, kann kaum bezweifelt werden; noch sicherer ist 
es jedoch, daß sie sehr bald nach ihrem Gebrauche im Eranken- 
hanse in einen derartigen Zustand geraten, daß sie Furcht nnd 
Mitleid zugleich erwecken. Es gehört wenig Phantasie dazu, 
sich die Wandernngen nnd Wandlangen eines solchen Buches 
vorznstellen; noch leichter wird es, wenn man seine eigenen Be¬ 
obachtungen nnd Erfahrungen zu Hülfe nimmt. Am Morgen hat 
ein unglücklicher Phthisiker das Buch gelesen nnd anf allen 
Blättern reichlich and umständlich behnstet, auch die Blätter nnd 
den Einband innig mit seinen Fingern berührt, die er sich nicht 
wäscht, anch wenn er, an tuberkulösem Darmkatarrh leidend, sehr 
oft den Abort oder das Stechbecken benutzt hat. Am Nachmittage 
wandert das Buch anf die chirni'gische Abteilang, wo es bis znm 
nächsten Tage mit der nötigen Anzahl von Eiterkokken nnd Ge¬ 
nossen versehen wird. Am nächsten Tage gelangt es in die Einder- 
abteilnng, wo ein Eind in der einen Hand eine Bnttersemmel hält 
und verspeist, in der anderen das Buch znm Lesen hält, das dabei 
gelegentlich auch auf dem Speisebrette gelegt wird. Znm Schlüsse 
werden die Finger zugleich mit Butter, Tuberkelbazillen und 
Eiterkokken abgeleckt. Wenn das Buch nun nicht am nächsten 
Tage schon von einem Typhuskranken, oder von einem Scharlach¬ 
oder Diphtheriekranken gelesen wird, kann es von Glück sagen. 
Aber auf alle Fälle steht ihm dieses Schicksal früher oder später 
noch bevor, and trotzdem gibt es immer noch Leute, die nicht 



Die Bttcherden der Krankenhiiuer. 


787 


begreifen können, auf welche Weise oft ansteckende Krankheiten 
übertragen werden, üeber schmutzige Bücher könnte man über¬ 
haupt noch mancherlei sagen, z. B. über die in den aseptischen 
Wartezimmern der Aerzte. Wem geht da nicht freudig das Herz 
auf, wenn er sich in den Anblick dieses Lesetisches vertieft! 
Fürwahr, die Theorie ist erbarmungslos, und die Praxis ist lang¬ 
mütig und gnädig bis zur Gedankenlosigkeit. 

In den Krankenhäusern fehlt es fast immer an jeder Ord¬ 
nung und Aufssicht inbezug auf die Au'sgabe der Bücher, und 
nach ihrem Herkommen fragt niemand. Die meisten Menschen 
sind einem Buche gegenüber von einer beneidenswerten Harm¬ 
losigkeit. Auch Leute, von denen man es nicht erwarten sollte, 
sieht man beim Blättern in einem Buche, auch wenn es schon 
durch zahlreiche Hände gegangen ist, sich jedesmal mit einem 
gewissen Wohlgefallen die Fingerspitzen belecken.^) 

Ans alle diesem ergibt sich von selbst die laute Frage: 
Wie ist dem abzubelfenP 

Diese Frage kann und will ich heute noch nicht vollständig 
beantworten, sondern ich kann erst dann, wenn meine Umfrage 
ei*folgreich gewesen ist, mit ausreichenden Vorschlägen für die 
hygienisch einwandfreie Gestaltung der Krankenhausbüchereien 
hervortreten. Trotzdem möchte ich schon heute, gewissermaßen 
als Einleitung, zur Anregung und Ermunterung, einen kleinen 
Vorschlag machen. 

Es empfiehlt sich, alle Bücher zweifelhaften Herkommens 
für die Krankenhäuser von vornherein einfach abzulehnen und die 
Krankenhausverwaltungen und die sonst in Betracht kommenden 
Persönlichkeiten dafür zu interessieren, daß sie die nötigen Bücher 
für die Bfranken kaufen. Es ist ja bekannt, das das Bücherkaufen 
im allgemeinen auch von vielen sonst gut erzogenen Leuten für 
Verschwendung gehalten wird und daß behauptet werden wird, 
dazu seien keine Mittel im Haushalte der Krankenanstalten vor¬ 
handen. Ich kann jedoch beweisen, daß hierzu tatsächlich so ge¬ 
ringe Geldmittel nötig sind, daß sich kaum ein Krankenhaus das 
Armutszeugnis ansstellen wird, nicht soviel hergeben zu können. 
Jedes Krankenhaus ist in der Lage, eine große Anzahl von 
Büchern für die Kranken anznschaffen, auch ohne die Schwierig¬ 
keiten einer Prüfung und Auswahl zu haben. 

Ich meine hier in erster Linie die bekannten Wiesbadener 
Volksbücher. Von dieser Sammlung sind nach dem vorliegenden 
letzten Verzeichnisse 109 Bände erschienen, die ihrer Auswahl, 
ihrem literarischen und ihrem ethischen Werte nach über allen 
Zweifel erhaben sind; diese 109 Bände kosten zusammen im 
Einzelkaufe noch nicht ganz zwanzig Mark. 


0 Wovon sind die gerichtlichen und anderen Aktenstttcke besonders auf 
jeder Seite unten rechts so ekelerregend und sehmntzig klebrig? Antwort: 
Vom Fingerlecken. Sehr viele, die das Aktenstück lesen, lecken den Schmatz 
and Speichel ihrer Vorgänger ab. Es ist aach hier eine förmliche Massen- 
saggestion za bemerken; niemand glaabt ombUttem za kOnnen, wenn er sich 
erst nicht die Fingerspitmn beleckt hat. 



788 


Dr. PUI: Die Bfichereien der Krankenliiaser. 


Der Preis der Bfteher richtet sich im wesentlichen nach der 
Bogenzahl; die dhnnsten Bände sind etwa 3—4 Druckbogen stark. 
Bis jetzt sind vorhanden: 

80 Bändchen im Preise yon je 10 Pf., 4 fttr 30 Pf., 

86 im Preise yon je 15 Pf., 8 fAr 35 Pf., 

22 fttr 20 Pf., 2 fttr 40 Pt, 

9 fttr 25 Pt, 2 fttr 45 Pt, 

1 fttr 50 Pf. 

Die Anzahl der mehr als 20 Pf. kostenden Bücher ist also 
sehr gering. Man kann z. B., wenn man von jedem der Zehn- 
pfennigbttcher 10 Stück bestellt, für 80 Mark 300 Bücher kaufen. 

Die Bücher, die mehrere Male gelesen sind, und die auch 
nur im geringsten verdächtig, unansehnlich oder unsauber ge¬ 
worden sind, können bei ihrem geringen materiellen Werte ohoe 
weiteres verbrannt werden; bei Büchern, die von infektiösen 
Kranken gelesen werden sind, möchte ich das in jedem Falle 
empfehlen. Mindestens können aber für die einzelnen Abteilungen 
größerer Krankenhäuser besondere Büchereien angeschafft werden, 
so daß fwenigstens die gefährlichsten Wanderungen der Bücher 
vermieden werden. Die Auswahl dieser Bücher kann jedermann 
überlassen werden; ob sie aus Meyers Volksbüchern, aus der 
Bekl am sehen Universialbibliothek, Kürschners Bücherschatz 
oder sonst woher getroffen wird, ist imgrnnde einerlei. Die 
Wiesbadener Volksbücher brauchen nicht ausgesucht zu werden; 
sie können nach der Reihe jedermann, zum grössten Teile auch 
Kindern, in die Hände gegeben werden. Sie bilden einen an¬ 
regenden, veredelnden Lesestoff; sie halten sich frei von allen 
religiösen und politischen Streitfragen und Erörterungen, die für 
Kranke ja noch weniger erspriesslich sind wie für Gesunde. 
Aeltere und neuere Dichter sind gleichmässig berücksichtigt. 

Die besichtigenden Medizinalbeamten sind also schon jetzt 
in der Lage, den Krankenhäusern mit positiven Vorschlägen 
gegenüber zu treten, wenn es auch vielfach nicht ganz leicht 
sein wird, die Scheu vor dem Bücherkaufen zu ertöten. Kein 
Mensch besinnt sich, wenn er für eine Zigarre, ein Glas Bier, 
eine kurze Fahrt auf der Strassenbahn oder eine ähnliche soge¬ 
nannte Notwendigkeit des täglichen Lebens Tag für Tag so und 
so viele Zehnpfennigstttcke opfert; aber für ein Buch, für einen 
edlen geistigen Genuß täglich zehn Pfennige oder gar zwanzig 
ausgebenP Unerhörte Zumutung! Eine Zigarre fttr zehn Pfen¬ 
nige verbrennen — selbstverständlich; aber ein Buch fttr zehn 
Pfennige kaufen, lesen und dann verbrennen, anstatt es ztranzig 
Mal auszuleihen — unglaubliche Verwegenheit! Wenn doch ein 
Zehntel, nur ein Zwanzigstel oder noch weniger des Geldes, das 
in Deutschland jährlich für Alkohol und Tabak ausgegeben wird, 
für Anschaffung guter Bücher verwendet würde! Wahrhaftig, es 
stände dann besser um unser Volk! Sollen wir nicht alles auf¬ 
bieten, um hier zu helfen? Grade von uns soll doch jeder Ein¬ 
zelne das Bestreben haben, unser Volk auf eine höhere körper¬ 
liche, geistige und sittliche Stufe zu heben. Jeder Weg, und 



Der Gesetzentwurf, betreffend die Gebühren der Medüdnalbeamten usw. 789 

wenn er auch anfangs noch so schwierig und angangbar erscheint, 
läßt sich ebnen. 

Das Lesebedttrfnis des Volkes darf nicht unterschätzt wer¬ 
den; wir wissen ja alle, dass die Leute nach wirklich guten 
Bflchem vielfach geradezu hungern; es fehlen ihnen nur die G^e- 
legenheiten nnd das Wissen, sie zn erhalten. 

Dass ich mit meinen Ansfahmngen nnd Vorschlägen auf 
Widersprach stossen werde, weiss ich ganz genau; es gibt ja, 
besonders in Deutschland, bekanntlich nichts, gegen das nicht 
irgend jemand etwas einzuwenden hätte. Es wird heissen, dass 
ich mich mit Utopien beschäftige, dass ich einem unpraktischen 
Idealismus das Wort rede, dass in Wirklichkeit alles ganz anders 
sei, dass meine Vorschläge undurchführbar seien — nun wohl, 
auf diese und andere bei jeder Gelegenheit anftauchenden Ein¬ 
wände bin ich vorbereitet. Ebensogut weiss ich aber auch, dass 
sich alles aus kleinen Anfängen entwickeln muss und dass es mir 
gelingen wird, eine ganze Reihe von meinen Lesern zu über¬ 
zeugen, damit in absehbarer Zeit auf dem Gebiete der Eranken- 
hausbüchereien gute Zustände geschaffen werden. 


Der Gesetzentwurf, betreffend die Gebühren der Medizinal¬ 
beamten und seine Rückwirkung auf die Gehalts- und 
sonstigen Diensteinkommensverhäitnisse dieser Beamten. 

Vom Herausgeber. 

Der dem Landtage jetzt von neuem vorgelegte Gesetzent¬ 
wurf, betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten, stimmt in 
seinem Wortlaut mit den früher (in den Jahren 1901, 1902 nnd 
1904 vorgelegten Entwürfen zwar im allgemeinen überein nnd ist 
damals bereits bespochen (s. diese Zeitschrift, Jahrg. 1901, Nr. 5, 
S. 166 und Jahrg. 1902, Nr. 7, S. 223), er bringt jedoch mehr¬ 
fach nicht blos redaktionelle, sondern auch sachliche Aendernngen, 
die für die künftigen Diensteinkommensverhältnisse der Medi¬ 
zinalbeamten von großem Interesse sind und daher einer ein¬ 
gehenden Besprechung bedürfen. Wir lassen zunächst den Wort¬ 
laut des Gesetzentwurfes nebst Begründung nnd beigefügten 
Tarifen folgen*): 

§ 1. Die Kreisärzte erhalten ffir amtliche Verrichtungen, deren Kosten 
der Staatskasse zur Last fallen, soweit dieses Gesetz in den §§ 3 nnd 5 nicht 
ein anderes bestimmt, außer ihren etatsmäßigen Bezügen keine weitere Ver¬ 
gütung aus der Staatskasse. 

§ 2.‘) Bei anderen amtlichen Verrichtungen erhalten die 
Kreisärzte Gebühren, und zwar 
1. wenn es sich um ortspolizoiliche Interessen handelt, 
deren Befriedigung den Ge|meinden gesetzlich obliegt, 
von den letzteren. 


*) Die Abänderungen sind gesperrt gedruckt. 

*) Entspricht einem Beschlüsse der Kommission des Abgeordnetenhauses; 
die Aenderungen sind jedoch nur redaktioneller Art. 



790 Der Oesetzentwnrf, betreffend die Oebflhren der HedizinalbeunteB nnd eeioe 

2. in allen ttbrisen Fällen von den Beteiligten, in deren 
Interesse die Verrichtungen erfolgen. 

§ 8. Für die Tätigkeit als gerichtliche Sachverständige (Gierichtsärzte) 
steht den Kreisärzten ein Anspruch auf Gebühren zu. 

§ 4. Die Tollbesoldeten Kreisärzte haben die ihnen nach 
den §§ 2 und 8 zustehenden Gebühren an die Staatskasse ab* 
Zufuhren. 

§ 6. Die Kreisärzte erhalten aus der Staatskasse, in den Fällen des § 2 
von den Beteiligten, Tagegelder und Beisekosten nach Maßgabe der für 
Staatsbeamte geltenden ^Igemdnen gesetzlichen Bestimmungen. Die Vor¬ 
schrift des § 1 Abs. 6 des Gesetzes, betreffend die Dienst¬ 
stellung des Kreisarztes nnd die Bildung von Gesnndheits- 
kommissionen, vom 16. September 1899 (GesetzsammL 
8. 172 flg.) bleibt unberührt. 

Die Gemeinden und sonstigen Beteiligten sind befugt, 
mit den Kreisärzten die Gewäh|tnng von Pansehaient¬ 
schädigungen zu vereinbaren.*) 

Die Tagegelder und Beisekosten in gerichtlichen Angelegenheiten (§ 8) 
werden durch Königliche Verordnung festgesetzt. 

Werden die in dem § 2 bezeichneten Verrichtungen an dem Wohnorte 
oder in einer Entfemung von weniger als zwei Kilometern von demselben 
vorgenommen, so haben die Kreisärzte Anspruch auf Ersatz der verauslagten 
Fuhrkosten. 

§6. Sind mehrere amtliche Verrichtungen auf einer 
Beise in einer Entfernung von mindestens zwei Kilometern 
vom Wohnorte des Kreisarztes vorgenommen worden, nnd 
ist eine Verteilung der Kosten auf die verschiedenen 
Verrichtungen erforderlich, so sind fürdie ganze BeiseTage- 
gelder nnd Beisekosten nach den für Staatsdienstreisen 
geltenden Sätzen zu berechnen nnd gleichmäßig nach der 
Zahl der Geschäfte auf diese zu verteilen; hierbei gelten 
mehre re an demselben Orte für de ns eiben Zahlungspflichtigen 
verrichtete Dienstgeschäfte der in den §§ 1, 2 bezeichneten 
Art als ein Geschäft.*) 

Die vorstehenden Bestimmungen finden entsprechende Anwendung auf 
die bei Verrichtungen am Wohnorte oder in einer Entfemung von weniger 
als zwei Kilometern von diesem entstandenen Auslagen für Fuhrkosten. 

Tagegelder können auch dann, wenn mehrere Dienstreisen an einem 
Tage erl^igt werden, nur einmal beansprucht werden. 

§ 7. In den Fällen der §§ 2 nnd 3 werden Tagegelder nur insoweit 
gezahlt, als sie die Gebühren für die auf der Beise vorgenommenen amtlichen 
Verrichtungen übersteigen. Die vollbesoldeten Kreisärzte haben 
denjenigen Betrag, um welchen die Gebühren den gesetz¬ 
lichen Tagegeldersatz überschreiten, an die Staatskasse 
abzufühjren.>) 

§ 8. Der Tarif für die den Kreisärzten in Gemäßheit der §§ 2 nnd 3 
zustehenden Gebühren wird durch den Minister der Medizinal-Angelegenheiten 
im Einvernehmen mit den sonst beteiligten Ministem festgesetzt. In gleicher 
Weise werden auch die erforderlichen Ansführungsbestimmungen erlassen. 

In dem Tarife kann auch bestimmt werden, daß bei einzelnen Arten 
von Verrichtungen Gebühren nicht zu erbeben sind. 

Der TarU ist durch die Gesetzsammlung bekannt zu machen. 

§ 9. Werden [in den Fällen, in welchen der Tarif einen Mindest- nnd 
Höchstsatz vorsieht, Bedenken gegen die Angemessenheit des geforderten 
Betrages erhoben, so entscheidet, soweit nicht für gewisse Verrichtungen ein 
anderes bestimmt ist, der Begierungspräsident, innerhalb des seiner Zuständig¬ 
keit unterstellten Bezirks der Polizeipräsident von Berlin, endgültig. 


*) Entspricht einen Beschluß der Kommission des Abgeordnetenhauses. 
2) Die Aenderung ist nur redaktionell; sie entspricht dem Gesetze vom 
24. Juli 1904, betreffend die Gebühren der Kreistierärzte. 

') Die Aenderung ist nur redaktionell. 



Ettekwirknng auf die Gehalts- nsw. Veihiltnisse dieser Beamten. 791 

§ 10. Als Kreisärate im Sinne dieses Gesetses gelten anck die Kreis- 
assistensärzte. 

§ 11. Inwieweit bei der Pensionierung der nicht roll- 
besoldeten Kreisärzte aufier dem Gehalt amtliche Gebühren 
im Sinne dieses Gesetzes und andere Dienstbezttge der Pensions¬ 
berechtigung zugrunde zu legen sind, wird durch den Staats¬ 
haushaltsetat bestimmt. 

§ 12. Werden andere Aerzte, beamtete oder nicht beamtete, zu einer 
der in den §§ 2 und 8 bezeichneten Verrichtungen amtlich aulgefordert^ so er¬ 
halten sie in Ermangelung anderweitiger Verabredung die den Kreisärzten 
nach Maßgabe der §§ 2, 8, 8 und 9 zustehenden Gebtthren. Werden nicht 
beamtete Aerzte zu einer der in dem § 1 bezeichneten Verrichtungen amtlich 
anfgefordert, so erhalten sie in Ermangelung anderweitiger Verabredung die 
für die EäUe des § 2 bestimmten Gebühren. In den Fällen des Abs. 1 
erhalten die Aerzte dieselben Tagegelder, Reisekosten und Fuhrkosten, welche 
den Kreisärzten in Gemäßheit der §§ 5 bis 7 zustehen, sofern sie nicht nach 
ihrer Amtsstellung Anspruch auf höhere Sätze haben. 

§ 18. Wirdzu einer gerichtlichen oder medizinalpolizei¬ 
lichen Feststellung ein Chemiker zngezogen, so erhält der- 
selbefür seineArbeit, einschließlich desBerichts, Gebühren. 

Hinsichtlich des Tarifs für die Gebühren gelten die 
Vorschriften der §§ 8 und 9. 

Etwaige Auslagen für Benutzung eines besonderen 
Lokals sind dem Chemiker neben der Gebühr zu vergüten. 

§ 14. Für die Besichtigung einer Apotheke an seinem Wohnorte oder 
in einer Entfernung von weniger als zwei Kilometern von demselben erhält 
der medizinische Kommissar 6 M. Entschädigung. 

Der pharmazeutische Kommissar erhält Tagegelder und Reisekosten 
nach den den Kreisärzten zustehenden Sätzen, außerdem^ 1,60 M. für jede 
Apothekenbesichtigung als Ersatz für verbrauchte Reagentien. 

§ 16. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündigung in Kraft. 

Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die den Medizinalbeamten 
für die Besorgung gerichtsärztlicher, medizinal- oder sanitätspolizeilicher Ge¬ 
schäfte zu gewährenden Vergütungen, vom 9. März 1872 (Gesetzsamml. S. 265) 
und der Verordnung vom 17. September 1876 (Gesetzsamml. S. 411) treten 
außer Kraft. 

Begründung *) 

Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die den Medizinalbeamteu 
für die Besorgung gerichtsärztlicher, medizinal- oder sanitätspolizeilicher 
Geschäfte zu gewärenden Vergütungen, vom 9. März 1972 (Gesetzsanunlung 
8. 265) haben sich schon seit Jahren nach verschiedenen Richtungen als 
nnznlänglich erwiesen. Ea war daher beabsichtigt, zugleich mit dem Gesetz, 
betreffend die Dienststellung des Kreisarztes und die Bildung von Gesundhets- 
kommissionen, vom 16. September 1899 (Gesetzsamml. S 172) die Bestimmungen 
über die Gefahren der Medizinalbeamten einer Revision zu unterziehen. Diesem 
Zwecke sollte der in der ersten Session der 20. Legislaturperiode eingebrachte 
Entwurf (Nr. S8 der Drucksachen) dienen. Mit demselben ist der vorliegende 
Entwurf im wesentlichen gleichlautend. Die von der XIV. Kommission des 
Hauses der Abgeordneten vorgenommenen Äenderungen (vergl. Anl. 2 zu Nr. 1072 
der Drucksachen) haben Berücksichtigung gefunden. Teilweise {vergl. § 5) erschien 
es zweckmässig, die neue Fassung dem Vorgänge des Gesetzes, betreffend die 
Dienstbezüge der Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904 (Gesetzsamml. S. 169) an- 
zupassen. Neu eingefügt sind die §§ 4, 11 und 13 (siehe die besondere Begründung). 

Die wesentlichen Gründe für die beabsichtigte Neuregelung sind folgende. 
ln erster Linie hat die Fassung des Gesetzes vom 9. März 1872 an machen 
Stellen zu Klagen über Unklarheiten und Lücken und infolge dieser Mängel 
zu Atulegungen Veranlassung gegeben, die zu widersprechenden höchstrichter¬ 
lichen Entscbeiduog geführt (vergl. u. a. Urteil des Reichsgerichts vom 
6. Januar 1899 und 3. Dezember 1900, Entsch. in Zivils. Bd. 43 S, 220, Bd. 47 
S. 319, Urt. des Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar und 1. Dezember 
1899 in Anlage I auszugsweise mitgeteilt), sowie eine Reihe ergänzender 


*) Die Abänderungen sind in Kursivschrift gedruckt. 



792 Der Gesotzentwarf, betreffend die Qebtthren der Medizinalbeamten and seine 


Erlasse der Verwaltungsbehörden notwendig gemacht haben. Dies gilt ins* 
besondere Ton den Vorschriften in den §§ 1 and 3 des Gesetzes. Durch die 
Bestimungen des Entwurfs (§ 1) wird die Rechtslage in diesem Punkte geklärt. 
(Vergl. die besondere Begründung zu diesem Paragrapkeu.) 

Hinsichtlich das Gebttbrenbezages ist allgemein Toraaszoscbicken, daß 
das Gesetz, betreffend die Dienststellang des Kreisarztes asw., vom 16. September 
1899 sich aas den za § 8 des Entwurfes desselben näher dargelegten Gründen 
daraal beschränkt hat, dem künftigen Kreisärzte die Pensionsfähigkeit der 
Besoldang and damit die Konsequenz der gesetzlichen Bestimmungen (yergL 
Gesetz yom 20. Mai 1882, Gesetzsamml. S. 298) den Hinterbliebenen auch 
Ansprach auf Beliktenyersorgang za gewährleisten. Im übrigen aber beab* 
sichtigte das Kreisarztgesetz nicht, wie dort ebenfalls aasgeführt ist, der 
Dienststellung des Kreisarztes einen von der des Kreisphysikas abweichenden 
Bechtscharakter zu geben. Der Kreisarzt bezieht, wie auch früher der Kreis* 
physikas, für seine Tätigkeit im staatlichen Interesse seine Besoldang aas der 
Staatskasse, welche durch den Staatshaashaltsetat für 1901 wesentlich erhöht 
worden ist, auch eine weitere Erhöhung im Bahmen der bevorstehenden Beamten- 
besoldongsaufbesserong erfahren soll, und hat demnach, wie alle anderen 
Staatsbeamten, sämtliche mit seinem Amt verbundenen Verrichtungen dieser 
Art ohne weitere Vergütung vorzanehmen. Dagegen verbleiben den Kreis* 
ärzten — abgesehen von den vollbesoldeten — für sonstige amtliche Verrichtangen 
auch weiterhin die Gebühren der Beteiligten. 

Besoldang and Gebühren stellen zusammen das Diensteinkommen des 
nicht vollbesoldeten Kreisarztes dar, welches entsprechend dem nach den 
Örtlichen Verhältnissen sehr verschiedenen Umfang seiner amtlichen Inansprach- 
niüime sich auch in Zakanft, wenn auch unter allgemeiner Aofbesserung seiner 
materiellen Stellung, verschieden gestalten wird. 

Wenn ursprünglich bei der Revision des Gebührengesetzes beabsichtigt war, 
eine Erhöhung der Gebührensätze herbeizuführen, weil die Anforderungen an 
die wissensclmftliche und praktische Ausbildung der Medizinalbeamten seit dem 
Erlasse des Gesetzes vom 9. März 1872 eine erhebliche Steigerung erfahren haben 
und die Höhe der 1872 festgesetzten Gebühren nicht mehr überall den heutigen 
Verhältnissen und Geldwerten angemessen erschienen, so tritt nunmehr dieser 
Gesichtspunkt mit Rücksicht auf die in Aussicht stehende Besoldungsaufbesserung 
in den Hintergrund. In dem Tarifentwurf (Anl. A.) ist nur bei 
einigen Positionen eine mässige Erhöhung vorgesehen, welche 
jedoch durch Ermässigungen oder durch Einführung völliger 
Gebühren freiheit an anderen Stellen, insbesondere an solchen, 
bei denen soziale Rücksichten mitsprechen, ausgeglichen 
erscheint. 

Es empfiehlt sich nicht, die Gebühren, wie dies im Gesetz vom 9. März 
1872 geschehen ist, in dem Gesetze selbst festzastellen. Vielmehr erscheint 
es mit Bücksicht aaf den schnellen Wechsel, dem die amtsärztliche Tätigkeit, 
sowie die derselben zagrande liegenden Zweige der medizinischen Wissenschaft 
unterliegen, zweckmäßig, einen Weg za wählen, welcher geeignet ist, dem 
jeweiligen Bedürfnisse der Abänderung oder Ergänzung der normierten Gebühren¬ 
sätze ebenso schnell wie sachgemäß Bechnung zu tragen. Nach dem Vorgänge 
der Begelung der Gebührenverhältnisse der approbierten Aerzte (vergL § 80 
Abs. 2 der Beichsgewerbeordnung für approbierte Aerzte und Zahnärzte vom 
15. Mai 1896 — Min. - Bl. f. d. iun. Verw. S. 105) sowie derjenigen der Kreis¬ 
tierärzte für ihre Tätigkeit als gericlUliche Sachverständige (vergl. § 3 des Gesetzes, 
betreffend die Dienstbezüge von Kreistierärzten, vom 24. Juli 1904, Gesetzsamml. 
S. 169) soll daher der Minister der Medizinal*Angelegenheiten ermächtigt 
werden, den Tarif für die den Kreisärzten nach §§ 2 und 8 zustehenden Gebühren 
festzusetzen und auch die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen; 
daß der Minister der Medizinal*Angelegenheiten vor dem Erlasse oder der 
Abänderung des Tarifs sich des Einverständnisses sonst beteiligter Minister 
(des Finanzministers, des Justizministers) zu versichern hat, entspricht den 
bestehenden Bessortgrundsätzen. 

Im einzelnen ist folgendes!;zu bemerken: 

11« Die Vorschrift im § 1 des^'Eutwurfes stellt den Grundsatz an die 
Spitze, daß beim Kreisarzt, wie bei jedem anderen Staatsbeamten, die etats¬ 
mäßigen Bezüge den vollen Entgelt für die in dem Bereiche seiner dienstlichen 



BttckwirkiiBg ani die Qehalts- nsw. Verhältnisse dieser Beamten. 7d3 


Tätigkeit liegende Inang|^nahme seitens des Staates darstellen. Aosnabmen 
von diesem Omndsatse sind in den §§ 3 und 5 anfgeftthrt. Schon die Fasson^ 
des § 1 läßt erkennen, daß hier nor solche Verrichtungen gemeint sind, die 
dem Kreisärzte ids staatlichen Qesundheitsbeamten des Kreises obliegen, nicht 
aber Geschäfte, welche von dem Kreisärzte in der Form eines staatsseitig 
übertragenen Nebenamtes oder zufolge privatrechtlichen Auftrages besorg 
werden (z. B. die GeschÜte als Mitglied eines Provinvial - MedizinaXkMegiums au 
Bahnarzt, Gefängnisarzt, als Arzt bei einer staatlichen Betriebskrankenkasse usto.) 

Der Grundsatz des § 1 gilt auch für die im ortspolizeilichen Interesse 
vorgenommenen Verrichtungen an Orten mit Königlicher Polizeiverwaltung, 
so daß hier die Kreisärzte fortan für solche Verriätungen keine besondere 
Vergütung zu beanspruchen haben sollen. Zur Beseitigung von ünbilli|;keiten, 
welche die Entziehung dieser Einnahmequelle für eine Beihe von Kreisärzten 
mit sich bringen würde, ist jedoch in Aussicht genomen, den nicht vollbesoldeten 
S[reisärzten an solchen Orten, sofern die Verrichtungen ortspolizeilicher Natur 
am Wohnorte oder in einer Entfernung von weniger als zwei Kilometern einen 
größeren Umfang haben, angemessene Stellenzulagen zu gewähren. 

Sollten ferner einige der zurzeit im Amte befindlichen Kreisärzte durch 
den Fortfall der ihnen bisher nach § 1 Absatz 1 des Gesetzes vom 9. März 
1872 zustehenden Fuhrkostenentschädigung von je 1,50 M. ein Einnahmeausfall 
erleiden, der durch die in Aussicht atmende Gehaltsaufbesserung nicht ausge¬ 
glichen wird, so ist auch hier eine billige, jedoch auf die derzeitigen Stelleninhaber 
bescchränkte Entschädigung vorgesehen. 

§ 2. Der § 2 trifft im Gegensätze zu dem § 1 Bestimmung über alle 
anderen amtlichen Verrichtungen, d. h. über alle Verrichtungen, deren Kosten 
der Staatskasse nicht zur Last fallen. Neben einer Beihe von Geschäften, 
welche den Kreisärzten von Behörden, Korporationsvorständen nsw. aufgetragen 
werden, gehören hierher insbesondere die Fälle, in welchen die Verrichtung 
dnrt^ ein Privatinterresse veranlaßt ist oder die Tätigkeit des Kreisarztes für 
soldie ortspolizeilichen Interessen in Anspruch genommen wird, deren Be¬ 
friedigung den Gemeinden gesetzlich obliegt (vergl. auch Abs. 2 und Abs. 8 
des § 1 des Gesetzes vom 9. März 1872). Eine Verpflichtung der Kreisärzte 
zu unentgeltlicher Tätigkeit in ortspolizeilicben Angelegenheiten, für welche 
die Gemeinden die Kosten zu tragen haben, besteht nicht. Sie sind vielmehr, 
wenn ihnen solche Geschäfte anfgetragen werden, auch schon nach der bisherigen 
Bechtslage berechtigt, dafür von den Gemeinden Gebühren zu beanspruchen. 
Die Frage, in welchen Fällen auf dem Gebiete des Medizinalwesens insbesondere 
im HinbUck auf die Feststellung und Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten, 
die Kosten der polizeilicherseits getroffenen Maßnahmen von den Gemeinden 
und in welchen Fällen sie vom Staate oder sonst Verpflichteten zu tragen sind, 
ist ans dem materiellen Becht zu entscheiden und wird durch den Gesetzentwurf 
nicht berührt. Die Verpflichtung der Gemeinden, für orte- bezw. medizinal- 
nnd sanitätspolizeiliche Kosten aufznkommen, erleidet ebensowenig, wie der 
Umfang dieser Verpflichtung durch den Gesetzentwurf eine Aendernng; derselbe 
lehnt, indem er wegen der materiellen Kostenpflicht der Gemeinden ausdrücklich 
auf das bestehende* Becht verweist, seinerseits das Eingehen auf diese Frage 
ab und beschränkt sich darauf, den Gebührensatz, nicht die Gebührenpflicht 
zum Gegenstände seiner Begelung zu machen. 

Die Aenderung der Fassung gegenüber der Vorlage vom 28. Januar 1904 
beruht auf den Beschlüssen der Kommission des Hauses der Abgeordneten und 
ist rein redaktioneller Art. Es hat nur eine Klarstellung, nicht eine materielle 
Aenderung der Vorschrift erfolgen sollen. 

§ 8. Die Bestimmung des § 8 stimmt mit dem bisherigen Bechte überein 
und gibt zu besonderen Bemerkungen keine Veranlassung. 

§ 4. Nach § 3 Absatz 3 des Gesetzes, betreffend bie Dienststellung des 
Kreisarztes und die Bildung von Gesundheitskommissionen, zom 16. September 
1899 {Gesetzsamml. S. 172) haben die vollbesoldeten Kreisärzte die amtsärztlichen 
Gebühren an die Staatskasse abzuführen. Diese Vorschrift ist zufolge der 
Denkschrift über die Ausführung des Kreisarztgesetzes — Nr. 72 der Druck¬ 
sachen d^ Hauses der Abgeordneten, 19. Legislaturperiode, IV. Session 1902 
(vergl. S. 11 daselbst) — bisher dahin ausgelegt worden, dass die Gebühren nur 
insoweit der Abführungspfiicht unterliegen, als sie für die der ausschliesslichen 
Zuständigkeit der Kreisärzte vorbehaltenen Verrichtungen entrichtet werdeti. 




794 Oer Geeetzsntirarf, betreffend die Oebtthren der Medixinalbeamten And seine 

Hiernach sind den wübesoldeten Kreisärzten insbesondere auch die im § 3 des 
Entwurfs benannten Gebühren mit Ausnahme der Obduktionsgebühren bdassen 
worden. Diese enge Begrenzung des Begriffs amtsärztliche Gebühren hat zu 
Missständen und dauernden ünsieherkeiten Anlass gegeben^ auch Nachteile für 
die nichtvollbesoldeten Kreisärzte bei der Pensionierutig zur Folge gehabt. Diese 
Regdung nunmehr aufzugeben und die vollbesoldeten Kreisärzte zu verpflichten, 
künftighin neben allen amtlichen Gebühren auch die gerichtlichen Gebühren an 
die Staatskasse abzuführen, erscheint um so mehr angezeigt, wenn jetzt im 
Rahmen der bevorstehenden Beamtenbesoldungsaufbesserung den vollbesoldeten 
Kreisärzten ein den gleichartigen Beamtenkategorien entsprechendes höheres Ge¬ 
halt zugebilligt wird. 

Soweit einzelne vollbesoldete Kreisärzte in ihren jetzigen Stellen durch 
diese jetzige Regelung eine über die Besoldungsaufbesserung hinausgehende Schä¬ 
digung erfahren, sollen Mittel zu ihrer Entschädigung bereitgestellt werden. 

§ 5. Zn Abs. 1 yergl. das Gesetz, betreffend die Tagegelder und Reise* 
kosten der Staatsbeamten, vom 21. Joni 1897 (Gesetzsamml. S. 198). Oie nach 
der bestehenden Gesetzgebong gegebene Möglichkeit einer erentnellen ander- 
weiten Regelung der Vergtttongen wird durch die Bestimmung des Entwurfs 
sdbatrerstindlich nicht berührt. 

Zu Abs. 2; Diese Vorschrift beruht auf einem Beschlüsse der Kommission 
des Abgeordnetenhauses zur Vorlage vom 28. Januar 1904. 

Zu Abs. 8: ln gerichtlichen Angelegenheiten bezogen die Medizinal¬ 
beamten für ihre Sachyerständigentätigkeit schon nach dem bisherigen Rechte 
Tagegelder und Reisekosten nach den den Richtern in gerichtlichen Angelegen¬ 
heiten anstehenden Sätzen. Bei dieser Einrichtung soll es auch in Zukunft 
yerbleiben. IMe Festsetzung wird in Abänderung der Verordnung, betreffend 
^e Tagegelder und Reisekosten der Medizinalbeamten, yom 17. September 1876 
(Gesetzsamml. S. 411) sowie in Gemäßheit des § 12 des Gesetzes yom 24. März 
1873 (Gesetzsamml. S. 122) und des Artikels V Abs. 1 des Gesetzes yom 
21. Juni 1897 (GesetzsammL S. 193) durch Königliche Verordnung erfolgen. 
Zu bemerken ist Üerbcd. daß ^Tätigkeit als gerichtliche Sachyerständige* im 
Sinne des § 8 auch die Saohyerständigentätigkeit yor den besonderen Ge¬ 
richten umfaßt. 

Oie Bestimmung in dem Abs. 4 entspricht dem bestehenden Rechte 
(yergL § 1 Abs. 2 und 8 des Gesetzes yom 9. März 1872). Werden Ver¬ 
richtungen aus § 1 an dem Wohnorte oder in einer Entfernung yon weniger 
1 ^ zwei Kilometern yon demselben yorgenommen, so steht dem Kreisante 
nur unter denselben Voraussetzungen, wie den übrigen Staatsbeamten, ein An¬ 
spruch auf Erstattung yon Fuhr- und sonstigen notwendigen Unkosten zu 
(yergl. § 6 des Gesetzes, betreffend die Tagegelder und Reisekosten der Staats¬ 
beamten, yom 24. März 1878; § 6 der Verordnung, betreffend die Tagegelder 
und Reisekosten der Staatsbeamten, yom 15. April 1876, (GesetzsammL S. 107). 
Einer besonderen Erwähnung dieses Anspruchs im Gesetze bedarf es nicht. 

§ 6. Die Bestimmungen dieses Paragraphen lehnen sich in Inhalt und 
Passung an die den gleichen Fall für die Kreistierärzte regelnden Vorschriften 
des § 5 des Gesetzes, betreffend die Dienstbezüge der Kreistierärzte, vom 24. Juli 
1904 (Gesetzsamml. S. 169) an. 

Ist für einen Teil der auf einer Reise erfolgten amtlichen Verrichtungen 
eine Pauschalierung der Tagegelder und Reisekosten gemäss Artikel III des Ge¬ 
setzes, betreffend die lagegelder und Reieekosten der Staatsbeamten, vom 21. Juni 
1897 (Gesetzsamml, S. 193) oder gemäss § 5 Abs. 2 des vorliegenden Entwurfes 
erfolgt, so tritt eine Aenderung des Verteilungsverfahrens nicht ein. Es bleiben 
jedoch diejenigen Anteile, welche auf die in die Pauschalierung einbezogenen 
Verrichtungen entfallen, ausser Hebung. 

§ 7. Oie Bestimmung regelt das Verhältnis der Tagegelder zu den Ge¬ 
bühren, wenn auf einer Oienstreise yon dem Medizinalbeamten gebührenpflich¬ 
tige Verrichtungen yorgenommen werden. Nach dem geltenden Recht hat der 
Kreisarzt, welcher auf Dienstreisen gebührenpflichtige Verrichtungen vornimmt, 
keinen Anspruch auf Tagegelder, sondern nur die Wahl zwischen beiden in der 
Weise, dass, wenn er Gebühren beansprucht, er für den Tag, an welchem das 
Geschäft vorgenommen wird, keim Tagegelder erhält. Bei dem Ausschlüsse der 
Kombinierung’ von Gebühren uud Tagegeldern belässt es der vorliegende Entwurf 
mit der Massgabe, dass Tagegelder nur insoweit gezahlt werden, als sie die Ge- 



Bttckwirkang auf die Gehalts- asw. VeihUtnisse dieser Beamten. 795 

bähren für die auf der Reise vorgenommenen Verrichtungen Übersteigen^^ Min¬ 
destens der volle Gebührensatz kommt also in jedem Fälle zur Auszählung. 

Die Vorschrift des zweiten Satzes stellt eine Einschränkung der Vorschrift 
des § 4 dar. Sie ist erforderlich^ um auch dem vollbesoldeten Kreisarzt die ihm 
zustehende Reiseentschädigung zu sichern^ und findet selbstverständlich auch dann 
Anwendung, wenn die Reisekosten gemäss § 5 Abs. 2 pauschalirt sind. 

§ 8« Vergl. den allgemeinen Teil der Begrttndong. Der Torlänllge 
Entwarf eines Tarifs wird in der Anlage II beigefttgt. 

I 9. Vergl. § 10 Satz 2 des Gesetzes vom 9. März 1872. Der Vor¬ 
behalt ^soweit nicht für gewisse Verrichtungen ein anderes bestimmt ist*' 
trifift alle Angelegenheiten, auf welche die Vorschrift des § 17 der Beichs- 
gebfihrenordnung fär Zeugen und Sachverständige vom 30. Jnni 1878 (Fassung 
1898 Beichs - Gesetzbl. S. 689) Anwendung findet. 

§ 10. Wegen der Kreisassistenzärzte vergl. § 6 des Gesetzes, betreffend 
die Dienststellung des Kreisarztes usw., vom 16. September 1899. 

Daß auch die in dem § 8 Abs. 6 dieses Gesetzes bezeichneten Stadt¬ 
ärzte, sofern sie von dem Minister der Medizinal - Angelegenheiten mit der 
Wahrnehmung der Obliegenheiten des Kreisarztes beauftragt werden, in Be¬ 
ziehung auf Gebühren usw. innerhalb des Umfanges der mnen überwiesenen 
dienstlichen Tätigkeit die Bechtsstellung des Kreisarztes haben, bedarf keiner 
weiteren Ausführung. 

§11. Es ist beabsichtigt, durch Abänderung des Vermerks 2 bei Kap. 
125 Tit. 2 des Staatshaushaltsetais eine Neuregelung der PensionsverhäUnisse 
der nicht vollbesoldeten Kreisärzte herbeizuführen. Die bisherige Vorschrift, 
nach welcher die Gebühren nach dreijährigem Durchschnitt der Petisionsberech- 
nung zugrunde gelegt wurden, hctt zu erheblichen ünzuträglichkeiten Veran¬ 
lassung gegeben. Eine grosse Masse von Schreibwerk, Unsicherheit über den 
Kreis der anrechnungsfähigen Gebühren und Benachteiligung der Kreisärzte in 
finanziell ungünstigen Bezirken auch über die Dienstzeit hinaus, waren die Folgen 
dieses Systems. Die vorgesehene Anrechnung eines festen Betrages an Gebühren 
und Stellenzulagen bedarf der gesetzlichen Unterlage. Diese soll durch den vor¬ 
liegenden Paragraphen in gleicher Weise geschaffen werden, wie sie durch § 7 
des Gesetzes, betreffend die Dienstbezüge der Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904, für 
diese geschaffen worden ist. 

§ 12« Die Bestimmung dieses Paragraphen ist im wesentlichen eine 
Wiederholung des § 7 des Gesetzes vom 9. März 1872. Handelt es sich in 
dem Falle des § 12 um Verrichtungen aus dem § 1, für welche den Kreis¬ 
ärzten Gebühren nicht zustehen, so erscheint es gerechtfertigt, in Ermangelung 
einer abweichenden Verabredung auch jeden anderen amtlich zngezogenen 
Arzt für die Einzelleistung nach Maßgabe der Bestimmungen in dem § 2 zu 
entschädigen. 

Dal der Anspruch auf die Gebühren aus § 8 auch im Falle des § 219 
der Strafprozeßordouog Platz greift, bedarf keiner besonderen Begründung. 

§. 13. Die Gebühren der Chemiker für medizinalpolizeiliche oder gericht¬ 
liche Untersuchungen waren auch im Gesetz vom 9. März 1872 geregelt (vergl. 
§ 8 daselbst). Die dort festgesetzte Höchstgrenze der Gebühr von 75 M. ist aber 
nicht mehr haltbar, steht vielmehr bei verwickelteren Untersuchungen in auf¬ 
fälligem Missverhältnisse zur Arbeitsleistung. 

Dieselben Gründe, welche dazu geführt haben, in Abweichung von diesem 
Gesetz die Feststellung des Gebührentarifs für die amtsärztlichen Verrichtungen 
der Verwaltung zu überlassen, treffen auch für die chemischen Verrichtungen 
zu. Der Entwurf eines Tarifs wird in der Anlage III beigefügt. 

ln Abweichung von dem Grundsätze des Abs. 2 im § 8 des Gesetzes vom 
9. März 1872 ist der Tarif so auf gestellt, dass in den einzelnen Gebührensätzen 
neben der Vergütung für die Tätigkeit des Chemikers auch der Ersatz für die 
verbrauchten Stoffe und Werkzeuge enthalten ist. Diese Regelung verdient den 
Vorzug, weil es an jeder Möglichkeit der Kontrolle fehlt, welche Stoffe und 
Werkzeuge der Chemiker verbraucht hat. Auch erscheint es nicht erforderlich, 
für das im Einzelfalle tatsächlich Verbrauchte Ersatz zu leisten, da das Mass 
desselben wesentlich durch den Grad der Geschicklichkeit des Chemikers beein¬ 
flusst wird. Vielmehr dürften nur die für die tlrreichung des Arbeitserfolges 
nötigen Aufwendungen zu ersetzen sein, und dies kann von vornherein durch 
entsprechende Bemessung der Gebührensätze geschehen. 



796 Der Gesetzentwarf, betreffend die Gebühren der Hedizinalbeamten nnd seine 


§ 14. Der des Gesetzes vom 9. März 1872 hat hier durch die Zn- 
ffigong der Worte „oder in einer Entfernung von weniger als zwei Kilometern* 
eine angemessenere Erweiterung erfahren. 

Daß dem medizinischen Kommissar, abgesehen von dem Falle des Abs. 1 
des Entwurfs, die gesetzlichen Tagegelder nnd Beisekosten zustehen, bedarf 
keiner besonderen Anerkennung durch das Gesetz. 

Von einer Bestimmung über die Entschädigung des pharmazeutischen 
Kommissars bei Apothekenbesichtigungen an seinem Wohnort ist abgesehen, 
indem es sich empfiehlt, es bei der bisherigen Uebung, wonach diese Ent¬ 
schädigung im Wege der Vereinbarung festgesetzt wird, auch in Zukunft zu 
belassen. 

Vorläufiger Entwurf 
betreffend die Gebühren der Hedizinalbeamten. *) 

Auf Grund des § 8 des Gesetzes, betreffend die Gebühren der Medizinal¬ 
beamten, vom (Gesetzsamml. 8. ) setze ich im 

hänvemehmen mit dem Finanzminister, dem Justizminister nnd dem Minister 
des Innern hierdurch folgendes fest: 

AUgemeiiie Bestimmungen. 

§ 1. Den Kreisärzten stehen für gerichtsärztliche Verrichtungen (§ 8 
des Gesetzes vom GesetzsammL 8. ) Gebühren 

nach Maßgabe der Bestimmungen unter A, für die übrigen amtlichen Ver¬ 
richtungen (§ 2 a. a. 0.) nach Maßgabe der Bestimmungen unter B des nach¬ 
stehenden Tarifs zu. 

§ 2. Die Höhe der Gebühr ist, sofern der Tarif einen Mindest- und 
HOchstbetrag vorsieht, innerhalb der festgesetzten Grenzen nach den besonderen 
Umständen des einzelnen Falles, insbesondere nach der Beschaffenheit und Schwie¬ 
rigkeit der Leistung, sowie dem Zeitaufwände zu berechnen. Bei besonders schwie¬ 
rigen und umfangreichen Verrichtungen darf die Höchstgebühr mit Zustimmung 
des Begierungspräsidenten (Polizeipräsidenten in Berlin) überschritten werden. 

Wird mehr als der Mindestsatz einer Gebühr beansprucht, so ist dies 
in der Gebührenberechnung unter Angabe der für die Verrichtung aufgewendeten 
Zeit und Arbeitsleistung näher zu begründen. 

Soweit die Festsetzung der Gebühren durch das Gericht erfolgt, ist 
dieses befugt, den Begierungspräsidenten (Polizeipräsidenten in Berlin) um 
eine gutachtliche Aenßerung zu ersuchen. 

§ 8. Verrichtungen, für welche der Tarif Gebührensätze nicht answirft, 
sind nach Maßgabe der Sätze, die für ähnliche Leistungen in dem Tarife 
gewährt werden, zu vergüten. 

§ 4. Der gegenwärtige Gebtthrentarif tritt zugleich mit dem Gesetze, 
betreffend die Gebü^en der Medizinalbeamten, vom 
(GesetzsammL S. ) in Kraft 

. A. 

CtobAhren für gerlohtsärztllohe Verriohtangen (§ 3 a. ». O.). 

Bezeichnung der Amtsverrichtung 


L Abvartung eines Termins. 

1 Abwartnng eines Termins bis zur Dauer von zwei Stunden, 
einschließlich der während des Termins ausgeführten 
Untersuchungen nnd erstatteten mündlichen Gutachten 

Jede angefangene halbe Stunde mehr. 

Als Anfang des Termins gilt die Zeit, zu welcher 
geladen ist, als Endpunkt die Zeit der Entlassung. 

Unterbrechungen der Verhandlungen und Beur¬ 
laubungen des Medizinalbeamten werden in die Termins- 
dauer mit eingerechnet; dies gilt jedoch bei einer Unter¬ 
brechung oder Beurlaubung, welche auf mehr als zwei 

*) Die Abänderungen sind gesperrt gedruckt 


Lfde. 

Ziffer 


Gebühr 

in 

Mark 







Bttckwirkmig aal die Gekalts* oew. Verhiltniese dieser Beamten. 797 


Lide. 

Ziffer 

Bezeichnnng der Amtsyerriohtang 

Gebühr 

la 

Hark 

2 

Standen bestimmt wird, dann nicht, wenn der Kreisarzt 
an seinem Wohnort vernommen wird oder wenn seine 
Bflckreise darch die Unterbrechang oder Bearlanbong 
nicht verzögert wird. 

Die Gebtlhr ist für jeden Yerhandlongstag besonders 
za berechnen. 

Ist der Kreisarzt in mehreren Terminen an demselben 
Tage beschäftigt gewesen, so darf eine mehrfache Be- 
rechnang derselben Zeit nicht stattflnden. 
üntersaebang behofs Vorbereitang eines in einem Termin 



za erstattenden Gatachtens: 

a) wenn die üntersaebang in der Wohnang des Kreis* 
arztes oder, falls dieser Anstaltsarzt ist, in der An* 
stalt stattfindet. 

8 


b) wenn die üntersaebang aoflerhalb der Wohnang oder 
Anstalt stattfindet. 

5 


Hat sich der Kreisarzt in dem Falle za b) an Ort 
and Stelle begeben and kann die üntersaebang ohne sein 
Verscbolden nicht stattfinden, so ist eine Gebtthr von 

8 

3 

in Ansatz za bringen. 

Mehr als drei üntersachongen dttrfen nar mit Za- 
stimmang der ersachenden Behörde berechnet werden. 

Für eine iÜEteneinsicht aofierbalb des Termins. 

1,60-6 

4 

Teilnahme an einer Sitzang eines Schieds- 


gerichts für Arbeiterversicherang, ein¬ 
schließlich der erforderlichen körperlichen 
üntersachangen and mündlichen Gatachten, 
ohne Bttcksicht aaf die Anzahl der ver¬ 
handelten Sachen, 

für die erste Stande. 

8 


für jede weitere angefangene Stande . . 

6 

5 

n. lielohenbeBlohtlgaxigeii, Iieloh.enOfflaangen. 
Für die Mitwirkang bei einer richterlichen Leichenschaa, 



die sonstige Besichtigong einer Leiche oder die Besich¬ 
tigung von Leichenteilen oder einer Leibesfracht . . . 

8 

6 

Wird die Besichtigang mehrerer Leichen, Leichen¬ 
teile oder Leibesfrüchte bei derselben Gelegenheit vor- 
genommen, so darf die Gesamtgebühr für jeden Tag 80 M. 
nicht übersteigen. 

Für eine Leichenöffnang. 

24 

7 

Für die Sektion von LeichenteUen, sowie für die Oeffnong 



einer nicht lebensfähigen Leibeefracht. 

12 

8 

In den Gebühren za 5 bis 7 ist die Gebühr für den Termin 


9 

and den za Protokoll gegebenen Bericht einbegriffen. 
Kann aasnahmsweise der Bericht über eine Besiebtigang 



nicht sogleich in dem Termine za Protokoll gegeben 
werden, so ist für ihn eine Gebühr von. 

4 


in dem Falle von 5 Abs. 2 höchstens eine Gebühr von 

20 

10 

außerdem anznsetzen. 

Wird ein besonderer Bericht über die Leichenöffnang (Ob- 


11 

daktioDsberichl) aosdrücküch erfordert, so ist außer der 
Gebühr za 6 and 7 die Gebühr za 18 Abs. 1 anznsetzen. 

III. Sohrlftliche Qataoliten, Untersncliiuigcii. 
Aasstellang eines Befandscheines oder Erteilung einer 



schriftlichen Aaskanft ohne nähere gutachtliche Aas- 
führang . 

* 












798 Der Qeeetzentwnrf, betreffend die Gebflbren der Mediziiielbeemten und seine 


Beseicbnang der AmtSTerriohtang 


12 Befandattest mit näherer gntechtlicher Aus- 

ftthrung . 5 

13 Schriftliches, aasftthrlichee, wissenschaftlich begründetes 

Gutachten, insbesondere über den körperlichen oder 
geistigen Zustand einer Person oder über eine Sache . 10—30 

Sind mehrere Kreisärzte zu einem Obduktionsberlohte 
oder Gutachten aufgefordert worden, so erhiit in dem 
Faile der gemeinschaftlichen Erstattung jeder eine inner¬ 
halb der Mindest- und Höchstsätze nach der Mühewaltung 
des einzelnen zu bemessende Gebühr. 

14 Untersuchung eines Hahrnngs- und Genufimittels, sowie 

Gebrauchsgegenstandes, eines Arzneistoffes, Geheimmittels 


und dergleichen nebst kurzer gutachtlicher Aeußernng . 3—10 

15 Untersuchung, mikroskopische, physikalische, einschließlich 

einer kurzen gutachtlichen Aeußernng und des ver¬ 
brauchten Materials an Farbstoffen und dergleichen . . 6—20 

16 Untersuchung, bakteriologische, chemische, einschließlich 

des Gutachtens.12—75 


Die verwendeten Beagentien, Nährboden, verbrauchten 
Apparate, Auslagen für Benutzung eines besonderen 
Lotols, sowie sonstige notwendige Unkosten sind neben 
der Gebühr zu vergüten. 

17 Außer der Gebühr zu 13 erhält der Kreisarzt im Falie der 

Wahrnehmung eines Termins die zu 1 bestimmte Gebühr, 
dagegen sind die zu 2 und 3 bestimmten Gebühren in 
den Gebühren zu 18 bis 15 mit einbegriffen. 

Erfordert ein schriftliches, ausführliches, wissen¬ 
schaftlich begründetes Gutachten eine Untersuchung der 
in 14 und 15 bezeichneten Art oder wird in den Fällen 
zu 14 und 16 nachträglich ein schriftliches, ausführliches 
und.wissenschaftlich begründetes Gutachten erfordert, so 
kommen die Gebühren zu 13 sowie zu 14 und 15 neben¬ 
einander in Ansatz. Erfordert die Untersuchung zu 16 
einen vorgängigen Besuch oder eine vorgängige Be¬ 
sichtigung, so treten die Gebühren zu 2 hinzu. 

lY. Sohrelbgebühren. 

18 Schreibgebühren für Beinschriften sind, sofern der Kreisarzt 

sie nicht seiber fertigt, nach Maßgabe der für die Be¬ 
rechnung der gerichtlichen Schreibgebühren geltenden 
Bestimmungen zu bewilligen. 

B. 


Gebühr 

ia 

Mark 


Lfde. 

Ziffer 


QebfUiren für aoBstlge amtliohe Verrlohtnng^en 
( 8.9 ® 0 * 

1 Werden Verrichtungen der unter A 6 bis 17 genannten 

Art in außergerichtlichen Angelegenheiten vorgenommen, 
so kommen dieselben Gebühren wie für die gerichts¬ 
ärztlichen Verrichtangen in Anwendung. 

2 Besichtigung einer Wohnung, eines Gebäudes, einer Wasser- 

versorgnngsstelle, einer gewerblichen Anlage, eines ver¬ 
dächtigen oder verseuchten Schiffes, einer Privatkranken*, 
Entbindunga- oder Irrenanstalt und dergl., einschließlich 
einer kurzen gutachtlichen Aeußernng. 4—80 

3 In dem Verfahren bei der Errichtnog genehmigungspflich¬ 

tiger gewerblicher Anlagen können für eine Prüfung der 
Unterlagen ohne vorherige Ortsbesichtigung sowie für 










BflokwirkuDg auf die Gehalts* uw. VeThiltairae dieser Beamten. 799 


Lfde. 

Ziffer 


Beaeiehnang der AmtsTerrichtnng 


Gebühr 

ln 

Hark 


4 


5 

6 


7 

8 
9 


10 

11 

12 

13 

14 


16 


16 


17 

18 

19 


20 


die Angabe des Frttfongsergebnisses Gebühren nicht ge* 
fordert werden. 

Besichtigang eines Begrftbnisplatzes oder eines für dessen 
Anlegung oder Erweiterung in Ausicht genommenen 
Grundstückes einschliefilich des yorgeschriebenen Gut¬ 
achtens . 

Gutachten über Geisteskranke, Blinde, Epileptische, Idioten, 
Taubstumme zwecks Aufnahme in eine Anstalt .... 
Ausstellung eines Leichentransportscheines ohne Besichtigung 

der Leiche. 

mit Besichtigung der Leiche. 

ln die Sätze zu 2, 4, 6 und 6 Abs. 2 ist die Gebühr 
für yorgängige Besuche mit eingerechnet. 

Besichtigung einer Mineralwasserfabrik, Drogenhandlung, 
Farbenhandlung, Qifthandlung, Arzneimittelhandlung . 
Znlassungszeugnis zur Erlernung der Apothekerknnst . . 
Prüfungszeugnis behufs Verwutung einer Krankenhaus* 
apotheke für Mitglieder yon Krankenpflegegenossenschaften 
Der mitprüfende pharmazeutische Kommissar erhält 
die gleiche Gebühr. 

Beföhigungszeugnis zur Aufnahme in eine Hebammenlehr* 

anstatt. 

Befähigungszengnis als Desinfektor und Leichenscbauer . 

Prüfungszengnis als Heilgehttlfe und Masseur. 

Nachprüfung der zu 11 bis 12 genannten Personen, für jede 
Schriftliches Zeugnis über die Aufsichts- und Erwerbs¬ 
fähigkeit einer Person im Falle einer Militärreklamation 
Werden für dieselbe Beklamation mehrere Angehörige 
bei derselben Gelegenheit untersucht und begutachtet, 

für jedes folgende Zeugnis. 

Für ein schriftliches Gutachten über dauern de 
gänzliche Erwerbsunfähigkeit für eine Person 
des Unteroffizier- oder Mannschaftsstandes des 
Heeres oder der Marine behufs Erlangung 
einer Beihilfe auf Grund des ArtikelsI Nr. 8 
des Beichsgesetzes yom 22. Mai 1896 wegen 
Abänderung des Gesetzes yom 28. Mai 1878 
betreffend die Gründung und Verwaltung des 
Beichsinyalidenfonds(Beichsgesetzbl. 8.287) 
können Gebühren nicht gefordert werden. 
Schriftliches Gesundheitszeugnis behufs Eintritts in den 
Öffentlichen Dienst (als Bureau-, Steuer-, Post*, Tele¬ 
graphen-, Eisenbahn-, Bankbeamter, Lehrer, Lehrerin, 

Gendarm, Schutzmann, Lotse nsw.). 

Schriftliches Gesundheitszeugnis behufs Aufnahme in ein 
Seminar, eine Präparandenanstalt und dergleichen . . 
Schriftliches Gesundheitszeugnis für einen Arbeiter (Ar¬ 
beiterin) behufs Beschäftigung in gewissen gewerblichen 

Betrieben. 

Schriftliches Zeugnis behufs Begründung yon Gesuchen 
wegen Unterstützung, Urlaubs, Ablehnung von Ehren¬ 
ämtern, Nichterscheinens vor Gericht, Aufschiebens der 

Strafvollstreckung und dergleichen. 

Im Falle einer besonderen eingehenden Untersuchung 
oder wissenschaftlichen Begründung des Gutachtens tritt 
die Gebühr von A. 13 ein. 

Wegen der Schreibgebühren gelten die unter A. 18 ge¬ 
troffenen Bestimmungen. 


15-26 

6—25 

8 

10 


8-10 

6 

6 


8 

6 

10 

8 

6 


8 


8 

3 

1 

3 















800 Der Qesotzentwarf, betreffend die Qebttbren der Medizinnlbenmten und seine 


Vorläufiger Entururf 

eines Tarifs für die Gebfihren der Chemiker fhr gerichtliche 
and medizinal-polizeiliche Verrichtangen. 

. Auf Grand der §§ 13 und 8 des Gesetzes, betreffend die Gebflhren der 

Medizbalbeamten yom.(GesetzsammL S. ) setze ich 

im Eiayernehmen mit dem Finanzminister, dem Jastizminister and dem Minister 
des Innern bierdarch folgendes lest: 

§ 1. Chemiker, welche za einer gerichtlichen oder medizinalpolizeiiichen 
Feststellong zagezogen werden, erhaiten Gebühren nach Maßgabe dee nach* 
stehenden Tarifs. 

§ 2. Bezüglich der Höhe and Festsetzang der Gebühren, sowie der 
Verrichtangen, für welche der Tarif Gebührensätze nicht aaswirft, gelten die 
Vorschriften der ^ 2, 3 der aligemeinen Bestimmangen des Tarifs fftr die 
Gebfihren der Kreisärzte. 

§ 3. Chemiker erhalten bei der Zaziehnng za gerichtlichen oder 
medizinalpolizeilichen Verrichtangen in einer Entfemang yon mehr als 2 Kilo* 
metern yom Wohnorte Tagegelder and Beisekosten nach Maßgabe der ffir die 
Kreisärzte geltenden Bestimmangen (§ 6 Abs. 1 and 4, §§ 6, 7 Satz 1 des 

Gesetzes yom.) 

Bei Verrichtangen der bezeicbneten Art am Wohnorte oder in einer 
Entfemang yon weniger als zwei Kilometern yon demselben haben sie Ansprach 
aaf Ersatz der yeraaslagten Fahrkosten. 

Tarif. Oabflliraii ffir die geriobtUoheii nnd medlslnal*poliiailiehe& 
Verrlohtangen der Ohemlker. 


Lfde. 

Ziffer 


Bezeichnang der Amtsyerrichtang 


Gebfihr 

in 

Mark 



I. Abvartung eines Termins. 

Die Bestimmangen nnter A 1 bis 4 des Tarife ffir die 
Gebfihren der Kreisärzte finden entsprechende Anwendang. 

II. Sohrlftllohe Gutachten nnd technlsolie Unter* 

suohungen. 

Erteilong einer schriftlichen Aoskonft ohne nähere gat* 

achtllche Ansführang. 3 

Erteilang einer schriftlichen Aaskanft mit näherer gat- 

achtlicher Aasfübrnng. 6 

Schriftliches, ausführliches, wissenschaftlich begrfindetes 

Gatachten ohne technische Untersachangcn.10—30 

Chemische, physikalische, mikroskopische, photochemische, 
biologische and bakteriologische Untersachangen yon 

a) Nahrnngs* and Genaßmitteln, sowie Gebranchsgegen* 
ständen einschließlich Wasser and Laft für jede Probe 3—50 

b) Geheimmittein, Mitteln zar Beseitigung der Leibesfrucht, 

Arzneistoffen und Arzneizubereitungen für jede Probe 3—75 

c) Blat, Samenflecken, menschlichen and tierischen Haaren, 

Geweben nnd Gespinsten, Bekleidangestficken, Waffen 
and Werkzeuges, Münzen, Medaillen, Banknoten, Schrüt- 
fälschnngen für jede Probe. 3—75 

d) Leichonteilcn, Darm* and Mageninhalt, Speisen and 
Getränken, Bckleidangsstttckcn, Erde, sowie anderen 
Gegenständen, auf Gifte oder starkwirkende Stoffe 
and zwar für jedes Objekt, welches dem gegebenen 
Aaftrage gemäß yon anderen getrennt antersacht 
werden muß, oder, sofern die Untersachang von mehreren 
Objekten gemeinschaftlich in demselben Dntersachangs- 
yerfabren stattfinden kann, für jede solche Groppe 

yon Onjekten.6—150 

Für die Boarbeitong des schriftlichen Gatachtens, 












Bttekwirkang aaf die Gehalts- asw. Verhältnisse dieser Beamten. 801 


Lfde. 

Ziffer 

Bezeichnang der AmtsTorrichtang 

Gebühr 

ln 

Mark 


sowie für den Verbranch von Stoffen and Werkzeugen 
wird in den nnter Ziffer 6 angegebenen Fällen eine 
besondere Vergtttnng nicht gewährt. 

IIL Sohrelbgebflhren. 


6 

Bezttgiich der Schreibgebtihren der Chemiker gelten die 
Bestimmnngen A 18 des Tarifs für die Gebühren der 
Kreisärzte. 



Bereits in der letzten Nummer der Zeitschrift wurde von 
mir bei der Besprechung der neuen Besoldnugsordnung die An¬ 
sicht vertreten, daß bei der neuen Regelung der Diensteinkommens- 
verhältnisse der Kreisärzte jedenfalls die Wirkung des dem Land¬ 
tage vorgelegten Gesetzentwurfes, betreffend die Gebühren der 
Medizinalbeamten, mit in Rechnung gezogen werden müßte, da so¬ 
wohl durch die Bestimmungen dieses Entwurfes, als auch durch die 
Gebührensätze des demselben beigegebenen Tarifs voraussichtlich 
eine derartige Herabsetzung der Gebühreneinnahmen der Kreisärzte 
zu erwarten stehe, daß dadurch die beabsichtigte Gehaltserhöhung 
illusorisch gemacht wüi-de. Der Gebühren-Gesetzentwurf war 
damals erst nach Abschluß der betreffenden Besprechung in meine 
Hände gelangt und konnte demzufolge in dieser nicht mehr ein¬ 
gehend berücksichtigt werden; er hat allerdings, ebenso wie der 
beigefügte Tarif im Vergleich zn dem früher vorgelegten Entwurf 
nur wenige Abänderungen erlitten, aber diese Abänderungen 
sind für die künftigen Diensteinkommens Verhältnisse 
der Kreismedizinalbeamten von einschneidender Be¬ 
deutung und höchst nachteiligem Einfluß. 

Die Notwendigkeit einer Abänderung der bisherigen gesetz¬ 
lichen Bestimmungen vom 9. März 1872 über die den Medizinal¬ 
beamten für die Besorgung gerichtsärztlicher, medizinal- nnd 
sanitätspolizeilicher Geschäfte zn gewährenden Vergütungen ist 
von dem Verfasser bereits bei der früheren Vorlage des Gesetz¬ 
entwurfes ausführlich besprochen, so daß sie hier nm so mehr 
unerörtert bleiben kann, als sie ja auch allseitig anerkannt ist. 
Während aber früher als ein Hauptgrund für jene Abänderung 
die Unzulänglichkeit der bisherigen Gebührensätze 
bezeichnet wurde, die einer Erhöhung bedürften, „weU 
die Anforderungen an die wissenschaftliche und praktische Ausbil¬ 
dung der Medizinalbeamten seit dem Erlasse des Gesetzes vom 
9. März 1872 eine erhebliche Steigerung erfahren haben, nnd 
die Höhe der 1872 festgesetzten Gebühren nicht mehr überall 
den heutigen Verhältnissen nnd Geldwerten angemessen er¬ 
scheinen*, ist nunmehr, wie es in der Begründung heißt, 
^dieser Gesichtspunkt mit Rücksicht anf die in Aus¬ 
sicht stehende Besoldungsaufbesserung in den Hinter- 
grnnd getreten nnd in dem Tarifentwurf nur bei 
einigen Positionen eine mäßige Erhöhung vorgesehen. 



802 Oer Gesetzentwarf, betreffend die Gebfthren der Medizinalbeamten and seine 


welche jedoch dnrch Ermäßigniigen oder durch Ein- 
ftthrang völliger Qebtthrenireiheit an anderen Stellen 
insbesondere an solchen, bei denen soziale Rück¬ 
sichten mitsprechen, aasgeglichen erscheint“. 

Das heißt mit anderen Worten: Was mit der einen Hand 
gegeben wird, wird mit der anderen wieder genommen! Wo 
bleibt dann aber die für alle Beamten, also anch für die Medizinal¬ 
beamten, angekündigte Dienstemkommensverbesserong? Ja, die 
Kreisärzte in den unteren Gehaltsklassen, die der lediglich in 
einer Erhöhung des Höchstgehaltes bestehenden Diensteinkommens- 
verbessernng erst nach 10—20 Jahren teilhaftig werden, erfahren 
eine direkte Schädigung ihres bisherigen Einkommens, die 
selbst durch die Aussicht auf das spätere höhere Gehalt nicht 
wieder ausgeglichen werden kann. 

Von seiten des Preußischen Medizinalbeamtenvereins ist 
eine Umfrage bei allen Kreisärzten veranlaßt über die Höhe 
ihrer amtsärztlichen Gebühren nach den bisherigen Sätzen 
und nach den in dem neuen Tarif vorgesehenen; dabei hat sieh 
heraasgestellt, daß abgesehen von den Gerichtsärzten, die infolge 
der Erhöhung der gerichtsärztlichen Gebühren auf eine Mehr¬ 
einnahme rechnen können, die nicht vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzte eine durchschnittliche Mindereinnahme an Ge¬ 
bühren von 25 c/o erleiden, wenn das neue Gebflhrengesetz 
und der dazu gehörige Tarif in Kraft tritt; denn die Höhe ihrer 
Gebühreneinnahme wird nicht durch die gerichtsärztliche Tätigkeit, 
sondern vor allem durch die sonstigen amtlichen Verrichtungen 
bedingt. Die in dem Tarif vorgesehene Erhöhung der Gebüli^n 
für gerichtsärztliche Geschäfte spielt also für sie keine Rolle und 
reicht bei weitem nicht aus, um den erheblichen Gebühren¬ 
aasfall für andere amtliche Verrichtungen aaszugleichen, da ge¬ 
rade die Gebühren für diese (z. B. für Gutachten über Geistes¬ 
kranke, Befähigungszengnisse für Hebammenschülerinnen, Gut¬ 
achten für Militärreklamanten, Gesundheitsatteste für Beamte, 
Gesundheitszeugnisse für Arbeiter usw.) mehrfach bis auf die 
Hälfte des bisherigen Satzes herabgesetzt sind. Auch der neu 
in den Tarif aufgenommene Gebührensatz für die Teibahme als 
Sachverständiger bei den Schiedsgerichten für Ar¬ 
beiterversicherung, die gar nicht zu den amtlichen Geschäften 
der Medizinalbeamten gehört, bedingt eine Mindereinnahme. Das¬ 
selbe gilt betreffs des Fortfalls der Fuhrkostenentschädi- 
gung, für die allerdings den im Amte befindlichen Kreisärzten 
eine Entschädigung gewährt werden soll. 

Mindestens ebenso ungünstig, wenn nicht noch ungünstiger, 
liegen die Verhältnisse für die vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzte. In meiner Besprechung über die Besoldnngsvorlage habe 
ich mich dahin geäußert, daß, wenn für diese Medizinalbeamten 
das Anfangsgehalt wie bisher auf 8600 Mark festgesetzt und 
ihnen eine ausreichende Fuhrkostenentschädigung gewährt werden 
würde, sie wohl mit der geplanten Gehaltsregelung zufrieden sein 
könnten; „denn die Anrechnung der Gebühren aus den Dienst¬ 
geschäften auf ihr Gehalt sei nichts Neues, da diese schon bisher 



Bttckwirkung auf dio Qehalts* usw. VerhältniBse dieser Beamten. 808 


an die Staatskasse abgeführt werden müßten. Damals habe ich 
allerdings angenommen, daß für den Begriff „amtsärztliche* 
Gebühren die gleichen Grundsätze maßgebend sein würden als 
bisher, daß also nur die Gebühren für solche Geschäfte an die 
Staatskasse abgeführt zu werden brauchten, für die der Kreisarzt 
ausschließlich zuständig sei. In dieser Hinsicht habe ich 
mich aber leider in einem großen Irrtum befunden; 
denn durch § 4 des Gebührengesetzentwurfs haben jene Grundsätze 
insofern eine wesentliche und ungünstige Erweiterung erfahren, 
als nunmehr die Gebühren für sämtliche amtliche Verrich¬ 
tungen abführpflichtig werden sollen. In der Begründung zu diesem 
Paragraph wird gesagt, „daß die bisherige enge Begrenzung des 
Begriffes „amtsärztliche Gebühren* zu Mißständen und andauern¬ 
den Unsicherheiten Anlaß gegeben und auch Nachteile für die 
nicht Yollbesoldeten Kreisärzte bei der Pensionierung nach sich 
gezogen habe*. Dieser Mißstand kommt aber durch die beab¬ 
sichtigte Neuregelung der Pensionsverhältnisse der nicht voll¬ 
besoldeten Kreisärzte ohne weiteres in Wegfall und ist demzufolge 
irrelevant. Die Erweiterung des Begriffes der amtlichen Gebühren 
in dem Gesetzentwurf auf alle gerichtsärztlichen Gebühren ist 
aber zweifellos zn weitgehend und hat bei den vollbesoldeten 
Kreisärzten um so mehr Anlass zn lebhafter Beunruhigung ge¬ 
geben, als sie mit Rücksicht auf den jetzt im Tarif unter § 4 
aufgenommenen Gebührensatz für die Tätigkeit vor den Schieds¬ 
gerichten für Arbeiterversichernng nicht mit Unrecht befürchten, 
dass auch diese künftighin als gerichtsärztliche angesehen 
würden und die dafür erwachsenden Gebühren an die Staatskasse 
abzuführen seien. Bisher ist aber diese Tätigkeit niemals als eine 
amtliche aufgefasst worden. Während der Kreisarzt durch das 
Kreisarztgesetz als Gerichtsarzt seines Bezirks benannt ist, ist 
nach § 8 des das schiedsgerichtliche Verfahren regelnden Ge- 
setz^'s, betr. die Abänderung der Unfallversichernngsgesetze vom 
30. Juni 1900 und in denAusfübrungsbestimmungen des Herrn Mini¬ 
sters für Handel und Gewerbe (Erlasse vom 29. Dezbr. 1900 und vom 
29. Januar 1901) die Wahl der ärztlichen Sachverständigen für die 
Schiedsgerichte der Arbeiterversicherung lediglich diesen über¬ 
lassen; es besteht nicht einmal eine Bestimmung, dass etwa vor¬ 
zugsweise Kreisärzte für die einschläsrigen Begutachtungen be¬ 
rücksichtigt werden sollen. Auf alle Fälle würde die Aufnahme 
der Gebühren für die Tätigkeit bei den Schiedsgerichten unter 
die amtsärztlichen eine derartige Herabsetzung der Einnahmen 
bei der Mehrzahl der vollbesoldeten Kreisärzte bedingen, daß 
zum Ausgleich dieser Schädigung die Besoldungsaufbessernng nicht 
ausreicht. Aber auch schon die im Gesetzentwurf vorgesehene 
Abführung der gesamten gerichtsärztlichen Gebühren an die 
Staatskasse bedeutet einen so erheblichen Emnahmeansfall für 
viele vollbesoldete Kreisärzte, daß er ebenfalls die zukünf¬ 
tige Gehaltsaufbesserung übersteigen wird. Der in 
der Begründung des § 4 angeführte Umstand, daß diese Abführung 
der gerichtlichen Gebühren schon aus dem Grunde angezeigt sei, 



804 Der QeeeUientwarl, betreffend die Oebtthren der Medizinnlbeamten and seine 


weil jetzt den vollbesoldeten Kreisärzten ein den gleichartigen 
Beamtenkategorien entsprechendes höheres Gehalt zngebilligt 
werde, steht im Widerspruch mit der Tatsache, daß z. B. die 
vollbesoldeten Gewerbebeamten, die Bergrevierbeamteu, Kreis- 
baninspektoren nsw. z. T. eine ebenso umfassende gerichtliche 
Sachverstäiidigentätigkeit austtben und dafhr gerichtliche Gebühren 
zn erheben. Auch setzt sich die Bestimmung im § 12 des Ge- 
entwnrfs mit derjenigen im § 4 in Widerspruch; denn hier wird 
für den Fall, daß andere beamtete Aerzte, z. B. vollbesoldete 
Vortragende Bäte, Universitätsprofessoren, Regierungs- und Me¬ 
dizinalräte usw. als Sachverständige zngezogen werden, diesen 
der volle Gebührenanspruch zugebilligt. Dasselbe gilt betreffs 
der vollbesoldeten Stadtärzte, Direktoren an Provinzial-Irren¬ 
anstalten usw., deren Gehälter meist weit höher als die der voll¬ 
besoldeten Kreisärzte sind. Warum sollen denn die staatlichen 
Beamten schlechter als die kommunalen behandelt werden? Auch 
im Königreiche Sachsen und im Großherzogtnm Hessen, wo 
die Bezirks- bezw. Kreisärzte vollbesoldet und ebenso hoch (in 
Sachsen 4500 bis 7500 Mark) besoldet sind, verbleiben diesen die 
gerichtsärztlichen Gebühren. 

Unseres Erachtens sollte daher in dem Gesetzentwarf der 
Begriff „abzugspflichtige amtsärztliche Gebühren“ in derselben 
Weise wie bisher abgegrenzt werden, daß also darunter 
nur Gebühren „für solche Amtsverrichtungen“ zu verstehen sind, 
die zur ausschließlichen und alleinigen Zuständigkeit 
des Kreisarztes gehören und zu deren Vornahme er Kraft seines 
Amtes verpflichtet ist*.^) Da künftighin diese Abgrenzung für die 
pensionsfäügen Gebühren der nicht vollbesoldeten Kreisärzte nicht 
mehr ins Gewicht fällt, wird ihre Festsetzung auch auf keine 
Schwierigkeiten stoßen. 

Eine solche Regelung, die den bisherigen Verhältnissen 
genau entspricht, liegt vor aUem auch im Interesse der 
Rechtspflege! Soweit dem Verfasser bekannt ist, wurde 
früher gerade von der Justizverwaltung Wert darauf gelegt, 
daß den Kreisärzten, die damals noch alle als vollbesoldete Be¬ 
amte in Aussicht genommen waren, die Gebühren für die gerichts¬ 
ärztlichen Geschäfte verbleiben sollten, um ihnen auch fernerhin 
das größte Interesse und die erforderliche Arbeitsfreudigkeit für 
diese so verantwortungsvolle Tätigkeit zu erhalten, zumal sie im 
Vergleich zu ihren sonstigen Dienstobliegenheiten doch nur eine 
nebenamtliche sei. In Wirklichkeit werden ja auch die voll¬ 
besoldeten Kreisärzte von ihren sanitäts- und medizinalpolizeilichen 
Dienstgeschäften schon voll in Anspruch genommen; ihre gerichts¬ 
ärztliche Tätigkeit charakterisiert sich daher anderen gleichartigen 
Beamten gegenüber als eine Mehrleistung, für die ihnen eine 
besondere Einnahme wohl zu gönnen ist. 


') Siehe die im Jahre 1901 seitens der Staatsregierang aa dem Kreis- 
arstgesetz gegebenen Erläaterangen anter Abschnitt IV der „Qebfihren*. 
(Zeitschrift Ittr Medizinalbeamte; Jahrg. 1901, 8. 198). 



BUckwirkoog aaf die Oehelts* naw. Verhiltnisee dieser Beamten. 805 


Die YollbMoldeten Ereisftrzte werden weiterhin ebenso wie 
die nicht Yollbesoldeten durch Fortfall der Fuhrkostenentschädi- 
grung benachteiligt, und die Kreisärzte in den Städten mit Königlicher 
Polizeiverwaltung noch durch Fortfall der bis dahin ihnen für 
Geschäfte im ortspolizeilichen Interesse znstehenden 
Gebühren. Da der Landtag mit dieser Abänderung der bis¬ 
herigen Bestimmung bei der früheren Beratung des Gesetz¬ 
entwurfs stets einYerstanden gewesen ist, so wird sie zweifellos 
auch diesmal seine Zustimmung um so mehr erhalten, als sich 
die Staatsregierung bereit erklärt hat, nicht bloß für den Fort¬ 
fall der Gebühren für amtliche Verrichtungen im ortspolizeilichen 
Interesse in den Orten mit Königlicher Polizeiverwaltung, sondern 
auch für den Fortfall der Fuhrkostenentschädignngen der im 
Amte befindlichen Kreisärzte eine angemessene Entschädigung zu 
gewähren. Der Schwerpunkt wird nur dt^rauf zu legen sein, daß 
diese Entschädigung auch tatsächlich „angemessen" ist und 
nicht eine ähnliche Mindereinnahme bedingt, wie seinerzeit die 
Festsetzung des Beisepauschale. In der Besoldungsordnung sind 
dafür 80000 M. für die Yollbesoldeten und 11500 M. für die nicht 
Yollbesoldeten Kreisärzte Yorgesehen; ob diese Beträge ansreichen 
werden, wird jedenfalls Yon der erweiterten Budgetkommission, 
der Yoraussichtlich der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung 
überwiesen werden wird, auf Grund der ihr sicherlich Yon der 
Regierung Yorgelegten Unterlagen geprüft werden. Die in der 
Tagespresse mehrfach zutage getretene Ansicht, daß der für die 
Yollbesoldeten Kreisärzte (43) Yorgesehene Betrag Yon 30000 
ziemlich gleichmäßig auf diese Yerteilt werden, also auf jeden 
etwa 700 Mark entfallen würde, ist übrigens irrig; den Löwen¬ 
anteil Yon diesem Betrage (etwa ‘/J erhalten die Yollbesoldeten 
Kreisärzte in den Orten mit Königlicher PoUzeiYerwaltung (13), 
so daß auf jeden Yon ihnen etwa 2000 Mark kommen würden. 

Was nun die einzelnen BestimmnDgen des Gesetz¬ 
entwurfs betrifft, so sind in ihm einmal die bei seiner letzten 
Beratung Yon der betreffenden Kommission des Abgeordnetenhauses 
beschlossenen Aendernngen und Zusätze zu den §§ 2 und 4 be¬ 
rücksichtigt und außer den bereits Yorher erwähnten sehr wesent¬ 
lichen Aendernngen noch Yerschiedene andere Yorgenommen, die 
jedoch meist nur redaktioneller Natur sind oder den Zweck Yerfolgen, 
die Bestimmungen mit denen des Kreisarztgesetzes (z. B. § 5, 
Abs. 1) oder des Gebührengesetzes für die Kreistierärzte Yom 
24. Juli 1904 (z. B. § 6) in Einklang zu bringen. Ganz neu sind die 
Vorschriften im § 11 über die Anrechnung der Gebühren und 
sonstig er Dienstbezüge auf das pensionsfähige Gehalt 
der nicht Yollbesoldeten Kreisärzte, die eine wesentliche 
Verbesserung der jetzigen Verhältnisse bedeuten, sowie die Auf¬ 
nahme Yon Vorschriften über die Gebühren der Chemiker 
(§ 13). Ob die letztere Erweiterung des Gesetzentwurfes als 
eine Verbesserung angesehen werden kann, muß sehr bezweifelt 
werden; wir haben es stets als einen Vorzug bezeichnet, daß der 
frühere Entwurf sich im Gegensatz zu dem bisherigen Gesetze 



806 Der Qesetentzworf, betreffend die Qebahren der Hedizinalbeamten und seine 


ledigflich auf die Gebühren für die amtlichen Verrichtungen der 
Medizinalbeamten beschränkte, und sind auch jetzt noch derselben 
Ansicht; denn dnrch die Ausdehnung auf die Chemiker wird 
seine Durchberatung und Annahme im Landtage nur erschwert. 

Der Wortlaut des § 1 ist unverändert geblieben, dagegen 
läßt die jetzige Fassung der Begründung betreffs der Kreisärzte 
in Städten mit Eönigl. Polizeiverwaltung insofern eine günstigere 
Auslegung zu, als jetzt die Entschädigung in allen Fällen und 
nicht blos gewährt werden soll, wenn Verrichtungen ortspolizei* 
lieber Natur „einen größeren Umfang“ haben; denn die Worte 
„einen größeren Umfang“ sind gestrichen. Ebenso ist, wie bereits 
erwähnt, eine Entschädigung für den Fortfall der Fuhrkosten- 
entschädigung vorgesehen, die allerdings nur dann als eine an¬ 
gemessene angesehen werden kann, wenn sie bei der Gehalts¬ 
aufbesserung außer Betracht bleibt, da sonst von einer 
solchen überhaupt nicht die Rede sein kann. 

Die den Beschlüssen der Kommission des Abgeordnetenhauses 
gemäß getroffene Abänderung des § 2 ist mehr redaktioneller 
Natur und ohne wesentliche Bedeutung. § 3 hat seine bisherige 
Fassung beibehalten. 

Die außerordentlichen Bedenken gegen die Abführung der 
Gebühren für alle amtlichen Verrichtungen, auch für die gerichts¬ 
ärztlichen, seitens der vollbesoldeten Kreisärzte, wie sie im § 4 
neu vorgesehen ist, sind bereits vorher eingehend besprochen; mit 
Rücksicht hierauf empfiehlt es sich dringend, diesen Paragraphen 
folgende Fassung zu geben: 

„Die vollbesoldeten Kreisärzte haben die ihnen fflr amtliche and ge> 
richtsärztiiehe Verrichtungen (§§ 2 und 8) znstehenden Gebühren insoweit an 
die Staatskasse abzaftthren, als diese Amtsverrichtnngen zur aruschließlichen 
and alleinigen Zuständigkeit des Kreisarztes gehören.* 

Mit der Fassung der §§ 5 —7 kann man sich im allgemeinen 
einverstanden erklären, auch mit dem auf Wunsch des Landtages 
im § 5 getroffenen Zusatz, daß die Gemeinden und sonstigen Be¬ 
teiligten berechtigt sind, mit den Kreisärzten die Gewährung von 
Pauschalentschädigungen zu vereinbaren. Tatsächlich sind 
derartige Vereinbarungen bereits vielfach, namentlich von städti¬ 
schen Verwaltungen, getroffen, und haben sich für beide Teile als 
praktisch erwiesen. Dagegen sollte § 5, Abs. 2 fortfallen, und 
den Medizinalbeamten Tagegelder und Reisekosten in allen 
Fällen, also auch in gerichtlichen Angelegenheiten, nach Maßgabe 
der fdr Staatsbeamte geltenden allgemeinen gesetzlichen Be¬ 
stimmungen gewährt werden; auch bei den übrigen technischen 
Lokalbeamten (Kreisbauinspektoren, Gewerbeinspektoren nsw.) 
wird in dieser Hinsicht ein Unterschied nicht gemacht, obwohl 
diese vollbesoldet sind. 

Trotz des Widerspruchs im Landtage gegen die Fest¬ 
setzung der einzelnen Gebührensätze dnrch den Mi¬ 
nister ist im § 8 daran festgehalten und von der Festsetzung 
im Gesetz selbst nach wie vor „mit Rücksicht auf den 
schnellen Wechsel, dem die amtsärztliche Tätigkeit, $owie die 



Bflekwirknng auf die Gehalts- asw. VerbUtnisse dieser Beamteo. 807 


derselben zagronde liegenden Zweige der medizinischen Wissen¬ 
schaft nnterliegen" Abstand genommen, „nm dem jeweiligen Be* 
dflrfoisse der Abänderung oder Ergänzung der normierten Ge* 
bflhrensätze ebenso schnell wie sachgemäß Rechnung tragen zu 
können. Erwägt man jedoch, daß nach § 7 im Tarife auch be¬ 
stimmt werden kann, „daß bei einzelnen Verrichtungen 
Gebühren nicht zu erheben“ sind, und daß die Gebühren 
nach wie vor einen nicht unerheblichen Teil des Diensteinkommens 
der Kreisärzte bilden, so liegt es doch im Interesse der Medizinal* 
beamten, wenn die Mitwirkung des Landtages dabei nicht völlig 
ausgeschlossen wird und § 8 den s. Z. in der Kommission vor* 
geschlagenen Zusatz erhält: 

„Etwaige Abändernogen oder Zusätze des Tarifs sind dem Landtage, 
wenn er versammelt ist, sofort, andernfalls bei seinem nächsten Zusammen- 
treten zur Genehmignog vorznlegen." 

Desgleichen empfiehlt sich ein Zusatz im § 8, wonach im 
Tarif auch genau zu bestimmen ist, welche Verrichtungen als 
amtliche, insbesondere im Sinne des § 4, anznsehen sind. 

§ 9 entspricht dem praktischen Bedürfnis und sichert eine 
schnelle und sachgemäße Erledigung in etwaigen Streitfällen 
über die Höhe der Gebühren. Bei § 10 dürfte, um jeden 
Irrtum auszuschließen, der Zusatz angezeigt sein: 

„sowie die besonderen Gerichtaärzte und die mit der Wahrnehmung der 
Obliegenheiten des Kreisarztes beauftragten Stadtärzte.* 

§ 11 bedingt eine wesentliche Verbesserung in bezug auf die 
Höhe des pensionsfähigen Diensteinkommens der nicht voll¬ 
besoldeten Kreisärzte, die zweifellos von diesen mit Dank begrüßt 
werden wird, obwohl sie keineswegs ausreicht, um die Uogleich- 
heiten zwischen den voll- und nicht vollbesoldeten Kreisärzten 
ganz zu beseitigen. Die Frage ist übrigens in der vorigen 
Nummer bereits eingehend bei Gelegenheit der Besoldungsordnnng 
von mir besprochen, so daß auf diese Ausführungen Bezug ge¬ 
nommen werden kann. 

§ 12 gibt zu keinen Bedenken Anlaß. Daß die Einbezie¬ 
hung der Chemiker in das Gesetz (§ 13) nicht zweckmäßig 
erscheint, ist schon vorher betont. 

Die pharmazeutischen Kommissare (§ 14) bei den 
Apothekenbesichtigungen sollten ein für allemal auch an ihrem 
Wohnort volles Tagegeld erhalten und die Höhe der Entschädigung 
nicht von der Vereinbarung abhängig gemacht werden. Ebenso 
empfiehlt sich eine Erhöhung der Gebühr für verbrauchte Ee- 
agentien auf wenigstens 2 Mark mit Rücksicht auf die in dieser 
Hinsicht gesteigerten Anforderungen. 

In dem Tarif ist der Unzulänglichkeit der bisherigen Ge¬ 
bührensätze leider nur bei den gerichtsärztlichen Geschäften 
(Leichenbesichtigungen, LeichenöfTnungen, wissenschaftlichen Gut¬ 
achten usw.) Rechnung getragen; dagegen sind, wie bereits 
vorher betont ist, bei den am häufigsten vorkommenden 
Amtsverrichtungen die Gebühren nicht nur nicht erhöht, sondern 
sogar erniedrigt und vor allem niedriger als in der ärztlichen 



808 Der Qesetsentworf, betreffend die Qebftbreii der MedkfaiilbeMitee nid neue 

GebOhrenordDangf vom 15. Juni 1896. Die Leistosgen eines 
beamteten Arztes geringer einznschätzen als die eines Privat* 
arztes ist aber, wie der Abg. Dr. Rügenberg bei der Be* 
ratnng des früheren Entwurfs im Abgeordnetenbanse (18. März 
1902) sehr richtig bemerkte, unberechtigt; sie schadet anch dem 
amtlichen Ansehen jener Beamten. Man sollte deshalb möglichst 
die Sätze der Gebührenordnung, die allseitig, namentlich die hier 
hauptsächlich in Betracht kommenden Mindestsätze, als ange¬ 
messene and nicht za hohe anerkannt sind, dem Gebübrentaiif 
zogrande legen, zamal dieser nach § 12 vorkommendenfalls anch 
für die von nicht beamteten Aerzten geleisteten amts- nnd ge* 
richtsärztlichen Verrichtangen Anwendung finden soll. 

Weiterhin empfiehlt es sich, für alle häufig wiederkehrenden 
and ihrer Natur nach gleichartigen amtlichen Terrichtnngen feste 
Gebühren ohne Spielraum vorzasehen. Aaf diese Weise wird, 
wie wir dies bereits h-üher betont haben, eine gleichmäßige Be¬ 
rechnung der Gebühren sichergestellt; eine solche liegt aber nicht 
nar im Interesse des Pablikums und der Gemeinden, sondern anch 
im Interesse der Staatskasse, der ein Teil der Gebühren zn- 
fließt. Der Nachteil der festen Gebühren, daß diese vielleicht 
in manchem Falle der Mühewaltung nicht genau entsprechen, 
fällt nicht ins Gewicht, wenn man erwägt, daß der höhere Auf¬ 
wand an Zeit und MfUiewaltung in dem einen Falle durch den 
geringeren in einem anderen wieder ausgeglichen wird. 

Mit Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen empfehlen 
sich folgende Abänderungen: 

a. Bei Abwertung eines Termins (AI, Nr. 1) ist die Ge¬ 
bühr für jede angefangene halbe Stande nur auf 1 M. festgesetzt, 
während der Mindestsatz der ärztlichen Gebührenordnung 1,50 M. 
beträgt; derselbe sollte deshalb auch hier angenommen werden. 

b. In Pos. 2 A ist die Gebühr für eine üntersuchong in der 
Wohnung (Abs. 1 a) nnd für einen vergeblichen Besuch auf je 3 M. 
(Abs. 2) festgesetzt, folglich dürfte die Gebühr für die ünter- 
suchung außerhalb der Wohnung (Abs. 1 b) auf 3 -|- 3 = 6 Mark 
statt 5 Mark zu bemessen sein. 

c. Der Höchstsatz für eine Akteneinsicht (AI, Nr. 3) ist 
auf 6 Mark festgesetzt; wie häufig sind aber die Akten so volu¬ 
minös, daß man Tage zu ihrer Durchsicht gebraucht. Es empfiehlt 
sich daher die Honorierung dieser Tätigkeit lediglich nach dem 
Zeitaufwand (1,50 Mark für jede angefangene halbe Stande) zu 
bemessen. 

d. Die Pos. 4 A: Teilnahme an einer Sitzung eines 
Schiedsgerichts für Arbeiterversicherung einschließlich 
der erforderlichen Untersuchungen und mündlichen Gutachten ist 
neu nnd, soweit mir bekannt, niedriger als die jetzt dafür all¬ 
gemein üblichen Sätze. Hier wird es sich außerdem ^gen, ob 
es nicht praktischer ist, die Gebühren nach der Zahl der ver¬ 
handelten Sachen zu bemessen, bei denen der Sachverständige 
durch die Vornahme von Untersuchungen oder Erstattung von 
mündlichen Gutachten beteiÜgt ist. 



Bückwirkang auf die Gehalte- new. Verhältnisse dieser Beamten. 809 


6. Bei der Position A III, Nr. 11 (Befnndschein) fehlt 
der Zusatz „einschließlich der üntersnchnng in der Wohnnng des 
Medizinalbeamten 

f. Die Gebühr für das Befnndattest (A. 12) ist anf 
6 Mark zn bemessen; denn ein solches Attest charakterisiert sieh 
stets als ein ärztliches Gutachten mit korzer Begründung. 

g. Die Bestimmnng in AIII, Nr. 17 bedarf der Erweiterung 
dahin, daß nicht nur bei der Untersnchnng zn 14 nnd 15, sondern 
anch bei etwaigen Vorbesnchen zn Nr. 13 die Gebühren zn 2 
hinzntreten. Die in Abs. 1 dieser Position getroffene Bestimmnng, 
daß bei der Gebühr für Gatachten die Gebühren für Akten- 
dnrchsicht and sogar für Vorbesnche mit einbegriffen sein sollen, 
ist namentlich mit Rücksicht anf die letzteren eine wesentliche 
Verschlechterang gegenüber den bisherigen Vorschriften, wonach 
die Vorbesnche besonders berechnet worden. Würden z. B. bei 
Begatachtnng eines Geisteskranken nsw. 6 Vorbesnche erforderlich 
sein, wofür dem Medizinalbeamten nach AI, Nr. 2 b je 5 Mark, also 
30 Mark zastehen, so würde er für das abzngebende wissenschaft¬ 
liche Gutachten nnd die dazu etwa erforderliche Akteneinsicht 
selbst bei der HOchstgebühr von 30 Mark keine Entschädigung 
erhalten. Auch die Gebühr für Akteneinsicht müßte in solchen 
Fällen besonders berechnet werden können. 

h. Bei Position B. Nr. 2 and 7 bleiben die Mindestsätze 
hinter derjenigen für die Terminsgebühr (6 M.) zurück. Eine Be- 
sichtigang ist aber immer als ein Termin anfznfassen; deshalb 
sollte sie anch in gleicher Weise wie dieser abgegolten und der 
Mindestsatz anf 6 Mark festgesetzt werden. 

i. Für die Untersnchnng nnd Begatachtnng von Geistes¬ 
kranken, Epileptischen and Idioten behnfs Anfnahme in 
eine Irrenanstalt (B Nr. 5) empfiehlt es sich, eine feste Gebühr 
von 12 Mark, für die Begatachtnng von Blinden and Tanb- 
stammen dagegen, die in der Regel weniger Arbeit erfordert, 
eine solche von 9 Mark vorznsehen, statt der in B. Nr. 5 einge¬ 
stellten schwankenden Gebühr von 6—25 Mark. 

k. Die Gebühr von 3 Mark (B. Nr. 10 des Tarifs) für Unter- 
sachang and Prüfung von Personen behnfs Aufnahme in eine Heb- 
ammenlehranstalt einschl. des darüber aaszastellenden Zeng- 
nisses steht mit der Mühewaltung absolut nicht in Einklang und 
bedeatet gegenüber dem bisherigen allgemein üblichen Gebühren¬ 
sätze (6 Mark) eine Verschlechterung um 100**/o> Es empfiehlt 
sich daher, diesen anch künftig beiznbehalten. 

l. Die Prüfung der Desinfektoren and Leichenschaner 
(B. 11) macht mindestens die gleiche Arbeit wie der Heilge- 
hülfen and Masseure usw. (B. 12). Die Personen rekratieren 
sieh außerdem aus den gleichen Bevölkerangsklassen; es liegt 
daher kein Grund vor, bei jenen eine geringere Gebühr (6 M.), 
als bei diesen (10 M.) festzusetzen, zumal die Gebühr von 10 M. 
gegenüber der Mühewaltang als eine sehr mäßige bezeichnet 
werden muß. 



810 Der (Jesetzentwnrf, betreffend die GebtUiren der Medlzfaialbeunten und seine 

m. Die Untersachnng and Begatachtong von Militär* 
reklamanten (B. Nr. 14) betreffs ihrer Aafsichts* and Erwerbs* 
fähigkeit gehört erfahroogsgemäß zn der meist viel Zeit and 
Arbeit beansprachenden Tätigkeit, da hier nar zn oft mit Vor* 
tänschnng oder wenigstens Uebertreibnng gerechnet werden maß. 
Anßerdem wird von den zuständigen Behörden eine ansführliche 
Begründung verlangt. Deshalb sollte auch hier die Gebühr we* 
nigstens anf 9 Mark (statt 6 M.) festgesetzt werden. Handelt 
es sich am bedürftige Personen, so kann ja der Staat ebenso wie 
bisher die Kosten übernehmen. Jedenfalls muß aber der anf die 
Hälfte ermäßigte Satz für die weiteren Untersnchnngen und 
Zeugnisse für Familienangebörige fortfallen; denn die Arbeit ist 
in diesen Fällen die gleiche. Auch die Kosten für die Unter¬ 
suchungen der bedürftigen Kriegsteilnehmer (B. 15) sollte 
der Staat übernehmen. 

n. Betreffs der Gebühr für Ausstellung von Gesundheits* 
Zeugnissen behufs Eintritts in den öffentlichen Dienst, 
Aufnahme in ein Seminar usw. (B. Nr, 16, 17 und 19) 
gilt das vorher unter k Gesagte; auch hier ist eine Erhöhung der 
Gebühr auf mindestens 6 Mark angezeigt. Gerade diese Unter¬ 
suchungen und Begutachtungen gehören oft zu den schwierigen 
und zeitraubenden; sie verlangen außerdem die größte Sorgfalt, 
weil sonst unter Umständen der Staat, die Gemeinden usw. Ge¬ 
fahr laufen, körperlich für ihre Stellung nicht geeignete Beamte 
frühzeitig pensionieren zu müssen. 

0 . Entsprechend der ärztlichen Gebührenordnung vom 
15. Mai 1896, B. Nr. 24a wird die in Nr. 18 vorgesehene Ge* 
bühr von 1 Mark (schriftliche Gesundheitszeugnisse) für 
Arbeiter behufs Beschäftigung in gewerblichen Betrieben anf 
2 Mark zu erhöhen sein. 

Hoffentlich finden diese Wünsche bei der Beratung des Ge¬ 
setzes im Landtage und bei der späteren und gültigen Fest¬ 
setzung des Tarifs Berücksichtigung! 

Die politische Fresse hat in jüngster Zeit sich mehrfach mit 
den Diensteinkommensverhältnissen der Kreisärzte beschäftigt; 
in denen anf die Unzulänglichkeit der in der Besoldungsorduung 
vorgesehenen Neuregelung, sowie aut die Einbuße, die den Kreis¬ 
ärzten beim Inkrafttreten des Geböhrengesetzes erwachsen würde, 
hingewiesen wurde. Sehr beachtenswerte Ai tikel haben in dieser 
Hinsicht die Poet und der Hannoversche Courier in den 
Morgenausgaben vom 17. d. M. gebracht, die jedenfalls aus einer 
Feder stammen und von denen der Artikel im Hannoverschen 
Courier wie folgt lautet: 

„üeber der Besoldnngsordnnng, die gegenwärtig im Landtage beraten 
wild, hat, soweit sie die Stellang der Kreisärzte regeln soll, keine glückliche 
.Hand gewaltet. Nachdem erwiesen und allseitig, auch von der Begiernng an¬ 
erkannt ist, daß die Voraassetzangen, nntcr denen die Bezüge dieser Staats¬ 
beamten beim Erlaß des Kreisarztgesetzes vom 16. September 1899 festgestellt 
Warden, in den wichtigsten Punkten nicht zatreffen, daß insbesondere die 
Dienstgeschäfte weit erheblicheren Umfang haben |and die Einnahmen ans 
Gebühren nicht entfernt die veranschlagte Höhe erreichen, maßte erwartet 



Bflckwirkung auf die Gehalte* new. VerhUtnieee dieeer BeamtM. 811 


werden, daß bei dem oft betonten Wohlwollen der Begiernng deutlich daa 
Bestreben erkennbar eein würde, die begangenen Fehler jetzt gründiich s^t 
eu machen und für die Einbußen, die den seither Angestellten ohne ihr 'Ver¬ 
schulden erwachsen sind, einen Ausgleich zu finden, als wieder ängstlich zu 
sparen. 

Han pfiegt den Kreisarzt den Bichtern und Oberlehrern gleichzustellen. 
Das ist ein grundsätzlicher Fehler! Diesen Beamten gleich steht der prak¬ 
tische Arzt, dessen Ausbildungszeit und Examina (Physikum, Staatsexamen 
mit seinen zahlreichen Stationen und praktisches Jahr) keineswegs geringer 
eiozuschätzen sind, als z. B. die beiden juristischen Examina mit der dazwischen 
liegenden Referendarzeit; es wird auch noch Niemandem eingefallen sein, die 
Tätigkeit des praktischen Arztes und seine ganze bürgerliche Stellung niedriger 
zu bewerten, als die des Oberlehrers und Richters. Vom Kreisarzt aber wird 
mehr verlangt. Er mnß, nachdem er zwei Jahre praktischer Arzt war, noch 
eine besondere, schwierige und umfangreiche Prüfung ablegen, zu deren 
Vorbereitung er Zeit und Geld aufznwenden hat. Auch die Doktorwürde wird 
von ihm verlangt, deren Erlangung ebenfalls geraume Zeit und angestrengte 
Arbeit erfordert. Endlich wird Niemand zum Kreisarzt ernannt, der nicht 
wenigstens fünf Jahre als praktischer Arzt tätig gewesen ist. Demzufolge 
kommt der Kreisarzt tatsächlich im Durchschnitt erst mit Jahren ins 
Amt, also 4 bis 8 Jahre später, als der Richter und der Oberlehrer. 

Hieraus folgt mit swingender Notwendigkeit zweierlei: nämlich erstens, 
daß das Anfangsgehalt des vollbesoldeten Kreisarztes gegenüber dem der 
beiden genannten Beamtenklassen höher, d. h. wie bisher 8600 M. betragen 
und daß bei der Pensionierung aller Kreisärzte eine 5 jährige Vor¬ 
bereitungszeit ungerechnet werden mnß. 

Es ist begreiflich, daß die vollbesoldeten Kreisärzte verständnislos 
der Tatsache gegonüberstehen, daß ihre Aufbesserung mit Herabsetzung des 
bisherigen Anfangsgehalts auf 8000 M. und demzufolge mit einer Schädigung 
beginnen soll, die erst im 23. Dienstjahre, d. h. also etwa im 60. Lebensjahre 
(selten früher, häufig später) wieder ausgeglichen werden kann. Dieses Alter 
erreicht jedoch kaum die Hälfte der Kreisärzte; denn ihr durchschnittliches 
Dienst- und Lebensalter ist statistisch auf fast 67, bezw. gut 63 Jahre fest¬ 
gestellt, reichlich 3 bis 4 Jahre geringer, als das der Richter. Auch ans 
diesem Grunde mnß das Anfangsgehalt der Kreisärzte höher bemessen und 
ihre Pensionsberechtigung znrückdatiert werden, denn wird erst vom Tage der 
Diensteidleistung ab gerechnet, so kann nach menschlichem Ermessen fast kein 
Kreisarzt je in den Qennß des vollen Ruhegehalts kommen, und wenn er früher 
stirbt, so müssen seine Hinterbliebenen darben. Dies mnß aber nicht bloß im 
Interesse der beteiligten Beamten, sondern noch mehr im öffentlichen Interesse 
vermieden werden, zumal eine wesentliche Mehrbelastung des Staates dadurch 
nicht bedingt wird. Dem betreffenden Beamten wird aber durch eine solche 
Verbesserung seiner Pensionsverhältnisse die Freude an der Arbeit erhöht und 
manche schwere Sorge erleichtert, wenn er sein Alter und die Zukunft von 
Frau und Kindern im Fall seines vorzeitigen Abganges oder Ablebens einiger¬ 
maßen gesichert weiß. 

Die vollbesoldeten Kreisärzte erfahren aber überhaupt keine Gehalts¬ 
erhöhung, sondern, insbesondere die in den ersten 4 Gehaltsstufen befind¬ 
lichen, eine Einbuße, wenn die Bestimmung des Gebührengesetzentwurfcs in 
Kraft tritt, wonach sie alle, auch die nicht rein amtsärztlichen Gebühren, 
an die Staatskasse abfübren sollen. Was ihnen durch die Erhöhung ihres 
Höchstgehaltes und des Wohnungszuschusses mit der einen Hand gegeben, 
wird ihnen mit der anderen Hand genommen, ja, falls jene Bestimmung in 
Kraft treten sollte, macht der Staat sogar ein Geschäft, indem die seinur Kasse 
durch die Arbeit der Kreisärzte znfließenden Gebühren einen höheren Ertrag 
geben dürften, als die durch die neue Gehaltsrcgelung verursachte Mehrausgabe. 
Es erscheint deshalb dringend nötig, daß der Begriff „amtsärztliche Gebühren", 
die von dem vollbesoldeten Kreisarzt an die Staatskasse abzuführen sind, ge¬ 
setzlich in der Weise festgelegt wird, daß darunter wie bisher nur die Ge¬ 
bühren für solche Geschäfte zu verstehen sind, für die der Kreisarzt aus¬ 
schließlich zuständig ist. 

Viel schlechter als die voUbesoldoten Kreisärzte kommen die nicht 



812 Oer Oeeetzentwarf, betreffend die €iebtthren der HedizbialbeMBten und eeine 


Tollbeeoldeten bei der beabsiehligten Nenregelnng weg. Weil mna glnnbte, 
sie würden im Amt nicht genug sn tun haben, hat man Urnen bekanntlich die 
Aasttbung ärztlicher Praxis, soweit die Dienstgeschäfte nicht darunter leiden, 
sowie die Annahme von NebensteUnngen mit Einwilligung ihres Vorgesetzten 
gestattet. Tatsächlich hat sich aber herausgestellt, daß schon jetzt zwei 
Drittel aUer Kreisärzte durch ihre amtliche Tätigkeit Toll beschäftigt 
sind, und daß die Geschäfte von Jahr zu Jahr derartig anwachsen, daß künftig¬ 
hin ein nicht ToUbeschäftigter Kreisarzt eine seltene Ausnahme bUden wird, 
üebrigens ist auch jetzt schon der Unterschied im Umfang der Dienstgeschäfte 
der Kreisärzte nicht wesentlich großer, als bei rielen anderen Beamten, die 
ebenfalls hier mehr, dort weniger zu tun haben und doch OberaU das gleiche 
Gehalt bekommen. Nur ganz Tereinzelte Kreisärzte haben jetzt noch mne 
einigermaßen lohnende Praxis, aber auch diese würden sie sicherlich ganz 
gern aufgeben, wenn sie zu ihrem und ihrer Familie Unterhalt nicht darauf 
angewiesen wären, und die bittere Not sie nicht dazu drängt, so daß 
sie auch die kleinste Einbuße nicht entbehren kOnnen. Giebt es doch Kreis¬ 
ärzte, die aUe ihre Schreibarbeiten aus Ersparnisrücksichten ohne fremde 
Hilfe erledigen, weil sie eine solche nicht bezahlen und von der an sich schm 
kärglich bemessenen Summe, die sie für Geschäftsunkosten vom Staat be¬ 
kommen, nichts entbehren kOnnen. Trotzdem, daß die nicht Tollbesoldeten 
Kreisärzte entweder gar keine oder nur ganz geringe, höchstens 26**/o ihrer 
Arbeitszeit in Anspruch nehmende Priratpraxis treiben, wird ihnen für die 
Bereitstellung ihrer Diensträume so gut wie nichts vergütet, weil sie der 
Privatpraxis halber schon Sprech-und Wartezimmer halten müßten, also für 
die Privatpraxis, die ihnen durch ihre amtliche Tätigkeit 
unwiederbringlich verloren gegangen ist. Gerade die Diensträume 
verteuern aber die Wohnung, die ihretwegen, zumal in kleinen Städten, schwer 
zu beschaffen ist; ihre Bereitstellung, Unterhaltung und Abwartung ver¬ 
schlingt daher verhältnismäßig hohe Summen des amtsärztlichen Dienstein- 
kommens. Dabei erhalten die nicht voUbesoldeten Kreisärzte nicht einmal 
Wohnungsgeldzuschuß und sollen auch künftig einen solchen nicht 
bekommen. 

Als Ersatz für die unzulängliche Besoldung sind nun den nicht voll¬ 
besoldeten Kreisärzten die Qebühreneinnahmen verblieben, die sich aber 
in der Folgezeit als ein Danaergeschenk erwiesen haben. Die erste Annahme 
der Staatsregierung, worauf die ganze Stellung dieser völlig neuen Beamten¬ 
klasse gegründet war, stellte sich sehr bald als irrig heraus, indem die Gebühren- 
einnahme, die im Jahresdurchschnitt' auf 2000 11. angenommen war, nur einen 
solchen von kaum 500 M. erreicht. Von vornherein sind somit die nicht voll¬ 
besoldeten Kreisärzte in ihrem Diensteinkommen bis heute durchschnittlich um 
jährlich 1500 M. schlechter gestellt, als ihnen von der Staatsregierung selbst 
zugerecbnei ist. Das macht seit dem Inkrafttreten des Kreisarztgesetzes (1901) 
ein verlorenes Kapital von 12000 M. aus, das auf keine weise mehr den 
Betroffenen ersetzt werden kann. 

Man hätte deshalb glauben sollen, daß nach einer gewissen Entschädi¬ 
gung dafür Ausschau gehalten, daß zum mindesten die gegenwärtige Gelegen¬ 
heit dazu nicht unbenutzt vorüber gelassen werden würde. Nichts davon; 
obwohl sich seit'jenem Ausfälle noch andere nicht unerhebliche Einnahme- 
Ausfälle angereiht haben 1 So brachte z. B. die Uebertragung der Aufsicht 
über die Fleischbeschauer, und somit auch über die Trichinenschaner an die 
Kreistierärzte, den Verlust der Gebühren für die Ausbildung, Prüfung und 
Nachprüfung der Tricbiuenschauer, die sich durchschnittlich für jeden ^eis- 
arzt auf 2(^ M. belaufen dürfte. Auch die neuen Vorschriften über Ausbil¬ 
dung und Prüfung der Desinfektoren haben die Gebühreneinnahme der Kreis¬ 
ärzte wesentlich verringert; irgend welcher Ersatz für diese Verluste ist aber 
ausgeblieben. 

Als ferner am 1. April dieses Jahres allen Beamten die große Aufbesserung 
bringen sollte, da bescherte er statt dessen den Kreisärzten als erste Abschlags- 
ahlung die Pauschalierung der Tagegelder und Reisekosten, 
freilich nicht nur diesen Beamten, sondern auch den Kreistierärzten. Welche 
Gründe lagen aber vor, daß den Kreistierärzten nenn Zehntel 
der aus dem Vorjahre nachgewiesenen Einnahmen als Bausch- 



Bttekwirkiug aal die Giehalts* new. VerhUtBirae dieser Beamten. 818 

betrag Terblieben, den Kreisiraten dagegen nni zweiBrittel 
zngebilligt sind? Dem Schreiber dieser Zeilen sind damit wieder etwa 
600 M. bisher bezogenes Jahreseinkommen verloren gegangen. Das macht 
seit dem Inkrafttreten des Ereisarztgesetzes einen Ansfall tob etwa 800 M. 
ohne denjenigen von 1600 M., um welchen die Gebtthreneinnahmo staatlicher* 
seits von Anfang an za hoch ebgeschätzt ist. Und diesem Verlnste gegen* 
ttber sieht die Besoldangsordnnng eine Erhbhnng des Darchschnittsgehaltes 
von nur 460 M. vor! Gleichzeitig bringt das neue Gebtthrengesetz eine 
weitere Mindereinnahme. 

Daß die Gebtthren für ^erichts&rztUche, medizinal- and sanitätspolizei* 
liehe DienstgeschSfte schon seit langen Jahren nicht mehr zeitgemäß sind, ist 
allseitig anerkannt, nach von seiten der Staatsregierang, die infolgedessen be¬ 
reits wiederholt einen Entwarf za einem neaen Gebtthrengesetz dem Landtage 
Torgelegt hat, der von diesem aber immer abgelehnt ist. Ob er jetzt geneigt 
sein wird, endlich den Wttnschen aller Nächstbeteiligten aaf zeitgemäe Ab- 
ftnderang stattzageben, wird sich bald heraosstellen. Der jetzt yorgelegte 
Entwarf hat aber im Vergleich za den frttheren Entwttrfen eine wesentlich 
andere Fassung erhalten and bedingt nor eine neae Schädigang der Kreisärzte 
and zwar sowohl der Tollbesoldeten, als der nicht Tollbesoldeten, dorch welche 
die ihnen in der Besoldangsordnang zagedachte Gehaitserhtthang Tttllig aas¬ 
geglichen wird, ja bei manchen Kreisärzten sich sogar in eine Mindereinnahme 
Terwandeln dttHte. Fttr die Tollbesoldeten Kreisärzte bringt der Gesetz- 
entwarf, wie bereits erwähnt ist, insofern einen großen Aasfall, als kttnftighin 
nicht nar alle gerichtsärztlichen Gebtthren, sondern nach alle anderen Gebtthren 
an die Staatskasse abgeftthrt werden sollen, während bisher nar die Gebtthren 
fttr solche gerichts- and amtsärztliche Gescoäfte abznftthren waren, fttr die der 
Kreisarzt ansschließiich zaständig war. Fttr die nicht Tollbesoideten 
Kreisärzte bringt der Gesetzentwarf zwar fttr die seltener Torkommenden ge¬ 
richtsärztlichen Geschäfte eine Erhtthang der Gebtthren, fttr die viel hänfigeren 
sonstigen sanitätspolizeilichen Geschäfte dagegen wesentlich niedrigere Ge- 
btthrensätze and demzofolge erhebliche Verlnste, die mit 800 bis ^ Mark 
nicht za hoch geschätzt sem dttrften. 

Es geht aas den vorstehenden Aosftthrongen klar and deatlich hervor, 
daß die bisherige Entwicklang der EinkonunenverhältniBse der Kreieärzte an¬ 
haltbare Zostände aofweist, die darch die neae Besoldangsordnang and das 
Gebtthrengesetz nicht beseitigt werden. Aof so ansichere and schwankende 
Einnahmen, wie die der nicht vollbesoldeten Kreisärzte, läßt sich ein solider 
Beamtenhaasstand nicht grttnden; die Staatsregierang sollte deshalb endlich 
mit allen Halbheiten and Unklarheiten grttndlich aafräamen, statt von neaem 
aof Toraossichtlich längere Jahre hinaas angewisse Verhältnisse fttr diese 
Beamten za schaffen, da sie sich sonst notgedrangen ansicher and gegen andere 
Beamte zarttrdcgesetzt behandelt fttblen mttssen. Ohne Zweifel wird der Kreis¬ 
arzt nach wie vor seine Pflicht tan, ob aber mit der Frendigkeit and Ent¬ 
schlossenheit and dem Taktgeftthl, das sein gewiß nicht so ganz leichtes Amt 
erheischt, das mögen sich die fragen, die darttber za wachen and za entscheiden 
haben, daß aUes geschieht, einer begrttndeten Verbitterang vorzabeagen. 

Die Besoldangsvorlage sieht ferner fttr die nicht vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzte weder Wohnangsgeldzaschaß vor, noch gewährt sie ihnen die 
Abmessong des Gehalts nach Dienstaltersstafen, die der Finanzminister 
mit Recht als die gttnstigste bezeichnet, weil sie aof sicheren Verhältnissen 
basiert ist. Endlich bleibt aach die Begelang der Pension hinter den 
Wttnschen and bestimmten Erwartangen der Kreisärzte zarttck. Sie können 
sich daher mit dieser Begelang ihrer Einkommens- and Pensionsverhältnisse 
nicht zofrieden geben, and werden fortgesetzt danach streben, das za erreichen, 
was sie im Vergleich za anderen Beamten der gleichen Stellang, Vor- and 
Ansbildong mit ^g and Recht verlangen können. 

Der kttnstlich geschaffene Unterschied zwischen voll- 
and nicht vollbesoldeten Kreisärzten maß in bezag aaf 
Diensteinkommen and Pension endlich aafhören, nachdem er 
in besag aaf ihre Amtstätigkeit schon längst aafgehört hat. 
Können sich jedoch Regierang and Landtag za dieser einfachsten and glttck- 
lichsten Lösang aller Schwierigkeiten nicht einigen, dann genttgen die in der 
Vorlage gebotenen Aofbessernngen in keiner Hiudcht. 



814 Der Gesetsentwnrf, betreffend die Gebttbren der Medlrinnlbenmtwi ud sebe 


Hit 900 Merk Aafbeseernng des EOcbstgebalts (Ton 2700 auf 8600 U.) 
ist, wie Torhin bewiesen, noch nicht einmal der tatsächliche Ansfall gedeckt, 
den die nicht Tolibesoldeten Kreisärzte seit Erlaß des Ereisarstgesetzes ander¬ 
weit erlitten haben*). Zum mindesten muß deshalb Terlangt werden, daß ihnen 
ein ln dreijährigen Dieastalterszolagen Ton je 400 Mark steigendes Ge¬ 
halt Ton 2400 bis 4800 Hark gewährt wird, also zwei Drittel des 
Gehaltes der vollbesoldeten Kreisärzte, sowie Wohnnngsgeldznschnß. 
Anßerdem müßte bei der Pensionierong als sonstiges pensionsfähiges Dienst¬ 
einkommen nicht eine für alle gleichmäßig angenommene Somme Ton 2250 H., 
wie seitens der Staatsregierang Torgeschlagen ist, hinzogerechnet werden, 
sondern ebenfalls ein den Gehaltsstufen entsprechend um je 200 M. steigender 
Betrag too 1200—2400 Mark, so daß das pensionsfähige Diensteinkommen bei 
den beiden Kategorien der Kreisärzte die gleiche Höhe haben würde. 

Die in mancher Beziehong höchst bedenklichen Stellenzalagen 
sollten dagegen gänzlich fortfallen. Sie haben sich in keiner Weise als ge¬ 
rechter Aasgleich erwiesen, sind auch nicht immer denjenigen zogeteilt, die 
ihrer am meisten bedurften, and manchem Torenthalten worden, der sie nach 
den maßgebenden Qrondsätzen beanspruchen konnte, weil nicht genügend 
Mittel dafür bereit gestellt waren. 

Von einem Gesetz, das die DiensteinkommensTerhiltnlsse der Kreisärzte 
im Babmen der gesamten Beamtenschaft auf Jahre hinaus regelt, maß daher 
Terlangt werden: 

1. Fortfall des bisherigen Unterschiedes zwischen ToU- und nicht ToU- 
besoldeten Kreisärzten. 

2. Gewährung eines Gehaltes Ton 8600—7200 Hark nebst entsprechendem 
Wohnungsgeldzuschuß unter Fortfall der bisherigen Stellenzulagen. 

3. Anrechnung einer Vorbereitungszeit Ton 5 Jahren bei Berechnung des 
pensionsfähigen Dienstalters. 

4. Gesetzliche Festlegung des Begriffs der „amtsärztlichen Gebühren* in dem 
Sinne, daß darunter nur Gebühren für die zur ausschließlichen Zuständig¬ 
keit des Kreisarztes gehörenden amtlichen Verrichtungen zu Terstehen sind. 

6. Bemesfung des Beisepauscbale auf lo des Jahresdurchschnittes in den 
letzten drei Jahren, wie dies bei den Kreistierärzten geschehen ist 

6. Ersatz der baren Auslagen für Fahrkosten bei Dienstgesebäften am 
Wohnort und innerhalb zwei Kilometer Entfernung Ton diesem. 

7. Angemessene, den tatsächlichen Unkosten entsprechende Erhöhung des 
Dienstaufwandes. 

8. Verbot der ärztlichen PriTatprazb mit Ausnahme Ton dringenden Fällen 
und Konsultationen mit anderen Aerzten; Annahme Ton Nebenstellungen 
nur mit Genehmigung des Regierungspräsidenten. 

Können sich jedoch die Gesetzgeber nicht dahin einigen, daß schon jetzt 
alle Kreisärzte Tollbesoldet werden, dann müßte an Stelle der Forderung unter 
2 die folgende treten: 

Die nicht Tollbesoldeten Kreis- und Gerichtsärzte erhalten ein Ton 
2400—4800 Mark in Gehaltsstufen Ton 8 Dienstjahren um je 400 Hark 
steigendes Gehalt sowie V/ohnungsgeldzuschuß und Pension wie die Toll- 
besoldeten Kreisärzte im gleichen Dienstalter unter Anrechnung eines den 
Gehaltsstnfcn entsprechend um je 200 Mark steigenden Betrages Ton 
1200—2400 Mark ans sonstigen Dienslbezügen. 

Die Torber unter Nr. 3—7 anfgestellten Forderungen gelten auch für 
die nicht Tollbcsoldeten Kreisärzte, denen jedoch die PriTatprazis wie bis¬ 
her soweit zu gestatten sein wörde, als ihre Dienstgeschäfte nicht darunter 
leiden. 

Die Torstehenden Forderungen erhalten nur das, was den Kreisärzten 


*) In Wirklichkeit wird das Höchstgehalt der Kreisärzte übrigens gar 
nicht anfgebessert; denn nach dem Etat betrug der Gehalt einschließlich der 
Stellenzalagen 1800—4200 M., durchschnittlich 2700 M., die ganze Aufbesserung 
besteht also nur in der Erhöhung des Fonds für die Stellenzulagen um je 
450 M., die es ermöglicht, daß nunmehr alle Kreisärzte bis zu einen Höchst¬ 
gehalt TOU 8600 M. gelangen, während dieses bisher nur die Gerichtsärzte und 
die Kreisärzte mit Stellenzulagen erreichten. 



Bttckwirkiing auf die Qehalts- usw. Verh&ltnisse dieser Beamten. 816 


objektiv uad relativ nach billigem Ermessen za kommt; sie schlitzen sie nur 
vor weiteren Einbofien, ohne ihnen EntschSdigong für die bisherigen za ge¬ 
währen, and bringen ilnen eine den heutigen Verhätnisse entsprechende Dienst- 
einkommensverbesserang, die sich jedoch durchaus innerhalb des Bahmens der 
dem Landtage vorgelegten neaen Besoldangsordnang hält. Die Kreisärzte 
wünschen niäts weiter, als strenge and gerechte Prüfung ihrer Wünsche; sie 
hegen die zuversichtliche Hoffnong, daß diese dann auch Erfüllung finden werden.“ 

Wir können nns mit diesen AnsfiUirnngen in allen Punkten 
einverstanden erklftren; sie bringen in dnrchans richtiger nnd 
sachgemässer Weise alle diejenigen Wünsche und Forderungen 
der Kreisärzte znm Ansdrncky die nach Lage der Sache, nament¬ 
lich nach Vorlage des Gebühren-Gesetzentwurfes und nnter Be¬ 
rücksichtigung seines künftigen Einflusses auf die Diensteinkom¬ 
menverhältnisse der Kreisärzte als berechtigt aneikannt werden 
müssen. Die Wünsche gehen allerdings in bezug auf die Höhe 
des Gehalts der nicht vollbesoldeten Kreisärzte etwas weiter, 
als dies in meiner Besprechung in der vorigen Nummer der Zeit¬ 
schrift geschehen ist (2400—4800 statt 2400—4200); in Hinblick 
auf den durch das Gebührengesetz drohenden Einnahmeverlnst 
erscheint dies aber durchaus gerechtfertigt, ebenso wie die For¬ 
derung auf Gewährung des Wohnnngsgeldznschnsses an die 
nicht vollbesoldeten Kreisärzte, die sich als notwendige Konsequenz 
aus der Tatsache ergibt, daß diese Beamten ebenfalls sämtlich 
vollbeschäftigt sind nnd sich von den vollbesoldeton Kreisärzten 
nur dadurch nnterscheideu, daß sie sich die Differenz ihres Dienst¬ 
einkommens im Vergleich zu dem der vollbesoldeten durch die 
ihnen belassene Gebühreneinnahme selbst verdienen müssen. Diese 
Forderung steht auch durchaus im Einklang mit den gesetzlichen 
Bestimmungen; denn die nicht vollbesoldeten Kreisärzte gehören 
nicht mehr zu den Beamten, deren Zeit nnd Kräfte durch die 
hnen übertragenen Geschäfte nur nebenbei in Anspruch genommen 
werden und die demzufolge nach § 7 des Gesetzes vom 13. Mai 1872 
in Verbindung mit § 5 des Gesetzes vom 27. März 1872 keinen 
Anspruch auf Wohnungsgeldznschuss haben, sondern sie sind voll 
beschäftigte und pensionsberechtigte Beamte; ihre 
amtliche Tätigkeit ist zur hauptamtlichen geworden, die jede 
andere Tätigkeit, auch die Ausübung ärztlicher Privatpraxis, nicht 
mehr gestattet, wenn diese ihnen auch noch gesetzlich erlaubt 
ist. Es bedarf somit nach § 5, Abs. 2 des Gesetzes vom 27. März 
1872 nur der Eutscheidung der Vorgesetzten Dienstbehörde, dass 
ihre Dienststellung nicht mehr eine neben-, sondern eine haupt¬ 
amtliche ist, um ihnen ebenfalls Wohnungsgeldzuschuss zu ge¬ 
währen. 

Mit dem Verfasser des angeführten Artikels sind auch wir 
der Ansicht, daß eine jenen Wünschen entsprechende Regelung 
der Dienstbezüge endlich einmal sichere nnd für die beteiligten 
Beamten befriedigende Zustände schafft, so daß sie mit der er¬ 
forderlichen Arbeitsfrendigkeit und ohne Sorge für ihre Familie 
ihren so schweren und verantwortungsvollen Aufgaben gerecht 
werden können. In bezug auf die Stellung der Medizinalbeamten 
sind gerade genug Experimente gemacht, daß es unseres Erach- 



816 


BMprechvngen. 


teils die höchste Zeit ist, wenn mit diesen Ehrperimenten endlich 
anfgehört wird! Dies liegt nicht nur im Interesse der Medizinal¬ 
beamten, sondern noch vielmehr — nnd das möchten wir am 
Schloß noch besonders betonen — im öffentlichen Interesse; denn 
das für das Allgemeinwohl so wichtige Gebiet der öffentlichen 
Gesundheitspflege muß den größten Schaden erleiden, wenn die 
dafflr in erster Linie in Betracht kommenden Beamten sich fort¬ 
während benachteiligt nnd znrftckgesetzt fühlen! 


Besprechungen. 

Dr. Bandelier und Dr. Böpke: Lahrbnoh der epesiilsoliea 
Dlegnoitlk und Therapie der Toberhuloae. Far Stadiereade lud 
Aexrte. Worzbarg; 1S08. Verlag von C. Kabitzscb (A. Stübers Verlag). 

Wie Toraozosehen, hat das yoiliegende Lehrbuch der bekannten Tuber- 
kdUnforscher Bandelier und B0pke nach kaum Jahresfrist eine Neuauflage 
notwendig gemach, gewiß ein Erfolg, der ebenso für den bleibenden Wert des 
Buches spricht, wie fnr das wachsende Interesse der Aerztewelt an den Fragen 
der spezifischen Diagnose und Therapie einer Krankheit, bei deren Bekämpfug 
die medikamentöse Therapie im Stiche gelassen hat Desgleichen liegen bereits 
Uebersetznngen io die englische nnd £e russische Sprache vor. 

Auch in der zweiten Auflage des Lehrbuches lat es den Verfassern 
gelangen, die klare Uebersicht des Ganzen und die Faßlichkeit der einzelnen 
Kapitel zu wahren, trotzdem der Inhalt derselben den Banumfang der ersten 
Auflage weit ttbertrifft. Aus der Praxis für die Praxis geschrieben, verfolgen 
die Verfasser in erster Linie den Zweck, die spez. Diagnostik und Therapie 
der Tuberkulose zum Allgemeingut der praktischen Aerzte zu machen, nachdem 
^eselbe in den Beihen der Heilstätten« and Erankenhausfirzte bereits zahl¬ 
reiche Anhänger gefunden hat. Konnte doch noch vor Kurzem der bekannte 
Hamburger ^niker Lenhartz seine Ansicht über die Tuberkulinwirkung in 
die inhaltsreichen Worte zusammenfassen: „Es ist ein Kunstfehler, wenn bei 
der Behandlung der Lungentuberkulose Tuberkulin nicht angewandt wird.* 
Die Verfasser beschränken sich daher nicht auf die Besprechung der Koch’sehen 
Tuberkuline and nicht auf ihre Verwendung bei Langentaberkolose, sondern 
sie gewähren auch allen bisher bekannten spezifischen Präparaten und Methoden 
weitesten Baum, sowohl zur Behandlung der Tuberkulose der Lungen, wie der 
anderen Körperorgane (Kehlkopf, Augen, Haut, Drüsen, Knochen, Gelenke, 
UrogenitaltriÜEtus u. a.). Zumal die Kapitel über die verschiedenen neuen 
Methoden zur Diagnostik (die kutane, per kutane und konjunktivale Tuberkulin¬ 
proben und ihre Anwendung in der Kinderheilkunde) sowie die Therapie der 
Tuberkulose anderer Organe als der Lunge haben in der neuen Auflage eine 
wesentliche Erweiterung erfahren. Es ist daher zu erwarten, daß die neue 
Auflage nicht nur bei den praktischen Aerzten freudige Aufnahme finden, 
sondern auch den Kollegen ein willkommenes Nachschlagewerk sein wird, die 
wie die Kreisärzte und Anstaltsärzte in zweifelhaften Fällen Tuberkulöse zu 
begutachten haben. Dr. Gumprecht-Lippspringe. 


Tagesnachrichten. 

Seine Majestät der Kaiser bat dem Belohsanssehnas für das intltche 
FortbUduagswesen eine einmalige Beihilfe von 10000 M. aus dem AUerhOchstea 
Dispositionsfonds überwiesen. _ 


Der Gesetzentwurf Uber die Gewährung von Wohnnngageldsnsebässen 
ist nunmehr dem Abgeordnetenhause zugegangen. Es erhalten Beamte der 
1. Bangklasse in den Klassen A—E 2260, 1800, 1860, 1080, 9<X) M. (pensions¬ 
fähiger Durchschnittssatz 1476 M.), Beamte der 2. und 8. Bangldasse 1800, 
1350, 1080, 900, 810 M. (1188 M.), Beamte der 4. und 6. Bangkluse 18M, 990, 



TageBoaohriohteiL 


817 


810, 720, 680 H (900 M.), Beamte, welche zwiflchen den Beamten der 5. Bang* 
klasae und den Sabaltemen, der Provinzialbehörden rangieren, Snbaltembeamte 
2. Klasae bei den Zentralbehörden, Sabalternbeamte bei den Prorinzial- and 
Lokalbehörden 810, 6ö0 540, 450, 880 ]£. (656 H.), Unterbeamte 480, 860, 290, 
220, 150 M. (300 M.). 

Dem Entwurf ist ein Ortsklaseenverzeichnis beigefOgt. Das 
Verzeichnis weist der Ortskasso A alle Orte mit einem darchschnittlichen 
Einheitszimmerpreise von 221 M. and darüber, B von 161—220 M., C von 
121—160 H., D von 81—120 M., E von 80 M. and daranter za. Es handelt 
sich am 12718 Orte. Ans Klasse C nach B versetzt worden 4, ans D na«^ 
C 19, aas B nach D 188 Orte. Aus der BegrUndang geht hervor, daß die neue 
Aufstellang auf Grand sorgfältiger Ermittelangen stattgefanden hat, wobei 
auch zam Teil die Teaerangsverhältnisse berücksichtigt worden sind. Der 
Mehraufwand des Staates beläalt sich durch das Gesetz auf mnd 22548258 M. 
pro Jahr. 

Die Wohnongsgeldzaschüsse betragen demnach im Vergleich za den 
bisheriiren: 


m 

1 

bisher 

kttnft. 

I 

bisher 

1 

1 

künft 

(ür Bangklassc 

m 

bisher {künft. 

IV 

bisher | künft. 

1 

bisher 

7 

künft. 

A 

1500 

2250 

1200 

IbUU 

900 

1350 

540 

810 

860 

480 

B 

1200 

1800 

900 

1350 

660 

990 

432 

650 

270 

860 

C 

900 

1850 

720 

1080 

540 

810 

360 

540 

216 

290 

D 

720 

1080 

600 

900 

480 

720 

300 

450 

162 

220 

E 

600 

900 

540 

810 

420 

860 

216 

880 

108 

150 


Die Beichstagsabgeordneten Dr. Arning und Baseermann haben 
folgenden Antrag eingebracht: Der Beichstag wolle beschließen, die ver* 
bündeten Begierangen zo ersuchen, baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, 
der die erfolgreiche Bekämpfung der Tuberkulose derart sicher stellt, daß 
auch die bisher von der Fürsorge noch nicht erfaßten Kreise der Bevölkerung 
dieser teilhaftig werden, insbesondere durch Bereitstellung weiterer Geldmittd 
und durch gesetzliche Maßregeln, welche die Desinfektion verseuchter Woh* 
nungen sicher stellen. _ 


Ende dieses Monats tritt die durch je ein Mitglied der 12 Aerztekammem 
verstärkte preusslsche Wissenschaftllohe Deputation für das Medlsiual* 
wesen im Koltasministerum zusammen, um über den Entwurf des Knrpfnseherei- 
gesetzes zu beraten. Das Besaitet der Beratungen wird dann dem Beichsamt 
des Innern eingereicht, das von den einzelnen Bundesstaaten Gutachten hier¬ 
über eingefordert hat. _ 


Die auf dem 28. November d. J. anberanmte diesjährige Plenarver¬ 
sammlung der Königl. Sächslsehen Landesmedlslnal-Kolleglums ist mangels 
geeigneter Beratungsgegenstände bis AprU oder Mai nächsten Jahres verschoben. 


Der 80. Balneologen • Kongress wird Anfang März 1909 unter dem 
Vorsitz vom Geb. Med.-^t Prof. Dr. Brieger in Berlin tagen. Anmeldungen 
von Vorträgen und Anträgen sind za richten an den Generalsekretär der 
Balneologisdien Gesellschaft, Geh. San. - Bat Dr. Brock, Berlin, Thomasiusstr. 24. 


Der 8. internationale Kongress für Hydrologie^ Klimatologie^ Geo¬ 
logie und physikallsehe Therople findet laut Beschloß des vorigen Kongresses 
(Venedig 1905) vom 4. bis 10. April 1909 in Algier unter dem Patronate des 
General - Goaverneurs M. Jonnart statt. Präsident des Kongresses ist Prof. 
Albert Bobin in Paris, Generalsekretär Dr. B. Beynaud in Algier. In 
Deatschland hat sich zar Förderung der Interessen ein Komitee gebildet, den 
eine große Beihe namhafter Autoritäten angebOrt. Mit der Vertretung für 
Deatschland ist vom Präsidium San.-Bat. Dr. Bosenthal-Berlin, Pots- 
dammerstr. 121 g, betraut worden, der bereit ist, Anmeldungen von Vorträgen, 




818 


Tagesnachriohten. 


Beitrittserklärangea und Mitgliederbeiträge entgegenzonehmen, sowie über 
alle den Eongrefi betreffenden Fragen Anskonft zn erteilen. Im Anschloß an 
den Kongreß findet eine Ansstellnng von Apparaten and Mineralwässern statt 


Der 11. Internationale Kongress fttr Aagenhellknnde wird im Aa> 
gast 1909 in Neapel stattfinden. Die Siisangen werden in (Tnirersitätsgebiade 
abgehalten; die mit dem Kongreß yerbnndenen Aasstellang wird in der Klinik 
Ittr Aagenheilkande antergebracht. Anläßlich des Kongresses werden Aasfittge 
aaf die Insel Capri and nach Pompeji veranstaltet. 


Erkranknngen nnd TodesflUle an ansteokenden Krankheiten ln 
Prenssen. Nach dem Ministerialblatt für MedMn^- and mediziniscbe Unter* 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 11. bis 24. Oktober 1908 erkrankt 
(gestorben) an: Aassatz, Cholera, Bttckfallfieber, Gelbfieber and 
Pest: — (—); Flecklieber: —(—), 1 (-); Pocken: 1 (—), — (—); 
Milzbrand: 1 (—), 1 (—); Tollwat; —(—),!(—); Bißyerletzangen 
darch to'llwatyerdächtige Tiere: 5 (—), 2 (—); Unterleibs- 
typhas: 298 (37), 814 (40i; Bahr: 7(1), 7 (—); Diphtherie: 1682(1081, 
1697 (123); Scharlach: 1946 (147), 1846 (134)\ Genickstarre: 5 (1), 
8 (3); Kindbettfieber: 104 (84), 89 (18); Warst* and Fleischyer- 
giftang: 2 (—) 69 (—); Trichinose: — (—), 1 (—); Körnerkrank¬ 
heit (erkrankt): 104, 18 ; Taberkalose (gestorben): 461, 472. 


MpraohaanL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. P. ln 8.: 1. Ist Hienfong* Essenz dem 

freien Verkehr fiberlassen? 

2. Was ist anter „yerschlossenen Behältnissen" (Ziffer 7 der Grand* 
zfige fiber die Begelang des Verkehrs mit Arzneimitteln aoßerhalb der Apo¬ 
theken — eine hiermit identische Polizeiverordnang ist für den Beg.-Bez. 
Mersebarg nnter dem 16. Aagast 1905 erlassen) za verstehen F 

Antwort: 1. Nein. Urteile des Kammergerichts in Berlin sowie der 
Oberlandesgerichte in Celle, Posen and Breslaa, (s. Beilage Bechtsprechong 
a. Med.-Gesetzgebang; 1906, S. 12, 39 and 208; 1907, S. 123). 

2. Unter «verschlossenen Behältnissen" sind Schränke oder Schiebekästen 
za verstehen. Die Aafbewahrnng der Arzneimittel darin maß ordnangsmäßig, 
also analog den Vorschriften des § 9 Abs. 3 der Apothekenbetriebsordnang 
vom 18. Febraar 1902 erfolgen. _ 


Anfrage des Kreisarztes Dr* 6. in M.: Stehen dem Kreisärzte aach 
ffir vereitelte Vorbesnehe Gebühren za? 

Antwort: Ja. Der Beschloß des Kammergeriebts vom 16. Jnni 1894, 
der die Frage verneint hatte, ist durch Beschloß desselben Gerichts vom 
80. April 1907 aufgehoben (s. Beilage Bechtsprechong o. Medizinal*Gesetz* 
gebang; 1907, S. 93). 


Bericht!gang;. In der Bespreebong za Havelok Ellis, Seite 773 
maß es in Zeile 2 heißen Sexaal• Psychologie (nicht Spezial); in Zeile 20 
Zoophilie (statt Zooptille) and in Zeile 21 Sadismus (statt Jadismos). 


Fttr die Leser der Zeitschrift. 

Der achte Jahrgang: des Kalenden fttr Medizinal* 
beamte fhr das Jahr 1909 gelangt in der ersten Woche des 
Dezembers d. J. zar Aasgabe. 

Die Verlagsbuchhandlung. Der Herausgeber. 


Verantw. Bedaktoar Prof. Dr. B a p m a n d, Beg.* o. Geh. Med.-Bat in Minden L W. 

J. 0. 0. Brune, Herzogi. S&chs. u. F.8eh.-L. Hofbuobdniokerel in Minden. 







Die erste Beratung des Abgeordnetenhauses Uber den 
Gesetzentwurf, betr. die Gebühren der Medizinalbeamten, 
sowie die bisherigen Yerhandiungen der Kommission fttr 
diesen Gesetzentwurf, u. der verstärkten Budgetkommission 
Uber die Besoldung der Kreisärzte. 

Wir lassen zunächst die Verhandlnngen auf Grand des steno¬ 
graphischen Berichts über die Sitzung des Abgeordoetenbanses, 
in der die erste Beratung des Gebührengesetz-Entwurfes stattge- 
fanden hat, sowie die in den politischen Blättern gebrachten Be¬ 
richte über die Sitzungen der betreffenden Kommissionen folgen: 

A. Erste Beratong des Abgeordnetenhaoses Tom 21. NoTember d. J. über den 
Gesetzeotwarf, betr. die Gebühren der MedLrinalbeamten. 

Uiniaterialdirektor Dr. Förster: Oer Gesetzentwurf hat bereits wieder¬ 
holt dem Landtage zur Beschlußfassung Torgelegen, ist aber bisher leider nicht 
zur Verabschiedung gelangt. Die Königliche Staatsregierung ist nach wie vor 
Ton der Notwendigkeit einer den heutigen Verhältnissen entsprechenden Neu¬ 
regelung des kreisärztlichen Gebübrenwesens durchdrungen und gibt sich der 
Hoffnung hin, daß der Gesetzentwurf diesmal die Zustimmung des Landtages 
finden wird. Sein Inhalt stimmt im wesentlichen mit dem der letzten Vorlage 
im Jahre 1904 ttberein, nur sind jetzt die Wünsche der damaligen Kommission 
berücksichtigt. Au der Festsetzung des dem Entwurf beigegebenen Gebühren- 
tarifs im Verwaltungswege durch den Minister ist jedoch auch diesmal fest- 

f ehalten, da die Festlegung der Gebührensätze durch Gesetz sich gerade bei 
em jetzt geltenden Gesetz Tom 9. März 1873 als schwerer Fehler heraus- 
gesteilt hat. Neu eingefügt sind §4 (Abführung aller Gebühren für amt¬ 
liche Verrichtungen seitens der roUbesoldeten Kreisärzte an die Staatskasse), 










820 Die erste Beratoog des Abgeordnetenhauses Uber den Gesetzentwarf, betr. 

§ 11 (pensionsf&higer Gebtthrendorchschnitt Iftr die nicht Tollbesoldeten Kreis* 
ärste) and § 18 (Gebühren der Chemiker). Der § 11 soll insbesondere die im 
Landtage wiederholt and dringlich geforderte Nearegelang der Pensions- 
yerh&ltnisse der nicht Tollbesoldeten Kreisärzte die gesetzliche 
Grandlage geben, indem in Zoknnft neben der Besoldung ein für alle Fälle 
gleicbm^ig bemessener Betrag Ton 2250 Mark an Stelle der Gebühren der 
Berechnung der Pensionssummo zugrunde gelegt werden solL Eedner bittet 
zam Schluß, dem Torliegenden Gesetzentwurf freundliches Interesse enlgegen- 
zubringen and an der Beseitigung der so schwer empfundenen MiOstände aal 
dem Gebiete des Gebührenwesens mitzuwirken. 

Abg. T. der Osten (kons.): Der an die Spitze des Gesetzes gestellte 
Grandsatz, wonach das staatliche Gehalt alle Amtshandlungen, für die der 
Staat finanziell yerantwörtlich ist, in Zukonft decken soll, ist an sich zutreffend 
and logisch; seine finanziellen Wirkungen auf die dayon Wroffenen Kreisärzte: 
FortfaU der Entschädigung für im ortspolizeilichen Interesse yorgenommenen 
Diensthandlangen an den Orten mit königlicher Poiizeiyerwaltung, Ersatz der 
tatsächlich erwachsenden Fahrkosten statt der bisher gewährten Fahrkosten* 
entschädigung, Abführung auch der gerichtsärztlichen Gebühren seitens der 
Tollbesoldeten Kreisärzte an die Staatskasse, so wieeine im Interesse der außer¬ 
ordentlich hoch belasteten Gemeinden freudig zu begrüßende Ermäßigung einer 
Beihe yon Gebührensätzen, dürfen aber nicht außer Acht gelassen werden. 
Za bedauern ist, daß sich der Gesetzentwurf auf die Begelong des Gebühren¬ 
satzes beschränkt und nicht auch die materielle Gebtthrenpflicht mit in 
Becbnung einbezogen ist, einmal, um der bestehenden Unklarheit aus dem Wege 
za gehen, yor allem aber, um die heute schon aoßerordentlich weitgehende 
and Ton yielen Gemeinden auf das schmerzlichste empfundene Belastung durch 
Gebühren, wenn irgend tunlich, zu erleichtern. Selbst bei allem Wohlwollen 
der Zentralinstanz können sich recht unerfreoliche Härten aas der Befugnis 
der Orts- und Landospolizei ergeben, Gebühren in dieser Bichtang festzusetzen, 
für die einfach die Gemeinden als Träger einzutreten haben. Die politische 
Partei des Bedners will jedoch, um diese sowieso schon recht komplizierte 
Materie nicht noch mehr za belasten, yon einem bestimmten Antrag in dieser 
Hinsicht Abstand nehmen und heute nur den Wunsch aassprechen, daß die 
KOnigL Staatsregierang einer baldigen Begelung dieser Gebührenpflicht näher 
treten möge. Dagegen hat sie ganz außerordentliche Bedenken gegen die im 
§ 8 yorgesehene Debertragung der Tariffestsetzung auf die Ezelratiye. Mit 
Bücksicht auf die Belastung der Gemeinden kann in dieser Hinsicht eine Kon¬ 
trolle der gesetzgebenden Körperschaften für die Zukunft nicht aus der Hand 
gegeben werden. Die Begierung solle deshalb ihren entgegenstehenden Stand- 
pankt fallen lassen. Die Gründe für eine derartige Tarifierung durch die zustän¬ 
digen Minister sind nicht durchschlaggebend. Wenn es yielleicht technisch manch- 
mu wünschenswert sein könnte, einzelne Tarifpositionen schnell und kurzer Hand 
abauändern, so sind die Verhältnisse doch nicht so flüssig, am einen so wich¬ 
tigen Akt, wie die Festsetzang yon Lasten, die weite Kreise treffen, ad libitom 
der Staatsregierang zu überlassen; außerdem sind in dem Tarif gewisse Lati- 
tüden yorgesehen, mit denen jener Flüssigkeit der Verhältnisse ausreichend 
Bechnang getragen werden könne. 

Was die finanzielle Wirkung des Gesetzentwurfes auf die dayon 
betroffenen Kreisärzte betrifft, so muß man sich yergegenwärtigen, daß die 
Tollbesoldeten Kreisärzte eine Steigerung ihres Endgehalies um 1600 
Mark und eine Erhöhung ihres Wohnungsgeldzuschusses erfahren, auf der 
anderen Seite allerdings eine Herabsetzung ihres Anfangsgehaltes auf 600 M., 
sowie einen mit nicht wesentlich ins Gewicht fallenden Ausfall durch den Ver¬ 
lust der gerichtlichen Gebühren und der bisherigen Fuhrkostenentschädigungen 
erleiden. Summa summarum glaubt Bedner und mit ihm seine politische 
Freunde, daß durch die sehr wesentliche Erhöhung des Endgehaltes ein au- 

! gemessener Ausgleich für die ihnen erwachsenden nicht wesentlichen Ver- 
uste geschaffen wird, und daß auch die Erniedrigung des Anfangsgehalts 
um 600 Mark ihre Begründung einmal in der Gleichstcilung mit den gleichen 
Beamtenkategorien (Bichtern, Oberlehrern, Kreisschalinspektoren usw.), ander¬ 
seits in der sehr ernsten Finanzlage des Staates findet, die ein Eingehen 
auf weitergehende Wünsche in bezug auf Beibehaltung des Anfuigsgehaltes 
yon 8600 Mark nicht zuläßt. 



die Gebtthren der Medizinalbeamteii sowie die Verhandlasgen der Kommission. 821 


Die nicht Tollbesoldeten Ereisärste erhalten in technischem 
Sinne des Wortes keine Besoldong, sondern nur eine Vergtttnng, „der Schwer¬ 
punkt ihrer wirtschaftlichen Existenz liegt nicht in dem Staatsgehalt, in der 
StaatsTerglitang, sondern der Schwerpunkt ihrer Elxistenz and mrer Tätigkeit 
soll, soweit das nach den realen Verhältnissen mOglich ist, nach dem Wunsch 
meiner Freunde in ihrer Praxis liegen. Wir haben Irhher betont und legen 
auch jetzt nach wie vor ausschlaggebenden Wert darauf, daß die nicht roll- 
besoldeten Kreisärzte, die so tief einschneidende Maßnaßmen für die wirtschaft¬ 
lichen Verhältnisse unserer Bevölkerung vornehmen können und unter Um¬ 
ständen vornehmen müssen, im engsten Konnex mit den Bedttrhiissen und An¬ 
forderungen unserer Bevölkerung stehen. Sie sollen sich nicht als Bichter 
außerhalb ihrer Umgebung fühlen, sondern sie sollen mitten im Leben stehen. 
Ans diesem Grande legen wir ausschlaggebenden Wert darauf, daß sie nach 
wie vor, soweit das mit den realen VerhUtnissen vereinbar ist, im wesentlichen 
in ihrer Privatpraxis bleiben. Meine politischen Freunde können sich aller¬ 
dings der Einsicht nicht verschließen, daß die Entwickelungstendenz der 
jüngsten Zeit diesem, unserem Wunsche nicht günstig gewesen ist. Wir können 
nicht verkennen, daß die steigende Belastung der Kreisärzte mit Amtshand¬ 
lungen neuerdings vielen von ihnen notgedrungen eine Schmälerung ihrer 
Privatpraxis aufgezwungen hat, und wir glauben deshalb, daß wir diesem 
Zwang der Verhältnisse so weit Bechnung tragen müssen, als eine Verschlech¬ 
terung der wirtschaftlichen Verhältnisse der nicht vollbesoldeten Kreisärzte 
daraus resultiert.“ Nach der Besoldungsordnung sollen nun die nicht voU- 
besoldeten Kreisäzzte ein Gehalt von 1800 steigend bis 3600 Mark erhalten, 
außerdem Stellenzulagen im Durchschnitt von 450 M., bisher sah der Etat ein 
Gehalt von 1800 bis 4200 M. vor. Es ist nicht ganz klar, woraus sich diese 
Differenzierung rechtfertigt; jedenfalls ist es unzweifelhaft eine Verschlechte¬ 
rung. Ferner wirkt die Ermäßigung des Gebtthrentarifs unzweifelhaft auf eine 
Verminderung der Einnahmen der Kreisärzte. Mir ist eine Statistik zuge- 
gaugen, wonach von 254, also zwei Dritteln sämtlicher nicht vollbesoldeter 
Kreisärzte genau geprüfte Angaben eingegangen sind, und wonach die Kreis¬ 
ärzte im Darchschnitt, falls der neue Gebührentarif im letzten Jahre ange¬ 
wendet worden wäre, einen Verlast von 251 Mark erlitten hätten. Dieser 6e- 
bührenausfall trifft die nicht voUbesoldeten Kreisärzte erheblich schwerer, als 
die vollbesoldeten, die bekanntermaßen ihre Gebühren an die Staatskasse ab- 
führen. Als einziger Vorteil steht dieser ungünstigeren Stellung der nicht 
vollbesoldeten Kreisärzte lediglich die günstigere Pensionsbedingung gegen¬ 
über, die sie auf Grund des § 11 des Entwurfs erhalten. Es liegt somit hier 
eine Ungerechtigkeit vor, (sehr richtig!) die gut zu machen ist; die konser¬ 
vative Partei stellt sich deshalb einer Erhöhung des Anfangs- und des End¬ 
gehaltes der Kreisärzte um etwa 600 M. sympathisch gegenüber. Die finanzielle 
Belastung, die der Staat dadurch erleiden würde, würde sich ungefähr be¬ 
ziffern auf 470 mal 600 gleich 282 000 M. 

Bedner kommt schließlich zu dem Schluß: Die durch das Gesetz in § 8 
fixierte Uebertragung der Gebührenhoheit an den Staat ist für meine politi¬ 
schen Freunde nicht akzeptabel. Wir erkennen im übrigen mit Dank eine 
große Beihe von Verbesserungen, die der Gebührentarif uns brin^, an. glauben 
aber, daß es notwendig sein wird, die zahlreichen Bedenken, cUe sicn im ein¬ 
zelnen ergeben werden, einer besonderen Kommission zur Vorprüfung zu über¬ 
weisen. (Lebhafter Beifall.) 

Abg. Schmedding -Münster (Ztr.): Einer Seeschlange gleich schleicht 
sich nun zum fünften Male der vorliegende Gesetzentwurf in d^as Hohe Haus 
ein; ob er jetzt mehr Glück haben wird, wird wesentlich davon abhängen, ob 
die Bedenken, die früher dagegen geltend gemacht worden sind, noc£ Platz 
greifen. Vor allem muß klar festgestellt werden, ob die Bestimmung des 
Kreisarztgesetzes, daß für jede Boise, die der Kreisarzt im Aufträge der Be- 
gierung oder des Landrats mache, die Kosten dem Staate znfallen sollen, 
auch weiterhin noch Platz greifen oder durch das Gesetz abgeändert werden 
soll. Die Gebührenpflicht sollte im Interesse der schwer belasteten Ge¬ 
meinden nach der Richtung erweitert werden, daß auch der Staat mehr Pfiichten 
in der vorliegenden Sache zu übernehmen habe, wie es auch von dem‘Herrn Vor¬ 
redner gewünscht ist. Noch wichtiger ist das Bedenken, ob das Hohe Haus 
sich das Recht nehmen lassen soll, den Tarif für die Medizinalgeühren 



828 Die erste Bentong des Abgeordnetenhauses Aber den Gesetsentwnrf, betr. 


seinerseits f estznsetson. Die frflhere Kommission hat kein Bedenken 
getragen, sich in dieser Hinsicht anf die Seite der Begiernng zu stellen, also 
aut die Mitfestsetzong des Tarifs zu Terzicbten. Gewichtige Gründe lassen 
sieh für diese Ansicht geltend machen, namentlich, daß es Zeiten geben kann, 
wo die yer&nderten Verhältnisse eine sofortige Verändernng des Tarifes als 
wünschenswert erscheinen lassen. Indessen hat die Volksvertretnng doch ein 

f roßes Interesse daran, daß die Gebühren nicht zn hoch bemessen werden, nnd 
aß anderseits die Kreisärzte gegenüber der üebermacht der KOnigl. Begiemng 
eine Instanz haben müssen, die dafür Sorge trägt, daß sie nicht geschädigt 
werden. Nach vielfachen Mitteilongen ans den beteiligten Kreisen besteht <ue 
lebhafte Besorgnis, daß die Torgeschlagene Begelnng doch nach manchen Bich- 
tongen hin eher zn einer Schädlgnng als zn einer Verbessernng der Lage der 
Kreisärzte führen wird. Und das gilt nicht nnr für den yoUbesoldeten Kreisarzt, 
sondern erst recht von dem nicht yoUbesoldeten Kreisarzt, nnd zwar anch 
dann, wenn für beide Kategorien von Aerzten die Gehaltssätze eintreten, die 
in der Besoldnnggyorlage vorgesehen sind. Hoffentlich wird die Gesetzesvor- 
läge, die ja nicht nnr für die Kreisärzte, sondern anch für die CffentUche G^ 
snndheitspflege von nicht zn nnterschätzender Bedentnng ist, in der Kommission 
eine Fassnng finden müge, die aUe TeUe befriedigt. 

Abg. Dr. Sehroeder*Cassel (natl.): Der jetzt geltende Tarif bemht 
auf einem Gesetz vom Jahre 1872, ist also 86 Jahre alt; ans diesem Alter 
k*«» man schon herleiten, daß das Gesetz wirklich verbessernngsbedürftig ist. 
Die bisherigen Vorlagen ner Begiernng sind aber immer an zwei Fnnkten ge¬ 
scheitert ; einmal hat man eine zn starke Belastnng der Gemeinden befürchtet, 
and zweitens daran Anstoß genommen, daß der Tarif nicht, wie es bisher 
rechtens war, im Gesetz selbst festgelegt, sondern der Festsetznng dnreh die 
Begiernng nnter der Berechtignng zn Abändernngen Vorbehalten sein soUte. 
Die bisherigen Vorlagen waren immer ans zwei Gesiebtspnnkten berans be¬ 
gründet worden: Man woUte die Bechtsnnsicherheit beseitigen, namentlich in 
bezng anf ortspolizeiUche nnd landespolizeiliebe Kosten, nnd die Gebührensätze 
erhüben, nm die Kreisärzte in ihrem Einkommen besser zn stellen. Daß der 
jetzige Entwnrf diese Bechtsnnsicherheit beseitigt, erscheint zweifelhaft, da 
er nnr die Gebührenhöhe, aber nicht anch die Gebührenpflicht regelt. Der 
zweite Grnnd, durch eine Aendernng des Tarifs eine BessersteUnng der Kreis¬ 
ärzte herbeiznführen, wird diesmal in der Begründung nicht mehr als solcher 
hervorgehoben, weil angeblich dnreh die Besoldnngsordnnng 
schon eine Besserstellung der Kreisärzte gewährleistet sei. 
Das ist aber in hohem Maße zweifelhaft. Jedenfalls steht der Gebührentarif 
in engstem Zusammenhang mit der Bosoldnngsfrage; die Entscheidung darüber 
wird deshalb nicht ohne Verbindung mit der Bndgetkommission möglich sein; 
denn ob wirklich dnreh die Vorschläge der Besoldnngsordnnng eine Besser* 
steUnng der Kreisärzte erfolgt ist, ist fraglich nnd wird von den Interessenten 
aufs lebhafteste bestritten, ,nnd ich glaube, die Interessenten haben recht. 
Wir finden in der Besoldnngsordnnng nnd in diesem Entwnrf überaU die Unter¬ 
scheidung zwischen voll* nnd nicht yoUbesoldeten Kreisärzten. Im Gegensatz 
zn Herrn v. d. Osten habe ich persönUch stets auf dem Standpunkt gestanden, 
daß es durchaus wünschenswert wäre, wenn die nicht yoUbesoldeten 
Kreisärzte verschwänden nnd überall durch vollbesoldete 
ersetzt würden. Es ist darauf hingewiesen, daß der Kreisarzt mitten im 
Leben stehen müsse nnd seine Praxis nicht entbehren könne, nm sich als Arzt 
wissenschaftlich anf dem Laufenden zn erhalten. Diese Anschauung trägt 
eine gewisse Berechtignng in sich, aber ich habe demgegenüber meinerseits 
immer den Standpunkt vertreten, daß der Kreisarzt nicht der Konkurrent der 
übrigen Aorzte im allgemeinen Erwerbsleben sein darf; sonst kommt er von 
vornherein in eine schwierige SteUnng zn ihnen. Indessen gebe ich zn, daB 
es nicht möglich ist, überaU sofort mit der Anstelinng von yoUbesoldeten 
Kreisärzten vorzngehen, nnd ich wiU weiter anerkennen, daß nicht ÜberaU die 
Kreisärzte sofort voU beschäftigt sein würden, nnd die Durchführung meines 
Standpunktes, überall vollbesoldete Kreisärzte anznsteUen, scheitert anch znr- 
zeit an der Finanzfrage. Ein TeU meiner Freunde ist ferner anderer Ansicht, 
sie wünschen nicht einmal, daß ÜberaU mit der AnsteUnng voUbesoldeter 
Kreisärzte vorgegangen würde. 



die Gebfibren der ICedidnalbeamteB sowie die VerbandliuigeB der Kommisdoo. 828 

Die Tollbesoldeten Ereis&rste sind damit nnzofriedeD, daß ihnen 
das Anfanii^gebalt tob 8600 M. auf 8000 M. berabgeechraabt wird, sie glanben, 
daß der notwendige Ansgleich ihnen nicht dadurch gegeben wird, daß das 
Endgehalt um 1500 KL erhöht werden soll; denn es ist keinem Zweifel unter¬ 
worfen, daß der größte Teil der Tollbesoldeten Kreisärste in einem so späten 
Alter zur AnsteUung kommt, daß der Hinweis auf die auskömmliche End- 
besoldung in ferner Zukunft wirklich nur ein schwacher Trost fttr sie ist. 
Viele erreichen das Endgehalt hberhaupt nicht oder jedenfalls erst Anfang der 
70 er Jahre. Sie empfinden diese Zurttckschraubung deshalb sehr hart, weil 
ihnen gleichzeitig die Fohrkosten genommen werden sollen, und weil sie in 
Zukunft alle Gebühren, auch die gerichtsärztlichen abführen sollen. 
Von einem Kreisarzt habe ich ausgerechnet bekommen, daß, wenn die jetzige 
Vorlage mit einem Gehalt von 8000 bis 7200 M. in Kraft tritt, für einen 
großen Teil der yollbesuldeten Kreisärzte eine wesentliche Verschlechterung 
eintritt. Der Betreffende ist im 12. Jahr Medizinalbeamter. Er würde jetzt, 
statt 5200 M. zu haben, zurückgehen müssen auf 4800 M., und ]er würde bei 
den jetzt geltenden Gehaltsbestimmungen am 1. Januar 1910 das Höchstgehalt 
TOB 5700 H. erreichen, während er nach dem neuen Vorschlag erst am 1. Ja¬ 
nuar 1918 in den Genuß der dritüetzten Stufe von 6000 M. kommt. 

Auch die nicht yollbesoldeten Kreisärzte sind nicht zufrieden 
mit den Vorschlägen, und auch ihre Unzufriedenheit ist, soweit ich es angen- 
blickiich übersehen kann, berechtigt. Herr y. der Osten ist in einem Irrtum 
befangen gewesen; er scheint angenommen zu haben, daß es jetzt schon für 
die nicht Tollbesoldeten Kreisärzte eine gewisse Skala gebe Ton 1800 bis 
4200 M. Das ist tatsächlich nicht der Fall; denn der nicht Tollbesoldete 
Kreisarzt steigt nicht etwa in Altersstufen yon einem Mindestsatz bis zum 
Höchstsatz. In diesem Mangel liegen aber gerade die Beschwerden der nicht 
yollbesoldeten Kreisärzte. Sie wünschen eine Gehaltsskala, die möglichst mit 
2400 M. beginnt und bis 4200 M. steigt, und sie wünschen außerdem einen 
Wohnnngsgeldzuschuß wie alie übrigen Beamten. Ob diese Wünsche ganz 
oder teilweise zu erfüilen sind, darüber werden wir uns in der Bndgetkommission 
gelegentlich der Beratung der Besoldungsyorlage zu unterhalten haben. Wenn 
aber Herr t. der Osten erklärt hat, daß er jedenfalls bezüglich der yoll- 
besoldeten Kreisäzte zu einem Entgegenkommen nicht bereit sein würde, so 
kann ich für meine Person jetzt schon erklären, daß wir „sowohl bezüglich der 
yollbesoldeten, als auch der nicht yollbesoldeten Kreisärzte „ entsprechende An¬ 
träge in der Bndgetkommission einbringen werden. 

Die nicht yollbesoldeten Kreisärzte beklagen sich dann aber auch darüber, 
daß die Pauschalierung ihrer Beisekosten yielfach schlecht ist, und 
daß auch die Amtskostentschädigung, die für jeden Kreisarzt durch 
ein besonderes Abkommen festgesetzt wird, yöllig ungenügend ist. Ich weiß 
z. B., daß in einem Falle die Amtskostenentschädigung auf 860 M. festgesetzt 
ist, während der betreffende Kreisarzt allein für Schreibhilfe tatsächlich 1000 M. 
ansgeben muß. Wie kann mann solchen Tatsachen gegenüber sagen, daß die 
Amtsunkostcnentschädigung auch nur einigermaßer richtig berechnet istP 

Es besteht dann aber auch der Wunsch der Kneieärzte, daß ihnen der 
fünfjährige Vorbereitungsdienst auf das Besoldnngsdienstalter ungerechnet 
wird. Darüber wird sich reden lassen, namentlich da auch bei allen übrigen 
Beamten eine gewisse Diätarzeit auf das Besoldnngsdienstalter angerechnet 
wird. Ich glaube, die Wünsche der Kreisärzte sind in diesem 
Punkte nicht unbescheiden. 

Bedner bedauert dann ebenfalls, daß der Gebühreutarif wiederum 
nicht im Gesetz festgelegt, sondern der Verordnung durch die Begierung yor- 
behalten ist, obwohl das Haus seit yielen Jahren einmütig an dem Grundsatz 
festgehalten hat: der Tarif gehört in das Gesetz und nicht in das freiel^Ermessen 
der Königlichen Staatsregierung. Dann bringt aber die Vorlage^ wesentliche 
Unterschiede gegenüber den fr&eren Entwürfen. Einverstanden kann [man'mit 
dem Grundsatz sein, daß die Kreisärzte vom Staat keine Gebühr zu':,‘erhalten 
haben für amtliche Verrichtungen, deren Kosten der Staatskasse zur Last fallen. 
Jetzt sollen die yollbesoldeten Kreisärzte jedoch alle Gebühren, auch für 
gerichtsärztliche Geschäfte an den Staat abliefern, auch die für Geschäfte vor 
den besonderen Gerichten, den Schiedsgerichten für Aibeiteryersicherung und 



824 Die erste Beratang des Abgeordeetealieiises ftber deo Qesetseatworf, betr. 


den OeweTbegericbten. Das ist aber ongereeht and unpraktisch, denn es wird 
keinem höheren Beamten ragemntet, die Oebllhren, die ihm Ihr eine besondere 
Tätigkeit als SachTerstindiger besahlt werden, an den Staat abznliefem. 
Viele Baabeamte werden z. B. häufig als Sachrerständige von Schiedsgeiichtea 
and Gerichten Temommen and erhalten dafür zam TeU hohe Gebühren; kdn 
Mensch rerlangt jedoch, daß sie diese Gebühren an den Staat abliefern sollen. 
Es ist deshalb nicht za verlangen, daß die vollbesoldeten Kreisärzte für die 

g roße körperliche and geistige Anstrengang, die ihnen die Abgabe solcher 
atachten verorsacht, keine Entschädigong bekommen sollen. Das würde in 
Wahrheit ein „travailler poar le roi de Prasse" sein. Und was würde die 
Wirkang sein, wenn die Kreisärzte die besondere Gebühr, die für diese Tätigkdt 
gezahlt wird, an den Staat abliefern müssen? Die Kreisärzte würden sich 
natürlich nach Möglichkeit vor der üebernahme derartiger Aofträge and Aemter 
drücken; and sie konnten das mit Erfolg ton, indem sie darlegen, sie seien 
derartig überlastet, daß sie diese besondere Tätigkeit als Sachverständiger 
vor Gericht nicht noch aasttben konnten. Die Folge würde dann die sein, daß 
der Staat in allen größeren Städten besondere Gerichtsärzte anstellen müßte, 
wie solche jetzt schon s. B. in Frankfart a. M. and anderen Städten, vorhanden 
sind, die der Staat besonders besolden müßte, and denen diese Gerichtsgebtthren 
vielleicht nicht vorenthalten werden könnten. Bei dem vorgeschlagenen Vor¬ 
gehen würde also vom rein fiskalischen Standpnnkt aas betrachtet, der Staat 
meiner Ueberzeagang nach ein sehr schlechtes Geschäft machen. 

Was den Tarif anlangt, so sind, wenn ich recht anterrichtet bin, die 
Sätze nnr insoweit besser geworden, als eine gerichttiche Tätigkeit der SLreis- 
ärzte in Frage steht. Mir ist aber von allen Seiten versichert, daß diese 
Seite der Tätigkeit für den Kreisarzt weniger in Betracht käme and daß 
diese Besserstellang daher für ihn nicht aasschlaggebend sei. Dagegen ent¬ 
hält die Abteilang B, die die nichtgerichtlichen Atteste amfaßt, angeblich 
nicht anerhebliche Verscblechterangen gegenüber den seit 88 Jahren bestehen¬ 
den jetzigen Vergütangen, and nach dieser Bichtang hin wird genaa geprüft 
werden müssen, ob ln den jetzigen Vorschlägen nicht eine nnznlässige Ver- 
ringerang der Bezüge der Kreisärzte liei^t. Also die ganze Vorlage wird 
genaa geprüft werden müssen, natürlich aach im Zasammenhang mit den 
Vorschlägen der Besoldangsordnang. Ich habe aber jetzt schon große Be¬ 
denken and fürchte, daß möglicherweise aach diesmal wieder die Seeschlange 
■Seeschlange bleibt. (Bravo t bei den Nationalliberalen.) 

Abg. Dr. V. Woyna (freikons.): Entsprechend der Entwickelong der 
modernen Hygiene hat das Institut der beamteten Aerzte in den letzten 
30 Jahren eine gewaltige Wandlang erfahren. „Der zar Beratang stehende 
Gesetzentwurf and ebenso die Besoldangsordnang halten beide fest an der 
Untersebeidang der vollbesoldeten and nicht vollbesoldeten Kreisärzte. Die 
ganze Entwickelung wird zweifellos im Laufe der Jahrzehnte 
— ich sage nicht Jahre, sondern Jahrzehnte — dahin drängen, nur 
vollbesoldete Kreisärzte anzastellen. Die Gründe, £e für die 
Beibehaltung der nicht vollbcsolldeten Kreisärzte angeführt sind, — gewiß, 
sie mögen im einzelnen örtlich zntrefien, aber an sich ist unsere Verwaltungs- 
Organisation doch so wohl gefügt, daß überall aach vollbesoldete Kreisärzte 
vertragen werden könnten. Dann macht sich der Landrat eben einer Unter¬ 
lassung schaldig, wenn er nicht dafür sorgt, daß annötigen Eingriffen der 
Medizinalbeamten entsprechend entgegengetreten wird. Der Landrat steht an 
der Spitze des Kreises, er ist damit aach dafür verantwortlich, daß in seinem 
Kreise Hygiene nar so weit getrieben wird, wie es unbedingt nötig ist, alle 
üebertreibnngen aber vermieden werden. Wenn er nicht versteht, den Kreis¬ 
arzt in solchen Fällen zurückzahalten, dann maß er eben von anderer Seite 
— ich meine vom Kreistage and Kreisausschasse — darauf hingewiesen 
werden, aach dem Kreisarzt gegenüber die ihm obliegende Verantwortung 
nach jeder Seite hin zu tragen. 

Meine politischen Freunde sind der Ansicht, daß das Gesetz einer 
vierzehngliedrigen Kommission überwiesen wird, der es vor allen Dingen ob¬ 
liegen wird, den Kreisarzt in der wichtigen Stellung za erhalten, die er ein- 
nimmt als Vertrauensarzt in Kranken-, in Unfall-, in Invaliden- und in 
Altersversicherungssachen, daß das persönliche Interesse des Kreisarztes an 
dieser Tätigkeit nicht geschmälert werden darf, daß ihm die Gebühren, die 



die Gebohren der Medidnelbeamten sowie die Verhandlongen der Kommission. 825 

er als Vertranensarst bezogen hat, voll erhaiten bleiben müssen; denn gerade 
diese Gebühren sind es, anf die er als Ebitlohnnng angewiesen ist bei einer 
Tätigkeit, die oft weit hinansgeht über die Tätigkeit des eigentlichen amt¬ 
lichen Arztes, bei der er wirkUch hineinsteigen maß in die Tiefen ärztlichen 
Wissens und ärztlicher Erfahrnng, um Gatachten abzogeben, zu denen sowohl 
der Versicherte wie auch das Gericht, das über dessen Aassprach za befinden 
and za bescheiden hat, Vertraaen hat. Wir legen großes Gewicht daranl, 
daß gerade in Bücksicht aaf diese Tätigkeit die Einnahmen aller beamteten 
Aerzte anvermindert bleiben*. 

Das schwierigste wird sein, für die üebergangszeit Verhältnisse za 
schaffen, die eine Verletzang wohlerworbener Becbte vermeiden. Diese Ueber- 
gangszeit so za gestalten, daß die nicht vollbesoldeten Kreisärzte zofrieden 
mt ihren Einnahmen, anter denselben Voraassetzüngen wie sie den Dienst 
angetreten haben, ihn aach bis za Ende ihres Lebens führen, ist ansere vor¬ 
nehmste Pfiicht. Da meine ich, es ist besser, wir lassen die in der Besoldangs- 
vorlage vorgesehenen Stellenzaiagen fallen and benatzen die Mittel, die 
dadurch frei werden, am hier den entsprechenden Aasgleich za schaffen. Ich 
glaube, es wird auf diesem Wege zu erreichen sein, du Härten, die sich trotz 
der sonst aasgesetzten Mittel and deren Verwendung ergeben konnten, ver¬ 
mieden werden. Bedner bemängelt zam Schloß noch, daß die Ueberschrift des 
Entwurfs die in ihm getroffene Begelong der Gebühren der Chemiker un¬ 
berücksichtigt lasse and daß die Gegenzeichnung des Finanzministers fehle. 

Abg. Bosenow (freie. V.-P.): Alle Parteien des Hauses haben erheb¬ 
liche Bedenken gegen den Entwarf hervorgehoben, bald aal der einen, bald 
auf der anderen Seite, und zwar so schwerwiegende Bedenken, daß man davon 
unter Umständen eine Ablehnung herleiten kann. Zu den vielen Gegnern des 
Entwarfes, die schon genannt sind, den vollbesoldeten Kreisärzten, den nicht 
vollbesoldeten Kreisärzten and den Parteien des Hauses, ist noch der große 
Kreis der nicht beamteten Aerzte hinzozofügen, deren Verhältnisse in § 12 
dieses Gesetzes eine Begelong erfahren haben, die den allergrößten Wider¬ 
sprach der gesamten Aerzteschaft und des Aosschosses der Aerztekammer 
hervorgerafen hat Der Gesetzentwurf bringt als Neues die Kassierung 
der Nebeneinnahmen der vollbesoldeten Kreisärzte, nament¬ 
lich insoweit sich das aal die Tätigkeit vor Gericht bezieht. Es 
will den Kreisärzten und auch ans nicht recht begreifiich erscheinen, warum 
gerade sie als einzige Beamtenkatagorie heraosgegriffen werden, denen diese 
Nebenbezüge für besondere, aaßerhalb des Amtes liegende Tätigkeiten ge¬ 
nommen werden sollen. Der Herr Abgeordnete Dr. Schroeder hat schon 
darauf hingewiesen, daß zahlreiche Kategorien von vollbesoldeten Beamten 
solche Nebenbezüge, die sie an Gebühren für Gutachten bei Gerichten oder 
sonst wo beziehen, für sich behalten, and daß der Staat bisher wenigstens 
nicht aof die Idee gekommen ist, den zahlreichen Beamten der Ban- and 
Eisenbahnverwaltong and auch Medizinalräten, welche gelegentlich Gutachten 
za erstatten haben, diese besonderen Gebühren wieder abzonehmen. Gerade 
nur den Kreisärzten soll das passieren, und das wird als eine besondere Härte 
empfanden. Auch wir müssen sagen, daß wir es auffallend finden, wenn man 
gerade dieser einen Kategorie von Beamten dergleichen zamatet. Ich mache 
auch darauf aufmerksam, daß eine außerordentfich bedenkliche Nebenerscbei- 
nang die sein wird, daß auch die Bechtspflege unter dieser Bestimmang 
leiden kann. Es ist auch schon von einem der Herren Vorredner hier betont 
worden, daß der Kreisarzt sehr leicht geneigt sein wird, solcher schwierigen 
Aufgabe wie der Abgabe von Gatachten vor Gericht dadurch aas dem Wege 
za gehen, daß er — vielleicht mit Becht — sagt: ich bin genugsam 
schäftigt und will das nicht übernehmen. Die Parteien aber haben häufig 
das allerlebhafteste Interesse an der Klarstellung durch die Gutachten der 
Kreisärzte. 

Wie wir schon früher immer aasgeführt haben, wäre es den nicht 
vollbesoldeten Kreis ärzten am liebsten, in vollbesoideteKreis 
ärzte verwandelt zu werden, da für Privatprazis doch keine Zeit übrig bleibt. 
Für die nicht vollbesoldeten Kreisärzte ist im § 11 eine Art der Begelong der 
Pensionsverhältnisse herbeigefübrt, die zwar von Herrn v. d. Os ten sehr 
gerühmt worden ist, aber in den Kreisen der nicht voUbesoideten Kreisärzte 
als außerordentliche Härte empfunden wird. Es ist der Wunsch ausgesprochen 



826 Die erste Berstong des A.bgeordneteahaases über den Oesetzentwnxl, betr. 


— und man sollte diesen Wonseh berflcksiohtigen —, dnfi bei der Pensionie* 
rang eine Oleicbstellang der volibesoldeten and der nicht Tollbesoldeten Aerzte 
nach Maßgabe des Dienstalters erfolgen möchte. 

Na^ der neaen Besoldangsordnaog soll das Anfangsgehalt der 
Tollbesoldeten Kreisärzte herabgesetzt werden; der Tollbesoldete 
Kreisarzt kommt aber etwa im Alter Ton 88'/« in seine Dienststellang. Wenn 
man sein Anfangsgehalt non noch Ton 3600 H. aaf 8000 M. herabsetzt, ihm 
daneben aber auch noch alle Nebenbezüge, die er bisher gehabt hat, nimmt, 
so maß man doch sagen, daß man einem Arzt, der schon eine lange Dienst¬ 
zeit als solcher hinter sich hat, ein so niedriges Gehalt nicht zamaten kann 
(sehr richtig!) and es ist nicht za begreifen, weshalb dieser Abstrich Ton 
dem Anfangsgehalt gemacht werden soll, zamal die Eireisärzte das Höchst¬ 
gehalt Ton 7200 Mark nar in den seltensten Fäden erreichen werden, da es 
erst in 21 Dienstjahren erreicht wird; die Kreisärzte werden alsdann über 
60 Jahre alt sein, also in einem Alter sich befinden, in dem sie bei der schweren 
Arbeit, die sie za leisten haben, darch Bereisen des Kreises osw., ihre Kräfte 
so ziemlich aafgebraacht haben werden, Tielleicht schon früher. Die nicht 
beamteten Aerzte haben bereits früher den Wonach aasgedrückt, es 
möchten ihnen für die Inansprachnahme bei amtlichen Geschäften ue Gebühren 
nicht nach Maßgabe des Gebührentarifs für die beamteten Aerzte, sondern 
nach der Gebtthrenordnang für die Aerzte gezahlt werden. Dieser 
Wonach ist jetzt am so mehr berechtigt, da die Gebührensätze z. B. niedriger 
bemessen sind, weil eine erhebliche Erhöhung des Gehaltsfizams für die Kreis¬ 
ärzte Torgesehen ist. Von dieser Erhöhung des Fizams für die ELreisärzte 
aber haben die in der PriTatprazis stehenden Aerzte nichts; sie haben auch 
nichts Ton der Pensionsberechtigang oder erhalten keine Entschädigang, .wenn 
sie za amtlichen Fanktionon herangezogen and sich bei deren Aasübang irgend 
eine Verlestzang zaziehen. Es ist z. B. in Ostpreußen ein Fall TOrgekommen, 
wo za einer Obdaktion ein nichtbeamteter Arzt zagezogen ist, der sich dabei 
eine BlatTergiftang zagezogen hat and dem es nicht möglich gewesen ist, 
Ton der Königlichen Staatsregierang irgend eine Entschädigang za erhalten. 
Es ist jedenfalls billig, wenn man einem Arzt nach dieser Bichtang ebmmo 
eine Entschädigang gewährt wie dem beamteten Arzt. 

Herr Abgeordneter T. der Osten hat Torhin gemeint, man könne sich 
gegenüber den Aofbesserongen für die Kreisärzte mit den hier and da Tor- 
kommenden Verscblechterangen abfinden, and man müsse auch eine gewisse 
Bücksicbt auf die Finanzlage des Staates nehmen. Wer wollte das letztere 
nicht! Aber ich weiß nicht, warum man bestimmte EUassen Ton Beamten nach 
der Bichtang so besonders auch wieder schlecht stellt; es ist eine große Zahl, 
im Verhältnis za der Anzahl der angestellten Tollbesoldeten Kreisärzte, 
eine sehr große Zahl Ton Fällen ans Torgetragen worden, wo erhebliche Ver¬ 
schlechterung für diese Aerzte eingetreten ist und aach emtreten maß, wenn 
die Fonds, die für die Entschädigang eingestellt werden, auch benutzt werden. 
Aach für die nicht Tollbesoldeten beamteten Aerzte liegt eine große 
Anzahl solcher Fälle Tor. Es wird in der Kommission ja Gelegenheit sein, 
darauf einzagohen; aber ich möchte jetzt schon sagen, daß das Beträge sind, 
die nicht etwa klein sind, sondern eine Schlechtersteiiang am bis über 3000 M. 
gegenüber dem alten Zustande bedeuten. Ich glaube, da wird man für die 
ToUbesoldeten and die nicht Tollbesoldeten Kreisärzte und — wie ich hinzofüge — 
auch für die nicht beamteten Aerzte wohl mit Aufmerksamseit in der Kommission 
arbeiten und ihren berechtigten Wünschen folgen müssen. 

B« Yerhandlangea der TCrstärkten Badgetkommlssion betr. die BeseldoBg 
der Kreisärzte am 24. and 26. Norember d. J. 

a. DieBesoldang der Tollbesoldeten Kreisärzte gelangte in der 
Sitzung am 24. NoTember zar Beratung. Es wurde Ton seiten der Vertreter 
der beiden freisinnigen Parteien (Abgg.Gyssiing undPeltasohn) beantragt: 

1. auch die nicht ToUbesoldeten in diese Eü.a8se zu nehmen, Klasse 
(im Darchschnitt 2700 M.) za streichen, d. h. sie ganz za beseitigen, and 

2. Tom Vertreter der nationalliberalen Partei Abg. Dr. Schröder: Vor- 
setzang der Tollbesoldeten Kreisärzte in Klasse 40 (8^—7200 M.). 

Gegen diese Anträge wurde Ton seiten der Begierang aasgeftthrt, daß 
die Anrechnung der Gebühren der Kreisärzte durch das Kreisantgesetz Ton 188d 



di« Gebtthren der Medisinalbeamteii sowie die Verhandlongen der KommisBioo. 827 

geregelt sei. Eine ToUkommene Beseitigung der nicht roUbesoldeten Kreisärzte 
wQide die Medizinalrerwaltong nicht empfehloD, da in schwach bevölkerten 
Gegenden die Bezirke der Kreisärzte dann za groß werden müßten. Dies würde 
den hygienischen Interessen der BevOlkerang im Wege stehen, für welche ein 
Kreisarzt möglichst leicht erreichbar sein sollte. Die Yollbesoldeten Kreis« 
ärzte würden fast sämtlich- ans den nicht yollbesoldeten entnommen. Die 
Dienstzeit als nicht voUbesoldeter Kreisarzt werde alsdann angerechnet. Die 
yollbesoldeten Kreisärzte sollten mit den Begiernngs« and Medizinalräten 
gleichstehen; sie konnten deshalb nicht noch nebenamtliche Einnahmen haben 
and müßten demzufolge die amtsärztlichen Gebühren an die Staatskasse 
abführen. Es ließe sich also nicht anders konstraieren. Aas der Kommission 
wurde aasgeführt, daß den jetzt amtierenden Kreisärzten ihre Gebühren nicht 
entzogen werden konnten. Ein Begierongskommissar erwiderte, daß die Herab« 
setzang des Besoldangsdienstalters durch Vordatierung aus« 
geglichen werden solle. Die Höhe der Gebühren der yollbesoldeten 
Kreisärzte and der Fahrkosten betrage 22000 bis 23000 M. Die Grenze 
zwischen amtlichen Gebühren und nebenamtlichen sei oft nicht scharf gezogen 
worden. Eine Benachteiligang der amtierenden Kreisärzte solle durch Gewährung 
dieser Differenz ausgeglichen werden. Durchschnittlich k&nen Kreisärzte 
mit 80 Jahren zur Anstellung. Der erste Antrag wurde gegen 5 Stimmen 
abgelehnt, der zweite gegen 9 Stimmen. 

8. In der zwei Tage später folgenden Beratung über die Besoldiuigs« 
yerhältnlsse der nicht yollbesoldeten Kreisärzte hatten die obengenannten Ab« 

G eordneten den Antrag gestellt: „In Klasse 62 die Nr. 5 (nicht yoUbesoldete 
Kreisärzte) und mit dieser Nammer einschließlich der Vermerke eine neue 
Kiasse zu bilden mit dem Gehalt yon 2400—2900 (8), — 3400 (6), — 8800 (9), 
— 4200 (12) M.* Für den Fall der Ablehnung dieses Antrages hatten die beiden 
freisinnigen Abgeordneten yorgeschlagen, das Gehalt festzusetzen auf „2400 
bis 4200, im Darchschnitt 3300 M.“ Ferner war yon allen liberalen Parteien 
gemeinschaftlich beantragt in Klasse B, Nr. 5 folgenden Vermerk aufzanehmen: 
„Bel den nicht yollbesoldeten Kreisärzten auch die sonstigen Einnahmen 
aus der Priyatprazis bis zum Gesamtbeträge von 8100 M. bei der Pen« 
sionierang anzurechnen.“ 

und yon seiten der Vertreter des Zentrums der Antrag gestellt, „yon Klasse 
49—68 ab (also auch für Klasse 62) alle Erhöhungen der Gehälter und alle 
neu yorgeschlagenen Stellenzalagen abzulehnen*^. 

Auch die Gewährung yon Wohnungsgeldzuschuß wurde beantragt. 
Von seiten der Begierang wurde aas grundsätzlichen Bedenken gebeten, 
die Anträge abzalehnen; eine Umwandlung in yoUbesoldete Stellen würde weitere 
Gehaltserhöhungen zur baldigen Folge haben. Es würde ein Mehr an Erhöhung 
eintreten, das die Steigerung aller anderen Kategorien übertreffen würde. Ferner 
wurde von Begiorungsseite bemerkt, daß die Wohnungsgeldzuschüsse für die 
nicht yollbesoldeten Kreisärzte nicht die starke Differenzierung zeigten, wie die 
Nebeneinnahmen aus amtlichen Gebühren; die höchste Einnahme z. B. werde in 
Frankfurt a. M. erzielt, die niedrigste aber in Westpreußen. Die Verschiedenheit 
des Wohnangsgeldzuschusses werde viel treffender durch die Gebühreneinnahmen 
ausgeglichen, außerdem durch Stellenzalagen yon 300 bis 1200 M., welche im 
umgekehrten Verhältnis der Gebühreneinnahme verteilt würden. Priyateinnahmen 
dem pensionsfähigen Diensteinkommen anzurechnen, wäre ein Unikum, da nicht 
einmal alle amtlichen Einnahmen pensionsfähig seien. Weiterhin wurde von 
einem Begierongskommissar darauf hingewiesen, daß die Erhöhung der Bezüge 
der Kreisärzte auf die Kreistierärzte zurückwirken müsse. Die Anrechnung 
des pensionsfäbigen Dienstalters könne so erfolgen, daß ein Teil der Vor- 
bereituogszeit angereebnet werden könne. Der oben erwähnte Eventualantrag 
(2400 bis 4200 M., im Darchschnitt 3800 M.) wurde einstimmig angenommen, 
die übrigen Anträge aber abgelebnt. 

C. Erste Beratung der Kommission des Abgeordnetenhauses 
Ober den Gesetzentwurf betreffend die Gebühren der Medlzinalbeamten am 
24. November und 2. Dezember d. Js. 

Die Kommission hat den Entwurf in erster Lesung durchberaten und 
mit folgenden Abänderungen angenommen: 



828 Die erste Beratung des Abgeoidneleuhauses über den Gesetzentwurf, betr. 

In § 2, Abs. 1 werden die Worte ,ortspolizeiliche Interessen*, deren 
Befriedigung den Gemeinden usw.* ersetzt durch: „ortspolizeiiiche Aufgaben, 
deren ErfUilung uew.* 

Der § 8, durch den der Minister der Medizinalangelegenheiten enniehtigt 
werden soll, den Tarif für die den Kreisärzten zuatehenden Gebühren im Ein* 
Ternehmen mit den sonst beteiligten Ministem festzusetzen und in gleicher 
Weise auch die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen, wurde 
gestrichen und ein neuer § 8 mit folgendem Wortlaut angenommen; 

,Fttr die Gebühren ist der dem Gesetze beigefügte Tarif mafigebend. 

Der Minister der Medizinal-Angelegenheiten kann im EinTeraebmen mit 
den sonst beteiligten Ministem Aendernngen des Tarifs voraehmen. Diese 
Aendernngen sind durch die Gesetzsammlung bckanntzumacben. 

Der abgeänderte Tarif ist dem Landtage, wenn er versammelt ist, sofort, 
andernfalls bei seinem nächsten Zusammentreten vorznlegen. Die Aen- 
derangen sind außer Kraft zu setzen, soweit der Landtag seine Zustimmung 
versagt.“ 

Bei § 6 wurde nach Abs. 1 ein neuer Absatz hinzngefügt, der wie 
folgt lautet: 

„Für die in den §§ 1—8 bezeichneten Geschäfte ist an Tagegeldern und 
Beisekosten der nach § 1 berechnete Anteil, jedoch nicht mehr zu ent¬ 
richten, als wenn zur Ausführung des Ges chäfts eine besondere Beüe unter¬ 
nommen wäre.* 

Im § 12 (Anwendung des Gesetzes auf nicht beamtete 
Aerzte) wurden in Absatz 1 die hier zweimal vorkommenden Worte: .in 
Ermangelung anderweiter Verabredung“ gestrichen, so daß das 
Gesetz auch auf die praktischen Aerzte ohne Einschränkung Anwendung findet, 
wenn sie zu einer der in den §§ 1—8 bezeichneten amts- oder und gerichts¬ 
ärztlichen Verrichtungen amtlich aufgefordert werden. 

Alle übrigen Bestimmungen, auch § 4 (die Abführung aller 
gerichtsärztlichenGebühren seitens der vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzte) u. § 12 (Anrechnung der sonstigen Dienstbezüge auf das 
pensionsfähige Einkommen) wurden angenommen und alle Abändernngs- 
anträge hierzu, die eine Pensionirung der nicht vollbesoldeten Kreisärzte nach 
Maßgabe der vollbesoldeten bezweckten, abgelehnt. In Anrechnung sollen 
2260 M. (1800 M. Gebühren und 460 M. Stellenzulage) kommen. In der zweiten 
Sitzung gelangte auch der Tarif zur Annahme, nachdem er einige Abänderungen 
erfahren hatte, die den Wünschen der Medizinalbeamten wenigstens etwas 
entgegenkommen. So ist die Gebühr für Akteneinsicht (A 1 Nr. 3; 1,50—6 M.) 
auf 1,60—10 M. erhöht und bei Pos. A III Nr. IL und 12 (Befundschein 
und Bef undattest) eine Zusatzbestimmung angenommen, wonach für die 
Untersuchung jetzt auch eine besondere Gebühr berechnet werden kann. 
Ferner ist die (lebühr für die Leichentransportscheine (Pos. B Nr. 6) 
sowie für amtsärztliche Gesundheitszeugnisse (Pos. B. Nr. 16,17,19 auf 
8—6 M. (statt 3 M.) festgesetzt, die Mindestgebühr für Begutachtung von Be¬ 
gräbnisplätzen dagegen von 15 auf 10 M. ermäßigt. Bei Beratung des Tarifs 
kam auch die Unzulänglichkeit der bisher den Kreisärten gewahrten Dienst¬ 
aufwandsentschädigung zur Sprache, die allseitig anerkannt wurde, 
auch von der Staatsregierung, die eine Neuregelung der Entschädigung nach 
Verabschiedung des Gesetzes in Aussicht stelite. 

Die bisherigen Verhandlnngen der erweiterten Bndget- 
kommission des Abgeordnetenhanses über die BesoldnngsTer- 
hältnisse der Kreisärzte sind also, soweit zunächst die voll- 
besoldeten Kreisärzte in Frage kommen, leider nicht den 
berechtigten Wünschen dieser Beamten entsprechend ausgefallen; 
insbesondere ist das Mindestgehalt nicht wieder auf die 
bisherige HOhe von 3600 Mark heranfgesetzt, obwohl dies in der 
Kommission in dankenswerter Weise von dem Abg. Dr. Schröder 
(Cassel) beantragt und auch von anderer Seite darauf hin> 
gewiesen wurde, daß die Kreisärzte verhältnismäßig spät, durch- 



die Qebahren der Medizinalbeamten sowie die Verhandlongen der Kommisdon. 829 

schnittlich im Alter von 38 Jahren, in ihr Amt gelangten, also 
später als die Oberlehrer and Richter. Von einem Begierongs- 
kommissar wurde demgegenüber zwar behauptet, daß das An- 
stellungsalter der Kreisärzte nur SO Jahre betrage; so junge Kreis¬ 
ärzte sind aber recht seltene weiße Raben, gerade wie der 
früher und auch jetzt wieder als Beispiel vorgetührte Kreisarzt 
in Frankfurt a. Jlf. mit seinen fürstlichen Gebühreneinnahmen. Nach 
der von uns in diesem Jahre auf Grund absolut einwandfreien 
Materials — d. h. auf Grund der durch Umfrage festgestellten 
Geburts- und Anstellungsdaten — aasgearbeiteten Statistik waren 
von den am 1. Dezember 1907 im Dienste befindlichen 567 Kreis¬ 
ärzten nur 5,64 o/o im Alter von 25—30 Jahren zum Kreisarzt 
oder Gerichtsarzt ernannt, 30,51 o/o dagegen waren bei ihrer 
Anstellung über SO—35 Jahre und 63,85 o/o, also fast zwei Drittel 
über 35 Jahre alt; das Durchschnittsalter bei ihrer Ernennung 
betrag 37,85 oder rund 38 Jahre. Etwas gemildert ist aller¬ 
dings die Ablehnung jenes Antrages durch die vom Regierungs¬ 
tisch abgegebene Erklärung, daß ein Teil der Vorher ei tun gs- 
zeit — also nicht nur der Anstellaogszeit als Kreisassistenzarzt 
— auf das Besoldungsdienstalter angerechnet werden solle. 
Wenn dies demnächst tatsächlich geschieht, dann würde die durch 
die Herabsetzung des Mindestgehaltes für die vollbesoldeten 
Kreisäi'zte bedingte Einbuße einigermaßen wieder ausgeglichen 
werden. Außerdem würde ihnen diese Anrechnung eines Teils 
der Vorbereitnngszeit ebenso wie den nicht vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzten später bei Berechnung des bei der Pensionierung zugrunde 
zu legenden Diensteinkommens ebenfalls zugute kommen. 

Noch ungünstiger hat sich für die vollbesoldeten Kreisärzte 
der Verlauf der Kommissionsverhandlungen Über den Gesetz¬ 
entwarf, betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten 
gestaltet; denn trotz lebhaften Widerspruchs, namentlich von 
liberaler Seite, gegen die im § 4 dieses Gesetzes getroffene 
Ausdehnung des Begriffs „abführungspf lichtige Gebühren* 
auch auf alle Gebühren für amtliche Verrichtungen vor den 
ordentlichen Geiichten, Schiedsgerichten für Arbeiterversicherung 
usw. ist der betreffende Paragraph angenommen. Es würde 
sehr bedauerlich sein, wenn die Kommission und später das 
Plenum diesen Beschluß aufrecht erhalten würde, und zwar 
nicht nur mit Rücksicht auf die schwere finanzielle Schädigung 
und ungleiche Behandlung, die dadurch die vollbesoldeten &eis- 
ärzte gegenüber anderen vollbesoldeten Beamten erfahren, denen 
derartige Gebühren nach wie vor in die eigene Tasche fließen, 
sondern noch vielmehr im Interesse der Rechtspflege, wie 
wir dies bereits früher betont haben, und wie dies auch bei der 
ersten Beratung des Gebührengesetzes von den Abgeordneten 
V. Woyna, Dr. Schröder und Rosenow in vortrefflicher 
Weise hervorgehoben ist. Mit Recht wies der Abg. Dr. Schröder 
darauf hin, dass es ungerecht und unpraktisch sei, den voll¬ 
besoldeten Kreisärzten zuzumuten, die Gebühren, die ihnen für 
eine besondere Tätigkeit als Sachverständige bezahlt werden, 



830 Die erste Beratung des Abgeordnetenhauses ttber den Gesetzentwurf, betr. 


an den Staat abznliefern, dass sie also fflr eine grosse körper* 
liehe und geistige Anstrengang, die ihnen die Abgabe solcher Gut¬ 
achten vemrsache, keine Entschädigung bekommen sollen. Das 
würde in Wahrheit ein „travailler pour le roi de Prusse“ 
sein! Nicht minder wurde seites des Abg. v. Woyna die Notwen¬ 
digkeit betont, den Kreisärzten diese Gebühren zu belassen, da ihre 
Tätigkeit als Vertrauensärzte in Unfall-, Invaliden- und in Alters- 
versorgungssachen, sowie vor den Schiedsgerichten für die 
Arbeiterversichernng gar nicht zu entbehren sei. Und wohin 
würde schliesslich die Bestimmung führen? Trotz des grossen 
Pflichtbewusstseins der betreffenden Beamten würde man es ihnen 
nicht verdenken können, wenn sie, wie die Abgeordneten Dr. 
Schröder und Bosenow sehr richtig bemerkten, leichter geneigt 
sein würden, der Abgabe von schwierigen Gutachten, deren Er¬ 
stattung von ihnen eine besondere Mehrleistung erfordert, künf¬ 
tighin aus dem Wege zu gehen oder ihre Ausarbeitung auf ihre 
Dienststnnden zu beschränken. Die dadurch für die Bechtspflege 
zu erwartenden Mißstände würden schließlich zur Anstellung von 
besonderen Gerichtsärzten und damit zu weit höheren Kosten führen, 
als die dem Staat durch Abführung der gerichtsärztlichen Gebühren 
erwachsenden Einnahmen betragen. Wenn man sich aber partout 
nicht dazu entschließen kann, es bei dem bisherigen System zu 
belassen, dann sollte man den § 4 wenigstens dahin abändern, 
„daß die vollbesoldeten Kreisärzte nur die ihnen nach dem § 2 
zustehenden Gebühren an die Staatskasse abzuführen und keinen 
Anspruch auf Gebühren als gerichtliche Sachverständige (§ 8) 
haben, wenn die Kosten des gerichtlichen Verfahrens der Staats¬ 
kasse zur Last fallen.“ Diese abgeändeite Fassung würde auch 
dem im § 1 des Gesetzentwurfes niedergelegten Grundsätze ent¬ 
sprechen und anderseits den Kreisärzten hauptsächlich nur den 
Verlust der gerichtsärztlichen Gebühren in Strafsachen bringen, 
die der Staat bei Freisprechung oder wegen Unvermögens der 
verurteilten Personen zu tragen hat, während ihnen alle übrigen 
gerichtsärztlichen Gebühren, namentlich im Zivilprozeßverfahren, 
sowie für ihre Tätigkeit vor den Schiedsgerichten für Arbeiter¬ 
versichernng, Gewerbegerichten usw. verbleiben würden. Aber 
wie gesagt, wir hoffen noch immer, daß § 4 schließlich in der 
von uns vorgeschlagenen Fassung Annahme findet, wonach nur 
die Gebühren für solche amtlichen Verrichtungen an die Staats¬ 
kasse abzuführen sind, die zur ausschließlichen und alleini¬ 
gen Zuständigkeit des Kreisarztes gehören. 

Günstiger als die vollbesoldeten &eisärzte haben bei der 
Gehaltsbemessung die nicht vollbesoldeten Kreisärzte 
abgesebuitten. Der Antrag, alle nicht vollbesoldeten Kreisarzt¬ 
steilen in vollbesoldete zu verwandeln, wurde allerdings abgelebnt, 
dagegen ist das Mindest-, Höchst- und Dnrchschnitts- 
gehalt um 600 M., also auf 2400—4200, durchschnittlich 3800 
Mark, erhöht. Wenn dieser Beschluß der Kommission auch 
den Wünschen der beteiligten Beamten nicht völlig entspricht, 
so wird er von ihnen gleichwohl freudig begrüßt werden. Die 



4ie Gebttbren der MediadDalbeunten sowie die VerbandliiDgea der Kommission. 881 


Haoptsache ist nar, daß er auch wirklich aufrecht erhalten und 
nicht wieder ganz oder zum Teil rückgängig gemacht wird. Jeden¬ 
falls hat bis jetzt die Begierung noch nicht ihre Zustimmnng dazu 
gegeben und gegen die beschlossene Erhöhung die Bttckwirkung 
auf die Ereistierärzte geltend gemacht. Wenn man aber die 
nicht Tollbesoldeten Kreisärzte mit einer anderen Beamtenkategorie 
in bezug auf den ihnen zu gewährenden Gehalt vergleichen will, 
dann kommen unseres Erachtens nicht die Kreistierärzte, sondern 
die mit den Kreisärzten in gleichem Bange stehenden, ebenfislls 
nicht Tollbesoldeten außerordentlichen Uuiversitäts - Professoren in 
Betracht. Für diese hat die Budgetkommission das Gehalt auf 
2600—4800 Mark festgesetzt und gleichzeitig Gehaltsstufen 
eingeführt, während sie leider einen Antrag, der solche auch för 
die nicht Tollbesoldeten Kreisärzte versehen wollte, abgelehnt hat. 
Hoffentlich ist in dieser Hinsicht noch nicht das letzte Wort ge¬ 
sprochen; denn es liegt doch kein greifbarer Grund vor, diesen, 
nicht einmal mit erheblichen Kosten verknüpften Wunsch jener 
Beamten unerfüllt zu lassen. Ebenso hat ein .^trag, ihnen 
Wohnungsgeldzuschnß zu gewähren, nicht die Zustimmung 
der Bndgetkommission gefunden; dagegen wurde in der Gebühren¬ 
gesetz-Kommission die Unzulänglichkeit der bisherigen Dienst- 
aufwandsentschädigung und die Notwendigkeit ihrer Er¬ 
höhung allseitig, auch von den Vertretern der Staatsregiernng, an¬ 
erkannt, und von diesen eine Neuregelung dieser Angelegen' 
heit zugesagt, sobald das Gebührengesetz verabschiedet sei. Da 
die erforderlichen Unterlagen dafür durch Umfrage schon seit 
längerer Zeit beschafft sind, darf wohl erwartet werden, daß diese 
Neuregelung bereits durch den nächsten Etat erfolgt. 

Eine sehr lebhafte Erörterung hat in beiden Kommissionen 
über die Pensionsberechtigung der nicht vollbesoldeten 
Kreisärzte stattgefunden; bedauerlicherweise sind jedoch alle 
Anträge, diese derjenigen der vollbesoldeten gleich zu gestalten, 
abgelehnt. Wenn regierungsseitig gegenüber dem Anti'sge der 
liberalen Parteien: ,Bei den nicht vollbesoldeten Kreisärzten auch 
die Einnahmen ans der Privatprazis bis zum Gesamtbeträge 
von 8100 Mark bei der Pensionierung anznrechnen“, erklärt 
wurde, daß die Anrechnung von Privateinnahmen zum Dienst¬ 
einkommen ein Unikum darstelle, so ist dies allerdings zutreffend. 
Ein weit größeres Unikum ist es aber, daß Beamte, die durch 
ihre amtliche Beschäftigung voll in Anspruch genommen werden, 
nur halbe Staatsbesoldung erhalten und betreffs ihres sonstigen 
Lebensunterhaltes auf Nebeneinnahmen aus der Privatprazis 
angewiesen sind, die sie jedoch wegen der Fülle der ihnen ob¬ 
liegenden Dienstgeschäfte weder treiben, noch treiben können. 
Und ein nicht minder großes Unikum ist es, daß diese Anomalie 
zwar als Mißstand und dringend der Abhilfe bedürftig von den 
maßgebenden Faktoren anerkannt wird, daß aber zu ihrer Be¬ 
seitigung immer wieder zu halben Maßregeln gegriffen wird, 
anstatt endlich einmal gründlich damit aufzuräumen. Bei den 
nicht vollbesoldeten Kreisärzten handelt es sich eben nicht bloß 



832 Di« erate Beralang des Abgeordnetaih*ases Aber den GesetzeatwnrI, betr. 


wie bei allen übrigen Beamten um eine in den Bahmen einer all¬ 
gemeinen Besoldnngsordnnng passende DiensteinkommensTerbesse- 
rang, sondern nm eine ihrer amtlichen Tätigkeit ent¬ 
sprechende Neuregelung aller ihrer Dienstbezfige ein¬ 
schließlich ihrer Pensions- und Dienstaltersyerhältnisse. 
Daß sich eine solche als notwendig erweisen wurde, ist schon im 
Jahre 1901 bei den Beratungen des Landtages über die Aasfährung 
des Ereisarztgesetzes von verschiedenen Seiten vorausgesagt und 
durch den Beschluß zum Ausdruck gekommen: daß die Frage, ob 
die festgesetzten und sonstigen Bezüge der Kreisärzte zweckmäßig 
geregelt seien, erneut zu prüfen sei. Von keiner Seite wird be¬ 
stritten, daß sich im Laufe der Jahre die damaligen Voraussetzungen 
für die Festsetzung des Gehalts der nicht vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzte als völlig irrtümlich herausgestellt haben; warum zieht man 
nun nicht die logische Konsequenz und nimmt eine den Verhältnissen 
Rechnung tragende Neuregelung vor, anstatt sich mit einer geringen 
Gehaltsaufbesserung zu begnügen, die doch nur einen Tropfen 
auf den heißen Stein bedeutet und die vorhandenen Mißstände 
keineswegs beseitigt? Wer allerdings, wie der Abg. v. d. Osten, 
auch jetzt noch der Ansicht ist, daß der Schwerpunkt der wirt¬ 
schaftlichen Existenz der nicht vollbesoldeten Kreisärzte nicht in 
dem Staatsgehalt, in der Staatsvergütung, sondern in der ärztlichen 
Privatpraxis liegt, der wird eine solche Neuregelung für überflüssig 
halten; daß es aber auch konservative Abgeordnete gibt, die diese 
Ansicht nicht teilen, haben die diesjährigen Verhandlungen über den 
Medizinaletat gezeigt, wo der Abg. v. Voß mit warmen Worten 
die Notwendigkeit einer schnelleren Umwandlung der nicht voll¬ 
besoldeten Kreisarztstellen in vollbesoldete befürwortet hat. Jene 
Ansicht steht ausserdem im Widerspruch mit dem früheren Stand¬ 
punkt der konservativen Partei, den der Abg. Winkler bei Be¬ 
ratung des Kreisarztgesetzes mit den Worten zum Ausdruck 
brachte: »Wir wollen die Stellung dieser Beamten in 
dem Sinne, daß das Amt die Hauptsache ist und die 
Privatpraxis die Nebensache.'^ Diesem Grundsätze haben 
die Kreisärzte, auch die nicht vollbesoldeten, in vollem Umfange 
Rechnung getragen; mit Arbeitsfrendigkeit und Pflichttreue sind 
sie ihren schweren und verantwortungsvollen Aufgaben gerecht 
geworden, auch hat es ihnen nicht an Anerkennung gefehlt. Aber 
jetzt, wo es gilt, die Rechnung zu begleichen, sie für den Verlust 
in ili^er ärztlichen Praxis zu entschädigen, der lediglich durch 
ihre ausserordentlich vermehrte Amtstätigkeit herbeigeführt ist, da 
sollen sie mit einer Gehaltsaufbesserung abgefunden werden, die 
vielen nicht einmal das im Jahre 1901 zngedachte Durchschnittsein¬ 
kommen (2700 4- 2000 Mark Gebühren) sichert. Wenn der Landtag 
die Besoldungsverhältoisse der nicht vollbesoldeten Kreisärzte von 
diesem Gesichtspunkte aus einer genauen Prüfung unterzieht, dann 
wird hoffentlich das Ergebnis seiner Beschlüsse mehr den Wünschen 
dieser Beamten in bezug auf Gehalt, Gewährung von Woh- 
nnngsgeldzuschnss und Gleichstellung bei der Pen¬ 
sionierung mit den vollbesoldeten Kreisärzten mehr entsprechen, 
als dies bisher der Fall gewesen istl 



die Gebflhren der Hedizinelbeamtea sowie Yerhuidliiogen der Eommission 888 

Was die fibriEen Beschlflsse der Kommission zur Vorberatang 
des Giebfibrengesetzes anlangt, so betreffen diese, abge¬ 
sehen von einer stilistischen Verbessernng im § 2 Abs. 1 haupt¬ 
sächlich einen nicht ins Gewicht fallenden Zusatz zu § 6 Abs. 1 
und vor allem den Ersatz des § 8 durch eine vOlllg neue Fassung, 
wonach der Tarif vom Abgeordnetenhanse festgesetzt wird, und 
dem Minister nur das Recht verbleibt, Aenderungen des Tarifs 
Yorznnehmen, die aber später dem Landtage zur Genehmigung 
vorznlegen sind. Die Eommission ist demzufolge auch sofoi t in 
die Beratung des Tarifs eingetreten und hat diesen bis auf einige 
nicht erhebliche Aenderungen, die sich als Verbesserungen dar¬ 
stellen, bis auf eine Ausnahme eine geringe Erhöhung ein¬ 
zelner Gebührensätze (A I Nr. 3 und A III Nr. 11 u. 12) be¬ 
dingen und bei B Nr. 6 (Leichentransportscheine), 16, 17 und 19 
(Gesundheitszeugnisse nsw.') nicht blos einen Mindest-, sondern 
auch einen Höchstsatz (3—6 Mark) vorsehen. So dankenswert 
diese Verbesserungen auch sind, so werden sie doch keinesfalls 
ausreichen, um den Einnahmeansfall der Kreisärzte infolge des 
Tarifs zu decken; um so mehr ist es notwendig, daß wenigstens 
die von der Bndgetkommission vorgeschlagene Gehalts Verbesserung 
für die nicht vollbesoldeten Kreisärzte aufrecht gehalten wird 
und nicht wieder zu einer Ermässignng führt, wie das von kon¬ 
servativer Seite vorgeschlagen werden soll. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oerlohtllohe Medlsiii. 

Znm gertchtUclieB Naehwels des Teroaal (a. d. UnlTonltäfslabora- 
torlnni fftr nodlzinlMhe Chemie ia Wien). Von Theodor Fans er. Viertel- 
jabreschiilt fttr gerichtl. Medizin nsw; 1908 , 8. F., XXXVI. Bd., 2. H., S. 811 
bis 820. 

Das Veronal ist mittels des Stas-Ottoschen Verfahrens in ürin and 
Leichenteilen nachznweisen. Es findet sich ziemlich TollstSndig in der 
I. Fraktion (dem Aetherextrakt der anges&nerten Flttssigkeit), ans der es durch 
Umkristallisieren aas heißer wässeriger Lösung leicht rein za gewinnen ist. 
Da sich bei Vergiftnngsfällen stets größere Mengen Veronal im Körper finden, 
lassen sich an den Kristallen die charakteristischen Prttfongen and event. eine 
Elementaranalyse anstellen. Der sichere Nachweis gelang bei 0,05 g Veronal 
aaf 500 g Leichenteile, durch einige Reaktionen noch bei 0,01 g Veronal 
auf dieselbe Menge. Günstig für den Nachweis ist, daß Veronal anverändert 
im Ham aasgesebieden wird; der Fäalnis widersteht es aber nicht lange. 

Dr. P. Fraenekel-Berlin. 


Verfahren zur Bestimmung des Alters von Blatspnren. Von A. 
Lecha-Marzo. Archivos de Psiqaiatila y Criminologia (Buenos Aires); 
H. 7, p. 496-502, 1908. 

Die Schwierigkeiten, das Alter einer Blatspnr za ermitteln, hatte 
Tjomellini dadurch za vermindern gesacht, daß er eine Farbenskala anlegte; 
es hat sich jedoch ergeben, daß damit keine sicheren Besoltate erlangt werden 
können. Verfasser baut nan diese Methode weiter aas, indem er die Farben¬ 
skala nnr dazu benutzt, die hervorstechendste Farbennnance einer Blutspur 
genaa fcstzalegen. Dann macht er mit frischem Blut aus seiner Fingeibeere 



834 Kloaere IDttefliBgra nad Beferato am Zcitackriftm. 

aal demielbea Material (Lebwaad, Papier etc.), woraof der ra eatritselBde 
Pieck gefandea war, ^ea mSglichst gleichgrofim Blatileck, dea er aoa natar 
dieeelben Bedingungea der Beienchtang, Erwärmoag oad Laftang briagt, wie 
sie fflr den za ermittelnden Fleck anzanehmea oder za beobachten waren. Der 
sorgfältige Vergleich, wann non geoaa die yorgemerkte Noance erreicht iat, 
ergiebt, wie alt der Fleck bei der Aaffindaag war. Verfasser will die Methode 
in zahlreichen Fällen bewährt gefandea haben, gibt allerdings nach Fehler- 
qaellen za, die z. B. in der möglicherweise ganz rerschiedenea Verteilang der 
Tages- and Nachtstanden aal den arspttnglichen and dea experimentellea 
Fleck liegen. Dr. Speiser-Sierakowitz. 


Qewlnaang speziflsehea latlsemnu flr den fereastschea Blotaaehwels 
darek Terweadoag rea Leieheablat. Von 0. Modi ca. Archiyio di Far- 
macologia sperimentale e Scienze affinL VoL VI, Fasz. V and Oazetta degli 
Ospedaii e delle Cliniche; 1907, Nr. 28. 

Die Methode Löfflers getrocknetes Leichenblat eine halbe Sloade 
aaf 15 Orad za erhitzen, erwies sich als anzweckmäßig, da die Eiweißetoffe 
des Serams ihre Löslichkeit yerlieren. 

Modica erreicht die Sterilisierung des Leichenblates dorch HinzafOgoi 
Ton 5 Gewichtsteilen Glyzerin za dem getrockneten and polyerisierten Senun 
nach 48 ständiger Einwirkong einer Temperatar von 37 Grad. Die Einspritzoag 
der sterilisierten Mischung, weiche haltbar ist and die Tiere nicht tötet, liefert 
schon nach Verwendang yon nar 2 Gramm des trocknen Blates ein ^t pri- 
zipitiereades Serum. Dr. Beyenstorf-Hamborg. 


Die Blatadera des Handrückens als Identltätsmerkmal. Von Professor 
Arrigo Tamassia. Direktor des gerichtlich-medizinischen Institats der 
Uniyersität Padua. Gazetta degli Ospedaii e delle Cliniche; 1908, Nr. 92. 

Tamassia, der mehrere Taosend Hände ontersachte, flberzeagte sich, 
daß der Verlauf der dorsalen Handyenen ein charakteristisches indiyidaelles 
Merkmal yon anendlicher Vielgestaltigkeit darstellt, das während des ganzen 
Lebens in seiner Linie unyeränderlich and anzerstörbar ist. Das Venengeflecht 
der rechten and linken Hand ist yerschieden. Das Liniensystem scheint nicht 
yererbt za werden. 

Zar Identifizierong yon Personen teilt Tamissia, je nach dem Verlanfe 
der Haaptstämme, die Linienbildangen der Blatadem b 6 Groppen mn. Er 
ontcrscheidet: 

1. Arkadenbildang, charakterisiert durch eb großes Gefäß, das 
nahe dem Handgelenk bogenförmig yerläaft; 2. baamförmige Verästelung 
— 2 bis 4 median gelegene Hauptadern konyergieren gegen das Handgelenk, 
wo sie sich yereinigen, noubdem sie noch andere klebe Gefäße aufgenonunen 
haben; — 3. Netzbildang; 4. V-Bildung, 5. Bildang ebes doppelten Y. Die 
6. Groppe amfaßt alle übrigen Formen. 

Das Venenbild wird am besten durch die photographbehe Platte fixiert. 
Die Blatadem treten sehr deutlich heryor, wenn man den Arm ebige Mboten 
hängen läßt and eine elastische Binde um den Oberarm legt. Bd geeigneter 
Beleachtang werden auch die feinsten Verzweigangen im Bilde sichtbar. In den 
seltenen Fällen, in denen das Untersacbongsverfahren wegen Oedem des Hand- 
drttckens, Haaterkrankang oder Dicke des Fettpolsters nicht möglich bt, nimmt 
man seine Zaflocht za einer der anderen Identifizierangsmethoden. Die gldche 
Unyollkommenheit haftet beispiesweise auch der Daktyloskopie an, die anan¬ 
wendbar wird, wenn die Papillarlbien beider Hände durch ausgedehnte Hant- 
yerbrennung zerstört sind. 

Unzweifelhaft yerdient die Anregung Tamassias Beachtang, zamal 
der Aator selbst für seine Methode nicht mehr erwartet, ab daß sie in die 
Beihe der sicheren Identifizierangsmethoden aafgenommen wird and daß sie 
dieselben in geeigneten Fällen ergänzt. 

Dr. Beyenstorf-Hamborg. 



Kleinere Hittellnngen und Referate ans Zeitschriften. 


886 


Ein vngewShnlteher SelbstmordTersnelu Von East G. R., Assistent 
medical officer. Britisch Medical Journal; 1908, 16. Angnst. 

Ein an Melancholie leidender, 56 jähriger, dem Tranke ergebener Mann, 
der am Halse eine yon einem Irtiberen Selbstmordyersncbe herrhhrende Narbe 
(Basiermesserscbnitt) trag, hatte sich den Mand mit Schießpalyer gefttllt und 
den Sprengstoff dann angezttndet. Rapide Schwellang der Glottis and drohende 
Asphyxie machten die sofortige Tracheotomie nOtig. Tod noch 86 Standen. 
Die Schleimhaat des Mondes, des Gaumens und des Rachens flächenhaft 
nlzeriert. Starke Scbwellang der Schleimhaat an beiden Seiten der Epiglottis. 
Rote Hepatisation beider Lnngenflflgel. Dr. Reyenstorf-Hambnrg. 


Tod dnreh Erwürgen oder gewaltsames Anfhssen des Halses« Von 
Dr. F. Strassmann. Vierteljahrssehrift fflr gerichtliche Medizin nsw.; 1908, 
8. P., XXXVI. Bd., 8. 282-294. 

Die Frage, ob einmaliges gewaltsames Anfassen des Halses, ohne Ab¬ 
sicht za töten oder za erwürgen, dennoch den sofortigen Tod eines Menschen 
bewirken kann, maß getrennt behandelt werden yon den über die Möglichkeit 
eines reflektorischen Hemmangstodes darch Elrregong der Halsneryen, die bi 
Analogie mit bekannten Tierexperimenten steht. Die beiden Dinge sind bisher 
stets yermengt worden. Non zeigt sich, daß flberzengende Fälle der gedachten 
ersteren Art äußerst selten sind. Einen neuen Beitrag bildet eine interessante 
Beobachtang des Verfassers. Im Januar 1891 wurde eine Prostitoierte in 
in ihrem Bett unter yerdächtigen ünutänden tot auf gefunden. Auf Grund des 
Obduktionsbefundes (neben zahlreichen Blataustretungen an yerschiedenen 
Organen und anderen Erstickungszeichen eine Fraktur des linken oberen Schild¬ 
knorpelfortsatzes und Blutungen im umgebenden Gewebe, ferner geringfügige 
Rötungen der Halshaut an beiden Seiten, dicht unter dem Unterkiefer) wurde 
begutachtet, daß der Tod durch Erstickung ebgetreten sei, daß die einzige 
befriedigende Erklärung in der Annahme einer Erwürgung — und zwar yer- 
mutlich mit der linken Hand — gefunden ist, zu der wahrscheinlich unter¬ 
stützend ein Verschluß yon Mand und Nase durch ein auf dem Gesiebt 
gefundenes Eissen getreten seL Ein Verdächtiger wurde wegen Mangels hin¬ 
reichender Momente anßer Verfolgung gesetzt. Nach über 18 Jahren hat 
sich nun dieser Mann selbst gestellt, mit folgendem Geständnis: Er habe 
während des Geschlechtsaktes mit der Frau bemerkt, daß sie ihm sein Porte¬ 
monnaie ans der Tasche zog, ihr dies mit seiner rechten Hand entrissen, sie 
mit der linken am Hals gepackt und ordentlich geschüttelt, um ihr einen 
Denkzettel zu geben. Sie sei, als er sie los ließ, amgefallen, Schaum sd ito 
Tor den Mund getreten. Die Absicht, zu töten, habe er nicht gehabt, er habe 
auch nicht an ihren Tod geslaubt, da er nicht sehr gedrückt habe. Dos 
Kissen sei nicht yon ihm aufgelegt worden. Mit dem Staatsanwalt nimmt 
Strassmann aus faktischen und psychologischen Gründen an, daß die stets 
gleich gebliebene Schilderung den Tatsachen entspreche. Da der Fall bis in 
Einzelheiten mit einer Broaardelschen Beobachtang übereinstimmt, hat man 
jedenfalls mit der Möglichkeit zu rechnen, daß schon yerhältnismäßig 
kürzere Angriffe gegen den Hals den schnellen Tod herbei¬ 
führen können. Die physiologische Erklärung dieser Todesfälle steht aber 
noch aus; den einschlägigen Fällen ist gemein eine kurze Luftabsperrung yer- 
bunden mit Erregung der Halsneryen. Ob diese Wirkung an eine bestimmte 
Disposition gebunden ist, bleibt noch zu prüfen. 

_ Dr. P. Fraenckel-Berlin. 

Zur Lehre yon den Brüchen des Sehüdeldaehes« Von Dr. Hugo Marz, 
Gerichtsarzt des Kreises Teitow, und Earl Marx, Regierungsbaumeister. 
Vierteljahrssehrift für gerichtL Medidn nsw.; 8. F., XXXVL Bd., 2. H., 1908, 
Seite 296-810. 

Theoretische Ausführungen zur Mechanik der Lochbrücbe des Schädels, 
fflr die die bisherigen Erklärungen verworfen werden und eine neue gegeben 
wird. Das Nähere ist im Original zu ersehen. 

Dr. P. Fraenckel-Berlin. 



836 


Kleinere Mitteilnngen nnd Referate aus Zeitschriften. 


Ueber Indirekte Orbltnldnebfmktar ud gesehMsnrtIge Wirkug eines 
Knoehensplltters im Cieblrn. Von Prof. Dr. Bernb. Fischer, Prosektor in 
Köln. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 41. 

Verfasser yerbreitet sich zuerst in längeren Ausfährangen Ober die Ent¬ 
stehung der indirekten Frakturen der Schädelbasis bezw. des Orbitaldachea 
und berichtet dann Ober den interessanten Fall einer indirekten Orbitaldach- 
fraktur, welche sich ein 15jähriger Gymnasiast durch Sturz beim Badfahren 
zngezogen hatte und dessen Tod herbeifOhrte. 

Die Obduktion ergab folgenden interessanten Befund: Chit genährte 
Leiche. Die Umgebung des rechten Auges ist stark geschwollen, schwarzrot, 
blutunterlaufen. Die Conjunctiya des rechten Auges zeigt au der unteren 
Seite eine kleine Quetschwunde, die jedoch nicht in die Tiefe führt. Die Ge¬ 
webe der Orbita zeigen keine Verletzungen. Schädeldach yon mittlerer GrOfie 
und Schwere, keinerlei Sprünge oder ähnliches. Dura wenig gespannt, durch¬ 
scheinend. Auf der Durainnenfläche rechts yorn einige Tropfen flüssigen Blutes, 
im übrigen ist dieselbe blank und feucht. Bei der Herausnahme des Gehirns 
zeigt sich im rechten Orbitaldach ein 2 :1 cm großer, scharfrandiger, zackiger 
Defekt, in dessen Bereich die Dura fetzig zerrissen ist. Das Orbitalfettgewabe 
füllt den Defekt aus und ist pilzartig nach der Schädelhohle zu yorgequollen. 
Die Schädelbasis zeigt im übrigen nirgends die geringsten Sprünge oder Brüche; 
auch yon dem erwähnten Defekt des Orbitaldaches gehen nirgends Fissuren 
aus. Die Knochen im Bereich der Weichteilschwellnng des rechten Auges 
sind überall yOilig unyerletzt. 

Das Gehirn zeigt an der Unterseite des rechten Stimlappens eine reich¬ 
lich zehnpfenniggroße Oeffnnng, aus der breiig zerquetschte Gehimmasse und 
Blut heryorquellen. Die Bänder dieser Oeffnnng sind stark zerfetzt. Von 
hieraus führt nun ein Gang, der yollständig einem Schußkanal gleicht, in den 
rechten und linken SeitenyentrikeL Die Qehirnsubstanz in der Umgebung des 
Ganges ist breiig zerquetscht, durchblutet, ebenso der angrenzende Boden der 
Seitenyentrikel. Links ist fast das ganze Corpus Striatum yom Thalamns 
opticus durch einen ziemlich glatten Biß abgetrennt In diesem Biss liegt 
frei eine dünne Knochenplatte, welche yollständig in den oben beschriebenen 
Defekt des rechten Orbitaldaches hineinpaßt. In den Gehirnyentrikeln ist 
reichlich flüssiges Blut. Die übrige Sektion ergibt nichts Bemerkenswertes. 
Wir sehen also nach einem schweren Sturz mit dem Bade eine hOchst merk¬ 
würdige Verletzung. Außer der Weichteiiquetschung am rechten Auge flndeo 
sich keinerlei Verletzungen, insbesondere keine Schädelfraktur, nur ein Stück 
des rechten Orbitaldaches ist ausgesprengt und hat ganz wie ein Geschoß das 
Hirn zertrümmert. Die Verletzung an und für sich wäre yerhältnismißig 
gering gewesen; der Tod ist einzig nnd allein durch die Dislokation des 
Knochensplitters durch seine geschoßartige Wirkung eingetreten. 

Die Orbitalfraktur war höchstwahrscheinlich eine indirekte, heyorgerufen 
durch eine plötzliche starke Drucksteigerung innerhalb der Orbita selbst. 
Zweifellos ist der Verletzte auf das rechte Auge gestürzt. Der Gegenstand, 
auf den er fiel, paßte so genau auf die Oeffnnng nnd die Bänder der Augen¬ 
höhle, daß die Weichteile nach keiner Seite answeicben konnten. Der durch 
die sehr heftige Gewalt auf diese Weise bewirkte enorme Druck in der Augen¬ 
höhle mußte dieselbe sprengen, nnd so wurde die dünnste Wandstelle, das 
Orbitaldach, herausgeschlendert und mit furchtbarer Gewalt in das Gehirn 
getrieben. Genau so wie beim Einschlagen eines Pfropfens in eine gefüllte 
Weinflasche der Boden der Flasche herausgeschlagen werden kann, ebenso trieb 
hier die Gewalteinwirknng auf den Inhalt der Augenhöhle das Orbitaldach in 
das Gehirn hinein. _ Dr. Waibel-Kempten. 


Ueber die Unterscheidung der spontanen nnd gewaltsamen Zerreissnng 
yergrSsserter Milzen. Von J. Cantlie. The Journal of tropical Medisine 
and Hygiene; 1908, Nr. 13. 

Cantlie erwähnt zwei Fälle, in denen der Umstand, daß die zur Ver¬ 
blutung führende Verletzung der Milz sich auf der Innenseite nahe dem Hilus 
fand, seitens des Gerichts für ausreichend angesehen wurde, eine Spontanmptur 
dieses Organs anzunehmen. Die Angekla^en wurden ireigesprochen. Dem¬ 
gegenüber stellt Verfasser fest, daß unter 6 in Hongkong daraufhin untersuchten 



deinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


887 


4 ' 




fv'u 
















Fällen von Tod durch Milzmptar, die dnrch Fall, Schlag oder FoBtritt erzengt 
war, der Kapselrifi in keinem Falle, dem Orte des Angriffs der äußeren 
Oewalteinwirkung entsprechend, auf der conrezen Außenseite der Milz gefunden 
wurde, vielmehr stets auf der Innenseite nahe dem Hilns. In allen Fällen 
war die Milz beträchtlich vergrößert. Dr. Bevenatorf'Hamburg. 


Die Eklampsie der Schwangeren nnd ClebSrenden in gerlehtsänt* 
lieber Beziehnng, mit Terwertnng eines elnsohlflglgen Falles. Von 
Dr. Schröder, Stadtarzt in Altona. Vierteljahrsschrift fdr gerichtliche 
Medizin usw.; 1908, 3. P., XXXVI. Bd., 2. fl., S 271—281. 

Bei Schwangeren oder Gebärenden, die in der einem eklamptiscben An¬ 
fall kurz voraufgegangenen Zeit eine strafbare Handlang begangen haben, ist 
man berechtigt, eine Ausschließung der freien Wülensbestimmung anzunehmen. 
Die ganze Aehnlicbkeit mit dem epileptischen Insult, da8*Vorkommen einer 
Aura, einer posteklamptischen Amnesie, und spätere Psychosen legen den 
Schluß nahe, daß auch bei der Eklampsie Dämmerzustände Vorkommen. Im 
vorliegenden Falle hatte eine Magd unmittelbar vor einem Anfälle heimlich 
geboren, anscheinend in Sturzgeburt, und möglicherweise dem Kinde tödliche 
Kopfverletzungen beigebracht, von denen sie aber durchans nichts wissen 
wollte. Sie wurde Ireigesprochen._Dr. F. Fraenckel«Berlin. 

Ein Beitrag rar Fäulnis der Lungen Kengeborener. Ans dem ger. 
medizinischen Institut der Universität Greifswald (Direktor: Geh. Med.-Bat 
Prof. Dr. Beumer). Von Dr. Carl BOhs, Stadtassistenzarzt in Barmen, 
früher I. Assistent am hygienischen Institut der Universität Greifswald. 
Vierteljahrsschrift Itlr ger. Medizin usw.; 1908, 8. F., XXXVL Bd., 2. Heft, 
S. 261 bis 262. 

Von 66 fötalen Lungen von Tieren und Menschen, die Verfasser in der 
unversehrten Leiche der Fäulnis aassetzte, bildeten sich nur bei 7 subplenrale 
Fäulnisblasen aus, die die Langen auf Wasser tragen; nach ihrem Anstechen 
sanken die Lungen unter. In den anderen Fällen hatten die Lungen ihr ur¬ 
sprüngliches Aussehen verhältnismäßig gut bewahrt und wurden nie schwimm- 
fähig, obwohl andere, namentlich Abdominalorgane, ganz mit Gasblasen durch¬ 
setzt waren. Hiernach ist die Lehre von Bor das und Descoust, daß 
Fäulnisblasen auf der Lungenoberfläche das Geatmethaben beweisen, sicher 
unrichtig. Dagegen schließt sich Verfasser dem Ungar sehen Urteile au, daß 
reichliche Anhäufung von Fäulnisgasen im Gewebe und unter der Pleura bei 

S ositiver Schwimmprobe die Annahme der Atmung wesentlich sttttzen. Ihn 
estimmen hierzu Vergleichsversuche, die an jungen neugeborenen Tieren ge¬ 
macht wurden, die nach kurzer Atmung getötet, nnd deren Leichen in gleicher 
Weise wie die fötalen der Fäulnis ausgesetzt wurden. Hier fand sich aus¬ 
gedehnte Gasanhäufung; auch nach Anstechen der Fäulnisblasen und Zer¬ 
schneiden in klebe Stückchen blieb die Schwimmfähigkeit bestehen. Bei den 
fötalen gefaulten Langen wurde merkwürdigerweise nicht ein ebziges Mal 
Entwickelung von inter- oder btraalveolären Gasblasen beobachtet, obwohl 
durch Ipsen das Vorkommen von bterstitiellem und alveolärem Fäulnis- 
empbysem für solche Lungen sicher erwiesen worden bt. 

Dr. P. Fraenckel-BerUn. 


B. Oeriohtllohe Psyohlatrla. 

Die Seradingnostik ln der Psychiatrie nnd Nenroloflrle. Von Assistenz¬ 
arzt Dr. Sterz. AUgem. Zeitschrift für Psychiatrie; 66. Band, 4. Heft. 

Sterz berichtet über die Erfahrungen, die er seit fast einem Jahre 
mit der Seradiagnostik b der psychbtrischen n. NervenkUnik der Universität 
zu Breslau gemacht hat. 

Die bei 11L Krankheitsfällen unbestellte Beaktion ergab, daß positiv 
nur Fälle reagierten, die mit Lues ut Beziehung standen, alle anderen 
negativ. 

I. Unter den positiven steht obenan die Paralyse. Von 46 Spbalflflssig- 
keiten reagierten 40 positiv, 8 fraglich, 2 negativ. 

Von den letzteren 5 Fällen reagierte aber das Blntserum noch drei- 



838 


Kleinere Hltteilungen und Referate aus Zeitsehiiften. 


mal positir, so daß die Anwesenheit der sog. Antikörper nur zweimal gtnz- 
lieh Termißt wurde. Das entspricht einem posiUren Ergebnis von 96,6^/o. 

Unter welchen Umständen die Reaktion gelegentlich einmal negaÜT 
ausfillt, läßt sich mit Sicherheit nicht sagen. In einem der negativen Fälle 
waren der Untersuchung intensive Quecksilber* Euren voransgegangen, in 
einem der zweifelhaften handelte es sich um eine juvenile Paralyse, die seit 
Jahren stationär war, so daß trotz der anfänglich charakteristischen Entwich* 
lang Zweifel an der Diagnose entstehen konnten. 

Zwischen dem Verhalten des Blutserums und dem der Spinalflhssigkeit 
war keine vollkommene Kongruenz vorhanden, indem das erstere auch in solchen 
Fällen positive Resulsate ergab, in denen die SpinalflUssigkeit negativ reagiert 
hatte. Es er^bt sich daraus, daß besonders in zweifelhaften Fällen die Unter* 
suchung des Blutserums nicht unterlassen werden darf. 

II. Die Ecfahrungen ttber Tabes sind, da Punktionen bis vor kurzem 
fast nur bei klinischen Patienten ausgeführt wurden, gering. Die Spinal* 
flttssigkeit der Tabetiker scheint aber bei weitem nicht so konstant positiv zu 
reagieren, wie die der Paralytiker. 

Von 5 derartigen Fällen waren 8 .positiv*. 

III. Ein sehr bemerkenswertes Resxütat lieferten die Fälle von eigent* 
lieber Syphilis des Nervensystems, indem eine positive Reaktion der Spinal- 
flfissigkeit hierbei die Ausnahme zu sein scheint. Der Verfasser verfügt bisher 
über 8 Fälle, deren Spinalflüssigkeit durchweg negativ reagierte; das Blut* 
semm wurde bei 8 Fällen untersucht und zweimid positiv befanden. 

IV. Hierzu kommt noch eine kleine Qrnppe von Fällen spät latenter 
bezw. geheilter Syphilis, die keine organischen Symptome seitens des Nerven¬ 
systems darboten. 

Die Spinalffüssigkeit verhielt sich in allen diesen Fällen negativ, das 
Blutserum einmal positiv, einmal negativ. 

Die Fälle der anderen Gruppe, 46 an der Zahl, die mit Syphilis 
nichts zu tun hatten, betrafen die verschiedensten organischen und funktionellen 
Erkrankungen des Nervensystems, auf deren Aufzählung verzichtet wird. Bd 
allen diesen Fällen reagierten Spinalflüssigkeit und Blutserum negativ. 

Der Differentialdiagnostische Wert der Serodiagnose beruht, wie aus der 
angeführten Gruppierung hervorgeht, in der Möglichkeit der Trennung 
syphilitischer und metasyphilitischer Erkrankungen einerseits, 
von allen übrigen Erkrankungen anderseits. Soweit die Spinalflüssig¬ 
keit allein in Betracht kommt, gestattet die Reaktion außerdem eine Unter* 
Scheidung der Paralyse und Tabes von allen übrigenErbankungen des 
(Jehims und Rückenmarks, einschließlidi derer, die mit Lues in Beziehung 
stehen. Denn nur bei Paralyse und Tabes wurde bisher in der überwiegenden 
Anzahl der Fälle eine positive Reaktion in der Spinalflüssigkeit gefunden, 
während sich die Spinalflüssigkeiten bei Lues cerebrospinalis Überwiegend 
negativ, bei Luetikern ohne aktive Erscheinungen stets negativ verhielt. 

Dr. Többen-Münster. 


Klinischer Beitrag inr psyehisohen Epilepsie. Von Dr. Bandettiai 
diPoggio -Genua. ArchiviodiPsichiatria,Neuropatbologiaetc.;Fass.III, 1908. 

Verfasser beschreibt einen einwandsfreien Fall von .psychischer Epilepsie*. 
Es handelt sich um einen erblich belasteten Polizeisoldaten mit kOrperUchea 
und neuropsychischen Degenerationszeichen, der in früher Kindheit an epilep¬ 
tischen Anfällen litt, welche letzteren dann anfhOrten, um vorübergehenden 
Perioden von geschwächter Intelligenz und Bewußtseinsstörungen mit Säwindel* 
gefOhl und nachfolgender Depression zu weichen, Perioden, in denen es zu 
einem unaufgeklärten Delikt gekommen war. Später kamen noch zwei regel¬ 
rechte epileptische Anfälle vor. 

Nach allerlei Versuchen, dies oder jenes Handwerk zu erlernen und 
vielfachem Wechsel der Arbeitsstätte kam Patient zum Hflitär. Das Vergehen, 
das dann zu einer genaueren Untersuchung in der Irrenanstalt führte, bestand 
in unerlaubter Entfernung aus der Kaserne und Fortbleiben über zwei Tage; b^ 
der Rückkehr befand sich der Mann in hochgradiger Erregung und Verwirrung 
bei völlig derangierter EJeidung (btdb ZiviL halb Uniform) und dergl. Es be¬ 
stand völlige Amnesie. Durch einwandsfrde Zeugenauasagai wurde die Dia- 



Kleioere Mitteilangen and Referate aoe Zeitschriften. 


839 


gnose siehergestellt; es handelte sich tun ein psychisches Aeqniralent fflr einen 
epileptischen AnfalL Daß das Verbleiben des Mannes im Foliseidienst gef&hr- 
lich erschien, wurde auf Omnd der üntersndiong besonders betont. 

_ Dr. Solbrig-Allenstein. 

Epilepsie imd Ltnkshlndigkeit. Von Prof. Dr. Emil Redlich in 
Wien. Vorgetragen in der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien 
Tom 1. M&rz 1907. Archi? fUr Psychiatrie und Nervenkrankheiten; 44. Band, 
1. Heft. 

Der Verfasser kommt auf Grund sehr interessanter Beobachtungen zu 
dem Ergebnis, daß fttr eine Anzahl von Fällen die Linkshändigkeit ein Moment 
darstellt, das auf eine, wenn auch leichteste Schädignuig der einen, und zwar 
der linken Hemisphäre hinweist. Dadurch ist eine Praedisposition fttr die 
Epilepsie gegeben, auf deren Basis dann andere Schädlichkeiten, Infektionen, 
Intozikationen, Trauma, u. a. auch rezente Lues, das Auftreten der Epilepsie 
veranlassen. Auf diese Weise erhält fttr gewisse Fälle die Prädisposition zur 
Epilepsie eine neue Beleuchtung, indem, wenigstens auf kJinis(mem Wege, 
neues Material fttr die Annahme einer anatomiswen Läsion bei der genuinen 
Epilepsie gewonnen worden ist. 

Von Interesse wäre auch eine Erörterung, wie sich diese «anatomische* 
Frädisposition fttr die Epilepsie zur heriditären verhält. Angeregt wurde 
diese Frage fttr den Verfasser durch den Umstand, daß unter deu erwähnten 
Fällen von Linkshändigkeit sich mehrere fanden, bei denen auch eine heriditäre 
Disposition bestand. Redlich fährt in dieser Beziehung weiter an, daß er 
zwei Geschwisterpaare mit Epilepsie zu beobachten Gelegenheit hatte, von 
denen immer eines der Geschwister eine anscheinend genuine Epilepsie, das 
andere eine typische rechtsseitige zerebrale Kinderlähmung mit Epilepsie auf* 
wies. Dr. Többen>Mttnster. 


Epilepsie bei Geschwistern. Von Dr. Voll and-Bethel Zeitschrift 
fttr die Erforschung des jugendl. Schwachsinns; Bd. II.. H. 4. 

Wenn man einen kurzen Rttckblick auf ue vom Verfasser geschilderten 
24 Fälle der Geschwisterpilepsie wirft, so ergibt sich das Resiütat, daß 22 
Fälle nervöse Belastung aufweisen, daß die väterliche Belastung, die bei der 
Vererbung im allgemeinen mächtiger zu wirken scheint, ttberwiegt und daß an 
>/s aller Fälle Epilepsie in der Antezedens nachweisbar ist. Aus den 24 Familien 
sind außer 6 Frtth- und Fehlgeburten, einem minderwertigen männlichen Nach¬ 
kommen und einem weiblichen Idioten zusammen 78 Knaben und 58 Mädchen 
hervorgegangen. Von diesen beiden Gesamtsummen leiden 18 Mädchen und 
87 Knaben, also fast die Hälfte sämtlicher Knaben, wieder an Krampfanfällen. 
Die kranken Geschwister stehen in der Geburtsfolge sehr häufig nebeneinander, 
meist 1—2 Jahre zeitlich getrennt. Dr. Wolf-Marburg. 


Eine besondere Fora von Folte A deux. Von Dr. Enrico Rlvari in 
Bologna. Archivio di Psichiatria, Neuropatologia etc.; Fasz. III, 1908. . 

Der hier beschriebene Fall, der an sich so seltenen Folie ä deux ist 
bezttglich der Entstehung und des ELrankheitsbildes ein ganz eigenartiger und 
interessanter. Es handelt sich um ein Schwesternpaar aus ganz einfacher 
Familie, welche dauernd zusammen lebten; beide besaßen eine neuropathische 
Konstitution und hatten frtther an hysterischen Konvulsionen bezw. Chorea 
gelitten. Die 7 Jahre ältere Schwester fing bereits als Kind an, sich einzubilden, 
daß sie von vornehmer Abstammung sei und wurde hierin durch eine scherzhafte 
Bemerkung der Matter, daß die beiden Töchter zu fein gebildet seien, um von 
ihr abzustammen, bestärkt. Als dann die jttngere Schwester eine verhältnis¬ 
mäßig gute Partie machte, wuchs die Eitelkeit und Ueberhebung der älteren; 
dann wurde auch die jttngere davon angesteckt. Der Ehemann wurde 
mehr und mehr bei Seite geschoben, die beiden Schwestern wohnten nach wie 
vor in trauter Gemeinschaft beisammen. Zu einem Verhängnis wurde den beiden 
die Lektttre eines historischen Wörterbuches, das der Ehemann der jüngeren 
mit nach Haus brachte. Beide vertieften sich in das Buch, bezogen allerlei 
Mitteilangen berühmter Historiker auf sich und wurden völlig von Wahnideen 
erfaßt. Der Jnhait der letzteren, bei beiden der gleiche, bestand vorzugsweise 



840 Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zdteehrlften. 

ans OrOBenideen, Termischt mit Verfolgnngsideen; ein eroliBcher EinEchlag 
leUte nicht. 

Beide Kranke wurden der Irrenanstalt zngefQhrt, sie zeigten ein ziemlich 
reserviertes Verhalten, indem sie selten sprachen, gelegentlich aber, wenn sie 
Vertrauen zu ihrer Umgebung gefaßt hatten, in beredter Weise ihre Wahnideen 
▼ertrugen. Das psychische Bild, das die beiden Schwestern darboten, entspricht 
nach der Ansicht des Verfassers der ^Paranoia a due". Es ist anzunebmen, 
daB die ältere Schwester zuerst von der Psychose ergriffen wurde und diese auf 
die jüngere übertrug; durch die gegenseitige Hitwiikung beider wurde dann 
die eigentümliche Form der Paranoie a dne neransgebildet. 

_ Dr. Soibrig’Allenstein. 

Kongenitale Lues und progresslTe Paralyse. Von Dr. Christian 
Mttller«Köln. Münchener Wodienschrift; 1908, Mr. 38. 

Verfasser müchte im Hinblick auf die Tatsache, daB in einer Anzahl von 
Fällen der Zusammenhang zwischen Syphilis und Paralyse bisher nicht nach* 
zuweisen ist, an einen Faktor erinnern, den man bis jetzt gänzlich auBeraeht 

f elassen hat, nämlich, daB sich im klassiscben Zeitalter des Paralyse* und 
'abesbeginnes Fälle finden, bei denen die Lues nicht eine im späteren Leben 
erworbene, sondern eine angeborene ist. Hierfür sucht Verfasser durch Ver« 
öffentlichung von Krankheitsfällen Beweise zu erbringen und meint am Schlüsse 
seiner interessanten Arbeit, daß, wenn man die außerordentliche Verbreitung 
des Syphilis in vielen Berufskreisen, in vielen Großstädten in Betracht zieht, 
die Annahme nicht gewagt erscheinen wird, daß bei vielen Fällen von progressiver 
Paralyse oder Tabes, die im klassischen Alter auftreten und bei denen eine 
erworbene Lues nicht nachweisbar oder sogar sehr unwahrscheinlich ist, die 
Lues eine kongenitale ist. Dr. Waibei*Kempten. 


Das Wesen des moralischen Sehwaehsinns. Von Prof. Dr. Hans 
Gudden in München. Archiv für Psychiatrie; 44. Band; 1. Heft. 

Qudden zieht einen Vergleich zwischen den Symptomen des «moralischen 
Schwachsinns“ und dem Charakter niedrig stehender Völkerrassen. Erlist der 
Ansicht, daß die Aehnlichkeit des moralischen Schwachsinns mit den Charaktei- 
eigenschaften der Neger nicht nur eine äußerliche, sondern auch eine innere 
is^ und daß der moralische Schwachsinn nicht wie die Imbezillität und Idiotie 
auf Entwicklungshemmungen oder Schädigungen des Gehirns beruht, sondern 
ans einer an sich integren, aber zu dürftigen Großhirn*Anlage zu erklären 
ist. Während die Moral insanity bei Naturvölkern noch ein phyisiologischer 
Zustand ist, muß sie bei den Abkömmlingen zivilisierter Nationen als patbolo* 
gisch, als eine Geisteskrankheit bezeichnet werden. Die Zurechnungsfähigkeit 
der moralisch Schwachsinnigen reicht nicht weiter, als daß sie höhere Begriffe 
verarbeiten und zur Grundlage ihres selbständigen Vorstellens uud Handelns 
machen können. Nach Gudden ist der moralische Schwachsinn als ein selbst* 
ständiges Zustandsbild anznsehen, das sich differentialdiagnostisch ohne 
Schwierigkeiten von der Imbezillität abgrenzen läßt. Diese AnffasBung scheint 
dem Referenten insofern nicht unbedenklich zu sein, als seines Erachtens die 
Anerkennung des moralischen Schwachsinns als Geistesstörung sui generis 
sehr leicht dahin führen könnte, daB man im Sinne der Lombrososehen 
Lehren das Verbrechen selbst als eine besondere Krankheit auffassen würde. 

Dr. TObben* Münster. 


Die Diagnose der Homosexualität. Von Dr. Na ecke. Neurologisches 
Zentralblatt; 1908, Nr. 8. 

Als homosexnelles Empfinden betrachtet Nnecke jede Empfindung die 
beim Anblick oder Berühren einer gleichgeschlechtlichen Person aultritt, mag 
sie nun zu irgend welchen geschlechtlichen Betätigungen führen oder nicht. 
Aktive und passive Päderastie kann auch beterosexnell bedingt sein. Für das 
Vorhandensein des homoseznellen Empfindens fehlt uns jede objektiv sichere 
Beweisführung. Die meisten Urninge unterscheiden sich in bezug anf Stimme, 
Bratwuchs, Genitalien nicht von anderen Sterblichen. Urninge mit deutlich 
femininem Wesen sind große Ausnahmen. Das einzige scheinbar untrügliche 



Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften. 


841 


sabjekÜTe Zeichen für die Diagnose ist das Bestehen homosexneller TrSnme, 
die die spesielle Färbung der Geschlechtsempflndungen des Betreffenden an- 
nehmen (homosexuell, heterosexuell, bisexuell). Durch eine Vereinigung Ter* 
schiedener Zeichen kann in concreto auf das Bestehen einer Homosexualität 
geschlossen werden; objektiTO Beweise gibt es nicht. Urninge finden sich in 
allen Schichten der Bevölkerung. Die Homosexualität an nnd fttr sich ist kein 
Stigma und stellt keine Entartung dar, die sich weiter vererbt. Unter den 
Urningen dürften sich nicht mehr neuro* und psychopathologische Individuen 
finden als sonst. Neurosen treten bei ihnen nicht selten stäundär auf. Bei 
den erworbenen Fällen von Homosexualität oder Pseudohomosexualität (in 
Kasernen, Schiffen, Bordellen) handelt es sich meist nur um onanistische Hand¬ 
lungen, um homosexuelle Akte, die einem heterosexuellen Fühlen entsprechen. — 
Der Begutachter dieser Fragen und Fälle muß eine große spexialistische Er¬ 
fahrung besitsen nnd alle Angaben möglichst sorgfältig prüfen. 

S. Kalis che r-Schla^tensee-Berlin. 


Ueber die delstesstdrungcn bei den Juden. Von Dr. M. SioheL 
Neurolouisches Zentralblatt; 1908, Nr. 8. 

Während Pilcz ln Wien den Anteil der Juden an der Gesamteinwobner- 
sahl als nnd an den Geisteskranken rund 11 Vo angibt, konnte Sichel 

in Frnnkfurt a. M. den Anteil der Juden an der Einwohnerzahl als 6,8**/o nnd 
an den Geisteskranken 6,5**/o feststellen. Die Statistik zeigt ein wesentlich 
anderes Gesiebt, wenn man die bei den Juden fast gar nicht vorkommenden 
alkoholischen Geistesstörungen ausschließt. Was die einzelnen Krankheits- 
formen anbetrifft, so zeigen die Juden mit Ausnahme der Epilepsie und des 
Alkoholismus in allen Gruppen höhere Werte, besonders aber beim manisch- 
depressiven Irresein und bei der Paralyse. Doch scheinen die alkoholischen 
Geistesstörungen in den letzten Jahren auch bei den Juden häufiger zu werden. 
Bei der Dementia praecox übertrifft der prozentuale Anteil der Juden den der 
übrigen Bevölkerung. Im großen ganzen lehrt diese Statistik hier, daß die 
Anzahl der jüdischen Geisteskranken, entgegen den allgemeinen Anschauungen 
durchaus dem prozentualen Anteil der Juden an der QesamtbevOlkernng ent¬ 
spricht, daß hingegen hinsichtlich der Häufigkeit der einzelnen Krankheits* 
formen weitgehende Differenzen bestehen. Die Angaben, ob die Tendenz 
bei jüdischen Geisteskranken zum Selbstmord großer oder geringer sind als 
bei anderen Geisteskranken schwanken und sind widersprechend. Geringer 
war die Teilnahme der geisteskranken Juden an der Kriminalität, vielleicht 
auch wegen des geringen Prozentsatzes der Alkoholisten. 

S. Kali scher-Schlachtensee-Berlin. 


Das Greisenalter in forensischer Beziehung. Von Professor Dr. 
G. Aschaffenburg in COin. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 88. 

Unsere Reichskriminalistik ermöglicht einen sehr weitgehenden Einblick 
in die wechselnde Gefährdung der Öffentlichen Rechtssicherheit durch die ver¬ 
schiedenen Lebensalter nnd gestattet wichtige Schlüsse darauf, in welcher 
Weise durch die sich mit dem Lebensalter ändernden Lebensbedingnngen die 
Neigung zum Verbrechen sich wandelt. Verfasser berücksichtigt hauptsächlich 
das Lebensalter nach dem voUondten 70. Lebensjahre nnd berechnet, daß an 
und für sich die Beteiligung dieser Altersstufe gering ist und nmgereebnet 
auf die gleiche Zahl der Strafmündigen überhaupt nur 12,8 °/o beträgt. Uebor- 
blickt man die Beteiligung der Greise an den Verbrechen, so läßt sich wohl 
im allgemeinen sagen, daß die Anteilnahme durchaus den Voraussetzungen 
entspricht, unter denen der Greis in der Oeffentlichkeit verkehrt. Er muß sich 
wegen mangelnder Rüstigkeit mehr nnd mehr aus dem tätigen Erwerbsleben 
zurückziehen nnd findet daher weniger Reibnngsflächen, die Verstoße gegen 
die Rechtsordnung hervorrufen konnten. Mangelnde körperliche Kraft nnd 
geringere geistige Tatkraft schließen eine Reihe von Delikten, wenn auch nicht 
ganz, so doch beinahe ans (Boheitsverbrechon, gefährliche Körperverletzung, 
schwere Diebstähle); auch Betrug und Unterschlagung bleiben sehr erheblich 
hinter den anderen Altersstufen zurück. Mehr als den Durchschnitt der straf¬ 
baren Handlungen weisen Hehlerei, Beleidigung, Verletzung der Eidespflicht 
nnd die Unzucbtsdelikto auf. Bei den Sittlichkeitsverbrechen lehrt aber die 



842 Kleinere Hitteilnngen nnd Befente »ne Zeitaehrlften. 

klinisclie Erfahmng, deß sie meist Ton aolcben Oreiaen begangen werden, die 
bweita mehr oder weniger verblödet sind. Praktisch l&nft das darauf hinans, 
in jedem Falle bei den Greisen den Geistesznstand gerichts&iztlich feststellen 
sn lassen. Die Prttfnng dnrch den Bichter ist dann nicht ansreichend. Jedoch 
scheint dem Verfasser eine gesetzliche Vorschrift, in jedem einzelnen Falle 
die Znrechnnngsf&higkeit eines Greises zn erörtern, nicht nötig. Branchbam 
wäre dagegen vielleicht eine seit kurzem in Italien bestehende Bestimmung, 
wonach das Gesetz der bedingten Vernrteilnng bei Greisen Aber 70 Jahre — 
ebenso wie bei Frauen und Jugendlichen — bis auf 12 Monate ausgedehnt 
wird, während sonst bei erwachsenen Männern die Bestimmung nur hei Strafen 
bis zn 6 Monaten in Anwendung kommen. Dr. Waibei*Kempten. 


Zar Frage von den Abstinenz •Delirien. Von Dr. Holitscher. 
Psychiatrisch - neurol. Wochenschrift; X. Jahrgang, Nr. 14—17. 

Die prophylaktische Darreichung des ^kobols bei delirinmverdäcbtigen 
Fällen wird in den chirurgischen nnd inneren Kliniken vielfach geübt. Dabei 
erribt die Erfahrung der Psychiater und vor allem diejenige der Leiter von 
Trinkerheilstätten, daß Delirien, welche mit Sicherheit auf die plötzliche 
Alkoholentziehnng zurttckzuführen sind, äußerst selten verkommen nnd einen 
leichten Verlauf nehmen. Das wird von neuem dnrch eine von Holitscher 
veranstaltete Umfrage bei 92 Leitern von Irrenanstalten nnd Trinkerheilstätten 
bestätigt. Bleuler hat z. B. unter weit Aber 1200 Alkoholikern^ die mit 

I lötzli^er Abstinenz behandelt wurden, einen einzigen gesehen, bei dem die 
Li^lichkeit vorlag, daß die Abstinenz die Ursache des Deliriums gewesen sein 
könnte, ln der Trinkerbeilstätte Waldfriedcn bei FArstenwalde sind unter 
750 Aufnahmen in den Jahren 1906 und 1907 nur achtmal Delirien nach zwd- 
bis viertägigem Aufenthalt in der Heilstätte beobachtet worden. 

_Dr. Paul Schenk'Berlin. 

Die Hellnngsanssichten ln der Irrenanstalt. Von Dr. Alt.* Neuro* 
logisches Zentralblatt; 1908, Nr. 16. 

Alt wendet sich hier gegen die von Scholz vertretene Ansebannng, 
daß die Irrenanstalt lediglich Pflegedienste zn leisten hat und nicht die Heilnngn- 
anssichten günstiger gestalten und überhaupt beeinflussen könne. Alt Aann 
es nicht unwidersprochen lassen, wenn Scholz behauptet, daß dnrch eine 
möglichst früh eingeleitete Anstalisbebandlnng nicht ein einziger Kranker 
schneller geheilt werde nnd daß an dem Verlauf einer einmal ansgebrochenen 
Psychose unsere Therapie nichts zn ändern vermöge. Diese Behauptung 
widerspricht der Ansicht der meisten Psychiater. Wohl ist es richtig, daß 
Erleichterung, Vereinfachung und Beschleunigung des Anfnahmeverfahrens den 
Anstalten mehr heilbare Geisteskranke zufübren nnd insofern schon an und 
für sich ohne Zutun und Verdienst der Anstalt die Genesungsziffer der Ent¬ 
lassenen steigern wird. Die Anstalt hat wohl in vielen akuten Fällen eine 
Indkatio vitalis zn erfüllen nnd den Tod, der draußen dnrch Delirien, Selbst¬ 
mord etc. eintreten könnte, zn verhüten. Es entspricht ferner nicht den Tat¬ 
sachen, daß jede Krankheit die Auswicklung bereits vorhandener lebender 
Keime bedeute. Die exogenen Ursachen: Strapazen, Entbehrungen, Gemüts- 
ersebütternngen, Schreck, Infektion bei Puerperalpsychosen sind nicht zn unter¬ 
schätzen und gelegentlich zu verhüten. Die ätiologische Bedeutung der 
Syphilis, der Infektionskrankheiten ist hinreichend bekannt; auch die Ver¬ 
hütung nnd Heilung dieser Formen seelischer Störungen ist nicht zn bezweifeln. 
Ist das keine positive therapentische Arbeit nach Sc holz P 
Daß der Heilwert der Anstalisbebandlnng in alten und neuen Statistiken 
vielfach überschätzt wird, bezweifelt anchAlt nicht; der Begriff der HeUnng 
und Heilbarkeit wird da zn verschieden aufgefaßt. Auch die Schattenseiten 
des Anstaltsaufenthalts sind genügend bekannt; mit Vorteil werden sie aber 
vermieden, indem das Pavillonsystem, die Arbeiterkolonien, Beurlaubung 
in Familienpflege und die versuchsweise Entlassung mit in den Kreis der B^ 
handlnng gezogen sind. — Erst die Erfahrungen der guten Anstalten ver¬ 
danken wir die Erkenntnis, daß Tobsucht im Gefolge frischer Geisteskrankheit 
fast durchweg ein Artefakt ist nnd kaum größere Berechtigung bat wie das 
Wnndfieber nach einer Verletzung. Wie für Alkoholdeliranten erweist sich 



Kleinere Mitteilnngen and Referate ane Zeiteohrlften. 


848. 


fOr akut Verwirrte nnd bis rar Tobencbt erregte Kranke die Anstalt nicht 
selten als lebensrettend. Und selbst bei dem groSen Prosentsatx der nnheil* 
baren Geisteskranken vermag eine sachgem&6e Anstaltsbebandlnng mit 
Sctaonnng, Pflege, individueller Besch&ftigung, Disziplin usw. gttnstig zu wirken 
nnd nicht selten die Rttckkehr Ins Leben zu ermöglichen, so daß selbst bei 
diesen Kranken mehr als bloßer Pflegedienst geleistet wird. 

8. Kalischer-8chladitensee*Berlin. 


O. SaohwerstAndlcentAtigkelt ln Unllall- und Znvalldlt&tMohmi. 

Pneimokokken« Meningitis als mittelbare Spttfolge eines Sehldel« 
nafalles* Von Dr. J. Rubin, Assistenzarzt der medizinischen Sllinik in Frei« 
borg i. Br. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Rr. 41. 

Verfasser berichtet unter Mitteilung von Krankengeschichte nnd 8ektions> 
befnnd über einen Fall, bei dem es sich um einen 28jShrigen Bierbrauer bandelt, 
welcher am 3. Dezember 1907 auf die Erankenabteilnng aufgenommen wurde 
und am 9. Dezember 1907 mit Tod abging. Die Sektion ergab unter anderem 
eine über Erwarten vorgeschrittene eitrige Entzündung der weichen Hirn- nnd 
Rückenmarkshäute. In ätiologischer Beziehung stellte es sich heraus, daß der 
Verstorbene am 28. Juni 1902 beim Absteigen von der Deichsel eines Heu¬ 
wagens durch ein aasschlagendes Pferd mit dem Eisen gegen das Unke Auge 
geschlagen wurde. Trotzdem der Kranke durch 5 Jahre hindurch nach dem 
ünfaUe fast frei von Beschwerden blieb, würde Verfasser auf Grund des 
Sektionsbefundes nicht zOgern, einen mittdbaren ursächUchen Zusammenhang 
zwischen dem 1902 erfolgten UnfaU und der 6 Jahre später ansgebrocbenen 
tOdUchen Hirnhautentzündung auszusprechen. Dr. Waibel«Kempten. 


Ueber narvSsa und pgjchlscha Erkrankugan nach BatriabsunflUan. 
Von Dr. R. G0tze«Leipzig. Klinik für psychische und nervOse Krankheiten: 
Bd. UI, H. 8. 

Verfasser berichtet über 4 Fälle von traumatischer Hysterie, wobei er 
die Ansicht äußert, daß man von der Art der psychogenen Phänomene Rück¬ 
schlüsse auf etwa unbekannte Vorgänge bei dem Unfall zu machen sehr wohl 
berechtigt ist. — Die Conditio sine qua von solch auffäUlger psychogener 
Phänomene ist die Bewnßtseinsstöruog infolge der PlCtzUcbkeit des Geschehnisses 
bei unerwartetem, heftigem depressiven Affekt, sei es bloß eine Trübung oder 
voUer Verlust. Je vollständiger dieser Zustand von Bewußtlosigkeit gewesen 
ist, desto exakter tritt hier die Abhängigkdt von dem Abläufe des Unfall¬ 
ereignisses hervor. _ Dr. Wolf «Marburg. 


HanrltUi ascendans traumatica und Myositis bai Laiehtgasvarglftung. 
Von Dr. M. M a y e r « 8immern. AerztL ßachverständigen - Zeitung; 1908, Nr. 17. 

Ein 24 jähriger GasinstaUateur, der vor VJt Jahren eine 8chädelverletzung 
erUtten hatte, die nach seiner Ansicht ohne Folgen gebUeben war, hatte in 
den letzten Wochen vor Weihnachten 1907 besonders angestrengte Tätigkeit 
im Gaswerk gehabt und an Kopfschmerzen, Brechreiz und Appetitlosigkeit 

f eUtten. Beim Versuch, die Tür einer Gasretorte zu schließen, 
ölte er den Hebel der Ofentttre mit fester Wucht zwischen rechten Daumen 
und Zeigefinger und stieß dagegen. Es traten am rechten Arme heftige 
8chmerzen^aaffand es entwickelte sich an die Quetschung des rechten 
Daumens sira anschließend eine Neuritis ascendens. Schlaffe Parese 
zunächst des rechten, dann des linken Armes, schließlich eine solche der unteren 
Gliedmaßen, Spontan« und Bewegnngsschmerzen, sehr ansgeprägte Paraesthesien 
an Fingern und Zehen, Anschwellung eines Hantnerven an der Innenseite des 
rechten!Vorderarms mit großer Druckempfindlicbkeit desselben, entzündliche 
Schwellung am Nackennerren rechts — begründeten die Diagnose. Der an¬ 
fängliche Verlauf war scheinbar der des Gelenkrheumatismus — Schaltergelenke, 
erst das rechte, dann das linke, Finger- und Sprnnggelenke, ferner die Knie¬ 
gelenke waren lange Zeit erkrankt. Die Mnskeln fühlten sich lange weicher, 
teigiger als gewöhnlich an und waren druckempfindlich. Besonders der linke 
Pronator teres war wochenlang geschwollen. Es bestanden ferner Neigung 
zu Harnverhaltung, salzige Schwellung am Rücken und an den Außenseiten 



^844 Kleinere Hitteilnngen and Befemte ans Zeitschriften. 

beider Füße. AoBerdem traten tetanie&hnlicbe Zncknngen der Gliedmaßen, 
Anfälle Ton Bewnßtloeigkeit, Eopfechmersen, später Neigong an stnndenlang 
währenden nächtlichen Umherirren anf. 

Der Verlauf wechselte zwischen Bessernngen and Verschlimmernngen 
des Krankheitsbildes. Seit mehreren Wochen hat die Besserung indessen 
Bestand gehalten. Der Mann ist imstande, leichte Arbeiten zn rerrichten, 
leidet indessen noch an heftigen Kopfschmerzen und gelegentlich ein* 
setzenden Anfällen von Bewußtlosigkeit. 

Die Disposition zu der schweren traumatischen Erkrankung war 
dadurch gegeben, daß der Mann sich in den letzten Wochen vor dem Stoß 
ttbermäßig angestrengt und sich kaum die Buhe zum Schlaf gegOnnt hatte. 

Autoreferat. 


Die professienelle Sehschirfe und das entschBdtgnngspfllehtlge 
Minimum. Von Prof. Dr. Oino Bichl*Bologna. La Medicina degli infortuni 
del laroro e delle malattie professionaU; 1908, Nr. 6—7. 

In der großen Mehrzahl der Fälle verursacht eine Verringerung der Seh* 
schärfe um Vio —’/«> keine wirkliche Verminderung der Arbeitsfähigkeit, 
ebenso wie eine Abnahme der Sehschärfe um */io — nicht immer den 
professionellen Wert des verletzten Auges um ‘/g — */t herabsetzt. Da es 
aber nicht mOglich ist, von vornherein festzusetzen, wo die teilweise Erwerbs* 
unlähigkeit filr jedes Individium und fttr jedes Gewerbe beginnt, so ist ee 
nötig, jeden einzelnen Fall aufmerksam zu untersuchen, sich nicht auf die 
bloße Abmessung der physiologischen Sehschärfe zu beschränken, sondern das 
Ergebnis dieser Prüfung inbezng anf sein Wesen mit den verbleibenden 
Funktionen des Sehorgans, dem physischen und psychischen Zustand des Be* 
schädigten, den Arbeitsgelegenheiten usw. zu berücksichtigen, kurz mit all 
den innerlichen nnd äußerlichen Bedingungen, welche das Wesen des durch 
den Unfall herbeigeführten Schadens vermehren oder vermindern können, in 
Beziehung zn bringen. 

Diese, wie man zugeben muß, zutreffenden Ausführungen des Verfassers 
werden, wie weiter dargetan wird, durch Urteile der in Betracht kommenden 
Schiedsgerichte pp. Italiens (Appelationshof in Genua, Kassationshof in Turin 
und Bom) gestützt. _ Dr. Soibrig*Allenstein. 


Isolierte, quere Mesenterlalabrelssung bei Kontusion des Abdomens. 
Von Sekundärarzt Dr. Beinicke*Hamburg. Münchener med. Wochenschrift; 
1908, Nr. 86. 

Ein 41 Jahre alter Kutscher fiel beim Verladen von schweren Ballen von 
seinem Wagen herab; er kam glatt auf den Boden zu liegen, ein ca. 10 Zentner 
schwerer Ballen fiel hinterher auf ihn (bezw. auf sein Becken). Die 9 Stunden 
nach der Verletzung vorgenommene Laparotomie ergab beginnende Gangrän 
des Ileums, hervorgerufen durch eine ziemlich ausgedehnte Abreißung des die 
ernährenden Gefäße führenden Mesenteriums vom Darme ohne Verletzung des 
Darmes selbst; es konnte nur eine ausgedehnte Darmresektion in Frage kommen, 
wollte man den Patienten vor dem sicheren Tode an Peritonitis retten. Der 
Erfolg der Operation war günstig. 

Was die Entstebnngsart der Mesenterialabroißung bei der Einwirkung 
der schweren stampfen Gewalt anlangt, so wird hier nur ein Abriß durch Zng* 
Wirkung in Betracht kommen, da Zeichen einer direkten Zerquetschung weder 
am Mesenterium oder am Darme nicht zu finden waren. 

_ Dr. Waib el• Kempten. 


Atrophie des grossen GesBssmnskels Infolge Verletzung durch Ueber- 
anstrengung. Von Prof. Dr. Cesare B i o n d i - Cagliati. La Medizina degli 
infortuni del lavoro e deUe malattie professionali; 1908, Nr. 6—7. 

Fälle dieser Art sind bisher erst zwei in der Literatur beschrieben, von 
denen nur einer auf Ue.beranatrengung, wie in dem hier beschriebenen Fidle, 
zurückzuführen war. Ein öS jähriger Arbeiter, beschäftigt mit dem Tr^en 
von Balken, verspürte, als er einen Balken auf seine Schalter brachte, einen 
Schmerz in den rechten natos, als wenn darin etwas gerissen wäre. Er mußte 



Kleinere lUtteiliingen nnd Befemte ans Zeltsohriften« 846 

in seine Wohnung transportiert werden, lag lange Zeit su Bett, da er das 
rechte Bein nicht ohne heftigen Schmers bewegen konnte, nnd fing erst nach 
Monaten wieder an, mit Hilfe von Krttcken su gehen. Vjt Jahr nach 
dem Unfall bekam Verfasser den Verletsten zu sehen, länger zu beobachten 
nnd zn behandeln. Die genaue Untersuchung ergab eine Atrophie des 
M. glutaeus magnus dexter mit Funktionsstörungen des rechten Beins, die mit 
Sicherheit auf die Affektion grade dieses Muskels zurückzuftthren waren. Daß 
der eigenartige Unfall als die Ursache anznsehen war, konnte nicht zweifelhaft 
sein. Der Mechanismus war offenbar der gewesen, daß während der plötzlichen 
heftigen Muskelkontraktion, die der Verletzte angewendet hatte, um die An* 
strengong zn überwinden, eine Zerreißung des Muskels eingetreten war. Die 
eingeleitete Behandlung — Massage, warme Bäder, Elektrizität, Uebungen — 
erzielte erhebliche Besserung. _ Dr. Solbrig-Allenstein. 


Neurose Infolge der Einstellung der Bente kein Betriebsunfall« Be* 
kurs-Entscheidung des BeichsTersicherungsamts Tom 10. Juni 
1908. 

Oberarzt Dr. P. nimmt auf Grund der yon dem Verletzten angegebenen 
subjektiven Beschwerden zwar das Vorhandensein einer funktionellen Neurose 
und deren Zusammenhang mit dem Unfall und den nachfolgenden Gemttts- 
erregungen an. Aber gerade die Erwähnung dieser nachfolgenden Gemtits* 
erregungen ergibt, daß die Neurose, wenn sie vorhanden sein sollte, nidit 
durch den Unfall verursacht ist, sondern allein durch das spätere Verhalteu 
des Verletzten im Kampf nm die Bentengewähruog hervorgerufen ist. Dies 
um so mehr, als der Verletzte nach der Feststellung dieses Sachverständigen 
ein gut genährter und kräftig gebauter Mann ist Er ist also an sich wider¬ 
standsfähig. Die Steigerung des Pulsschlages von 64 im Bnhezustande auf 96 
nach zehnmaligem Heben eines Stuhles ist nicht auffällig, da nach Ansicht des 
B.-V.-A. ein zehnmaliges Heben eines Stuhles eine nicht unerhebliche, jeden¬ 
falls eine dem Verletzten ungewohnte und darum die Steigerung des Pnls- 
schlages ohne weiteres erklärende Anstrengung ist Ans der Steigerung des 
Pnlsschiages auf dieser Grundlage kann daher nichts gefolgert werden. Ob¬ 
jektiv ist aber der Befand nach dem eingehenden, auf Veranlassung des B.-V.- 
A. auch noch ergänzten Obergutachten des Professors Dr. von B. negativ. 
Die Verbiegung der Wirbelsääe bat schon vor dem Unfall bestanden. Da 
nach dem ärztlichen Gutachten wesentliche Folgen des Unfalls vom 27. Sep¬ 
tember 1904 nicht mehr vorhanden waren, so war der Bekurs des Verletzten 
zurttckzuweisen. 


Der Verlust des kleinen Fingers der linken Hand berechtigt nach 
Angewöhnung nicht mehr zum Bentenbeznge« Beknrs-Entscheidnng 
des Beichsversicherungsamts vom 19. Juni 1906. 

Das B.-V.'A. hat bereits vielfach ausgeftthrt, daß nicht jede Verletzung 
seiner körperlichen Unversehrtheit dem Versicherten einen Anspruch auf Un- 
falirente gibt, und dies selbst dann nicht, wenn ihm infolge der Verletzung 
gewisse Unbequemlichkeiten bei der Verrichtung seiner Arbeiten erwachsen. 
Auf eine Bente hat nur Anspruch, wer in seiner Erwerbsfäbigkeit in einem 
solchen Grade beeinträchtigt ist, daß die Beeinträchtigung im wirtschaftlichen 
Leben als ein meßbarer Schaden in Betracht kommt; dies kann aber bei einer 
Beschränkung der Erwerbsfähigkeit nm weniger als 10 ^'/o der Begel nach nicht 
zugegeben werden. 

Um eine solche Schmälerung der Erwerbsfähigkeit handelt es sich im 
vorliegenden Falle. Nach den Gutachten der Aerzte bestehen die Folgen des 
Unfalls vom 15. März 1907 nur noch in dem Verlast des kleinen Fingers der 
linken Hand. 

Eis liegt kein Anlaß vor, die Annahme des angefochtenen Bescheids zn 
beanstanden, daß die Erwerbsfähigkeit des Klagers durch die noch bestehenden 
Unfallsfolgen nicht mehr in nennenswertem Maße beschränkt wird. Auch die 
Vorgesetzten des Klägers haben keine Beobachtungen in der Bichtnng gemacht, 
daß er bei seinen Arbeiten durch den Fingerrerlust noch beeinträchtigt wird. 
Der Kläger hat also keinen Anspruch auf eine Unfallronte mehr. Dem Bekurse 
der Beklagten war daher stattzageben. (Kompaß; 1908.) 



846 


Kleinere Hitteilnngen nnd Referate am Zeiteebriften. 


Der Terlut tob l^/t Glledera des reehtem ZeffeflBgers elaes 
Selmledes bereehtigft Baeh ABgewVluiBBg Bleht mehr nm ReBteBbesage« 
ReknrS'Entscheidang des ReichsTereichernngsamts Tom 
19. Juni 1908. 

Der Kläger hat die Spitse des rechten Zeigefingers in einer Ansdehnnng 
TOB 2 V> cm verloren. Der Stumpf befindet sich aber in einer so nten Ver- 
faranng, wie es bei einer Verletzang der vorliegenden Art ttbemanpt nur 
mOgUcn ist. BlatumlaofstOmn^n sind nicht wahrnehmbar, anch keine Ab- 
seichen fttr das Fortbestehen einer Drnckempfindlichkeit. Die Narbe ani der 
Kuppe ist fest und glatt verheilt. Auf dieser bat sich sogar ein Nagelansats 
gebildet. Die Gelenke des Stompfes sind frei beweglich und gestatten beim 
Fanstschlnsse das Heranziehen des Stompfes an den Danmenballen. Ein 
Mmkelschwond ist weder am Arme noch an der Hand vorhanden. Die Oreif- 
fläche des Stompfes zeigt das gleiche verarbeitete Amsehen wie die Nachbar» 
finger nnd die ganze Hand selbst. 

Unter diesen Umständen ist im Anschlosse an die Gotacbten der Aerato 
die Annahme gerechtfertigt, daß der Sobstanzverlmt am rechten Zeigefinger 
jetzt, nachdem sich der Kläger an den veränderten Zostand seiner Hand ge> 
wohnt bat, nicht mehr geeignet ist, eine wesentliche GebraochsstOrong an der¬ 
selben bervorzurofen. Ja es kann kaom noch davon die Bede sein, daß der 
Sobstanzverlmt beim Gebranche der Hand noch gewisse Unbegoemlichkeitea 
bereitet. Es fehlt daher ein gesetzlicher Gmnd zur For^ewährong einer Ent- 
schidigong für den Unfall vom 21. Joni 1906. (Kompaß; 1908). 


Die prozentuale Bemessong der Unfallfolgen bei zeboB vorber be- 
elBtrlcbtlgter Erwerbsflblgkelt. Beknrs-Entscheidong desReicha- 
versicherongsamts vom 11. Dezember 1907. 

Bei der Festsetznng der Teilrenten von TI'/t, 35‘/7 nnd 21 */t */* ist der 
Sektionsvorstand augenscheinlich von folgender Erwänng amg^angm: die 
ärztlichen Schätzungen der Unfallfolgen anf 50, 25 nnd 15°/o der vOlDgen Er¬ 
werbsunfähigkeit beziehen sich auf einen vor dem Unfälle noch ganz erwerbs¬ 
fähig gewesenen Verletzten; der EUäger ist aber vorher schon um 80**/« io der 
Erwerbsfäbigkeit beeinträchtigt gewesen; wenn er non von den noch vor¬ 
handenen 70**/o normaler Erwerbsfähigkeit durch den Unfall weitere 50, 25 
nnd 15*’/o normaler Erwerbsfähigkeit verliert, so bedeutet das fttr ihn einen 
Verlmt von ‘**/7o, *‘/7o und *‘/7o oder — in Hondertteilen amgedrttckt — von 
71*/7, 35^/7 und 21*1 seiner in Ansatz zu bringenden persönlichen Erwerbs¬ 
fähigkeit. Diese Erwägung entspricht dem Gesetz, und die Berechnung ist 
rein mathematisch zutreffend. Indessen darf nicht außer acht gelassen werden, 
daß der Grad der durch einen Unfall herbeigeltthrten Erwerbsunfähigkeit nnd 
der Grad der verbliebenen Erwerbsfähigkeit niemals mit unfehlbarer Genauig¬ 
keit bestimmt, sondern immer nur nach freiem Ermessen annähernd geschätzt 
werden können. Einerseits in Anbetracht dieses, einer jeden Schätzung an¬ 
haftenden Mangels, und anderseits anf Grund der gesammelten Erfahrungen 
haben sich in der Bechtsttbung der Unfaliversichernngsinstanzen allgemein ge¬ 
wisse abgerundete Prozentsätze heramgebildet und werden jedenfalls Ab¬ 
stufungen unter 5‘*/o und gar Bruchteile von Prozenten regelmäßig vermieden; 
eine Ausnahme bilden nur die Sätze von 33> '8 und 66Vs°/„ die aber ein Drittel 
und zwei Drittel der völligen Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit dar¬ 
stellen und insofern eine abgerundete Schätzung enthsdten. 


Eine formelle Verpflichtung zur Anhörung des hehandelBden Arztes 
gemäss § 69 Abs. 8 der Gewerbe-Dnf.-Vers.-Ges. liegt nur dann vor, 
wenn sich die Entscheidung ausschliesslich oder doeh Im wesentlichen auf 
eine eigentliche medlzinlschwissensohaftllche Feststellnng nnd Begut- 
aohtnng grflndet. Bekurs-Entscheidung des erweiterten Senats 
des Beichsversicherungsamts vom 6. Juni 1908. 

Fttr die Aufnahme der Vorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 1 in das jetzt 
geltende Gewerbe-Unf.-Vers.-Ges. vom 80. Juni 19(X) ist die Erwägung 
hauptsächlich mitbeatimmend gewesen, daß gerade von demjenigen Arzte, der 
den Verletzten unmittelbar nach dem Unfälle behandelt hat, die Feststellnng 
wesentlicher Tatumsiände, die sich leicht der Kenntnis der erst später in An- 



Kleinere lOtteilnngen und Befente nne Zeitsohriften. 


847 


sprach genommenen Aerzte entziehen, erwartet werden kann, and daß daher 
die Anhdrang des erstbehandelnden Arztes znr Sieherang einer einwandfreien 
Feststellnng des ursprünglichen Befundes geboten erscheint. Dieser Hanpt* 
grond entfällt, wenn es anf die FeststeUang solcher Tatnmstände nicht 
ankommt, es sich vielmehr im wesentlichen nar am die Bearteilong des Zu¬ 
standes handelt, wie er sich später infolge des Unfalles gestaltet hat Hier 
wird- es in manchen Fällen der Anhörang eines Arztes Oberhaupt nicht bedürfen, 
vielmehr werden andere Erkenntnisqneilen der zur Feststellung der ünfsH- 
entschädigungen berufenen Instanzen, insbesondere die Augenscheinseinnohme, 
die in ähnlichen Fällen gewonnene Erfahrung usw. eine sichere Entscheidung 
ermöglichen. Dies trifft z. B. zu bei Beurteilung von Leistenbrüchen, einfachen 
äußeren Hondveiletzungen, bei dem Verlust der Sehkraft eines Auges usw. 

In dem zur Entscheidung stehenden Falle handelte es sich um den 
glatten Verlust der Endglieder und annähernd der Hälfte des zweiten Gliedes 
am Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand. Die Beurteilung dieser Unfall- 
Verletzung war den Vorinstanzen auf Grund der Besichtigung der Hand sehr 
wohl möglich, ohne daß es überhaupt der ärztlichen Begutachtung bedurfte. 
Wenn dos Schiedsgericht dessenungeachtet noch einen ärztlichen Sachverständigen 
gehört hat, so lag doch kein Grund vor, auch noch den behandelnden Arzt 
zuzuziehen, da dessen Bekundung über den Befand nnmittelbor noch dem Un¬ 
fälle für die Bemessung der Bente ohne jede Bedeutung wäre. 


D. Bukturlologl«, Iiifektloiiakraiikh«lt«]i ond öffeatliohua 

BanltAtuweuen. 

Bakteriologie, Infektlonekraakheiten und andere Krankheiten 

Zu welcher Jahreszeit sollen wir Impfen 1 Von Kinderarzt Dr. Walther 
Kampe- Bonn. Zentrolbiatt f. oUgem. Gesundheitspflege; 1908, 7. nnd 8. Heft 

Verf. tritt für eine Aenderung der gesetzlichen Impfzeit, ntolich Ver¬ 
legung in die Monate Februar bis Aiffong Mai und Ende September bis Dezem¬ 
ber ein, da er die jetzt üblichen Sommermonate für sehr ungünstig hält 
(Magen - Darmkrankheiten, Hautaffektionen infolge der Hitze bei Erstimpflbgen, 
Unterbleiben des Badens für die Wiederimpflinge). Die angeführten Gründe 
erscheinen keineswegs ausreichend, um eine Aenderung noch dem Vorschläge 
des. Verl wünschenswert erscheinen zu lassen, vielmehr werden sich gewichtigere 
Gründe anführen lassen, die gegen die Verlegung der Impfungen in die kältere 
Jahreszeit sprechen. _ Dr. Solbrig-Allenstein. 

Zur Bekämpfung der Granulöse. Von Med.-Bat Dr. Cohn, Kreis¬ 
arzt o. D. in Heydekrung. Vierteljahrsschr.für gerichtliche Medizin u. öffentl. 
Sanitätswesen; 1908, Bd. XXXVI, H. 1. 

Verfasser berichtet über seine Erfahrungen, die er während 9 Jahren 
im Kreise Heydekrug gemacht hat. Er hat hauptsächlich zwei Formen von 
Granulöse beobachtet, die er ids genuine nnd akute bezeichnet. Bei letzterer 
ist die Ansteckungsfähigkeit besonders groß: bei den mangelhaften hygi¬ 
enischen Zuständen breitet sie sich sehr rosen ans. Seitens der Regierung 
ist eine ganze Reihe teils prophylaktischer, teils therapeutischer Vorkehrungen 
getroffen worden. Es wurden besonders vorgebiidete Trachomärzte — 
meist die Kreisärzte — angestellt, die die einzelnen Schalen in vierwöchent- 
lichen Intervallen aufsuchten und kontrollierten. Die erkrankten Kinder wurden 
in Behandlung genommen und auch die Angehörigen maßten anf Verlangen 
zur Untersuchung erscheinen. Bei besonders schweren Fällen kann die zwangs¬ 
weise Ueberführung in das Kreiskrankenhaus, die Universitäts-Augenklinik 
oder dos Krankenhaus zur Barmherzigkeit in Königsberg erfolgen. Die nicht 
unter Kontrolle stehenden Schulen werden jährlich durch den Kreisarzt besucht. 
Ferner werden die Lehrer zur Behandlung herangezogen, indem ihnen die 
Fertigkeit des Einträufelns von adstringierenden oder antiseptischen Lösungen 
beigebracht wird. Schließlich sind in besonders betroffenen Gegenden Granu- 
loseschwestern angestellt. Noch den Erfahrungen des Verfassers genügen diese 
Maßregeln aber nicht. Einerseits liegt dies ln dem Mißtrauen der Bevölkerung 
gegen die Troehom&rzte; denn nur durch Anwendung von Zwangsmaßregem 



848 


Kleinere Mitteilnngen nnd Refente nne ZeltaehrifteiL 


sind die Erkrankten zur Bekandlong zn bringen, der sie sich auf alle mögliche 
Art und Weise za entziehen soeben. Anderseits mnfi eine h&ndgere Kontrolle 
stattfinden, was aber dem vielbeschäftigten Trachomarzt gar nicht möglich ist. 
IHe Mitbehandiang der Lehrer hält Verfasser nach seinen Brfahmngen fftr 
answeckmäßig; er wfinscht dafür eine größere Anzahl aasgebildeter Schwestern. 
Nach allem kommt er za dem Besaltat, daß von der Begierang zwar alles 
geschieht, was in ihren Kräften steht, daß dieses aber noch lange nicht ge¬ 
nügt. Unbedingt müsse in dem Etat eine größere Somme für die Trachom- 
bekämpfang aasgeworfen werden, damit die Behörden größeren Spielraom 
hätten. Oie Kontrollen durch die Trachomärzte müßten wöchentii<± statt- 
flnden. Besonders wichtig sei die operative Behandlang, die jedoch häufig 
nicht darchzoführen sei, weil die Kranken sehr ungern in das Kreiskranken- 
haas gingen,die Angenklinik in Königsberg meistens überfüllt und eine Ver- 
grOßerang der fiUinDc unbedingt notwendig sei, so daß jederzeit und in be- 
Uebiger Anzahl Granulosekranke Aufnahme finden könnten. Bpd. 


Die Bedeutnng der Kontaktiufektion fttr die Ansbreltnng der Taher- 
knlose namentlich Im Kindesalter. Von Dr. Ostermann. Zeitschrift für 
Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 60 und Flügge: Tuberkulose. 

üntersuchungen in 20 ausgesucht schlechten Phthisikerwohnungen (ein 
oder mehrere Phthisiker mit reichlichem Baziilenauswurf, Wohnungsenge, 
Armat, Schmutz): Die Lebensgewohnheiten wurden studiert. Der Staub des 
Fußbodens, auf dem die Kinder herumratschten, wurde auf das Vorhandensein 
von Tuberkeibazillen geprüft. Entnahme teils mit trockenen, teils mit an- 
gefeuchteten Wischern, ln 5 von 10 Fällen wurden Tuberkeibazillen durch 
Verimpfung auf Meerschweinchen naebgewiesen (Imal in einer Verdünnung 
1:100 der Staubbouillon). Manche der für Kontakt in Betracht kommenden 
üebertragungsweisen entgehen der quantitativen Abschätzung (Küsse, Schnaller 
und dergl.). Das wichtigste Glied in der Uebertragungskette, die Hand, wurde 
bei 42 ändern (zumeist Butschkinder) auf Tuberkeibazillen geprüft; bei 4 
derselben wurden Bazillen gefunden, 1 mal noch in der Verdünnung 1:1(X). 
Trotz der ausgesucht schlechten Verhältnisse abo geringe Ausbeute; demnach 
ist Schmutz- und Schmierinfektion bisher wohl überschätzt. Die Behauptung, 
daß gerade im Kindesalter die Tuberkulosesterblichkeit durch die Kontakt¬ 
infektion anschwelle, beruht auf irrtümlicher Verwertung des Sektionsmateiials. 
Richtig ist, daß die Sterblichkeit im Alter von 2-5 Jahren nachläßt. 

Der Bartel sehe Meerschweinchenversuch, die sog. Ulustration der 
Schmatz- und Schmierinfektion wird, auch experimentell, widerlegt. 

Für Erwachsene spielt die Kontaktinfektion eine noch geringere Bolle. 
Bei den gesunden Erwachsenen in obigen Familien nie Tuberkelbazilien an den 
Händen. Größere Ausbeute war bei Pflegern und Phthisikern. Ob sich die Tu- 
berkelbazillen von den Händen leicht lösen, wurde durch besondere Experimente 
geprüft. Bei gewöhnlichem Händedruck schwer und gar nicht, leichter bei 
feuchten Händen. Größere Ablösung erfolgte erst bei längerem Kontakt (‘/t bis 
1 Min) in feuchten Medien (Nase, Mund). Zu alledem kommt, daß durch die 
Kontaktinfektion nur eine Deglutitionstuberkulose sich entwickeln kann; hier 
sind zur Infektion Bazilienmengen erforderlich, die in Wirklichkeit nur selten 
zur Aufnahme gelangen. Wo Kontakt mit Tuberkeibazillen möglich ist, be¬ 
steht gleichzeitig immer die viel größere Gefahr der Inhalation. 

Autoreferat. 


Infektionschancen beim Genuss von Milch nnd Mllehpräparaten von 
perlsttchtigen Kühen. Von Dr. Oster mann. Zeitschrift für Hygiene und 
Infektionskrankheiten; Bd. 60 und Flügge: Tuberkulose. 

Quantitative Prüfung des Vorkommens von Tuberkeibazillen in der Milch 
perlsüchtiger Kühe und in den daraus gewonnenen Präparaten: Bahmj Butter, 
Buttermilch (Meerschweinchenimpfungen): Die erste Probe erwies sich noch 
in einer Verdünnung von 1: 5000 als bazillenhaltig, daraus gewonnener Bahm, 
Butter, Buttermilch in der Verdünnung von je 1: i(X)0. ln zwei Parallelver¬ 
suchen einer anderen Probe Milch 1: 50000 noch positiv; Bahm, Butter, Butter¬ 
milch noch 1: lOOOO. Aeußere Umstände gestatteten leider nicht die Fort¬ 
setzung der Versuch; es geht jedoch schon hieraus hwvor, daß in der MUeh 



Kleinere Mitteilongen and Keferate ans 2teitschriflen. 


849 


perlettchtiflrer Kfthe nngehenre Mengen Ton Taberkelbazillen enthalten sein 
können. Die Umstände werden erOrtert, welche gegen die Gefahr wirken, die 
der Gesamtmilch darch die Milch perlsttchtiger Etthe drohen (Pasteorisieren, 
Verdünnang in den Molkereien, schwankende Absonderung der Bazillen von 
seiten der kranken Koh, besonders im Anfang der Eatertnberknlose nur ge¬ 
ringe Absonderang, Aasmerzen der erkrankten EOhe darch die Tätigkeit der 
Herdbachgenossenschaften). Aas der Literator geht hervor, daß nar ca. 10*/o 
der Milch- and Batterproben bazillenhaltig sind, and unter diesen nur wenige, 
welche erhebliche Quantitäten enthalten. Zar intestinalen Infektion sind aber, 
namentlich ftkr Perlsachtbazillen, ungeheure Bazillenmengen erforderlich (vgl. 
die unten referierten Arbeiten). Daher wird die Gefahr der Perlsachtinfektion 
auf einzelne Aasnahmefälle beschränkt sein [dauernder Genuß der Einzelmilch 
einer perlsachtkranken Kah (Eatertaberkalose)]. Die allgemeine Tuberknlose- 
freqaenz wird dadurch kaum beeinflaßt. Autoreferat. 


Weitere Beiträge snr Frage über die Beiiehnngen iwisehen SBng- 
llngsemihrung und Tnberknlose* Von Dr. Bruno Hey mann. Zeitschrift 
für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 60 und Flügge: Taberkalose. 

Karzgefaßte Würdigung der pathologisch - anatomischen Ergebnisse, nach 
deren überwiegender Mehrheit die primäre Ansiedlong der Taberkalose im 
Darm und in seinen regionären Lymphdrüsen auch im Kindesalter Überaus 
selten ist. Daraus folgt geringe Bedeatang der Milch für Taberkaloseinfektion. 
Die von Behringsche Behaoptang wiederum, daß auch die Lungentaber- 
kalose nur aaf die intestinale Anfnahme der Taberkelbazillen zurückzuführen 
sei (Milchgenaß, Durchwinden der Bazillen durch die unverletzte Darmwand — 
Lymphstrom — Blutkreislauf — Lunge), wird auch durch die neuen biologi¬ 
schen Prüfungen der tuberkulösen Verändernngen am Menschen widerlegt. 
Eine kritische Sichtung derselben zeigt, daß überall der Typus humanus den 
bei weitem hervorragenden Anteil an der Infektion hat. 

Im Einklang damit stehen die Mitteilungen der Autoren, welche das 
Verhältnis der Menschentuberkulose zur Bindertuberkulose in den Gegenden 
besonders studieren, in denen die Bindertaberkalose eine hervorragende Ver¬ 
breitung hat. 

Andere Beweise bietet Hey mann durch neue ethnographische Beiträge 
aus Bumänien, den Faer-Oer Inseln, Aegypten und von der (ioldküste. 

_Dr. Ostermann-Breslau. 

Die Disposition der Lunge rar Erkrankung an Tuberkulose« Von 
Dr. Oettinger. Zeitschr. f. Hyg.; Bd. 60 n. Flügge: Tuberkulose. 

Kaninchen wurden mit den Aufschwemmungen verschiedener Bakterien¬ 
arten intravenös injiziert und nach 1 bezw. 8—4 Standen getötet. Ans den 
einzelnen Organen Nachweis der Bakterien kulturell, und zwar so, daß 
die einzelnen Organe auch quantitativ verglichen werden konnten. In allen 
Versuchen enthielten die Lungen die geringste Menge von Bakterien im Ver- 

S leich zu den anderen Organen. Die Langen wirken also keineswegs als 
iakterienfilter, wie vielfach angenommen. Ein Versuch mit Taberkelbazillen 
ergab, obwohl die quantitative Bestimmung (biologisch) große Schwierigkeiten 
machte, ein entsprechendes Besultat. Auf die Taberkalose übertragen, bedeuten 
diese Experimente also, daß das vorwiegende Erkranken der Langen nach dem 
Uebertritt von Taberkelbazillen in den Kreislauf lediglich an der größeren 
Disposition des Lungengewebes liegt, auch auf die Invasion weniger Bazillen 
mit einer Erkrankung zu reagieren, liegt. Dr. Ostermann-Breslau. 


Untennehnngen Aber die Infektion einer Tnberknlose dnreb Inhalation 
von trockenen Spntnmstanb. Von Dr. Köhlisch. Zeitschr. t Hyg. u. Inf.; 
Bd. 60 n. Flügge.: Taberkalose. 

Inhalation basillenhaltiger Tröpfchen bewirkt nach allen Versuchen in 
viel kleineren Dosen und viel gleichmäßiger eine Infektion, als Inhalation 
bazillenhaltigen Staubes (für Minimaldosis zirka 3600 BazUlen für Meerschwcdn- 
chen, bei Tröpfchen 60). Nur 2 - 7 */o des Staubes gelangen in die feinsten 
Bronchien (Tröpfchen 88<>/o). Von den anhaftenden Bazillen bewirkt wiederum 
nur ein Bruchtdl Infektion (der andere darch Auslosung der Flinuneibewegang? 



860 


Kleinere Mitteilungen und Beferate ans Zeitaohriften. 


der Phagosythoae? eliminiert). Der Versnoh, Meerachweinohen durch iäaatmen 
Ton Staub aua Phthiaikerwohnungen zu infizieren, mißlang in allen Fällen, obwohl 
Tuberkelbazillen in dem Staub vorhanden waren (poaitiver Eontrollimpfrerauch). 
Die Verhältnlaae liegen alao für daa Zoatandekommen der Siaubinlektiou 
(Comet) weaentlich ungttnatiger wie Ittr die Trbpfcheninhalation. 

_Dr. Oatermann-Brealau. 

Tersuehe am Meeraehweluehen über die Aufhahme inhalierter 
TnberkeibaiUleu in die Lunge. Von Dr. Heymann. Zeitachr. f. Hyg. u. 
Inf.; fid. 60, und Flügge: Tuberkuloae. 

I. Biologiacher Machweia: ln der Lunge mittelgrofier Meerachweinehea 
aind in 1 Stunde und apäter nach der Inhalation einea tuberkelbazillenbaltigea 
Spray’a aelbat bei mittleren Doaen (10 000 Bazillen) ateta Tuberkelbazillen nach* 
zuweiaen, und zwar auch in den peripheren Teilen der Lungenbaaia. ln den 
Bronchlaldrüaen aind bei mittleren Doaen (10000—100000 Bazillen) erat 3 Tage 
nach der Inhalation Bazillen nachzuweiaen, nach 6 Tagen wieder nicht mehr 
(rernichtet? weitergewandert?). Bei hohen Doaen (100000 Bazillen) aind auch 
in den Bronchialdrüaen bereite 1 Stunde nach der Inhalation Bazillen nach- 
weiabar und yerachwinden nicht mehr. 

IL Hikroakopiacher Nachweia: Der direkte mikroakopiache Nachweia 
gelang. Die Tuberkelbazillen liegen meiatena in den Epith^ellen, aeltener 
ua Leukozythen zwiachen den Epithelien oder frei im Lumen der Lufträume; 
alao an den Stätten, an denen bezw. von denen aua die Wucherung der Bazillen 
und die Bildung dea Tuberkela beginnen. Dr. OatermanU’Brealan. 


Das Sehlekgal Inhalierter Sehtmmelpilmperen. Von Dr. Ballia. 
Zeitachr. f. Hyg. u. Inf.; Bd. 60 und Flügge: Tuberkuloae. 

Veranche mit Aspergillus fumigatna ergaben, daß die inhalierten Sporen 
sehr rasch, zum Teil acbon nach 8 Stunden die Alyeolarwände paaaierea und 
in den Alreolarsepten zum Anskeimen gelangen. Die Sporen des weniger 
virulenten Aspergillua niger drangen langsam & das Qewebe vor und keimten 
nicht aus. Die Sporen von PenicUliom glaucum drangen wohl ebenso schnell 
wie die dea Aspergillns fnmigatus in das Gewebe ein, riefen hier aber eine 
erheblich schwächere Beaktion hervor. Brandpilzsporen vermochten erst am 
2. Tage in die Septen einsudringen. Nach Verfütterung konnten weder kul¬ 
turell, noch mikroakopiach Sporen im Lnngengewebe naimgewiesea werden. 

Dr. Oatermann-Brealau. 


Tersuehe über die Durehglnglgkeit dea Darmes ffir Tuberkelbazillen. 
Von Dr. Beichenbach u. Dr. Bock. Zeitachr. t Hyg. u. Inl.; Bd. 60 
und Flügge: Tuberkulose. 

Füiternngaversucbe mit Typus bumanus: 4—6 Std. uach der Aufnahme 
wurden die Tiere getütet; die einzelnen Organe zerkleinert und verrieben 
Meerschweinchen injiziert. Von 4 Hunden konnte bei einem ein Durchwandern 
der Bazillen durch die Darmwand beobachtet werden (Befund in Mesenterial- 
drüsen, Leber, Lunge). Fett (Sahne) scheint den Durchtritt zu begünstigen. 
Bei 27 Meerschweinchen, die teilweise mit der Sonde gefüttert wurden, um 
Fette mit einzuführen, wurde dagegen nicht ein einziges Mal ein Durchtritt 
der Bazillen beobachtet, der als physiologisch bezeichnet werden konnte. 
Nur 1 mal am 8. Tage nach der Infektion mit einer tödlichen Dosis fanden 
sich Bazillen in der Lunge und einmal in den Meaenterialdrüaen. Ebne rasche 
Erkrankung der Lunge deutet also immer auf eine primäre btonchogwe 
(Tnhalations)infektion hin und nie auf eine intestinale Aufnahme. 

_Dr. Ostermann-Brealan. 

Das Verhalten des Kaulnehens gegenftber den versehiedeaeu In* 
fektlonswegen bei Tuberkuloae und gegenüber den venehiedenen Arten 
dea TuberkelbacUlns. Von Dr. Alexander. Zeitachr. f. Hyg. u. 1hl; 
Bd. 60 und Flügge: Tuberkulose. 

Die Fütterung steht beim Kaninchen für die Infektion mindestens eben¬ 
soviel hinter der Inhalation suiück wie beim Meerachweinchen. Inhalation 
und intravenöse Iqjektion verhalten sich ungefähr gleieh inbeing auf wirksame 



Kleinere Hitteilnngen nnd Befeiate ana ZeitechrlfteB. 


851 






I 

■ X 


.„9 

;i.- 

' V 

;*» ' 


'I '■ 


> 









MinimaldoBia und die fttr die Wirkung erforderliche Zeitdaner. Im Vergleich 
zom Meerschweinchen läßt sich das Kanichen durch Inhalation mit dem ^pus 
hnmanns viel schwerer infizieren. _ Dr. Ostermann-Breslau. 

Experimentelle Untersnehnngen über die Eintrittswege der Tnber- 
knlose* Von Dr. Beichenbach. Zeitschr. f. Byg. n. Inf.; Bd. 60, and 
Flttgge: Taberkolose. 

I. Vergleichende Versuche ttber Inhalation und Fütterung yon Meer¬ 
schweinchen mit Tuberhelbazillen als Ergänzung der Findel’schen Arbeit 
(s. diese Zeitschr. |1907, 8. 805): Die kleinste wirksame Dosis war bei ein¬ 
maliger Fütterung'^ 350 000 mal so grofi wie bei der Inhalation. 

II. Versage an Ziegen: Während bei der Inhalation 0,01 mg Kultur 
des Typus boyinus zur Erzeugung einer schweren Langentuberkulose genügt, 
weisen Ziegen, die mit 5 und 25 mg gefüttert waren, nur schwache, mikro¬ 
skopisch nachweisbare Veränderungen der Mesenterialdrüsen auf. Ebenso wie 
bei den Meerschweinchen konnte auch hier nicht die Bede dayon sein, daß die 
sonstwie beobachteten Lungentuberkulosen yon Darm aus durch yerscbluckte 
Bazillen entstanden sind. 

lU. Fütterung yon Meerschweinchen mit wiederholten kleinen Dosen: 
Geringste Einzeldosis 5—10 mg. Kultur. Bei fortgesetzter Fütterung entscheidet 
innerhalb gewisser Grenzen weniger die Größe der Einzeldosis, als der Zeitraum, 
wäbrendessen die Fütterung fortgesetzt wird (selbst 51 mal 0,02 mg hatte 
Erfolg). Bei vergleichenden Inhalationsyersuchen genügten jedoch schon 
8 mal 3 Bazillen zur Infektion der Longe. 

IV. Inhalationsversuche mit Ausschluß des Nasenrachenraums: Aus 
allen Experimenten folgt, daß die Infektion auf dem Inhaiationswege leichter 
nnd mit viel geringeren Dosen erfolgt, und zwar bewirken ausschließlich die 
wenigen direkt in die Lunge gelangenden Bazillen die Infektion. 

Dr. Ostermann-Breslau. 


Ueber Toberkelbazillen in der Milch tuberknlSser Tiere. Von 
Dr. D. A. deJong in Leyden. Zentraiblatt für Bakteriologie; I. Abt. Orig., 
Bd. 46, H. 3. 

Daß Milch von an Eutertuberkulose oder an schon klinisch manifester 
Tuberknlose anderer Organe leidenden Kühen vom milchhygienischen 8tand- 
punkt aus zu beanstanden ist, unterliegt beute keinem Zweifel. Dagegen 
gehen die Ansichten betreffs der Milch solcher Kühe, welche, ohne klinische 
Symptome zu zeigen, lediglich auf Tuberkulin reagieren, noch sehr auseinander. 
D e J o.’n g hat die Milch solcher Kühe, die lediglich auf Tuberkulin reagierten, 
nach gründlicher Beinigung des ganzen Hinterteils und des Euters der Kühe 
in verschiedenen Portionen aufgefangen, nnd besonders die letzten Portionen 
aus jeder Euterzitze durch Veriropfen auf Meerschweinchen auf das Vorhanden¬ 
sein yon Tuberkelbazillen untersucht. Dabei konnte er bei 3 von 10 Kühen 
die Bazillen nachweisen. Er glaubt deshalb zur Vorsicht mahnen zu müsisen, 
und rät, wenn man absolut sicher gehen wolle, nur Milch von solchen Kühen 
zu verwenden, welche klinisch gesund sind und auf Tuberkulin nicht reagieren. 

Dr. Lentz-Berlin. 


Kutane Tuberknlinreaktion bei Säuglingen. Von Dr. Ellenbeck- 
Dresden. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 42. 

Verfasser berichtet über das Besultat der Versuche, die im Dresdener 
Säuglingsheim gemacht wurden. Er kommt dabei zu folgenden Schlüssen; 

1. Die Kutanreaktion ist als diagnostisches Hilfsmittel bei der Säuglings- 
tuberkulose sehr wertvoll, da sie harmlos, einfach und zuverlässig ist. 

2. Eine positive Beaktion ist oft das erste Zeichen der noch nicht mani¬ 
festen Tuberkulose und kann daher unser Wissen über den Verlauf der Säug- 
lingstuberkulose vermehren. 

3. Als positive Beaktion ist nur eine solche aufzufassen, wo sich eine 
deutliche rote Papel gebildet hat. Die zweifelhaften Eeaktionen sind als 

negativ aufzufassen. 

4. Der negativen Beaktion kommt in vielen Fällen eine hohe diagnosti¬ 
sche Bedeutung zu. Auf den negativen Ausfall der Kutanprobe ist aber erst 



852 


Kleinere Hitteiinngen nnd Referate ans ZeitachrifteiL 


nach mehrfacher Wiederholang in angemessenen Zwischenräumen (18 Tage) 
Wert za legen. 

5. Die positive Reaktion ist bei dem üntersnchangsmaterial 5mal bei 232 
wahllos gemachten Sanglingen vorgekommen and zeigt, daß die Saaglingstnber- 
kalose aach bei anfänglich gedeihenden Kindern eine schlechte Prognose bietet. 

- Bpd. 

Heber den Wert der BSnfgendlagnostik der Frfihtnberknlese der 
Langen. Von Prof. Dr. Er aase'Jena. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 29. 

Auf Oiand seiner Eifahrangen kommt Verfasser za folgenden Besaiteten: 

A. Leistangen bei der Frtthtnberkalose der Erwachsenen. 

1. Perkassorisch nachweisbare infiltrative Prozesse der 
Spitzen, die eine gewisse Aasdebnong haben, geben bei der Darchleachtang 
einen mehr oder minder tiefen Schatten. 

Die Böntgenantersnchnng ist insofern der klinischen häufig ftberlegoi, 
als sie dartat, daß der Prozeß in vielen Fällen aasgedehnter ist, als ver¬ 
mutet wird. 

2. Perkassorisch nicht oder nnr unsicher nachweisbare 
Infiltrationen können häufig durch die Darchleachtang oder bei zweifelhaften 
Darchleacbtangsresaltaten sicher noch durch die Böntgenphotographie (Blenden- 
aofnahme) nacbgewiesen werden; auch hierbei wird nicht selten entdeckt, daß 
es sich am weiter vorgeschrittene Fälle handelt, als es erwartet wird. 

3. Bein katarrhalische Prozesse im Frühstadiom sind weder röntgeno- 
skopiscb, noch röntgcnographisch nachweisbar; bei länger bestehendem Katarrh 
sieht man infolge schlechteren Lnftgehaltes bei der Darchleachtang dunklere 
Spitzen, welche sich inspiratorisch nicht aafhellen; bei praktisch wichtigen 
Fällen sollte stets die Photographie (Blendenaufnahme der Spitzen) heran¬ 
gezogen werden (häufig beginnende infiltrative Prozesse, welche aaf andere 
Weise nicht nachweisbar sind). 

4. Höherstand der Langenspitzen (in zweifelhaften Fällen 
orthodiagraphische Messangen) spielt nar bei Differenzen von 1—1</> cm eine 
Bolle; Breite der Lungenspitzen ist noch nicht genügend röntgenograpbisch 
studiert, um diagnostisch Verwendung za finden. 

Die Verknöcherung der 1. Rippe ist mittels Blendenaofnahme gat 
nachweisbar and im Sinne Freunds als Zeichen der Frtthtuberkalose zu 
verwenden. 

Die respiratorische Aafhellung der Lungenspitzen, welche 
bei Gcsanden vorhanden ist, fehlt häufig einseitig oder doppelseitig bei der 
Frühiuberknlose. 

Die Zwerchfellstellang ist vielfach mangelhaft; ein einseitiges 
Zarttckbleiben des Zwerchfells auf der erkrankten Seite (Williamsches Phä¬ 
nomen) kann als besonderes Symptom nicht anerkannt werden und ist daher 
diagnostisch nicht za verwerten (orthodiagnostische Messangen erforderlich). 

Stellung der Bippenschatten im Böntgenbilde ist diagnostisch 
nicht oder nur mit Vorsicht za verwenden. 

B. Leistungen bei der Frtthtaberkulose der Kinder 
and jugendlicher Personen. 

In den meisten Fällen fehlen dabei Langenspitzenbefande; desto wich¬ 
tiger ist der Nachweis der Veränderangen am Hilasschatten (vergrößerter 
Bronchialdrttsenschatten infolge von Indarationen, Verkäsung, Verkalkung, 
iufiltrative Prozesse in der Umgcbang des Eilas and der Bronchien); recht 
häufig hat der Verfasser dabei das Bild der zentralen Pneumonie infolge 
Pneumokokkenmischinfektion gesehen. Trotz Entfieberung geht röntgenoskopisch 
der Prozeß langsam weiter vorwärts und wird nach Wochen auch perkassorisch 
und auskaltatorisch (and bakteriologisch) als Taberkolose erkannt. Bpd. 


Das Rfinlgenverfahren und seine Entwickelung ftlr die Diagnostik 
der Lungen- nnd BronchialdrUsen - Tuberkulose. Von A. Eyritz-Ober- 
kaufuDgen. Ing. Dbs. Marburg 1908. 

Verf. hofft durch Mitteilang von 6 typischen Fällen, die nicht etwa verein¬ 
zelte Befände darstellen, sondern ans der Menge ähnlicher Bilder herausge^riffen 
sind, gezeigt zu haben, daß dem Böntgenverlahren Uer noch eia weites, dank- 



Kleinere Mitteilnngen and Referate ane Zeitsobriflen. 


858 


bares diagaostisches Feld offen sieht; er möchte am Schiasse der Arbeit aaf 
die Motire hinweisen, mit denen aach de la Camp die weitere Förderung der 
Rötgendiagnostik propagiert: „Die physikalische Untersnchang eines Organs 
kann erst als abgeschlossen gelten, wenn sämtliche verfügbaren Untersnchangs* 
metbodcn zur Anwendang gekommen sind. Wertvoll erscheint dabei die 
Bestätigung des Dnteraachangsbofundcs durch eine andere; unersetzlich das 
Ergebnis, das eine Methode kraft der ihr zukommenden •Eigentümlichkeit zu 
leisten imstande ist." 

In diesem Sinne worden wir auch von der RöntgenanterBuchang über 
die Bestätigung dos perkutorischen und auskultatorischen Befundes hinaus 
weitere Ergebnisse auf dem Gebiete der Frühdiagoose der Langentuberkulose 
erwarten können, die eben der Köntgenoskopie und Röntgenograpbie eigen¬ 
tümlich sind, und die nicht nur die divergenten Ansichten über die Aetiologie 
des Spitzenkatarrhs bezw. den Infektionsweg zu festen Normen verdichten, 
sondern auch unser therapeutisches Handeln beeinflussen können. 

_ Dr. Wo 11-Marburg. 


Klinische und experimentelle Beitrflge zur Konjunktlvalreaktion. 
Von Privatdozent Dr. G. JLüdke-WUrzburg. Zentralblatt für innere Medizin; 
1908, Nr. 28. 

Verfasser verwandte eine 2prozentige Lösung von Alttuberkulin und 
kam zu dem Resultat, daß die Ophthalmoreaktion weder bei Tuberkulose, noch 
bei Typhus als eine spezifische anzusehen ist, daß der positive Ausfall wohl 
meist für Tuberkulose spricht, der negative aber Tuberkulose nicht mit Sicher¬ 
heit aasschließt. Auch eine prognostische Bedeutung kann er der Methode 
nicht in jedem Falle zugestehen. Dr. Wo 11-Marburg. 


Untersuchungen über die Ophthalmoreaktion der Tuberkulose. Von 
Marine - Stabsarzt Dr. Wiens und Oberarzt Dr. Günther - Breslau. Münchener 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 36. 

Nach Abschluß der Untersuchungen von 456 Fällen halten die Verfasser 
in ihrem Endurteil die Anwendung der Ophthalmoreaktion in der Praxis nicht 
für zweckmäßig, da sie einerseits keine ganz sichere Resultat gibt, anderseits 
die Möglichkeit schwerer Reaktionen nie ausgeschlossen werden kann. In der 
EUnik wird sie gelegentlich eine Unterstützung anderer Untersuchungsmethoden 
sein können. _ Dr. Waibei-Eempten. 


Ueber gefUhrllche Folgen der Calmetteschen Ophthalmoreaktion. 
Von Dr. P. Schrumpf, Assistenzarzt in Straßbarg. Münchener medizinische 
Wochenschrift; 1907, Nr. 43. 

Verfasser berichtet über einige sehr unangenehme Erfahrungen, die er 
bei der Vornahme der Ophthalmoreaktion gemacht hat und laßt das Ergebnis 
seiner Untersuchungen in folgende zwei Schlußsätze zusammen: 

1. Die mit allen Vorsichtsmaßregeln augestellte Calmettesche Oph¬ 
thalmoreaktion kann zu dauernden schweren Schädigungen des Auges führen. 

2. Daher ist dieselbe mit großer Vorsicht anzuwenden und sind die 

Patienten vorher über die damit eventuell verbundenen Gefahren aufmerksam 
zu machen. _ Dr. Waibei-Eempten. 


Die Bedeutung der Konjunktlvalreaktion nach 4000 klinischen Be¬ 
obachtungen nebst Bemerkungen Uber Tnberkelinimnnitiit und Therapie. 
Von Dr. A. Wolff-Eisner, Arzt 1. innere Erankbeiten in Berlin. Münchener 
msd. Wochenschrift; 1908, Nr. 45. 

Verfasser verbreitet sich in längeren Ausführungen über die bisherigen 
Ergebnisse der neuen TuberkuUnreaktionen und faßt seine Ansführungen in 
folgenden Sätzen zusammen: 

1. Die Subkutan- und Eutanmethode sind spezifische Reaktionen auf 
Tuberkulose; da beide auch latente Tuberkulosen anzeigen, sind sie für die 
klinische Diagnostik nur mit Einschränkung verwendbar. 

2. Die positive Eonjonktivalreaktion zeigt aktive Tnberknlcse an. 

8. Ihr Auftreten bei klinisch Gesunden macht diese dringend susp'^k*. 



854 


Kleinere Mitteilungen und Referate nne Zeitschriften. 


4. Ihr negntiver Ausfall bei manifester Tuberkolose hat eine prognostisch 
ungünstige Bedeutung. 

5. Die negativen Reaktionen werden mit dem Fortschreiten der Er¬ 
krankung immer häufiger. 

6. Aus einer positiven Eonjunktivalreaktion ist kein Schluß auf eine 
günstige Prognose zu ziehen, sondern nur aus der sog. kutanen Danerreaktion. 

7. Es ist möglich, in für das Leben indifferenteren Gewebsteilen, wie 

z. B. im Bindegewebe, Rezeptoren zu schaffen, welche Tuberkulin an sich 
ziehen und die Qiftwirkung lokalisieren. Diese Beobachtung läßt sich 
therapeutisch verwerten. _ Dr. Waibel*Eempten. 


Ueber primäre Darmtuberkulose bei Erwachsenen. Von Professor 
Dr.B. Fischer in Bonn-Cöln. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 38. 

Wenn auch fttr*die Mehrzahl der Fälle menschlicher Tuberkulose die 
agrogene Entstehung feststehen dürfte, so darf man doch nicht schematisieren. 
Die Tuberkulose kann auf allen Wegen entstehen, von der Haut aus, vom 
Rachen aus, von den Genitalien oder vom Darme her etc. Bei Kindern ist 
der Infektionsweg vom Darm aus kein seltener. Dagegen haben wir nach dem 
anatomischen Befunde nur selten Veranlassung, beim Erwachsenen eine primäre 
Darmtuberkulose anzunehmen, da die enorme Häufigkeit der Bronchial-Drüsen- 
tuberkolose, besonders in der verkalkten und verkreideten Form, beim Er¬ 
wachsenen alle anderen Befunde von Tuberkulose überwiegt und sich zum 
mindesten häufiger Residuen von MesenterialdrUsentuberkuose nachweisen 
lassen müßten, wenn der Darm die Eintrittspforte wäre. 

Verfasser hat im Laufe der Jahre 3 Fälle von Tuberkulose bei Er¬ 
wachsenen gesehen, bei denen er mit großer Wahrscheinlicbkeit eine primäre 
Darminfektion annehmen möchte. Nach ausführlicher Mitteilung seiner Be¬ 
obachtungen mit Sektionsbefund hält er seine Fälle für die Lehre von der 
Ausbreitung der Lungentuberkulose überhaupt beachtenswert. Auch die aörogea 
entstandene Lungentuberkulose kann durch sekundär hinzutretende tuberkulöse 
Darmgeschwüre deletär beeinflußt werden; denn von diesen Geschwüren ans 
erfolgt eine Infektion der Mesenterialdrüsen und von hier aus kann auf dem 
Wege der Chylusgefäße und des Ductus thoracicus eine ausgedehnte dissemi- 
nierte (hämatogene) Lungentuberkulose herbeigeführt werden, während der 
primäre Lnngenbefnud vielleicht noch klein ist. Ja selbst ohne lokal im Darm 
und in den Mesenterialdrüsen schwerere tuberkulöse Veränderungen zu er¬ 
zeugen — ganz dürften dieselben ja nicht fehlen — könnten in einzelnen 
Fällen Bazillen ans dem verschluckten Auswnrf anf diesem Wege wieder in 
die Lungen gelangen und so eine rapide Lungentuberkulose veranlassen. Man 
kann deshalb die Phthisiker nicht genug vom Verschlucken ihrer Spnta ah- 
halten. _ Dr. Waibel-Kempten. 


Tuberkulose - Immunblut, Tuberkulose - Immunität und Tuberkulose- 
Immunblnt (I.-K) - Behandlung. Von Dr. Carl Spengler in Davos. Deutsche 
Med. Wochenschrift; 34. Jahrgang, Nr. 38. 

Während man bisher der Meinung war, daß das Serum der hauptsäch¬ 
liche Träger der Immunität ist, hat Carl Spengler mit Hilfe einer genial 
ausgedachten üntersnchungstechnik nachgewiesen, daß die Zellen „die Hanpt- 
produktions- und Anhänfnngsstätten“ der Immunkörper sind. Die Hanpt- 
Immunkörper des Tuberkulose-Immunblutes sind Lysine und Antitoxine. Die 
ersteren vernichten das Protoplasma der Bakterien, nachdem sie ihre Hüllen 
gelöst haben. „Die lytischen Wirkungen sind den Gesetzen der Dissoziation 
unterworfen. Die konzentrierten Lysine wirken schwach, die hohen, unter 
Umständen millionenfachen Verdünnungen stark lytisch. Ein ähnliches, wenn 
auch nicht völlig übereinstimmendes Verhalten zeigen die Antitoxine.* 

Ein großes Interesse haben die Ergebnisse der zahlreichen Blnt-Immuni- 
täts-Untersuchungen. Nach diesen hat der erwachsene gesunde Mensch große 
Immnnkörpermengen in seinen Blutzellen; er ist also tnberkuloseimmun. (Be¬ 
stätigung der Befunde von Ponfick, Nägeliu. a.) „Phthisisch we^en 
diejenigen eesnnden Menschen, die ihres Immunitätsschntzes verlustig gdien.* 
Die Ergebnisse dieser Forschungen führen notwendig zu der Tuberkulose- 
Immunität (I. K.) - Behandlung 1 



Kleinere Milteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


866 


Carl Spengler fand die fttr die Praxis aoßerordentlich wichtige Tat* 
Sache, dafi die chemisch rein dargestellten Immunkörper des Blutes von imma* 
nisierten Menschen und Tieren nHeil* und Immanisationssabstanzen fttr Menschen 
und Tiere sind.“ 

Nachdem die Wirkungsweise des I. E. geschildert ist, werden seine 
Eigenschaften and Anwendungsweise besprochen. Dem Praktiker werden fOr 
sein Verhalten genaue Vorschriften gegeben. Natttrlich wird man gut ton, 
das alles, wenn irgend möglich, an Ort and Stelle za studieren. 

Aassichtsroll erscheint der Hinweis darauf, daß noch „eine Menge anderer 
Infektionskrankheiten, wie Lepra, Eiterungen, Cerebrospinalmoningitis, Syphilis 
einen mit der Tuberkulose übereinstimmenden Immunitätsmechanismns haben.“ 

Wir haben es mit den Ergebnissen der langjährigen Arbeiten eines 
Forschers zu tun, welcher auf Grund seiner Vorbildung — Carl Spengler 
war mehrjähriger Mitarbeiter von Koch — wie kein anderer dazu berafen 
war, an die Aufgabe, welche er sich gestellt hatte, heranzagehen. Auf 
Grand der Beobachtungen, die Referent wärend eines längeren Aufenthalts in 
Davos gemacht hat, hat er die Ueberzengung gewonnen, daß Verfasser diese Auf¬ 
gabe gelöst und mit seiner Behandlung der Tuberkulose eine neue aassichts¬ 
volle Aera eröffnet hat. Von besonderem Interesse war fttr den Referenten die 
Beobachtung, daß selbst schwere, nicht zu hoch fiebernde Phthisiker ambulant 
und zum Teil sogar in ihrer Berufstätigkeit behandelt and geheilt werden 
können. 

Eine Arbeit, welche an der Hand einer reichhaltigen Kasuistik die ttber- 
raschenden Erfolge der I.-E.-Bebandlong demonstrieren soll, wird bald tun¬ 
lichst nachfolgen. _ Dr. Radloff-Wiesbaden. 

Erfahrungen mit Marmoreks Antltnberknlosesernm. Von Dr. Da- 
manski und Dr. Milenko in Lemberg. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 86. 

Verfasser haben genau nach den Vorschriften Marmoreks (8 Tage 
subkutane Einspritzungen, zirka 6 ccm täglich, 14 Tage per anam 6 ccm täg¬ 
lich, 8 Tage Pause, 3 Wochen per anum 5 ccm täglich) Versuche mit seinem 
Serum angestellt, die aber so ungünstig verliefen, daß sie dieselben bald 
aufgaben. Sie führen die Krankheitsgeschichten von 6 Fällen an. Eine 
Heilung war in keinem Falle zu konstatieren. Zwei Kranke zeigten ganz ge¬ 
ringe Besserung, drei dagegen erhebliche Verschlechterung. Den in einem 
Falle eingetretenen Tod, wo sowohl in der Lunge wie im Darmkanale frische 
tuberkalöse Eruptionen gefunden worden, sind sie geneigt, in Zusammenhang 
mit der Therapie zu bringen. Angesichts ihrer Resultate können sie das Mittel 
nicht empfehlen. _ Rpd. 


Die operative Beeinflussnng einseitiger Lungenphthise dureh totale 
Brustwandmobilisierung und Lungenentspannung (Plenro-Pneumolysls). 
Von Prof. Dr. P. L. F r i e d r i c h - Marburg. Archiv f. klin. Chirur.; 81. Bd., 8. H. 

In Fällen von fibrös • kavernöser, vorwiegend einseitiger Lnngenphthise, 
welche unter wechselnder Fieberbildung trotz aller interner und klimatischer 
Therapie langsam, aber stetig fortschrcitet, oder bei denen eine gewisse Tendenz 
zur Ausheilung (tiefe Einziehungen osw.) naebzuweisen ist, empfiehlt es sich, 
die Entspannung des kavernösen Langen-Gewebes, die Volumeneinengung und 
Schrumpfung der Langen operativ herbeizuführen und zu antersttttzen. 

_ Dr. Wolf- Marburg. 


Weitere Aufgaben im Kampfe gegen die Tuberkulose. Unterbringung 
Schwerkranker. Von Dr. Rumpf-Ebersteinburg. Aerztliche Mitteilungen 
ans und für Baden; 1908, Nr. 15 und 16. 

Verfasser weist darauf hin, daß, so wichtig und fördernd im Kampfe 
gegen die Tuberkulose auch das Heilstättenwesen sei, als noch wichtiger lür 
die Bekämpfung der Seuche müsse die vermehrte Fürsorge und Isolierung der 
Schwerkranken im Krankenhause und in ihren Wohnungen angesehen werden. 
Er führt die Verhandlungen an, die darüber in der vorjährigen Sitzung des 
AuBschusses des Zentral • Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose gepflogen 
sind und aus denen deutlich hervorgeht, daß einerseits die Volksbeilstätten 
für solche Kranke, bei denen man auf Grund eingehender Dntersuchung bezw. 



856 


Kleinere Mitteilangen ond Referate ans Zeitschriften. 


snyoriger Beobachtung eine Eeilong anssichtsvoll ist, erhalten werden mdssen, 
nnd anderseits Tnberkaloseheime nicht zom Ziel führen, da sie von den 
Erkrankten nnr nngorn aufgesaebt werden, weil sie fürchten in ein „Sterbe- 
haos“ za kommen nnd weil ferner die event. Invalidenrente für die Familie 
einen wesentlicher Faktor bildet. Bei der nngehenren Zahl von 80000 Tuber¬ 
kulose-Todesfällen im Jahr, von denen 68000 Personen in den Familien sterben 
and domznfolge eine enorme Ansteckongsgefahr für ihre Angehörigen darstcUeo, 
müsse aber Abänderung geschufifen werden. Verfasser ist der Ansicht, daß die 
Schwerkranken in Krankonhausplicge bis za ihrem Ende gehören. Besondere Ein¬ 
richtungen, event. ein kleiner Anbau, seien ohne große Kosten leicht herzustellen. 
Die Kosten müßten event. von Privatpersonen, Vereinen, Kommunen usw. be¬ 
stritten werden. Gegen die Krankenhäuser bestehe auch nicht die Animosität 
wie gegen die Taberkoloscheime. Anderseits müsse die Tätigkeit der Tuber- 
koloseausschüsse weiter ausgebaut und intensiver dorchgeführt werden, so 
daß alle Sebwerkranken bekannt, dauernd besucht und kontrolliert werden. 
Zweifellos sei schon viel gewonnen, wenn für alle Schwerkranken in ihrer 
Wohnung durchgeführt werde, daß sie nicht nur ein eigenes Bett, sondern 
wo möglich ein eigenes Zimmer haben, daß sie allen Auswurf in Speigläsern 
auffangen und vernichten, direktes Anhusten, Verschmieren des Auswarfes, 
auf den Mund küssen usw. vermelden, ihre Qebranchsgegenstände, ihr eigenes 
Eß- and Trinkgeschirr nach Gebrauch in starke Seifen- und Sodalösung legen 
oder auskochen, desgleichen ihre Wäsche, wenn nicht anderweitig für deren 
Desinfektion gesorgt wird. _ Bpd. 


Die Bekämpfang der Taberkalose nnd die FBrsorge f&r Phthisiker. 
Von Prof. Dr. Martin Kirchner in Berlin. Klinisches Jahrbuch; 1908. 

Die anfangs schnelle Abnahme der Tuberkulosesterblichkeit ist bekannt¬ 
lich in den letzten Jahren ins Stocken geraten. Das hat seinen Grund darin, 
daß wir im Kampfe gegen die Tuberkulose noch nicht an der richtigen Stelle 
eingesetzt haben. Wir müssen dem Wege der Verbreitung bis zum äußersten 
Anfang nachgehen. Er führt uns auf den lungenkranken Menschen als Quelle 
der Ansteckung hin; deshalb müssen wir dem Bazillen aasscheidenden Kranken 
in erster Hinsicht unsere Beachtung schenken. Andere Wege der Ansteckung 
(durch Milch, Butter etc.) sind nur von geringer Bedeutung. 

Znr Erkennung des Bazillen aussebeidenden Menschen ist in erster Hin¬ 
sicht eine bakteriologische Untersuchung des Auswurfs nötig. Die logische 
Konsequenz der nach gewiesenen Bazillenaasscheidung wäre die, in Norwegen 
zum Gesetz erhobene, Isolierung. Für die wirksame Bekämpfang der Krankheit 
haben din Lungen he im Stätten für vorgeschrittene Lungcnkraii^e eine größere 
Bedeutung als die Heilstätten, die mehr therapeutische Zwecke verfolgen. 
Der Vernichtung des Krankheitserregers muß ein wohlgeordnetes Des¬ 
infektionswesen, insbesondere auch eine Scblußdesinfekton nach Ablanl der 
Erkrankung, dienen. Hierfür ist aber eine gesetzliche Anzeigepflicht für 
Krankheits- und Todesfälle unerläßliche Vorbedingung. 

Für die indirekte Bekämpfung der Tuberkulose kommen zunächst allge¬ 
meine, das hygienische Niveau hebende Maßnahmen in Betracht; z. B. Fürsorge 
für gesunde Wohnungen, ärztliche Ucberwachung von Schalen und gewerblichen 
Betrieben, Bekämpfang des Alkoholismus etc. Der Erhöhung der individuellen 
Widerstandsfähigkeit sollen sportliche Hebungen dienen. 

_ Dr. Dohrn-Hannover. 

Massnahmen zur Bekämpfang der Taherhnlose auf dem Lande im 
Kreise Neustadt a. Rbg. Von Kreisarzt Dr. D o h r n - Hannover. Vortrag, 
gehalten in der Sitzung des Hanptansschusses des Hannoverschen Provinzial- 
Vereins zur Bekämpfang der Tuberkulose 1908. 

Um das Verständnis für die Wichtigkeit der Tnberkulosebekämpfung in 
die breite Masse der Bevölkerung zn tragen, wurden diejenigen Kräfte heran- 
gezogen, die wegen ihren innigen Beziehnngen zur Bevölkerung als Pioniere 
für Anfklärnng nnd Belehrnng zunächst in Betracht kommen. Das sind in 
erster Linie die Lehrer und Hebammen. Zur Anfklärnng der Lehrer über die 
Aufgaben der Tnberknlosebekämpfnng hat Verfasser in den drei Lehrervereinen 
des Kreises Vorträge über Taberkcdosebekämplang mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Aufgaben der Schule gehalten. 



Kleinere Mitteilnngen and Referate ans Zeitsohriften. 


857 


Aas den Oiskassionen schälten sich in allen drei Versammlangen zwei 
Wünsche heraas: 

1. Die Faßboden sind in allen Schalen des Kreises zur Veiminderanf 
der Stanbplage and der hierdarch bedingten Reizang der Atmangsorgane mit 
staabbindendem Oel za streichen. 

2. AUjährlich sind alle Schulkinder des Kreises einmal ärztlich za 
antersachen. 

Der Anstrich in den Schalen wird derart besorgt, daß eine Firma 
die Lieferang erhält and dafür das Oel portofrei an die einzelnen Ge> 
meinden liefert. Von größter Wichtigkeit für die Bekämpfung ist die schal> 
ärztliche Untersachang der Schnlkindor durch den Kreisarzt. Diese hat den 
Zweck, kranke and schwächliche Kinder, die sich and anderen zum Schaden 
die Schale besachen, aaszamerzen, Kinder mit ansteckenden Krankheiten, be¬ 
sonders Langenkranke, za entfernen and sachgemäßer Behandlnng zozuführen 
sowie ferner belehrend anf Lehrer, Kinder and die zar Untersachang geladenen 
Eltern einzawirken. Die Untersaebangen sollen an der Hand yon Listen yor- 
genommen and das Besaltat der Untersachang in diese Listen eingetragen 
werden. Ergibt die Untersachang, daß ärztliche Behandlnng des Kindes er¬ 
wünscht ist, so werden die Eltern dayon benachrichtigt. Um die Darchführnng 
der für nötig befandenen Maßnahmen auch mittellosen Kindern za ermöglichen, 
hat sich der Kreiskrankenyerein erboten, helfend mitznwirken. Jeder, der die 
Verhältnisse aaf dem Lande and in den kleinen Städten kennt, wird wissen, 
daß die Zahl skrophnlöser, rhachitischer and blutarmer Kinder, für welche die 
Aafnahme in Ferienkolonien ein Segen wäre, nicht so gering ist, wie man all¬ 
gemein denkt. 

Ferner za erwähnen ist ein Vortrag, den Herr Zahnarzt Dr. Kühns 
in einer Versammlang der drei Lebreryereine in Wanstoif über Zahnhygiene 
and Schale hielt anter Vorführang yon Lichtbildern. 

Für die Verbreitnng des Verständnisses für die Wichtigkeit der Taber- 
kalosebekämpfnng körnen in zweiter Linie die Hebammen in Betracht. Aal 
den Versammlangen des yor zwei Jahren gegründeten Hebammenyereins wurde 
deshalb diese Frage mit besonderer Beittcksichtignng der Kinderernährang 
mehrfach angeschnitten. Aaf die Hebammen hat Verfasser besonders in der 
Richtang der Förderang des Selbststillens eingewirkt. Eine Statistik Ober 
das Selbststillen bat Verfasser aach an der Hand yon Fragebogen in diesem 
Jahre während der Impfreisen weitergeführt. 

Nachdem nan durch Lehrer and Hebammen der Boden einigermaßen 
yorbereitet schien, warde aach an die breite Masse der Beyölkerang direkt 
herangetreten. Dieses geschah durch gelegentliche Notizen in der Zeitung 
und Belehrnngen im persönlichen Verkehr. 

Za diesen Maßnahmen allgemeiner Natur kommen dann diejenigen, welche 
im speziellen auf die Fürsorge für den Longenkranken and die Ver- 
nichtang der Krankheitskeime hinzielen. Um ein geeignetes Unterpersonal 
za gewinnen, worden sämtliche Schwestern des Kreises and die Desinfektoren aaf 
Kosten des Kreiskrankenvereins nach Hannoyer geschickt, om durch Teilnahme an 
den Sprechstunden der dortigen Fürsorgestelle and den Besachen der Fürsorge¬ 
schwestern in die Umrisse der Fürsorgetätigkeit eingeweibt za werden. Die 
Schwestern and die Unterstationen des Kreises haben zunächst die Aof- 
gabe, die Lungenkranken za ermitteln. Die Anzeigen gehen an die Vorsitzende 
des Kreiskrankenyereins oder an den Kreisarzt. Dieser sucht, soweit es geht, 
die Kranken persönlich aal und ordnet noch an, was nötig ist. Vor allem 
handelt es sich am Entfernung der Kranken aus den Wohnangen und Unter¬ 
bringung in Heilstätten. Für die Desinfektion des Aoswurfs werden Spack¬ 
näpfe aus Margaretenschränken hergeliehen, deren in diesem Jahr 12 an yer- 
setaiedenen Orten aufgestellt sind. 

Die Ermittelung der Kranken wird yorläufig als die Haaptauf- 
gabe der Tätigkeit betrachtet. Diesem Zweck wird auch die unentgeltliche 
Untersachang des Answurfe nutzbar gemacht. Von dem Abhalten einer Sprech¬ 
stande yerspriebt sich Verfasser auf Grand seiner weiteren Erfahrungen für 
die Landbeyölkerung gar keinen Nutzen. Sehr erwünscht wäre dagegen eine 
weitgehende Mitwirkung der praktischen Aerzte, die bisher sowohl in Worten, 
als auch in Werken sehr zurückhaltend sind. Verfasser betrachtet es yorläoflg 
als seine Aufgabe, sie dayon zu fiberzeogen, daß ihnen durch die ganzen Be- 



868 Kleinere Mitteilongen und Belerate ans Zeiatchriften. 

Btrebongen keine Konkurrenz gemacht wird, sondern daß ihnen Kranke znge- 
Itlhrt werden sollen. Die Vorsitzende des Kreisktankenrereins bat an i^e 
Aerzte des Kreises persdnlich ein Schreiben mit der Bitte nm Mitwirkong 
gerichtet. * 

Zum Schloß soll noch erwähnt sein, daß bei sämtlichen Todesfällen an 
Toberknlose eine Wohnongsdesinfektion yorgenommen wird. 

Dr. W 01 f - Marburg. 


LongenschwlndBoeht und Ihre behSrdliche Kontrolle ln Schottland. 
Jahresbericht des schottischen Local Qovernment Board für das Jahr 1907. 
Foblio health; Oktober 1908; Band XXII, Seite 28. 

Longenschwindsocht gehört nach dem Pablic health (Schottland) Amend* 
ment Act yon 1907 zo den übertragbaren Krankheiten, deren Kontrolle den 
örtlichen Behörden obliegt. 

Obligatorisch wird bereits jetzt in einem Gebiete, das 14,4**/e der Qe* 
samtbeyölkerung Schottlands amfaßt, Longenschwindsocht angezei^; in 26,9**/« 
ist ferner die Anzeigepflicht eine fakoltative. ln den meisten Fällen, in denen 
die Aerzte freiwillig die Anzeige machen, erhalten sie übrigens auch die ge« 
wöhnliche Gebühr yon 2 s. 6 d. für die Anzeige. 

In bezog auf die Isolierung geschieht yon manchen Ortsbehörden 
recht Gates. An vielen Orten werden besondere Bänme der Infektionskranken« 
häoser für die Phthisiker reserviert. Heilstätten werden yon Behörden 
and in besonders prächtiger Weise yon privaten Wohltätern errichtet. Im 
Anschlnß an das Beferat (Deber das Verhältnis des armenärztlichen Dienstes 
zo den Hedizinalbehörden in England)^) dürfte die Interpretation des Pablic 
health act in solchen Fällen von Interesse sein, in denen Kranke gebessert, 
aber noch nicht erwerbsfähig ans den Heilstätten entlassen werden. Nach 
§ 66 d dieses Gesetzes sorgte die Ortsbehörde — im Einverständnis mit dem 
Local government board — für freie ärztliche Behandlung ond Arznei. Die 
Frage der unteren Instanz, ob anch die Nah rang, die der Kranke braoche, 
zor Arznei im Sinne des Gesetzes gerechnet werden dürfe, beantwortete die 
Zentralbehörde dahin, daß in einem solchen Falle die Nahrung, die besonderz 
bereitet werden müsse, recht wohl unter den Begriff der Arznei falle. 

Dr. Mayer«Simmem. 


Die Anaelgepflicht fflr Taberkulose ln England. (The notifikation of 
consumption). Von G. F. Mc. Cieary. Pablic health; November 1908, 
Bd. XXII, Nr. 2. 

Auf dem 6. Internationalen Taberkulose Kongreß in Washington machte 
Dr. Nersholme die offizielle Mitteilung, daß das Local Government Board 
einen Erlaß beabsichtige, der den Armenärzten die Anzeige sämtlicher 
Fälle von Schwindsucht unter den Kranken, die Armenunterstützang erhalten, 
zur Pflicht macht. Die Anzeige hat innerhalb 48 Stunden nach Darlegung 
(Discovery) des Falles zu erfolgen, and zwar an den medical officer of health; 
ob der Kranke im eigenen Heim oder im Krankenhause behandelt wird, ist 

f leich; auch der Wohnungswechsel ist anzeigepflichtig. Der Herausgeber des 
'ublic health fügt dieser Mitteilung hinzu, es sei noch nicht ersichtlich, ob 
auch für diese Anzeige dem Arzte eine Gebühr werde gezahlt werden; er 
hoffe, daß, wie bei allen ansteckenden Krankheiten das Prinzip 
befolgt werde, daß jeder Arbeiter seines Lohnes wert sei und der Arzt für 
die Anzeige das Honorar erhalte. 

Der Nutzen des neuen Erlasses bestehe darin, daß er ohne Schwierig« 
keit sich durchführen lasse und daß er dort die Anzeigepflicht zum Gesetz 
mache, wo sie am notwendigsten und voraussichtlich auch am wirksamsten seL 
Bekanntlich war eine Königl. Kommission für das Armengesetz einbe« 
rufen worden, von deren Arbeiten bereits in dieser Zeitschrift 1907, S. 224 die 
Bede war. Die Folge der üntersuchangen und des Berichtes dieser Kom« 
mission dürfte eine engere Verbindung zwischen der Verwaltungsfähigkeit auf 
dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege und der armenärztlichen Fähig« 


*) Diese Zeitschrift 1907, Seite 222. 



Besprechangen. 859 

keit seio, eiae VerbiBdiuig, die aach den Maßregeln gegen die Taberknlose 
au gute kommen dürfte. _ Dr. Hayer-Simmern. 


Kritiaehe UnterBnehiuif der fiblichen Spntnngliser. Von Dr. Basch 
in Batzebnrg. Vierteljahrsschrift für gerichUiche Medizin and öffentliches 
Sanitätswesen; 1908, XXXIX. Bd., 1. H. 

Verfasser betont die Wichtigkeit der einwandfreien Spatombeseitignng, 
welche jede Möglichkeit der Verstanbong, Verspritzong oder sonstigen Ver- 
breitang von bazillenbaltigen Teilchen aasschließt. Die za diesem Zwecke 
notwendigen Spatomgläser, •näpfe oder dergleichen müssen, am den hygienischen 
Anforderangen toU and ganz za genügen, das Spätem einwandfrei aof* 
langen, bis zar Beseitigang aof bewahren and eine einwandfreie mö^ebst 
einfache Beseitigang zalassen; schließlich müssen sie aach za mäßigem Preise 
erhältlich sein. Eine einwandfreie Beseitigang resp. Desinfektion des Spatoms 
ist nach den gemachten Erfahrungen nar durch strömenden Wasserdampf mög* 
lieh. Verfasser hat nun sämtliche im Gebrauch befindliche und empfohlene 
Spacknäpfe and dergl. einer kritischen Benrteilong unterzogen und kommt za 
dem Schloß, daß ein wirklich einwandfreies Volks •Spuckfläschchen, das im 
mäßigen Preise nicht nur die Bedingungen zaverlässiger Aufnahme and Aaf> 
bewahrang des Spatoms, sondern vor tdlen Dingen auch einer sicheren Des¬ 
infektion desselben erfüllt, erst noch erfanden werden maß. Am unzweck¬ 
mäßigsten sind seiner Ansicht nach die am Fußboden stehenden Spacknäpfe, 
sowohl die Art des Auffangens, wie die der Aafbewabrung sei nnhygienisch. 
Die in geeigneter Höbe an der Wand angebrachten Spacknäpfo seien ent¬ 
schieden Torzoziehen. Aach die an die Wasserleitung and Kanalisation ange¬ 
schlossenen Spacknäpfe erfüllten die Bedingung der einwandfreien Beseitigang 
des Answurfs nicht. Am zweckmäßigsten seien die verechiedenen Taschenspack¬ 
gläser oder •fläscheben, wenngleich auch ihnen noch erhebliche Mängel an¬ 
haften, wie Verfasser des näheren aasführt. Leider bürgerten sie sich nar sehr 
schwer ein, da das Pablikam eine Abneigung dagegen habe. Bei der Wichtigkeit 
der gefahrlosen Spatambeseitigong im Kampfe gegen die Taberknlose müsse 
man in dieser Bichtang noch rührig tätig sein. Bpd. 


Besprechungen. 

Or. Hartwig Klnt, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter der Königl. Versuchs- 
und Prüfongsanstalt für Wasserversorgung and Abwässerbeseitignng in Berlin: 
XTatezsüchung des Waeaera an Ort nnd Stelle. Mit 29 Teztfigoren. 
Verlag von Jalias Springer, Berlin 1908. Preis: 8 Mark. 

Das Bach bringt bei weitem mehr, als der Titel ea andeatet: Die 
Methodik der Wasseronteraachungen, eine wissenscbafüiche Begründung der 
Methoden and eine Kritik derselben sind aaf Grand omfassendsten Idteratar- 
stadiams und eigener wertvoller Erfahran^n des Verfassers eingehend erörtert. 
Dabei ist es dem Verfasser gelangen durch die ihm eigene klare, einfache and 
deatliche Sprache den teilweise etwas spröden Stoff gleichsam spielend zam 
Verständnis za bringen, so daß die Lektüre des Baches trotz der eingehenden 
fachlichen Behandlung des Themas wirklich interessant ist. Als ganz be¬ 
sonders wertvoll erscheint mir die Besprechung der Bearteilung der erhobenen 
Dntersachnngsbefunde und der Wege, welche gegebenenfalls zur Beseitigang 
von schlechter Beschaffenheit eines Wassers nach gut begründeten Eifahrungen 
einzoschlagen sind. 

Die Bewertung der bakteriologischen Keimzäblangen und die Würdigung 
der Eijkmannschen Methode erscheinen mir ebenso wertvoll und wichtig 
wie die Erörterungen über Eisengehalt, Härte der Wässer, Gehalt an freier 
Kohlensäure and Sauerstoff und den verschiedenen Manganverbindongen. Die 
Einschätzung der verschiedenen Wässer für besondere Zwecke als Trinkwasser, 
technisches Brauchwasser einzelner Betriebe, Kesselspeisewasser, Fischwasser 
osw. sei besonders hervorgehoben. — Wenn somit das Klat’sehe Werk in 
gedrän^er Form und wirklich interessanter Darstellung mit BenutzongCfast 
sdler wichtigeren LHeratarangaben die Waeserontersachong an Ort nnd Stelle 
bespricht, die wenigen der Laboratoriums-Untersachnng vorbehaltenen Be- 



860 


Tagesnachriobtea. 


sümmangen erwähnt und eingehend die Gründe erwähnt, welche für oder 
gegen die Verwendung eines Wassers für einen bestimmten Zweck maBgebead 
sind, so maß noch besonders darauf aufmerksam gemacht werden, daß Ver« 
lasser mit der bei allen seinen Arbeiten bekannten Gründlichkeit alle Binnel- 
beiten auf das Genauste berücksichtigt; so die Darateliung der geeigneten 
Beagentien, die zu beobachtenden Vorsichtsmaßregeln bei Ausführung der 
einzelnen Beaktionen und die zweckmäßig dabei zu verwendenden Instrumente. — 
Eluts Empfehlung, bei den Berichten über die üntersuchungsergebnisse 
Eisen, Mangan und Blei als Meti^ nicht als Oxyd bezw. Hydroxyd in Milli¬ 
gramm im Liter anzugeben, halte ich für durchaus richtig. Für diesen Zweck 
gibt Verfasser sehr übersichtliche üntersuchungstabellen. 

Mit schwerem Herzen hat Verfasser sich auf vielseitigen Wunsch bereit 
Anden lassen, seinem Buche 8 Schemata für Untersuchung von Wässern für 
bestimmte Zwecke anzufttgen. Wenn der Fachmann sich auch nicht gern 
durch solche Schemata die Hände binden will, so geben dieselben doch für 
den „weniger geübten Sachverständigen* immerhin brauchbare Anhalts¬ 
punkte. 

Klüts Buch wird auf Grund seines gediegenen Inhalts und der Kürze 
und Vollständigkeit der Darstellungen, womit es ein^ in seiner Weise dasteht, 
bald in die Hände aller derer übergehen, welche si(m mit Untersuchung und 
Begutachtung von Wässern zu befassen haben. 

Dr. Scbultz-Schnltzenstein-Oppeln. 


Tagesnachrichten. 

Dem Beichstag ist jetzt der Entwurf eines Gesetzes, betreffend dis 
Einwirkung von Armenunterstützung auf öffentliche Beohte nebst Begrün¬ 
dung zugegangen. Nach dem Gesetzentwurf soll, soweit in Beichsgesetzea 
der Verlust öffentlicher Bechte von dem Bezug einer Armenunterstützung ab¬ 
hängig gemacht wird, als Armenunterstützung nicht imgesehen werden 1) „die 
Erankenunterstützung; 2) die einem Angehörigen wegen körperlicher oder 

S eistiger Gebrechen gewährte Anstaltspflege; 8) Unterstützungen zum Zwecke 
er Erziehung oder der Ausbildung für einen Beruf; 4) sonstige Unter¬ 
stützungen, wenn sie nur in der Form vereinzelter Leistungen zur Hebung 
einer augenblicklichen Notlage gewährt sind; 5) Unterstützungen, die erstattet 
sind.“ Der Entwurf, der einem dringenden Bedürfnis sowie wiederholten An¬ 
trägen des Beichstages Bechnung trägt, dürfte in diesem wohl auf keinen 
Widersprach stoßen. _ 


In dem jetzt dem Eeichstage vorgelegten Entwurf des Kelohshansliults- 
etats für 1909 sind wiederum 10000H. zu den Kosten der Zentralstelle 
für Volkswohlfahrt, 20000 M. für Bekämpfung des Typhus, 80000 H. 
zur Syphilisforschung (10000 M. weniger), 40000 M. zur Bekämpfung der 
Säuglingssterblichkeit und 120000 M. zur Bekämpfung der Tuber¬ 
kulose vorgesehen. _ 


Die gesetzliche Begelong der Fenerhestuttung scheint in Preußen 
nunmehr g^chert zu sein. Nachdem unter den beteiligten Bessorts eine 
Uebereinstimmung über alle wesentlichen Fr^en erzielt worden ist, hat sich 
auch das preußische Staatsministerium bereits mit der Angelegenheit be¬ 
schäftigt Von seiten des Beiches stehenBedenken gegen ue landes¬ 
gesetzliche Begelung weder in bimineller noch in hygienischer Beziehung 
entgegen. Um aber eine möglichst gleichmäßige gesetzliche Ordnung der 
Frage im Beich berbeizuführen, ist das Beichsamt des Innern auf VeranltuBtung 
Preußens mit Erhebungen betraut, ob in welcher Form andere Bundeastaa tw a 
in absehbarer Zeit eine landesgesetzliche Begelung der Frage Vorhaben. 


In Bayern ist nach dem 7. November d. J. ^e ueue PrAfougeerdaug 
für den Arztliohen Staatsdienst erlassen, die sich den in Preußen dafür geltenden 
Vorschriften im wesentlichen anschließt. Die Zulassungfrist zur Pruung int 



Tsgesnachrichten. 


861 


hier jedoch einheitlich auf zwei Jahre festgesetzt, ohne Unterschied, ob die 
ärztliche Prüfung mit genügend, oder gut bezw. sehr gat bestanden ist. Ferner 
wird anßerdem die Absolyierang eiaes Sektionskarsos, eines psydbiatrisch- 
forensischen PrakÜkams, der über zwei Semester sich erstreckende Besach einer 
Vorlesong über Hygiene and neben dem hygienischen Kursus auch ein zwd- 
monatiger bakteriologischer Kursus verlangt. Die Prüfung wird von einer 
Kommission von fünf Mitglieder (in Preußen nur 4) abgehtdten, die sich zu- 
sammensetzt aus dem jeweiligen Medizinalreferenten im Staatsministerium des 
Innern als Vorsitzenden und je einem Examinator der geriditlichen Medizin, 
der üffentlichen Gesundheitspflege, der Medizinalpolizei und der Psychiatrie, 
die alljährlich von dem Ministerium ernannt werden, und zwar sollen die Eza» 
minatoren für gerichtliche Medizin lud Medizinalpolizei in der Regel aus den 
•Gerichts- und Verwaltnngsärzten genommen werden. Die mündlichen und 
praktischen Prüfungen finden nicht mehr wie bisher nur einmal im Jahre, 
sondern im Laufe des ganzen Jahres mit Ausnahme der Universitätsferien- 
Monate: März, April, August, September und Oktober statt. Verlangt werden 
zwei wissenschaftliche Arbeiten aus den Gebieten der gerichtlichen Medizin, 
der öffentlichen Gesundheitspflege, der Medizinalpolizei und der Psychiatrie; 
die Aufgaben werden alljährlich von der Prüfungskommission bestimmt und 
sollen Gebiete betreffen, ^e für den Amtsarzt von praktischer Bedeutung sind. 
Ihre Verteilung erfolgt durch Los. Die praktische Prüfung entspricht der in 
Preußen vorgeschriebenen, die mündliche Prüfung muß vor sämtlichen 
Kommissionsmitgliedem abgehalten werden, und erstreckt sich auf die Gebiete 
der gerichtlichen Medizin, der öffentlichen Gesundheitspflege, der Medizinal¬ 
polizei und der Psychiatrie mit besonderer Rücksicht anf die einschlägige Ge¬ 
setzgebung. Dabei sollen die Gewerbebygiene, sowie die für den Amtsarzt 
wichtigen Abschnitte der Kranken-, Unfall-, Inyalidltäts- und Altersversiche- 
Tungsgesetze berücksichtigt werden. Die Prüfungsgebühren sind auf 110 M. erhöht. 

Wir werden in der Beilage zur nächsten Nummer einen yoliständigen 
Abdruck der Prüfungsordnung bringen. 


Die Badische Aerztekammer verhandelte in ihrer Sitzung am 
22. Oktober d. Js. über den Entwurf eines badlsehen Irrengesetzes und nahm 
auf Antrag des Referenten, Prof. Dr. Ho che-Freibarg i. Br., folgende Resolution 
an: ,Die Badische Aerztekammer bedauert die im Entwarf eines Irrengesetzes 
geplante Ausschließung der praktischen Aerzte ans dem Aufnahmeverfahren 
für Geisteskranke als eine für die Interessen der Kranken und des ärztlichen 
Btandes verhängnisvolle Maßregel und protestiert gegen die in der Begründung 
gegebene Motivierung dieser Absicht. Eine fast gleichlautende Resolution hat 
•auch die am 7. November d. Js. in Karlsruhe abgebaltene 89. Versammlung 
der süddeutschen Irrenärzte, auf der ProL Dr. Hoche ebenfalls 
über den Gesetzentwurf referierte, beschlossen. 


Der zweite Kongress der deutschen Gesellsehnft für Urologie findet, 
im Anschluß an den Chirurgen-Kongreß, vom 18.—22. April 1909 zu Berlin 
statt. Als Themata für die Verhandlungen sind anfgestellt: Urologie und 
-Gynäkologie (Referenten: Stöckel - Greifswald und Wertheim - Win). Die 
eitrigen, nichttuberkulosen Affektionen der Nieren (Referenten: v. Frisch- 
Wien, Bahrt-Danzig). Biasentumoren (Referenten: Zuckerkandl-Wien, 
Casper-Berlin). Mit dem Kongreß wird eine Ausstellung von Instrumenten, 
Präparaten, Zeichnungen etc. verbanden sein. Nähere Auskunft durch die 
Oeschäftsstelle l^rlin W., Victoriastr. 19 (San.-Rat Dr. Wossidio). 


Für den diesjährigen Nobelpreis für Mediziner sind Prof. Dr. Metschni- 
koff, Direktor des Instituts Pasteur in Paris, und Geh. Ober-Med.-Rat 
Prof. Dr. P. Ehrlich, Dir^or des Instituts für experimentelle Therapie in 
Frankfurt ». M., aasersehen. _ 


Erkrankungen und TodesflUe an ansteckenden Krankheiten ln 
JPreussen* Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 81. Okt bis 7. Nov. 1908 erkrankt 
<ge8torbea) an: Aussatz, Cholera, Rückfallfieber, Gelbfieber, 



662 


Sprechsaal. 


Flecklieber:, Pocken Fest und Tollwut; — (—); Uilzbrand: Z 
(—), 4 (—); Bißverletzungen durck toülwatTerdäcbtige Tiere: 
8 (—),— (—); ünterleibstyphus: 301 (36), 311 (37); Bnnr: 25 (6), 
6(—); Diphtherie: 1736(131), 2087 (142); Scharlach: 2188 (152), 23ia 
(129); Genickstarre: 8 (1), 12 (9); Kindbettlieber: 123 (24), 106 
(27); Wurstgiltung: — (—) 1 (—); KOrnerkrankheit (erkraw): 251, 
206; Tuberkulose (gestorben): 589, 516. 


SpreohMUÜ. 

Anfrage des Kreisarztes Dr. Scb. ln H. : Fallen Reisen, die gemacht 
werden, um lestzustellen, ob die Schließung einer Schule wegen einer aa> 
steckenden Krankheit notwendig ist, unter das Pauschale? 

Antwort: Ja. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. R. in L.t Ist der Kreisarzt verpflichtet, 
Berichte in privaten, d. h. die außeramtlicbe Tätigkeit betreffenden Angelegen¬ 
heiten, nach § 12 der Dienstanweisung durch die Hand des Landrats an den 
Regierungspräsidenten einzureichen ? 

Antwort: Nein. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. M. ln N.: Hat die Polizeibehörde die 
Formulare zur Revision der Drogcnhandlungen zu liefern ? 

Antwort: Ja; denn die Polizeiverwaltung hat die Kosten der Revision 
zu tragen, dazu gelkOren auch diejenigen für die Beschaffung der erforder¬ 
lichen Formulare. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. F. in L.: Darf Unguentum Hydrargyri 
flavum (hergestellt aus Hydr. ozydatum via humida paratum) von dem Apo¬ 
theker ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden? 

Antwort: Nur dann, wenn die Salbe einen Gehalt von nicht mehr als 5 Ge* 
wichtsteilen Quecksilborozyd (gleichgültig, ob von rotem oder gelbem — Hydrar- 
gyrpi ozydatum oder Hydrargyrum ozydatum via humida parattun des A.-B.> 
besitzt. 


Frage des Arztes Dr. H. L. ln W.: Ist die Angabe auf Seite 194 
der Beilage: Rechtsprechung und Medizinalgesetzgebnng richtig, daß gleich¬ 
zeitiger Bezug von Krankengeld und Invalidenrente gesetzlich nicht zulässig seif 
Antwort: Nein, die Notiz ist übernommen aus Seite 104 der Bdlage VI13 
der Mitteilungen des Reichsversicherungsamtes, die aber, wie nachträglich 
festgestellt ist, irrtümlich ist. In der eingezogenen Entscheidung des bayerischen 
Verwaltungsgerichtshofes ist vielmehr ausdrücklich festgestellt, daß Personen, 
die im Sinne des Inv.-Vers.-Ges. erwerbsnnfäbig sind, im Sinne des Krankmi- 
Vers.-Ges. erwerbsfähig sind und infolge ihrer BeschÜtigung Pflichtmitglieder 
von Krankenkassen werden können. Werden sie als solche erwerbsunfähig im 
Sinne des Krankvers.-Ges., so haben sie selbst bei Bezug von Invaliden¬ 
rente Anspruch auf Krankengeld im vollen satzungsmäßigew 
Betrage. (Reger, Entscheidungen, 28. Band, S. 211). 


Anfrage des Kreisarztes Dr. Scb. ln C.: 1. Ist es den Pbaimazie- 
studierenden erlaubt, während der Studienzeit oder in den Universitätsferien di» 
Stelle eines Gehülfen in einer Apotheke wabrzunebmen ? 

Antwort: Ja. Sie müssen jedoch vorschriftsmäßig bei dem zuständigen 
Kreisarzt an- und abgemeldet werden. 

2. Bezieht sich die Vorschrift (Apotheken-Betriebs-Ordnung § 82), daß 
auf den Rezepten der Name des Anfertigers zu vermerken ist, au<m auf solche 
Rezepte, in denen nur Handverkaufsartikel verordnet sind? 

Antwort: Nein; denn es handelt sich bei diesen nicht um aAnfertigen*^ 
einer verordneten Arznei. 


Verantw. Redakteur Prof. Dr. Rapmund, Reg.- u. Geh. Med.-Rat in Mindern L W. 

J. C. 0. Bnins, Heriogl. Siebs.«. F.8eb.-Ii. Hofl»ebdrneker«l in lIIad«B. 




2t Jahrfr 


Zeitschrift 


1908. 


ftti 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zantralblatt für das gssaarte Bssundhaitswesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

HeraoBgegeben 

Toa 

Geh. Med.-Rat Prot Dr. OTTO RAPHÜND, 

Regierongs- and Medizinalrat in Minden i. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen, 
Badischen und Mecklenburgischen Medizinaibeamtenvereins. 

Verlag yon Fiseher's mediz. Buohhandlg^ E Kornfeld, 

HaraogL Bayar. Hof- a. IniMBaogL SamniT-BiiBiiWaKOer. 

Berlin W. S5, Lützowstr. 10. 


Inserate nehmen die Tcrlagshandliing sowie alle Annoncen-Expeditionen des In« 

and Auslandes entgegen. 


Nr. 24. 


Brsehelat aat Z. oad SO. Jeden Memate. 


20. Dezbr. 


Zur Kasuistik tötlicher Schussverletzungen mit Flobert- 

pistolen. 

Von Bezirksarzt Dr. Seiti in Eberbach. 

Der Zufall fftgte es, daß mir der Aufsatz von Dr. Zelle 
in Lötzen (in Nr. 21 vom 5. November 1908 dieser Zeitschrift) vor 
Angen kam, als ich eben von der Leichenschau eines etwa 
50 jährigen Selbstmörders kam. 

Als Werkzeug hatte dem Lebensmüden eine Flobert-Einder* 
pistole einfachster Konstruktion gedient. Die Waffe, im ganzen 
8 cm lang, hatte ein Kaliber von 6 mm. 

Die Patrone bestand — wie ein noch vorhandenes intaktes 
Exemplar zeigte — ans einer Metallhölse mit Knallquecksilber- 
zündmasee ohne Palverfüllnng and einer rnnden 6 mm-Schrotkugel. 

Die Einschaßöffnung lag an der rechten Schläfe, 1 cm über 
der Mitte zwischen äußerem Augenwinkel nnd oberen Ohrmnschel- 
ansatz; sie war rnndlich, hatte 3 mm Dorchmesser und war von 
einem geborenen Blntgerinsel ansgefttllt. 

Die Schläfenhaare am die Wunde waren nicht verbrannt 
oder sonstwie veräadert; die nächste Umgebung in der Größe 
eines 1 Pfennigstücks erschien schiefergran verfärbt, doch ließ 
sich diese Verfärbong leicht abwaschen. Die Sonde drang mit 
schwacher Neigung nach oben gegen die Mitte der Schädelkapsel 
ins Schädelinnere. Eine Ansschn^ffnnng fand sich nicht vor. 

Nach den Erhebungen war der Mann kaum Stunde allein 









864 


Dr. Doepner. 


gewesen. Dieser Umstand, sowie die natfirliche Lage der Leiche 
im Bett, auf dessen Decke die abgeschossene Pistole getnnden 
wurde, endlich der ruhige Gesichtsansdruck ließen den Schloß 
za, daß der Tod sehr bald nach der Tat eingetreten war. 

Auch dieser Fall lehrt, daß Flobertpistolen keineswegs ein 
harmloses Spielzeug sind, wie Schäfer meint, sondern daß sie 
sehr wohl tdüiehe Verletzungen verursachen kbnnen. 


Ein Fall von Simulation einos Niorenleidens. 

Von Dr. Doepuer* Königsberg. 

Bei der Begutachtung von Leuten, die Anspruch auf Invaliden* 
oder Unfallrente machen, sind in den letzten Jahrzehnten wieder¬ 
holt Fälle beobachtet worden, in denen der Versuch gemacht 
wurde, durch Beimengung irgend welcher Stoffe zum Urin den 
untersuchenden Arzt zu täuschen. 

Tb. Kampf') erwähnt in solcher Absicht gemachte Zasitae Ton Blut, 
Milch and Zacker zam Urin; Wegner*) and T. Leersam*) beobachteten 
Beimischong von Htthnereiweiß. Strtimpel*) begatachtete einen Gastwirt, 
der eine Nierenblatang Torzatänschen sachte; bei der mikroskopischen Unter* 
sachang des Urinsediments fanden sich außer BlatkOrperchen Pflasterepitheliei, 
Haafen Ton Leptothrizpilzen and ein Stock einer quergestreiften Muskelfaser; 
der Untersachte bestätigte schließlich die Vermatung, daß das Blot aas dem 
Monde stamme, and er in den Urin Tor der Untersuchang hineingespuckt habe. 
Stier*^) erwähnt einen ähnlichen, von Damas^) beschriebenen Fall, in dem 
ein Mann durch Einspritzen Ton aas dem Zahnfleisch gesogenem Blat in die 
Blase ein Blasenleiden yortäuschte. Stier selbst wardo eine Zeit lang yon 
einem Manne darch Hinzafügen yon Traubenzacker zam Urin hintergangmi. 

Abeies and Hofmann’) begatachteten eme 38jährige Dame, die 
Ober Hanger and Darst klagte and ihrom Urin Zacker znsetzte. Sie hatte 
anfangs bierza Bohrzucker yerwendet; nachdem man dies jedoch erkannt and 
ihr bedeatet hatte, daß man eine falsche Zackerart bei ihr gefanden habe, 
nahm sie käuflichen Traubenzacker. Sie brachte es schließlich so weit, den 
Zacker sich selbst in die Blase za praktizieren, so daß der mit einem Katheter 
entleerte Urin zuckerhaltig war. 

Seit Entdeckung der Phloridzin-Glykosarie ist mehrfach auch 
die Frage aufgeworfen worden, wie man eine durch Einverleibung 
von Phloridzin versuchte Simulation von Diabetes am leichtesten 
aufdecken könne. Von v. Hering,*) Th. Bumpf^) Stier*) und 
E. Stern*) sind in der Beziehung Vorschläge gemacht 'worden; 
letzterer fdgt jedoch hinzu, daß seines Wissens ein Fall von 

’) Bumpf: VorlesoBgen Ober soziale Medizin. Leipzig 1908. 

*) Wegner; Zeitschrift für Unfallheilkande; 1902, S. 889. 

*)y. Leersam; Ibidem; 1903, 8.37. 

*) StrOmpel: Simulation yon Blatbrechen und Hämatorie bei einem 
Unfalikranken. Monatsschrift für Unfallheilkande; 1898, Nr. 4. 

L. Becker: Die Simulation yon Krankheiten and ihre Bedeatong. 
Ldpzig 1908. U. Teil E. Stier: Simulation yon Krankhcdten der Brost* and 
Baachorgane. 

') Damas: Cystite simuläe. Arch. de mäd. et pharm, milit; 1888,8.746. 

7) Abeies und Hofmann; Wiener med. Presse; 1876, Nr. 47 und 48. 

*) y. Mering; Zdtschrift für klinische Medizin; Bd. 16, 8.446. 

K. 81 e r n: Ueber traamatische Entstehung innerer Krankheiten. 
Jena 1900. 



Eia Fall yoa Simalation eines Nierenleidens. 


865 


Simalation von Diabetes darch Phloridzineinspritzang in der Praxis 
der ünfallbegatachtang noch nicht vorgekommen sei. 

Aach Beobachtungen, wie sie oben erwähnt sind, von Bei¬ 
mischungen den Begutachter irrettthrender Substanzen zum Urin 
sind immerhin ziemlich selten gemacht worden, so daß jeder neue 
derartige Fall ein gewisses Interesse bieten dürfte. 

Im Jahre 1906 hatte ich zweimal Gelegenheit, an der inneren 
Abteilung des St. Elisabeth-Krankenhauses zu Königsberg i. P.^) 
ein Mädchen zu beobachten, das durch Einstreuen von Mehl in 
den Urin ein Nierenleiden vorzutäuschen sachte. Der Fall ist 
auch insofern interessant, als er ein typisches Beispiel dafQr ist, 
wie manchmal die Invalidenrente als ein Mittel angesehen wird, 
ohne Arbeit durchs Leben zu kommen. 

Ein Mädchen, M. D., hatte 1897 im Alter von 26 Jahren die Invaliden¬ 
rente aaf Grand eines Qatachtens erlangt, dessen objektiver Befand lediglich 
aas folgenden Worten bestand: „Eiweifi im Urin. Sieht sehr krank ans.“ Eine 
Nachantersachang fand erst im Herbst 1905 statt. Die M. D. machte einen 
gesanden and aroeitsfahigen Eindrack; es fand sich bei der üntersacbong 
weder Eiweiß im ürin, noch eine Verbreiterang des Herzens. Bol der ünter- 
sachang vor der anteren Verwaltangsbehörde warde wohl etwas Eiweiß im 
Urin gefunden, doch erschien das Mädcben trotzdem nicht als invalide. 

Der Amtsvorsteher erteilte über die M. D. die Aoskanft, daß sie wohl 
arbeiten könnt^ aber anscheinend nicht wolle; sie lebe bei ihrer Motter, die 
Ortsarme sei, im Armenhaos nnd komme so ganz gat ohne Arbeit mit ihrer 
Invalidenrente aas. 

Bei einer zweiten Untersachang vor der unteren Verwaltungsbehörde 
wurde wiederum das Vorhandensein von Eiweiß im Urin festgestelit and 
daraafbin Invalidität angenommen. 

Das Mädchen sollte non zar Untersachang durch den Obervertrauensarzt 
nach Königsberg kommen; sie weigerte sich anfangs unter dem Vorwand, sie 
sei von der letzten Untersachang za angegriffen, Kam aber schließlich. Der 
Obervertrauensarzt fand den Urin etwas blathaltig; die M. D. bestritt, die 
Menstruation za haben, bis dies durch eine Qenitalantersuchang festgestellt 
wurde. Sie warde nun zur Beobachtung in das Elisabeth - Krankenhaus ge¬ 
schickt. Als die Menses vorüber waren, zeigte der Urin einen ganz geringen 
Eiweißgebalt, der nach dem Ergebnis der Sedimentuntersnchung auf einen 
Blasenkatarrh zurückzuführen war. Ferner fanden sich aber im Sediment 
massenhaft StärkekOrnet. Die M. D. stellte es durchaus in Abrede, irgend 
etwas in den ürin getan oder sich auch nur an den Genitalien gepudert za 
haben. Als der Befand am folgenden Tage derselbe war, wurde mit einem 
Katheter die Blase entleert; auch in diesem Urin fanden sich Stärkekömer, 
wenn auch nur vereinzelte. Eine zystoskopisohe Untersachang hatte den Erfolg, 
daß nunmehr die Stärkebeimischong zum Urin aufhOrte. 

Nach Abschluß der Beobachtung wurde das Mädchen in dem Gutachten 
als nicht invalide bezeichnet. Bei einer dritten Verhandlung vor der anteren 
Verwaltangsbehörde wurde ihr jedoch trotzdem die Belassung der Bente na- 
erkannt, weil sie wegen eines chronischen Nierenleidens dauernd erwerbs- 
onfähtg seL 

Die Landesversicherungsanstalt veranlaßte daraufhin wiederum ihre 
Beobachtung im Elisabeth - Krankenhause. Der Urin zeigte auch diesmal 
wieder einen geringen Eiweißgehalt; im Sediment fanden sich reichlich Blasen- 
epithelien und Eiterkörperchen, nur manchmal nach längerem Zentrifugieren 
mit der elektrisch betrieb snen Zentrifage ein einzelner Zylinder. Ferner fanden 
sich im Urin wie bei der ersten Beobachtung Stärkekömer, die nach längerem 
Stehen des Urins einen sehr deutlichen Bodensatz bildeten. Aach diesmal 


*) Herrn Professor Dr. Falkenheim, dem leitenden Arzt dieser Ab¬ 
teilung, bin ich für die Ueberiassong der Krankengeschichten zu großem 
Danke verpflichtet. 



866 


Dr. Doepner: Ein Fall Ton Simulation dnes merenleidena. 


bestritt die M. D., Mehl in den ürin hineingetan zu haben oder flberhanpt bei 
sich zu ftthren. 

Sie erhielt nun eine größere Anzahl UringlSser mit der Weisung, jedes* 
mal in ein frisches Glas zu urinieren und die Zeit auf einem daran hängenden 
Zettel zu notieren; dies wurde zwei Tage lang dnrcbgeftthrt. Das Ergebnis 
war yerblttffend eindeutig: Am Tage und so lange Licht im Krankenzimmer 
brannte, die M. D. sich also beobachtet wußte, war der Urin völlig frei von 
Stärke, in der Nacht jedoch enthielt er sehr reichlich Stärke, in einzelnen 
Gläsern so reichlich, daß der Bodensatz von Stärke etwa 1 mm hoch war, 
während die Höhe der Urinschicht kaum 5 cm betrug. 

Als hierüber dem Mädchen Vorhaltungen gemacht wurden, leugnete sie 
zwar nach wie vor, irgend etwas in den Urin gestreut zu haben, doch wurden 
von nun an keine Stärkekörner mehr in diesem gefunden. 

In dem Gutachten kam ich auch diesmal zu dem Schluß, daß bei der 
M. D. Invalidität nicht vorlie^. Die Landes Versicherungsanstalt entzog ihr 
daraufhin die Invalidenrente. Wie aus den mir zur Verfügung gestellten Akten 
hervorgebt, legte sie gegen diesen Bescheid diesmal keine Berufung ein und 
stellte auch bis jetzt keinen neuen Antrag auf Gewährung der Invalidenrente. 

In diesem Falle war der Betrag ein so plumper, daß seine 
Erkennung nicht schwer hei, sobald nur erst diese Möglichkeit 
in Betracht gezogen war. Daß bei den Untersuchungen vor der 
unteren Verwaltungsbehörde die Täuschung gelang, wurde wohl 
dadurch erleichtert, daß der Urin infolge des bestehenden Blasen¬ 
katarrhs trflbe war und eine Spur Eiweiß enthielt. Ob dieser 
Blasenkatarrh übrigens erst durch die Bemühungen der M. D., 
sich Stärke in die Blase zu bringen, entstanden ist, erscheint mir 
nach den in den Akten niedergelegten Ergebnissen der einzelnen 
Untersuchungen der M. D. nicht unwahrscheinlich. 

Bedauerlich ist, daß die M. D., trotzdem sie einsah, dass ihr 
Betrug nicht zum Ziele führte, alles abstritt und auch nichts 
darüber angeben wollte, wie sie auf den Gedanken, Mehl dem 
Urin beizumischen, gekommen sei. Man muss wohl annehmen, 
dass wiederholt in ihrer Gegenwart an eiweisshaltigen Urinen 
die Eochprobe vorgenommen wurde und sie das Aultreteh der 
Eiweisstrübung mit den Erscheinungen beim Kochen von Stärke¬ 
kleister verglich. 

Durch Versuche habe ich mich übrigens überzeugt, dan 
immerhin eine nicht unbeträchtliche Menge von Mehl dazu gehört, 
um beim Kochen eine stärkere Trübung des Urins hervorzurufen, 
da die gequollenen Stärkekörner erhebOch durchsichtiger sind, als 
Eiweissgerinnsel. Bei Zusatz einer grösseren Menge von Mehl 
erstarrte dagegen der Urin zu einer gallertartigen Masse, die 
gar keine Aehnlichkeit mit einem Urin hat, der infolge ^hen 
Eiweissgehalts beim Kochen vollständig geronnen ist. 

Der von mir beschriebene Fall mahnt zur Vorsicht bei der 
Beurteilung der Bedeutung geringer Eiweissmengen im Urin von 
Leuten, die auf Invalidenrente Anspruch erheben. Falsch wäre 
es jedenfalls, dann ein Invalidität bedingendes Nierenleiden an- 
zunehmen, wenn sich nicht gleichzeitig in Form von Herzver- 
breiterung, Oedemen usw. Folgeerscheinungen des Nierenleidens 
vorfiuden. Das beste ist in solchen Fällen, besonders wenn eine 
Untersuchung des Urinsediments nicht zum Ziele führt oder nicht 
durchführbar ist, die Beobachtung in einem Krankenhause zn 
beantragen, zumal dann auch Betrügereien am leichtesten entdeckt 



Dr. Troeger: Zwei interessante Fälle aas meiner amllicben Tätigkeit. 867 

werden, wie es z. B. zuweilen yersncht werden soll, dnrch Mit¬ 
bringen eines fremden oder irgendwie präparierten Urins den 
Untersncher zn tänsehen. 


Zwei interessante Fälle aus meiner amtlichen Tätigkeit. 

Von Kreisarzt Dr. Troeger in Kempen L P. 

I. Eine Typhnsbazillenträgerin als Infektionsquelle. 

Im März 1907, während ich zn einem Grannloseknrsns in 
Posen war, erkrankte die Frau eines hiesigen, sehr wohlhabenden 
Mtthlenbesitzers an Typhns. Mit den Ermittelungen war, da 
mein Vertreter schwer erkrankt war, ein praktischer Arzt betraut 
worden. Bei meiner Bflckkebr glaubte ich, mit Bftcksicht anf 
die Familie und die dauernde ärztliche Ueberwachnng durch 
2 behandelnde Aerzte (die allerdings die Ansteckung des Dienst¬ 
mädchens, welches die Ausleerungen zu beseitigen hatte, nicht 
hatten verhüten können), von einer eingehenden, amtlichen Be¬ 
handlung des Falles Abstand nehmen zu können. 

Einige Monate später erkrankte eine arme Witwe mit ihren 
zwei Kindern an Typhus. Die Ermittelungen bezüglich der An¬ 
steckung führten anf eine wohlhabende Kaufmannsfamilie, bei 
welcher die Frau beschäftigt war. Trotz anfänglichen energischen 
Sträubens gelang es mir, den Kaufmann zu dem Gieständnis zu 
bringen, diQi ein kleines Kind von ihm vor einiger Zeit typhus- 
verdächtig krank gewesen sei, daß jedoch die Untersuchung von 
Stuhl und Urin, die der Arzt eingesandt habe, ein negatives 
Eesultat ergeben hätten. Darauf seien dann noch ein Lehrling 
und ein Dienstmädchen ähnlich krank geworden, sie lägen im 
Krankenhause, und er wisse nicht, was ihnen fehle. Auch hier 
hatten die ersten bakteriologischen Untersuchungen negative 
Resultate ergeben; es war daraufhin der Typhnsverdacht 
fallen gelassen worden. Die zweite Blutnntersuchung ergab 
jedoch ein positives Resultat. Als ich jetzt dem Kaufmann anf 
den Kopf znsagte, daß sein Kind auch Typhus gehabt habe, 
beqnemte er sich endlich zu dem Geständnis, daß er seit 1. Mai 
die Köchin J. habe, die im März noch bei dem Mühlenbesitzer 
gedient habe, wo Typhns geherrscht hatte. Er habe sie nicht 
nehmen wollen, weil sie aus der Typhns-Familie kam. Der Arzt 
habe ihm jedoch gesagt, wenn die Köchin sich 4 Wochen an der 
Luft bewegt habe, könne er sie unbedenklich annehmen. 

Jetzt war es mir so gut wie sicher, daß die Köchin J. den 
Typhus übertragen hatte, und ich vermutete in ihr eine Bazillen¬ 
trägerin. Sie hatte ihren Dienst bei dem Kaufmann verlassen 
müssen und wohnte in der Stadt. Ich ließ ihre Ausleerungen 
untersuchen, alle jedoch mit negativem Resultat. 

Im Herbste desselben Jahres brach auf dem Gute N. im 
Kreise Kempen Typhns aus. Der behandelnde Arzt teilte mir 
mit, daß er 2 kranke Kinder, die schon zwei Wochen an Typhns 
krank gewesen waren, in das Krankenhaus habe überführen lassen, 



868 


Dr. Troegcr. 


und daß die Großmutter dieser Kinder im Nachbardorfe in diesen 
Tagen gestorben wäre; sie habe bei Lebzeiten die Kinder gepflegt. 
In dem Dorfe, in dem die verstorbene Großmutter gewohnt hatte, 
wurde mir nun gesagt, die Tochter der Verstorbenen, das ist die 
Tante der kranken Kinder, die im Krankenhause zuerst gelegen 
hatte und noch ein Dienstmädchen auf dem Gute N. habe dieselbe 
Krankheit gehabt, an der die Großmutter jetzt gestorben wäre; 
der Ansteckungsheerd liege auf dem Gute N. Die Großmutter 
war, wie die Ermittelungen ergaben, fraglos unter Typhuäerschei* 
nungen gestorben. Bezüglich der Tante der kranken Kinder 
ergaben nun die weiteren Ermittelungen, daß sie ebenfalls an 
Typhus krank gewesen war, ihre Krankheit ärztlich jedoch für 
Kindbettfleber bezw. für eine Wochenbett erkrankung gehalten 
worden war. Den Schlüssel zu den mir zunächst wieder rätsel¬ 
haften Typhusfällen lieferte der Gutsverwalter. Er teilte mir mit, 
er habe seit einigen Monaten die Köchin J., die früher bei dem 
Mühlenbesitzer und dann bei dem Kaufmann in Stellung gewesen 
sei, im Dienste. Mit ihr zusammen habe die Tante der Kinder ge¬ 
arbeitet und geschlafen. Nun unterlag es für mich keinem 
Zweifel mehr, daß die Köchin J. eine Typhusbazillenträgerin 
sein müsse; in der Tat ergab die jetzt erneut eingeleitete Unter¬ 
suchung ihrer Ausleerungen Typhusbazillen im Stuhle. 

Ich habe nun den Versuch gemacht, das Vorleben der Ba¬ 
zillenträgerin anfzuklären. Leider hat der Erfolg meinen Er¬ 
wartungen nicht ganz entsprochen, immerhin ist das Ermittelte 
nicht ohne Interesse. Die J. gab mit aller Bestimmtheit an, nie 
typhnskrank gewesen zu sein. Diese Angabe will bei einer Frau, 
£e der niedrigsten Klasse der polnischen Bevölkerung angehört, 
nicht viel besagen. Sie kann sehr wohl vor vielen Jahren ein¬ 
mal, auch bettlägerig, krank an Typhus gewesen sein, ohne daß 
ein Arzt konsultiert wurde, wie das in der hiesigen Gegend oft 
vorkommt Die J. gab weiter an, daß in ihrer ersten Dienst¬ 
stelle in Kempen in der Familie eines Postdirektors ein Kind 
schwer an Typhus erki’ankt gewesen sei. Wie lange dieses 
zurflckliegt, konnte sie nicht mehr angeben. Es muß jedoch länger 
als 13 Jahre her sein; denn der Mühlenbesitzer, bei dem die J. 
zum ersten Male vor 13 Jahren im Dienst war, sagte mir, daß, 
als die J. damals in seinem Hause gewesen wäre, sei eine Tochter 
von ihm an Typhus erkrankt. Als er sie zum zweiten Male am 
1. Januar 1907 wieder in den Di^^nst genommen hatte, brach, 
wie ich bereits eingangs erwähnt habe, wiederum in seiner Fa¬ 
milie Typhus aus. Ein hiesiger Arzt, mit dem ich einmal über 
den Fall sprach, sagte mir ganz erstaunt, die J. sei vor etwa 
6 Jahren bei seiner Mutter Köchin gewesen. Ein Bruder won 
ihm sei damals an Typhus erkrankt und gestorben. Eine Tochter 
der J. ist vor 10 Jahren auch an Typhus krank gewesen. Nicht 
unerwähnt lassen muß ich jedoch auch, daß die J. nachweislich 
in mehreren Familien gedient hat, ohne daß daselbst Typhus 
ausgebrochen ist. In diesen Zeiten hat sie offenbar keine Bseillen 
ansgeschieden. 



Zwei interessante Fälle ans meiner amUicben Tätigkeit. 869 

Nachdem die J. als Bazillenträgerin entlarvt war, fing 
auch ihre Leidensgeschichte an. Ihre Eigenschaft war bekannt 
geworden; Niemand wollte sie mehr in Dienst nehmen, so daß 
sie tatsächlich eine Zeitlang so gut wie brotlos war. Sie ging 
im Frfibjahre als Sachsengängerin auf Anßenarbeit. Nachdem 
ich dem dortigen Kreisarzt mitgeteilt hatte, daß sie Bazillen¬ 
trägerin sei, wnrde sie zwangsweise, nm sie zu isolieren, in ein 
Krankenhaus überfährt, üeber die hierdurch entstandenen Kosten 
schweben Verhandlungen zwischen der hiesigen und der dortigen 
Polizei - Verwaltung. 

Die J. befindet sich seit ihrer Entlassung ans dem Kranken¬ 
hause in der Provinz Sachsen wieder in Kempen. Hier wurde 
sie polizeilicherseits sofort wieder angehalten, ihre Ausleerungen 
den Vorschriften gemäß zu desinfizieren. Die Desinfektionsmittel 
werden ihr gratis geliefert. 

Daß den BazUlenträgem gegenüber unsere jetzigen gesetz¬ 
lichen Bestimmungen nicht ausreichen, nm eine Weiterverbreitnng 
des Typhus durch sie zu verhüten, ist klar; denn bestimmungs¬ 
gemäß können Personen, welche den Anstecknngsstofi des Typhus 
bei sich tragen, lediglich auf die Gefahr, welche sie für ihre 
Umgebung bilden, hingewiesen und zur Befolgung der erforder¬ 
lichen Desinfektionsmaßnahmen angehalten werden. Wie wenig 
dies bei den ungebildeten Personen bedeuten will, ist ohne 
weiteres ersichtlich. 

II. Vakzine-Impfinfektion. 

Eines Tages wnrde mir die Mitteilung, daß in einigen 
Stunden eine Pockenkranke in das Krankenhaus aufgenommen 
werden würde. Die Kranke stammte ans einem Dorfe im Kreise. 
Die Diagnose war von einem Arzte ans einem Nachbarstädtchen 
gestellt worden, wohin die Kranke gefahren worden war. Die 
Aufnahme in das dortige Krankenhaus war abgelehnt worden. — 
Ich verabredete mit dem hiesigen Krankenhausarzt eine bestimmte 
Stande, um die Kranke gemeinsam zu untersuchen. Ich muß 
noch bemerken, daß Kempen ein Grenzkreis ist und daß damals 
jenseits der Grenze eine Pockenepidemie herrschte. Außerdem 
war gerade die Sachsengängerei in vollem Gange. Gelegenheit 
zur Ansteckung hatte die Kranke allerdings nachweislich nur 
insofern gehabt, als sie in der Inkubationszeit Bekannte an den 
hiesigen Bahnhof gebracht hatte und hier mit vielen Sachsen¬ 
gängern in Berührung gekommen war. 

Der Krankenhausarzt hielt die mit mir verabredete Stande 
nicht inne. Er war vorher zu der Kranken gegangen, hatte seine 
Diagnose gestellt und zwar, wie sich später herausstellte, auf 
„bullöses Erysipel“; Impf-Pocken hatte er für ausgeschlossen er¬ 
klärt. Nach eingehender Anamnese und Untersuchung lautete meine 
Diagnose „Impfpocken, vom Säugling übertragen auf ein chro¬ 
nisches Ekzem der Nase der Matter und ekzematöse Stellen um 
die Handgelenke“. Der Säugling war am 4. April geimpft worden 
und am 8. April erkrankte die Matter unter Schüttdfrost und 



870 


Dr. Zelle. 


Erscheinangen einer schweren, fieberhaften Infeklion. Die Kranke 
behauptete zwar, alljährlich und zwar während des „Mistfahrens" 
einen solchen Ausschlag ins Gesicht zu bekommen. Der noch 
hinzugezogene Begierungs- und Medizinalrat schloß sich meiner 
Diagnose rftckhaltslos an; auch regte er bei mir eine Veröffent¬ 
lichung des Falles an. Die Kranke wurde photographiert (s. das 
nebenstehende Bild); der Krankenhausarzt sandte Pustelinhalt an 
das Impfinstitut in Stettin zur Untersuchung ein. Von hier kam die 
erste Machricht, daß die Tierversuche nur ergeben hätten, daß der 
Pustelinhalt einen f fir die Kaninchen intensiv pathogen wirkenden Stoff 
bildete. Die Sektion eines Tieres hatte akutes, purulentes Oedem 
ergeben. Die Obduktion eines zweiten ergab pyämische Herde an 
der Leber und MilzvergrOßerung. Auch die mikroskopische Unter¬ 
suchung der gehärteten Hornhäute hatte einen negativen Befund 
ffir eine Vakzineinfektion ergeben. Der Ausfall dieser Unter¬ 
suchungen konnte mich nicht bestimmen, von meiner gestellten 
Diagnose abzugehen. Ich schrieb dies an das Institut und teilte 
noch mit, daß die randständigen Pusteln bei der Kranken unter 
einer typischen Narbe z. T. abgeheilt wären. Ich erhielt darauf 
die Mitteilung, daß der Ausfall des Tierversuchs usw. im vor¬ 
liegenden Falle nicht maßgebend sein könne, weil der Unter- 
suchungsstoff durch anderweite Beimengungen sicherlich derartig 
stark verunreinigt war, daß es zu einer regelrechten Vakzine¬ 
reaktion beim Versuchstier nicht hätte kommen können, selbst 
vorausgesetzt, daß in dem Untersuchungsstoff Vakzine enthalten 
gewesen wäre. Entscheiden mttsse hier vielmehr der klinische 
Verlauf; wenn eine regelrechte Abheilung der randständigen 
Pocken zu beobachten wäre, so hätte ich Recht, bei meiner Ka- 
gnose zu verharren. 

Nachdem die Kranke schon monatelang genesen war, hatte 
ich Gelegenheit, sie wiederzusehen. Die randständigen Pusteln 
waren nnter typischen Pockennarben abgeheilt; die ganze Nase 
war jedoch auch von einer einzigen dfinnen Narbe bedeckt. 

Aus der einschlägigen Literatur habe ich ersehen, daß die 
Abheilung randständiger Pocken unter Vernarbung charakteristisch 
fflr Vakzine-Impfinfektion ist, daß hierbei jedoch größere, ge- 
schwflrige Flächen meist nicht unter Vernarbung abheilen. 


Die Kurpfuscherei im 18. Jahrhundert. 

VoD Kreisarzt Dr. Zelle in Lotzen. 

Mit Rücksicht auf die beabsichtigte reichsgesetzliche Reg¬ 
lung des Kurpfuscherei- und Geheimmittelwesens dürften vielleicht 
die im folgenden enthaltenen historischen Notizen nicht ohne 
Interesse sein. 

Uralt wie das Menschengeschlecht und seine Irrtümer ist 
auch die Kurpfuscherei, und es wäre ein schwerer Irrtum, zu 
glauben,^ daß Wissen, Kultur und hohe universale Bildung immer 
sichere Schutzinauern gegen das Eindringen schwindelhafter Heil- 



Zum Artikel von Dr. Troeger: Zwei interessante Fälle aus meiner 
amtliehen Tätigkeit (Vakzine*Impfinfektion). 



























Die Eorpfnecbeiei im 18. Jahihnndert. 


871 


k&DsÜer gewesen sind. Nie blQhte die Enrpfnscherei genialer 
Betrngskflnstler wie eines Cagliastro höher als an den Höfen 
einer überfeinerten Hyperknltnr, und bis in die allernenesten 
Zeiten haben wir gesehen, daß mystischer nnd krankhaft entar¬ 
teter religiöser Knltns mit Vorliebe dort sein Hanptqnartier anf- 
schlägt, wo Hoflnft and bis ins raffinierteste getriebene Lebens¬ 
haltung herrschen. Kein Volk ist frei von diesen Sünden, nnd 
in Bajä wie Byzanz, Versailles wie Potsdam, Dresden wie Mün¬ 
chen kann der Kenner junger wie alter Kulturgeschichte Unglaub¬ 
liches davon erzählen. 

Ich beschränke mich im folgenden nur auf einige Andeutun¬ 
gen über Pfuscherei wesen des 18. Jahrhunderts. 

In unserm lieben Deutschland machten den gelehrten Herrn 
Doktoren der Medizin nicht nur Hausierer und Marktschreier, 
sondern vielfach am meisten die Scharfrichter durch „scharfe" 
Konkurrenz das Leben sauer. Wie Fischer (Chirurgie vor 100 
Jahren, Leipzig 1876) erzählt, traute man ihnen, da sie viel mit 
Hexen zu tun hatten, zu, daß sie diesen Wesen, von denen es 
frei mit Faust heißen kann „allwissend sind wir nicht, doch viel 
ist uns bewußt" - - profunde Kenntnisse in der „schwarzen Kunst" 
abgelauscht hätten. In der Tat trieb dies unheimliche Metier 
die Scharfrichter von selber zu heilkünstlerischen Verrichtungen; 
denn sie mußten amtlich die durch gräßliche Torturen verrenkten 
Glieder einrichten, sie schmierten die Brandwunden mit tierischen 
Fetten ein. Man traute ihnen dadurch die Herstellung des Uni¬ 
versalwundmittels der „Hexensalbe" zu, in welcher Hnndefett die 
Hauptrolle spielte. So verdrängten sie vielfach die. Chirurgen, 
aber sie richteten im allgemeinen mehr Schaden wie Nutzen an. 
Im Jahre 1780 mußte z. B. die Leipziger Universität; einen Fall 
begutachten, in dem ein Scharfrichter den gebrochenen^Arm eines 
Knaben so fest geschindelt hatte, daß der Arm abstarb und in 
Leipzig ohne Blutverlust aus dem gangränös gewordenen Schulter¬ 
gelenk heransgehoben werden konnte. 

Aber auch in innerer Medizin versuchten sich die Henker. 
Gegen Epilepsie verordneten sie schäumend frisches Blut innerlich 
zu nehmen; am billigsten wurde Juden-, am teuersten Jungfern- 
blut abgegeben (ein Vorspiel unserer Organtherapie). Nicht nur 
die Plebs konsultierte die Scharfrichter, so mancher hochange¬ 
sehene Bürger schlich nachts zu dem Gevatter Freimann nnd 
flehte ihn um Hilfe an, sogar die hochwür^ge Geistlichkeit stellte 
sich ein. C. C. v. Siebold erzählt, daß ein Abt wegen Paro¬ 
titis sich beim Henker Rat holte. Nicht ohne ein peinliches 
Gefühl lesen wir, daß König Friedrich I. von Preußen gegen den 
Widerspruch des Collegium medicnm den Scharfrichter Koblenz 
in Berlin zum Hof- nnd Leibmedicus machte. Zwar untersagte 
ein Edikt von 1725 in Preußen den Henkern ernstlich das Ku¬ 
rieren, aber schon 1744 gestattete der große Friedrich ihnen, 
„Knochenbrüche, Geschwüre nnd Wanden" nach bestandenem 
Examen zu behandeln, nnd als die Aerzte in Potsdam sich be¬ 
schwerten, fuhr ihnen der königliche ZQi'U rr- wenn wir die Schil- 



872 


Dr. Zdle. 


deniDgen Aber die jammerToUen Arztznstände der damaligen Zeit 
lesen, nicht ohne Berechtigong — auf die Köpfe: 

^Da aber S. H. iadietinktement nicht allen Scharfrichtem aondem nu 
denen habilen solch Karen erlaubt haben, so lassen HOcbstdieselben es auch ferner« 
hin bewenden messen Pablikam in nötigen Fällen Hilfe will and wenn ^e 
Chimrgen so habil seiend, jedermann sich ihnen lieber anvertraaen, als bei 
einem Scharfrichter in die Kar geben wird, wohingegen aber, wann unter den 
Cbirargen Ignoranten seien, das Pablikam daranter nicht leiden soll, sondern 
jene sich gefallen lassen müssen, dass sich jemand lieber durch einen Scharf« 
lichter kurieren und helfen lasse, als ihnen zu Gefallen lahm und ein Krüppel 
bleiben. Und also sollen sich die Chirurgen nur erst alle recht geschickt 
machen und babilitiren, so werden die Kuren derer Scharfrichter Ton seibeten 
und ohne Verbot aufhOren.** 

Während in Oesterreich schon 1768 den Henkern das Ku¬ 
rieren untersagt wurde, durften sie in Sachsen Brflche, Buckel 
und Beulen behandeln; in der Badenschen Grafschaft Salem haben 
sie bis 1807 (!) Medizin und Chirurgie treiben dflrfen. 

In Preußen hörte das Kurpfuschen der Henker von selbst 
auf, als Examen und Approbation yorgeschrieben wurde. 

Das Geschäft der Scharfrichter wiederum brachte die Justiz 
oft in die Lage, den Bat des Chirurgen einzuholen. Bekanntlich 
ist die Folter erst sehr spät ans deutschen Landen yerschwnnden; 
die letzte Hexe wurde in Wärzbnrg 1749 verbrannt; hingerichtet 
als Hexe wurde noch 1782 eine 70j‘ährige Nonne in Glarus. 
Während die Folter in Oesterreich 1776 auf die Vorstellungen 
des Professors Leber, der 10 Jahre „Folterarzt“ gewesen war, 
abgeschafft wurde, blfihte sie in Deutschland noch fröhlich weiter. 
Noch 1818 wurde in Hannover beim Amtsgericht Meinersen ein 
Kärrner Wiedemann wegen Pferdediebstahls gemartert. Er mußte 
sich in einen mit scharfen Stacheln besetzten Marterstnhl setzen, 
dann wurden ihm Daumschrauben angelegt, und als er noch 
immer nichts gestand, gequetscht. Erst am 17. April 1818 wurde 
die Tortur in Hannover aufgehoben. 

Professor Heister gab dem Magistrat in Hannover 1754 
ein motiviertes Gutachten darüber ab, ob der Folterarzt, welcher 
jeder Torquiernng beiwohnen mußte, erkennen könne, ob „die 
Schnüre, mit denen die Gliedmaßen torquiert und malträtiert 
seien, bis auf den Knochen gehen könnten.“ Heister meinte, 
„daß ein ganzes Chor von Chirurgen, wenn es abwärtes vom Delin¬ 
quenten säße, ohne auf den Arm gantz nahe und genau zu fühlen, 
nicht fähig seie, gewiss zu ermessen, ob die Constriktion bis auf 
den Knochen der Armen ginge.“ 

In Frankreich holte, was wenig bekannt ist, während der 
Revolution die Nationalversammlung von dem secretaire perpetuel 
der Akademie Herrn Louis ein gewichtiges Gutachten über den 
zweckmäßigsten Bau der Guillotine ein. 

Das Kurpfuschereinnwesen beschränkte sich im 18. Jahrhun¬ 
dert, wie gesagt, nicht auf Deutschland, auch anderswo trieb es Blüten 
und E[nospen. In Frankreich herrschte (cf. Bede des Staatsrats 
Fonr croy im gesetzgebenden Körper) seit der Aufhebung der Fakul¬ 
täten (30. frnctidor an I) vollständige Anarchie. „Die Männer, welche 
seit 8 Jahren in den Arzneischulen studiert haben, sind kaum im 



Die Enrpfascherei im 18. Jahrhoadert. 


878 


Stande, ihre Kenntnisse zn yerwerten, während Schinder and 
schamlose Hafschmiede den Namen Aerzte missbranchen.* Noch 
(an VIII 1800) trieben die Okalisten besonders ihr Unwesen, 
ftberall prangten Ankündigungen der mödecins ocnlistes nnd an 
allen Straßenecken las man die Affichen nnd Anpreisungen der 
pomades antiophtalmiqnes nnd der collyres. 

Sehr wenig wurde in Italien gepfuscht; hier stand der 
Aerztebemf in zu hohem Ansehen. Medizin und Chirurgie war 
Yüllig in getrennten Händen. Es wird uns versichert, daß sogar 
kein Heilgehilfe (Bader) sich dazu herabließ, einem Patienten die 
Haare zu schneiden. In den besseren Familien war es Sitte, bei 
jeder schweren Erkrankung mehrere Medici zu konsultieren; es 
galt für eine Schande, wenn ein Patient nur unter den Händen 
eines einzigen Arztes gestorben wäre, mindestens waren drei 
dazu erforderlich, so heischte es die gestrenge Mode. 

Tolle Blasen trieb das Eurpfuscherwesen in England. 
In keinem Lande stieß man auf so viele marktschreierische An* 
preisungen, der Londoner Chronikle wimmelte von Schwindel* 
annoncen. Ein gut Teil Schule an dieser Misere batte die hohe 
ärztliche Taxe, auf die wir mit einem gewissen Neidgefflbl sehen 
dürften. Kein honoriger Arzt machte einen Besuch unter einer 
Guinee. Da diese horrende Somme nur der Beiche zahlen konnte, 
wandte sich Bürger wie Bauer gerne an die schon aamals stets 
hilfsbereiten Apotheker, die in ihrem Amt nie von Aerzten revi* 
diert wurden und Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer nach Herzens* 
lust spielen durften, wenn sie nur dem Staate die Taxen bezahlten. 
Für die Funktion des „Gliedereinsetzens", welche bei uns die 
Domäne der Schäfer und der Ziehmänner ist, existierten besondere 
Personen, welche dies Gewerbe als ein in ihrer Familie seit 
anno x Ererbtes betrieben. Dabei war das Ansehen der Qoacksalber 
kein kleines; so sagte z. B. ein Bichter zu der Gescbworenenbank, 
er glaube, daß ein Gliedereinsetzer auf dem Lande mehr ver* 
stünde, wie die ganze wohllöbliche Fakultät. Auch den Schwindel 
mit Geheimmitteln duldete die englische Begiernng, ja sie kaufte 
1725 das „Arkanum zur Badikalheilung der Brüche" von einem 
gewissen Bowles gegen 500 Pfund Bente und eine einmalige 
Summe von 5000 Pfund. 

In Bassland stand die Pfascberei sogar unter dem Schatz 
des Staates. Kaiserin Katharina II. befahl 1781 dem Medizinal¬ 
kolleg, daß je zwei Medizinalschüler für zwei Monate abkomman¬ 
diert würden, um bei einem bekannten Einrenker, einem Bäuerlein 
aus der Umgebung von Moskau, die Behandlung der Brüche und 
Verrenkungen zu lernen. 

So sehen wir, daß überall in Europa der Schwindel lustig 
blühte, erst allmählig fing es an zu tagen. Daß Oesterreich 
schon 1753 den Henkern das Pfuschen untersagte, ist schon 
erwähnt; gleichzeitig verbot dort ein Edikt allen Marktschreiern 
und Hausierern das Ausstehen in Buden und jede Erankenbeband* 
lang kurzweg. Bekanntlich bestraft dies glückliche Land noch 
heute jedes Kurpfuschen! 



874 


Dr. Zello: Die KarpfoBcherei im 18. Jehrhnndert. 


Sachsen folgte diesem Beispiel erst 1781; in den Klein¬ 
staaten wie Lippe finden wir aber noch 1789 Brnchschneider 
and Oknlisten lustig ihr Unwesen treiben. Sollte in diesen 
Miniaturstaaten ein Pfuscher zur Verantwortung gezogen werden, 
so entfloh er leicht ttber die Grenze. 

Die Gesetze waren nicht im Stande das üebel ansznrotten, 
ebenso wenig wie die schon damals mit Recht (?) so beliebten 
Traktfttchen und populäre Belehrungen. Vergebens verfasste 
Dr. Tissot 1761 eine flammende Broschüre gegen das Pfuscher- 
tum, welche in Lausanne erschien und 50 Auflagen erlebte; ebenso 
vergeblich war die Wochenschrift des Dr. Unzer, welche 1769 
bis 1764 erschien und das Publikum warnen sollte. „Aber wie 
kann man die Knechte loben, kommt doch das Aergemis von oben“. 
Wohl hat der scharfblickende, mit Unrecht nur „SoldatenkSnig“ 
genannte Friedrich Wilhelm I. den Arztstand gewaltig heben 
wollen; er hat Fonds fflr Studienreisen errichtet; er hat die Sa¬ 
nitätskollegien geschaffen, bei welchen „von denen Stadt- und Land- 
Physikus, wann etwa außerordentliche Krankheiten sich äußern, 
zeitige Anzeige zu tun und sodann auf Mittel zu denken, die 
Patienten und das gesamte Land vor dergleichen Seuchen zu 
reinigen und zu bewahren.“ Er hat Leichenbeschauer angestellt; 
er hat verordnet, daß jeder Arzt sein Examen machen mußte, ehe 
er auf die Menschheit losgelassen wurde, weil „gleichwie in an¬ 
deren Professionen ein Stümper sich leichtlich verrät, . . . wo¬ 
gegen die Fehler in der Arztneikunst meistens durch ein finsteres 
Grab verdeckt, mithin die Pfuscherei nirgends beschwerlicher und 
gemeiner ist, als in der Arztneikunst.“ Als aber sein Nachfolger 
Friedrich Wilhelm II. seine rühmlose Regierung und sein 
Leben zu Ende gehen sah, da versuchten an dem schwer kranken 
Manne alle Quacksalber Europas ihre Künste und heimsten enorme 
Summen ein. Sie ließen ihn die Ausdünstung nngebomer Kälber 
einatmen, die man ans den Kühen schnitt; sie bereiteten ihm 
künstliche Lebensluft, welche aus tierischen Abfällen hergestellt, 
in Ballons von Goldschlägerhaut aufgefangen wurde. Ein Mag¬ 
netiseur de Beaunoir verordnete elektrische Bäder, ein anderer 
ließ zwei Kinder von 8—10 Jahren, die gesund, frisch und heitern 
Gemüts sein sollten, zu beiden Seiten des Monarchen schlafen, 
um ihn mit ihren reinen Ausdünstungen zu umgeben! Und all 
dieser Unsinn wurde getreulich angewandt! 

Eine kurze Erwähnung verdient auch das Pfuschen der 
Geistlichen: 

Oesterreich verbot ihnen 1770 alles Kurieren bei 100 Dukaten 
Strafe, nur der Orden der barmherzigen Brüder durfte nach ab¬ 
gelegtem Examen Apotheken errichten. In anderen Ländern dachte 
man mijder, ja man wollte durch Zulassung der Geistlichkeit zur 
Praxis die Pfuscherei bekämpfen. So gestattete das Parlament 
in Rouen 1773 dem Klerus die Ausübung der Heilkunde, und 
Napoleon I. bestätigte das Gutachten des Staatsrates, wonach 
ihnen ärztlicher Beistand erlaubt war. 

In Hesseu verordnete 1777 der Landgraf Ludwig, daß kein 



Kleinere Utteilnngen and Befemte ans Zeitschriften. 


875 


jonger Theologe eine Pfarre erhalten dürfe, wenn er nicht im 
letzten Jahre in Giessen Über Medizin und Pfnscherei ein Kolleg 
gehört hätte. Wfirzbnrg und Landeshnt verlangten von ihren 
Geistlichen, daß sie Anthropologie gehört hätten; Schweden for¬ 
derte Kenntnis der Pathologie. 

Bekannt ist, daß noch Hnfeland sich 1809 für die medi¬ 
zinische Betätigung der Landpastoren anssprach, nm der Pfnscherei 
Einhalt zn gebieten. 

Ich schließe hiermit meine knrze Besprechung; vielleicht 
ist sie nicht nutzlos, leben wir doch wieder in einer Zeit, wo 
sich Kurpfuscherei und eine falsch verstandene Natnrheilknnde 
wie eine neue Volksseuche ausbreiten und in die weitesten Kreise 
der Bevölkerung, selbst in solche, die durch Bildung und Geburt 
vor derlei Torheiten — ich erinnere nur an das Unwesen der 
Gesundbeterei — gefeit sein sollten, eindringen. 

Wer Augen hat zu sehen, weiß, dass der Menschen Handeln 
selten von der verstandesmässigen Einsicht abhängt, sondern von 
Charakter und Gewohnheit. Damm haben grosse Belehrungen 
der Menge wohl nicht allzu viel Sinn. Mundus vnlt decipi, ist 
eine Binsenwahrheit und daraus folgt mit unerbittlicher Logik: 
ergo decipiatur. 

Die Anlage des Menschen zu ändern, geht über unsre Kraft; 
darum bleibt nur eins: Man muss die Sitten so gestalten, dass 
ans ihnen gutes erwächst. Und wer ist dazu auf dem Gebiete 
der Volkaufklämng beratener, als wir Medizinalbeamte! 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. OeriohtUoh« Modlzln. 

Einiges Uber die forenslsehe Photographie. Von Prof. B. A Belss, 
Laosanne. Photographische Korrespondenz; 1907, September. 

Trotz der wichtigen Bolle, die die Photographie im Qerichts- and Polizd- 
dienzt spielt, wird sie, abgesehen von einigen Städten wie-Wien, Paris, Berlin, 
Dresden, Hambarg and Laosanne nar yereinzelt zar Aufnahme Ton Tatorts¬ 
befanden, Gerichtsexpertisen usw. angewandt. Die Aosbildong als Oerichts- 
photograph erfordert eine Beihe Ton Spezialkcnntnissen neben den rein photo¬ 
graphischen. In Born, Ferrara and Lausanne wird seit mehreren Jahren dn 
besonderes Kolleg gehalten über die Anwendung der Photographie im Kriminal- 
dienst. Die Yorlesongen beschäftigen sich außer mit Tatbestandaofnahmen, 
Schriftantersnehangen, signaletischen Portraits, Bertillonage, Daktyloskopie 
und Anderem auch noch mit dem Leben, Gewohnheiten and Arbeitsart der 
Verbrecher, am auf diese Weise den znkttnftigon üntersachangsbeamten, Aerzten 
wie Juristen, AufschloS zu geben Aber die Art, wie Indizien gesucht und 
benutzt werden müssen. Dr. Bevenstorf-Hamburg. 


Die Beelnflossung der Totenstarre dureh die Salze des Calcium und 
des Magnesium. Von Meitzer und Auer. Journal olexperimentel Medicine; 
1908, X. Nr. 1. 

Calciumsalze beschleunigen, Magnesiumsalze verzögern bei subkutaner 
oder intravenöser Einspritzung die Entwickelang des Bigor mortis. Intra¬ 
arterielle Injektionen von LOsangen beider Salze rufen fast aagenblicklich eine 
tetanische Kontraktur der Muskeln hervor, die, ohne wieder zn erschlaffen, in 
echte Totenstarre übergeht. Die Form des Bigor ist als Arbeitsstarre zn 
bezeiehnen. Bel der durch Calcium erzeugten Totenstarre ttberwiegt meist die 



876 


Kleiner« Mitteilongen and Referate ans Zeitechriflen. 


Wirknng der Extensoren; bei dem auf Magneaiam folgenden Rigor, kontrahieren 
sich manchmai die Extensoren. In anderen Fällen erstarren die Glieder in der 
Lage, welche sie im Moment des Todes einnehmen. Caiciam beschieonigt den 
Eintritt der Hitzestarre. Wie die Skelettmaskalatar terhiit sich anä der 
linke VentrikeL Dr. ReTenstorf-Hambarg. 


Ueber pldtillehe TedesflUe im SligUngsalter. Von Prof. Dr. Finkel- 
stein>Beriin, Aerztl. Sachverständigen«Zeitong; Nr. 18, 1908. 

Genügend oft wird beobachtet, daß sorgfältig beobachtete Säuglinge ganz 
nnvermatet, so za sagen unter den Händen des Arztes, zu Grande gehen, ohne 
daß nach durch die allersorgsamste Sektion der geringste Anhalt für die Er» 
klärang des Todes gelanden werden kann. Speziell in SäagUngskrankenhäasem 
werden solche Fälle nicht selten verzeichnet. Die Kinderärzte müssen daher 
anf dem Standpunkte verharren, daß es in der Tat Kinder gibt, die kon- 
stitutioneli die Vorbedingungen für die Möglichkeit eines plötzlichen Todes 
darbieten. F. selbst bat im Laufe der Jahre mehrere Fälle dieser plötzlichen 
Todesfälle in seiner Kinderklinik erlebt. 

Bezüglich der Art des Todes sind zwei ganz verschiedene Bilder zu 
verzeichnen. Tod durch 1. Herzsynkope (a. ganz plötzlich, b. mit voraus* 
gehendem mehrstündigen Kollaps). 8. Durch Erscheinen einer b^erakuten 
fieberhaften Vergiftung oder Selbstvergiftung. Alle diese Kinder sind fraglos 
vorher konstitutionell krank gewesen; sie weisen unzweifelhafte Merkmale 
bedeutsamer Stoffwechselstörungen auf, die das eine gemeinsam haben, daß sie 
aufs engste mit Störungen in der Verarbeitung der Nahrung znsammwihängen. 
Hierfür spricht schon der Umstand, daß äe Brustkinder nur ein kleines 
Kontingent stellen. 

Was nun den Herztod betrifft, seist bekannt, daß sehr viele Kinder, die 
so zu Grande gehen, an Laryngospasmus leiden. Nach den neuen Forschungen 
steht es nun fest, daß der Laryngospasmus nur als ein Symptom einer aligemeinen 
Konstitutionsanomalle zu betrachten ist, die sich noch in zahlreichen anderm 
Erscheinungen nervöser, zu örtlichen und allgemeinen konvulsivischen Par* 
oxysmen neigender Uebererregbarkeit zu erkennen gibt. F. möchte für die 
Benennung des Leidens nspasmophile Diathese* statt der bisherigen „Tetanie* 
einführen. Alimentäre Einflüsse spielen hier eine große Rolle. 

Eine zweite Gruppe bilden schwächliche und abgemagerte Kinder, die 
sich auf dem Wege zur Atrophie befinden oder Rekonvaleszenten einer lang¬ 
wierigen, chron. Ernährungsstörung sind. Neuere Forschungen scheinen dar- 
zuton, daß die Nahrung selbst gewissermaßen aktiv einen zerstörenden Einfluß 
auf den Körper bat. Die Salzbilanz des Körpers spielt hier eine große Rolle, 
da eine Art Demineralisation stattflndet. F. möchte den Vorgang lieber De¬ 
komposition nennen. 

Bei der dritten kleineren Gruppe, die gebildet wird von plötzlich im 
Kollaps verschiedenen Kindern, die wohlgenährt waren, sogar Brustkinder waren, 
findet sich — meist neben andeutungen des Status lymphaticus — nach Fs. 
Erfahrungen immer eine sogenannte idiopathische Herzbypertrophie geringen 
bis mäßigen Grades. Eine anatomische Unterlage findet sich hierfür nicht, 
man muß annehmen, daß durch irgend einen unbekannten Faktor die Wider¬ 
stände im Kreislauf dauernd erhöht sind. 

Was nun die plötzlichen Todesfälle unter Vergiftungserscheinungmi und 
Fieber anbelangt, so bieten zu diesem Bilde Analoga der Hitzschlag der Säug¬ 
linge an heißen Sommertagen und zweitens die Endstation des akuten Brech¬ 
durchfalles. Die Symptomatologie ist die gleiche. Die Todesursache in allen 
Fällen ist offenbar ein akut herreinbrechendes Stoffwechselkoma. Autor be¬ 
spricht dann die lymphatischen Kinder, den „Ekzemtod*. Was Mediziner und 
Laien über Krämpfe, Wärmestörung, Kollapse im Anschluß an Verbände, was 
über die Gefahren der Unterdrückung des Hautflusses berichtet wird, unter¬ 
schreibt F. aus eigener Anschauung im vollen Umfang. 

Der Aufsatz ist wert, von jedem Gerichtsarzte im Original naehgeleaeu 
zu werden. Dr. Troeger-Kemptea. 



Kleinere Mltteilnngen und Referate ane Zeiteehriften. 


877 


Der angeblieke Naehwele tob Syphilis bei den prihistorisehen 
Aegyptem. Von O. Elliot Smith. Professor der Anatomie in Cairo. 
Lancet; 1908, 22. Angnst. 

Elliot Smith hat w&hread der letaten sechs Jahre Gelegenheit gehabt, 
in einer großen Zahl von Fällen solche Veränderongen an den Skelett* und 
Kopfknochen yon Hnmlen za sehen, welche yon früheren Forschern als die 
Produkte syphilitischer ülcera gedeutet worden sind, trotzdem das Fehlen yon 
Exostosen auffällig war. 

Smith kommt auf Grund seiner Erfahrungen zu der Ansicht, daß die 
in Bede stehenden Knochenyeränderungen nicht luetischen Ursprungs, sondern 
durch die Tätigkeit kleinster Käfer erzeugt sind, ln der Mehrzahl der Fälle 
erwiesen sich die Knochen der Seite ulzeriert, welche unten lag, und besonders 
solche Knochen, welche fest gegen den Boden gepreßt waren; wurden die 
Mumien auf der Unken Seite liegend gefunden, so traf man die „Ulcera“ auf 
dem linken Scheitel* und Jochbeine, bei Rückenlage auf dem Hinterhauptbein. 
War nach einer früheren Grabplünderung der Sdiädel zufäUig in die Lage 
nüt dem Gesicht nach unten geraten, so waren die Gesichts* und SUrnknochen 
ariodiert. 

Diese Beobachtungen, welche darauf binwiesen, daß'eslsich um postmortale 
Knocbenyeränderangen handelt, wurden dadurch bestätigt, dsß Leichen, welche 
in Steingräbern oder in Särgen lagen, keine Knochenyeränderungen anfwiesen, 
und daß ein weißes Knochenpulyer, der Lage der ^Ülcera" entsprechend, den 
Boden bedeckte. Beim Aufheben der Knochen fanden sich ferner am Boden 
kieine, ca. 1 mm .weite Gbige von Käfern, welche nach der lädierten SteUe 
des Knochens führten. Dr. Rey enstorf'Hamburg. 


Rechtshändigkeit. Von G. Elliot Smith, Professor of Anatomy 
in Cairo. The Britisch med. Journal; 1908, 29. August. 

Bei den meisten Menschen ist eine ausgeprägte Asymmetrie des Schädels 
und des Gehirns festzustellen. Sie tritt bei der weißen Baase deutUcher hervor 
als bei den Negern und beim Neger mehr als beim GoriUa, fehlt aber auch 
bei den anthropoiden Affen nicht völlig. Den Autoren, welche behaupten, 
Schädelasymmetrie sei ein Degenerationszeicheu, ist entgegenzuhalten, daß 
Schädelsymmetrie sich überhaupt nur bei Menschen mit augetorenem Schwach¬ 
sinn und bei manchen niedrig stehenden Negern findet. 

Smith nimmt an, daß die Schädel- und Gebirnasymmetrie der Ausdruck 
ist für eine weitgehende Spezialisierung der Gehirnfunktionen. Die linke 
Hemisphäre ist der Sitz der Gescbicidichkeit und steht in Abhängigkeit 
yon der Rechtshändigkeit. Diese besondere Anlage ist erblich. 

Die Beobachtung, daß die Asymmetrien des Kopfes, welche das Gesicht, 
den knöchernen Schädel, das Gehirn und bestimmte Blutgefäße betreffen, stets 
auf der gleich Seite miteinander vergesellschaftet angetroffen werden, veranlaßte 
den Verfasser, zu untersuchen, ob eine Beziehung besteht zwischen Links¬ 
händigkeit und Lage der Kopfasymmetrien. Die Mitwirkung der Kliniker führte 
nicht zum Ziel, da während der üntersucbnni^zeit nur Rechtshänder auf den 
Sektionstiscb gelangten. Die Rechtshändigkeit Verstorbener wurde daher auf 
andere Weise eruiert. Es ist bekannt, daß bei Rechtshändern Humerus und 
Radius rechts länger sind als links. Wood Jones ermittelte nun durch 
Messungen an vielen Hunderten von Skeletten, die in Nubien gefunden wurden, 
daß in der Tat die Asymmetrien des Schädels auf der rechten Seite lagen, 
wenn die Knochen des linken Arms sich durch die grössere Länge anszeichneten. 
Die Ifitteilung der ägyptischen Forscher läßt Nachuntersuchung und Bestätigung 
wünschenswert erscheinen. Dr. Revenstorf-Hamburg. 


B. aarlohiUohe Pnyohlntrln. 

Zur Lehre von der Amentla. Von Dr. A. Z w e i g, ehemal. Assüteaz- 
arzt der psych. Klinik in Königsberg I. Pr. AUg. Zeitschrift für Psychiatrie; 
66. Baad, 5. Heft. 

1. Aetiologisch scheint bei der Amentia das Zusammentreffen körperlicher 
und psychischer Ursachen wichtig zu sein. Bei Fällen, die durch i^te Er¬ 
krankungen aasgelöst Mnd, dürfte der psychische Faktor die Rolle des 
prädisponierenden Momentes spielen, während chronische Erkrankungen den 



878 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitscliriften. 


pi&disponierenden Boden abgeben, aof dem das psychische Moment ans* 
lösend wirkt. 

2. Unter den psychischen Momenten, die eine Amentia anslOsen kOnne^ 
ist anter anderem die Fnrcht vor dem Erankenhaos za erwähnen. Allein die 
Anina^e in dasselbe kann ebenso wie ein Unfall bei einem geschwäditen 
KOrper den Aasbrnch der Erkrankung bewirken. 

8. Die Differentialdiagnose zwischen Amentia aof der einen and besondera 
der Katatonie and Hysterie anf der anderen Seite ist im Anfang oft schwierig. 

4. Aaßer der Aetiologie fordern nach die Hallozinationen zom Vergleich 
der Amentia mit den Alkobolpsychosen aof. 

6. Spätere geistige Erkrankongen sprechen nicht anbedingt gegen die 
Diagnose Amentia. _ Dr. TObben^Mtlnster. 


Beitrag rar Differentialdli^noze des katatonischen nnd bysterlzekeB 
Stupors. Von Kort LOwenstein, Vol. - Arzt in Herzberge. AUg. Zeitschrift 
ilir Psychiatrie; 65. Band, 5. Heft. 

Bei einem Erankheitsbild, das von vornherein ganz den Eindruck eines 
typischen katatonischen Stupors macht, läßt sich Katatonie durch den ganzen 
Verlanf der Krankheit, durch den Ausgang in Heilung ohne jeden Defekt und 
vor allem durch die Ableitung des Stupors aus zusammenhängenden Vor¬ 
stellungen, Uber die der Kranke reflektiert, ansschließen; die einzelnen vor¬ 
handenen hysterischen Momente lassen es aus der großen Gruppe: Entartungs- 
Irresein als spezielle Form desselben; „Hysterisches Irresein, im besonderen: 
Hysterischer Stnpor" abtrennen, und sichern diese Diagnose zugleich gegen¬ 
über der akuten halluzinatorischen Psychose und dem psychogenen Haftznstand. 
Besonders bemerkenswert ist dabei der weite und klare Einblick, den man 
durch die Bemerkungen des Kranken in die Entstebnng des Stupors bat. Es 
dürfte bei Fällen, bei denen man die Vermutung des Vorliegens eines ähnlichen 
Zustandes hat, daran zu denken sein, ob es vielleicht möglich ist, während 
des Stupors durch Anwendung der Hypnose sich über die Vorstellungen des 
Kranken Aufschluß zu verschaffen. Auf die große Bedeutung, die «ue Ent¬ 
scheidung der Differentialdiagnose katatonischer oder hysterisdier Stupor für 
die Stellung der Prognose hat, wird besonders hingewiesen. 

Dr. TQbben-Münster. 


Einiges Uber Exhibitionismus. Von Dr. Otto Leers. Monatsschrift 
für Erimindpsychologie u. Strafrechtsreform; 1908, H. 6. 

Verfasser erörtert eine Anzahl Fälle von Entblößen der Oenitalorgane, 
die in der Literatur beschrieben sind, und hebt die krankhaften Züge hervor, 
die das Geistesleben und die Heredität der Täter geboten hat Er kommt zu 
dem Schlüsse, daß Exhibitionismus immer auf pathologischer Grundlage er¬ 
wächst, und die Bezeichnung „gewohnheitsmäßiger Exhibitionismus*, d. h. 
Exhibitionismus bei geistig Gesunden zu Unrecht gebraucht wird. In den 
meisten Fällen liegt Onzurechnnngsfähigkeit oder doch zum mindesten ver¬ 
minderte Zurechnungsfähigkeit vor. Der Exhibitionismus ist kein besonderer 
Typus von Perversion an sich, sondern nur eine Varietät abnormer geschlesdit- 
licher Befriedigung, der oft ein sadistischer Zug innewohnt. Auch bei Homo¬ 
sexuellen kommt, wenn auch selten, Exhibitionismus zur Beobachtung, des¬ 
gleichen bei dem weiblichen Geschleckte. 

Als Bepressesivmaßregel gegen das besprochene Vergehen hat die Ge¬ 
fängnisstrafe fast keinen Erfolg. Zweckmäßiger ist es, die geistig kranken 
Täter zu heilen oder sie bei Unverbesserlichkeit durch Anstaltsverwahrung 
dauernd unschädlich zu machen. Bei der Aburteilung von Exhibitionisten ist 
den Bichtern die Zuziehung von ärztlichen Sachverständigen dringend anzuraten. 

Dr. Fritz Hoppe-Allenberg. 


Dementia praecox Jenseits des 80. Lebensjahres. Aus der Königl. 
psychiatrischen EUnik in Königsberg (ProL E. Meyer). Von Dr. A. Zweig', 
Assistenzarzt der Elinik. ArcUv für Psychiatrie; 44. Band, 3. Heft. 

1. Die Dementia praecox ist eine Erkrankung, welche in jedem Lebens¬ 
alter einsetzen kann. 



Kleinere IDtteilniigeD nnd Referate aas Zeitscbrifteii. 


879 


2. Priizipielle Unterschiede zwischen den in der Jagend and den im 
höheren Alter einsetzenden Fällen existieren nicht 

8. Die Prognose der jenseits des 80. Jahres einsetzenden Erkrankang 
ist im AUgemeinea günstiger als ^e der Fälle in jUnKcren Jahren. 

4. Eine Dementia tardira abzagrenzen, lieA kra genügender Qrnnd Tor. 

Dr. Többen'Münster. 


Dellrlui tremens^ eine klinische Stadie. Aas der jpsychiatrischen and 
NerrenkUnik der üniyersität Kiel (Dir.: Geh. Med.*Rat Prof. Dr. Siemerling). 
Von Dr. Wassermeyer. Archiv für Psychiatrie; 44. Band, 5. Heft. 

Da es anmöglich ist die Ergebnisse der gründlichen and fleißigen Stadie 
Wassermeyersim Rahmen eines kurzen Referates erschöpfend zu behandeln, 
möge es genügen, die den Hedizinalbeamten interessierende forensische Be¬ 
deutung des Deliriam tremens kurz za besprechen. Am ehesten wird es im 
Deliriam za Gewalttätigkeiten kommen. Aach Fälle von Tötung, falscher 
Anschaldigang, sowie Selbstmordrersache und Angriffe auf die Angehörigen, 
die Ton den Kranken verkannt werden, sind beschrieben worden. Ein Pati^ent 
versachte nachts mit dem Taschenmesser die Läden eines herrschaftlichen 
Haases za erbrechen, weil er dieses für die Wohnung eines Bekannten hielt 
den er rafen hörte, dafl man den Laden anfmachen soUe. — Am schwierigsten 
za beurteilen sind die Vergehen, welche im Vorstadiom, das sich zaweilen 
über Wochen erstrecken kann, aasgefübrt werden. Auch in diesem Stadinm 
können schon ganz erhebliche Störungen der psychischen Funktionen sich ein¬ 
stellen, die unter Umständen wohl geeignet sind, die Zorechnangsfähigkeit 
schwer za schädi|;en oder ganz aafzaheben. So ist dem Aator ein Fall be¬ 
kannt geworden, in dem ein Geschäftsmann in einer solchen Phase der Er¬ 
krankang falsche Eintragangen in seine Bücher gemacht hatte, and der deshalb 
ezkolpiert wurde. _ Dr. TObben-Münster. 


Ueher eine eigenartige Form des Tremors bei Epileptiker. Von 
Stabsarzt Dr. v. Le^oldt-Stettin. Klinik für psychische and nervöse 
Krankheiten; Bd. III, H. 3. 

Allen 8 mitgeteilten Fällen war die besondere Form des Tremors 
gemeinsam, die sich darch die intermittierende Häafang von 2jitterbewegangen 
charakterisiert; diesen Typas hält Verfasser für ein speziflsches Symptom für 
Epilepsie oder epileptische Veranlas^g. Die Beobachtung dieser Tremoiiorm 
vermag daher in zweifelhaften Fäl^ einen wichtigen Wink abzageben. 

_ Dr. Wolf-Harbarg. 


Versnehe über die Beiiehnngen von Epilepsie nnd Alkeholismns. 
Von M. Serrg*Gießen. Klinik für psychische and nervöse Krankheitea; 
Bd. m, H. 8. 

Verfasser hat die engen Beziehangen zwischen Epilepsie nnd Alkohol- 
wirkong, die aas klinischen Erfahrungen längst bekannt sind, anch experimentell 
bestätigt gefunden, indem er auf Grand swer Versuche als das Wesentliche 
dieser Beziehangen eine beiden Zuständen eigene starke psychomotorische Uebor- 
erregbarkelt konstatieren konnte. Dr. Wolf-Harburg. 


Ist die Bollglonspsyehologle eine besondere Wissenschaft I Von Prof. 
Dr. G. Ranze, ^tschrift für Beiigionspsychologie; Bd. U, H. ß. 

Wenn auch die Psychologie allen praktischen Wissenschaften dient, so 
hat sie gleichwohl zur Heilkande and zar seelsorgeriscben Praxis deshalb ein 
ganz besonders intimes Verhältnis, weil zu deren gemeinschaftlichen Ziel, der 
Erhaltung, Wiederherstellang und Förderung der mens sana in corpore sans 
— einem Ziel, das man wohl die allerwichtigste Angelegenheit des Menschen¬ 
lebens nennen darf — wiederum der Einblick in das Seelenleben des Einzelnen 
die wichtigste Verbindung Ist. Diese praktische Seelenkunde ist keine Philosophie, 
sondern eine Grenzwissenschaft zwischen Theologie nnd Medizin. 

_ Dr. Wolf-Harburg. 



880 


Kleinere Ifltteilangen and Referate ana Zdtaehriilen. 


Die Minderwertigen im Strafrellrage. Von Med.>Bat Dr. Leppmann* 
Berlin. Aerztliche SachTeretfindigen-Zeitong; 1908, Nr. 19 and 20. 

L. prüft die Frage, weiche Rechte und welche Pflichten erwachsen den 
an Zwangeanstalten tätigen Aerzten betreffs der Minderwertigen. Als Minder¬ 
wertige im StrafvoUzage haben diejenigen za gelten, welche dnrch wesentliche, 
dauernde, krankhafte, geistige Bigenttimlichkeiten entweder ein rermindertes 
Verständnis fflr die Bestimmongen des Strafvollzages oder eine verminderte 
Widerstandskraft gegen Darchbrecbnng der Bestimmongen desselben haben. 

Zar völlig gesicherten Feststellang der Minderwertigkeit im Einselfalle 
braachen wir den Nachweis 1. eines krankhaften Kernes einer das Seelenleben 
schädigenden Drsache ln der Persönlichkeit des Gefangenen, 2. von bestimmten 
krankhaft gearteten Eigentflmlichkeiten seines Verhaltens. Bei Antritt der 
Strafe ist die EUarstellaog der seelischen Artang des Gefangenen vorzonehmen. 

Es sind zwei Gruppen von Minderwertigen zu onterscheiden: a) die an¬ 
geborenen bezw. vor der Vollreife des Gehirns erworbenen Minderwe^gkeiten 
und b) diejenigen Minderwertigkeiten, welche entstehen, nachdem bereits eia 
voller geistiger Besitzstand vorhanden gewesen ist. 

Minderwertigkeitstypen sind: 1. der geistig Beschränkte, der im all¬ 
gemeinen Intelligenzschwacbe, 2. die Paranoiden, Menschen, die nicht schlecht¬ 
weg schwachsinnig sind, welche aber dnrch Bizarrie der Gedankenricbtang von 
der Norm abweichen, 8. die ünrahigen. Unsteten, die nie lange in einem Ver¬ 
hältnis aasharren, 4. die Schlaffen, 5. die Reizbaren. Die Epileptiker zeigen 
sich ün Strafvollzag seelisch so verschiedenartig, dafi L. verzichtet hat, sie 
einem besonderen Typ onterzuordnen. 

Die Verstöße der Minderwertigen gegen die Haasordaangen bestehen: 
a) in Qaeralantentnm, b) es bildet sich ein hypochondrischer Zag aas, e) die 
Arbeitsleistang ist eine verminderte, je nach dem Typ verschieden, d) es kommt 
zu Stimmangen und Affektaosbrttchen. 

In der Behandlang der Minderwertigen muß notwendig individaalisiert 
werden. Jede Maßregel, welche die Minderwertigen berücksichtigt, dient dann, 
die Zahl and den Umfang der im StrafvoUzage entstehenden Geistesstörangen 
zu mindern. Es ist daher nach L. zweckmäßig. Minderwertigkeitsabteilangen 
bei großen Gefängnissen einzarichten und anznstreben, wie eine solche bereita 
in Brandenburg besteht. Dr. Troeger-Kempen i. P. 

Die Behandlang der kriminellen Gefsteskraaken Im Staate New York. 
Von Dr. Fritz Hoppe-Allenberg. Monatsschrift für Kriminalpsychologie u. 
Strafrechtsreform; 1908, H. 6. 

Verfasser beschreibt eingehend das Verfahren der Abarteilang geistig 
Erkrankter and die weitere Behandlang krimineller Geisteskranker and geistes¬ 
kranker Gefangener im Staate New-Tork. Es ist von Interesse, daß auch in 
Amerika wie bei uns zahlreiche Mängel in der Praxis and der Gesetsgebang 
bestehen. Besonders rückständig ist dort die Möglichkeit der Begntautoag 
zweifelhafter Geisteszustände durch Laien. Dagegen hebt sich New-Tork vor¬ 
teilhaft daroh die einheitUche Regelang der Verwahrnng gemeingefährlicher 
Geisteskranker und dnrch die große Freiheit der Behörden in ihren Maßnahmen 
gegen Mychisch kranke Täter hervor. 

^ der Vergleichang mit den deatschen Zoständen wird unter den 
Wünschen de lege ferenda besonders betont: Abschaffung der Laienrichter 
(Geschworenen) bei der Entscheidang über todeswürdige Verbrechen, geeignetere 
Verwahrnng und Beaufsichtigang gemeingefährlicher (Histeskranker, ^reichnosg 
des Irrenanstaltsanfenthaltes auf die Strafzeit Strafgefangener, größere Freiheit 
des Richters und Staatsanwaltes bei der strafrechlichen Verfolgung von 
Psychopathen. _ Eigenbericht. 

O. MnohvnrstAadlKüntAtiKkelt ln üafiül- und Inwnlldlt&twtohna. 

Die Vergiftung durch Morphin und Opium; Gewerbekraukheit eder 
Unfall? Von Prof. Dr. L. Le win- BerUn. Medizinische Önik; 1908, Nr. 43. 

Ein Arbeiter, der schon 84 Jahre lang in einer chemischen Fabrik und 
die letzten 25 Jahre mit Apomorphin gearbeitet hatte, wurde einige Tage aue- 
hUfsweise in dem Morphinbetrieb beschäftigt. Während sonst sehie Arheit in 
dem Reinigen von Apparaten und Gefäßen bestand, wusch er am 18. August 



Kleinere Mltteilnngen and Referate au Zeitschriften. 881 

Tdeher au, darch welche nnreinu Morphin flUrlert war, wobei er iwar nur 
wenig mit Morphin, aber gleichseitig auch mit Salzsiore, Kohle nnd Kalk in 
Bertthrang kam. Schon während der Arbeit stellte sich Jacken ein, and noch 
an demselben Tage eine starke rote Schwellung an beiden ünterarmu, die 
sich bis anf die Brut audehnte, so dafi der Arbeiter bis zum 12. Aogut die 
Arbeit aassetzen maßte. Qleich nach Wiederaafnahme der Arbeit — er wurde 
jetzt im Theobrominbetrieb beschäftigt — trat der Ausschlag Ton neuem auf 
und machte Ton neaem ein Aassetzen der Arbeit notwendig. Der betreffende 
Mann arbeitete dann noch einmal zwischen dem 4. und 8. Dezember; seit der 
Zeit stand er in daaernder Behandlang. Die Berafsgenosseuebaft lehnte 
ebenso wie du Schiedsgericht die Qewährang einer UnfaUrente ab. Im BekurB» 
yerfahren wurde Verfauer zar Abgabe eines Obergataebtens aofgefordert Da 
nachweislich durch Morphin und Opiam Haaterkrankangen (Erythem, Urticaria, 
Ekzem, Petechien) yerorsacht weraen können, außerdem im yorliegenden Falle 
die Anwesenheit von Säure und der beim Reinigen augetibte DrucK die Ueber- 
windang des Widerstandu, den die gesunde Haut dem Eindringen solcher 
Gifte entgegensetzt, begünstigte, so wurde vom Verfuser ein Unfall als vor* 
liegend angenommen, zumal die Angaben des Arbeiters völlig glaubwürdig 
waren. Daß er nicht schon früher erkrankt war, lag in der Art seiner Be> 
schäftigung, welche die Verwendung von viel Wasser beim Reinigen der Ge¬ 
fäße bedingte. Eine Qewerbekrankheit wurde vom Verfauer auguchlossen 
und auch du Wiederkehren du Auschlags lediglich als Unfallfolge anguehen. 
Du Reichs •Versicherungsamt schloß sich diuem Gatachten an und sprach den 
Hinterbliebenen des iuwischen gutorbenen Patienten eine Rente zu. Bpd. 


Schwere Blutungen in du Gehirn nach Einatmung von Kehlendnut. 
Von Dr. med. Philipp Kissinger. Monatwchrilt für Unfallheilkunde und 
Inyalidenwesen; Nr. 9, 1908. 

Ein Patient wurde in einem Neubau in einem mit Bauch erfüiiten Raum, 
in dem Koksöfen brannten, bewußtlos anfgefunden; er starb nach zirka 
84 Standen unter buchleunigter Atmung und buchleunigtem Puls, erhöhter 
Temperatur und den heftigsten Zuckungen du ganzen Körpers. Die Sektion 
ergab starke Blutungen in den Gehirnhöhlen pp. Die Untersuuung des Leichen- 
blutu auf Kohlenoxyd war negativ; vom Lebenden war Blut nicht untersucht 
worden. Trotz diuu negativen Befundu bleibt Verfuser bei der Auicht und 
er weist u nuh, daß er u mit einer Kohlenvergiftung zu tun hatte und dafi 
Kohlenoxyd nicht gefunden zu werden brauchte, weU Pat. 24 Standen lug noch 
reine Luft buw. Sauerstoff durch Inhalation eingeatmet hat. 

Dr. B. Thomalla, Walduburg, Schlesira. 


Nervßte Stßrniigeii uch Unflllen. Von Dr. B. Schonfeld in 
SchOneberg. Monatsschrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesu; Nr. 7, IfiM. 

Verfuser gebt davon aus, daß die Beurteilung von Nervenerkrulrangu 
bei Unfallverletzten eine der schwersten Aufgaben sei, die u einen Arzt gestellt 
werden. Oft lusen sich die Aerzte durch Angaben der Verletzten täuchen; 
oft berücksichtigen sie auch nicht, ob die bestehenden Anzeichen der Nervu- 
erkrankung etwa durch du Alter und dergleichen hervorgernfen sind. — Im 
Anschluß hieru berichtet er über einen Fall, der ihm trotz der Gutachtu 
mehrerer erfahrener Suhverständiger nicht genügend erklärt zu sein scheint; er 
kommt zu dem Schluß, daß man nur dann die von dem Verletztu ugegebuen 
nervösen Störungen als tatsächlich vorliegend anerkennen darf, weu eine längere 
Bubachtung und wiederholte Untersuchung du Vorhudensein mehrerer 
Symptome für eine Störung im Nervensystem ergibt und weu die Art du 
Uafaliu einen ursächlichen Zuammenhug zwischu beiden zum,mindesten als 
höchst wahrscheinlich erscheinu läßt. 

Dr. B. Thomalla, Walduburg, Schlesien. 


Eine seltene Verletzung des Kniegelenks. Von Sanitätsrat Dr. Bartsch 
in Parchim. Monatschrifc für UnfaUheilkunde und Invalidenwesen; Nr. 9, 1908. 

In einem Geschütz war beim Reinigu ein Schuß losgegangen. Eine im 
Bohre zurückgebliebene Kartusche hatte sich entzündet; mfolgedusu war 
einer Schnitterin auf eine Entfernung von zirka 40 m etwu Hartes an die 



8S2 


Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeiteohriften. 


Beine geschlagen. Verfasser beschreibt die Verletsiingen nnd sucht durch 
B5ntgeabilder au beweisen, daß jedenfalls die starken Ligam. crudala den 
Knochenrorsprung oder einen Teil desselben abgerissen haben. Darauf gibt 
Verfasser eine Erkl&iung wie er sich den Vorgang denkt. 

Dr. B. Thomalla, Waldenburg, Schlesien. 


Die IntUche Begutaehtung in InTuliden* und KrankenTersicherungs- 
saohen. Von Assessor Seelmann. Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig 19U8. 

Verfasser spricht erst über die Begntachtung in InTaUdenverslchernngs* 
Sachen. Hierbei geht er sehr ausführlich auf das Allgemeine, wie Leserlichkeit 
der Atteste, genaue Beschreibung des Befundes, Untersuchung des ganzen 
Körpers usw. ein. Darauf spricht er über Begutachtung des Grades der Er- 
werbsfähifkeit, des Beginns usw. 

Man merkt sofort, daß kein Arzt diese, gewiß fleißig ansgearbeitete and 
höchst beachtenswerte Schrift verfaßt hat. Sollten tatsichlich die angehenden 
Invaliden nach dem Wunsche des Verfassers untersucht werden, so müßte man 
auf die Mitwirkung viel beschäftigter praktischer Aerzte bei derartigen Unter¬ 
suchungen gänzlich Verzicht leisten. Verfasser kann aber davon überzeugt 
sein, daß ein richtiger erfahrener Praktiker oft durch einen Blick nnd durch 
eine ganz kurze Untersuchung ein besseres Urteil fällt, .wie mancher Theore¬ 
tiker, der die Batschläge des Verfassers befolgt. 

Uober den zweiten Teil „Die Beratachtung in Erankenveraichernngs- 
sachen'^ ist ähnliches zu sagen. Dr. & T ho mall a-Waldenburg i. Schl. 


D. Bakteriologie, Infekttonakrankhelten und dffeatliokee 

BanltAtsweaen. 

Bakteriologie und Infektlonskraukhelteii im allgemeinen. 

Ueber das Aufwflrtswandern der Bakterien im Terdaunngskanal und 
seine Bedeutung für die Infektion des Besplrationstractns* (Aus dem 
Kaiserlichen Gesundheitsamt.) Von Dr. F. Dieter len, E. wttrttemb. Oberarzt, 
kommend, z. Eaiserl. Gesundheitsamt Zentralblatt für Bakt: L Abt. Orig.- 
Bd. 45, H. 6. 

Dieterlen konnte nachweissn, daß Prodigiosus, Hühneroholera- und 
Tuberkel- BazUlen, die Tiere per rektum beigebracht werden, infolge eines aa 
der Darmwand (der Peristaltik entgegen) anfsteigenden Flüssigkeitsstromes 
in kurzer Zeit in den oberen Darmpartien, dem Magen, Oesophagus, der 
Trachea tud den Lungen erscheinen. Wurde der Oesophagus unterbunden, 
so gelangten die Bakterien nur bis zur Unterbindungsstelle, nicht in die oberen 
Teile des Oesophagus, die Trachea und die Lungen. Weitere Untersuchungen 
sollen dartun, ob auch Typhus- und Cholerakeime auf diese Weise in die oberen 
Teile des Oesophagus und die Luftwege gelangeu können. Wäre dies der Fall, 
so würden sich daraus ganz neue Gesichtspunkte für die bei diesen Infektions¬ 
krankheiten zu beobachtenden Maßnahmen ergeben. (Für den Typhus kaum, 
da wir bereits wissen, daß Typhusbazillen auf anderen W^en, nämlich von 
der Blutbahn ans, durch die Tonsillen in den Speichel der Banken gelangen 
können. Bef.) Dr. Lentz-Berlin. 


Weitere Untersnehuigen über die Anttfermentreaktioii des Blitem 
Von Marine-Stabsarzt Dr. Wie ns-Breslau. ZentralUatt für innere Medizin; 
1908, Nr. 81. 

1. Jede mit einer schwereren AUgemeinschädigung des Organismus ver¬ 
bundene konsumierende Krankheit (z. B. Karzinom, Tuberkulose) führt zu einer 
Vermehrung des Antifermentgehaltes, zu einer Steigerung der hemmenden 
Kraft des Blutserums. Diese Erscheinung findet sich bei allen derartigen 
Schädigungen; sie ist nicht etwa auf einze&e bestimmte Krankheitsformen 
schränkt, nicht spezifisch. Ein besonderer diagnostischer Wert kommt ihr 
demnach vorläufig nicht zu. 

2. Die Schwankungen des Antifermentgehaltes lassen bei akuten, vor 
allem bei Infektionskrankheiten, häufig eine Gesetzmäßigkeit erkennen, kommen 
überhaupt viel deutlicher zum Ausdruck, als bei den chronischen ikkrankungun 
wo die Schwankungen geringer sind und sich alimählicher vollziehen. 



Kleiner« Mitteilnngen and Befemte ana Zeiteehriften. 


883 


8. Die Schwanknngen des AnUfennentgehaltee and der opsonischen 
Kraft im Blatsemm bei Mcnten Infektionskranueiten seheben zneinander in 
ebem reaiproken Yerhiltob zu stehen. Dr. Woll-Marbarg. 


Ueber einen diphtherleihnllehen BaolUas» Von Dr. F. Ditthorn 
and Dr. A. Laerssen-Berlb.. Hygien. Zentralblatt; Bd. IV, Nr. 10. 

Verfasser zhcbteten bei eber in einer Berlbei Schale aafgetretenen 
Diphtherieepidemie einen diphtherieähnlichen Bacillas, der anf Platten Ton 
Orgbalaosstrichen dem Diphtheriebadllos sehr ähnlich war and auch nach 
12 bezw. 24 Standen typische Neißerfärbang zeigte. Diese Tatsache mahnt, 
daß bei zweifelhaften und wichtigen Untersachangen neben der Neißerfärbang 
auch die anderen Differenzierangsmethoden Ton Fbgertropfen, Beinkoltor, Tier- 
▼ersaeh, LOfiQerpräparat herangezogen werden müssen, die aach b dem erwähnten 
Falle die Dbgnose sicherten. _ Dr. Wolf*Marbarg. 


Zar Frage der Bakterlimie bei Typhös. Von Dr. S. A. Silberberg* 
Odessa. Zentralblatt für bnere Medezb; 1908, Nr. 87. 

1 Die Gewinnnng von Typhnskoltnren ans dem Blate b den ersten 
Krankheitstagen macht die Methode der Blntaossaat zar sichersten and 
wichtigsten für die Frühdiagnose des Typhös. 

2. Die Methoden der Blataassaat nach Castellani, Conradi and 
Kay8er sbd b bezog aal die Besaitete einander gleichwertig; am branch- 
barsten wegen ihrer Einfachheit and Bequemlichkeit erschebt die Methode 
Ton Kayser. 

8. Darch Zentrifagieren der Koltor ans Qallenährboden and Unter- 
soehang des Bodensatzes kann man sbh schon vor der üebertragong der 
Koltar anf Agar über die Anwesenheit von Typhosbasillen im Nährboden 
orientieren. 

4. Die Diazoreaktion im Ham geht Hand in Hand mit der Bakteriämie 
bei Typhös, wird bereits b den 1. Krankheitswochen wahrgenommen and kann 
soweit ab ebfaches and ziemlich verläßliches Mittel für £e Diagnose gelten. 

5. Die Aasscheidang der Eberthsehen Bazillen auf Strichpräparaten 
aas dem Blote typhöser Kranken nach der Methode POppelmann gelingt selten. 

6. Die W i d a l’scbe Probe kann nnr als Hilfsmittel angesehen werden 
bei der Diagnose des Abdombaltyphns von der 2. Woche ab. 

_ Dr. Wolf'Marbnrg. 


Aktlre Immonisatten dnreh snbkntane Injektionen lebender Typhoe« 
baslUen bet Eberth’seher Infektlen. Branebbare praktische Besnltate. 
Von Prof. B. Pessarolo and Dr. C. Qoadrone-Tarb. Zentralblatt für 
bnere Medizin; 1908, Nr. 40. 

1. Beim Typhus vermag die Bakterietherapie mit lebenden, aber 
abgeschwächten Kaltaren eine echte Heilwirkang anszaüben, indem dem 
kranken Organismus meistenteib eine lebhafte Produktion von immunisierenden 
Substanzen dadurch ermöglicht wird. 2. Sie ist fast ganz unschädlich und raft 
nur vorübergehende Symptome eber lokalen und allgemeinen Reaktion hervor. 
8. Sie muß vor allem in Fällen von Typhämle b Anwendung gezogen werden, 
wo Symptome einer Allgemeininfektion im Vordergrund stehen. 4. Man muß 
die Injektionen nicht za spät ausführen, allerdbgs aach nicht eher, als die 
klinbehe Diagnose bakteriologisch erhärtet bt, schon um dem Organismas 
Gelegenheit zar Bildung von Antikörpern za geben. 

_ Dr. Wolf-Marburg. 


Sjphllia and Prostltation. 

Zar Serodiagnostik der Syphllb* Von Prof. Dr. F. Ballner and 
Dr. A. V. Decastello-Innsbruck. Hyg. Zentralblatt; Bd. IV, Nr. 12. 

Die Verwendung des Bbderblutsystems zur Anstellang der Wasser* 
mann-Neisser-Brack’schen Reaktion erscheint es za ermöglichen, eine 
für Laes im klinischen Sinne spezifische Reaktion an einer nicht spezifischen, 
gelegentlich bei verschiedenen Krankheitsprozessen (Taberkolose, malignen 



Klein«» Mittettangen nnd Befernte nni ZetUohrlllen. 


OOv 

Tumoren, Lenknemie oiw.) aoftretenden sn onteracheideD, wlhrend bei der 
Prttfong derselben Sera mit Hammelblnt das Verhalten nicht so dentlich war. 

_ Dr. Woil'Marbnrg. 

Ueber die sexnelle Verantwortliebkeit. Von Prof. K. Tonton in 
Wiesbaden. Zeitschrift für Bekimpfnng der Oescblechtskraakheiten; 1908, 
Band 8, Heft 8. 

Der yor den Abitnrienten des Wiesbadener EgL Gymnasiums gehaltene 
Vortrag yerdient insofern besondere Erwähnung, als er als Muster eines der« 
artigen Vortrages fttr Abitnrienten gelten kann. Inhaltlich entspricht er den 
bisher yerOffentlichten derartigen Vortrigen. Dr. Dohrn>Hannoyer. 

Verbreitung der Gesebleebtskrankhelten an den Mittelschulen. Von 
Dr. Hugo Hecht in Prag. Sekundirarzt an der Deutschen dermatologischen 
Klinik. Zeitschrift fttr Bekimpfnng der Qescblechtskrankbeiten; 1908, Bd. 8. Mr. 4. 

H. stellte durch eine Qmfrage fest, daß yon 8709 Abiturienten, die die 
Ostreichische Mittelschule besucht hatten, nicht weniger als 295 = 7.9'*/o schon 
wihrend der 8chnlzeit geschlechtskrank gewesen waren. Die Zahl der 
schlechtskranken in den Hauptstädten war etwas geringer als in den Mittel* 
Städten. H. fordert deshalb äne frtthsdtige Aufklärung der Jugend. 

_ Dr. Dohrn*Haanoyer. 

Prestltntlenspelltlk nnd SlttenpellseL Von Dr. med. Glith, Arzt n. 
Kriminalkommissar bei der Berliner SittenpoiizeL Zeitschrift für Bekimpfnng 
der Geschlechtskrankheiten; 1908, Bd. 8, Nr. 2. 

Die Aenßerungen des in der Praxis stehenden Verfassers mit ihrer 
aftehternen nnd doch idealen Auffassung yon den Zielen der Prostitntionspolitik 
. heben sich angenehm yon der hypersentimentalen, weibischen Darstellung 
neuerer Richtungen ab. 

Unter den Vorbedingungen, die das Weib zur Prostituierten werden lassen, 

S ielen das Milieu, der Mangel an Erziehung nnd die sittliche Verwahrlosung, 
e wichtigste Rolle. Fast nie kommt die Not als Ursache in Frage. Wie 
weit die moralische Verwirrung gehen kann, ersieht man daraus, daß sich in 
Berlin den Kinderschuhen kaum entwachsene Mädchen zur Eänschreibnng 
drängen, als ob es sich um den Erwerb eines Dienst* oder Arbeitsbncbes 
handele, daß Prostituierte nicht nur in der Familie wohnen bleiben, sondern 
sich sogar noch seitens ihrer Angehörigen einer gewissen Bewunderung erfreuen. 
Herkunft ans TrinkerfamUien, hereditäre Belastung und uneheliche Geburt 
ftthren besonders häufig auf den Weg der Prostitution. Demgemäß liegt der 
Anfang der Laufbahn als Prostituierte meist schon weit in den ersten Jahren 
der herangewachsenen Jugend zurttck. Aufgabe einer wirksamen Prophylaxe 
ist es daher schon in den frühesten Jagendjahren einzngreifen nnd die Ge* 
fMirdeten dem Milien zu entreißen, ehe die nachteiligen Wirkungen sich geltend 
gemacht haben. An dieser yorbengenden Arbeit mitznhelfen ist Pflicht aller 
Schichten der Nation, jedes einzelnen in seinem Wirkungsbereich. 

Im Gegensatz zu dieser yorbeugenden Arbeit fällt der Einrichtung 
der Sittenpolizei eine mehr repressiye Aufgabe zu. Sie bat den Zweck, 
die durch die yorhandene Prostitution drohenden Gefahren fttr die Ordnung 
und Volksgesundbeit zu ttberwachen nnd auf ein möglichst geringes Maß zu 
beschränken. Hierzu bedient sie sich der sog. Reglementierung, d. h. der Ein* 
Schreibung der Prostituierten in Listen nnd der gleichzeitigen Unterwerfung 
unter bestimmte Vorschriften. Die Statistik Berlins zeigt nun deutlich, daß 
es nicht der Zweck einer gat arbeitenden Sittenpolizei ist, die Liste der Ein* 
geschriebenen nach Möglichkeit zu erweitern, sondern im Gegenteil so weit 
me es geht, die Möglichkeit zu gewähren, der Binschreibnng zu entgehen 
oder von der Liste wieder getilgt za werden. So hat die Zahl der Ein* 
geschriebenen in der Zeit von 1896—1905 trotz der erheblidien Beyölketnngs- 
zanahme Berlins einen Rttckgang yon 5098 auf 8185 erfahren. 

Der Gang des Verfahrens, das ttber zahlreiche Stationen der Ver* 
Wahrung, — der Drohung und des Versuchs der Besserung zur Einschreibung 
ftthrt, zeigt, daß es yon einem dnrchaos wohlwollenden, hilfreichen Geiste 
durchlebt ist. Das Gleiche gilt von der Entlassung aus der Reglementatioa. 



Kleinore Hitteiloiigen and Befernte mu ZdtsohrUleii. 


885 


Dos Festhalten an dieser hnmaaea Anlbssnag rerdient unsere Bewunderong 
nm so mehr, als wir sehen, wie nnrerbesserlieh die Prostitnierte nad wie 
k&rglich die Erfolge sind. Dr. Dohrn-Hannover. 


Das Animierkneipeawesen in Frankfhrt a. M. Von Dr. Th. Baer, 
Speiialarat für Hautkrankheiten in Frankfnrt a. M. Zeitschrift fttr Beklmpfang 
der Geschlechtskrankheiten; 1908, Bd. 8, H. 2. 

ünter den 1716 Wirtschaften Frankfarts befinden rieh 88, die ihrem 
Charakter nach als Animierkneipen zu bezeichnen sind. Sie sind ebmiso wie 
die in anderen Städten Stätten der geheimen Prostitution, die in mehr oder 
minder bffentlicher Form (dorch Piakate, Zettelyerteiinng etc.) fflr sich Beklame 
machen. Wenn es auch nicht gelang, die Aufhebung der Animierkneipen au 
erreichen, so konnte man ihre verderbliche Sphäre dMurch wirksam einengen, 
daß die Tageszeitungen auf Bitte der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung 
der Geschlechtskrackheiten zum größten Teil die Aufnahme derartiger Annoncen, 
die zum Besuch von Animierknripen einluden, ablehnten. 

Wie berechtigt die von der Deutschen Gesellschaft eingeleiteten Maß» 
nahmen sind, geht aus der statisUschen Erhebung hervor, wonach der siebente 
Teil der in Animierwirtschaften angestellten Personen geschlechtskrank war. 
Eine Zahl, die vermutlich noch weit hinter der Wirklichkeit zurfickbleibt 

Dr. Dohrn*Hannover. 


Ueber Anlmlerknetpen. Vortrag, gehalten in der Generalversammlung 
des Zentralverbandes zur Bekämpfung des Alkobolismns in Posen Oktober 1907 
von Landtagsabgeordneten M finster borg» Danzig. Zeitschrift ffir Bekäm¬ 
pfung der Gescuechtskrankheiten; 1908. Bd. 8, H. 2. 

Der Krebsschaden des Animierkneipenwesens würde durch ein Verbot 
der Beschäftigung weiblichen Personals in Gastwirtschaften mit Stampf und 
Stiel beseitigt werden können. Demgegenüber ist aber zu bedenken, daß durdi 
dieses Verbot kleinere Wirtschaften, in denen weibliche Familienangehörige 
beschäftigt sind, sehr hart betroffen würden. Ein wesentlicher Fortschritt 
zum Besten des in den Animierkneipen tätigen Personals würde aber schon 
dadurch erreicht werden, daß Personen unter 21 Jahren dort nicht beschäftigt 
werden dürfen. Diese würden doch immerhin sehr viel eher im Stande sein, 
den Versuchungen ihres Bemfes zu widerstehen als jüngere Mädchen, denmi 
auch späterhin die Ergreifung eines anderen Berufes, wegen Mangels an Vor¬ 
bildung vollständig unmöglich ist. Weitere Maßnahmen zum Schatze der in 
den Animierkneipen tätigen Kellnerinnen müßten bezüglich des Wohnungs¬ 
wesens, des Qrlaubs und der Stellenvermittlnng getroffen werden. 

Ebenso sind auch Vorschriften zum Schatze der Bevölkerung notwendig. 
Diese hätten sich hanptsächlich auf ein Verbot der Anlockung des Publikums 
durch die Kellnerinnen und des Animierens zum Trinken i^oholischer Ge¬ 
tränke zu erstrecken. Dr. Dohrn-Hannover. 


Der Kampf gegen die Animierkneipen. Von Marie Eggers-Schmidt 
in Bremen. Zeitschrtit für Bekämpfung der GeschlechtskranUieiten; 1906, 
Bd. 8, H. 2. 

Die Verfasserin charakterisiert zunächst das Wesen der Animierkneipen, 
die ein „Zusammentreffen von systematisch herangezüchteter Trunksucht und 
Unzucht in ihren schlimmsten Formen* sind. Sie ruinieren ebenso den Besucher 
wie das Animiermädchen, die fast regelmäßig eine Prostituierte ist oder wird. 

Eine in Bremen stillschweigend erlassene Verordnung, wonach keine 
weiblichen Personen in Schankwirtsebaften angestellt werden durften, bat 
wieder aufgehoben werden müssen, da der § 41 der Beiebsgewerbeordnung 
dem Gewerbetreibenden gestattet, Gehilfen jeder Art ansustellen. 

Eine Abänderung des erwüinten § 41 wäre daher zur Bekämpfung des 
Animierkneipenwesens erforderlich, um den Gemeinden die Möglichkeit zu 
geben, nach Gutdünken die für die lokalen Verhältnisse passenden Vorschriften 
zu bestimmen. 

Ferner wären Vorschriften nach Art des Gotenburger Systems am Platze, 
um das finanzielle Interesse am Alkobolkonsnm aaszuschalten. 

Dr. Dohrn-Hannover. 



886 


Kleinere Mitteilungen und Referate am ZeitMhriften. 


Tropenb^glene. 

Zor Prop^laxe der BerlberL Von Dr. H. 8 an der •Berlin. AtcIüt 
fflr Schiffs* and Tropen • Hygiene; 1908, £d. 12, H. 16. 

Verfasser beobachtete an Bord eines Dampfers eine fieriberlepidenie, die 
dadurch besonders interessant war, daß sie sich auf die Insassen ^es Wohn* 
raomes beschränkte, während von anderen Fahrgästen, die unter demelben 
Verhältnissen lebten, keiner erkrankte. Nach Entfernung der Erkrankten und 
Desinfektion des Wobnraumes mit schwilliger Säure £smen keine weiteren 
Erkrankungen vor. 

Verfasser empfiehlt die Versuche, beribeiiverseuchter Bäume mit sehwef* 
liger Säure zu desinfizieren, fortzmetzen. fDie Torstehende Beobachtung ist 
sehr geeignet, die duffassui^ der Beriberi us Infektionskrankheit zu stützen, 
cf. Tsuzuki: üeber das Wesen der Beriberikrankheit, S. 688, 1908 dieser 
Zeitschr. Bel). _ Dr. Dohrn*HannoTer. 


Ueber Volkskrankhelten in Strongeblet des Wnrl ud Minge ln 
Kamerun. Von Dr. Külz, Begiemngsarzt in Duala. AtcIüt für Schiffs* 
und Tropen - Hygiene; 1908, Bd. 12, Nr. 17. 

Besonderes Interesse beansprucht die Verbreitungsweise derjenigen 
Krankheiten in Kamerun, die wir Europäer gewissermafien als Morgengabe den 
bisher unberührten Einwohnern übermittelt haben. Zu diesen gehören haupt* 
sächlich die Qeschlechtskrankheiten. 

Die Sy philis war laut Bericht namhafter Beobachter noch Tor 10 Jahren 
wenig verbreitet. Jetzt ist die Bevölkerung derart durchseucht, daß die Zahl 
der in poliklinische Behandlung eintretenden Syphilitiker sehr erheblidi ist 
Unter 115 farbigen Arbeitern waren nicht weniger als 48 Syphilitiker! Dieses 
schnelle Fortschreiten der Seuche bildet für den Nachwuchs einer gesunden, 
leistungsfähigen Bevölkerung eine große Gefahr; eine Gefahr, deren Fort* 
schreiten durch keine Maßnahmen mehr aufznhalten ist. 

Schwere Formen der Syphilis werden häufig beobachtet, besonders bn 
Leuten, die schon durch andere Krankheiten (Malaria) geschwächt sind. 
Tertiäre Erkrankungen des Zentralnervensystems hat K., ebenso wie noch 
andere Beobachter, bisher nur äußerst seiten beobachtet. Fehlgeburten sollen 
in letzter Zeit häufiger als früher sein. 

Einer noch größeren Verbreitung erfreut sich die Gonorrhoe, deren 
Ursprung derselbe ist wie der der Syphilis. Besonders häufig sind auch 
gonorrhoische Erkrankungen von Kindern. 

Die Begelnng der Alkoholeinfuhr verlangt besonders eingehende 
Beachtung. Der Neger kannte bisher nur seinen Palmwein, den er zur Zeit der 
Weinlese trank. In den übrigen Zeiten war er alkoholfreL Das Bild des 
chronischen Alkoholismus fehlte daher bisher. Die Einfuhr des gut zu konser* 
vierenden Schnapses hat hier Wandel geschaffen. Der chronische Alkoholismns 
ist in rapider Zunahme begriffen, um so mehr als der Eingeborene irgendwelche 
ethischen Hinderungsgründe, die den Europäer vom Saufen zurückbalten, nicht 
kennt. Auch über den Zusammenhang zwischen Alkohol und Verbrechen suid 
bereits Erfahrungen zu machen. Alles drängt dazu, die Alkoholeinfuhr im 
Interesse einer gesunden Eingeborenenpolitik nach Kräften zu erschweren. 

Von den übrigen InfektionskranÜeiten beansprucht die sehr verbreitete 
Lepra Beachtung. Eine wirksame Bekämpfung ist nur durch rigorose Iso¬ 
lierung der Erkrankten zu erwarten. 

Tuberkulose und Typhus sind relativ wenig vorhanden; jedoch 
besteht die Ansicht von der Bassenimmunität der Neger gegen Tubwkulose 
keineswegs zu Becht. 

Von der Dysenterie kommen beide Arten vor. Das mit Fäkalien 
oft verunreinigte Trinkwasser kommt für die Uebertraenng hauptsächlich in 
Betracht. Versorgung mit einwandsfreiem Trinkwasser ist deshalb das nächste 
Ziel einer erfolgreichen Bekämpfung. 

Unter den Eingeweidewürmern kommt Anchylostoma nicht selten 
vor; häufig in Verein mit anderen Eingeweidewürmern. 

Von der Schlafkrankheit sind bisher nur vereinzelte Fälle bekannt 
geworden. Eine weitere Verbreitung hat sie nie gefunden, obwohl es an 
Glossinen koineswogs fehlt.. _ Dr. Dohrn*Hannover. 



Kleineire Mitteilnnsen and Befernte ans Zdtsohrifteib 


887 


Ueber das SenuBerlleber» Von Dr. Mennella. QionialediHedidaa 
militare; 1908, Bd. 7. 

Unter Sommeifleber — auch Klimafleber, Sommeiüiflaeiiza, Malaria« 
inflnenza genannt — beschreibt Verfasser eine in den Monaten Juni bis Angost 
anftretende Erkrankong, die sich durch Erscheinnngen von Seiten des Dann¬ 
kanals kondgiebt Die Befallenen erkranken unter Fiebererscheinnngen, starker 
Prostration, Muskelschmerzeo, Erbrechen, Durchf&Uen und nervOsen Er¬ 
scheinnngen. Das Fieber fällt meist nach 24 Stunden unter Schweißausbruch 
ab. BesidiTe sind hänfiu. Das gesammte Krankheitsbiid hat mit Typhus und 
der gastroenteritischen Influenza viel Aehnlichkeit. Jedenfalls handelte es 
sich um eine übertragbare Krankheit, die von einer Anzahl Autoren als Abart 
des Typhus (tiphoidette) aufgefaßt wird. 

Das eigenartige der Krankheit liegt darin, daß sie sich auf zwei Monate 
des Sommers beschränkt und in enger Beziehung zu der Bodenfeuchtigkeit 
steht. Eine Uebertragung durch Trinkwasser oder Mucken ist unwahrscheinlieh. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Deatafektlon. 

Ueber den Deslnfektlottswert des Hyglenols. (Ans dem InstHnt fflr 
l^giene u. experimentelle Therapie; Abt. fflr Hygiene. Vorstand: Prof. Dr. 
Boäolf.) Von Kreisassistenzarzt Dr. Wolf-Marburg. Zentralblatt f. Bakt, 
I. Abt., Orig.-Bd. 46, H. 1. 

Das Hygienol ist eine Verbindung yon Kresol mit schwefliger Säure; es 
riecht schwach nach letzterer. Es lOst sich Im Wasser gut und gibt eine 
schwach rosa gefärbte klare Lflsung. Es wirkt stark desodorisierend. Nach 
Wolfs Untersuchungen entspricht der Desinfektionswert einer 6*/oigen 
lE^gienollOsung dem einer 2**/oigen Lösung yon Kresolseife. Der Preis yon 
86 M. fflr 50 kg gestattet seine Anwendung zur Desinfektion auch großer 
Bäume, z. B. yon Qflterwagen, Schlachthäuser, Markthallen und öffentlichen Qe- 
bäuden, in denen ridi die Anwendung stark riechender Desinflzienten yon 
selbst yerbietet. Dr. Lenta-Berlin. 


üeber ein neues Desinfektlonsyerfaliren mit Formalln auf kaltem 
Wege. VonDr. B. Dörr, Begimentsarzt, und Dr. H. Banbitschek, Ober¬ 
arzt (A. d. bakteriol. Labor, d. k. n. k. Hilitärsanitätskomitee). CentralbL fflr 
Bakt.; I. Abt. Orig., Bd. 45, H. 1 u. 2. 

Dörr und Banbitschek haben das Verfahren yon Eyans und 
Bussel modifiziert und empfehlen es in dieser Form zur Banmdesinfektion. 
Sie mischen behufs Desinfektion eines Baumes yon 100 ccm 2 kg Kalium- 
hypermanganat mit 2 1 käuflichen Formaiins und 2 1 Wasser. Ein Vorzug 
des Verfahrens ist, daß das Formalin fast restlos mit dem Wasserdämpfen 
yerdampft und daß diese Dampfentwicklung so energisch yor sich geht, daß 
eine Abdichtung der Fenster und Türen nicht nötig wird. Gleich dem Autan- 
yerfahren ist das neuere Verfahren nicht feuergefährlich. Wie das käufliche 
Formalin läßt sich in gleichen Mengenyerhältnissen auch Festoform, eine Seife 
mit hohem Formalingebalt, yerwenden. Dörr und Banbitschek empfehlen 
die Verwendung dieses Festoform - Kalinmpermanganatyerfahrens besonders fflr 
Kriegszwecke, da hier die Mitführung flüssigen Formaiins größere Schwierig¬ 
keiten macht wie die des in Bflchsen yerpackten Festoforms. Letzteres hat 
auch den Vorzug, daß jede Büchse 1 kg Festoform enthält, mithin zu dieser 
Menge nur eine Bflcbse yoll Wasser gefügt werden muß, und daß die Büchse, 
da sie gerade 1 kg Gewicht hat, wiederum als Gewicht zum Abwiegen der 
nötigen Menge Kaliumpermanganat yerwandt und auf diese Weise mit denk¬ 
bar einfachsten '.Mitteln die fflr 100 ccm nötige Desinfektionsmiscknng er¬ 
halten werden kann. Dr. Lentz-Berlin. 


Wohnnngzdealnfekttou mit Formaldebyd ohne Apparate. Von Ober¬ 
stabsarzt Dr. Lösen er-Königsberg. Desinfektion; Jg. L 8—4. 

1. Die geprüften apparatlos arbeitenden Verfahren stehen bei Ver¬ 
wendung gehöriger Mengen yon Desinfektionsstoff, wenn die Durchführung 
fluTcb geschulte Drainfektoren unter sorgfältiger Abdichtung uud zweckmäßiger 



888 


KleliiMre Mitteilungen and Befiente mm Zeitedirifteii. 


Erwlrmang der B&ame erfolgt, dem Breelaaet Appantrerfaluren aicht nach, 
letxteree mrd neben den ftbrlgen Apparatmethoden trotidem in der DeeiBlektioBS> 
präzis seine ftthreode Bolle bewanrea. 

2. Bei dem Verfahren Ton OOrr and Banbitsehek (Permanganat- 
Terfahren) mttssen bei 100 cbm Banm statt 2 kg. K. Mn O 4 2 L Formalin, 
2 L Wasser je 8,2 oder, was leichter an behalten ist, 8,8 bezw. Liter Ter- 
wendet werden. Die Einwirkongsdaner braucht bei ueser Erhöhung in wenig 
möblierten Bftnmen nur 4 Stunden zu betragen. Die Mischung der Zutaten 
muß in sehr großen Holsgefäßen derart erfolgen, daß erst ^e Flüssigkeit, dann 
das Permanganat unter UmrOhren eingeschüttet wird. Die Amouiakentwickelnng 
erfolg am einfachsten mittels der nEntwicklei" nach Art der den Antan* und 
Antoformpacku^en beigegebenen. 

8. Für Verwendung des Festoforms an Stelle des flüssigen Formalins 
Mlten die unter 2 anfgeführten Bedingungen ebenfalls. Vor Aufachütten der 
Kristalle muß das Festoform in warmen Wasser vollstündig gelOst sein. Durch 
Verwendung des K. II Mn 0« in Tablettenform wird das Verfahren yerebfacht. 
Der hohe Preis des Festoforms steht zu den Vorzügen des Pr&parats in 
keinem Verhiltnis. 

4. Das Autoformverfahrea ist unter den gleichen Voraussetzungen wie 
bd 8 brauchbar. Don Packungen 1—4 müssen Amoniakentwickler beigegeben 
werden, auch hier wird der Preis der Einführung in die Praxis l^derlich se^ 
zumal das Verfahren nicht so bequem und einfach ist wie das Autanverfahren. 

6. Das Autanyerfahrea (Packung B) ist das einfachste apparatloue, 
aber leider immer noch zu teure Verfahren. 

6. Bei der Auswahl der besprochenen apparatlosen Verfahren spielt die 
Geldfrage die Hauptrolle. _ Dr. Wolf-Marburg. 

Ortshxglone. Wnzuezreraorgimg und AJbvAeeerbeseitlgnng. 

Die Gartenstadt-Bewegung. Von F. E. Fremantle, M. B., M. Ch., 
F. B. C. 8., Herta County medical officer. Public Health, Okto^r 1008, XXII, 
S. 2—18, mit 9 Plänen und ausführlichem Literaturrerzeichnis. 

Auf dem vorjährigen hygienischen Kongresse (Bd. IV, 8. 487) sagte Haas 
Kampffmey er-Karlsruhe; ,In En^nd, dem Lande der tatkräftigen 8elbst- 
hilfe ist die Gartenstadt bereits in Wirklichkeit nmgesetat. Dort hat eine 
gemeinnützige Aktiengesellschaft mit einem Aktienkapital von 6 Millionen ein 
1600 ha großes Gelände gekauft und auf Grund eines guten Bebauungsplanes 
zu erscbUeßen begonnen. Die eigentliche 8tadt wird nur V* der Fläche be¬ 
decken und ca. 80000 Einwohner enthalten. Die übrigen */s sollen dauernd 
als Garten* und Ackerbangürtel erhsdten bleiben. Gegenwärtig sind nach 
2Vtjäbriger Bautätigkeit bereits zahlreiche Fabriken errichtet und über 4000 
Menschen angesiedeit. Die Bänser sind durchweg Einfamilienhäuser mit Garten 
und bereits für einen Preis von 2700 Mark aufwärts zu kaufen. Die Begelung 
der Wohnungs- und Bodenpreise wird durch eine rege gemeinnützige Bautätig¬ 
keit und ferner dadurch angestrebt, .daß der Boden ausschließlich in Erbpacht 
abgegeben wird*. — Letchworth, die erste Gartenstadt, im Norden von Hert- 
fordsbire, hatte im Juli 1908 bereits 5800 Einwohner, 960 Häuser, 8 engl. Meilen 
Straßen, Wasserleitungen von 17 miles, Abwasserleitungen von 11 mUes. Die 
Dividenden der (jeseilschaft sind aaf5‘*/o festgesetzt, die Stenern werden ihre 
jetzige Höbe von 2 s. auf das £ kaum übersteigen. 12 Fabriken, 47 Läden, 
58 Gesellschaften zeugen von der Höhe des individuellen Lebens der Stadt. 
Das ganze Bild stellt eine glückliche Vereinigung moderner Industrie mit der 
Mutter Erde dar. Die Entvölkerung dos flachen Landes und die Deberfüllung 
der Städte soll durch das Prinzip der Gartenstadt gleichzeitig bekämpft werden. 
Die körperlichen und seelischen Vorteile des Landes sollen mit den gewerb* 
lieben und sozialen Vorteile der Stadt verbanden werden. — Wenn der höchste 
Nutzen der Gesellschaft auf 5°/o beschränkt ist, wie bei der Letchworth Com¬ 
pany, ist das Risiko für den Geldmarkt nicht von großer Anziehungskraft; die 
Gartenstadt-Gesellschaft strebt zwar wie andere Großgrundbesitzer, auch nach 
Sparsamkeit, sie berücksichtigt aber auch Gesundheit, Schönheit und Kunst. 

In England kommen außer Letchworth noch Bournviile bei Birmingham, 
Port Sunlight bei Liverpool, Earswick bei York, Coryndon bei Cardiff und viele 
Yorstädtische Einrichtungen als Gartenstädte in Betracht. Am günstigsten 



Kleinere JOtteilnngen nnd Beferate au Zeiteehtiften. 


889 


lie^ die Saclie, wenn Behörden oder Gesdleehaften die Gnudheattzer ehd nnd 
eich aneh lOr Hygiene interessieren. 

Dem englisehen Parlament liegt ein Gesetzentwurf des Ministers Borns 
Tor: aHowsing and Town-Flanning etc. BUL* Was anch immer sela Sehieksal 
sein mOge, — so schliefit der Antor —, der Entwurf hat den Ansdrnok ,Town- 
planning* in die parlamentarische Arena eingeftkhrt nnd die Grandlagen der 
Gartenstadt ins rechte Licht gesetzt. Die Gesnndheitsbeamten sollten jede 
Gelegenheit wshmehmen, mit eigenen Angen sich Ton den Fortschritten der 
Gartenstadtbewegnng zn Aberzengen. Dr. M a y e r • Simmem. 


Zentralheizung oder Einzelkelznngt Von Prof. Dr. E. Wolf‘Tttblngen. 
Bl&tter fttr Volksgesandheitspflege; Jg. 8, Nr. 10. 

Die Zentralheizang hat folgende Vorteile vor der Einzelheiznng: 

1. gleichmäßige WärmeTerteUong, 2. feinere Begnlierfäbigkeit, 8. hygienisch 
einwandfrei, d. Freibleiben der Wobnnng von Heizmaterial, infolgedessen weniger 
Staub, 5. bessere Ansnntznng des Heizmaterials, 6. sparsamer Betrieb, 7. Ver* 
ringernng Ton Bauch und Buß, 8. Verminderung der Feuersgefahr. Sie ist der 
Einzelhdznng daher fiberlegen. _ Dr. Wolf •Harburg. 


Die ZerstSrnngsfUilgkelt lufthaltigen Wassers ln Zentralhelsnngen* 
Von I». P. Takusa-Magdebnrg. Gesundheits^Ingenienr: 1908, Nr. 87. 

Ein Oxydieren oder ein Bosten in der atmosphärisenen Luft oder im 
Wasser ist nur durch die absorbiert gewesene und dann frei gewordene, Tom 
Wasser jedoch noch umschlossene, sauerstoffreiche Luft mO^ich. Eine Ab* 
sorptionsmOgiiehkeit nnd deshalb andi eine BostmOglichkeit liegt bei Niederdruck* 
damplheizungen mehr vor als bei Wasserleitungen. Dr. Wolf •Marburg. 


Gedanken tther die Sanlemng der Breslauer Gmndwassergewlnnnngs- 
anlagen. Von Direktor Dr. Lfihrig* Breslau. Gesundheits* Ingenieur; 
1908, Nr. 40-41. 

Ein Saniemngswerk ist nicht ohne Entmanganung mOglich; die Lfisnng 
der Qaantitätsfrage nfitzt nichts ohne gleichzeitige Lfisung der Qualitätsfrage. 
Verfasser gibt ein Verfahren an, welches das Problem der billigsten Entmanganung 
unter Ansschaltuog einer zn befürchtenden merkbaren Geschmacksrerschlech* 
ternng des Wassers löst. Als Fällungsmittel wird Kalkwasser verwendet, 
das fast momentandas gesamte Hangan quantitativ zur Ausscheidung bringt. Die 
Niederschläge lassen sich durch geeignete Sedimentation so weit ans dem 
Wasser entfernen, daß dieses fast völlig klar nnd blank auf die Filter 
gelangt. Das Wasser muß hier auch schwach alkalisch sein. Dss Fiiter 
besteht ans einer zirka 76 cm hohen Schicht von natttriiehem zeolithischen 
Gestein, Porphyrtaff, der mit einer Sandschicht Überdeckt ist. Nach der 
flltration läßt sich der durch Ealkbehandlung verschlechterte Geschmack durch 
Einblasen von Kohlensäure wieder völlig beheben. Der Ueberschuß an freier 
Kohlensäure kann durch eine Filtration Aber Mergel leicht unschädiieh beseitigt 
werden. _ Dr. Wolf*Marbarg. 


Die Kanalisation von Landgemeinden« Von Baurat v. Boehmer- 
Mainz. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 87. 

Die Kanalisation ist auch in Landgemeinden sehr erwfinscht, einmal nm 
eine geregelte Abführung der Hauswässer zu erreichen, ferner aber nm in den 
Gemeinden, die eine zentrale Wasserversorgung und infolgedessen unter dem 
Steigen des Grandwassers zu leiden haben, diesem Mißstand abznhelfen. Mit¬ 
hin handelt es sich nur um die Ableitung der Abwässer aus Kttcbe und Keller, 
während die Meteorwässer in Straßenrinnen dem nächsten Graben oder Bach 
zufließen und die Fäkalien in dichten Graben für den landwirtschaftlicben Be¬ 
trieb gesammelt werden. Nach der Ansicht des Verfassers kann auf die 
unterirdische Meteorwässerableitung verzichtet werden. Als Begel wird man 
die Verlegung des Kanales in eigenem Graben zu betrachten haben, nm so 
mehr, als die Ersparnis an Grabarbeit bei der anderen Art der Aasfühmng 
nur unbedeutend ist und auch die Keller wegen der zu wenig tiefen Lage der 
Bohre nicht immer nach Wunsch entwässert werden können. 

Dr. Wolf-Marburg. 


890 


Kleinere Hitteiliuigen and Referate aas Zeitsohrifteo. 


■aseUnelle Abwasserreialfer. Von Dr. Ing. F. Jastrow^Weißensee- 
Berlin. Tecbn. Glemelndeblatt; Nr. 8—10. 

Die Frage der maschinellen Abwaaserreinigong, welche ebenso wie die 
der anderen Methoden darchaas noch nicht gekl&rt ist, erOrtert J. aof Grand 
der bisherigen Erfahrungen objektiv. Er rechnet in weiterer BegrUb- 
bestimmung, als gewöhnlich ttblicb int, alle die Vorrichtnngen, die der Hüfs* 
mittel den Maschioenhaosea benötigen, anter die maschinellen | Betriebe. V<m 
dienen ULßt er die Zetrlfagalreiniger, die noch im yersuchnstadium sich befinden 
und weniger für die Sielwasserverringemng, als für die Schlammentwässerang 
in Betracht kommen, anbesprochen und beschränkt sich aal die Abfinchanlaaen, 
die als Grob- and Feinreiniger funktionieren. Im Wesen des fraglirmea 
Betriebes liegt es, dafi nar Teile von greif- und sichtbaren Volamen ans dem 
Schmatzwasser heraasgefangen werden können, während eine Befreiung von 
gelosten Bestandteilen oder gar Keimen unmOgUch ist, sodaß die Klärwukang 
natnrgemäfi eine beschränkte bleibt. Jedoch hat das Verfahren indirekte 
Wirkongen, die teilweise sosar denen der Sedimentierong ttherlegen sind; sie 
bestehen vor allem in Vermeidang von Fäulnis, Zersetzung und stär¬ 
kerem Geruch, und Erzielung eines wasserärmeren und zu Dungzweckea 
brauchbaren Schlammes, während durch Entziehung der ffir Bakterienentwicke- 
lung gtinstigen Schwebestoffe die Keimzahl herabgesetzt wird. Veröffent¬ 
lichungen über die maschinellen Beiniger sind noch sehr spärlich; man muß 
sich an die Erfahrungen derjenigen Städte halten, die sie bisher eingefllhrt 
haben. Es gibt eine große Zahl von Konstruktionen, die vor allem bestrebt 
sind, der aiäerordentlich großen Verschiedenheit der Suspensa Rechnung zu 
tragen und Betriebsstörungen durch Verschmutzung der Maschinen zu ver¬ 
meiden. Einzelheiten interessieren den Techniker mehr als den Hygieniker. 
Hervorgehoben sei nur, daß man durch möglichst feine Siebe und Bechen, sowie 
teilweise auch durch Einstreuung aufsaugender Mittel, wie Torf, eine erhöhte 
Klärwirkung angestrebt hat. Die quantitative Leistung der Anlagen ist von 
einer großen Reihe von Faktoren, wie Geschwindigkeit der Siebbewegong, Ge¬ 
schwindigkeit des Sielwasscrs, GrOBe der freien Bechenfläche, abhängig. Tat¬ 
sächlich ist der erzielte Schlammabsatz in verschiedenen Städten wesentlich 
verschieden. Der Kraftverbrauch ist an und ftkr sich gering; die Betriebs¬ 
kosten sind sehr gerbg. Die qualitative Leistung wird an der Hand der COlner 
Anlage dargestellt. Selbst bei einer Stabweite von 7 mm fängt der Bechen 
den siebten Teil dessen ab, was ein teueres Klärbecken abscheidet, durch Ver¬ 
engerung der Maschen auf 1—1,5 mm ließen sich wahrscheinlich höhere Werte 
(bis 40*’/o) erzielen. Trotz der geringen Betriebskosten sind die maschinellea 
Anlagen an und fttr sich nur wenig billiger als andere Anlagen (KlärbeckenX 
jedoch fallen die erheblichen Kosten fflr Schlammbeseitigung fort, da eventuell 
noch aus dem durch erstere erzielten Schlamm als Dungmittel Einnahmen 
erhalten werden. Anwendung Anden Maschinenbetriebe, die niemals in bezog 
auf Klärwirkung mit anderen Anlagen konkurrieren kOnnen, entweder zur 
Vorreinigung in Verbindung mit anderen Verfahren, oder in solchen Städten, 
die einen wasserreichen Vorfluter zur Verfügung haben. (Wie ich mich ^ 
legentlich einer persönlichen Besichtigung überzeugen konnte, ist beispielsweise 
Düsseldorf mit einer Bechenanlage in jeder Beziehung zufrieden. Bet) 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Verbrenniingsvennche mit verschiedenen MüUarten Im Doer’sehen 
Mflllverbrennnngsofen. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 42. 

Es wird über verschiedene Versuche berichtet, die ln der in Stettin 
errichteten Doer’schen Müliverbrennungs-Versuchsanlage stattgefunden haben, 
und zwar zunächst mit Berliner Müll, wobei festgestellt wurde, daß der Berliner 
Müll ohne Brennstoffzusätze zu verbrennen ist; der wirtschaftliche Effekt würde 
aber ein wesentlich größerer sein, wenn wenigstens im Winter wegen der großen 
Menge von Braunkoblenbrikettasche eine Abschiebung des Feinmülb erfolgt, 
aus dem unterZusatz von Kalk ein Düngepulver hergestellt wird. Aehnliche Ver¬ 
suche wurden mit Müll aus Stettin und Koblenz vorgenommen und in Wiesbadn 
mit Müll aus Wilhelmshaven. Im Anschluß daran folgt eine Uebersicht über die 
nach dem Doer'sehen System ausgeftthrten Mflllverbrennungsanlagen (Wies¬ 
baden, Beuthen, Miskolez). _ Dr. Wolf-Marburg. 




Elelnere Mitteiloogen und Referat« aas Zeiteohriften. 


891 


Hygiene der Nahmngs- und Oennaamlttel. 

Xahruigginlttelliyglene in offenen Terkanfiutellen. Von Dr. K 0 r n e r- 
Charlottenbarg. Qesandheit in Wort and Bild; 1908. Nr. 9. 

Es genügt nicht, Vorschriften an erlassen, welche verlangen, die znm 
Verkanf gestellten Nahrangsmittel vor Stanb, Wärme, Insekten and dergL in 
schützen, oder verbieten, daß der Eäaler die betreffenden Waren berührt. Viel- 
mehr ist noch anbedingt notwendig die annachsichtige and strenge Forderang 
and Befolgang des Gebots, daß anter allen Umständen das Vermeiden jeglicher 
Berührang von Eßwaren aller Art dem Verkäaler all^mein and ln jeder 
offenen Verkaafsstelle zar Pflicht gemacht wird. Dr. Wolf>Marbarg. 


FlelzehvergUtiug. Von Dr. Bitterband*Charlottenbarg. Blätter 
für Volksgesondheitspflege; 1908, Nr. 10. 

Nachdem Verfasser aosführllch die Ursachen der Fleischvergiltnng 
besprochen hat, macht er folgende Vorschläge: 

ln erster Beihe maß verlangt werden, daß sogen. Notschlachtangen 
der behördlichen Anzeigepfltcht anterliegen, and daß die Uebertretong dieser 
Pflicht mit hohen Strafen, and wenn sie doloser Weise aas gewinnsüchtigen 
Gründen geschieht, mit Haftstrafen geahndet werde. 

Von manchen Hygienikern wird lediglich gefordert, daß Fleisch von 
notgeschlachtetem Vieh nar in gekochtem Zustande zam Verkaof gelansen 
dürfe. Das genügt aber nicht; denn es werden darch Kochen wohl die Bakterien, 
aber nicht die von ihnen gebildeten Gifte vernichtet. Vielmehr maß anbedingt 
verlangt werden, daß darch sachgemäße bakteriologische Methoden die Un¬ 
schädlichkeit des Fleisches dargetan werde, ehe es in den Verkehr kommt. 

ln zweiter Beihe sollten alle privaten Schlachtangen der zwangs¬ 
weisen Fleischschaa anterworfen werden. Mit Fleischwaren, die privaten 
Schlachtangen entstammen, wird ein amfangreicher Handel getrieben. Sie 
entziehen sich heate in den meisten Fällen noch jeder Kontrolle; sie sind 
deshalb zam mindesten verdächtig, and wir können vor ihrem Genoß nar warnen. 

Alle Wünsche wären erfüllt, wenn jede Kommane ein Schlachthaas 
besäße, das anter tierärztlicher Kontrolle stände. Alle Schlachtangen, aach 
Privat- and Notschlachtangen aas dem ganzen Bezirk könnten dann hier gegen 
eine gewisse Gebühr staufinden bezw. von hier axu kontrolliert werden. Die 
Mittel für eine solche Einrichtang könnten aach von armen Kommanen aof- 
gebracht werden, wenn sie sich za Zweckverbänden vereinigten, die die Auf¬ 
gabe hätten, nötigenfalls mit Untersttttzang des Kreises, der Provinz oder des 
Staates, für die Aostendeckang aafzakommen. 

Aach dem Uebelstande, daß arsprünglich tadelloses Fleisch durch 
ansaabere Behandlang and anhygienische Aafbewahrang 
giftige Eigenschaften annimmt, ließe sich durch behördliche Maßnahmen, zum 
großen Teil wenigstens, anschwer abhelfen. In den Warstkellem and Fleisch- 
kammem der Schlächter and Warstfabrikanten herrschen hänflg ganz haar¬ 
sträubende Zustände, von denen auch das Pablikom ab und zu durch Zeitungs¬ 
berichte über Gerichtsverhandlangen Kenntnis erhält. Hier kann nar die 
Einrichtang einer zweckmäßig organisierten Nahrungsmittel-Inspektion 
Wandel schaffen, deren Aoßenbeamte die Aufgabe hätten, alle Schlächtereien 
und Warstfabrlken in kurzen Zwischenräumen einer gründlichen Bevision za 
unterziehen, den Arbeitsprozeß za hygienisiereo und vor allem für regelmäßige 
Beinigang und Desinfektion der Arbeitsräame za sorgen. 

Nach diesen behördlichen Maßnahmen bleibt aber auch der Privatini¬ 
tiative ein weiter Spielraum. Manche Hausfraa, die das Einholen der täglich 
gebrauchten Lebensmittel ihrem Dienstmädchen anvertraat, ahnt nicht, daß 
sie damit nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch anhygienisch handelt. Einen 
Warstrest, der nicht mehr schön aassieht, da er schon einige Tage auf dem 
Ladentische liegt, oder ein Fleischstück, das dem Schlächter selbst nicht mehr 
nnz zweifelsohne erscheint, wird dieser klage Mann der Hansfran, die ihre 
Einkäufe besorgt, niemals anzabieten wagen. Er hat es aach gar nicht nötig. 
Es kommen ja so viele Dienstmädchen in seinen Laden, die dem liebenswürdig 
lächelnden Meister aach die schlechteste Ware abnehmen. Ein gewisser Schatz 
vor Fleischvergiftung liegt also, so sonderbar es auch klingen mag, schon 
daria, daß die Hausfrau ihre Lebsnimlttel selbst ebkauft. Am huflgsten 



892 


Kleinere MitteUnncen nnd Befernte nns IZeitsehrlften. 


erfolgen FleischTergiftnngen dorch Gennft yon rohem Schinken, Wnrat 
und Schabefleisch. Vom hygienischen Standponkt maß man yor dies« 
drei Fleischsubereitongen ernstlich warnen. Sie enthalten fast stets Bakterien, 
nnd es ist e^entlich wunderbar, daß so wenige Personen nach ihrem Genoß 
erkranken. V i r c h o w nannte das Eissen yon ronem Schabefleisch einen Bflckfall 
in die Barbarei Das Kochen des Fleisches erhöht nicht nnr seine Ver» 
danlichkeit, sondern yemichtet auch alle etwa hineingekommenen Bakterien. 
Außerdem bildet gekochtes Fleisch einen schlechteren N&hiboden fflr alle 
Mikroben und hält sich deshalb länger Irisch als rohes. Wer durchaus 
Schabefleisch essen will, kaufe unter allen Umständen vom Schlächter nur ein 
nncerkleinertes Fleischstflck, das er kurz yor dem Genuß zu Hause auf einer 
reinen Wnrstmaschine oder mit einem sauberen Hackmesser sich selbst znbereitet. 
Ferner soll die Hausfrau streng darauf achten, daß keine Beste fflr den nächsten 
Tag flbrig bleiben, und sich genau um die Toiletten ihres Speise- und Eis- 
scuankes und der Speisekammer kflmmem. Dr. Wolf-Marburg. 


Ueber die Gefahren der Verwendung yen segenannter Easigesseni 
(80 prei. Helzesslgsflnre). Von Oberarzt Dr. L. Bleibtren-KOln. Münchner 
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 88. 

Bekanntlich hat in neuerer Zeit an Stelle yon Essig tind Weinessig die 
sog. Essigessenz in dem Haushalte besonders der ärmeren BeyOlkerung häoflg 
Verwendung gefunden. Die Essigessenz ist 80 proz. Holzessigsänre, die dura 
Destillation yon Holz nnd Holzabfällen gewonnen wird nnd nachweisbar bereits 
in zahlreichen Fällen, sei es aus Verwechslung oder in selbstmörderischer Ab¬ 
sicht tiefgehende Verletzungen bezw. Verätzungen und tOtlichen Ansgang zur 
Folge gehabt hat. Verfasser berichtet ttber 3 ün Verlauf yon etwas ttber 2 
Jahren beobachtete schwere Vergiftungen, wofon eine tOtlich yerlief und 
mochte dringend wttnschen, daß durch energische gesetzliche Maßregeln recht 
bald das Verschwinden des gefährUdien Gines yom Nahmnsnmittelmarkt her- 
beigefflhrt wird. _ Dr. Waibei-Kempten. 


Gewerbehxgflene. 

Ein weiterer FaU yon Angenerkrankung mit einem kfinatUchen 
DüngmltteL Von Dr. B. Heßberg, ehern. Assistent der KOnigl Uiny.- 
Augenklinik München. Münchener med. Wochenschrift; Nr. 83, 1908. 

Verfasser berichtet eingehend über einen Fall yon Angenerkrankung, 
welche bei einem 62 jährigen Manne gelegentlidi des Ausstreuens nnd Hinein¬ 
fliegens yon Kunstdünger (Snperpbosphat) in das rechte Auge yeranlaßt wurde. 
Die Erkrankung yerlief unter dem Bilde einer schweren Panophthalmitis mit 
Ansgang in Amaurose. Es kann daher nicht genug auf die Gefahren beim 
Gebrauch yon künstlichea Düngemitteln — insbesondere des Superphosphats — 
aufmerksam gemacht werden. Das Ausstreuen sollte nach Sommers Vor¬ 
schlägen möglichst mit Maschinen besorgt nnd stets mit dem Winde nnd nie 
gegen ihn ^arbeitet werden. Die Arbeit ist eyentuell mit Schutzbrillen zu 
yerrichten, Berührungen der Augen mit den Händen sind aber zu yermeiden. 

Dr. Waibel-Kempten. 


Ueber Kraakheltsgefhhren der Glashüttenarbelter. Von Gewerbe- 
Inspektor Dr. K10 c k e • Bochum. Soziale Medizin und Hygiene; Bd. IH, Nr. 7. 

Verfasser bespricht die yerschiedenen gesundheitiieben Gefahren, denen 
die Glashüttenarbeiter ausgesetzt sind und die yom Ministerium für Handel 
nnd Gewerbe angestellten Ermittelungen über die hygienischen Znstände in 
der Glasindustrie. Von 27 Begierungs- nnd Gewerberäten waren 26 der Ansicht, 
daß die im § 120 a nnd folgende der Beichsgewerbeordnnng bestehenden 
gesetzlichen Bestimmungen ausreichten, um die bestehenden Gesundheito- 

g efahren wirksam zu bekämpfen. Auch Verfasser ist der Ansicht, daß diese 
•estimmnngen zur Beseitigung der ErkrankongsmOglicbkeiten durch Staub, Oas- 
yergiftnng, ansteckende Krankheiten oder mechanische Verletzungen tatsächlich 
genügen, daß sie aber auf die durch die große Hitze, den daraus folgenden 
Durst, der am liebsten durch kaltes Wasser oder Bier gelöscht würde, hervor- 
gemtenen chronischen Luftröhren- nnd Magen - Darmkatarrhen keine erheblkbe 



Kldnere ffittoilangen nnd Beferftto ans Zdtsohriften. 898 

Einwirkoog bitten. Hier würde die Erkraakungeziffer herabininlndeTn sein, 
wenn es gelänge, die kalten Gletrinke durch warme Milch zu ersetzen. 

_ Bpd. 


Opfer des Lenehtgases ned anderer Energietriger Im Jahre 1907. 
Von Fr. Schäfer. Jonrnid für Qasbelenchtang nnd WasserTersorgnng: 1908, 
Nr. 88. 

Durch unrerbrannt ansströmendes Leuchtgas wurden im Berichtsjahr 
98 Unfälle herbeigeftthrt, annähernd ebensoTiele durch Explosionen von Leucht* 
gas. Die Zahl der verletzten Personen betrug bei den Explosionen 176, bei 
den Ausströmungen 101. Die Ansströmungen hatten 88 Todeslälle zur Folge, 
die Explosionen nur 2. ln 44 Fällen gelang die Bettung schwer Betäubter 
durch kttostliche Sanerstoffatmung und rasche ärztliche Hilfe. Nicht mitee« 
rechnet sind die erwiesenen Selbstmorde und vorsätzlichen Tötungen duieh Gas 
(11 FMle mit zusammen 18 Opfern), Die häufigste Ursache der Leuchtgas¬ 
unfälle war der Leichtsinn (unrorsichtiges Ableuchten von Gasleitungen, leicht¬ 
fertiges Abnehmen von Belenchtungskörpem nnd Schließen des Haupthahns). 

Die Zahl der Opfer des elektrischen Stroms ttbertriffc die Zahl der durch 
Leuchtgas Getöteten. Todesfälle durch Blitzschlag in elektrischen Leitungen 
scheinen sich namentlich bei den Ueberlandzentralen zu mehren. Blitzschläge 
in Gasleitungen sind ttberaus selten. Ein Todesfall ereignete sich bei dem Ver¬ 
such, den Draht einer elektrischen Fernleitung zu stellen. Ein Unfall wurde 
durch das Anschlägen eines von einem Militärfesselballon herabhängenden 
Drahtseil an eine blanke Starkstromleitung herbeigeftthrt. Wiederbelebungs¬ 
versuche an Opfern des elektrischen Stroms waren fast immer er-olglos. 

Vergiftungen durch Einatmung von Kohlenoxyd ans Heizöfen, Koch- 
Öfen nsw. waren sehr zahlreich: 69 Fälle mit lOl Opfern und 80 Todesfälleo. 

Dr. Bevenstorf-Hamburg. 


Die Helmnrbeit in England. (The report of the home workers committee). 
Von Dr. Francis J. Allau, medical offleer of health, Westminster. Public Health: 
XXU, 1908, Oktober. 

Die zur Prüfung der Heimarbeiterfrage eingesetzte Prflfungskommission 
kam zu folgenden Vorschlägen: 

1. Alle von anderen Personen zur Erzeugung oder Vorbereitung zum 
Verkaufe bestimmter Artikel beschäftigter Personen, die zu Hause arbeiten, 
sollen aofgefordert werden, bei ihrer Ortsbehörde Nune, Adresse nnd Arbidts- 
zweig anzngeben. Die Ortsbehörde hat Aber die Anzeige eine Bescheinigung 
auszustellen und vom Arbeitgeber eine genaue Liste der von Ihm beschüiigten 
Heimarbeiter za verlangen. 

2. Es darf kein Heimarbeiter zur Erzeugung oder Vorbereitung zum 
Verkaufe bestimmter Artikel beschäftigt werden, wenn er eine Bescheinigung 
Aber jene Anzeige nicht vorweisen kann. 

8. § 90, 6 des Public heaith act von 1876, der sich auf Fabriken und 
Werkstätten*) bezieht, die nicht rein gehalten werden, schlecht gelttftet oder 
ttberfttUt sind, soll auf Bäume ausgedehnt werden, in welchen Heimarbeit 

g eleistet wird; Gesnndheits- nnd Gewerbeinspektoren sollen die 
iefugnis erhalten, die Bäume zu besichtigen nnd me Anforderungen des 
Gesetzes sicher zu stellen. 

Der Verfasser verlangt, das § 110 des Factory and workshop act, 
der Gesundheitsbehörde das Becht gibt, die AnsfOhrnng von Arbeiten in 
Bänmiichkeiten zu verhindern, in denen eine ttbertragbare Krankheit herrscht, 
in ähnlicher Form auch für Heimarbeiter gelten solle; z. B. wo Verhältnisse 
herrschen, die der Gesundheit der Arbeiter schädlich sind, oder wo Bekleidnngs- 
gegenstände Anstecknngsstoffe ttbertragen können. 

In all denen Fällen, in denen die Ortsbehörde, die nach den Vor¬ 
schlägen der Kommission die Verantwortung fttr die gesundheitlichen Ver- 
hältnkse der Wohnungen der Heimarbeiter haben soll, sich lässig erweisen 
wttrde, mttfite der Gewerbeinspektor das Becht haben, die Ausführung der 
Gesetzesvorschriften durchzusetzen. Dr. Mayer-Simmem. 


*) Vergleiche Bapmund: Das öffentliche Gesundheitswesn, Leipzig 
1901, Seite 257. 



894 


Kleinere MilteUangen nnd Referate aoB Zeitschriften. 


Hygiene den Klnden. 

Herrosltlt nnd Ernlhrnng im Ktndesnlter. Von F. Siegert in COln. 
M&nchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 38. 

Die Nerrositat der Kinder kann angeboren sdn — nerrOse Kinder ner* 
Tdser Eltern gehören zn den alltäglichen Fällen. Es gibt auch nervOse Kinder, 
welche — besonders als einziges Kind oder weil sie im ersten Lebensjahre 
unter ewigen VergaanngsstOrongen schwächlich geblieben — durch elterliche 
oder ärztliche Vieltueroi nervOs gewordeu sind. Ferner beobachtet man bei 
Kindern, besonders im Hanse der Wohlhabenden oder durch die zum Zwecke 
„der Kräftigung** rekonvaleszenter, schäcblicher, oft gerade nerrOser Kinder 
angewendete unzweckmäßige Ernährung, bestimmte Krankheitsbilder, auf 
welche Czerny bereits vor 8 Jahren hingewiesen hat. 

In jedem Falle erweist sich ausnahmslos als schädlich die Nahrung den 
Kindes, wenn bei ungenügender Gesamtmenge Eiweiß (und Fett) stark über¬ 
wiesen, die Kohlehydrate zurücktreten und Mangel an Alkali nnd Zellulose 
in der Nahrung vorhanden ist. Nicht ganz so folgenschwer ist die Nahrung, 
wenn sie zwar das Bedürfnis des Kindes deckt oder einigermaßen übersteigt, 
aber ebenfalls kohlehydratarm ist, nnd Gemüse wie Obst vermissen läßt; am 
ehesten wird noch üeberfütterung mit „kräftiger Kost* (Fleisch, Eiern, Milch) 
ertragen, wenn eine beneidenswerte Eßlnst zur gleichzeitigen Aufnahme von 
reichUch grünem Gemüse nnd rohem Obst führt, äso die besonders schädliche 
Obstipation vermeiden läßt. 

Verfasser berichtet dann eingehend über einige Fälle. Bei der Er¬ 
nährung dieser kranken Kinder fehlte ausnahmslos Gemüse nnd Obst oder diese 
Nahrungsmittel sind unbedeutend vertreten, während fast stets das Eiweiß, 
oft ancp das Fett an Menge 8, 4, selbst 6 g pro Kilo und Tag erreichten. 
Neben schlechtem Aussehen, oft gelber Hautfarbe und Anämie, meist hmt- 
näckige Obstipation sowie ein Mißverhältnis zwischen Nahrnngs- 
einfnhr und körperlichen und geistigen Kräftezustand. Haut- 
alfektionen, häufige Erkrankungen an Angina, Bronchitis und Infektionskrank¬ 
heiten sind trotz fehlender lymphatischer Diathese die Begel, eine zu¬ 
nehmende Nervosität zeigt sich durch rastlose Unruhe bei 
Tag, durch schwere Erziehbarkeit, durch mangelnde Lei¬ 
stungen in der Schule, durch unregelmäßigen Schlaf nnd 
Aengstlioheit in derNacht, rasche Ermüdung des Körpers und 
Geistes. 

Daß eine knappe Kost, mit recht kleinen Eiweismengen, bei genügender 
Zufuhr von Alkalien nnd Zellulose die durch jene Eiweiß- nnd Nahrungsmengen 
bewirkten Schädigungen rasch beseitigt, deren Auftreten stets verbeut, 
beweist ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit. 

Bezüglich der speziellen Behandlung der „dystrophischen Nervosität** 
empfiehlt Verfasser eine Diät, welche jedem gesunden Kinde ausnahmslos 
zusagt nnd bekommt, Fettablagernng in unnötiger Weise vermeidet nnd über¬ 
all und in jeder Jahreszeit dnrchfl^bar ist, auch das Eiweisbedürfnis stark 
herabsetzt. 

Zum Schlüsse hebt er noch hervor, daß Stoffwechseluntersnchnng wie 
klinische Beobachtung dndentig lehren, daß was heute „roborierende Diät** 
genannt wird, weder dem kranken, noch gesunden Kinde zuträglich oder un- 
schädlich ist. _ Dr. Waibel-Kempten. 


Slaglingaffinorge in Freiburg 1./B. Von Dr. Hans Schelble. Zeit- 
sohrift für Säoglingsfürsorge; 1998, Nr. 10. 

1. Stillprämlen: Es werden bis 2'/t Monate nach der Geburt für je 
14 Tage ausschließlicher Ernährung an der Brust 6 M. bezahlt. 

2. Milchküche des Kinderspitals; trinkfertige Einseiportionen werden 
nur nach ärztlichen Vorschriften abgegeben. 

8. Die Säuglingsstation des Kinderspitals (ca. 20*>/o Mortalität). 

4. Ziehkinderwesen (modifiziertes Tanbe’sehes System). Verl weist 
daraufhin, daß nur eine Zentralisation allen dieser Einrichtungen Aussicht auf 
Erfolg bietet. _ Dr. Wolf-Marburg. 



Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ana Zeitschriften. 


895 


Ein Beitrag ivr MIlehTersorgiuig, Slngllngefllrgorge ud Mntter- 
beratnng. Von Q. Ko 11 eck. Zeitschrift für S&aglingsfttrsorge; 1908, Nr. 10. 

Ans den Darlegungen ergibt sich, daß im Interesse einer gesunden 
Milchgewinnung eine gesetzliche Milchvielmchau ebenso notwendig ist, wie die 
bereits bestehende Schiachttier- nnd Fleischscbau. Ferner erscheint es not¬ 
wendig, daß die polizeiliche Milchschan von besonders gettbten Beamten im 
Anschluß an die städtischen Nahrungsmittelämter ansgettbt nnd krasse Schmnti 
und Keimproben dem konsumierenden Publikum bekannt gemacht werden. 
Im übrigen sollte aber durch Ereismnsterställe nnd Stadt- oder Kreismuster* 
molkereien, erentuell auch auf genossenschaftlicher Grundlage, auf die 
Milchvieh- und Milchwirtschaft überhaupt vorbildlich eingewirkt werden, die 
Staatseisenbahnverwaltung aber dem Milchtransportwesen immer mehr ge¬ 
steigerte Aufmerksamkeit znwenden. Zur Bekämpfung der Säuglingssterblich¬ 
keit genügen diese Forderungen aber nicht allein, hier kOnnen in erster Linie nur 
unter ärzwcher Leitung stehende Mütterberatungsstellen und Säuglingsfttrsorge- 
stellen in Verbindung mit dem städtischen Ziehkinderamt wirksam werden, 
wenn sie die Mutter auf die Bedeutung und Vorteile der natürlichen Ernährung 
und die große Gefahr, welche der Verzicht auf die Mutterbrust für das Leben 
des Säuglings birgt, hinweisen, und womüglich mit der Beratung der Mutter 
schon vor der Niederkunft in allen Fragen der Säuglingspflege und ihrer 
Methodik einsetsen nnd durch Verabreichung von Stillprämien für die natür¬ 
liche Ernährung propagieren. Dr. Wolf-Marburg. 


Kurse Bemerkungen über den heutigen Stand der Frage von der 
Anstaltgpilege kranker Säuglinge« Von Dr. A. S z a n a • Temeevar. ZentralbL 
für Sängiingsfürsorge; 1908 Nr. 10. 

Das Studium der Frage der Gefahr von Säoglingsanhäulungen, 
Hospitalismus, soll nicht abhäten, Säuglingaanstalten zu errichten, son¬ 
dern die heute schon schOnen Erfolge in der Anstaltspflege von Säuglingen 
sollen vervollkommnet und alle seine Faktoren festgesetzt werden, die 
dazu beitragen können. Der erste dieser Faktoren ist Mattermilch und durch 
Asepsis isolierender Betrieb der Anstalt. Dies ist schon erwiesen. Die weitere 
wichtige Frage ist, welche Art von künstlicher Ernährung verhindert am besten 
das Auftreten des Hospitalismns, vermindert also die Neigung zur Infektion. 
Endlich soll erstrebt werden, den Virus kennen zu lernen. Die Ausweise von 
Säuglingsanstalten dürfen sich mit dem Mortalitätsausweis nicht mehr belügen, 
sie müssen die Stabilität in der Entwicklung der gesunden und entvriwungs- 
fähigen Säuglinge nachweisen. Dr. Wolf-Marburg. 


KranMenliaasliyglene. 

Krankenhaus-Bflehereien. Von Dr. Emst Schulze, Hamburg-Groß- 
borsteL Archiv für Voiks Wohlfahrt; 1908, 12. Heft. 

GKtnz im Gegensatz zu der Aufmerluamkeit, die man Volks- nnd Schul- 
bibliotheken widmet, ist bisher für die Gründung und Unterstützung von 
Krankenhaus • Bibliotheken so gut wie nichts getan. In treffenden Worten 
schildert Verfasser die Langewwe nnd verdrossene Stimmung der Kranken oder 
eines langsam Genesenden, die sofort beseitigt wird, wenn man ihm ein gutes 
Buch reicht. Sollen die Bücher aber wirklich als Heilmittel dienen, so müssen 
sie auch richtig ausgewählt sein. Wo das nicht der Fall ist, wird man 
häuflg die widerlichsten Kolportageromane nnd dergleichen von Bett zu Bett 
wandern sehen. Es ist nicht jedes Buch für Kranke geeignet. Bücher traurigen, 
aufregenden und spannenden Inhalts taugen ans naheliegenden Gründen für 
Eiranke nicht. Der Kreis der sich für Krankenhaus - Büchereien eignenden 
Bücher schrumpft daher stark zusammen. Am besten passen natürlich Bücher 
heiteren Inhalts nnd unter diesen nicht die, welche uns vor Lachen schreien 
lassen, sondern die uns mit jener inneren Heiterkeit erfüllen, die unsere gnnze 
Seele auflenchten läßt und noch Stunden nnd Tage lang nachwirkt, z. B. die 
Werke eines Dickens, Wilh. Baabe, Gottfr. Keller. 

Aber auch die äußere Gestalt der Bücher ist nicht gleichgültig. Der 
Druck darf nicht zu klein sein, das Format nicht zu hoch, der Umfang nicht 
zu dick, das Gewicht nicht zu schwer, der Einband sauber und biegsam, sodaß 
derselbe nnmgeschlagen werden kann, ohne dadurch zu Grunde gerichtet zu 
werden. 



896 


Besprechangen. 


Als Einbandstolf wttrde sieh am bestes das Demotoid eignen, welches 
die scbStsbare Eigenschaft besitzt, Schmatz nicht anzonehmen. ^e hoflerliche 
Desinfektion hält Verfasser nar dann fttr nbtig, wenn sie in Zimmern fflr 
Infektionskranke gewesen sind. Eine innerliche Desinfektion ist aber kaum 
nötig and technisch nach schwer darchfOhrbar, da die Desinfektionsdimpfe 
doch nicht zwischen die einzelnen Blätter eindiiogen wegen Aneinanderhaftms 
derselben, selbst wenn man die Bücher in der Desinfektionskammer anfhingen 
wttrde. Die Firma Aag. Scherl-Berlin soll sich jedoch ein Verfahren haben 
patentieren lassen, am Bücher innerlich desinfizieren za können, doch bleibt 
abzawarten, ob sich das Verfahren bewähren wird. Solange dies noch nicht 
der Fall ist, wird man die Bücher verhältnismäßig schnell wechseln müssen 
and daza gehören große MitteL Aach wird es zweckmäßig sein, eine Zentral¬ 
stelle za schaffen, bei der sich die Erankenhaos-Verwaltangen über die sehr 
schwierige Frage der Aaswahl der Bücher beraten lassen kOnnen. 

Die deatsche Dichter-Gedächtnis-Stiftong hat ebe solche za errichten 
beschlossen, will sich aber nicht nar aaf die Krankenhäoser des Deatschen 
Beiches beschränken, sondern nach die des Aoslandes — soweit die deatche 
Zange klingt — bedenken. Da die erforderlichen Mittel aoßerordentlich große 
sind, wird an die Hochherzigkeit reicher Stifter appelliert. 

Dr. Kypke-Barchardi-Bitborg. 


Besprechungen. 

Dm PreiiMhiohe Medlminnl- und Oesnndheltnweaen ln den Jahren 
1883 — 1908 . Festschrift zarFeier des 25jährigen Bestehens 
des Prenßischen Hedizinalbeamten-Vereins. Heraasgegeben 
unter Mitwirkang zahlreicher Mitarbeiter von Geh. Med.-Bat Prof. Dr. 
Rapmund, Beg.- a. Med.-Rat in Minden. Berlin 1908. Verlag von 
Fischers medizinische Bachbandlang H. Kornfold. Gr. 8*, 568 8. Preis: 
15 M. gebd. 16 M. Für die Vereinsmitglieder 8 M. 

Die Festschrift berücksichtigt nicht allein den Preaßiscben Medisinal- 
beamten-Verein, für dessen Jabiläam sie ein Jahr vorher ansersehen war, 
sondern sie zieht das gesamte Medizinal- and Gesondheitswesen Preußens in 
ihre Kreise. Jedes einzelne Kapitel ist durch einen gerade in dieser Beziehaag 
hervorragenden Vertreter der Preußischen Medizinalverwaltang bearbeitet. 

Die Geschichte des Preußischen Medizinalbeamten- 
V er eins von Fielitz (Halle) lehrt ans, daß Bezirks- und Provinzialvereine 
den Grundstock za dem 1883 entstandenen Medizinalbeamtenverein bildeten. 
Der Verein umfaßt jetzt über 99(>/o aller Preaßiscben Mediziaalbeamten, gibt 
die aasgezeichnete Zeitschrift fttr Medizinalbeamte seit 1888 heraas und erfüllt 
seine umfangreichen Verpfiichtangen mit einem Jahresbeiträge von 15 M. der 
Mitglieder. Alljährlich werden Haaptversammlangen abgehalten, in denen teils 
gerichtsärztliche und psychiatrische, teils hygienische und soziale Themata 
abgebandelt werden, and man muß lobend hervorheben, daß die Verhandlangen 
über die amtliche StoUang des Kreisarztes, so notwendig sie auch waren und 
so wesentlich sie mit zar Aasgestaltang des preußischen Gesandheitswesens 
beigetragen haben, doch in den Zasammenkttnften des Vereins stets einen mäßigen 
Umfang bewahrt und die wissenschaftlichen Themata nicht beeinträchtigt oder 
gar verdrängt haben. Auf dem Preaßiscben Medizinalbeamtenverein hat sich 
seit dem Jure 1902 der Deatsche Medizinalbeamtenverein aafgebaat. 

Die Entwickelung des Preußischen Medizinal- und Ge¬ 
sandheitswesens in den Jahren 1888 bis 1908 behandelt der ver¬ 
diente Vorsitzende des Vereins, Bapmnnd. Es ist im wesentlichen ein 
eingehendes und vorzügliches Bef erat. Die Kritik Ist mit Becht zaiück- 
gehalten. Der preaßische Kreisarzt, die Gesandheitskonunission, der MedUnal- 
etat stehen vollständig vor unseren Augen da. 

Ueber Ortshygiene and Wohnangshygiene gibt Nesemanz 
interessante, durch statistische Angaben illastrierte Datu. — Salomon in 
Coblenz, dem wir das vorzügliche Buch über die Abwässerbeseitigang ver¬ 
danken, gibt hier einen kurzen, sehr inbaltreichen Abschnitt über Beseiti¬ 
gung der Abwässer und Abfallstoffe usw. Die von LIebig aiiigc- 
stellte Forderung, die chemisch wertvollen Abfallstoffe der Landwirtschaft za er- 



BesprechaDgen. 


897 


htlteii, ist fflr Mittel« und QrofistKdte nicht nar teohnisoh äußerst schwieria and 
flnuslell onrentnbel, sondern nach hygienisch and nesthetisch bedenldlw. — 
Dos Trennsystem wird als bedentsam anertont, der mechanischen Klirnng 
ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Der Orad der Beiniffung dnes Abwiesers 
ist nur unter Berttcksichtigung der GesamtverhUtnisse des Einseifalles, nicht 
aber nach allgemein feststehenden Begeln zu bemessen. Die ersten Anfänge 
des biologischen Verfahren, gehen, abweichend yon den gewöhnlichen Angaben, 
die England als die Wiege dieses Verfahrens bezeichnet, auf den Deutschen 
A. MAller 1863 zurOck. Seit 1901 ist die staatliche Versuchs- und PrOfungs« 
anstalt fftr Wasseryersorgung und Abwässerbeseitigung in Preußen eingerichtet. 

Mit gleicher Beherrschung des Stoffes stellt Schmidtmann die 
Wasseryersorgung dar. Zuerst yersuchte man, die Flftsse möglichst rein 
zu halten, um ihnen die Eigenschaft als Trinkwasser, eyentuell nach Sand- 
Filtration des Fiußwassers, zu bewahren. Es wurden yom Eaiserl. Gesundheits¬ 
amt Grundsätse für die Reinigung yon Oberflächenwasser durch Sandflltratlon 
zu Zeiten der Choleragefahr 1892 ausgearbeitet, die auch, nach Schwinden der 
Choleragefahr neuredigiert, als allgemeine Norm herausgeg eben wurden. Auch 
chemische Verfahren zur Reinigung des Wassers, wie das Ozon-Verfahren, 
erzielten ausgezeichnete Erfolge, doch wurde angesichts der Unmöglichkeit, 
ein Fiußwasser unter allen Umständen zu reinigen oder au<^ die Flflsne 
gegenüber den steigenden Ansprüchen der Industrie und der Großstädten^ 
^ckelung rein zu halten, die Aufmerksamkeit in immer steigendem Maße auf 
das Grandwasser als Quelle der Wasseryersorgung hingeleitet. Auch hier 
kamen zuerst Enttäuschungen yor; das Grandwasserwerk, das Berlin 1879 bei 
Tegel geschaffen hatte, mwte 1883 wegen zu hohen Gehalts des Wassers an 
Eisenyerbindungen aufgegeben werden. Erst etwa 7 Jahre später ermöglichte 
die Durchbildung des Enteisenung^yerfahrens eine allgemeine Verwendung yon 
Grandwasser, so daß im Jahre 1900 in Preußen über 300 zentrale Wasser- 
yersorgungen, und dayon 81 mit Enteisenungsanlagen, bestanden. Die staatlichen 
Bestrebungen in dieser Beziehung werden gekrOnt durch die 1906 in allen Staaten 
gleichmäßig zur Durchführung gelangte , Anleitung für die Einrichtung, den 
Betrieb und die Ueberwachung Öffentlicher Wasseryersorgungsanlagen". 

Abel in Berlin berichtet über die Nahrangsmittelkontrolle. 
Eine ständige Ueberwachung des Nahrungsmittelyerkehrs durch Sacbyerständige 
ist erforderlich, doch nur zOgernd entstand eine kleine Anzahl yon Prüfungs- 
anstalten, bis schließlich ein Ministerialerlaß yon 1906 auf eine allgem^e 
Kontrolle drang und die Errichtung zahlreicher derartiger Anstalten herbei- 
führte. Allerdings leidet die Gesetzgebung an dem Mangel, daß sie zu wenig 
Anhaltspunkte für die feste richterliche Beurteilung der Reinheit yon Nahrungs¬ 
mitteln besitzt; die Nahrungsmittelkontrolle wird dadurch eingeengt, daß 
sie nur Proben der feilgehaltenen Waren, nicht aber die Fabrikationsyerfahren 
der Waren selber überwachen und prüfen darf. — Bei diesen Ausführungen 
wird auch des Alkohols gedacht; 1902 wurde yom Ministerium eine Muster- 
polizeiyerordnung heraasgegeben, um die Verabfolgung geistiger Getränke 
an Trunkenbolde und an Kinder zu yerhindern. Im Jahre 1906 gab es in 
Preußen 27 Trinkerheilstätten mit etwa 1000 Betten. 

Die Gewerbehygione ist yon Roth-Potsdam abgehandelt. Die 
Bakteriologie und Protozoenkunde yon Gaffky und Lents. — 
Der unermüdlich fleißige Kirchner behandelt die Seuchenbekämpfung in der 
ausgezeichneten Weise, die wir schon durch sein yor kurzem erschienenes und 
dem internationalen Hygienekongreß gewidmetes Buch kennen. — Der um die 
Entwickelung der Säuglingsfttrsorge in neuester Zelt yerdiente Dietrich 
stellt Säuglingspflege und Haltekinderwesen dar. Die Bestrebungen ^feln in 
der im Jahre 1909 zu erwartenden Erüffnung des Kaiserin Augusta Viktoria- 
Hauses zu Berlin. 

Sehr lehrreich ist auch die Schulhygiene yon Oebbecke. Der 
Schularzt wird wesentlich immer yon der Kommunalyerwaltung abhängen; 
eine staatliche Organisation, wie in Meiningen, wird nach Verfassers Meinung in 
größeren Staaten mit ihren verschiedenartigen kommunalen Verhältnissen kaum 
durchführbar sein. Die hygienischen Vorträge für Abiturienten sollten yon 
besonderen, hierzu eigens berufenen Aerzten, nicht aber durchweg yon Schul¬ 
ärzten gehalten werden. 



898 


BeBprechangen. 


Bei deo KrankeBaBstalten l&fitBnsok die Frage, ob die PaTilloM 
der groSeo Kraokeahioser doreh gedeckte Korridore yerbaadeo sefai mbsseoi, 
offen, oder ylelmehr er belflrwortet solche Korridore, aber nur, weoo sie am 
Kopfende des Pavillons vorbeigeftthrt und anf das ansgiebigste belichtet nnd 
gelttftet werden. Die größten deutschen Krankenh&user sind das Ejrpendorfer 
&aakenhans in Hamburg mit 2150 Betten nnd das Bndolf Virchow« 
Krankenhaus in Berlin mit 2000 Betten. In Preußen ist die Zahl der ver¬ 
pflegten Kranken in den letsten dreißig Jahren um 491**/o gestiegen. Aul 
10000 Einwohner entfallen jetst 87 Betten und 277 Verpflegte j&brlidi. Auch 
auf dem Lande ist die Fürsorge für Kranke durch das Bote Kreuz nnd andere 
Vereine wesentlich gebessert. — Die Fürsorge für psjchisch Kranke 
ist von Moeli-Herzberge*, das Bettnngs- nnd Krankentransport- 
wesen von Fromm-Frankfurt, die Gef üngnishygiene von Hoffmann- 
Berlin bearbeitet. Letzterer bringt zur Sprache, daß die wissenschaftlichea 
Gutachten den nicht arbeitenden Gefangenen 87,46 g Eiweis tiglich als hin- 
reichend für die Aufrechterhaltnng des KOrperbestandes neuerdings znbilligen, 
w&hrend früher das Voit’sche Minimum von 118 g galt. 

Ganz modern und sehr lehrreich ist auch der kurze Aufsatz von Schifer- 
Frankfurt über das Öffentliche Badewesen, in dem namentlich Brause- 
bider nnd Schnlb&der in ihren gesundheitlichen Mindestforderungen hervor¬ 
gehoben sind. 

Wir erwihnen weiter: Heilquellen und Kurorte v<« Friedel- 
Wemigerode, Leichenschau, Begr&bniswesen, Leichenverbrennnng 
von Mewins-Oppeln, Aerzte von Aschenborn (auch die praktischen 
Aerzte werden dieser Kapitel mit großem Vorteil lesen), niederes Heil¬ 
personal von Elten-Berlin, Hebammenwesen von KOstlin-Danzig, 
Verkehr mit Arzneimitteln von Bornträger-Düsseldorf, welcher das 
schwierige Apothekenwesen in kurzer Ziuammenfassnng glücklich darstellt, und 
Meder-Coln, Kurpfuscherei und Geheimmittelwesen von Wehmer 
nnd Pflanz-Berlin. Endlich sind noch Gerichtliche Medizin nnd 
Psychiatrie sowie Sachverständigentätigkeit auf dem Gebiete 
der Unfall- nnd Invalidenversicherung von Strassmann-Berlin, 
Puppe-KOnigsbergi. Pr.,LeppmanB-Berlin,Cramer-GOttingen,BoekeB- 
dahl-Eäel behandelt. 


Es ist unmöglich, auf jedes einzelne dieser Kapitel graaner einzugehen. 
Ebenso schwierig würde es sein, einem Einzelnen von ihnen die Palme zuzuerkennen, 
aber das muß gesagt werden, daß wohl wenige Sammelwerke, sowohl was die 
Banmverteilnng, wie was die Art der Darstellung anbetrifft, so gleicbmfißig 
behandelt worden sind. Und was die Zuverlässigkeit anbetrifft, so ist es 
staunenswert, daß ein Werk, das ans der Priratinitiative eines Vereins hervor¬ 
gegangen ist, in so hervorragendem Maße den Wert eines Standard-Werkes 
erreicht wie dieses hier. Das Buch kann in der Tat als ein Elementarlehrbnch 
für die Medizinalbeamten gelten und wird dem praktisdien Medizinalbeamten 
in mancher Beziehung noch mehr wert sein als ein Lehrbuch; denn während 
die hygienischen Lehrbücher mehr die theoretischen Forderungen der Wissen¬ 
schaft berücksichtigen, ist hier überall der Kompromiß zwischen dem hygienisch 
Wünschenswerten und dem praktisch Möglichen bereits gezogen. Da ferner 
Preußen in vielen hygienischen Dingen in den letzten Jahrzehnten führend 
geworden ist, so vrird auch dem anßerprenßischen Medizinalbeamten das Buch 
als ein wichtiger Führer für manche in der Neuzeit erstrebenswerten nnd 
tatsächlich durchzusetzenden Forderungen dienen kOnnen. Alles in allem mOge 
das vorzügliche Werk in dem Sinne warm empfohlen sein, dskß es sich anf dem 
Schreibtische jedes Medizinalbeamten Anden solle. 

_ Gumprecht-Weimar. 


Br. Puvl Direktor der Provbzial-Hebammen-Lehranstalt in Breslau: 

Die prsktlsohe Geburtshilfe. Wiederholnngsbuch für Hebammen und 
Einführung in das neue Preußische Hebammen-Lehrbuch. 5. Auflage. 
Berlin 1907. Verlag von £. Stande. Gr. 12**; 140 8. Preis 1,90 M. 

Die früheren Auflagen vorliegenden Buches sind an dieser Stelle schon 
einer eingehenden Besprechung unterzogen und sein Wert hervorgehoben worden. 
Es erübrigt sich deshalb näher anf die neue Auflage einzugehen, die gegen 



Tagesnschricbtcn. 


889 


die yorhergeheadeii noch exLeblieli en Wert gewonaen bat, da sie den Yer« 
indeningen des neuen pienfiisehen Hebammenlebrbvdies Beehnnng trtgt. 
Man kann ihr nur die gleiche gute Anfnahme wie den Irllberen wflnschenk 

_ Bpd. 


Dr. Otto Loorn, Assistent der Uniyersit&ts-Unterriebtsanstalt für Staats« 
arsDAikonde na Berlin: Methoden der Technik der Oevlnnnng, 
Prfifang und EonserTlerang des nnr forenslnohen Blnt- beaw. 
Blwelsdlfferenzlerang dienenden Antlsernme. Berlin 1906. Verlag 
▼on Richard Schoets. 8**, 81 S. Preis: 0,80 M. 

Nach einer kurzen Einleitung ttber das Wesen der biochemischen Eiweifi- 
reaktion, ttber die an das Antisemm za stellenden Anfordemngen and ttber die 
Ittr die Aasfttbrang and Bearteilang der Reaktion geltenden Normen gebt 
Verfasser zam eigentlichen Thema ttber and bespricht die Oewinnong, 
Behandlang asw. des Antirams. In kurzen klaren Worten gibt er die im 
Laboratoriam der Berliner Uniyersit&ts*Unterrichtsanstalt fttr Staatsarzneikande 
gettbten Methoden wieder. Jeder, der sieh damit beschftftigen wilL wird sie 
an der Hand dieses Bttchleins leicht ansftthren kttnnen. Rpd. 


Dr. O. Bopmima, Proi, Reg.- n. Oeb. Med.-Rat in Minden i. W.: Kalender 
für Medizinalbeamte. VIIL Jahrgang. Berlin 1909. Fischers medi¬ 
zinische Bachhandlang (H. Kornfeld). Ausgabe A (fttr die preofiischen 
Hedizinalbeamten), Preis 4 Mark; Ausgabe B (fttr die ttbrigen deutschen 
Medizinalbeamten), Preis: 8 Mark. 

Die neae, soeben zor Versendang gelangende Ausgabe des Kalenders 
fttr Medizinalbeamte hat insofern eine Aendernng erfahren, als das Bei¬ 
heft yielfachen Wttnschen entsprechend, mit dem Kalender yereinigt und der 
Einband mit einer Klappe und Seitentasebe yorsehen ist. Dies war nur dadurch 
möglich, daß die Personalien unter Fortfall der statistischen Notizen ttber 
Einwohnerzahl usw. wesentlich yereiofacht und auch sonst einige Kttrzungen 
yorgenommen sind. Der Kalender hat dadurch fttr den praktischen Gebrauch 
sehr gewonnen. Alle seine Abschnitte haben außerdem wiederum wesentliche 
Umarbeitungen, Abänderungen und Ergänzungen erfahren, um sie sowohl mit 
den Fortschritten der Wissenschaft, als mit neueren gesetzlichen Bestimmungen 
und gerichtlichen Entscheidungen in Einklang zu bringen, so daß sich der 
Kalender auch in dem neuen Jahre den Medizinalbeamten als unentbehrlich 
erweisen wird. Seine Beschaffung kann daher nur aufs wärmste empfohlen 
werden. Dr. Fielitz-Halle. 


Tagesnachrichten. 

Bei der am 16. d. M. stattgehabten zweiten Lesung des Beanten- 
beMldungsgesetzes in der yerstärkten Butgetkommission ist erfreulicherweise 
ein Antrag der Konseryatiren, die in erster Lesung beschlossene Erhöhung 
des Gehalts der nicht vollbesoldeten Kreisärzte von €00 Mark 
auf 300 Mark zu ermäßigen, abgelehnt, sodaß er bei der Festsetzung des 
Gehalts yon 2400—4200 Mark verblieben ist. Hoffentlich erklärt sich die 
Staatsregierung wie das Plenum später damit einverstanden. Ein von national¬ 
liberaler Seite wiederum gestellter Antrag, bei den nicht vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzten fttr die Pensionsberechtigung eine Ergänzung der Dienstbezttge bis zur 
Gesamthöhe des pensionsfähigen Einkommens der gleichaltrigen vollbesoldeten 
Kreisärzte eintreten zu lassen, wurde leider wieder abgelehnt. 

In der letzten Sitzung der erweiterten Budgetkommission (17. d. M.) 
ist einstimmig beschlossen, daß dem dienstältesten Drittel der Regiernngsräle 
in „gehobener“ Stellung (also der Ober - Regierungsräte) einschließlich der 
technischen Räte eine Gehaltszulage von 600 M. gewährt weiden soll. Wenn 
bei diesem Beschluß auch die Mehrzahl der technischen Räte bei der Gehalts¬ 
aufbesserung fttr diesmal leider leer 'aasgeht, so hat er doch insofern eine 
große Bedeutung, als ihre Stellung damit als eine gehobene anerkannt ist. 
Bei der bevorstehenden Verwaltungsreorganisation dttrfte daher wohl fttr alle 
technischen Räte nachgeholt werden, was jetzt nur einem Drittel zuteil wird. 



900 


Tagemsohiiohten. 


Betreffs der in roxiger Nummer gebreehteii BesohlttiM der Kommbdoii 
zur Beretong des Gebtthreasatms ist fßtrlgeBB mit Btteksiebt suf den Tarif 
(s. Nr. 28, 8.828) issofem ein Irrtum unterlaufen, als die Gebtthr fftr Qesund- 
beitsseugnisse behubi Aufnahme in ein 8eininar, Präparaadenanstait u. dergL 
(B Nr. 18) unTer&ndert auf 8 Mark (nicht 8—6 Mark) geblieben; dagegen die* 
jenige fOr Gesundheitszeugnisse zur Begründung Ton Gutachten usw. (B Nr. 19) 
auf 8—9 (nicht 8—6) festgesetzt ist. Weiterhin hat Position A Nr. 17 Abs. 1 
folgende yer&nderte Fassung erhalten: 

„Hat sich der Kreisarzt in den Fällen zu 11 b und 12b an Ort und 8telle 
begeben, und kann die Untersuchung ohne sein Verschulden nicht statt¬ 
finden, so ist eine Gebtthr yon 8 Mark in Ansatz zu bringen. Mehr als 
drei Untersuchungen dürfen nicht berechnet werden. 

Anfier der Gebtthr zu 18 (schriftliches Gutachten) erhält der Kreisarzt 
im Falle der Wahrnehmung eines Termins die zu 1 bestimmte Gebtthr, 
dagegen ist die zu 4 (Aktenstudium) bestimmte Gebtthr in den Gebtthren 
zu 18—16 mit enthalten. 8ind zur Aussteillnng des Gutachtens 
Vorbesuche erforderlich, so treten die Gebtthren zu 8 
hinzu.* 

Endlich ist noch zu erwähnen, dafi in den allgemeinen Bestimmungen 
zum Tarif im §2, Abs. 1 das Wort .besonders* schwierige usw. durch .aus¬ 
nahmsweise* ersetzt und § 2, Abs. 2 dahin abgeändert ist, dafi die Ueber- 
schreitung der Mindestsätze unter Angabe der besonderen Umstände 
des einzelnen Falles (nach der Vorlage: .der fttr die Verrichtung anf- 
gewendete Zdt und ArbeitsleMtung*) zu begründen ist. 


Der Beichstag hat in seiner 8itzung yom 9. d. Mts. die Gewerbe- 
•rdnungs-Noyelle in uitter Lesung angenommen. Die hauptsächlichsten Ab¬ 
änderungen der bisherigen Bestimmungen sind, soweit sie ein hygienischen 
Interesse haben, folgende: 

Jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen dttrfen in der Zeit y(m 8 Uhr 
abends bis 6 Uhr morgens nicht beschäftigt werden; es mnfi ihnen eine un¬ 
unterbrochene mindestens 11 ständige Buhezeit gewährt werden. 

An Samstagen und Festtagsyorabenden darf die Arbeitszeit nicht über 
6 Uhr nachmittags ausgedehnt werden. Arbeiterinnen dttrfen an diesen Tagoi 
nur 8 8tnnden und an den übrigen Tagen ^höchstens 10 8tnnden beechlfUgt 
werden. 

Wöchnerinnen dürfen 8 Wochen lang, dayon mindestens 6 Wochen nach 
ihrer Niederkunft, nicht beschäftigt werden. 

Die Mitgabe yon Hausarbeit an Betriebsarbeiterinnen ist an Tagen, an 
denen sie bis zur gesetzlich zulässigen Dauer beschäftigt waren, sowie fttr 
8onn- und Festtage unzulässig. An Tagen, wo sie kürzere Zeit im Betriebe 
uewesen sind, dttrfe ihnen nur'soweit Hausarbeit mitgegeben werden, ids sie 
fttr den Best der zulässigen Arbeitszeit im Betriebe herstellen können. 


Zur Beratung yon VerwaltnngHfragen der InyalideByersieheniBf ist 
am 16. im großen Saale des Beicbsyersicherongsamts eine Vertretung yon 
Vertretern der Landesyersichernngeämter, Inyalidenyersichernngsanstalten und 
zngelassenen Kasseneinricbtungen zusammengetreten. Die Tagesordnung um¬ 
faßte 9 Gegenstände: 

1. Prüfung der Erwerbsfähigkeit der in höherem Lebensiüter in die 
Inyalidenyersicberung eintretenden Personen. 

2. Vorschläge zur Ausgesstaltung der Muster zu den ärztlichen 
Gutachten in Bentensacben. 

8. Umfrage über die yon den Versicherungsanstalten fttr die Bewiligung 
yon Heilyerfahren befolgten Grundsätze. Hierbei wurde die Frage, ob 
sich die Aufstellung einheitlicher Grundsätze empfehle, yemeint. 

Eingehende Besprechung fand Punkt 4: .Ziele und Wege der Be¬ 
kämpfung dos Alkoholmifibrauchs durch die Versicherungsanstalten*. Es 
eine sorgfältige Auswahl der in Fürsorge zu nehmenden Personen empfohlen irarde 
(Heranziehung der Fürsorgestellen und der gemeinnützigen Vereine) sowie die 
Aussichten eines Vorgebens zur ansgiebigeren Benutzung der in § 24 des In- 
yalidenyersicherungsgesetzcs den Behörden gegebenen Befugnisse eröxtmt. 



TageBnsobriehten. 


901 


Bei Paukt 5: «Fragen betreftend die Unterlagen and die Bearbeitung der 
Statistik der Heilbehandlang* wurde die Natsbarmachong der Fortsclmtte 
der medizinischen Wissenschaft Itlr die Feststeilang des Zastandes der Langen* 
kranken besprochen und hierbei insbesondere die BOntgenantersachang fitr 
die Frähdiagnose der Taberkalose hervorgehoben sowie der Wert and die 
Anwendbarkeit anderer üntersnchongsweiseD, insbesondere der Opbthalmoreak 
nach Wolff-Eisner and Calmette erörtert. Weiter warde die Verwen* 
dang der «Tarban*Qerhardt'schen (Kaiserliches Gesundheitsamt) Stadien* 
einteiiang* zur Featsteiiang des Aufnahme- und des Entlassongsbefandes bei 
st&ndiger Behandlong von Langentaberkalösen empfohien. Zar näheren Er¬ 
örterung and FeststeUang der die künftige Bearbeituagsart der Statistik der 
Heilbehandlung betreffenden Fra^n wurde eine ans Mitgliedern der Vorstände 
der Versicherongsanstalten und Kasseneinrichtangen sowie aas Vertretern des 
EeichsversicheronKsamts zusammengesetzte Kommission gewählt. 

Von den tkbrigen Verhandiangsgegenständen interessiert nur noch die 
Frage, ob sich für die Versicherangsanstalten eine lebhaftere Beteiligung an der 
«Bekämpfung des Lupus** empfiehlt. Hierzu lag eine von der Versicherungs- 
anstanlt der Hansastädte aafgestelite Nachweisung Ober Umfang und Ergebnine 
der abgeschlossesen Heilbehandlung von Lupuserkrankungen vor. Die von 
verschiedenen Selten untersttttzte Anregung fand allgemeines Entgegenkommen. 
Dagegen wurde eine Beteiligung an den ans ärzucben Kreisen angeregten 
Bestrebungen zur «Ansiedelung leicht lungenkrankez Arbeiter ln Dentseh- 
Sftdwestafrika** nicht fflr angezeigt erachtet. 


Am 6. d. M. fand unter Vorsitz des WirkL Geh. Bat Prof. Dr. v. Leyden 
in Berlin eine Besprechung behufs Beschaffung von Mitteln zur Krebs¬ 
forschung statt, an der der Minister des Innern v. Moltke, der frühere 
Kultusminister v. S t u d t, Geh. Ob.*Beg.-Bat Prof. Dr. Kirchnerim Aufträge 
des Kultusministers, verschiedene Professoren, Vertreter der Landesversiche* 
rung^anstalt, des Boten Kreuzes, der Presse nsw. teilnahmen. Auf Antrag von 
Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Orth wurde beschlossen, durch Sammlungen in Privat¬ 
kreisen eine Leyden - Stiftung ins Leben zu rufen, aus der die Behandlung und 
Erforschung der Krebskrankheit gefördert werden soll. Die Verwaltung dieser 
Stiftung soll dem Deutschen Zentralkomitee für Krebsforschung unterstehen. 
Außerdem sollen in Berlin und anderwärts Ffiisorgestellen für Krebskranke 
eingerichtet werden. _ 


Berufung. An Stelle des ausscheidenden Geh. Med.*Bat8 Dr. Engel* 
mann, ord. Professor der Physiologie in Berlin wird Geh. Med.-Bat Frei 
Dr. Bubner, der bisherige Leiter des hygienischen Instituts in Berlin, 
treten; auf den dadurch freiwerdenden Lehrstuhl der Hygiene ist Geh Med.- 
Bat Prof. Dr. Flügge in Breslau berufen worden; er hat diesen Buf aueh 
angenommen. _ 


Ebenso wie in Preußen ist jetzt auch in Bayern durch Erlaß des 
Ministers des Innern an die Kreisregierangen bestimmt, daß künftighin 
die Vertrauensärzte der Schiedogericbte für die Arbelterverslchemng 
Gutachten für die Versicherungsträger (Berufsgenossenschaften usw.) nicht 
mehr abgeben dürfen. Aerzte, die öfter Outaäten im Aufträge von Be- 
rufsgenossenschaften, Versicherangsanstalten usw. erstatten, soUen deshalb, 
auch wenn sie nicht in einem Vertragsverhältnisse zu diesen stehen, von der 
Wahl zu schiedsgerichtlichen Sachverständigen ausgeschlossen werden bezw. 
als solche aasscheiden, wenn sie derartige Gutachten abgeben, oder in ein solches 
Verhältnis zu den Berufsgenossenschaften usw. treten. Hat in Ausnahmefällen 
eine Brstattung von Gutachten für Versicherungsträger nicht vermieden werden 
können, so sind die betreffenden Aerzte jedenfalls nicht zur Würdigung des 
von ihnen bereits begutachteten Falles heranzuzidien. 


Nach Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 
80. November d. J. finden für die bayerischen Amtsärzte Dselnfekttens- 
kune in München vom 80. März bis 1. April, in Erlangen vom 9. bis 11. März 
und in Würzburg vom 8. bis 10. März n. J. statt. 



902 


Tagesnaehrichtea 


In der neuen am 1. Januar n. J. in Kraft tretenden EOniglichea Verord» 
nung ttber die ZusamaensetzuDg des Obersten Sehalrates in äyern ist auch 
als anßerordentiicbes Mitglied ein irstlicher Sachyersttndiger 
Torgesehen. _ 


In Darmstadt wurde am 16. Dezember in einer ron Vertretern slmt- 
licher bessisehen Städte, der Kreis- und KommunalbebOrden and zahlreicher 
Wohllahrtsvereine besuchten und vom Minister des Innern Dr. Braun ge¬ 
leiteten Versammlung eine Zentrale für Sänglingsfflrsorge und Mntterschnti 
für das Grossherzogtum Hessen unter dem Namen Ernst Ludwig- und 
Eleonoren-Stiftun g gegründet. Die wichtigste Aufgabe dieser Zentrale soll 
zunächst die Schaffung von Säuglingsheimen ln den Städten Darmstadt, Mainz, 
Worms, Offenbacb und Gießen sein unter Heranziehung des noch ans Napoleons 
Zeiten herstammenden Millionenfonds für Findlinge. Mit der Zeit soll sich 
dann daraus eine Zentrale für Volkswohlfahrt in Hessen entwickeln. 


In der Stadt Münster L W. hat die StadtTerordnetenversammlung vom 
11. d. M. die Anstellung eines Stadtarstes beschlossen. 


In Deutsch-Ostafrika sollen in nächster Zeit Phjslkatslrste angestellt 
werden, die die gleichen Aufgaben haben werden wie die Krebärzte. Ins¬ 
besondere soll ihnen die Beobacbtung des Gesundheitszustandes, die Erforschnng 
und Bekämpfung endemischer Krankheiten. prophylakUsehe Maßnahmen, 
Berichterstattung an die Verwaltung u. a. obliegen. 


In Dresden ist am 23; t. M. im Ausstellungspalast eine Aus¬ 
stellung gegen AlkohoUsmns und Kurpfuscherei eröffnet. Sie zerfällt in 
drei Abteilungen. Die erste Abteilung enthält die Wanderausstelliug des 
Allgemeinen Deutschen Zentralverbandes zur Bekämpfung des Alkohol^us, 
die zweite gibt einen Einblick in die mit großem Umfang betriebene Geschifts- 
reklame der Kurpfuscher, Geheimmittelfabrikanten usw., in ihre Heilmittel 
und Heilmethoden und klärt uns über das ganze Wesen der Kurpfuscherei 
auf. ln der dritten Abteilung wird die praktische Seite der Alkoholbenämpfung 
durch Aasstellung alkoholfreier Getränke usw. berücksichtigt. 


Der Deutsche Aerztetag 1909 wird am 26. und 27. Juni in Lübeck 
stattfinden. Für die Tagesordnung sind in Aussicht genommnn: Entwurf 
zur Abänderung der neuen Versicherungsgesetaen, falls bis dahin rorgelegt, 
Beziehungen der Aerzte zu den BeruTsgenossenschaften, Verhältnis zu dem 
Verbände Deutscher Lebensyersicherungsgesellschaften, Kommission zur Be¬ 
kämpfung der Kurpfuscherei, Spezialarz&age. 


Der IL internationale Kurs der geriehUlehen Psyeholegle und 
Psyehlatrle findet unter Leitung von Prof. Dr. Sommer in Gießen yom 
18.—18. April 1909 statt Außer Prof. Dr. Sommer werden die Professoren 
Dr. Mittermaier und Dr. Dannemann in Gießen sowie ProL Dr. 
Aschafienburg in Cöln Vorträge halten. Vorläufige Anmeldungen künneu 
schon jetzt an Herrn Prof. Dr. Dannemann-Gießen erfolgen. 


Erkrankungen und TodosfiUe an ansteekenden Krankheiten ln 
Prenssen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind iu der Zeit Tom 8 bis 21. Norember 1906 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Bttckflllfieber, Gelbfieber, 
Fieckfieber:, Pocken Pest und Tollwut; — (—); Milzbrand: 2 
(—),—(—) ; BißTorletzungen durch tollwntyerdächtige Tiere: 
— (—), 4 (—); Unterleibstyphus: 270 (26), 224 (81); Buhr: 3 (—), 
1(—); Diphtherie: 2182(167), 2076 (200); Scharlach: 2191 (126), 2849 
(164); Genickstarre: 16 (7), 9 (8); Kindbettfieber: 112 (16), 97 
(19); Fischvergiftung: 1 (—)— (—); Kürnerkrankheit (erknuuEt); 
819, 198; Tuberkulose (gestorben): 616, 649. 

Verantw. Bedakteur ProL Dr. Bapmund, Beg.- u. Geh. Med.-Bat in Minden L W. 

J. 0.0. Brau, Hariogl. Sieh*.«. Hoflmekdra«ktr*l in lündtn. 




Bericlite über Versammlungen. 

Beilage zur Zeitschrift für Medizinalbeamte, 1908. 


Offizieller Bericht 

über die 



München 

am 13. Oktober 1907. 



Berlin 1908. 

FISCHER’S MEDIZINISCHE BÜCHHANDLÜNO 


H. Kornfeld. 

Herzog]. Bayer. Hof- und Erzherzog]. Kammer-Buchhändler. 
















Offizieller Bericht 


Ober die 


IV. Landesversanmilung 


des 


Baymboi lAilbeantoi-V«« (E. f.). 


München 

am 13. Oktober 1907. 



Berlin 1008. 

FISCHER’S MEDIZINISCHE BUCHHANDLUNG 

H. Kornfeld. 

Henofl. Bayer. Hof- ond Brihenoal. Kaaimer - Bachhindler. 





Inhalt. 


S«lte. 

ErOffniug der Versammlong. Gescbäfte* and Eassenberioht .... 1 

Amtearat and Sftaglingssterbliehkeit. Beferent: Dr. Alfred Groth* 

Mttnchen . 8 

Der amte&ratliche Dienet in Bayern. Beferent: Dr. Becker-Mttnchen. 

Leite&tze. 9 

I. Die Pittfang fttr den ärztlichen Staatsdienst. 26 

n. Qaalifikation der approbierten Aerzte. 45 

UI. Beschäftigong der staatsttrztlich geprüften Aerzte and amts¬ 
ärztliche Fortbildnngskarse. 61 

IV. Die nichtpragmatischen amtsärztiichen Stellen: 

1. Physikatsassistenten. 56 

2. Bezirksärztliche Stellyertreter. 59 

V. Der ärztliche Dienst bei den Strafanstalten. 68 

VI. Der ärztliche Dienst bei den Gerichtsbehörden: 

1. FOrderong der gerichtlich-medizinischen Wissenschaft 

and praktische AosbUdong in derselben. 77 

2. Medizinal ■Komitees bei den (JniTersitäten 84 

8. Organisation des gesamten gerichtsärztlichen Dienstes 87 

4. Der ärztliche Dienst bei den Landgerichten .... 95 

5. Der ärztliche Dienst bei den Amtsgerichten .... 105 

VII. Der ärztliche Dienst bei den VerwaltongsbehOrden: 

1. Die Medizinalreferate beim Kgl. Staatsministeriom des 

Innern and bei den KgL Kreis-Begierangen .... 115 

2. Der ärztliche Dienst bei den Distriktsrerwaltnngs- 

behOrden .118 

VIII. Die sonstigen dienstlichen Verhältnisse der Amtsärzte: 

1. Verfahren bei der Besetznng der amtsärztlichen Stellen 142 

2. Diensteinweisang and Verpflichtang der Landgerichts¬ 
and Bezirksärzte . .. 148 

8. Bang, Uniform and Aaszeicbnong der Amtsärzte . . 149 

4. Qaaliflkation der Amtsärzte.149 

5. Begieayersam, Amtsonkostenentschädigang n. Schreih- 

gebtthren.160 

6. Aaslagen fttr Beförderongsmittel.168 

7. Portowesen.156 

8. Stellyertretong bei Urlaab and Verwesong erledigter 

Amtsarztstelien.157 






















I. ErSffHHiiji der Versaiaiiilaiis. Seschäfts- Hid 

Kasseabericht. 

Vorsitzender, Bezirksarzt Dr. Angerer-Mttnchen: M. H.l 
Namens der Vorstandes heiße ich die Versammlnng herzlich will* 
kommen und spreche den Mitgliedern für ihr zahlreiches Erscheinen 
den besten Dank ans. Unser Dank ist nm so größer, als die 
heutige Versammlung sich mit einer sehr wichtigen und dabei 
auch sehr schwierigen Frage zu befassen hat. Unter dem Zu¬ 
sammentreffen besonderer äußerer Umstände haben wir den jetzigen 
Zeitpunkt gewählt, nm dem Königlichen Staatsministerinm Vor¬ 
schläge zur Reform des Medizinalwesens und speziell des amts¬ 
ärztlichen Dienstes zu unterbreiten. Ihr heutiges zahlreiches Er¬ 
scheinen, dann die im wesentlichen zustimmende Haltung bei der 
Beratung des gleichen Gegenstandes in den Kreisversammlnngen, 
ferner eine Anzahl Ton schriftlichen Zustimmungen lassen jetzt 
schon erkennen, daß diese Reformbestrebnngen von der großen 
Mehrzahl der bayerischen Amtsärzte freundlich begrüßt und auch 
gebilligt werden. Mit dem Wunsche, daß unsere heutigen Bera¬ 
tungen erfolgreich sich gestalten mögen, eröffne ich hiermit die 
IV. LandesTersammlung des bayerischen Medizinalbeamten-Vereins. 

Ehe wir jedoch in die Beratung unserer Tagesordnung ein- 
treten, richten sich unsere Blicke ehrfurchtsToll auf unseren Aller¬ 
gnädigsten Landesherrn, der, nngebengt von der Zahl der Jahre, 
stets an Allem lebhaften Anteil nimmt, was das Wohl seines 
Volkes fördert, wir dürfen uns deshalb der Hoffnung hinge¬ 
ben, daß auch unsere heutige Tätigkeit mit wohlwollendem 
Interesse anfgenommen werden möge. Daraufhin, und um unsere 
nnverbrüchUche Treue und Anhänglichkeit an Königshaus und 
Staatsregiernng zum Ausdruck zu bringen, fordere ich Sie auf, 
sieh von den Sitzen zu erheben und einzustimmen in den Ruf: 

Kgl. Hoheit Prinzregent Luitpold, unser Allergnädigster 
Herr, lebe hoch!“ 


(Lebhafter Zorof). 


1 



ErOffnang der Versammlang. Qeschäfts* und Kassenbericht 


M. H.! Wir haben heute die große Ehre, in unserer Mitte 
zu sehen: zunächst als Vertreter des Eönigl. Staatsministerinms 
des Innern die Herren Geheimer Rat und Ober «Med.-Rat Dr. 
Y. Grashey und Bezirksamtmann Huber, ferner als Vertreter des 
Justizministeriums Herrn Ministerialrat v. Marth, als Vertreter 
der Eönigl. Regierung von Oberbayern Herrn Reg.* u. Ereis-Med.- 
Rat Prof. Dr. Messerer. Ich begröße diese Herren aufs Beste 
und danke den hohen Stellen für das große Interesse, das sie 
durch die Abordnung besonderer Vertreter unserem Verein und 
seinen Bestrebungen zngewendet haben. 

H. Geheimer Rat, Ober.-Med.*Rat Dr. t. Grashey: Sehr 
geehrte Herrn Eollegen! Der Herr Staatsminister des Innern, 
Exzellenz y. Brettreich, hat mir den ehrenYollen Auftrag er¬ 
teilt, Sie in seinem Auftrag zu begrüßen und die auswärtigen 
Herren in München herzlich willkommen zu heissen. Der Herr 
Staatsminister bringt Ihren heutigen Verhandlungen das größte 
Interesse entgegen und wünscht, daß diese den besten Verlauf 
nehmen mögen. Gestatten Sie auch mir, m. H., daß ich Sie be¬ 
grüße und daß ich diesen Wünschen des Herrn Staatsministers 
mich aus Yollem Herzen anschließe! Ich wünsche, daß All das, 
was Ihnen am Herzen liegt, in der einen oder anderen Form in 
Erfüllung gehen möge. Die Aufgabe, die Sie sich gestellt haben, ist 
ja eine schwierige; die Beratung wird daher eine sehr eingehende 
sein müssen, und ich kann mir Yorstellen, wenn ihre Beschlüsse 
kommen, daß dann der Schwerpunkt liegen wird in deren Moti- 
Yiernng. Mit dem Wunsche, daß die Beschlüsse uns recht gut 
motiYiert Yorgelegt werden mögen, schließe ich. 

(Lebhafter Beifall). 

Der Vorsitzende gibt hierauf beim Gesehäftsberieht 
bekannt, dass der Verein z. Z. 345 Mitglieder zählt. Leider 
habe der Tod auch im letzten Jahre wieder Yiele treue Mitglieder 
dem Verein entrissen; es sind dies die Herren: 

I. Dr. Fuchs, Bezirksarzt in Wflrzburff. 

2. - 'Keller, Bezirksarzt in Ffarrkinmen. 

8. • Mflller, Bezirksarzt in Schongau. 

4. • Bauch, Bezirksarzt in Hammelbnrg. 

5. - Bott, Bezirksarzt in Marktheidenfeld. 

6. - Six, prakt. Arzt in üchtfeid. 

7. • Wille, Bezirksarzt in Markt Oberdorf. 

Zum ehrenden Angedenken an die Yerstorbenen Mitglieder 
erhebt sich die VersamMung Yon den Sitzen. 

M. H.1 Die Yorjährige LandesYersammlnng hat beschlossen 
dass die Vorstandschaft des Vereins im heurigen Geschäftsjahre 
sich mit 2 Aufgaben befassen solle, erstens die finanzielle Besser- 
stellnug unserer amtlichen Tätigkeit anzustreben und zweitens 
Vorschläge zu machen, auf welche Weise und in welcher Form 
unsere amtliche Tätigkeit den Yermehrten Ansprüchen der gegen¬ 
wärtigen Zeit angepasst werden könne. Die Vorstandschaft ist 
diesen Anregungen nachgekommen und hat in mehrfachen Sitzun* 



Dr. Groth: Amisarzt and Sänglingsstorblichkeit. 


8 


g:en diese Gegenstände eingehend behandelt; sie hat im Lanfe 
des Jahres eine wohknotivierte Petition an die zuständigen 
Ministerien nm eine Gehaltsanfbessernng eingereicht, weiterhin hat 
sie Herrn Dr. Beck er «München dazu bestimmt, über den zweiten 
Gegenstand, die Reform des amtsäi’ztlichen Dienstes ein Referat 
anszaarbeiten, das Ihnen heute vorgetragen werden wird. 

Als Gegenstände der nächstjährigen Vereinstätigkeit wurden 
in der gestrigen Vorstandssitzung aufgestellt „das amtsärztliche 
Gebührenwesenund „die Reform des Hebammenwesens. 

Hierauf erstattet der Schriftführer und Schatzmeister, 
Herr Landgerichtsarzt Dr. Hermann-München, den Kassenbericht. 
Zur Prüfung desselben und der Belege wurden auf Vorschlag des 
Vorsitzenden die Herren Bezii-ksärzte Dr. Fricklinger-Schro* 
benhausen und Dr. Schütz-Vilsbiburg als Eassenrevisoren be¬ 
stellt. Nach ihrem am Schlüsse der Sitzung erstatteten Bericht 
haben sie die Einnahmen und Ausgeben geprüft, mit den Belegen 
verglichen und alles in bester Ordnung gefunden. Er wird daher 
auf Vorschlag des Vorsitzenden dem Eassenfhhrer unter Dank für 
seine Mühewaltung die Entlastung erteilt. 


II. Amtsarzt und Sänjiinlssteitlickkeit. 

H. Dr. Alfred Groth-München: M. H.! Als ich zu Beginn 
des Jahres 1905 in Gemeinschaft mit Medizinalrat Stnmpf und 
Prof. Hahn die Bitte an Sie richtete, Sie möchten gelegentlich 
der Vornahme der öffentlichen Impfungen über die Art der Er¬ 
nährung der vorgestellten Kinder Erhebungen pflegen, da war es 
mir klar, daß dieses Ersuchen auf allzu günstige Aufnahme 
seitens der öffentlichen Impfärzte nicht rechnen durfte. Es 
kann ja gar nicht geleugnet werden, daß derartige Erhebungen 
eine nicht unbeträchtliche Vermehrung der ohnedies schwierigen 
und verantwortungsvollen Tätigkeit herbeifdhren müssen, die 
heutigen Tages das Impfgeschäft mit seinen strengen Anforderungen 
in bezug auf Organisation und Technik der Ausführung, nament¬ 
lich bei indolenter, selbst widerstrebender Bevölkerung dar¬ 
stellt. Wenn ich erst heute an Sie herantrete, nm Ihnen ein 
kurzes Resumö über Ihre gemeinsame Arbeit zn geben, so liegt 
die Schuld nicht an Ihrem Berichterstatter, sondern einmal daran, 
daß ein Teil der Erhebungen erst im vergangenen Jahre vor¬ 
genommen oder ergänzt wurde, vor allem aber daran, daß die 
Zahl der an den Erhebungen sich beteiligenden Impfärzte selbst 
hochgestellte Erwartungen weit übertraf. Ihre Bemühungen er¬ 
streckten sich etwa auf die Hälfte des ganzen Königreichs Bayern, 
und Sie haben dadurch ein Material geschaffen, dessen Bewältigung 
und Verwertung nur mit einem nicht unerheblichen Aufwand von 
Zeit und Mühewaltung durchgefflhrt werden konnte. Dabei sind 
Ihre Erhebungen mit einer durch die volle Einsicht für die Wichtig- 




4 


Dr. Qroth. 


keit und Bedeutung derselben bedingten Sorgfalt und Genauigkeit 
angestellt worden, so daß ihr wissenschaftlich statistischer Wert 
nicht hoch genug angeschlagen werden kann. 

Damit haben Sie selbst ein glänzendes Beispiel dafhr ge¬ 
liefert, in welcher Weise der Amtsarzt der Frage der Säuglings¬ 
sterblichkeit näher zu treten hat. Seine Aufgabe auf diesem 
Gebiete ist in erster Linie, die Grundlagen zu schaffen, auf 
welchen ein wirksamer und aussichtsvoller Kampf gegen hohe 
Säuglingssterblichkeit eröffnet werden kann. Niemand ist aber 
dafür mehr geeignet, als der öffentliche Gesundheitsbeamte, dem 
die Autorität des Staates zur Seite steht, und der zugleich mit 
der Bevölkerung, deren hygienische Fürsorge ihm übertragen ist, 
im regsten praktisch-ärztlichen Verkehr sich befindet. Die Be¬ 
deutung einwandfreier statistischer Grundlagen für eine ziel- 
bewußte Durchführung prophylaktischer Maßnahmen ist ebenso 
unbestritten wie der wissenschaftliche Wert eingehender, wenn 
auch nur für einen kleinen Kreis gewonnener Ergebnisse. Wie 
jede Erforschung lokaler Verhältnisse geeignet ist, allgemein ge¬ 
fundene Tatsachen und darauf basierende Anschauungen entweder 
in ihrer Richtigkeit zu bestätigen oder allenfalls zu verbessern 
und zu erweitern, so können auch erst exakt durchgeführte Er¬ 
hebungen die Richtlinien bestimmen, nach welchen eine exzessive 
Sterblichkeit des ersten Lebensjahres bekämpft werden kann. Um 
nur an einem Beispiel dies zu erläutern, so ist Ihnen ja selbst 
zur Genüge bekannt, welch ausschlaggebende Bedeutung mau 
heutzutage gerade der Art der Emä^ung bei der Säuglings¬ 
sterblichkeit zuznschreibeu gewohnt ist, und daß man sich be¬ 
müht, der natürlichen Ernährung des ^ndes wieder mehr und 
mehr Eingang zu verschaffen. Um aber den Wert derartiger 
Bestrebungen schon im Voraus abschätzen zu können, müssen 
eben die Ergebnisse von Untersuchungen vorliegeu, die uns über 
die Ausdehnung der künstlichen Ernährung, über die Art der¬ 
selben, über deren Handhabung in den verschiedenen sozialen 
Schichten der Bevölkerung Aufschluß erteilen. Wir müssen uns 
auch zu unterrichteu suchen, wie in denjenigen Gegenden, in 
denen die Brusternährung die Regel bildet, diese selbst, d. h. ob 
sie ausschließlich als solche oder in der Form des allaitment mixte 
gehandhabt wiid. Ueber derartige Detailü*agen liefert eine ganze 
Reihe der von Ihnen eingesandten Arbeiten eingehende und inter¬ 
essante Aufschlüsse, die an anderer Stelle später wiedergegeben 
werden sollen. 

Die Gewinnung einwandfreier statistischer Belege auf den 
öffentlichen Impfterminen hat uns in erster Linie den interessanten 
Beweis dafür erbracht, daß im Königreich Bayern, also inneihsüb 
eines nicht allzngroßen Gebietes die verschiedenen ;Lande8teile 
in bezug auf Säuglingsernährnng sich durchaus veinschieden ver¬ 
halten. Die Karte der Geographie der SängUngsernähmng, 
die ich Ihnen zur Ansicht herumgebe, läßt ^es sehr schön 
erkennen. Sie ist dadurch gewonnen, daß jeder Bezirk, für 
welchen Sie Angaben gemacht haben, je nach der Ausdehnung 



Amtsarzt and Sänglingzaterblichkeit. 


6 


der künstlichen Ernähining in yerschiedenen Farben bezeichnet 
wurde. Ein Vergleich mit der zweiten Karte, der Geographie 
der Säuglingssterblichkeit in Bayern, zeigt Ihnen, wie häufig 
niedere Stilizifier mit hoher Sterblichkeit, und hohe StiUziffer mit 
niedriger Sterblichkeit zur Deckung gebracht werden kann. 

Was mir aber die Bedeutung der Ernährung in ganz be¬ 
sonderem Maße zur Geltung zu bringen scheint, das lehrt Sie ein 
Blick auf die sechs hier aufgehängten Karten, welche die Be¬ 
zeichnungen : Geburtenhäufigkeit und Säuglingssterblichkeit, Armut 
und Säuglingssterblichkeit und Ernährung und Säuglingssterblich¬ 
keit tragen. Es ist Ihnen bekannt, daß zwischen Geburtenhäufig¬ 
keit und Säuglingssterblichkeit ein kausaler Zusammenhang an¬ 
genommen wird, der sich in einer mehr oder weniger weit¬ 
gehenden Parallele dieser beiden statistischen Momente offenbart. 
Während wir nun bei den bayerischen Bezirksämtern die Sterbe¬ 
ziffern in völliger üebereiastlmmuug mit den Geburtenzahlen ver¬ 
laufen sehen, erhöht sich bei den unmittelbaren Städten die 
Mortalität der Kinder im ersten Lebensjahre keineswegs in gleicher 
Weise wie die Geburtenziffer. Wir beobachten im Gegenteil, 
wenn man die erste Hälfte der Städte mit niedidgeren Geburten¬ 
ziffern der zweiten mit höheren Geburtenziffern gegenüberstellt, 
daß nicht nur keine Steigerung, sondern vielmehr ein, wenn auch 
nur kleiner Rückgang der Sterblichkeit resultiert (25,2 auf 24,2). 

Eine ganz ähnliche Erscheinung finden wir bei den beiden 
nächsten Tafeln, die uns den Einfiuß der Aimut auf die Ge- 
staltuug der Säuglingssterblichkeitsverhältnisse darstellen sollen. 
Die Karte der Bezirksämter läßt deutlich erkennen, daß mit der 
Zahl der aus öffentlichen Mitteln unterstützten Armen die Mor¬ 
talität steigt; sie läßt somit den vielfach behaupteten Zusammen¬ 
hang von Armut und Säuglingssterblichkeit auch für Bayern als 
zutreffend erscheinen. Ein von dem der Landbezirke wiederum 
abweichendes Bild zeigen die Städte, obgleich hier die Steigerung 
der die Zahl der Armen bezeichnenden Kurve eine viel steilere 
ist und darum ein noch deutlichores Resultat erwartet werden 
könnte. Stellt man auch hier die erste Hälfte der Städte mit 
niedrigerer Armenziffer (im Durchschnitt 2,66) der zweiten mit 
höheren Armenziffern (im Durchschnitt 5,85) gegenüber, so eigibt 
sich für die Sterblichkeit nur der kleine Unterschied von 24,1 auf 
25,1, während bei den Landbezirken durch Einteilung in 5 Gruppen 
von je 29 Bezirksämtern die Steigerung der durchschnittlichen 
Armenziffern von 1,38 auf 3 65 eine Erhöhung der entsprechenden 
Sterblichkeit von 21,2 auf 30,4 im Gefolge hat. 

Nach diesen Ergebnissen handelt es sich bei den unmittel¬ 
baren Städten um ein Material, dessen Merkmale nicht ohne 
weiteres mit den für das Land gültigen in Uebereinstimmnng 
gebracht werden können. Das ist um so auffallender, als es 
z. B. nach der Betrachtung des Einflusses der Armut auf die 
Sterblichkeit gar keinem Zweifel unterliegen kann, daß ungünstige 
wirtschaftliche Verhältnisse nicht nur bestehen, sondern sogar 
nirgends so deutlich nachweisbar sind, als gerade in den Städten. 



6 


Dr. Groth. 


Wir sind also gezwungen, ein Moment hier zur Erklärung heran- 
zuziehen, dem wir die Fähigkeit zuschreiben müssen, die Ein¬ 
wirkung ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse im gewissen 
Sinne zu paralysieren und das in den Städten vorhanden, auf dem 
Lande völlig oder fast völlig fehlt. Mir erscheint hier vor allem 
die größere allgemein-hygienische Fürsorge einesteils und das 
größere Verständnis auch der ärmsten Schichten der Bevölkerung 
für vernunftgemäße Säuglingspflege und -ernährnng anderseits von 
ausschlaggebender Bedeutung zu sein. Dies wird namentlich 
dadurch sehr glaubhaft, daß sich die Mehrzahl der größeren 
Städte mit ihrer weitergehenden Erfüllung hygienischer For¬ 
derungen sowohl hinsichtlich der Geburtenhäufigkeit, als auch 
hinsichtlich der Armut in der zweiten Hälfte mit den höheren 
Zahlen sich befindet. 

Um so interessanter ist nach dem Gesagten ein Blick auf 
die beiden Darstellungen des Einflusses der Ernährung auf die 
Säuglingssterblichkeit. Hier sehen wir, daß die unmittelbaren 
Städte von dem Bilde der Landbezirke in keiner Weise differieren: 

sHier wie dort entsprechend der Steigerung der 
nicht gestillten Kinder eine Steigerung der Sterb¬ 
lichkeit.“ 

Dieses Durchdringen des Einflusses auch in denjenigen Ge¬ 
bieten, in welchen als ausschlaggebend anerkannte Faktoren zu¬ 
rückgedrängt werden und die Bedeutung ihres Einflusses nicht 
zur Darstellung gebracht werden kann, illustriert, wie ich glaube, 
in ganz besonderem Maße die Ueberlegenheit der natürlichen 
Ernährung. 

M. H.l Dem öffentlichen Gesundheitsbeamten obliegt es 
jedoch nicht allein, bestehende Schäden aufzndecken; ihren Ur¬ 
sachen nachzngehen, die Bedingungen, unter welchen sie ent¬ 
stehen, genau zu erforschen; er hat auch för eine wirksame Durch¬ 
führung aller der Maßnahmen Sorge zu tragen, die ihm geeignet 
erscheinen, Mißstände zu bekämpfen, und selbst mit seiner Person 
an dieser Bekämpfung sich zu beteiligen. Ich erwarte hier nicht, 
daß der zweifellos unrichtige Einwand aus Ihren Kreisen erhoben 
wird, eine Bekämpfung der hohen Säuglingssterblichkeit in Bayern 
sei wirkungslos und alle darauf gerichteten Bestrebungen eine 
unnütze Vergeudung von Zeit und Kraft; ich möchte Ihnen jedoch 
an der Karte der Entwicklung der Säuglingsverhältnisse in Bayern 
zeigen, daß auch die Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebens¬ 
jahre einer Beeinflussung zugänglich ist, weil überhaupt unter den 
zahlreichen, die menschliche Sterblichkeit steigernden Momenten 
kein einziges ist, dem nicht menschliches Wollen und Denken er¬ 
folgreichen Widerstand zu leisten vermöchte. Die Entwicklung der 
Kindersterblichkeit in den einzelnen Regierungskreißen von Bayern 
lehrt uns, daß nicht nur innerhalb weniger Jahrzehnte eine ganz 
bedeutende Verringerung der Mortalität hervorgerufen werden 
kann, sondern daß auch diese Minderung gerade in denjenigen 
Provinzen Bayerns besonders groß ist, die von Anfang an die 
höchste Sterblichkeit auf weisen, wie Oberbayern und Schwaben. 



Amtsarzt ood S&ngliogssterblichkeit. 


7 


Aach bei denen, die an and für sich schon durch relativ niedrige 
Sterbezifiern ansgezeichnet waren, wie die Pfalz nnd Oberfranken, 
konnte die stetige Besserung der Verhältnisse ein erfreuliches 
Ergebnis hervorbringen. Daß dafür lediglich die Hebung der 
Bevölkerung in hygienischer Beziehung als Begleiterscheinung 
einer allgemeinen geistigen und kulturellen Hebung der Massen 
als Ursache ausgesprochen werden muß, also ein unserem Handel 
zugängliches Moment, das bedarf wohl kaum einer näheren Be* 
grttndung. Wenn wir also durch unsere Untersuchungen fest* 
gestellt haben, daß grobe Mißstände in unseren Sänglingsverhält* 
nissen bestehen, und wenn wir die Ueberzeugung haben, daß 
dieselben nicht nur verbesserungsbedürftig, sondern auch ver- 
besserungsfähig sind, so glaube ich, hat niemand ein größeres 
Interesse daran, diese Mißstände zu bekämpfen, als der öffentliche 
staatliche Gesundheitsbeamte. Merkwürdigerweise hat der Staat 
selbst bis jetzt außerordentlich wenig getan, eine Besserung herbei- 
zuftthren, obgleich hier ein eminent staatliches Interesse gegeben 
ist. Die außerordentlich poßen Summen an Nationalvermögen 
sind es hier nicht allein, die durch das frühzeitige Sterben unserer 
Säuglinge verloren geben, es ist auch neben gewissen ethischen 
Gesichtspunkten vor allem die Frage der körperlichen Degene* 
ration, durch welche gerade die Säuglingssterblichkeit eine all¬ 
gemeine Bedeutung gewinnt. Denn im Einklang damit, was 
Gräber über den Alkohol sagt, dürfen auch wir behaupten, daß 
diejenigen Momente, welche zu einer hohen Säuglingssterblichkeit 
führen, nicht nur Minderwertige hinwegraffen, sondern auch neue 
Minderwertige erzeugen. Die in der letzten Zeit angestelltra 
Untersuchungen über Säuglingssterblichkeit und Militärtauglich¬ 
keit, die Prof. Hahn auch auf Grund des von Ihnen gelieferten 
Materials zu ergänzen gedenkt, lassen das deutlich erkennen. 

Es ist natürlich nicht meine Absicht, Ihnen hier alle die 
Vorschläge zu unterbreiten, die gemacht wurden, um eine Minde¬ 
rung der Säuglingsmortalität zu erzielen; ich möchte hier nur 
einige wenige Momente kurz berühren, die mir gerade für den 
Amtsarzt von Bedeutung zu sein scheinen. 

In erster Linie müssen wir darnach trachten, daß da, wo 
die Säuglinge in relativ günstigen Verhältnissen leben, also in 
Gegenden mit vorwiegender Brusternährong und intelligenter Be¬ 
völkerung, diese günstigen Verhältnisse erhalten bleiben und 
darüber hinaus noch gefördert werden. Hier ist eine der größten 
Gefahren, die Industrialisierung des Landes und damit die Heran¬ 
ziehung der Frau zur erwerbstätigen Arbeit. Da wir die erstere 
nicht aufhalten können und eine gesetzliche Regelung der Frauen¬ 
arbeit in unserem Sinne in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, 
so müssen wir durch Befürwortung der Errichtung von Fabrik¬ 
krippen deu innigen Kontakt zwischen Matter und Kind so lange 
als nur möglich aufrecht zu erhalten suchen. Daß auch hier so¬ 
wohl in Öffentlichen Vorträgen wie im privaten ärztlichen Verkehr 
vor- und mitgearbeitet werden muß, wird ebenso notwendig sein, 
wie wenn es gilt, ungünstige Säuglingsverbältnisse zu bessern. 



8 Dr. Groth: Amtianst and Siagliogssterblichkeit 

Die DnrchdringoDg auch des flachen Landes mit hygienischen 
Maßnahmen und die eindringliche Belehrnng nnd Antklärang der 
Bevölkemng über Methoden nnd Ziele rationeller Lebenshaltnng 
werden viel daza beitragen, daß die Sterblichkeitsverhältnisse 
unserer Säuglbge sich heben. Im besonderen werden wir neben 
dem Bemühen, eine Verbesserung der kflnstlichen Ernährung zu 
erzielen, in erster Linie darauf hinarbeiten müssen, der natürlichen 
Ernährung unserer Säuglinge als der Regel zu ihrem Rechte zu 
verhelfen. Bei diesem Kampfe gegen die althergebrachten Un¬ 
sitten der künstlichen Ernährung wird es jedoch notwendig sein, 
80 viele Bundesgenossen als nur irgend möglich zu gewinnen. 
Und gerade darin hat der Amtsarzt, einmal durch seine bevor¬ 
zugte Stellung unter den übrigen Aerzten, wie auch durch seinen 
Einfluß auf die ihm unterstellten Hebammen, einen nicht un¬ 
wesentlichen Vorzug. Die dringende Aufforderung zur Mitarbeit 
an die Aerzte Ihres Bezirksamts, immer nnd immer wiederkehrende 
Ermahnungen der Hebammen werden sicherlich einen, wenn audi 
nicht immer ohne weiteres ersichtlichen Erfolg erzielen. Den 
letzteren g’egenüber wird unsere durch die Impftermine ermöglichte 
Kontrolle ihrer Angaben ein wesentlicher Ansporn dazu sein, die 
von ihnen entbundenen Frauen auf ihre vornehmste Pflicht zu 
verweisen. Vielleicht wird es sich auch empfehlen, die Geistlich¬ 
keit durch persönliche Rücksprache, die auch dem Amtsarzt viel 
leichter wird, für unsere Bestrebungen zu interessieren nnd so 
ids Mitarbeiter zu gewinnen. 

Wenn so ans Ihrer Arbeit, die Art der Ernährung der Säug¬ 
linge in Ihrem Amtsbezirke zu ermitteln, nicht nur wissenschaft¬ 
liche Resultate, sondern auch eine wenn nur geringe sozial- 
reformatorische Tätigkeit auf dem Gebiete der Säuglingsförsorge 
ausgehen würde, so wäre das auf das freudigste zu begrüßen. 
Und davon sollen uns auch Erwägungen nicht abhalten, die in 
diesem jüngsten Kinde der Hygiene zugleich ihr Sorgenkind er¬ 
blicken wollen. 

M. H.I Ich habe zum Schlüsse noch einer sehr angenehmen 
Pflicht Genüge zu leisten, nämlich zu danken, einmal Ihrer Vor¬ 
standschaft, die mir heute vor Ihnen zu sprechen erlaubte und 
dann Ihnen selbst, weil Sie unsere Bitte in so weitgehender Weise 
erfüllen. Ich sage Ihnen, zugleich für die Herren Med.-Rat 
Dr. Stumpf und Prof. Dr. Hahn, unseien aufrichtigen Dank, 
auch im Namen der Sache, der Sie Zeit und Mühe geopfert. 

(Lebhafter SeifaU.) 

Vorsitzender: M. H.I Durch Ihren lebhaften Beifall sind 
Sie mir zuvorgekommen, dem Herrn Referenten den Dank des 
Vereins für seine hochinteressanten Mitteilungen zum Ausdruck 
zu bringen. Diese werden sicherlich dazu beitragen, die Zahl der 
Beobachter unter den Amtsärzten noch zu vermehren. 



Dr. Becker: Der amtilrzüiche Dienst in Beyern. 


9 


III. Oer antsirrtliclie Oiesst is Bayers 

(RcTiravirsclili|c zra Vayeriscbci MHiziialwcsci). 

Bericbteretatter: Dr. Becker-Mfinchen. 

Z^itscltze. 

Erster Abschnitt. 

Die Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst. 

Geltende Bestimm an g: E. A. Verordnung Tom 6. Februar 1876, 
die Prüfung für den ftrztlichen Staatsdienst botr. (G. V. Bl., Seite 201). 

1 . Die Anstellung im amtsärztlichen Dienste erfordert auch 
jetzt noch unbeschadet der neuen «Prfifungsordnong für Aerzte 
vom 28. Mai 1901“ das Bestehen einer besonderen Prüfung 
für den ärztlichen Staatsdienst. 

2 . Die bisherigen Bestimmungen über diese Prüfung bedürfen 
einer Abänderung hinsichtlich 

a) der Zeit der Zulassung, 

b) der Vorbereitungskurse und 

c) der Prüfung selbst. 

Zn a): Die Zulassung zur Prüfung für den ärztlichen 
Staatsdienst möge gleich nach Abschluß des praktischen Jahres 
bezw. Erteilung der ärztlichen Approbation gestattet werden. 

Zu b): Die Vorbereitungskurse mögen für die Prü- 
fongskandidaten obligatorisch gemacht, auf 4 Monate bezw. ein 
volles Wintersemester verlängert und so ausgestaltet werden, 
daß für alle Zweige der künftigen amtsärztlichen Laufbahn der 
Schweipnnkt auf eine umfassende praktische Ausbildung ge¬ 
legt wird. 

Zu c): Die beiden schriftlichen Pi'ufangsaufgaben mögen 
künftig in Wegfall kommen. 

Es mögen nur eine praktische und eine mündliche 
Prüfung stattfinden, welche beide am Schlüsse der Vorbereitungs- 
kurse abgebalten werden und sich erstrecken auf die Gebiete der 
gerichtlichen Medizin, der öfientlichen Gesundheitspfiege, der 
Psychiatrie und der Medizinalgesetzgebung. 

Hat der Kandidat die Prüfung bestanden, so wird ihm ein 
Zeugnis über die Befähigung zur Umstellung im ärztlichen Staats¬ 
dienst erteilt. 

Die Prüfung gilt als nicht bestanden, wenn die Gesamtnote IV 
oder in einem der vier Prüfungsabschnitte die Note ungenügend 
erteilt wird. Eine einmalige Wiederholung der gesamten Prü¬ 
fung oder eines Prüfungsabschnittes (eventuell aus einem der vier 
Prüfungsabschnitte) ist zulässig. 

Zweiter Abschnitt. 

Die Qualifikation der approbierten Aerzte. 

Geltende Bestimmung: Entschliefiung des E. Staatsministeriums 
des Innern yom 1. November 1880, die QaaMkation der approbierten Aerzte 
betr. (M. A. BL, S. 373). 



10 


Dr. Becker. 


Die bisherigen Bestimmungen dürften im wesentlicheh bei- 
znbehalten sein; eine Abänderung wird in folgenden Punkten vor- 
geschlagen: 

1. Die erstmalige grundlegende Qualifikation erfolgt am Ende 
der Vorbereitungskurse. 

2. Von der Qualifikation sind diejenigen Aerzte anszunehmeDy 
welche das 50. Lebensjahr bereits zuzfickgelegt haben. 

3. Bei den Notenabstnfangen möge den Ausgangspunkt für 
die Beurteilung der Qualifikanden nicht die Note in, sondern 
ebenso, wie bei der Qualifikation der Amtsärzte und der übrigen 
Staatsbeamten, die Note II bilden. 

4. Die Erstattung von Jahresberichten möge erlassen bezw. 
auf öffentlich angestellte Aerzte beschränkt werden. Sofern schrift¬ 
liche Berichte behufs der Qualifikation beibehalten werden sollen, 
möge bestimmt werden, daß in mehrjährigen Zwischenräumen 
vorzulegende wissenschaftliche Arbeiten aus dem Gebiete der 
Staatsarzneikunde (gerichtliche Medizin, öffentliche Gesundheits¬ 
pflege, forense Psychiatrie oder Irrenwesen, Medizinalgesetzgebnng 
oder Medizinalstatistik) als den Jahresberichten gleichwertig er¬ 
achtet werden. 

Dritter Abschnitt. 

Besehäftigang der staatsärztlich geprüften Aerzte nnd 
amtsärztliche Fortblldungskorse. 

1. Als Assistenzärzte der Bezirksärzte und Landgerichts¬ 
ärzte sowie als bezirksärztliche Stellvertreter mögen nur solche 
Aerzte aufgestellt werden, welche die Prüfung für den ärztlichen 
Staatsdienst bestanden haben. 

2. Die E. Staatsregiemng möge eine Entschließung erlassen, 
daß auch bei der Besetzung sonstiger öffentlicher, staatlicher oder 
städtischer Stellen, so z. B. der Bahnärzte, der Leichenschauer, 
der Stadt- und Polizeiärzte, sowie der Schul- und Armenärzte, 
die staatsärztlich geprüften Aerzte in erster Linie zn berücksich¬ 
tigen seien. 

3. Dieselben mögen auch vorzugsweise als zweite Aerzte 
bei den gerichtlichen Leichenöffnungen zogezogen werden, soweit 
hiemit nicht die Assistenzärzte der Landgerichtsärzte betraut sind. 

Sie mögen auch als Stellvertreter beurlaubter oder erkrankter 
Landgerichts- und Bezirksärzte, sowie als Verweser erledigter 
amtsärztlicher Stellen verwendet werden, soweit nicht eine gegen¬ 
seitige Gescbäftsaushilfe der Amtsärzte stattfindet. 

4. Die Fortbildungskurse für staatsärztlich geprüfte Aerzte 
nnd Amtsärzte, welche bisher nur als 14 tägige bakteriologische 
Kurse stattfanden, mögen in der Richtung erweitert werden, daß 
staatliche Aversalbeträge für dreiwöchentliche Kurse und zwar 
getrennt für gerichtliche Medizin und forense Psychiatrie einer¬ 
seits, Medizinal Verwaltung und öffentliche Gesundheitspflege anderer¬ 
seits bewilligt werden. 

Außerdem mögen staatliche Beihilfen gewährt werden zom 
besonderen Studium in gerichtlich-medizinischen, hygienischen 
und psychiatrischen Instituten, auch zur Teilnahme an sonstigen, 



Der amtsärztliche Dienst in Bayern. 


11 


fOr die Amtsärzte wichtigen Fortbildongskursen, sowie znm Stn- 
dinm hygienischer Einrichtungen. 

Vierter Abschnitt. 

Die nichtpragmatischen amtsärztlichen Stellen. 

I Physikatsassistenten. 

1. Bei den größeren bezirksärztlichen und landgerichtsärzt* 
liehen Stellen, bei denen zwar ein Bedürfnis für eine ärztliche 
Hilfskraft vorliegt, jedoch die Anfstellang eines weiteren pragma* 
tischen Amtsarztes noch nicht notwendig erscheint, mögen Assi¬ 
stenzärzte in der erforderlichen Anzahl anfgestellt werden, soweit 
dies nicht bereits der Fall ist. 

Unter den gleichen Voranssetznngen können auch den Ereis- 
medizinalräten Assistenzärzte als Hilfsarbeiter beigegeben werden. 

2. Ihre Anstellung erfordert das Bestehen der Prüfung für 
den ärztlichen Staats^enst und erfolgt durch das zuständige 
Staatsministerinm. 

3. Denjenigen Assistenzärzten, die größere und umfang¬ 
reichere Stellungen mit mehr selbständiger Dienstestätigkeit ver¬ 
sehen, möge nach mehrjähriger befriedigender Dienstzeit die 
Pensionsberechtigung verliehen werden. 

U Bezirksärztliche Stellvertreter. 

Geltende Beatimtnnngen: K. A. Verordnang yom 8. September 
1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- and YeiwsItongsbehCrden betr., 
§§ 4, 6-8. (G. V. Bl., S. 1081). 

Dienst- und Haosordnnng für die Gerichtsgefängnisse vom 10. April 
1883, §§ 19-22. 

A. Verordnang yom 21. Jali 1884, die Vergtttang für die gefängnis¬ 
ärztliche Tätigkeit der bozirksärztUchen Stellvertreter betr. (G. V. Bl., S. 443). 

E. A. Verordnang vom 17. Dezember 1899, den Vollzog des Impfgesetzes 
betr., § 8 (G. V. Bl., 8. 1049). 

1. Der bezirksärzliche Stellvertreter möge nicht nur für 
dringende amtliche Geschäfte, welche die Beiziehnng des answäi'ts 
wohnenden Bezirksarztes I. Klasse nicht gestatten, sondern als 
der ordentliche öffentliche Arzt für das Amtsgericht 
aufgestellt und verpflichtet werden. 

Dementsprechend obläge ihm „die Besorgung der ärztlichen 
Geschäfte in Rechtssachen bei dem Amtsgerichte** (Straf- nnd 
Zivilsachen), wie dies für die Bezirksärzte I. und II. Klasse vor¬ 
gesehen war, nnd die Besorgung des gefängnisärztlichen Dienstes. 

Außerdem bleibt er, wie bisher, der zuständige Impfarzt 
des Impfbezirkes und kann auch zu dringenden amtlichen 
Verwaltungsgeschäften herangezogen werden, welche die 
Beiziehnng des auswärts wohnenden Bezirksarztes I Klasse nicht 
gestatten. 

Entsprechend seiner Hauptbeschäftigung möge der bisherige 
unzutreffende Titel in den als „Amtsgerichtsarzt“ um geändert 
werden. 

2. Die Anstellung der bezirksärztlichen Stellvertreter er¬ 
fordert das Bestehen der Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst 



12 


Dr. Be«ker. 


and erfolgt darch das Staatsministerinm der Justiz im Benebmen 
mit dem des Innern. 

Sie unterstehen bezüglich des gerichts- und gefängnisärzt* 
liehen Dienstes dem Staatsministerinm der Justiz, im übrigen dem 
Staatsministerinm des Innern. 

Für ihre amtliche Tätigkeit möge eine Dienstanweisung 
erlassen werden. 

Für ihre dienstliche Korrespondenz möge Portofreiheit wie 
für die der Bezirks- und Laudgerichtsärzte gewährt werden. 

Sie mögen ein jährliches Regieaversum zur Haltung der für 
ihren Dienst benötigten Amtsblätter und Literalien erhalten. 

3. Ihre Vergütung bemißt sich: 

a) für die amtsgerichtliche Tätigkeit nach den Vor¬ 
schriften der K. A. Verordnung vom 17. November 1902, 
Gebühren für ärztliche Dienstleistungen bei Behörden betr.; 

b) für die gefängnisärztliche Tätigkeit nach den Vor¬ 
schriften der K. A. Verordnung vom 21. Juli 1884 mit der 
Maßgabe, daß unter Abänderung des § 1 für die Behandlung 
der kranken Gefangenen die Bestimmungen der E. A. Ver¬ 
ordnung vom 17. Oktober 1901, ärztliche Gebühren betr., 
gelten mögen; 

c) für die Vornahme der öffentlichen Impfungen nach 
den Vorschriften der K. A. Verordnung vom 30. April 1875, 
den Vollzug des Impfgesetzes, hier die Bestreitung der Impf¬ 
kosten betr.; 

d) für die Vornahme amtlicher Verwaltungsgeschäfte 
nach den Vorschriften der K. A. Verordnung vom 17. No¬ 
vember 1902, Gebühren für ärztliche Dienstleistungen bei 
Behörden betreffend. 

An Stelle der Gebühren unter a, b und d kann ein festes 
Jahresaversum in entsprechender Höhe festgesetzt werden, wo¬ 
mit die Verpflichtung zur Leistung jeweils bestimmter verwal- 
tungsärztlicher Geschäfte verbunden werden kann. 

4. Wo es nach der Große des Amtsgerichtsbezirkes, sowie 
nach dem Umfange der Dieustgeschäfte veranlaßt und gerecht¬ 
fertigt erscheint, möge ihnen nach mehrjähriger befriedigender 
Dienstzeit die Pensionsberechtigung verliehen werden. 

5. Die K. Staatsregierung möge darauf hinwirken, daß ihnen 
der ärztliche Dienst im Distriktskrankenhause, sowie sonstige 
öffentliche Stellungen (Leichenschau, Schulärzte usw.) übertragen 
werden. 

Fünfter Abschnitt. 

Der ärztliche Dienst bei den Strafanstalten. 

Geltende Bestimmungen: Gehaltsregalatir für die pragmatischen 
Staatsdioner vom 11. Juni 1892 (G. V. Bl. Seite 209). 

Entschiießang des K. Staatsmiuistcriams der Jestiz vom 13. Fcbr. 1903, 
die Anätcllangsvcrhältnisse der bayerischen Strafanstaltsärzte betr. 

1. Der Anfangsgehalt möge bei allen Strafanstaltsärzten 
in gleicher Höhe normiert und dem des Hausarztes am Zellen¬ 
gefängnisse Nürnberg gleichgestellt werden. 



Der amtsftntlicbe Dienst in Bayern. 


IS 


2 . Die Pragmatik möge nicht erst nach einer verschieden 
langen Dienstzeit, sondern gleich mit der Anstelinng als Straf- 
anstaltsarzt gewährt werden. 

8 . Znm Ausgleiche der Verschiedenheiten bei den einzelnen 
Strafanstalten und zur Erreichung einer dem Dienstumfange an¬ 
gemessenen Besoldung mögen den Strafanstaltsärzten außer den 
„nichtpragmatischen Gehaltszulagen“ nichtpensionsfähige Neben¬ 
einkommen gewährt werden: 

a) bei größerer Ortsentfernnng der Strafanstalt von der 
Wohnung des Strafanstaltsarztes eine Entschädigung der 
Auslagen ßir Beförderungsmittel; 

b) bei der Fiihi*ung einer eigenen Hausapotheke eine Ent¬ 
schädigung fär die damit verbundene Mühewaltung; 

c) bei denjenigen Strafanstalten, welche durch den großen 
Umfang des Dienstes die volle Arbeitskraft des An¬ 
staltsarztes beanspruchen oder durch ihre exponierte Lage 
Nebeneinkünfte aus der Privatpraxis unmöglich machen, eine 
Diensteszulage in entsprechender Höhe. 

4. Zur Vermeidung von Verwechselungen möge die bisherige 
amtliche Bezeichnung der Dienststellung als „Bezirksarzt 
I. Eiasse“ sachgemäß abgeändert werden in die als „Strafanstalts- 
arzt“ oder „Hausarzt bei dem Zuchthause (der Gefangenanstalt) 
N. N.“. Hierbei möge jedoch ausgesprochen werden, daß die 
Strafanstaltsärzte im Bange den Bezirks- und Landgerichts¬ 
ärzten gleichstehen. 

5. Der Uebertritt in den bezirks- und landgerichts¬ 
ärztlichen Dienst möge den Strafanstaltsärzten offen stehen 
und keinesfalls erschwert werden. 

(Bezüglich der Gewährung eines Begieaversnms, der Ent¬ 
schädigung für die Kosten der Urlaubsvertretung siehe achten 
Abschnitt; V.) 

Sechster Abschnitt. 

Der ärztliche Dienst bei den Gerichtsbehörden. 

L Fördemng der gerichtlich-medizinischen Wissenschaft nnd 
praktische Ansbildnng in derselben. 

1 . Es mögen an den 3 Landes-Universitäten gerichtlich- 
medizinische Institute errichtet werden. 

Dieselben sollen dienen: 

a) zor Förderung der gerichtlich-medizinischen Wissenschaft; 

b) zur Vornahme der in den Universitätsstädten anszuführenden 
gerichtlichen Leichenöffnungen und der schwierigeren ge¬ 
richtlich-medizinischen Untersnchungen, auch aus den zuge¬ 
wiesenen Oberlandesgerichtsbezirken; 

c) zur praktischen Ausbildung der Medizinstndierenden, zur 
Abhaltung der Vorbereitungskurse für die staatsärztliche 
Prüfung, der Fortbildungskurse für Staatsdienstaspiranten 
und Amtsärzte, auch zum Unterrichte für Juristen. 

2 . Den Lehrern der gerichtlichen Medizin möge mit Errich¬ 
tung der Institute die Stellung von ordentlichen Univer- 



14 


Dr. Becker. 


sitätsprofessoren (4560 M.) and bis dahin der Qehalt aasser- 
ordentlicher Universitätsprofessoren (3180 M.) gewährt werden. 

IL MedizinalkomiteeB bei den Universitäten. 

QeltendeBeatimmangeD: E. A. Verordnung vom 23. Aiigastl848, 
Beorganisation der Medlzinalkomitcea betr. (Beg. Bl., S. 585). 

K. A. Verordnong yom 29. September 1878, die Vornahme der chemischen 
nnd mikroskopischen Untersuchangen in strafrechtlidien Fällen betr. (G. V. Bl., 
S. 485). 

1 . Die Tätigkeit der Medizinalkomitees möge anf die Er¬ 
stattung von Obergntachten in wichtigen straf- and zivil- 
rechtlichen Fällen beschränkt werden. 

Die mikroskopischen, bakteriologischen, chemischen nnd dgl. 
Untersnehangen mögen, soweit sie nicht von den Landgerichts¬ 
ärzten selbst betätigt werden, nicht „durch Vermittlung der Me¬ 
dizinalkomitees“ vorgenommen werden, sondern direkt den jeweils 
hierfür zuständigen Instituten (gerichtlich-medizinische, bakterio¬ 
logische und hygienische, pharmakologische und chemische In¬ 
stitute) zugewiesen werden, wie dies bereits bezüglich der Unter- 
Buchungsanstalten für Nahrangs- und Genassmittel verordnet ist. 

2 . Die Professoren der gerichtlichen Medizin mögen als 
ordentliche Beisitzer der Medizinalkomitees ernannt werden. 

m Organisation des gesamten gerichtsärxtliclien Dienstes. 

Geltende Bestimmang: E. A. Verordnung vom 8. September 
1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- nnd VerwaltnngsbehOiden betr., 
§§ 1, 2 und 11 (G. V. BL, 8. 1081). 

1 . Die bisherige Trennung des landgerichtsärzt- 
lichen Dienstes vom bezirksärztlichen möge beibehalten und 
auch da, wo dies noch nicht der Fall ist (Bheinpfalz and Aschaffen- 
burg), durchgeführt werden. 

2 . Die Landgerichtsärzte mögen in den Etat des Staats¬ 
ministeriums der Justiz übergeführt werden. 

3. Es möge im Staatsministerium der Justiz ein 
Medizinalreferent mit dem Bange eines Obermedizinalrates 
anfgestellt werden. 

Seine Aufgaben wären: Die Erstattung von sachverständigen 
Gutachten in allgemeinen gerichtlich-medizinischen Angelegen¬ 
heiten und von Obergntachten in Sachen des Strafvollzugs and 
der Begnadigung, sowie in sonstigen Justizverwaltangsange- 
legenheiten, 

das Personalreferat über die Landgerichts- nnd Amtsgerichts¬ 
ärzte sowie über die Strafanstaltsärzte, 

die gesundheitliche Oberaufsicht über die Gefängnisse nnd 
Strafanstalten, sowie die Wahmehmnng der Hygiene des Straf¬ 
vollzugs. 

IV. Der ärztliche Dienst bei den Landgerichten. 

Geltende Bestimmnngen: E. A. Verordnung vom 8. September 
1879, don ärztlichen Dienst bei den Verwaltungsbehörden betr., H 1 und 2 
(G. V. BL, 8. 1081). 

Gehaltsregolatiy fttr die pragmatischen Staatsdiener vom 11. Juni 1892 
(G. V. BL, S. 209). 



Der amtsftrztliche Dienst in Bayern. 


16 


Im öffentlichen Interesse liegt es, den Landgerichtsärzten 
eine vollbeschäftigte und vollbesoldete Amtsstellnng 
za geben nnd sie, soweit irgend tnnlich, von der Privatpraxis 
unabhängig zu machen bezw. losznlösen. 

Dies läßt sich erreichen 

a) darch sachentsprechende Glestaltang ihrer Dienstesaufgaben, 

b) durch Erhöhung ihres Gehaltes und durch Schaffung von 

Vorrfickungsstellen. 

Zu a): Der Landgerichtsarzt sollte in seinem Landgerichts¬ 
bezirke zu allen gerichtlichen Sektionen als „Gerichts¬ 
arzt* (Str.-Proz.-Ord., § 87) beigezogen werden. 

Ihm sei auch an seinem Amtssitze der ärztliche Dienst 
bei dem Amtsgerichte und der gefängnisärztliche 
Dienst bei dem land- bezw. amtsgerichtlichen Gefängnisse zu 
übertragen. 

Ferner sollte er, soweit er hierzu ausgerüstet ist, mikro¬ 
skopische, bakteriologischeu. dergL Untersuchungen 
selbst vornehmen. 

Auch sollte er in größerem Umfange als bisher schon im 
Ermittlungsverfahren nnd während der Voruntersuchung (Augen¬ 
scheinseinnahme bei Auffindung von Leichen, Vernehmung von 
Angeschnldigten, Zeugen und Sachverständigen etc.) als Sachver¬ 
ständiger beigezogen werden. 

Bei größeren Landgeiichten möge ihm, soweit nicht die Auf¬ 
stellung eines weiteren Landgerichtsarztes notwendig ist, zur Er¬ 
ledigung der Dienstesaufgaben ein Assistenzarzt (erforderlichen- 
falles mehrere) beigegeben werden. Derselbe hat die ihm über¬ 
wiesenen Dienstgeschäfie unter Aufsicht des Landgerichtsarztes 
auszuführen nnd ist als zweiter Arzt bei den gerichtlichen Leichen- 
öffoungen in dem Landgerichtsbezirke beizuziehen. 

Den Landgerichtsärzten sollte in den Landgerichtsgebäuden 
ein entsprechend aasgestattetes Amtszimmer bereitgestellt werden. 

Es möge eine Dienstanweisung für die Landgerichts¬ 
ärzte einschließlich der neuen Vorschriften für die gerichtlichen 
Untersuchungen menschlicher Leichen erlassen werden. 

Zu b): Der Gehalt der Landgerichtsärzte (Anfangsgehalt 
2340 M.) entspricht schon jetzt bei weitem nicht den Anfor¬ 
derungen der Stellung und dem Umfange des Dienstes. Eine 
prozentuarische Erhöhung des Gehaltes, gleichmäßig mit den 
übrigen Staatsbeamten, erscheint daher nicht als genügend; es 
dürfte vielmehr eine völlige Neuregulierung des Gehaltes vorge- 
nommen werden. 

Bei dem stetigen Anwachsen der Amtsgeschäfte und der 
Erweiterung der Dienstesanfgaben möchte es gerechtfertigt er¬ 
scheinen, die Landgerichtsärzte im Gehalte den Landgerichtsräten 
(3720 M.) gleichzustellen. 

Auch dürfte in Erwägung zu ziehen sein, ob ihnen nicht, 
ebenso wie den Bichtem, bei der Pensionierung vor dem 70. Lebens¬ 
jahre der volle Gehalt zu gewähren sei. 



10 


Or. Beeker. 


Die Besorgung des geiängnisärztlichen Dienstes bei größeren 
Gerichtsgefängnissen möge, soweit nicht Assistenzärzte damit be> 
traut sind, wie bisher in entsprechender Höhe besonders honoriert 
werden. 

An den größten Landgerichten (etwa mit einer Einwohner¬ 
zahl von mehr als 250000) mögen den Laadgerichtsärzten Bang, 
Titel und Gehalt von Medizinalräten (4920 M.) verliehen 
werden. 

V. Der ärztliche Dienst bei den Amtsgerichten. 

Geltende Bestimmang: E. A. Verordnung vom 8. September 
1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und VerwMtnngsbehOrden betr^ 
§§ 1, 8-8 (G. V. BL, 8. 1081). 

Der ärztliche Dienst bei den Amtsgerichten wird versehen: 

a) an den Landgerichtssitzen von den Landgerichtsärzten (siehe 
vorher unter Abschnitt IV); 

b) an den Bezirksamtssitzen, bei denen sieh nicht zugleich ein 
Landgericht befindet, von den Bezirksärzten I. Klasse (siehe 
siebenten Abschnitt; II, a. 4); 

c) bei den übrigen Amtsgerichten von den Amtsgerichtsärzten 
(siehe vierten Abschnitt; II). 

Siebenter Abschnitt. 

Der ärztliche Dienst bei den Yerwaltnngsbehorden. 

I. Die Medizinalreferate beim JL Staatsministerinm des Lmem 
und bei den Ereisregierungen. 

Geltende Bestimmungen: Gehaltsregulatir fttr die pragma¬ 
tischen Staatsdiener vom 11. Juni 1892 (G. V. BL, 8. 209). 

£. A. Verordnung vom 24. Joli 1871, den Obermedlzinalsnsschuß und 
die KreismcdizinalausschQsse betr. (Bg. BL, 8. 1489). 

Entschließung des E. Staatsmiuisteriums des Innern vom 8. August 
1902, die Verhandlungen der Aerztekammem im Jahre 1901 betr. 

1 . Dem Obermedizinalrate im E. Staatsministerinm des In¬ 
nern (Anfangsgehalt 7020 M.) möge als Vorrficknngsstelle nach 
mehrjähriger Dienstzeit die Stellung eines Ministerialdirektors 
(9000 M.) und den Ereismedizinalräten (4920 M.) die Stellung 
von Oberregierungsräten (6120 M.) verliehen werden. 

2. In den Obermedizinalausschuß mögen zwei Bezirksärzte 
und ein Landgerichtsarzt als ordentliche Mitglieder einberufen 
werden. 

8 . Die Sitzungsprotokolle des verstärkten Obermedizinal- 
ausschusses mögen regelmäßig veröffentlicht werden. 

n. Der ärztliche Dienst bei den Distriktsverwaltnngsbehärden. 

Geltende Bestimmungen: Organisches Edikt flbei des Medizinal¬ 
wesen vom 8. September 1808. 

E. A. Verordnung vom 8. September 1879, den ärztlichen Dienst bei den 
Gerichts- und Verwaltungsbehörden betr. (G. V. BL, 8. 1081). 

GehaltsregulatiT für die pragmatischen Staats^ener vom 11. Juni 1892. 
(G. V. BL, 8. 209). 

1 . Im öffentlichen und dienstlichen Interesse liegt es, den 
Bezirksärzten eine vollbeschäftigte und vollbesoldete 



Der amtsärztliche Dieast in Bayern. 


17 


Amtsstdllangr za geben and eie, soweit irgend tnnlich, von dw 
Privatprexis nnabbängig za machen bezw. loszalösen, damit eie 
ihre Wirksamkeit als staatliche Gesandheitsbeamte im ganzen 
Amtsbezirke and nach allen Bichtangen hin Tollständig eriftllen 
können. 

Dies läßt sich erreichen: 

a) darch entsprechende Gestaltang ihrer dienstlichen Stellong 
and ihrer amtlichen Obliegenheiten; 

b) darch Erhöhong ihres Gehaltes and Schaffung von Vor- 
rttckangsstellen. 

Za a): Dienstliche Stellong and amtliche Obliegenheiten. 

1 . Entsprechend der sonstigen Organisation der amtlichen 
Stellen in Bayern möge am Sitze jeder DistriktsTerwaltongsbehörde 
ein Medizinalamt errichtet werden. 

Demselben steht der Eönigl. Bezirksarzt vor. Bei größeren 
Aemtern können ihm zar Erledigung der Dienstesanfgaben ein, 
erforderlichen Falles mehrere Assistenzärzte, bei besonders großem 
Dienstamfange aach ein weiterer Bezirksarzt beigegeben werden. 
Dieselben haben die ihnen überwiesenen Dienstgeschäfte onter 
Aafsicht des Amtsvorstandes aasznfähren. 

2 . Dem Medizinalamte können mehrhiche dienstliche Obliegen- 
heilen znr selbständigen Behaudlong überwiesen werden, 
so znm Beispiel 

die Aasstellang amtsärztlicher Zengnisse and Gatachten, 
die An- and Abmeldung der approbierten Aerzte, 
die Dienstesaufsicht auf das niederärztliche Personal (Bader 
und Hebammen), das in Apotheken beschäftigte Personal, die 
Leichenschauer, Desinfektoren osw., 

die Dienstesaufsicht auf den Geschäftsbetrieb der Apotheken, 
Drogerien and Gifthandlangen, 

die üeberwachnng der Earpfascher, 
die Dienstesaufsicht aaf die öffentlichen Erankenhäaser und 
Privatheilanstalten, die Armenhäaser, Versorgangs- and ähnliche 
öffentliche Anstalten, 

die Aafsicht aaf die außerhalb der Anstalten untergebrachten 
Geisteskranken, Idioten, Gebrechlichen und sonstigen Hdfsbedflif* 
tigen, sowie aaf die Eostkinder. 

Außerdem obliegen dem Medizinalamte: 

a) die technische Beratung der zuständigen Behörden in 
allen Angelegenheiten des Gesundheitswesens; 

b) die üeberwachang der gesandheitlichen Verhält¬ 
nisse des Amtsbezirkes and dei Darchführang der 
Gesandheitsgesetzgebang im Benehmen mit den zu¬ 
ständigen Behörden; 

c) die Stellung von Anträgen zar Beseitigung wahr¬ 
genommener sanitärer Mängel, sowie die Anregung ge< 
eigneter Vorschläge zar Förderang des Gesundheits¬ 
wesens; 


2 



d) die Anordnang Torllnfiger ICaßnAlimeB nr Abvekr, 

FeeteteUong und Bekftmpfiing gemeingeilhrlidier oad tber- 

tragbarer Krankheiten. 

8. Die Tätigkeit dee Medirinalamtes sollte rieh gleich¬ 
mäßig auf den ganzen Umfang des Amtsbezirkes 
erstrecken. 

Der Bezirksarzt mßge T^iliehtet werden, soweit angängig 
gemeinschaftlich mit dem Bezirksamtmanne, sämtliche Gemeinden 
seines Amtsbezirkes anch ohne besonderen Anlaß in periodischen 
Zwischenräumen (etwa alle 6 Jahre) anf ihre gesundheitlichen 
Verhältnisse zu besiditigen (Medizinalyisitationen). — Die 
Berichtigungen sollen sich anf alle fär das Öffentliche Gewdheits- 
wesen ^chtige Verhältnisse nnd Binrichtnngen erstrecken und 
zur Beseitigong sanitärer Mängel nnd znr Verbessemng der ge- 
snndheitlichen Einrichtungen dienen. 

Bei weiterer Entfemnng des auswärtigen Amtsgerichtsbezirkeo 
Tom Amtssitze des Bezirks^tes möchte es sich empfehlen, daß 
derselbe in gewisser Regelmäßigkeit (je nach Bedarf monatlich 
oder in größeren Zwischenränmen) an dem answärtigen Amta¬ 
gerichtssitze Amtstage abhält, an welchen er fOr die Gemeinde- 
Terwaltnngen, Armenpflegen nnd sonstigen Behörden, sowie für 
Prirate dienstlich zn sprechen ist, die anfallenden Untersnehnngoi 
Tomimmt nnd auch anderweitige Amtsgeschäfte damit yerbindet 
(wie z.B. Apothekenyisitationen, Besichtigung yon Erankenhänsem, 
Schulen, Nenbanten etc., Eostl^dem, Geisteskranken nnd dergL, 
Prttfong der Hebammen nnd Desinfektoren nsw.). 

4. Außer den yorgenannten yerwaltnngsärztlichen Geschäften 
obliegt dem Bezirksarzte an seinem Amtssitze, wenn hier nicht 
sogleich ein Landgerichtsarzt seinen Sitz hat, wie bisher die Be¬ 
sorgung des ärztlichen Dienstes beim Amtsgerichte mit 
Ausnahme der gerichtlichen Sektionen (siehe yorher sechsten Ab¬ 
schnitt, IV) und der gefängnisärztliche Dienst. 

0. Es mOge eine Dienstanweisung fflr die Hedizinal- 
ämter erlassen werden, in welcher die dienstliche Stellung der 
Bezirksärzte, ihr Verhältnis zn anderen Behörden, Priyatpersonen 
nnd nichtbeamteten Aerzten, sowie Art nnd Umfang ihrer amt¬ 
lichen Obliegenheiten festgestellt sind. 

6. Die amtliche Verpflichtung der Bezirksärzte znr nnmit- 
geltlichen Behandlung der Armen ihres Bezirkes, sowie der Gen¬ 
darmeriemannschaften nnd deren Familien mOge aufgehoben werden 
(die geltenden Bestimmnngen Anden sich in Beckers Handbuch 
der Medizinalgesetzgebnng, Heft V, Seite 196 ff., 52). 

Zn b): Erhßhnng des Gehalts und Schafftang yon Vor- 
rttoknngsstellen. 

1. Der Gehalt der Bezirksärzte (Anfangsgehalt 1980 M.) 
entspricht schon jetzt nicht den Anfordemngen der Stellung nnd 
dem stets sich mehrenden Umfang der Dienstesanfgaben. D^elbe 
sollte so bemessen werden, daß der Bezirksarzt seine yolle Arbeits¬ 
kraft dem amtsärztlichen Dienste widmen und eine pflichtmäßige 



Der amtflärztUebe Bienst in Bayern. 




ErfttUang seiner vielseitigen Dienstesanfgaben von ihm gefordert 
werden kann. Eine prozentnarische Gehaltserhöhung, gleichmäßig 
mit den ftbrigen Staatsbeamten, erscheint daher nicht als genügend; 
es dürfte vielmehr eine völlige Nenregnlierung des Gehaltes vor-« 
genommen werden. Bei dem umfangreichen Wirkungskreise mOchte 
es gerechtfertigt erscheinen, die Bezirksärzte im Gehalte den 
außerordentlichen üniversitätsprofessoren (3180 M.) gleichzustellen. 

Bei den größeren Amtsbezirken mOge den Bezirksärzten 
Bang, Titel und Gehalt von Hedizinalräten (4920 M.) ver¬ 
liehen werden. 

2. Die bisherigen amtlichen Nebeneinkommen (Ge> 
btthren für die Öffentlichen Impfungen, für Zeugnisse und Gut¬ 
achten, sowie bei solchen amtsärztlichen Dienstleistungen, für 
welche Private die Kosten zu tragen haben) mOgen den Bezirks- 
irzten auch künftig verbleiben. 

Für die Vornahme der periodischen Medizinal visitationen der 
Gemeinden und die Abhaltung der auswärtigen Amtstage mOgen 
Tagegelder und Ersatz der Beisekosten bewilligt werden, sofern 
hierfür nicht ein jährliches Aversum oder eine Erhöhung der stän¬ 
digen Jahresremnneration (§12 der K. A. Verordnung vom 3. Sep- 
t^ber 1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und Verwal¬ 
tungsbehörden betreffend) gewährt wird. 

3. Die EOnigl. Staatsregiemng mOge darauf hinwirken, daB 
den Bezirksärzten der ärztliche Dienst im Distrikts-Erankenhanse, 
sowie sonstige Öffentliche Stellungen, an Orten mit Leichenhäusem 
auch die zweite Leichenschau übertragen werden. 

Achter Abschnitt 

Die sonstigen dienstlichen Verhältnisse der Amtsärzte« 

L Verfahren bei der Besetzung der amtsärztlichen Stellen. 

Geltende Beztimmnngen: Entachlieflongen des KSnigliohen Stent»* 
mfadsteriums des Innern yom 7. Mai 1866, 1. Januar 1867, 24. September 1867, 
2. Februar 1868 und 18. Januar 1881. 

K. A. Verordnung vom 24. Juli 1871, den Obermediainalansscbnß und die 
KrejsmediainalansscbOsee betr. (Beg.-BL, S. 1489). 

1. Die PensionieruDg der Amtsärzte mOge, soweit angängig, 
erst mit einem Zeitpunkt in Wirkung treten, bis zu welchem der 
ijtttsvorsteher ernannt ist oder sein kann. 

2. Die Besetzung erledigter Amtsarztstellen mOge be¬ 
schleunigt werden. Dies ließe sich dadurch erreichen, 

a) daß der Bewerbnngstermin nicht für jede einzelne Erledigung 
eigens ausgeschrieben, sondern generell möglichst kurz (etwa 
10 Tage vom Tage der Erledigung an gerechnet) festgestellt 
wird, 

b) daß die Bewerbungen nicht mehr bei den Vorgesetzten Kreis- 
regiemngen, sondern direkt bei dem zuständigen Ministerium 
eingereicht werden, 

c) daß die gutachtliche Anhörung der Ereismedizinalausschflsse 
und der Ereisregiemngen unterbleibt. [Sofern überhaupt ein 
Vorschlagsrecht einer ärztlichen Kommission beibehalten 

2* 



Dr. Becker. 


▼erden sollte, konnte ein engerer Ansschoß des ObermedizinAl> 

ansschnsses damit betraut werden]. 

8. Bei der Auswahl der Bewerber möge das Hauptgewicht 
nicht auf die Anziennität, sondern auf die besondere Befähi¬ 
gung zn dem erstrebten Amte gelegt werden. 

H Diensteinweisnng und Verpflichtung der Landgerichts- und 

Bezirksärzte. 

Geltende Bestimmung: Entschließong des K. Stutsministeriams 
des Innern Tom 17. Jannar 1881, die Diensteinweisiing and Verpflichtoag der 
amtlichen Aerste betr. (H.-A.-B1., 8.17^ 

1. Mit üeberfOhrnng der Landgerichtsärzte in den Justiz- 
etat mOge die Uebemahme und Ausantwortung der Begistratnr 
und des AmtsiuTentars, sowie die Verpflichtung der Landgerichts- 
ärzte durch die Landgerichtspräsidenten erfolgen. 

2. Die Verpflichtung und Diensteinweisung der Bezirksärzte 
mOge allgemein durch den Ereismedizinalrat anstatt durch das 
Be^ksamt vorgenommen werden. 

UL Bang, Uniform und Auszeichnung der Amtsärzte. 

Ohne Antrag. 

IV. Qualifikation der Amtsärzte. 

Geltende Bestimmung: Entschließong des K. Staatsministeriams 
des Innern Tpm 28. Jali 1901, die Qualifikation der Staatsbeamten im Geschäfts¬ 
bereiche des EL Staatsministeriams dra Innern betr. (M. A. BL, S. 801). 

Mit Ueberfflhrung der Landgerichtsärzte in den Justizetat 
entfiele die Qualifikation derselben durch die Ereismedizinal- 
ansschflsse und die Ereisregierungen. 

V. Begieaversnm, Amtsunkostenentschädignng und 
Schreibgebflhren. 

Geltende Bestimmungen: Entschließong des Königlichen Staats- 
ministerioms des Innern Tom 11. Aagast 1902, die Begieayersen der Land¬ 
gerichts- und Bezirksärxte betr. 

Entschließong des Königl. Staatsministeriams des Innern Tom 8. Mai 1903, 
Amtsblätter der Amtsärzte betr. 

1. Das Regieaversum der Landgerichts-und Bezirksärzte 
mOge auf 150 Mark erhöht werden zur Bestreitung der Kosten 
fflr Amtsblätter, Fachzeitschriften, Instrumentarium und Registratur. 

Nach Bedarf mögen außerordentliche Beihilfen zu größeren 
Anschaffungen gewährt werden. 

Auch den Strafanstaltsärzten möge ein Regieaversum be¬ 
willigt werden. 

2. Die Schaffung eines eigenen Medizinalamtsblattes, 
ähnlich dem preußischen sMinisterialblatte fär Medizinal- und 
medizinische ünterrichtsaugelegenheiten“ möge veranlaßt werden. 

3. Den Landgerichts- und Bezirksärzten, welchen in den 
Amtsgebänden ein Amtszimmer nicht zur Verfügung steht, möge 
eine Amtsunkostenentschädignng in entsprechender Höhe 
bewilligt werden. 

4. Bei größeren Berichten und Gutachten mögen Sch reib- 
gebühren bewilligt oder die Baranslagen fflr eine Schreibhilfe 



Der amts&ratUcha DieoBt in Bayern. 


21 


ersetzt werden. ~ Bei einzelnen besonders großen landgerichts- 
nnd bezirksärztlichen Stellen möge eine ständige Schreibhilfe 
gestellt werden oder deren Haltung durch Zuschüsse ermöglidrt 
werden. 

VL Auslagen für BefördenmgsmitteL 

Geltende Beatimmangen: E. A. Verordnung Tom 17.Norember 
1902, Gebühren für Kritliche Dienstleistungen bei den Behörden betr.. S 2 
(G. V. Bl., Seite 716). 

E. A. Verordnung Tom 11. Februar 1876, die Aufrechnung der Tagegelder 
und Reisekosten bei auswärtigen Dienstgeschäften der Beamten und Bedienatetea 
des ZiTÜstaatsdienstes betr., g 1 (G.*V.*B1., 8.105). 

Finansministerialbekanntmachung Tom 2. Mära 1876, gleichen Betreffs: 
VH, Abs. 4 (M. A. BL, S. 112). 

1. Den Landgerichts- und Bezirksärzten in Großstädten 
mögen die notwendigen Auslagen für Beförderungsmittel aus der 
Staatskasse ersetzt oder Jahresaversen in entsprechender Höhe 
bewilligt werden. 

2 . Die Bestimmungen der Ministerialbekanntmachung vom 
17. Dezember 1902, Entschädigung für Fahrrad-und Motorbenutzung 
durch Aerzte betr. (G. V. Bl., S. 737) mögen auch auf die Amtsärzte 
bei Beisen aus dienstlichen Anlässen i^wendung finden. 

vn. Portowesen. 

1 . Für dienstliche Packetpostsendungen möge den 
Amtsärzten auch im Ortsverkehr Portofreiheit gewährt werden. 

2 . Für die Telephonanschlüsse der vollbeschäftigten 
und voUbesoldeten Amtsärzte möge eine Gebühr von denselben 
nicht erhoben, sondern eventuell auf Staatsfonds übernommen 
werden. Bei Verwendung des amtlichen Telephonanschlnsses auch 
zu privater Berufstätigkeit haben die Amtsärzte die Hälfte der 
normativmäßigen Gebühr zu entrichten. 

Für auswärtige Dienstgespräche der Amtsärzte möge eine 
Gebühr nicht erhoben oder eventuell auf Staatsfonds übernommen 
werden. 

Vm Stellvertretung bei Urlaub und Verwesung erledigter 

Amtsarztstellen. 

Geltende Bestimmungen: E. A. Verordnung Tom 8. September 
1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und Verwaltungsbehörden be¬ 
treffend, § 9 (G. V. BL, S. 1081). ' 

E. A. Verordnung Tom 17 NoTember 1902, Gebühren für ärztliche Dienst¬ 
leistungen bei Behörden betr., § 10 (G. V. BL, 8. 716). 

1 . Die Stellvertretung während des regelmäßigen Ur* 
lanbs oder während einer Er^ankung sollte den Amtsärzten 
in gleicher Weise wie den übrigen Staatsbeamten keine persön¬ 
lichen Kosten verursachen. Eine gegenseitige Stellvertretung der 
Landgerichts-, Bezirks- und Gefängnisärzte ist nur an solchen 
Orten möglich und zulässig, an welchen zwei Amtsärzte ihren 
Amtssitz haben und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. 

Andernfalls ist ein nichtamtlicher Arzt als Stellvertreter mit 
einem Tagegeld von 6 Mark anfzustellen. 

2 . Dauert die Verwesung einer Amtsarztstelle im Falle 



22 


Dt. Baeker. 


der Erledi^rnog oder Krankheit des Inhaben linger als 8 Wochen, 
SO mOge anch dem am gleichen Orte vohnendmi amtlichen Ver- 
▼eser ein Tagegeld in der gleichen Hohe, wie einem nicht amt¬ 
lichen Verweser (6 Mark) bewilligt werden. 


Sehr geehrte Herreni Die Tagesordnung der diesjfthrigen 
Landesrerssmmlung des Bayerischen Medizinalbeamtenvereins ist 
kurz; außer dem eben gehörten Vortrag steht nur noch ein ein¬ 
ziger Gegenstand zur Beratung. Daraus ersehen Sie, weldie 
Wichtigkeit die Vorstandschaft diesem Gegenstand beimißt; des¬ 
gleichen beweist Ihr zahlreiches Erscheinen, wie große Bedeutung 
auch Sie Ihrerseits dieser Frage beilegen. Obwohl der Urlaub bä 
den me^^ten Herren schon vorfiber ist, sind Sie doch noch hierher 
gekommen zur Beratung und Beschloßfassung. Seit langem 
haben die bayerischen Amtsärzte allerlei Wünsche für ihre 
Stellung, für die Ausgestaltung des Medizinalwesens auf dem 
Herzen; einzelne haben ihnen da und dort mit Wort und 
Schrift Ausdruck gegeben. Nunmehr, wo der richtige Zeit¬ 
punkt dafür gekommen ist, gilt es, die geäußerten Ansichten 
und Wünsche zusammenzufassen, zu sichten, zu ergänzen und, 
mit Gründen versehen, der Eönigl. Staatsregierung vorzulegen mit 
der ehrerbietigen Bitte, diesen Wünschen nicht nur eine wohl¬ 
wollende Würdigung, sondern auch eine baldmOgliche Erfüllung 
zukommen zu lassen. 

Bevor noch dem erst vor 8 Jahren gegründeten Bayerischen 
Medizinalbeamtenverein die spezielle Wahrung und Vertretung der 
amtsärztlichen Interessen zugefallen war, beschäftigten sich unsere 
ärztlichen Standesvertretungen, die Aerztekammem, wiederholt 
auch mit der Stellung, den Dienstesobliegenheiten und Gehalts¬ 
bezügen der Amtsärzte. Sie erzielten damit hin und wieder einen 
Erfolg; manches ist jedoch unerreicht geblieben und kehrt heute 
in den Leitsätzen wieder, so die Dienstanweisung für die Amts¬ 
ärzte, die gerichtlich-medizinischen Institute. 

In Preußen hat das neue Ereisarztgesetz eine großzügige 
Beform des ganzen Medizinalwesens nach weitausschauenden 
Grundsätzen eingeleitet und läßt einen weiteren gedeihlichen Aus¬ 
bau erwarten. Das verstärkte den bereits vorhandenen Wunsch, 
auch in Bayern möge eine Medizinalreform auf moderner Grund¬ 
lage in die Wege geleitet werden. Bereits in den früheren Land¬ 
tagsperioden wurden für die Verbesserung der Lage der Amts¬ 
ärzte von einzelnen Abgeordneten Wünsche vorgebracht und 
vertreten; die k. Staatsregiefung erkannte ihre Berechtigung 
und das Bedürfnis nach Abhilfe an, erklärte die Sache im 
Auge zu behalten, eine Gehaltsaufbesserung aber erst im Rahmen 
einer allgemeinen Revision des Gehaltsregulativs vornehmen zu 
können, da eine einseitige Regelung zugunsten der Amtsärzte 
unmöglich sei. Dies hat sich beim Etat für Gesundheit jedesmal 
mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt. 

Im Voijahre bekam die Sache einen neuen Anstoß. Im letzten 



Der amtelntliehe Dienst In Bsjen. 9S 

Landtage (22. Juni 1906) brachte der Abgeordnete, Herr Beiirka- 
arzt Dr. Banh, den Tielfach nnterstfltzten nnd mit einer knappen 
Begrflndong*) yersehenen Antrag ein: 

,Die Kammer wolle beschließen: Die E. Staatsregiemng 
sei zn ersuchen, das gesamte Medizinalwesen Bayerns na(£ 
AnhOrnng der ärztlichen Bezirksvereine, der Aerztekammem 
nnd des Bayerischen Medizinalbeamtenvereins neuzugestalten 
gemäß den Fordemngen, welche die Errnngenschaften der 
modernen wissenschaftlichen Forschung an die Organisation 
des öffentlichen Gesundheitswesens stellen müssen. “ 

Dieser Antrag war — und das wurde ihm schließlich zum 
Verhängnis — zu allgemein und unbestimmt gehalten, yermntlich 
mit Absicht; es sollte wohl in Form einer Resolution die An* 
Behauung der Abgeordnetenkammer Über die Notwendigkeit einer 
Reform nnd ihr Einyerständnis mit einer solchen ausgesprochen 
werden, das weitere aber, die detaillierte Ausarbeitung yon Vor¬ 
schlägen, zunächst der E. Staatsregiernng überlassen bleiben. 
Was der Antrag Rauh im einzelnen anstrebte, war auch ans 
den Ausführungen des Herrn Abgeordneten klar zn entnehmen. 
Er sowohl, wie Herr Abgeordneter Meyer-Nürnberg, der als 
Richter den landgerichtsärztlichen Dienst ans eigener änschannng 
kennt, sprachen sich in der Abgeordnetensitzung yom 26. Juni 1906 
in großen Zügen nnd mit überzeugenden Gründen für den Antrag 
ans. Der E. Regiemngsyertreter, Herr Geheime Rat Dr. y. Grashey, 
anerkannte die ungenügende, nnyollständige Besoldung der Amts¬ 
ärzte, nnd wenn er sich auch nicht zu allen Anregungen der 
beiden Abgeordneten in znstimmendem Sinne äußerte, gab er dodi 
am Schlüsse seiner üeberzengnng dahin Ausdruck, „daß alle die 
Anregungen, die heute bezüglich der Verbesserung des Medizinal¬ 
wesens in diesem hohen Hanse ausgesprochen worden sind, ganz 
gewiß yon der Staatsregiemng gewürdigt und geprüft werden, 
and daß sie machen wird, was sie kann.“ Der E. Staatsminister, 
Herr Dr. Graf y. Feilitzsch, bemerkte zu dem Anträge Rauh: 

„Er sei im großen und ganzen der Anschauong, daß eine solche Neu- 

! [estaitung nicht erforderlich sei, sondern daß die Bestimmungen, wie sie 
hrtgesetst smt tielen Jahren erlassen worden seien, genOgten, um die Oesnnd- 


*) Dieselbe lautet: aDIeGrundli^e fftr die Organisation des bayerisehen 
Mediiinalwesens ist gegenwärtig noch auf dem organischen Edikte Uber das 
Mediiinalwesen im Köoineich Bayern rom 8. September 1808 aufgebant Dieses 
hervorragende, seinerzeit weit Toranseilende Gesetzwerk hat das .Medizinal- 
wesen als einen der wichtigsten Teile der Staatspolizei erklärt, dem eine Tor- 
zOgliehe Aufmerksamkeit um so mehr zuzuwenden sei, als dnreh eine gute 
Bestellung desselben die erste Bedingnis zum individnwen Wohl eines jeden 
einseinen Staatsbürgers im Zusammenhalte mit dem allgemeinen allein erreicht 
und dauerhaft erhmten werden kbnne.* Entspricht dieses Edikt in seinen 
allgemeinen GrnndzOgen nnd organisatorischen Bestimmungen noch den 
gegenwärtigen Verhältnissen, so besteht kein Zweifel, daß das Medizinaledikt 
n seinen einzelnen Bestimmungen nach Umlauf yon nahezu hundert Jahren 
den yeränderten Zeityerhältnissen, sowie den Anforderungen, welche die Ergeb¬ 
nisse der inzwischen so weit fortoeschrittenen wissenschaftlichen Arbeit nnd 
Forschung an den Ausbau des Ofrontlichen Gesundheitswesens stellen mOssen, 
naeh keiner Biebtnng hin mehr gerecht werden kann.* 



ti 


Dr. Becker. 


heitsTerh&ltDbee der BevSIkenuig in entsprechender Weise sn fordern. Es 
sden »ach in dieser Bichtnog Vorschläge, in welcher Weise eigentlich eine 
solche Neagestaltnng erfolgen solle, nicht vorgebracht worden. Den Vorschlag, 
die Landgerichts* and Bezirksärzte besser za bezahlen, von der Praxis za ent¬ 
binden etc., betrachte er als eine einfache Gebaltsregnliernngsfrage, die nicht 
für diese aiUein, sondern nar im Verein mit den Qehältem anderer Beamten 
geregelt werden kOnne. Bezüglich der Wünsche, den Bezirksärzten mehr Kom¬ 
petenz gegenüber den Bezirksämtern zazaweisen, Enrse zar Belehrung abzn- 
nalten etc., handle es sich am keine grundlegende Aenderong unseres 
Hedizinalwesens, sondern um Einzelyerfügangen, die getroffen werden konnten. 
Es liege also za diesem generelien Antrag Dr. £aoh kein AnlaB vor.“ 

Zur Sache selbst verhielt sich der Herr Minister nicht ab¬ 
lehnend; er kam sograr der Intention des Antrages Banh etwas 
entgegen, indem er damit schloß: 

mEs sollte sieh ein Antrag darauf beschränken, diese 
oder jene Richtung zu bezeichnen, in der eine Besserung ge¬ 
wünscht werde. Dem würde alsdann durch einzelne Verord¬ 
nungen oder Verfügungen und wenn es notwendig sei, auch 
im Gesetzeswege entsprochen werden können. Das Vorgehen im 
Medizinalwesen habe eich aach in neuerer Zeit in solcher Weise spezialisiert, 
daß man nicht mehr von Mängeln des Medizinalwesens im allgemeinen sprechen 
kOnne, sondern höchstens von speziellen Mängeln, und diese speziellen Mängel, 
die Punkte, in denen solche Mängel bestehen sollen, all das m^te doch Gegen¬ 
stand eines speziellen Antrages sein. Mit dem vorliegenden Anträge sei aber 
eigentlich nichts zu machen, denn das ganze Medizinaledikt stehe in der Haupt- 
si^e nur auf dem Papier; es sei durch zahlreiche Spezidlverordnungen ergänzt 
und ersetzt. Ein neues Medizinaledikt zu schaffen, dazu bestehe nach An¬ 
schauung der König]. Staatsregierang bei der Spezialisierung der einzelnen 
Sparten des Medizinalwesens kein hinreichender Anlaß.* 

Gleichwohl nahm die Abgeordnetenkammer den Antrag 
Banh mit Mehrheit an. Die Kammer der Beichsräte, in deren 
Sitzung vom 1. August 1906 der Beferent, Herr Beicbsrat Dr. Bitter 
V. Buhl, den vom Herrn Staatsminister eingenommenen Stand¬ 
punkt vertrat, ist diesem Beschlüsse jedoch nicht beigetreten, so 
daß ein Gesamtbeschluß beider Kammern, welcher der Königlichen 
Staatsregierung behufs Vorlage an die Allerhöchste Stelle zu über¬ 
senden gewesen wäre, nicht zustande gekommen ist. 

In legislatorischer Hinsicht ist die ganze Angelegenheit 
(lnmit vorläufig auf einem toten Punkt angekommen. Liegt dem 
Bayerischen Medizinalbeamtenverein daran, daß sie jetzt nicht 
auf sich beruhen bleibt, sondern weiter gefördert wird, daß die 
Königl. Staatsregierung gebeten werden soll, der Organisations¬ 
frage in ihren einzelnen Details näher zu treten, so wird das 
nachzuholen sein, was bei demAntrag Bauh vermißt 
wurde, und es werden die einzelnen Punkte näher 
bezeichnet werden müssen, in denen eine Abänderung 
oder Verbesserung der bestehenden Verhältnisse ge¬ 
wünscht und an gestrebt wird. Dies zu tun, entspricht der 
Aufforderung des früheren Herrn Staatsministers des Innern und 
erfüllt zugleich eine Pflicht gegenüber dem früheren Landtage. 
Der neugewählte Landtag ist seit kurzem zusammengetreten; die 
früheren Abgeordneten Dr. Bauh und Meyer gehören ihm leider 
nicht mehr an, wohl aber die meisten der Herren, die den Antrag 
Bauh mitunterzeichnet und für ihn gestimmt haben. Diese sind 



Der amteirztlicbe Dienst in Bayern. 


35 


zwar an den Beschloß der früheren Landtageperiode nicht ge- 
banden, aber es darf wohl von ihnen angenommen werden, daß 
aie in dieser Frage ihre früheren AnschanoDgen bewahrt haben 
and den non kommenden Spezialvorschlägen, soweit sie die Üfifent* 
liehen Interessen berühren and die Bereitstellung staatlicher Mittel 
erfordern, ebenso sympathisch gegenüberstehen, wie dem Anträge 
Baah. 

Für die Benatzang des gegenwärtigen Zeitpnnktes zor Vor- 
bringnng nnserer Wünsche kommt nnn noch als zweites wichtiges 
Moment hinza die in Aussicht stehende Vorlage eines Be- 
amtengesetze8. Darum müssen gerade jetzt die Amtsärzte 
ihre Wünsche bezüglich der Gehaltsregulierung der KOnigl. Staats¬ 
regierang nnterbreiten. Was jetzt nicht erreicht wird, läßt sich 
sobald nicht wieder nachholen! Ist einmal ein nenes Beamten¬ 
gesetz in Kraft getreten, dann bleibt es sicher mehrere Dezennien 
anverändert; nachträglich wird man mit allen Eingaben and 
Petitionen nichts mehr erreichen, wie aach an dem Gehalts¬ 
regulativ vom Jahre 1892 seither keine Veränderang vorgenommen 
warde. 

Die Auffassung, daß der jetzige Moment nicht versäumt 
werden dürfe, trat auch bei den vorj^rigen Kreisversammlnngen 
des Medizinalbeamtenvereins hervor. Dort standen zwei Anträge 
von nicht vordringlicher Bedeutung zor Beratung bezüglich Ent¬ 
schädigung der Amtsärzte bei längerer Vertretung und Bemune- 
ration der Beziiksärzte für die Mehrarbeit in den landgerichtlichen 
Aushilfsgeiängnlssen. Ohne vorherige Fühlungnahme untereinander 
wurde in mehreren Kreisversammlnngen die Debatte auf das all¬ 
gemeine Gebiet hinübergeführt und ausgesprochen, es möge der 
Medizinalbeamtenverein die Initiative zu einer allgemeinen Be- 
organisation des ganzen Medizinalwesens ergreifen und diesen 
Punkt auf die Tagesordnung der nächstjährigen Landesversamm- 
Inng setzen. Es beschloß daher die Vorstandschaft noch vor der 
Nürnberger Tagung, die beiden Punkte abzusetzen, eine Kommission 
zu bilden aus den 8 Kreisvorsitzenden unter Zuziehung solcher 
Mitglieder, welche auf diesem Gebiete schon gearbeitet oder An¬ 
regungen gegeben hatten, und diese mit der Ausarbeitung einer 
der König!. Staatsregierang als Bittgesuch vorzulegenden Denk¬ 
schrift zu beauftragen. 

Bei den Kommissionsberatungen zu Anfang dieses Jahres 
stimmten die Meinungen dahin überein, daß es bei dem außer¬ 
ordentlich umfangreichen Materiale absolut unmöglich sei, das 
gesamte bayerische Medizinalwesen in allen einzelnen Sparten, 
selbst bei Ausdehnung der Sitzung auf 2 Tage, durchzusprechen. 
Man hielt es daher für zweckmäßiger, für dieses Jahr zunächst 
nur den amtsärztlichen Dienst herauszugreifen und 
diejenigen Anträge zur Beratung zu stellen, welche sich auf die 
Vorbildung und Fortbildung der Amtsärzte, ihre Stellung und 
Dienstobliegenheiten, sowie ihre Besoldungsverhältnisse beziehen. 
Dies erschien, wie bereits erwähnt, gerade jetzt vordringlich; 
es hängt auch von der Stellung, die man den Amtsärzten überhaupt 



Dr. Beeker. 


in der ganzen StaatsYerwaltong einränmen wUly die Anegeetaltmig 
ihrer Tätigkeit im Detail ab. Die einzelnen Sparten der amta- 
irztlicheny namentlich der bezirksärztlichen Tätigkeit bleiben also 
fttr dieses Jahr noch anßer Berflcksichtignng; es wurde jedoch ins 
Ange gefaßt, in den nächsten Jahren Aber die einzelnen Ab* 
schnitte, wie niederärztliches Personal, Verkehr mit Nahmngs- 
nnd Gennßmitteln, Leichenwesen, amtsärztliche Gebtthren nsw., 
je nach Bedflrfnis nnd Vordringlichkeit, Beferate erstatten zn 
lassen nnd diesbezflgliche Anträge znr Beratung zu bringen. 

Die Ihnen heute Yorliegenden Anträge erstrecken sich auf 
alle amtlichen Aerzte im Ressort der Staatsministerien des Innern 
nnd der Justiz, mit Ausnahme der Aerzte an den Kreisirren* 
anstalten, einmal weil diese eine in sich abgeschlossene Laufbahn 
haben und ein Üebertritt in den ttbrigen amtsärztlichen Dienst 
wohl zu den seltenen Ausnahmen gehört, dann weil die Irrenärzte 
bereits ihre eigene Interessenvertretung in dem Vereine bayeri* 
scher Psychiater besitzen nnd im Vorjahre nach dem Beferate 
des Herrn Direktors Dr. Vocke über die Lage des irrenärztlichen 
Standes eine besondere Kommission zur dauernden Bearbeitung 
dieser Frage gewählt haben. Die gleichen Gesichtspunkte gelten 
fttr die Amtsärzte im Ressort des Staatsministerinms fOr Verkehrs¬ 
angelegenbeiten, die Bahnärzte, die einen fOr sich organisierten 
Dienst versehen nnd in dem Verein bayerischer Bahnärzte zn* 
sammengeschlossen sind. 

Bevor wir in die Besprechung der einzelnen Abschnitte ein* 
treten, maß noch eine Bemerkung grundsätzlicher Art voraus- 
geschickt werden. Bei der ganzen Behandlnng der Sache darf 
nicht etwa davon ausgegangen werden, wie läßt sich unter den 
heutigen schwierigen Verhältnissen den Amtsärzten eine einträg¬ 
lichere Stellung schaffen? Auch die Bflcksichtnahme auf ue 
Allgemeinheit der praktischen Aerzte, die Loslösnng der Amts¬ 
ärzte ans dem ärztlichen Konkurrenzkampf darf die heutigen Be* 
schlftsse nicht beeinflussen. Die Besoldungsfrage, so wichtig sie 
auch für die wirtschaftliche Existenz der Amtsärzte ist, darf nicht 
einseitig betont oder in den Vordergrund gestellt werden. Sonst 
erfahren unsere Bestrebungen leicht eine falsche Beurteilung, als 
handle es sich weniger um eine Ausgestaltung des Medizinal¬ 
wesens, als um eine Gehaltserhöhung. Wir streben auch nicht 
eine Erweiterung der Kompetenzen und der Dienstobliegenheiten 
an, nur um damit das Bedflrfnis nach einer Gehaltserhöhung zu 
motivieren. Mit Recht können wir aber wohl beanspruchen, daß 
Dienstleistung und Entlohnung im Einklang stehen. Wir mflssen 
uns immer Vorhalten, was frommt dem Staate, was nfltzt der 
Allgemeinheit? Nur das, was im öffentlichen Interesse 
liegt und ihm dient, das darf der Medizinalbeamten¬ 
verein fordern, das muß er aber auch fordern. 

I. Prflfung fttr den ärztlichen Staatsdienst. 

Dmr Eintritt in den ärztlichen Staatsdienst ist bedingt durch 
die Ablegung einer besonderen Prüfung, wie sie in Bayern im 



Der amts&ntUcbe Dienst in Bayern. 


27 


Jahre 1876 eiogeftthrt wurde. Vor dieser Zeit war zur Anstellnng 
im Staatsdienste die von allen Medizinstndierenden gleiehmftßig 
abzulegende Prfifang genügend. 

Nach der EOnigL Verordnnoe yom 80. Mai 1848, das Stndiam der Medizia 
betreffend, war jeder, der nach der theoretischen Prüfung and einem swei- 
j&hrigen Praktikum ue Schlaßprttfang bestanden hatte, bierdarch habilitiert, 
um Zulassung zur ürztlichen Praxis in ihrem ganzen Dmfange, sowie um An« 
Stellung in der medizinisch • polizeilichen und medizinisch «forensen ^h&re des 
Staatsdienstes sich zu bewerben, ohne daB es Ton seiner Seite der Erstattung 
einer Proberelation oder der Sestehung einer besonderen Staatskonkursprttlung 
weiter mehr bedurfte. Sowohl bei der theoretischen Prüfung, als auch bei der 
SchluBprüfung wurde aus der gerichtlichen Medizin und medizinischen Polizei 
geprüft. Die EOnigL Verordnung vom 22. Juni 1858 gleichen Betreffs gestattete 
die Bewerbung ln der medizinisch •polizeilichen und medizinisch •gerichtlichen 
Sph&re nur jenen Inländern, welche in der Staatsprüfung die erste oder zweite 
Note erlangt haben und erforderte auch bei allen Aerzten die Erwerbung des 
medizinischen Doktorgrades nach bestandener Staatsprüfung. In der „Faknl* 
tätsprüfung* wurde aus der gerichtlichen Medizin nicht mehr geprüft. An 
diese Prüfung hatte sieh jedoch eine einjährige praktische Ausbildung für die 
„Staatsprüfung* anzuschlieBen. Dieses Jahr sollten die Eandidaten zum Besuche 
der Vorlesungen über fferichtliche Medizin, medizinische Polizei, Psychiatrie und 
Tierheilkunde, wenn sie dieselben noch nicht gehört haben, sowie zum Besuche 
der klinischen üniyersitätsanstalten als Praläkanten, auch zum Studium yon 
Spezialfächern benutzen; mit Genehmigung des Ministeriums war ihnen auch 
gestattet, dieses Jahr als Assistenten an größeren Eranken» oder Irrenanstalten, 
sodann au Praktikanten bei Gerichts« oder inländischen praktischen Aerzten 
zuzubringen. Die nach Ablanf des praktischen Jahres stattfindende „Staats¬ 
prüfung* erstreckte sich auf 6 Fächer, worunter die Staatsarznelkunde (gericht- 
liehe Medizin und medizinische Polizei) und Psychiatrie. Es fand eine je eine 
halbe Stande dauernde mündliche SchluBp^fung und eine je 4 Stunden wÜirende 
schriftliche Prüfung bei yerschlossenen Türen statt, wobei die Benutzung yon 
Eompendien, Eollegienheften oder sonstigen literairischen Hilfsmitteln, sowie 
wechselseitige Unterstützung der Eandidaten untersagt war. 

Die letzte Staatsprütnng alter OrdniuiE wurde im Jahre 1878 
abffehalten. Nachdem die BeichsgewerbeordnuDg in Bayern ein- 
geführt war (1. Januar 1873, bezüglich des § 29 und 147, Ziff. 8 
bereits am 1. Juli 1872) und im Vollzüge des § 29 derselben die 
Bestimmungen über die ärztliche Approbationsprüfung mit Gültig¬ 
keit für das ganze Beich vom Bandesrate erlassen waren, mußte 
auch eine Aendemng der bis dahin in Bayern gültigen Be¬ 
stimmungen über die medizinischen Prüfungen eintreten. Ins¬ 
besondere war die Zerlegung der durch die Verordnung vom 
22. Juni 1858 vorgeschriebenen und unter der Bezeichnung Staats¬ 
konkurs bekannten Schlußprüfung in zwei Prüfungen nicht zu 
umgehen. Die der Approbationsprüfung zugewiesenen Unterrichts- 
gegenstände genügten wohl für die Ausbildung zum ausübenden 
Arzte, keineswegs aber für die eines amtlichen Arztes. Bygiene 
und Psychiatrie waren zwar bei der Approbationsprfifung zu be¬ 
rücksichtigen, aber nicht in dem Umfange, wie es für die amts¬ 
ärztliche Tätigkeit notwendig war. Gerichtliche Medizin und 
Medizinalpolizei waren in der Prüfulgsordnung gar nicht berück¬ 
sichtigt. Es wurde daher für jene approbierten Aerzte, welche 
die Absicht batten, später in den Staatsdienst zu treten, eine be¬ 
sondere Prüfung eingeftthrt, welche eine Garantie bieten sollte 
für den Besitz der zu amtsärztlichen Geschäften notwendigen 
Kenntnisse und Fertigkeiten. Außerdem wurde damals noch für 



28 


Dr. Beeker. 


die Beförderang: zam Stabsarzte von den Milit&rftrzten des aktiven 
wie des beorlanbten Standes das Bestehen des Physikatsezamens 
(resp. Staatskonkarses) gefordert. 

Der Entwarf der neuen Verordnung, die Pbysikatsprflfnng 
behnfs Erlangung der Qoalifikation als Amtsarzt betreffend, nahm 
sich die im Königreich Preußen seit 1863 in Aushbung befindlichen 
Bestimmungen (ZirkularVerfügung vom 20. Februar 1863), sowie 
das mittlerweile erschienene neue preußische Reglement vom 
18. Mai 1873 zum Vorbilde, durchlief die Beratungen der ver> 
schiedenen Instanzen, zuletzt auch des erweiterten Obermedizinal¬ 
aasschusses und gewann schließlich eine feste Gestalt in der 
Eönigl. Verordnung vom 6. Februar 1876, die Prüfung für den 
ftrztlichen Staatsdienst betreffend. Prüfungsgegenstände wurden 
nicht mehr als vier aufgenommen, nämlich Hygiene, Psychiatrie, 
gerichtliche Medizin und Medizinalpolizei, ausgehend von dem 
Grundsätze, daß in denjenigen Disziplinen, welche bereits bei der 
Approbationsprflfung behandelt wurden, nicht ein zweitesmal zu 
prüfen sei. Aus den erstgenannten drei Gegenständen wurde 
schriftlich, praktisch und mündlich geprüft, aus der Medizinal¬ 
polizei nur schriftlich und mündlich. 

Die erste Prüfung nach der neuen Verordnung fand im Jahre 
1877 statt; seitdem werden regelmäßig jedes Jahr derartige Prüfun¬ 
gen abgehalten. Ein Abänderungsantrag wurde bereits im Jahre 1881 
von der pfälzischen Aerztekammer dahin gestellt, daß nach Annahme 
resp. nach Zurücklegung des postulierten fünfjährigen medizinischen 
Stadiums keine zwei- bis dreijährige Frist zur Meldung zum 
Physikatsexamen mehr beobachtet werden müsse, sondern dassdbe 
schon nach einjähriger weiterer Ausbildung abgelegt werden könne. 
Nach dem hierauf ergangenen Ministerialbescheid sollte dieser 
Antrag erst dann in Betracht gezogen werden, wenn das fünf¬ 
jährige medizinische Studium vorschriitsmäßig geworden sei. Im 
Jahre 1901 griff die pfälzische Aerztekammer den Gegenstand 
nochmals auf und beantragte, daß die Zulassung zur Prüfung für 
den ärztlichen Staatsdienst in Zukunft schon unmittelbar nach 
dem praktischen Jahre gewährt werden möge. Trotz guter Moti¬ 
vierung fand auch dieser Antrag nicht die Genehmigung der Staats¬ 
regierung. Inhaltlich des Ministerialbescheides vom 3. August 1902 
konnte er als sachförderlich nicht erachtet werden. In einer 
kleinen Abhandlung über die Anstellungsverhältnisse der bayeri¬ 
schen Amtsärzte im Jahre 1901 (Bayer, ärztl. Eorrespondenzblatt, 
1902, Nr. 5) wurde darauf hingewiesen, daß unter den geänderten 
Verhältnissen eine Revision der Verordnung über die Prüfung für 
den ärztlichen Staatsdienst notwendig sei. Im Jahre 1904 und 
noch schärfer im vorigen Jahre erschienen sowohl in der Münchener 
medizinischen Wochenschrift,* als auch, was nicht am Platze war, 
in der öffentlichen Tagespresse mehrere Artikel, welche neben 
sachlichen Beanstandungen und einzelnen Abänderungsanträgen 
auch Angriffe persönlicher Art gegen einzelne Examinatoren ent¬ 
hielten. In einem größeren Schriftoatz wandte sich Herr Stadtarzt 
Dr. Stark-Fürth an die bayerischen Aerztekammem, die in 



Der unts&rztUche Bieut iz Bsyors. 


29 


mehrfacher Richtung AbändernngsvorschlSge machten. Der vor 
knrzem ergangene Ministerialbescheid teilte mit, daß diese An¬ 
träge in Instruktion begriffen seien, und wie Terlautet, wurden 
bereits von mehreren Seiten Gutachten hierüber eingeholt. 

Für den Bayerischen Medizinalbeamtenverein entfällt eine 
Stellungnahme zu den von anderer Seite vorgebrachten persün- 
Behen Beschwerden; er kann sich nur in eine sachliche Besprechung 
einlassen. Es wird wohl auch Ihre Meinung sein, daß es 
sieh nicht darum handeln darf, die Prüfung zu erleichtern, sondern, 
daß eher entsprechend den erhöhten Anforderungen auf allen Ge¬ 
bieten des amtsärztlichen Dienstes ein größeres Maß von Kennt¬ 
nissen zu verlangen sei. Jedes Staatsexamen verfolgt ja den 
Zweck, der Staatsregierung die Auswahl der tüchtigeren Kräfte 
unter der großen Zahl von Bewerbern zu erleichtern. Es kann 
auch nicht unsere Aufgabe sein, einen vollständigen Entwurf zu 
einer neuen Verordnung anszuarbeiten, sondern nur, die einzelnen 
Punkte zu bezeichnen, in denen eine Abänderung der bisherigen 
Bestimmungen für zweckmäßig nnd wünschenswert gehalten wird. 

Bevor in eine Besprechung der einzelnen Leitsätze ein¬ 
getreten wird, sei zunächst die Frage aufgeworfen, ob überhaupt 
eine besondere Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst als not¬ 
wendig zu erachten sei. Eine solche fehlt ja in mehreren deut¬ 
schen Bundesstaaten. So kann in dem Herzogtum Sachsen- 
Altenburg, den Fürstentümern Schaomburg-Lippe, Schwarz¬ 
burg-Sondershausen, Schwarzbnrg-Rudolstadt, Reuß ältere und 
jüngere Linie, sowie in der freien Hansestadt Lübeck die 
Anstellung der Medizinalbeamten ohne besondere staatsärztliche 
Prüfung erfolgen, es wird jedoch auf das Bestehen einer 
solchen in Preußen oder in einem anderen deutschen Bundes¬ 
staate Wert gelegt. Auch ein höherer bayerischer Medizinal¬ 
beamter sprach sich vor Jahren im Interesse der Einheit des 
medizinischen Studiums und des ärztlichen Standes dafür ans, 
daß man weder für die Spezialärzte, noch für die Anwärter auf 
Staatsdienst besondere Examina statuiere. Er verlangte gleiche 
gründliche und entsprechend lange Vorbildung für alle Aerzte 
und gleiche Examina; die Scheidung könne später beginnen, der 
Staat möge sich die für seine Zwecke tauglichen aus der Zahl 
der gleich gebildeten und weiterhin sich bewährenden Aerzte 
heraussuchen.^) Diese Anschauung ist auch vertreten in der 
Dienstanweisung für die fürstlichen Bezirksphysiker in Schwarz- 
bnrg-Rudolstadt vom 3. Februar 1884,*) nach welcher die Physiker 
bisher immer aus der Zahl der Aerzte ausgewählt wurden, welche 
besonderes Vertrauen der Regierung genossen. Schwarzburg- 
Rudolstadt hat unter 44 Aerzten einen vertragenden technischen 
Rat im Ministerium, der gleichzeitig für einen Bezirk die Geschäfte 
des Physikns versieht, und 4 Physiker. Da ist die Auswahl der 
richtigen Persönlichkeit wohl nicht so schwierig; da läßt sich ein 


1) Dr. Demutb, Festrede beim COjäbrigeu Jubiläum des Vereins pfäbd- 
sober Aerzte. Vereinsblatt der pfälzischen Aerzte; 1899, 8.197. 

*) Guttstadt, Deutschlands Gesundheitswesen; Bd. 1, 8.256. 



30 


Dr. Beeker. 


praktischer Arzt in Aafang^sstellaDgen beschäftigfen und erproben, 
ehe man ihm die wichtige Stellnog des Physikas überträgt. Wie 
soll man aber in einem großen Bandesstaate die Befähigung der 
Anwärter für den ärztlichen Staatsdienst anders feststellmi, als 
durch eine besondere Prüfung? Das Vertrauen anf die Persönlich* 
keit allein könnte gar manchmal zu Enttäuschungen führen, wmin 
es nicht begründet ist auf dem positiven Nachweis der besonders 
erforderlichen Kenntoisse nnd Fertigkeiten. In Bayern haben wir 
außer dem lledizinalreferenten beim Staatsministerinm des Innern 
und den 8 Ereismedizinalräten, 29 Landgerichtsärzte nnd 168 Be¬ 
zirksärzte I. Klasse, außerdem 1 Bezirksarzt II. Klasse and 104 
bezirksärztliche Stellvertreter. Es ist doch nicht möglich, alle 
die Posten bei den äußeren Behörden nur auf Grund des persön¬ 
lichen Vertrauens zu besetzen. In sehr vielen Fällen wird die 
Regierung den Bewerber gar nicht zur Genüge kennen; sdbst 
wenn die Kreismedizinalaasschüsse die größte Sorgfalt an den 
Tag legen, könnten doch leicht Mißgriffe verkommen. Auch 
das würde nicht genügen, daß man die alljährliche Qualiükation 
auf sämtliche Praxis ausübende Aerzte, nach dem letzten Sche¬ 
matismus 8096, aasdehnen würde. 

Ganz abgesehen von diesen formalen Schwierigkeiten schließt 
das Bestehen der ärztlichen Approbationsprüfuog für sich allein 
noch nicht die Tauglichkeit zum amtsärztlichen Dienste in sieh, 
da die speziellen Kenntnisse, welche die Amtsärzte, sowohl die 
Landgerichtsärzte als auch die Bezirksärzte, in ihrem Berufe 
brauchen, während der Universitätszeit nicht in dem erforderlichen 
Maße gelehrt und erworben werden können. Es hat allerdings 
die neue Prüfungsordnung vom 28. Mai 1901 mit Rücksicht auf 
die Bedürfnisse aller Aerzte die Anforderungen in einzelnen, hier 
einschlägigen Punkten erhöht: Während nach der früheren Prü^gs- 
ordnung vom 2. Juni 1883 die Fähigkeit in der Erkenntnis und 
Beurteilung der Geisteskrankheiten nur gelegentlich der 
Krankenbesuche bei der medizinischen Prüfung nachzuweisen war, 
ist jetzt unter den Zulassangsbedingungen zur Approbationsprüfung 
der Besuch einer psychiatrischen Klinik als Praktikant vorgeschrie¬ 
ben ; ausserdem ^det eine besondere Prüfung in der Irrenheilkunde 
statt. Bei dieser an einem Tage zu erledigenden Prüfunghat der Kan¬ 
didat einen Geisteskranken zu untersuchen, die Anamnese, Diagnose 
und Prognose des Falles, sowie den Heilplan iestzustellen, den Befand 
sofort in ein Protokoll aufzunehmen und hierauf in einer münd¬ 
lichen Prüfung auch an anderen Kranken nachzuweisen, daß er 
die für einen praktischen Arzt erforderlichen Kenntnisse in der 
Irrenheilkunde besitzt; abweichend von der medizinischen Prüfung 
wird ein kritischer Bericht über den Krankheitsfall und ein 
weiterer Besuch des Kranken nicht gefordert. In der Hygiene 
wurde der Kandidat früher über zwei Aufgaben aus diesem Ge¬ 
biete und über die Schutzpockenimpfung einschließlich der Impf¬ 
technik und des Impfgeschäftes mündlich geprüft. Jetzt hat er 
in einer mündlichen Prüfung nachzuweisen, daß er sieb die für 
einen praktischen Arzt erforderlichen Kenntnisse in der Hygiene 



Der •mtslntiiehe Dienst in Bayern. 


di 


erworben, eich mit den wiehtigeren hygienischen nnd insbesondere 
Mch bakteriologischen Untersnehnngsmethoden, sowie mit den 
Gnindsfttzen nnd der Technik der Schntzpockenimpfong vertrant 
gemacht hat, anch die erforderlichen Kenntnisse Über Gewinnnng 
nnd Erhaltnng der Lymphe besitzt. Die gerichtliche Me¬ 
dizin war in der früheren Prüfnngsordnnng gar nicht berück¬ 
sichtigt; nach der nenen wird die Teilnahme an einer Vorlesnng 
gefordert, ansserdem sind bei den einzelnen Prüfnngsfächem anch 
ihre Beziehnngen znr gerichtlichen Medizin, soweit solche vor¬ 
handen, niidit nnberücksichtigt zn lassen. 

Wenn somit anch die Anfordernngen an die Kenntnisse des 
approbierten Arztes in diesen Punkten erhöht worden sind, so 
kann dies doch nicht genügend erscheinen für die Bedürfnisse des 
amts&rzüichen Dienstes. Schon das organische Edikt vom Jahre 
1808 forderte von den Gerichts&rzten »weit mehrere ids bloß prak¬ 
tische Kenntnisse, worüber sich dieselben vor ihrer Anstellnng 
durch eine Konknrsprüfnng notwendig answeisen müssen.* Bei 
der anßerordentlichen Bedentnng der amtsärztlichen Gntachten 
im Irrenwesen, sowohl in der Sphäre des Straf- nnd Zivilrechtes, 
als anch des Polizeirechtes, nnd bei den hohen Anfordernngen, die 
behnfs gedeihlicher Dnrchfühmng des öffentlichen Gtosnndheitswesens 
an die Amtsärzte zn stellen sind, müssen für dieselben weitaus 
größere Kenntnisse in der Hygiene nnd Irrenheilknnde ge¬ 
fordert werden, als sie »für einen praktischen Arzt erforderlich* sind. 
Zn vermissen ist anch, daß in der Hygiene weder die Teilnahme 
an einem praktischen Kurse noch die Ablegnng einer praktischen 
Prüfung verlangt wird; die einschlägigen Untersnchnngsmethodmi 
sollen nicht nnr gekannt sein, sondern anch vorgemacht werden 
können. Bei der gerichtlichen Medizin erscheint als un¬ 
genügend, daß die Teilnahme an einem gerichtsärztlichen Kurse 
nicht gefordert wird nnd eine eigene Prüfung in diesem Fache 
überhaupt nicht stattflndet. Die Medizinalpolizei schließlich ist 
in der Approbationsprüfnng gar nicht berücksichtigt; die Teilnahme 
an einer Vorlesnng ist nicht obligatorisch, die Vorlesungen über 
Medizinalpolizei nnd Gewerbehygiene werden ans Mangel an 
Zeit nnd Interesse von den Studierenden ganz wenig besucht nnd 
Lehrstühle für soziale Medizin sind bisher ein frommer Wunsch 
geblieben. 

Sie werden also, m. H., wohl anch die Ansicht teilen, 
daß die Anstellnng im amtsärztlichen Dienste anch 
Jetzt noch das Bestehen einer besonderen Prüfung 
für den ärztlichen Staatsdienst erfordert. 

Es ließe sich hier gleich die Frage anknüpfen, ob nicht für 
das Physikatsezamen innerhalb Deutschland sich eine Art Frei¬ 
zügigkeit einführen ließe in der Weise, daß die einzelnen 
Bundesstaaten die in anderen erworbenen Prüfnngszengnisse gegen¬ 
seitig als gültig anerkennen. Dies könnte vielleicht wünschens¬ 
wert erscheinen, nm in der Wahl des Ortes der Niederlassung 
innerhalb Deutschland nicht so beschränkt zn sein; es hat 
sieh der Mangel einer solchen Uebereinknnft unter den deutschen 



38 


Dr. B«ek«r. 


Bandesstaaten auch fflr einzelne bayerische Aerzte fühlbar ge¬ 
macht, denen sich bald nach Ablei^ng des Physikatsezamens eine 
gnte Stelle n&her oder weiter jenseits der Grenze bot and die 
sp&ter ihre gate Position nicht anfgeben wollten, von dem baye¬ 
rischen Physikatsezsmen dort aber keinen Nutzen hatten. Dabei 
ist jedoch sehr za bedenken, daß der Vorteil, den einzelne baye¬ 
rische Aerzte rielleicht einmal von der gegenseitigen Anerkennnng 
der ärztlichen Staatsprüfung haben könnten, sich für die Mehrheit 
sofort dadurch mehr als aasgleichen würde, daß dann auch Aerzte 
mit einem anderwärts bestandenen Pbysikatsexamen eine Anstellang 
im bayerischen Medizinaldienste anstreben könnten nnd damit die 
ohnedies nicht günstigen Aussichten noch verschlechtern würden. 

Zugunsten einer Freizügigkeit lii^ße sich aach anführen, daß 
die praktische Anwendung der im Physikatsexamen nachgewiesenen 
Kenntnisse in der Hygiene, der Psychiatrie and der gerichtlichen 
Medizin fast in ganz Deutschland nahezu die gleiche ist. Es sind 
überall so ziemlich die nämlichen Fragen, die in der Praxis an 
den gerichtlichen Sachverständigen and den Gesundheitsbeamten 
herantreten and wissenschaftlich von ihm za beantworten sind. 
Verschieden in den einzelnen Bandesstaaten sind lediglich die 
Aasführangsbestimmangen zu Reichsgesetzen, die Organisation des 
Medizinalwesens and die landesgesetzlicben Vorschriften auf dem 
Gebiete der Gesandheitspolizei. Es brauchten sich also bei Ein¬ 
führung der Freizügigkeit die einzelnen Bandesstaaten lediglich 
vorzubehalten, daß eventaell in diesem Fache eine gesonderte 
Prüfung nachträglich abznlegen sei. 

In der Praxis dagegen würde die Freizügigkeit sicher große 
Schwierigkeiten ergeben, schon wegen der Qualifikation der An¬ 
wärter aaf den Ärztlichen Staatsdienst. Selbst wenn jemand in 
Bayern das Pbysikatsexamen bestanden, dann aber 12—15 Jahre 
lang in einem anderen Bundesstaate ärztliche Tätigkeit aasgeübt 
hat, könnte er doch nicht gut beanspruchen, daß er anbesehen 
übernommen and mit seinen gleichalterigen Kollegen in einer Reihe 
rangiert wird. Noch giößer sind natürlich die Schwierigkeiten, 
wenn ein Arzt in Bayern weder die Staatsprüfung abgelegt, noch 
seinen Bern! aasgeübt hat. Er ist nicht nur den Staatsbehörden 
völlig anbekannt, er besitzt auch von vielem keine Kenntnis, die 
für eine amtliche Anstellung unbedingt erforderlich ist. Die ärzt¬ 
liche Tätigkeit vor der Aastellung soll ja doch mit daza dienen, 
einen Einblick in die überall verschiedenen Organisationen des 
Medizinalwesens and ein Vertraatsein mit allen einschlägigen Ver¬ 
hältnissen za schaffen. Daß bei der amtlichen Anstellung die 
Staatsangehörigkeit des betreffenden Bandesstaates erworben 
werden muß, ist mehr eine formale Sache. 

Bezüglich der gegenwärtigen Lage der Verhältnisse wurde 
bereits oben bemerkt, daß einzelne kleinere Bandesstaaten zor An- 
stellong als Amtsarzt ein besonderes Examen überhaupt nicht 
fordern. Andere besitzen keine eigenen Prflfangsbehörden hierfür 
and verlangen den Nachweis des Bestehens in einem anderen 
Bandesstaate, so Cobnrg • Gotha, Waldeck-Pyrmont, Hamborg, 



Der amtsärstUche Dienst in Bayern. 


33 


die Ablegung des preußischen Physikatsexamens. Elsaß*Lothringen 
hat zwar 1885 besondere Vorschriften über die Abhaltung von 
Kreisarztprttfungen eingefhhrt, es wird aber auch das Bestehen einer 
staatsärztlichen Prüfung in einem anderen deutschen Bundesstaate 
als gültig für die Anstellung anerkannt. Alle größeren Bundes¬ 
staaten haben jedoch eigene Prüfungsbehörden und besondere 
Prüfungs-Vorschriften. Da diese im allgemeinen auf gleichen 
Grundsätzen beruhen und mehr nur in Einzelheiten, so bezDg- 
lieh der Teilnahme an gerichtlich-medizinischen und psychia¬ 
trischen Kursen, voneinander abweichen, ließe sich die für eine 
Freizügigkeit notwendige Voraussetzung, daß dieses Examen in 
allen Bundesstaaten nach einheitlichen Grundsätzen abgehalten 
wird, ohne besondere Schwierigkeiten erfüllen. 

Wie weit bisher bei einem Verzüge in einen anderen Bundes¬ 
staat auf dem Wege des Dispenses eine Erleichterung gewährt 
wurde, darüber ist nichts bekannt,^) ebensowenig wie weit gegen¬ 
wärtig die bayerische Staatsregienmg in dieser Frage entgegen- 
kommen würde. Bei der seinerzeitigen Beratung des verstärkten 
Obermedizinalansschusses im Jahre 1875 erklärte der damalige 
Staatsminister Herr v. Pfenfer, er könne die angeschnittene 
Frage nicht prinzipiell beantworten, hier müsse vielmehr die Ent¬ 
scheidung von Fall zu Fall Vorbehalten werden; im allgemeinen 
werde kein Grund dagegen bestehen, einen preußischen Arzt, 
welcher dort die gleiche Vorbedingung erfüllt habe, nach Bayern 
herüber zu nehmen. 

Auf Analogien in anderen Sparten des Staatsdienstes Ifißt 
sich nicht verweisen, da für alle diese in jedem Bundesstaate 
eigene Staatsprüfungen abgehalten, die Landesprüfnngen nur beim 
Eintritt in den Reichsdienst als gültig anerkannt, und — abge¬ 
sehen von den Universitätsprofessoren — die Beamten nicht 
gegenseitig übernommen werden. 

Ans diesen Gründen ist für heute von einem speziellen An¬ 
träge in dieser Richtung abgesehen; es mag der Zukunft 
überlassen werden, ob einmal zwischen den deutschen Bundes¬ 
staaten Vereinbarungen über die Freizügigkeit oder wenigstens 
über einheitliche Normen für das Physikatsexamen getroffen werden. 
Es sollte nur das Für und Wider in dieser Frage berührt werden. 
Vielleicht beschäftigt sich einmal der Deutsche Medizinalbeamten- 
Verein damit, wenn er ein Bedürfnis dafür als vorliegend er¬ 
achten sollte. 

Es ist von einzelnen Seiten angeregt worden, gesonderte 
Prüfungen für Gerichtsärzte und Verwaltnngsärzte 
einznführen. Dem konnte jedoch nicht beigepflichlet werden. Bei 
der Ablegung des Physikatsexamens ist den meisten noch ganz 
ungewiß, in welche Laufbahn sie später hiueinkommen und für 
welche sie ein größeres Interesse besitzen. Die Trennung beider 
Sparten des amtsärztlichen Dienstes läßt sich überhaupt nicht 


1) In Mecklenburg* Strelitz kann auf Nachweis anderwärts bestandener 
PhysikatsprUfung landesherrliche Dispensation erteilt werden. 


3 



84 


Dr. Becker. 


vollständig dnrchftthrei). Wie wir später sehen werden, wird 
lediglich der ärztliche Dienst bei den Landgerichten selbständig 
heransgelöst werden können. Die Bezirksärzte haben auch den 
ärztlichen Dienst an den Amtsgerichten zu versehen nnd die be¬ 
zirksärztlichen Stellvertreter sind sowohl mit gerichtsärztüchen, 
als auch verwaltnngsärztlichen Aufgaben betraut. Außerdem 
haben sich auch die Landgerichts- und Bezirksärzte während des 
Urlaubs gegenseitig zu vertreten. So wie die Juristen den gleichen 
Staatskonknrs ablegen, ob sie nnn später in die Justiz oder in 
die Verwaltung eintreten, so muß daher auch jeder Amtsarzt auf 
dem ganzen Gebiete der Staatsarzneikunde bewandert sein. 

Ob die Promotion bei der Zulassung zum Physikatsexamen 
gefordert werden solle, darüber wurde in der Sitzung des er¬ 
weiterten Obermedizinalausschusses 1875 lange debattiert Die 
gegenteiligen Ansichten blieben weit in der Minderheit and die 
Vererbung bestimmte dann, daß nur „gehörig promovierte" Aerzte, 
d. h. solche, die auch eine Dissertation verfaßt haben, sich melden 
können. Ein Gleiches ist auch in den übrigen deutschen Bundes¬ 
staaten mit Ausnahme von Württemberg und Baden gefordert. 

Wer mit den einschlägigen Verhältnissen näher vertraut ist, 
weiß, daß die Zulassung zur ärztlichen Praxis allein von der 
Approbation abhängt, der Doktortitel dazu gar nicht notwendig 
ist und keine besondere Berechtigung verleiht. Das große Publikum 
ist jedoch darüber nicht so orientiert und erblickt in ihm den 
Beweis höherer wissenschaftlicher Ausbildung nnd Mehrkönnens; 
es hat sich daran gewöhnt, nicht nur jeden Arzt als „Doktor* 
anznreden, sondern auch diesen Titel bei ihm wirklich voranszn- 
setzen; es fällt ihm auf, wenn er bei einem Arzte fehlt. Gesetz¬ 
liche Bestimmungen sollen nun gewiß nicht unzutreffende Auf- 
fässungen des Publikums unterstützen, können sie aber doch auch 
nicht unberücksichtigt lassen. Ein nicht promovierter Arzt läuft 
Gefahr, bei der Bevölkerung, aber auch bei Behörden nicht als 
vollwertig zu gelten; deshalb kann, solange die Aerzte selbst 
mit verschwindenden Ausnahmen schon für die Privatpraxis die 
Erwerbung dieses teueren Titels für nötig halten, auch für die 
Amtsärzte im Interesse ihres Ansehens auf dieses Attribut nicht 
gut verzichtet werden. 

Bezüglich der Zeit der Zulassung bestimmen die baye¬ 
rischen Prttfungsvorschriften, daß diese frühestens zwei Jahre 
nach der Approbation erfolgt. Ein gleicher Mindestzwischenranm 
ist auch in den übrigen Bundesstaaten vorgeschrieben, für die mit 
Note III Approbierten in Preußen sogar drei Jahre. Nach der 
anderen Seite ist keine Grenze gezogen nnd zuweilen wird das 
Physikatsexamen noch in späteren Jahren nacbgeholt, um bei einer 
sich bietenden öffentlichen Stellung nicht von der Bewerbung aus¬ 
geschlossen zu sein. In der Kegel jedoch wird es gleich in den 
ersten Jahren nach der Approbation abgelegt, weil die auf der 
Universität erworbenen Kenntnisse noch fester sitzen, das schul- 
mäßige Lernen, die vielen Vorlesungen nnd Kurse noch leichter 
fallen nnd das Interesse noch nicht durch so viele andere Om- 



Der amtsärztliche Dienst in Bayern. 


36 


stände abgezogen ist. Es hat anch der verstorbene Herr Geheimrat 
Dr. y. Eerschensteiner festgestellt, daß die Gftte der Noten 
nahezn gleichen Schritt hält mit der Bntfemnng des Kandidaten 
von der Approbationsprflfang; je nähw derselben, desto besser das 
Ergebnis. 

Dieser zweijährige Zwischenranm gab schon bisher zn be¬ 
rechtigten Klagen Anlaß und wird dies in Zaknnfb noch mehr tnn. 
Die Prflfangsordnnng fhr Aerzte vom 28. Mai 1901 hat das medi¬ 
zinische Stadium anf 10 Semester verlängert; mit dem Semester 
für die Approbationsprttfnng nnd dem praktischen Jahre belänft 
sich somit die Studienzeit fttr jeden auf mindestens 13 Semester 
und, wer noch sein zweites Halbjahr als einjährig-freiwilliger 
Arzt abzuleisten hat, braucht volle 7 Jahre. Die meisten sind 
dann genötigt, nach den großen Ausgaben der Stadentenjahre sich 
nun endlich Stellung und Einkommen zu erwerben und sehnen 
sich auch sonst nach einer selbständigen Tätigkeit; sie können 
sich nicht mehr so häufig wie in früheren Jahren den mäßig 
dotierten, aber der weiteren Ausbildung forderlichen Assistenten¬ 
stellen zuwenden — das beweist der mancherorts empfundene 
Assistentenmangel — und lassen sich zur Praxis nieder. Und 
nun soll derjenige, der fftr eine spätere Staatsanstellang Interesse 
hat und sich die Anwartschaft hierauf durch Ablegung des Physi- 
katsezamens sichern wül, nach zwei Jahren wieder auf mehrere 
Monate aus seiner Tätigkeit heransgerissen werden. Die erst 
mflhsam erworbene und eben in der Entwicklung begriffene Praxis 
muß einem Vertreter fiberlassen werden; einen geeigneten zn finden, 
hält aber oft schwer, so daß diese Frage allein Sorgen nnd Ver¬ 
droß genug bringt. Mancher hat sich schon Hausstand und Fa¬ 
milie gegrbidet und verläßt schweren Herzens Hans und Hof. 
Erkrankungsfälle in der eigenen Familie, besondere Vorkomm¬ 
nisse in der Praxis rufen manchen nach Hanse, bedingen eine 
Unterbrechung des Studiums auf einige Zeit oder verhindern gar 
die weitere Teilnahme an den Kursen und der Prfifong. Die 
Praxis nnd das Einkommen erleiden jedenfalls auch im besten 
Falle eine erhebliche Einbuße. Die Ausgaben eines außerhalb 
Mfinchen wohnenden Arztes fflr das Physikatsexamen berechnen 
sich auf mindestens 2500 bis 8000 Mark. 

Da läßt sich doch die Frage aufwerfen, ob sich das Pbysi- 
katsexamen nicht frfiher aoberanmen, am besten nnmittelbar an 
das praktische Jahr anschließen läßt. Wer es aus irgendwelchem 
Grunde später noch machen will, dem könnte das unbenommen 
Meiben, aber die meisten derer, die sich diesem Examen noch 
nnterziehen wollen, wfirden herzlich froh darum sein, wenn sie 
ihren Stndiengang in einem Zuge vollständig abschließen könnten 
und auch die letzte Prfifung hinter sich hätten, ehe sie sich eine 
selbständige Stellung grfinden. Es würde ihnen das Examen 
leichter fallen, nicht mit so vielen Sorgen, Aufregungen und Ans¬ 
lagen verbunden sein und wenn sie dann, mit sämtlichen Zeug¬ 
nissen aasgestattet, ihre eigene Tätigkeit beginnen, können sie 
derselben auch ihr ganzes Interesse zuwenden und brauchen nicht 

3* 



36 


Dr. B«eker. 


za besorgen, bald wieder fdr längere Zeit heransgerissen zu 
werden. 

Vergeblich sucht man nach triftigen Gründen, aus welchen 
die Bundesregierungen die Wartezeit eingeführt haben. Jedenfalls 
taten sie es nicht, um die Leistungen des jungen Arztes zunächst 
zu erproben und davon die Zulassung zur I^fung abhängig zu 
machen. In Bayern werden die nicht pro physicatn geprüften 
Aerzte nicht qualifiziert und die Regierung fragt überhaupt gar 
nicht darnach, was der junge Arzt in diesen beiden Jahren ge¬ 
trieben hat, ob er an einer Klinik als Assistenzarzt tätig war, 
Vertretungen annahm, als Schiffsarzt Weltreisen machte oder schon 
eine eigene Praxis begründete. Zugelassen wird jeder, der sich 
meldet. Preußen verlangt wenigstens noch einen eigenhändig 
geschriebenen Lebenslauf, in welchem auch die Beschäftigung nach 
Erlangung der Approbation darznlegen ist, und hat sich eine Ent¬ 
scheidung über die Zulassung Vorbehalten. Soll die Wartezeit 
dazu dienen, durch Erschwerung der Prüfung eine Siebung unter 
den zahlreichen Aerzten vorzunehmen, und alle, die besondere 
Opfer an Zeit und Mühe nicht bringen wollen oder können, von 
vornherein auszuschließen, so verfehlen sie ihren Zweck; denn auch 
manche für den Staatsdienst vorzüglich geeignete Kraft wird auf 
diese Weise bei Seite geschoben. Soll sie eine Vorsichtsma߬ 
regel dafür bilden, daß £e Anstellung als Amtsarzt nicht zu früh 
erfolgt und ihr mehrere Jahre ärztlicher Tätigkeit vorausgegangen 
sein sollen, so ist dies dadurch gegenstandslos geworden, daß die 
Anstellungen durchschnittlich erst 13—15 Jahre nach dem Phyai- 
katsezamen erfolgen. Ist endlich eine Wartefrist etwa deswegen 
angesetzt, weil sonst die in den Vorbereitnngsknrsen erworbenen 
Kenntnisse bis zur Anstellung wieder verschwitzt sind, so müßte 
man das Physikatsezamen noch 10 Jahre später oder unmittelbar 
vor der Anstellung anberaumen. Das wäre natürlich eine noch 
viel größere Härte und Belastung als bis jetzt. 

Die besonderen Kenntnisse in der Staatsarzneikunde sollen 
überhaupt nicht erst bei der Anstellung als Bezirksarzt oder 
Landgerichtsarzt verwertet werden können, sondern bereits bei 
der Tätigkeit als praktischer Arzt, bei der so vielfache Berührungen 
mit der gerichtlichen Medizin, dem öffentlichen Gesundheitswesen 
und der sozialen Versicherungsgesetzgebung vorhanden sind. Je 
besser ein Arzt in diesen Gebieten ansgebildet ist, um so mehr 
wird er den vielseitigen Anforderungen entsprechen können und 
es werden dann die Klagen über ein ungenügendes Verständnis 
der Aerzte für diese Fragen allmählich mehr und mehr ver¬ 
schwinden. Von diesem Standpunkte aus hätte die Staatsregierung 
sogar ein Interesse daran, wenn möglichst viele Aerzte das Physi- 
katsezamen ablegen oder vielmehr sich die in demselben ge¬ 
forderten Kenntnisse aneignen. 

Vermutlich wurde die zweijährige Wartezeit mit Rücksicht 
auf das frühere Biennium practicum fratgesetzt. Sonst könnte 
man als Grund für ihre Beibehaltung nur den gelten lassen, den 
jungen Arzt zunächst einen Blick in das Leben werfen zu lassen. 



Der «mteirztliche Dienst in Bayern. 


37 


ihn aus der Theorie der Studienzeit und der Klinik einmal in die 
Praxis zu versetzen und ihn mit den Verhältnissen derselben ver¬ 
trant zu machen. Kehrt er dann nach 2 Jahren zum Physikats- 
ezamen wieder, so hat er sich srewisse brauchbare Erfahrungen 
gesammelt, bringt auch ein größeres Interesse und Verständnis 
für die Gebiete der Staatsarzneiknnde mit, als wenn er frisch von 
der Universität kommt und das Bedürfnis zu einer besonderen 
Ausbildung in diesen Sparten noch nicht am eigenen Leibe ver¬ 
spürt hat. Dieser Zweck ließe sich aber viel besser und gründ¬ 
licher erreichen durch eine Abänderung der BestimmuDgen über 
das praktische Jahr, indem dieses auch bei vielseitig beschäftigten, 
praktischen und amtlichen Aerzten abgeleistet werden dürfte; dies 
würde den Gesichtskreis des jungen Arztes viel mehr erweitern 
und ihn für die spätere Selbständigkeit besser vorbereiten. 

Es besteht daher kein berechtigter Anlaß mehr, die zwei¬ 
jährige Wartezeit auch künftig beizobehalten, und es dürfte in 
jeder Beziehung der Wunsch gerechtfertigt erscheinen, daß die 
Zulassung zur ärztlichen Staatsprüfung gleich nach 
Abschluß des praktischen Jahres bezw. Erteilung der 
ärztlichen Approbation gestattet werden möge. 

Den ersten Abschnitt des Physikatsezamens bildet die 
schriftliche Prüfung. Bei derselben sind zwei wissenschaft¬ 
liche Arbeiten zu liefern, die aus den 4 Prüfungsfilchem durch 
Auslosung der alljährlich gestellten Aufgaben bestimmt werden. 
Es wurde bisher bemängelt, daß die gegebenen Themata sehr 
ungleichwertig sind, bald rascher bearbeitet werden können, bald 
aber auch ein sehr zeitraubendes und eifriges Studium erfordern, 
und deshalb vorgeschlagen, allen Prüfungskandidaten die gleichen 
Aufgaben zu stellen. Es zeigte sich auch, daß schon die äußeren 
Verhältnisse von sehr großem Einfluß für die verschiedene Güte 
der Arbeiten sind. Wer in einer ünivei*sitätsstadt wohnt und 
gute Bibliotheken zur Verfügung bat, der tut es mit der Zu¬ 
sammenstellung der Literatur viel leichter als ein Arzt draußen 
auf dem Lande, der von einer Buchhandlung gerade das Not¬ 
dürftigste für seine Aufgaben erhält und die fehlenden Bücher und 
Zeitschriften sich einzeln nachkommen lassen muß; sich auf mehrere 
Wochen von der Praxis freimachen, um ungestört den literarischen 
Studien nachgehen zu können, erfordert neue große Opfer, die 
nicht jeder bringen kann. Weiterhin wurde unangenehm emp¬ 
funden, daß die schriftlichen Aufgaben gerade in den Winter¬ 
monaten zu erledigen sind, wo der Krankenstand am höchstmi 
ist, die Witterungs- und Wegeverhältnisse am schlechtesten, so 
daß der Arzt für seine Arbeiten nicht die rechte Muse findet und 
oft erst ermüdet am Abend ein paar Stunden dafür herausschlagen 
kann. Es ist deshalb gewünscht worden, den Termin für die 
Znlassnngsgesnche und die Ausgabe der Prüfungsarbeiten schon zu 
einer früheren Zeit des Jahres anznsetzen, so daß die ruhigere Zeit 
des Sommers und Herbstes für die Ausarbeitung zur VerfÜpncmg steht. 
Auch machte sich unliebsam bemerkbar, daß die Kandidaten erst 
kurz vor der praktischen Prüfung davon Kenntnis erhielten, ob ihre 



38 


Dr. Beoker. 


schriftlichen Arbeiten den Anforderongen genflgten. Wenn jemand 
erst am Schlnsse der Vorbereitnngsk^e davon verständigt wird, 
daß dieselben oder auch nur eine davon als nngenfigend befanden, 
nnd er deshalb von den weiteren Prftfangsabschnitten znrflck- 
gewiesen sei, so lag darin eine außerordentliche Härte; Zeit and Mflhe 
sind umsonst anigewendet, nnd wegen der Wahrscheinlicbkeit des 
^ekanntwerdens bleiben Verstimmungen nicht ans. In den beiden 
letzten Jahren worden deshalb die J^ndidaten etwas frtther, aber 
immer noch mitten in den Vorbereitnngskursen verständigt. Dem 
Wunsche, allen Kandidaten die gleichen schriftlichen Prfifungs- 
arbeiten zuzuweisen, stehen jedenfalls große Bedenken entgegen. 
Sonst aber verdienen die eben genannten Punkte eine Berflck- 
sichtigung nnd auch eine Abänderung in dem angeregten Sinne, 
wenn ttberhaupt die schriftlichen Prfijfungsan^aben auch kttnftig 
beibehalten werden sollen. 

Hoch darf der Wert derselben gewiss nicht bemessen werden. 
Nnr selten wird einmal der Fall Vorkommen, daß ein Kandidat 
eigene Erfohmngen mit heranziehen oder selbständige Beobach* 
tnngen anstellen kann; in der Regel wird es sich nnr um rein 
literarische, kompilatorische Arbeiten handeln, nnd das einzige, 
was man aus ihnen ersehen kann, ist das, ob jemand Fleiß anf- 
gewendet hat, um die vielfach zerstreute Literatur dnrchzusnchen 
und zu sammeln, und ob er die Fähigkeit besitzt, das gefundene 
Material zn sichten nnd zu einer verständigen, abgerundetmi 
Schrift zusammenznfassen. Sie kommen also nochmaligen Disser¬ 
tationen gleich. In der späteren Amtsprazis werden solche theo¬ 
retische Arbeiten niemals von dem Amtsärzte gefordert werden. 
Auch der Gewinn, den der Kandidat fftr sich ans der Bearbeitong 
der einzelnen Aufgaben zieht, ist nicht so hoch einznschätzen; 
die darauf verwendete Zeit ließe sich viel besser zur Vorbereitung 
in dem gesamten Fach benutzen. Für die Benrteilnng seiner 
Gewandtheit in schrifdichen Arbeiten bietet sich bei der prakti¬ 
schen Prüfung und noch mehr bei den Vorbereitungsknrsen Gie- 
legenheit. Es dürften daher die beiden schriftlichen 
Prüfungsarbeiten künftig in Wegfall kommen. 

Zwischen dem schriftlichen nnd praktischen Prüfungsabschnitt 
schieben sich die Vorbereitungskurse in München ein. Die 
Teilnahme an denselben war bisher nicht obligatorisch, doch ge¬ 
hörte es zu den seltenen Ausnahmen, daß jemand dieselben nicht 
mitmachte nnd sich anderwärts oder zu Hanse auf die Prüfung 
vorbereitete. Es herrschte die allgemeine üeberzengung, daß ihr 
Besuch zum erfolgreichen Bestehen der Prüfung durchaus unent¬ 
behrlich sei und daß, wie dies schon vor Jahren Herr Geheimrat 
Dr. V. Kerschensteiner ausführte, dieses Praktikum durch 
häusliches Selbststudium oder -üben keinesfalls ersetzt werden 
kann. Es wäre daher keine neue oder große Belastung, wenn 
die Teilnahme an den Vorbereitnngskursen in Zukunft obligatorisch 
und damit zn einem integrierenden Bestandteil des Examens 
gemacht würde. 

Es ist von vereinzelten Seiten der Vorschlag gemacht worden. 



Der amtsirztliehe Dienet in Bayern. 


39 


diese Korse, die außer Bayern nur in Sachsen offiziell organisiert 
sind, wegfallen zu lassen und es dem einzelnen anheim zu geben, 
wie und wo er sich seine Kenntnisse holt; er habe solche ledig¬ 
lich bei der Prüfung nachzuweisen. Dem kann nicht zogestimmt 
werden, ein solcher Vorschlag verkennt den inneren Wert eines 
Examens. Dessen Hauptzweck ist ja nicht der, den Kandidaten 
nach allen Bichtnngen hin, wie man sagt, auszuquetschen, etwaige 
Lücken seines Wissens auszuforschen und ihn f&hlen zu lassen, 
sondern der Schwerpunkt liegt darauf, daß er vorhm* zu einer 
gehörigen Ansbildnng in den Prüfungsfächern Gelegenheit erhüt 
und nimmt. An unserer Gymnasialbildong ist doch nicht die 
Hauptsache das Bestehen der Absolutorialprüfung, sondern daß in 
den 9 Jahren vorher die Geistesfähigkeiten geschult, Charakter 
und Gemüt entwickelt werden und der Grund für eine gute all¬ 
gemeine Bildung gelegt wird. Bei dem Pbysikatsezamen handelt 
es sich um eminent praktisch wichtige Fächer, in denen die Aus¬ 
bildung nicht durch ausschließlich theoretisches Studium, sondern 
nur durch fortgesetzte Uebuug erworben werden kann und deren 
Kenntnis in das Leben mit hinansgenommen und dort verwertet 
werden soll. Die Staatsregiemng hat also ein großes Interesse 
daran, daß eine wirklich gute, zweckentsprechende Ausbildung 
der Prüfung vorhergeht; sie sollte desl^b darauf bedacht 
sein, die Vorbereitnngskurse obligatorisch zu machen 
und zweckentsprechend anszugestalten. Das ist viel 
wichtiger als die bloße Abhaltung einer Prüfaog. 

In der jetzigen Form sind die Kurse allerdings nicht voll¬ 
kommen entsprechend; sie sind, um eine praktische Durchbildung 
in den einzelnen Fächern zu erzielen, vor allem zu kurz, denn sie 
danem nur von Beginn des Semesters bezw. Anfsng Hai bis Mitte 
Juli. Dazwischen fallen die Pfingstferien und die vielen Sommer¬ 
feiertage, so daß höchstens 2 Monate zur Verfügung stehen. In¬ 
folgedessen sind die Kandidaten außerordentlich, man kann sagen 
übermäßig in Anspruch genommen; sie müssen, auch wenn sie sich 
schon vorher durch eifriges Studium vorbereitet haben, einen 
wsbren Feuereifer entfalten, um sich mit allem Wissen vollzu¬ 
pfropfen. Würde das Examen ganz an das Ende des Sommer¬ 
semesters hinausgeschoben, so wären damit nur 2 Wochen ge¬ 
wonnen. Da die Kurse nicht in die Universitätsferien verlegt 
werden können, wäre es daher zweckmäßig, für dieselben lieber 
das Wintersemester in Aussicht zu nehmen, so daß ihre Daner 
auf 4 Monate sich erstrecken könnte. Damit wäre die Zeit ge¬ 
nügend bemessen; innerhalb derselben ließe sich, da ja in der 
Hygiene, Psychiatrie und gerichtlichen Medizin bereits während 
der Studienzeit theoretische Kenntnisse erworben wurden, die 
praktische Ausbildung soweit vertiefen, wie dies für den Ein¬ 
tritt in die ärztliche Praxis und die Anwartschaft anf eine spätere 
amtsärztliche Anstellung notwendig erscheint. 

Um nicht mißverstanden zu werden, sei bemerkt, daß die 
Vorbereitungsknrse nicht während des praktischen Jahres 
stattflnden sollen, das ja für andere Zwecke freibleiben muß, 



40 


Dr. Beoker. 


sondern erst nach demselben, in dem nächstfolgenden Winter¬ 
semester. 

Praktische Kurse wurden bisher in der Hygiene und Bak¬ 
teriologie abgehalten; die Kandidaten praktizierten auch in der 
psychiatrischen Klinik und machten einen gerichtsärztlichen 
Sektionsknrs mit. Um mit der gerichtlichen Medizin zu 
beginnen, so mttßte weit mehr Gelegenheit zu Sektionen geboten 
werden; jeder Kandidat sollte doch mehrere, Yollständige Yor- 
genommen haben. Dazu wäre die Errichtung eines gerichtlidi- 
medizinischen Institutes, worauf später noch znrftckzakommen ist, 
eine unbedingte Voraussetzung. Das Anfnehmen und Protokollieren 
des Befundes, sowie die schriftliche Abfassung Yon Schlnßgntachten 
und deren mttndlicher Vortrag müßten geübt wmrden. Die Yer- 
schiedenartigen Methoden der Blntuntersuchung, der Nachweis Yon 
Samenfäden n. dergl. sollten nicht nur Yorgetragen und demonstriert, 
sondei'u auch Yon den Kandidaten selbst Yorgenommen werden. 
Hieran hätte sich an zuschließen die praktische Unterweisung in der 
Begutachtung Yon Verletzungen und sonstigen körperlichen Zu¬ 
ständen in bezug auf die einschlägigen Bestimmungen des Straf¬ 
gesetzbuches und mit besonderer Berücksichtigung der Versiche- 
rnngsgesetzgebung, auch die Ausarbeitung aktenmäßiger Gutachten. 
Bei gegebener Gelegenheit konnte sich auch die Teilnahme an 
größeren gerichtsärztlich inteiessanten Gerichtsverhandlungen ein¬ 
igen lassen. In der psychiatrischen Klinik sollte der Kan¬ 
didat nicht nur hin und wieder als Praktikant aufgernfen werden, son¬ 
dern auch Gelegenheit bekommen, die zugeuriesenen Kranken Öfters 
zu besuchen, um den weiteren Verlauf der psychischen Störung zu 
beobachten, einen fortlaufenden Befundbericht aufzuzeichnen und 
schließlich schriftliche Gutachten im Hinblick auf die einschlägige 
Gesetzgebung über Zurechnungsfähigkeit, Entmündigung und Gto- 
meingefährlichkeitauszuarbeiten. In den hygienischen Kursen 
dürfte manches, was der Amtsarzt später nicht braucht, in Wegfall 
kommen, so daß für diejenigen Untersuchnngsmethoden, die er in 
seiner Stellung selbst Yomehmen oder doch eingehender kennen 
muß, sowie für die Gewerbehygiene und die Besichtigung hygi¬ 
enischer Einrichtungen etwas mehr Zeit bleibt. Bei der Vorlesung 
über Medizinalpolizei sollten die historische Entwicklung des 
Medizinalwesens, die Ziele und Grnndzüge der Gesetzgebung mehr 
herausgehoben werden; das prägt sich besser dem Gedächtnisse 
ein und erweckt mehr Interesse und Verständnis als das bloße 
Nachstenographieren des Yorgelesenen trockenen Stoffes. In den 
Krankenhausapotheken ließen sich Anleitungen zur Vornahme der 
ApothekenYisitationen geben; auch das wichtige und große Gebiet 
der sozialen Medizin könnte etwas mehr zur Berücksichtigung 
kommen. Für alle Prüfungsfächer möchte sich die Einrichtung 
seminaristischer Kurse mit Fragen und Antworten empfehlen, 
da sie mehr Anregung und einen gegenseitigen Gedankenaustausch 
zwischen Lehrern und Schülern bringen. 

Werden die Vorbereitungsknrse in der eben skizzierten Weise 
ausgestaltet, dann wd jeder Teilnehmer einen guten Fond Yon 


l 



Der amte&rzUiche Dienst in Bayern. 


41 


praktischen Kenntnissen mit nach Hanse nehmen. Dann könnte 
man fast sogar anf eine Prflfnng flberhanpt verzichten nnd es bei 
der Qualifikation seitens der Kursleiter bewenden lassen. Wenn 
dieselben einen Kandidaten 4 Monate lang bei seinen Arbeiten 
beobachtet haben, so können sie gewiß ein Urteil darttber ab¬ 
geben, ob ihm die Befähigung zum Amtsärzte zuzuerkennen sei 
^er nicht. Als förmlichen Antrag möchte das jedoch noch nicht 
gebracht werden, weil dieser Gedanke vermutlich wenig Aussicht 
anf Verwirklichung hat, die bevorstehende Prüfung sicher einen 
Ansporn zur regen Teilnahme an den Kursen bildet und weil eine 
Prüfung in Gegenwait des Begierungskommissars einen vergleich¬ 
baren Maßstab für die Beurteilung der Kenntnisse bei den ein¬ 
zelnen bildet, auch den etwaigen Einwurf einer Parteilichkeit der 
Examinatoren ansschließt. Eine nähere Würdigung der Kennt¬ 
nisse nnd Fähigkeiten der einzelnen Kandidaten, ihrer Gewandt¬ 
heit in Erledigung der zngewiesenen Aufgaben sollte jedoch von 
den Knrsleitem niedergelegt werden; sie könnte für die spätere 
amtliche Qualifikation durch die damit betrauten Behörden eine 
wertvolle Grundlage bilden. 

Für den praktischen Prüfungsabschnitt wären 
Abänderungsvorschläge nur in der Richtung zu machen, daß bei 
genügendem Sektionsmateriale eine vollständige Leichenöfinnng 
vorzunehmen sei, wie es anscheinend auch die Prüfungsordnung 
beabsichtigte, und daß unter Erweiterung der sog. „Wundbeschau*' 
die Untersuchung und Begutachtung sich nicht aut einen „Ver- 
letzten* zu erstrecken hätte, sondern auch die bei Erlaß der 
Prüfungsordnung noch unbekannte Unfiill- und Invalidenversicherung 
hier einbezogen würde. Der anderwärts gemachte Vorschlag, 
jedem Kandidaten die gleiche Aufgabe zuznweisen, läßt sieh aus 
äußeren Gründen nicht durchführen. 

Bei der mündlichen Prüfung wurde von mehreren 
Seiten bemängelt, daß die Aufgaben ausgelost werden nnd es 
daher vom Glück abhängt, ob jemand besser oder weniger gut 
abschneidet. Es ist demzufolge der Vorschlag gemacht worden, 
die mündliche Prüfung wegfallen zu lassen nnd allen Kandidaten 
die gleiche, unter Klausur zu bearbeitende Aufgabe vorznlegen, wie 
dies auch im juristischen Staatskonkurse der Fall sei. ln Preußen 
haben die Kandidaten in Klausur innerhalb einer Frist von 
3 Stunden eine praktische Aufgabe aus dem Gebiete der Medizinal¬ 
oder Sanitätspolizei schriftlich zu lösen. Auch in Oesterreich 
findet der schriftliche Prüfungsakt, für welchen 12 Stunden 
anberanmt sind, unter Klausur statt; es werden zwei Fragen aus 
der Sanitätsgesetzkunde und gerichtlichen Medizin entnommen, 
und es hat die eine derselben die Bearbeitung einei* wo möglich 
der Wirklichkeit entnommenen Aufgabe aus dem Gebiete der 
Staatsarzneikunde zu betreffen. Die Einwirkung des Zufalles 
wird durch den vorgeschlagenen Modas gewiß nicht ausgeschlossen, 
macht sich im Gegenteil noch mehr geltend. Wer gerade für 
das gegebene Thema gut vorbereitet ist, erzielt eine bessere 
Note nnd bei wem hier eine Lücke besteht, der ist schlechter 



42 


Dr. Becker. 


daran als bei der bisherigen mündlichen Prüfung, weil er nicht 
mehr die Möglichkeit hat, durch Ueberleiten ani benachbartes 
Gebiet sein Wissen in diesem Fach darzntnn und so die Scharte 
wieder ansznwetzen. Sollten für die Bearbeitung in ELlansnr rein 
theoretische Aufgaben ans den Tier Prüfongsfächem gegeben und 
die Benntznng jeglicher Hilfsmittel verboten werden, so müßten 
sie ganz allgemein gehalten sein und für die einem praktischen Falle 
angepaßte Ansarbeitang eines schriftlichen Gntachtens müßte eine 
ansführliche aktenmäßige Darstellong gegeben werden. Schrift¬ 
liche Berichte über das üntersnchnngsergebnis mit gntachtlicher 
Aenßemng sind nun schon im praktischen PrÜfongsabschnitte 
unter Klansnr für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Hygiene 
zu erledigen gewesen, es würde also für diese nur eine Wieder- 
holnng in etwas geänderter Form vorzunehmen sein; übrig bliebe 
eigentlich nur noch die Medizinalpolizei, und hier kann sich der 
Examinator bei der mündlichen Prüfung rascher nnd gründlicher 
ein richtiges Urteil über die Kenntnisse des Kandidaten nach 
Umfang nnd Tiefe bilden. 

Bemängelt wnrde auch, daß bei der mündlichen Prüfung 
von einzelnen Examinatoren zn sehr in das Detail nnd über die 
gezogene Frage hinaus gegangen werde, was nicht der Intention 
der Prüfongordnnng entspreche. Hier ist ein Mißverständnis 
nnterlanfen. Es heißt: „Für jedes dieser Fächer werden die 
Fragen, welche, ohne zn sehr in Einzelheiten überzngehen, das 
gesamte Gebiet der Fächer nrnfossen sollen, von den Examinators 
entworfen, mit Nammem versehen nnd eine oder mehrere der¬ 
selben durch Losung seitens des Kandidaten znr Prüfong bestimmt. 
Anßei'dem kann der Examinator anch an die Gegenstände der 
schriftlichs Prüfung anknüpfen.“ Der Sinn ist doch wohl der, 
daß die ansznlosenden Fragen nicht zn eng begrenzt sein nnd 
für die Prüfung mehr Spielraum lassen solls, daß es dem 
Ehcaminator aber nicht verwehrt sein soll, eingehend zn prüfen, 
da nnd dort anznklopfen, um sich ein richtiges Urteil zn bilds, 
auch noch anf eine andere Frage überzngehs, wenn er im 
Zweifel ist, ob er eine höhere oder eine niedere Note erteils 
soll. Bei sehr enggefaßten Fragen ist es nur für den Kandidaten, 
der znfUlig hierin weniger beschlagen ist, ein Nachteil, wenn er 
nicht durch den Examinator Gelegenheit bekommt, ein gntea 
Wissen anf anderen Gebieten darzntnn. Daß die Prüfung nicht 
etwa anf spezialistische Finessen hinansgeht nnd immer nnr das 
im Auge hat, was ein Amtsarzt kennen nnd beherrschen muß, 
daß diese Grenze weder nach oben noch nach unten überschrittoi 
wird nnd die einzelnen Examinatoren in ihren Anfordernngen 
nnd Zensoren möglichst gleichmäßig ver&hren, hierauf zn achten 
dürfte wohl dem Medizinalreferenten des Staatsministerinma des 
Innern als Prüfnngsvorstand obliegen. 

Das Ergebnis der Prüfung wird dem Kandidaten vom 
Staatsministerium des Innern eröffnet; es wird ihm ein Zeugnis 
darüber ausgefertigt, daß er sich der nach den Bestimmangen 
der Allerh. Verordnnng vom 6. Februar 1876 abgehaltenen Prflfoig 



Der amtaärzüiche Dienst in Bayern. 


43 


für den ärztlichen Staatsdienst im Jahre.unterzogen nnd in 

derselben die Hanptnote.(z. B. l^/io = 1) erhalten hat 

Da das Wesentliche des Bestehens der Prftfong doch das ist, daß 
dem Kandidaten die Befähigung zur Anstellang im ärztlichen 
Staatsdienste znerkannt wird, möchte es wünschenswert erscheinen, 
einen derartigen Passns in das Prüfongszengnis mit anfznnehmen. 

In dem nrsprfinglichen Entwürfe der Leitsätze stand auch 
der Antrag, es möchte in dem Prüfangszengnisse die erhaltene 
Note nicht angegeben werden, wie auch in Sachsen nnd Baden 
keine besonderen Zensoren erteilt werden. Hierfür war der 
Gedanke maßgebend, daß die Note keinen so unmittelbaren Ein- 
floß ani die Anstellung hat, die ja erst nach 1^/, Jabrzehnten 
erfolgt, nnd daß es manchmal nuTerschnldete Gründe, wie eigene 
Erkrankung während der Kurse, UnglücksfUle in der Familie 
oder besondere Vorkommnisse in der Praxis sind, die auf die Vor¬ 
bereitung störend einwirkten und deshalb die Note weniger gut 
ansiallen ließen, als zu erwaii;en war. Wenn non durch ein oder 
ein paar Zehntel die Gesamtnote gleich nm eine ganze Stufe 
herabgedrückt wurde, machte sich das sehr* unangenehm füÜbar 
bei jeder Gelegenheit, wo das Zeugnis yorzulegen war, nnd auch 
bei Anshändigung des Prüfungszeugnisses, die nicht immer mit 
der nötigen Distvetion erfolgte. Dasselbe läuft vom Ministerinm 
dnreh alle Instanzen nach unten, Kreisregierung, Bezirksamt nnd 
Bürgermeisteramt, nicht selten bringt es der Gemeindediener dem 
Arzte offen ins Hans, übergiebt es bei seiner Abwesenheit dem 
Dienstboten nnd im ganzen Orte verbreitet es sich, welche Note 
der Herr Doktor erhalten hat. Diese Unannehmlichkeiten lassen 
sieh jedenfalls vermeiden, wenn das Ministerium das Zeugnis dem 
Arzte direkt znleitet. 

Hierbei war die Frage zn ventilieren, ob überhaupt Noten 
erteilt werden sollen oder nnr ein Befähigungszengnis zur An- 
stellnng als amtlicher Arzt ansgestellt werden solle. Die Noten 
bilden nun zweifellos einen Ansporn zum häuslichen Studium und 
znm fleißigen Besuche der Kurse nnd, wenn sie auch nicht ausschlie߬ 
lich von Fleiß und Verständnis, sondern zum Teile von Zufall oder 
Nebenumständen abhängen mögen nnd für sich allein noch nicü 
die volle Tüchtigkeit als Amtsarzt gewährleisten, da hierzu noch 
gewisse Charaktereigenschaften gehören, so lassen sie doch ersehen, 
welcher Leistung der Einzelne zur Zeit der Prüfung fähig war. 
Die Noten des Physikatsexamens sind zwar nicht wie sonst die 
der Staatskonkurse von so einschneidendem Einflüsse auf die erste 
Anstellung und die ganze spätere Karriere, sie können aber als 
Grundlage für die künftige Qualiflkation und die Auswahl unter 
mehreren Bewerbern dienen nnd eine gerechte Würdigung der 
Persönlichkeit erleichtern. 

Wenn aus diesen Gründen die Erteilung von Zensuren wie 
bisher zweckdienlich schien, so hätte es manche Bedenken gegen 
sieh, ihre Kenntnis dem Kandidaten vorznenthalten und sie lüs 
eine interne Angelegenheit der Staatsregierung zu behandeln; sie 
könnten dann leidit den etwas odiosen Charakter von Geheim- 




44 


Dr. Beoker, 


zenanren bekommen. Auch die spätere Qualifikation wird dem 
^zte aut seinen Wunsch mitgeteilt, und da er ein begreüliches 
Interesse daran hat, die erteilte Note zu kennen, dfirfte es 
nicht zu umgehen sein, daß dieselbe im Zeugnisse angegeben 
wird. Er ist sich dann darüber klar, wie seine Leistungsfähigkeit 
▼on zuständiger Seite beurteilt wird, und kann, wenn er selbst 
sich besser einschätzt, sich einer nochmaligen Prüfung im folgen¬ 
den Jahre unterwerfen. 

Was das Nichtbestehen der Prüfung anlangt, so führte 
Herr Prof. Dr. Specht in der vorjährigen mittelfränkischen 
Aerztekammer aus, „es solle bei der Sonderai*t dieses Examens 
ein formeller Durchfall ausgeschlossen sein. Jeder Examinand 
bekomme die seinen Leistungen entsprechenden Noten, und seien 
sie schlecht, so sei das praktische Resultat für ihn natflrlidi 
dasselbe, wie wenn er nicht bestanden hätte; er werde nie 
staatlich angestellt und könne das Zeugnis auch zu anderen 
Zwecken nicht gut verwerten; allein das akute Odium des Durch¬ 
falles, das sein Ansehen und seine materielle Existenz schwer 
schädigen könne, sei ihm erspart geblieben. Diese Rücksicht¬ 
nahme wäre man Leuten, die durch Ablegung aller früheren 
Examina ihre VoUwertigkeit erwiesen und auch im praktischen 
Leben bereits ihren Mann gestellt hätten, wirklich schuldig.“ Diesem 
Oedanken ist eine gewisse Berechtigung nicht abznsprechen, er 
läßt sich jedoch nicht weiter verfolgen, wenn das Prüfirngszeugnis 
zugleich ein Befähigungszeugnis darstellen soll. 

Dagegen möchten Abänderungsvorschläge in anderer Richtung 
angebracht sein. Bislang gibt es einen Durchfall im ganzen in 
jedem der 3 Prüfungsabschnitte und in jedem der 10 Prüfungs- 
teile. Werden die beiden schriftlichen Arbeiten oder auch 
nur eine derselben als ungenügend befunden, so erfolgt die Zurück¬ 
weisung des Kandidaten für die weiteren Prüfungsabschnitte; 
das Nichtbestehen der praktischen Prüfung oder eines Teiles 
derselben hat den Ausschluß von der mün«llichen Prüfung zur 
Folge; wenn ein Kandidat in einem Fache der mündlichen 
Prüfung die Note IV erhält, hat er, insofern sich nicht als 
Oesamtergebnis die Note IV entziffert, die Prüfung aus jenem 
Fache im nächsten Jahre zu wiederholen und die Oesamtnote IV 
— d. i. 3Vio und darüber — hat Zurückweisung für die ganze 
Prüfung zur Folge. Das letztere ist zweifellos berechtigt; wenn 
die Oesamtleistnng in der Staatsarzneikunde unter mittelmäßig 
zensiert werden muß, hat die ganze Prüfung als nicht bestanden 
zu gelten. Dagegen möchte es als eine unbillige Härte erscheinen, 
daß Ungenügen in einem einzelnen Teile der zwei ersten Ab¬ 
schnitte die Fortsetzung der Prüfung ansschließt. Man sollte 
den Kandidaten doch wenigstens die ganze Prüfung durchmachen 
lassen, damit man sich über sein gesamtes Wissen und Können 
ein vollständigeres und zuverlässigeres Bild machen kann. Auch 
die Note ungenügend in einem einzigen Teile der mündlichen 
Prüfung sollte noch keinen Durchfall involvieren. Die Prüfung 
sollte nur dann als nicht bestanden gelten, wenn entweder die 



Oer amtsirztliche Dienst in Bayern. 45 

Gesamtnote IV oder in einem der yier Prflfnngsfächer die Note IV 
erteilt wird. 

Die Wiederholung der Prfifnng sollte wie bisher ein¬ 
mal zngelassen sein, aber nur entweder f&r die gesamte Prflfang, 
was entschieden das beste wäre, mindestens aber fttr einen ganzen 
Prfifnngsabschnitt, oder, was vielleicht richtiger wäre, ittr eines 
der 4 Prüfungsfächer. Nar einen Teil der mündlichen Prüfung 
zn wiederholen, nm die Zehntelbrüche von 6 oder 7 gerade noch 
anf 5 za bringen and damit die Note gleich am eine ganze State 
za verbessern, eine solche Künstelei sollte nicht zagelassen werden. 

Die Prüfungsgebühren, bisher 62 M., könnten künftig 
erlassen werden, da die Examinatoren bei Wegfall der schritt 
liehen Prüfungsarbeiten weniger belastet und durch die Ears- 
honorare wohl genügend entschädigt sein dürften. Doch ist das 
nicht so wichtig, am einen besonderen Antrag za veranlassen. 

Ob die Vorbereitongsknrse und die Prüfung künftig nur 
in München oder auch in Würzbnrg and Erlangen stattflnden 
sollen, möchte, da dies die Prüfongsordnnng selbst nicht berührt, 
heute nicht in die Erörterung einbezogen werden. Aach sonstige 
Punkte von mehr untergeordneter Bedentang, wie die Bestimmang 
der Prüfangsanfgaben, die Berechnung der Gesamtnote u. a., 
lassen sich übergehen. 

Die wichtigsten nnter den Abänderungsvorschlägen sind, nm 
das zum Schlüsse noch einmal hervorznheben, die Ausgestaltnng 
der Vorbereitungsknrse and eine gute, nmfassende 
praktische Ausbildung, dann der Wegfall der zwei¬ 
jährigen Wartezeit and der schriftlichen Prüfungs¬ 
arbeiten. 


II. Qnallflkation der approbierten Aerzte. 

Die maßgebenden Bestimmnngen Über die Qualifikation der 
approbierten Aerzte sind enthalten in der Ministerialentschließung 
vom 1. November 1880. Während zuvor sämtliche Aerzte einer 
regelmäßigen Qualifikation unterstellt waren, erstreckte sie sich vom 
Jfläre 1881 an nur auf solche Aerzte, welche eine Prüfung für den 
ärztlichen Staatsdienst bestanden hatten, sohin entweder den sog. 
Staatskonknrs nach den älteren Normen vom 80. Mai 1848 und 
22. Juni 1858 oder die Prüfung fttr den ärztlichen Staatsdienst 
gemäß der Verordnung vom 6. Februar 1876. In den anderen 
deutschen Bundesstaaten findet eine regelmäßige Qualifikation der 
pro physikatu geprüften Aerztenicht statt; es möchte jedoch nicht 
vorgeschlagen werden, diese Einrichtung fttr Bayern wegfallen zu 
lassen. Jeder, der eine staatliche Anstellung anstrebt, muß sich 
auch einer Beurteilung seiner Persönlichkeit und seiner Leistungen 
unterwerfen; dies soll die Auswahl der besseren nnd tüchtigeren 
Kräfte nnter der großen Zahl von Bewerbern erleichtern. Im 
anderen Falle würde für die Anstellung, auch wenn sie erst 
nach vielen Jahren erfolgt, ausschließlich die Examensnote ma߬ 
gebend sein, die allein für sich noch keine volle Gewähr für 
die Tätigkeit geben dürfte; oder es müßte erst anläßlich der 



46 


Dr. Becker. 


Bewerbnng um eine öffentliche Anstellung die Qnalilikati<« festge¬ 
setzt werden, was jedoch das Verfahren bei Besetzung der Stellen 
außerordentlich aufhalten würde. Eine alljährliche QualiflkaUon 
erscheint daher zweckmäßiger. 

Die erstmalige Qualifikation findet zwei Jahre nach dem 
Bestehen des Physikatsexamens statt, wahrscheinlich deshalb, 
weil zunächst einmal durch eine längere Tätigkeit den Behörden 
Gelegenheit zur Beobachtung und Beurteilung gegeben werden 
soll. Für die erstmalige Qualifikation bilden die Grundlage wohl 
die Noten der Approbationsprfifnng, der Doktorpromotion und Yor 
allem der Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst. Schon gele¬ 
gentlich der Vorbereitungsknrse war als zweckmäßig bezeiget 
worden, daß die Kursleiter eine nähere Würdigung der Kenntnisse 
und Fähigkeiten der einzelnen Kandidaten sowie ihrer Gewandt¬ 
heit in der Erledigung angewiesener Aufgaben niederlegen möchten. 
Das könnte für die erstmalige Qualifikation einen brauchbaren 
Masstab abgeben und würde diese auch erleichtern. 

Die Qualifikation wird alljährlich wiederholt bis zur Vollen¬ 
dung des 60. Lebensjahres. Soweit die letzten Jahre sich zurüek- 
rerfolgen lassen, ist eine Anstellung als Bezirks* oder Landge¬ 
richtsarzt über 50 Jahren nicht mehr erfolgt; es kann dies sona^ 
als oberste Altersgrenze gelten. Die weitere Qualifikation hat 
daher keinen Zweck mehr; sie bildet eine unnötige Belastung dmr 
damit befaßten Dienststellen und könnte von Vollendung des 
60. Lebensjabres an wegfallen, da auch sonstige öffentliche An¬ 
stellungen in diesem Lebensalter gewiss zu den Ausnahmen ge¬ 
hören werden. 

Vorgenommen wird die Qualifikation der Aerzte von dem 
Vorstande der Distriktspolizeibehörde (Bezirksamt, Stadtmagistrat 
einer unmittelbaren Stadt bezw. in München Polizeidirektion) 
meinschaftlich mit dem Bezirksarzte; sie wird dann den &eis- 
medizinalansschüssen zur Einsichtnahme, Prüfung und gutachtlichen 
Aeusserung vorgelegt und von den Königl. Regierungen, Kammern 
des Innern, endgiltig festgesetzt. Das Qualifikationsgeschäft ist ein 
rein amtlicher Akt und kann daher nur von Behörden vorgenommen 
werden; eine Mitwirkung der ärztlichen Standesvertretnng, irie 
sie vor Jahren einmal von einer Aerztekammer gewünscht wrirde, 
erscheint demnach ausgeschlossen. Wenn ja einmal gemntmasst 
werden könnte, dass persönliche Beziehungen zum Vorstand der 
Distriktspolizeibehörde oder dem Bezirksarzte die Qnalifikatimi 
beeinfiußt hätten, zu letzterem besonders deshalb, weil er zumal 
auf dem Lande in der Privatprazis ein Konkurrent der Aerzte ist 
und das gegenseitige Verhältnis daher nicht immer ungetrübt 
bleibt — so schliesst doch das Durchlaufen der verschiedenmi 
Instanzen eine Parteilichkeit ans, da eine ansnahmsweis gute oder 
schlechte Beurteilung oder eine Veränderung in derselben immmr 
durch tatsächliche Vorkommnisse zu begründen ist. Uebrigens 
steht den Qualifikanden frei, von ihrer Qualifikation Kenntnis ra 
nehmen; sie können zwar die Qnalifikationstabellen selbst nicht 
einsehen, aber die betreffenden Aufschlüsse entwedm* mündlich 



Der amts&rztliche Dienst ln Bayern. 


47 


bei Anwesenheit in der Kreishanptstadt oder schriftlich im Ans- 
znge sich erbitten. Sie haben daher die Möglichkeit, gegebenen- 
fitUs, wenn sie sich mit Unrecht znrOckgesetzt ffihlen, anf eine 
Berichtigung anzntragen. 

Ffir das abzngebende Urteil sind 4 Noten ohne Zwischen¬ 
stufen anznwenden: I = Vorzfiglich, II = Sehr gnt, III = Gnt, 
IV = Ungenügend. Bei der Qualifikation der Staatsbeamten im 
Gieschftftsb’eise des Staatsministerinms des Innern, wozu die 
Bezirks- und Landgerichtsärzte gehören, sind auch Zwischennoten 
zulässig, wenn nach sorgfältiger Erwägräg der maßgebenden Ver¬ 
hältnisse Zweifel darüber bestehen, ob die höhere Note vollkommen 
b^ündet ist, also I/II, Il/Ill, 111/IV. Es möchte dies auch für 
die Qualifikation der approbierten Aerzte als zweckmäßig be¬ 
zeichnet werden. Den Ausgangspunkt bildet für diese die Note 
ni = Gut; sie entspricht „den zufriedenstellenden Leistun¬ 
gen, wie sie von gebildeten und ehrenhaften Aerzten unter allen 
Umständen erwartet werden können, welche aber kein besonderes 
Interesse ffir die schwierigeren Aufgaben ihres Berufes an den 
Tag legen“. Während einzelne Ereismedizinalansschüsse auch 
schon in den ersten Jahren die Noten so festsetzen, wie sie es 
nach Würdigung der ganzen Persönlichkeit für richtig halten und 
nnr die Rubrik über Tüchtigkeit als Bezirks- oder Landgerichts¬ 
arzt noch offen lassen, erteilen andere zunächst immer die Note 
III, eben den vorgeschriebenen Ausgangspunkt, und verbessern 
diese in den folgenden Jahreu. Die Qualifikation ist aber von 
Belang bei manchen öffentlichen Anstellungen, z. B. als bezirks¬ 
ärztlicher Stellvertreter oder Bahnarzt. Es könnte dann leicht 
einmal zu Missverständnissen führen, wenn ein Arzt, der den 
Dnrchschnittsanforderungen entspricht, nnr mit UI qualifiziert ist, 
einer Note, die man sonst nnr immer als genügend ansieht. Ein 
solches Missverständnis wird noch dadurch erleichtert, daß bei 
den Staatsbeamten, wo dies früher ähnlich war, seit 1901 die 
Note U gut, d. h. „eine ganz entsprechende Tüchtigkeit“ den 
Ausgangspunkt bildet und die Note lU genügend „eine noch zn- 
fSriedenstellende, jedoch das Durchschnittsmass nicht ganz er¬ 
reichende Dienstleistung“ bezeichnet. Es möchte sich daher 
empfehlen, dass auch bei den Aerzten die Note U = gut den 
Ausgangspunkt zu bilden hat. 

Die 11 Rubriken der Qualifikationstabeilen enthalten Raum, 
nm nach jeder Richtung hin die Persönlichkeit würdigen zu können. 
So soll ein Urteil abgegeben werden über Fortbildung in wissen¬ 
schaftlicher und praktischer Beziehung, Anhänglichkeit an das 
Regentenhans und die Staats Verfassung, Integrität im Bemfs- 
nnd Privatleben, Benehmen im Verkehr mit Behörden (Dienstge- 
ftlligkeit), Tätigkeit im ärztlichen Vereinsleben, Benehmen gegen 
arme Kranke, Grad der allgemeinen Bildung, auch Gesun^eits- 
znstand, ferner besondere Verdienste, öffentliche Anerkennungen, 
Belobungen, Auszeichnungen und sonstige anerkennenswerte 
Tatsachen; schließlich erfolgt noch eine Aeußemng Über die 
Tüchtigkeit für die Stelle eines Bezirksarztes oder Landgerichts- 



4« 


Dr. Becker. 


arztes. Aach eine Rubrik für Dieziplinarahndungen (Verweue, 
Geld- oder Ordnangeetrafen) ist vorgesehen. Derartige Diszipli¬ 
narstrafen gibt es jedoch bei den praktischen Aerzten nicht, es 
sei denn, daß sie eine öffentliche Stellnng bekleiden; in dieser 
Rnbrik wären wohl etwaige gerichtliche Bestrafangen der Aerzte 
einzatragen, welche den Bezirksärzten von den Amtsanwälten zur 
Kenntnisnahme zn bringen sind, wenn die Tat bei Gelegenheit 
der Ansflbnng des Berufes begangen wurde. 

Die Unterlagen für die QaalSkation bilden die Wahrnehmun¬ 
gen der hiermit betrauten Dienststellen, Aber Art und Umfang 
der ärztlichen Berufstätigkeit, über das ganze Verhalten im Öffent¬ 
lichen Leben sowie gelegentlich des amtlichen Verkehrs. Außer¬ 
dem können die Aerzte persönlich noch einen gewissen Einfluß auf 
ihre QuaUfikation zur Geltung bringen durch Erstattung eines 
Jahresberichtes, der zunächst dem Bezirksarzte eingereicht, 
von diesem mit seinem Jahresberichte der Regierung vorgelegt und 
auch von den Kreismedizinalausschflssen bei der Qualiflkation ganz 
besonders zu berftcksichtigen ist. Während die anderen deuteten 
Bundesstaaten von den pro physikatu geprüften Aerzten keinen 
Jahresbericht fordern, legt die bayerische Staatsregierung einen 
solch hohen Wert darauf, daß sie von jenen Aerzten, welche die 
Erstattung von Jahresberichten unterlassen, annimmt, sie erheben 
auf Anstellung im Staatsdienste keinen Anspruch, und daß sie 
die neu sich niederlassenden Aerzte durch die Distriluverwaltangs- 
behörden gegen aufzubewahreude Bescheinung ausdrücklich hierauf 
aufmerksam machen läßt. (Min.-Entschließung vom 28. Juli 1897, 
die ärztl. Jahresberichte betr., Ziffer 4). Nach dem Ministerial- 
bescheid vom 27. Juli 1901 auf die Verhandlungen der Aerzte- 
kammem liegt es im Interesse der Staatsanstellang anstrebenden 
Aerzte, den zuständigen Ereisregierungen und Ereismedizinal- 
ausschüssen auch durch Einsendung von Jahresberichten und 
anderen wissenschaftlichen Arbeiten kfaterial für die alljährlich 
stattflndende Qualifikation zu geben, da diese bei der Beurtei* 
lang von Bewerbern um Amtsarztstellen von großer Bedeutung 
ist. Mit Rücksicht hierauf kann deshalb auf die alljährliche Ein¬ 
sendung solcher schriftlicher Arbeiten um so weniger verzichtet 
werden, weil sie auch schätzbares Material für den alljährlich er¬ 
scheinenden Generalbericht über die Sanitätsverwaltung im König¬ 
reiche Bayern bilden. Ein vollständigeres Material für die General¬ 
berichte zu bekommen, war wohl der ursprüngliche Zweck, wes¬ 
halb die Einsendung von Jahresberichten seitens der praktischen 
Aerzte schon seit dem Jahre 1858 gefordert wurde. Die Ministerial¬ 
entschließung vom 30. April 1878, die Jahresberichte der An- 
staitsärzte und praktischen Aerzte betr., vertraute zu den Aerzten, 
die bisher schon in der Mehrzahl an der Bearbeitung von 
Jahresberichten in anerkennender Weise sich beteiligt haben, daß 
sie auch ferner zur Förderung des hier in Frage stehenden Unter¬ 
nehmens eifrig bemüht mitwirken werden; in etwas ähnlicher 
Weise drückt sich auch die Ministerialentschliessung vom 28. Juli 
1897 aus. Während diese jedoch nur von einer ,Mitwirkung“ der 



Der emtelntliohe Dienet in Beyern. 


49 


Aerzte spricht and gar nicht weiter sich darüber aaslässt, was 
denn eigentlich die Aerzte in ihren Jahresberichten berichten 
sollen, bestimmte die frühere, dass das für die amtlichen Aerzte 
▼orgeschriebene Schema, insoweit es für die BerafBaasübang der 
praktischen Aerzte anwendbar erscheint, za Grande za legen sei. 
Zanächst berühre zwar nor der Abschnitt n „Medizinische, Chiror- 
gische and gebartshilfliche Heilkonde“ den Wirkongskreis der 
praktischen Aerzte; nachdem diese aber rielfache Gelegenheit 
hätten, anch über andere in dem Schema berührten Verhältnisse, 
insbesondere über die onter Abschnitt IV „öffentliche Gesandheits- 
pflege and Sanitätspolizei*, angeführten Materien Erfahrongen za 
sammeln, so werde erwartet, sie ihre Beobachtangen mit den 
etwa veranlassten gatachüichen Vorschlägen in ihren Jahresbe¬ 
richten niederlegen. 

Ob die Jahresberichte der praktischen Aerzte in ihrer Mehrzahl 
wirklich ein schätzbares Material für den G^eralsanitätsbericht 
bilden, maß dahingestellt bleiben and mag berechtigtem Zweifel 
onterliegen. Die meisten Kollegen zerbrechen sii^h za Anfang des 
Jahres den Kopf, was sie denn der Begierong Interessantes be¬ 
richten sollen, and halten das, was sie am der Form za genügen, 
verfassten, ganz gewiss nicht dafür. Ein bezirksärztlicher Stell- 
vertreter kann nnn noch über die verschiedenen Richtongen seiner 
Tätigkeit in seinem Amtsbezirke berichten; er hat anch einen be¬ 
sonderen Jahresbericht über die öffentlichen Impfangen za erstatten. 
Wer als Sehalarzt, Leichenschaner oder Armenarzt angestellt 
ist, kann anch über seine Wahrnehmangen hierbei berichten and 
einige Bemerkangen daran knüpfen. Die Aerzte an Distrikts- 
krankenhäasem oder die Besitzer von Privatheilanstalten können 
den Jahrestabellen, die sie verlegen müssen, noch Mitteilangen 
über einzelne besondere Vorkommnisse anfügen. Die meisten 
Aerzte aber haben recht wenig Gelegenheit, aas ihrer Tätigkeit 
für den Generalsanitätsbericht Wichtiges za berichten, besonders, 
wenn sie keinen abgegrenzten Praxisbezirk haben. Eine statistische 
Einteilung der behandelten Erankheitsformen nach Master der 
amtlichen Tabellen hat, wenn nicht von allen Aerzten des Bezirks 
einheitlich gefertigt, gar keinen Wert and ist verlorene Liebes¬ 
müh; Berichte über einzelne besondere Krankheitsfälle mögen 
wissenschaftlich interessant sein, für den Generalsanitätsbericht 
sind sie nur« ausnahmsweise von Bedeatnng. Es hat anch 
schon der Ministerialbescheid vom 18. Juli 1896 anf die Ver¬ 
handlungen der oberpfälzischen Aerztekammer darauf aufmerksam 
gemacht, daß die Mehrzahl der Berichte der praktischen Aerzte 
im Texte za weitläufig sei, so dass ihre Verwertung für den 
Generalsanitätsbericht nicht möglich wäre, und daß die Kasuistik 
d^r interessanten Krankheitsfälle der medzinischen periodischen 
Presse za überlassen wäre. Soweit die Jahresberichte der prak¬ 
tischen Aerzte eine Beihilfe für die Bearbeitung des Generalsani- 
tätsberichtes sein sollen, dürfte es daher genügen, wenn sie ledig¬ 
lich von deojenigen Aerzten eingefordert werden, die sich in 
öffentlicher Stellung befinden. 


4 



50 


Dr. Becker. 


Da bisher der strikten Forderung bezfiglich EmsMudm^ der 
Jahresberichte entsprochen werden musste, um nidit bei der 
Qoaliflkation einen Mangel an Fleiss oder Interesse für das öffent¬ 
liche Sanitätswesen annehmen zn lassen und um nicht die An¬ 
wartschaft aaf spätere Anstellung zn ym*lieren, baten die Aerzte- 
kammem im Jahre 1902 um eine Erleichternng für die Jahres¬ 
berichte in der Bichtang, daß auch größere wissenschaftliche Ar¬ 
beiten anstatt der Jalvesbeiichte angenommen werden möchten. 
Einzelne Kreisregiernngen hatten in Anbetracht der Verhältnisse 
schon vorher diesen Usas gelten lassen, und schließlich erging 
in dem Ministerialbescheid vom 27. Juli 1901 eine allgemeine 
Bestimmung dahin, dass auch grössere wissenschaftliche Arbeiten 
medizinischen Inhaltes, sowie, im Druck erschienene Vorträge 
als den Jahresberichten gleichwertig erachtet werden. Für 
diejenigen Aerzte, die mangels Materials ffir den Sanitätsbericht 
hiervon Gebrauch machen, geht aber der ursprüngliche Cha¬ 
rakter der Jahresberichte gänzlich verloren; sie liefern reine 
Qualifikations-Arbeiten. Solche werden nirgends im Deutschen 
^che von den pro physikatn geprüften Aerzten gefordert, 
warum also gerade in Bayern P In keiner Sparte der Staats¬ 
verwaltung haben die Anwärter und Beamten solche Arbeiten 
zn liefern, ihre Qualifikation wird lediglich beurteilt nach ihren 
Dienstleistungen; warum ist das gerade bei den Aerzten notwen¬ 
dig, die ihre Befähigung bereits in der Prüfung für den ärztlichen 
Staatsdienst dargelegt haben? Weshalb wird in diesem eminent 
praktischen Berufe ein so einseitiger Wert auf die schriftlichen 
Arbeiten gelegt? Als Grund ließe sich vielleicht anführen, dass 
die Bezirksärzte in ausgedehnten Landbezirken oder in größeren 
Städten die einzelnen Aerzte vielleicht nicht alle näher kennen 
lernten, daher auch ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht richtig 
beurteilen könnten und noch ein weiteres Hilfsmittel für die 
Qualifikation brauchten; desgleichen hätten die Mitglieder der 
&eismedizinalan88chfi88e wenig oder selten Gelegenheit zn persön¬ 
lichen Beobachtungen über die Qualifikanden. Was läßt sieh aber 
aus solchen schriftlichen Arbeiten überhaupt ersehen ? Fleiß, Be¬ 
lesenheit in der Literatur, Gewandtheit im schriftlichen Ausdniek, 
im besten Falle eine Fortbildung in wissenschaftlicher Beziehung 1 
Wenn jemand einen interessanten Krankheitsfall ausführlich und 
kritisch beschreibt oder einen Separatabdmck überfeine spez^i- 
stische Abhandlung vorlegt, das beweist, auch wenn die Arbeiten 
gut sind, aber noch wenig für seine Tüchtigkeit als künftiger 
Amtsarzt. Es sollte deshalb eine solche Qualifikationsarbeit wenig¬ 
stens aus einem Gebiete der Staatsarzneiknnde entnommen sein, 
also ans der gerichtlichen Medizin, der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege, der forensen Psychiatrie oder dem Irrenwesen, der Medi- 
ziniügesetzgebung oder der Medizinalstatistik. 

Es gibt aber auch andere nnd weit bessere Mittel ffir 
die Beurteilung der Qualifikation. Der Bezirksarzt kann fort¬ 
während Beobachtungen über die Tätigkeit eines Arztes, über 
sein berufliches und ausserberutliches Verhalten anstellen: Ln 



Der amte&raUiehe Dienet in Bayern. 


51 


Laufe des Jahres gehen z. B. viele Zeugnisse, Berichte nnd 
Gutachten durch seine Hand; er nimmt vahr, wie sich die ein¬ 
zelnen an der Durchführung der hygienischen Massnahmen nnd 
an den Bestrebungen der sozialen Fürsorge beteiligen; er kommt 
im ärztlichen Vereinsleben nnd bei den ^eisyersammlnngen des 
Medizinalbeamtenvereins mit den Qnalifikanden in nähere Fühlung 
nnd kann sie zu einer aktiven Teilnahme durch Beferate, Berichte 
nnd Demonstrationen animieren. Dies alles bildet doch einen viel 
besseren und verlässigeren Masstab für die Qualifikation als eine 
im Anfang des Jahres vorgelegte schriftliche Arbeit. Es würde 
daher dem Staatsinteresse nicht wiedersprechen, wenn auch diese 
Art von Jahresberichten teilen gelassen wird. Sollte die Staatg- 
regiemng gleichwohl der Einsendung derartiger Qualifikations- 
arbeiten solchen Wert beimessen, daß sie dieselben nicht ent¬ 
behren zu können glaubt, so dürfte es vielleicht genügen, wenn 
diese nur in mehrjUirigen Zwischenräumen, etwa alle drei Jahre, 
vorgelegt werden; es wäre dann gar nicht unzweckmäßig, dafür 
bestimmte Direktiven zu geben. Würde z. B. von einer Ereis- 
regiemng für ihren Bezirk oder vom Ministerium für das ganze 
Land die Weisung erteilt, es sollten die Bezirksärzte in dem 
nächsten Jahresberichte ein bestimmtes Kapitel des öffentlichen 
Sanitätswesens, z. B. Kurpfuscherei, Bader und Hebammen, 
Geheimmittel, Wohnungs- oder Gewerbebygiene n. s. f. einge¬ 
hender bearbeiten nnd gutachtliche Vorschläge damit verknüpfen, 
so könnten sich hieran auch die zu qualifizierenden Aerzte betei¬ 
ligen. Solche Arbeiten könnten dann von wirklich schätzbarem 
Werte sein einerseits für ihre Qualifikation, anderseits auch für 
die Medizinalverwaltung; sie Hessen sich in einem Sammelreferate 
für den Generalsanitätsbericht verarbeiten, würden einen genauen 
Einblick in die bestehenden Verhältnisse ermöglichen nnd könnten 
auch zu deren Verbesserung Anlaß und Ausgangspunkt geben. 

Der Antrag geht also dahin, die Erstattung von Jalifesbe- 
richten möge erlassen bezw. auf öffentlich angestellte Aerzte be¬ 
schränkt werden. Wenn solche Berichte behufs der Qualifikation 
beibehalten werden sollten, möge bestimmt werden, dass in mehr¬ 
jährigen Zwischenräumen vorzulegende wissenschaftliche Arbeiten 
nnd zwar ans dem Gebiete der Staatsarzneikunde als den Jahres¬ 
berichten gleichwertig erachtet werden. 

III. Beschäftigung der staatsärztllch geprüften Aerzte nnd 
amtsärztliche Fortbildungskurse. 

Beide Fragen sind für die Staatsregierung von außerordent¬ 
lichem Interesse um die Ausbildung und Leistungsfähigkeit der 
Medizinalbeamten auf eine möglichst hohe Stufe zu bringen. 

Nach Ablegung der Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst 
dauert es durchschnittlich etwa IVt Jahrzehnte, bis die Anstellung 
als Bezirksarzt oder Landgerichtsarzt erfolgt. In der Zwischen¬ 
zeit widmen sich weitaus die meisten der allgemeinen ärztlichen 
Praxis, nur einige wenige können noch an Universitätskliniken oder 
größeren Krankenanstalten tätig sein. Um das Interesse an der 

4* 



52 


Dr. Becker. 


Staatsarzneiknnde wachzuhalten und eine Art praktische Vorbildung 
fdr die spätere Anstellang zu ermöglichen, ist Torgeschlagen, daß 
bei der Besetzung öffentlicher staatlicher oder städtischer Stellen 
die pro physicatu geprüften Aerzten ein gewisses Vorrecht insofern 
erhalten, als sie dabei in erster Linie berücksichtigt werden. 
Dies sollte nicht etwa eine Art Entschädi(ping für die großen 
Mühen und Auslagen bei dem Ebcamen sein, auch nicht eine 
Anerkennung der dort an den Tag gelegten Befähigung, sondern 
das Interesse der Staatsverwaltung erfordert es geradezu, diese 
Posten, auch wenn der öffentliche Wirkungskrds kein so um* 
lassender ist, nur mit Männern zu besetzen, die sich noch be* 
sondere Kenntnisse auf dem Gebiete des öffentlichen Medizinal¬ 
wesens angeeignet haben und Gelegenheit bekommen sollen, sidi 
j^^tisch weiter iortzubilden und für ihren späteren amtsärztlichen 
Beruf vorzubereiten. So mögen zunächst die Assistenten-Stellen 
der Bezirks- und Landgerichtsärzte, deren Besetzung teils den 
Kreisregiemngen, teils dem Ministerium zusteht, solchen Aerzten 
Vorbehalten sein, welche die Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst 
bestanden haben. Bisher bildete dies nicht allgemein eine Vor¬ 
bedingung, es war nur bei einzelnen Stellen gefordert; gleichw<dil 
hatten die meisten die Prüfung abgelegt. Dies war auch bei 
den bezirksärztlichen Stellvertretern, welche durch die Kreis¬ 
regierung im Benehmen mit dem Oberstaatsanwälte angestdlt 
werden, die Regel. Daß an solche Stellen nicht geprüfte Aerzte 
kamen, bildete schon bisher die Ausnahme und war wohl durch 
den Mangel anderer Bewerber bedingt, zuweilen wurde die Nach¬ 
holung der Staatsprüfung als Bedingung bei der Anstellung anf- 
erlegt. Es könnte diese Stellungen nur im Ansehen heben, wenn 
sie durchgehende mit staatsärztlich geprüften Aerzten besetzt 
würden. Werden sie entsprechend gestaltet und honoriert, so 
werden sich auch bei kleineren Bezirken leichter tüchtige Be¬ 
werber finden, so daß ein Dispens in besonders gelagerten Fällen 
immer seltener wird. Die Aufstellung der Leichenschauer erfolgt 
durch die Distriktspolizeibehörde im Benehmen mit dem Bezirks¬ 
arzte; hier steht aLso den Staatsbehörden auch noch ein unmittel¬ 
barer Einfiuß zu. Die Bahnärzte werden durch die Eisenbahn¬ 
direktionen nach gutachtlicher Anhörung der zuständigen Kreis- 
Regierung angestellt; da ihnen innerhalb ihrer Tätigkeit die 
Eigenschaft öffentlicher Medizinalbeamter zukommt, dürften auch 
hier die pro physicatu geprüften Aerzte vorzugsweise zu berück¬ 
sichtigen sein, außer bei kleineren Stellen oder da, wo bei Aus¬ 
dehnung des Bahnnetzes eine Rücksichtnahme auf den orts¬ 
ansässigen Arzt angebracht ist. Bei den übrigen öffentlichen 
Stellen, z. B. bei den Stadt- und Polizeiärzten in unmittelbaren 
Städten, bei den Schul-, Armen- und Krankenhausärzten, steht 
der Staatsregiemng zwar kein Besetznngsrecht und auch ein 
Bestätigungsrecht nur teilweise zu, doch wird eine diesbezügliche 
EntschÜeßung derselben in dem angeregten Sinne sicher bei den 
dafür maßgebenden Körperschaften um so mehr Beachtung finden, 
als es auch in deren eigenem Interesse liegt, an die Aerzte 


1 



Der amtsftratliebe Dienst in Bnyein. 


53 


in solchen öffentlichen Stellungen höhere Anforderungen zn stellen, 
insbesondere eine Kenntnis des Medizinalwesens zu verlangen. 

Die staatsftrztlich geprüften Aerzte mögen auch, soweit nicht 
bei den größeren Landgerichten eigene Assistenzärzte damit be- 
tränt sind, vorzugsweise als zweite Aerzte bei den gerichtlichen 
Leichenöfiiiungen zugezogen werden, damit sie sich auch hierbei 
Uebung und Erfahrung aneignen können. Es ist dies bereits in 
der Ministerialentschließung vom 20. Januar 1904, die Vornahme 
der gerichtlichen Leichenschan und Leichenöffnung betreffend, be¬ 
stimmt, daß zur Leichenschau und als zweiter Arzt bei den Leichen¬ 
öffnungen tunlichst nur ein Privatarzt zuznziehen ist, der ^e 
Prüfung für den medizinischen Staatsdienst bestanden hat. Nur 
der Vollständigkeit halber ist hier im Zusammenhänge dies bei 
den Leitsätzen eingefügt. Auf die Frage der zweiten Gerichts¬ 
ärzte wird später bei den Landgerichtsärzten noch einmal znrückzn- 
kommen sein. Die pro physicatu geprüften Aerzte mögen auch 
als Stellvertreter beurlaubter oder erkrankter Landgerichts- und 
Bezirksärzte, sowie als Verwesmr erledigter amtsärztlicher Stellen 
verwendet werden, soweit nicht eine gegenseitige Stellvertretung 
der Amtsärzte stattfindet. 

Fortbildungskurse für staatsärztlich geprüfte Aerzte und 
Amtsärzte fänden bisher nur in Form der 14 tägigen bakteriolo^- 
sdien Kurse statt, welche seit dem Jahre 1894 abwechselnd in 
den hygienischen Instituten der drei Universitäten abgehalten 
werden. Zur Erleichterung der Teilnahme wird den Amtsärzten 
und geprüften Aerzten, welche in Bayern ihren Beruf ausüben, 
aber nicht in einer Universitätsstadt wohnen, ein Aversalbetrag 
von je 250 Mark (früher 200 Mark) gewährt. Eine Erweiterung 
dieser Kurse möchte im Interesse der Medizinalbeamten und der 
Staatsregiernng als dringend notwendig bezeichnet werden. Im 
Laufe der viden Jahre kommt manches, was beim Physikats- 
ezamen noch fest saß, ans dem Gedächtnisse und ans der 
Uebung. Eine Auffrischung der Kenntnisse, eine Belehrung 
über die Fortschritte der Wissenschaft und Praxis, sowie ein Ein¬ 
üben der wichtigeren neuen Untersuchungsmethoden wären sowohl 
für den vor der Anstellung stehenden Arzt wie für den Amtsarzt 
von außerordentlich großem Werte und würden von ihnen sehr 
begrüßt werden. Die bisherigen bakteriologischen Kurse ließen 
sich leicht zu allgemein hygienischen Kursen ausgestalten, wenn 
ihre Danmr wenigstens um eine Woche verlängert wird; es bliebe 
dann auch noch etwas Zeit, um Vorträge über Medizinalverwal- 
tnng und soziale Hygiene einznfiechten. Bei dreiwöchiger Dauer 
der Kurse wird sich, da die Teilnehmer ja keine Neulinge sind und 
die Teilnehmerzahl eine beschränkte ist, eine Bereicherung und 
Vertiefung des Wissens und Könnens erzielen lassen, die für eine 
wirksame Durchführung der öffentlichen Gesundheitspfiege in 
modernem Sinne sicher von gutem Erfolge sein wird. Besonders 
wichtig erscheint dies für die Seuchenbekämpfung. Speziell über 
die Desinfektionsmaßregeln äußerte sich Herr Prof. Dr. Grub er 
bei seinem vorjährigen Beferate im verstärkten Obermedizinal- 



54 


Dr. Becker. 


aoBBchaBse dahin: «Wenn das Desinfektionswesen Ton vornherein 
in ein richtiges Geleise gebracht werden soll, wird es notwendig 
sein, die Amtsärzte zu Konferenzen an einem hygienischen Ih- 
stitate einzabemfen; nur anf diesem Wege wird sich die unbedingt 
erforderliche Einheitlichkeit im Vorgehen erreichen lassen, nur 
anf diese Weise werden die Amtsärzte imstande sein, die Des* 
infektoren nachznpräfen nnd bei ihrer Tätigkeit zu kontrollieren, 
ohne in schädliche Widerspräche mit deren erstem Lehrer zu ge¬ 
raten. Diese Konferenzen brächten anch den Vorteil, daß alle 
Amtsärzte die grandlegenden Experimente über die Wirkung der 
Desinfektionsverfahren nnd Desinfektionsmittel sehen konnten, daß 
sie sich selbst in der Prttfang von Dampfdesinfektions* und Fonnal- 
dehyd-Apparaten üben and einen kritischen üeberblick über die 
zahlreichen Arten von beständig nen aoftanchenden Dampf- and 
FormaJdehydapparaten, Transportwagen osw. gewinnen könnten; 
Kenntnisse, die sich der exponierte Amtsarzt anf anderem Wege 
kaum mit hinreichender Verläßlichkeit za verschaffen vermag.* 

Da diese Kurse in der vorgeschlagenen Aosgestaltong nur 
den bezirksärztlichen Dienst berühren, so wären daneben noch 
eigene Fortbildangskarse für die Landgerichtsärzte und die hier¬ 
für sich interessierenden Staatsdieustaspiranten gleichfalls in der 
Dauer von drei Wochen über gerichtliche Medizin nnd forense 
Psychiatrie einzarichten, wobei bloß diese Gebiete zor Berück* 
sichtigong kämen. Gelegentlich der ErOrterong über die ärztliche 
Staatsprüfung wurde zwar als notwendig betont, daß die Vor- 
bereitungskurse und die Prüfung sich auf das Gesamtgebiet der 
Staatsarzneikunde zu erstrecken hätten; bei den späteren Fort- 
Mldungskursen aber muß eine Teilung der beiden Sparten als 
zweckmäßiger bezeichnet werden, wenn innerhalb drei Wochen — 
auf länger kann man sich nur schwer freimachen — etwas Er¬ 
sprießliches erreicht werden will. E!s hätte ja gewiß für manchen 
Bezirks- oder Landgerichtsarzt ein großes Interesse, auch auf 
dem anderen Gebiete sich mit den neuesten Errungenschaften 
vertraut zu machen, zumal dann, wenn er sich mit der Absicht 
eines Uebertritts trägt. Deshalb brauchte es nicht ausgeschlossen 
sein, daß er im Laufe der Jahre an beiden Kursen teilnimmt; 
auch sollte zulässig sein, daß jemand den gleichen Kurs nach 
längerem Zwischenräume nochmals besucht. Die gerichtsärztlichen 
Fortbildungskurse werden sich natürlich erst dann zweckmäßig 
gestalten lassen, wenn einmal die gerichtlich-medizinischen In¬ 
stitute errichtet sind. 

Gegen solche Fortbildangskarse wurde bei Besprechung des 
Antrages Rauh in der Abgeordnetenkammer geltend gemacht, 
daß damit die höchst notwendige Zeit zur Erholung verloren gehe, 
daß die Teilnehmer anstatt gekräftigt und gestärkt, müde nach 
Hause zurückkehren, und vielfach £e Fälle hochgradiger Neu¬ 
rasthenie und vorzeitiger Pensionierung daraus resultieren. Diese 
Befürchtungen sind wohl dann nicht mehr zutreffend, wenn die 
Teilnahme an den Fortbildungskursen nicht in die Urlanbszeit 
eingerechnet und diese dadurch keinesfalls verkürzt wird. 



Der amtsirztliohe Dieut in Bayern. 


55 


Da die Veranstaltans' amtsftrztlicher Fortbildiing:8kur8e min- 
de8teii8 eben 80 8ehr im Intere88e der Medizinalvervraltung ale in 
dem der Amtsärzte liegt, dürfte es gerechtfertigt erscheinen, daß 
die Staatsregierang durch Gewährung yon BeOiilfen den Besuch 
derselben erleichtert; ein Teil der Kosten fällt dann noch immer 
den Teilnehmern selbst zur Last. Auf anderen Gebieten hat die 
bayerische Staatsregierang bereits die Initiative ergriffen: Für 
die vierwöchigen Heisterkurse, die am Gewerbemuseum 
in Nürnberg für Schreiner, Schuhmacher, Maler und Lackierer, 
Bleehschmiede und Installateure abgehalten werden, damit sie sich 
mit den Neuerungen und Verbesserungen ihres Gewerbes vertraut 
machen, können Befreiungen von den ünterrichtsgebühren, sowie 
Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln bewilligt werden. Zur 
weiteren Förderung der Ausbildung der Justizbeamten und 
der Bewerber um Anstellungen im höheren Justizstaatsdienste ist 
im Etat eine neue Position von 6000 Mark eingesetzt, dazu be¬ 
stimmt, minderbemittelten Justizbeamten und Bechtspraktikanten 
die Beteiligung an staatswissenschaftlichen und wirtschaftlichen 
Fortbildungskursen durch entsprechende Beihilfen zu ermöglichen. 
Der gleiche Betrag ist im Finanzetat neu eingesetzt zur Förde¬ 
rung der weiteren Ausbildung der Beamten und Aspiranten des 
höheren Finanzverwaltungsdienstes, um diesen die Teil¬ 
nahme an den bei den Ereisregierungen einzurichtenden Fort¬ 
bildungskursen, sowie an sonstigen staatswissenschaftlichen und 
wirtschaftlichen Fortbildungskursen usw. zu ermöglichen. Für 
die bayerischen Amtstierärzte werden Informationskurse in 
München abgehalten, wobei die außerhalb München Wohnenden 
für die Zeit des Eursbesuches ein Tagegeld von 10 Mark nebst 
angemessener Beisekostenentschädigung erhalten. Die aktiven 
Militärärzte werden vor der Beförderung zum Stabsarzte auf 
drei Monate und die des Beurlaubtenstandes auf drei Wochen zu 
dem sogen. Operationskurse einberufen, der sich übrigens auf alle 
Gebiete des Militärmedizinalwesens erstreckt. 

Auf dem Gebiete des Zivilmedizinalwesens sind andere Staaten 
schon mit gutem Beispiele vorangegangen. Oesterreich hat 
schon im Jahre 1907 Instruktionskurse für Amtsärzte an den 
Wiener medizinischen Instituten in der Dauer von 6 Wochen ein¬ 
gerichtet; die Amtsärzte werden für die Dauer der Kurse beur- 
laubt, durch benachbarte Kollegen oder event. zuzuweisende Sani¬ 
tätsorgane vertreten, und erhalten außer den Beisekosten einen 
Subsittenzbeitrag von 10 Kronen täglich. Preußen hat bereits 
Mher und seit dem Erlaß des Kreisarztgesetzes regelmäßig im 
Elxtraordinarium 29800 Mark zur Abhaltung von Fortbildungs¬ 
kursen für 50 Medizinalbeamte und von Informationskursen für 
12 Begiemngs- und Medizinalräte aasgeworfen, ferner unter den 
ordentlichen Ausgaben 3000 Mark f^ Beihilfen zum Studium 
medizinaltechnischer Einichtungen und Vorgänge; im letzten Jahre 
sind außerdem noch zwei 6 tägige Fortbildungskurse in der 
Psychiatrie und gerichtlichen Medizin fär je etwa 10 Medizinal¬ 
beamte abgehalten. Es dürfte deshalb wünschenswert erscheinen, 



56 


Dt. Becker. 


daß aach die bayerische Staatsre^erong die Organisation der amts* 
ärztlichen Fortbildnngsknrse weiter aasgestaltet und fördert 

Von der Gewährang der Beihilfen sollten die in den Uni> 
versitätsstädten wohnenden Aerzte nicht g^ ansgescblossen sein, 
da sie während der Fortbildangskarse ihre Privatprazis nicht 
besorgen können and einem Vertreter übergeben müssen. 

Anßerdem mögen staatliche Beihilfen gewährt werden zom 
besonderen Stadiam in gerichtlich-medizinischen, hygienischen and 
p^chiatrischen Insütaten, aach zor Teilnahme an sonstigen für 
die Amtsärzte wichtigen Fortbildangskorsen — z. B. an den wissen¬ 
schaftlichen Korsen zam Stadiam des Alkoholismos in Berlhi, 
dem internationalen Korse der gerichtlichen Psychologie and 
Psychiatrie in Gießen, den gerichtsärztlichen Fortbildangskorsen 
an aaßerbayerischen Universitäten asw. —, sowie zom Stadiam 
hygienisdher Einrichtongen. Wenn die Position im Etat des Ifi- 
nisteriams des Innern von 9000 Mark für medizinische Beise- 
stipendien erhöht würde, so ließen sich die soeben vorgetragmien 
Anträge der Verwirklichang entgegenführen. 

Ißt Rücksicht anf £e große Bedeatong des diesjährigen 
internationalen Kongresses für Hygiene and Demographie za Berlin, 
anf welchem eine Reihe wichtiger, insbesondere aach für die 
praktische Medizinalverwaltong im Vordergrande des Interesses 
stehender Fragen zur Erörterang kam and die damit verbondene 
AnssteUong einen üeberblick über den gegenwärtigen Stand der 
Wissenschaftszweige der Hygiene gewährte, ersdüen z. B. dem 
preußischen Medizinalminister eine möglichst rege Teilnahme auch 
aas den Kreisen der Medizinalbeamten wünschenswert; er ermäch¬ 
tigte daher die Regierangspräsidenten, die Regierangs- and Medi¬ 
zinalräte zn dem Kongresse za entsenden and ihnen für die 
Reise Tagegelder and Reisekosten zahlen za lassen. 

Noch ein Punkt verdient hier Erwähnung: In Preußen 
erhalten die Medizinalbeamten znm Zwecke der Teilnahme an 
einer Medizinalbeamtenversammlang des Bezirks ReisekMten 
and Tagegelder, da sich die Regierang wiederholt mit Befriedigong 
davon überzeugt hat, daß solche Versammlungen in hohem Grade 
geeignet erscheinen, einerseits das dienstliche Interesse der Medi¬ 
zinalbeamten zu beleben und za erhalten, anderseits eine einheit¬ 
liche and zweckentsprechende Wirksamkeit der letzteren za 
fördern, and daß die glatte DorchfÜhrnng des Gesetzes zur Be¬ 
kämpfung übertragbarer Krankheiten nicht znm geringsten Teile 
diesen Kreismedizinalbeamtenversammlnngen zu df^en ist. Viel¬ 
leicht ließe sich auch für Bayern bei entsprechender Organisation 
etwas Aehnliches erreichen. Es kann dies einer späteren Be¬ 
ratung im Medizinalbeamtenverein überlassen bleiben. 

IV. Die nichtpragmatischen amtsärztlichen Stellen. 

L Physikatsassistenten. Es gibt in Bayern keine Physikate 
mehr and die frühere Benennung «Physikas*^ sollte nach einer 
Ministerial-Entschließang vom 20. November 1838, die Benennung 
der Land- and Stadtgerichtsärzte betr., künftig nicht mehr ge- 



Der amteirztliche Dienet in Bayern. 


57 


braucht werden, sondern nur die deutsche Bezeichnnng „Stadt¬ 
oder Land-Geiichtsarzt*. Die alte Bezeichnnng hat sich aber bei 
den Physikatsassistenten noch fortgeerbt und anch fttr die land- 
gerii^ts&rztlichen Assistenten Anwendung gefunden. 

Assistenzarztstellen bestehen bereits bei einigen größeren 
bezirks- und landgerichtsärztlichen Stellen, etwas Neues bringen 
also die Leitsätze nicht, sie schlagen nur vor, daß auch an 
anderen Aemtem, wo ein Bedflrinis fflr eine ärztliche Hilfskraft 
vorliegt, jedoch die Aufstellung eines weiteren pragmatischen 
iüntsar 2 rtes noch nicht notwendig erscheint, Assistenzärzte in der 
erforderlichen Anzahl aufgestellt werden mOgen. Es soll also 
nicht jedem Amtsarzt ein Assistenzarzt beigegeben werden, sondern 
nur denen, die ihren Dienst nicht mehr aüein bewältigen können. 
Auch in Preußen hat ja nicht jeder Kreisarzt einen Ereisassistenz- 
arzt; dort bestehen nur 42 derartige Stellen. Man sollte sich 
aber anch nicht zu lange mit Assistentenstellen zu behelfen suchen. 
Erreichen die demselben zugeteilten Dienstanfgaben einen so großen 
Umfang, daß noch eine weitere Hilfskraft benötigt ist, so wäre 
die Ernennung eines weiteren Bezirks- oder Landgerichtsarztes 
der Aufetellnng von zwei Assistenten entschieden vorzuziehen; 
anch da, wo der Assistenzarzt einen umfangreichen und selbst¬ 
ständigen Dienst zu versehen hat, dürfte es angezei^ erscheinen, 
ihm die Stellung eines Amtsarztes zu verschaffen. Bisher bestand 
eine große Scheu vor der Errichtung neuer pragmatischer Stellen, 
die man durch Verwendung von insistenten vorläufig hintanzu¬ 
halten suchte; da das neue Beamtengesetz den Unterschied 
zwischen pragmatischen und nichtpragmatischen Staatsdieneni 
beseitigt, wird man vielleicht künftig leichter den praktischen 
Bedür^sen Rechnung tragen können. 

Bei den Ereismedizinalreferaten ist nur in Oberbayem ein 
ärztlicher Hilfsarbeiter angestellt. Ob auch bei den anderen 
Ereisregiemngen ein Bedürfiris hierzu vorliegt, kann von hier ans 
nicht beurteilt werden und muß dem Ermessen der Herren Ereis- 
medizinalräte überlassen bleiben. Es sollte dies bloß hier im Zu¬ 
sammenhang Erwähnung finden. 

Die Stellung der Physikatsassistenten ist gegenwärtig eine 
ganz andere als vor 25 Jahren. Zuerst gab es solche nur bei 
der Polizeidirektion München, und es war nicht einmal die Ab¬ 
legung der Approbationsprüfnng verlangt. Ihr Wirkungskreis 
bestand in der Bearbeitung des Materials fb* die Medizinalstatistik, 
was jetzt vom statistischen Amt besorgt wird, in der Assistenz 
bei öffentlichen Ealamitäten, Fenersbrünsten, Volksfesten nsw. 
und in der ersten Hilfeleistung bei Selbstentleibnngsversnchen 
und Verwundungen, was jetzt hist vollständig auf die Sanitäts¬ 
kolonne und Rettungsgesellschaft übergegangen ist, ferner in der 
Teilnahme bei den Untersuchungen von Vaganten, Prostituierten 
usw., in der Besichtigung aufgefundener Leichen und in der Ver- 
sehung eines ständigen Tagesdienstes. Dementsprechend war da¬ 
mals ein Wechsel sehr häufig. Die Stellen bildeten mehr einen 
Dnrchgangsposten für junge Aerzte, die noch ein Jahr in München 



58 


Dr. Beeker. 


zabringen wollten; es blieb selten einer länger. Später werden 
die polizeilichen Pbysikatsassistenten such im eigentlichen amts* 
ärztlichen Dienst mehr verwendet and herangezogen; es wurde 
ein eigener Assistenzarzt mit der Beaafsichtignng der Eostkinder 
betraut. Vom Jahre 1896 an worden auch bei einzelnen Land¬ 
gerichten Physikatsassistenten angestellt and ihnen von yom- 
herein besondere Funktionen ttbertrageny so die Erstattung von 
Gutachten hinsichtlich des Strafvollzugs, der gefängnisärztliehe 
Dienst und die Teilnahme als zweiter Arzt bei den gerichtlichen 
Leichenöffnungen. 

Die Ablegung des Pysikatsexamens wurde bisher nur bei den 
landgerichtlichen Assistenten gefordert; von den ftbrigen hatten 
es jedoch die meisten bestanden. Es ist vorgeschlagen, daß dies 
allgemein eine Vorbedingung für die Anstellung bilden soll, um 
ihre Stellung nach außen hin zu heben, und um ihnen auch einen 
Teil der Dienstgeschäfte zur selbständigen Erledigung, wenn auch 
unter Aufsicht und Anleitung des Amtsarztes, übertragen zu 
können. Die Anstellung erfolgte bisher bei den bezirksärztlichen 
Assistenten durch die Ereisregiemng, bei den landgerichtsärzt¬ 
lichen durch das Staatsministerium des Innern im Benehmen mit 
dem der Justiz. Dieselbe konnte künftig, wie bei jedem Staats¬ 
diener durch das zuständige Mimsterium erfolgen, sohin bei den 
landgerichtsärztUchen Assistenzärzten durch das Justizministerium. 

Als Assistenzärzte sollten bloß solche bestellt werden, die 
nach ihrer Persönlichkeit, ihren Kenntnissen und Leistungen eine 
Gawähr dafür bieten, dereinst tüchtige Amtsärzte zu werdmi. 
Ihre Beschäftigung sollte so eingerichtet werden, daß sie in alle 
Zweige der amtlichen Tätigkeit eingeführt werden, also nicht 
bloß im inneren Dienst und bei den im Amtslokal stattfindenden 
Untersuchungen und Begutachtungen Verwendung finden, sondern 
auch bei den äußeren Besichtigungen, z. B. von Gewerbebetrieben, 
Bauten, Schulen, Apotheken, Drogerien usw. sowie bei der Ermitte¬ 
lung und Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten und bei 
den Impfterminen zugezogen werden. Bei den landgerichtsärzüichen 
Stellen läßt es sich noch leichter erreichen, sie mit allen Seiten 
des gerichtsärztlichen Dienstes bekannt zu machen. Die Privat- 
präzis sollte ihnen nicht untersagt sein, soweit hierdurch der Dienst 
nicht beeinträchtigt ist. Läßt sich der Chef die dienstliche und 
wissenschaftliche Förderung der Assistenten angelegen sein, so 
bilden solche Assistentenstellen die beste Vorschule für die spätere 
selbstständige Tätigkeit als Amtsarzt. Die Stellen werden, wenn 
sie so ausgestaltet und entsprechend dotiert werden, nicht bloß 
Anfangsposten für junge Aerzte sein, die eben von der Universität 
kommen, sondern erstrebenswerte und gesuchte Nebenstellungen 
für praktische Aerzte bis zu ihrer Anstellung. 

Ein öfterer Wechsel der Assistenten liegt nicht im Interesse 
des Dienstes. Ist ein solcher einmal gut eingearbeitet, dann ist 
es vielmehr wünschenswert, ihn möglichst lang in seiner Stellung 
zu erhalten, besonders dann, wenn seine Dienstestätigkeit eine 
größere, umfangreichere und mehr selbständige ist. Es gibt der- 


1 



Der amtsirstliche Dienet in Bayern. 


59 


artige Posten, die bezfiglich Arbeitsleistung, Zeitaufwand und 
Verantwortlichkeit mindestens die gleichen Anforderungen stellen, 
wie mittelgroße Bezirksarzt* und Landgerichtsarztstellen. Die 
hier geleistete Tätigkeit dürfte daher auch bei der Qualifikation, 
bei der Bewerbung um AnsteUnng entsprechende Berücksich¬ 
tigung finden; es sollten, wenn diss neue Beamtengesetz dies 
znläßt, die Dienstjahre den später in pragmatischer Stel¬ 
lung angebrachten Dienstjahren hinzugerechnet werden, es sollte 
den Assistenten überhaupt nach mehrjähriger befriedigender 
Dienstleistung die Pensionsberechtigung verliehen werden, wie 
ja auch die Assistenzärzte der KreisiiTenanstalten nach mehr¬ 
jähriger Tätigkeit pragmatische Bechte erhalten. Daß ein An¬ 
spruch hierauf nicht ungerechtfertigt erscheint, hat die KOnigl. 
Steatsregiemng bereits anerkannt; wenigstens hat das Mini¬ 
sterium des Innern vor 5 Jahren den Assistenten der Bezirks¬ 
ärzte, der Bezirkstierärzte und des Zentralimpfarztes — für die 
hier nicht genannten landgerichtsärztlichen Assistenten gilt dies 
woU auch — für den Fall ihrer Dienstes- und Erwerbsunfähig¬ 
keit, sowie zufriedenstellender Leistung eine entsprechende 
Snstentation in Aussicht gestellt und im Vollzug des § 5, Abs. I 
des Invalidenversichemngsgesetzes die Anwartschaft auf Pension 
im Mindestbetrage der Invalidenrente nach den Sätzen der I. Lohn¬ 
klasse zngesichert, unbeschadet der Gewährung einer Snstentation 
in höherem Betrage. Diese Bezugnahme auf das Invalidenver- 
siehernngsgesetz hat doch manches gegen sich; es dürfte daher 
richtiger sein, die Pensionsberechtigung nach der bisherigen Be¬ 
soldung und dem Dienstalter zu verleihen. 

2. Bezirksärztliche Stellvertreter. Das Institut der bezirks¬ 
ärztlichen Stellvertreter besteht seit dem Jahre 1869. Bei den 
Landtagsverhandlungen im Jahre 1868 beantragte der Referent 
der Abgeordnetenkammer ans Erspamngsgründen die Abstreichung 
von 10 Bezirksarzt-Stellen ü. Klasse. Der Eönigl. Staatsminister 
V. Hörmann erhob dagegen nicht nur keine Erinnerung, sondern 
erklärte auch weitere Stellen da anfzuheben, wo es die örtlichen 
Verhältnisse gestatten. Die Eönigl. Verordnung vom 7. Februar 
1869, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und Verwaltungs¬ 
behörden betr., bestimmte sodann, daß bei denjenigen Land- (jetzt 
Amts-) Gerichten, in deren Sprengel sich nicht der Sitz eines 
Bezirksarztes I. l^asse befindet, Bezirksärzte II. Klasse in Er¬ 
ledigungsfällen nur dann wieder aufgestellt werden, wenn hierzu 
ein besonderes Bedürfnis vorhanden ist. Wird bei einem solchen 
Landgerichte die Stelle eines Bezirksarztes II. Klasse nicht wieder 
besetzt, so geht dessen Dienst auf den betreffenden Beziiksarzt 
I. Klasse über, der hierdurch auch für diesen Landgerichtssprengel 


0 Derselbe lautet: ^Beamte des Beiches, der Bandesstaaten and der 
EommonalbeliCrden, sowie I^hrer and Aerzte an öffentlichen Schalen und An¬ 
stalten onterliegen der Versicherangspilicht nicht, solange sie lediglich zor 
Aosbildong für ihren zokünftigen Beruf beschäftig werden oder sofern ihnen 
eine Anwartschaft aal Pension im Hindestbetrage der InTalidenrente nach den 
Sitzen der I. Lohnklasse gewährleistet ist.“ 




60 


Dr. Becker. 


der ordentliche (öffentliche Arzt wird. Fflr dringende Amtsgesch&fte, 
welche die Beiziehnng des anewärts wohnenden Bezirksarztes L Kl. 
nicht angemessen erscheinen lassen, wird am Sitze des Land¬ 
gerichtes ein StelWertreter des Bezirksarztes ans der Zahl der 
dort befindlichen and hierzu tauglichen praktischen Aerzten anf- 
gestellt and verpflichtet, der fär seine einzelnen dienstlicdien Ver- 
richtongen die tazmäßigen Vergfltnngen erhält. Fflr den Fall, 
daß sich daselbst ein zur Stellvertretong tauglicher Arzt nicht 
findet, auch durch Beiträge ans Gemeinde-, Distrikts- oder Erms- 
mitteln nicht gewonnen werden kann, bleibt es dem Staats- 
ministerinm des Innern vorbehehalten, einen praktischen Arzt als 
Stellvertreter des Bezirksarztes mit einer fixen Jahresremnneraticm 
abznordnen, mit deren Bezog die Verpflichtnng zur Leistung 
anderweitiger bezirksärztlicher Funktionen flbertragen werden 
kann. Diese Bestimmungen gingen dann auch in die Königliche 
Verordnnng vom 3. September 1879 gleichen Betreffs Aber. Diese 
Anfhebnng der Bezirksärzte II. Klasse ist in gewissem Sinne 
eine Beorganisation nach rflckwärts gewesen. Die Einspamng 
ging anf Kosten des ärztlichen Standes durch Verringernng der 
Anstellungsmöglichkeit, aber auch auf Kosten der öffenüichea 
Gesundheitspflege; denn die Bezirksärzte konnten bei den weiten 
Entfernungen, den damals ungenfigenden Verkehrsverhältnissen, 
der Unzulässigkeit der Berechnung von Tagegeldern nnd bei der 
ganzen Gestaltung ihrer Stellung nicht allen Anforderungen der 
Sanitätspolizei in dem entfernten Amtsbezirke entsprechen, nnd 
es unterblieb auf der anderen Seite die entsprechende Organi¬ 
sation des bezirksärztlichen Dienstes, wie sie die Verdoppdnng 
der Amtsgeschäfte notwendig gemacht hätte. Diejenigen Bezirks- 
ärzte, welche der Unterstfltzung eines remunerierten Stellvertreters 
entbehrten, erhielten lediglich eine ständige Jahresremnneration 
von 200 bis 400 fl. Jetzt betragen diese Bezflge fflr ganz Bayern 
23680 Mark. 

Mit der allmählichen Einziehung der Bezirksarztstellen IL Kl. 
bei Erledigung durch Tod, Pensionierung oder Beförderung zum 
Bezirksarzt I. Kl. nahm die Zahl der bezirksärztlichen Stklver- 
treter zu, erreichte ihren höchsten Stand im Jahre 1900 mit 112 
und ging dann infolge der Errichtung mehrerer neuer Bezirks¬ 
ämter wieder auf 104^) zurflck. Mit der kflnftigen Aufhebung der 
einzigen noch vorhandenen bezirksärztlichen Stelle II. Klasse und 
mit der Errichtung der im letzten Budget eingesetzten zwei neuen 
Bezirksämter wird ihre Zahl 102 betragen, l^mnnerierte Stellen 
gibt es 20; sie verteilen sich ungleichmäßig anf die einzelnen 
&eise, Mittelfranken und Schwaben haben keine solche. Die 
Bemuneration ist verschieden hoch; die niedrigste beträgt 520 M., 
bei den meisten Stellen 600, bei mehreren 720, bei drei 1000, 
bei zwei 1200 und bei einer 1800 Mark. 

Die bezirksärztlichen Stellvertreter werden durch die Kreis- 


0 Bei den Amtsgerichten in Lndwigstadt (Oberfruken) und Osteffcofen 
(Niedernayern) sind kc&e berirksärztUohen Stdlvertreter ugestellt. 



Der emtibstUohe Dienst in Bayern. 


61 


regienmg, Kammer des Innern, im Benehmen mit dem Oberstaats¬ 
anwälte beim Oberlandesgericht anfgestellt und verpflichtet. Die 
üebernahme der Registrator and des Amtsinventars erfolgt durch 
das Bezirksamt, die Ansantwortong derselben durch die Bezirks¬ 
ärzte I. El. Die bezirksärztlichen Stellvertreter sind keiner Be¬ 
hörde angegliedert, sie ttthren kein Amtssiegel, haben kein Regie- 
aversnm, genießen nicht einmal Portofreiheit ffir ihre dienstliche 
Korrespondenz, haben kein Anrecht auf Pension oder Sustentation 
weder tflr sich noch für ihre Hinterbliebenen; sie haben, obwohl 
sie eine Reihe von öffentlichen Funktionen versehen, weder eine 
amtliche Stellung noch einen amtlichen Charakter. Bestimmt ab¬ 
gegrenzt sind il^e Befugnisse nur nach zwei Richtungen hin: Sie 
sind die zuständigen Impfärzte des Impfbezirkes, der mit dem 
Amtsgerichtsbezirk znsammenfällt, und die amtlichen Aerzte fflr 
die Oerichtsgefängnisse; im flbrigen hängen sie aber ganz in der 
Luit. Es sind ihnen keinerlei regelmäßige Funktionen übertragen; 
sie können kein amtliches Zeugnis ausstellen, haben keine Be¬ 
fugnis zur Beaufsichtigung des niederärztlichen Personals und 
der sanitären Zustände ihres Bezirks; sie sind auch nicht berech¬ 
tigt in Fragen des öffentlichen Gesundheitswesens Anträge zu 
stellen; sie sind lediglich fflr dringende amtliche Geschäfte, 
welche die Beiziehung des auswärts wohnenden Bezirksarztes I. El. 
nicht gestatten, als „Stellvertreter* desselben aufgestellt. Zur 
Vornahme amtsärztlicher Handlungen sind sie also nur in den ein¬ 
zelnen Fällen befugt, in denen sie eigens dazu beauftragt werden. 
Wann dies erfolgen soll, ist vollständig dem Ermessen der Ver- 
waltnngs- und Gerichtsbehörden anheimgegeben; eine interpre¬ 
tierende Entschließung ist weder vom Ministerium noch von einer 
Äreisregierung ergangen. Die Regierung der Pfalz und der Ober¬ 
pfalz haben zwar eine Instruktion fflr die bezirksärztliehen Stell¬ 
vertreter erlassen, aber gerade diese Frage nicht geregelt. Der 
Bezirksarzt kann fflr sich nicht nach Belieben den bezirksärzt¬ 
liehen Stellvertreter mit der Erledigung von Dienstgeschäften 
betrauen, auch wenn sie durch diesen bequemer, rascher und 
billiger ausgefflhrt werden könnten; er ist dem Bezirksarzt kein 
Untergebener, kein Hilfsarbeiter oder Assistent, und durch seine 
dienstlichen Leistungen flndet dieser weder Unterstfltzung noch Ent¬ 
lastung; was man gewöhnlich unter einem Stellvertreter ver¬ 
steht, das hat der Bezirksarzt an ihm nicht, sondern nur einen 
Nothelfer in dringenden Fällen. Wenn hier und da einmal ein 
Bezirksarzt den Stellvertreter mit Erledigung einer fflr ihn un¬ 
bequemen Dienstesangelegenheit betraute, betrachtete er dies 
als eine persönliche Gefälligkeit und war ärgerlich, wenn der 
Vertreter dabei eine Liquidation vorlegte, wozu er berechtigt 
war. Wo anders hatte ein etwas bequemer Bezirksarzt dem 
Stellvertreter manches überlassen, während dann sein Nachfolger 
alle Amtsgeschäfte, insbesondere die Gebühren tragenden, 
wieder in seine Hand zu bringen suchte. Hierdurch ergaben 
sieh dann zuweilen Reibereien und Eompetenzstreitigkeiten; 
auch die Behörden waren manchmal unschlüssig, ob sie in einem 



62 


Dr. Bäcker. 


Falle den Bezirkiarzt oder den Stellvertreter beizidien lolltoL 
Es herrscht also auf diesem Gebiete eine große Unrieherhait und 
Unklarheit. 

Auch bei den remunerierten Stellvertretern, denen mit dem 
Bezüge einer Remuneration die Verpflichtnng znr Leistnng ander¬ 
weitiger amtsärztlicher Funktionen in dem betreffenden Amte¬ 
gerichtsbezirk verbunden werden kann, ist dies nicht besser; es 
ergibt sich hier sogar noch leichter Gelegenheit zu Differenzen 
nnd Eompetenzstreitigkeiten. Welche amtsärztlichen Funktionen 
Übertragen werden können oder dürfen, ist nicht generell geregelt. 
Die meisten Ereisregierungen haben diese kitzliehe Frage gar 
nicht angeschnitten nnd keine Bestimmungen hierüber getroffen. 
In der Pfalz ist den remunerierten bezirksärztlichen Stellvertretem 
die üeberwachnng des niederärztlichen Personals, speziell der 
Hebammen, ferner der Leichenschauer nnd die sanitätliche Ueber- 
wachnng der Schulen übertragen; sie haben alljährlich zweimal 
gelegentlich nnd unentgeltlich sämtliche Volks- und Einderschulen 
ihres Bezirks zu besuchen und können nur bei außerordentlichen 
Requisitionen Reiseanslagen liquidieren. In Oberfranken sind 
ihnen jene Amtshandlungen zngewiesen, welche rasch und ohne 
Belastung des Aerars besser von dem Stellvertreter als von dem 
entfernt wohnenden Bezirksarzte besorgt werden können, so ins¬ 
besondere Untersuchnngen (Angenscheinseinnahmen) im Gebiete 
der Nahrungsmittel-, Bau- und Reinlichkeitspolizei, der Schalen 
nnd Gemeindehäuser, der Begräbnis- nnd Wasenplätze, die Kon¬ 
statierung von Epidemien, die Untersuchung von Geisteskranken, 
die provisorische Anordnung von Maßregeln, die gelegentlidie 
Beaufsichtigung der Geisteskranken nnd Kostkinder, die unent¬ 
geltliche Behandlung der konskribierten Armen nnd der Gedärmen, 
sowie deren Familien. Sie haben also hier vielfache bezirksärzt¬ 
liche Funktionen zu versehen, aber nach einer anderen Richtung 
hin als in der Pfalz. In Oberbayern ist bloß für Reichenhidl 
eine Regelung erfolgt; dem dortigen bezirksärztlichen Stellvertreter 
sind übertragen: ^e Ausstellung amtsärztlicher Zeugnisse, die 
von Kurgästen benötigt worden, für Leichentransporte, für Gbistee- 
kranke behufs Unterbringung in einer Anstalt nnd für unter¬ 
stützungsbedürftige Nichtbayern, die Beau&ichtigung der Kur- 
Anstalten — mit Ausnahme des Krankenhauses — im Kurbezirk 
Reichenhall und die Beanfsichtignng der Kostkinder im Distrikte 
Reichenhall. Etwas eigentümlich ist hierbei, daß auf die fremden 
Kurgäste mehr Rücksicht genommen ist, als auf die einheimische 
Bevölkerung, die sich wegen der Ansstellnng amtsärztlicher Zeug¬ 
nisse an den Bezirksarzt in Berchtesgaden wenden mnß. 

Manche bezirksärztlichen Stellvertreter beziehen auch noch 
Beiträge aus Kreis-, Distrikts- und Gemeindemitteln; sie haben 
dafür die Verpflichtung zur Abhaltung von Sprechstunden an 
auswärtigen Orten und zur unentgeltlichen Behan^nng der Armen. 

Die Stellung der bezirksärztlichen Stellvertreter erscheint 
in ihrer jetzigen Organisation bei den geschilderten Verhältnissen 
nicht weiter haltbar nnd bedarf dringend einer Aenderung. Für 



Der amtsirzUiehe Dienet in Bayern. 


63 


eine solche stehen sich zwei Vorschlftge gegenüber: Die einen 
wünschen die Bückkehr znm früheren Zast&nde, die Wiedererrich- 
tnng der Bezirksarztstellen II. Klasse, die andern die völlige Anf- 
^be der bezirksärztlichen Stellvertreter nnd die üeberweisnng 
ihres Dienstes an die Bezirksärzte I. Klasse. Würde für den 
ersteren Vorschlag geltend gemacht, daß im Interesse der Aerzte 
eine größere Anzahl amtlicher Stellen errichtet nnd dadurch für 
ältere tüchtige Aerzte die Existenz erleichtert werden sollte, so 
müßte dem entgegengehalten werden, was schon eingangs betont 
wurde, daß für die Organisation des amtsärztlichen Dienstes nur 
die Rücksicht auf das allgemeine Staatsinteresse bestimmend sein 
kuin. Außerdem wurde namentlich noch vor Jahren angeführt, 
daß der Bevölkerung in entlegenen und ärmeren Bezirken schwerer 
ein Arzt zur Verfügung stehen könnte, wenn ein solcher nicht 
durch die Anstellung als Bezirksarzt II. Klasse zur Niederlassung 
und znm Bleiben veranlaßt würde nnd daß, wenn der Staat hier 
nicht helfend eingreife, den Kreisen, Distrikten und Oemeinden 
höhere Ausgaben zur Last fielen. Gewiß hat sich die Staats- 
regiemng auch das angelegen sein zu lassen, daß entlegene ärmere 
Bezirke nicht ärztelos sind; dazu bedarf es aber nicht der Er¬ 
nennung von Amtsärzten, sondern der Beihilfe an praktische Aerzte 
aus staatlichen oder öffentlichen Mitteln. Bei der jetzigen großen 
Anzahl der Aerzte und ihrer vermehrten Niederlassung auch in 
Landbezirken ist übrigens diese Besorgnis nicht mehr so begrün¬ 
det wie vor einigen Jahrzehnten, wo die Einführung der Frei¬ 
zügigkeit die bisher auf dem Lande angestellten Aerzte zur 
Uebersiedelung in die Städte veranlaßte. Auch ist gegen die Er¬ 
richtung der Bezirksarztstellen II. Klasse noch zu bemerken, daß 
die Amtsgerichts-Bezirke außerordentlich verschieden in bezug 
auf räumliche Ausdehnung nnd Bevölkerungsziffer sind; die letztere 
bewegt sich zwischen 5375 (Nordhalben) und 27 773 (Kandel). 
Es könnten also event. nur die größeren Bezirke hierfür in Be¬ 
tracht kommen, während für die große Zahl der kleineren Bezirke 
ein Bedürfnis nicht zazugestehen sein dürfte, da die Amtsgeschäfte 
hier keinen großen Umfang erreichen werden. 

Als weiterer Grund für die Wiedererrichtung der Bezirks¬ 
arztstellen II. Klasse wurde geltend gemacht, daß der amtsärzt¬ 
liche Dienst besser nnd vollkommener versehen werden könne bei 
einer Dezentralisation, wenn also jeder Verwaltnngsdistrikt bezw. 
Amtsgerichtsbezirk seinen eigenen Amtsarzt hätte, der sowohl die 
verwaltnngsärztlichen, wie ^e gerichtsärztlichen Geschäfte be¬ 
sorgt, und daß der Bezirksarzt von seinem Amtssitze ans seine 
Tätigkeit nicht über das ganze Bezirksamt ansdehnen könne. Für 
die verwaltnngsärztlichen Geschäfte dürfte diese Behauptung 
doch nicht ganz zutreffend sein. Sind innerhalb eines Bezirks¬ 
amtes 1 Bezirksarzt I. Kl. nnd 1 event. 2 Bezirksärzte II. Kl. 
angestellt, so entfällt damit die wünschenswerte ständige persön¬ 
liche Fühlungnahme zwischen dem Bezirksamtmanne nnd dem 
Bezirksarzt: es besteht auch keine Gewähr mehr für eine einheit¬ 
liche Durchnhmng der gesnndbeitspolizeilichen Maßnahmen. Wer 



64 


Dr. Beoker. 


in praktiseh-hygienischen Angelegenheiten ein maßgebendes Urteil 
abgeben will, bedarf hierzu einer steten Beobachtung der ein¬ 
schlägigen Verhältnisse und einer reichen Erfahmng, die ihm nur 
ein größerer Amtsbezirk verschaffen kann; so gut wie der Be- 
zirksamtmann die Verwaltung des ganzen Bezirkes leiten ksjin, 
wird auch dem Bezirksarzte die Wahrnehmung des Gesundheits¬ 
wesens in demselben möglich sein, sofern er dnrch eine ent¬ 
sprechende Besoldnng von der Bflcksichtnahme auf private Tätig¬ 
keit entbunden wird. Es wird später noch beim Kapitel der 
Bezirksärzte davon die Rede sein, daß bei der Möglichkeit einer 
Kollision der Pflichten als Privatarzt und Amtsarzt dahin zu 
streben ist, den amtsärztlichen Dienst, wenn irgend tunlich, zu einem 
vollbeschäftigten und vollbesoldeten zu gestalten. Dies läßt sich aber 
nicht erreichen, wenn für jeden Distrikt ein eigener Bezirksarzt an¬ 
gestellt wird; etwas Rechtes, etwas Ganzes wäre bei keinem von 
beiden erzielt und die bisherigen mißlichen Verhältnisse bliebmi 
auch in Zukunft weiter bestehen. Eine Organisation im modernen 
Sinne hätte daher bei den Bezirksärzten I. Klasse einznsetzen, 
und es wären diesen alle verwaltnngsärztlichen Geschäfte im 
ganzen Bezirksamte zu Übertragen. 

Etwas anderes ist es mit den gerichtsärztlichen Ge¬ 
schäften; die kann der Bezirksarzt unmöglich von seinem Amts¬ 
sitze ans erledigen, ebenso wenig wie der Landgerichtsarzt Nnr 
in seltenen Fällen wird es sich um die Erstattung von Gutachten 
auf Grund der Akten handeln; in den allermeisten Fällen haben 
den Gutachten Untersuchungen vorauszngehen. Es sind kleine, 
aber eilige, sogen. Haftsachen, die es wirklich nicht verlohnen, 
deshalb immer den auswärts wohnenden Bezirksarzt herbeiznmfen; 
es ist auch in der Regel nicht angängig, die zu untersuchenden 
Personen, zumal die verhafteten, dem Bezirksarzte an seinen 
Amtssitz znzuschicken; es wird sich auch nicht seine Beiziehung 
zu jeder Glerichtsverhandlung ermöglichen lassen. Tatsächlich 
haben auch viele Amtsgerichte von der fflr dringende Fälle zu¬ 
lässigen Ausnahme eine Regel gemacht und alle anfallenden Unter¬ 
suchungen und Begutachtungen dem bezirksärztlichen Stellvertreter 
zugewiesen. Ebenso wie man diesem schon den gefängnisärzt¬ 
lichen Dienst übertragen hat, sollte er auch mit dem ärztlichen 
Dienst bei dem Amtsgericht betraut werden; er sollte der 
ordentliche öffentliche Arzt für das Amtsgericht in allen Rechts¬ 
sachen (straf- oder zivilrechtlicher Natur) sein, analog wie der 
Landgerichtsarzt für das Landgericht. Es obläge ihm dann die 
Vornahme aller anfallenden Untersuchungen von Personen nnd 
Gegenständen, die Erstattung von Berichten und Gutachten im 
Vorverfahren, bei den Gerichtsverhandlungen und bei der Straf- 
voUstrecknng, auch die Teilnahme bei der richterlichen Leichen¬ 
schau; seiner Zuziehung als zweiter Arzt bei den gerichtlidien 
Leichenöffnungen stände wohl öfters der Umstand entgegen, daß 
er der behandelnde Arzt des Verstorbenen war. Auf £ese Frage 
wird später noch bei den Landgerichtsärzten eingegangen nnd 
erörtert werden, daß es zweckdienlicher ist, dem Landgerichtsarzt 


I 



Der emte&rstiielie Dienst ln Bayern. 


65 


einen ständig^en zweiten Arzt fOr die Sektionen beiznordnen. Der 
bezirksftrztliche Stellvertreter wäre aneh bei Zivilprozessen nnd 
bei der Entmttndignng in der ersten Instanz der regelmäßig zn- 
znziehende gerichtliche Sachverständige. Die Geschäfisanfgaben 
der Amtsanwälte nnd der Amtsgerichte in Straisachen hat in den 
letzten Jahren bedeutend zngenommen. Außerdem wird die Zu¬ 
ständigkeit der Amtsgerichte bei der kommenden Reform des 
Straf* nnd Zivilrechts wahrscheinlich noch eine Erweiterung er¬ 
fahren, so daß sie eines ortsanwesenden amtlichen Sachverstän¬ 
digen nicht entbehren kOnnen. 

Das wäre also die vorznschlagende prinzipielle Aendemng 
an der Stellung des bezirksärztlichen Stellvertreters. Im übrigen 
bliebe er wie bisher der Gefängnisarzt des Amtsgerichtsgefäng¬ 
nisses, der zuständige Impfarzt des Impfbezirks; es könnte auch 
Vorbehalten bleiben, ihn für dringende amtliche Verwaltnngs- 
geschäfte heranznziehen, welche die Beiziehung des auswärts 
wohnenden Bezirksarztes nicht gestatten. Solche Fälle werden 
ja wohl selten sein, nnd sollten auch nur zu den Ausnahmen ge¬ 
hören, können aber immerhin einmal verkommen, wenn der Be¬ 
zirksarzt anderweitig dienstlich verhindert und daher unabkömm¬ 
lich ist, so z. B. wenn es sich um die beschleunigte Verwahrung 
eines gemeingefährlichen Geisteskranken handelt. Im Notfälle 
muß (Ue Staatsregierung auf die Mitwirkung nnd gegenseitige 
Aushilfe aller Amtsärzte rechnen können. 

Mit der vorgeschlagenen Stellung würde auch die amtliche 
Bezeichnung eine Abänderung erfahren müssen. Der übliche Titel 
^bezirksärztlicher Stellvertreter“ ist schon sprachlich unrichtig 
nnd lautete korrekt: Stellvertreter des Bezirksarztes. Tatsächlich 
ist er aber, wie wir gesehen haben, auch dieses nicht Das 
Publikum nennt ihn übrigens nicht bei seinem langen Titel, 
sondern Bezirksarzt, Gerichtsarzt, in der Pfalz Eantonsarzt oder 
schlechtweg Doktor. Ein Titel spielt ja auch in der Gesellschaft 
eine gewisse Rolle; empfindlich sind da besonders die Frauen. 
Frau bezirksärztiieher Stellvertreter klingt nicht so wie Frau 
Amtsrichter oder Frau Distriktstierarzt. Impfarzt ist er nur einen 
Teil des Jahres und Gefängnisarzt nur in seiner Nebenstellung. 
Diese Titel sind daher nicht vorzuschlagen, sondern entsprechend 
seiner künftigen Hauptbeschäftigung hieße er daher am besten 
.Amtsgerichtsarzt“. 

Um die Stellung als eine amtsärztliche zn kennzeichnen und 
ihr Ansehen nach außen hin zn heben, ist weiterhin mit Rücksicht 
auf die Erweiterung der gerichtsärztlichen Dienstobliegenheiten 
vorgeschlagen, das Bestehen der Prüfung für den ärzt¬ 
lichen Staatsdienst als Anstellnngsbedingnug zn fordern. 
Bisher war dies nicht der Fall; nach einer Ministerial-Ent¬ 
schließung vom 6. April 1876 unterliegt es keinem Anstand, 
Aerzte, welche nur die Approbationsprflfung bestanden haben, als 
bezirksärztliche Stellvertreter aufzustellen, dagegen ist bei der 
Aufstellung von remunerierten Stellvertretern vorzugsweise auf 
jene Aerzte Rücksicht zn nehmen, welche die ärztliche Staats- 



Dr. Becker. 


prttfong früherer oder neuerer Ordnung bestanden haben. Die 
Mehrzahl der g^enwärtig in Stellung befindlichen Herren hat 
diesem Erfordernis genügt; von den 104 bezirksärztlichen Stell- 
yertretern 62. Von den 42 übrigen Orten, in denen z. Z. nicht 
staatsärztlich geprüfte bezirksärztliche Stellvertreter angestellt 
sind, ist in 12 ein zweiter ortsansässiger Arzt pro physicatn ge¬ 
prüft, so daß im Erledigungsfalle der Forderung leicht Becbnung 
getragen werden könnte. Man braucht also nicht zu befürchten, 
daß etwa künftig sich hierfür keine Bewerber finden; wird die 
Stellung entsprechend gestaltet und dotiert, auch mit sonstigen 
öffentlichen Stellungen verbunden, gilt sie als eine Art Vorschule 
für den amtsärztlichen Dienst, und gewährt sie eine gewisse An¬ 
wartschaft auf die spätere Anstellung als Bezirks- oder Land- 
gerichtsarzt, so wird sich bei der überaus großen Zahl der pro 
physicatn geprüften Aerzte fast immer ein geeigneter Bewerber 
finden, und wenn das ja einmal bei ganz besonders gelagerten 
VerhUtuissen nicht der Fall wäre, so könnte man dieser Aus¬ 
nahme im Wege des Dispenses Beclmnng tragen. 

Die Anstellung sollte wie bei den Physikatsassistenten und 
ans dem gleichen Grunde durch das Ministerium erfolgen, und 
zwar da neben den amtsgerichtsärztlichen auch verwaltnngsärzt- 
liche Geschäfte (Impfung, Aushilfe) in Frage kommen, durch das 
Staatsministerinm der Justiz im Benehmen mit dem des Innern. 
Die Amtsgerichtsärzte würden bezüglich des gerichts- und gefäng¬ 
nisärztlichen Dienstes dem ersteren, im übrigen dem letzteren 
unterstehen. 

Für die amtliche Tätigkeit möge eine Dienstanweisung er¬ 
lassen werden, in der die Verpfiichtungen und Befugnisse genau 
festgesteUt sind; dann ist auch jedem etwaigen Kompetenzkonfiikt 
mit den Bezirks- und Landgerichtsärzten der Boden abgegraben. 

Für ihre dienstliche Korrespondenz möge Portofr^eit wie 
für die der Beziiks- und Landgerichtsärzte gewährt werden. 
Bisher maßten sich die bezirksärztlichen Stellvertreter hierfür 
der Vermittlung der Ortspolizeibehörden bedienen, weiche auf der 
Adresse Name und Stand des Absenders, sowie die Bezeichnung 
„Sanitäts-Polizeisache* beifügten. Jedes Schreiben auf das 
Bürgermeisteramt tragen, um dort abstempeln zu lassen, war doch 
höchst mißlich, zeitraubend und hat ganz gewiß nicht zur Er¬ 
höhung des Ansehens beigetragen. Manche haben es sich dadurch 
bequemer gemacht, daß sie sich gleich im Voraus eine größere 
An^hl leerer Briefumschläge mit dem Stempel und Vermerk der 
Ortspolizeibehörde versehen ließen. 

Daß die bezirksärztlichen Stellvertreter ein jährliches Begie- 
aversnm zur Haltung der für ihren Dienst benötigten Amts¬ 
blätter und Literalien erhalten mögen, bedarf keiner wmteren 
Begründung. 

Die Vergütung der Dienstleistungen wird bei der 
Verschiedenartigkeit der Beanspruchung in den einzelnen Amts¬ 
gerichtsbezirken am besten nach der Einzelleistung erfolgen. Für 
die amtsgerichtliche und die eventuelle verwaltungsärztliche Tätig- 



Der amtelrztUche Dienst in Bajem. 


67 


keit kämen also die Bestimmuigen nnd Tazansätze der Königlichen 
Verordnung Tom 17. November 1902, Gebflhren für ärztliche 
Dienstleistnngen bei Behörden betreffend, in Betracht; nach § 8 
derselben können die bezirksärztlichen Stellvertreter im allgemeinen 
wie die praktischen Aerzte liquidieren, nur fflr die remunerierten 
Herren gelten die Normen wie fflr die Landgerichts- nnd Bezirks¬ 
ärzte. Fflr die Vornahme von öffentlichen Impfangen richten sich 
die Giebflhren nach der Verordnung vom 30. April 1875, den Voll¬ 
zug des Impfgesetzes, hier die Bestreitnng der Impfkosten betr. 
Bezüglich der gefängnisärztlichen Tätigkeit gewährte die Ver¬ 
ordnung vom 21. Jnli 1884, die Vergütung fflr die gefängnisärzt¬ 
liche Tätigkeit der bezirksärztlichen Stellvertreter betreffend, ein 
Jahresaversnm von 60 Mark für die Mitgliedschaft der Gefängnis¬ 
kommission nnd fflr die üeberwachnng des Zustandes des Gefäng¬ 
nisses gemäß den Vorschriften der Dienst- nnd Hausordnung (bei 
den landgerichtUchen Anshilfsgefängnissen wöchentliche, bei den 
flbrigen Gefängnissen monatliche Nachschau), fflr die Behandlung 
der Gefangenen 1 Mark fflr den Besuch, wenn 1 oder 2 Kranke, 
nnd 2 M., wenn 3 oder mehr Kranke zn behandeln sind, 1—2 M. 
fflr die Vornahme einer ärztlichen üntersnchnng nnd Abgabe des 
nötigen Gutachtens. Da die Gebflhren fflr die Krankenbehandlnng 
nicht mehr zeitgemäß erscheinen, ist es wohl gerechtfertigt, daß 
hierfür die Gebflhrenordnnng fflr ärztliche Dienstleistungen in der 
Privatprazis künftig Anwendnng finden dürfte. An Stelle der Ge¬ 
bflhren fflr die amtsgerichtsärztliche, gefängnisärztliche nnd verwal- 
tnngsärztliche Tätigkeit könnte auch, mit Ausnahme der Impfge- 
bflhren, ein festes Jahresaversnm in entsprechender Höhe festgesetzt 
werden. Bezüglich der bisherigen Gawähmng fizer Jahres- 
remnnerationen ist demnach keine Abändemng vorgeschlagen, nnd 
wenn sonst ein bezirksärztlicher Stellvertreter der Liquidation fflr 
die Einzelfälle ein Jahrespanschale vorziehen sollte, so dürfte ein 
solches ans dem durchschnittlichen Betrage der letztvorher- 
gegangenen Jahre zn berechnen sein. 

Die verwaltnngsärztliche Tätigkeit der bisher remunerierten 
Herren wird voraussichtlich eine erhebliche Einschränkung er¬ 
fahren, wenn den Bezirksärzten die regelmäßigen Ortsbesichti- 
gnngen nnd die Abhaltung auswärtiger Amtstage an^etragen 
wird. Sollten besondere örtliche Verhältnisse es wünschenswert 
machen, daß der bezirksärztliche Stellvertreter auch noch außer 
dringenden Fällen zur Geschäftsanshilfe mitverwendet wird, so 
dürfte es als sehr zweckmäßig zn bezeichnen sein, diejenigen 
verwaltnngsärztiichen Geschäfte, die zn leisten er verpflichtet 
sein soll, ganz präzise festzusteUen nnd die Kompetenzen genau 
abzngrenzen. 

Wo es nach der Größe des Amtsgerichtsbezirks, sowie nach 
dem Umfang der Dienstgeschäfte veranlaßt nnd gerechtfertigt 
erscheint, möge den bezirksärztlichen Stellvertretern nach melv- 
jähriger befriedigender Dienstzeit Pensionsberechtigung verliehen 
werden. Es sind damit keine neuen amtsärztlichen Stellen, wie 
die Ernennung von Bezirksärzten IL Klasse oder die Schaffung 

5 * 



68 


Dr. Beeker. 


einer neuen Kategorie etwa von Medizinal •AsBessoren beantragt^ 
sondern nnr die Gewährnog einer PenBionsberechtignng, wie sie 
jedem nichtpragmatischen Staatsdiener znsteht. IMe HOhe der* 
selben dürfte wohl unter Zagnmdelegung des bisherigen dienst¬ 
lichen Einkommens und der Zahl der Dienstjahre bemessen werden. 
Welche Orte hier in Betracht kommen könnten, muß dem Ermessen 
der Staatsregierang überlassen bleiben und hftngt von der künf¬ 
tigen Gastaltung der Dienstverhältnisse bei den Amtsgerichten 
wesentlich ab. 

Zum Schluß kommt noch der Antrag, die Königliche Staats¬ 
regierang möge darauf hinwirken, daß den bezirksärztlichen Stell¬ 
vertretern der ärztliche Dienst im Distriktskrankenhause, sowie 
sonstige öffentliche Stellungen (Leichenschau, Schulärzte usw.) 
übertragen werden. Dies soll dazu dienen, alles was einen amt¬ 
lichen Charakter hat, in der Person des ortsanwesenden amtlichen 
Arztes zu vereinigen. Die nähere Motivierung dieses Antrages 
wird, um Wiederholungen zu vermeiden, später bei den Bezirks¬ 
ärzten gegeben werden, wo der gleiche Antrag wiederkehrt. 

y. Der ärztliche Dienst bei den Strafanstalten. 

Bei diesem Abschnitte sind die Gerichtsgefängnisse (Amts¬ 
and Landgerichtsgeiängnisse), die nur dem Vollzüge der Unter- 
suchungslmft und kürzeren Freiheitsstrafen dienen, nicht mitein- 
bezogen, da der gefängnisärztliche Dienst bei denselben von den 
Landgerichtsärzten und Bezirksärzten bezw. deren Assistenztodmi 
oder den bezirksärzilichen Stellvertretern besorgt wird, und jeweils 
bei der entsprechenden Stelle zur Erörterung kommt. Die hier 
vorliegenden Leitsätze erstrecken sich nur aä die Strafanstalten 
im engeren Sinne. Als solche bestehen in Bayern derzeit 7 Zucht¬ 
häuser, 8 Gefangenanstalten, 2 Arbeitshäuser (das in Kaisers¬ 
lautern ist seit diesem Ja^e aufgehoben) und das Strafvcdl- 
streckungsgefängnis Stadelheim. Dieses wird mit Unrecht unter 
den Strafanstalten anfgeführt, da der Dienst daselbst eigent¬ 
lich zur Tätigkeit des Landgericbtsarztes zu München I gehört; 
nur weil mit Bücksicht auf den Umfang und die Bedeutung der 
dem Hausärzte zukommenden Geschäftsaufgaben einerseits und die 
große Entfernung des Gefäng^isgebäudes von den inneren Teilen 
der Stadt anderseits die Vereinigung der Funktionen des Gefäng- 
nisarztes und des Landgericbtsarztes ohne Beeinträchtigang der 
einen oder anderen Sparte nicht durchführbar erschien, wurde 
seinerzeit ein eigener Hausarzt aufgestellt. Veränderungen be¬ 
züglich der Zahl der Strafanstalten werden sich in nächster Zeit 
dadurch ergeben, daß die Zuchthäuser Wasserburg und Würzbnrg 
im nächsten Jahre aufgelassen werden und zwei neue Gefangen¬ 
anstalten, zu Landsberg und Aicbach, im Bau begriffen sind. 

An den jetzt vorhandenen 18 Strafanstalten wirken 17 Amts¬ 
ärzte, da der Hausarzt der Gefangenanstalt St. Georgen zugleich 
im dortigen Arbeitshause den Dienst versieht. Bei dmn Zucht- 
hause Wasserburg und dem Arbeitshause Rebdorf wird der hans- 
ärztliche Dienst von den Bezirksärzten bei den Bezirksämtern 



Der amtsärztliche Dienst in Bayern. 


69 


Wasserborgf und Eichstädt besorgt. Im Haaptamte sind sonach 
15 Strafanstaltsärzte tätig; 5 von ihnen sind noch ni<dit prag¬ 
matisch angestellt, von den 10 zn Bezirksärzten I. Klasse ernannten 
befinden sich 2 in der I., 4 in der II., 1 in der III., 2 in der IV. 
and 1 in der VI. Glehaltsklasse. Was die öffentlichen Neben- 
stellnngen anlangt, so sind je 2 als Erankenhans- and Armenärzte 
tätig, 6 sind Bahnärzte in kleineren Bezirken and 1 ist als be¬ 
zirksärztlicher Stellvertreter angestellt. Privatprazis in nennens¬ 
wertem Umfange zu treiben, ist nar einigen wenigen AnstsJts- 
ärzten möglich; der ärztliche Dienst maß mit Rücksicht anf die 
Haasordnang and den Anstaltsbetrieb regelmäßig vormittags, meist 
zn bestimmten Standen vorgenommen werden and erfordert anch 
bei den kleineren Anstalten einschließlich des Hin- and Rückweges 
mindestens 2 bis 3 Standen, bei den größeren den ganzen Vor¬ 
mittag and anch noch Teile des Nachmittags. Hierzu kommen die 
Zeit für die Anfertigung der Berichte and Gutachten, sowie ein 
zweimaliger Besuch bei besonderem Anlasse, außerdem die regel¬ 
mäßigen Besache aller Gefangenen in Einzelhaft (mindestens ein¬ 
mal im Monat, bei Jugendlichen wenigstens zweimal monatlich) 
and die Teilnahme an den Beamtenkonferenzen. Drei Hansärzte 
besorgen als die einzigen ortsansässigen Aerzte auch die Praxis 
in der ümgebang; in den mittleren and großen Städten bröckelt 
die Privatprazis immer mehr ab, da das Pablikum solche Aerzte, 
die ihm nicht immer zur Verfügang stehen and jeden Tag stun¬ 
denlang anderweitig beansprucht sind, nicht gerne nimmt. Ganz 
ausgeschlossen ist eine Privatprazis da, wo der Arzt eine Dienst¬ 
wohnung in der weit außerhalb der Stadt gelegenen Anstalt inne 
hat. Eine Dienstwohnung, teils fi'ei, teils gegen Abzug des Woh- 
nungsgeldzoschasses, haben 5 Hausärzte; in einer weiteren An¬ 
stalt wird sie im Laufe des Jahres bezogen. 

Stellung und Tätigkeit der Strafanstaltsärzte haben in den 
letzten Jahrzehnten wesentliche Aenderungen erfahren; sie sind 
nicht mehr zu vergleichen mit den Verhältnissen in der Mitte 
des vorigen Jahrhunderts — von früheren Zeiten gar nicht zu 
reden —; sie haben dieselben Wandlungen durchgemacht wie das 
ganze Strafvollzugswesen, das auch beeinfiußt wird von der Kultur¬ 
stufe einer Zeitperiode und ein getreues Abbild derselben dar¬ 
stellen kann. Stand früher unter den Theorien des Strafrechts 
das Vergeltungsprinzip im Vordergrund, so besteht jetzt die Auf¬ 
gabe der Strafvollstreckung hauptsächlich darin, den Gefangenen 
zu bessern; er soll zwar mit fühlbarer Strenge, aber vor allem 
gerecht und menschlich behandelt werden. Hatte man früher als 
Strafanstalten nur alte Bargen, Schlösser und Klöster, so fing 
man am Ende der 60 er Jahre an, eigene zum besonderen Zweck 
des Strafvollzugs dienende Anstalten zu bauen; das erste war 
das Zellengefängnis in Nürnberg, dann folgten die Ge&ngenanstalt 
Niederschönenfeld, die Strafvollstreckungsgeföngnisse in München- 
Stadelheim und Nürnberg und die Anstalt in Straubing. GÜdt 
früher der Strafvollzug als minder vornehm wie die Strafre^ts- 
pfiege, Uinlich wie lange Zeit der Train beim MUitär, und ge- 



70 


Dr. Becker. 


Hessen die doch anch ans der joristischen Laufbahn hervor* 
gegangenen Strafanstaltsbeamten weniger Ansehen als die Richter, 
so hat bei dem großen Interesse, das £e Staatsregiening nnd anch 
die weite Oeffentlichkeit hieran nehmen, der Strafvollzug jetzt 
eine höhere Bedentong erlangt; es werden die DirektorsteUen 
mit hervorragenden, bestqoaliftzierten Juristen besetzt Wie die 
soziale Bewegong der letzten Jahrzehnte überall hnmanitftre Bin- 
richtnngen schuf and jeder einzelnen Persönlichkeit mehr Berück* 
sichtigung und Schatz ihrer Rechte angedeihen ließ, so haben auch 
die Zastände in den Gefängnissen eine Verbesserang nach allen 
Richtungen erfahren und an die Stelle der schablonenmäßigen 
Behandlung ist die Individualisierung, die Bedachtnahme auf die 
Gesamtheit der persönlichen Eigenschaften des einzelnen Ge&ngenen 
getreten. Der nachteilige Einfluß, den die Strafvollstreckung unter 
Umständen auf die körperliche und geistige Gesundheit, sogar «if 
das Leben der Gefangenen aasüben kann, wird nicht m^ als 
etwas Unvermeidbares hingenommen, sondern es wird nach Kräften 
das zu verhüten und aaszugleichen gesucht. Wie in den Schalen 
und beim Militär, so wird auch in den Gefängnissen den hygieni¬ 
schen Forderungen Rechnung getragen, die Gesundheitspflege bildet 
eine wichtige Aufgabe der Strafvollstreckung. Nach der Verord¬ 
nung vom 20. September 1907, die Hausordnung für die bayeri¬ 
schen Strafanstalten betr., ist bei der Behandlung der Gefangenen 
auch davon auszugehen, daß jeder Gefangene bei der Rü^ehr 
in die Freiheit sich tunlichst in einem Gesundheitszustände beflnden 
soll, der ihn in den Stand setzt, sich durch regelmäßige Arbeit smnen 
Unterhalt zu verdienen; ist ein Gefangener nicht gesund, so soll 
auf seinen Zustand jede Rücksicht genommen werden, die mit den 
Zwecken der Strafvollstreckung und der Aufrechterbaltang der 
Ordnung und Disziplin in Einklang gebracht werden kann. Dem¬ 
entsprechend hat die gefängnisärztliche Tätigkeit nicht nur an 
Umfong zugenommen, sie ist auch eine intensivere und verant¬ 
wortungsvollere damit geworden, daß dem Hausärzte nicht nur 
die Behandlung der kranken Gefangenen obliegt, sondern auch 
die gesundheitliche Fürsorge für den einzelnen nach den ver¬ 
schiedenen Richtungen und die Wahrnehmung der Hygiene des 
Gefängnisbetriebes. Die vorgenannte Verordnung weist dem Haus¬ 
ärzte ein großes Gebiet der Betätigung zu nnd gliedert ihn als 
einen wichtigen Faktor den StrafvoUstreckungsbehörden an. 

Dementsprechend] sollte anch die äußere Stellung gehoben 
und mit den Dienstleistungen das Giehalt in Uebereinstimmnng 
gebracht werden, dieses ist aber bei den jetzigen VerhUtnissmi 
ungenügend und;'! geringer als in anderen Bundesstaaten. Es ist 
auch schon im bayerischen Landtage der Wunsch nach einer Er¬ 
höhung ausgesprochen und das Bedürfiiis hierzu von höchster 
Stelle anerkannt worden. 

Gleichmäßige Vorschläge in dieser Richtung zu machen, be¬ 
gegnet einigen Schwierigkeiten, weil die Verhältnisse bei den 
einzelnen Stralimstalten verschiedenartig gelagert sind. Das macht 
sich schon hinsichtlich der örtlichen Lage geltend; einzedne An- 


\ 



Der amteSrzUiche Dienst in Bayern. 


71 


stalten lie/i^en innerhalb der Stadt und sind leicht erreichbar^ 
andere anßerhalb derselben, von der Wohnung des Hausarztes 
mehr oder minder weit entfernt, was die Benützung von Fuhr¬ 
werk und größere Zeitversänmnis bedingt. Die durchschnittliche 
Belegziffer weist erhebliche Verschiedenheiten auf; bei der 
kleinsten Anstalt, dem Zuchthause Wasserburg, betrug sie im 
Jahre 1903 nur 104, in Straubing dagegen 920 und in Amberg 
sogar 1193. Dadurch daß in einzelnen Anstalten nur längere, in 
anderen kürzere Strafen zu verbüßen sind, erfolgt in den letzteren 
bei gleichem Durchschnittsbestand ein öfterer Wechsel der 
sassen. ln einigen Anstalten erreicht daher die Gresamtzahl der¬ 
selben in einem Jahre noch nicht das Doppelte des Durchschnitts*' 
bestandes, in anderen das Vierfache, in Stadelheim sogar das 
Vierzigfache; der Gesamtbestand im Jahre 1903 bezifferte sidü 
in den zwei kleinsten Anstalten nur auf 184 und 242, dagegen 
in Straubing auf 1733, in Amberg auf 2846 und in Stadelheim 
auf 17928. Für die Tätigkeit des Hausarztes ist der stete 
Wechsel der Gefangenen von erheblicher Bedeutung. Daneben 
fällt aber auch noch das gesundheitliche Material ins Gewicht. 
Während in das Zellengefängnis Nürnberg nur zum erstenmal 
bestrafte, gesundheitlich gewissermassen ausgesuchte Gefangene 
eingeliefert werden, müssen die anderen Anstalten die Gefangenen 
ohne eine solche Auswahl aufiiehmen; hierunter befinden sich auch 
körperlich und geistig heruntergekommene Individuen, tuberkulöse, 
gebrechliche und alte Leute. Diese beanspruchen natürlich in 
erhöhtem Maße eine ambulatorische und Spitalbehandlnng. Dem¬ 
entsprechend bewegt sich der durchschnittliche tägliche Kranken¬ 
stand bei den kleineren Anstalten zwischen 10 und 20, bei den 
größeren zwischen 30 und 60. 

Bei dieser Verschiedenartigkeit der Verhältnisse wird man 
natürlich davon absehen müssen, bezüglich der Gehaltsfrage ein¬ 
heitliche Vorschläge für alle Anstaltsärzte zu machen. Es kann sich 
nur darum handeln, eine gleichmäßige Grundlage, also gewisser¬ 
maßen Mindestforderungen aufznstellen und daneben für die ein¬ 
zelnen großen Anstalten Nebenbezüge in entsprechender Höhe 
vorzusehen. 

Einheitlich dürfte sich jedenfalls das Anfangsgehalt bei Ein¬ 
tritt in den Strafänstaltsdienst gestalten lassen. Derselbe war 
bisher bei den einzelnen Anstalten verschieden und betrug 1200, 
1400, 1440, 1500 und 1800 Mark, während mit der Ernennung 
zum Bezirksazrte I. Klasse das Gehalt gleichmäßig auf 1980 M. 
normiert wurde. Das Gehaltsregulativ vom 11. Juni 1892 sieht 
zwar auch eine Gehaltsstufe von 1620 M. für Bezirksärzte II. Kl. 
bei den Strafanstalten vor, jedoch wurde, soweit erinnerlich, noch 
kein solcher ernannt. Es möchte sich daher empfehlen, diese 
Verschiedenartigkeit des Fanktionsbezuges zu beseitigen und 
das Anfangsgehalt bei allen Strafanstaltsärzten in 
gleicher Höhe festzusetzen, wie auch bei den Bezirks-und 
Landgerichtsärzten. 

Eine Ungleichheit besteht bisher auch noch darin, daß die 



72 


Dr. Becker. 


pragmatischen Rechte erst nach einer yerschieden langen JMeost- 
zeit verliehen werden. Nor der Hausarzt bei dem Zälengefän^- 
nisse in Nürnberg wird gleich pragmatisch angestellt, die übi^en 
erst mit der Ernennung zum Bezirksarzt L Klasse nach einem 
Zeiträume von früher 10, zuletzt durchschnitüich 5 Jahren. Im 
vorigen Jahre kam es zum ersten Male vor, daß ein Strafanstalts- 
arzt bereits nach 4 Monaten seine Ernennung als Bezirksarzt 1. KL 
erhielt. Das unterstützt jedenfalls die Annahme, daß das Justiz- 
ministerinm selbst eine frühere pragmatische Anstellung als ge¬ 
rechtfertigt und notwendig betrachtet, und läßt der Hofinnng Baam, 
daß dieses dem Anträge, daß die pragmatischen Rechte 
schon gleich mit der Anstellung als Stratanstaltsarzt 
erworben werden, wohlwollende Würdigung und Erfüllung ange¬ 
deihen lassen wird. Das Aufsichtspersonal erwirbt Pensionsreehte 
bereits mit der Anstellung, die Hausärzte dürften in dieser Hinsicht 
nicht schlechter gestellt sein. Bei Genehmigung unseres Antrages 
würden sie früher eine höhere Gehaltsklasse erreichen; es würden 
sich dann auch, da die in der Funktionsstellnng zuzubringenden 
Dienstjahre zur Berechnung kommen werden, die Pensionsbezflge 
für sie und ihre Hinterbliebenen verbessern. Da das künftige Be¬ 
amtengesetz die Unterscheidung zwischen pragmatischen und nicht¬ 
pragmatischen Beamten beseitigen soll, wird dieser Antrag wohl 
dadurch zur Erfüllung gelangen. 

Was nun die Höhe des Gehaltes anlangt, so beziehen die 
Bezirksärzte I. Klasse bei den Strafanstalten das gleiche Anfangs¬ 
gehalt wie die Bezirksärzte I. Kl. bei den Distriktsverwaltungs¬ 
behörden, nämlich 1980 Mark; der Hausarzt bei dem Zellen¬ 
gefängnisse in Nürnberg erhält das Gehalt eines Landgerichts- 
arztes mit anfänglich 2340 M. Die Vorzugsstellung Nürnbergs 
macht sich auch anderweitig bemerkbar. Bezüglich des Siaft- 
systemes, Einzel- oder Gemeinschaftshaft, besteht jetzt kein 
so großer Unterschied mehr wie früher zwischen den einzelnen 
Anstalten, so daß der dienstliche Betrieb an sich an den Haus¬ 
arzt in Nürnberg wohl kaum höhere Anforderungen stellt als 
anderwärts. Außerdem ist das Zellengefängnis nach seinem 
durchschnittlichen und Gesamtbestande an Detenten nur den mittel¬ 
großen Anstalten zuzuzählen, und bei der gesundheitlichen Auslese 
der Gefangenen werden an den anderen Anstalten die Hausärzte 
eher mehr beschäftigt sein. Es dürfte daher nur billig erscheinen, 
alle im Hauptamte beschäftigten Strafanstaltsärzte 
im Gehalte dem Hausarzte beim Zellengefängnisse 
in Nürnberg gleichzustellen. Sollte das neue Beamten¬ 
gesetz hier eine Gehaltserhöhung bringen, so sollte diese selbst¬ 
verständlich auch den übrigen Strafanstaltsärzten zngewendet 
werden. 

Die vorgeschlagene einheitliche Normierung des Gehaltes 
wird noch nicht allen Ungleichheiten völlig gerecht, sie wird bm 
den großen Anstalten dem Umfange der Dienstleistungen noch 
nicht ganz entsprechen. Zum Ausgleiche der Verschiedenheiten 
bei den einzelnen Anstalten und zur Erreichung einer dem Dienst- 



Der amtsarztliehe Dienst io Bayern. 


73 


umfange angemessenen Besoldung möge daher den Strafanstalts- 
ärzten außer den bisherigen nichtpragmatischen Gehaltszulagen, 
die ftbrigens durch das Beamtengesetz in Wegfall kommen soUen, 
noch nichtpensionsfähige Nebeneinkommen gewährt werden. 
Soweit solche bisher bereits bewilligt waren, könnten sie auch 
künftig yerbleiben und bei Bedarf auf andere Anstalten aus¬ 
gedehnt werden. Bei größerer Ortsentfernnng der Anstalt von 
der Wohnnng des Hausarztes könnte eine Entschädigung der Ans¬ 
lagen für Beförderungsmittel bewilligt werden, wie dies bisher 
bei drei Anstalten der Fall war (der Bezirksarzt in Eichstätt, 
der den Dienst im Arbeitshause Bebdorf versieht, wird durch An¬ 
staltsfuhrwerk unentgeltlich befördert); es könnte bei der Fest¬ 
setzung auch die Zeitversäumnis durch den täglichen'Hin- nnd 
Herweg zur Berücksichtigung kommen. Außerdem ließe sidi bei 
der Führung einer eigenen Hausapotheke eine Entschädigung für 
die damit verbundene besondere Mühewaltung gewähren, wie dies 
bei zwei Anstalten bisher der Fall war. ScUießlich könnte bei 
depjenigen Anstalten, welche durch den großen Umfang des 
Dienstes die volle Arbeitskraft des Hausai’ztes beanspruchen, da¬ 
durch einen Nebenerwerb durch Privatpraxis erheblich einschränken 
oder durch ihre exponierte Lage, namentlich wenn der Hausarzt 
in der abgelegenen Anstalt eine Dienstwohnung innehat, eine 
Privatpraxis ganz unmöglich machen, eine Dienstesznlage in ent¬ 
sprechend abgestnfter Höhe bewilligt werden. Spezielle Vorschläge 
zu machen, wie dies bei den einzelnen Anstalten gehalten nnd 
welche der vorgenannten Modalitäten jeweils den Vorzug verdient, 
soll heute nicht erörtert werden, sondern der Initiative der 
Hausärzte überlassen bleiben. Der Medizinalbeamtenverein sollte 
lediglich anssprechen, daß auf die eine oder andere Art je 
nach Lage der Verhältnisse ein billiger Ausgleich geschaffen 
werden möge. 

Eine Vollbeschäftigung nnd Vollbesoldnng ließe sich an 
einigen Orten vielleicht dadurch ermöglichen, daß der ortsansässige 
Bezirks- oder Landgerichtsarzt bei Erledigung der Stelle mit der 
Wahrnehmung des gefängnisärztlichen {Dienstes) betraut würde. 
Dies hätte nach mancher Seite hin seinen Vorteil,Ui6i^6 sich jedoch 
nur bei kleineren Amtsbeziiken und kleinen bis mittelgroßen 
Strafanstalten durchführen. Nach einem preußischen Ministerial¬ 
erlasse vom 20. Januar 1890 sollen bei Besetzung der remune¬ 
rierten Stellen der Straf- oder Gefangenanstaltsärzte die am Orte 
wohnenden Medizinaibeamten in erster Linie nnd vorzugsweise 
berücksichtig werden. 

Bezüglich des Begieaversums für"die Strafanstaltsärzte, sowie 
der Entschädigung der Kosten für die SteUvertretnng im Urlaube 
wird am Schlüsse im Zusammenhange^mit ,den übrigen Amtsärzten 
die Bede sein. 

Die Strafanstaltsärzte werden bei der ^pragmatischen An¬ 
stellung zu Bezirksärzten I. Klasse ernannt und führen auch diese 
amtliche Bezeichnung, jedoch kein Dienstsiegel mitJAus- 
nahme des Hausarztes bei dem StrafvoUstrecknngsgefftngnisse 



74 


Or. Becker. 


Stadelheim. Dieser Titel erscheint insofern unzntreffend, da sie 
nicht amtliche Aerzte eines Verwaltnngsbezirkes sind nnd da hier- 
dnrch Verwechslnng^n beim Pnbliknm mßglich sind, als sei der 
Bezirksarzt bei der Strafanstalt auch für ärztliche Verwaltnngs* 
geschäfte der zoständige Öffentliche Arzt. Jeder Staatsbeamte 
sollte den Titel fähren, der seine dienstliche Stellung kennzeichnet, 
der amtliche Arzt an einer Strafanstalt also den als „Strafanstalts- 
arzt” oder als „Hausarzt“, wie er auch in der neuen Verordnnng 
fiber die Hansordnnng für die bayerischen Strafanstalten durch* 
gehende genannt wird. Dieser Antrag darf nicht entfernt als eine 
Animosität gegen die Strafanstaltsärzte gedeutet werden, wie 
wenn sie den Bezirksärzten nicht ebenbürtig seien. Um dies za 
▼ermeiden, möchte bei dieser Titeländemng ansdrttcklich ans¬ 
gesprochen werden, daß die Strafanstaltsärzte im Bange den Be¬ 
zirk- nnd Landgerichtsärzten gleichstehen. 

Der letzte Antrag dieses Abschnittes geht daraufhin, es 
möge den Strafanstaltsärzten der Uebertritt in den 
bezirks- nnd landgerichtsärztlichen Dienst offen 
stehen nnd keinesfalls erschwert werden. Veranlaßt 
ist dieser Antrag dadurch, daß bis rör einigen Jahren die Ver* 
setzongsgesnche von Strafanstaltsärzten auf andere amtsärztlidie 
Stellen regelmäßig nnberttcksichtigt blieben. Dieselben wandten 
sieh daher in einer wohlmotivierten Eingabe an das Vorgesetzte 
E. Staatsministerinm der Justiz mit der Bitte, die vorgebrachten 
Urflnde würdigen nnd dem Staatsministerinm des Innern znr 
wohlwollenden Erwägung nnd Berücksichtigung znleiten zn wollen, 
daß den Strafanstaltsärzten wie in früheren Zeiten unbenommen 
sein soll, gleichzeitig mit ihren Eonknrsgenossen nnd unter der 
Voranssetznng der Erfüllnng aller sonst an die Kandidaten für 
den ärztlichen Staatsdienst zn stellenden Anforderungen sich mit 
Anssicht anf Erfolg um Anstellung im Dienste des Staats- 
ministerinms des Innern zn bewerben. Dasselbe verhielt sich 
entgegen der Befürwortnng des Jnstizministerinms bezüglich der 
pragmatischen Strafanstaltsärzte prinzipiell ablehnend. Wie in 
der Jnstizministerialentschließang vom 18. Febmar 1903, die An* 
stellnngsverhältnisse der bayerischen Strafanstaltsärzte betreffend, 
mitgeteilt wurde, macht das Staatsministerinm des Innern bezüg¬ 
lich der noch nicht pragmatisch angestellten Strafanstaltsärzte 
keine Schwierigkeiten, dieselben werden nach denselben Gmnd* 
Sätzen wie die praktischen Aerzte zur Anstellung gelangen, da¬ 
gegen erklärte es, zwar nicht zn beabsichtigen, die pragmatisch 
angestellten Strafanstaltsärzte als Bewerber nm Bezirks- oder 
Landgerichtsarztstellen grnndsätzlich nicht zn berücksichtigen, es 
verhehle hierbei aber nicht, daß deren erfolgreidie Bewerbnngen 
wegen der angeführten Schwierigkeiten künftig eben so selten 
sein dürften, wie in den letzten 20 Jahren (seit 1886 batte bis 
dahin eine Versetzung nicht mehr stattgefnnden, obwohl Gesndie 
Vorlagen). In den letzten Jahren worden nnn ein nichtpragmati¬ 
scher Strafanstaltsarzt als Bezirksarzt, nnd je ein pragmatisch 
angestellter als Bezirksarzt nnd Landgerichtsarzt übeniommmL 



Der amtsärztliche Dienst in Bayern. 


75 


Man könnte daher der Meinung sein, daß der obige Antrag offene 
Tflren einstoße. Das ist mOgUeh, aber noch ni<^t sicher; denn 
die inzwischen vorgekommenen Versetzungen können zu den an- 
gedeuteten seltenen Ausnahmen gehören und beweisen noch 
nicht ein Auigeben des bisherigen Standpunktes; denn es soll 
noch in diesem Jahre einem Bewerber von hoher Stelle bedeutet 
worden sein, die prinzipielle Anschannng sei noch die gleiche 
wie Mher. 

Wflrde die Uebeiiiahme eines Strafanstaltsarztes auf den 
Posten eines Landgerichts- oder Bezirksarztes davon abhängig 
gemacht, daß er noch nicht pragmatisch angestellt ist, so könnte 
hierdurch seine wirtschaftliche Existenz erheblich geschädigt 
werden; um die Anwartschaft nicht zu verlieren, wflrde er in der 
geringer besoldeten, einer Erhöhung nicht zugänglichen und mit 
Pensionsrechten nicht ansgestatteten Funktionsstellnng bleiben 
und auf die pragmatische Anstellung verzichtmi mflssen. Mit dem 
neuen Beamtengesetz verschwindet der Unterschied zwischen den 
beiden Kategorien von Beamten, und es ist ungewiß, welche 
Stellung dann das Staatsministerinm des Innern in dieser I^kge 
einnehmen wird. 

Mit der Ernennung zum Bezirksarzte I. Kl. hatten bisher 
die meisten Strafanstaltsärzte ihr Lebensziel noch nicht erreicht; 
mit der Versetzung auf anderweitige Amtsarztposten strebten sie 
nicht nur einen erweiterten Wirkungskreis und ein höheres Ein¬ 
kommen an, sondern sie wollten auch för ihre Familie und be¬ 
sonders die Erziehung der Kinder besser sorgen, da sich die 
wenigen Strafanstaltsposten in den größeren Städten nur gelegent¬ 
lich erledigen. Wflrde den Strafanstaltsärzten der Uebertritt 
prinzipiell verwehrt und das gewisse mit der Versetzung verbun¬ 
dene Avancement, das jedem anderen Amtsärzte offen steht, 
abgeschnitten werden, so könnte ihre Stellung an Ansehen und 
Wertschätzung verlieren, um so mehr, als solche Posten den qua¬ 
lifizierten praktischen Aerzten zugänglich sind. Es könnte nicdit 
nur beim Publikum, sondern auch bei Behörden die Meinung 
sieh bilden, daß die Strafanstaltsärzte hinter den übrigen Amts¬ 
ärzten und auch den praktischen Aerzten znrflckstehen. Der Zu¬ 
gang tflchtiger Aerzte zum Stra&nstaltsdienst wflrde damit sicher 
gemindert. 

Das Staatsministerium des Innern hat seine ablehnende 
Stellung damit begrflndet, daß ein pragmatisch angestellter Straf¬ 
anstaltsarzt, der mit einem Bezirksarzte gleichen Lebensalters 
um eine gute Amtsarztstelle konkurriere, in der Regel schon auf 
einer höheren Gehaltsstufe stehe als dieser, und daß es daher 
nicht billig sei, dem geringer besoldeten Bezirksarzte das Vor- 
rflcken auf eine bessere Stelle nicht zu gewähren zugunsten des 
besser besoldeten Strafanstaltsarztes. Hierzu dürfte bemerkt 
werden, daß auch bei einem kleinen Bezirksamte der Bezirksarzt 
durch die amtlichen Nebeneinkommen (Tmpfong, Zeugnisse, Tage¬ 
gelder usw.) sich doch immer besser stellt, als der Strafanstalts¬ 
arzt in der II. oder m. Gehaltsklasse. Richtig ist, daß die 



76 


Dr. Becker. 


StraUoBtalUirzte darehsclmittlich etwas früher als die Becirks- 
ärzte die pragmatische AoBtellanf erreichen; das dürfte Mha 
keinen 6nind bilden, ihnen die Bewerbongmüglichkeit ganz zn ver¬ 
sagen oder so sehr zn erschweren. Sie bitten ja auch nnr dämm, 
gleicbzeitig mit ihren Kookorsgenossmi berücksichtigt zn werden, 
üebrigens sollte, wovon später noch die Bede sein wird, nicht die 
Anziennität, sondern die besondere Befähigung bei der Auswahl 
der Bewerber den Ansschlag geben. 

Weiter hat das Staatsministerinm des Innern angeführt, daß 
die pragmatisch angestellten Stra^staltsärzte, wenn sie schon 
höhere Gehaltsstnfen erreicht haben, sich nicht nm sogenannte 
Anfangsstellen mit beschwerlichem Dienste nnd geringem Neben¬ 
einkommen, sondern um einträglichere Stellen bewerben, daß aber 
die dienstlichen Verhältnisse der größeren Stellen die Anstellung 
eines im amtsärztlichen Dienste erfahrenen nnd erprobten Amts¬ 
arztes verlangen, als welcher ein Strafanstaltsarzt trotz längerer 
Dienstzeit nicht erachtet werden kann. Das klingt etwas be¬ 
fremdlich, nachdem an gleicher Stelle die große Bi^entnng des 
Strafanstaltsdienstes gewürdigt wird, üebrigens lernt der Stni- 
anstaltsarzt eine Reihe von geistig Minderwertigen nnd pathologi¬ 
schen Charakteren kennen; er hat über die verschiedenartigen 
körperlichen Znstände Berichte nnd Gutachten zn erstatten nnd 
bei der Handhabung der Gesundheitspflege in einer großen An¬ 
stalt bis ins kleinste Detail mitznwirken. £!r erwirbt sich da¬ 
durch mannigfache Kenntnisse, die nicht jeder Arzt sich aneignea 
kann, nnd eine Gewandtheit im Verkehr mit Behörden. Der ge¬ 
fängnisärztliche Dienst könnte daher sogar als eine Art Vorsehole 
für den amtsärztlichen, namentlich den landgerichtsärztUcben 
Dienst gelten. 

Hoffen nnd wünschen wir, daß die Anträge znr Verbessemng 
der Lage der Straianstaltsärzte bei der K. Staatsr^emng eine 
wohlwollende Würdigung Anden mögen! Es würde hierdurch ihre 
Stellung nach außen hin gehoben entsprechend ihrer Bedentnng. 
Betrachtet doch das Staatsministerinm des Innern die Straianstalts¬ 
ärzte als „die praktischen Vertreter einer ärztlichen Spezialdis¬ 
ziplin, die der wissenschaftlichen Ansbildnng ebenso fähig wie 
bedürftig ist nnd ihren Vertretern geistige Anregung in Hülle 
nnd Fülle bietet*. Außerdem würden diese Stellen mehr gesucht 
nnd geschätzt, die Dienstfrendigkeit und der Diensteifer gehoben 
werden, wenn die mühe- and verantwortnngsvoUe, auch mit 
manchen Entbehrungen verbundene Tätigkeit in einer höheren 
Besoldung ein Aequivalent erhielte. Wenn eine Art Avancement 
innerhalb des Strafanstaltsdienstes durch Versetzung auf Stellen 
mit größeren NebenbezUgen geschaffen werden könnte, würden 
die Stellen der Strafanstaltsärzte nicht wie bisher hänflg nur als 
Anfangs- oder Dnrchgangsposten, sondern als Stellen dauernder 
wissenschaftlicher und praktischer Betätigung gelten. 

Es decken sich also bei den vorliegenden Anträgen die per¬ 
sönlichen Interessen der Strafanstaltsärzte vollständig mit denen 
der Justizverwaltung. 


l 



77 


Der amtsKrstUohe Dienet in Bajem. 

TI. Der ftrztUehe Dienst bei den Gerichtsbehörden. 

L Förderung der gerichtlich* medizinischen Wissenschaft 
nnd praktische Ansbildnng in derselben. Bei dem nächsten 
größeren Abschnitte, der sich mit dem ärztlichen Dienst bei den 
Erichtsbehörden befaßt, finden Sie zunächst zwei Anträge hin¬ 
sichtlich der wissenschaftlichen Vorbildung der bayerischen Ge¬ 
richtsärzte. Behufs Förderung der gerichtlich-medizinischen 
Wissenschaft nnd der praktischen Ausbildung in derselben soll 
der Eönigl. Staatsregiernng die Bitte unterbreitet werden, es 
mögen an den drei Landesuniversitäten gerichtlich¬ 
medizinische Institute errichtet werden. 

Unser Nachbarstaat Oesterreich, wo unter Maschka, 
von Hofmann nnd ihren würdigen Nachfolgern die gerichtliche 
Medizin überhaupt eine hervorragende Stellung einnimmt, besitzt 
hierfür gut eingerichtete Institute an jeder Universität. In 
Deutschland waren die Verhältnisse lange Zeit nicht befriedigend; 
erst in den letzten Jahren ist auch hier ein bedeutender Schritt 
nach vorwärts geschehen. Preußen ist auf diesem Gebiete voran¬ 
gegangen nnd besitzt jetzt außer der Unterrichtsanstalt für Staats- 
arzneiknnde in Berlin gerichtsärztliche Institute in Bonn, Breslau, 
Göttingen, Greifswald, Halle, Kiel, Königsberg und Marburg. 
Sachsen hat ein neues Institut in Leipzig errichtet, Württemberg 
besitzt ein solches in Tübingen, Baden in Heidelberg und für die 
thüringischen Staaten dient das gerichtsäi ztliche Institut in Jena. 
Bayern steht da leider weit zurück. In Erlangen ist nicht einmal 
ein Lehrstuhl für gerichtliche Medizin errichtet; in Würzbnrg nnd 
München bestehen zwar außerordentliche Professuren, aber ein 
Institut ist nirgends vorhanden. Um die Anlegung kleiner gerichts- 
ärztlicher Sammlungen haben sich zwar die Herren Fachvertreter 
bemüht, doch reichen diese für Unterrichtszwecke keineswegs ans. 
Es haben deshalb schon im Jahre 1902 sämtliche bayerische Aerzte- 
kammern die einmütige Bitte der Eönigl. Staatsregiernng unter¬ 
breitet, im nächsten Etat die Mittel für Errichtung von gerichtlich¬ 
medizinischen Instituten an den drei Landesuniversitäten bereit- 
znstellen. Dieser berechtigte Wunsch ist leider noch nicht erfüllt 
worden; eine Vertröstung brachte der Ministerialbescheid vom 
16. Mai 1903, daß dieser Antrag dem E. Staatsministerium des 
Innern für Kirchen- nnd Schnlangelegenheiten, sowie dem der 
Justiz zur Würdigung mitgeteilt worden sei. Im vorigen Jahre 
hat nun der Referent der Reichsratskammer, Herr Reichsrat 
V. Auer, diese Frage berührt nnd der Enltnsminister Herr Dr. 
V. W e h n e r hierauf erwidert: 

.Das erstrebenswerte Ziel sei die Scbaffong eigener Institute ftlr gericht¬ 
liche Hedisin. Zurzeit sei der Professor bald im anatomischen, bald im patho¬ 
logisch-anatomischen und im hygienischen Institute zu Gast, er müsse sich 
diäurch zersplittern, was auf die Dauer unerträglich sei. Bisher habe an die 
Errichtung eines solchen Institutes auch in München nicht herangetreten werden 
können, da gerade für diese ünirorsität, insbesondere die medizinische Fakultät 
viele grofie, vordringlichere Baubedürfiüsse bestanden. Wenn aber einmal die 
dringendsten Bedüruisse befriedigt seien, werde man wohl die Errichtung von 
InstUuten für gerichtliche Medizin ln die Wege zu leiten haben.* 



78 


Dr. 6«eker. 


4 


Bei dem Neabaa des großen Anatomiepalastes in Ifflndia 
hätte sieh vielleicht doch noch ein bescheidener Platz daffir er¬ 
übrigen lassen; die Kosten hätten sich dabei auch erheblidi 
niedriger gestellt, als bei einem eigenen Nenban oder bei der 
Adaptierung eines frei werdenden medizinischen Institates. Für | 
eine räumliche Angliedemng des gerichtlich medizinischen Instituts 1 
an das anatomische and das pathologische sprechen außer hjgieoi- i 
sehen anch finanzielle und wissenschaltliche Gründe; die Betriel»- 
kosten verbilligen sich, wenn die Leichenaufbewahmngs- und 
Aasstellungsräume gemeinsam benutzt werden können; das wissen- « 
schaftlich wertvolle Material läßt sich besser ausnützen. Finden 
sich bei einer gerichtlichen Sektion wichtige krankhafte Organ- j 
Veränderungen, so können diese auch im pathologischen Institute 
zu Demonstrationszwecken dienen und umgekehrt; es können anch 
die einzelnen Sammlungen und Bibliotheken sich gegenseitig bei 
wissenschaftlichen Forschungen und für Unterrichtszwecke er¬ 
gänzen. 

Die neuen Landtagsvorlagen enthalten nun leider kein Postulat 
für die Errichtung gerichtlich-medizinischer Institute. Es ersdieint 
daher zweckmäßig und notwendig, daß der fürhere Antrag unserer 
Aerztekammem auch vom bayerischen Medizinalbeamtenverein 
aufgenommen und neuerdings der K. Staatsregierang unterbreitet 
wird. Es geht der gerichtlichen Medizin genau ebenso wie anderen 
medizinischen Spezialfächern; es fällt ihnen nichts von selbst in 
den Schoß, sie müssen jahrelang ans sich heraus arbeiten und mit 
angestrengten Kräften ringen, bis sie im Gesamtgebiete der Medizin 
die verdiente Anerkennung, Berücksichtigung und Stellung finden. 
Wie lange hat es trotz Pettenkofer gedauert, bis jede Uni¬ 
versität ihr hygienisches Institut und eine ordentliche Professnr 
für dieses Fach bekam. 

Das BedürMs nach einer gründlicheren gerichtlich-medi¬ 
zinischen Schulung machte sich schon lange bei den Aerzten fühl¬ 
bar, hervorgegangen aus dem Gefühle der Verantwortung, das 
keinen Sachverständigen verläßt, zumal bei wichtigen Verhand¬ 
lungen, bei denen Ehre, Stellung, Freiheit oder gar das Leben 
eines Mitmenschen auf dem Spiele stehen. Aber auch von anderer 
Seite wurde schon auf diese Lücke in der Ausbildung der prakti¬ 
schen und amtlichen Aerzte hingewiesen. Man hört und liest 
zuweilen — zum Glück nur selten —, daß die zuerst in Tätigkeit 
getretenen Sachverständigen den Tatbestand ungenau oder unvoll¬ 
ständig erhoben, einzelne unscheinbare, aber kriminalistisch wich¬ 
tige Nebenumstände außer Acht ließen, sich durch Voreingenommen¬ 
heit leiten ließen, etwaige Befunde falsch deuteten und damit die 
weitere Untersuchung verzögerten, erschwerten, in falsche Bahnen 
lenkten oder ganz unmöglich machten. An die Zeitungsberichte 
über große sensationelle Prozesse knüpft sich manchmal, nicht 
immer mit Recht, ein abfälliges Urteil über die Gutachten der 
Sachverständigen an; ja schon „Justizmorde* hat man ihnmi zur 
Last gelegt. 

Für unsere Rechtspfiege ist eine gute, gerichtlich-medizinische 


1 



Der untsIrztUohe Dienst ln Bajera. 


79 


Ansbildong aller Aerzte deshalb von so außerordentlicher Wichtig¬ 
keit, weil nach der Straf- and Zivilprozeßordnang zwar in der 
Regel d&c öffentlich bestellte Sachverstftndige, der amtliche Arzt, 
zar Gatachtert&tigkeit heranzaziehen ist, andere Personen nar 
dann, wenn besondere Umstände es erfordern, der Richter aber 
anch jeden praktischen Arzt als Sachverständigen wählen kann 
nnd dieser der , Ernennung“ Folge zu leisten hat. Unbedingte 
Voranssetzong für jeden ärztlichen Sachverständigen müßte daher 
die Kenntnis der einschlägigen Wissensgebiete sein. Leider ist 
die Ansicht noch vielfach verbreitet, die gerichtliche Medizin sei 
nichts anderes als angewandte Medizin und jeder gut aasgebildete 
Arzt könne ohne Weiteres anch in forensischen Dingen jederzeit 
seinen Mann stellen. Znzngeben ist, daß eine gründliche Ansbildnng 
in pathologischer Anatomie, innerer Medizin, Chirurgie, Geburtshilfe 
und Psychiatrie anch zur richtigen Beantwortung einer großen Reihe 
gerichtsärzlicher Fragen befähigt und daß durch literarisches Stu¬ 
dium, durch öftere Beobachtung in der ärztlichen Praxis, gerichtlich¬ 
medizinische Kenntnisse sich erwerben und vertiefen lassen. Es 
bleiben aber auch unter den letztgenannten Voraussetzungen noch 
Fälle genug übrig, in denen eine allgemeine medizinische Bildung 
nicht ausreioht, und nur derjenige Arzt die richtige Lösung finden 
wild, der durch praktische Schulung oder langjährige Erfahrung 
gelernt hat, die Ergebnisse der medizinischen Wissenschaft auf 
die speziellmi Zwecke der gerichtsärztlichen Praxis anzuwenden. 

Diesem Umstande haben die deutschen Bundesregierungen 
bislang in der Weise Rechnung getragen, daß sie zunächst 
wenigstens von denjenigen Aerzten, die später in den Staatsdienst 
eintreten wollen, die Ablegung einer besonderen Prüfung ver¬ 
langten und sie hierbei auch einem schriftlichen, praktischen und 
mündlichen Examen über gerichtliche Medizin unterstellten. Es 
wurde ferner dafür Sorge getragen, daß bei den speziellen Vor- 
bereitungskursen etwas für die Ausbildung in diesem Falle geschah, 
wenn auch lange nicht in dem wünschenswerten Maße. Für die All¬ 
gemeinheit der approbierten Aerzte war es bisher höchst mangel¬ 
haft und die frühere ärztliche Prüfungsordnung vom 2. Juni 1883 
behandelte die gerichtliche Medizin ganz stiefmütterlich. Erst 
die neue Prüfungsordnung vom 28. Mai 1901 verlangt als Zu- 
lassungsbedingung den Nachweis, daß der Kandidat eine Vor¬ 
lesung über gerichtliche Medizin gehört hat. Wenn dies auf die 
Dauer auch noch nicht genügt und die Teilnahme an einem ge- 
richtsärztlichen Praktikum zu fordern ist, so bedeutet es doch 
einen wesentlichen Fortschritt. Um die ärztliche Prüfung nicht 
zu sehr zu belasten und auszudehnen, wurde von der Einführung 
einer besonderen Prüfung über gerichtliche Medizin zwar noch 
abgesehen, jedoch ausdrücklich bestimmt, daß bei den einzelnen 
Prüfungsfächern auch ihre Beziehungen zur gerichtlichen Medizin, 
soweit solche vorhanden sind, nicht unberücksichtigt zu lassen 
sind. Hieraus leitet sich von selbst für die klinischen Lehrer die 
Verpfiichtung ab, noch mehr wie bisher die Studierenden bei ge¬ 
gebener Veranlassung auf die gerichtsärztlichen Beziehungen 1^- 
zuweisen. Jeder Kliniker kommt im Laufe des Semesters hier 



80 


Dr. Beoker. 


and da in die Lag^e, seinen ZahOrern anch forense FftUe vorzn* 
fuhren, und er wird damit, wie ich ans meiner Studentenzeit 
namentlich Ton der Win ekel sehen Klinik mich erinnere, immer 
deren Interesse finden. Dieser Hinweis kann aber nur gelegent¬ 
lich stattfinden, da der Hauptzweck der Klinik auf anderem Ge¬ 
biete liegt, auf die Erkennung und Heilung von Krankheiten sich 
richtet; am meisten noch können die forensen Beziehungen in dtf 
psychiatrischen Klinik erörtert werden. Gerade die wichtigsten 
Abschnitte der gerichtlichen Medizin, ich nenne nnr die gewalt¬ 
samen Todesarten, die Unterscheidung vitaler und postmortaler 
Verletzungen, die Untersuchung von Blntspuren, Samenfiecken und 
dergleichen, lassen sich in den Rahmen des klinischen Unterrichts 
nicht einttt^en. Auch für die Unterweisung in der Gesetzeskunde 
und der Rechtsprechung, soweit deren Kenntnis fflr den ämlidian 
Sachverständigen notwendig ist, fehlt in der Klinik jede Ge¬ 
legenheit. 

Der Unterricht in der gerichtlichen Medizin erfordert daher 
nicht nur besondere Fachlehrer, sondern auch eigene, fttr diesen 
Zweck besonders eingerichtetete Institute. Nur in einem solchen 
kann er richtig erteilt werden; der Lehrer dieses Faches braucht 
ein lustitut ebenso notwendig, wie der Professor der Chirurgie 
eine Klinik oder jener der Chemie ein Laboratorium. Ohne hygieni¬ 
sche Institute hätte diese Wissenschaft sicher nicht den großen 
Aufschwung genommen, und es hätten sich die Aufgaben der Öffent¬ 
lichen Gesun^eitspfiege nicht so leicht durchführen lassen. Ebenso 
verlangen das allgemeine Rechtsbewnßtsein und die Reditspfiege, 
daß Unterrichts- und Forschungsstätten der gerichtsärztlichM 
Sachverständigkeit vorhanden sind. Wir müssen daher mit Nach¬ 
druck den Wunsch aassprechen, daß an jeder unserer drei 
Landesuniversitäten gerichtlich-medizinische Institute errichtet 
werden, und zwar sobald als möglich. Am vordringlichsten ist 
dies jedenfalls für München, da hier die Zahl der Medizin- 
studierenden am größten ist, die Vorbereitnngskurse für den ärzt¬ 
lichen Staatsdienst und die Prüfung selbst wohl auch in Zukunft hier 
abgehalten werden. Diese Institute sollen zunächst als Pfiegestätten 
der gerichtlich-medizinischen Wissenschaft dienen, die nicht stille 
stehen und bei den bisherigen Errungenschaften aasharren kann. 
Wenn auch die letzten Jahre weitere Fortschritte gebracht habra, 
so bezüglich der Bedeutung der postmortalen Blutaustritte und 
Blutsenkungen, der Einwirkung der Fäulnis auf den Luftgehalt 
der Langen bei Neugeborenen, der Erscheinungen bei Er¬ 
trunkenen u. 8. f., nicht zu vergessen der sero-diagnostisdien Blnt- 
untersuchungen, so harrt doch noch eine Reihe von Aufgaben der 
Bearbeitung; fast jeder neue Kriminalfall stellt die Sachverständigen 
vor neue Probleme, und an die gewonnenen Erfahrungen schließen 
sich neue Streitfragen an, die der Lösung entgegen zu führen 
sind. Bayern sollte im wissenschaftlichen Wetteifer nicht hinter 
den anderen deutschen Bundesstaaten zurückstehen müssen. 

Weiter sollen die gerichtlich-medizinischen Institate in mög¬ 
lichst ausgedehntem Maße für Zwecke der Rechtspflege nutzbar 



Oer amtsärztliche Dienst in Bayern. 


81 


gemacht werden. Es können in ihnen die in den üniversit&ts- 
Städten anfallenden gerichtlichen Leichenöffnungen vorgenommen 
werden, die bisher auf den oft weitentlegenen Friedhöfen statt¬ 
fanden; es tritt hierbei auch eine Ersparnis an Zeit und Fnhr- 
werksanslagen der Eommissionsmitglieder, sowie an Gebühren für 
Benutzung der Sektionssäle in den städtischen Leichenhänsern ein. 
Etwa notwendig werdende mikroskopische, spektroskopische, auch 
einzelne chemische üntersnchungen lassen sich, was von größter 
Wichtigkeit ist, nnmittelbai' an die Sektion anschließen; für bak¬ 
teriologische Enltnrversnche läßt sich das Material einwandfrei 
entnehmen, Präparate von forenser Wichtigkeit lassen sich leichter 
konservieren. Auch eine Reihe anderweiter Untersuchungen, die 
besondere Appa-rate, längere Beobachtung oder Vertrautsein mit 
snbtileren Methoden erfordern, läßt sich nur in einem Institute 
exakt und zuverlässig durchführen. Ans den auswärtigen Land¬ 
gerichtsbezirken dürften den Instituten diejenigen Untersuchungen, 
welche die Landgerichtsärzte nicht selbst vornehmen können, zn- 
zuweisen sein. 

Die Hauptaufgabe der gerichtlich-medizinischen Institute 
aber wäre die praktische Ausbildung in diesem großen 
Wissensgebiet. Mit Nachdruck wird das Wort „praktisch“ be¬ 
tont. Wie für alle angewandten Fächer der Medizin, so reicht 
auch hier ein rein theoretischer Unterricht nicht ans, selbst 
wenn er mit vielfachen Demonstrationen und allen modernen 
Hilfsmitteln aasgestattet ist. Man mag schwarz auf weiß das 
beste Skriptnm nach Hause tragen, die Lehrbücher and die neu¬ 
zeitliche Literatur durchstudieren, ein tüchtiger Gerichtsarzt ist 
man damit noch nicht. Mit Bücherweisheit kommt man bei Ge¬ 
richt nicht weit. Sie hört auf, sobald die Verwicklungen be¬ 
ginnen und Staatsanwalt nnd Verteidiger den Sachverständigen 
ins Ereuzfeuer nehmen. Vor theoretisierenden Sachverständigen 
könnte einem bange sein. Der Richter will ja von dem Sachver¬ 
ständigen nicht eine allgemeine wissenschaftliche Auseinander¬ 
setzung, sondern eine genaue, zuverlässige Auskunft über seine 
Wahrnehmungen nnd darauf sich bauend, ein klares überzeugendes 
Gutachten für den einzelnen, der Beurteilung unterstehenden Fall. 
Um allen Anforderungen entsprechen zu können, muß der Sach¬ 
verständige über eine reichliche Beobachtung einschlägigen 
Materials, über die vollständige Beherrschung der Technik der 
Untersuchungen an Lebenden und Leichen, sowie über eine prak¬ 
tische Uebung in der Abfassung von Befundberichten und Gut¬ 
achten verfügen. Hierzu sollen die gerichtlich-medizinischen In¬ 
stitute in größtmöglichem Maße Gelegenheit bieten. Die theoreti¬ 
sche Vorlesung für die Medizinstudierenden sollte mit einem 
intensiven Anschauungsunterricht verknüpft sein; wenn anch viele 
Dinge nur an Lebenden oder bei Sektionen demonstriert werden 
können, wird durch Vorzeigung von Sammlungspräparaten, bild¬ 
lichen und plastischen Nachbildungen der Unterricht belebt nnd 
vertieft werden können. Die Studenten und besonders die Eandi- 
daten für die ärztliche Staatsprüfung sollen alle die Untersuchungen, 

6 



6fi Dr. Beoker. 

die ihnen später in der Praxis anfgetragen werden kdnnen, za> 
nächst beobachten und den Leichenöffnungen beiwohnen; sie sollen 
dann aber auch Gelegenheit bekommen, sich in die verschieden* 
artigen Untersuchuugsmethoden und die Sektionstechnik einzufiben, 
letzteres um so mehr, als die ärztliche Prfifangsordnung merk* 
würdigerweise die Teilnahme an einem pathologischen Sektions¬ 
kurse nicht obligatorisch gemacht hat. Damit ließe sich gleich 
an praktischen Beispielen die Abfassung von Berichten und Gut¬ 
achten verbinden. Auch Untersuchungen an Lebenden, die zor 
Vervollständigung des Unterrichtes notwendig sind, lassen sich 
unschwer anreihen. Sind die Institute einmal errichtet, so lassen 
sich hier auch gerichtsärztliche Fortbildungskurse fftr Staatsdienst¬ 
aspiranten und Amtsärzte ai>halten. 

Sehr zweckmäßig wären auch Vorlesungen fftr Juristen Aber 
das für sie Wissenswerte. Sie sind zur HOrung eines gerichtlich¬ 
medizinischen Kollegs nicht verpflichtet, bekunden aber ihr Inter¬ 
esse hieran durch ziemlich zahlreichen Besuch. Als ktlnftige 
Staatsanwälte haben sie den Sachverhalt zu erforschen, die Öffent¬ 
liche Klage vorzubereiten und zu vertreten, ^ Ermittelungs- und 
Untersuchungsrichter die Untersuchungen durch Sachverständige 
anzuordnen und, soweit ihnen dies erforderlich scheint, zu leiten, 
als Straf- und Zivilrichter haben sie die Ausführungen der Sach¬ 
verständigen zu würdigen, das wesentliche daraus zu entnehmen 
und für die Urteilsbegründung zu verwerten. Gerade weil sie 
daran nicht gebunden sind, sondern nach freier richterlicher Ueber- 
zeugung urteilen, geschöpft ans dem Inbegriffe der Verhandlungen, 
müssen sie wenigstens ein gewisses Verständnis für die forense 
Medizin sich angeeignet haben. Wie gut wäre daher die Teil¬ 
nahme an einer Vorlesung, die selbstverständlich ihren besonderen 
Bedürfnissen angepaßt sein mflßte! Auch für die schon in der 
Praxis stehenden Justizbeamten wäre es sehr begrüßenswert, 
wenn sie von Zeit zu Zeit Gelegenheit bekämen, in einem Kurse 
sich über die Hauptfragen der gerichtlichen Medizin zu infor¬ 
mieren. So hielt im Wiener gerichtlich - medizinischen Institute 
Prof. Dr. Hab er da auf Auregung des Ministeriums derartige 
Kurse, die sich zahlreichen Besuches und großen Interesses seitens 
der Justizbeamten zu erfreuen hatten. Bemerkt sei hier noch, daß 
Dr. Marx in der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneiknnde in Berlin 
demonstrative Vorträge für Kriminalkommissäre abhielt. 

Das nötige Material für eine gedeiliche Gestaltung des 
Unterrichts ist vorhanden und läßt sich leicht vermehren; we¬ 
nigstens läßt sich dies für München behaupten. Den Grundstock 
bilden die gerichtlichen Sektionen, deren Zahl im Stadtbezirke 
allein im Durchschnitte des letzten Dezenniums 80 beträgt*) 
und die sich alle in das Institut verlegen ließen. Anßerdmn 


1) Dr. Hago Marz: Elnftthrnng in die gerichtliche Medizin ftti prak¬ 
tische Kriminalisten. Berlin 1907. Verlag Ton Hirschwald. 

*) 1897 : 61. 1899 : 77. 1901: 84. 1908 : 84. 1906 : 80. 

1898 : 77. 1900 : 89. 1902 : 76. 1904 : 96. 1906 : 82. 



Der amtsftrztltclie Dienet In Bayern. 


83 


▼erden seit dem Jahre 1883, nm Material za Sektionen fOr den 
gerichtlich-medizinischen Unterricht zu beschaffen, die Leichen 
aller unbekannten und dahier verstorbenen Selbstmörder und 
Verunglückten, dann die Leichen jener bekannten Selbst¬ 
mörder and Vernnglückten, welche von ihren Angehörigen nicht 
reklamiert werden, znr Vornahme der Leichenöffnung in das 
pathologische Institut verbracht.^) Einderleichen werden znr Ein¬ 
übung der speziellen üntersuchungsmethoden, wie sie bei Neu¬ 
geborenen vorzunehmen sind, von der Frauenklinik abgegeben, 
wohin solche zu Lehrzwecken auch aus der Stadt verbracht 
werden dürfen.’) Vermehren ließe sich das Material noch durch 
Einführung der sogen, sanitätspolizeilichen Sektionen, wie sie in 
Oesterreich bei nicht kriminellen Fällen ohne den großen Apparat, 
wie er sonst bei gerichtlichen Sektionen notwendig ist, zur Fest¬ 
stellung der Todesursache bei totgefundenen Personen, plötzlichen 
Todesfällen, Verunglückten und Selbstmördern vorgenommen 
werden.’) Dort ist es der politischen Behörde überlassen, bei 
allen Todesfällen die Leichenöffnung anzuordnen, so oft sie es ans 
öffentlichen Rücksichten notwendig findet. Für die Notwendigkeit 
der gesetzlichen Einführung von Verwaltnngssektionen auch in 
Deutschland ist namentlich Heller eingetreten.’) Die Einführung 
der fakultativen Feuerbestattung wird auch in Bayern nicht lange 
mehr hinausgeschoben werden können, und es wird in nnklaren 
Fällen eine amtliche Feststellnng der Todesursache notwendig 
werden. Diese, auch die seitens der Berufsgenossenschaften ver- 
anlaßten Sektionen ließen sich dem gerichtlich-medizinischen In¬ 
stitute zuweisen, so daß dieses ein hinreichendes Sektionsmaterial 
bekäme, ohne dem pathologischen Institute im geringsten Abbruch 
zu tun. Für Untersuchungen an Lebenden ließen sich Verletzte 
durch Ueberweisung aus Kliniken oder Polikliniken, durch ge- 
geignete Vermittelong und gegen mäßige Entschädigung andi 
Unfallverletzte und Invalide gewinnen; wenn die betreffenden 
Personen damit einverstanden sind und das gerichtliche Ver¬ 
fahren dadurch nicht beeinträchtigt wird, könnten auch Fälle ans 
der gerichtsärztlichen Praxis dem Unterrichte dienen (Qualifikation 
von Körperverletzungen nach § 224 a, Sittlichkeitsverbrechen usw.). 
Für die mikroskopischen und sonstigen Untersuchungen ergeben 
die Sektionen und die von auswärts einlangenden Requisitionen 
ständig brauohbares Material. 

Die Einrichtung der gerichtlich-medizinischen Institute 
braucht uns heute nicht weiter zu beschäftigen. Die Institute 


*) Ministerialentschließanff vom 17. Norember 1883, betr. die Yerbringniiff 
von Leichen in das pathologische Institut in München. Beckers Handbuch 
der Medizinalgesetzgebung im Königreich Bayern; H. 1, S. 188. 

*) Bekanntmachung der E. Polizeidirektion München vom 2. Januar 1887, 
betr. die Leichenschau über die in die K. üniTersitäts-Frauenkllnik eingelieferten 
Kindesleichen. L. c.; 8.134. 

*) Haberda: Behördliche Sektionen. Dittrichs Handbuch der ärzt¬ 
lichen Sachverständigentätigkeit; Bd. 11,8. 361; und Netolitzky: Oester- 
reichbche Sanitätsgesetze ; Bd. X, 8. 406 und 412. 

*) VieiteUnhrsschrift für gerichtliche Medizin; 1897, H. 2. 


6* 



84 


Dr. Becker. 


Oesterreichs und der deutschen Bundesstaaten können als gute 
Muster dienen. Der Kernpunkt der heutigen Beratung ist die 
Bedürfnisfi'age, und die Sie wohl einstimmig bejahen werden.^ 

Der Professoren der gerichtlichen Medizin nicht 
zu gedenken, wäre unbillig. Die beiden Herren in München und 
Würzbnrg haben zwar ]^ng und Titel außerordentlicher Uni- 
versitätsprofessoren, stehen aber im Gehalt hinter ihnen zurück. 
Während deren Anfangsgehalt 3180 Mark beträgt, haben sie nur 
einen Funktionsbezog von 2400 Mark, bis vor wenigen Jahren 
war es sogar nur &e Hälfte. Das steht mit der großen Inan¬ 
spruchnahme von Zeit und Kraft, welche die Abhaltung der Vor¬ 
lesungen und die Vorbereitungen hierzu mit sich bringen, nicht 
im richtigen Verhältnisse; sie müßten daher zunächst jedenfalls 
den übrigen a. o. Professoren gleichgestellt werden. 

Es wni'de schon wiederholt betont, daß die gerichtliche 
Medizin den übrigen medizinischen Spezialfächern gleichwertig 
ist; befremdlich und einer Zurücksetzung gleich müßte es daher 
erscheinen, wollte man ihren Vertretern nicht die gleiche äußere 
Stellung einräumen. So gut die Kliniker oder, was zum Ver¬ 
gleiche etwas näher liegt, die Hygieniker und Psychiater durch¬ 
wegs ordentliche Professuren bekleiden, gebührt dies auch den 
Professoren der gerichtlichen Medizin, um so mehr, als die mit 
der Doppelstellnng als Landgerichtsarzt verbundenen Verpflidi- 
tungen jeden Nebenerwerb durch private oder Konsiliarpraxis 
absolut ausschließen. Auch in Oesterreich gibt es nur ordentliche 
Professuren dieses Faches, und für Bayern hat schon Herr Beichs- 
rat V. Auer solche im Vorjahre angeregt. Der Zeitpunkt der 
völligen Gleichstellung erscheint gekommen mit der Errichtung 
der gerichtlich-medizinischen Institute, da damit das Fach und 
die Professuren von selbst eine höhere Bedeutung erlangen, die 
Lehrtätigkeit eine umfassendere wird und die Verpflichtung zu 
wissenschaftlichen Forschungen an Zeit und Arbeit mehr Anforde¬ 
rungen stellt. 

Die vorhin berührte Vereinigung der Stellen als Landgerichts¬ 
arzt und Professor für gerichtliche Medizin sollte mit der Er¬ 
richtung der Institute keine Aendernng erfahren; sie hat sich 
bisher vollkommen bewährt und ist für den Unterricht von größtem 
Werte; eine so eminent praktische Wissenschaft kann nur von 
einem ausübenden Gerichtsarzt gelehrt werden. 

2. Medizinal-Komitees. Wir können nun zu den Medizinal- 
Komitees übergehen, die in ihrer gegenwärtigen Organisation seit 
dem Jahre 1843 bestehen. Die früheren Medizinal-Komitees bil¬ 
deten auch die Prüfungsbehörden für die medizinischen und phar¬ 
mazeutischen Prüfungen. Mit Uebertragung derselben an besondere 
Prüfungssenate der Universitäten verloren sie den größten Teil ihres 
Wirkungskreises; es machte sich demnach eine durchgreifende 
Umgestaltung notwendig. Durch die K. Verordnung vom 23. August 
1843, die Organisation der Medizinalkomitees betreffend, wurde 
die Abgabe von Obergutachten in gerichtlich-medizinischen Füllen 



Der amts&rzUiohe Dienst in Bayern. 


85 


den medizinischen Faknltäten der drei Landesnniversitäten fiber* 
wiesen; es trat bei jeder derselben unter dem Vorsitze des 
zeitlichen Dekans — nur in Mflnchen ist ständig der gleiche Vor¬ 
sitzende, n. b. ein Professor der Kinderheilkunde, bestellt — ein 
ans 4 Beisitzern bestehender Senat als Medizinal-Komitee in 
Wirksamkeit. Die Tätigkeit der Medizinal-Komitees erfuhr eine 
Erweiterung durch die Königl. Verordnung vom 29. September 
1878, die Vornahme der chemischen und mikroskopischen Unter¬ 
suchungen in strafrechtlichen Fällen betreffend. Danach haben 
die Gerichte in Vergiftnngs- und ähnlichen strafrechtlichen 
Fällen, in welchen eine chemische Untersuchung, ferner in Straf¬ 
sachen, in welchen eine mikroskopische Untersuchung zur Er¬ 
hebung des Tatbestandes notwendig ist, in der Begel und wenn 
nicht besondere Verhältnisse eine Ausnahme begründen, die 
erste chemische oder mikroskopische Untersuchung nicht durch 
den Gerichtsarzt und einen Apotheker, sondern durch Vermittlung 
des betr. Medizinal-Komitees yomehmen zu lassen. Zn diesem 
Behufe sind die der Untersuchung zu unterwerfenden Gegenstände 
an das Gericht des Ortes zu übersenden, in welchem sich das für 
den Bezirk zuständige Medizinal-Komitee befindet. Der Vorstand 
des letzteren hat sodann die Erledigung der an dasselbe ge¬ 
langenden gerichtlichen Requisition dem zuständigen, für die 
chemischen und mikroskopischen Untersuchungen bestellten be¬ 
sonderen Sachverständigen zu überweisen, und dessen Bearbei¬ 
tung nebst den betreffenden Gegenständen an das Gericht znrück- 
zuleiten. 

Dieser Modus ist jedenfalls ein unnötig umständlicher. Zwei 
Stellen werden ohne Grund und Zweck bemüht, das Gericht des 
Ortes und der Vorsitzende des Medizinal - Komitees, dessen Ver¬ 
mittelung für die Hin- und Herleitnng ganz entbehrlich ist. Mit 
Weglassung dieser beiden eingeschobenen Instanzen würde das 
Verfahren nicht nur wesentlich vereinfacht, sondern auch be¬ 
schleunigt und verbessert. Bei dem Hin- und Herschicken können 
Präparate, die nicht mit konservierenden Flüssigkeiten behandelt 
sind, oder um das Untersuchungsergebnis nicht zu beeinträchtigen, 
damit überhaupt nicht behandelt werden dürfen, dem Verderben 
unterliegen. Das verspätete Eintreffen der Untersuchnngsgegen- 
stände hat häufig negative Ergebnisse zur Folge oder erlaubt es 
nicht mehr, daraus wichtige Schlüsse zu ziehen. Alle diese Unter¬ 
suchungen könnten daher besser mit Umgehung des Vorstandes 
des Medizinal-Komitees direkt den mit der Untersuchung betrauten 
Instituten zugeleitet werden. Welches derselben jeweils in Betracht 
zu kommen hat, ob ein gerichtlich-medizinisches, ein bakterio¬ 
logisches oder hygienisches, ein pharmakologisches oder chemisches 
Institut, oder ob in einem gegebenen Falle zwei Institute die 
Untersuchung nach verschiedener Richtung hin vorzunehmen haben, 
z. B. wenn sowohl eine chemische, als auch eine mikroskopische 
Untersuchung notwendig scheint, dürfte dem Ermessen des zustän¬ 
digen und zunächst mit der Sache befaßten Landgerichtsarztes 
anheimgestellt werden. Für die technischen Untersuchungen bei 



86 


Dr. Be^er. 


den üntersachnngsanstalteii fttr Nahmogs- nnd Genaßmittel ist 
dieser yereinfachte Modns bereits eingefUirt. 

Auf die Frage, wie weit etwa chemische and yor allem 
mikroskopische Untersnchnngen yon den Landgerichtsärzten yor- 
genommen werden können nnd sollten, wird später bei dem Kapitel 
der Landgerichtsärzte eingegangen werden. Hier sollte ledighdi 
eine Entlastnng der Medizinalkomites yorgeschlagen werden durch 
^seitignng i^er rein yermittelnden Tätigkeit, die doch manche 
Umständlichkeiten bringt. Nach deren Wegfall würde sich die 
Tätigkeit der Medizinalkomitees yon selbst anf die Erstattung 
yon Obergntachten in wichtigen straf* nnd zivilrechtlichen 
Fällen beschränken. 

In den Berichten Ober die Tätigkeit der Medizinalkomitees 
stehen der Zahl nach an erster Stelle die chemischen, dann die 
mikroskopischen Untersnchnngen nnd zuletzt kommen die Ober¬ 
gntachten.*) Da die Zahl der letzteren keine sehr große ist — im 
Jahre 1903 bei allen drei Medizinal-Komitees nur 9 — nnd da die 
Medizinal-Komitees außer den Gebühren für die einzelnen Unter¬ 
snchnngen einen jährlichen Aufwand yon 6214 Mark ans Staats¬ 
mitteln erfordern, läßt sich die Frage aufwerfen, ob nicht die 
Medizinal-Komitees überhaupt aufgehoben und die Obergutachten 
den medizinischen Fakultäten zugewiesen werden könnten, die 
dann jeweils für den betreffenden Fall eine Kommission zusammen- 
znstellen hätten. Dem möchte jedoch nicht das Wort geredet 
werden, einmal im Interesse einer ständigen nnd gleichmäßigen 
Besetzung der Medizinal-Komitees und damit der Beschleunigung 
des Verfahrens, dann weil § 83 der St. P. 0. ausdrücklich yorsieht, 
daß „in wichtigeren Fällen das Gutachten einer Fachbehörde 
eingeholt werden kann*. Diese Fachbehörden für medizinische 
Gutachten sind eben die Medizinal-Komitees. 

Die Besetzung der Medizinal-Komitees ist der Krone yor- 
behalten, die wohl immer den Vorschlag der Ministerien entgegen¬ 
nehmen nnd berücksichtigen wird. Wird daher in dieser Richtung 
der Königl. Staatsregierung eine Bitte nnterbreitet, so dürfte eine 
solche nicht yon yomherein eine Ablehnung finden als ein Versuch, 
die Allerhöchsten Rechte anzutasten. Die Mitglieder der Medizinal- 
Komitees sind teils ordentliche Beisitzer, so die Professoren 
der pathologischen Anatomie, der Chirurgie, inneren Medizin, Ge¬ 
burtshilfe und Psychiatrie, teils außerordentliche Beisitzer 
nnd Suppleanten, Professoren nnd Dozenten ans den yer- 
schiedenen Gebieten. Obwohl es sich um gerichtsärztliche Ober¬ 
gntachten handelt, findet das Fach der gerichtlichen Medizin in den 
Medizinal-Komitees nicht die entsprechende Vertretung: in Würz- 
bnrg ist der Professor für gerichtlichen Medizin im Medizinal- 
Komitee nicht yertreten, in Erlangen gehört ein Piivatdozent, der 


1) Im Jahre 1903 wurden erledigt: 

Obergntachten mikroskop. Unters, chem. Unters. 
München: 4 11 SO 

Wttrzburg: 2 9 14 

Erlangen: 3 6 8 



Der amteirztiiclte Dienet in Bayern. 


87 


dieses Fach liest, als Stellvertreter ihm an, und in München ist 
der Professor der gerichtlichen Medizin nnr als Snppleant an¬ 
gestellt. 

Der gerichtlichen Medizin, die ja vielfach noch zu kurz 
wegkommt, sollte doch bei den gerichtsärztlichen Fachbehörden 
die ihr znkommende Bedentang und Stellung eingeräumt werden; 
es ist daher der Wunsch berechtigt, daß die Professoren der 
gerichtlichen Medizin als ordentliche Beisitzer der Medizinid- 
Komitees ernannt werden, damit sie bei jedem Obergutachten 
mitwirken können, sei es als fachmännische Mitberater oder als 
Berichterstatter. Handelt es sich um psychiatrische Fragen oder 
um eine Fahrlässigkeit bei Ausübung der Heilkunde, so ist für 
diese Fälle der richtige Referent der Psychiater oder je nachdem 
der Chirurg, der interne Mediziner oder der Geburtshelfer, für die 
meisten Fälle aber, wie sie den M.*Ks. vorliegen, wenn Mord oder 
Selbstmord in Frage kommt usw., wird das Referat am besten 
dem Professor für gerichtliche Medizin zugeteilt. Hat er etwa 
selbst bereits in dem vorausgegangenen Verfahren ein Gutachten 
abgegeben, kann er natürlich nicht zugleich als Obergutachter 
mitfungieren, er müßte in diesen Fällen ausscheiden und durch 
einen Stellvertreter ersetzt werden. 

Bei der allgemeinen Organisation des gesamten ge¬ 
richtsärztlichen Dienstes wirft sich zunächst die prin¬ 
zipielle Frage auf, ob für alle Zweige der Staatsverwaltung nur 
eine Kategorie von Amtsärzten aufgestellt sein soll, oder ob eine 
Trennung des gerichtsärztlichen vom bezirksärzt¬ 
lichen Dienste besser sei. Es ist das eine sehr wichtige 
Frage, in der die Meinungen noch nicht übereinstimmen, es sind 
die Verhältnisse in den einzelnen Ländern und auch innerhalb der 
deutschen Bundesstaaten in verschiedener Weise geregelt und auch 
für Bayern ist es keine bloße Katheterfi’age; denn es sind schon 
früher und auch in der letzten Zeit Stimmen dafür laut geworden, 
die beiden Arten von Amtsärzten wieder zu vereinigen. 

Sehen wir einmal zunächst ganz von den bayerischen Ver¬ 
hältnissen ab, wie sie sich bis heute entwickelt haben, und be¬ 
trachten die Sache von einem allgemeinen Standpunkt aus, was 
spricht für eine Personalunion, was dagegen? Zunächst ließe sich 
anführen, daß es sich bei den Gerichtsärzten und den Verwaltungs¬ 
ärzten um die Abgabe technischer Gutachten handelt, die nur hier 
das Gebiet der gerichtlichen Medizin, dort das der Hygiene be¬ 
treffen, und daß daher der gleiche Arzt eine Sachverständigen- 
tätigkeit sowohl bei den Gerichts-, als den Verwaltungsbehörden 
ausüben könne. Sehen wir genauer zu, so ergeben sich aber doch 
große Verschiedenheiten hinsichtlich der Stellung und des Wirkens. 
Die Stellung des Landgerichtsarztes ist genau präzisiert durch 
die Straf- und Zivilprozeßordnung und zwar als solche eines Sach¬ 
verständigen. Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen 
und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgen durch den Richter. 
Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich 
bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, 



88 


Dr. Becker. 


wenn besondere ümsUlnde es erfordern, nnd unter den zwei znr 
gerichtlichen Leichenbffiinng znznziehenden Aerzten mnß sich ein 
«G-erichtsarzt“ befinden (StPO. §§73 nnd 87, ZPO. § 404). Nach 
der Eönigl. Verordnung vom 8. September 1879, den ärztlichen 
Dienst bei den Gerichts- nnd Verwaltungsbehörden betrefiend, 
wird bei jedem Landgerichte ein Landgerichtsarzt angestellt, 
welcher in allen znr Zuständigkeit des ersteren gehörigen Rechts¬ 
sachen för den ganzen Umfang des Landgerichtsbezirkes der 
ordentliche öffentliche Arzt ist. Der Landgerichtsarzt ist also 
keine Behörde, er besitzt lediglich einen persönlichen amtlichen 
Charakter und ist ausschließlich ein, allerdings in erster Linie, 
zu berufender Sachverständiger. Seine Gutachten erhalten hier¬ 
durch noch keinen behördlichen Charakter, sie stellen sieh immer 
nur als eine Aeußerung seiner persönlichen Auffassung dar. 
Grundsätzlich ist der Landgerichtsarzt den anderen medizinischen 
Sachverständigen gleich gestellt. In Wirkung tritt er dement¬ 
sprechend auch nur auf jeweilige spezielle Requisition; eine 
Initiative kommt ihm nicht zu, zu einer solchen findet er vielleicht 
nur in seiner Nebenstellung als Gefängnisarzt Gelegenheit. Mit 
der Erstattung des Sachverständigengutachtens fiber die ihm vor¬ 
gelegten Fragen ist auch seine Tätigkeit erschöpft, die Weiter¬ 
behandlung der Sache berührt ihn gar nicht mehr; er darf nicht 
einmal den Versuch machen, hier irgendwie einzugreifen. 

Ganz anders ist es mit dem Bezirksarzt. In einigen FäUen 
hat wohl auch er rein sachverständige Gutachten zu erstatten; 
in den meisten Fällen ist er aber zugleich der technische Be¬ 
rater der Verwaltungsbehörden. Als solcher hat er Vorschläge zu 
machen, Anträge zu stellen, sich auch um die Einzelheiten der 
Ausführung zu bekümmern und die getroffenen Maßnahmen mit 
zu überwachen; er ist also ein Teil der Ansführungsbehörden 
nnd als solcher hat er auch die Verantwortung mit zu tragen. 
Außerdem ist dem Bezirksarzte schon seit dem organischen Edikte 
vom Jahre 1808 eine Reihe von Funktionen zngewiesen, die er 
teils zussammen nnd im Benehmen mit der Distriktsverwaltnngs- 
behörde, teils allein kraft seines Amtes zu erledigen hat. 
Bezirksarzt hat daher den Charakter einer Behörde und bei Aus¬ 
übung seines Dienstes hat er nicht nur das Recht, sondern auch 
die ^icht zur Initiative. 

In sachlicher Beziehung wurde für eine Personalunion geltend 
gemacht, daß zeitweilig Fälle Vorkommen, welche sowohl die 
Gerichte, als die Verwaltungsbehörden beschäftigen, nnd dement¬ 
sprechend ein Gutachten nicht nur seitens des Landgerichtsarztes, 
sondern auch des Bezirksarztes notwendig machen. So steht 
z. B. die psychiatrische Begutachtung der gleichen Person ans 
demselben Anlasse hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit dem 
Landgerichtsarzte zu, hinsichtlich der Gemeingetährlichkeit dem 
Bezirksarzte. Die Ueberwachung des niederärztlichen Personals, 
der Eurpiuscher, des Verkehrs mit Nahrungs- und Gennßmitteln 
gehört zu den Aufgaben des Bezirksarztes, die Begutachtung der 
durch Fahrlässigkeit oder verdorbene Nahrungsmittel hervor- 



Der amteSntlidie Dienst in Bajem. 


89 


gfenifeiien Schädignnifen an Leib und Leben aber zu denen des 
Landgerichtsarztes. Li diesen und einigen ähnlichen Fällen mochte 
es den Anschein gewinnen, als ließe sich eine große Geschäfts- 
Tereinfachung erreichen, wenn der Sachverständige, der einmal 
einen genauen Einblick in den Tatbestand hat, bei beiden mit 
der Sache befaßten Behörden sein Gutachten abgibt. Näher be¬ 
sehen ist die Geschäftsvereinfachung aber doch nicht so groß, als 
man auf den ersten Blick meinen möchte. Wenn der Landgerichts¬ 
arzt sich in seinem schriftlichen Gutachten über den Geistes¬ 
zustand auch hinsichtlich der Gemeingefährlichkeit äußert, füllt 
er damit nur unnötigerweise die Gerichtsakten; tut er das in einer 
Glerichtsverhandlung, so hat das auch keinen Zweck, denn die 
Bichter haben darüber nicht zu befinden, sondern alle weiteren 
Maßnahmen der Distriktspolizeibehörde zu überlassen. Ais ge¬ 
richtlicher Sachverständiger hat sich demnach der Landgerichts¬ 
arzt immer nur so weit zu äußern, wie es der richterliche Zweck 
erfordert, bei einer fahrlässigen Tötung seitens einer Hebamme 
also nur über die Todesursache und deren Zusammenhang mit 
der Fahrlässigkeit. Erst später, wenn nach rechtskräftigem Ab¬ 
schluß des Strafverfahrens die Akten an die Verwaltungsbehörden 
hinübergehen, wird dann auch ein sachverständiges Gutachten in 
der Richtung erholt, ob die Hebamme noch die für ihren Beruf 
eforderliche Zuverlässigkeit besitzt und verneinendenfalls ihr 
Prüfungszeugnis zurückznnehmen sei. Auch bei einer Personal¬ 
union müßte sich demnach der Amtsarzt doch zweimal mit der 
gleichen Sache beschäftigen und zwei getrennte Gutachten ab¬ 
geben; erspart, wäre also für das zweite Gutachten lediglich das 
Aktenstndinm. Dieser Ersparnis an Zeit und Arbeit steht gegen¬ 
über eine höhere Gewähr gegen etwaige Voreingenommenheit und 
für die richtige Handhabung der Gesetze, wenn bei den zwei Be¬ 
hörden auch zwei selbständige, an ihre Ansichten gegenseitig 
nicht gebundene Sachverständige den gleichen Fall in seinen ver¬ 
schiedenen Beziehungen begutachten. 

Schon bei diesen paar genannten Beispielen war zu ersehen, 
daß in einem und demselben Falle die gerichtliche Beurteilung 
und das Vorgehen der Verwaltungsbehörden auf einer verschiedenen 
gesetzlichen Grundlage, nach einem verschiedenen Verfahren und 
mit verschiedener Wirkung erfolgen. Für den größten Teil der 
Tätigkeit der Landgerichts- und Bezirksärzte ergeben sich aber 
sonst keine Berührungspunkte, da sie auf ganz getrennten Ge¬ 
bieten liegt; die Trennung ist so vollständig, daß Reibereien und 
Eompetenzstreitigkeiten gar nicht entstehen können. Das Arbeits¬ 
feld der Laudgerichtsärzte ist die gerichtliche Medizin und die 
forense Psychiatrie, das der Bezirksärzte das weite Feld des 
öffentlichen Sanitätswesens. Beide Gebiete haben sich in den 
letzten Jahren ganz außerordentlich erweitert; es sind dem¬ 
entsprechend auch die Anforderungen an die Amtsärzte beider 
Kategorien ganz bedeutend gewachsen, so daß schon deswegen 
eine Arbeitsteilung eintreten müßte. Etwa zu behaupten, es 
könne kein Medizinalbeamter beide Fächer vollständig beherrschen, 



90 


Dr. Becker. 


nnd 68 mttsse deshalb die ScheidoDg erfoldron, damit anf beiden 
Gebieten etwas Ganzes und nicht etwas Halbes geleistet wird, 
kann man in dieser Allgemeinheit nicht als richtig gelten lassen. 
Es gibt Männer, die als Bezirksarzt nnd als Landgerichtsarzt 
Vorztlgliches leisten können. Wenn man dem Verwaltnngsbeamten 
zntrant, daß er in der Landwirtschaft, im Gewerbe and Bauwesen, 
bei menschlichen und tierischen Infektionskrankheiten, im Schul* 
wesen und der sozialen Gesetzgebung, ttberall ein klares Ver¬ 
ständnis besitze und in dem großen Gebiete der inneren Ver¬ 
waltung alle Sparten beherrsche, so wäre es doch ein Armuts¬ 
zeugnis fär die Amtsärzte, wenn man ihnen bestätigen mtißte, 
sie könnten nicht in einer Person Gerichts- und Verwaltungsarzt 
sein. In der Praxis werden jedoch verschiedene Umstände sich 
geltend machen nnd eine Trennung der beiden Disziplinen als 
wünschenswert erscheinen lassen. Bei dem einzelnen Amtsärzte 
werden Neigung und Interesse für die Wahl der Laufbahn von 
entscheidendem Einfluß sein. Es ist nicht jedermanns Liebhaberei, 
die gerichtlichen Sektionen vorzunehmen, in öffentlichen Gerichts¬ 
verhandlungen aufzutreten nnd die Schwere der Verantwortung 
auf sich zu nehmen, von Staatsanwalt und Verteidiger sich hin- 
und herziehen und anderen Sachverständigen sich gegenüberstellen 
zu lassen. Wem dies nicht sympathisch ist, geht lieber in die 
Verwaltung, wo die Tätigkeit sich nicht so vor der breiten Oeffent- 
lichkeit abspielt, nicht so an Standen und Minuten gebunden ist. 
Die meisten der bei Gericht aufgeworfenen Fragen sind ganz 
speziflsche, die den Arzt im Verwaltungsdienste sonst nicht be^ 
schäftigen und ihm daher vielfach fremd sind; es geht ihm bei 
langjährigem Dienste die technische Uebung bei Sektionen, die 
kriminalistische Erfahrung und die Sicherheit in der gerichts¬ 
ärztlichen Beurteilung verloren, während umgekehrt dem Land¬ 
gerichtsarzt das Interesse für Verwaltungsgeschäfte, die Kenntnis 
der außerordentlich umfangreich gewordenen Gesetzgebung nnd 
die erforderliche Geschäftsbehandlung mit der Zeit abhanden 
kommen. Dadurch, daß uich das dienstliche Interesse und die 
Tätigkeit nur auf eine der beiden großen Sparten erstreckt, ge¬ 
winnt die Erfahrung und die Geschäftsgewandtheit; nur bei einer 
Scheidung beider Sparten ist auch eine ständige Dienstbereitschaft 
gewährleistet; niemand kann gleichzeitig zwei Herren dienen, und 
eine ständige Komplikation hinsichtlich der anzuberaumenden 
Termine wäre unvermeidlich. Sich in wissenschaftlicher Beziehung 
immer auf der Höhe der Zeit zu halten, ist auch für nur ein 
Gebiet viel leichter, als für das Gesamtgebiet der Staatsarzneikunde. 

Bei der vor einigen Jahren in Preußen durchgeführten Re¬ 
organisation des Medizinalwesens war in dem ursprünglichen 
Entwürfe des Medizinalministerinms beabsichtigt, die gerichtsärzt¬ 
liche Tätigkeit von den Dienst geschälten des Kreisarztes zu 
trennen. Lediglich aus flnanziellen Gesichtspunkten mußte dieser 
Plan fallen gelassen werden, so daß der Kreisarzt auch jetzt no<^ 
der Gerichtsarzt seines Amtsbezirkes ist. Die gerichtlichen Ge¬ 
schäfte können jedoch, wo die Verhältnisse es erfordern, besonderen 



Der amts&rcUiche Dienet ln Bayern. 


91 


Geriehtsärzten flbertragen werden; es sind bis jetzt bereits 
15 eigene Qeriehtsftrzte anfgestellt. Preußen folgt also jetzt 
langsam auf dem Wege nach, den Bayern schon längst hinter 
sich hat. 

Aach in unserem Lande waren die beiden Zweige der Staats- 
arzneikunde frQher in einer Hand vereinigt. Das organische Edikt 
von 1808 kannte nur eine Gattung von Amtsärzten, „Gerichts- 
ärzte“ (Stadt- und Landgerichtsärzte) betitelt, obwohl ihre haupt¬ 
sächlichen Obliegenheiten und Pflichten auf dem Gebiete der 
Verwaltung lagen. Diese Personalunion war so lange möglich, als 
auch die Justiz- und Verwaltungsgeschäfte noch von einer Be¬ 
hörde erledigt wurden. Mit der Trennung der Justiz von der 
Verwaltung ergab sich als weitere Folge die Anstellung amt¬ 
licher Aerzte ausschließlich für den Gerichtsdienst. Nach der 
Eönigl. Verordnung vom 21. April 1862, den ärztlichen Dienst bei 
den Gerichten und Verwaltungsbehörden betreffend, wurde bei 
jedem Bezirksamte ein Bezirksarzt und bei jedem Bezirksgericht 
(dem heutigen Landgericht entsprechend) ein Bezirksgerichtsarzt 
angestellt. Vollständig wurde jedoch diese Trennung noch nicht 
durchgettthrt; es blieb vielmehr Vorbehalten, daß der Dienst eines 
Bezirksarztes I. oder II. Klasse gleichzeitig einem Bezirksgerichts¬ 
arzte übertragen werden kann. Nur allmählich wurde die 
Trennung weiter durchgettthrt, zuletzt in Fürth; gegenwärtig 
besteht bei 28 unter 28 Landgerichtsbezirken die Trennung, nur 
die Landgerichtsärzte in der Bheinpfalz und der zu Aschaffenbnrg 
versehen noch gleichzeitig die Stelle eines Bezirksarztes. Für 
den Bezirk Frankenthal sind die Mittel für die Trennung bezw. 
die Aufstellung eines Bezirksarztes I. Klasse zwar schon ln der 
letzten Landtagsperiode für das Jahr 1906 bewilligt worden, aus¬ 
geführt ist dies jedoch noch nicht. Als Unikum verdient an dieser 
Stelle Erwähnung, daß der Landgerichtsarzt zu Weiden zugleich 
bezirksärztlicher Stellvertreter ist. 

Würde man jetzt wieder rttckwärtsgehen und eine Ver¬ 
einigung des landgerichtsärztlichen und bezirksärztlichen Dienstes 
vornehmen, so würden sich die Amtsstellen an Zahl verringern 
und die Aussichten für die pro physicatu Geprüften auf Anstellung 
sich verschlechtern. Das dürfte allerdings nicht hindern, einen 
solchen Vorschlag zu machen, wenn er sonst im Interesse des 
Staates gelegen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Bei der 
Entwickelung der Verhältnisse kann jetzt kein Amtsarzt mehr 
allein beide Stellen versehen und die Trennung für Frankenthal 
wurde dem Landtage gegenüber damit als dringend notwendig 
begründet, daß wegen des erheblichen Ansteigens der Bevölkerung 
der Laadgerichtsarzt die Geschäfte des Bezirksarztes nicht mehr 
mitbesorgen kann. Bei der Vereinigung der Stellen würden sicher 
in Bälde Hilfskräfte zur Bewältigung der Arbeit gefordert werden; 
es würde in ein paar Jahren die Aufstellung eines zweiten Amts¬ 
arztes am gleichen Orte wieder notwendig werden und damit eine 
Arbeitsteilung platzgreifen. Es erscheint daher viel zweck¬ 
mäßiger, das bisherige System nicht nur beizubehalten, sondern 



92 


Dr. Beeker. 


auch da die Scheidan; dorchzaftthreii, wo sie bisher noch nicht 
erfolgt ist, damit dieser Best ans der früheren Zeit vor der 
Trennung der Justiz und Verwaltung verschwindet. 

Für die Amtsgerichte läßt sich eine völlige Trennung des 
Dienstes nicht durchtflhren, da der Dienst an denselben nidit so 
umfangreich ist, wie bei den Landgerichten. Hierauf wird später 
noch zurückzukommen sein. 

Als unmittelbare Konsequenz der völligen Abtrennung des 
landgerichtsärztlichen Dienstes vom bezirksäratlichen ergibt sich 
die beantragte üeberiührnng der Landgerichtsärzte in 
den Etat des Staatsministerinms der Justiz. Diesem 
Vorschläge liegt nicht etwa bloß die Hoffnung zugrunde, daß bei dem 
Justizministerium, dem der landgerichtsärztliche Dienst näher steht 
als dem Ministerium des Innern, eher auf Berücksichtigung und 
Erfüllung der Wünsche zu rechnen sei. Es sind rein sachliche 
Gründe, die diesen Antrag veranlaßt haben, denn die bisherigen 
Verhältnisse erscheinen einer Aenderung bedürftig. 

Die Landgerichtsärzte werden gegenwärtig auf gemeinschaft¬ 
lichen Vorschlag der Staatsministerien des Innern und der Justiz 
ernannt. Ihren Gehalt beziehen sie aus dem Etat des Innern, 
und sie unterstehen ausschließlich den Verwaltungsbehörden. Auch 
das ist noch ein üeberbleibsel aus der früheren Vereinigung der 
Justiz und der Verwaltung. Bei der Trennung dieser beiden ist 
die völlige Scheidung im amtsärztlichen Dienste wahrscheinlich 
deshalb nicht erfolgt, weil die Loslösung des landgerichtsärztlichen 
Dienstes noch nicht vollständig durchgeführt war, die Bezirks¬ 
ärzte auch mit dem Dienste an den Amtsgerichten betraut waren, 
und weil die Spitze des gesamten Medizinalwesens, der Ober¬ 
medizinalrat, im Ministerium des Innern war. Ebenso wie die 
Leitung und Beaufsichtigung der Strafanstalten früher beiden 
Ministerien oblag und erst vom Jahre 1870 an in die ausschlie߬ 
liche Zuständigkeit des Justizministeriums überging, so wird dies 
auch mit den Landgerichtsärzten sich ergeben müssen. 

Wollte man etwa nur vorschlagen, die Landgerichtsärzte in 
erster Beihe dem Justizministerium und nur mehr in zweiter Beihe 
dem Staatsministerium des Innern zu unterstellen, so wäre damit 
nichts Wesentliches geändert. Es ist daher viel richtiger, sie ans 
dem Etat des Innern ganz herauszuschälen. Ihre Tätigkeit er¬ 
streckt sich ausschließlich auf den Dienst bei Gerichten und hat 
mit Verwaltungssachen nichts zu tun. Die Verwaltungsbehörden 
haben mit den Landgerichtsärzten gar keine nähere Fühlung, sie 
können sich daher auch aus eigener Anschauung kein genaues 
Bild über ihre Dienstesaufgaben, über den Umfang ihrer Dienst¬ 
geschäfte, über ihre persönliche Tüchtigkeit und Leistun^fähig- 
keit machen; einen gewissen Einblick gewähren lediglich die 
Jahresberichte der Landgerichtsärzte, die bei den Kreisregiemngen 
einzureichen sind. Während beim Justizministerium fast tägUch 
Akten einlaufen, in denen sieh Gutachten und Berichte von Land¬ 
gerichtsärzten befinden, so daß dasselbe sich viel leichter ein 
Urteil bilden könnte, erhalten die Verwaltungsbehörden einen Ein- 



Der «mteftrztliohe Dienst in Bayern. 


93 


blick in die Dienstestätigkeit nur dann, wenn ein Fall in der 
Folge anch die Verwaltangsbehörden beschäftigt, oder wenn sie 
sich in einem besonders wichtigen oder Aufsehen erregenden Falle 
einmal die Akten vorlegen lassen. Gleichwohl wird die Qnali- 
flkation der Landgerichtsärzte nicht durch die Landgerichts¬ 
präsidenten nnd das Jastizministerium, sondern durch die Ereis- 
regiernngen festgesetzt. Wenn diese auch zuvor die gutachtlichen 
Aenßernngen der Landgerichtspräsidenten nnd des Ereismedizinal- 
ausschusses einholen, so setzen sie die Qualifikation doch ohne 
eigene unmittelbare Kenntnis fest. Wird bei einem größeren Ge¬ 
richte eine Geschäftseinteilnng notwendig, so verfügt hierüber, 
wenn auch nach eingeholter Bewilligung des Justizministeriums, 
die Kreisregierung. Diese bewilligt auch den Urlaub der Land¬ 
gerichtsärzte. Bei der Besetzung von Landgerichtsarztstellen 
spricht das entscheidende Votum das Staatsministerium des Innern. 
Es kommt wohl in keinem anderen Gebiete der Staatsregierunh 
noch vor, daß ein Ministerium so viel in den Geschäftsbereicg 
des anderen hineinregiert. 

Bisher sassen die Landgerichtsäizte gewissermaßen zwischen 
zwei Stühlen. Brachte man irgend einen Wunsch beim Staats¬ 
ministerium des Innern vor, so wurde einem bedeutet, das sei 
Sache des Justizministeriums, und kam man zu diesem, so erhielt 
man den Bescheid, zuständig sei das Ministerium des Innern. So 
wurde man von Pontius zu Pilatus geschickt. Auf beiden Seiten 
erhielten die Landgerichtsärzte bei den Bestrebungen um Ver¬ 
besserung ihrer Lage wohlwollende Versicherungen, aber etwas 
Rechtes hat noch keines der beiden Ministerien getan. Dies wii’d 
hoffentlich besser werden, wenn sie ausschließlich einem Mi¬ 
nisterium unterstehen nnd wenn sie dahin ressortieren, wohin sie 
nach ihrer ganzen Stellung nnd Tätigkeit gehören. 

Das preußische Kultusministerium hatte im Jahre 1897 unter 
den Gmndzügen über die Umgestaltung der Medizinalbehörden anch 
den Vorschlag eingereiht: „Die Anstellung besonderer Gerichts¬ 
ärzte ist fortan Sache der Justizverwaltung." Dort herrschte also 
damals diese Ansicht, die bei dem neuen Kreisarztgesetz nnr 
nicht zum Durchbruch gelaugt ist. Auch bei uns scheinen sämt- 
* liehe Zivilstaatsministerien die Landgerichtsärzte als zur Justiz 
gehörig zu betrachten. Wenigstens ist in der Anlage I zur Mi¬ 
nisterialbekanntmachung vom 30. Januar 1907, die Neuregelung 
des bayerischen Portofreiheitswesens betr. (G. V. Bl. Nr. 7), bei den 
Landgerichtsärzten als portopfiiehtige Staatsverwaltung die Justiz¬ 
verwaltung angegeben. Hingewiesen sei anch noch darauf, daß 
in einzelnen größeren Gerichtsgebäuden von der Justizverwaltung 
den Landgerichtsärzten nicht nnr Bureaulokalitäten bereit gestellt, 
sondern auch die Kosten für die Mobiliareinrichtung derselben 
übernommen wurden. Manchmal scheinen sich die Behörden selbst 
darüber nicht klar zu sein, wohin die Landgerichtsärzte ressor- 
tieren; bei offiziellen Gelegenheiten wurden zuweilen die Land¬ 
gerichtsärzte übergangen, weil die Präsidenten der Kreisregiemng 



94 


Dr. Becker. 


bezw. des Landgerichtes meinten, die Einladung sei yon d^ 
anderen Seite ans erfolgt. 

Ein Bedenken warde gegen die Ueberf&hrnng der Land* 
gerichtsärzte in das Jastizressort geltend gemacht: es könnte ihnen 
ergehen, wie es bei den dem Jastizministerinm unterstehenden 
Strafanstaltsärzten mehrere Jahre lang der Fall war, daß der 
Uebertritt in vakante Bezirksarztstellen, die ihnen bisher offen 
standen, erschwert oder anmöglich gemacht werden könne, daß 
auch die Vorrttcknng znm Ereismedizinalrate ausgeschlossen seL 
Zn solchen Befürchtungen besteht wohl kein Anlaß; denn in der 
Art der Tätigkeit würde sich nichts gegen bisher ändern und der 
Uebertritt bezw. die Vorrückung werden wahrscheinlich nicht 
mehr Schwierigkeiten begegnen als bisher. Es möchte dem üeber* 
tritt der Landgerichtsärzte in den verwaltnngsärztlichen Dienst 
aber nicht einmal so sehr das Wort geredet werden. Wenn ein 
Landgerichtsarzt sich eine große praktische üebung und Er¬ 
fahrung gesammelt hat, so liegt es im Staatsinteresse, ihn in 
seiner bisherigen Laufbahn zu erhalten, wo er seine Kenntnisse 
besser verwerten kann, als wenn er sich einer neuen, bisher 
fremden und ungewöhnten Beschäftigung zuwenden muß. Elinen 
Wechsel haben bisher die Landgerichtsärzte hauptsächlich nur 
deshalb vorgenommen, um damit ihre wirtschaftliche Lage zu ver¬ 
bessern und auf einträglichere bezirksärztliche Stellen zu kommen. 
Dazu würden sie künftig nicht mehr so geneigt sein, wenn unsere 
weiteren Anträge auf volle Besoldung der Landgerichtsärzte er¬ 
füllt, wenn insbesondere die beantragten Vorrückungsstellen ge¬ 
schaffen werden und sich hierdurch für sie die Aussicht eröffnet, 
auch im gerichtsärztlichen Dienste die Stellung eines lledizinal- 
rates, eventuell sogar eine Stelle in der höchsten Instanz zu 
erlangen. 

Damit kommen wir zugleich auf den weiteren Antrag, es 
möge im Staatsministerium der Justiz ein Medizinal¬ 
referent mit dem Bange eines Obermedizinalrates aufgestellt 
werden. Sollte sich dieser nur mit Vorschlägen für die Er¬ 
nennung und Versetzung der Landgerichtsärzte und der Straf¬ 
anstaltsärzte, mit deren Qualifikation und mit der Dienstesanfsicht 
über dieselben zu befassen haben, so wäre die Schaffung einer^ 
solchen neuen Stelle allerdings nicht genügend veranlaßt. Seine* 
Aufgaben sollten aber wesentlich weitere sein, zunächst die Er¬ 
stattung sachverständiger Gutachten in allgemein gerichtlich- 
medizinischen Angelegenheiten. Sie wissen, meine Herren, daß 
eine Beform unseres ganzen Strafrechtes und Strafprozeßrechtes 
bevorsteht, wobei auch viele Punkte vom gerichtlich-medizinischen 
Standpunkte aus eingehendere Würdigung erfordern. Genannt 
seien die Frage der geminderten Zurechnungsfähigkeit, die ärzt¬ 
lichen Eingriffe an Kranken, womit die Brandenburger Aerzte- 
kammer und auch die bayerischen Aerztekammem sich bereits 
befaßt haben, der besondere Strafvollzug bei Jugendlichen und 
geistig Minderwertigen, die Unterbringung der geisteskranken 
Verbrecher nsw. In Sachen des Strafvollzuges nnd der Be- 



Der untfftntlifihe Dienst ln Bsyeni. 


06 


gnadigang wird sich Öfters das Bedürfnis nach einem ärztlichen 
Obergntachten geltend machen, anch in sonstigen Yerwaltnngs- 
angelegenheiten, so bei Ansprüchen wegen angeblicher G-esondheits* 
Schädigung durch unschuldig erlittene Untersuchungshaft, bei der 
Festsetzung der Entschädigung wegen Unfällen im Getängnisbetriebe 
n. drgl. Von außerordentlicher Bedeutung wäre die gesundheitliche 
Oberaufsicht auf die Gerichtsgefängnisse und Strafanstalten, sowie 
die Wahrnehmung der Hygiene des Strafvollzuges. Gerade auf 
diesem Gebiete hat bisher der Ministerialinstanz eine eigene regel¬ 
mäßige Beratung durch einen ärztlichen Sachverständigen gefehlt. 
Auf dem Gebiete der Ernährung und Beschäftigung der Gefangenen, 
der Einrichtung der Arbeits- und Schlafräume, der Beseitigung 
der Abfälle usw. böte sich ein großes Feld der Wirksamkeit. 
Wenn man dies alles in Betracht zieht, so kann man nur sagen, 
daß der Medizinalreferent im Justizministerium vielleicht ebensoviel 
zu tun bekommt wie der Obermedizinalrat im Staatsministerinm 
des Innern oder der Generalstabsarzt der Armee beim Eriegs- 
ministerinm. Bei der dem Ministerium des Innern unterstehenden 
obersten Baubehörde soll künftig eine Organisationsänderang in 
der Richtung erfolgen, daß die technischen Referenten den einzelnen 
Ministerien zngeteilt werden. Wie sich also im Bauwesen bei der 
Spezialisierung der Baubedflrfnisse die Notwendigkeit eines eigenen, 
besonders eingearbeiteten Baureferenten heransgestellt hat, so 
wird das Justizministerium auch bei den vielseitigen und be¬ 
sonderen ärztlichen und hygienischen Fragen einen Medizinal¬ 
referenten auf die Dauer wohl nicht gut entbehren können. 

Verlassen wir nunmehr das Ministerium und lenken unsere 
Aufmerksamkeit auf die Organisation des gerichtsärztlichen Dienstes. 
Bei den Oberlandesgerichten sind eigene Gerichtsärzte nicht 
anfgestellt. Die Zahl der hier veranlaßten sachverständigen Gut¬ 
achten — in Betracht kommen nur Zivilprozesse in der Berufungs¬ 
instanz — ist keine so erhebliche, daß sich hieraus ein Bedürfnis 
nach Aufstellung eigener Amtsärzte ergeben könnte. 

Dagegen ist bei jedem Landgerichte ein Landgerichts¬ 
arzt angestellt, welcher in allen zur Zuständigkeit desselben 
gehörigen Rechtssachen für den ganzen Umfang des Landgerichts¬ 
bezirkes der ordentliche öffentliche Arzt ist. Die gegenwärtige 
Lage der bayerischen Landgerichtsärzte ist eine nicht befriedi¬ 
gende; sie werden nicht nur weit häufiger als früher, sondern 
anch viel intensiver in Anspruch genommen, ihr Gehalt ist aber 
seit 1892 der gleiche geblieben und steht nicht mehr im Einklang 
mit ihren Dienstleistungen; die Nebeneinnahmen durch Privat¬ 
praxis sind immer mehr zurückgegangen, ihre wirtschaftliche 
Existenz ist dadurch eine prekäre geworden und besonders mißlich 
sind die Pensionsverhältnisse. Eine entschiedene Aenderung dürfte 
daher nicht länger hinausgeschoben werden. Hierfür gibt es nur 
zwei Wege, entweder unter Berücksichtigung der von selbst ge¬ 
kommenen Entwicklung der Verhältnisse und entsprechend dra 
Anforderungen des Dienstes die Stellung der Landgerichtsärzte 
zu einer vollbeschäftigten und vollbesoldeten anszugestalten, oder 



96 


Dr. Becker. 


bei Belassang' des derzeitig:en Gehaltes die Landgerichtsftrzte za 
entlasten nnd znr ErmOgflichnng* des Lebennnterhaltes ant privaten 
Nebenerwerb za verweisen. Im Interesse der Staatsregiernng 
liegt nnr der erstere Weg. 

üeber die prinzipielle Anffassnng der Frage, ob die Land¬ 
gerichtsärzte Privatpraxis ftberhaapt treiben sollen, gehen die 
Ansichten aaseinander; während die einen meinen, sie sei ihnen 
vollständig za nntersagen, sind andere nicht nnr gegen ein 
solches Verbot, sie halten sogar die Privatpraxis fOr direkt 
notwendig, damit der Landgerichtsarzt nicht ans der üebong 
komme nnd sich in seinem Berufe weiter bilde, sich mit den 
nenesten Errungenschaften der ärztlichen Wissenschaft nnd Tätig¬ 
keit vertrant mache nnd den übrigen Aerzten an Wissen nnd 
Können voranlenchte. Man hat es sogar als entwürdigend be¬ 
zeichnet, einem Arzte, der sein ganzes Stndinm darauf eingerichtet 
habe, den Menschen helfend znr Seite zn stehen nnd aach am 
Krankenbett tätig zn sein, die Krankenbehandlung zn verbieten, 
nnd die Privatpraxis der Landgerichtsärzte damit motiviert, 
das warme Herz, das der Arzt in allen Lebenslagen brauche, 
werde am besten erhalten am Krankenbett. Man hört da das 
alte Sprichwort dnrchkliugen: 


Beiter ohne Pferd, 
Koch ohne Herd, 

Ein Ant ohne Kranke, 
Fttr alle drei ich danke.* 


-Ein 

llin 


Richtig ist hieran nnr, daß jeder dauernd in seinem Bemfe tätig 
bleiben soll, um nicht ans der Uebnng nnd Erfahmng herans- 
znkommen, aber die Notwendigkeit, daß die Landgerichtsä« zte 
Privatpraxis ausüben müssen, läßt sich daraus keineswegs ab¬ 
leiten. Was bei dem praktischen Arzte die ständige Beobachtang 
und Behandlang von Krankheiten ist, das ist bei dem Land¬ 
gerichtsarzte (Oe fortlanfende Erfdllnng seiner Dienstobliegen¬ 
heiten. 


Außerdem gehen dem Landgerichtsarzte die Beziehungen 
zar ärztlichen Wissenschaft keineswegs verloren. Bis in Bayern 
jemand als Landgerichtsarzt angestellt wird, hat er darchschnitt- 
lich 18—20 Jahre seit der Approbation hinter sich. In dieser 
Zeit hat er sich in der praktischen Medizin genugsam nmgesehen 
nnd was er dabei an Kenntnissen nnd Erfahrangen sich zn eigen 
machte, das sitzt dauernd fest nnd bleibt auch für die Dauer der 
amtlichen Tätigkeit erhalten. Mit seiner Anstellang als Land- 
gerichtsarzt verläßt er die allgemeine Praxis and betritt ein 
neues Arbeitsgebiet, er widmet sich dem Spezialfache der gericht¬ 
lichen Medizin und forensen Psychiatrie. Verlangt man denn 
sonst von den Spezialärzten der übrigen Fächer, daß sie noch 
allgemeine Praxis treiben sollen? Nein, im Gegenteil, diejenigen, 
die es tnn, sieht man nicht als vollgiltige Spezialisten an. Oder 
will etwa behauptet werden, diejenigen Landgerichtsärzte, die 
sich freiwillig oder unfreiwillig der Privatpraxis entänßerten and 
aasschließlich ihrem Amte dienten, seien deswegen weniger 



Der amts&ratliche Dieast in Bayern. 


97 


tüchtig, rückständig in ihrem Berufe? Es wird wohl eher das 
Gegenteil za behaupten sein. Was übrigens die Vornahme ärzt¬ 
licher üntersachnngen anlangt, so kommt der Landgericbtsarzt 
ganz gewiß nicht aas der Uebang. Lesen Sie nor den treüiichen 
Artikel von Herrn Landgerichtsarzt Dr. Bnrgl (M. M. W. 1906, 
S. 713), der eingehend aaseinandersetzt, wie außerordentlich 
zahlreich and mannigfach die Üntersachnngen sind, die der Land¬ 
gerichtsarzt bei den verschiedensten körperlichen and psychischen 
Zaständen, in den verwickelsten Fällen mit komplizierten Methoden 
vorzanehmen hat! Schließlich wird er auch der Behandlung von 
Erankheitszaständen in seiner Nebenstellang als Gefängnisarzt 
nicht fremd. Um mit der ärztlichen Wissenschaft in steter 
Fühlung za bleiben, dazu ist es also nicht anbedingt notwendig, 
daß der Landgerichtsarzt sich mit Privatprazis beschäftige. 

Uebrigens liegt hier gar nicht sein Arbeitsgebiet, dazu wird 
er doch nicht angestallt and besoldet, daß die Bevölkerang seines 
Bezirkes in ihm einen tüchtigen and verlässigen Arzt findet, 
sondern za dem Zwecke, daß er als öffentlich bestellter Sach¬ 
verständiger dem Landgerichte dient, ihm in allen medizinischen 
Fragen sachverständige Gutachten erstattet. Das ist sein Arbeits¬ 
feld, das er allerdings vollständig beherrschen muß; für die hier 
vorkommenden technischen Untersachangen muß er in steter 
Uebang bleiben, anf dem hier einschlägigen Wissensgebiete soll 
er sich ständig fortbilden and sich mit den neuen Errangenscbaften 
vertrant halten. Hierfür braucht er nicht so sehr ein warmes 
Herz als einen klaren Kopf, ein festes Gewissen und eine selbst¬ 
ständige allseits unabhängige Stellung, damit er jederzeit den 
Eid erfüllen kann, auf den er sich vor jeder Vernehmang beraft, 
„daß er das von ihm erforderte Gutachten unparteiisch und nach 
bestem Wissen und Gewissen erstatten werde.“ 

Unparteiisch soll vor allem der Sachverständige sein, ähnlich 
wie der Bichter, für dessen Unabhängigkeit der Staat die größten 
Garantien geschaffen hat. Gewiß ist das sachverständige Gut¬ 
achten nicht bindend für den Richter, auch nicht das eines Land¬ 
gerichtsarztes, aber in den allermeisten Fällen wird doch sein 
Gutachten ausschlaggebend sein für die Eröffnung oder Einstellung 
des Verfahrens, sowie für das richterliche Urteil. Es gehört 
doch za den seltenen Ausnahmen, daß ein auf verlässigen Wahr¬ 
nehmungen beruhendes, mit klaren Gründen versehenes land¬ 
gerichtsärztliches Gutachten von dem Gerichte unberücksichtigt 
bleibt. Verträgt es sich da noch mit der Stellung eines solchen 
Sachverständigen und mit dem öffentlichen Interesse, wenn der Land¬ 
gerichtsarzt durch eine ungenügende Besoldung sich gezwungen 
sieht, gleichzeitig Privatprazis zu treiben, wenn man ihn pekuniär 
vom Publikum abhängig macht, über dem er stehen muß, und 
ihn einer Eoliission der Pfiichten als Hausarzt und als gericht¬ 
licher Sachverständiger aussetzt. Selbst wenn er seine Privat¬ 
tätigkeit auf die wohlhabende Elientel beschränkt, es kann doch 
Vorkommen, daß er auch über solche Fälle vor Gericht als Sach¬ 
verständiger zu vernehmen ist, das Gutachten dann entweder 

7 



98 


Dr. Becker. 


befagterweise verweigpert oder ftndernfalls als befangen erscheinen 
könnte; lautet das Gutachten zugunsten des Angeklagten, so 
könnte leicht einmal die Anschauung Platz finden, daß hier der 
Hausarzt dem Angeklagten zu Hilfe gekommen sei. Auch bei 
Gutachten hinsichtlich der Verhandlnngsfähigkeit von Angeklagten 
oder Zeugen, hinsichtlich der Haftfähigkeit und des Strafvollzuges 
könnte die Vermutung auftauchen, daß der Landgerichtsarzt als 
gleichzeitig behandelnder Arzt gewisse persönliche Rficksichten auf 
seinen Klienten hat walten lassen. In der Instruktion für die 
beiden Physikatsassistenten beim Landgerichte München I ist 
ausdrücklich bestimmt, daß der Pbysikatsassistent privatärztliche 
Zeugnisse in den ihm übertragenen Angelegenheiten nur ans¬ 
stellen darf, insoweit es sich um Patienten seiner Privatprazis 
handelt, und unter Angabe dieses Verhältnisses, niemals für andere 
Personen, und daß die amtsärztliche Behandlung einer Sache, in 
der seitens des Physikatsassistenten ein privatärztlicbes Zeugnis 
ausgestellt wurde, nicht durch diesen, sondern durch den Land¬ 
gericht sarzt selbst zu erfolgen hat. Mit Hecht wird allgemein 
gefordert, daß der Sachverständige nach allen Seiten hin unab¬ 
hängig und jede Mutmaßung einer Voreingenommenheit von vorn¬ 
herein ausgeschlossen sei. Nach § 87 der St. P. 0. ist demjenigen 
Arzte, welcher den Verstorbenen in der dem Tode voransgegangenen 
Krankheit behandelt hat, die Leichenöffnung nicht zu übertragen. 
Die Unfallversichernngsgesetze schreiben vor, daß, wenn auf 
Grund eines ärztlichen Gutachtens die Bewilligung einer Ent¬ 
schädigung abgelehnt oder nur eine Teilrente festgestellt werden 
soll, vorher der behandelnde Arzt vu hören ist, und wenn dieser 
zu der Genossenschaft in einem Vertragsverhältnisse steht, auf 
Antrag ein anderer Arzt. In den preußischen Aerztekammem 
wurden solche Aerzte, welche bereits Vertrauensärzte einer im 
Bezirk bestehenden Bernfsgenossenschaft sind, als ungeeignet zu 
Sachverständigen für die Schiedsgerichte bezeichnet, und das 
oberbayerische Schiedsgericht für Arbeiterversicherung verlangt 
von den regelmäßig zngezogenen Schiedsgerichtsärzten, daß sie 
keine Stellung als Vertrauensärzte bei einer Bernfsgenossenschaft 
inne haben. Selbst für den freien Beruf der Hechtsanwälte gibt 
es Beschränkungen; die Hechtsanwaltsordnnng verbietet ihnen, in 
derselben Sache einer anderen Partei in entgegengesetztem Sinne 
ihre Berufstätigkeit zu gewähren. Vom streng prinzipiellen 
Standpunkte aus erscheint also die Verweisung der Landgerichts- 
ärzte auf die Privatpraxis nicht als wünschenswert, sogar als 
unverträglich mit ihrer amtlichen Tätigkeit. Es ist ein gutes 
Zeugnis für die Gewissenhaftigkeit und Objektivität der Land¬ 
gerichtsärzte, daß dieser Standpunkt noch nicht hervorgekehrt zu 
werden brauchte. 

Es war bereits oben die Hede davon, daß die Proze߬ 
ordnungen dem Landgerichtsarzte eine Vorzugsstellung vor anderen 
ärztlichen Sachverständigen nicht einräumen, ihn vielmehr grund¬ 
sätzlich denselben gleichstellen. Wenn die Gerichte bei Aus¬ 
einandergehen der Gutachten oder die Strafvollzugsbehörden bei 



Oer amts&rztUebe Dienst in Bayern. 


99 


Differenz der vorliegenden Zengnisse sielt meist anf die der Land* 
gerichtsärzte stützen, so ist dies dadurch veranlaßt, daß eine 
größere Sachkenntnis und eine sorgfältigere Bearbeitung, vor 
allem aber auch eine strikte Unparteilichkeit voransgeset 2 t wird. 
Hier und auch in denjenigen Fällen, in welchen Aerzte, He¬ 
bammen nsw. in Straf- und Zivilverhandlnngen verwickelt sind, 
erscheint ein der Privatprazis ganz fernstehender Langerichtsarzt 
viel unbefangener. Handelt es sich um eine Anklage wegen 
Fahrlässigkeit, üeberschreitung der Befugnisse oder um eine 
Anschuldigung wegen unzulässiger Eingriffe, um Ersatzansprftche 
an den Arzt wegen angeblicher Hesnndheitsschädigungen, ander¬ 
seits um Honorarfordernngen oder ähnliche Angelegenheiten, so 
konnte leicht einmal geltend gemacht werden, daß je nachdem 
der Kollege oder der Konkurrent den Sachverständigen beeinflußt 
und befangen gemacht habe. 

Neben solchen mehr theoretischen Erwägungen fällt aber auch 
noch der Umstand ins Gewicht, daß bei jeder, auch einer kleinen 
Privatprazis der amtsärztliche Dienst bis zu einem gewissen 
Grad leiden muß, worauf auch schon der Herr Landgerichtsarzt 
Dr. Bur gl in dem erwähnten Artikel hingewiesen hat. Es wird 
dadurch das Interesse abgezogen, die Zeit zur Vorbereitung der 
Gutachten und zur wissenschaftlichen Weiterbildung verkürzt; es 
kommt leicht zu Kollissionen bei der Anberaumung der meist 
dringlichen Termine, und die Betätigung nach zwei Seiten hin wirkt 
ermfldend auf KOrper und Geist. Diese Umstände haben dazu 
geführt, daß die Landgerichtsärzte ihre Tätigkeit allmählich 
immer mehr anf den amtlichen Dienst beschränkten, ein gutes 
Zeugnis ihrer Gewissenhaftigkeit und ihres Diensteifers. In 
früheren Jahren gehörte ein ausreichendes Nebeneinkommen durch 
Privatprazis fast noch zur Regel; da hatten die Landgerichts¬ 
ärzte noch Zeit dazu, Amtsärzte waren sie eigentlich mehr im 
Nebenamt. Das hat sich unter dem Druck der Verhältnisse total 
verschoben. Diejenigen älteren Herren, die nach ihrer Anstellung 
anfänglich noch eine einträgliche Privatprazis versehen konnten, 
mußten bei dem stetigen Wachstum der Dienstgeschäfte dieselbe 
verkleinern, die auswärtige, dann auch die Kassenprazis auf¬ 
geben, schließlich sich auf eine kleine Nebenstellung beschränken 
oder ganz der Privatprazis entsagen. Ein großer Teil der Land¬ 
gerichtsärzte hat jetzt überhaupt keine Privatprazis mehr, sie ist 
ihnen einfach unmöglich geworden, im nennenswerten Umfang 
haben eine solche die wenigsten. Selbst wenn sie dies anstrebten, 
würde sich die Gelegenheit dazu doch immer mehr verringern, 
denn nichts ist dafür so hinderlich als die gerichtsärztliche 
Tätigkeit, wo man zeitlich so sehr gebunden ist. Wer wird denn 
gerne einen Hausarzt nehmen, der erst nach Stunden kommen 
kann, weil er eine Sektion vomimmt, einer Vernehmung beiwohnt 
oder in einer Gerichtsverhandlung sitzt? Bei auswärtigen Sek¬ 
tionen ist es fast die Regel, daß damit ein Tag verloren geht. 
Bei einer größeren Schwurgerichtsverhandlung kann es Vor¬ 
kommen, daß dieselbe mehrere Tage, ja sogar eine Woche und 

7* 



100 


Dr. Becker. 


Iftng^er dauert. Das Pabiiknm verlangt, daß der Arzt seinem 
Rafe möglichst rasch Folge leistet; das ist beim Landgerichts- 
arzt meist nicht möglich and daram zieht es sich von ihm zarfick; 
die etwa noch treu gebliebene Klientel schmilzt bei der vermehrten 
Niederlassang praktischer Aerzte immer mehr zasammen, so daß 
mancher Landgerichtsarzt das bescheidene Vermögen, das er sich 
in seiner früheren ärztlichen Tätigkeit erworben and znrfick- 
gelegt hatte, wieder zasetzen muß and mit Sehnsucht aaf die 
G-elegenheit wartet, sich durch Versetzung auf eine Bezirksarzt¬ 
stelle za verbessern. Die vorgenannten Umstände machen sich 
noch mehr bemerkbar, wenn ein Landgerichtsarzt neu aaf seinen 
Posten kommt, er findet die Privatpraxis bereits in festen Händen 
and es ist ihm nicht möglich, unter den geschilderten Verhält¬ 
nissen noch eine solche zn erwerben. 

Diese theoretischen and praktischen Erwägungen ergeben 
auch die Stellungnahme, die der bayerische Medizinalbeamten¬ 
verein zur Frage der Privatpraxis W Landgerichtsärzte ein¬ 
nehmen könnte. Es sollte nicht so weit gegangen werden, die¬ 
selbe gänzlich bei Strafe za verbieten, — da müßte man bezüg¬ 
lich der Gehälter noch höher gehen als unsere Vorschläge — 
oder sie wie bei den preußischen vollbesoldeten Kreisärzten auf 
dringende Fälle und Konsilien mit anderen Aerzten zu beschränken. 
Man verbietet ja anch sonst nicht bei den Staatsbeamten jede 
Nebenbeschäftigang, sodem läßt sie soweit zu, als die dienstlichen 
Interessen nicht beeinträchtigt werden. So könnte man es auch 
dem Belieben des einzelnen Landgerichtsarztes anheim geben, ob 
und was er in seiner dienstfreien Zeit treiben mag — es hängt 
überdies von Fleiß und Geschäftsgewandheit ab, wie weit er 
eine solche herausbringt — ob er in beschränktem Maße der 
Privatpraxis nachgehen, wissenschaftlichen Arbeiten oder seinen 
Liebhabereien huldigen will, sofern das nur nicht seiner Stellung 
und seinem Dienste hinderlich ist; sollte etwas derartiges sich ein¬ 
mal bemerkbar machen, so stehen der Staatsregierung die Mittel 
zur Abhilfe zar Verfügung. Sie werden daher, meine Herren, im 
öffentlichen und dienstlichen Interesse dem zustimmen können, 
daß der für alle Straf- und Zivilsachen beim Landgericht öffent¬ 
lich bestellte, zur steten Bereitschaft verpfiichtete und mit amt¬ 
lichen Charakter aasgestattete Sachverständige, so weit irgend 
tunlich, von der Privatpraxis unabhängig gemacht — 
das ist das Mindeste — und daß er, wo es nur angeht, 
von derselben losgelöst werden soll. 

Dieses Ziel kann erreicht werden; die Lösung ist gar 
nicht so kompliziert. Zwei Worte nenne ich inhaltsschwer: 
Vollbeschäftigung, Vollbesoldung. Um das Zweite zu er¬ 
reichen, braucht man nicht noch Mittel und Wege für das Erste aus¬ 
findig zu machen; eine volle Beschäftigung braucht man nicht erst 
künstlich herbeizuführen, um damit den Antrsjg auf Gehalts¬ 
erhöhung motivieren zu können. Wie schon bei der Einleitang 
allgemein betont wurde, nicht das persönliche Wohl der Amts¬ 
ärzte, sondern nur die Rücksichtnahme auf die Öffentlichen 



Der amts&rztliche Dienst in Bayern. 


101 


Interessen dftrfen dem bayerischen Medizinalbeamten-Verein 
leitende G^esichtspnnkte bei seinen Vorschlägen sein. Hierbei 
maß immer von der natürlichen Entwickelung der Verhältnisse 
in den letzten Jahren ausgegangen werden. Diese liegen nun 
BO, daß bei den größeren Landgerichten die volle Beschäftigung 
jetzt schon vorhanden ist und daß sie sich auch bei den übrigen, 
wenn nicht ganz, so doch größtenteils ergibt, wenn der land¬ 
gerichtsärztliche Dienst die wünschenswerte und notwendige Aus¬ 
gestaltung erfährt. 

Während früher die Untersuchung eines Angeklagten 
auf seinen Geisteszustand nur selten war, ist sie jetzt auf 
der Tagesordnung. In allen Fällen, in denen der Angeklagte den 
Eindruck einer gewissen Beschränktheit macht, durch die Motive 
der Tat oder durch sein Verhalten dabei auffällt, sich auf geistige 
Störungen in der Familie, frühere Kopfverletzung, epileptische 
oder hysterische Zustände, Nervosität oder Trunkenheit beruft, 
oder in denen nur ein Verdacht in einer dieser Richtungen vor¬ 
liegt, ferner bei jedem Mord und fast bei jedem Sittlichkeits¬ 
verbrechen werden jetzt Gutachten über den Geisteszustand von 
dem Landgerichtsarzte erholt. Wenn nicht der Untersuchungs¬ 
richter oder der Staatsanwalt ein solches veranlaßt haben, so 
holt es gewiß der Verteidiger nach, um eventuell wenigstens eine 
geminderte Zurechnungsfähigkeit geltend machen zu können. Bei 
ausgesprochenen Geistesstörungen machen diese Gutachten nicht 
gar so viel Mähe, aber in den allermeisten Fällen, wie sie dem 
Gerichte vorliegen, und besonders bei den Grenzzuständen sind 
sie nicht nur sehr schwieriger, sondern auch langwieriger Natur. 
Sie lassen sich nicht mit einer einmaligen Untersnchung abmachen, 
sondern erfordern mehrmalige Beobachtungen und eine ausführ¬ 
liche Sachdarstellung mit eingehend begründeten Schlußfolgerungen. 
Ziffernmäßig ergibt sich dis große Zunahme ans den General¬ 
sanitätsberichten bei den Nachweisungen über die Amtshandlungen 
in bezug auf gerichtliche Medizin und Medizinalpolizei; es ist 
allerdings nicht ausgeschieden, wie viel auf die Bezirksärzte und 
auf die Landgerichtsärzte entfäUt; der Hauptanteil der nach¬ 
stehenden Ziffern dürfte aber wohl die Letzteren treffen. Auf 
Verlangen von Behörden wurden Untersuchungen wegen geistiger 
Erkrankung vorgenommen: 

in Strafsachen in Zivilsachen 

im Jahre 1883 : 412 486 

. „ , 1898: 691 610 

, , 1903: 1890 688 

„Größere Gutachten über Geisteserkranknngen (Zurechnungs¬ 
fähigkeit“ wurden abgegeben: 1883: 774, 1893: 687, 1903: 1427. 
Sie ersehen daraus, daß die Untersuchungen in Strafsachen in 
den beiden letzten Jahrzehnten sich verdreifacht und die größeren 
Gutachten über Zurechnungsfähigkeit sich nahezu verdoppelt 
haben. Die Untersuchungen wegen geistiger Erkrankung in 
Polizeisachen und auf Verlangen von Privaten sind hier nicht 
berücksichtigt. 




102 


Dr. B«ck«r. 


Aneh die UnterBnchongen an Leichen, namentlich 
aber die LeichenOffnnngren haben erheblich zogenommen, 
die letzteren last nm die H&lfte. 

Es fanden statt: 


ünsemiehangen an Ldcheii darunter LeiehenOffnuBgeB 


im Jahre 

1888: 1824 

666 

fl 

m 

1893: 1176 

619 

« 

ff 

1908: 1516 

769 


Mit der Sektion, die namentlich auswärts Tiel Zeit, oft einen 
ganzen Tag und manchmal darüber in Anspmch nimmt, ist der 
Fall für den Landgerichtsarzt gewöhnlich noch nicht erledigt, 
sondern nnr wenn das Verfahren sofort eingestellt wird. Sonst folgen 
noch am Schloss des Ermittelongsverfahrens oder der Voronter« 
snchong das Schlossgntachten and schliesslich, wenn die Anklage 
erhoben wird, die Teilnahme an den Gerichtsverhandlnngen. 

Die ZaU der sonstigen Gotachten, die in allen halbwegs 
wichtigen Fällen von dem Landgerichtsarzte erholt werden, 
kommt in den Generalsanitätsberichten nicht zom Ansdmck, weil 
hier nor die »grösseren* Gotachten aofgeftthrt sind. Leider fehlt 
aoch jede Angabe über die Zahl der Gerichtsverhandlnngen, 
denen der Landgerichtsarzt beiwohnen moss. Jeder wäre wohl 
in der Lage, für seinen Bezirk ziffemmässig eine ganz bedeotende 
Steigerung innerhalb der letzten Jahre nachzoweisen. Sowohl 
die Abfassung der Gutachten, als aoch die Teilnahme an den 
Gerichtsverhandlungen erfordern einen sehr grossen Zeitaufwand, 
da ihnen das Studium der oft recht dickleibigen Akten voraus* 
geht, die Gutachten wissenschaftlich auszuarbeiten und sorgfältig 
zu begründen sind, und da der Landgerichtsarzt mangels einer 
Schreibhilfe Konzept und Reinschrift selbst besorgen muss. 

Jeder Staatsanwalt, jeder Richter kann die enorme Zunahme 
der landgerichtsärztlichen Tätigkeit nor aus eigener Erf«hrnng 
bestätigen, und der Abgeordnete Herr Laudgerichtsrat Meyer, 
ein gewiß unparteiischer Zeuge, sprach sich in der Abgeordneten¬ 
kammer voriges Jahr dahin aus: »Zu der Zeit, als ich in die 
gerichtliche Praxis trat, kam der Landgerichtsarzt alle 14 Ti^e 
^er 8 Wochen einmal in den Gerichtssaal, jetzt ist es fast eine 
Ausnahme, wmin er einmal nicht im Hanse ist. Daraus mögen 
Sie ersehen, wie die Landgerichtsärzte in Anspruch genommen 
sind.* 


Ihre Tätigkeit wird aber noch etwas größer werden, wenn 
die Dienstaufgaben sachentsprechend gestaltet werden nach dem 
Vorschläge der Leitsätze, die lediglich den praktischen Bedürf¬ 
nissen Dehnung tragen wollen. Nach der Kgl. Verordnung vom 
3. September 1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und 
Verwaltungsbehörden betreffend, erstreckt sich die Tätigkeit des 
Landgerichtsarztes in allen zur Zuständigkeit des Landgerichtes 
gehörigen Rechtssachen auf den ganzen Umfang des Land¬ 
gerichtsbezirkes. Von dieser Regel ist nur insofern eine Aus¬ 
nahme vorgesehen, als nach Ermessen und auf Requisition des 
Staatsanwaltes, sowie des Amts- oder Untersuchungsrichters in 



Der amtsSrztliclie Dienst in Bayern. 


108 


den znr Znständigkeit der Landg^erichte gehörigen Straftachen 
anch der nftchstwohnende Bezirksarzt beigezogen werden kann. 
Von dieser Möglichkeit der Sabstitaiemng wird behnfs Ersparung 
von Kosten bei großer Ausdehnung der Landgerichtsbezirke nicht 
beiten Gebrauch gemacht, so bei Untersuchung von KOrperrer« 
letzungen oder in Strafaufschubs* oder Begnadigungssachen. Hier* 
gegen läßt sich kein Bedenken geltend machen, wohl aber wenn die 
Stellvertretung des Gerichtsarztes durch den Bezirksarzt anch bei 
den gerichtlichen Sektionen stattfindet. Diese gehören zu den 
wichtigsten und schwersten Aufgaben, die dauernde Uebung und 
Erfahrung erfordern; wer nur hie und da einmal Sektionen vor¬ 
nimmt, etwa eine oder zwei im Jahre, dem fehlt die Gewandtheit 
und Sicherheit. Mag im einzelnen Falle schon durch die Erhe¬ 
bungen sichergestellt sein, daß ein gewaltsamer Tod vorliegt, so 
kommt doch jedesmal der Deutung der Leichenbefunde noch ein 
großer Wert bei und eine Reihe von Nebenfragen muß daraus 
ihre Beantwortung finden. Kleine Befunde, denen als nebensäch¬ 
lich im Anfänge der Untersuchung kaum ein Wert beigemessen 
wurde, erlangen oft schließlich in der Hauptverhandlung große 
Bedeutung ifir die Feststellung der näheren Tatnmstände und fär 
die Schuldfrage. Gar schwierige Fälle erfordern eine reiche 
gerichtsärztliche Erfahrung und Schulung. Wurde in verwickelten 
Fällen die Sektion von weniger Geübten ausgeführt, so kam es 
schon wiederholt vor, daß nachträglich Bedenken an der Richtig¬ 
keit der Befunde auftraten, eine zweite Obduktion der exhumierten 
Leiche und eine Ergänzung des ersten Gutachtens durch andere 
Sachverständige notwendig wurde, daß schließlich anch das Ober- 
gntachten einer FachbehOrde bei der Mangelhaftigkeit und Unklar¬ 
heit des vorliegenden Materials sich nur auf Möglichkeiten oder 
Wahrscheinlichkeiten hin äußern konnte. Wie soll da ein Arzt 
bestehen, dem schon die Technik der Untersuchung Schwierigkeiten 
macht, der erst in Büchern sich Rat erholen muß, befangen an 
die Untersuchung herantritt und sich ängstlich an das mitgebrachte 
SektioQsregulativ hält, vielleicht gerade deshalb wichtige Neben- 
nmstände übersieht oder im Protokall nicht vermerkt und eich 
schließlich bei der Deutung des Falles von den bisherigen Er¬ 
gebungen oder der Meinung der Gerichtsbehörden leiten läßt? 
Gerade die weniger Geübten neigen merkwürdigerweise dazu, 
gleich bei der Sektion eich ganz bestimmt und bis ins Detail zu 
äußern. Ein solches Versehen ist nachträglich oft schwer wieder 
gntznmachen. Wer dagegen viele solcher komplizierten Fälle 
von Anfang an bis zu Ende mit durchgemacht hat, fühlt sofort 
das Wesentliche heraus, übersieht weniger einzelne Punkte, achtet 
auch auf das Nichtvorhandensein solcher Spuren oder Merkmale, 
die bei der besonderen Beschaffenheit des Falles vermutet werden 
konnten, und ist in seinem Gutachten vorsichtiger, darum aber 
anch verlässiger, wenn er es nicht auf Vermutungen und Mög¬ 
lichkeiten aufbaut, sondern ausschließlich auf den tatsächlichen 
Wahrnehmungen. Hat der Landgerichtsarzt nicht etwa selbst 
die Sektion vorzunehmen, so ist es für ihn recht mißlich, wenn er 



104 


Dr. Becker. 


bei dem weiteren Verfahren ein Schlnßgntachten abgeben nnd znr 
Hanptverhandlnng geladen werden soll; er ist hierbei anf das 
Sektionsprotokoll anderer angewiesen nnd kann nicht ans eigener 
Anschaunog urteilen. Jeder sieht aber die Dinge mit eigenen 
Angen an und bezeichnet sie auch in der ihm geläufigen Weise; 
das beste Protokoll kann daher niemals die eigene Wahrnehmung: 
ersetzen. 

Aus diesen Gesichtspunkten dürfte es als richtig erscheinen, 
daß der Landgerichtsarzt zu allen gerichtlichen Sektionen in 
seinem Amtsbezirke als „Gerichtsarzt* beigezogen werde. Dies 
ist auch durchgehends die Meinung der Landgerichtsäizte, von 
denen sich mehrere im Laufe der letzten Jahre in diesem Sinne 
teils mit, teils ohne Erfolg bemüht haben. Es hat auch schon 
unterm 17. September 1895 eine Verfügung des Oberstaats¬ 
anwaltes beim Oberlandesgerichte Augsburg in üebereinstimmung: 
mit der dortigen Elreisregierung es als höchst wünschenswert 
erachtet, daß von dringenden Ausnahmefällen abgesehen, in der 
Begel der Landgerichtsarzt mit der Sektion in allen Fällen 
betraut werde, wo nach der Anzeige Verdacht besteht, daß der 
Tod durch eine strafrechtlich verfolgbare Handlung verursacht 
wurde. 

Es bedeutet durchaus keinen Vorwurf gegen die Bezirks¬ 
ärzte, wenn sie den an einen gerichtlichen Prosektor zu stellenden 
Anforderungen nicht durchwegs gewachsen sind. Sie müssen in 
so vielen anderen Gebieten gründliche Kenntnisse besitzen, da 
ist ihnen nicht zuznmoten, daß sie auch noch in allen spezifisch 
gerichtsärztlichen Fragen gründliche Spezialkenntnisse haben; 
Sie sind auch in ihrer eigenen Stellung überaus in Anspruch 
genommen, häufig an Termine gebunden, während der Impfperiode 
an der Teilnahme bei Sektionen verhindert; sie werden es daher 
selbst nicht ungern sehen, wenn sie künftighin nicht mehr sei 
es als stellvertretender Gericbtsarzt oder als zweiter Arzt, zu 
den gerichtlichen Leichenöffnungen beigezogen werden. 

Es könnte nur der Einwand erhoben werden, daß die Land* 
gerichtsärzte nicht die genügende Zeit finden, um alle auswär¬ 
tigen Sektionen, auch bei den entfernteren Amtsgerichten vorzu* 
nehmen. Es ließ sich dies aber bisher schon durchführen bei 
den Landgerichten Schweinfurt und München II mit der größten 
Zahl von Amtsgerichten (15 bezw. 14); es wird daher auch 
anderwärts gehen nnd um so leichter, wenn der Landgerichtsarzt 
von jeder Rücksicht auf die Privatpraxis entbunden ist. Bei der 
Möglichkeit einer raschen Verständigung durch Telegraph und 
Telephon, bei der Ausbreitung und Dichtigkeit der Bahnnetze 
kann das nicht auf unüberwindbare Schwierigkeiten stoßen. Die 
Kosten des Verfahrens werden hierdurch nicht oder kaum erhöht; 
denn wenn die Sektion nicht unmittelbar am Amtssitze des aus¬ 
wärtigen Bezirksarztes stattfiudet, entstehen auch bei seiner 
Beiziehung Auslagen für Tagegelder und Reisekosten nnd der 
etwaige Mehrbetrag für den Landgerichtsarzt gleicht sich später 
wieder aus, indem bei der Hauptverhandlung dieser das Getagten 



Der amts&rstUche Dienst in Bayern. 


105 


erstattet) wozu sonst der auswärts wohnende Bezirksarzt hätte 
beigezogen werden müssen. 

Bezüglich der Ausgestaltung des landgerichtsärztlichen 
Dienstes ist weiter yorgeschlagen, dem Landgerichtsarzte auch an 
seinem Amtssitze der ärztlichen Dienst bei dem Amts¬ 
gerichte und gefängnisärztlichen Dienst bei dem Ge¬ 
richtsgefängnisse zu übertragen. Bei den auswärtigen Amtsge¬ 
richten kann ihm das nicht zugemutet werden; er hat nicht die 
Zeit, dort alle Untersuchungen vorznnehmen und allen Gerichtsver¬ 
handlungen anznwohnen. Dort soll er lediglich die gerichtlichen 
Leichenöffnungen vornehmen. Nach § 3 der Egl. Verordnung vom 
3. September 1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und Ver¬ 
waltungsbehörden betreffend, obliegt allerdings dem Bezirksarzte die 
«Besorgung des ärztlichen Dienstes bei den zugehörigen Amts¬ 
gerichten. ** Seit Erlass dieser Verordnung hat sich die Verteilung 
der Dienstgeschäfte in der Weise verschoben, daß viele Landgerichts¬ 
ärzte schon jetzt den Dienst bei dem an ihrem Amtssitze befindlichen 
Amtsgerichte versehen, so in Nürnberg, Fürth, Würzburg, Passau, 
Landshut, Schweinfurt usw.; nur an wenigen Orten wird noch der 
Bezirksarzt beigezogen, so in Traunstein, Bayreuth und Augs¬ 
burg. Bei den beiden Amtsgerichten München I und II ist diese 
Uebertragung des Dienstes von den Bezirksärzten auf die Land¬ 
gerichtsärzte in den letzten Jahren in der Weise erfolgt, daß 
beim Amtsgerichte I der hierzu aufgestellte II. Physikatsassistent 
und beim Amtsgerichte II der zweite Landgerichtsarzt beim 
Landgericht München I damit betraut wurden. Dies läßt auf 
ein prinzipielles Einverständnis der beiden Ministerien des Innern 
und der Justiz schließen, so daß auf die Gründe unseres Vor¬ 
schlages nur kurz eingegangen zu werden braucht. Wenn der 
gerichtsärztlicbe Dienst überhaupt und soweit als möglich von 
dem verwaltungsärztlichen abgetrennt und selbständig gemacht 
werden soll, so ist es nur eine weitere Folge, dem Landgerichts¬ 
arzte auch den Dienst an dem Amtsgerichte seines Wohnsitzes 
zu übertragen. Solange noch keine Voruntersuchung stattfindet, 
werden im Ermittlungsverfahren die Amtsgerichte häufig auch in 
Angelegenheiten requiriert, wo eigentlich die Landgerichte zu¬ 
ständig wären, so daß Eompetenzzweifel entstehen könnten, 
welcher Amtsarzt beizuziehen sei. Mit unserem Vorschläge wird 
weiter erreicht, daß der gericbtsärztliche Dienst bei beiden In¬ 
stanzen in einer Hand liegt, was auch noch deshalb wertvoll 
erscheint, weil manche Fälle, die in erster Instanz beim Amts¬ 
gerichte verhandelt wurden, durch Einlegung der Berufung auch 
das Landgericht beschäftigen und die nochmalige Beiziehung 
eines Sachverständigen erfordern. Hierzu kommt noch, daß die 
Bezirksärzte an den größeren Orten — und dazu zählen meist 
die Landgeriehtssitze — so viel mit Verwaltangsgeschälten zu 
tun haben, daß sie auch bei bestem Willen für die gerichtsärzt¬ 
lichen Geschäfte häufig nicht die nötige Zeit herausbringen, die 
Abwertung gehäufter Gerichtstermine geradezu als eine Störung 
empfinden und deshalb eine Entlastung für sie nicht nur 
wünschensweit, sondern direkt notwendig ist. 



106 


Dr. Becker. 


Die mikroskopischen und chemischen ünter- 
snchnngen in Strafsachen sollen, wie bereits bei den Medi¬ 
zinalkomitees berfthrt wurde, in der Regel und wenn nicht 
besondere Fälle eine Ansnahme begründen, nicht durch den Ge¬ 
richtsarzt, sondern mit Vermittlnng des Medizinalkomitees dnrch 
besondere Sachverständige vorgenommen werden. Bei Erlaß der 
Verordnung vom 29. September 1878 wurde anscheinend den 
Gerichtsärzten noch nicht eine genügende Bewandtnis in mikros¬ 
kopischen üntersuchnngen zugetrant. Bei den jetzt in der Praxis 
stehenden Landgerichtsärzten ist schon dnrch die Enrse auf der 
Universität und weitere praktische Uebnng die technische Aus¬ 
bildung in dieser Richtung jedenfalls eine viel vollkommenere, als 
vor 29 Jahren dies bei den Aerzten allgemein angenommen werden 
konnte. Jeder Landgerichtsarzt kann jetzt Untersuchungen von 
Organen, Samenfäden, Gonokokken usw. ausführen, wenn er dazu 
ausgerüstet ist, auch spektroskopische Blutuntersuchungen und 
leichtere chemischeAnalysen. Künftig wird dies noch bessw werden, 
da die Anforderungen in der neuen ärztlichen Prüfungsordnung er¬ 
höht wurden. Bei der Zulassung zur ärztlichen Vorprüfung wird 
die regelmäßige Teilnahme an einem chemischen Praktikum und an 
mikroskopisch-anatomischen Uebnngen gefordert; för die klinischen 
Semester ist die Teilnahme an einem pathologisch-histologischen 
Enrse zwar nicht vorgeschrieben, wird aber wohl kaum versäumt 
werden, weil die Prüfung in der pathologischen Anatomie sich 
auch auf die Herstellung und Untersuchung mikroskopischer 
Präparate erstreckt. Die mikroskopischen Untersuchungen werden 
am besten möglichst bald nach der Herausnahme der Organe aus 
dem Körper vorgenommen, weil sonst die Fänlniserscheinungen 
das Bild trüben, beim Transport die Präparate dem Verderben 
ausgesetzt sind und die Untersuchung dann ein negatives oder 
wertloses Resultat hat. Der Zusatz von konservierenden Flüssig¬ 
keiten ist häufig ausgeschlossen; Alkohol verzögert die Unter¬ 
suchung, ist oft direkt unzulässig und auch das sonst vorzügliche 
Formalin läßt sich nicht überall anwenden. Die meist vor- 
kommenden Untersuchungen dieser Art dürften daher zweck¬ 
mäßigerweise den Landgerichtsärzten zu übertragen sein, die 
komplizierteren und schwierigeren Untersuchungen werden aller¬ 
dings nach wie vor besonderen Institute zu überweisen sein, so 
besonders die sero-diagnostischen Blutuntersuchungen und die 
chemischen Untersuchungen in Vergiftnngsfällen. 

Auch könnte der Landgerichtsarzt in größerem Umfange als 
bisher schon im Ermittlungsverfahren und während der Vorunt«'- 
snchung als Sachverständiger beigezogen werden. Gedacht ist 
zunächst an die Angenscheinseinnahme bei Auffindung 
von Leichen in mordyerdächtigen Fällen; die Lage der Leiche, 
die Anordnung der Kleider, Entwicklung und Grad der Leichen- 
erscheinungen, Ausbreitung und Größe der Blutspnren, kurz die 
ganze Situation am Fundorte sollte schon von dem Gerichtsazte 
mitbeobacbtet werden, da sich hieraus oft wichtige Schlüsse für 
den Hergang der Tat ergeben. Unter welchen Umständen die 



Der tmtslntUdie Dienst in Bayern. 


107 


Tat geschali, za ▼elcher Zeit der Tod eingetreten ist, ob an der 
betreffenden Stelle oder ob ein Verschleppen der Ldche anza- 
nehmen ist; diese and ähnliche Fragen, die später dem Gerichts- 
arzte vorgelegt werden, lassen sich dann von ihm viel präziser 
beantworten, als wenn er den Toten erst später bei der Sektion 
im Leichenhaas sieht and Aber die Situation am Tatorte sich 
ans einem Protokoll orientieren mnß. Bei nngewöhnlicher Art 
von Selbstmord kommt außerordentlich viel auf die Berücksichü- 
gnng der einzelnen Umstände an oder bei Ausgrabung des 
Skelettes einer vermutlich ermordeten Person anf die Lage seiner 
einzelnen Teile im Erdboden und anf die Art ihrer Freilegung. 
Der Laie achtet natürlich auf diese Details nicht so, nnd hinten- 
nach fängt man dann an zn deuten nnd zurecht zn legen. Der 
Gerichtsarzt könnte in solchen Fällen den Kriminalisten wesent¬ 
lich nntersttttzen. 

Gedacht ist weiter an die Vernehmnng von Ange- 
schnldigten in solchen Fällen, in denen medizinische Fragen 
sogar snbtiler and detaillierter Art erhoben werden mttssen, z. B. 
Aber den geuanen fiergang bei der Geburt, bei Kindstötnngen 
oder Abtreibungen, bei fahrlässigen fiandlnngen von Medizinal¬ 
personen nsw. Dem Untersuchnngs- oder Ermittlungsrichter 
steht, auch wenn er sich auf diesem Gebiete etwas orientiert hat, 
nicht die Erfahrung an der Seite, nm alle zur Klarstellung not¬ 
wendigen Fragen, nicht bloß Aber die zur Belastung, auch Aber die 
znr Entlastung dienenden Momente an die Angeklagten zn richten. 
Auf die Vernehmung der Angeschnldigten nnd die Zeugenaus¬ 
sagen soll dann aber der Landgericbtsarzt sein Gutachten anf- 
banen; war er bei dem Verhöre nicht beigezogen, so wird er 
sich ausschließlich anf Grund der Akten und demzufolge nur 
mit Vorsicht nnd Vorbehalt äußern können; er wird manche 
Frage unbeantwortet lassen mAssen oder darauf angewiesen sein, 
erst in der fiauptverhandlnng sich durch Steilung von Fragen die 
nötige Aufklärung zu verschaffen, und er kann dann in die Lage 
kommen, sein Gutachten nunmehr modiAzieren oder abändem zu 
mAssen, was sich alles leicht hätte vermeiden lassen. 

Das Gleiche gilt für die Vernehmung von Zeugen 
nnd Sachverständigen in den eben bezeichneten Fällen; 
ferner wenn der Zeuge dem vernehmenden Bicbter den Verdacht 
einer hysterischen oder schwachsinnigen Person erweckt oder von 
dem Angeschnldigten als geistig nicht vollwertig, in seinem 
Wahmehmungs- nnd Erinnerungsvermögen als nicht verlässig 
bezeichnet wird. Es könnte dann, wenn wirklich ein Bedenken 
obwaltet, bis zur Hauptverhandlung die Sache geklärt werden, 
and es entAeie zuweilen die Aussetzung derselben. 

Bei grösseren Landgerichten kann der Landgerichtsarzt 
nicht alle Angelegenheiten selbst erledigen; es wird deshalb, wie 
dies bisher schon in München, Nürnberg und WArzburg der Fall 
ist, notwendig sein, ihm als Hilfskraft einen Assistenzarzt 
beizogeben, der zwar selbständig, aber unter seiner Aufsicht die 
Aberwiesenen Dienstgeschäfce, wie gefängnisärztiichen Dienst, 



108 


Br. Becker. 


Gutachten bezflglich des Strafvollzuges nsw. ansfBhrt, auch sonst 
zur Geschäftsaushilfe zur Verffigung steht, ihn so entlastet und 
für die wichtigeren Angelegenheiten frei macht, ferner die Ver¬ 
tretung im Urlaub ttbemimmt und als zweiter Arzt bei den 
gerichtlichen Sektionen znznziehen ist. 

Mit der wichtigen Frage des zweiten Arztes bei den 
gerichtlichen Leichenöffnungen mflssen wir uns noch 
etwas näher befassen. Hauptsächlich wohl ans fiskalischen 
Gründen hat die Entschliessung der Egl. Staatsministerien der 
Justiz und des Innern vom 20. Januar 1904 die Vornahme der 
richterlichen Leichenschau und Leichenöffnung betr., bestimmt, 
dass der 

„Bichter zur Vornahme der Leichenöffnung neben dom Gerichtsarzte als 
zweiten Arzt tunlichst einen anderen Öffentlichen Arzt, einen Priratarzt aber 
nur dann znznziehen hat, wenn besondere Umstände es veranlassen, ins¬ 
besondere wenn im Falle der Verhinderung der Öffentlichen Aerzte des 
Bezirkes, in dem die Leichenöffnung vorzunehmen ist, die Zuziehung eines 
im benachbarten Bezirke angestellten Öffentlichen Arztes mit erheblichen 
Mehrkosten verbunden wäre“. 

Diese Entschliessung hat im Anfänge recht viele Schwierigkeitmi 
und Kalamitäten verursacht. Es kam vor, daß der Bezirksarzt, 
in dessen Amtsbezirk die Sektion fiel, in Urlaub, durch die Impf¬ 
periode oder sonstige Amtsgeschäfte verhindert war. Ein anderer 
erklärte, er käme zwar auf Verlangen zur Sektion, beteilige sich 
aber nicht bei der technischen Ausführung. Bei der Suche nach 
einem praktischen Arzte in der Nähe des Sektionsortes ergaben 
sich mancherlei Schwierigkeiten und teils berechtigte, teils unbe¬ 
rechtigte Ablehnungen. Manchmal musste ein halber Tag lang 
mit dem auswärtigen Amtsgerichte hin und her telephoniert 
werden, bis die Gerichtskommission glücklich beisammen war. 
Die Landgerichtsärzte, die um der Verordnung zu entsprechen, 
mehrmals den jeweils nächstwohnenden Arzt zur Sektion beizogen, 
haben dabei mancherlei unangenehme Erfahrungen gemacht. 
Schliesslich kamen sie davon wieder ab und blieben bei dem 
bisherigen System, stets den gleichen Arzt beizuziehen, wenn 
auch manchmal ein Notat der Finanzkammer hintennach kam. 
Mit der Aufklärung der bestehenden Verhältnisse wurde letzteres 
immer seltener. 

Nach § 87 der Strafprozessordnung wird die richterliche 
Leichenschau im Beisein des Bichters von zwei Aerzten vor- 
genommen, unter welchen sich ein „GerichtsarzU' befinden muss, 
der eben zufolge seiner Ausbildung und häufigen Durchführung 
von Obduktionen in solchen Untersuchungen bewanderter ist 
Im Vertrauen auf die Kenntnisse dieses einen Obduzenten darf 
man nicht einen beliebigen Arzt als zweiten Sachverständigen 
beiziehen, bloss um den Wortlaut des Gesetzes zu erfüllen. Die 
Gerichte müssen vielmehr bei der schwerwiegenden Bedeutung 
der Sektionen darauf bedacht sein, zwei vollwertige Sachverständige 
zu bestellen, von denen jeder aus dem Gefühl gleicher Verant¬ 
wortlichkeit heraus in seiner Weise ersprlesslich zur richtigen 
Feststellung des Befundes beiträgt. Es wird dem Landgerichts- 



Der unts&istliche Dienst in Bayern. 


109 


ar 2 t nur angenehm sein, wenn ihm ein technisch geftbter, in 
pathologischer Anatomie bewanderter und in gerichtsärztlichen 
Fragen zuverlässiger Arzt zur Seite steht. In denjenigen Land- 
gerichtsbezirken, in denen die Aufätellang eines Assistenzarztes 
noch nicht notwendig ist, sollte daher immer der gleiche Arzt 
bei allen Sektionen im Landgerichtsbezirke beigezogen werden 
nnd zwar entsprechend der vorgenannten Ministerialentschließnng 
tunlichst nur ein pro pbysikatu geprfliter Arzt, damit er sich für 
seine spätere Anstellung Uebung nnd Erfahrung anei^en kann; 
ein solcher hat auch ein grösseres Interesse an derartigen ünter- 
snchungen. 

Dass der Landgerichtsarzt bei Art nnd Umfang seines 
Dienstes, bei dem ständigen Zusammenarbeiten mit den Gerichts¬ 
behörden eines Amtszimmers in dem Gerichtsgebände 
bedarf, leuchtet von selbst ein und benötigt keine weitere 
Begründung. Die Justizverwaltung hat auch schon bereits in 
einzelnen Großstädten und bei Neubauten auch anderwärts solche 
Amtsräume den Landgerichtsärzten zur Verfügung gestellt nnd 
die Kosten für die mobiliare Ausstattung übernommen. Auch die 
Anschaffung aller zu den amtlichen Untersuchungen notwendigen 
Apparate nnd Instrumente (Untersuchnngsstuhl, Ohren-, Augen-, 
Scheidenspiegel usw., Sektionsinstrumente, Giftkasten, Mikroskop 
nebst Zubehör usw.) dürfte nicht dem Amtsärzte anfzubürden, 
sondern auf Staatsfond zu übernehmen sein. 

Der Neuerlass eines Sektionsregnlatives steht bevor, wenig¬ 
stens wurden schon vor zwei Jahren in jedem Regierungsbezirke 
von je einem Landgerichtsarzte und zweiten Arzte Gutachten 
eingefordert. Bei dieser Gelegenheit Hesse sich zweckmässiger¬ 
weise auch eine Dienstanweisung für die Landgerichtsärzte 
damit verbinden; in deren allgemeinem Teile fänden die Be¬ 
stimmungen Platz über die dienstliche Stellung nnd Zuständigkeit 
der Landgerichtsärzte, der Assistenzärzte und Amtsgerichtsärzte 
nnd im speziellen Teile die einzelnen Dienstobliegenheiten, so 
die Beiziehung zu Augenscheinen, Vernehmungen nnd Verhand¬ 
lungen, die Vorschriften über das Verfahren bei der Leichen¬ 
öffnung, über die mikroskopischen und dergleichen Untersuchungen, 
über die Einsendung der zur weiteren Untersuchung bestimmten 
Präparate an die besonderen Institute, auch zu Sammlungs¬ 
zwecken an das gerichtlich- medizinische Institut und das Kriminal- 
museum, der Gefängnisdienst usw. 

Das wären, meine Herren, die Vorschläge für die Aus¬ 
gestaltung des landgerichtsärztlichen Dienstes. Sie schliessen sich 
eng an die von selbst gekommene Entwickelung der Verhältnisse 
an, suchen diese nur gleichmäßig auszubanen und wollen den 
praktischen Bedürfnissen nnd den dienstlichen Anforderungen 
gerecht werden. Wenn sie auch manchem Landgerichtsarzte eine 
Erweiterung seiner Tätigkeit bringen, so werden sie hoffentUch 
dennoch allgemeine Zustimmung finden; denn sie liegen im In¬ 
teresse ihrer ganzen Stellung und nur auf diesem Wege wird 
sich das eine Postulat, die volle Beschäftigung erreichen lassen. 



110 


> Dr. Becker. 


Es handelt sich nnnmehr noch dämm, Leistung nnd Gehalt in 
Einklang zu bringen. Das wird finanziell Mehranfwendangen 
des Staates notwendig machen; wenn die eben vorgebrachten 
Gründe aber von dei' Staatsregiernng als richtig anerkannt werden, 
dann dürfen unsere Wünsche wohl anf Berücksichtigung nnd 
Erlüllnng rechnen, sowohl nach der Seite der Beschäftigung als 
anch hinsichtlich der Gehalts frage. Das Gehalt der Land¬ 
gerichtsärzte bemißt sich nach dem Gehaltsregnlatiye Tom Jahre 
1892. Sie haben einen Anfangsgehalt von 2340 M., das nach 
3 Jahren anf 2700 M., nach 5 Jahren anf 3060 M., nnd dann 
alle weitere 5 Jahre nm je 180 M. steigt. Da die Anstellung 
erst in den vierziger Jahren erfolgt, bringt es nicht leicht ein 
Landgerichtsarzt über 20—25 Dienstjahre, wobei er dann einen 
Gehalt von 3580 SC. erreicht. Zwingt ihn dann Krankheit, vor 
seinem 70. Lebensjahre in Pension zu gehen, so hat er dann nnr 
3222 M. Pension, nnd bei 16—20 Dienstjahren, wo schon die 
Dnrchschnittszahl liegt, nnr 2736 M. Die Pensionen der Witwen 
betragen jeweils nnr ein Fünftel des letzten Einkommens des 
Mannes. 

Zn diesen pragmatischen Gehaltsbezügen erhalten die Land¬ 
gerichtsärzte noch nicht-pensionsfähige Gehaltszulagen von 360 
bezw. in der zweiten Ortsklasse nnd die ledigen nnr 315 M. 
Während die Bezirksärzte durch Zeugnisse, Gutachten nnd die 
öffentlichen Impfungen ein regelmäßiges amtliches Nebenein¬ 
kommen haben, ermangeln die Landgerichtsärzte eines solchen 
so gut wie ganz; sie erhalten lediglich bei auswärtigen Dienst¬ 
geschäften Tagegelder, besondere Gebühren aber nnr dann, wenn 
eine Verurteilnog erfolgt ist und die Kosten des Verfahrens von 
dem Verurteilten beigetrieben sind. Das sind aber Ansnabmefälle; 
die kriminellen Personen rekrutieren zumeist nicht ans den wohl¬ 
habenden Kreisen. Außerdem hat es doch anch etwas unsym¬ 
pathisches für den Landgerichtsarzt an sich, daß dieser Gebühren- 
bezug abhängig ist von dem Ansgang des Prozesses, bei dem 
sein sachverständiges Gutachten mit in die Wagschale fällt Die 
amtlichen Nebengebühren betragen nach einer diesbezüglichen 
Umfrage 120—600 M., im Durchschnitt 375 M. 

Eine Möglichkeit, sich durch Versetzung anf einen anderen 
Landgerichtsarztposten oder durch Aufrücken in höhere Stellen 
zu verbessern, ist so gut wie ausgeschlossen. Die Gehaltsbezüge 
sind überall gleich, sowohl am größten, wie am kleinsten Land¬ 
gerichte. Wenn ein Justizbeamter oder Rechtsanwalt hört, welche 
Besoldung der Landgerichtsarzt beim Landgericht München I hat, 
den er doch jeden Tag vormittags wie nachmittags im Jnstizpalaste 
sieht, so schlägt er vor Erstaunen die Hände über dem Kopfe zu¬ 
sammen; er kann es schier nicht glauben, daß das Gehalt so niedrig 
sei. Während ein Bezirksarzt durch Versetzung in eine größere Stadt 
mit der Mehrarbeit auch ein höheres Nebeneinkommen erzielt, ist 
es dem Landgerichtsarzte unmöglich, sich durch eine Versetzung 
pekuniär zu verbessern. Je größer der Landgerichtsbezirk, umso 
größer auch ist die Arbeitslast, umso geringer die Gelegenheit zur 



Der amtB&rzÜiche Dienet in Bayeni. 


111 


Privatpraxis; in dem Stadtbezirke fallen sogar die Tagegelder 
weg. Ein Anfateigen in höhere Stellen gehört zn den großen 
Seltenheiten; als Vorrücknngsstellen gibt es nnr die 8 Kreis¬ 
medizinalratsstellen, von denen sich nur in Jahreszwischenränmen 
eine erledigt nnd anf die neben 29 Landgerichtsärzten noch 168 
Bezirksärzte Anwartschaft haben. Die Wahrscheinlichkeit der 
Vorrhckang ist daher auch f&r die Gatqnalifizierten recht gering. 

Die bayerischen Landgerichtsärzte sind schlechter gestellt 
als die prenssischen „nicht vollbesoldeten* Gerichtsärzte. Diese 
beziehen ansser ihrem Gehalte (1800—2700 M.J und der Dienst- 
anfwandsentschädigung (250—500 M.) eine pensionsfähige Zulage 
von 1200 M., daneben haben sie Anspruch anf Gebfthren in allen 
gerichtsärztlichen Fällen, in denen ihre Tätigkeit in Anspruch 
genommen wird. In der Regel sind sie auch Gefängnisärzte bei 
den Landgerichtsgefängnissen nnd beziehen dafür eine besondere 
Remuneration; die Ansübang von Privatpraxis steht ihnen frei. 

. Die missliche Situation der bayerischen Landgerichtsärzte ist 
allgemein bekannt, so dass der Andrang zu diesen Stellen ein 
viel geringerer ist als bei den Bezirksarztposten. Diese haben 
mindestens 4 mal so viel Bewerber; man kann daher Land¬ 
gerichtsarzt in etwas jüngeren Jahren werden als Bezirksarzt. 
Ein Uebertritt von Bezirksarzt- auf Landgerichtsarztstellen ist, 
glaube ich, in den letzten Jahren nicht mehr vorgekommen, das 
Umgekehrte schon häufiger. Nicht einmal die Großstädte wirken 
hier verlockend, die doch sonst der Familie halber und wegen 
der Kindererziehung sehr gesucht sind; die Bezirksarztstellen 
sind hier recht begehrt, die der Landgerichtsärzte viel weniger. 
Wer sich in eine Großstadt als Landgerichtsarzt versetzen lässt, 
wird seine Enttäuschungen erleben; die Privatpraxis ist in festen 
Händen, bei der dienstlichen Inanspruchnahme fehlt auch die 
Zeit dazu; sonstige öffentliche Nebenstellen sind vergeben. Es 
heisst abwarten, bis sich etwas Passendes erledigt; ein Neben¬ 
einkommen bringt vielleicht nur der gefängnisärztliche Dienst. 
Der Landgerichtsarzt ist daher fast ausschliesslich auf seinen 
Gehalt angewiesen, mit dem er auch bei einfacher Lebensweise 
nur einen Teil seines Unterhaltes bestreiten kann. Diese Ueber- 
legung hat schon manchen gut qualifizierten Landgerichtsarzt 
zurückgehalten, sich um einen (^roßstadtposten zu bewerben. 
Wenn nicht besondere Verhältnisse die Situation günstiger ge¬ 
stalten, bilden diese ein Privilegium für Wohlsituierte. Darin 
liegt entschieden ein Mißstand. 

Bei der seinerzeitigen Fixierung des Gehaltsregulatives für 
die Amtsärzte — die Landgerichtsärzte sind den Bezirksärzten 
noch um 360 M. voraus — wurde der Gehalt niedriger als bei 
den anderen Staatsbeamten, denen sie im Range gleich stehen, 
angesetzt, weil man davon ansging, dass sie sich noch durch 
Privatpraxis ein Nebeneinkommen erwerben könnten. Wie unzu¬ 
treffend diese Annahme dni*ch die Entwickelung der Verhältnisse 
jetzt geworden ist, wurde bereits oben auseinandergesetzt. 

Der Königl. Staatsregiernng sind die prekären Verhältnisse 



112 


Dr. Becker. 


wohl bekannt; sie sind in den letzten Landtagfsperioden wiederholt 
znr Sprache gekommen. Bei der Beratnng des Antrages Banh 
im vorigen Jahre hat der Chef des Medizinalwesens ansdrflcklidi 
anerkannt, dass die Landgerichtsärzte, ti’otzdem sie voll und ganz 
ihre Pflicht tun, nicht vollständig, nicht genfigend bezahlt sind, 
and der Herr Staatsminister Graf v. Feilitzsch selbst hat im 
Jahre 1904 schon insbesondere fär die Landgerichtsärzte eine 
Verbesserung der Stellung als wünschenswert bezeichnet, weil 
sie teilweise so beschäftigt seien, dass sie gar keine Privatpraxis 
mehr austtben könnten und auch kein Nebeneinkommen hätten. 
Er erklärte auch, diese Frage im Auge zu behalten und bei der 
seinerzeitigen Aendemng des Gehaltsregulativs in nähere Wür¬ 
digung zu ziehen. Aut diesen Moment wurde auch schon in der 
Landtagsperiode 1900 vertröstet. 

Mittel und Wege hätten der Kgl. Staatsregierang vielleicht 
doch zur Verfügung gestanden, um ihren guten Willen auch in 
die Tat umzasetzen. Einmal hat sie dazu einen Ansatz gemacht; 
Durch die gemeinschaftliche Bekanntmachung der Kgl. Staats¬ 
miniserien der Justiz, des Innern und der Finanzen vom 22. Fe¬ 
bruar 1904 wurde bestimmt, daß für die Amtsäi'zte, wenn sie 
infolge einer gerichtlichen Vorladung als Sachverständige ge¬ 
zwungen sind, über Nacht außerhalb ihres Wohnsitzes zu ver¬ 
weilen, oder wenn sie außerhalb desselben eine Leichenöffnung 
auf gerichtliche Anordnung vorzunebmen haben, das Tagegeld 
(sonst 11 M.) auf 20 M. festgesetzt werden kann. Wäre die 
Kgl. Staatsregierung auf diesem Wege fortgefahren und hätte 
sie durch Zuweisung weiterer Gebühren, wie etwa für die auch 
am Amtssitze stattfindenden gerichtlichen Leichenöffnungen und 
Verhandlungen, die Nebeneinkommen je nach dem Umfange der 
Beschäftigung erhöht, so hätte sich ein befriedigendes Provisorinm 
bis zur Revision des Gehaltsregulatives schaffen lassen. Als 
Dauerzustand möchte die Verweisung auf Gebühren, so will¬ 
kommen eie auch sonst wären, nicht empfohlen werden; flskalische 
Sparsamkeitsrücksichten könnten ab und zu die Beiziehung des 
Landgerichtsarztes verhindern, die Einnahmen würden damit 
unsicher und unregelmäßig gestaltet, eine Besserung der Pensions¬ 
verhältnisse und der Fürsorge für die Hinterbliebenen würde 
damit mehr Schwierigkeiten begegnen. Es werden ja auch nicht 
die Richter nach der Zahl der Verhandlungen und Urteile besoldet 

Welche Verbesserungen das in Aussicht stehende Beamten¬ 
gesetz den Landgerichtsärzten bringen wird, ist jetzt noch unbe¬ 
kannt. Sollte etwa nur eine prozentuale Erhöhung des bisherigen 
Gehaltes, gleichmäßig mit den übrigen Staatsbeamten in Aussicht 
genommen sein, so dürfte das nicht als genügend erscheinen; 
denn nicht nur wegen der Teuerung der Lebensverhältnisse allein 
ist für die Landgerichtsärzte eine Erhöhung ihres Gehaltes zn 
erstreben, sondern hauptsächlich wegen der stets sich mehrende 
dienstlichen Inanspruchnahme. In die jetzige XI. Gehaltsklasse 
gehören sie nicht mehr hinein, sie sollten aus derselben herans- 
genommen und in eine höhere Gehaltsklasse eingereiht werden. 



Der amts&rstllche Oiesst fai Bayern. 


118 


die ihrer ganzen Stellung entspricht. Sehen wir nns in den 
Beamtenkategorien des Jnstizressorts nm, in welchem die Land¬ 
gerichtsärzte jetzt tätig sind and dem sie künftig unterstellt 
werden mögen, so fällt der Blick von selbst auf die Landgerichts¬ 
räte. Im ^nge stehen sie ihnen zwar gleich, in der Besoldung 
aber wesentlich hinter ihnen zurück, obwohl die Arbeitslast sicher 
die gleiche, an den größeren Landgerichten sogar eine erheblichere 
ist. Mit Rücksicht hierauf dürfte der Vorschlag sachentsprechend 
und nicht mehr als billig erscheinen, es mögen die Landgerichts¬ 
ärzte in die Qehaltsklasse VII mit einem Anfangsgehalt von 
3720 M. eingereiht werden, so daß sie den Landgerichtsräten 
auch bezüglich ihres Gehaltes gleichstehen. Mit der ersten Vor¬ 
rückung nach 5 Jahren erhielten sie dann das Anfangsgehalt der 
ersten Staatsanwälte bei den Landgerichten mit 4080 M. Auch 
dürfte in Erwägung zu ziehen sein, ob nicht im Falle der Pen¬ 
sionierung vor dem 70. Lebensjahre den Landgerichtsärzten in 
gleicher Weise wie den Richtern das volle Gehalt zu gewähren 
sei, da die Gründe, die bei den Richtern dies als erforderlich 
erscheinen ließen, auch füi* die Landgerichtsärzte geltend gemacht 
werden können. Von einem formellen Antrag in dieser Richtung 
ist deshalb abgesehen, weil dieses Reservatrecht der bayerischen 
Richter nach Verlautbarung mit dem neuen Beamtengesetz 
fallen wird. 

Mit dieser vorgeschlagenen Gehaltserhöhung kann man den 
Laadgerichtsarzt, der nicht mehr wie der Landgerichtsrat eine wei¬ 
tere Karriere offenstehen hat, der diesen an Lebensalter meist über¬ 
ragt, und schon für erwachsene Nachkommen zu sorgen hat, noch 
nicht einen vollbesoldeten Beamten nennen. Er ist jedoch nicht 
mehr so dringend auf jede sich bietende Nebenbeschäftigung 
angewiesen, er steht der Privatpraxis unabhängiger gegenüber 
und kann alles, was mit seinem Dienste nicht recht verträglich 
erscheint, ablehnen. In kleineren Landgerichtsbezirken könnte 
er nebenbei noch etwas privatärztUch tätig sein, ohne bei der 
Eassenpraxis oder auswärts den anderen Aerzten Konkurrenz 
machen zu müssen. In mittelgroßen Bezirken ließe sich durch 
Uebertragung der mit einer besonderen Remuneration ausge- 
statteten Stellen an den Gerichtsgefängnissen, eventuell auch an 
kleineren Strafanstalten, die volle Beschäftigung und volle Be¬ 
soldung erreichen. Bei den größten Landgerichten, bei denen der 
Dienst die ganze Arbeitskraft absorbiert und jede Privatpraxis 
oder Nebenstellung unmöglich macht, da ließen sich dadurch 
Vorrückungsstellen schaffen, daß den Landgerichtsärzten 
Rang, Titel und Gehalt von Medizinalräten (4920 M.) ver¬ 
liehen wird. Auf diese Weise wäre auch in der landgerichts¬ 
ärztlichen Laufbahn eine Art Karriere gegeben durch die Möglich¬ 
keit, bei guter Qualifikation von den kleineren auf die großen 
Stellen versetzt zu werden. Im Geschäftsbereiche des Justiz¬ 
ministeriums erhalten die älteren Oberamtsrichter auch bei 
kleineren Gerichten, sowie ältere und verdiente Landgerichtsräte, 
die nicht mehr zu Direktoren aufrücken, die Stellung von Ober- 

8 



114 


Or. B«d»r. 


landesgAriehtar&ten. Wenn daher ein Analoges Ar die Land> 
gerichtsftrzte nicht mit Bftcksicht anf das Dienstalter, sondmn 
anf den besonderen Umfang der Dienstgeschäfte erbeten wird, 
so kann das nicht als nnberechtigt oder unbescheiden erklärt 
werden. 

Bei der Frage, welche Orte dafür in Anssicht genommen 
werden könnten, Hesse sich an die Schwnrgerichtssitze denken. 
Das sind aber nicht immer die größten Landgerichtsbezirke und 
das Schwurgericht belastet den Lsndgericbtsarzt in loco Tielleicht 
nur wenig mehr, da die im Vorverfahren von den answärtigen 
Landgerichtsärzten abgegebenen Gatachten von diesen auch in 
der Haaptverhandlang za vertreten sind and der Landgerichtsarzt 
am Sitze des Schwurgerichtes wohl nar dann noch in sonst znst&n- 
digen Fällen beigezogen wird, wenn karz vor der Haaptverhandlang 
bei dem schon flberstellten Angeklagten die Frage des Geistes- 
zastandes aufgeworfen oder sonst noch ein amtsärztliches Gat- 
achten notwendig wird. Weiter könnte man aasgehen von der 
Zahl der Strafkammern, der üntersachnngsrichter oder der Staats¬ 
anwälte bei einem Landgerichte; wo diese in doppelter oder drei¬ 
facher Anzahl vorhanden sind, ist sicher auch die Inanspruch¬ 
nahme des Landgerichtsarztes eine entsprechend höhere. Dies 
deckt sich, wie sich ans einer angefertigten Tabelle ersehen 
läßt, mit der Bevölkernngsziffer der Landgerichtsbezirke. Die 
Bevölkerung beeinflußt ja auch noch darch ihre Qualität die 
Kriminalität und die landgerichtsärztliche Tätigkeit, sie bildet 
aber den besten vergleichbaren Maßstab. Es wird deshalb vor¬ 
geschlagen, die Bevölkernngsziffer derart zugrunde zu legen, daß 
bei me^ als 250000 Einwohnern in einem Landgerichtsbezirke 
die Medizinalratsstellen errichtet werden mögen. Es wären diese 
nach der Größe geordnet0 die Landgerichte: 

Httoohen I (542294)*), Nttrnberg (891589), Aagsbarg (289157), MfiBcheo n 
(288890), Frankenthal (26H 608), Bamberg (251461) und Traanstein (250823), 
im Ganzen also 7 Vorrttckaogsstellen bei 28 Landgerichten nnd 29 Land* 
gerichtsärzten. ünter 250000 Emwobnem kämen znnicbst Wttrzbnrg (244 871), 
wo der Landgericbtsarzt die Nebenstellonor als Professor der gericbtliehea 
Medizin inne bat, dann Begensbnre (217898), Schweinlnzt (215927), Zwei* 
brttcken (212047) and Kempten (^2536). 

Die übrigen 16 Landgerichtsbezirke haben unter 200000 Ein¬ 
wohner herab bis zu 142000. 

Bei den Amtsgerichten läßt sich eine Trennung des 
gerichtsärztlichen Dienstes von dem verwaltnngsärztlichen nicht 
allgemein darchAhren, da die anfallenden Dienstgeschäfte keinen 
so großen Umfang erreichen, um einen Arzt diunit voll zn be¬ 
schäftigen. 

Die Organisation des ärztlichen Dienstes wird hier daher 
im wesentlichen die gleiche bleiben wie bisher, nur bezfiglich 
der Landgerichtssitze wurde vorhin ansgefflhrt, daß hier am 
besten der Dienst von den Landgerichtsärzten mit flbemommen 


*) Die 2Siireni sind dem Terminskalender Itlr bayerische Jnrlstea 1907 
entaommen. 

*) BMm Laadgerldite MOaehea 1 siad swd Laadgeiiehtslnta aagestdlt. 



Der amtsSntUehe Dieast in Bayers. 


115 


wird. An denjenig^nn Bezirksamtssitzen, bei denen nicht zugleich 
ein Landgerichtsarzt sich befindet, we^en die Bezirksärzte und 
an den übrigen Amtsgerichten die bisherigen bezirksärztlichen 
Stellvertreter nach wie vor damit zu betrauen sein. An den 
267 Amtsgerichten des Eönigsreich würden demnach 28 Land¬ 
gerichtsärzte, 133 Bezirksärzte I. Klasse und 106 bezirksärzt¬ 
liche Stellvertreter bezw. Amtsgerichtsärzte den Dienst versehen.*) 

TU. Der ärztliche Dienst bei den Yerwaltnngsbehorden. 

1. Die Medizinalreferate beim KgL Staatsministerinm des 
Innern und bei den KgL Kreisregiemngen. Zu beginnen ist auch 
hier mit den oberen Instanzen. Der erste Leitsatz geht dahin, 
es mOge dem Obermedizinalrate im Staatsministerinm 
des Innern als Vorrücknngsstelle nach mehrjähriger Dienstzeit 
die Stellung eines Ministerialdirektorsnnd den Kreismedizinal¬ 
räten die Stellung von Oberregierungsräten verliehen werden. 
Außer der hierdurch sich ergebenden Erhöhung im Bange würde 
sich das Gehalt bei dem Obermedizinalrate von 7020 auf 9000 
und bei den Kreismedizinalräten von 4920 auf 6120 Mark er¬ 
höhen. Es soll ganz gewiß keine captatio benevolentiae sein, 
wenn der bayerische Medizinalbeamtenverein auch für die höheren 
Medizinalbeamten etwas zu erreichen sich bemüht. Dieser An¬ 
trag erfolgt vielmehr aus dem Grunde, weil es als billig und 
gerecht erscheinen muß, daß die Amtsärzte in ihrer Laufbahn 
die gleichen Stellungen erreichen können, wie sie den übrigen 
Beamten offen stehen und daß sie in dieser Richtung nicht zn- 
rflckgesetzt sein sollen. Die Erfüllung unseres Antrages würde 
jedenfalls dazu beitragen, die amtsärztliche Stellung im Ansehen 
nach außen hin zu heben und das Medizinalwesen als einen den 
übrigen Verwaltungen gleichwertigen Faktor in der Staatsver¬ 
waltung zu kennzeichnen. Da, wie man hört, das neue Beamten- 



Zahl 

der 

Amtsgerichte 

Den ärztlichen Dienst bei den Amtsgerichten 

3) Oberlandes- 

würden versehen 

gericbte 

Land- 

Bezirksärzte 

Amts- 

gerichtsärzte 

I. EL 

geiicbtsärzte 

München 

60 

7 

86 

18 

ZweibrOcken 

30 

4 

12 

14 

Bamberg 

68 

6 

33 

29 

Nürnberg 

60 

6 

28 

26 

Aagsbarg 

49 

6 

26 

19 


267 j 

1 

188 

106**) 


*) Der Landgerichtaarzt za UUnchen II hätte allein keinen amtegeiichtn- 
lichen Dienst za versehen. 

**) Das Amtsgericht Waldmohr, wo noch ein Bezirksarzt II. El. aof- 
gestellt ist, and die Amtsgerichte Osterhofen and Ladwigsstadt, bei denen 
keine bezirksärztlicben Stellvertreter aafgestellt sind, sind hier miteingerechnet. 
In Weiden ist der bezirksärztliche SteUvertreter zagleich Landgericbtsarzt. 
Mit Einrichtong der beiden im Landtagsbadget postierten Bezirksämter in 
Biedenbarg and Laal werden sich die Ziffern in der letzten Spalte am zwei 
vermindern, ln der vorletzten entsprechend erhöhen. 


8* 









gesetz die Zahl der Gehaltsklassen yermindem nnd dafür bei d» 
einzelnen gleichartigen Kategorien die VorrOckangen verbessern 
soll, stehen diesem Wonsche vielleicht keine großen Schwierig¬ 
keiten entgegen. 

Dem Staatsministerinm des Innern ist als sachverständiges 
Organ für die Beratung nnd Begutachtung in Angelegenheiten 
des Medizinalwesens nnd der Medizinalpolizei mit Einschluß der 
Pharmazie nnd des Veterinärwesens und zur Vertretung der 
medizinischen Interessen überhaupt, der Obermedizinalaus- 
schuß unmittelbar unterstellt. Nach der Egl. Verordnung vom 
24. Juli 1871, den Obermedizinalausschnß und die Kreismedizinal- 
ansschttsse betreffend, hat dieser insbesondere die Aufgabe, die 
Anwendung der theoretischen Grundsätze auf die praktische 
Medizinalverwaltung nach dem jeweiligen Stande der Wissen¬ 
schaft zu vermitteln nnd die Pflicht, aus eigener Initiative Anträge 
auf Verbesserung von Verhältnissen nnd Einrichtungen des Ge¬ 
sundheitswesens zu stellen. Der Obermedizinalausschnß ist zu 
vernehmen in allen Fragen, welche die Medizinalverfassung oder 
die Medizinalverwaltung berühren oder sonst in medizinischer 
Hinsicht von besonderem Interesse sind, über Entwürfe von Ver¬ 
ordnungen oder oberpolizeilichen Vorschriften, welche sich auf 
Gegenstände des Gesundheitswesens erstrecken, bei Besetzung 
von Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes — tatsächlich 
wird er hier nicht gehört — nnd über Gesuche um Errichtung 
von Apotheken oder um Haltung von Filial- oder Handapotheken. 
Der Obermedizinalausschuss bat ferner die Normen für die 
Jahresberichte der beamteten Aerzte zu begutachten und sich die 
Erhaltung des wissenschaftlichen Geistes und Strebens in den 
praktisch ärztlichen nnd pharmazeutischen Kreisen des Landes 
angelegen sein zu lassen. Er besteht aus dem Medizinalrefe¬ 
renten des Staatsministeriums des Innern, einem Administrativ- 
bsamten desselben nnd einer unbestimmten Anzahl von Mitgliedern, 
gegenwärtig 8. 

Bei den vorbezeichneten Aufgaben des Obermedizinalaus¬ 
schusses würde man eine andersartige Zusammensetzung desselben 
erwarten dürfen, insbesondere eine größere Berücksichtigung der 
Männer der Praxis. Nun sind aber alle seine Mitglieder bis auf 
einige Angehörige der Münchener medizinischen Fakultät, die 
Vertreter der praktischen Medizinalverwaltung sind in demselben 
zu vermissen. Es gehört zwar ein praktischer Arzt demselben 
als Mitglied an, die Amtsärzte aber sind in ihm g^nicht ver¬ 
treten. Die wissenschaftliche Autorität der Mitglieder des Ober¬ 
medizinalausschusses ist wohl gar nicht in Zweifel zu ziehen, 
sind sie doch die Träger weitberühmter Namen, aber das darf 
man doch auch ruhig behaupten, daß sie mit den Angelegenheiten 
des Medizinalwesens und der Medizinalpolizei nicht so genügend 
vertraut und darin praktisch so bewandert sind, daß die Mit¬ 
wirkung der amtlichen Aerzte als ganz entbehrlich erscheinen 
kann. Gerade wo es sich nm die Uebertragung der theoretischen 
Grundsätze auf die praktische Medizinalverwaltung, nm Entwürft 



Der emteintUehe Dienst in Bayern. 


117 


höchst wichtiger Verordnungen und oberpolizeilicher Vorschriften 
oder darum handelt, ob sich etwa bei der Dnrchftthmng des Ge« 
snndheitswesens Mängel fQhlbar gemacht haben oder Verbesserungen 
angezeigt erscheinen, wäre es nur wünschenswert, daß in dem 
obersten sachverständigen Organe auch die Amtsärzte vertreten 
seien, damit auch ihre Erfahrungen und Beobachtungen nutzbar 
gemacht werden, die Verhältnisse und Bedürfnisse der Praxis 
voll zur Würdigung gelangen kOnnen. Von diesem Gesichts 
punkte aus ist vorgeschlagen, es mögen in den Obermedizinal- 
ausschnß zwei Bezirksärzte und ein Landgerichtsarzt als ordent* 
liehe Mitglieder einbreufen werden. Wenn oben die Einreihung 
der Landgerichtsärzte in das Jnstizressort und hier die Einbe¬ 
rufung eines solchen in den Obermedizinalansschnß gewünscht 
wird, so liegt hierin kein Widerspruch, da letzterer nach wie 
vor ^8 oberste Sachverständigen-Kollegium für die Beratung und 
Begutachtung aller Angelegenheiten des Medizinalwesens und der 
Medizinalpolizei bleiben wird; deshalb sollte auch ein Landge¬ 
richtsarzt demselben angehören, damit die gerichtsärztlichen ^- 
fahrungen nutzbar sich verwerten ließen. Von den beiden einzu¬ 
berufenden Bezirksärzten würde am besten der eine ans einem 
großen Stadtbezirke und der andere aus einem ländlichen Be¬ 
zirke zu entnehmen sein, damit den verschiedenartigen Ver¬ 
hältnissen in Stadt und Land entsprechend Rechnung getragen 
werden kann. Der etwa im Justizministerium zur Anstellung 
gelangende Medizinalreferent sollte selbstverständlich auch Mit¬ 
glied des ObermedizinalausschuBses werden. 

Bei den Ereismedizinalausschüssen, die das beratende 
und begutachtende Organ für die der Ereisregierung obliegenden 
Medizinalangelegenheiten bilden, möchte nur der eine Wunsch 
ausgesprochen werden, daß die Mitglieder nicht, wie es bei vier 
Regierungsbezirken der Fall ist, ausschließlich ans der Ereis- 
hauptstadt, sondern auch aus auswärtigen Bezirken entnommen 
werden möchten. Große Schwierigkeiten dürften sich hierdurch 
wohl nicht ergeben. 

Alljährlich einmal verstärkt sich der Obermedizinalansschnß 
durch den Hinzutritt je eines Abgeordneten der einzelnen Aerzte- 
kammern und eines Mitgliedes der medizinischen Fakultäten der 
drei Landesuniversitäten. Es wäre sehr wünschenswert, wenn 
auch der bayerische Medizinalbeamtenverein die Befugnis hätte, 
einen Vertreter in denselben zu entsenden. Dies begehet des¬ 
halb Schwierigkeiten, weil der Medizinalbeamtenverein keine 
öffentliche Organisation darstellt, wie die Aerztekammem und 
Universitäten und als ein privater Verein zu gelten hat. Ob 
überhaupt die Verleihung eines offiziellen Charakters anzustreben 
sei, diese Frage hat ihre zwei Seiten und bedarf noch eingehender 
Erwägung, weshalb für heute von einem diesbezüglichen Vor¬ 
schlag abzusehen war. 

Bezüglich des verstärkten Obermedizinalans- 
BchuBses wird der Egl. Staatsregierung lediglich der Wunsch 
nnterbreitet, daß seine Sitzungsprotokolle regelmäßig ver- 



118 


Dr. Bedcer. 


Offentliebt werden mOgen. Dieser Wnnseh rechtfertigt sieh ein¬ 
mal vom Standpnnkte der bayerischen Aerzte ans, die in dem¬ 
selben ihre oberste Standesvertretang haben nnd deshalb ein 
begreifliches Interesse an diesen Verhandlangen besitzen, dann 
auch von dem der Amtsärzte ans, nm sich darüber zn unter¬ 
richten, welche Gesichtspunkte nnd Motive bei dem Erlasse 
wichtiger Verordnungen nnd oberpolizeilicher Vorschriften ma߬ 
gebend waren. 

Auf einen diesbezüglichen Antrag der oberbayerischen nnd 
mittelfränkischen Aerztekammer bemerkte der Ministerialbescheid 
vom S. Angnst 1902, daß eine VerOfientlichnng nicht in allen 
Fällen angemessen erscheinen kann nnd daß auf eine solche, 
soweit Bedenken nicht bestehen, wie bisher Bedacht genommen 
wird. Es muß zagegeben werden, daß es Beratnngsgegenstände 
geben kann, welche als vertraulich and in geheimer Sitzung zn 
behandeln sind. Das sind aber Ansnahmen and dürften es nicht 
rechtfertigen, fast alle Verhandlangen dieser Körperschaft der Oef- 
fentlichkeit zn entziehen. Welche Bedenken z. B. bei den Bera¬ 
tungen über die Gebühren für ärztliche Dienstleistnngen in der 
Privatprazis, für ärztliche Dienstleistungen bei Behörden und für 
ärztliche Gutachten in Untallsachen, ferner über die Abänderung 
der Apothekenordnung der Veröffentlichung entgegenstanden, ist 
anbekannt. Für die Amtsärzte wäre diese sicherlich von 
großem Interesse gewesen; bei der Nachprüfung und Festsetzung 
der ärztlichen Liquidationen wären sie mancher Schwierigkeit 
überhoben, wenn sie sich eine authentische Aufklärung über die 
maßgebende Auffassung bei den einzelnen Tazansätzen ver¬ 
schaffen konnten. Die vorjährigen Verhandlangen über die Be¬ 
kämpfung übertragbarer Rankheiten, insbesondere die Ausge¬ 
staltung des Desinfektionswesens haben gewiß bei allen Aerzten 
und Amtsärzten großes Interesse geweckt und das Verständnis 
für diese Frage gefordert. 

2. Der ärztliche Dienst bei den Distriktsverwaltungs¬ 
behörden. Auch hier ist, wie bei den Landgerichtsärzten zu¬ 
nächst prinzipiell die Frage zu erOrtern, ob die Bezirksärzte 
Privatpraxis treiben sollen oder nicht. Was oben bei den 
Landgerichtsärzten in dieser Richtung und bezüglich der Auf¬ 
fassung des amtsärztlichen Dienstes als einer spezialärztlichen 
Tätigkeit gesagt wurde, gilt mutatis mutandis auch für die Be¬ 
zirksärzte; es läßt sich insbesondere, soweit bei ihnen der ärzt¬ 
liche Dienst am Amtsgericht in Betracht kommt, ohne weiteres 
auf sie übertragen, was über die Unabhängigkeit und Selbständig¬ 
keit der gerichtlichen Sachverständigen ausgefflhrt wurde. Auä 
bei den Bezirksärzten wäre die Behauptung unangebracht, daß 
sie Privatprazis ausüben müßten, um sich auf der Hohe der 
Wissenschaft zu halten, um nicht aus der Routine zu kommen. 
Sie haben alle diejenigen Privatpersonen zu untersuchen, die ein 
amtsärztliches Zeugnis benötigen, die Beamten, die in den Ruhe¬ 
stand versetzt werden, die Witwen und Relikten, die um eine 
PensionserhOhung oder einen Unterhaltsbeitrag nachsuchen, ferner 



Der untelntUehe Dienet in Bayern. 


110 


■olehe Leute, die in Wohltätif^keitsanstalten efnzuweieen eind 
(Blinde, Taabstamine, Erflppelhafte), die einer gemeingrefährliehen 
oder sonst dbertrag'baren Krankheit verdächtig: sind; die Geistes¬ 
kranken haben sie bezftglich ihrer Gemeingetährlichkeit zu nnter- 
suchen und zu beg^ntachten; es obliegt ihnen weiter die Beauf- 
sichtignng der Kostkinder und der außerhalb der Anstalten 
untergebrachten Geisteskranken. Auch sonst bietet sich noch 
bei ihrem Dienst häufig Gelegenheit zu anderweitigen Unter¬ 
suchungen, schließlich auch durch den Dienst beim Amtsgericht 
und den Gerichtsgefängnissen. Sie haben also hinreichende 
Gelegenheit, die nötige Fertigkeit zu bewahren und zu vervoll- 
kommen. 

Wie fflr die Landgerichtsärzte, so läßt sieh auch fOr die Bezirks¬ 
ärzte die Behauptung anfstellen, daß eine Privatpraxis sich nicht 
recht mit der amtlichen Stellung und mit der dienstlichen Inan¬ 
spruchnahme verträgt. Der Bezirksarzt ist allein befugt, für seinen 
Bezirk amtsärztliche Zeugnisse ausznstellen; bei denselben ist 
eine absolute Unparteilichkeit und Zuverlässigkeit vorauszusetzen. 
Er kann nnn, wenn er eine Krankheit oder die Gesundheit be¬ 
stätigen soll, unter Umständen in eine Kollision derPfiichten als 
Amtsarzt oder als Hausarzt kommen und wenn er über Privat¬ 
patienten Gutachten zur Vorlage bei den Behörden ansfertigt, 
konnte er nicht immer als ganz unbefangen erscheinen. Dem 
Bezirksarzte steht die Aufsicht über das niederärztliche Personal 
zu, er soll die Bader und Hebammen überwachen und, wenn sie 
ihre Befugnisse überschreiten oder ihre Pfiichten versäumen, das 
Erforderliche verkehren. Es ist da nnn leicht mOglich, daß eine 
Hebamme deshalb den Bezirksarzt Öfters zu Geburten beizieht, 
um von ihm auch in amtlicher Beziehung eine bessere Behandlung 
zu erreichen, und anderseits konnte der Beziiksarzt deshalb 
nachsichtiger sein, weil er sonst befürchten müßte, seine gebnrts-. 
hiltliche Tätigkeit zu beeinträchtigen. Ebenso kOonte ein Apo¬ 
theker sich veranlaßt sehen, vorzugsweise den Bezirksarzt als 
Arzt zu empfehlen, um bei der Apothekenvisitation glimpflicher 
behandelt zu werden. Bei der Bekämpfung der Seuchen, der 
Durchführung der Desinfektionsmaßregeln, auch bei anderweitigen 
sanitätspolizeilichen Geschäften ist der Bezirksarzt unbedingt 
auf die Mitwirkung der praktischen Aerzte angewiesen. Er 
bedarf ihrer Mithilfe auch, wenn er durch Belehrung und Auf¬ 
klärung auf das Publikum einwirken, die Krankenpfiege organi¬ 
sieren, Samariterknrse abbalten oder Fürsorgestellen einrichten 
will. Wenn er nnn den praktischen Aerzten nicht blos als der 
Amtsarzt, sondern als ein gewichtiger Konkurrent gegenübersteht, 
so werden dieselben den amtlichen Verkehr mit ihm auf das 
unumgänglich Notwendige beschränken; es erhält der Bezirksarzt 
von manchen wichtigen Vorkommnissen in seinem Bezirke nicht 
oder zu spät Kenntnis. Die Aerzte sollen ihm volles Vertrauen 
entgegen bringen kOnnen und in einem regen Verkehr mit ihm 
bleiben, sie sollen in allen wichtigeren Fragen sich an ihn um 
seinen Bat wenden kOnnen. Der Bezirksarzt hat ferner die 




120 


Dr. 6«cker. 


fltaatsXrztlieh geprüften Aerzte zn qualifizieren; es konnten 
da die kollegialen Beziehungen nicht ohne Einfinß bleiben aof 
die Qualifikation, '^ttrde der Bezirksarzt der Priratprazis ganz 
fern stehen, oder dnrch die Zuweisung anderweitiger öffentlicher 
Funktionen wenigstens so gestellt sein, daß er den Aerzten in 
der Eassenprazis und in der auswärtigen Präzis keine Konkurrenz 
zu machen braucht, so wäre .das fflr seine dienstlichen Be* 
Ziehungen zn den Aerzten seines Bezirkes von außerordentlichem 
Vorteil. 

Abgesehen von diesen Erwfigungen persönlicher Natur ver¬ 
langt die Erfüllung der dienstlichen Obliegenheiten die volle 
Selbständigkeit des Bezirksarztes. Welche Schwierigkeiten hat 
er, wenn er in Metzgereien, Bäckereien, flberhaupt bei gewerb¬ 
lichen Anlagen oder hinsichtlich des Wohnnn^wesens gesund¬ 
heitliche Maßnahmen durchiöhren will und gleichzeitig Hausarzt 
der betreffenden Familie ist. Wo er irgend einen sanitären 
Mißstand beseitigen will, der ffir die Betreffenden Kosten oder 
sonstige Unannehmlichkeiten im Gefolge hat, läuft er nur Gefahr, 
sich damit seine Privatprazis zn verderben, und er könnte deshalb 
veranlaßt sein, in hygienischen Angelegenheiten manchmal eine 
unangebrachte Nachsicht walten zn lassen. 

Die Privatprazis ist dem Bezirksarzte auch zeitlich hinder¬ 
lich zur Erfüllung seines Dienstes. Wenn er imstande sein soll, 
für die Verbesserung der sanitären Verhältnisse zweckmäßige 
Vorschläge zn machen, dann ist es unumgänglich notwendig, daß 
er dieselben nicht einmal, sondern wiederholt sorgfältig unter¬ 
sucht, unter Umständen besondere Studien macht. Das kann von 
jemand gar nicht geleistet werden, der einen mehr oder minder 
großen Teil des Tages in seiner Privatprazis steckt und sieh 
die Sache nur flüchtig einmal ansieht. Wenn der Bezirksarzt 
allen dienstlichen Anforderungen, wie sie die vielfachen Vor¬ 
schriften von ihm fordern, nachkommen will, so darf er die dafür 
benötigte Zeit nicht durch Privattätigkeit verkürzen; je umfang¬ 
reicher eine solche ist, um so mehr behindert eie den amtlichen 
Dienst. Bleibt aber der Bezirksarzt wie bisher in der Haupt¬ 
sache auf Privatprazis angewiesen, wird er nicht so gestellt, 
daß er seine Zeit ganz oder größtenteils der öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege znwenden kann, so wird diese in seinem Bezirke keine 
rechten Fortschritte machen. 

Es kann auch das Anseheu der Stellung nur gewinnen, 
wenn er als Beamter allseitig unabhängig und selbständig ist 
Bisher steht er mit dem einen Bein in der Privatprazis, um sieh 
seine wirtschaftliche Ezistenz zu sichern, mit dem anderen im 
Amte, zur Hälfte dient er dem Publikum und dem Interesse des 
einzelnen und ist von ihm abhängig wie jeder praktische Arzt, 
zur anderen Hälfte übt er mit amtlicher Autorität umgeben 
obrigkeitliche Funktionen ans und wahrt das allgemeine Interesse. 
Zwei Seelen wohnen also in seiner Brust Eine solche Doppel- 
stellnng imponiert dem Publikum nicht und führt zu allerlei 
Mißverständnissen. 



Der uitilniliehe Dieaet te Bejen. 


121 


Bishel* konnten die Bezirksärzte noch eher der Priyatprazis 
nachgehen als die Landgerichtsärzte, weil sie nicht so hänfig nnd 
nicht so lange durch Termine verhindert nnd an bestimmte 
Standen gebunden sind; vor mehreren Jahrzehnten gehörten die 
Bezirksärzte noch zu den gesuchtesten und meist beschäftigten 
Aerzten; es ist jedoch auch bei ihnen die Privatprazis von selbst 
immer mehr zusammengeschmolzen. Dazu trug einmal die ver¬ 
mehrte Niederlassung von praktischen Aerzten anch in den 
kleineren Orten bei, dann aber hauptsächlich die gesteigerte 
dienstliche Inansprnchnahme, so daß sie ihre Tätigkeit allmülich 
immer mehr auf den amtlichen Dienst beschränken maßten. Ein 
nicht geringer Teil der Bezirksärzte, zumal in größeren Städten, 
hat jetzt keine Privatpraxis mehr, weil sie ihnen einfach un¬ 
möglich ist, und die anderen sehen sich unter dem Druck der 
Verhältnisse genötigt, dieselbe immer mehr zu verringern. 

Die Stellungnahme des bayerischen Medizinalbeamtenvereins 
zu dieser Frage könnte deshalb die gleiche sein wie bei den 
Landgerichtsärzten; die Privatprazis sollte den Bezirksärzten nicht 
absolut verboten oder wie bei den preußischen vollbesoldeten 
Kreisärzten auf dringende Fälle und Konsilien mit anderen Aerzten 
beschränkt werden, ln kleineren Bezirken können sie ohne 
Beeinträchtigung der dienstlichen Interessen auch noch anßer- 
amtlich tätig sein oder Nebenstellungen wie als Bahnarzt, Kran- 
kenhausarzt oder Vertrauensarzt versehen. Es sollte nur die 
allgemeine und prinzipielle Forderung aufgestellt werden, daß 
die Bezirksärzte, soweit irgend tunlich, von der Privatprazis 
unabhängig gemacht und wo es angeht, von derselben losgelöst 
werden. Es liegt nur im öffentlichen nnd dienstlichen Interesse, 
den Bezirksärzten eine vollbeschäftigte nnd vollbesol¬ 
dete Amtsstellung zu geben; dann können sie auch ihre 
Wirksamkeit als staatliche Gesundheitsbeamte im ganzen Amts¬ 
bezirke nnd nach allen Richtungen hin vollständig erfüllen. 
Dieses Ziel liegt nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit, 
es läßt sich erreichen durch entsprechende Gestaltung 
ihrer dienstlichen Stellung nnd ihrer amtlichen Ob¬ 
liegenheiten, durch Erhöhung ihres Gehaltes und 
Schaffung von Vorrückungsstellen. 

Man kann hier auf die Entwicklung der Verhältnisse in 
Preußen hinweisen, dort schlag bei der Reorganisation des Medi¬ 
zinalwesens der Herr Medizinalminister ursprünglich vor, sämtliche 
Kreisärzte als vollbesoldete Beamte anznstellen, die Überwiegende 
Mehrheit des Abgeordnetenhauses war jedoch der Meinung, daß 
es für den Ki'eisarzt schon mit Rücksicht anf seine eigene Fort¬ 
bildung nicht wünschenswert sei, ihn von der Privatpraxis 
gänzlich losznlösen und daß die Ausübung der ärztlichen Tätig¬ 
keit auch noch weiterhin insofern einen Vorteil böte, als er mit 
der Bevölkerung in enger, lebendiger nnd dauernder Fühlhng 
bleibe. Daher kam es, daß der Kreisarzt bei dem neuen Kreis¬ 
arztgesetz ein nicht vollbesoldeter Beamter wurde. Es haben 
sich nun in den letzten Jahren durch die Zuführung großer neuer 



128 


Dr. Baekar. 


Anfgftben im Gebiete der bffentliehen Hygiene und sozialen Tfttig- 
keit die Verhftltnisse so gestaltet, daß sogar nach dem Znge> 
ständnisse der preoBischen Begierung selbst es eine ganze Reihe 
nichtYollbesoldeter Kreisärzte gibt, die wegen der Fülle der 
ihnen obliegenden nnd in erster Linie zn erledigenden Dienst* 
geschäfte keine Privatprazis mehr treiben oder treiben können. 
Genaue Feststellungen haben ergeben, daß in Zukunft, wenn dis 
älteren Kreisärzte, die sich noch einen Teil ihrer Privatprazh 
erhalten haben, ausgestorben sein werden, zirka 75 */o sämtlicher 
Kreisärzte ausschließlich auf das unter anderen Voraussetzungen 
bemessene Gehalt und ihre vielfach sehr überschätzten Amts* 
gebühren angewiesen sein werden. Es sind deshalb die Mit¬ 
glieder aller Fraktionen des Abgeordnetenhauses nunmehr darin 
einig, daß das jetzige System nicht beizubehalten sei nnd dafi 
die Umwandlung in vollbesoldete Kreisarztstellen in größerem 
Maße als bisher zur Durchführung zn bringen sei. Als der letzte 
Etat 5 neue Stellen einsetzte, wurde dies von den Vertretern 
aller Parteien als viel zn wenig bezeichnet. Es sind in Preußen 
nunmehr 47 Kreisärzte d. i. 9,l**/o vollbesoldet. 

Während in Preußen die amtlichen Verfügungen von dem 
Minister, dem Regierungspräsidenten, dem Landrat ausgehmi, 
kommen sie in Bayern von dem Ministerium, der Regierung, dem 
Bezirksamte. Nor wenige Ausnahmen gibt es, bei denen das 
Amt nicht zum Ausdruck kommt nnd dazu gehOrt der Bezirksarzt; 
obwohl er tatsächlich der Vertreter einer Behörde ist, hat er 
doch nur für seine Person einen amtlichen Charakter. Sein Amt 
ist darin gar nicht gekennzeichnet, Amtssiegel nnd Adresse lauten 
bei ihm ,Kgl. Bezirksarzt zu N.* Dies hat vielleicht mit dazu 
beigetragen, daß der Bezirksarzt immer mehr an selbständiger 
Tätigkeit nnd Prestige gegenüber dem Bezirksamte verlor, dem 
er doch durchaus nicht subordiniert, sondern koordiniert ist, nnd 
daß er immer mehr in die Stellung eines Sachverständigen, 
eines technischen Gehilfen kam, der von der Amtsstelle, dem 
Bezirksamte seine Aufträge erhält, sonst kaum eine eigene Initi¬ 
ative entfaltet, nnd in seiner Tätigkeit auch der Aufsicht des 
Bezirksamtes untersteht. Um die Amtsstellung nnd das Eoordi- 
nationsverbältnis zu den übrigen äußeren Aemtem, dem Bezirks¬ 
amt, dem Rentamt, dem Forstamt, dem Banamt nsw. zum Aus¬ 
druck zu bringen, ist vorgeschlagen, es möge am Sitze jeder 
Distrikts Verwaltungsbehörde ein Medizinalamt errichtet werden. 
Es ist also keine Stellenvermehrnng vorgeschlagen, sondern zu¬ 
nächst nur eine Umänderung der Titulatur. Es konnte dies bloß 
als eine Elleinigkeit erscheinen und doch ist es für die ganze 
dienstliche Stellung des Bezirksarztes von Wichtigkeit; wer 
irgendwie dienstlich mit dem Bezirksarzte zu tun hat, weiß dann, 
daß er vor Amt erscheint. Die Dienstgeschäfte des Bezirksarztes 
erhalten die Bedeutung einer Amtshandlung, die ganze Stellung 
gewinnt an Autorität; es kann ihm dann auch etwas mehr Sellh 
ständigkeit nnd Exekutive gegeben werden. 



Der amteftntliehe Dienst in Bayern. 


1S8 


So wie dem BezirksamtmaDii ein Assessor zur Seite gegeben 
ist, so sollen auch den Bezirksärzten da, 'vo ein Bedflrfiiis hierzn 
Torliegt, Hilfskräfte zar firledigong der Dienstaofgaben beige- 
geben werden, bei kleineren Aemtem ein Assistenzarzt, bei 
größeren mehrere Assistenzärzte oder anch ein weiterer Bezirks¬ 
arzt. Dieselben haben die ihnen Überwiesenen Dienstgeschäfte 
unter Anfsicht des Amtsvorstandes ansznführen. Wo mehrere 
Aerzte bei einem Medizinalamte angestellt sind, sollte jedenfalls 
der eine davon als der Vorstand des Medizinalamtes charakteri¬ 
siert sein, der nicht blos den ganzen Einlanf bekommt, sondern 
das Amt nach außen hin repräsentiert, die Dienstgescbäfte leitet 
und für die nötige Einheitlichkeit und den gleichmäßigen Voll¬ 
zug sorgt. 

Was die Dienstobliegenheiten anlangt, so hatte der Bezirks¬ 
arzt bisher anßer der Ausstellung amtsärztlicher Zeugnisse und 
Gutachten nur in sehr beschränktem Maße eine selbständige 
Tätigkeit; die meisten Angelegenheiten konnte er nnr anf Beqni- 
sition der Verwaltungsbehörde oder im Einvernehmen mit der¬ 
selben erledigen. Die approbierten Aerzte hatten sich bei ihrer 
Niederlassung nur bei der Distriktsverwaltnngsbehörde anznmelden, 
nicht aber bei dem Bezirksarzte, viele, vielleicht die meisten, 
taten dies freiwillig. Die Bader und Hebammen haben ihre 
Niederlassung der Distriktspolizeibehörde anznzeigen nnd sich 
dem Bezirksarzte vorznstellen. Für die Enrpfnscher ist in Bayern, 
das in dieser Beziehung überhaupt hinter den anderen Bundes¬ 
staaten znrückbleibt, eine Anmeldepflicht bisher nicht vorge¬ 
schrieben, wird aber voranssichtlich dnrch das kommende Reichs¬ 
gesetz statuiert werden. Die Anfsicht über den Geschäftsbetrieb 
der Apotheken, Drogerien nnd Gifthandlnngen steht der Distrikts¬ 
polizeibehörde, die dabei ganz überflüssig ist, im Benehmen mit 
den Bezirksarzte zn. Es ist nnn vorgeschlagen, alles, was znr 
Dienstes-Anfsicht im öffentlichen Sanitätswesen gehört, dem 
Medizinalamte znr selbständigen Behandlung zn über¬ 
weisen, so 

die An- nnd Abmeldung der approbierten Aerzte, 
die Dienstanfsicht über das niederärztliche Personal (Bador 
nnd Hebammen), das in Apotheken beschäftigte Personal, die 
Leichenschaner, Desinfektoren nsw., 

die Dienstanfsicht über den Geschäftsbetrieb der Apotheken, 
Drogerien nnd Gifthandlnngen, 

die Ueberwachnng der Enrpfnscher, 

die Dienstanfsicht über die öffentlichen Erankenhäuser nnd 
Privatheilanstalten, die Armenhäuser, Versorgnngs- nnd ähnliche 
öffentliche Anstalten, 

die Anfsicht über die außerhalb der Anstalten untergebrachten 
Geisteskranken, Idioten, Gebrechlichen nnd sonstigen Hilfsbe¬ 
dürftigen, sowie über die Eostkinder. 

Der Ereis liese sich wohl noch nach der einen oder anderen 
Seite erweitern. Eine Exekutive, eine Befugnis znr Strafein- 
schreitnng oder znr Anwendung von Zwangsmaßregeln ist ihnen 



124 


Dr. Bedcer. 


damit nicht gegeben; es hat sich dies nach den geltenden gesetz¬ 
lichen Vorschriften zn richten. Die Befugnisse der Verwaltnngs- 
behbrden werden dadurch in keiner Weise eingeschränkt. Die 
Fälle, in welchen die Verwaltungsbehörden in sanitätepolizei- 
liehen Angelegenheiten mit Zwangsmitteln vorgehen können, sind 
sowohl bezüglich der Norm, als hinsichtlich des Verfahrens gesetz¬ 
lich geregelt; daran soll nicht gerüttelt werden. Die Schließang 
einer Heilanstalt oder eines Gewerbebetriebes, die Zurücknahme 
des Prüfungszeugnisses einer Hebamme oder die Entziehung des 
Badertitels, die Verwahrung eines gemeingefährlichen Geistes¬ 
kranken in einer Irrenanstalt haben nach den bestehenden gesetz¬ 
lichen Vorschriften zn erfolgen. Hier kann niemals der Bezirks¬ 
arzt aus eigener Machtvollkommenheit Verfügungen treffen, 
sondern nur lediglich sich als technischer Sachverständiger äußern 
und hierbei die Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflege 
wahren. Die Ausführung bleibt der Polizeibehörde überlassen. 
Die Verantwortung für den Bezirksarzt wird dadurch allerdings 
nicht verringert. 

Dem Medizinalamte obläge außerdem 

a) die technische Beratung der zuständigen Behördmi 
in allen Angelegenheiten des Gesundheitswesens; 

b) die üeberwachung der gesundheitlichen Ver¬ 
hältnisse des Amtsbezirkes und der Durchführung der 
Gesnndheitsgesetzgebung im Benehmen mit den znstftn- 
digen Behörden; 

c) die Stellung von Anträgen zur Beseitigung wahr- 
genommener sanitärer Mängel, sowie die Anregung geeig¬ 
neter Vorschläge zur Förderung des Gesundheitswesens; 

d) die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur 
Abwehr, Feststellung und Bekämpfung gemeingefährlicher und 
übertragbarer E>ankheiten. 

Auch bei diesen Angelegenheiten ist den Bezirksärzten 
keine Exekutive, sondern nur eine erweiterte Initiative zn- 
gedacht. Es ist nicht zu befürchten, daß sie eine solche gleich 
dazu benutzen, um den Gemeinden große Kosten für neue sani¬ 
täre Anlagen und Einrichtungen anfzubürden, daß sie mit An¬ 
forderungen kommen, die in der Theorie zwar wohl begründet, 
aber nach Lage der Verhältnisse nicht geboten oder nur schwer 
durchführbar seien. Denn ihrer Tätigkeit ist auch hier eine 
Grenze gezogen durch die bestehenden Verwaltungsgesetze, durch 
die Organisation der Selbstverwaltungskörper, der Kreis-, Distrikts¬ 
und Ortsgemeinden. Diese sind in ihren Beschlüssen hinsichtlich 
der Aufwendung von Mitteln für sanitäre Einrichtungen selbständig, 
sie haben bloß durch Gesetz eine Reihe von Aufgaben zngewiesen 
erhalten, und nur wenn sie diesen nicht nachkommen, hat die 
Verwaltungsbehörde die Möglichkeit und das Recht, an ihrer 
Stelle und auf ihre Kosten das Erforderliche zu veranlassen. 
Eine solche Kompetenz kann dem Bezirksarzt nie übertragen 
werden. Er boU nur durch Üeberwachung, durch technis^e 
Beratung, durch Anträge und Anregungen du öffentltche Gesund- 



Oer untstntliohe Dienst in Bsjem. 


1» 


heitswesen fördern. Wenn er hier etwas mehr Initiative erhält, 
nnd durch seine Autorität den Anstoß zu g^rößeren Aufwendungen 
gibt, so gereicht das nur der Allgemeinheit zum Segen. Die 
großen Fortschritte in der Hygiene sind unserem Volke noch 
nicht in dem Maße zu gute gekommen, wie es wünschenswert 
und notwendig wäre. Je mehr der Bezirksarzt sich bemüht, 
hygienische Uebelstände abzustellen, desto mehr trägt er zur 
Verminderung der Ausgaben auf anderen Seiten bei. Die Er¬ 
richtung eines neuen, zweckmäßigen Krankenhauses kommt 
billiger zu stehen, als die fortwährenden Reparaturen eines alten, 
unbrauchbaren, gesundheitsschädlichen Gebäudes, die Kosten für 
eine Quellwasserleitung sind oft geringer als der wirtschaftliche 
Schaden durch eine Typhusepidemie. Welchen Vorteil die Städte 
durch die Sanierung der Gesundheitsverhältnisse erfahren haben, 
braucht in diesem Kreise nicht weiter ansgeiührt zu werden. 

Ein Recht zur Ermittlung von Infektionskrankheiten nnd 
zur Anordnung vorläufiger Maßnahmen ist dem Bezirksarzte durch 
das Reichssenchengesetz eingeränmt, da dabei immer Gefahr im 
Verzüge ist und die Schnelligkeit und Energie des Eingreifens 
den Erfolg bedingen. Dies ließe sich zweckmäßig auch auf 
andere, als die fünf gemeingefährlichen Krankheiten ansdehnen, 
wie dies in dem preußischen Gesetze zur Bekämpfung übertrag¬ 
barer Krankheiten geschehen ist. Hierdurch würde in die Zu¬ 
ständigkeit der Polizeibehörde nicht weiter eingegriffen, da ja 
diese vorläufigen Maßnahmen der nachträglichen Bestätigung der 
Polizeibehörde bedürfen nnd durch die definitiven Maßregeln 
außer Wirksamkeit treten. 

Die Tätigkeit des Medizinalamtes sollte sich gleichmäßig 
auf den ganzen Umfang des Amtsbezirkes erstrecken. 
Nach § 8 der Kgl. Verordnung vom 3. September 1879, den ärzt¬ 
lichen Dienst bei den Gerichts- und Verwaltungsbehörden betr., 
obliegt zwar den Bezirksärzten für den ganzen Umfang des 
Bezirksamtes die Wahrnehmung der amtsärztlichen Verwaltnngs- 
geschäfte; nur ffir die dringenden Angelegenheiten in dem aus¬ 
wärtigen Amtsgerichtsbezirke, welche seine Beiziehnng nicht 
gestatten, können die Bezirksärztlichen Stellvertreter requiriert 
werden. Die Verhältnisse derselben wurden oben beleuchtet und 
dabei anseinandergesetzt, daß sie, auch die rennmerierten Stell¬ 
vertreter, für den Bezirksarzt keine Unterstützung nnd keine 
Entlastung sind und daß die Wiedererrichtung der Bezirksarzt¬ 
stellen II. Klasse nicht als zweckmäßig erachtet werden kann. 
So wie dem Bezirksamtmanne die Leitung der Verwaltung, so 
sollte dem Bezirksarzte die Wahrnehmung des Gesundheitswesens 
für das ganze Bezirksamt obliegen. Damit er diese Aufgabe 
auch wirklich erfüllen kann, bedürfen die jetzt bestehenden Ver¬ 
hältnisse nach verschiedener Richtung hin einer Abänderung. 

Von seinem Bureau aus kann der Berirksarzt selbstver¬ 
ständlich nicht das Sanitätswesen leiten. Auf die Berichte hin, 
die von außen einlaufen, kann er seine Gutachten nnd Anträge 
nicht abgeben; um sich ein eigenes Urteil zu bilden, muß er 



186 


Or. BMker. 


sieh die Verhftltnisse selbst anschaaen, nicht einmal nnd flflchtigf 
sondern inederbolt and grttndlich. Er soll deshalb in seinen 
ganzen Amtsbezirk möglichst viel hinauskommen, denn nm 
etwas Ersprießliches leisten za können, ist die erste Torbe- 
dingang, daß er alle sanitären Verhältnisse nnd Einricbtongmi 
seines Bezirkes auch wirklich genaa kennt. Bisher hatte non 
der Bezirksarzt nicht das Recht, nach eigenem Ermessen Dienst¬ 
reisen vorzanehmen; seine Tätigkeit erstreckte sich im wesent¬ 
lichen aat die Erledigung der ihm erteilten Aufträge, er war 
darauf angewiesen, eine Requisition abzuwarten oder gelegentlich 
das eine oder andere Amtsgeschäft vorzanehmen. Dieses »gele¬ 
gentlich* spielt in unserem bayerischen Sanitätswesen eine unbe¬ 
rechtigt große Bolle. Die Bezirksärzte haben bei sich bietender 
Gelegenheit, alljährlich mindestens einmal die Eostkinder bei 
den Kostgebem zu besachen. Die periodischen Untersnchangen 
der Geisteskranken sollen »gelegentlich* stattfinden, eigene 
Nachschauungen sind nur beim Vorliegen besonderer Gründe von 
den Bezirksämtern za veranlassen; an der Ueberwachung der 
öffentlichen Wasserversorgungsanlagen soll er sich »gelegentlich* 
beteiligen; die bezirksärztliche Prttfang und Weiterbildung der 
Bader im Desinfektionswesen soll tonlichst an den Wohnorten 
der Bader »bei Gelegenheit der Vornahme anderweitiger Amts¬ 
geschäfte* erfolgen; der Frage des Einflusses der Molkereien 
and Käserein auf die Volksernährung sollen die Bezirksärzte 
»gelegentlich* ihrer Dienstgeschäfte, z. B. bei den Impfungmi, 
ihr besonderes Augenmerk zuwenden; in der Pfalz haben sie 
sämtliche Schalen ihres Amtsbezirkes »gelegentlich* za besich¬ 
tigen. Das sind nnr einige Beispiele. Es machte dies anch 
Schale bei den Gerichten and bei den Beratsgenossenschaften, 
indem sie die Bezirksärzte ersuchen, »gelegentlich* die eine oder 
andere Untersuchung vorzanehmen. Das Wort »gelegentlich* 
soll wohl nicht die Bedeutung haben, daß der Bezirksärzte wenn 
er keine Gelegenheit daza flndet, diese Dienstgeschäfte nicht za 
erledigen braucht, oder daß es sich am anwichtige Nebensachen 
handelt, sondern soll hauptsächlich soviel heißen, als »ohne be¬ 
sonderen Kostenaufwand*; er darf dafär weder l?agegelder noch 
Reisekosten verrechnen. Wflrde sich, wie es vor Jahrzehnten 
teilweise noch der Fall war, die Privatpraxis des Bezirksarztes 
auf den ganzen Amtsbezirk oder wenigstens den größten Teil 
desselben erstrecken, so wäre das Verlangen, daß er dabei ge¬ 
legentlich auch Amtsgeschäfte vornimmt, keine so große Zumutang. 
Durch die Gestaltung der Verhältnisse ist aber jetzt die gelegent¬ 
liche Erledigung dienstlicher Obliegenheiten nnr zuweilen möglich. 
Selbst in die seinem Amtssitze nahe gelegenen Gemeinden kommt 
der Bezirksarzt gelegentlich seiner Privatpraxis immer seltenw, 
da sich diese bei seiner zunehmenden dienstlichen Inanspnich- 
nahme and bei der häuflgeren Niederlassang von Aerzten auch 
an kleineren Orten immer mehr von selbst verringert hat. Ge¬ 
legentlich von Amtsgeschäfcen kommt der Bezirksarzt in die 
Gemeinden seines anmittelbaren Amtsgeriehtsbezirkes entweder 



Der eintalnUidM Dieut le Bejem. 


187 


nnr bd besonderen Anftrftgfen oder bei den Impfterminen, die 
ttbrigens seine volle Zeit und Anfmerksamkeit in Anspruch 
nehmen; anderweitige Amtsgescbäfte lassen sich damit nicht ver¬ 
binden, höchstens noch statistische Untersuchungen bei den Impf¬ 
lingen, wie sie das Material fdr den Vortrag des Herrn Dr. Groth 
bildeten. In die Gemeinden des auswärtigen Amtsgerichtsbezirkes 
gar kommt der Bezirksarzt nnr äußerst selten hinaus. Fflr eine 
wirksame Durchfährnng der gesnndheitspolizeilicben Vorschriften 
genügt es aber nicht, wenn diese nur aul dem Papiere stehen, 
sondern man muß den Bezirksarzt auch in die Lage setzen, 
dieselben wirklich zu erledigen und die aufgetragenen Dienst- 
geschälte jederzeit. Überall und in vollem Umfange vornehmen 
zu können. Daß er nicht wegen jeder einzelnen kleinen Sache 
eine eigene Dienstreise unternimmt und damit unnötig hohe Kosten 
verursacht, ist selbstverständlich. Er soll vielmehr nach Tunlich¬ 
keit die Amtsgeschäfte verbinden. Wenn er z. B. wegen Besich¬ 
tigung eines Neubaues in eine Gemeinde kommt, so kann er bei 
dieser Gelegenheit auch das Schulhans oder das Armenhaus an- 
sehen, die Eostkinder besuchen nsw.; wenn er behufs Feststellung 
einer ansteckenden Krankheit hinausgeftthrt wird, kann er au(^ 
die sanitären Einrichtungen der betreffenden Gemeinde visitieren 
und auf der Reise unterwegs in der einen oder anderen Gemeinde 
Nachschau halten. Die Hauptsache wäre, daß er nicht mehr auf 
Einzel-Requisitionen und die gelegentliche Erledigung zahlreicher 
Dienstgeschäfte angewiesen, sondern jeweils den Bedürfnissen 
entsprechend, zur Vornahme von Dienstreisen berechtigt sein soll. 

Ein außerordentlich wichtiges Mittel, die sanitären Verhält¬ 
nisse des Bezirks eingehend kennen zu lernen, wäre die perio¬ 
dische Vornahme von Medizinalvisitationen, wie sie in 
Preußen, Württemberg und Baden eingeführt sind. Wie nützlich 
sich diese erweisen können, geht aus den Verhandlungen der vor¬ 
jährigen Hauptversammlung des Deutschen Medizinalbeamtenvereins 
hervor. In Bayern war bisher dem Bezirksarzte eineselbstän¬ 
dige Durchforschung seines Bezirkes nach sanitären Mißständen, 
eine wirksame Ueberwachnng der gesundheitlichen Einrichtungen 
vollständig unmöglich; er konnte in vielen Gemeinden eine fort¬ 
laufende Kontrolle der hygienischen Einrichtungen nicht ansfiben. 
Es sorgen wohl auch die Verwaltungsbehörden für die Aufdeckung 
und Beseitigung hygienischer Mißstände, aber bei dem großen 
Maße von Arbeit, das ihnen obliegt, kOnnen sie keine fortlaufende 
Kontrolle ansüben, ganz abgesehen davon, daß ihnen für die Be¬ 
urteilung vieler einzelner Fragen das technische, das medizinische 
Verständnis mangelt. Es ist daher in die Leitsätze der Antrag 
aufgenommen: 

„Der Bezirksarzt mOge verpflichtet werden, soweit an¬ 
gängig, gemeinschaftlich mit dem Bezirksamtmann, sämtliche 
Gemeinden seines Amtsbezirkes, auch ohne besonderen Anlaß 
in periodischen Zwischenräumen (etwa alle 6 Jahre) auf ihre 
gesundheitlichen Verhältnisse zu besichtigen (Medizinal¬ 
visitationen). Die Besichtigung soll sich auf alle fflr das 



128 


Dr. Becker. 


öffentliche Q-esnndheitewesen wichtigen Verhältnisse nnd Eän- 
richtnngen erstrecken and znr Beseitigung sanit&rer Mftogel 
und zar Verbessemng der gesundheitlichen Einrichtungen 
dienen*. 

Die gemeinschaftliche Vornahme der Medizinalyisitationen 
mit dem Bezirksamtmanne soll weniger der Ersparung der Fuhr* 
kosten dienen, als einem gedeihlichen Erfolge. Der Sanitdts* 
beamte und der Verwaltungsbeamte sollen, um einen vulgären 
Ausdruck zu gebrauchen, an den gleichen Karren gespannt werden; 
es gibt dann keine langen Hin- und Herschreibereien, die event. 
notwendigen Maßnahmen können, da der Gemeindevorsteher auch 
immer mit beigezogen ist, sofort angeordnet werden. Vieles l&ßt 
sich so auf leichte nnd schnelle Art erledigen. Die beiden Be* 
amten können sich gegenseitig auf dies und das aufinerksam 
machen, lernen sich gegenseitig mehr verstehen und arbeiten sich 
in einander hinein. Gerade in dem Zusammenwirken der Kräfte 
liegt der Erfolg. Die Sache ließe sich vielleicht so anordnen, 
daß der Bezirksamtmann und der Bezirksarzt zusammen das Schnl- 
haus, das Armen* und Krankenhaus, sowie sonstige sanitäre Ein¬ 
richtungen besichtigen und daß sodann, während der Bezirks¬ 
amtmann seine Visitation in dem Gemeindehause erledigt, der 
Bezirksarzt bei den Kostkindem, den Geisteskranken, der Hand¬ 
apotheke des ortsanwesenden Arztes oder der Drogerie Nachschau 
hält. Bei der Besichtigung gewerblicher und industrieller An¬ 
lagen könnten gleichfalls der Gewerbeauftichtsbeamte nnd da* 
Bezirksarzt Zusammenwirken. 

Ein weiteres Mittel, den Bezirksarzt in den entfernteren 
Teil seines Amtsbezirks hinausznftthren, wäre die Abhaltung von 
Amtstagen an den auswärtigen Amtsgerichtssitzen. Auchdaiflr 
haben wir ja ein Analogon bei den Verwaltungs* nnd Finanz¬ 
behörden. Wenn die Medizinalvisitationen der Gemeinden ein- 
gefdhrt werden, so kommt ja der Bezirksarzt mehr als bisher in 
den auswärtigen Amtsgerichtsbezirk, aber immer doch nur in einem 
periodischen Turnus von mehreren Jahren. Dies erscheint nicht 
genügend und entspricht auch nicht den Bedürfnissen der 
Bevölkerung. Für alle die Personen, die ein amtsärztliches 
Zeugnis zur Anstellung, zur Erlangung einer Unterstützung oder 
Pension, behufs Militärreklamation oder Kriegsinvalidenpension 
bedürfen, bedeutet die Reise zum Amtssitze des Bezirksarztes 
eines erheblichen Aufwand an Zeit und Geld. Auch fehlt eine 
öftere persönliche Fühlungnahme der Gemeindeverwaltungen und 
Armenpflegen mit dem Bezirksarzte. Es ist deshalb als empfeh¬ 
lenswert vorgeschlagen, daß bei weiterer Entfernung des auswär¬ 
tigen Amtsgerichtsbezirkes der Bezirksarzt an demselben in ge¬ 
wisser Regelmäßigkeit (je nach Bedarf monatlich oder in g^rößeren 
Zwischenräumen) Amtstage abhält, an welchen er für die Ge¬ 
meindeverwaltungen, Armenpflegen und sonstigen Behörden, sowie 
für Private dienstlich zu sprechen ist, die anfallenden Unter¬ 
suchungen vornimmt nnd auch anderweitige Amtsgeschäfte damit 
verbindet (wie z. B. Apothekenvisitationen, Besichtigang von 



Der Mnts&ntliehe Dienet in Beyern. 


129 


E^rankenhäasern, Scholen, Neobaoten etc., Eostkindeni, Geistes¬ 
kranken n. dgl, Prttfong der Hebammen nnd Desinfektoren nsw.). 
Diese Amtstage wären in den bezirksamtlichen Amtsblättern vor¬ 
her öffentlich bekannt zo machen; die Gemeinden hätten ein 
Amtslokal anentgeltlich znr Yerfagong za stellen. Die Aosfibnng 
ärztlicher Praxis dürfte damit nicht verbanden werden. Von der 
Abhaltang der Amtstage würden 70 Bezirksärzte nicht berührt 
werden, da sie in ihrem Bezirke keine answärtigen Amtsgerichte 
haben; von den übrigen haben 88 eines, and 9 zwei answärtige 
Amtsgerichte innerhidb des Bezirksamtes. 

Gegen diesen Vorschlag der Medizinalvisitationen and der 
answärtigen Amtstage worden bisher nor ganz vereinzelte Be¬ 
denken geäußert, als führten sie za einer angebührlichen Be- 
lastang and dorch die öftere Ortsabwesenheit za einer Beein- 
trächtigong der Frivatpraxis. Dem ist entgegenzohalten, daß 
bei Annahme onseres Vorschlages dorch die königl. Staatsregierang 
die ganze Stellong des Bezirksarztes wesentlich gehoben würde, 
daß dies aoch bei der kommenden Gehaltsregolierang znr Berück- 
sichtigong käme and einen Mehranfall von Tagegeldern im Ge¬ 
folge hätte. Anderseits erfahren diese Vorschläge anch sehr 
viele, fast begeisterte Zostimmongen, namentlich von seiten jün¬ 
gerer Bezirksärzte, die sich darauf freuen, dann auch etwas Er¬ 
sprießliches leisten za können and aas den derzeitigen unbe¬ 
friedigenden Verhältnissen heranszokommen. 

Außer den vorgenannten verwaltangsärzUichen Gesdiäften 
obliegt dem Bezirksarzte in denjenigen Orten, in denen nicht zu¬ 
gleich ein Landgerichtsarzt seinen Sitz hat, wie bisher die Be¬ 
sorgung des ärztlichen Dienstes beim Amtsgerichte mit 
Ausnahme der gerichtlichen Sektionen, bezüglich deren auf das 
früher Gesagte za verweisen ist, und der gefängnisärztliche 
Dienst. Hier läßt sich die Lostrennung des gerichtsärztlichen 
Dienstes nicht vorschlagen, denn einen eigenen Arzt für diese 
Fanktionen anzastellen, hätte keinen Sinn. Anstatt den amts¬ 
ärztlichen Dienst za zersplittern, muß das Bestreben eher darauf 
aasgehen, alle amtlichen Stellen am gleichen Orte in einer Hand 
zu vereinigen, soweit sich dies ermöglichen and mit dem Haapt- 
amte vereinbaren läßt. 

Gewissermaßen als Schlußstein für die Ausgestaltung des 
amtsärztlichen Dienstes ist noch der Antrag eingesetzt, es möge 
eine Dienstanweisung für die Medizinalämter erlassen 
werden, in welcher die dienstliche Stellung der Bezirksärzte, ihr 
Verhältnis zu den Behörden, Privatpersonen und nichtbeamteten 
Aerzten, sowie Art nnd Umfang ihrer amtlichen Obliegenheiten 
festgesetzt sind. Eine solche wird lebhaft vermißt, nicht nur von 
denjenigen Bezirksärzten, die neu in die amtsärztliche Laufbahn 
eintreten und sich in das ausgedehnte, weitverzweigte Gebiet der 
Medizinalgesetzgebung mühsam hineinarbeiten müssen, sondern 
auch von solchen, die schon länger im Dienste stehen und bei 
etwas schwierigeren Fragen die zerstreuten Gesetzesbestimmungen 
zusammensuchen müssen. Was in unserem Medizinalwesen gelten- 



180 


Dr. Becker. 


des Becht ist, läßt sich znweilen gar nicht so leicht feststellen, 
weil nicht nnr anf dem Gebiete der Landesgesetzgebnng Tiele 
Nenernngen erfolgt sind, sondern weil auch seit dem Jahre 1870 
die Beichsgesetzgebung hier mit eingriff. Aeltere Bestimmnngen 
worden hierdorch teils aufgehoben, teils abgeändert nnd manches 
darin blieb als gflltig weiter bestehen; man kam aber nie dazo, 
die einzelnen Vorschriften jeweils entsprechend neo zo gestalten. 
Wie ist die frtthere einheitliche Apothekerordnnng vom Jahre 1842 
dorchlocht nnd zerfetzt, gar das Organische Edikt vom Jahre 
1808, and doch gelten noch beide in wesentlichen Beziehungen. 
Will man sich Aber einzelne Fragen hinsichtlich der dienstlichen 
Obliegenheiten der Bezirksärzte orientieren, so mnß noch hänfig 
anf ganz alte Besümmnngen znrfickgegriffen werden. Eine Dienst- 
anweisnng fehlt vor allem aber anch ffir die Distrikts- nnd Ge¬ 
meinde verwaltnngsbehOrden, weil bei ihnen Aber die Stellung der 
Bezirksärzte, ihre Kompetenzen nnd Dienstobliegenheiten eine 
sehr große Unklarheit besteht; bei der enormen Ansdehnnng der 
Verwaltungsgesetzgebung kann ihnen das nicht einmal verargt 
werden. Der Wiiknngskreis der Bezirksärzte hängt daher vid- 
fach davon ab, was der einzelne ans seinem Amte macht, wie weit 
er sich Einfluß und Autorität zn verschafien versteht. Die Er¬ 
lassung einer Dienstanweisung liegt daher im Interesse aller 
Organe im Bereiche der inneren Verwaltung. 

Der gleiche Antrag hat bereits im Jahre 1902 die bayeri¬ 
schen Aerztekammern beschäftigt nnd deren Zustimmung erfahren, 
worauf unterm 16. Mai 1903 der Ministerialbescheid erfolgte, daß 
die Anregung in Betracht gezogen werde nnd sachgemäße Ein¬ 
leitung Uerzn Vorbehalten bleibt. Mit dem Erlasse einer Dienst¬ 
anweisung mnß es wohl seine ganz besonderen Schwierigkeiten 
haben. Schon das Organische Edikt vom 8. September 1808 
stellte in Aussicht, daß fflr alle Gerichtsärzte — dies war die 
damalige Bezeichnung der Amtsärzte — des ganzen Beiches nn- 
verzflglich umfassende, die vorgezeichneten Bechte und Pflichten 
und Obliegenheiten genauer bestimmende Instruktionen entworfen 
werden. Für die Distrikts-Eommissariatsärzte des vormaligen 
Großherzogtums Würzburg wurde unterm 13. Oktober 1809 eine 
Instruktion erlassen, die nach einer Entschließung des Unter¬ 
mainkreises vom 7. Oktober 1822 bis zum Erscheinen einer 
fflr das ganze Königreich geltenden Physikatsinstruktion in idlen 
jenen Punkten zur Bichtschnnr dienen sollte, welche nicht durch 
ausdrückliche bayerische Verordnungen eine Abänderung erlitten 
haben. Dann wurde auch noch in der Königl. Verordnung vom 
21. April 1862, den ärztlichen Dienst bei den Gerichten und Ver¬ 
waltungsbehörden betreffend, die Erlassung einer Geschäfts-In¬ 
struktion fflr die Bezirksärzte 1. Klasse in Aussicht gestellt. E!r- 
schienen ist eine solche bis jetzt nicht. 

Im Gegensatz zu Bayern haben andere deutsche Bundes¬ 
staaten sehr zweckmäßige und eingehende Dienstanweisungen, so 
Preußen, Sachsen, Baden, Hessen usw. Was in diesmi Ländern 
als notwendig erschien nnd möglich war, sollte sieh auch in 
Bayern durchführen lassen. 



Der «mtsIrztUebe Dienst in finyetn. 181 

Eine solche Dienstannreisnng soll nun keineswegs ein Anszng 
ans den bestehenden Reichs* nnd Landesgesetzeny oberpolizeilichen 
Vorschriiten und Ministerialentschließongen sein, welcher die fflr 
die Bezirksärzte in Betracht kommenden Bestimmungen heraus¬ 
nimmt und aneinanderreiht. Wenn Ihr Referent me^ freie Zeit 
gehabt hätte, wäre Ihnen heute eine solche Zusammenstellung als 
Beilage zu den Leitsätzen vorgelegt worden, ähnlich einer irflheren 
Arbeit ans dem Jahre 1899,*) nur nach dem jetzigen Stande er¬ 
gänzt nnd berichtigt. Das was jetzt gilt, znsammenfassen, ihm 
ein neues Datum anfdrftcken, um den Anschein einer modernen 
Medizinälreform zu erwecken, das ist nicht unter der gewünschten 
Dienstanweisung gemeint, sondern es mögen die Aufgaben, die in 
Zukunft von den Bezirksärzten gefordert werden, in ihrer 
Wesenheit abgesteckt nnd umgrenzt werden; zu viel Detail gehört 
in die Dienstanweisung nicht hinein und wäre speziellen Ent¬ 
scheidungen Yorzubehalten. Die Dienstanweisung sollte gewisser¬ 
maßen dem ganzen Medizinalwesen einen neuen Geist einhauchen, 
wie dies vor nahezu 100 Jahren im Organischen Edikt geschah; 
sie sollte das Fundament legen, auf dem sich die künftige Ent¬ 
wicklung anfbauen soll, und die Grundlinien bezeichnen, nach 
denen das Werk ausznbauen ist; sie sollte also einen Generalplan, 
ein Programm für die nächsten Jahrzehnte darstellen, nach dem 
^e einzelnen Sparten des Gesundheitswesens ausgestaltet und 
vervollkommnet werden sollen. 

Hier wäre dann noch der Antrag einznreihen, es' möge 
die amtliche Verpflichtung der Bezirksärzte zur un¬ 
entgeltlichen Behandlung der Armen ihres Bezirks 
sowie der Gendarmeriemannschaften und deren 
Familien aufgehoben werden. Die Verpflichtung zur unent¬ 
geltlichen Behandlung der Armen des Bezirks benät auf einer 
kurbayerischen Verordnung vom 28. Oktober 1803 und einigen 
Alteren Bestimmungen ans der Zeit, wo die Aerzte noch keine 
Freizügigkeit hatten, sondern von der Regierung ihren Wohnsitz 
angewiesen erhielten, nnd wo der Staat durch die Bereitstellung 
amtsärztlicher Hilfeleistung für das gesundheitliche Wohl der 
Bevölkerung sorgen wollte. Schon die Ministerialentschließung 
vom 16. Juni 1839 sprach aus, daß zwar die unentgeltliche Be¬ 
handlung der armen Kranken durch die Gerichtsärzte wie bisher 
so auch fortan die Regel zu bilden habe, daß jedoch die Bewilli- 
nnng eines mäßigen Honorars an die genannten Aerzte in jenen 
Fällen nicht als absolut unzulässig betrachtet werden könne, in 
welchen die Mittel der Armenpflegen solches gestatten nnd be¬ 
sondere Billigkeitsgründe vorhanden sind. Wiederholt sind die 
bayerischen Aerztekammem um Aufhebung dieser Verpflichtung 
vorstellig geworden, jedoch ohne Erfolg. Es ist blos zuletzt in 
dem Ministerialbescheide vom 27. Juli 1901 mitgeteilt worden, 

diese Bitte zur Kenntnis genommen nnd weiter in Erwägung 
gpezogen werde. 


*) Aerztliches Vereinsblatt für Dentschland; 1899, Nr. 412 and 418. 

9* 



132 


Dr. Becker. 


Gegenüber dem Znstand vor 100 Jahren haben sich die ein« 
schlägigen Verhältnisse dadnrch geändert, daß jetzt die ZsM der 
Aerzte eine wesentlich größere ist, sich diese anch in kleineren 
Landbezirken zahlreicher niedergelassen haben, der Bevölkemng 
die ärztliche Hilfe dadnrch viel leichter, anch billiger zugänglich 
ist, und daß in den letzten Dezennien das Erankenversichemngs* 
gesetz für einen großen Teil der minder bemittelten Bevölkerung 
eine kostenlose ärztliche Behandlung verschafft nnd hierdurch 
die Armenpflegen entlastet hat. 

Früher war der Bezirksarzt noch fast in seinem ganzen 
Bezirke tätig, nnd sollte dies wohl anch sein; denn an die Be¬ 
willigung seines Gehaltes war die Bedingung geknüpft, daß er 
sich ein Reitpferd halten mußte. Damals war es auch keine so 
große Auflage, gelegentlich die Armen zu behandeln. Jetzt 
kommt er aber, wie bereits erwähnt, nur selten gelegentlich in 
seinen Bezirk, so daß er, wenn er zur unentgeltlichen Behandlung 
der auswärtigen Armen in Anspruch genommen wird, immer 
besondere Besuche zu machen hat. Es fehlt ihm jetzt abo die 
Gelegenheit, wegen seiner vielfachen sonstigen dienstlichen Ge¬ 
schäfte aber auch die Zeit dazu. 

Der pekuniäre Vorteil für die Armenpflegen ist ein sehr 
fragwürdigei* geworden; denn die unentgeltliche Behandlung dm* 
Armen gehört zwar zu den Amtspflichten der Bezirksärzte, 
diese können aber die gleichen Vergütungen dafür beanspruchen 
wie für jedes andere Amtsgeschäfr, also nach den bestehenden 
Verordnungen bei einer Ortsentfemung von mindestens 3 km 
Ersatz der Reisekosten nnd auch Tagegelder. Hierdurch wud 
die Armenbehandlnng in der Regel teurer zu stehen kommen, als 
wenn die Gemeinden den nächst wohnenden Arzt beiziehen oder 
als Armenarzt anstellen. Von der Anfrechterhaltung der Ver¬ 
pflichtung haben also allein noch die Wohnorte der Bezirksärzte 
und die Gemeinden in allernächster Nähe bis zu 3 km Entfernung 
einen Vorteil. Die bezirksärztlichen Stellvertreter sind zur un¬ 
entgeltlichen Behandlung der Armen ihres Amtsgerichtsbezirkes 
nicht verpflichtet, außer wenn ihnen etwa mit der Verleihung 
einer fixen Jahresrenumeration dies anferlegt worden ist. Jb 
großen Städten ist fast überall schon für die Anstellung besonderer 
Armenärzte gesorgt. Es hat sich daher der Kreis der Gemeinden, 
die von dieser Bestimmung überhaupt noch einen Nutzen ziehen 
könnten, so sehr verringert, daß es eine Belastung der Armen¬ 
pflegen nicht mehr darstellt, wenn diese fast nur nodi auf dem 
Papiere stehende Verordnung endlich an%ehoben wird. 

Bezüglich der Behandlung der Gendarmeriemannschaften, 
ihrer Frauen und Kinder liegen die Verhältnisse ähnlich, da diese 
zu den amtlichen Verpflichtungen des Bezirksarztes gehört, die 
bezirksärztlichen Stellvertreter aber hierzu nicht verpachtet sind 
oder nur vereinzelt da, wo sie eine fixe Rennmeration erhalten. Es 
ist für den Bezirksarzt auf dem Lande äußerst lästig, die Gen¬ 
darmen bis zu einer Entfernung von 2 Stunden zu behandeln — 
bei einer größeren Entfernung ist nach der Verordnung vom 



Oer unte&nUiohe'Dieut in Bayern. 


138 


24. Juli 1868 ein näher wohnender praktischer Arzt znznziehen, 
welchem die re^atiymäßigen Gebflhren fflr die Behandlung ans 
dem Gendarmerieetat bezaUt werden — nnd auch ein Bezirksarzt 
in einer größeren Stadt empfindet es sehr nnangenehm, wenn er 
von seinen Dienstgeschäften weg znr Behandlung in eine Gen¬ 
darmeriefamilie geholt wird. So passierte es erst unlängst dem 
Bezirksarzte in einer großen unmittelbaren Stadt, daß er ans einer 
wichtigen Magistratssitznng znr Entbindung der Frau Wadit- 
meister weggemfen wurde. Es möchte sich daher sehr empfehlen, 
daß auch diese Verpfiichtung der Bezirksärzte aufgehoben und 
dem Gendarmerieetat anferlegt wird, anderweitig ffir die ärztliche 
Behandlung der Gendarmeriemannschaften und deren Familien 
Sorge zu tragen. 

Entsprechend der Gestaltung des Dienstes ist auch die 
Gehaltsfrage zu regeln, beide mflssen im Einklang mitein¬ 
ander stehen. Man darf offen behaupten, daß der Gehalt der 
bayerischen Bezirksärzte schon jetzt bei weitem nicht den großen 
Anforderungen der Stellung und dem stets sich mehrenden Um¬ 
fange der Dienstaufgaben entspricht. Ziffernmäßig ergibt sich 
deren Zunahme aus den Generalsanitätsberichten bei den Nach- 
weisnngen über die Amtshandlungen in bezug auf gerichtliche 
Medizin und Medizinalpolizei; ihre Gesamtsumme belief sich im 
Jahre 1888 auf 59448 und im Jahre 1898 auf 58801, yon da 
ab stieg sie rasch immer mehr an und im Jahre 1908 betrug 
sie 100019. Es läßt sich in den Tabellen allerdings nicht genau 
ausscheiden, wie yiel dayon auf die Bezirksärzte und wie yiel auf 
die Landgerichtsärzte entfällt; der Hauptanteil an der Gesamt¬ 
summe dürfte wohl die ersteren treffen, da gerade die Rubriken 
mit den großen Zahlen sich auf den yerwaltnngs- nnd polizei¬ 
ärztlichen Dienst beziehen. Jedenfalls ergibt sich aus der yer- 
gleichenden Gegenüberstellung der Zahlen die Tatsache, daß die 
Amtshandlungen der bayerischen Amtsärzte in den letzten 10 Jahren 
sich nahezu yerdoppelt haben. Dabei ist nicht zu yergessen, daß 
eine Reihe yon bezirksärztlichen Amtshandlungen in den Tabellen 
gar nicht znr Registrierung kommt. Greifen wir einige Gruppen 
yon Amtshandlungen heraus, die ausschließlich zu den Aufgaben 
der Bezirksärzte gehören, so erhalten wir folgende Zahlen: Auf 
Verlangen von Behörden wurden in Polizeisachen Untersuchungen 
yorgenommen 



an Sachen 

an lebenden Personen 
wegen i wegen 

körperlicher Erkrankung oder 1 geisüger 
Gesnndheitsverhältniflse ; E^ranknng 

im Jahre 1888 

1814 

I-' 

22187 

697 

. , 1893 

2600 

11048 

626 

• » 1903 

4626 

31474 

2086 


Die hier erwähnten Untersuchungen wegen geistiger Er¬ 
krankung in Polizeisachen stellen nicht nur eine äußerst verant¬ 
wortliche Tätigkeit dar, weil die schwerwiegende Frage der 



184 


Dr. B«oker. 


Gerndnirefthrliclikeit und der Verwahmiig in einer Irrenanstalt 
in Betracht kommt, sie sind anch sehr subtiler nnd schwieriger 
Natnr, weil zn einer längeren Beobachtung Gelegenheit und 
Möglichkeit fehlen nnd der Bezirksarzt meist schon bei der erst- 
maUgen Untersuchung sich darüber schlüssig machen muß, ob 
die betreffende Person polizeilich zu yerwahren sei oder nidit; 
beides kann unter Umständen die unangenehmsten Folgen haben. 
Die Zahl der „größeren Gutachten über körperliche oder geistige 
Erkrankungen von Staatsdienem*, die auch zur bezirksärztlichen 
Tätigkeit gehören, betrug 1883: 1204, 1898: 1254, 1903: 1600 
und in den 5 Jahren zuvor: 1754, 1720, 1684, 1978 und 2259. 

Es mag nicht ohne Interesse sein, hier in Kürze einen 
historischen Ueberblick über die Entwicklung der Gehaltsver¬ 
hältnisse der bayerischen Amtsärzte einznflechten; denn in dem 
Ansteigen des Gehaltes ist anch eine höhere Bewertung der 
Dienstleistungen zu erblicken. 

Die knrfttrstliche yerordnunff Tom 18. Oktober 1808, die 
Bestimmung und Beaoldong der Landgeriutskrzte betr., wollte den Lebens¬ 
unterhalt der Land^ericbts&rste nicht mehr, wie bisher, dem bloßen Zufälle 
des Erwerbs oder euer zum T^e willkttrlich, zum Teile sehr ungleich rer- 
teUten Besoldnngsgnade prelsgeoen, sondern ihnen allen einen Teil ihrer Eomr 
petenz in einem dorchaus gleichheitlichen Solde yerschaffen. Dieser wurde 
vom 1. Januar 1804 an unter der Bedingung, sich ein Beitpferd halten za 
mflssen, auf 600 Golden bestimmt. Die Königliche Verordnung yom 
6. Oktober 1809, die Organisation und Ernennung der Gerichts&rzte betr., 
setzte die Besoldung der Landgerichtsärzte auf die jährliche Somme von 
600 Gulden fest, b welche aber alles ebzurecbnen war, was diese ans staat¬ 
lichen Kassen, unter welch immer für ebem Titel, bisher bezogen; aus¬ 
genommen waren die schon früher angestellten Landgeiichtsärzte, bei welchen 
urer besonderen Verhältnbse wegen eine Ausnahme gemacht nnd darüber 
ebe eigene Entschließnng erlassen war. Für die Stadtgerichtsärzte wurden 
durch die Königliche Verordnung yom 19. Juni 1810, die Besoi- 
dnngsgrade der Stadtgerichtsärzte betr., drei Besoldungsnade aubestdlt, 
nänmw für die bei den Städten der ersten Klasse 600 und für db bei den 
Städten der zweiten xud dritten Klasse 600 bezw. 400 Gulden. 

Nach der Königlichen Verordnung yom 21. April 1868, 
den ärztliehen Dienst bm den Gerichten nnd VerwiJtnngsbehOrden betr., be¬ 
zogen ab Jahresbesoldung die Bezirksgerichts- (jetzt Landgerichb-) irzte je 
1000, die Bezirksärzte I. Klasse je 800 nnd die Bezirksärzte II. Klasse je 
600 (Jolden. Bei langjähriger erprobter Dienstleistung oder besonderer Aoszeich- 
nnng blieb die entsprechende Erhöhung der Besoldungen ebseber BezUs- 
gerichts- oder Bezirksärzte nach Hingabe der ymügbaren Mittel yor- 
behalten. 

Entsprechend der Königlichen Verordnung iyom 7. Februar 
1869, den ärztlichen Dienst oei den Gerichts- nnd Verwaltungsbehörden 
betr., wurden die Stellen der Bezirksärzte 11. Klasse b Erledig^gsfaliea 
nicht mehr wiederbesetzt, sondern allmählich ebgezogen. Ihr Dienst gbg 
damit anf die Bezirksärzte L Klasse über, nnr für dibgende amtliche Ge* 
schäfte, welche die Beiziehnng des auswärts wohnenden Bezirksarztes L Klasse 
nicht angemessen erscheinen Ueßen, worden bezirksärztliche SteUyertreter anl- 
gestellt. Obwohl diese Organbation den Wirkungskreb der Bezirksärzte 
I. Klasse erweiterte and ihre Dienstanfgaben yermehrte, brachte sie keine 
Aufbesserung des Gehaltes; für die amtlichen Verrichtungen b dem neu hb- 
zngekommenen Bezirke durften sie weder die tazmäßigen Gebühren, noch Ent¬ 
schädigung für Zeitaufwand b Anspruch nehmen; es konnte jedoch das Staats- 
mbbterium des Innern ebem Bezirraarzte I. Klasse, wenn er der ünterstützng 
ebes remunerierten Stellyertreters entbehrte, ebe ständige Bemunentton yen 
200 bb 400 Gulden des Jahres bewilligen. 



Der untsärztlielie Dieast in Bayern. 


186 


Die KSnigliche Verordnung rom 28. Mai 1872, die (leliilter 
der Staatediener betr., brachte den Amtsärzten eine ErhShnng der Gehälter 
und zwei Vonöckungsstufen nach je 8 Jahren. Das Gehalt der Bezirhs- 
gerichtsärzte betrag in den ersten 8 Jahren 1000, vom 4. bis 6. Jahre 1200 
und vom 7. Dienstjahre an 1400 Gulden, das der Bezirksärzte 1. Klasse 
800, 1000 und 1200 und der der Bezirksärzte IL Klasse 600, 700_ und 
800 Gulden. 

In der Königlichen Verordnung Tom 12. August 1876, die 
Gehälter der Staatsdiener betr., erfuhren die Gehaltsbeshge der Amtsärzte 
wiederum eine Erhöhung; es wurde das Anlangsgehalt bei den Bezirks* 
gerichtsärzten auf 2160, bei den Bezirksärzten I. Klasse auf 1800 und bei den 
Bezirksärzten II. Klasse auf 1440 M. normiert. Sie blieben ueringer besoldet 
als die gleichrangierenden Beamten anderer Dienstzweige, weu sie ihre Haupt* 
einnalunen aus der Piivatpraxis schöpfen sollten. In Würdigung des Umstandes, 
daß die Aerzte in der überwiegenden Zahl erst in Torgerttcktem Lebensalter 
zur Anstellung gelangen, worden ihnen die Gehaltsror^ckungen schon nach 
je 8 Jahren (bei den übrigen Staatsbeamten nach je 6 Jahren) bewilligt; es 
rückten die Bezirksgerichtsärzte und die Bezirksärzte I. Klasse um je 860 
und die Bezirksärzte II. Klasse um je 180 Mark vor. Das HOchtsgehalt 
belief sich demnach bei den drei Amtsärzten auf 2880 bezw. 2520 und 1800 
Mark. Eine weitere Vorrückung war ihnen im Gegensätze zu allen übrigen 
Beamten versagt. Diese Ungleichheit wurde erst durch die Königliche 
Verordnung vom 11. Juni 1802, die Gehaltsbezttge der pragmatischen 
Staatsdiener beseitigt, die den Amtsärzten weitere Altersvorrücl^gen er* 
mOgUchte. 

Nach dem jetzt noch geltenden Gehaltaregnlative vom 
Jahre 1892 haben die Bezirksärzte I. Klasse ein Anfangsgehalt 
von 1980 Mark, das nach 3 Jahren auf 2340, nach 5 Jahren anf 
2700 nnd dann alle 5 Jahre nm 180 Mark steigt. Da die An* 
stellnng als Bezirksarzt in. der Begel erst nm die Mitte der 
yierziger Jahre erfolgt, bringt es nicht leicht einer über 20 bis 25 
Dienstjahre, wobei er dann eine Gehaltsstufe von 3240 Mark er¬ 
reicht. Dementsprechend ist auch die Pension für einen Bezirks¬ 
arzt and seine Hinterbliebenen eine nnznlängliche. Zwingt ihn 
Krankheit, vor Vollendung des 70. Lebensjahres in den Bnhestand 
zn treten, so erhält er bei 20 bis 25 Dienstjahren eine Pension 
▼on 2910 M. and bei 16 bis 20 Dienstjahren nur eine solche yon 
2448 M.; hier liegt schon die Durchscimittsziffer der beim Aus¬ 
scheiden durch Tod und Pensionierung erreichten Dienstjahre. 
Die Pensionen der Witwen betragen jeweils nur ein Fünftel des 
letzten Einkommens des Ehemannes, was für Frauen aus diesen 
Gesellschaftskreisen doch gar zu wenig ist. Zu diesen prag¬ 
matischen Gehaltsbezügen erhalten die Bezirksärzte noch nicht¬ 
pensionsfähige Gehaltszulagen von 360 M. bezw. in der] zweiten 
Ortsklasse ebenso wie die Ledigen yon 315 M. 

Bei der seinerzeitigen Feststellung des Gehaltsregulatiyes 
wurde das Gehalt der Bezirksärzte niedriger angesetzt als bei 
den anderen Staatsbeamten, denen sie im Bange gleichstehen; 
man ging damals dayon aus, daß sie sich durch Priyatpraxis ein 
Nebeneinkommen erwerben könnten. Wie wenig jetzt noch eine 
solche Anschauung gerechtfertigt wäre, haben wir oben bei der 
Besprechung der Dienstanfgaben ersehen. Daß die Besoldung 
der Bezirksärzte eine durchaus ungenügende ist, hat auch die 
Kgl. Staatsregierang bereits wiederholt anerkannt, wegen einer 
Abhilfe aber auf die künftige Beyision des Gehaltsregulatiyes 



186 


Dr. B«oker. 


yerwiesen. Man möchte den Eindrnck gewinnen, daß bei den 
zusehends anwachsenden Aufgaben und Anforderungen der Volks- 
und Gewerbehygiene die Bezirksärzte vielleicht auch deshalb 
nicht in dem wünschenswerten und notwendigen Maße mit- 
herangezogen wurden, weil die Staatsregiemng ihnen bei ihrem 
jetzigen Gehalte nicht noch mehr znmnten wollte und konnte. 

Eine kleine Aufbesserung der Nebenbezttge brachte die 
Egl. Verordnung vom 17. November 1902, Gebühren für ärztliche 
Dienstleistungen bei Behörden betr.; während früher Tage¬ 
gelder nur dann berechnet werden konnten, wenn das Dienst- 
geschäft außerhalb des Amtsbezirkes stattfand und der Ort 
der Geschäftsvomahme mindestens 3 km vom Amtssitze entfernt 
war, stehen den Bezirksärzten jetzt auch innerhalb ihres Amts¬ 
bezirkes bei gleicher Entfernung vom Amtssitze Tagegelder zu. 
Ferner verfügte die gemeinschaftliche Bekanntmachung der 
Egl. Staatsministerien der Justiz, des Innern und der Finanzen 
vom 22. Februar 1904, daß für die Amtsärzte, wenn sie infolge 
einer gerichtlichen Vorladung als Sachverständige gezwungen 
sind, über Nacht außerhalb i^es Wohnsitzes zu verweilen, oder 
wenn sie außerhalb desselben eine gerichtliche Leichenöffnung 
vorzunehmen haben, das gewöhnlich UM. betragende Tagegeld auf 
20 M. festgesetzt werden kann. 

Nunmehr ist die Vorlage eines neuen Beamtengesetzes an 
die gesetzgebenden Körperschaften in Aussicht gestellt, üeber 
dessen Inhalt und wieweit dabei die Bezirksärzte zur Berück¬ 
sichtigung kommen, darüber ist noch gar nichts verlautet. Würde 
dasselbe für sie lediglich eine prozentnalische Gehaltserhöhung 
vorsehen, etwa gleichmäßig mit den übrigen Staatsbeamten, eo 
dürfte dies nicht als genügend erscheinen; denn nicht allein 
wegen der Teuerung der Lebensverhältnisse ist das Gehalt un¬ 
genügend, sondern vor allem, weil er den verlangten Leistungmi 
nicht entspricht. Wird nun noch der Dienst entsprechend den 
Bedürfnissen und unseren Vorschlägen ausgestattet, wird dmr 
Wirkungskreis erweitert und die dienstliche Inanspruchnahme eine 
intensivere, dann ist es auch unbedingt notwendig, eine völlige 
Neuregnliernng des Gehaltes vorzunehmen und denselben so zu 
bemessen, daß der Bezirksarzt seine volle Arbeitskraft dem amte¬ 
ärztlichen Dienste widmen und eine pflichtmäßige Erfüllung seiner 
vielseitigen Dienstesaufgaben von ihm gefordert werden kann. 

Ständen den Bezirksärzten keine amtlichen Nebeneinkommen 
zur Seite, so wäre unbedingt vorzuschlagen, sie im Gehalte 
den Bezirksamtmännern (Anfangsgehalt 4080 M.) gleichzustellen, 
denen sie bisher nur bezüglich des Banges gleich stehen. Die 
Vorstandschaft unseres Vereines hat Ende des vorigen Jahres in 
einer Eingabe an das Staatsministerinm des Innern darum gebeten, 
die Bezirksärzte aus der XI. in die VII. Gehaltsklasse zu ver¬ 
setzen und sie den außerordentlichen üniversitätsprofessoren 
gleichzustellen. Dieselben bilden insofern ein ganz gutes Ana¬ 
logon, als sie außer ihrem Gehalte noch Nebenbezüge aus Eollegien- 
geldem und ärztlicher Praxis haben. Ihr Anfangsgehalt beläuft 



Der »mtiirciUdhe Dieist in Beyern. 


187 


sich au! 3180 M. Die Vorscbläge gehen also nicht ganz so hoch 
hinanf, wie bei den Landgerichtsärzten, wofBr nnr der Gesichts¬ 
punkt maßgebend ist, daß die Bezirksärzte mehr amtliche Neben¬ 
einkommen haben, als die Landgerichtsärzte; es war dies aneh 
bisher schon bei der [Gehaltsabstnfong gewürdigt, wo sie nm 
860 M. hinter ihnen zorück standen. Durch die Erhöhung des Ge¬ 
haltes würden auch die Pensionsverhältnisse eine Besserung er¬ 
fahren. Die Torjährige Kreisyersammlung in der Pfalz bezeieh- 
nete es fdr dringend notwendig, so lange die Amtsärzte nicht 
Yollbesoldete Beamte seien, bei Bemessung der Pension einen 
über das pragmatische Gehalt wesentlich hinausgehenden Betrag 
zu gründe zu legen. Das wird sich natürlich niemals erreichen 
lassen, daß eine einzelne Beamtenkategorie derart vorzugsweise 
behandelt wird; es wird auch nicht angängig sein, daß, wie in 
Preußen, die amtsärztlichen Gebühren nach ihrem durchschnittlichen 
Betrage während der drei letzten Jahre zur Anrechnung kommen. 

Es dürfte darauf hinzuweisen sein, daß in anderen deutschen 
Bundesstaaten die Amtsärzte ein erheblich höheres Gehalt be¬ 
ziehen. In Preußen beträgt das Gehalt der vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzte 8600—5700 M. nebst durchschnittlich 525 M. Wohnnngsgeld- 
znschuß, nnd der nicht vollbesoldeten 1800— 2700 M.; außerdem 
wird den letzteren in Stellen mit geringen amtsärztlichen pen¬ 
sionsfähigen Gebühren eine Stellenzulage von 600—1200 M. ge¬ 
währt. In Hamburg bezieht ein Physikus, der zugleich Hafenarzt 
ist, 9000 M. ansteigend bis 11000, die übrigen 7 Physici 6000 M. 
ansteigend bis','9000 M., wobei für die Berechnng der Alters¬ 
zulagen die Zeit nach dem Bestehen des Physikatsezamens zur 
Hälfte angerechnet wird. 

Mit dem vorgeschlagenen Gehalte von 3180 M. können die 
bayerischen Bezirksärzte noch nicht derart als voUbesoldet an¬ 
gesehen werden, daß sie auf jeden weiteren Erwerb verzichten 
könnten. Die Gehaltsmehrung gegen bisher ist auch nicht eine 
derartige, daß die seitherigen Nebeneinkommen in Wegfall kommen 
könnten. Die Gebühren für die öffentlichen Impfungen, für Zeng- 
nisse nnd Gutachten, sowie bei solchen amtsärztlichen Dienst¬ 
leistungen, für welche Private die Kosten zu tragen haben, 
mögen den Bezirksärzten auch künftig verbleiben. Sollte man 
diese entweder ganz anfheben, wie z. B. die Impfgebühren, oder 
sie in die Staatskasse fließen lassen, so müßte eine wesentliche 
höhere Gehaltsmehmng vorgeschlagen werden. Dies hätte aber 
nach mancher Richtung hin seine Schwierigkeiten. Die Neben¬ 
einkommen sind je nachldem Umfange nnd der Bevölkemngs- 
ziffer des Bezirkes verschi^en hoch, in größeren Städten vielleicht 
ziemlich erheblich, in kleineren Bezirken oft recht unbedeutend. 
Genaue statistische Zahlen darüber lassen sich nicht geben; es sei 
nur bezüglich der Impfgebühren bemerkt, daß diese meistens zu 
hoch eingeschätzt werden. Sie stellen auch keine Reineinnahmen 
dar, da der Bezirksarzt seine Fuhrwerks- und sonstigen Auslagen 
selbst bestreiten, während der Lnpfperiode sich in seiner Praxis 
teilweise vertreten lassen muß und auch anftdlende, außerordent- 



138 


Dr. Broker. 


liehe Impfungen bei blatterverndächtigen Erkrankungen nnr naeh 
dem gleichen Einheitssätze (am Wohnorte 50, auswärts 80 Pf.) 
berochen kann. Im Interesse der Bequemlichkeit der Bevölkerung 
geht das Bestreben darauf hinaus, fast für jede einzelne Ge¬ 
meinde einen besonderen Impftermin anzuberaumen, sodaß hier¬ 
durch der Zeitaufwand ein größerer wird und bei kleineren Impf¬ 
terminen der Bezirksarzt sogar seine Auslagen nicht decken dfirfte. 

In den Großstädten sind die dienstlichen Obliegenheiten der 
Bezirksärzte derart umfangreich, daß sie weder Privatpraxis 
noch sonstige Nebenstellen, wie z. B. als Bahnarzt oder Eranken- 
hansarzt, fibemehmen können. Auch fttr die Stellung eines Schul¬ 
arztes wird er keine Zeit finden, da er mit der Leitung und Be- 
auftichtigung der Schulärzte gerade genug zu tun hat. Er ist 
hier also ausschließlich auf sein Gehalt und die amtlichen Ge¬ 
bühren angewiesen. Werden unsere Vorschläge verwirklicht, 
daß die Bezirksärzte ihre Tätigkeit gleichmäßig auf den ganzen 
Amtsbezirk erstrecken, periodische Medizinalvisitationen vornehmen 
und auswärtige Amtstage abhalten sollen, so wird auch in den 
niittelgroßen Landbezirken die Gelegenheit zur Privatpraxis auf 
ein Minimum reduziert und die Uebemahme amtlicher Nebenstellen 
erheblich erschwert. In solchen Amtsbezirken möge den Bezirks- 
ärzten Bang, Titel und Gehalt von Medizinalräten be¬ 
willigt werden. Da, wo mehrere Bezirksärzte bei einer Dütrikts- 
verwaltungsbehörde aufgestellt sind, sollte jedenfalls der Vorstand 
des Medizinalamtes diese Stellung erhalten. Die Vorstände der 
Distriktsverwaltungsbehörden, welche vor der Vorrfickung zum 
Begierungsrate stehen, erhalten auch als Bezirksamtmänner diese 
Stellungen; man wjU damit einem öfteren Wechsel verbeugen und 
sie möglichst lange ihrem Bezirke erhalten. Sind sie einmal mit 
allen Verhältnissen desselben vertrant, sind sie mit den anderen 
Staatsbehörden und den Gemeindeverwaltungen znsammenge- 
arbeitet, so ist ihre Wirkung eine viel ersprießlichere, als wenn 
sie den Verhältnissen noch als Neulinge gegenftberstehen. Der 
gleiche Gesichtspunkt könnte auch fflr die Bezirksärzte geltend 
gemacht werden, damit sie länger in ihrem Bezirke tätig bleiben 
und nicht mehr so häufig um Versetzung nachsuchen müssen. 
Vorerst soll aber nnr mit Bücksicht auf die Größe des Amts¬ 
bezirkes die Schaffung von Vorrttckungsstellen angeregt werden; 
es kann auf diesem Gebiete nnr sukzessive vorgegangen werden. 
Da bei den äußeren Verwaltungsbehörden 167 Bezirl^zte tätig 
sind, berechnet sich aus der Einwohnerzahl des Königreiches aiü 
jeden Bezirksarzt durchschnittlich eine Bevölkerungsziffer von 
39067. Fflr diejenigen Bezirke, welche das Doppelte dieses 
Durchschnittes überschreiten, oder nahezu erreichen, etwa über 
70000 Einwohner haben, könnten solche Vorrflc^nngsstellen zu¬ 
nächst in Betracht kommen. Es wären dies folgende 11 Bezirke: 

Mönchen-Stadt. 538983 

Nürnberg „. 294426 

Ludwigshafen. 103641 

Augsburg-Stadt. 94928 







Der amtsiritliohe Dienet in Bayern. 


189 


/ Stadt 60635 \ 
\ B. A. 20055 / 


Farth ; 
Eaiserslaatern 


89690 


Eaiserslaatern. 87 633 

Wttrzborg-Stadt. 80327 

Eegeaabnj-f { |^‘ } . . 79138 

Pirmasens . 78217 

Landani. Pf..71681 

iiamiiAi««» f Stadt 45483 1 n« oai 

Bamberg ^ g a. 25718 / * * * 

Würden sp&ter anch die Bezirke mit einer Einwohnerzahl 
nnter 70000 bis herab za 50000 zor Berflcksichtigang kommen 
können, so wären dies noch weitere 14 Bezirke, der Größe nach 
geordnet: Homborg, Frankenthal, Hof, Passan, Bayrenth, 
Aschaffenborg, Kempten, Bosenheim, Germersheim, Schweinfart, 
Landshat, Neastadt a. H., Ansbach and Amberg. Diese Bezirke 
sind immer noch yiermal so groß als die kleinsten Bezirksämter, 
Brttckenaa (13017), Mellrichstadt (13546), Hofheim (13709) and 
Garmisch (13729). 

Das für die Vorrflckongsstellen in Vorschlag gebrachte Ge¬ 
halt ist noch als ein bescheidener za nennen, wenn man in Ver¬ 
gleich zieht, wie manche Städte ihren Stadtarzt besolden. Bis 
jetzt haben wir in Bayern einen eigenen Stadtarzt nor in Fttrth. 
In München warde die Anstellang eines, solchen von dem Ge- 
meindekollegiom wiederholt angeregt, jedoch zerschlag sich die 
Sache wieder, wahrscheiolich wegen der Schwierigkeiten, bei der 
eigentümlichen Kompetenzverteilong zwischen Polizeidirektion 
and Stadtmagistrat die BeAignisse des Stadtarztes von denen 
des staatlichen Bezirksarztes aaseinander za halten. Wären die 
Bezirksärzte bisher so gestellt gewesen, daß sie sich anch mit 
den sanitären Angelegenheiten der anmittelbaren Städte inten¬ 
siver befassen könnten, so würde sich das Bedürfnis nach eigenen 
Stadtärzten nicht mehr so sehr fühlbar machen wie bisher. 


Für die Vornahme der periodischen Medizinalvisitationen der 
Gemeinden and die Abhaltong der answärtigen Amtstage mögen 
den Bezirksärzten entweder Tagegelder and Ersatz der Reise¬ 
kosten oder ein jährliches Beiseaversam hierfür bewilligt werden. 
Nach § 12 der E. A. Verordnong vom 3. September 1879, den 
ärztlichen Dienst bei den Gerichts- and^.Verwaltangsbehörden 
betr., ist es dem Staatsministeriam des Innern gestattet, einem 
Bezirksarzte 1. Eiasse, welcher der ünterstfitzong eines remone- 
rierten bezirksärztlichen Stellvertreters an dem vom Sitze des 


Bezirksamtes entfernten Amtsgerichte entbehrt, eine ständige 
J^resremoneration za gewähren. Im Etat sind hierfür 23080 M. 
eingesetzt, bei entsprechender Erhöhong dieses Postens könnten 
daraas allgemeia die Beisepaoschalen für die Bezirksärzte gedeckt 
werden. Es könnte dann den Bezirksärzten in gleicher Weise 
^e den Bezirksamtmännem die Verpflichtong zar Vornahme 
einer bestimmten Anzahl von Dienstreisen aoferlegt werden, bei 
denen sie nach Möglichkeit mehrere DieastgeschäBe miteinander 







140 


0r. B«ek«r. 


ZU yerbinden hfttten. Bei der Feetoetziingr dieser Beisepaaschaleii 
h&tten, damit sie richtig: bemessen sind, g:enaae Erhebiui|:en Tor- 
herzngehen. 

Als letzten Antrag: beim Kapitel der Bezirksftrzte finden 
sie den: es mOg:e die E. Staatsregierang: darauf hinwirken, daß 
den Bezirk&rzten — es g:ilt dies aneh fOr die bezirkskrztlichen 
Stellvertreter — der ärztliche Dienst im Distriktskrankenbaosey 
sowie sonstige öffentliche Stellangen, an Orten mit Leichenhänsem 
auch die zweite Leichenschau Übertragen werden. Die Besetzung 
dieser Stellen kommt allerdings nicht durchgehends der Staats¬ 
regierung selbst, sondern zum Teil den Distriktsgemeinden zu; 
diese werden j^och sicher eine diesbezügliche Anregung ▼<« 
Höchster Stelle um so mehr in Berflcksichtigung ziehen, als dies 
auch in ihrem Interesse liegt Diese Nebenstellen sollten bei 
Erledigung der Bezirksarztstellen auch immer für den Amts¬ 
nachfolger reserviert bleiben. Ein preußischer Ministerialerlaß 
vom 5. Februar 1883 hat die Regierungspräsidenten angewiesen, 
ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß die Nebenämter, 
welche der abgegangene Physikus als Arzt eines Krankenhauses, 
eines Gefängnisses oder ähnlicher öffentlicher Anstalten bekleidete, 
auf seinen Nachfolger im Amte übergehen nnd daß die Neube¬ 
setzung ärztlicher Stellen der gedachten Art, wenn irgend möglidi 
bis zu der des Physikats versi^oben und der neuemannte Phymkns 
dabei berücksichtigt wird. 

Für die vorgeschlagene Uebertragung des ärztlichen 
Dienstes im Distriktskrankenhause sind nicht so sehr 
Rücksichten auf ein Nebeneinkommen der Bezirksärzte, sondern 
hauptsächlich öffentliche Interessen geltend zu machen. Im 
Distriktskrankenhause spielt sich nämlich ein großer Teil der 
öffentlichen Armenpflege ab. Die Gemeinden können dort ihre 
Armen zu einem relativ niedrigen Verpflegungssätze unter- 
bringen, oder solche Beranke, für welche die Ueberweisung in 
spezialistische Behandlung oder besondere Anstalten in Frage 
kommt, z. B. Erüppelhafte, Geisteskranke, Epileptiker, vor der 
Beschlußfassung beobachten lassen. Auch für die Krankenkassen 
stehen die Krankenhäuser zur Verfügung; sie könnten sogar, da 
die häusliche Pflege vielfach eine ungenügende ist und Eranken- 
pffegepersonal nicht in dem notwendigen Maße zur Verfügung 
steht, noch mehr als bisher benutzt werden. Außerdem lassen 
sich die Krankenhäuser in den Dienst der öffentlichen Seuchen¬ 
bekämpfung stellen. Für einzelne Krankheiten ist die Ab¬ 
sonderung schon gesetzlich vorgeschrieben, für andere, so beson¬ 
ders Typhus, dringt auch im Publikum immer mehr die Ansidit 
durch, daß die Behandlung und Isolierung am besten in einmn 
Erankenhause erfolgt, weil diese und eine richtige laufende Des¬ 
infektion in der Privatwohnung auf mancherlei Schwierigkeiten 
stößt. Auch die Krankenkassen können ihre Mitglieder in das 
Krankenhaus einweisen, wenn ihre Krankheit eine ansteckende 
ist. Besteht zwischen dem Bezirksarzte und den Aerzten seines 
Bezirkes ein kollegiales Verhältnis, macht ihnen derselbe in der 



Der tmteirxtUche Dienet b Beyern. 


141 


Privat- and Eassenprazis keine oder nur geringe Konkurrenz, so 
werden sie ihre Kranken seltener answärtigen Krankenhäasem 
oder Kliniken zaschicken, sondern es vorziehen, sie dem näheren 
Distrikskrankenhaase zn überweisen, besonders wenn sie hierbei 
Gelegenheit bekommen, die überwiesenen Kranken mitzubeobachten 
und gegebenen Falles mit zu operieren. Mit dem Distriktskranken¬ 
hanse läßt sich auch das Desinfektionswesen für den Amts¬ 
bezirk in eine zweckmäßige organisatorische Verbindung bringen. 
Ein größerer stabiler Desinfektionsapparat mit gesonderter Zu- 
und Abfuhr sollte nicht nur für den inneren Betrieb dienen, 
sondern auch der Bevölkerung zur Desinfektion der von außer¬ 
halb einzubringenden Gegenstände zugänglich sein. Außerdem 
kann in Verbindung mit dem Distrikskrankenhaase ein fahrbarer 
Desinfektionsapparat vorrätig gehalten und durch den amtlichen 
Desinfektor nach auswärts hinausgenommen werden. Bei den 
vielseitigen amtlichen Berührungen liegt daher der Dienst am 
besten in der Hand des Bezirksarztes. An den großstädtischen 
Krankenhäusern wird er natürlich diesen Dienst nicht mitbesorgen 
können; hier wird die Aufstellung eigener Krankenhansärzte nach 
wie vor notwendig sein. 

Wird nach den vorgenannten Gesichtspunkten der gesamte 
Betrieb der Distriktskrankenhäuser geregelt, so sind diese für 
die Distrikte nicht mehr eine unangenehme finanzielle Last; sie 
können vielmehr die laufenden Betriebsausgaben ganz oder grö߬ 
tenteils aus den Einnahmen decken, und wenn das erreicht wird, 
haben auch die Distrikte mehr Freude und Interesse an ihrem 
Krankenhause. 

Oeffentliche sanitäre Gesichtspunkte liegen auch dem Vor¬ 
schläge zu gründe, den amtlichen Aerzten die Leichenschau, 
an größeren Orten mit Leichenhäusern wenigstens 
die zweite Leichenschau zu übertragen. Die erste Leichen¬ 
schau kann vielleicht der bezirksärztliche Stellvertreter, der 
Bezirksarzt aber meist nicht vornehmen, da sie möglichst bald 
nach dem Tode stattzufinden hat und hier des öfteren eine 
Dienstbehinderung im Wege steht. Für eine zuverlässige Mor- 
talitätsstatistik ist es unbedingt erforderlich, daß das Grund- 
material einwandsfrei ist. Wenn nun der Bezirksarzt fortlaufend 
die Leichenscheine in die Hand bekommt, so kann er sich in 
Zweifelsfällen sofort die nötige Aufklärung besser und sicherer 
verschaffen, als wenn er erst am Schlüsse des Jahres die Leichen¬ 
scheine erhält. In sanitätspolizeilicher Richtung wird er 
auf Mißstände verschiedener Art, z. B. hinsichtlich der Kinder¬ 
ernährung, des Kostkinder Wesens, der Verwahrlosung hilfloser 
Personen und medizinischer Pfaschereien aufmerksam gemacht 
und kann hieraus Anlaß zu weiteren Maßnahmen entnehmen; ist 
in solchen Fällen oder bei Verdacht eines unnatürlichen Todes 
eine gerichtliche Untersuchung notwendig, so kann er diese 
sofort veranlassen und dadurch manche spätere Exhumation 
überfiüssig machen. Auch für die Durchführung der Seuchen- 
polizei ist die üebertragung der zweiten Leichenschau an die 



142 


Dr. Bäcker. 


BezirksArzte von gfroßem Vorteile^ da sie hierbei von jedem dies- 
bezflglichen TodeshtUe, dessen besondere Anzeige TieUmcht ver- 
sftnmt worden war, sofort Kenntnis erhalten nnd in zweifel¬ 
haften Fällen die erforderlichen Feststellongen treffen können. 
Außerdem kontrolliert der Bezirksarzt bei dieser Gelegenheit den 
Dienst der Leichenschaner, was besonders bei Laien not¬ 
wendig ist, nnd der Leichenfrauen; er wird auch regelmäßig 
in die Leichenhäuser gefflhrt und kann dabei den ordnungsmäßigen 
Betrieb derselben nnd der Beerdigungen überwachen; er hat so¬ 
mit, wenigstens an seinem Amtssitze, das ganze Leichen- nnd 
Beerdigunswesen unter seiner dauernden Kontrolle. 

Auch sonstige öffentliche Stellungen sollten tun¬ 
lichst und soweit dies mit dem Hauptamte yereinbar ist, den 
Bezirksärzten bezw. bezirksärztlichen Stellvertretern übertragen 
werden. Jede Dienstleistung, die einen amtlichen Charakter ^t, 
sollte möglichst in der Hand des Amtsarztes vereinigt werden; 
dies erscheint zweckmäßiger als die Schaffung mehrerer kleiner 
Stellen und die damit gegebene Zersplitterung. 

Durch aie vorgeschlagene Zuweisung der amtliehen Neben- 
stellungen läßt sich die Loslösnng der Bezirksärzte von der 
Privatprazis einen ordentlichen Schritt vorwärts nnd dem Ziele 
näher bringen. In den größeren Bezirken, insbesondere in den 
großen unmittelbaren S^ten, wird der Bezirksarzt dann auf 
eine Privattätigkeit vollständig verzichten können; auch in der 
Mehrzahl der kleineren Bezirke wird er wenigstens so gestellt 
sein, daß die Rücksichten auf die Privatprazis ganz zurücktretmi 
können, daß er auf die auswärtige Präzis, vielleicht sogar anch 
auf die kassenärztliche Tätigkeit Verzicht leisten kann nnd dies 
gern tun wird. Je mehr der Bezirksarzt aus dem Konkurrenzkämpfe 
mit den praktischen Aerzten herausgeschält wird und sich auf 
seine amtliche nnd nebenamtliche Tätigkeit beschränken kann, 
um so besser werden seine Beziehungen zu den Aerzten seines 
Bezirkes sein, um so größer wird deren Bereitwilligkeit sein, 
unter seiner Anleitung an den Aufgaben der öffentlidien Gesund¬ 
heitspflege mitzuwirken. 

Vlll. Die sonstigen dienstlichen Verhältnisse der Amtstärzte.*) 

L Verfahren bei der Besetzung der amtsärztlichen Stellen. 

^Bei der Neabesetzong erledigter Pbysikatsstellen kommt es nicht seiten 
Tor, daß Neben&mter, weiche der abgegangene Physikos als Arzt eines 
Krankenhauses, ebes Oefängnbses oder ähnlicher öffentlicher Anstalten be¬ 
kleidete, anf seinen Nachfolger im Amte nicht übergehen, weil dieselben yor 
seber Anstellang bei längerer Däner der Vakanz Privatärzten übertrajgen 
werden. Es bt dies im Interesse der betreffenden Anstalten selbst nicht 
wünschenswert, weil es in der Begel für dieselben b mannichfacher Beziehnng 
vorteilhaft bt, wenn der Erebmedbbalbeamte die Funktionen ab Anstalbaizt 
wahmimmt, aber auch die ökonomische Stellang der neu ernannten Physiker 
wbd dadurch häufig b unerwünschter Webe nachteilig beebfluflt. Letzteres 
geschieht um so mehr, wenn in solchen Fällen auch die Pnvatpraxb des früheren 
Physikos vor dem Ambantrit des neu ernannten anderen Privatärzten anheim- 


*) Der VlII. Abschnitt gelangte wegen vorgerückter 2bit nicht mehr 
zum Vortrage. 


Der amtelrftUdie Dienet In Bayern. 


148 


f&Ut. Es erscheint daher darchans notwendig, dafi die Wieder- 
besetznng erledigter Phjsikatsstellen so sehr als mOgllch 
heschlenigt werde.* 

Diese Sätze bilden nicht etwa eine private Meinnngsänßemng 
Ihres Beferenten, sondern den Inhalt einer preußischen Ministerial* 
verfdgong vom 5. Febrnar 1888. Dieselbe konnte ohne weiteres 
auf die bayerischen Verhältnisse übertragen werden, da auch hier mit 
Becht der Umstand beklagt wird, daß von dem Freiwerden einer 
Bezirks- oder Landgerichtsarztstelle bis za ihrer Besetzung ein 
viel za langer Zeitraum vergeht. Bei der Erledigung von Kreis- 
medizinalratsstellen gibt es diese Vakanzen nicht, da immer so¬ 
fort mit der Erledigung der Nachfolger ernannt wird. Dies ist auch 
in allen anderen Zweigen der Staatsverwaltung der Fall, abgesehen 
von Todesfällen aktiver Beamten. Selbst Begierungspräsidenten 
und sogar Minister, die abgehen, haben in kürzester Zeit ihre 
Nachfolger; warum braucht es da bei den Amtsärzten mehr 
Wochen als sonst Tage? Die langen Vakanzen sind nur der 
Medizinalverwaltung eigentümlich. An der Schwierigkeit, unter 
den Bewerbern die richtige Auswahl zu treffen, kann das wohl 
nicht liegen, sondern lediglich an dem Verfahren. 

Bisher war bei Wiederbesetzung einer amtsärztlichen Stelle 
der Geschäftsgang so, daß zunächst ein Bewerbungstermin aus¬ 
geschrieben wird, der vom Tage der Erledigung an durchschnitt¬ 
lich 3 Wochen beträgt. Bis dahin hat jeder Bewerber sein Ge¬ 
such bei seiner Vorgesetzten Kreisregiemng einzureichen. Nach 
Ablauf des Termins senden die Kreisregierangen die eingegan¬ 
genen Bewerbungen mit den Qualifikationsakten und etwaigen 
Bemerkungen an diejenige Kreisregierung, in deren Bezirk die 
Erledigung eingetreten ist. Letztere veranlaßt ein Zusammen- 
treten des Kreismedizinalanssschusses, der schriftlich seine Vor¬ 
schläge der Begiemng unterbreitet, pflegt dann noch in dem Ver¬ 
waltungssenate kollegiale Beratung und erstattet unter Vorlage 
der sämtlichen Bewerbungsgesuche und der tabellarischen Zu¬ 
sammenstellungen einen gutachtlichen, genau motivierten Bericht 
an das K. Staatsministerium des Innern. Der diesem unter¬ 
geordnete Obermedizinalausschuß sollte nach der K. Verord¬ 
nung vom 24. Juli 1871 bei Besetznng von Stellen des öffent¬ 
lichen Gesundheitsdienstes zwar auch vernommen werden, doch 
ist dies unterblieben, wahrscheinlich um das Verfahren nicht noch 
mehr in die Länge zu ziehen. Bei der Besetzung von Land¬ 
gerichtsarztstellen wird auch noch das Staatsministerium der 
Justiz gehört und dann der Vorsphlag der Allerhöchsten Stelle 
unterbreitet. Auf diese Weise dauert es von der Erledigung bis 
zur Emennung des Amtsnachfolgers durchschnittlich 1 Vs bis 
2 Monate und bis zur Uebernahme des Amtes noch 1 bis 2 Wochen. 
Hier dürfte eine Abhilfe und eine Beschleunigung des Besetzungs- 
Verfahrens als dringend wünschenswert und notwendig zu be¬ 
zeichnen sein. 

So ließe sich eine lange Vakanz in der Begel dann wohl 
vermeiden, wenn ein Amtsarzt wegen zurückgelegten 70. Lebens- 



144 


Dr. Becker. 


Jahres um seine Pensioniemng nachsacht. Es könnte dann die 
Pensionierung erst mit einemp.Zeitponkte in Wirkung treten, bis 
zu welchem der Amtsnachfolger ernannt ist oder ernannt sein 
kann. Bei längerer Erkrankung und dadurch bedingte vor¬ 
zeitiger Dienstunfähigkeit wird dies meist nicht angängig sein. 

In den ttbrigen Gebieten der Staatsverwaltung können die 
Beamtenstellen sofort mit der Erledigung besetzt werden, weil 
eine Bewerbungsfrist nicht ausgeschiieben wird und die Bewer- 
bungsgesuche schon zuvor den Ministerien vorliegen. Jeder Be¬ 
amte weiß, wann ungefähr er wieder an die Tour zur Beförderung 
kommt, und welche Stellen bei nächster Gelegenheit durch 
die reguläre Beförderung des Inhabers frei werden oder in ab¬ 
sehbarer Zeit sich durch Pensionierung erledigen können. Er 
kann sich deshalb im voraus um eine Vorrückungsstelle all¬ 
gemein oder fOr besondere Städte, auch um Versetzung in gleicher 
Stellung an einen anderen Amtssitz bewerben. Die Dienststellung 
und der Gehalt der Staatsbeamten bleiben überall gleich, Neben- 
stellungen kommen für gewöhnlich nicht in Betracht, verschieden 
in den einzelnen Städten sind außer der Größe des Amtes ledig¬ 
lich nur die Kosten der Lebensführung; es sind daher mehr per¬ 
sönliche und familiäre Bücksichten, das Vorhandensein von Mittel¬ 
and Hochschulen, welche der einen oder anderen Stadt einen 
Vorzug geben. 

Für die Amtsärzte liegen die Verhältnisse wesentlich anders. 
Bei ihnen gibt es keine Beamtenkarriöre, ein Aufrücken in eine 
höhere SteUung kommt nur äußerst selten vor, wenn einmal der 
Posten eines &eismedizinalrats frei wird, um den übrigens eine 
Bewerbung nicht stattfindet Die einzige Möglichkeit zur Ver^ 
besserung der Stellung ist die Versetzung aus einem kleineren 
in einen größeren Bezirk, womit sich wenigstens ffir die Bezirks¬ 
ärzte die amtlichen Nebeneinkommen erhöhen. Die Zahl der 
durch Tod oder Pensionierung sich erledigenden Stellen ist mne 
gerbge, durchschnittUch im Jahre etwa 15. Welche auf diese 
Art frei werden, läßt sich meist vorher nicht absehen; wenn 
sich auch jemand nach Erreichung des 70. Lebensjahres oder 
wegen zunehmender Kränklichkeit schon früher mit Pensionie- 
rungsgedanken trägt, so dauert es manchmal doch noch 1—2 
Jahre, bis er sich wirklich dazu entschließt, in den Ruhestand 
zu treten. Noch ungewisser aber ist es, welche Stellen durch 
Versetzung des Inhabers frei werden; es ist dies ungefähr 
die gleiche Z«üil. Ganz besonders aber fällt bei den amtsärzt¬ 
lichen Stellen ins Gewicht, daß sie in ihren Erträgnissen sehr 
nngleichwertig sind, weil die amtlichen Gebühren und Neben¬ 
einkommen in den einzelnen Städten eine sehr verschiedene Höhe 
erreichen und viel darauf ankommt, ob Nebenstellungen, wie als 
Bahnarzt, Krankenhaus- oder Gefängnisarzt dem Amtsärzte über¬ 
tragen sind, ob und in welchem Umfange Gelegenheit zur Privat¬ 
praxis geboten ist. Es sind also nicht die amtsärztlichen Stellen 
an sich, sondern mehr die begleitenden Umstände, weshalb da* 
eine oder andere Posten vorzugsweise angestrebt wird. Sich um 



Der ftmtsintUelie Dienet ln Bajem. 


146 


eine x beliebige Stelle zu bewerben, dazu werden sieh die 
wenigsten entschließen können nnd schon bei der erstmaligen 
Anstellang, noch mehr bei späteren Versetznngen wird sich des¬ 
halb jeder Bewerber vor Einreichang seines G-esnches ftber die 
jeweils einschlägigen Verhältnisse orientieren wollen, anch darftber, 
ob die vorhandenen Nebenstellangen fflr den Amtsnachfolger reser¬ 
viert bleiben oder von dem in Pension gehenden bisherigen Inhaber 
beibehalten oder anderweitig vergeben werden. Ist jemand nnr 
f&r gewisse Stellen oder nar für einzelne Städte Bewerber, so 
wird sein im voraas eingereichtes Gesach onter Umständen jahre¬ 
lang liegen bleiben müssen, bis einmal daraaf zarückgekommen 
werden kann. Aas diesen Gründen wird es sich daher wohl kaom 
amgehen lassen, daß die Bewerbangsgesache immer erst bei Er- 
ledigang der einzelnen Stellen einzareichen sind. 

Wohl aber läßt sich das Verfahren bei der Wiederbesetzong 
erheblich verkürzen. So brauchte ein Bewerbongstermin nicht 
für jeden einzelnen Fall eigens ansgeschrieben zn werden, sondern 
es könnte ein solcher generell, möglichst korz (etwa 10 Tage, 
— vielleicht anch nar 1 Woche — vom Ti^e der Erledigung an 
gerechnet) festgestellt werden. Die Pensionierungen and Ver¬ 
setzungen werden ja immer sofort amtlich publiziert; auch die 
Todesfälle werden durch die Tagespresse, das Ministerialamtsblatt 
und die Münchener medizinische Wochenschrift bekannt. Wenn 
dann in den beiden letzten Blättern neben der Erledignng der 
Tag derselben verzeichnet wäre, so wüßte jeder Bewerber, bis 
za welcher Frist er sein Gesach einzareichen hätte. Der oben 
angegebene Zeitraum erscheint wohl hinreichend, am sich brieflich, 
eventuell auch persönlich an Ort and Stelle über die besonderen 
Verhältnisse zu orientieren. Weiterhin ließe sich das Verfahren 
bei der Besetzung dadurch beschleunigen, daß die Bewerbungen 
nicht mehr bei den Ereisregiemngen, sondern direkt bei dem zu¬ 
ständigen Ministeriam eingereicht werden und daß die gntachtliche 
Anhörung der Ereismedizinalausschttsse und der Ereisregierungen 
unterbleibt. Die Abschriften der Qaaliflkationstabellen liegen ja 
immer beim Ministerium, sodaß dieses nach Ablauf der Bewerbungs- 
fiist alsbald an die Auswahl der Bewerber herantreten könnte. 
Durch die Anhörung verschiedener Instanzen wird eine Gleich- 
heitlichkeit der Vorschläge nicht erzielt; es kommt nicht selten 
vor, daß die der Ereismedizinalausschüsse sich nicht mit denen 
der Regierung decken und die der letzteren nicht ausschlag¬ 
gebend für das Ministeriam sind, dem doch immer die endgültige 
Entscheidung zusteht. Die Einvernahme der Ereisstellen erhöht 
auch nicht die Gewähr für die richtige Auswahl der Bewerber, 
da die Vorschläge nicht von denjenigen Regierungen kommen, die 
den Bewerbern vorgesetzt sind, sondern von denjenigen, in deren 
Bezirk die Stelle zu besetzen ist; letztere kennt die Bewerber 
aus anderen Re^ernngsbezirken meist nicht persönlich nnd ist 
bei Beurteilung ihrer Tüchtigkeit auch nur auf die Qaalifikations- 
tabellen angewiesen. Daß bei der Ernennung von Staatsbeamten 
die Mittelstellen gutachtliche Vorschläge zu machen haben, kommt 

10 



146 


Dr. Beoker. 


in Bayern lediglich bei der Medizinalverwaltong vor; es werden 
weder bei der Verwaltung die Ereisregierongeny noch bei dw 
Justiz die Präsidien der Landgerichte oder Oberlandesgerichte 
vorher gehört. Die der Allerhöchsten Stelle zn unterbreitenden 
Anträge gehen nnmittelbar und allein von den Ministerien ans. 

Durch den Torgeschlagenen Modus des BesetznngsTerfahrens 
ließe sich eine Zeitersparnis von mehreren Wochen gewinnen, die 
sowohl im Interesse des Amtes, als auch in dem des Amtsnach¬ 
folgers liegt. Sofern Überhaupt ein Vorschlagsrecht einer ärzt¬ 
lichen Kommission beibehalten werden sollte, könnte ein engerer 
Ausschuß des Obermedizinalansschusses damit betraut w^en. 
Ein Gewicht möchte dem aber nicht beigelegt werden, da es 
immer mißlich ist, Angelegenheiten pei'söiüicher Natur in einer 
Kommisionsberatnng, eventuell gar durch Abstimmung zu erledigen, 
und da ifir die Entscheidung des Herrn Ministers die Beratung 
durch seinen Personalreferenten doch von wesentlicher größerer 
Bedeutung sein und den Ansschlag geben wird. 

Was nun die Auswahl der Bewerber fftr die amtsärztlidien 
Stellen anlangt, so kommen hierfOr nach gepflogenem Usus und 
nach den wiederholten Erklärungen des Herrn Staatsministers 
des Innern in Betracht die Anziennität und die Qualiflkation. 
Die Anziennität berechnet sich bei den Aerzten vom Jahre 
des Bestehens der ärztlichen Staatsprflfong an, bei den Amts¬ 
ärzten nach dem Dienstalter. In der Praxis wurde das Haupt¬ 
gewicht zumeist auf die Anziennität gelegt. Es werden bei den 
Ereisregiernngen 2 tabellarische Verzeichnisse angefertigt, die 
eine fftr die amtlichen Aerzte nach dem Dienstalter, die andere 
fftr die praktischen Aerzte nach dem Eonkursjahre. In Vorschlag 
gebracht wurden in der Regel die 3 ältesten. Wenn mandunid 
auch einzelne Ereismedizinalausschftsse oder Ereisregiernngen 
sich nicht an diese Norm hielten, so wurde später beim Ministe¬ 
rium eine Korrektur herbeigeffthrt. üm bei den Vorschlägen nur 
die Aeltesten herausznsuchen, dazu bedarf es wahrlich nicht 
eines so großen Apparates. Es wird auch kaum die Intention 
bei der Organisation der Ereismedizinalausschftsse gewesen sein, 
daß sie streng nach der Anziennität ihre Vorschläge machen 
— dazu wäre ihre Einvernahme wirklich ftberflftssig —, sondern 
daß sie mitbehilflich sind, an jede Stelle den richtigen Mann 
zu bringen. Es liegt ja im Interesse der Staatsregiernng, bei 
den Beamten einen Amtseifer, einen Ehrgeiz wachznrnfen, damit 
sie ihre volle Arbeitskraft dem Dienste widmen und sich durch 
gute Leistungen ansznzeichnen suchen. In die besseren Stellungen 
sollte man nicht einfach hineinaltern dürfen, sie sollten vielmehr 
nur durch Verdienste erworben werden. Diejenigen Beamten, 
die mit Pflichteifer und Gewissenhaftigkeit ihren Dienstesobliegen¬ 
heiten nachkommen, sollten mit Wahrscheinlichkeit darauf rechnen 
können, daß ihnen höhere und bessere Stellungen offen stehen. 
Das ist ein allgemeines Prinzip der ganzen Staatsverwaltung und 
dürfte daher auch in gleicher Weise bei den amtsärztlichen 
Stellen zur Anwendung kommen. 



Der unts&rztlleke Dienet in Beyern. 


147 


Es ist deshalb Torgeschlagen, es möge bei der Auswahl der 
Bewerber das Hauptgewicht nicht auf die Anziennität, sondern 
auf die besondere Befähigung zu dem erstrebten Amte 
gelegt werden. Schon die Ministerialentschließung vom 7. Mai 
1866 schrieb vor, daß ,in den Vorlageberichten der Ereisregie* 
rangen die einzelnen Vorschl^e genau zu motiTieren seien und 
insbesondere hervorzuheben sei, ob der in Vorschlag Gebrachte, 
abgesehen von seiner persönlichen Würdigkeit, auch die zur Be¬ 
kleidung der in Frage stehenden Stelle erforderlichen besonderen 
Eigenschaften besitzt; das Vorhandensein dieser besonderen Fähig¬ 
keiten sei namentlich auch bei Bewerbern um erledigte Bezirks¬ 
gerichts-, jetzt Landgerichtsarztstellen sorgfältig in Erwägung 
zu ziehen und eingehend zu erörtern.“ Nach einer weiteren Mini- 
sterialentschließang vom 8. Januar 1867 sollen „die Wiederbeset- 
znngsanträge sich nicht auf den nominellen Vorschlag beschränken, 
sondern denselben mit genauer Würdigung der Befähigung, 
Leistungen und persönlichen Verhältnisse motivieren und hierbei 
namentlich die an einen amtlichen Arzt zu stellenden Anforderungen 
in der gerichtlich-medizinischen und polizeilichen Sphäre ins 
Auge fassen. Bei aller billigen Rücksicht auf die An¬ 
ziennität des Bewerbers muß die unzweifelhafte 
Tüchtigkeit immer als erstes Erfordernis voran¬ 
gestellt werden.“ Unser Antrag bittet daher nur um die Bei¬ 
behaltung dieses früheren Grundsatzes und wünscht, daß nicht 
der Aelteste, sondern der Tüchtigste bevorzugt werde. Welcher 
Bewerber als solcher in Betracht zu kommen hat, welcher für 
das zu besetzende Amt — jedes stellt ja seine besonderen Anfor¬ 
derungen — die besten Qualitäten in sich vereinigt, das muß 
natürlich immer dem Miuisterium zur Beurteilung a^eimgegeben 
bleiben. 

Die Anziennität soll nach unserem Vorschläge nicht ganz 
außer Berücksichtigung bleiben, sondern soweit gewürdigt werden, 
als es recht und billig erscheint. Dagegen wird nichts einzu¬ 
wenden sein, daß bei gleicher Qualifikation der ältere den Vor¬ 
zug verdient; das höhere Dienstalter kann nur bei gleichen 
Fähigkeiten, gleicher Geschäftskenntnis und Vertrauenswürdigkeit 
eine ^ßere Rücksicht verdienen. Dabei wäre nur zu beachten, 
daß die Noten ln den Qualifikationstabellen für sich allein noch 
kein richtiges Bild über die ganze Persönlichkeit des Bewerbers 
bieten, selbst wenn für die Zensur in allen 8 Regierungsbezirken 
der gleiche Maßstab angelegt würde. Soweit Amtsärzte in Frage 
kommen, möge also nicht so sehr die Zahl der Dienstjahre in 
Betracht gezogen werden, da ein höheres Dienstalter nicht 
immer auch eine bessere Befähigung in sich schließt, als die 
Bedeutung der bisherigen Stellung, die Art und der Umfang 
der Dienstleistung und die dargelegte Tüchtigkeit und Ge- 
schäftsgewandheit. Die in nicht pragmatischer Stellung zuge¬ 
brachte Dienstzeit der bezirksärztlichen Stellvertreter und Phy- 
sikatsassistenten, zumal in größeren Amtsbezirken, dürfte in 
ähnlicher Weise bei der Anstellung zu berücksichtigen sein. Wer 

10* 



148 


Br. Becker. 


jahrelMig einen solchen Posten getrenlich ansgefttllt hat, dm 
sollte eine gewisse yorzngsweise Anwartschaft anf die Anstellung 
in Aussicht gestellt werden. Aach bei den nichtamtlichen Aerzten 
sollte nicht aasschließlich nach dem Eonknrsalter vorgegangen, 
sondern auch darauf geachtet werden, ob jemand schon in 
öffentlichen Stellung tätig war und mit welchem Erfolge. Wer 
z. B. nur als Spezialarzt tätig war und kein Interesse ffir das 
öffentliche Gesundheitswesen sich angelegen sein ließ, wird nicht 
beanspruchen können, auf dieselbe Stufe mit einem gleichaltrigen 
Bewerber gestellt zu werden, der bereits in einer öffentlichen 
Stellung eine gewisse Befähigung an den Tag gelegt hat. 

2. Diensteinweisnng und Verpflichtung der Landgetichta- 
nnd Bezirksärzte. Die Diensteinföhrung der Bezirksärzte erfolgte 
noch vor einigen Jahrzehnten mit einer gewissen Feierlichkeit, 
zu der an die Beamten, Gemeindebehörden and Medizinalpersonmi 
des Bezirkes Einladungen ergingen. In der Gegenwart legt 
auf derartige Aeußerlichkeiten keinen so hohen Wert mehr, man 
brancht die Zeit zu Besserem nnd Wichtigerem. Es kann daher 
recht wohl bei dem einfachen Verfahren bleiben, wie es die 
Ministerialentschließung vom 17. Januar 1881, die Diensteinweisnng 
und Verpflichtung der amtlichen Aerzte betr., vorsieht. Nur in 
einem Punkte erscheint ein Abänderungsvorschlag berechtigt, 
nämlich darüber, welche Behörde die Verpflichtung der Amts* 
ärzte vornehmen soU. Bislang erfolgte die Verpflichtung dtf 
Landgerichtsärzte und deijenigen Bezirksärzte, welche für die 
ärztlichen Dienstleistungen bei einem unmittelbarem Stadtma- 
gistrate besonders aufgestellt sind, durch ein vom Begiemngu- 
präsidenten hierzu bestimmtes Mitglied der Kammer des Innern 
der Ereisregierung am Sitze der letzteren, die aller übrigen 
Bezirksärzte durch das einschlägige Bezirksamt. Die Verpflichtung 
soll möglichst gleichzeitig mit der Diensteinweisung erfolgen, zu 
welcher die Ereismedizinalräte abgeordnet werden; durch diese 
erfolgt auch die Ausantwortung der von den hierzu bestimmten 
Verwaltungsbehörden übernommenen Begistratnr und des Amts¬ 
inventars (Eztradition) an die neuemannten Amtsärzte. 

Es ist nun von mehreren Seiten der Wunsch geäußert worden, 
daß die Verpflichtung der Bezirksärzte mit der Diensteinweisung 
allgemein durch die Kreismedizinalräte, anstatt durch die Bezirln- 
ämter vorgenommen werden möge. Dem Eoordinationsverhältnimie 
zwischen Bezirksamtmann und Bezirksarzt erscheint es nicht 
entsprechend, wenn die Verpflichtung durch das Bezirksamt er¬ 
folgt. Es könnte dies nach außen hin den Eindruck erweckmi, 
als sei der Bezirksamtmann dem Bezirksarzte übergeordnet. 
Bichtiger erfolgt daher die Verpflichtung durch eine höhere Be¬ 
hörde und zwar durch den Ereismedizinalrat als den Sach- 
referenten und Vertreter der Ereisregierung. Das Verfahren 
wird dadurch nicht im geringsten komplizie^r, da der Ereis¬ 
medizinalrat ohnedies zur Diensteinweisung jedesmal abgeordnet 
wird. 

Sofern dem oben besprochenen Anträge auf Ueberführnng 



Der amtelntliche Dienet in Beyern. 


149 


der Landgerichteflrzte in den Jnstizetat entsprochen wird, erg^äbe 
sich dftmit von selbst als weitere Konsequenz, daß die üeber* 
nähme nnd Ansantwortong der Registratur und des Amtsinyentars, 
sowie die Verpflichtung der Landgerichtsflrzte durch die Land- 
gerichtspräsidenten erfolgen. 

3. Rang, Uniform und Auszeichnung der AmtsSrzte. Hierzu 
enthalten die Leitsätze keinen Antrag, die beiden ersten Punkte 
geben auch nicht zu Bemerkungen Anlaß. 

Was die Auszeichnungen der Amtsärzte anlangt, so spielt 
bei der Verleihung des Titels „Medizinalrat“ das Alter eine ähn¬ 
liche Rolle wie bei der ersten Anstellung; meist erfolgt sie um 
die sechziger Jahrer herum, durchschnittlich etwa 15 Jahre nach 
der pragmatischen Anstellung. Ein höherer Titel wird dann 
nicht mehr verliehen, nur einmal wurde ein hervorragend tflchtiger 
Besirksarzt bei seiner Pensionierung mit dem Titel eines Ober¬ 
medizinalrats bedacht. Kommen bayerische Medizinalbeamten bei 
Versammlungen oder Kongressen mit Kollegen ans anderen deut¬ 
schen Bundesstaaten zusammen, so mag es mancher ältere Herr 
unangenehm empflnden, daß man bei uns viel kärglicher die 
Titel verleiht als anderwärts, wo schon jüngere Herren eine Aus¬ 
zeichnung erfohren. In Preußen, wo auch schon die erstmaligen 
Anstellungen in einem jüngeren Lebensalter erfolgen, können die 
Kreisärzte mit einem mindestens 12 jährigen Dienstalter zur Ver¬ 
leihung des Charakters „Medizinalrat“ und nach einem weiteren 
Dienstalter von in der ^gel 10 Jahren zur Verleihung des Cha¬ 
rakters als „Geheimer Medizinalrat“ vorgeschlagen werden. 
Würde die bayerische Regierung in der Verleihung von Titeln 
etwas splendider sein, diese schon in einem früheren Lebens¬ 
alter ansteilen und bei ganz besonderen Verdiensten einzelnen 
Medizinalräten noch einen höheren Titel nnd Rang verleihen, so 
würde sie den dadurch Ausgezeichneten nicht nur persönlich eine 
Freude nnd eine Anerkennung ihres Amtseifers verschaffen, sie 
würde damit zugleich die Stellung der Medizinalbeamten nach 
außen hin mehr heben und ihnen mehr Ansehen nnd Einfluß ver¬ 
schaffen; hilft doch ein Titel, wie schon Göthe sagte, über manche 
Schwierigkeiten leichter hinweg. Ein Antrag in dieser Richtung 
soll jedoch nicht gestellt werden, da ein nur durch die Zahl der 
Dienstjahre ersessener Titel den Charakter einer Auszeichnung 
verliert und jede Auszeichnung, möge sie in Titeln oder Orden 
bestehen, nur durch Verdienste erworben werden soll. 

4. Qualifikation der Amtsärzte. An dem bisherigen Quali- 
flkationsverfahren, das sich für alle Staatsbeamten im Geschäfts¬ 
bereiche des Staatsministeriums des Innern nach der Ministerial¬ 
entschließung vom 28. Juli 1901 bemißt, dürfte wohl nichts zu 
ändern sein. Auch bezüglich der Qualifikation der Medizinal¬ 
beamten durch die Kreismedizinalausschüsse soll eine Aendemng 
nicht vorgeschlagen werden, wenn es auch mitunter seinen Hacken 
hat, daß in dieser Köperschaft ein Amtsarzt von seinen engeren 
Kollegen mitqualiflziert wird, die zudem seine Konkurrenten um 
die höheren Stellen sind. 



150 


Dr. Beeker. 


Bei den Landgerichteärzten 'wfirde mit ihrer Ueberffthrnng 
in den Jnetizetat ihre Qualifikation durch die EreiemedizinalanB- 
echfleee und die EreisregieniDgen entfallen and in erster Instanz 
von den Landgerichtspräsidenten, endgültig im JastizmiDisteriom 
nach gutachtlicher Aenßerang des ihm zngeteilten Medizinal* 
referenten festgestellt werden. Von dem bisherigen Verfahren 
sollte — möge nnn die Ueberfflhrong künftig erfolgen oder 
nicht — jedenfalls die BestimmuDg in Wegfall kommen, daß die 
gutachtliche Aeußerung der Landgerichtspräsidenten über die 
Qualifikation der Landgerichtsärzte die Einvernahme der 1. Staats¬ 
anwälte und der Untersuchungsrichter zur Voraussetzung haben 
soll. Gegen die Mitwirkung der Vorsitzenden der Strafkammern, 
die ja einen höheren Bang als die Landgerichtsärzte einnehmen, 
ließe sich eigentlich nichts einwenden, wohl aber gegen die Ein* 
vernähme der Staatsanwälte und Untersuchungsrichter. Es soUte 
nicht Vorkommen, daß im Bange gleichstehende Beamte — die 
Verschiedenheit des Lebensalters kommt auch noch hinzu — ein 
Urteil über die Qualifikation der Landgerichtsärzte abgeben. 
Sonst könnte man mit dem gleichen Bechte beanspruchen, daß 
umgekehrt die Landgerichtsärzte bei der Qualifikation der 
I. Staatsanwälte und der Untersuchungsricher einvemommen 
werden. So gut diese „vermöge ihres dienstlichen Wirkungs¬ 
kreises vorzugsweise in der Lage sind, sich über die Tätigkeit 
und Tüchtigkeit der Landgerichtsärzte ein Urteil zu bilden* 
(Ministerialentschließung vom 23. Mai 1888, die Qualifikation der 
Landgerichtsärzte betr.), ebenso dürfte man umgekehrt den Land- 
gerichtsärzten ein Urteil über die Staatsanwälte und Unter* 
sachnngsrichter wohl auch Zutrauen. 

ö. Begieaversnm, AmtsunkostenentschSdigung und Schreib* 
gebühren. Das Begieaversnm der Landgerichtsärzte und 
Bezirksärzte betritt gegenwärtig 70 M. im Ja^e. Dafür haben 
sie die vorgeschriebenen Amtsblätter und die Münchener medi¬ 
zinische Wochenschrift zu halten, die Kosten der Begistratur zu 
bestreiten und das erforderliche Instrumentarium bereit zu halten. 
Unentgeltlich erhalten sie nur das Ereisamtsblatt und die Amts¬ 
blätter der Bezirksämter bezw. unmittelbaren Städte; abonnieren 
müssen sie das Beichsgesetzblatt, das Gesetz- und Verordnungs¬ 
blatt, das Amtsblatt des Staatsministeriums des Innern und die 
Münchener medizinische Wochenschrift. Zur Anschaffung sind 
außerdem empfohlen die Mitteilungen des Beichs* und Landee- 
versichernngsamtes, das Zentralblatt für das Deutsche Beich, die 
Veröffentlichungen des Eaiserl. Gesundheitsamtes und Friedreichs 
Blätter. Um sich stets auf der Höhe der Wissenschaft zu halten, 
bedürfen die Amtsärzte einer gut ausgestatteten Bibliothek, nament¬ 
lich der neuesten Auflagen der Handbücher über gerichtliche Me¬ 
dizin, Hygiene und MedLzinalgesetzgebung und mehrerer Fachzeit¬ 
schriften, BO der Zeitschrift für Medizinalbeamte, der Vierteljahra- 
schrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätewesen, 
der Blätter für Schnlgesundheitspfiege und anderer mehr, wie sie 
die Dienststellung erfordert. Das Begieaversum genü^ daher 
bei weitem nicht und dürfte auf 160 M. erhöht we^en. 



Der emtebstiiehe Dienet in Beyern. 


161 


Nach Bedarf mOgfen daneben außerordentliche Beihilfen ge- 
währt werden, so nm die Amtsbibliothek ordentlich aasstatten zn 
können, ein Mikroskop and ein vollständiges Instramentarinm 
anznschaffen. 

Den Strafanstaltsärzten, die bisher kein Begieayersnm be* 
zogen, dürfte künftig ein solches anch bewilligt werden, da sie 
einzelne Amtsblätter and Fachzeitschriften für ihren Dienst be¬ 
nötigen. 

Durch die frühere Vorschrift, daß alle Amtsblätter alljährlich 
eingebunden und in der Registratur aufbewahrt werden sollen, 
schwoll die Bibliothek außerordentlich an, so daß sie nur schwer 
unterzubringen war. Die Ministerialentschließang vom 8. Mai 
1903, Amtsblätter der Amtsärzte betr., brachte eine erhebliche 
Erleichterung, indem sie gestattete, alle Nummern der Amts¬ 
blätter, welche für den amtsärztlichen Dienst ohne Bedeutung und 
entbehrlich sind, abzusondem, vorläufig unter leichter. Decke auf- 
zubewahren und später auszuscheiden und abzugeben, und je 
nach Anfall nur das, was für den Dienst von Interesse ist, mit 
Titelblatt und Inhaltsverzeichnissen in Einband zu legen. Immer¬ 
hin ist auch dies noch etwas umständlich und vor allem nicht 
übersichtlich, da die für die amtsärztliche Tätigkeit einschlägigen 
Bestimmungen sieh in den verschiedenen Amtsblättern zerstreut 
finden. Die Leitsätze bringen daher den Vorschlag, es möge die 
Schaffung eines eigenen Medizinalamtsblattes, ähnlich dem 
preußischen „Ministerialblatte für Medizinal- und medizinisdie 
Unterrichtsangelegenheiten** veranlaßt werden. Dasselbe bringt 
zu dem billigen Abonnement von 6 M. alle einschlägigen reichs- 
und landesgesetzlichen Vorschriften, fortlaufend die Personalien 
und erledigten Amtsstellen, Nachrichten über den Stand der 
gemeingefährlichen Krankheiten, statistische Nachweisungen über 
Infektionskrankheiten, Todesursachen und Schulerhebungen, es 
veröffentlicht auch die Ergebnisse der Schutzpockenimpfiing, die 
Rechtsprechung des ärztUchen Ehrengerichtshofes und sonstige 
^chtige oberstinstanzliche Urteile. Damit hat der Amtsarzt in 
einem Bande gedrängt und übersichtlich alles beisammen, was er 
für seinen Dienst benötigt, und kann sich rasch und mühelos zu¬ 
recht finden. Die Zeitschrift für Medizinalbeamte bringt ja in 
einer besonderen Beilage auch die gesetzlichen Vorschriften fast 
aus allen deutschen Bundesstaaten, alle detaillierten bayerischen 
Bestimmungen sind darin nicht enthalten und können wohl auch 
nicht gebracht werden; ferner veröffentlicht die Münchener medi¬ 
zinische Wochenschrift gleichfalls mehrfach Gesetze, Verord¬ 
nungen usw., meist jedoch nur solche, welchen ein allgemeineres 
Interesse für die Aerzteschaft zukommt. Wenn in diesen Zeit¬ 
schriften auch auf Vollständigkeit in dieser Richtung Bedacht 
genommen würde, so fehlte doch die Handlichkeit und Bequemlich¬ 
keit. Das bayerische Medizinalamtsblatt würde am besten von 
dem Staatsministerium des Ihnem heraasgegeben und sämtlichen 
Landgerichts- und Bezirksärzten, auch den Gefängnisärzten und 
bezirksärztlichen Stellvertretenr entweder unentgdtlich oder zu- 



168 


Dr. Becker. 


folge Pflichtabonnements ans dem Begieavenom zngestellt werden. 
Daeeelbe würde das Halten der mehrfachen sonstigen Amtsblätter 
entbehrlich machen nnd könnte eine große Verbreitung finden, 
indem anch die Verwaltnngsbehörden nnd die Aspiranten für den 
ärztlichen Staatsdienst anf dasselbe abonnieren würden. 

Durch das Medizinalamtsblatt könnten die autographierten 
Entschließungen ein zweckmäßige Beschränkung erfahren und, 
soweit sie Bestimmungen wichtigerer und allgemeiner Natur ent¬ 
halten, in demselben zum Abdruck gelangen. Werden sie nicht 
richtig in die Akten eingeordnet, so sind sie, namentlich für den 
Amtsnachfolger, schwer auffindbar; zuweilen macht sich anch das 
unangenehm fühlbar, daß ein Abdruck nur den Distriktsverwal- 
tungen zngeht nnd ^e Amtsärzte, denen sie zur Kenntnisnahme 
von diesen zngeleitet werden, sich selbst eine Abschrift machen 
müssen, wenn sie ihre Gesetzsammlung vollständig beisammen 
haben wollen. 

Für die Bereitstellung der Bnreanräume nnd die ünteiv 
haltung nnd Ergänzung der Registratur erhielten bisher die 
Bezirks- und Landgerichtsärzte keine Entschädigung. Je mehr 
sie aus der Privatpraxis herauskommen nnd die Bureanräume 
ausschließlich für ihren Dienst gebrauchen, möchte dies nicht mehr 
als billig erscheinen. Am besten wäre es jedenfalls, wenn sie in 
den Verwaltungs- bezw. Gerichtsgebäuden die erforderlichen 
Amtslokalitäten zur Verfügung gestellt bekämen; sie wäroi 
hierdurch den Behörden, mit denen sie arbeiten, enger angegliedert, 
ständen mit ihnen in inniger Fühlung, könnten durch gemeinsame 
Besprechung manche Dienstgeschäfte rascher und leichter er¬ 
ledigen und hätten den amtlichen Verkehr mit dem Publikum 
nicht in ihrer Privatwohnung. Wo sich die Bereitstellung eines 
Amtszimmers nicht ermöglichen läßt, sollte den Bezirks- nnd 
Landgerichtsärzten eine Amtsnnkostenentschädignng in 
entsprechender Höhe bewilligt werden. Diese ließe sich nicht 
allgemein bestimmen, sondern hätte sich nach den jeweiligen 
Verhältnissen, insbesondere nach den örtlichen Wohnungspreisen, 
der Zahl nnd Größe der benötigten Räume zu bemessen. Bei den 
preußischen Kreisärzten beträgt die Amtsnnkostenentschädignng 
zwischen 200 und 750 M. Auch für Bayern ließe sieh auf ein 
Analogon hinweisen, indem die Oberlandesgerichtsräte, die kein 
eigenes Bureau haben, eine Entschädigung von 200 M. bekommen. 
Bei den Amtsärzten dürfte durchschnittlich ein höherer Betrag 
in Ansatz kommen, da sie ihre amtlichen Arbeiten nicht in ihrem 
Wohnzimmer erledigen können, sondern eines Sprech- nnd Warte¬ 
zimmers bedürfen, häufig noch eines weiteren Raumes zur Unter- 
bringung der Registratur. 

In der Gebührenordnung für ärztliche Dienstleistungen bei 
Behörden findet sich leider keine Bestimmung über die Gewährung 
von Sehreibgebühren. Dies wird nicht nur von den Amts¬ 
ärzten, sondern auch von den gerichtlichen Sachverständigen, die 
häufig größere schriftliche Gutachten zu erstatten haben, mißlich 
empfwden. Zur Bewältigung der mechanischen Schreibarbeit 



Oer amteSntUehe Oieast ia Bayern. 


158 


mftssen die Amtsärzte emen großen Teil ihrer Zeit opfern, die 
sie viel besser für ihre Amtsgeschäfte nnd ihre Fortbildung ver> 
wenden können. Um nicht Konzept nnd Reinschrift der vielen 
umfangreichen Berichte nnd Gutachten immer selbst niederschreiben 
zu mflssen, kOnnen manche der Mithilfe der Fran oder der er> 
wachsenen Kinder nicht entbehren; für die Familie einzelner 
Bezirksärzte bedeutet es eine Erlösung, wenn der große Jahres* 
bericht glücklich draußen ist. Die Amtsärzte mit Physikats- 
asslstenten können diese noch mitheranziehen, andere halten sich 
eine regelmäßige Schreibhilfe auf eigene Kosten. Es erscheint 
daher der Antrag berechtigt, daß bei größeren Berichten und 
Gutachten Schreibgebfihren bewilligt oder die Baranslagen für 
eine Schreibhilfe ersetzt werden mögen. Es möchte dabei darauf 
hingewiesen werden, daß in Preußen und einzelnen anderen Bundes* 
Staaten für die Reinschriften von Berichten nnd Gutachten Schreib* 
gebühren nach bestimmten Sätzen gewährt werden. 

Bei einzelnen besonders großen landgerichts* nnd bezirks* 
ärztlichen Stellen, wo tagtäglich eine Masse von schriftlichen 
Arbeiten zu erledigen ist, möge eine ständige Schreibhilfe gestallt 
oder deren Haltung durch Zuschüsse bezw. Erhöhung der Amts* 
nnkostenentschädigung ermöglicht werden. So könnten z. B. die 
drei Bezirksärzte bei der Polizeidirektion München oder die beiden 
Landgerichtsärzte bei dem Landgerichte München I eine ständige 
Schreibhilfe im Turnus gut beschäftigen. Es wäre eine außer* 
ordentliche Erleichterung nnd Zeitersparnis, wenn größere Berichte 
nnd Gutachten nach Diktat stenographisch aui^genommen nnd mit 
der Schreibmaschine reingeschrieben würden, wobei gleichzeitig 
ein Durchschlag für den eigenen Gebrauch hergestellt würde. 
Wo anders könnte von der betreffenden Gerichts- oder Verwal* 
tnngsbehörde eine Schreibhilfe, so oft sie benötigt wird, abgestellt 
werden, so daß hierdurch besondere Kosten nicht entstehmi 
würden. 

6. Auslagen für BefSrdemngsmitteL Der Ersatz der Reise* 
kosten für amtsärztliche Dienstleistungen bemißt sich nach der 
K. A. Verordnung vom 11. Februar 1875, die Aufrechnung der 
Tagegegelder und Reisekosten bei auswärtigen Dienstgeschäften 
der Beamten und Bediensteten des Zivilstaatsdienstes betr., und 
der Ministerialbekanntmachung vom 2. März gleichen Betreffs. 
Danach dürfen Reisekosten nur dann aufgerechnet werden, 
wenn der Ort der Geschäftsvomahme außerhalb des Amtssitzes 
gelegen nnd die Entfernung beider Orte unter sich wenigstens 
3 Kilometer beträgt. Die Amtsärzte in Großstädten, bei 
denen Stadt- und Amtsbezirk zusammenfallen, erhalten demnach 
ihre Reisekosten nicht ersetzt. Der früher ausnahmsweise z. B. 
in München nsw. gewährte Bezug von halben Tagegeldern für 
Dienstgeschäfte außerhalb des Amtsgebäudes im Orte des Amts* 
Sitzes findet jetzt nicht mehr statt. Nach der eben genannten 
Ministerialbekanntmachung können allerdings bei Dienstgeschäften, 
welche in größeren Städten außerhalb des Amtsgebäudes vor* 
genommen werden, Vergütungen für Benutzung von Droeehken, 



164 


Dr. BmInt. 


sei es doreh Ersatz der Baraaslagen oder mittds Aversen, doreh 
das znständige Staatsministerinm im Benehmen mit dem der 
Finanzen gewährt werden and es bleiben die desfallsigen bis¬ 
herigen Bewilligangen anfrecht erhalten. Fflr die Medizinal¬ 
beamten sind solche bisher nicht ergangen. Die Zahl der aoßer- 
halb des Amtsgebändes vorzanehmenden Amtsgeschäfte ist aber 
keine kleine. Der Landgerichtsarzt hat Untersnchongen in der 
Wohnung der betreffenden Leute vorzunehmen bei fraglicher Ver- 
handlnngsiäbigkeit, anläßlich Begnadignngs- and Strafaafrchubs- 
gesuchen, bei Verletznogen und zwecks Beobachtung des Gtoistes- 
zostandes, wo es oft sehr wichtig ist, unangemeldet zu kommen; 
außerdem hat er auf den oft weit entfernten Friedhöfen die gericht¬ 
lichen Sektionen vorzunehmen. Der Bezirksarzt hat noch häufiger in 
dem Stadtbezirke zu tun durch die Besichtigung von Bauten, Schalen, 
Fabriken, gewerblichen und sanitären Anlagen, sowie anläßlich 
der Pensionierung von Beamten. Bei den mitunter sehr weitmi 
Entfernungen, die sich durch Einverleibung von Vororten immer 
noch vergrößern, genflgt die Gewährung einer Straßenbahnfrei¬ 
karte dem Bedfirl^ nicht; es wird sich der Amtsarzt einer 
Droschke namentlich dann bedienen mfissen, wenn in den be¬ 
treffenden Stadtteil keine Straßenbahn hinausfflhrt oder die Be¬ 
nutzung derselben mit einem zu großen Zeitverluste verbanden 
wäre. Die Zumutung, die gehabten Auslagen ans der eigenen 
Tasche zu bestreiten, dttrfte doch nicht ^ billig erscheinmi. 
Hinsichtlich des Bttckersatzes derselben beobachten die B^iemngs- 
Finanzkammem ein verschiedenartiges und ungleichmäßiges Ver¬ 
halten; in dem einen Bezirke wird die Aufrechnung einer 
Droschke nicht beanstandet, wenn sie nur nicht als Reisekosten, 
sondern unter den „besonderen Auslagen* vorgetragen und der 
Vermerk beigeffigt wird, daß wegen der DringUcbkeit des Amts- 
geschäites die Benutzung einer Droschke unbedingt notwendig 
war. In einem andern Bezirke erfolgt nie eine Beanstandung, 
außer wenn einmal der revidierende Beamte der Finanzkammer 
wechselt; es bedarf dann nur eines Bmichtes, daß ohne Benutzung 
von Droschken der umfangreiche Dienst nicht erledigt werden 
kann, und es ist wieder fftr eine Zeit lang Buhe. Wo man sich 
jedoch streng an dmi Wortlaut der Verordnung hält, wird die 
Aufrechnung fttr Droschken oder Sti*asenbahnen regelmäßig ge¬ 
strichen. Ein solcher Zustand ist nicht haltbar und zu seiner 
Beseitigung enthalten die Leitsätze den Antrag, es mögen den 
Landgerichts- und Bezirksärzten in Großstädten die notwendigen 
Auslagen fttr Beförderungsmittel ans der Staatskasse ersetzt <rier 
Jahresaversen in entsprechender Höhe bewilligt werden. Dies 
dttrfte um so mehr als gerechtfertigt erscheinen, als in diesen 
Fällen Tagegelder nicht verrechnet werden können. Die Fest¬ 
setzung der Jahresaversen könnte nach dem Durchschnitte der 
Fuhrwerksauslagen in den letztvorangegangenen Jahren erfolgen. 
Wie das Wort „notwendigen* besagt, kann bei dem Ersatz der 
einzelnen Auslagen eine weise Sparsamkeit verlangt werden, so, 
wenn angängig, Benutzung der Straßenbahn oder tunlichste Vor- 



Oer amtsSntliohe Dienst in Bayern. 


165 


einigungr mehrerer Dieostgeechäfte bei der gleiehen Fahrt, auch 
Nichtwartenlaesmi des Fuhrwerkes, wenn das Dienstgesehäit yor- 
aussichtlich längere Zeit beansprucht. 

Um nun auf die diesbezttglichen Verhältnisse der Medizinal¬ 
beamten in Landbezirken zu sprechen zu kommen, so wurde 
bereits oben der Antrag gestellt, daß ffir die Vornahme der 
periodischen Medizinalyisitationen der Gemeinden und die Ab- 
haltong der auswärtigen Amtstage Tagegelder und Ersatz der 
Beisekosten gewährt werden mögen, sofern hierfür nicht ein 
jährliches Ayersum bewilligt wird. Für die übrigen Einzel- 
requisitionen erfolgt die Vergütung nach der eingangs erwähnten 
Verordnung. Bezüglich der Auslagen ffir Befördemngmnittel 
wäre daher nur der eine Antrag zu stellen, daß die Bestimmungen 
der Ministerialbekanntmachung yom 17. Dezember 1902, Ent¬ 
schädigung für Fahrrad- und Motorbenutzung durch Aerzte betr., 
auch auf die Amtsärzte bei Reisen aus dienstlichen Anlässen 
Anwendung finden mögen. Nach dieser Vorschrift können in der 
Priyatprazis bei Benutzung des eigenen Fahrrades oder Motors 
ffir jeden Kilometer des Hin- und Rückweges 40 Pfg. beansprucht 
werden, sofern der Kranke sich außerhalb des Wohnortes des 
Arztes befindet, und zwar nicht unter 1 km yon der Grenze des¬ 
selben und nicht unter 2 km yon der Wohnung des Arztes ent¬ 
fernt; würden die Kosten bei Benutzung yon ^senbahn, Dampf¬ 
schiff und Gefährt geringer sein, so kann die Reisekostenyer- 
gütnng nur in dem geringeren Betrage beansprucht werden. 
Ausdrücklich ist dabei yermerkt, daß yorstehende Bestimmungen 
auf die den Amtsärzten im Falle der Benutzung des eigenen 
Fahrrades oder Motors bei dienstlichen Anlässen zukommende 
Reisekostenentschädigung keine Anwendung finden. Es dürfte wohl 
im Interesse der Staatsregiemng gelegen sein, diese Bestimmungen 
auch auf die auswärtigen Dienstgeschäfte der Amtsärzte auszu- 
dehnen, da dies eine wesentliche Ersparung yon Kosten und Zeit 
zur Folge hätte. Nach den bestehenden Verordnungen haben die 
Beamten bei allen Dienstreisen, welche ohne Nachteil für den 
Reisezweck durch Benutzung yon Eisenbahnen oder Dampfbooten 
znrückgelegt werden können, sich derselben zu bedienen und 
zwar können die Amtsärzte bei Eisenbahnen die II. und auf 
Dampfbooten die I. Klasse benutzen. Wo dies nicht möglich oder 
tunlich erscheint, haben sie sich eines „anständigen** Gefährtes 
zu bedienen; ein besonderes Gefährt statt der Eisenbahnen oder 
Dampfboote ist regelmäßig dann zulässig, wenn durch die Be¬ 
nutzung der letzteren die Abwesenheit yom Wohnorte um mehr 
als 2 Stunden yerlängert würde. Haben die Medizinalbeamten 
gemeinschaftliche Kommissionen mit den Gerichts- oder Verwal¬ 
tungsbeamten zu besorgen, so erhalten sie keine besondere Reise- 
entschädigung, sondern es ist ihnen yon den Kommissaren ein 
Platz in ihrem Wagen einznräumen. Ausnahmsweise können sie 
jedoch in solchen Fällen eine besondere Reiseentschädigung be¬ 
anspruchen, z. B. wenn die Mitbenutzung des Gefährts des Ge¬ 
richts- bezw. Verwaltungsbeamten wegen dringender unmittelbar 



166 


Dr. Beoker. 


Tor oder nach dem Dienstgeschäfte Torzanehmmider ärztlicher 
Privatgeschäfte nnterblieben ist; in derartigen FlUlen ist nnr die 
Anfrechnnng der Kosten fttr ein eigenes Fuhrwerk in der Liqni* 
dation besonders zn begründen (Min.-Bek. vom 24. Juli 1891). 
Die gleichen Billigkeitsgrfinde treffen auch dann zn, wenn der 
Bezirksarzt entsprechend seiner Verpflichtong, eine Reihe von 
Amtsgeschäften «gelegentlich* vorzanehmen, die Gelegenheit einer 
solchen Dienstreise benutzt, um unmittelbar vor oder nach dem 
eigentlich veranlassenden Dienstgeschäfte noch anderweitige ärzt- 
liäe Amtsgeschäfte zn erledigen. Wenn der Gerichts- bezw. 
Verwaltnngsbeamte sonst an dem auswärtigen Orte nichts zu ton 
hat, wird er nicht gern auf den Amtsarzt warten wollen. Die 
Kosten für ein eigenes Gefährt des letzteren übersteigen jeden- 
feUs die Gebühren für Benutzung eines eigenen Fahrrades oder 
Motors; auch wenn der Amtsarzt allein auswärtige Dienstreisen 
vornimmt, ließen sieh damit die Reisekosten bedeutend verbilligen. 
Wird unserem Anträge entsprochen, so würde mandier Amtsarzt 
bei guten Terrain- und Wegeverhältnissen sich gern eines Fahr¬ 
rades oder Motors bedienen, wozu er gar keinen Anlaß hat, so 
lange ihm die Gebühr für dieses billige Verkehrsmittel gestrigen 
und die für die >iel teurere Drochke bezahlt wird. Er wird hier¬ 
durch für sich Zeit und für den Staat Kosten sparen. Vielleidit 
nur eine einzige Einwendung gegen unsern Antn^ wäre denkbar, 
nämlich die, Rad- oder Motoriken entspreche nicht der Stellung 
der Medizinalbeamten; im Ernste wird das heutzutage niemand 
mehr behaupten. 

7. Portowesen. Nach den Ministerialentschließungen vom 
15. Juni 1884, Portofreiheit, hier den amtlichen Lokalverkehr 
betr., und vom 1. Dezember 1897, Portofreiheit der Behörden im 
Ortsverkehre betr., haben sich die Postanstalten mit der porto¬ 
freien Vermittlnng des amtlichen Fahrpost verkehre im Orts¬ 
bezirke nicht zn befassen. Unter dieser Bestimmung, die zur 
Erleichterung des Postdienstes erlassen ist, leiden die größeren 
Behörden nicht so sehr, da ihnen Burean^ener zur VerfBgung 
stehen, die Amtsärzte aber müssen die Aktenpakete entweder 
selbst oder durch ihre Dienstboten den Behörden zustellen. Wenn 
das in kleinen Orten noch hingenommen werden mag, bedeutet 
es in großen Städten mitunter eine unbequeme Last, der man 
sich bei genügendem Entgegenkommen der Behörden nur dadurdi 
entziehen kann, daß man diese um Abstellung eines Boten 
ersucht. Bei direkter Auflieferung von Aktenstücken sind die 
Postanstalten manchmal nachsichtig und befördern sie weiter; 
manchmal werden sie znrückgewiesen oder nachträglich wieder 
in die Wohnung znrückgebracht. Da in der nächsten Zeit die 
Neuregelung des Portowesens für den amtlichen Verkehr bevor¬ 
steht, mochte der Wunsch ausgesprochen werden, daß wenigstens 
für die Amtsärzte diese Bestimmung nicht mehr aufrecht erhidten 
werde, sondern ihre Paketpostsendnngen audi im Ortsverkehrs 
Portofi^iheit genießen mOgen. 

Während Telegramme von den Staatsbehörden portofrei auf* 



Der uatetnUiehe Dinst in Bayern. 


167 


gegebeu werden k&nnen, unterliegen ihre dienstlichen Telephon* 
gespräche einer Gebühr. Das halbe Banschabonnement für den 
Anschlnß am Ortstelephonnetze nnd die Hälfte der Gebühr für 
Ferngespräche bestreiten sie ans den Begiemitteln; soweit sieh 
keine Unznträglichkeiten ergeben, können die amtlichen Telephon* 
anschlüsse auch zn Priya^esprächen im Ortsverkehre benntet 
werden, ohne daß hierfür eine besondere Vergütung zn entrichten 
wäre. Da das geringe Begieaversnm der Amtsärzte nicht auch 
noch mit Telephongebühren belastet werden kann, beantragen die 
Leitsätze, daß für die Telephonanschlüsse der vollbeschäftigten 
nnd vellbesoldeten Amtsärzte, d. h. solcher, die keine ärztliche 
Privatpraxis ansüben, eine Gebühr von denselben nicht erhoben, 
sondern eventnell anf Staatsfonds übernommen werden möge nnd 
daß die übrigen Amtsärzte bei Verwendung des amtlichen Telephon* 
aiuchlusses anch zn privater Bernfstätigkeit die Hälfte der nor* 
maüvmäßigen Gebühr zn entrichten haben. Mehrfach ist es 
schon von der Ministerialinstanz genehmigt worden, daß die eine 
Hälfte der Abonnementsgebühr anf die Begie der betreffenden 
Gerichts* oder VerwaltnngsbehOrde übernommen wird; es ist dies 
jedoch nicht überall der Fall nnd dürfte eine Verallgemeinemng 
für das ganze Königreich erfahren. 

Anch für die answärtigen Dienstgespräche der Amtsärzte 
möge eine Gebühr nicht erhoben, sondern eventnell anf 
Staatsfonds übernommen werden, wie dies bei den amtlichen 
Ferngesprächen, welche von den Gemeindebehörden in reinen 
Staatsdienstangdegenheiten geführt werden, der Fall ist. Die 
Amtsärzte, namentlich die Bezirksärzte haben ziemlich häufig 
dienstliche Ferngespräche zn führen mit den Gemeindebehörden 
nnd den Armenpflegschaftsräten ihres Bezirkes, den Aerzten, dem 
niederärztlichen Personal, den Leichenschanem nsw. Der Kosten* 
erspamis halber alles anf schriftlichem Wege erledigen, wäre 
nicht nur zn umständlich nnd zeitraubend, sondern mitnnter auch 
z. B. bei verdächtigen Todesfällen oder Vorkehrnngen gegen Epi* 
dmnien bedenklich. Im öffentlichen nnd dienstlichen Interesse 
liegt es, daß die Amtsärzte möglichst rasch nnd ohne unnötige 
Umständlichkeit in sanitären Angelegenheiten sich die eriorder* 
liehen Auskünfte erholen nnd Anordnungen treffen können. 

8. Stellvertretung bei Urlaub nnd Verwesung erledigter 
Amtsarststellen. Für die Hausärzte an den Strafsnstalten ist 
durch die Kgl. Verordnung vom 8. Jnni 1904, die Benrlanbnngmi 
bei den Justizbehörden betr., die Bestimmnng getroffen, daß ihnen 
jährlich für einen Monat ürlanb bewilligt werden kann. Eine 
ähnliche allgemeine Verordnung ist für Ressort des Staats* 
ministerinms des Innern nicht ergangen, infolge herkömmlicher 
Giepflogenheit gilt es jedoch als Regel, daß die Bezirksärzte nnd 
Landgerichtsärzte 4 Wochen nnd die mit dem Titel «Medizinal¬ 
rat* aasgezeichneten 6 Wochen ürlanb im Jahre erhalten. Es 
möchte nicht unzweckmäßig erscheinen, das Anrecht anf ürlanb 
verordnnngsmäßig zn normieren. 

Wesentlich wichtiger ist aber die Frage der SteUvertretnng, 



168 


Dr. Beeker. 


speziell der Vertretnngfskosten. Die Leitsätze stellen hier als 
allgemeine Forderung den Satz voran: «Die Stellvertretung 
▼ährend des regelmäßigen Urlaubs oder während einer Erkrankung 
sollte den Amtsärzten in gleicher Weise wie den übrigen Staats* 
beamten keine persönlichen Kosten verursachen.* Während sonst 
kein pragmatischer Staatsbeamter sich über die Entschädigung 
seines Stellvertreters während des Urlaubs Sorge zu machen 
braucht, erwachsen den Amtsärzten mit Ausnahme der wenigen 
Fälle, in denen eine gegenseitige unentgeltliche Stellvertretung 
möglich ist, erhebliche Kosten. Dies trflbt nicht nur die Freude 
und den Genuß des Urlaubs, es bildet auch häufig den Anlaß, 
den Urlaub zu verkürzen oder ganz davon abzusehen. Die zeit¬ 
weilige Herausschälnng aus den Dienstgeschäiten ist aber den 
Amtsärzten mindestens ebenso notwendig wie den übrigen Staats¬ 
beamten. Bisher erhielt ein Amtsarzt seinen regelmäßigen Ur¬ 
laub nur dann bewilligt, wenn er in seinem diesbezüglichen Ge¬ 
suche seinen Stellvertreter bezeichnete und zugleich eine ausdrück¬ 
liche schriftliche Erklärung des letzteren beifügte des Inhalts, daß er 
ohne Anspruch auf ärarialische Entschädigung die Vertretni^ 
übernehmen wolle. Wie sich der Amtsarzt wegen der Entschädi¬ 
gung mit seinem Vertreter abfand, danach frag die Staatsregierung 
nicht; ohne Vorlage der genannten Erklärung gab es nur keinen 
Urlaub. Zur Beseitigung dieser Unbilligkeit sind die bayerischen 
Aerztekammem wiederholt dahin vorstellig geworden, es mOgen 
bei der Beurlaubung von Amtsärzten die Kosten der Stellvertre¬ 
tung auf die Staatskasse übernommen werden, sie sind jedoch 
regelmäßig abschlägig beschieden worden. Der Ministerial- 
bescheid vom 1. August 1886 führte hierzu aus, es sei eine irr¬ 
tümliche Voraussetzung, daß bei Beurlaubung von Beamten don 
Staat überhaupt Vertretnngskosten erwachsen. Dies sei nicht der 
Fall, weil während der Beurlaubung eines Beamten dessen Amts¬ 
genosse selbstverständlich ohne Anspruch auf Entschädigung die 
Geschäfte seines in Urlaub befindlichen Kollegen zu übernehmen 
habe. Dieses auf Gegenseitigkeit beruhende Dienstverhältnis 
sei auch für die Amtsärzte in § 9 der Kgl. A. Verordnung vom 
3. September 1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und 
Verwaltungsbehörden betr.^), zum Ausdruck gebracht 

Gegen die Uebertragung des Staatsprinzipes der gegen¬ 
seitigen unentgeltlichen Stellvertretung im Urlaub auf den amts¬ 
ärztlichen Dienst läßt sich gewiß kein Einwand erheben, soweit 
sie eben möglich und zulässig ist. Die Möglichkeit ist nur dann 
g^eben, wenn zwei Amtsärzte den gleichen Wohnsitz haben. 
Sind z. B. bei der gleichen Gerichts- bezw. Verwaltungsbehörde 
zwei Amtsärzte anfgestellt, befinden sich an demsdben Amtssitze 
bei verschiedenen Behörden zwei Landgerichts- bezw. Bezirks¬ 
ärzte oder je einer von beiden oder an<^ noch, wenn der zweite 
ortsansässige Amtsarzt Hausarzt einer Strafanstalt ist, ist deren 


1) ,Die Landgerichtsärzte und die Bezirksärate 1. nnd II. Klasse sind 
in Verhinderangs- nnd Brledignngsfällen zur TortkbergebendeD gegenseitige 
Aoshille in den gerichts- nnd Terwaltnngsärztlichen GMchifte Terpfliebtst.'' 



Der amts&ntliohe Dienst in Bayern. 


169 


gegenseitige kostenfreie ürlanbsTertretnng dnrchfUirbftr nnd 
geradezu selbstverständlich, soweit nicht im einzelnen Falle 
dienstliche Gründe entgegenstehen. Solche können vorliegen bei 
großer Ansdehnnng der Gerichts* and Verwaltongsbezirke, indem 
der betreffende Landgerichts- and Bezirksarzt wegen der Not¬ 
wendigkeit ständiger Bereitsdiaft den Dienst bei zwei Behörden 
gleichzeitig nicht gat versehen kann, oder bei abgelegener Ent- 
femong der Strafanstalt; in diesem Falle kann einem anderen 
ortsansässigen Amtsärzte nicht zagematet werden, neben seinen 
laufenden Amtsgeschäften anch nodi den gefilngnisärztlichen 
Dienst za versehen, and amgekehrt. 

Mögen derartige Verhältnisse za den seltenen Aasnahmen ge¬ 
hören, das Prinzip der gegenseitigen Vertetnng der Amtsärzte 
findet jedenfalls seine Grenze, wenn flberhanpt nar ein einziger 
Amtsarzt am Orte ist. In solchen Fällen hat man, am keine 
Vertretangskosten erwachsen za lassen, am den Urlanb nicht ganz 
anmöglich za machen, bisweilen za dem Aashilfsmittel gegriffen, 
den Bezirksarzt des nächsten Bezirkes als Stellvertreter anf- 
zastellen; bei den Landgerichtsärzten bedarfte es dessen nicht, 
da an jedem Landgerichtssitze mit Aasnahme von Weiden anch 
ein Bezirksarzt wohnt. Schließlich könnte anch diese Aashilfe 
noch angängig sein, wenn die beiden Amtssitze nahe bei einander 
liegen würden, wie etwa Begensbarg and Stadtamhof. In den 
hierher gehörigen Fällen wohnt aber der nächste Bezirksarzt meist 
Standen, eine halbe Tagereise weit and mehr entfernt; er ist 
deshalb für die Bevölkerong des za verwesenden Bezirkes nor 
schwer erreichbar, er selbst kann nor mit Umständen and großem 
Zeitverlaste in diesen kommen. Nichtdringliche Amtsgeschäfte 
wie Apothekenvisitationen and dgl. werden zwar nicht in der 
ürlaabszeit anberaamt, anch solche, die eine besonders eingehende 
Vorbereitang and Aosarbeitong erfordern, können meist bis zor 
Rückkehr des zaständigen Bezirksarztes verschoben werden, aber 
alles kann nicht li^en bleiben; es werden mancherlei Amts¬ 
geschäfte anfallen, die eine dringende Erledigong erheischen, bei 
denen das Fehlen eines Stellvertreters in loco schwer vermißt 
wird and anter Umständen, z. B. bei Aasbrach einer Epidemie 
die bedenklichsten Folgen haben kann. Von der Beiziehang 
des Bezirksarztes des Nachbarbezirkes zor Urlanbsvertretnng 
sollte daher grandsätzlich abgesehen werden nnd, wenn kein 
zweiter Amtsarzt am gleichen Orte wohnt, immer ein nichtamt¬ 
licher Arzt mit der Stellvertretang betraat werden; dieser wäre 
am besten ans den ortsansässigen Aerzten aoszawählen mit Be^ 
vorzagang eines pro physicata geprüften. Die hierdorch ent¬ 
stehenden Kosten sollten aaf die Staatskasse übernommen and 
dem Vertreter ein Tagegeld in gleicher Höhe wie bei Verwesung 
einer erledigten Amtsarztstelle, nämlich von 6 M. bewilligt 
werden. Nach § 10 Abs. 2 der K. A. Verordnnng vom 17. No¬ 
vember 1902, Gebühren für ärztliche Dienstleistungen bei Be¬ 
hörden betr., finden die Bestimmangen hinsichtlich der Gebühren 
für Verwesung erledigter Amtsarztstellen „auch dann Anwendung, 



wenn für einen benrlsnbten oder erkrankten Amtsarst ein 
Verweser Ton der Anfisichtsbehbrde bestellt wird.* Bei optimieti- 
seher Anffassnng könnte man non der Meinung sein, die Frage 
der Stellvertretungskosten bei Urlaub sei damit in befriedigender 
Weise gelöst. Dem ist jedoch nicht so, weil eben die Autsichts* 
b^örde bei dem regelmäßigen Urlaub niemals Ton Amtswegen 
dmi Stellvertreter anfetellt, sondern es dem Amtsärzte auferlegt, 
einen mit seinem Urlaubsgesuche zu präsentieren und zwar einen 
solchen, der keinen Anspruch auf Entschädigung ans der Staats* 
kasse erhebt. Nur bei Erkranknngsfällen, in denen früher 
der Amtsarzt auch selbst für seine Stellvertretung aufkommen 
mußte, bedarf es der Vorlage einer solchen Erklärung nicht mehr; 
es wird vielmehr, wie bei der letzten oberbayerischen Ereisver- 
sammlung von kompetenter Seite mitgeteilt wurde, in letzter Zeit 
die Aufstellung und Honorierung des Stellvertreters von der Kreis* 
regiemng übernommen. 

Unser Antrag erstrebt nun keineswegs für die Amtsärzte 
eine besmidere Berücksichtigung vor den übri^n Staatsbeamte 
sondern nur keine Zurücksetzung hinter diesen. Denn wie 
wird es bei der Beurlaubung von Staatsbeamten in ähnlicher 
Lage gehalten, die also die einzigen am Orte sind und bei denen 
deshalb eine gegenseitige Stellvertretung eo ipso ausgeschlosseii 
ist? Der exponierte Verwaltungsbeamte wie der exponierte 
Richter, der Rentamtmann und sonstige Beamte bekommen bei 
Urlaub ihren Stellvertreter von Amts wegen gestellt; es wird von 
der Ereisregiemng oder von einer benachbarten Behörde mit 
mehreren Beamten ein solcher abgeordnet, dem neben seinmn 
fortlaufenden Gehalte die normativmäßigen Tagegelder znstehen. 
Das Staatsprinzip der gegenseitigen kostenlosen Urlaubsvertretung, 
auf das der oben zitierte Ministerialbescheid verweist, hat hier 
notwendigerweise eine Lücke; denn tatsächlich erwachsen dem 
Staate in diesen Fällen Vertretnngskosten, wenn sie auch nicht 
als solche, sondern in einer anden Rubrik zur Verrechnung kommen. 
Da nun alle übrigen Staatsbeamten für ihre Urlaubsvertretung 
keine persönlichen Kosten aufzuwenden haben, möchte es doch 
ungerechtfertigt erscheinen, solche den Amtsärzten au^erlegen, 
die ohnedies anerkanntermaßen ungenügend besoldet sind. Was 
bei dem einen Beamten recht ist, das sollte auch bei dem andern 
billig seinl Wie an mancher andern Stelle, vertreten die Leit* 
Sätze auch hier den Standpunkt: Gleiches Recht für alle Staats¬ 
beamte! 

Da die Regierung keine abkömmlichen MedizinalbeamteB 
zur Verfügung hat, tritt bei den Amtsärzten nur die eine Ab* 
weichnng ein, daß an Stelle abgeordneter Beamten ein nichtamt* 
li<^er Arzt mit der Vertretung betraut wird. Bei den Straf- 
anstaltsärzten ist — darauf möchte hingewiesen werdmi — unser 
Wunsch bereits teilweise erfüllt; die meisten, wenigstens die* 
jenigen von ihnen, die darum nachgesucht haben, erhielten bisher 
in der Regel Elntschädigungen von 6 M. für jeden Tag des Ur¬ 
laubs gewährt. Daß der Bezirksarzt etwa für seine Neben* 



Der amtBärailiehe Dieut in Bayern. 


161 


stdlangen, imter ümstftnden aach für seine Privati^raxis einen 
Stellvertreter anfznstellen hätte, dflrite der ErHUlnng unseres 
Wunsches nicht im Wege stehen; denn um 6 M. findet sich heut¬ 
zutage kein Vertreter, der die amtliche und private Tätigkeit 
übernimmt, so daß die vom Staate gewährte Beihilfe tatsächlich 
nur die Kosten der amtlichen Stellvertretung deckt 

Bei Verwesung der erledigten Stelle eines Land¬ 
gerichtsarztes oder Bezirksarztes erhißt zwar ein nichtamtlicher 
Arzt ein Tagegeld von 6 M. (§ 10 der EgL A. Verordnung vom 
17. November 1902), ein Amtsarzt aber nicht, selbst wenn die 
Verwesung Monate dauert, was gar nicht so selten ist. Zu einer 
vorübergehenden Geschäftsaushiife kann er mit Recht ohne 
besondere Entschädigung herangezogen werden; eine Monate lange 
Verwesung kann aber nicht mehr gut von dem Amtsärzte ^ 
unentgeltliche Leistung gefordert werden. Bei längerer Ver¬ 
wesung kann nichts unerledigt liegen bleiben und die üeber- 
nähme der doppelten Arbeitslast sollte ihre gebührende Ent¬ 
schädigung darin finden, daß bei längerer, etwa 3 Wochen über¬ 
steigender Verwesung auch der damit betraute Amtsarzt das 
übliche Tagegeld von 6 M. erhält Die Staatsregierung kommt 
dabei noch immer auf ihre Rechnung, da bei Erledigung der 
Stelle durch Versetzung oder Pensionierung des bisherigen In¬ 
habers ein Gehalt für de Vakanz nicht zur Auszahlung kommt 
und nur bei Erledigung durch Todesfall für den Sterbemonat und 
den Nachmonat. 

In gleicher Weise sollte die Gebührenfirage geregelt werden, 
wenn ein Amtsarzt wegen Erkrankung eines Kollegen für 
längere Zeit dessen Dienst mitzuversehen hat. 

Meine Herren! Wir sind nun am Schlüsse angelangt. 
Endlich! mögen Sie denken. Ja es war eine rechte Geduldsprobe, 
Ihre Aufmerksamkeit so lange in Anspruch zu nehmen. Das lag 
aber an der Größe des Themas. Es war Ihrem Referenten die 
Aufgabe zngewiesen, nicht bloß ein Bukett von Wünschen und 
Anträgen zusammenzustellen, sondern auch eine eingehende Moti¬ 
vierung dazu zu geben. 

Sprechen jetzt Sie Ihre Meinung zu dem Vorgetragenen 
offen ans, auch wenn Sie nicht mit allem einverstanden sind! 
Bei so vielen Punkten in allen Einzelheiten eine volle üeberein- 
stimmung zu erzielen, geht gar nicht an. Wenn nur über die 
EEauptfragen eine einmütige Auffassung besteht, dann dürfen wir 
unsere Wünsche vertrauensvoll der Königlichen Staatsregiemng 
unterbreiten mit der ehrerbietigsten Bitte, dieselben wohlwollend 
zu prüfen und zu berücksichtigen. In der Hand der Staats- 
regiernng liegt ja die Entscheidung; was Organisations¬ 
fragen sind, darüber hat nur sie zu befinden und, soweit der Weg 
der Gesetzgebung beschritten werden muß, sind von ihr die Vor¬ 
arbeiten zu erledigen und die Entwürfe ansznarbeiten. Erlangt 
die Staatsregiemng, wie wir hoffen, die Ueberzengung, daß die 
zeitgemäße Ausgestaltung des amtsärztlichen Dienstes im In- 

11 



16a 


Br. Becker. 


teresse des Staates nnd des allgemeinen Volkswohles liegt, dann 
▼ird sie gewiß auch die ztir Dnrchf&hmng erforderlichen Maß* 
nahmen bald in die Wege leiten. Daß unsere Wünsche alle auf 
einmal zur firfüliuug gelangen, können wir nicht erwarten. In 
einem solchen Sinne sind auch die Leitsätze nicht zu verstehen; 
sie sind von Ihrem Beierenten und Ihrer Vorstandschaft gedacht 
als ein Programm für die nächsten Jahre nnd, wenn sie Ihre 
Billigung finden, stellen sie das Programm des bayerischen Medi¬ 
zinalbeamtenvereins dar. Manches davon braucht Zeit zur Be¬ 
ratung nnd Bereifung. Die Staatsregierung wird nur schrittweise 
Vorgehen nnd über die einzelnen Pi^te Se Aerztekammem, die 
Kreismedizinalausschüsse, den Obermedizinalansschnß nnd den er¬ 
weiterten Obermedizinalansschuß mit ihren Gutachten hörmi. 
Außer dem Staatsministerinm des Innern werden sich auch das 
Justiz-, das Kultus- und das Finanzministerium mit unseren Vor¬ 
schlägen zu befassen haben. 

Soweit gesetzliche Maßnahmen in Betracht kommen oder 
die Bereitstellung finanzieller Staatsmittel notwendig wird, haben 
auch die gesetzgebenden Körperschaften mitznsprechen; es wird 
ihnen die Staatsregiernng eine diesbezügliche Vorlage zugehen 
lassen müssen. Nach der vorjährigen Stellungnahme der Abgeord¬ 
netenkammer zu dem Anträge Dr. Rauh darf wohl auf deren 
Bereitwilligkeit gerechnet werden nnd auch seitens der Kammer 
der Reichsräte werden sich voraussichtlich keine Schwierigkeiten 
in den Weg stellen. 

M. H.I Im nächsten Jahre kann das bayerische Medizinal¬ 
wesen ein denkwürdiges Jubiläum begehen. Am 8. September 
1908 werden es hundert Jahre sein, daß Bayerns erster König 
Max Josef I. das hervorragende nnd seiner Zeit weit vorans¬ 
eilende Organische Edikt über das Medizinalwesen im 
Königreich Bayern erließ. Seine einzelnen Bestimmungen, 
wohldurchdacht und zweckentsprechend, haben auch jetzt noch 
mnstergiltigen nnd vorbildlichen Wert. Was aber ganz besonders 
an ihm für die damalige Zeit zu bewundern ist, das ist die 
Erkenntnis von der hohen Bedeutung des Medizinalwesens für 
die ganze Staatsverwaltung nnd der energische Wille, diesen 
Gedanken in die Tat umznsetzen. In seiner Einleitung bezeichnet 
das organische Edikt das Medizinalwesen als ^einen der wich¬ 
tigsten Teile der Staatspolizei“; ihm sei ,um so mehr vor¬ 
zügliche Aufmerksamkeit zu widmen, als durch eine gute Bestellung 
desselben die ersten Bedingnisse zum individuellen Wohle eines 
jeden einzelnen Staatsbürgers, im Zusammenhänge mit dem all¬ 
gemeinen, allein erreicht und dauerhaft erhalten werden können“. 
Dementsprechend ging seine Intention darauf hinaus, ^das in 
dieser Hinsicht schon bestehende Brauchbare auf alle Teile 
unseres Reiches, in einen jeden der neu organisierten Kreise zu 
übertragen, das Mangelnde allenthalben zu ersetzen, das Ganze 
in eine zweckmäßige Verbindung nnd einen der notwendigen 
Ordnung günstigen Zusammenhang zu bringen und zugleich den 
übrigen Verwaltnngszweigen anznpassen.“ 



Der amtaftrzUiehe Dienst in Bayern. 


168 


Das Jabilänm kannte nicht schöner nnd besser gefeiert 
werden, als wenn es den Anstoß dazu gäbe, das hundert Jakre 
lang gütige organische Edikt in neuem Gewände nnd in neuer 
Fassung wieder erstehen zu lassen, entsprechend den großen Er¬ 
rungenschaften der ärztlichen Wissenschaft und Erfalurung. 

Hoffen wir, daß unsere heutige Tagung mit beiträgt zu 
einer zeitgemäßen nnd umfassenden Ausgestaltung 
unseres bayerischen Medizinalwesensl 

Salus publica snprema lexi 

(Lebhafter BeilalL) 

Vorsitzender Bezirksarzt Dr. Angerer-Mfinchen: M. H.1 
Dem Herrn Beferenten haben Sie bereits Ihren lebhaften Beifall 
gespendet. Als Vorsitzender möchte ich jedoch noch besonders 
ihm den wärmsten Dank der Versammlung für seine außerordent¬ 
lich mOhevolle Arbeit anssprechen. Ich eröffne nunmehr die Dis¬ 
kussion über das ganze Beferat mit dem ausdrücklichen Bemerken, 
daß die Bedner sieh nicht an die Beihenfolge der Leitsätze zu 
halten brauchen. 

Diskassion: 

Laodgerichtsant Medizinalrat Pro! Dr. Hofmaan-Hfliieheii: Das Mi¬ 
nisterium wird TOI allem fragen^ ob denn alle Medizinalbeamte oder wenigstens 
die große Mehrzahl derselben mit den Vorschlägen des Beferenten einyerstanden 
sind. Ich möchte den Herrn Vorsitzenden bitten, hierüber zunächst abstimmen 
zu lassen, damit man das Beferat dem Ministerium mit der Bemerkung yor- 
legen kann, die Versammlung sei einstimmig mit den Vorschlägen des Befe¬ 
renten einyerstanden gewesen. 

Vorsitzender; Das wird wohl im Laufe der Diskussion kommen. 

Dr. Hofmann: Sollen dann Abstimmungen stattfindenP 

Vorsitzender: Ueber die einzelnen Leitsätze nicht. Aber ich meine, 
man sollte jetzt die Diskussion nicht unterbinden, sondern den Herrn Gelegen¬ 
heit geben, sich über die Sache zu äußern. Dann wird man yielieicht in 
Form einer Besolution mit dem Inhalt des Beferates in irgendeiner Weise sich 
einyerstanden erklären. 

Dr. Hofmann: Das halte ich für unbedingt notwendig. Es werden 
sich in der Diskussion wahrschednlich bezüglich einzelner Punkte einige un¬ 
wesentliche Abweichungen ergeben, aber das kann uns nicht abhalten, jetzt 
schon im Großen und Ganzen unsere Zustimmung zu erklären. Ich bin aW 
nicht dagegen, wenn dies erst am Schlüsse der Debatte geschieht. 

Bezirksarzt Dr. Gmber-Mttnchen: M. H. I Sie haben eben den Vor¬ 
schlag des Herrn Med.-Bats Dr. Hof mann gehört, der es, wie mir scheint, 
für zweckdienlich erachten wfirde, im Ganzen nnd Großen dem Beferat des 
Kollegen Becker und den demselben yorausgeschickten Leitsätzen znzn- 
stimmen. Er nimmt an, nnd wohl mit Becht, daß sich zwar über einzelne 
Punkte die eine oder andere abweichende Anschauung ergeben mochte, daß 
aber im ganzen doch die Versammlung das alles, was uns yorgetragen worden 
ist, als grundlegend anerkennt. Von einer Diskussion nach den einzelnen 
Sätzen, wie sie uns yorgetragen sind, soll und muß wohl abgesehen werden, 
soll unsere Tagung nicht zwei Wochen nnd noch länger dauern. Für den 
Fall, daß die Anschauung des Herrn Med.-Bats Dr. Hof mann geteUt 
werden sollte, mochte ich mir erlauben, Ihnen jetzt schon eine Besolution zu 
unterbreiten nnd um deren Annahme zu bitten. Die Besolution wfirde 
lauten: 

„Die 4. Landesyersammlnng des bayerischen Medizinalbeamtenyereins er¬ 
blickt in den Leitsätzen fiber den amtsärztlichen Dienst im KOnineich 
Bayern eine geeignete Grundlage ffir eine Medizinalreform 

11* 



164 


Dlakiusion zn dem Vortrag: 


QBd erklärt deh damit eiarerataaden. Sie beauftragt die Voratandschaft, 
die Leitaitse imd die rom Beferenten gegebenen Erläatemngen der KOaigL 
Staataregierong zn onterbreiten mit der enrerbietigaten Bitte, dieaelbe wolle 
die Wttnache für die Aoageataltang dea amtaärztlichen Dienatea nnd die 
Verbeaaemng der Gehaltarerhiltniaae in wohlwollende Wttrdigong ziehen 
und die notwendig eracheinenden ICaßnahmen hierzu in die Wege leiten. 

Sie beauftragt ferner die Voratandaehaft, die Weiterentwiduung dieaer 
Fragen zu Terfolgen, zur Beratung Aber die einzelnen Sparten dee Me* 
dizinalweaena daa Material zu aammeln und Torzuberetten, aowie die hieraua 
eich ergebenden Anträge auf die Tageaordnung der nächaten Landearer- 
aanunlungen zu aetzen.“ 

Ea rmd aich natttrlich im Laufe der Zeit mancher Ton den heute zu 
beapreehenden Punkten noch mehr bereifen; ^ea aoll mit dem letzen Satz 
der Beaolution auagedrttckt werden. 

Bezirkaarzt Dr. 69tz*N0rdllngen: Da, wie wir rorhin gehört haben, 
nicht bezttglich aller Einzelheiten dea Beferata Einyeratändnia Torhanden aein 
wird, mochte ich bitten, *am Anfang der Beaolution zwiachen den Worten 
«erklärt aich* nnd «damit ebTeratanden* einzuachaltea «in allen weaent* 
liehen Punktein*. Man kann eich dann Aber die einzelnea Punkte noch 
unterhalten. 

Bezirkaarzt Dr. Henkel - MAnchen: M. H. t Wenn wir mit der Beaolution 
auadrAcken wollen, dafl der Kollege Becker in aeinem ebenao fleißigen iHe 
acharfainnigen Beferat nach langer Zeit einmal una eine abgeachloaaene Arbdt 
geliefert hat, auf Grund deren wir nun weiterbanen und beraten wollen, 
ao kann ich dem yoUatändig zuatimmen. Ich muß aagen, daß dem Kollegen 
Becker in dieaer Beziehung der größte Dank gebAhrt. Bedenklich acheint 
mir aber doch, zu aagen, wir aeien auf dieeet Grundlage im Einyemehmen und 
werden nun in dieaem Sinne weiter beraten oder weiter beachließen. Ea er> 
acheüit mir diea umao bedenklicher, ala wir geatera achon in dieaer Bichtang 
una auageaprochen haben, und ea geheißen hat, wir wollen dfeae Beaolution 
irgendwo yorlegen. Ja. m. H., wenn wir dieae Beaolution, wie aie yorliegt, 
irgend einer Kammer oder einem Abgeordneten oder der Staataregiemng yor* 
legen, ao muß daa doch den Glauben erwecken, daß wir mit allem, waa in dem 
Beferat ateht. einyeratanden aind; und daa aind wir nicht. Wenn wir dagegen 
mit der Beaolution nur aagen wollen, wir anerkennen ganz nnd yoU die Arb^ 
und MAhe, die aich der Beferent gegeben hat, nnd wir können auf dem Beferat 
jetzt weiterbauen nnd weiterberaten, dann können wir der Beaolution yoll zu* 
stimmen. Wäre aber die Beaolution in dem Sinne anfzufaaaen, daß wir nun 
alle im Einyemehmen aind, so wArde das der Lage der Dinge nicht ent* 
sprechen. Ich mochte nur ein Beispiel anfAhren, das ist z. B. die Sache mit 
dem Medizinalamt Der Kollege Becker bat in anagezeichnetor Weise 
den Wirktugskreis des Bezirksarztes dargelegt, er hat uns gesagt, was der 
Bezirkaarzt draußen in seinem Bezirk nnd auch im Innern des Bezirks zu 
tun hat. Das ist angelehnt zum Teil an Verordnungen, die wir jetzt sch<a 
haben, zum Teil auch an VerfAgungen, wie wir sie in anderen Dienstanweisungen, 
z. B. yon Preußen, haben, wonach der Bezirkaarzt alle 5 Jahre zn yiaitierea 
hat, nach welchen er da* und dorthin zn gehen hat nsw. Das, was uns unbedingt 
notwendig ist, diese Initiatiye, kann der Bezirksamt nicht nur bei uns schou 
entfalten, er kann aie auf Grrud einer Dienstanweisung, einer Verordnung 
Aber Visitationen noch weiter entfalten. Kollege Becker hat mit yollem 
Becht gesagt: »Der Bezirksarzt selbst kann ans aeinem Bezirk so und so 
irtel machen.* Das wird nach wie yor seine Geltung haben. Wir kOanm 
dann nach diesen Verordnungen handeln, warum wir dazu eia Medizinalamt 
brauchen, das weiß ich nich^ das ist schwach begrAndet. Wegen der Ta- 
bellenfAhrnng, die wir zum Teil jetzt schon haben, wegen einzelner Dinge, 
wie der Dienstaufsicht, die wir auch schon haben, (wir yoUziehen jetzt schon 
immer Amtshandlungen), braucht man kein Modisinaiamt, mit dem doch eia 
ganzer Apparat, Schreibpersonal und Verschiedenes yerknApft ist, was man ent 
meder bestimmen nnd durch gesetzliche Verordnung hersteilen muß. Ich 
mochte das bloß angef Ahrt haben zum Beweis daf Ar, daß wir doch nicht sagsa 
können: «Wir sind alle im Einyemehmen* und ktanen eine solche BeaidatioB 
gleich hinausgeben. Wenn wir auch sachlich yoUkommen einyeratanden sind 



Der amtsSratliehe Dienet in Beyern. 


166 


mit Dr. Becker, eo gibt es doch noch Veraehiedenheiten. die wir erst 
besprechen mttssen, beror wir eine einheitliche Besolntion leasen und rer« 
bffentliehen. 

Bezirksent Dr. Schltn-VOsbibarg stimmt den AnsfOhrnngai Dr. 
Henkels yollkommen za. Dr. B ec ker bet ein Beferet geliefert, deS wir eile 
xnit Bewonderong gehOrt heben, eher dem Beferet bedingangslos zaznstimmen, 
deza kann ich mich nicht bereit erküren. Der Vorredner bet bereits die 
Seche mit dem Medizinelemt erwähnt; ich mSchte eof die sog. Amts- 
gerichtsärzte za sprechen kommen, wes nach meher Ansicht doch eadi 
ein sehr irlehtiger Punkt ist. 

M. H.1 Des ganze Medizhelwesen resp. die Tätigkeit der Amtsärzte 
soll erweitert werden, der Amtsarzt soll roll beschäftigt werden. Es heißt 
nach n. a. in den Leitsätzen, der Amtsarzt solle seinen ganzen Bezirk Ter* 
sehen. Anderseits wird aber nicht zentralisiert, sondern dezentralisiert, indem 
ein Nebenbeamter mit ToUtOnendem Titel als Amtsgerichtsarzt angestellt 
wird. M. H.I Ich glaube, daß wir weder bezirksärztliche Stellrertreter noch 
auch Amtsgerichtsärzte brauchen. Ich will bloß daran erinnern, daß ja jetzt 
allgemein das Bestreben existiert, diejenigen Amtsgericbtsbezirke, die eine 
größere Einwohnerzahl haben, mit neuen Bezirksämtern zu yersehen. Ich er¬ 
innere nur an Lauf und Biedenburg und daran, daß jedenfalls Ober kurz oder 
lang auch Dorfen, Osterhofen und Both a. S. Bezirksämter erhalten sollen. 
Es sind das lauter Gegenden, in welche natürlich die Amtsärzte schwerer 
werden hinkommen kOnnen, die Sache wird aber dadurch beigelegt und ge¬ 
ordnet, daß dort neue Bezirksämter errichtet werden. Es scheint mir auch 
ein Amtsi'erichtsarzt durchaus nicht notwendig zu sein wegen der so geringen 
amtsärztlichen Tätigkeit. Wir alle wissen, daß Sachyerständigentermine bei den 
Amtsgerichten fttr uns Amtsärzte yerhältnismäßig sehr selten sind, (^derspruch 
Oho 1) Der Bichter ist durdiaus nicht daran gebunden, einen Amtsgerichtsarzt 
als Sachyerständigen zu ne^en, er kann jeden anderen Arzt als Sachyerstän- 
digen nehmen; er ist auch an das Sachyerständigengutachten des Amtsgerichts¬ 
arztes so wenig wie an das des Landgerichtsarztes gebunden. — Wenn es dann 
in dem Beferat heißt: „Die Vornahme der Öffentlichen Impfungen soll dem Amts¬ 
gerichtsarzt Zufällen,“ so finde ich das durchaus nicht notwendig. Die Offent* 
flehen Impfungen kann der Amtsarzt ebensogut ausfübren, wenn er letzt als 
yoU beschäftigter Amtsarzt, losgelOst yon der ärztlichen Praxis, yoUständig 
sieh der amtsärztlichen Tätigkeit widmet. Also ich bfai der Meinung, daß an<m 
dieser Grund nebensächlich ist. Aber ich habe noch triftigere Gründe für meine 
Anschauung: Es heißt in dem Beferat: nDer künftige Amtsgerichtsarzt soll 
auch zu dringenden amtlichen Verwaltungsgeschäften herangezogen werden; 
an Stelle der Gebühren unter a, b und d kann ein festes Jahresayersum in 
in entsprechender Hohe festgesetzt werden, womit die Verpflichtung zur 
Leistung bestimmter yerwaltungsärztlicher Geschäfte yerbunden werden 
kann. Damit, M. H., ist also aasgedrückt, daß der betreffende Amtsgerichts¬ 
arzt mit anderen Worten auch in unsere Tätigkeit sich einmischen soll. Das 
brauchen wir aber tatsächlich nicht. Der Amtsarzt ist yoll beschäftigt, los¬ 
gelOst yon seiner Praxis; er kann in unsem Bezirken mit 80—40000 Seelen 
Mhr wohl die gesamten Geschäfte des ganzen Amtsbezirks yersehen. Also 
ich bin der Ansicht, daß Amtsgerichtsärzte überfittssig sind. Man hat als 
einen Grund dafür auch noch angeführt, daß die Zuständigkeit der Amts- 

S erlebte erweitert werden soll. So yiel ich gelesen oder gehört habe, soll 
ie Zuständigkeit der Amtsgerichte hauptsächlich in bezug auf Geldstreitig¬ 
keiten, nämlich bis zu 800 M., erweitert werden, 'während unsere ■ Tätigkmt 
sich auf Eriminalfälle erstreckt, und ^e Zuständigkeit der Amtsgerichte in 
dieser Hinsicht wohl kaum erweitert werden dfi^. Also ich muß mich, 
gerade als einer der jüngeren Amtsärzte, ganz energisch gegen die Auf¬ 
stellung yon Amtsgerichtsärzten aassprechen, um so mehr als gerade wir das 
später am eigenen Fleisch empfinden müßten, wenn solche Nebenämter mit 
so yolltOnenden Titeln kreiert würden. Wir sind jetzt froh, daß allmählich 
die Bezirksärzte II. EU. aussterben, und wir hoffen und wünschen, daß die 
Staatsregierang sich entschließt, die bezirksärztlichen Stellyertreter yoll¬ 
kommen aufzuheben und yon der Kreierung yon Amtsgerichtsärzten abzusehen. 
In den anderen Beziehnngen bin idi mit*den AusfilJimgen Dr. Beckers so 



166 DiakoBiioB sa dem Vortng: 

siemlich einrerataadeB, bis aaf einige NebenB&ehlichketten, die nicht ins 
Gtowicht fallen. 

Landgerichtsant Dr. Biirgl*Nürnberg: Ala einen der wiehtignten 
Beformyorsehlftge, die nna heute beach&ftigen, mOehte ich beieichnen die Ai- 
re^g, dem geriohtairztliohen Dienet eine yollst&ndig selb¬ 
st and ige Organisation zu rer leihen und zu diesem Zweck das gericht¬ 
liche Medizinalwesen ans dem Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern 
loszulOsen und dem Jnsitzministerium zu unterstellen. Der Kollege Becker 
hat diese Forderung sehr gut motiviert; man kann entschieden der Ansicht 
sein, daß sie das nichtig und allein Zutreffende seL Ich habe nun yersncht, 
soweit es mir als Nichtjnriaten mOglich ist, diese lose nebeneinandergestdlten 
Sätze in ein Formel zu brinp^en, die in staatsrechtlicher Beziehung vielleicht 
eher entsprechen würde. Diese Form wäre etwa die folgende: 

„Der gerichtsärztliche Dienst, umfassend den ärzUichen Dienst beim 
Justizministerium, den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und den Gefäng¬ 
nissen einschließlich der Strafanstalten, soll eine selbständige Organisation 
erhalten, dabei sollen aber Maßnahmen getroffen werden, die der allgemeinen, 
dem Staatsministeriuffl des Innern zngeteilten Medizinalverwaltung den erfor¬ 
derlichen Einfluß sichern. Zur Errei^ung dieses Zweckes soll das gerichüidie 
Medizinalwesen aus dem Geschäftsbereiche des Staatsministeriums des Innern 
ausscheiden und dem Staatsministerinm der Justiz unterstellt werden. Das 
Staatsministerinm der Justiz hat aber nachstehende Angelegenheiten nicht für 
sich allein, sondern im Benehmen mit dem Staatsminisieiium des Innern zu 
regeln: 

a. alle Angelegenheiten, die im Interne der Erreichung ihres Zwecks eine 
einheitliche Begelnng für sämtliche Zweige der Staatsverwaltung er¬ 
fordern, so insbesondere hygienische Anordnungen aus Anlaß gemein¬ 
gefährlicher Krankheiten, 

b. den Erlaß von Vollzugsbestiinmungen für den Bereich der Justizverwaltung 
zur Durchführung allgemeiner ärztlicher Maßnahmen, so z. B. Bestim¬ 
mungen zum Vollzug des Impfgesetzes, statistische Erhebungen usw., 

c. die Grundsätze für äe Ernennung, Qualiflkation, Honorierung der gericht¬ 
lichen Aerzte. Zur obersten Leitung des gerichtlichen Medizinalwesens 
wird aus der Beihe der gerichtliäen Aerzte (Landgerichtsärzte) ein 
Beferent mit dem Bange eines Ministerialreferenten (Begierungsrat, Ober- 
regiemngsrat) beim Justizministerium bestellt, ihm werden nStigenfalls 
ärztlich gebildete Hilfsreferenten beigegeben, die unter Verantwortung 
des Beferenten die Geschäfte erledigen.“ 

Ich setze mich damit in Gegensatz zu den Ausführungen des Kollegen 
Becker, der eine vollständige Lostrennung der Gerichtsärzte vom Ministerium 
des Innern befürwortet, während ich nur eine Umkehrung des jetzigen Ver¬ 
hältnisses wünsche in der Weise, daß während gegenwärtig die Landgerichts- 
äizte in erster Beihe dem Ministerium des Innern und in zweiter Beihe dem 
Jnstizmi^terinm unterstellt sind, sie künftig in erster Beihe dem Justiz¬ 
ministerium und in zweiter Beihe dem Ministerium des Innern unterstellt 
werden. Zur obersten Leitung des gerichtlichen Medizinalwesens müßte, wie 
Dr. Becker ansgeführt, aus der Beihe der gerichtlichen Aerzte ein Beferent 
mit dem Bange eines Obermedizinalrates ernannt werden. Ich mochte nun 
nicht gerade hestimmen oder Vorschlägen, daß demselben sofort der Bang 
eines Obermedizinalrats zu Teil wird, weil es doch dem Ministerium freisteht, 
auch einmal einen jüngeren Arzt zu dieser Stelle zu berufen und man einen 
ganz jungen Herrn niät sofort mit einem so hoben Bang versehen kann. Es 
wird wohl besser sein, wenn man allgemein sagt, es soll ihm der Bang eines 
Ministerialreferenten zngeteilt werden, vielleidit beginnend mit dem Bang 
eines Begierungsrats. Diesem Beferenten konnten dann ärztlich vorgebildete 
Hilfskräfte zur Verfügung gestellt werden unter sdner Verantwortung. Je 
nach Bedarf konnte dann für Erledigung der ärztlichen Geschäfte beim Justiz- 
ministerinm eine eigene Abteilung für gerichtliches Medizinalwesen gebildet 
werden, nach Maßgabe der erst vor wenigen Tagen erschienenen AllerhOchstea 
Verordnung vom 26. September 1907, welche bestimmt: 

,1. In den Stamtsministerien kOnnen von den Staatsministem besondere Ab¬ 
teilungen gebildet und der Leitung eines höheren Mhiisterialbeamtes 
unterstellt werden. 



Der unts&rztliche Dienst in Bayern. 


167 


2. Die Staatsminister sind befugt, unter ihrer Verantwortong den Abteilnngs- 
TorstSnden und deren StellTertretem die Erledignng von OescbUtsanl* 

S iben minder wichtiger Art nach n&herer Bestimmung der sn erlassenden 
eschiftsordnnng sn ttbertragen.“ 

Die Aufgaben des Beferenten für das Medizinalwesen hat KoU^e 
Becker in erschöpfender Weise dargelegt, so daß ich die Sache:nicht von 
neuem vorzutragen brauche. Der Unterstellung des gerichtlichen Medizinal¬ 
wesens unter das Justizministerium entsprechend müßte dann der sach¬ 
liche und persönliche Bedarf der Landgeriwtsärzte auf den Justizetat über¬ 
nommen werden, insbesondere müßten übernommen werden die Be^ekosten, 
die Auslagen für Bibliothek, wissenschaftliche Instrumente usw. ^r die 
Qerichtsärzte müßten dann auch Yorrückungsstelien geschaffen werden, ^e es 
ermöglichen, daß die gerichtlichen Aerzte, insbesondere bei den größten und 
größeren Gerichten, auch höhere Gehalts- und Bangklassen und zwar ent¬ 
sprechend der den iUchtem zugänglichen Gehalts- und Bangklassen erreichen 
würden. 

Das wäre also der eine Vorschlag, daß der Beferent für das gericht¬ 
liche Medizinalwesen seinen Sitz im Justizministerium hätte. Es ut aber 
noch ein anderer Fall zu erwägen; es wäre ganz gut denkbar, daß zwar ein 
Beferent für das gerichtliche Medizinalwesen anfgesteilt würae, daß dieser 
aber seinen Sitz im Ministerium des Innern hätte unter Oberleitung des 
Beferenten für das gesamte Medizindwesen im Ministerium des Innern. Wir 
haben ja einen analogen Fall bei der obersten Baubehörde. Diese untersteht, 
so viel ich weiß, dem Ministerium des Innern. Es befindet sich unter den 
Oberbauräten aber auch einer, der lediglich die Bauten des Justizministeriums 
zu überwachen hat. Dieser Herr hat zu arbeiten für das Jnstizministerinm, 
ist aber doch dem Ministerium des Innen zngeteilt. Welche von diesen 
beiden Möglichkeiten die praktischere ist, muß den beteiligten lönisterien 
überlassen bleiben. Mir schiene schon der Vorschlag Beckers praktischer, 
daß dieser Beferent seinen Sitz im Jnstizministerinm hätte und zwar abgesehen 
von anderem aus dem Gnnde, weil das fortwährend einlaufende Aktenmaterial, 
mit dem sich dieser Beferent zu befassen hätte, eben beim Jnstizministerinm 
lie^ und ein fortwährendes Hin- und Herschicken dieses Aktenmaterialn statt¬ 
finden müßte, wenn der Beferent sein Amtszimmer im Ministerium des Innern 
hat. — Das wäre, was ich in diesem Punkte vorznbringen hätte. 

Dr. DoUmann-München: Ich mOchte bitten, im Interesse des Ansehens 
des ärztlichen Standes den Vorschlägen Beckers und dem Antrag des 
Bezirksarztes Dr. Gr über vollständig zuznstimmen. Es ist darin ja aus¬ 
drücklich betont, daß es sich bei den Vorschlägen nur um eine Grundlage 
handelt. Die Vorschläge sind noch nicht ein so gefügtes Ganze, daß man 
darüber nicht noch weiter sprechen konnte. Sie haben vorhin die Ausführungen 
über die Amtsgerichtsärzte gehört. Ich habe gestern schon die Ansicht aus¬ 
gesprochen, ein Amtsgerichtsarzt tut keinem Bezirksarzte weh oder wohl und 
den Titel kann man dem armen Teufel schließlich lassen; wenn er 800 M. 
Gehalt bekommt, dann macht er keinen Krach. Ich bitte, die Besolntion im 
glanzen anzunebmen. Ich glaube nicht, daß wir etwas Besseres finden können. 
Einzelne Meinungsdifferenzen — ja das ist etwas anderes; es kann da eine 
Eompetenzstreitigkeit zu schlichten sein und dort; das hat aber mit dem 
Vortrag Dr. Beckers im allgemeinen nichts zu tun, das kann nachträglich 
gemacht werden. Ich bitte die Herren, diesem Antrag einstimmig beizntreten 
und der Besolution, wie sie Dr. Gr über vorgeschlagen hat, damit wir auch 
der hohen Begierung gegenüber zeigen kOnnen, daß wir einmütig sind. 
(Beifall.) 

Bezirksarzt Dr. Grassl-Lindau: M. H.! Wenn man auf einem so ex¬ 
ponierten Posten ist, wie ich, so lernt man allerlei kennen. Ich habe 
8 Bundesstaaten und 2 auswärtige Staaten als Nachbarn, und da kann ich 
auch die auswärtigen Medizinalverwaltungen etwas beurteUen. Nun ist auch 
anderswo nicht alles Gold, was glänzt. Damit will ich natürlich nicht sagen, 
daß die bayrischen Verhältnisse die besten sind, aber sie sind immer noch 
recht passabel. Im großen und ganzen stimme ich ja mit Becker vollständig 
überein. Wir haben uns schon in Augsburg zusammengesprochen und zn- 
sammengestritten; aber einzelne Sachen hätte ich docß recht gern anders, 



168 


DiikoMioa za dem Vortng: 


z. B. bezdglieh der Zeit der Zalzzsnng zum PhjsikztsexzmeH 
Ich glzabe, daß maa da eine gewisse Zwiseheazeit lassen soU. Ich halte das 
fflr sehr notwendig, and zwar, weil eine solche größere Zwischenzeit eine 
Selbstaaslese der Kandidaten bedentet. Nichts ist wirksamer, als wenn eia 
Kandidat 8 Jahre draaßen ist and sieht: Ich tange nicht zom Amtsarzt, and 
sich sagt: Ich mache das Examen nicht mit. Wenn namittelbar nach dem 

S raktischen Jahre das Examen gemacht wird, so dringen sich solche heran, 
ie nicht Bezirksirzte and Amtsirzte werden wollen, sondern die das Examen 
als Dekoration and als Erwerbsquelle benutzen. Ich mochte die Selbstansleee 
recht sehr betonen. Es geht mich zwar nichts an, aber ich glaube, wenn die 
Joristen in dieser Beziehung vorangingen, so bitte das vielldcht aach einen 
Erfolg. Was nun die Qegenstinde betrifft, aus denen geprüft werden soll, 
so meine ich — ich bitte mich nicht zu steinigen — die Bakteriologie, wie 
sie jetzt getrieben wird, and ebenso die Nahmngsmittelohemie würden eine 
Einsehrinkang rertragen; dagegen, meine ich, sollte Oewerbehygiene 
viel mehr betont werden. Der größte Teil von uns, ich kann das rohig sagen, 
nach Ton mir selbst, ist, was gewerbehygienische Dinge betrifft, ganz radin 
hinaasgekommen and maßte sid erst mttäam die Kenntnisse aneignen. Wenn 
man dann plötzlich Tersetzt wird in einen anderen Bezirk, wo andere Gewerbe 
sind, so darf man wieder als alter Mann mit grauen Haaren ron fom ob» 
fangen. Man hat an der üniversitit and im Physikatsexamen fast gar nichts 
dayon gehOrt Sodann halte ich es für sehr notwendig, daß die SoziaU 
ge setz ge bang besser betont wird. Wir Bezirksirzte werden einmal die 
Triger der Soziadgesetzgebung — hoffentlich — werden, and wenn wir das 
werden wollen, — und es ist sehr notwendig, daß wir das werden —, dann 
müssen wir auch die nötigen Kenntnisse mitbringen und die können wir uns 
nicht an der UniTersitit aneignen, sondern nar im Physikatsexamen. Sodann 
mochte ich noch ein Spezialthema von mir betonen. Ich glaube, daß der so- 
künftige Bezirksarzt auch Soziologie treiben soll; er soll auch demo¬ 
graphische Stadien treiben. Der geriehts&rztliche und bezirksirstliche 
Stand muß, soll er seine Aufgabe erfüllen, die jeweilig herrschenden Elrank- 
heiten bek&mpfen. Und da sind es weniger die Infektionskrankheiten, die an 
nnserm VolkskOrper nagen, als die ans unseren sozialen Verh&ltnissen herror- 
gehenden Zustinde. Die sind es, die dem bayrischen Volk stark gefihrlieh 
werden; die woUen wir bek&mpfen, und dazu bedarf es soziologiseher and 
Tor allem demographischer Studien. Ich freue mich onendlich, daß endlich 
einmal der Professor der Hygiene in München, Dr. Gräber, diesen Gegenstand 
«uiz Torzüglich betont und die Aerzte auf derartige Stadien hingewiesen hat. 
Das w&re das neue Feld, das wir bebauen müssen, und ich bin überzeugt, 
daß wir da dem Staat und dem allgemeinen Wohl ^el mehr nützen werden, 
als wenn wir rielleioht nur einen «mer zwei Desinfektionsapparate mehr auf* 
stellea. Also ich mochte bitten, daß diese Erweiterung der zukünftlgra Auf¬ 
gaben des Bezirksarztes betont wird. In dieser Beziehung stimme ich auch 
ToUst&ndig dem bei, daß die Fortbildnngskarse für den Amtsarzt 
absolat notwendig sind. Auch hier glaube ich, daß der bakteriologisehe Kurs 
seine Aufgabe eigentlich nicht erfüllt hat; wenigstens bei mir hat er sie ni^ 
erfüllt, das kann ich ruhig sagen. (Heiterkeit.) Ich habe nie mehr Bakte* 
riologie getrieben '.und konnte sie [nicht treibM, und Sie werden es ebenso 
gem^t naben. 

Was non den Amtsarzt bd den Amtsnrichten, den sogenannten 
,Amtsgeriehtsarst* betrifft, so stimme loh dem Kollegen Schütz Tolt 
ständig beL Auch ich halte ihn für überflüssig. Ich habe in Lindau j&hrlieh 
18—20 ärztliche Termine beim Amtsgericht abzuhalten; mein Stellrertreter 
in Weiler hat noch weniger; ich sehe wirklich nicht ein, warom dafür ein 
eigener Amtsarzt anfzustellen wäre. Das einzige, was er hat, ist 'die Be¬ 
sorgung der Gefängnisse. Ich bin non nicht so engherzig, ich ww ihm audk 
die Impfung dazu geben, aber eine eigene Amtsarztkategone dafür anteistellen, 
dafür bin ich nicht, schon ans taktischen Gründen nicht. Ich glaube, wenn 


wir zn Tiel yerlangen, wenn wir den Amtsgerichtsarzt noch in die Organisatious- 
frage hineinwerfen, daß dann die Herren Juristen, die ja zu entscheidea haben, 
sagen: „die Herren Bezirksärste yerlangen zn del,** and sie geben uns noch 
wmiiger. 



Der emti&iitUehe Dienet in Bejem. 


160 


Bfaudne Seehen ron geringerer Bedeatong will loh nielit beeendere herror- 
heben. Ich will nur noch au den Beiirkearit epeiiell kommen and will Ihnen 
da meine Erfahmngen mitteilen. Sie sind ja allerdings erst 7 Jahre alt, aber 
es ist das immerhin schon etwas. H. H.t Ich habe die Erlabrang gemacht, 
daß ^e EzekatiTe in der bayrischen MedisinalTerwaltang viel sa wflnschen 
übrig läßt. Wenn wir ein Oatacbten hinaosgeben an einen Bürgermeister, so 
kommt es mit regelrechter Sicherheit innerhalb 24 Standen sarüek: irt 

alles ToUzogen.* Geben wir ans aber die Mühe and gehen hinaas, so flnden 
wir, es ist gar nichts rollsogen. arbeiten, wie der Kollege Wille ein¬ 
mal gesagt hat, in dieser Besiehong bloß aal dem Papier and Termehren nor 
onsere Geschiftssiffem. Wenn wir die Medisinalpolism heben wollen, so maß 
der Amtsarzt die Berechtigong haben, die Ezekatire za überwachen and in 
gewissen Fällen maß er dann eingreilen dürfen. H. H.] Das hat das „or¬ 
ganische Edikt* nach schon yorgesehen. Das organische Edikt ist überhaapt 
das Master, and ich würde fast empfehlen, sagen Sie: „Wir wollen wieder 
das orgu^che Edikt* (Zorof: Wir haben es jal*); aber dorchlOcbert; es gilt 
nicht mehr, es ist immer wieder dorch eine neae Verordnong yon Ministeriom 
and Bet^erang darchlQchert. Und wenn wir aaf Grand des organischen Edikts 
yorgehen wollen, so gibt ans die Yerwaltangsbehürde sar Antwort: „das 
gilt nicht mehr*. Das organische Edikt sah z. B. die Ezekatiye des damaligea 
Bezirksarstes gewissermaßen yor, indem es sagt, wenn seine Anordnong nicht 
dnr^geführt werde, habe er das Becht, bei der höheren Stelle Beschwerde 
za erheben. Nach dem Edikte war der Kontakt zwischen Gerichtsarzt and 
Krdskommissariat ein yiel stärkerer. Beate bleibt fast alles beim Brairks- 
amte stocken. Die Kompetenz des Verwaltongsarstes ist selbst in Dingen 
eingeengt worden, in welchen der Amtsarzt die Entscheidang gibt Ich glanbe 
an^ daß mit der Seachenbekämpfang — das bat ja aach Becker yorhin 
aasgeführt — yiel prompter yorgegangen werden maß. Was non das Me- 
dlzinalamt betrifft, so kann aach Uer die Statistik Aafschloß geben. Ueber- 
haapt über die Statistik da wäre manches za sagen. Ich habe die Personal¬ 
akten darcbgenommen and gefanden« daß im Bnirk Lindaa die 98. Person 
ebe Medizinalperson ist: Aerzte, Pfascher, Apotheker, Leichenschaoer, Des¬ 
infektoren, Hebammen and so geht es fort ^n die yielen I^rankenwärter, 
die Landlarankenwärter and andere. Also jede 98. Person im Bezirk Lindaa 
ist eine Medizinalperson. (Zorof: Geprüfte?) Ich glaabe, wir müssen doch 
einmal daran gehen, diese anter eine gewisse Oberherrschaft za bringen. 
Unsere Berofsnankenwärter sind noch ganz ohne ^le Aofsicht Man weiß 
eigentlich nicht, was man mit ihnen anfangen solL Mit den Desinfektoren ist 
es gende so, and da meine ich, sollte der Bezirksarzt die Personalyerhältnisse 
in seinem Bezirk nnter sich halmn. So passiert allerlei. Wir sind immer aof 
das Ermessen and das Wohlwollen der Verwaltongsbeamten angewiesen. Wenn 
Sie einen etwas energischen VerwaltangsbeMnten haben, der aaf seine Aatorität 
eifersüchtig ist ^uin wird er dem Bezirksarzt Schwierigkeiten machen. So 
ist es mir yorgekommen, daß ein Anschreiben an die Hebammen einfach nicht 
hinaosgeben sollte, weil das Sache des Bezirksamts seL Also es gibt da 
immer gewisse Schwierigkeiten, and daher ist es anbedingt notwendig, daß 
eine Dienstanweisong an die Behörden heranskommt in welcher die 
Berechtigong der Bezirksärzte festoelegt wird. Dagegen bin ich aof den Titel 
^Modizinalamt* nicht yersessen. Für Amtstage bin ich nicht; ich glaabe, 
wir haben kein Materiü dafür draoßen. 

Schließlich mOchte ich Urnen noch eine geschichtliche Zasammenstellang 
wegen des Gehalts der Bezirksärzte machen: 1808 hatte der Bezirksaizt 
wie der Assessor UI. 0. jährlich 600 fl, 1864 hatten beide 800 fl: immer waren 
die Assessoren UI. 0. and der Bezirksarzt gleichwertig bis 1872. Da gehen 
aof einmal die Gehälter aaseinander, der i^essor bdtommt 1000 fl and der 
Bezirksarzt behält seine 800 fl and bekommt bloß zwei Vorrückangen, während 
der Assessor ononterbrochen Vorrückangen bekommt 1876 wird der Gehalt 
in die Markwährong amgewandelt, der Bezirksarzt erhält 1800 M., der Assessor 
2280 M. 1892 bekommt der Bezirksarzt 180 M. dazu, bleibt aber immer hinter 
den Assessor, dem er orsprünglich yor 100 Jahren gleichgestellt war. Ich 
glaabe, da sollte die Staatsregierong sagen: Es ist doch gar keine 
Veranlassong da, daß der Gehalt des Beiirksmtes diese Schwankong macht 
Die Gehaltsyermehrong ist doch deehalb gekommen, weil die Lebensmittel 



170 


Diskimion sn dem Vortrag: 


teurer geworden sind. Ja die sind aaeh IQr uns teurer geworden, nicbt bleS 
für die jarlstisehen Verwaltnngsbeamten. Ich glaube aber, dafi man Ober die 
gewöhnliche Teuerungssulage hinansgehen soll und swar ans *ll g«infti« wirt¬ 
schaftlichen Gründen. M. H. I Wir leben seit 1872 ln einem Zustand, in dem 
unten im Volk der £ampf um das Leben immer leichter und oben immer 
schwerer wird. Es findet ein außerordentlicher Dmck nach oben statt, 
und die Folge dieser allgemein wirtschaftlichen Verhältnisse ist, daß die 
oberen Stände nur mehr dann leben können, wenn sie mit ihrer Toliständigen 
Persönlichkeit sich hineinlegen. Die praktischen Aerzte haben roUständig 
recht, wenn sie uns aus der Praxis berausdrängen; denn sie wollen a^m 
leben, und das Leben eines praktischen Arztes ist keineswegs so rosig. Des¬ 
halb drängen die Aerzte die Amtsärzte, die sich nicht mit ihrer ganzen Per¬ 
sönlichkeit hineinlegen können, aus der Praxis heraus. Also ich glaube, daß 
die Tendenz der^ Entwicklung zum Tollbesoldeten Amtsarzt geht. Wenn ich 
aber trotzdem nicht dafftr bin, sondern den Sätzen Beckers zustimme, so 
sind taktische Gründe für mich maßgebend, weii ich glaube, daß die Zeit da¬ 
für noch idcht gekommen ist und wml der prazislose Amtsarzt andere, große 
Schattenseiten hat. Also ich bin im großen und ganzen schon für die Vor¬ 
schläge Beckers, aber in einzelnen Dingen hätte ich sie andern gefaßt 
gewünscht. 

Bezirksarzt a. D. Dr. Gaill-München: Ich hätte gewünscht, daß im 
VII. Abschnitt der Becke rachen Vorschläge, wo Ton den Befugnissen die 
Bede ist, welche den Medizinalbeamen zur selbstständigen Behandlung zu- 

f ewiesen werden sollen, auch die Schule Erwähnung gefunden hätte, ln 
er Stadt geschieht ja für die Schule Tiel, aber wie es um die Schulkinder 
auf dem Lande bestellt ist, weiß jeder der Herren Tom Lande am besten. 
Darüber, wie es in dieser Bichtung gemacht werden konnte, hat der Ter- 
storbene Kollege Wille einen längeren Aubatz TerOffenUidit, der glaube 
ich, als Bichtschnur dienen konnte. Vielleicht kann Dr. Becker diesen 
Passus seinem Bef erat noch einfOgen. 

Beg.- und Ereis-Med.-Bat Prof. Dr. Messerer-München knüpft an die 
Aenßerungen einiger Vorredner an und äußert Einwendungen hinsichtlich 
der mikroskopischen Untersuchungen durch die Landgerichtsärzte, der üeber- 
führung der Landgerichtsärzte in das Bessert des Justizministeriums und 
der Austeilung eines Medizinalreferenten in diesem Ministerium. 

Landgerichtsarzt Med.-Bat Prof. Dr. HoCmann-München: Anschließend 
an die Ausführungen des Herrn Ereismedizinalrates mOchte idi zunächst be¬ 
merken, daß ich mit seiner Behauptung, ein Beferent über Medizinal¬ 
angelegenheiten im Justizministerium sei überfiüssig, einTerstaaden 
bin. Ich kann mir auch nicht Torstellen, daß er Tiel zu tun hätte. Im 
Scherz habe ich über eine solche Stelle schon Tor Jahren, namentlich mit des 
Staatsanwälten, mit denen ich häufig Torkehre, gesprochen und dabei immer 
so durchblicken lassen, daß ich mich eigentlich für eine sehr geeignete Per¬ 
sönlichkeit für diese Stelle halte. Nnn das war nichts weiter als ein Scherz; 
ich glaube nicht, daß es notwendig wäre, einen Beferenten für Medizinal- 
angelegenheiten im Justizministerium ansustellen. Aber das war eigentlick 
nidit der Grand, warum ich noch einmal um das Wort gebeten habe, sonders 
ich mochte mir einige Aeußernngen erlauben über das Physikatsezamen, 
schon aus dem Grande, weil ich wohl der einzige unter den anwesenden 
Herren bin, der aus Erfahrung sprechen kann, also zur Erörterung dieser 
Frage gewissermaßen kompetent bin. Ich wollte eigentlich darüber auch nicht 
sprechen, weil ich annahm, das würde Herr Geheimrat Dr. T. Grashey W 
sorgen. Nun ist Herr Geheimrat nicht mehr anwesend, es bleibt also nichts 
übrig, als daß ich mich dazu äußere. 

Es dürfte Tielleicht den meisten der Herren bekannt sein, daß die 
Prüfungsordnung Ton 1876 schon in allernächster Zeit einer Beiision unter¬ 
zogen wird, und zwar dürfte der Entwurf dem im Dezember zusammentretenden 
erweiterten Obermedizinalansschusse zur Beratung Torgelegt werden. Ich scdiließe 
das daraus, weil ich und Tielleicht auch andere der.anwesenden Herren dazu 
aufgefordert wurden, Gutachten über diese Frage dem Ministerinm Torzulegen. 
Auä ans mündlichen Mitteilungen des Herrn Geheimrats Dr. t. Graß hey 
ich, daß im nächsten Obermedizbalansschusse diese Frage zur l^raehe komma 



Der amteärstiidie Dienet in Bajem. 


171 


eolL Non wie hat eich Herr Dr. Beeker zu dieser Frage geetelltP Es 
handelt sich znnichst einmal um die zweijUirige Wartezeit. Herr Kollege 
Qrafll ist dafttr. Die Gründe, die Becker dagegen anführte, sind wohl za 
beachten. Namentlich hat es mich als Examinator immer einigermaüen an* 
ansenehm berührt, daß der Kandidat, der 1 bis Vjt Jahre draaflen war 
and sich notdürftig eine Praxis erworben hatte, jetzt aof 8 Monate nach 
München sollte; was er mit Fleiß and Mühe zosammengebracht hatte, gins 
häafig wieder Terloren, oft aach, wenn er einen kostspieligen Vertreter aof* 
gestellt hatte. Anderseits müssen die Herren doch aach bedenken, daß das 
Stadiam der Medizin jetzt wesentlich yerlingert ist; wir haben jetzt 10 Se> 
mester and dazu das praktische Jahr, also 6 Jtmre. Ich wäre deshalb schon dafür, 
daß gestattet würde, schon im ersten Jahre nach dem zarttckgelegten prak« 
tischen Jahre das Physikatsexamen za machen. Das ist meine Ansicht 

Dann warden aach die Vorbereitangskarse and die Prüfung selbst 
beanstandet. An den Vorbereitangskarsen bin ich auch stark beteilig Man 
sagte, sie genügen nicht, and dabei wurde mein Name zwar nicht ausdrücklich 
genannt, aber man konnte zwischen den Zeilen lesen, daß ich damit gemeint 
bin. Die Tadler waren immer so nachsichtig, zu sagen, daß mir eigentlich 
kein Vorwurf gemacht werden kOnne, es liege yielmebr im Institute selbst 
oder richtiger im Mangel eines Institutes, daß ich nicht mehr geleistet habe 
Ich mochte hier gleiä bemerken, daß die Errichtung und Erbauung eines. 
Instituts für gerichtliche Medizin absolut notwendig ist und zwar schon in 
nächster Zeit. Ich spreche nicht für meine Person; denn ich würde keinen 
großen Nutzen mehr davon haben. Was aber die Vorbereitnngskurse betrifft, 
von denen Becker meint, sie sollten obligatorisch sein, so maß ich sagen, 
daß ich in dieser Beziehung mit Kollege Becker nicht einverstanden bin. 
Unter „obligatorisch“ ist wohl za verstehen, daß Jeder die Korse durch* 

g emacht haben muß, der zum Examen zugelassen werden will. (Dr. Becker: Ja.) 

>r. Becker ist aach der Ansicht, daß die Kurse sehr wertvoll für das künf* 
rige Leben seien und nicht bloß 2 */> Monate, sondern 4 Monate dauern sollen. 
Iw kann mich nicht damit einverstannden erklären, daß die Kandidaten nach 
München kommen müssen, um hier die Kurse durehzumachen; es muß ihnen 
überlassen bleiben, ob sie sich ihre Kenntnisse für das Examen in Erlangen 
oder Würzburg oder sonstwo erwerben wollen. Und wenn mir einer ss^: 
„ich habe mir mein Wissen für das Examen in meiner Weise erworben“, so 
maß sich das der Examinator auch gefallen lassen. Ich habe hinzozofttgen, 
daß ich wiederholt schon jüngere Kollegen geprüft habe, die weder einen Kurs 
in Erlangen noch in Würzburg, noch hier durchgemacht hatten und die 
recht gut, einzelne sogar vorzüglich bestanden haben. Also, damit, daß der 
Besuch dieser Kurse obligatorisch gemacht werde, kann ich mich nicht ein* 
verstanden erklären. 

Nun noch ein paar Worte über die schriftlichen Prüfungsaufgaben; 
da bin ich auch nicht so ganz mit dem Beferenten einverstanden, aas dem 
einfachen Grunde, weil die Waffen mitunter ungleich verteilt sind. Ein prak¬ 
tischer Arzt in einem kleinen Orte und ein Arzt in München leben doch unter 
sehr verschiedenen Verhältnissen; nun kann der Arzt an einem kleinen Orte 
eine ziemlich schwere Aufgabe bekommen — das wird ja durch das Los be¬ 
stimmt — und der Münchener eine relativ leichte. Diese Ungleichheit mdchte 
ich beseitigt haben. Aber trotzdem ist ans den schriftlichen Arbeiten manches 
zu erkennen; ich habe von Leuten, die auf dem platten Lande draußen ^d, 
ausgezeichnete Arbeiten gelesen und ich nehme an — sie haben ja die ehren- 
wOrtliche Versicherung abgegeben —, daß sie selbständig gearbeitet haben, 
and ich habe Arbeiten von jungen Kollegen in einer Universitätsstadt gelesen, 
die fast unter der Mittelmi^igkeit standen. Man kann aus der schrÖtUchen 
Arbeit doch erkennen, wie der Kandidat sich schriftlich auszudrücken weiß 
und wie weit er sich in die betreffende Frage hineingearbeitet hat. Auch 
darauf ist Wert zu legen. Ganz mOchte ich deshalb die schriftlichen Auf¬ 
gaben nicht missen, obwohl ich mir nicht verhehle, daß an diesem Prüfungs¬ 
abschnitt manches geändert werden könnte. So viel über das Examen I 

Zu dem Beferate des Herrn Dr. Becker im allgemeinen mOchte ich 
noch einige Bemerkungen beifügen. M. H.I Ich glan^, wir brauchen uns 
nicht zu sehr darüber za eroilern, was an den Vorschlägen Beckers aas- 



172 


Diakossioa m dem Vorträge: 


zoeetBeo ud wm Booh UiunuiuetieB wire; wir wollen bedenkeL dnS ee dd 
nnr um Voraehlige handelt, die nodi dnrdigesiebt werden, wobei Tielleieht 
manches andere unten heraoskommt als das, was oben in das Sieb hineiBgelegt 
wurde (Heiterkeit). Nach meiner Ansicht sollte das Beferat, so wie es rot- 

S »tragen wurde, aem Ministerium yorgelegt werden mit dem Beifflgen, dafi 
e Mehrzahl der Amtsirste im wesentlichen damit einTerstanden üt. Wir 
mttssoB dann abwarten, was die zustindige Stelle uns darauf antwortet. (Kreia- 
medizinalrat Dr. Messerer: Sie sprachen aber gerade ge^^ Becker, 
Sie können also doch nicht sagen. Sie seien im wesentlichen mit dem Beferat 
einTerstandenI) Ich habe gesagt: ^im wesentlichen*. Das ist doch kein 
wesentUcher Punkt, ob die scbriftlidien Prttfungsaufgaben beibehalten werden 
oder nicht Also ich meine, wir sollten das Beferat Torlegen, wie es ist und 
hinznfttgen, daß die Tersammelten Kollegen, abgesdten Ton nebens&cblichea 
Dingen, mit den Vorschligen Beckers einverstanden dnd. Das ist mein 
Antrag. Wenn ich auch nicht in allen Punkten mit Becker hbereinstimme, 
so erachte ich das nicht für wichtig genug, um das ganze fallen zu lassen 
Ich mochte noch anfragen: Wie steht es denn mit dem Medizinal* 
beamtenblatteF Das hat Becker nicht erw&hnt. (Becker: Bezflglkh 
dieses Punktes ist nnr die Motivierung nicht mehr vorgetragen woäen, 
der Antrag selbst bleibt bestehen). Dann habe ich nichts Weiteres mehr 
zu sagen. 

Bezlrksarzt Dr. Schütz «Vilsbiburg: Der Herr KreiBmediziBalrat Dr. 
Messerer hat die BefOrchtung ansgesproehea, es mOchte der Wechsel zvrMchcn 
Landgerichtsarzt nnd Bezirlnarzt künftig ein so sdiwerer werden, wenn die Land- 
gerichtsürzte dem JusUzministerinm unterstdlt werden. M. H.: Ich habe in 
meinen Bezirk eine Erfahrung gemacht, die dafür spricht, daß diese Qefahr 
bttreits besteht. Ein Herr, der 1905 das Pbysikatsezamen gemacht hatte, wurde 
zum Gefängnis- nnd Znchthansarzt in Kaisheim berufen, tud bei dieser Gelegen- 
hdt wurde ihm im Justizministerium bemerkt, er mOge sieh die Sache sehr 
überlegen; denn es würde künftig dafür gesorgt werden, daß die Herren, die 
einmal bei der Justiz sind, auch dabei bleiben, nnd das Ueberginge nicht mehr 
stattfinden würden. (Zuruf: wenn man das nur schon früher getan hätte!) 

Sodann mOchte ich mich noch über einige andere Dinge anssprechea, 
die vielleicht von Wichtigkeit sind, in erster Linie über die (Qualifikation 
der Bezirksärzte. Ich habe mich gestern schon in der VorstandssHzung 
darüber geäußert, nnd da wurde mir allerdings gesagt, daß die Bezirlaamt- 
männer, also die koordinierten Beamten des Bezirksamts, nnr berechtigt seien, 
die sog. äußere Führung, die gesellschaftliche Stellung der Bezirksärzte zu 
qnalifitieren. M. H.! Ich glaube, daß vielleicht diese (QuaUfikationsbefugnis doch 
hie und da etwas überschritten wird; es wäre deshelb sehr am Platze, bei dieoer 
Gelegenheit an das Hohe Staatsministerinm auch die Bitte zu stellen, es mochte 
die Qualifikation der Bezirksärzte künftig nnr noch durch die übergeordnete 
Begierung im Einvernehmen mit dem Kreismedizhialrat stattfinden. 

Von den anderen Punkten mOchte ich noch erwähnen die sog. Kom- 
misionen der Bezirksärzte. Sie wissen alle, m. H., daß wir die Kommissionen 
nur dann madben kOnnen, wenn wir zuerst mehr oder weniger bittend an den 
Ghef der Verwaltungs^Orden uns wenden oder ihm die Sache schriftlich 
unterbreiten. Wir und also in dieser Beziehung nur von der Gnade der 
Bezirksamtmänner abhängig; es dürfte sich daher, um eine größere Freiheit 
der Bezirksärzte zu ermöglichen, sehr empfehlen, auch die Ktte zu stellen, 
daß für die Bezirksärzte ein Beiseaversum eingesetzt wird, das vielleicht am 
Anfang anf 20 - 25 Dienstfahrten festgesetzt nnd dann je nach der Ana- 
dehnnng des Dienstes durch Zunahme der Geschäfte später noch erweitert 
werden konnte. 

Sodann mOchte ich noch einmal anf die Amtsgerichtsärste znrtck- 
kommen nnd zwar deshalb, weil ich sie noch aus zwei weiteren Grinden für 
überfiüssig erachte. Erstens, weil der Bezlrksarzt ja jederzeit berechtigt ist, 
die Personen, die er auf Veranlassung des Gerichts untersuchen muß, voran- 
laden, nnd dann auch, weil die sogenannte ggefännisärztilche Tätigkeit, 
die ja jetzt schon zum Teil den beziwärztiichen Stellvertretem nach dem 
einzelnen Falle bezahlt wird — nur bei den sog. remunerierten SteUen, die 
bereits ein Fixum haben, muß es umsonst gÜMhehea , weil diese gn- 



Der untelntUehe Dienst in Bayern 


178 


jttngnisäntliebe Tätigkeit auch von den dortigen praktischen Aenten be> 
sorrt werden kann. Endlich glaube ich, daß ebe Besetsnng dieser 
SteiUen teilweise unmöglich wäre, weil der Verdienst dieser Amtsgerichts- 
ärste wahrscheinlich so gering sein würde, daß kein Kollege, der pro 
physicata tgcprtlft ist, sieh auf eine solche Stelle setsen wird, an der bereits 
ein Arzt i^ der schon die ganze Praxis in Händen hat. Er yerdient also 
Tätigkeit am yoUtOnender Amtsgeriehtsarzt yerdient. Deshalb glaube ich, 
nichts mehr außer dem, was er alleafalls als Fixum oder durch seine 
daß dieser Amtsgerichtsarzt überhaupt praktisch unmöglich ist. 

Besirksarzt Dr. Henkel «München: Auf yiele Dinge, die noch zu be¬ 
sprechen wären, kOnnen wir uns heute nicht mehr einlassen, dieselben wurden 
au^ zum Teil gestern schon in der Vorstandschaft besprochen. Ich mochte 
aber doch yersuchen, einen gewissen Abschluß herbeizuführen. Wir haben 
bereits gesagt, daß über die Vorschläge, die uns Dr. Becker gemacht hat, 
yerschiedene Meinungen yorhanden sind. Da gewiß niemand im Zweifel 
darüber ist, wie wichtig die ganze Sache ist, so werden wir wohl nicht darüber 
hinwegkommen, weiterhin noch darüber in Fühlung zu bleiben, zu beraten 
und zu beschließen. Es wird aber auch niemand yerkennen, daß es yon großem 
Vorteil wäre, gewiß ist das auch der dringende Wunsch yieler Eolle{^, 
wenn diese Arbeit baldigst auch der Staatsregierung zur Kenntnis käme. Ich 
mochte daher yorschlagen, zu beschließen: 

„Die Versammlung stimmt darin überein, die wichtigen sachgemäßen Vor, 
schlage Dr. Beckers zur Beform des amtsärztlichen Dienstes in Bayem- 
wie sie in den Leitsätzen zum 8. Punkt der Tagesordnung dargelegt sind, 
der k. Staatsregierung in Vorlage zu bringen und erachtet es für Pflicht, 
diese Vorschläge innnerhalb des Medisinubeamtenyereins in weitere sin¬ 
gende Beratung zu ziehen.* 

Es wird die Sache des Vorsitzenden der Landesyersammlung sein, die 
Kreisyereine zu hOren. 

Bezirksarzt Dr. Bßtf-NOrdlingen I Ich glaube, wir kommen zu keinem 
Besultat, wenn wir einzelne Punkte herausgrdfen; da konnten wir noch 
stundenlang darüber yerhandeln oder noch einen sanzen Tag. Wir sollten 
deshalb nur darüber debattieren, ob wir eine BesMUtion annehmmi wollen, 
wie Kollege Dr. Qruber anfangs yorueschlagen hat, oder ob wir dieser 
Besolution eine andere Fassung geben sollen. 

Vorsitiender: Ich mochte bezüglich der yom Kollegen Henkel yor- 
geschlagenen Besolution nur bemerken: Wo sollen wir denn mit den B^ 
ratungen noch hinP Die Kreisyersammlungen haben ja schon beraten, dne 
weitere Beratung kann es nicht geben. Es muß doch an eine Besolutiim 
gedacht werden; jedenfalls legt die Vorstandschaft das größte Gewicht darauf, 
daß eine solche Besolution einstimmig angenommen wird. Es muß doch mOgUch 
sein, eine solche Fassung zu finden. Ich glaube, Herr Dr. Gruber hat 
eine neue Besolution redigiert. 

Bezirksarzt Dr. Gruber-München: M. H.I Die Voraussetzungen, auf 
Grund deren ich und Dr. Hof mann eine Besolution yorgeschlagen haben, 
haben sieh als nicht richtig erwiesen. Es muß also die Besolution wohl 
anders gefaßt werden. Es kommt doch darauf an, daß im großen und ganzen 
die Uebereinstimmnng der Meinungen zum Ausdruck kommen soll. Aul 
die einzelnen Dinge einzugehen, ist ja nicht möglich. Der eine oder 
andere meint, ans taktischen Gründen solle man nicht zu yiel yerlangen; 
~ ja, M. H., ich habe bisher immer die Erfahrung gemacht, daß ich leider 
Gottes zu wenig yerlangt habe. Weniger habe ich immer bekommen. So 
wird es hier auch gehen. Kollege Henkel hat nun eine Fassung in Vorschlag 
gebracht, in welcher gesagt ist, der Verein solle sich auch ferner mit der Materie 
beschäftigen. (Dr. Henkel: „Ich meine nur, es sei unabweislich, daß über 
ue yerhältnismäßig doch wenigen Punkte, bezüglich deren wir nicht einig 
wd, wir uns doch einigen müssen, also infolgedessen später noch zu einer 
Beratung zusammentreten.*) M. H.t Das gleiche steht ja in meinem Antrag, 
wo M am Schluß auch heißt: Die Versammlung beauftragt ferner die Vor- 
«k die weitere Entwicklung dieser Frage zu yerfdgen, zur Beratung 

über ue einzelnen Sparten des Medkinidwesens das Material zu sammeln und 
yorsubereiten, sowie die hieraus sich ergebenden Anträge auf die Tages- 



174 


DitkusioB SU doB Vorträge: 


ordBOBg der BlchateB LaBdenTersanuBlaBgeB m eetiee. Deiait üt geeegt, 
deB heute eicht das letzte Wort io dieser Angelegenheit gesprochen sem solL 
Betreffs meiner Besolution habe ich jedoch die Ueberzengung gewonnen, daß 
diese in dieser Form keinen allgemeinen Anklang findet. Vielleicht ließe sich 
das, was zum Ausdruck kommen soll, in folgender abge&nderter Form zu* 
sammenfassen: 

«Die 4. LandesTersammlnng des bayerischen Medizinalbeamtenyereins erklirt 
sich mit den Leitsttzen über den amts&rztlichen Dienst im Königreich Bayern 
insoweit einrerstanden, als sie in ihnen eine geeignete 
Grundlage für eine Medizinalreform erblickt. Sie beauftragt 
ilqre Vorstandsehaft usw.* 

Bezbksarzt Dr. Sehfitz*Vilsbiburg: Ich glaube doch, daß in der Be* 
Solution klar ansgedrttckt sein soll, daß es noch Differenzpnnkte gibt, daß 
also die Versammlung nicht über alle Punkte einig war. Sonst h&lt sich die 
k. Staatsregiemng einfach an diesen Entwurf und wir haben dann das Nach¬ 
sehen. Es muß klipp und klar ausgedrückt sein, daß es noch Differenzpnnkte 
gibt, die in einer künftigen Landesyersammlnng, welche bald einznlmrufea 
wire, noch geklart werden müssen, sonst sbd wir gebunden. 

Vorsitzender fr&gt an, ob nicht aus der Versammlung heraus ein Vor¬ 
schlag gemacht werde, der diesen Anschauungen Bechnnng trage und eine 
einmütige Annahme der Besolution ermögliche. Sodann teiit er den yom 
Beferenten selbst eingefügten Zusatz mit. Danach würde der erste Satz 
der Besolution lauten: 

«Die Versammlung.erklirt sich mit den Leitsitzen insoweit ein- 

yerstanden, als sie in ihnen eine geeignete Grundlage für eine Hedizinal* 
reform erblickt, unbeschadet yon Meinnngsyerschiedenheiten 
in einzelnen Punkten.* 

Bezirksarzt Dr. Schfitz-VUsbiburg: Hier müßte noch hinzngefflgt werden: 
«Die baldmöglichst durch eine Landesyersammlnng geklart werden soUmi.* 
Das muß bald geschehen. 

Versitzender: Es heißt ja in der Besolution ohnehin, daß die Ver¬ 
sammlung die Vorstandsehaft beauftrage, die Sache weiter zu behandeln. 

Dr. DoUmann-München: Ich mochte an Herrn Dr. Schütz direkt die 
Frage richten, ob derselbe bstimmt auf dieser Form besteht; er würde daiia 
eine große Sch&digung der Besolution nach außen hin erblicken. Daß wir 
über einzelne Punkte innerhalb des Medizinalbeamtenyereins nicht ganz einig 
sind, wurde ja ohnehin schon ausgesprochen, aber einer amtlichen Behörde 
gegenüber muß yon yomherein klar und bestimmt zum Ausdruck gebracht 
werden, daß es nicht etwa große Differenzen sind, die den ganzen Aufbau in 
Frage stellen. Da wäre es schade darum, daß wir heute darüber so lange 
Zeit yerhanddt haben. 

Bezirksarzt Dr. Blanalt* Würzburg schlägt yor, die Besolution ansn* 
nehmen bis auf den letzten Satz, daß ttber die Sache noch weiter yerhandelt 
werden solle. Man soll die Sache als etwas Fertiges der Begiemng yorlegen, 
und wenn man auch mit einzelnen Punkten nicht einyerstanden sei, so erblicke 
die Versammlung doch in dem Beferat eine Grundlage, auf welche weiter- 
znbanen ist; alles andere kOnne später noch geschehen. (Dr. Schütz: «Das 
liegt dann aber nicht mehr in unserer Hand!*) 

Bezirksarzt Dr. Diet8eh**Hof: M. H.l Ich dächte wohl, wir sollten 
die Besolution annehmen, uns im großen und ganzen mit dem Beferat ein- 
yerstanden erklären und daran die Bitte reihen, daß die Staatsregiemng 
dasselbe als Grundlage nehme und weiteres in Erwägung ziehe. Daß über 
einzelne Punkte noch Differenzen bestehen, ist ja gar niät anders möglich. 
Die Sache ist noch nicht spruchreif; wir brauchen auch nicht zu glauben, 
daß die Sache gerade so werden muß, wie es in den Leitsätzen yorgeschlagea 
ist. Ich meine, es wäre der Besolution, wie sie yorgeschlagen ist, nur noch 
die Bitte anzufügen, daß die Staatsre^emng sie zur Grundlage einer Modi* 
ztoalreform nehmen mOge und weiter die Behandlung der einz^mi Punkte in 
Erwägung ziehe. 

Bezirksarzt Dr. Alsfherg * Ludwigshafen. M. H.I Wir kOnnen der 
k. Staatsregiemng unsere Eingabe nicht unterbreiten, wenn wir nicht in der 




Der MDteirstUehe Dienet in Beyern. 


176 


Henptseche einig sind. Be iet richtig, ee wnrde ebe Beihe von Heinange- 
verechiedenheiten geänfiert, eoriel ich aber bemerkt habe, ist bloß ein emsiger 
Punkt wirklich strittig und das ist der mit den onglttcklichen oder gltlcklichen 
besirksärztlichen Steilyertretem. Die anderen hier yorgebrachten Ponkte, 
z. B. das Medizinalamt oder der Obermedizinalrat im Jnstizministerinm sind 
doch mehr organisatorische Fragen, bei denen die Staatsregierang auch noch 
andere Bttcksicbten walten lassen wird als die, welche wir t(ir wünschenswert 
halten. Diese Fragen werden ja auch bei ans nicht entschieden. Erhebliche 
prinzipielle Bedenken bestehen m. E. nar betreffs'der bezirks&rztlichen Stell- 
yeitreter. Konnten wir da nicht einen Aasweg finden and nicht ttberhaapt 
die ganze Frage der bezirksirztlichen Stellyertreter aasscheiden? 

üeber alles andere sind wir, glaabe ich, doch im wesentlichen einig. Ob 
die Staatsregierang ans Medizinal&mter genehmigt oder nicht, ist nicht so er¬ 
heblich, daß deswegen die ganze Organisation in Frage kommm sollte; fiber- 
dies werden noch Erwägangen staatsrechtlicher, jaristischer and sonstiger 
yerwaltangsrechüicher Nator darüber notwendig sein. Uns maß es genügen, 
wenn die Staatsregierang yon anseren Wünschen and Bestrebongen Kenntnis 
erhält. Ob diese sich darchlühren lassen, ist eine andere Frage. Das aber 
ist anbedingt nOtig, daß wir ans heate einigen and daß wir die Wahrhdt 
sagen, wenn wir daraaf hinweisen, daß wir einig sind. Alle formellen Be¬ 
denken können wir rohig fallen lassen im Vertraaen daraaf, daß die Staats¬ 
regierang zweifellos den richtigen Weg finden wird, nachdem wir ansere 
Wünsche mit den heate gehörten Hotiyen yorlegem* 

Ich meine also, wenn wir die Frage der bmorksärztlichen Stellyertreter 
ganz aasscheiden, so wäre dies ein Weg, am zu einem einigen und einheit¬ 
lichen Beschlösse za kommen. 

Bezirksarzt Dr. Grober-München: Ich glaabe, der Herr Kollege hat 
den richtigen Weg gefanden. Wir sind über idle wesentlichen Dinge einig, 
and von diesen wesentlichen Dingen macht eine Aosnahme nar die ^age der 
bezirksärztlichen Stellyertreter. Ich glaabe, wir sind im Prinzip aach darin 
einig, daß die Institation dieser bezirksärztlichen Stellyertreter reformbedürftig 
ist in irgendeiner Weise. Wie die Reform dann aasfallen soll, ist eine Frage 
für sich. Aber dem kann man tatsächlich zostinunen, daß diese Institation 
ebenfalls einer Reform bedarf; strittig bleibt nnr, ob an ihre Stelle Amts¬ 
gerichtsärzte treten sollen oder was sonst. 

Bezirksarzt Dr. Schütz-Vilsbibarg: Ich stimme dem Antrag Dr. Alaf- 
berg-Ladwigshafen za; ich mOchte aber den Referentea Dr. Becker fragen, 
ob er nicht fii seinem Referat die Sache mit den Amtsgerichtsärzten yoll- 
ständig fallen lassen kann. Dann sind wir einig, die andern Sachen kann 
man rohig annehmen. 

Torsitzender: Es hat sich Niemand mehr zum Wort ge¬ 
meldet; ich erteile daher dem Referenten Herrn Dr. Becker das 
Schlußwort. 

Dr. Carl Beoker-München antwortet in seinem Schiaßworte znnächst 
aof die Disknssionsbemerkongen des Herrn Kreismedizinalrates Prof. Dr. 
Messerer and führt im übrigen aas: Die Differeozpankte, die sich in der Dis¬ 
kassion hinsichtlich meiner Leitsätze and deren Begründang ergeben haben, sind 
tatsächlich gerinfügiger Nator. Es worde nichts wesentUches dagegen geltend 
gemacht, wenigstens habe ich bezüglich der Haaptfragen, der Organisation 
des landgericbtsärztiichen and bezirksärztlichen Dienstes keine wesentlichen 
Einwendongen gehört and bezüglich der GohaltserhOhnngen keinerlei Wider¬ 
sprach. In dem letzten Pankte besteht demnach eine einmütige Anffassang. 
Aof alle einzelne Pankte, die mir in der Diskassion entgegengehalten worden, 
kann ich in dem Schlußworte nicht nochmals eingehen and maß aof die Aos- 
führangen in dem Referate zurück yerweisen. 

Bezüglich des Physikatsezamens hat Herr Dr. Oraßl gemeint, 
«ß man die Zwischenzeit beibehalten solle, am eine Art Selbstaoslese der 
Kandidaten za ermöglichen. Er geht da wohl yon der irrtümlichen Voraas- 
setzang aas, daß die betreffenden Herren das Physikatsezamen unterlassen 
aas Mangel an Eifer oder infolge der Ueberzeagnng, daß sie nicht za Amts¬ 
ärzten taugen. Das dürfte in solcher Verallgemeinerang nicht richtig sein; 



176 


DiakoBrion za dem Vorbreg: 


mzaoher kommt einfzch aas aadenreitigea Abhaltongsgrlbideii nicht mehr daza; 
So kenne ich mehrere Kollegen, die das Examen recht gern ablegen weUten, 
aber daich Krankheiten in uirer Familie oder besondere Vorkomnmisse in der 
Praxis daran gehindert worden and sp&ter nidit mehr die nOtige Zeit dazn 
heraasbekamen, weil sie an ihre erst in der Entwlcklang begriffene Praxis 
fest gebonden waren, keinen geei^eten Vertreter landen, ein anderer Arzt 
sich am gleichen Orte oder in der Nahe niedergelassen hatte and sie deshalb 
nicht aal Monate Weggehen konnten osw. Es Uegt also Tiellach nicht Mangel 
an Interesse, sondern nar Mangel an (Gelegenheit Tor. An der Beseitigang 
des bestehenden zweijährigen Zwischenraoms halte ich fest and habe die 
mehrfachen Grttnde, die duttr geltend za machen sind, in meinem Beferate 
aosgeftthrt. Wenn Herr Dr. Grafil zar Begrftndang seiner ablehnenden An- 
Bchaaang in dieser Frage noch geltend macht, daß dann manche Herren die Prft* 
fang lediglich als Dekoratioasstttck oder als Erwerbspelle benatzen würden, so 
mbäte ich doch erwidern, dafi man von einem so bMoatsamen Vorgänge wie 
dem Physikatsexamen doch nicht als wie von einem bloßen Dekorationsstücke 
sprechen sollte, and daß man ja aach bei den Herren, die jetzt Bezirksirzte sind, 

3 {ens könnt^sie hätten es nar des Erwerbs wegen gemacht. Im Gegensatz za 
errn Dr. (Graßl halte ich es im Interesse der Staatsre^erong and der 
Aerzte gelegen, wenn noch mehr Kandidaten als bisher die Prüfang machen 
bezw. sich die darin geforderten Kenntnisse aneignen. 

Sodann hat bezüglich des Physikatsexamens Herr Prof. Dr. Hofmann 
eingewondet, man solle die Kandidaten ihre Kenntnisse sidi holen lassen, wo 
and wie sie wollen. Darin kaiu ich mit ihm nicht übereinstinunen. Die 
Staatsregierong hat zweifellos ein Interesse daran, wie die künftigen Amts¬ 
ärzte Torgebildet werden, daß sie sich ganz bestimmte Wissensgebiete an¬ 
eignen and daß sie die Kenntnisse, die der Staatsdienst nfordert, nicht nar 
theoretisch besitzen, sondern nach praktisch darin yOllig bewandert sind and 
alle amtlichen Untersachangen yorschriftsmäßig yomehmen kOnaen. Sofern 
die Begierang diese Aoffassong teilt, wird sie, glaabe ich, nach daza kommen, 
den Besaeh der allerdings now zweckentsprechend anszngestaltenden Vor- 
bereitnngskarse obligatorbch za machen. Tatsächlich sind sie es jetst 
eigentlich schon; denn es sind yereinzelte Ansnahmen, wenn dn Kandidat an 
denselben nicht teilgenommen hat. Es mag yorgekommen sein, daß er trotz¬ 
dem im Examen rat absohnitt; zar Begel gehört es nicht, gate Examina olme 
fleißigen Besaeh der Korse sind Ansnahmen. Uebrigeas in welchem Prüfangs¬ 
teile schneidet er dann gewöhnlich gat abP Im mündlichen. Das aUeia 
beweist noch nicht yiel für die Tflchtigkeit als Amtsarzt 

Ganz besonders hat die Diskossion angeknüpft bei den bezirka- 
irztlicben Stellyertretern, wie ich dies erwartet hatte. Befotzh’ 
bedürftig ist ihre Stellang zweifmlos, nar läßt sich schwer edne Ueberein- 
stinunang der Meinangen erzielen. Die Ansichten gehen sogar bei den Herren 
aaseinander, die gegen meine Anträge gesprochen haben. Während Herr 
Dr. Graßl den bezirkärztllohen Stellyertretern wenigstens noch die Impfangea 
überlassen will, möchte Herr Dr. Schütz sie mit Haat and Haaren m- 
essen; radikal alles will er ihnen abnehmen and einfach den Bezirlnärztea 
übertragen. Non, meine Herren, wenn das im öffentlichoi Interesse läge, 
hätte ich diesen Standpankt aach yertreten; es ist dies aber nicht der FiuL 
Herr Dr. Schütz befürchtet aas der Bebdehang der bezirlmärztlichen Stell- 
yertreter za dringenden amtlichen Verwaltangsgeschäften eine Beeinträchtigug 
der Bezirksärzte and eine Verwischang der beiderseitigen Kompetenzen. 
Schon aas den Leitsätzen and noch deatliäer aas dem Beferate dürfte aber za 
entnehmen gewesen sein, daß eine solche Befürehtong nicht begründet ist. Die 
Tätigkeit dos Bezirksarztes soll sich aaf den ganzen Umfang des Verwiltongs- 
bezirkes erstrecken, alle yerwaltongsärztlicbe Amtsgesehäfte soll er denuaeh 
selbst yomehmen; nar für drin gen de Geschäfte, we^e die Beiziehong des ans- 
wärts wohnenden Bezirksarztes nicht gestatten, soll die Beizidiong des beztrks- 
ärztlichen Stellyertreters yorbehalten bleiben. Das sollen seltene Aonahmefälle 
sein, nicht etwa solche, ln welchen ylelleicht der Bezirksarzt gerne yertreten sdn 
mag oder die Verwaltangsbehörden aas flnanziellen Bücksiebten wegen der 
Einsparang yon Kosten yon der Entsendang des Bezirksarstes Abstand nehmen 
möchten, sondern bloß solche, wenn der Brndrhsarzt selbst anderwdtig amtlich 



Der amtebstUehe Dienst ln Bayern. 177 

verhindert nnd unabkömmlich, das AmtsgesehSft aber dringend ist. Diese 
ansnahmsweise Gesehäftsaoshilfe kann die Stelinng nnd Titigkeit der Besirks> 
bste nicht beeintrichtigen. . Besflglich des ärztlicheo Dienstes bei den Amts* 
gerichten halte ich an meiner Anschaanng fest, daß ein Besirksarzt an einem 
aosw&rtigen Amtsgerichte den Dienst nicht versehen kann; gilt dies als 
ziehti|', so ist es auch notwendig, an dem betreffenden Orte einen regelmäßig 
znznziehenden Sachverständigen Öffentlich za bMtellen, einmal im Interesse 
des Amtsgerichtes, damit es einen ständigen Stachveratbidigen jedemeit zar 
Verfügung hat, anderseits im Interesse des anzostellenden Arztes. Würde unter 
mehreren ortsansässigen Aerzten nach Belieben des Gerichtes bald der eine, 
bald der andere als gerichtlicher Sachverständiger beigezogen, so hätte keiner 
ein rechtes Interesse an derartigen Geschäften; fast jMer würde, wenn es ihm 
wegen seiner Privatprazis oder aus anderen Gründen einmal nicht paßt, sich 
zu drücken suchen und einen Entschaldigungsgrand geltend machen. Wird 
dagegen der gleiche Arzt zu allen anfallenden gerichtsirstUehen Geschäften 
beigezogen, wird ihm auch der gefängnisärztliche Dienst übertragen, so be» 
teiUgt er sich mit größerem Interesse und Eifer an den geriehtsbztlichen 
Aufgaben und kann auch Erfahrungen sammeln, die ihm in seiner derzeitigen 
Stellung und bei seiner späteren Anstellung als Landgerichts* oder Bezirksant 
von großem Nutzen sind. Der Öffentlich bestellte Sachverständige sollte auch 
mit einer amtlichen Bezeichnung ausgestattet sein; weldien Titel er bekommen 
soll, darüber läßt sich streiten, schließlich kommt darauf auch nicht so vidi 
an. Der Name, den ein Kind hat, ist nicht so wichtig als seine Konstitution 
nnd körperliche Entwicklung, üebrigens ist der Titel «Amtsgerichtsarzt* 
nicht so volltönend, daß Herr Dr. Schütz sich hieran hätte stoßen müssen; 
er bezeichnet nur seine Stellung und Diensttätigkeit und gebührt daher dem 
amtlichen Arzte bei einem kleinen Amtsgerichte ebenso im dem bei einem 
großen Amtsgerichte, Es führt doch auch der Gemeindevorsteher überall den 
Ütel «Bürgermeister*, im kleinsten Orte, wie in München. 

Ich glaube also, daß die Leitsätze, wie sie bezüglich der bezirksärnt- 
liehen Stellvertreter von mir vorgetragen und vertreten wurden, die einzig 
mögliche LOsung der bestehenden unklaren und reformbedürftigen Verhältnisse 
darstellen. Ich hänge an meiner Meinung nicht so unbedin^ fest, daß ich 
mich nicht auch bekehren ließe, aber aus den heute gemachten abweichenden 
Vorschlägen habe ich immer nur das eine Motiv heransgehOrt, man nehme il^ 
alles und gebe es den Bezirksärzten. 

Was weiter den Medizinalreferenten im Justizministerium 
anlangt, so wurde entgegnet, daß derselbe keine genügende Beschäftigang habe 
und eine solche Stelle nicht notwendig sei Nun, m. H., die Sache ist doch 
so: Man kann es sich auf jedem Posten leicht und man kann es sich auch 
schwer machen, je nachdem man seine Sache ernst nimmt. Die mancherlei 
und wichtigen Aufgaben eines solchen Referenten wurden bereits in dem 
Referate dargeleg^ so daß jetzt nur ein Punkt nochmals hervorgehoben 
werden soll. An einer regelmäßigen ärztlichen Oberaufsicht und hygienischen 
Untersuchung der Gefängnisse und Strafanstalten hat es bisher gefehlt. Be¬ 
züglich der Visitation der Gerichtsgefängnisse durch die Kreismedizinalräte 
bestehen zwar Bestimmungen, doch ist eine oberärztliche Nachschau wohl nur 
selten erfolgt, nnd auch in die Strafanstalten wird, andern sie anssehlieMieh 
dem Justizministerium unterstehen, ein höherer Medizinalbeamter von sich aus 
oder zufolge speziellen Auftrags nur ausnahmsweise hineingekommen sein. 
Wenn nun ein mit medizinischen und hygienischen Kenntnimen aasgestatteter 
lOnisterialbeamter bei den einschlägigen Fragen regelmäßig mitzuwirken atd 
auch draußen periodische Nachschau zu halten hät^ so meine ich, bekäme er 
genügende Gelegenheit zur Betätigung und konnte erfolgreich wirken; 
mochte daher wünschen, daß der zuständige Ressortminister, der Herr Jnstii- 
minister sich nicht ablehnend zu diesem Punkte verhalten mOge. 

Bei dem Kapitel «Beairksärzte* und zwar bei dem beantragten Ge¬ 
schäftskreise der Medizinalämter hat Herr Dr. Henkel aasgeführt, 
daß der Bezirksarzt die Anfsieht in den dort aufgeführten Angelegenheiten 
jetzt bereits habe. Dies trifft nur insofern zu, als der Bezirksarzt die Auf- 
si<At hat im Benehmen mit der DistriktspoUaeibehOrde, allein hat er sie nicht. 
(Dr. Henkel: «0 jal*) Darüber läßt sich streiten (Zwischenruf) — an der 



178 


DlflkanioB sn den Yonreg: 


Hud der gesetalichen YoneliTifteii. Es heifit ziua Beispiel: die Beenlsichtigiiiig 
der Apotheken erfolgt dorch die DistriktspoliseibehSrde im BenehmeD mit dem 
Besirksarste. (Zaml: .Und bei den Hebammen f“) Aach bei den Hebsmmen 
wird die Au&icht dorch die DistrikspoliseibehOrde im Benehmen mit dem 
Besirksante geführt. Neu ist also an den Vorschl&gen der Leits&tse, daß 
der ganse Aaftichtsdienst in Sanit&tsangelegenheiten den Medizinalimtem 
selbständig übertragen werden solL 

Herr Dr. Schttts ist auch anf die Qualifikation der Beslrks- 
irnte durch Bezirksamtmänner und deren gegenseitige Stellung zu 

S prechen gekommen. Schon nach einer älteren Verordnung aus dem An&nge 
es Torigen Jahrhunderts sind die Gerichtsärzte den Gerichts- und Poliz^ 
behOrden koordiniert. Die Angelegenheit wurde vor mehreren Jahren auch 
in der bayrischen Abgeordnetenkammer besprochen; in der Sitzung yom 
17. Februar 1902 hielt sich der Abgeordnete Süldner darüber aci, daß 
manchmal die Qualifikation des Bezlrksarztes durch einen Bezirksamtmann 
Torgenommen werde oder in unmittelbaren Städten durch einen Bürgermeister, 
der an Dienstjahren yiel jünger sei als der Bezirksamt; es erschien ihm des¬ 
halb angemessen, wenn die Bezirksärzte den äußeren Behörden koordiniert 
würden und ihre Qualifikation wie auch bisher durch die Kreisregiemngen 
erfolge. Daraufhin erklärte der Kgl. Staatsminister Frhr. yon Feilitzseh 
— das ist wichtig, weil immer wieder anzutreffende Ansdrauungen heryor- 
treten —: 

«Der Bezirksamt ist dem Bezirksamtmann nicht subordiniert, sondern 
sie sind koordiniert, und wenn bei den Qualifikationen, die neu einyerlangt 
worden sind, weil wir eine Vereinfachung der Liste yeranlaßt haben, wenn 
hier in dem einen oder andern Fall diese Liste durch den BezirhsamtmaBB 
an den Bezirksarzt gekommen ist, so weiß ich nichts dayon. Jedenfalls ist 
durch die betreffende Ministerialentschließung keinerld Anlaß hierzu ge- 

8 eben gewesen, nloh erkläre, — so schließt der Herr Minister — erae 
ubordinadon besteht nicht und liegt auch , dem Ministerium eine diesbezflg- 
liche Entschließung yolständig fern.* 

Herr Dr. Graßl hat das organische Edikt wieder gewünscht 
Wenn er damit etwa, was ich übrigens nicht annebme, gemeint haben sollte, 
daß das organische Edikt in seinem alten Texte wieder hergestellt werden 
möge, so müßte ich dem allerdings entgegentreten. Würde man diejenigoi 
St^en desselben, die jetzt noch gelten, blau anstreichen und diejenigen, 
welche außer (Geltung oder durch neuere Vorschriften abgeändert sind, rot, 
BO käme eine merkwürdige Farbenzusammenstellung heraus. Der Zwischenmf, 
man habe das organische Edikt jetzt noch, trifft demnach fehl. Wünscht 
aber Herr Dr. Graßl, man möge den Geist des organischen Ediktes wieder 
aufleben lassen und paralell wie damals eine Neugestaltung des Medizinal¬ 
wesens durchführen, dann stimme ich ihm zu (Beif^). 

Als Beferent habe ich auch noch die Ffiicht, einige Worte bezüglich 
der Besolution zu sagen. Wenn man eine solche der Staatsregierang yor- 
leg^ muß man gewiß bei der Wahrheit bleiben und dürfte nicht sagen, man 
sei m allen Punkten einig, wenn man dies nicht ist. Einwendingen gegen die 
Leitsätze liegen yor, sie betreffen aber keine wesentlichen Punkte. Ans 
meiBeB Ausführungen geht heryor, daß nichts mir ferner liegt, als andere An- 
dehten nicht aufkommen zu lassen; ich habe die Herren sogar gebeten, ihre 
Meinung offen zu sagen, auch wenn diese eine abweichende ist. Das gibt 
es ja gar nicht, daß bei so yielen einzelnen Punkten, wie sie die Leitsätze 
enthalten, in allen eine yöUige Einmütigkeit sich erzielen läßt Es dürfte 
daher auch keinen rechten Zweck haben, schnell wieder eine Landesyersamm- 
lang einzubemfen; denn die Widersprüche, die bezüglich der bezirksärztlichen 
Stellyertreter zwischen Herrn Dr. Schütz und mir nun einmal bestehen, 
lassen dch yorerst nicht beseitigen, wenn wir auch noch zehnmal darüber 
diskutieren. Wünscht er ihre yöUige Aufhebung, so wünsche ich eine Aen- 
derung ihrer Stellung in der yorgeschlagenen Bichtung; einzelne Herren wollen 
wieder etwas anderes. Es ist ja jedem der Herren unbenommen, in der medi* 
dnischen Presse oder in der Zeitschrift für Medizinalbeamte ihre Meinung 
darzulegen. Es wird damit der Entscheidung der Staatsregiwung nicht yor^ 
gegriffen; es ist sogar recht gut, wenn diese ausdrückliai dayon Kenntnis 



Der amtsäntliche Dienst in Bayern. 


179 


erhUt, daS Aber einselne Ponkte Torsebiedene Meinangea besteben. Dies gibt 
eine viel größere Garantie dafOr, daß das, was dann endgttltig beschlossen 
and yerfttgt wird, auf genauer Kenntnis aller Hcinongs&aßerangen and ein* 
gehender Ueberiegang berobt. 

Welche der yorgeschlagenen, in ihrer Bedeatang doch yerschiedenen 
R^olationen Sie annehmen wollen, ob die yon Herrn Dr. Gräber oder jene 
yön Herrn Dr. Henkel, maß ich Ihnen ttberlassen. Nor möchte ich Sie 
bitten, die ganze Angelegenheit weiter za yerfolgen and dafttreinzatreten, 
daß das, was wir alle gemeinsam wünschen: die Aasgestaltang 
des ganzen Medizinalwesens and die Veibesserang der Ge- 
haltsyerbältnisse, auch weiter betrieben wird. Ob ans dem Be* 
giemngssiebe etwas mehr oder weniger heraoskommt, ob der eine oder andere 
kleine Pankt noch mit dabei ist, daran! kommmt es nicht so an, wenn nar 
im großen and ganzen unser bayerisches Hedizinalwesen 
einen ordentlichen Schritt macht nach yorwirtsl 

Vorsitzender: Ich bitte, sich nun schlttssig zn werden be* 
ztlgflich der Annahme einer der beiden Resolntionen. Meiner Anf- 
fassnniB: nach könnte man jede der beiden Resolntionen einstimmig 
annehmen, aber selbstverständlich muß man sich ffir eine derselben 
entscheiden. 

Dr. DoUmanii* München schlägt yor, zunächst ttber die präziser gefaßte 
Besolution yon Dr. Gräber abznstimmea, die eine raschere Erledigung der 
Sache gewährleiste als die Resolution yon Dr. Henkel, welche eine yor* 
läufige Abmmong nicht gestatte. 

Vorsitzender: Die Resolution Grnher ist auch zeitlich die 
frühere. 

Bezirksarzt Dr. Gräber*München yerliest noch einmal die Resolu* 
tion, wie er sie nonmehr gefaßt hat: 

Die 4. Landesyersanunlung des bayerischen Medizinalbeamtenyereins 
erklärt sich mit den Leitsätzen über den amtsärztlichen Dienst im 
Königreich Bayern insoweit einyerstanden als sie in ihnen eine geeig* 
nete Grundlage für eine Medizinalreform erblickt, unbeschaMt 
der Meinangsyerschiedenheiten in einzelnen Ponkten. 

Sie beauftragt ihre Vorstandsdiaft, die Leitsätze und die yom Re* 
ferenten gegebenen Erläuterungen der K. Staatsre^erung zu unter* 
' breiten mit der ehrerbietigsten Bitte, dieselbe wolle die Wünsche für die 
Ausgestaltung des amtsärztlichen Dienstes und die Verbesserung der 
' Gehaltsyerhäitnisse in wohlwollende Würdigung und Berücksichtigmig 
' ziehen und die notwendig erscheinenden Maßnahmen hierzu in die Wege 
leiten. 

Sie beauftragt ferner die Vorstandschaft, die weitere Entwicklung 
dieser'Fragen zn yerfolgen, zur Beratung über die einzelnen Sparten 
des Medizinalwesens das Material zu sammeln und yorzubereiten sowie 
die hieraus sich ergebenden Anträge auf die Tagesordnung der nächsten 
Landesyersammlungen zu setzen.* 

Auf Antrag von Bezirksarzt Dr. Frlekhlnger-Schrobenhansen 
wird vor der Abstimmung auch noch der Wortlaut der von Dr. 
Henkel beantragten Resolution verlesen, welche lautet: 

«Die Versammlung stimmt überein, die wichtigen, sachgemäßen 
Vorschläge des Dr. Becker, den amtsärztlichen Dienst in Bayern be* 
treffend, wie sie in den Leitsätzen zum 8. Punkt der Tagesordnung 
der heutigen Versammlung yorgelegt sind, der K. Staatsregierang in 
Vorlage zu bringen und erachtet es als Pfiieht, diese Vorschläge innerhalb 
des Medizinalbeamtenyereins weiter zu beraten.* 

Der Vorsitzende macht bezüglich des letzten Satzes der 
Besolution Henkel darauf auhnerksaxni schon in der 



180 


Schloß der Vergoiaialoag. 


ersten Resolution der Vorstandsehaft ein Anftrag erteilt wird, 
fflr die weitere Beratung der einzelnen Fragen das Nötige 
Yorzubereiten und zu veranlassen. Es seien jedenfalls an £e 
verschiedenen Artikel, die in Fachzeitschriften erscheinen, als 
Material gedacht, das dann zur Beratung zu dienen habe, üebrigens 
mache er darauf aufmerksam, deß man beide Resolutionen nicht 
annehmen könne, sondern wohl nur eine. 

Bezirksarst Dr. Henkel •Mttnchen: Meine BesoloUoa s<dl ganz das 
Gleiche bedeoten, wa# die Beeokttion Grober am Schlosse sagt. 

Torsitzender: Ich bitte nunmehr diejenigen Herren, welche 
für die Resolution Grober sind, sich von den Sitzen zu erheben. 

Die Resolution Grober wird mit allen gegen 
3 Stimmen angenommen. Dagegen stimmen die Herren 
Dr. Henkel-München, Dr. Hermann-München und Dr.Schütz- 
Vilsbibnrg. 

Torsitzender dankt noch wftrmstens dem Herrn Referenten, 
den Herren, die sich an der Diskussion beteiligt haben, sowie den 
hochverehrten Gästen, welche mit so großer Ausdauer den 
Verhandlungen beigewohnt haben, und schließt damit die Ver¬ 
sammlung. 

Schloß der Sitzung: 5^j^ ühr nachmittags. 



Beilage zur Zeitechrilt für Medizmalbeamte, 1908. 


Offizieller Bericht 

ttber die 

XXY. Hauptversammlung 

^ des 

Prenssischen Medizinalbeamten'Yereins 

zur 

fttt fei 25WKI ItsMuB in VmlB 

Terbunden.mit der 

diesjährigen Hauptversammlung 

’des 

Dentsehen Medizinallieamten' Vereins. 

- 91 - 

Berlin 

am 29. und 30. September 1908. 



Berlin 1008. 

FISCHER’S MEDIZINISCHE BUCHHANDLUNG 


H. Korafeld. 

Hersofl. Bayer. Hof- und Erthenogl. Kaminir-Biehhindler. 








Offizieller Bericht 

aber die 

XXY. Hauptversammlung 

des 

Prenssischen MedizinalbeamteO'Vereins 


FdH iB 25iaiiiii imdai ib vbiIb 

verbanden mit der 

diesjährigen Hauptversammlung 


Deutschen Hedizinalbeamten'Verebis. 




Berlin 

am 29. and 30. September 1908. 



Berlin 1908. 

FISCHER’S MEDIZINISCHE BüCHHANDLUNO 

H. Kornfeld. 

Herzog!. Bzyer. Hof* and Eriharaogl. -Bachh&ndler. 





Inhalt. 


Mt«. 

Brater Sitsungstag. 

1. Eröffnung der Venunmlang. 1 

2. GeechEfts* and KMaeobencht; Wohl der EnaeenreTiioren .... 17 

8. Die hygienische Kontrolle zentraler WosserTersorgongen. Beferent: 

Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Flttgge>Breslaa. 20 

4. VorlEoflger Enifrorf deslBeichsgesetzes, betreffend die AosObong der 
Heilkande dorch nicht approbierte Personen und den Geheim> 
mittelrerkehr. Beferent: Beg.< a. Med.-Bat Dr. Dfitsehke- 
Erfart. 35 


Zveiter Sitzungstag. 

1. Der gegenwErtige Stand and Wert der Kriminolanthropologie. Be¬ 

ferent: Gerichtsorst n. PriTotdosent Dr. Straach-Berlin ... 73 

2. Psychologie der Aossoge. Beferent: Prof. Dr. med. Lochte, Kreis¬ 

arzt in Gottingen. 76 

8. Bericht der Eossenrevisoren. YorstondswahL Beschloß Aber den 

Stiftangsfonds. 98 

4. Medisinalbeamter and Erztliche Praxis. Beferent: Kreisarzt Dr. 

Gatkneoht-Belgard. 96 

Mitgliederrerzeiohnis.108 


'-'-/>AAAAAAArUVV.V\/N^'---- 











Erster Sitenngstag. 


* 


Dienstag, den 29. September, Tormittags 10 ITlir. 

Im Preussisohen Abgeordnetenhause. 


I. Erönainj der VersaMiilmj. 

H. Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Rapmnnd, Beg.* n. Med.-Bat 
in Minden i. W., Vorsitzender: Ew. Exzellenzen, hochverehrte 
Festversammlnngl Im Namen des Vorstandes heisse ich Sie 
herzlich willkommen nnd danke Ihnen, dass Sie zn unserer dies¬ 
jährigen HaoptversammluDg nnd der damit verbnndenen Feier des 
25 jährigen Bestehens nnseres Vereins so fiberans zahlreich er¬ 
schienen sind, der beste Beweis fhr das große Interesse, das Sie 
den Bestrebungen nnseres Vereins entgegenbringen, nnd gleich¬ 
zeitig ein günstiges Zeichen für dessen Zoknnft. 

Wenn ich diesmal mit meinen Begrfißongsworten über den 
Bahmen der sonst üblichen Eröfinnngsrede hinansgehe, so werden 
Sie dies sicherlich begreiflich finden; ich beabsichtige jedoch 
nicht. Ihnen eine ansfübrliche Schildernng der Entwickelung 
nnd Tätigkeit nnseres Vereins zn geben, sondern möchte nur 
einige wichtige Punkte daraus kurz hervorheben nnd in Ihr Ge¬ 
dächtnis zurückrnfen. Ich kann mich nm so mehr hierauf be¬ 
schränken, als Sie im ersten Abschnitt der in Ihren Händen 
befindlichen Festschrift eine von berufener Hand verfaßte Ge¬ 
schichte nnseres Vereins finden, in der auch dessen Tätigkeit 
während der ersten 25 Jahre seines Bestehens eine eingehende 
Berücksichtigung erfahren hat. 

M. H.! Das Bedürfnis zn gegenseitigem Austausch persön¬ 
licher Erfahrungen, zur gemeinsamen Besprechung unserer viel¬ 
seitigen amtlichen Aufgaben hatte schon vor Gründung unseres 
Vereins in einzelnen Begierungsbezirken zur Bildung von Be- 
zirksvereinen oder wenigstens zur Abhaltung zwangloser 
Versammlungen der Medizinalbeamten geführt, denen aber jede 
Fühlung untereinander fehlte. Es ist daher das Verdienst des 

1 



2 


ErOffnang der VerMunmlaDg. 


im Jahre 1880 neagebildeten Vereins der Medizinalbeamten in der 
Provinz Hannover, die erste Anregrnng zu einem Aber die ganze 
Monarchie sich erstreckenden Medizinalbeamtenverein gegeben 
zn haben, der dann am 22. Jnni 1883 auf einer bei Gelegenheit 
der großen Berliner Hygiene'Ansstellong abgehaltenen vorbe* 
ratenden Versammlnng das Licht der Welt erblickte und drei 
Monate später, am 28. September 1883, also fast genau 25 Jahre 
vor der heutigen Festversammlnng nnter zahlreicher Teilnahme — 
es waren 131 Paten erschienen — Ober die Taufe gehalten 
wurde. Das damals noch etwas schwächliche Kind — es war 
noch nicht ganz ein Drittel aller Medizinalbeamten (289 von 900) 
beigetreten — hat sich seitdem in der vorteilhaftesten Weise zn einer 
fürsorglichen Mutter entwickelt, die jetzt fast sämtliche preußischen 
Medizinalbeamten (93,9®/o) nnter ihren Schutz ge-nommen hat; 
läßt man die Mitglieder der Provinzialmedizinalkollegien, die 
scheinbar dieses Schutzes weniger bedürfen, außer Betracht, 
so erhöht sich diese Ziffer sogar auf 99,3 ^/o. Dabei ist es beson¬ 
ders erfrenlich, daß gerade in diesem Jahr die Mitgliederzahl 
t917) eine Höbe erreicht hat, wie nie zuvor, wenn wir hierbei die 
Jahre 1899—1902, in denen auch viele Me^inalbeamte ans den 
anderen Bandesstaaten dem Verein angehOrten, unberücksichtigt 
lassen. Im ganzen hat der Verein seit seinem Bestehen 1538 Mit¬ 
glieder gehabt; von diesen sind im Laufe der Jahre 829 (nicht 
228 wie in der Festschrift irrtümlich steht) ansgeschieden und 
292 = 19^/o gestorben. Von den 289 Stiftern sind zurzeit 
noch 55 = 19 Mitglieder des Vereins, alle übrigen mit wenigen 
Ausnahmen verstorben. Aber gerade unter diesen 55 Mitgliedern 
sind viele, die zn den besonderen Förderern und regelmäßigsten 
Besuchern unserer Versammlungen gehören, und von denen wir 
auch heute die große Freude haben, eine Anzahl in unserer Mitte 
begrüßen zu können, von denen ich namentlich unsere beiden, 
dem Lebensalter nach ältesten Mitglieder, Herrn Geh. San.-Bat 
Dr. Wallichs-Altona, der 15 Jahre dem Vorstande angehOrt hat, 
und Herrn Geh. Med.-Bat Dr. Koppen-Heiligenstadt, sowie Herrn 
Geh. Med.-Bat Dr. Wiedner erwähnen mochte, der an keiner 
Versammlung gefehlt hat. Ihnen mochte ich heute noch einen 
besonderen WiUkommengruß zurnfen und mit diesem den herz¬ 
lichsten Dank des Vereins für alle Unterstützung und FOrdemng 
aussprechen, die sie dessen Bestrebungen von Anfang an in 
reichstem Maße haben zuteil werden lassen. MOgen sie uns noch 
recht lange in körperlicher wie geistiger Frische erhalten bleiben! 
MOgen sie aber auch den jüngeren Kollegen als leuchtendes 
Vorbild dienen; dann wird es um den Preußischen Medizinal¬ 
beamten-Verein allezeit wohlbestellt seinl 

M. H.I Dankbar wollen wir heute auch der leider so zahl¬ 
reichen Mitglieder gedenken, die bereits die Erde deckt, und 
nnter denen ebenfalls recht, recht viele sind, die sich nicht nur 
um die Entwickelung und das Gedeihen unseres Vereins, sondern 
anch um die Förderung aller Zweige unserer amtlichen Tätigkeit, 
namentlich der Öffentlichen Gesundheitspflege, große und bleibmide 



EiSflniuig der Versammlmig. 


8 


Verdienste erworben haben. Und ans der Beibe dieser Verstor- 
bmen mochte ich einen noch besonders hervorheben, nnseren ersten 
langjährigen Vorsitzenden, Herrn Geh. Med.-Bat Dr. Eanzow; 
anf Grand seiner reichen Erfahrungen, seiner yorsichtig ab* 
wägenden Benrteilnng hat er den Verein in den ersten zehn 
Jahren seines Bestehens mit sicherer Hand geleitet und vor 
manchen unüberlegten und übereilten Schritten behütet; das mOge 
ihm für alle Zeiten unvergessen bleiben! 

Unser Verein hat aber nicht nur ein enges Aneinander¬ 
schließen und Zusammenhalten der preußischen Medizinalbeamten 
bewirkt und eine weitgehende persönliche Annäherung seiner 
Mitglieder untereinander vermittelt, sondern er hat auch den Me¬ 
dizinalbeamten in den anderen deutschen Bundesstaaten zum Vor¬ 
bild gedient und diese veranlaßt, sich zu ähnlichen Landesrer- 
einen zasammenzuschließen, soweit dies noch nicht geschehen war. 
Ich erwähne in dieser Hinsicht nur die Medizinalbeamten- 
Vereine in Bayern, Württemberg, Braunschweig, 
Mecklenburg-Schwerin und Elsaß-Lothringen. Vor 
allem hat aber unser Verein die Anregung dazu gegeben, daß 
sich alle diese Landesvereine zu dem Deutschen Medizinal¬ 
beamtenverein vereinigt haben und dadurch eine schon seit 
langer Zeit angestrebte Verbindung zwischen allen deutschen 
Medizinalbeamten herbeigeführt ist. 

Sie sehen ans diesem kurzen Ueberblick, m. H., daß sich 
unser Verein aus verhältnismäßig kleinen Anfängen schnell zu 
einem Sammelpunkt aller preußischen Medizinalbeamten ent¬ 
wickelt und auch für die anderen deutschen Bundesstaaten be¬ 
frachtend gewirkt hat; der beste Beweis für die Notwendigkeit 
seiner Bildung, die aber in noch viel stärkerem Maße zutage 
tritt, wenn wir uns seine bisherige Tätigkeit vergegen¬ 
wärtigen und uns die Frage zur Beantwortung voi legen: 
Ist denn nun auch der Verein den Aufgaben, die er 
sich bei seiner Gründung satzungsgemäß gestellt hat, 
gerecht geworden, hat er das gestellte Ziel erreicht 
und berechtigt das Erreichte auch zu einem hoff- 
nungsfreudigen und hoffnungsvollen Ausblick in die 
Zukunft? 

M. H.! Fünfundzwanzig Jahre sind eine verhältnismäßig 
kurze Zeitspanne, aber wenn wir uns in die Zeit vor 1888 zurück¬ 
versetzen und die damaligen Verhältnisse der für uns in Betracht 
kommenden Gebiete mit den heutigen vergleichen, da sehen wir 
überall einen ganz gewaltigen Unterschied, und zwar so¬ 
wohl in bezug auf unsere amtliche Stellung, als in bezug 
auf die Fortschritte und Errungenschaften der Wissen¬ 
schaft. Ueberall sehen wir eine ganz außerordentliche Ent¬ 
wicklung und ständige Vorwärtsbewegung, besonders in 
den letzten zehn Jahren, und mit dieser Entwicklung und Vor¬ 
wärtsbewegung hat unser Verein nicht nur Schritt gehalten, 
sondern er hat auch nach mancher Bichtang hin die Anregung . 
dazu gegeben und nach besten Kräften mitgewirkt. 

1* 



4 


flrölbiiuig der Versunmliuig. 


Noch niemals dürfte es in onserem engeren Vaterlande eine 
Zeitperiode gegeben haben, in der das Medizinal- nnd Gesund¬ 
heitswesen so wenig Fortschritte aufzuweisen gehabt hat, als 
in dem halben Jahrhundert vor Gründung unseres Vereins. 
Das Regulativ vom 8. August 1885, betreffend Maßregeln gegen 
die Verbreitung ansteckender Krankheiten, bildet gleichsam die 
letzte hervorragende gesetzgeberische Maßnahme aut diesem 
Gebiete. Aber auch in der medizinischen Wissenschatt machte 
sich während dieser Zeitperiode ein Stillstand bemerkbar, 
dem dann aber in den beiden letzten Jahrzehnten des vorigen 
Jahrhunderts ein Aufschwung, eine Blütezeit folgte wie nie 
zuvor. Insbesondere gilt dies von denjenigen Zweigen der Medizin, 
die uns Medizinalbeamte mit Rücksicht auf unsere amtliche 
Tätigkeit am meisten interessieren: Die ärztliche Sachver- 
ständigen-Tätigkeit auf dem Gebiete der gericht¬ 
lichen Medizin und Psychiatrie, der Unfall- und In- 
validen-Versicherung, dieses durch die soziale Gesetzgebung 
hervorgernfenen ganz neuen Zweiges jener Tätigkeit, und vor allem 
die Hygiene nnd öttentliche Gesundheitspflege! M. H.l 
Ich möchte in dieser Hinsicht nur die Namen Pettenkofer und 
Robert Koch nennen! Mit besonderem Stolz muß es gerade uns 
ertüllen, daß es ein preußischer Medizinalbeamter, ein ehemaliger 
Physikus in einer kleinen polnischen Kreisstadt, gewesen ist, der 
kurz vor jener Zeit, als unser Verein gegründet wurde, durch seine 
genialen und epochemachenden Entdeckungen, durch die Schaffung 
eines ganz neuen Zweiges der medizinischen Wissenschaft, der 
Bakteriologie, unserem Wissen und Können völlig neue Bahnen 
erschlossen hat, aut denen wir den Kampf gegen die fürchterlichen 
Feinde der Volksgesundheit, die übertragbaren Krankheiten, 
in weit zielbewußterer, wirksamerer und erfolgreicherer Weise 
aufnehmen können als je zuvor! 

M. H.! Diese außerordentlichen Fortschritte und Errungen¬ 
schaften der Wissenschaft mußten selbstverständlich fördernd 
und umgestaltend auf die betreffenden Gebiete einwirken, je 
mehr Staat und Gemeinden ihre hohe Bedeutung für das All¬ 
gemeinwohl kennen und schätzen lernten und je mehr sie infolge¬ 
dessen dazu übergingen, sich ihre Lehren nutzbar zu machen. 
Und nach dieser Richtung hin darf sich auch unser Verein ein 
kleines Verdienst zuschreiben; denn auf seinen zahlreichen Haupt¬ 
versammlungen, sowie durch das von ihm ins Leben gerufene 
Vereinsorgan, die Zeitschrift für Medizinalbeamte, 
ist er bemüht gewesen, aufklärend und anregend nicht blos inner¬ 
halb seines engeren Kreises, sondern auch für weitere Kreise zu 
wirken, die praktische Nutzbarmachung der wissenschafUichen 
Lehren zu fördern, gesetzgeberische Maßnahmen anzuregen und 
vorzubereifen. Wenn Sie einen Blick in die der Festschrift bei¬ 
gegebene Uebersicht über die Verhandlungsgegenstände 
auf unseren bisherigen 24 Hauptversammlungen werfen, da 
werden sie finden, daß kein wichtiges Glebiet der gerichtsärzt¬ 
lichen, psychiatrischen und sonstigen ärztlichen Sachverständigen- 



ErOfbung der yenunmlang. 


5 


t&tigkeit) der Bakteiiologie, der Hygiene nnd des öffentliehen Ge* 
snndheitssresens nnerOrtert geblieben ist, nnd daß der Verein fast 
alle wichtigen Gesetzesvorlagen anf diesen Gebieten einer ein* 
gehenden Erörterung unterzogen hat. Daß aber seine Verband* 
Inngen nnd Beratungen nicht ganz ohne Einfluß geblieben sind, 
dürfen wir sicherlich trotz aller Bescheidenheit behaupten. 

Während nun die preußische Staatsregierung von allem 
Anfang an bemüht gewesen ist, das medizinische Bildungs¬ 
wesen mit den Fortschritten der Wissenschaft in Einklang zu 
bringen und die Bedeutung jener Fortschritte durch Bereit¬ 
stellung mustergültiger Kliniken, Institute und Lehrmittel, insbe¬ 
sondere durch Beschaffung neuer, mit Instituten bezw. Kliniken ver¬ 
bundener Lehrstühle für Hygiene, für Psychiatrie und gericbtliche 
Medizin anerkannt hat, hat es verhältnismäßig lange gedauert, 
ehe auf dem Wege der Gesetzgebung auch den wissenschaft¬ 
lichen Forschungen auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung 
Hechnung getragen wurde, wie das jetzt in so erfreulicher und 
wirksamer Weise einmal durch das Reichsgesetz vom 3. Juni 
1900, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten, nnd durch das Landesgesetz vom 28. August 
1905, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Kank- 
heiten, geschehen ist. 

Fast ebenso lange hat es aber auch gedauert, ehe sich der 
Staat entschlossen bat, den Medizinalbeamten, von dm‘en 
Tätigkeit in erster Linie die Anregung nnd Durchführung gesund¬ 
heitlicher Maßnahmen nnd damit auch die Hebung und Förderung 
der Volkswohlfahrt nnd Volksgesundheit abhängt, eine Stellung zu 
gewähren, die es ihnen ermöglicht, dieser wichtigen Aufgabe in 
vollem Umfange gerecht zu werden. Vielleicht waren es weniger 
die mit der Umgestaltung der Stellung dieser Beamten verbun¬ 
denen höheren Kosten, welche die Inangriffnahme der Reform 
verzögerten, als die Scheu, ihnen größere Machtvollkommen¬ 
heiten nnd eine erweiterte Tätigkeit einzuränmen, ohne die 
an eine erfolgreiche Wirksamkeit derselben nicht zu denken ist. 
Infolge der großen Fortschritte der wissenschaftlichen Hygiene 
wurden allerdings die Anforderungen an die Ausbildung der Medi¬ 
zinalbeamten durch eine neue Prüfungsordnung ebenso gesteigert 
wie die Anforderungen an ihre amtliche Tätigkeit, die Stellung 
selbst aber blieb nach wie vor eine nebenamtliche nnd erwies 
sich von Jahr zu Jahr immer mehr als unzulänglich, je mehr sich 
die Ansprüche der öffentlichen Gesundheitspflege steigerten. 

M. H.l Wer sich heute unsere frühere amtliche Stellung 
in ihrer ganzen Reformbedürftigkeit vergegenwärtigt, der wird 
es auch begreiflich Anden, daß es sich unser Verein zur Haupt¬ 
aufgabe gestellt hat, in dieser Hinsicht eine Aenderung anzu¬ 
streben. Immer wieder von neuem hat er auf die Notwendigkeit 
einer gfründlichen, den Anforderungen der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege entsprechenden Umgestaltung dieser Stellung hingewiesen; 
bei allen diesen Verhandlungen hat er aber, und £es möchte ich 
hier noch besonders betonen, stets in erster Linie das öffent- 



6 


ErOfiiuig der VerBumnliuig. 


liehe Interesse im Ange gehabt nnd sieh von idealen Gledehts* 
pnnkten leiten lassen, olme jedoeh dabei die bereehtig^ Interessen 
der Medizinalbeamten außer Aeht za lassen. Mit besonderer 
Genngtnang kann der Verein auf diesen wiehtigsten Teil seiner 
Tfttigkeit znrflckblicken; haben seine Verhandlangen and Anre* 
gangen doch wesentlich zar Vorbereitung und Darchffibrang einer 
zeitgemäßen Reorganisation des preußischen Medizinal- und 
Gesundheitswesens beigetragen, deren Grundlage das am 

l. April 190t in Kraft getretene Kreisarztgesetz vom 16. Sep¬ 
tember 1899 und die dazu gehörige mustergültige Dienst¬ 
anweisung vom 23. August 1901 bilden, für deren Erlaß nnd 
Durchführung wir der Königlichen Staatsregiemng, insbMondere 
dem Herrn Medizinalminister, dem jetzigen sowohl, als seinen 
beiden Herren Amtsvorgängem, zu besonderem Danke ver¬ 
pflichtet sind. 

M. H.! Es würde mich zu weit führen, auf alle sonstigmi 
Fortschritte des preußischen Medizinal- und Gesundheitswesens 
während der letzten Jahre: Einrichtung von Fortbil¬ 
dungskursen für Medizinalbeamte, größere Bereit¬ 
stellung von Geldmitteln zur Bekämpfung der über¬ 
tragbaren Krankheiten, zur Verbesserung des Hebammen¬ 
wesens nsw., Einrichtung vonMedizinalnntersnchungsämtern, 
des Instituts für Infektionskrankheiten, der Versuchs- 
nnd Prüfungsanstalt für Wasserversorgung nnd Ab wässer- 
beseitignng usw. einzugehen; ich nehme in dieser Hinsicht 
auf die Festschrift bezug. Nur eins möchte ich noch kurz betreffis 
des Kreisarztgesetzes betonen: Lassen Sie uns die Freude 
an diesem Gesetz, das eine feste nnd brauchbare Grundlage zum 
weiteren Ausbau unseres Gesundheitswesens bildet, nicht dadurch 
verkümmern, daß es bisher noch nicht allen unseren Wünschen in 
bezug auf die Vollbesoldung der vollbeschäftigten Kreisärzte, 
auf die Pensionierung der nicht vollbesoldeten Kreisärzte, 
auf die Bemessung der Dienstaufwandsentschädigung 
und des Reisepauschale, auf die Anrechnung der Vorbe- 
reitungszeit auf das pensionsfähige Dienstalter und die An¬ 
wendung des Beamtenfürsorgegesetzes auf die Medi¬ 
zinalbeamten entspricht. Freuen wir uns vielmehr dankbaren 
Herzens des Erreichten und lassen Sie uns auf Grund dieses Er¬ 
reichten frohen Mutes in die Zukunft blicken. Und dies können 
wir um so mehr, wenn wir uns die jüngsten Verhandlungen des 
Abgeordnetenhauses über alle diese Fragen und die wohlwollenden 
Erklärungen des Herrn Ministers nnd seiner Vertreter zu den¬ 
selben vergegenwärtigen. 

Ich bin am Schluß! Wenn wir uns jetzt fragen, m. H. 
ist der Preußische Mediziaalbeamten-Verein den Aufgaben, die er 
sich bei der Gründung gestellt hat, gerecht geworden, so dürten wir 

m. E. diese Frage mit voller üeberzeugung und mit besonderer 
Genugftuung bejahen! Der Verein hat dank seiner Tätigkeit 
nicht nur seinen Mitgliedern, sondern auch der Wissenschaft nnd 
dem Vaterlande gedient. Möge die kommende Generation die 



ErttiEaiiBg der Veresmmliuig. 


7 


Bestrebangen and Ziele des Vereins in der gleichen Weise wie 
bisher fördern, seine Fahne hochhalten and seinen Grundsätzen 
treu bleibenI Mit diesem Wansche eröffne ich die heutige 
Festsitzung nnd erteile Sr. Exzellenz, dem Herrn Minister der 
geistlichen, ünterrichts* und Medizinal-Angelegenheiten, den wir 
heute znm ersten Male in unserer Mitte zu begrüßen die hohe 
13ire haben, das Wort! 

(Lebhafter Beilall.) 

Se. Exzellenz, der Herr Minister der geistlichen, Unterricbts- 
und Medizinal-Angelegenheiten Dr. Holle: Hochyerehrte Fest- 
yersammlung! Um anzuknfipfen an den Schluß der Ansfahrnngen 
meines yerehrten Herrn Vorredners, möchte ich ihm zunächst 
danken für die freundlichen Worte, die er mir nnd meinem Vor¬ 
gänger gewidmet hat und fttr das Vertrauen zur Medizinalyer- 
waltung, das aus seinen Worten sprach. 

M. H.! Wenn ich heute zum ersten Male einen so großen 
Kreis der mir unterstellten Medizinalbeamten yor mir sehe, so 
ergreife ich gern die Gelegenheit, Ihnen die Versicherung zu 
geben, daß mir Ihr Wohl und Wehe am Herzen liegt, und daß 
Sie mich immer bereit finden werden, Ihre Wünsche zu hören 
und mit jedem Entgegenkommen zu prüfen. Wenn diese Wünsche 
nicht gleich yoll erledigt werden können, so möchte ich bitten, aus 
den bereits yon Ihrem Herrn Vorsitzenden angeführten Gründen die 
Hindernisse anzuerkennen nnd darüber nicht mutlos zu werden. 

M. H.! Es ist für mich eine besondere Freude, an dem 
Tage, an dem der Preußische Medizinalbeamtenyerein auf das Be¬ 
stehen während eines Vierteljahrhnnderts zurückblickt, in Ihrer 
Mitte zu weilen und Ihnen als Leiter der preußischen Medizinal- 
yerwaltung deren beste Wünsche für Ihr erfolgreiches Wirken 
in Vergangenheit nnd Znknnit ausznsprechen. 

Mit lebhafter Befriedigong kann der Verein auf das yer- 
flossene Vierteljahrhnndert znrückblicken! Mit freudigem Stolze 
mögen die heute hier noch yertretenen Gründer des Vereins jenes 
22. Juni 1883 gedenken, an dem seine Bildnng beschlossen wurde. 
Nach den Ausföhrungen, die bei dem ersten Zusammentreten der 
Schriftführer des yorbereitenden Komitees, Ihr yerebrter jetziger 
Herr Vorsitzende, machte, sollte der Verein in der Förderung 
aller den Medizinalbeamten gestellten Aufgaben nnd in der Pflege 
der Volkshygiene den Schwerpunkt seiner Bestrebungen suchen, 
und, m. H., der Verein hat mit bestem Erfolge dieses Ziel yer- 
folgt. Die Gründung eines Vereins mit solchen Zielen konnte 
bei der zentralen Medizinalyerwaltung nur Freude erwecken. 
Ihre Erwartung, in der Förderung ihrer eigenen Aufgaben durch 
den festen Zusammenschluß ihrer Beamten eine wirksame Stütze 
zu finden, ist yoll yerwirklicht worden. 

Die Gesetzgebung des yerflossenen Vierteljahrhnnderts hat 
unter anderem die Dienststellung des Kreisarztes gehoben und 
in den beiden bereits erwähnten Reichs- und peußischen Ge¬ 
setzen, betreffend die Bekämpfung gemeingeföhrUcher nnd über- 



8 


ErOAnug d«r Venuiunlug. 


tragbarer Eraokheiten, den Medizinalbeamten ein bedenteames 
neues Feld der Tätigkeit geschaffen. Fleißig und unablässig sind 
Sie aef diesem Felde tätig gewesen und haben die Ergebnisse 
der wissenschaftlichen Forschungen mit Umsicht und Erfolg in 
die Praxis übertragen, außerdem aber mit dahin gewirkt, daß 
aus alteu Zeiten herrflhrende Unzuträglichkeiten auf dem Gebiete 
der Volkshygiene beseitigt und nennenswerte Yerbessernngen 
herbeigeftthrt wurden. 

M. H., diese trefflichen Leistungen haben Ihren Stand und 
seine Bedeutung in der Öffentlichen Schätzung gehoben. Sie haben 
bewiesen, wie durch Pflichttreue und unermüdliche Arbeit die 
preußischen Medizinalbeamten schwerwiegende Aufgaben lOsen 
können. Die Kenntnisse und Erfahrungen seiner Mitglieder durch 
Verbreitung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung und 
durch den Austausch der in der Praxis bewährten hygienischen 
Einrichtungen zu mehren, neue Anregungen entgegenzunehmen 
und auf ihre Ausführbarkeit zu prüfen, Einverständnis in zweifel¬ 
haften Fragen herbeizuführen — auf diese und ähnliche Weise 
hat der Verein es verstanden, das Verständnis für die den Me- 
dizinalbeamten gestellten Aufgaben zu fördern und zu vertiefen. 
Das Verdienst hiervon gebührt nicht zum mindesten der zielbe- 
wußten Leitung Ihres verehrten Herrn Vorsitzenden, der während 
der ganzen 25 Jahre den Kurs, den er im Jahre^l883 einge¬ 
schlagen hatte, unverändert innegehalten hat. 

Für diese fördernde Mitarbeit auf dem Gebiet der Gesund¬ 
heitspflege gebührt Ihnen der Dank der preußischen Medizinal- 
verwaltung, und als ihrem Leiter ist es mir eine große Freude, 
diesen Dank heute mit meiner besonderen Anerkennung zum 
Ausdruck zu bringen. 

Möge der Verein auch weiterhin unter der bewährten 
Führung seines Vorsitzenden blühen und gedeihen und dieselbe 
erfolgreiche und für das Volkswohl so gedeihliche Tätigkeit in 
harmonischem Zusaammenwirken mit der zentralen Medizinalver- 
waltung entfalten wie bisher! 

(Lebhafter Beifall.) 

Vorsitzender: Gestatten Ew. Exzellenz, daß ich im Namen 
des Vereins unseren verbindlichsten Dank ausspreche nicht blos 
für Ew. Exzellenz Erscheinen hier in der Festversammlnng und 
für die Zusage, an dem heutigen Festessen teilzunehmen, durch 
die sich der Verein in besonderem Maße geehrt fühlt, sondern 
vor allem auch durch die anerkennenden Worte, die Ew. Exzellenz 
jetzt dem Verein an seinem Jubiläum, gewidmet haben. Wenn 
Ew. Exzellenz hierbei meiner Person und meiner langjährigen 
Tätigkeit als Schriftführer und Vorsitzender in so lobender und 
anerkennender Weise gedacht haben, so darf ich dafür wohl meinen 
besonderen Dank sagen. Eine solche Tätigkeit wäre mir aber nicht 
möglich gewesen, wenn ich nicht in den Medizinalbeamten nach 
jeder Richtung hin volle Unterstützung geftinden hätte und mir 
von ihnen ein Vertrauen entgegengebr^t worden wäre, wie es 



EröAiiiBf der VemenBlawg. 


9 


wohl kaum einem Vorsitzenden eines Vereins jemals in dem Maße 
alle Zeit gewfthrt worden ist. 

Die Anerkennnng, die Ew. Exzellenz den Medizinalbeamten 
heute ansgesprochen haben, wird ihr sie jedenfalls ein Sporn 
sein, durch ihre amtliche Tätigkeit sich auch fernerhin die volle 
Zufriedenheit der Königlichen Staatsregierung nicht nur zu erhalten, 
sondern in noch höherem Maße zu erwerben. Ew. Exzellenz haben 
uns das g^oße Lob zu teil werden lassen, daß, nachdem wir durch 
das Ereisarztgesetz in den Sattel gehoben sind, auch das Beiten 
gelernt haben; im Namen der Medizinalbeamten darf ich Ew. 
Exzellenz wohl die Versicherung geben, daß diese das Reiten 
nicht wieder verlernen werden, sondern sich der angesehenen 
Stellung, die ihnen jetzt eingeräumt ist, stets wtlrdig zeigen und 
sich mit allen Kräften bemühen werden, den ihnen gestpUten 
erweiterten Aufgaben gerecht zu werden. Dann werden vielleicht 
auch alle ihre jetzt noch vorhandenen Wünsche in Erfüllung 
gehen, so daß sie in 25 Jahren, wenn der Verein sein 50jähriges 
Jubiläum feiert, gar nichts mehr zu wünschen haben werden. 
(Heiterkeit). Allerdings wäre es ja für die lebende Generation, 
und besonders für diejenigen, welche die 50 er und 60 er Jahre 
schon überschritten haben, sehr erfreulich, wenn diese Erfüllung 
der Wünsche doch vielleicht etwas früher stattfände (Heiterkeit). 
Wir würden Ew. Exzellenz dann zu ganz besonderem Dank ver* 
pflichtet sein! Ew. Exzellenz Worte geben uns auch die Gewähr, 
daß dies voraussichtlich der Fall sein wird. 

(Lebhafter Beifall.) 

Ln Namen des Vereins möchte ich auch die übrigen Ehren¬ 
gäste, die heute in so reicher Anzahl erschienen sind, noch be¬ 
sonders begrüßen und Ihnen unseren verbindlichsten Dank dafür 
aussprechen; in erster Linie Sr. Exzellenz, Herrn ünterstaats- 
sekretär Wever, Herrn Ministerialdirektor Förster und allen 
Vortragenden medizinisch-technischen Bäten, den Herrn Geh. 
Ober-Med.-Bäten Prof. Dr. Schmidtmann, Prof. Dr. Kirchner 
und Dr. Dietrich, Herrn Geh. Med.-Bat 1^. Abel sowie Herrn 
Geh. San.-Bat Dr. Aschenborn. Auch Herrn Geh. Ober-Beg.- 
Bat Dr. Bumm, Präsident des Beichsgesundheitsamtes sage ich 
unseren herzlichsten Dank für sein Erscheinen; desgleichen Herrn 
Ministerialrat Dr. Strössenrenther als Vertreter der Königlich 
Bayerischen Regierung, sowie den Herren Ober-Med.-Bat Dr. 
V. Gnßmann-Stuttgart, Geh. Ober-Med.-Rat Dr. Hauser- 
Darmstadt, Med.-Rat Prof. Dr. Gumprecht-Weimar, Med.-Bat 
Dr. Boggenbau-Neu-Strelitz, Geh. Med.-Bat Dr. Engelbrecht- 
Braunschweig, Ober-Med.-Bat u. Geh. Beg.-Bat Dr. Philipp- 
Gotha, Geh. Med.-Bat Dr. Richter-Dessau, Beg.- u. Med.-Bat 
Dr. Heck er-Straßburg i. Eis., Med.-Bat Prof. Dr. Nocht- 
Hamburg, Med.-Rat Dr. Osswald-Sondershansen, als Vertreter 
ihrer Regierungen. Ihr Erscheinen zeigt, daß auch die Regie¬ 
rungen der übrigen deutschen Bundesstaaten der Tätigkeit des 



10 ErOfimiig der YerMUBiiilug. 

PrenßiBchen Medizinalbeamten •Vereioe großes Interesse entgegen¬ 
bringen. 

Aber auch unsere Kollegen in den anderen Bnndesstaaten 
und die dort bestehenden Medizinalbeamtenvereine haben es nicht 
▼ersäomt, ihre Vertreter zu unserer Jubiläumsfeier zu entsenden. 
Der Deutsche Medizinalbeamten-Verein ist vertreten 
durch eine größere Anzahl Mitglieder, insbesondere durch seinen 
stellvertretenden Vorsitzenden, Bezirksarzt Dr. v. d’All-Armi- 
Mflnchen und seinen Schriftführer Med.-Rat Dr. Flinzer-Plauen, 
der sächsische Verein durch Ober-Med.-Bat Dr. Erler-Meißen, 
der wfirttembergische Verein durch seineu Vorsitzenden Med.-Bat 
Dr. EOstlin-Stuttgart und Med.-Rat Dr. Eranß-Eirchheim u. 
Teck, der badische Verein durch seinen Vorsitzenden, Med.-Rat 
Dr. Becker-Offenbnrg. Ihnen allen unseren herzlichsten Dank! 
Hoffentlich trägt die heutige Feier dazu bei, das Band zwischen 
dem Preußischen Medizinalbeamten-Verein, der Mutter, und ihrmn 
jüngsten und größten Einde, dem Deutschen Medizinalbeamten- 
Verein, sowie die Verbindung mit allen anderen, in den einzelnoi 
Bundesstaaten bestehenden Landesvereinen, so fest zu schließen, 
daß eine Trennung für alle Zeiten ausgeschlossen i^tl 

H. Egl. Bayer. Ministerialrat Strössenrentlier-München: 
Hochverehrte Festversammlnng! Ihre Vorstandschaft hatte die 
Liebenswürdigkeit, auch dem Königlich Bayerischen Staatsmini¬ 
sterium des Innern eine Einladung zu Ihrer heutigen Tagung 
zngehen zu lassen. Se. Exzellenz der Herr Staateminister des 
Innern v. Brettreich hat mich daher beauftragt. Ihnen für 
diese Liebenswürdigkeit den verbindlichsten Dank zum Ausdruck 
zu bringen und Ihre Festversammlnng im Namen der Königlich 
Bayerischen Staatsregierung und der Königlich Bayerischen Me¬ 
dizinalverwaltung, insbesondere auch des Königlichen Obermedi- 
zinalausschnsses, herzlichst zn begrüßen. 

Ich entledige mich dieses höchsten Auftrages mit größtem 
Vergnügen. Ich entledige mich aber zugleich des anderen Auf¬ 
trages, dem Preußischen Medizinalbeamten-Verein zn seiner heu¬ 
tigen Jubelfeier, zn dem Feste seines 25 jährigen Bestehens, die 
herzlichsten Glückwünsche der Bayerischen Staatsregierung zn 
überbringen. 

Daß die Königlich Bayerische Staatsregiemng ebenMls den 
Bestrebungen Ihres Vereins und Ihres Verbandes mit dem größten 
Interesse gegenübersteht, brauche ich nicht besonders zu ver¬ 
sichern. Hat sich ja doch die Aufgabe und der Wirkungskreis 
der Medizinalbeamten im Laufe der letzten Jahrzehnte ganz außer¬ 
ordentlich erweitert. Wenn wir znrückdenken, wie der alte Kreis- 
physikns stolz war auf den uns heute so eng erscheinenden Kreis 
von Kenntnissen auf dem Gebiete der forensischen Medizin, so 
ist es heute nach Umgestaltung des Polizeistaates in einen Wohl¬ 
fahrtsstaat eine Menge und eine Unsumme von Kenntnissen und 
Erfahrungen, die von dem modernen , Medizinalbeamten bei der 
Erfüllung seiner Aufgaben erwartet werden. Ich brauche ja 
nur hinznweisen auf das große Gebiet der Volkshygiene, und idi 



EvöifBiuig der VersuBnlong. 


11 


brauche insbesondere nnr hinznweisen, wie es bereits Ihr Herr 
Yorsitnender getan hat, anf den Vollzog unserer Arbeiterrer- 
sichemng^gesetze, dessen glatter Verlauf anf das engste ver- 
bunden ist mit der aufopfernden und hingebenden Tätigkeit der 
Medizinalbeamten. 

Ein Blick anf Ihre reiche Tagesordnung gibt uns den Be¬ 
weis von der großen Menge von Aufgaben, deren LOenng von 
Ihrer Tätigkeit erwartet wird. 

So ist die Wichtigkeit des Standes der Medizinalbeamten 
im Laufe der letzten Jahrzehnte für das allgemeine Volkswohl 
und fflr das Staatswohl ganz außerordentlich gestiegen, und die 
Königlich Bayerische Stsatsregierung bringt deshalb auch allen 
Bestrebungen Ihres Vereins anf Hebung l^es Standes und auf 
Forderung Ihrer dienstlichen Aufgaben das wärmste Wohlwollen 
entgegen. 

In diesem Sinne habe ich Ihren nunmehr beginnenden Ver¬ 
handlungen einen guten Verlauf und den besten Erfolg zu wttnschen I 

(Lebhafter Beifall.) 

Vorsitzender: Hochyerebrte Festyersammlnng! Ich muß 
noch etwas nachholen. In der Eile der Geschäfte habe ich yer- 
gessen, den Vertreter eines Vereins willkommen zu heißen, den 
wir mit besonderer Freude begrfißen mflssen, und wenn ich dies 
nachträglich tue, dann mochte ich ihn bitten, anznnehmen, daß 
diese Begrüßung doppelt herzlich ist. In unserem yerbttndeten 
Nachbarstaate Oesterreich hat sich ganz yor kurzem ein Beicbs- 
yerband der Österreichischen Amtsärzte gebildet, für den unser 
Verein wohl auch mehr oder weniger yorbildlich gewesen sein 
dürfte. Dieser neue Verein hat es sich nicht nehmen lassen, 
zu uuserem Jubiläum ebenfalls einen Vertreter abzuordnen in der 
Person seines Präsidenten, des Herrn Dr. Paul, Direktor der 
Staatsimpfanstalt in Wien. 

Ich begrüße ihn aufs herzlichste und bitte ihn, mein Versehen 
freundlichst entschuldigen zu wollen. 

(Beifall.) 

H. Ober-Med.-Rat Dr. Hauser-Darmstadt: Hochansehnliche 
Versammlung! Der Vorstand des Deutschen und Preußischen 
Medizinalbeamten-Vereins hatte die Güte, zu der diesjährigen 
Hanptyersammlnng beider Vereine, welche aus Anlaß des 25 jährigen 
Bestehens des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins gemeinsam 
abgehalten wird, eine Einladung an die Großh. Hessische Mi- 
nisterialabteilung für Öffentliche Gesundheitspflege ergehen zu 
lassen. Ich habe den ehrenyollen Auftrag erhalten, als Vertreter 
dieser Behörde an Ihrer Versammlung teilznnehmen und Ihnen 
flir Ihre Einladung zu danken. Vor allem habe ich den Auftrag, 
dem Preußischen Medizinalbeamten-Verein zur Feier seines 
25jährigen Bestehens die besten Glückwünsche zu überbringen. 
Indem ich mich dieses Auftrages entledige, darf ich Sie yersichem, 
^ die Behörde, der ich anzogehOren die Ehre habe, stets allen 
Vereinigungen yon Bemfsgenossen die höchste Anerkennung zollt, 



12 


ErOftouag dar yanumnlug. 


die 68 sich zur Anfg^abe machen, im Öffentlichen Interesse tätig an 
sein, die behördlichen Maßnahmen nnd Anordnungen zn fördern ond 
dem Einzelnen Gelegenheit zur gegenseitigen Anregung und zum Aus¬ 
tausch in wissenschaftlicher und dienstlicher Beziehung zu geben. 
Ihr Verein sieht auf einen Zeitraum yon 25 Jahren znrflck, in denen 
es ihm gelungen ist, hervorragende Leistungen im Interesse des 
öffentlichen Gesundheitswesens, der sozialen Fürsorge, der gerichts¬ 
ärztlichen Tätigkeit nnd der Fürsorge fflr die Geisteskrt^en zn 
bringen nnd auch die Gesetzgebung in mannigfacher Bichtnng zn 
wichtigen Entschließungen zu veranlassen. Als Medizinalbeamten¬ 
verein des größten deutschen Bundesstaates hat er die gleichen 
Bestrebungen in verschiedenen anderen Bundesstaaten mächtig 
angeregt nnd fruchtbringend beeinflußt Wenn ich der Verhand¬ 
lungen in Ihrem Verein in den Jahren 1897 und 1902 gedenke, 
so muß ich dieselben als grundlegend ffir den Zusammenschluß 
aller deutschen Medizinalbeamten, fttr die Bildung des Deutschen 
Medizinalbeamten - Vereins betrachten. Möchte es dem Preußischen 
Medizinalbeamten-Verein auch in den kommenden Jahrzehnten 
Vorbehalten sein, dieselbe hocbangesebene Stellung einzunehmen 
wie seither, möchte er sich in gleicher Weise den Anteil bewahren, 
den er an der Entwickelung des öffentlichen Gesundheitswesens 
in Deutschland nnd in der preußischen Monarchie gehabt hat, um 
durch seine stete Mitarbeit zu beweisen, daß der Hochstand des 
öffentlichen Gesundheitswesens in unserem Vaterland ein wichtiges 
Kennzeichen fflr den Enltnrzustand eines großen und mächtigen 
Volkes ist! (Lebhafter BelfalL) 

H. Ober-Med.-Bat Dr. V. Gnssmann-Stuttgart: Meine sehr 
verehrten Herren! Ich will Ihnen gestehen, daß ich ebenfalls 
eine kleine Anrede an Sie entworfen habe, die ungefAhr dieselbe 
Gedanken enthalten hat, wie wir sie jetzt von meinem Herrn Vor¬ 
redner gehört haben. Erlauben Sie mir daher, auf diese vor¬ 
herigen Worte mich zu beziehen, und erlauben Sie mir insbeson¬ 
dere. daß ich im Namen meiner Hohen auftraggebenden Behörde, 
des Königlichen Ministeriums des Innern und des Medizinalkolle¬ 
giums, dem Preußischen Medizinalbeamten-Verein meinen herz¬ 
lichen Glückwunsch zn seiner heutigen Jubelfeier darbringe. 

(Lebhafter BeifaU.) 

H. Bezirksarzt Dr. y. d^All-Armi-München! Hochverehrte 
Festversammlung! Vom Deutschen Medizinalbeamten - Vereine 
und von den hier vertretenen einzelnen deutschen Landesvereinen 
habe ich den ehrenvollen Auftrag erhalten, Ihnen heute die hera- 
liebsten Glückwünsche zn überbringen. Ich unterziehe mich diesem 
ehrenvollen Aufträge mit dem Wunsche und der Ueberzeugung, 
daß der Preußische Medizinalbeamten-Verein auch in Zukunft auf 
den gleichen glorreichen Bahnen sich weiter entwickeln werde! 

(Lebhafter Beifall.) 

H. Dr. Pani, Präsident des Beichsverbandes österreichischer 
Amtsärzte, Direktor der Staatsimpfanstalt in Wien: Hoehansehii- 



ErOAinog der yermmmlaBg. 


18 


liehe FestverBammlnng! Vom Atuochosse des j&og^st gegründeten 
BeiehsTerbandes Österreichischer Amtsftrzte ist mir als seinem 
Obmann die ehrenvolle Mission zn teil geworden, den jnbilie- 
renden and auch den Dentschen Medizinalbeamten-Verein zu 
begrüßen nnd dem ersteren nnsere aufrichtigen Glückwünsche zn 
übwbringen. 

Unser Verband repräsentiert die Vereinigung der Medizinal¬ 
beamtenvereine aller im österreichischen Reichsrate vertretenen 
Königreiche und Länder, 14 an der Zahl. Mit neidgemischter 
Bewunderung verfolgten wir schon seit Jahren die stramme Or¬ 
ganisation und das ersprießliche Wirken des Preußischen Medi¬ 
zinalbeamten-Vereins, der auch vorbildlich für die Bildung unserer 
Landesvereine und auch des Beichverbandes gewesen ist. Dies 
war auch die Veranlassung, daß die Amtsärzte Oesterreichs sich 
zusammen geschlossen haben, um gemeinschaftliche Ziele zu ver¬ 
folgen. Es wurde in uns der Wunsch rege, mit unseren Kollegen 
aus dem Deutschen Reiche Fflblung zu nehmen, und welchen An¬ 
lass konnten wir dafür passender erachten, als grade das Jubel¬ 
fest dieses ältesten Medizinalbeamten-Vereins. 

Sie waren uns allen vorbildlich und richtungsgebend. Diesem 
Vorbilde nachzueitern nnd ihm möglichst nahe zu kommen, ist 
unser ernstes Bestreben. Eines aber, werte Fachgenossen, können 
wir Ihnen nicht nachmachen, und das ist Ihr hochverehrter Prä¬ 
sident! Es ist bewundernswürdig, mit welcher Leichtigkeit er 
die schwere Bürde seines Amtes trägt und mit welcher Unermüd¬ 
lichkeit und wahrem Bienenfleiß er neben seinen Bernfspflichten 
bei seiner Aufgabe als Redakteur Ihrer angesehenen und ausge¬ 
zeichneten Fachzeitung am Werke ist. Möge Ihnen dieser be¬ 
währte und siegreiche Führer auch fernerhin noch viele Jahre 
erhalten bleiben! Dem Verein selbst nnd dem Deutschen Medi¬ 
zinalbeamten-Verein rufe ich aus ganzem Herzen zu: Vivant, 
crescant, floreant in aetemum! 

(Lebhafter Beifall.) 

Vorsitzender: M. H.! Gestatten Sie mir, im Namen des 
Vereins allen denjenigen Herren, die soeben den Verein zu seinem 
Jubiläum in so liebenswürdiger und anerkennender Weise begrüßt 
haben, sowohl‘den Vertretern der verschiedenen Deutschen Ban¬ 
desstaaten und den betreffenden Regierungen, als den Vertretern 
der Medizinalbeamtenvereine unseren verbindlichsten Dank aus- 
zusprechen. Hoffentlich gehen alle Wünsche, die Sie für das 
weitere Gedeihen unseres Vereins hier zum Ausdruck gebracht 
haben, in Erfüllung! Besonders danken möchte ich noch dem 
Vertreter des jüngsten Medizinalbeamten-Vereins, dem Herrn 
Kollegen Dr. Paul. Er hat für mein Versehen glühende Kohlen 
auf mein Haupt gesammelt, nnd meiner Tätigkeit in so rühmender 
Weise gedacht, daß ich ganz beschämt bin. Ob ich das Lob 
wirklich in dem Maße verdiene, muß erst noch die Zukunft 
zeigen. 



14 


BrOflauBg d«r VwainiDlaBg. 


H. Gheh. M6d.>Bat Dr. Schlüter, Kreisarzt in Gütersloh: 
Hochverehrte Festversammlimgt Bei der letzten Haaptversamni’ 
lang des Preußischen Medizin^beamten* Vereins im vorigen Jahre 
in Göln wurde einstimmig die Ansammlung eines Stiftungs- 
fonds beschlossen, zu dem bereits die Sammlnngen eingelmtet 
waren nnd der in erster Linie Unterstfltzungszwecken dienen 
sollte. Ferner wurde der vorläufige Ausschuß, der sich zum 
Zwecke der Sammlung gebildet hatte, beauftragt, mit der Samm¬ 
lung fortznfahren und dann den gesammelten Fonds bei der Ja- 
bil&umsfeier dem Vereine zu überreichen. Von 917 Mitgliedern 
des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins haben sich 466, also 
mehr als die H&lfte durch Zeichnung von Beiträgen beteiligt 
Insgesamt hat die Höhe der Beiträge die Summe von 17405 M. 
erreicht; davon sind bis zum 25. September dieses Jahres bereits 
16 480 Mark bar eingezahlt, so daß njxr noch 925 Mark im Rüdi- 
stande verbleiben, bei denen die Zahlungstermine noch nicht fällig 
sind. An Zinsen sind inzwischen dem Fonds rund 615 Mark zu¬ 
gewachsen, so daß die Gesamthohe der Bareinnahme 17095 Mark 
beträgt. Von dieser Snmme sind 10000 Mark in 3Vt prozentiger 
preussischer Staatsanleihe angelegt, die anf den Namen des Ver¬ 
eins in das Staatsschuldbuch eingetragen sind. Ferner sind 
6000 Mark 4prozentige preussische Staatsanleihe vom Jahre 1908 
gezeichnet, die ebenfalls in das Staatsschnldbnch eingetragmi 
werden, und 1000 Mark westfälische 4prozentige Provinzialanl^e 
gekanft, so daß noch ein Bankguthaben von rund 460 Mark ver¬ 
blieben ist. Von dem in Wertpapieren angelegten Betrage sind 
jährlich 630 Mark an Zinsen zu erwarten. 

Der Ausschuss hat mich beauftragt, den Stiftungsfonds am 
heutigen Tage dem Verein zu überreichen nnd Ihnen zu empfehlen, 
nunmehr den Vorstand zu beauftragen, der nächstjährigen Haupt¬ 
versammlung Vorschläge über die weitere Behandlung der An^ 
legenheit, namentlich über die Verwaltung, Verwendung nsw. des 
Stiftungsfonds zu machen. 

(Lebhafter BeilalL) 

Vorsitzender: M. H.! Ich darf wohl im Namen des Ver¬ 
eins den dargebrachten Stiftnn^sfonds annehmen nnd denjenigen 
Herren — es sind besonders die Stifter des Vereins gewesen —, 
von denen der Gedanke zu einei* Sammlung ansgegangen ist, 
unseren herzlichsten Dank aassprechen, desgleichen aUen denen, 
die zu demselben beigetragen haben. Möge sich der Fonds in 
künftigen Jahren noch recht vermehren! Mögen insbesondere alle 
diejenigen Herren Kollegen, die in glänzenden VermOgensverhält- 
nissen sich befinden — es soll ja anch unter den Medizinal¬ 
beamten solche geben (Heiterkeit) — anch des Stiftungsfonds 
jederzeit eingedenk sein! Vielleicht unterstützt uns in dieser 
Hinsicht die Beichsregierung; denn wenn das von ihr angeblich 
in Aussicht genommene Steuerprojekt, wonach alle Elrbschaftes 
beim Fehlen von Verwandten ersten und zweiten Grades an dm 
Staat fallen sollen, zur Verabschiedung gdangen sollte, diAs 



StOffBUBg d«r Versamiiüiuig. 


15 


werden die Medizinalbeamten ohne nähere Verwandte doch sichei'- 
lich BO klag: luid den Medizinalbeamten7erein lieber recht- 

zeitig testamentarisch als Erben einsetzen, als ihr Erbe dem 
Fiskus zafstllen lassen (Heiterkeit). 

M. H. I Wenn Sie die in der Panse zur Ausgabe gelangende 
Liste der Beiträge za dem Stiftongsfonds einsehen, so werden 
Sie finden, daß noch mancher Name fehlt; hofientlich trägt die 
heutige Jubelfeier dazu bei, daß auch die noch fehlenden Mit¬ 
glieder ihr Scherflein beisteaem and weitere Zuwendungen nicht 
aasbleiben werden. Gegen den Vorschlag des Ansschusses 
dürften Einwendungen wohl nicht zu machen seiu; ich werde mir 
außerdem erlauben, die Angelegenheit morgen bei Gelegenheit 
des Berichts über die Eassenrevision noch einmal zur Erörterung 
zn bringen, and frage, ob die Herren damit einverstanden sind. 

(Allseitige Zostimmiuig.) 

M. H.I Der Preußische Medizinalbeamten • Verein ist wohl 
der einzige von allen Vereinen, der seit seinem 25 jährigen Be¬ 
stehen niemals ein Ehrenmitglied gehabt hat, mit Ausnahme 
unseres hochverehrten Herrn Ehrenvorsitzenden, des verstorbenen 
Geh. Med.-Rats Dr. Eanzow. Wenn ich vorher in meiner Er- 
öfinungsrede eines Mannes gedacht habe, der aus unseren Reihen 
hervorgegangen ist und auf den wir besonders stolz sein mttssen, 
ich meine Robert Eoch, dann darf ich wohl auch auf Ihre Zu¬ 
stimmung rechnen, wenn der Vorstand Ihnen vorschlägt, diesen 
größten Forscher und Begründer eines ganz nenen Zweiges der 
medizinischen Wissenschaft, der Bakteriologie, am Tage unserer 
Jubiläumsfeier in Anerkennung seiner außerordentlichen und un¬ 
vergänglichen Verdienste auf dem Gebiete der öfientlichen Ge- 
snndheitspfiege zu unserem Ehrenmitgliede zn ernennen. I(^ 
frage, ob Sie mit diesem Vorschläge des Vorstandes einver¬ 
standen sind? 

(Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) 

H. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Strassmann-Berlin: M. H.! 
Im Anschluß an den Antrag, dem Sie soeben zugestimmt haben, 
möchte ich Ihnen noch einen zweiten Antrag des Vorstandes vor¬ 
legen. Wenn der Herr Vorsitzende hierüber vielleicht erstaunt 
ist, so darf Sie das nicht Wunder nehmen. Es handelt sich näm¬ 
lich um einen Antrag des Vorstandes, der in einer Sitzung be¬ 
schlossen worden ist, die nicht ordnungsmäßig berufen und nicht 
vollständig besucht war; denn sie hat in Abwesenheit und ohne 
Wissen unseres Herrn Vorsitzenden getagt. Wie die Verschwörer 
haben sich die übrigen Vorstandsmitglieder gestern Abend hinter 
einem Pfeiler des Restaurationssaales im Abgeordnetenhause zn 
diesem Beschlüsse vereint. 

Aber, m. H., dieser Mangel, die Tatsache, daß es sich nur 
um einen Antrag des gewissermaßen geköpften Vorstandes han¬ 
delt (Heiterkeit), ist auch das einzige, glaube ich, was Sie unserem 
Anträge vorwerfen werden. Mit dem materiellen Inhalt sind Sie, 
wie wir glauben, in hohem Grade einverstanden, so daß Sie über 



16 


SrOffniug der Vemmmlung. 


diesen formellen Mangel jedenfSsUs hinwegsehen ▼erden. Wir 
beantragen nämlich, honte znm Jnhiläom des Vereins noch ein 
zweites Ehrenmitglied zn wählen, unseren ersten Vorsitzendoi, 
den Geheimrat Dr. Bapmnnd. 

(Alleeitiger BeilalL) 

Der allseitige Beifall, den Sie eben geänßert haben, sowie 
die anerkennenden Worte, die schon yorher Seine Exzellenz, der 
Herr Minister, nnd unser Freund ans Oesterreich Aber die lang¬ 
jährige Tätigkeit unseres Vorsitzenden gesprochen haben, machen 
es wohl unnötig, daß ich diesen Antrag weiter begründe. Ich 
glaube, ich kann darauf verzichten. Wer die O^eschichte unseres 
Vereins während dieses ganzen Vierteljahrhnnderts kennt, der 
weiß, daß noch niemals ein ähnlicher Antrag mit größerer Be¬ 
rechtigung gestellt worden ist als der, Bapmnnd znm Ehren- 
mitgliede des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins zu wählen. 

(Lebhafter BeifalL) 

Vorsitzender: Hochverehrte Festversammlnng! Die neue 
Ehrung kommt für mich ganz überraschend; denn ich habe wirk¬ 
lich geglaubt, daß am heutigen Tage nur einem die Ehrenmit- 
gliedschaft zuteil werden würde. Sie hänfen so viele Ehren auf 
mein Haupt, daß mir ob derselben bange wird. Ich will mich 
jedoch bemühen, sie in aller Bescheidenheit zu tragen nnd ins¬ 
besondere mit allen meinen Kräften dahin streben, mich der höchsten 
Ehre, die der Verein zn vergeben hat, auch würdig zn zeigen. Sie 
ist mir der schönste Beweis für das außerordentliche Vertranen, 
das Sie bisher stets meiner Tätigkeit als Vorsitzender entgegen¬ 
gebracht haben, und gibt mir die Gewähr, daß dies auch künftig 
der Fall sein wird, so lange Sie mir dieses Amt anvertranen. 
Gleichwohl möchte ich daran die Bitte knüpfen, daß mir die vielen 
Freundlichkeiten nnd die grosse Anhänglichkeit der Medizinal¬ 
beamten, die mir in den vielen Jahren, in denen ich die Geschäfte 
des Vereins geleitet habe, entgegengebracht sind, auch bis in 
alle Zukunft gewahrt bleiben mögen 1 Sie können rersichert se^ 
dass ich alles autbieten werde, dies schöne FrenndschaftsverhältiiiB, 
dies grosse Vertranen mir zn erhalten, damit Sie niemals den 
Tag zu bereuen brauchen, an dem Sie so viele Ehren auf mich 
gehäuft haben. Nochmals vielen, vielen Dank! 

(Lebhafter BeifalL) 

M. H.l Ehe wir nun znm nächsten Gegenstand unserer 
Tagesordnung übergehen, möchte ich im Namen des Vereins noch 
dem Ortsausschuss danken, der sich in diesem Jahre ans den 
Berliner Kollegen gebildet nnd mit vieler Mühe alles anfgeboten 
hat, um unsere Festfeier so vorzubereiten, dass diese sicherlich 
einen in jeder Weise befriedigenden Verlauf nehmen wird. 

Nicht minder möchte ich an dieser Stelle auch den Vereins¬ 
mitgliedern danken, die in bereitwilligster Weise sich an der 
Ausarbeitung der Festschrift beteiligt haben. Die Fest¬ 
schrift ist von Medizinalbeamten für die Medizmalbeamten ge¬ 
schrieben, nnd je mehr Sie sich in das Studium derselben vor- 



Geseb&fti* oad Kassenbericht; Wahl der Eassenrevlsoien. 


17 


tiefen werden, desto mehr werden Sie finden, dass sie eines 
solchen Stndinms auch wert ist, nnd den Mitarbeitern daffir 
dankbar sein werden. 

Namentlich gebtthrt dieser Dank aber dem Bedaktionsans- 
schaß, den Herren Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner, 
Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Strass mann nnd Geh. Med.-Bat Dr. 
Fielitz, die sich bei der Fertigstellung der Zeitschrift besondere 
Verdienste erworben nnd yor allem dafür gesorgt haben, dass der 
einheitliche Obarakter des Werkes trotz der grossen Zahl der 
Mitarbeiter tunlichst gewahrt geblieben ist. 

(Lebhafter Beifall.) 


II. Beschäns- Md Kasseibericht; 

Vlahl der Kassenrevisorei. 

H. Geh. Med.-Bat Dr. Fielitz, Kreisarzt in Halle a. S., 
Schriftführer: M. H.1 Der Geschäftsbericht ist, wie in den 
früheren Jahren, ziemlich knrz; das ist immer ein Zeichen, daß 
es nicht zn Differenzen innerhalb des Vereins, speziell zwischen 
den Mitgliedern nnd dem Vorstande gekommen ist. 

Die auf der yorjährigen Hanptyersammlnng gefaßten Be¬ 
schlüsse betrafen hauptsächlich die diesjährige Jnbilänms- 
feier unseres Vereins und die Ansammlung eines Stittnngs- 
fonds. Ueber ihre Ausführung hat bereits der Herr Vor¬ 
sitzende in seiner Eröffnungsrede, sowie Herr Geh. Med.-Bat 
Dr. Schlüter bei der Ueberreichung des Stiftungsfonds be¬ 
richtet. Betreffs der Festschrift möchte ich nur noöh bemerken, 
daß es mit Bücksicht auf die großen Kosten, die ihre Herstellung 
yeranlaßt hat, dringend erwünscht ist, wenn jedes Mitglied, 
wenigstens des Preußischen Medizinalbeamtenyereins, ein Exemplar 
kauft, damit unsere Kasse nicht einen Zuschuß zu leisten hat, 
sondern im Gegenteil einen solchen erhält. Wir werden infolge¬ 
dessen nach dem Trick mancher Buchhändler jedem Mitgli^e 
ein Exemplar demnächst zugehen lassen und hoffen, daß bei dem 
billigen Preise keines derselben znrückkommt (Heiterkeit). Ich 
darf wohl annehmen, daß die Versammlung mit diesem Verfahren 
einyerstanden ist. 

(Es erhebt sich kein Widersprach.) 

Weiterhin habe ich zu erwähnen, daß Herr Geh. Med.-Bat 
Dr. Barn ick die im Vorjahre auf ihn gefallene Wahl zum Vor¬ 
standsmitglied leider nicht angenommen hat; der Vorstand hat 
demzufolge auf Grund des § 5, Abs. 1 der Satzungen Herrn Beg.- 
nnd Med.-Bat Dr. y. Hake in Marienwerder kooptiert, damit 
auch wieder der Osten der Monarchie im Vorstande yertreten ist. 

Dem yorjährigen Beschlüsse gemäß ist der Verein in das 

2 



18 


Geschäfts- and Kassenbericht; Wahl der Kassenreyisoren. 


Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin Mitte unter dem 
8. Angnst d. J. eingetragen. 

Die Mitgliederzahl hat während des verflossenen Jahres 
eine Höhe erreicht, wie nie znvor; ein äußerst gflnstiges Pro¬ 
gnostiken fflr die Lebenskraft und das weitere Gedeihen unseres 
Vereins in dem jetzt beginnenden neuen Vierteljahrhundert. Am 
Schluß der vorjährigen Hauptversammlung betrug die Zahl der 
Mitglieder 899; davon sind 22 verstorben und 23 ausgetreten, da¬ 
gegen 63 Mitglieder neu eingetreten, so daß z. Z. die Gesamtzahl 
917 beträgt. 

Verstorben sind folgende Mitglieder: 

1. Dr. Andr4e, Med.-Rat, Kreisarzt in Linden b. Hannover. 

2. - Baer, Geh. Medizinalrat, Kreisarzt in Berlin. 

3. - Baserin, Kreisnssistenzarzt in Neidenburg (Ostpreußen). 

4. - Beoker, Geh. Med.-Rat in Hannover. 

5. - Ben da, Med.-Rat, Kreisarzt in Angermiinde. 

6. - Blokusewski, Kreisphysikus a. D. in Niederbreisig a. Rh. 

7. - Bohm, Kreisarzt in Stremen (O.-Schl.). 

8. - Gorke, Kreisarzt in Frankenstein (Schlesien). 

9. - Grandhomme, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Frankfurt a. M. 

10. - Halle, Med.-Rat, Kreisarzt in Burgdorf (Hannover). 

11. - Heise, Med.-Rat, Kreisarzt in Gulm (Westpr.). 

12. - Herrmann, Kreisarzt in Dirsebau. 

13. - Herwig, Med.-Rat, Kreisarzt in Rheinbaoh (Rheinprov.). 

14. - Holz, Med.-Rat, Kreisarzt in Bromberg. 

15. - Ja CO bi. Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Breslau. 

16. - Maass, Spezialarzt für Chirurgie in Landsberg a. d. Warthe. 

17. - Massmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Dramburg (Pommern). 

18. - Meinhardt, Med.-Rat, Kreisarzt in Anklam (Pommern). 

19. - V. Münohow, Med.-Rat, Kreisarzt in SwinemUnde (Pommeru). 

20. - Richter, Med.-Rat, Kreisarzt in Peine (Hannover). 

21. - Schäfer, Kreisarzt in Bernkastel (Rheinprov.). 

22. - Vietor, Med.-Rat, Kreisarzt in Hersfeld (Reg.-Bez. Cassel). 

Vorsitzender: M. H.I Unter den Verstorbenen sind wieder 
eine große Zahl von denen, die in unseren Versammlungen fast 
nie gefehlt haben und deren Dahinscheiden uns deshalb doppelt 
schmerzlich ist. Die Zahl der Verstorbenen ist leider wieder 
außerordentlich groß. Auf unserer vorletzten Hauptversammlung 
äußerte ich die Ansicht, dass die Sterblichkeit unter den Me¬ 
dizinalbeamten verhältnismässig sehr hoch sei, und dass es des¬ 
halb sehr erwünscht wäre, wenn ein jüngerer Kollege sich der 
Mühe unterziehen würde, dieses zahlenmässig nachzuweisen. In¬ 
zwischen ist dies unter meiner Mitwirkung durch den Kollegen 
Dr. Hillenberg geschehen und die von ihm auf Grund zu¬ 
verlässigen Materials ansgearbeitete Statistik hat diese Ansicht 
voll bestätigt. Möge das künftige Vierteljährhundert unseres 
Vereins in ^eser Hinsicht eine günstige Wendung bringen und 
die Sterblichkeit nicht nur wie bisher bei der Bevölkerung im all¬ 
gemeinen, sondern speziell bei den Medizinalbeamten eine wesent¬ 
liche Abnahme erfahren. — Das Andenken der im letzten Jahre 
Verstorbenen lassen Sie uns aber dadurch ehren, dass wir uns 
von unseren Plätzen erheben. 

(Geschieht.) 



Geschäfts’ und Esssenbeiicht; Wahl der EassenreTlsoreD. 


19 


H. G^eh. Med.’llat Dr. Fielitz-Halle a. S., Schriftführer: 
Ich komme nan za dem Kassenbericht. Die Einnahmen and 
Ansgaben stellen sich wie folgt: 

a) Einnahmen: 

Mitgliederbeitiäge . . . 13626,00 Mark 
Zinsen.». . 165,97 , 

Summa: 18791,97 Mark 

b) Ausgaben:. . 18126,68 , 

Ueberschuß: 666,34 Mark 

M. H.! Ich habe in diesem Jahre, am eine etwas andere Kassen* 
fQhrnng einzorichten, — weil mir daran lag, immer bis za dem 
Versammlangsbericht abzaschliessen and so eine genane üeber* 
sicht über den wirklichen Kassenbestand za erhalten — anseren 
Vorsitzenden gebeten, von einer Prttfangskommission die ganzen 
Bechnangen nachprüfen za lassen, seitdem ich die Kasse ver¬ 
walte. Dies ist geschehen onter Beteilignng von nnserem Kol¬ 
legen Herrn Geh. Med.-Rat Dr. Schlüter and einem Kassen- 
sachverständigen. Die Prüfanghat stattgefaoden; es ist alles in 
Ordnang befanden and aach eine Zasammenstellang über das Er¬ 
gebnis für die Information der Kassenrevisoren aafgestellt. Ich 
bitte nan diese za wählen; dabei dürfte es sich empfehlen, die 
Prüfung der Rechnungen erst morgen vorzanehmen, da heute die 
Zoit fehlen dürfte, um die ganzen Unterlagen zu erläutern and 
darchzasehen. 

M. H.I Unsere Kassenverhältnisse haben sich im Laufe 
der letzten Jahre so gestaltet, dass wir jetzt in der Lage sein 
werden, die zweite Hälfte des Abonnementsbetrages für die Zeit¬ 
schrift für Medizinalbeamte schon im laufenden Jahre bezahlen zu 
können und nicht mehr wie bisher unter Zuhilfenahme der Mit¬ 
gliederbeiträge des folgenden Jahres. Die Kosten der Jabiläoms- 
feier werden allerdings nicht unbeträchtlich sein; deshalb ist es 
eben dringend erwünscht, daß der Vereinskasse aus dem Absatz 
der Festschrift ein Ueberschuß erwächst, der mit Sicherheit zu 
erwarten steht, wenn alle Mitglieder ein Exemplar kaufen. 

Vorsitzender: Als Kassenrevisoren schlage ich vor Herrn 
Geh. Med.-Rat Dr. Schlüter-Gütersloh, der die Unterlagen für 
den Kassenabschluß schon dorchgesehen hat, und Herrn Med.- 
Rat Dr. Herr mann-Bitterfeld, der in den früheren Jahren 
wiederholt die Kassenrechnung mit revidiert hat und demnach 
genau damit vertraut ist. Sind Sie damit einverstanden? 

(Allseitige Zustimmung.) 

Zum Schloß möchte ich noch ein Telegramm verlesen, das 
soeben eingegangen ist von Sr. Exzellenz Herrn Wirkl. Geh. Rat 
V. Pilgrim-Minden, meinem früheren hochverehrten Regierungs¬ 
präsidenten, der sich jederzeit, namentlich während seiner Tätigkeit 
als Landtagsabgeordneter, der Interessen der Medizinalbeamten 
warm angenommen hat. Das Telegramm lautet: 

,Mit regem Interesse anteilnehmend an dem Blühen des 

2* 




20 


Dr. Fltkgge. 


segensreichen Vereines, sende ich den vielen zn seinem Jnbilänm 
versammelten Mitgliedern herzlichste Glflckwflnsche!“ 

(Lebhafter Beifall,) 

Ich darf wohl später noch persönlich in Ihrem Namen 
danken. 


III. Oie hygieHische Koatrolle zeatraler Vlasser- 

versorguagen. 

Prof. Dr. Flügge, Geh. Med.-Rat in Breslau: Meine Herren! 
Die Kontrolle von Wasserversorgungen hat für den Medizinalbeamten 
ein besonderes Interesse gewonnen, seit gesetzliche Bestimmungen 
erschienen sind, welche dem Medizinalbeamten die Aufsicht über 
die Wasserversorgung in sanitärer Beziehung übertragen. Die 
erste dieser gesetzlichen Bestimmungen ist enthalten im E[reis- 
arztgesetz, die zweite in einer durch Bundesratsbeschluß vom 
16. 6. 1906 den Regierungen mitgeteilten, und durch Verfügung 
der Minister des Kultus und des Innern vom 23. 4. 1907 den 
beteiligten Preußischen Behörden und Beamten an die Hand ge¬ 
gebenen „Anleitung für Einrichtung, Betrieb und Ueberwachnng 
öffentlicher Wasserversorgungsanlagen**. Es ist demnach keine 
Frage, daß der Medizinalbeamte mit der Kontrolle der Wasser¬ 
versorgungen sich vertraut machen muß. Anderseits aber ist 
diese Kontrolle nicht in schematischer und oft nicht in einfacher 
Weise zn erledigen, sondern erfordert unter Umständen ein recht 
kompliziertes Vorgehen, das außerdem im Laufe der letzten 
Jahre noch ziemliche Wandlungen erfahren hat. 

Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, die sämtlichen 
Methoden, welche für eine Prüfung und Kontrolle von Wasser- 
versorgnngsanlagen in Betracht kommen, Ihnen vorzutragen. 
Eine gewisse Einschränkung habe ich bereits in der Fassung des 
Themas gegeben, indem ich ausdrücklich nur die Kontrolle 
zentraler Wasserleitungen als meine Aufgabe bezeichnet habe. 
Damit sollen ausgeschlossen sein alle die Methoden, welche sich 
auf die Neuanlage von Wasserversorgungen beziehen; nur die 
fortlaufende Ueberwachnng und Kontrolle möchte ich hier be¬ 
sprechen. Und ferner habe ich die lokalen Wasserversorgungen 
nicht berücksichtigt, sondern lediglich die zentralen, welche für 
den Bedarf einer größeren Menge Menschen angelegt werden und 
deshalb naturgemäß unser besonderes Interesse in Anspruch 
nehmen. 

Aber auch unter den zentralen Wasserversorgungen werde 
ich angesichts der knappen mir zur Verfügung stehenden Zeit 
eine gewisse Auswahl treffen müssen. — Die verschiedenen 
derartigen Anlagen sind offenbar nicht gleichwertig, weder in 
bezug auf die sanitären Gefahren, die sie bringen, und auf die 
Notwendigkeit, fortdauernd kontrolliert zu werden, noch hinsicht¬ 
lich der Erfolge, welche die Kontrolle aufweisen kann. S^e ich 



Die bygienlBclie Kontrolle zentraler Waszerrersorgnngen. 


21 


▼on selteneren Arten der Wasseryersorgnng, wie z. B. derjenigen 
ans Talsperren oder ans Bergwerken ab, so sind es hanptsächlich 
1) Qaellwasserversorgnng, 2) Gmndwasserversorgnng, 3) Ver¬ 
sorgung mit natttrlich filtriertem Flußwasser, und 4) Versorgung 
mit kfinstlich filtriertem Oberfiächenwasser, die in Betracht kommen. 

Die Qu eil Wässer geben viel häufiger zu Infektionen Anlaß, 
als man das früher gedacht hat. Ich kann in dieser Be¬ 
ziehung nur auf die ausgezeichneten Ausführungen meines 
Kollegen Gärtner verweisen, der erst kürzlich gezeigt hat, wie 
leicht Quellwässern auf ihrem Wege durch Klüfte und Rinnen 
im Gestein suspendierte Partikelchen und Bakterien aller Art, 
darunter auch pathogene, zngeführt werden können. Namentlich 
reichliche Niederschläge und Aendernngen der unterirdischen 
Wasserniveaus geben hier zu einer Verschlechterung Anlaß, die 
oft zuerst durch sichtbare Trübungen, demnächst durch reich¬ 
liche Bakterien sich zu erkennen gibt. Eine ganze Reihe von 
Typhusepidemien sind in der lezten Zeit auf diese Art von 
Quellwasserinfektion znrfickznführen; Gärtner erwähnt in 
seiner Schrift deren 25, darunter die bekannten Epidemien in 
Paris 1894 und 99, in Paderborn 1898, in Weimar und Apolda 
1898. — Die fortlaufende Kontrolle kann leider bei diesen Ver¬ 
sorgungen wenig vorbeugend wirken. Treten bei besonderen 
Niederschlagsverhältnissen Trübungen und reichlicher Bakterien¬ 
gehalt auf, so ist das immer ein Zeichen, daß die Anlage 
fehlerhaft ist, nnd daß eine gründliche Aendernng dieser versucht 
werden muß. Zur genaueren Untersuchung der fehlerhaften 
Kommunikationen kommt dann namentlich die Anwendung von 
Farbstoffen, Kochsalz, Saprol, Hefen, leicht auffindbaren Bak¬ 
terien etc. in Betracht. Aber das gehört alles nicht mehr in den 
Bereich der laufenden Kontrolle. Durch einfache Betriebs¬ 
änderungen auf Grund einer Kontrolle zn helfen, das ist in 
diesen Fällen fast niemals durchführbar. 

Grund Wasser Versorgungen geben bei guter Auswahl des 
Terrains, insbesondere beim Vorhandensein einer sicher filtrieren¬ 
den, ansreichend starken feinkörnigen Bodenschicht an der Ober- 
fiäche und bei zweckentsprechender Anlage keinen Anlaß zn In¬ 
fektionsgefahr. Es ist relativ leicht, eine solche Versorgung 
bakteriologisch zn kontrollieren, da das Wasser dauernd nahezu 
keimfrei sein muß. Hat diese Keimfreiheit bereits eine längere 
Zeit hindurch bestanden, so kommt es sehr selten und nur durch 
unvorsichtige Erdarbeiten, Ausschachtungen nnd dergl., vor, daß 
nachträglich der Bakteriengehalt des Wassers sich ändert. 

Gewöhnlich rechnet man zn den hygienisch einwandfreiesten 
Grund Wasser Versorgungen auch noch die Anlagen mit künstlich 
filtriertem Flußwasser. Diese sind aber wesentlich anders 
zu beurteilen. In einer großen Anzahl von Fällen haben solche 
Versorgungen teils qualitativ, teils quantitativ nach einiger Zeit 
versagt. Die Aendernng der Qaalität besteht hauptsächlich in 
starker Keimsteigernng nach Hochwasser; auch pathogene Arten 
finden sich unter diesen Keimen, insbesondere hat die Sterblichkeit 



22 


Dr. FlQgge. 


der Kinder an Magen-Darm-Krankheiten anf derartige Keim¬ 
steigerangen reagiert (Dresden). Auch Typhus ist an einigen 
Steilen durch solches Wasser verbreitet (Essen 1889). — Hinzu 
kommt eine weitere Gefahr dieser Anlagen dadurch, daß die 
Wassermenge nach einiger Betriebszeit hernuterzugehen pflegt. 
Namentlich die in größerer Nähe des Flusses angelegten Brunnen, 
aus denen starke Entnahme erfolgt, lassen nach verschiedener 
Zeit, manchmal bald, manchmal erst nach Jahren, erfahmngS" 
gemäß eine Verschlammung des als natürliches Filter dienenden 
Flußbettes erkennen. Um das immer geringer werdende Quantum 
anfzubessem sind dann mehrfach die berüchtigten ^Stichrohre“ 
angelegt, welche das Floßwasser direkt oder nach belangloser 
künstlicher Filtration dem Wasserwerk zuführen. Auch damit 
ist dann selbstverständlich eine starke Steigerung des Keimge¬ 
haltes verbanden. — Gewiß sind nicht alle Werke, die natürlich 
filtriertes Flußwasser benutzen, in gleicher Weise zu beurteilen. 
Bei manchen, wie z. B. bei den Werken am Niederrhein, handelt 
es sich eigentlich gar nicht um ein filtriertes Flußwasser, sondern 
in der Hauptsache um Grundwasser, das in der Nähe des Flusses 
in mächtigen Schichten groben Kieses sich ansammelt. Solche 
Werke zeigen dauernd niederen Keimgehalt und werden auch 
vom Hochwasser nicht beeinflußt. Ferner erscheinen einwandfrei 
die Werke, bei welchen mindestens ein Abstand von 100—200 
Meter vom Flusse eingehalten ist. Andere Werke dagegen liefern 
regelmäßig, and namentlich bei Hochwasser, vorzugsweise filtriertes 
Flußwasser; und wenn sie nahe am Fluß gelegen sind, so kann 
dieses Wasser so schlecht filtriert sein, daß es reichliche Keime 
führt. Eine gute Illustration hierfür liefern die Erfahrungen an 
dem Dresdener Saloppenwerk. 

Die Versorgungen mit natürlich filtriertem Flußwasser sind 
daher, namentlich wenn sie die letzt gerügten Mängel zeigen, 
sorgfältig zu überwachen. Die Bakterienzahlen sind festznstellen, 
auch die Arten zu berücksichtigen in derselben Art, wie dies 
bei den Anlagen mit künstlich filtriertem Flußwasser zu geschehen 
hat, und wie ich nachher ausführlich besprechen werde. Wichtig 
ist, zu ermitteln, welche Brunnen vorzugsweise die Steigerung 
der Keimzahlen zeigen, und es läßt sich eventuell durch Aus¬ 
schluß einiger Brunnen oder Filtergallerien bei Hochwasser eine 
Besserung erzielen. Im ganzen wird aber auch hier eine 
Regelung des Betriebs gemäß den jeweiligen Befanden bei der 
fortlaufenden Kontrolle kaum ausreichenden Erfolg haben. Diese 
Art von Wasserversorgung bat eben immer etwas unheimlich 
dunkles; wir können die Vorgänge, welche zur Keimvermehrung 
führen, schwer übersehen und können relativ wenig zu einer 
Besserung tun, es sei denn durch totale oder teilweise Aenderung 
der Anlage. 

Diejenige Art der Wasserversorgung, die nun aber in ganz 
besonderem Grade eine laufende Kontrolle erfordert, und bei der 
diese sehr erhebliches leisten kann, ist die Versorgung mit künst¬ 
lich filtriertem Oberflächenwasser, die wir z. B. jetzt 



Die hygiesiscbe Kontrolle sentrnler Wasserrereorgungen. 28 

noch in Berlin, Breslan, Hambnrg, Bremen, Magdeburg und in 
zahlreichen kleineren Städten haben. Hier kommen die zur 
Kontrolle dienenden verschiedenen Verfahren am ausgiebigsten 
zar Anwendung; die Werke mit kfinstlicher Filtration bieten 
daher das beste Paradigma, an dem sich die Gesichtspunkte 
für eine Kontrolle und deren Ausführung erläutern lassen, und 
von dem aus dann leicht — mntatis mntandis — Rückschlüsse 
auf die Kontrolle bei anderen Wasserwerken gezogen werden 
können. 

Weshalb bei Filterwerken eine besonders aufmerksame 
Kontrolle erforderlich ist, das ist ohne weiteres verständlich. 
Wir haben hier einen Bezog von meist verdächtigem Oberflächen¬ 
wasser und bei dessen Reinigung durch Filter einen Betrieb, der 
fortwährend durch Menschenhand geregelt wird. Hier sind fort¬ 
gesetzt Fehler möglich, denen durch geeignete Kontrolle vielleicht 
vorgebeugt werden kann. Sehr oft haben gerade diese Werke 
infolge von Betriebsstörungen zu Epidemien Anlaß gegeben. Ich 
erinnere nur an die Typhus-Epidemien in Liegnitz 1888 und 
1894, ferner in Berlin im Gebiet der Stralauer Wasserversorgung 
1893, ferner in Altona ebenfalls 1893. 

Wie läßt sich nun eine Kontrolle der Filterwerke 
durchführen? Auf chemischem Wege ist das nicht möglich, da 
die Wirkung der Filtration auf die chemischen Stoffe, auch auf 
die organischen Substanzen, zu gering ist. Ebenso haben 
mikroskopische üntersnchnngen eine hinreichend auffällige Diffe¬ 
renz zwischen Roh wasser und Filtrat bisher nicht ergeben. Das einzige, 
worauf wir angewiesen sind, ist daher die bakteriologische 
Prüfung, die in sehr verschiedener, teils einfacher, teils kom¬ 
plizierterer Weise vorgenommen wird. 

Die einfachste Prüfung besteht in der Feststellung der 
Keimzahl erstens im Filterzulauf und zweitens im Filterablanf. 
Nicht gleichgiltig ist dabei die Art der Züchtung. Nährboden, 
Brutschrauktemperatur, Dauer des Aufenthaltes im Brutschrank, 
Art der Zählung, alles beeinflußt das Resultat. Bis jetzt wird 
meistens noch die übliche Nährgelatine verwendet, die mit den 
Wasserproben gegossenen Platten werden 48 Stunden bei 22 Grad 
aufbewahrt und dann wird mittels Lupe die Kolonienzahl festge- 
stellt. Gegen dieses Verfahren sind viele Einwendungen erhoben. 
Man hat zeigen können, daß auf diese Weise bei weitem nicht 
alle Bakterien, die im Wasser enthalten sind, zum Wachstum 
kommen, sondern daß nur ein relativ kleiner Bruchteil derselben 
aufgefunden wird. Will man möglichst vollständig alle Bakterien 
des Wassers in Kolonienform vor Augen bekommen, dann muß 
vor allen Dingen die Bouillon aus d&m Nährsnbstrat fortgelassen 
werden, ferner auch die Gelatine; als bester Nährboden hat 
sich wohl der von Hesse und Niedner angegebene bewährt, 
der einfach in 100 Wasser 1 Teil Albnmose und 1 Teil Agar 
enthält. Die Brutschrauktemperatur darf 25 Grad nicht über¬ 
steigen, die Dauer des Aufenthalts muß aber 3 Wochen betragen. 
Erst dann sind wirklich aus allen Keimen erkennbare Kolonien 



24 


Dr. Flügge. 


herYorgfegrangeii. Die Zählung erfolgt am besten mikroskopisch 
und nur bei spärlich besäten Platten makroskopisch. 

Man braucht nun aber ans diesen Versuchen nicht zn folgerUt 
daß auch in der Praxis das Bestreben dahin gehen muß, möglichst 
alle Keime zu zählen. Wir kOnnen unmöglich 3 Wochen auf 
das Resultat warten, und wir kOnnen uns vielleicht ganz gut 
auch mit einem Bruchteil der vorhandenen Bakterien begnügen. 
Ob dieser Bruchteil ein größerer oder kleinerer ist, darauf kommt 
es weniger an; dagegen wird es sehr wichtig sein, daß stets in 
völlig gleicher Weise gearbeitet wird. Derselbe Nährboden, 
dieselbe Temperatur, dieselbe Zeitdauer müssen jedesmal einge¬ 
halten werden; nur dann erhält man unter einander vergleich¬ 
bare Zahlen. 

Es muß zugegeben werden, daß mittels der üblichen Gelatine¬ 
platten ein besonders kleiner Bruchteil von Keimen gefaßt wird. 
Auf dem Hesse’sehen Agar wachsen unter Umständen 20 mal 
so viel und mehr Kolonien, wie auf den Gelatineplatten, und wenn 
wir auch bisher erfahrungsgemäß mit den Zahlen, die die Gela¬ 
tineplatte lieferte, ganz brauchbare Resultate erhalten haben, so 
würde es doch, glaube ich, ein Vorteil sein, wenn man aUmählich 
den Hesse’schen Agar oder einen ähnlichen Nährboden akzep¬ 
tierte und auf diese Weise stets einen viel größeren Brncht^ 
der vorhandenen Bakterien zur Zählung bekäme. Voraussichtlich 
würde es sogar genügen, auf diesem Agar kürzere Zeit als 
48 Standen zu züchten und dann mikroskopisch zu zählen. Aber 
es liegen noch nicht genügend Erfahrungen darüber vor, als daß 
man diese Aenderung des Verfahrens allgemein empfehlen konnte. 

Non fragt sich aber weiter, wie soll die Berechnung 
stattflndenP Sollen wir unser Urteil abgeben auf Grund der 
absoluten Zahl der Keime, die im Filtrat gefunden sind, oder 
soll das Verhältnis der durch das Filter hindurchgegangenen 
Keime zu den im Rohwasser vorhandenen in Prozenten feet- 
gelegt werden? In Deutschland haben wir bis jetzt fast aus¬ 
schließlich die absolute Zahl der Keime im Filtrat als maßgebend 
angesehen. Es hat sich herausgestellt, daß auf den verschie¬ 
densten Wasserwerken und unter den verschiedensten Verhält¬ 
nissen im allgemeinen eine geordnete und hygienisch ausreichende 
Filtration angenommen werden kann, wenn im Filtrat des ein¬ 
zelnen Filters die Zahl von 100 Keimen nicht überschritten ist. 
Das ist natürlich nicht so zu verstehen, als ob 100 Keime un¬ 
schädlich seien, der 101. aber Schaden verursache, sondern es 
ist das nur eine ungefähre Grenzzabl, die erfahrungsgemäß 
für den normalen Betrieb als maßgebend angesehen werden kann. 

Freilich gibt es Verhältnisse, unter denen schlechterdings 
diese GrenzzaU nicht eingehalten werden kann, sondern wo z. B. 
infolge eines starken Gehaltes des Flußwassers an indifferenten 
Keimen die Grenzzahl weit überschritten wird, auch bei bester 
Filtration. Schon durch die Untersuchungen von Fränkel und 
Piefke ist festgestellt, daß die Filter nicht eine absolute Zurück¬ 
haltung von Keimen bewirken, sondern nur eine teilweise, und daß 



Die hygienische Kontrolle zentraler Wasserrersorgnngen. 


25 


die Zahl der Keime im Filtrat entsprechend dem Ansteigen der 
Keimzahl im Rohwasser wächst. Nnn enthalten manche Flflsse, 
namentlich in der kalten Jahreszeit, ünsnmmen von Wasserbak- 
teilen, die sich gerade bei relativ niederen Temperataren sehr 
rasch vermehren, die anch im Filter ansgiebig wachsen and deren 
Auftreten daher za einer anßerordentlichen Steigerang der Keim> 
zahl im Filtrat itthrt. Ebenso pflegt manches Hochwasser enorme 
Keimmengen za fahren. Unter diesen Bedingungen wird also jene 
Qrenzzahl nicht eingehalten werden können. Man wird dann in jedem 
einzelnen Falle noch gesondert feststellen müssen, zu welcher Kate* 
gorie von Bakterien die Hauptmasse der im Filtrat gefundenen 
Keime gehört; wir werden gleich sehen, daß es in der Tat Methoden 
gibt, um darüber einigermaßen ins Klare zu kommen. — Im großen 
ganzen ist aber daran festznhalten, daß sich die Grenzzabl von 100 
Keimen zor Bearteilang des Filtrationseffekts gnt bewährt hat. 

Namentlich amerikanische Hygieniker haben in den letzten 
Jahren mehr die zweite Art der Berechnung verteidigt, wonach 
das Prozentverhältnis der durchgegangenen Keime bestimmt 
werden soll. Dieses Verhältnis soll möglichst nicht über 0,5 
oder sogar picht über 0,8 ®/o, keinesfalls über l^/o hinansgehen, 
d. h. also bei 10000 Bakterien im Rohwasser sollen womöglich 
nur 80—50 und höchstens 100 im Filtrat auftreten, bei 100000 
Keimen im Rohwasser dürfen dagegen 800—500 Keime, ja bis 
zu 1000, im Filtrat sein. — Diese Art der Berechnung gefällt 
namentlich denjenigen Wasserwerken besser, die mit einem zeit¬ 
weise bakterienreichen Flußwasser zu tun haben nnd wegen 
dessen großer Keimzahl jene absolute Grenze von 100 Bakterien 
oft überschreiten. 

Es ist aber nicht zu vergessen, daß dann auch eine nnd 
dieselbe Berechnung stets angewendet werden muß, und da zeigt 
sich sofort, daß, wenn das Flußwasser wenig Keime enthält, 
bei dieser Rechnung ganz unmögliche Resultate erzielt werden. 
Beispielsweise enthält das Oderwasser im Sommer meist nur 
800—1500 Keime; im Filtrat fluden sich 80—50 Keime, das 
entspricht einem Filtrationseffekt von 2—6°/o; es würde also 
nach der Prozentrechnung eine solche Filtration unbedingt be¬ 
anstandet werden müssen. Manche Wasserwerke möchten gern 
für die Zeiten, wo das Flußwasser hohe Keimzahlen zeigt, mit 
dem Prozentverhältnis rechnen, dagegen für diejenigen Zeiten, 
wo im Flußwasser wenig Keime vorhanden sind, mit den abso¬ 
luten Ziffern. Das wäre aber eine zu weit gehende Konzession. 
Wo liegt da die Grenze für die eine und für die andere Art der 
BerechnungP Außerdem muß, wenn eine große Zahl von Keimen 
im Rohwasser ein immerhin noch genügendes Prozentverhältnis im 
Filtrat veranlaßt, wenigstens festgestellt werden, ob denn die 
zahlreichen durchgegangenen Keime unschuldiger Art sind oder 
nicht. Sind viel verdächtige darunter, so sind sie natürlich 
nicht belanglos, selbst wenn der durch das Filter hindurch- 
gegangene Bruchteil der Rohwasserkeime sehr klein ist und noch 
innerhalb der zulässigen Grenzen liegt. 



26 


Dr. Flfigge. 


Um in dieser Beziehnngf ein richtiges Urteil zn gewinnen, muß 
man sich in den FiltrationsYorgang etwas genauer hineindenken. 
Wir wissen, daß die Zurflckhaltung der Keime znm größten Teil 
bewirkt wird durch die Schlammdecke, die sich auf dem Filter 
durch eine Wucherung von Algen und Bakterien bildet, zweitens 
aber auch durch die schleimige Auskleidung, welche sich fast 
durch die ganze Sandschicht des Filters erstreckt und ebenfalls 
zahlreiche Bakterien enthält; drittens kommt eine gewisse 
Zurückhaltung durch die Sandteilchen selber zustande, an deren 
Fläche auch ohne auskleidende Schleimschicht manche Keime 
haften bleiben. Die Bakterien des Filtrats setzen sich stets zu¬ 
sammen aus solchen Keimen, die sich von den im Filter befind¬ 
lichen und zum Teil dort gewucherten abgelöst haben, und 
zweitens aus solchen, welche aus dem frischen Abwasser stammen 
und durch das Filter einfach hindurch getreten sind. Der letztere 
Anteil ist der hygienisch weitaus wichtigere, während die im Filter 
enthaltenen Bakterien gi’ößtenteils zu den Saprophyten gehören, 
die bei den niederen Temperaturen des Filters noch kräftig 
wuchern. Hier und da können wohl auch bedenklichere Arten 
znrfickgehalten werden, doch haben sie im Ganzen ungünstige 
Gelegenheit zur Vermehrung und werden daher fast stets sehr 
in der Minderzahl sein. Wie nun aber im Filterablauf das 
Verhältnis zwischen den sogenannten Filterbakterien und den 
durchgegangenen Bakterien sich gestaltet, das ist von den ver¬ 
schiedensten Umständen abhängig und im Einzelfall immer unbe¬ 
kannt. Kennten wir dieses Verhältnis, dann würde in der 
Tat die Prozentberechnnng ein brauchbares Besnltat ergeben. 
Da aber beide Anteile für uns (abgesehen von Versuchen mit be¬ 
sonderen Bakterien, die zn Studienzwecken dem Rohwasser zu¬ 
gefügt werden) stets ein X sind, so ist es unmöglich, eine prak¬ 
tisch brauchbare Prozentberechnnng einznführen. 

Für beide Berechnungsarten ist es jedenfalls oft nötig, 
darüber klar zu werden, ob die im Filtrat gehäuft vorkommenden 
Keime als unschädliche oder als verdächtige anzusprechen sind. 
Nach dieser Richtung sind in den letzten Jahren eine ganze 
Menge die einfachen Zahlenergebnisse ergänzender Ver¬ 
fahren angegeben. — Am vollkommensten lösen wir natürlich die 
Aufgabe, die gefundenen Keime vom sanitären Standpunkt aus 
zn beurteilen, wenn wir unter ihnen direkt menschliche 
Krankheitserreger nach weisen können. Wie Sie wissen, 
ist z. B. für Cholerabakterien ein Verfahren ausgearbeitet, bei 
dem sich große Mengen von Wasser zur Untersuchung verwenden 
lassen und mit dem es in der Tat relativ leicht gelingt, auch verein¬ 
zelte Cbolerakeime zu isolieren; doch ist hier die Verifizierung 
gegenüber harmlosen Wasservibrionen schwierig und daher nur 
einzelnen Instituten Vorbehalten. — Für Typhusbakterien und 
andere menschliche Krankheitserreger befinden sich die ent¬ 
sprechenden Verfahren noch mehr im Versuchsstadinm. Wir 
werden daher im allgemeinen mehr darauf ausgehen müssen, 
andereKeime im Wasser nachzuweisen, die uns als Indikatoren 



Die hygienische Kontrolle zentraler Wasserrcrsorgungen. 27 

dienen können für eine yerdächtige VerschmntznnK des Wassers. 
In dieser BichtnnK sind folgende Methoden yersn^t: 

Als überholt können die Versuche gelten, aus der Zahl 
der Arten Schlüsse zu ziehen, oder aus besonderer Zählung 
derjenigen Bakterien, welche riechende Produkte geben und die 
Gelatine yerflüssigen, oder aus Tieryersuchen mit dem Gemisch 
yon Bakterien. Wichtiger ist dagegen eine Prüfang, die darauf 
ausgeht festzustellen, wieyiel Keime yorhanden sind, die bei 
höherer Temperatur wachsen, entweder nur bei 87 Grad 
oder, wieEjkmann will, sogar bei 46 Grad. Es ist in der Tat 
auffällig, daß außerordentlich yiele aus dem Wasser gezüchtete 
Arten bei diesen höheren Temperaturen sich gar nicht yermehren. 
Wenn der Prozentsatz an thermophilen Keimen ein erheblicher 
ist, so werden schon kleine Mengen Wasser nach Zusatz yon 
Peptonbouillon und nach 24 Stunden bei 37 Grad Trübung durch 
Bakterienwucherung zeigen. Petruschky bezeichnet als „Thermo* 
philentiter* die Anzahl Kubikzentimeter Wasser, welche noch 
positiy Ausschlag geben; Titer 1 heißt also, daß 1 ccm Wasser 
noch Trübung ergibt. Schon das Ergebnis dieser Probe wird in 
yielen Fällen darüber Aufschluß geben, ob die Keime in der 
Hauptsache yerunreinigtem Bohwasser entstammen und in merk¬ 
licher Zahl in das Filtrat übergehen, obwohl sie in Bezug auf 
Vermehrung im Filter hinter psychrophilen Keimen stark 
Zurückbleiben. — Man kann dann noch weiter gehen, indem 
man gewisse Eigenschaften dieser thermophilen Bak¬ 
terien prüft. Ejkmann empfiehlt z. B., in Kölbchen mit zucker¬ 
haltigem Nährsubstrat die Gärwirkung zu beobachten. Ganz 
besonders aber hat man die Säure- und Gasbildung bei 
Züchtung in Dextrose-Bouillon oder milchzuckerhaltigen Nähr¬ 
böden beobachtet, um daraus auf die Golinatnr der gewachsenen 
Keime znrückschließen zu können. Die Methoden zum Colinach- 
weis sind yielfach yariiert; wir benutzen in Breslau eine Mischung 
yon 5 gr Milchzucker, 2^/, gr Pepton, 100 Wasser und Lakmns- 
Zusatz und yerfahren meist derart, daß je 50 ccm Wasser mit 
5 ccm dieser Nährlösung yersetzt und dann in yerschiedenen 
Mengen in Böhrchen abgeiüllt werden, sodaß z. B. 10 mal 
1 ccm, 5 mal 2 ccm, 2 mal 5 ccm und 2 mal 10 ccm zur 
Beobachtung kommen. Man findet dann unter Umständen einen 
sehr niedrigen Colititer, d. h. es zeigen schon yon den Proben 
yon je 1 ccm mehrere Proben deutliche Bötung, oder aber 
der Colititer liegt sehr hoch, d. h. man findet höchstens in den 
Proben mit 10 ccm — evtl, auch sogar erst bei 100 ccm — eine 
Botfärbung. Weitere Differenzierung mit Platten und feineren 
Methoden ist unter Umständen dringend wünschenswert bezw. 
erforderlich. 

Ich will mich hier nicht einlassen auf eine Besprechung des 
Wertes des Colititers im allgemeinen. Es ist wohl keine Frage, 
daß für eine Beurteilung von Wässern yerschiedener Herkunft 
die Benutzung des Colititers recht angreifbar und noch yon zweifel¬ 
haftem Wert ist. Aber darauf kommt es hier nicht an. Hier 



28 


Dr. Flflgge. 


handelt es sich nm fortlanfende Beobachtungfen bei einem Wasser 
nnd namentlich dämm, ob im Filterablanf getändene Keime za 
den harmlosen Filterbakterien geboren oder zn den ans dem Roh* 
▼asser darchgegangenen Keimen; nnd weiter noch dämm, ob 
nnter diesen Rohwasserkeimen zahlreichere Arten sich finden, 
welche der Coligrnppe angeboren nnd mit einer gewissen Wahr* 
scheinlichkeit tierischen Fäkalien entstammen. 

Wenn wir in dieser Weise nnser Urteil einschrinken, so läßt 
sich, glanbe ich, ans den geschilderten Methoden doch mancherlei 
Wichtiges entnehmen; sie setzen nns in der Tat in die Lage, 
dann, wenn die Keimzahl des Filtrats abnorm hoch ist, einen 
Entscheid darüber zn treffen, ob diese üeberschreitnng als harm* 
los oder als bedenklich anznsehen ist. 

Somit sind wir eigentlich ganz gnt leistnngsfähig in bezng 
anf die Benrteilnng der Filterwirknng. Aber ein sehr großer 
üebelstand ist noch za bedenken, nämlich der, daß wir das Elr* 
gebnis der bakteriologischen Untersnchnng erst so spät be* 
kommen. Frühestens nach 2->-8 Tagen, oft aber, wenn z. B. die 
üeberschreitnng der normalen Grenzzahl nicht sofort gemeldet 
wird, noch später! Das macht nichts ans, wenn es sich bei der 
Kontrolle z. B. darum handelt, festznstellen, ob ein gereinigtes 
oder frisch aafgeiülltes Filter sich bereits genügend eingearbeitet 
hat, oder aber noch zn viel Keime dnrchläßt. Da maß vor dem 
Einlaß des Filtrats in das Rohrnetz eben gewartet werden, bis 
nnsere bakteriologische Untersuchung abgeschlossen ist. Aber 
außerordentlich ungünstig fällt diese VerzQgemng ins Gewicht, 
wenn infolge von Betriebsstörungen, abnormer Rohwasserbeschaffen¬ 
heit etc. eine ungenügende Leistung eines Filters erkannt wird. 
Dann kommt das Resultat offenbar viel zu spät. Das unge¬ 
nügend filtrierte event. schädliche Wasser ist in den 2—3 Tagen, 
die bis zum Bekanntwerden des Resultats vergehen, in großen 
Massen bereits in das Rohrnetz gelaufen und von der Bevölke¬ 
rung genossen. Eine Warnung anf Grund des bakteriologischen 
Resultats hat also kaum mehr einen rechten Zweck; denn ein 
Auftreten pathogener Bakterien im Robwasser pfiegt nicht längere 
Zeit hindurch, sondern meist in kurzen Perioden, schubweise, vor- 
zukommen. Gerade die wichtigsten Fälle von Gefährdung der 
Bevölkerung werden daher trotz aller bakteriologischen Kontrolle 
bestehen bleiben. Wir können aus letzterer immer nur eine War¬ 
nung für die Zukunft, eine Mahnung zur Vorsicht in ähnlichen 
Fällen, entnehmen, aber können der Bevölkerung nicht den Schutz 
gewähren, den man eigentlich von unserer Kontrolle erwarten darf. 

Daher muß notwendig noch ein anderes Vorgehen die 
bakteriologische Kontrolle begleiten: Wir müssen versuchen, 
für jedes Wasserwerk diejenigen Momente zu ermitteln, 
welche leicht zu einer Gefährdung des Wassers führen, 
und wir müssen das Vorliegen solcher Momente wo¬ 
möglich so frühzeitig erkennen, daß noch recht¬ 
zeitig Vorbeugungsmaßregeln getroffen werden 
können. 



Die lygieoiscbe Kontrolle lentrnler WasserTersorgiingeo. 


29 


Manche der Momente, die fttr Filterbetriebe YerhftnKniaToll 
werden können, lassen sich allgemein fixieren, nnd anf diese 
ist in dem bekannten Erlaß des Beichskanzlers »Ueber 
die Grundsätze für den Filterbetrieb** bereits hingewiesen. 
Da findet sich z. B. die Angabe, „daß das Filter nach vollzogener 
Reinigung nnd namentlich nach Ergänzung der Sandschicht eine 
entsprechende Schonzeit dnrchmachen soll; daß besondere Ani> 
merksamkeit nötig ist, wenn der Filterdruck abnorm hoch ge¬ 
stiegen ist, oder wenn er plötzlich abnimmt, oder wenn Hoch¬ 
wasser eintritt; es ist betont, daß die Filtrationsgeschwindigkeit 
eine gleichmäßige sein nnd keine plötzlichen Schwankungen er¬ 
fahren soll.” Im allgemeinen reichen die dort gegebenen Vor¬ 
schriften wohl ans, aber sie bedürfen vom hygienischen Standpunkt 
ans nnd gerade mit Rücksicht daranf, daß die bakteriologische 
Feststellnng der ungenügenden Filterleistnng immer viel zu spät 
kommt, doch noch einer Ergänzung durch spezielle Orientierungen 
nnd Studien, von denen in jenem Erlaß nichts gesagt ist. 

Für die hygienische Beschaffenheit eines Filtrats kommt 
offenbar zunächst die Beschaffenheit des Rohwassers in 
Betracht. Diese variiert je nach der Wahl des wasser¬ 
gebenden Flusses, dann aber auch, was besonders wichtig ist, 
bei demselben Wasser oft sehr stark zu verschiedener Zeit. Ein 
erheblicher Unterschied zeigt sich vor allen Dingen zwischen 
Sommer- nnd Wintermonaten. Im allgemeinen ist das Flnß- 
wasser im Sommer viel ärmer an Keimen, als im Winter; 
auch die thermophilen Bakterien nnd Eoliarten werden im Sommer 
an Zahl geringer. Vermutlich spielt hier die Belichtung eine 
gewisse, aber nicht entscheidende Rolle. Vor allem kommt in 
Betracht, daß während des ganzen Sommers die Flüsse durch¬ 
schnittlich niedrigen Wasserstand zeigen und daß Zofiüsse von 
der Boden-Oberfiäche viel seltener erfolgen; die Niederschläge 
werden im Boden znrückgehalten nnd ein oberfiächliches Ab- 
dießen von Schmntzwässern findet weniger leicht statt. Erst 
durch sehr starke Niederschläge wird dies erreicht, sie bewirken 
aber meist zugleich Hochwasser nnd damit eine enorme Ver¬ 
dünnung pathogenen Materials. — Dafür freilich tritt im Sommer 
eine besondere Gefahr auf schiffbaren Flüssen auf durch die 
oft sehr zahlreiche nnd übertragbaren Krankheiten besonders 
aasgesetzte Schifferbevölkernng. Solange übertragbare Krank¬ 
heiten unter den Schiffern fehlen, bleibt die von ihnen ausgehende 
Veranreinigung nnmerklich und ziemlich belanglos. Kommen aber 
Fälle von Typhus oder gar von Cholera unter Schiffern vor, nnd 
gelangen deren Dejekte oberhalb der Wasserentnahmestelle in den 
Fluß, so liegt eine Gefahr vor, die nicht unterschätzt werden 
darf. Hier hilft die Keimzählung nnd Artnntersnchnng nichts; 
die Choleradejekte z. B. verändern in dieser Beziehung das Wasser 
nicht spezifisch, sondern nur der direkte Befand von Cholera¬ 
bakterien kann durch die bakteriologische Untersuchung erhoben 
werden. Hier müssen daher andere, unten zu besprechende Vor¬ 
sichtsmaßregeln in Betracht kommen, deren wichtigste die ist. 



30 


Dr. Fltkgge. 


daß der Hygieniker ttber den Gesnndheiteznstand der anf dem 
Finsse lebenden Sehifisbevdlkernng sich möglichst genau orien¬ 
tiert hält. 

Im Winter beobachten wir meist eine starke Eeimsteige- 
mng, die im ersten Anfang des Winters vorzugsweise anf der 
Vermehrung von Wasserbakterien beruht und meistens als in- 
difierent angesehen werden kann. Weiterhin kommen aber gerade 
im Winter bedenkliche Zuflüsse in großer Menge zum Flnßwasser 
hinzu, weil alsdann ein Abspülen der Bodenoberfläche, der ge¬ 
düngten Felder, der Schmutzhaufen und -Gräben der Ortschaften 
sich leichter vollzieht. Besonders wirkt in dieser Beziehung 
Schneeschmelze, die bei uns wiederholt im Winter aufzutreten 
pflegt, oder starker Regen nach längerer Trockenheit. Haben 
erst einmal Niederschläge die Bodenoberfläche gereinigt, so sind 
die folgenden Niederschläge relativ harmlos; insbesondere ist, 
wenn große Wassermassen niedergegangen sind und Hochwasser 
herbeigeführt haben, oft längere Zeit ein Freibleiben von ver¬ 
unreinigten Zuflüssen zu erwarten. — Merkwürdig ist noch die 
Vermehrung der Zahl und Arten von Keimen, die im Oderwasser 
bei der Bildung der ersten Eisschollen beobachtet wird; man 
darf vielleicht annehmen, daß durch diese die an den Ufern oft 
ziemlich fest haftenden konzentrierten Verunreinigungen los¬ 
gerissen und ins Flußwasser fibergeführt werden. 

Die Perioden namentlich von stärkeren Niederschlägen nach 
längerer Trockenheit oder von Schneeschmelze sind offenbar ids 
besonders bedenklich anzusehen, wenn in den oberhalb des Wasser¬ 
werks gelegenen Gegenden übertragbare Krankheiten, wie Typhus, 
verbreitet sind. Auch über die Erkrankungsverhältnisse in 
diesen Gegenden muß daher der kontrollierende Hygieniker stets 
unterrichtet sein. 

Nun ist aber anderseits auch die Filterleistung in ver¬ 
schiedenen Jahreszeiten nicht gleichmäßig und zeigt meist eine 
recht ausgedehnte ungünstige Periode. Diese liegt im Winter. 
Man hat schon längst beobachtet, daß z. B. Typhus-Epidemien 
durch das Trinkwasser von Filterwerken häufig im Winter ver¬ 
ursacht werden, wie z. B. die oben erwähnten Epidemien in 
Liegnitz und Altona. Das liegt zum Teil sicher daran, daß sowohl 
für die vollständige und rasche Ausbildung der oberen Schlamm¬ 
decke, wie für die die Poren des ganzen Filters auskleidende Schleim¬ 
schicht eine gewisse Temperatnrhöhe wünschenswert ist. Diese 
Temperatur fehlt namentlich in der zweiten Hälfte des Winters; 
wenn in dieser Zeit ein Filter gereinigt oder frisch mit Sand 
gefüllt war, so bilden sich die wesentlich zur Filterleistung bei¬ 
tragenden Aigen- und Bakterienwucherungen leicht ungenügend 
aus. Nicht bei allen Wasserwerken tritt das in gleicher Weise 
hervor. Wo ein Flnßwasser viel Plankton und viel anoi^nische 
suspendierte Teilchen führt, da stellt sich zu jeder Jahreszeit eine 
gute Filterwirkung her; ist aber das Flnßwasser an diesen Be¬ 
standteilen arm, oder ist es gar im Winter noch ärmer daran, als 



Die hygienische Kontrolle zentraler WasseiTersorgongen. 


31 


im Sommer, dann bleibt im Winter leicht der gewünschte Fil¬ 
trationseffekt aus. 

Es ist einleuchtend, daß die Gefahr, die Ton einem Wasserwerk 
ansgeht, am größten sein wird, wenn eine kritische Periode für 
die Beschaffenheit des Bohwassers, also z. B. Krankheiten der 
Schifferbevölkernng, Zufuhr bodenreinigender Niederschläge etc., 
mit einer kritischen Periode für die Filterleistung zusammenfällt, 
ln solchem Falle muß offenbar mit äußerster Vorsicht gearbeitet 
werden. 

Eine wichtige Aufgabe des Hygienikers besteht schließlich 
noch darin, daß er fortlaufend prüft, wie sich denn das Fazit der 
Wasserreinigung in hygienischer Beziehung stellt, d. h. inwie¬ 
weit das Auftreten von Krankheiten nnd Sterbefällen in der ver¬ 
sorgten Bevölkerung mit einer Aeudernng in der Wasserbeschaffen¬ 
heit zusammengeht. Ich erinnere daran, daß in Dresden, Altona, 
Berlin etc. öfter die Ausbreitung von tödlicher Enteritis bei Kindern 
als Folge einer hohen Keimzahl im Wasser beobachtet ist, nnd 
zwar auch gerade im Winter und Frühjahr. Und dabei ist die 
Todesfall-Statistik doch noch ein recht grobes Eeagens. Viel 
besser ist es, die Morbidität an Magen-Darmaffektionen als 
Maßstab zu benutzen, und auch das ist, wie Prausnitz in Graz 
gezeigt hat, recht wohl möglich durch Benutzung des Materials 
der größeren Polikliniken nnd für Erwachsene durch das Material 
der Krankenkassen. 

Manchmal ist der Zusammenhang zwischen kritisch wirken¬ 
den Betriebsändernngen nnd den sanitären Konsequenzen nicht 
gerade durchsichtig. Beispielsweise wurde vor Jahren in einem 
Wasserwerk das Beinwasserreservoir mit einem neuen Anstrich 
versehen und zu diesem Zweck in zwei Perioden jedesmal 
die Hälfte des Bein Wasserreservoirs ansgeschaltet. Die Folge 
war eine glücklicherweise nicht sehr intensive, aber über den 
ganzen Versorgungsbezirk ausgebreitetc Typhnsepidemie! Der 
Zusammenhang war folgender: Durch die Verkleinerung des Bein¬ 
wasserreservoirs waren die Druckschwankungen bedeutend ge¬ 
steigert, zumal die meisten Filter keine Vorrichtungen besassen, 
nm trotz der Niveanändernngen im Beinwasserreservoir den Druck 
gleich zu halten. Nun kam hinzu, daß es mitten im Winter war, 
und daß alle Filter schlecht arbeiteten. Es kam aber weiter 
hinzu, daß oberhalb der Stadt zahlreiche Typhusfälle vorgekommen 
waren, und daß in jener Zeit durch eine Schneeschmelze die ober¬ 
flächlichen Bodenverunreinigungen massenhaft dem Flnßwasser 
zngeführt wurden. Es ist nicht zu verkennen, daß durch das 
Zusammentreffen dieser Umstände Typhusbazillen in das Bohrnetz 
der Stadt sehr leicht gelangen konnten, und daß dies viel weniger 
leicht möglich war, wenn wenigstens die abnormen Dmck- 
schwankungen der Filter in jener Periode vermieden wurden. 

Wir sehen somit, daß noch eine ganz andere Art von Tätig¬ 
keit neben der bakteriologischen Untersuchung von dem Hygieniker 
ansgettbt werden muß. Er muß besondere Kenntnisse nnd 
Beobachtungen sammeln über Temperatur- nnd Ni^erschlagsver- 



82 


Dt. FlAggtt. 


hältnisse im Bekrntieraogsbezirk des Bohwassers, ttber die Er- 
krankangsyerhältnisse der Schiffer and der Bewohner des 
Versorgangfsgebietes. Er maß an der Hand von bakteriologi¬ 
schen, aach .aaf Colititer etc. sich erstreckenden Untersachangen 
spezielle Stadien machen, die ebensowohl den Besonderheiten des 
Abwassers wie der Eigenart der benntzten Filter gelten. Aof 
Grand dieser speziellen Kenntnisse maß er dann die Wasserwerks¬ 
leitang beraten; er maß z. B. za gewissen Zeiten den Bat 
geben, die Beinigang eines Filters hinanszaschieben oder die 
frische Fttllang eines Filters schon vorznnehmen, ehe die Sand- 
schicht ganz verbrancht ist, nor am einer AatfüUang in kritischer 
Zeit za entgehen; er mass zn anderen Zeiten das Vermeiden aller 
Drackschwankongen scharf betonen; bei schlecht arbeitenden 
Filtern mass er doppelte Filtration oder Alaanzasatz and dergL 
anraten; bei häafiger Wiederholang von Insnffizienzen wird er 
yielleicht die Einsteilang von gleichmässiger arbeitenden ameri¬ 
kanischen Schnellhltern befürworten müssen and dergl. mehr. 

Aber ist denn das überhanpt durchführbarP Ich meine, ja! 
Diese Beratung der Betriebsleitangen von Wasserwerken ist ja 
bereits in dem obenerwähnten Bandesrats-Erlass voi^esehen. 
Dort heisst es z. B. im § 22: 

„Es iflt Vorsorge zu treffen, daß der Betriebsleitung zaTerl&ssiger, aach- 
kandiger, hygienischer Beirat stets zar Seite steht. Insbesondere hat die Be¬ 
triebsleitang bei Störungen oder Aenderongen im Betriebe sich rechtzeitig 
Ober die gesandbeitliche Tragweite derartiger Vorkommnisse za naterrichtea 
and daraat bei ihren Maßnahmen BOcksicht za nehmen.* 

Und ferner heisst es in den Erlänterongen za diesem Para¬ 
graphen : 

„Seitens des Besitzers der Wasserversorgangsanlagd ist Vorsorge za 
treffen, daß der Betriebsleitang ein sachkoadiger bygienisäer Beirat jederzeit 
zar Verfügung steht. Seine Aufgabe ist es, die Betriebsleitung über die 
hygienische Bedeutung, über etwaige gesandbeitliche Folgen von StOroagmi 
oder von Aenderungen im Betriebe aofzakl&ren and die erforderlichen Ma߬ 
nahmen Torzaschlagen.“ 

Es erheben sich hier aber zwei Schwierigkeiten; einmal ist 
die Frage aafzawerfen, ob denn auch die Betriebsleitangen sidi 
diese Beratung gefallen lassen werden P Manche werden sich 
gewiß gern nach dieser Bichtang hin belehren und ihr Sach¬ 
verständnis ergänzen lassen. Bei anderen Leitern wird der Hy¬ 
gieniker aber vielleicht anf Widerstand stossen. In den grossen 
Städten namentlich wacht man, wie Sie wissen, besonders eifer¬ 
süchtig darüber, dass die Bechte der kommanalen Selbstverwaltung 
unverletzt bleiben, und anderseits wird doch recht oft inner¬ 
halb der kommanalen Behörden die Bedeutung hygienischer^ Mit¬ 
wirkung nicht voll gewürdigt. In den grösseren Städten ruht 
die oberste Leitung der Wasserwerke gewöhnlich in den 
Händen einer „Betriebsdeputation**, die zugleich die Gns- und 
Elektrizitätswerke zn leiten hat, und in welcher vorzugsweise oder 
ausschließlich Ingenieure, Eanfleate, Chemiker, also L^en in bezug 
auf Hygiene, Sitz und Stimme haben. Ich stehe nun dnrchans nicht 
etwa auf dem Standpunkt, daß ein Laie nicht auch ein hygienisches 
Urteil sich aneignen könne; aber sicher vermag er dies nur zn ge- 



Die hygienische EontioUe zentraler Waseerversorgangen. 


33 


'wianen dadurch, daß er sich mit Ernst in die Lehren der Hygiene 
einznarbeiten and mit den an Wasserwerken gemachten Er¬ 
fahrungen yertrant za werden bemüht. Das tan aber die meisten 
Mitglieder solcher Deputationen sicher nicht, und so kommt es, 
daß diese tatsächlich gewöhnlich nicht in der Lage sind, über 
hygienische Fragen abzuurteilen. Wie die Betriebsdeputation, 
so verhalten sich zuweilen auch die technischen Leiter der 
Wasserwerke, besonders seit in den letzten Jahren Emmerich 
betont hat, daß durch Wasser niemals Infektionskrankheiten 
verbreitet werden können. Seine Behauptungen werden gern 
von den Betriebsleitern reproduziert, und wenn man ihnen von 
gesundheitlichen Gefahren durch Wassergenaß sprechen wiU, so 
erklären sie, sie ständen auf dem Emmerichschen Stand¬ 
punkt, gesundheitliche Schädigung durch Wasser komme gar 
nicht ernstlich in Betracht, und die Hauptsache sei, daß nur 
immer das nötige Quantum Wasser beschafft werde. Solchen 
Verwaltungen gegenüber hat die Hygiene oft einen schweren 
Stand. Hier muß schließlich die Begierung den Hygieniker in 
seinem Kampfe gegen den Betriebsleiter unterstützen. Die Ke- 
giernng hat durch die neueren Verfügungen die Mittel dazu voll¬ 
auf in Händen, und wenn erst einigemal mit vollem Nachdruck 
der hygienische Standpunkt gewahrt ist, daun wird dieses Sich- 
berufen auf die viel zu weit gehenden und bereits widerlegten 
Emmerichschen Ansichten wohl aufhören. Das müssen wir 
dringend wünschen; denn bei einem friedlichen Zusammen¬ 
arbeiten des Betriebsleiters und des Hygienikers wird jedenfalls 
viel mehr herauskommen, als wenn Zwangsmassregeln angewendet 
werden müssen. 

Seitens der städtischen Verwaltung kann eingewendet werden, 
dass doch der Betriebsleiter des Wasserwerks i^ein verantwort¬ 
lich sei für Quantität und Qualität des Wassers, und dass er diese 
Verantwortlichkeit auch fernerhin behalten müsse. Ich glaube 
aber, dass diese Verantwortlichkeit nicht ausschliesst, dass der 
Betriebsleiter vom Hygieniker beraten wird. Natürlich ist letz¬ 
terer dann für die von ihm erteilten Katschläge und die ans diesen 
sich ergebenden Konsequenzen verantwortlich und entlastet nach 
dieser Seite hin den Betriebsleiter. Glaubt der Leiter, den Kat 
des Hygienikers nicht ansführen zu können, weil er fürchtet, daß 
die Quantität dann zu viel Einbuße erfährt, und handelt er 
somit schliesslich doch nach seinem eigenen Ermessen, so hat er 
natürlich wieder die volle Verantwortlichkeit zu tragen, ln 
Konfliktsfällen werden unter Umständen höhere Instanzen an- 
gerufen werden müssen, die ja vorhanden sind. Also durchführbar 
ist die hygienische Beratung gewiss unter allen Umständen. 

Nun aber die zweite Schwierigkeit: Wo sollen wir für 
diese außerordentlich wichtige und notwendige hygi¬ 
enische Beratung der Wasserwerke geeignete Per¬ 
sönlichkeiten finden? 

Die Erläuterungen zu dem bereits zitierten Bundesrats- 
Erlaß sagen: 


3 



34 


Dr. Flfigge. 


,Viele Werke dürften den zuständigen Hedizlnalbeamten als Beirat 
nehmen, was sich schon nm deswillen empfiehlt, damit der Beamte das Werk 
genau kennen lernt und die Deberwachung eine furilaufende und besonders 
sichere wird.“ 

Das Wort „dürfte*^ an dieser Stelle ist nach meinem DafBr- 
halten za milde; nur der Medizinalbeamte kann in der Tat 
als Sachverständig^er in Betracht kommen. Die Beorteilong ist 
viel za kompliziert, als daß jeder beliebige Arzt als hinreichend 
sachverständig angesehen werden könnte. Dagegen mnß der 
Medizinalbeamte sich bei der ihm übertragenen Kontrolle des 
Wasserwerks doch anf alles das, was auch für die Beratung in 
Betracht kommt, einarbeiten; ja, wenn er gewissenhaft 
kontrolliert, kommt er ohne weiteres zur Beratung 
und kann gar nicht umhin, Ratschläge für den Betrieb 
zu erteilen. 

Bei einfachen nnd leicht durchsichtigen Wasserwerken wird 
jeder Mediziaalbeamte ohne weiteres in der Lage sein, eine solche 
Kontrolle und Beratung sachgemäß durchzoföhren. Es soU aber 
nicht geleugnet werden, daß es Wasserwerke gibt, wo die Ver¬ 
hältnisse recht schwierig liegen, und wo zur Beurteilung nnd Be¬ 
ratung ein Grad von Sachverständnis erforderlich ist, der weder 
durch einen der üblichen Kurse, noch durch das Elreisarzt-Diplom, 
noch durch die Ernennung zum Professor der Hygiene ohne 
weiteres erworben wird. Die Medizinalbeamten, denen solche 
Werke Zufällen, müssen sich dann eben speziell einarbeiten nnd 
müssen eventuell anfangs sachverständigere Kollegen oder die 
staatliche Prüfungsanstalt für Wasserversorgung konsultieren. In 
jedem Falle sind die Medizinalbeamten auch hier die einzig mög¬ 
lichen Kontrolleure und Berater. 

Nimmt sich eine Stadtverwaltung einen anderen Berater, 
nun, so geht die staatliche Kontrolle ruhig weiter, und der städti¬ 
sche Berater wird sich dann mit dem kontrollierenden Medizinal¬ 
beamten in Fühlung halten müssen. Nicht selten werden wohl 
bei dieser geteilten Kontrolle und Beratung Konflikte entstehen; 
hier und da mögen beide Berater gut miteinander auskommen, — 
das wird wesentlich von den Persönlichkeiten und der Gleichheit 
oder Verschiedenheit ihres wissenschaftlichen Standpunktes ab- 
hängen. Vielleicht fassen manche den angezogenen Paragraphen 
des Bandesrats - Erlasses so auf, daß die städtische Verwaltung 
den kontrollierenden Medizinalbeamten gegen Gehalt als Berater 
des Werks engagieren solle. Auch dann aber würden nach 
meiner Meinung Konflikte unausbleiblich sein. Die städtische Ver¬ 
waltung würde gewiß in manchem Falle die Forderungen des 
Medizinalbeamtnn für zu weitgebend halten, für weitgehender, 
als sie es von einem von der Stadt honorierten Beamten erwarten 
zu können glaubt, ünd anderseits dürften die Medizinalbeamten 
kaum Anspruch haben auf eine besondere Gegenleistung der Stadt, 
insofern sie eigentlich nichts anderes leisten als das, was ihre 
Stellung als kontrollierender Medizinalbeamter so wie so mit 
sich bringt; eine gewissenhafte Kontrolle muß sie eben 
zur Beratung führen. 



Dr. Diltschke: Voiläaflger Entwarf des Eeicbsgesctzes osw. 35 

Freilich wird mir mancher einwenden, wie soll denn der 
Medizinalbeamte alle die bakteriologrischen Kontrollen erledigen 
nnd umfangreiche Enqueten über Rohwasserbeschaffenheit nnd 
Filterbetrieb anstellen P Er hat doch kein Laboratorinm znr 
Vertagung nnd er hat sicher auch keine Zeit, nm derartige ans* 
gedehnte üntersuchnngen selbst anszuführenP — Hier müssen 
eben die Besitzer der Werke ergänzend eintreten. Die Ver¬ 
pflichtung der Städte, sich eine Beratung zu verschaffen, wie sie 
in dem Bandesrats-Erlasse angeordnet ist, verstehe ich so, daß 
die städtische Verwaltung die erforderlichen Hilfskräfte liefert, 
welche die Laboratoriumsarbeiten erledigen nnd den Medizinal¬ 
beamten in seiner Arbeit nach jnder Richtung unterstützen. Sind 
solche Kräfte vorhanden, dann wird es dem Medizinalbeamten in 
der Tat möglich sein, in dem vollen Umfang, den ich hier skizziert 
habe, die Kontrolle und Beratung der Wasserversorgungen zn 
übernehmen; und dann wird die bisher noch unleugbar recht un¬ 
genügende hygienische Kontrolle der Wasserwerke so fundiert sein, 
daß auf diesem Gebiete auch nach weiteren 25 Jahren besseres 
kaum geleistet werden wird. 

(Ällseitigei Beifall.) 

Vorsitzender: Zunächst möchte ich dem Herrn Vortragenden 
unseren vei bmdlichsten Dankaussprechen für seine hochinteressanten 
Ausführnngen. Der Beifall, der ibm von allen Seiten gespendet 
worden ist, wird ihm der beste Beweis dafür sein, welches In¬ 
teresse wir seinen Ausführungen entgegengebracht haben. 

Ich frage, ob jemand zu dem Vortrage das Wort zn ergreifen 
wünscht? 

Es ist nicht der Fall. Dann schlage ich vor, daß wir jetzt 
eine Pause eintreten lassen. 

(Panse.) 


IV. Vorläufiger Entwurf des Relchsgesetzes, betreffend 
die Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte 
Personen nnd den Gebeimmittelverkehr. 

Herr Reg.- und Med.-Rat Dr. Dtitschke-Erfurt: Meine 
Herren I Nachdem der Norddeutsche Reichstag im Jahre 1869 in 
dem § 144 der Reichs-Gewerbeordnung die für Mediziualpersonen 
bestehenden besonderen Bestimmungen aufgehoben hatte, welche 
ihnen unter Androhung von Strafen einen Zwang zu ärztlicher 
Hilfe auferlegten, war der Betrieb der Heilkunde in Deutschland 
freigegeben, und die Heilkunde sank immer mehr zum Heilgewerbe 
herab. Eia jeder, der nur irgendwie den dunklen Drang oder die 
Fähigkeit in sich zu verspüren glaubte, ein Helfer und Retter in 
Krankheitsfällen zu werden, oder der aus der Unerfahrenheit nnd 
Vertrauensseligkeit seiner kranken Mitmenschen für seinen Geld¬ 
beutel Vorteil za gewinnen hoffte, konnte nunmehr ohne jede 

8* 



86 Dr. Dütschko: Yoil&afiger Eatwiuf dos Beicbsgesetzes, betr. die Aasftbaog 

Vorbildang und ohne besondere Kenntnisse, znmal ja seit des Herrn 
Yon Goethe Zeiten „der Geist der Medizin gar leicht zn fassen 
ist*^, frei nnd nnbekttmmert das Heilgewerbe ansfiben, wenn er 
es sich nnr versagte, sich einen arztähnlichen Titel beiznlegen, 
oder wenn er nicht gerade von dem unwiderstehlichen Triebe 
beseelt war, die Heilkunde im Umherziehen auszuüben. 

Erst nach nnd nach wurde es der deutschen Aerztewelt 
klar, um welch’ hohen Preis sie die Aufhebung der p 199 und 
200 des Preußischen Strafgesetzbuches vom 14. April 1851 er¬ 
kauft hatte, und diejenigen Vertreter des ärztlichen Standes, welche 
entgegen den Wünschen der Regierung früher im Norddeutschen 
Reichstage für die Freigabe der HeUkunde eingetreten waren, 
weil sie die bestehenden Gesetze als „unwürdig für die Urteils¬ 
kraft nnd Bildungsstufe des Volkes" erachteten, mußten nun ein- 
sehen, daß die bösen Geister, welche sie damals gemfen hatten, 
so bald nicht mehr zn bannen waren! 

Immer üppiger schoß im Laufe der Jahre die Kurpfuscherei 
ins Kraut und schädigte die Gesundheit des Volkes, das dnrch 
die Kurpfuscher nnd ihre dreiste maßlose Reklame davon abge¬ 
halten wurde, sich an die approbierten Aerzte zn wenden; immer 
mehr traten die tiefgehenden wirtschaftlichen Schädigungen hervor, 
welche der Geheimmittelschwindel mit sich brachte. Behördliche 
Belehrungen und Warnungen vor der Kurpfuscherei und dem Ge¬ 
heimmittelvertriebe blieben völlig wirkungslos, nnd die einge¬ 
leiteten vereinzelten Prozesse gegen das Qnacksalbertum endeten 
meist mit Freisprechung oder hatten eine so geringfügige Bestrafung 
zur Folge, daß sie für die Kurpfuscher nnr eine wirksame Re¬ 
klame bedeuteten. 

Als schließlich im Jahre 1902 für Preußen eine schärfere 
Kontrolle nnd kreisärztliche Meldepflicht der nicht approbierten 
Krankenbehandler durch Polizeiverordnungen eingeführt wurde, 
da zeigte es sich erst, welche Ausdehnung das Pfuschertnm in¬ 
zwischen angenommen hatte; zählte man doch nach dem letzten 
Bericht über das öffentliche Gesundheitswesen des Preußischen 
Staates Ende 1906 allein in Preußen 6260 nicht approbierte 
Personen, welche das Heilgewerbe ausüben, gegenüber 19 283 
Aerzten, und muß man heute für das Deutsche Reich die Zahl 
der gewerbsmäßigen Kurpfuscher auf weit über 10000 schätzen, 
gegenüber 81864 Aerzten. 

Die langjährige Erfahrang, daß keineswegs die sog. „unteren 
Schichten" unseres Volkes allein die Hilfe der Kurpfuscher in 
Anspruch nehmen, und die Beobachtung, daß sich gerade ans den 
Kreisen der „Gebildeten" Unzählige dem Sport der „Gesundbeter" 
ergeben und vielfach eifrige Apostel der Naturheilmethode sind, für 
diese lebhaft Propaganda machen und in unqnaliflzierbarer Weise die 
wissenschaftliche Medizin und deren Vertreter angreifen und ihre 
Lehren diskreditieren, lassen es erklärlich erscheinen, daß von 
einer weiteren Aufklärung des Volkes ein wachsendes Verständms 
für die Schädigungen des Pfuschertnms nnd des Geheimmittel¬ 
unwesens nur in geringem Grade für die Folge zn erhoffen steht. 



der Heilkunde dnrch nicht approbierte Personen n. den Oeheimmiitelrerkehr. 87 


Bei dieser Aassichtslosigkeit der Verhältnisse wird es uns begreif¬ 
lich, daß nnnmehr eine planmäßige Agitation der deutschen 
Aerzteschaft ins Leben gernfen wttrde, welche besonders in der 
„Dentschen Gesellschaft znr Bekämpfung des Eorpfoschertnms* 
eine wirksame Vertretung besitzt, und welche immer wieder Ton 
neuem eine durchgreifende gesetzliche Regelung, eine Abänderung 
der Gewerbeordnung und ein allgemeines Enrpfuscherei- 
verbot fär das Deutsche Reich als hauptsächlichste Forderung 
anfgestellt hat. 

Nach langem Drängen, verschiedenen vergeblichen Versuchen 
und Ansätzen ist denn nun ans dem Schoße des Reichsamts des 
Innern der vorliegende Gesetzentwurf hervorgegangen und dnrch 
Vermittelung des Herrn Reichskanzlers den einzelnen Bundes¬ 
regierungen zur Begutachtung vorgelegt. Die hohe Bedeutung 
dieses Gesetzentwurfes für die Allgemeinheit, sowie insbesondere 
für die berufliche Tätigkeit der deutschen Medizinal¬ 
beamten, zu deren vornehmsten Aufgaben mit von jeher die 
Bekämpfung und Ueberwachnng der Eurpfuscherei und des Ge¬ 
heimmittelwesens gehört, macht es erklärlich, daß es der Vorstand 
des Preußischen Medizinalbeamtenvereins für seine Pflicht gehalten 
hat, eine so wichtige Materie mit auf die Tagesordnung seiner 
Jubiläumsversammlung zu stellen, um den zur heutigen Jubelfeier 
aus allen deutschen Bundesstaaten zahlreich herbeigeeilten Medi¬ 
zinalbeamten nochmals eine willkommene Gelegenheit zu bieten, 
ihre Ansichten über den Wert des Gesetzentwurfes hier im frucht¬ 
bringenden Gedankenaustausch zu äußern und die besonders vom 
Standpunkte der Medizinalbeamten ans erforderlich oder wünschens¬ 
wert erscheinenden Abänderungs- und Verbessemngsvorschläge 
laut werden zu lassen. 

So bin ich denn gern dem ehrenden Ruf des Vorstandes, 
der an mich erging, gefolgt und habe das Referat über den Ent¬ 
wurf übernommen, wenngleich ich mir nicht verhehlen durfte. 
Ihnen, m. H., durchaus nichts Neues mehr bringen zu können, 
nachdem der Entwurf fast seit Beginn dieses Jahres die ärztliche, 
pharmazeutische und juristische Presse, sowie die politische Presse 
aller Parteien in ergiebigem Maße beschäftigt hat und seitdem 
der Deutsche Aerztetag erst im Juni d. J. im historischen Danzig, 
ebenso wie der Deutsche Apothekerverein vor wenigen Wochen 
in Darmstadt eine Besprechung des Gesetzentwurfes hat erfolgen 
lassen. 

In glücklicher Weise werden in dem Gesetzentwurf die 
beiden eng miteinander zusammenhängenden Materien, die Enr- 
pfnscherei und das Geheimmittelwesen, behandelt. Weniger 
glücklich aber, will es mir scheinen, ist die Ueberschrift zu 
dem Gesetzentwurf gewählt; der schwülstige Titel „Vorläu¬ 
figer Entwurf des Reichsgesetzes, betreffend die Aus¬ 
übung der Heilkunde durch nicht approbierte Per¬ 
sonen und den Geheimmittelverkehr“ würde, wie dies von 
dem Herrn Eollegen Alexander in Breslau, bekanntlich einem 
der rührigsten Streiter im Eampfe gegen die Eurpfuscher, vor- 



88 Dr. Dfitdcbke: Vorläufiger Entwurf des Beichsgesetzes, betr. die Ausfibosg 


geschlagen ist, jedenfalls weit zntrefiender in „Enrpfnscherei- 
bekämpfnngsgesetz'' nmgewandelt, womit jegliche Art der 
Kurpfuscherei getroffen wird, ganz gleich, durch wen sie betrieben 
wird und wie sie erfolgt, ob durch eigentliche Behandlung oder 
durch Vertrieb von Mitteln und Gegenständen. Es könnte dann 
unbeschadet des allgemeinen Verständnisses das Wort „Geheün- 
mittelyerkehr*‘ fortfallen. Unbedingt aber müssen wir fordern, 
daß im Entwurf nicht von einer Ausübung der ,Heilkunde*, 
sondern des „Heilgewerbes* zu sprechen ist; denn diejenigen 
Personen, welche durch das Gesetz getroffen werden sollen, sind 
ja des „Heilens unkundig*. 

Mit Becht hat der Entwurf, einer modernen juristischen 
Gepflogenheit folgend, von einer Begriffsbestimmung des Ausdrucks 
„Geheimmittel* Abstand genommen, da die frühere Übliche 
Voraussetzung für die Deflaition eines Geheimmittels, „daß 
seine Zusammensetzung nicht bekannt ist*, heute für 
den größten Teil der modernen Heilmittel nicht mehr zntrifft, 
indem die Hersteller die Zusammensetzung des Mittels in irgend¬ 
einer Formel bekanntgeben, und solche Mittel nur deshalb Geheim¬ 
mittel bleiben, weil die Hersteller ihnen eine geheimnisvolle 
Wirkung in den Reklame-Anzeigen beilegen, anderseits aber 
der moderne Heilschwindel eine große Reihe von Gegenständen 
und Apparaten auf den Markt bringt, welche nicht mehr als Mittel 
im früheren Sinne anzusehen sind. 

Wie Ihnen allen, m. H., bekannt, ist auf den Deutschen 
Aerztetagen immer wieder von neuem, zuletzt in Münster im Jahre 
1907, der Ruf ertönt nach einem „Knrpfnschereiverbot*, 
da man sich allein von dem Erlaß eines solchen eine durch¬ 
greifende und radikale Beseitigung des Kurpfuschertums versprach; 
es erscheint daher erklärlich, daß die Veröffentlichung des Ent¬ 
wurfes, der ja ein allgemeines Knrpfnschereiverbot nicht bringt, 
in der ärztlichen Welt anfangs eine herbe Enttäuschung hervor¬ 
rief, und man im Unmut über die erfahrene Enttäuschung auf die¬ 
jenigen Staaten hinwies, die sich, wie z. B. Oesterreich-Ungarn, 
Frankreich und andere Länder, eines solchen Verbotes erfreuen. 
Hierzu kam, daß die in den Erlänteiungen zu dem Gesetzentwnrf 
vorgebrachte Begründung für die nicht erfolgte Einbringung eines 
Knrpfuschereiverbots nicht in allen Punkten als eine besonders 
glückliche bezeichnet werden konnte, so daß dem Entwurf des¬ 
wegen anfangs von einem großen Teil der Aerzte nicht eine allzu 
wohlwollende Kritik zuteil wurde. Inzwischen haben sich aber 
nach eingehendem Studium des Entwurfes die Anschauungen mehr 
und mehr geklärt, und es hat sich allmählich die Auffassung Bahn 
gebrochen, daß, wenn durch das Gesetz auch kein radikales Verbot 
ausgesprochen wird, doch die Einschränkungen, welche das Kur¬ 
pfuschertum und das Geheim mittelnnwesen in den einzelnen Para¬ 
graphen erfährt, so tief einschneidende sind, daß der Entwarf 
geeignet erscheint, die gröbsten Auswüchse aut diesen Gebieten 
zu beseitigen. Werden doch in dem Entwarf gerade die Gebiete, 
welche die hauptsächlichste und lukrativste Domäne des Quack- 



der HeUkonde daich nicht approbierte Personen n. den Geheimmittelrerkebr. 89 

salbertums bilden, wie die Behandlung der Gleschlechts- 
krankbeiten nnd die Fernbehandlung, die Anwendung 
der Hypnose and der mystischen Verfahren diesen Ge¬ 
werbetreibenden ganz entzogen. Auch die Möglichkeit der 
Untersagung des Gewerbebetriebes, wenn Tatsachen vorliegen, 
welche die Annahme begiünden, daß durch die Ausübung des Ge¬ 
werbes das Leben der behandelten Menschen oder Tiere 
gefährdet oder deren Gesundheit geschädigt wird, oder 
Kunden schwindelhaft ausgebeutet werden, bedeutet ohne 
Frage eine wertvolle Handhabe gegen die Kurpfuscher, zumal es 
hier nicht der Erbringung von „Tatsachen* an sich bedarf, sondern 
hierfür Tatsachen genügen, welche die „Annahme* der Unzu¬ 
verlässigkeit begründen. 

Wenn ich mir vorher erlaubte anzuffihren, daß ich die Be¬ 
gründung für den Nicbterlaß eines Kurpfuschereiverbotes nicht 
in allen Stücken für eine besonders glückliche erachten könne, 
so denke ich dabei besonders an folgende Punkte: Einmal das 
Hervorheben der Tatsache, daß auch in Ländern, welche sich 
eines Knrpfuschereiverbotes zu erfreuen haben, die Kur¬ 
pfuscherei nicht hat völlig ausgerottet werden können, und daß 
von jeher in weiten Volkskreisen die Neigung bestanden habe, 
sich von Heilbeflissenen ohne wissenschaftliche Ausbildung be¬ 
handeln zu lassen, woraus nun die Folgerung gezogen wird, daß 
eine solche Erscheinung sich nicht ohne weiteres durch gesetz¬ 
liche Vorschriften beseitigen lasse. Ich meine, ein gleicher Ein¬ 
wand ließe sich schließlich gegen alle Strafgesetze erheben; 
mit derselben Begründung könnte auch der Betrags- oder 
Diebstahlsparagraph aus dem Strafgesetzbuch eliminiert werden; 
denn trotz dieser Strafbestimmungen wird ruhig weiter betrogen 
nnd gestohlen. Vergehen oder Verbrechen werden eben nie, so 
lange die Welt besteht, ganz durch Gesetz auszomerzen sein! 
Deshalb scheint mir dieser Einwand prinzipieller Art gegen ein 
Kurpfuschereiverbot, wie ihn der Entwarf in seinen Motiven bringt, 
nicht stichhaltig; mehr oder minder weite Maschen wird jedes 
Gesetz schließlich für die Umgebung zeigen. Anderseits muß 
doch auch darauf hingewiesen werden, daß solche krassen Zu¬ 
stände, wie sie in Deutschland hinsichtlich des Kurpfuschertums 
bestehen und wie sie in den skandalösen Prozessen eines Kahne, 
Nardenkötter oder William Scott der Allgemeinheit bekannt 
werden, in den Ländern mit Kurpfuschereiverbot kaum bestehen 
dürften, wenn wir z. B. hinsichtlich Oesterreichs den Ausführungen 
Kantors, des unerschrockenen Herausgebers des „Gesondbeits- 
lehrers* folgen. Außerdem kommt es doch sehr auf den Wortlaut 
des Gesetzes und seine Handhabung in denjenigen Ländern an, 
welche ein Kurpfuschereiverbot haben, und von denen die Er¬ 
läuterungen zu unserem Entwarf annehmen, daß hier die Verhält¬ 
nisse nicht anders liegen als bei uns. 

Wenn ferner in den Motiven angeführt wird, daß, wie auf 
anderen Gebieten, so auch auf dem der Medizin, von Nichtfach¬ 
männern mancherlei Heilmethoden empfohlen und zur Anwendung 



40 Dr. Dtttscbke: Yorliafiger Entwurf des Beichsgesetzes, betr. die Aosfibiuig 

grebracht seien, die später auch in der wissenschaftlichen Medizin 
Eingang and Verbreitang gefonden haben, and ein zwingender 
Grand nicht vorliege, aUe solche Versache fttr die Zakonft zu 
onterbinden, so vermag ich nicht einznsehen, was diese Tätigkeit 
einzelner mit der gewerbsmäßigen Eorpfascherei za ton bat. 
Es handelt sich doch nicht am ein Verbot der Anwendung 
neuer Heilmethoden, sondern am die Aasflbong der Heil¬ 
kunde durch nicht approbierte Personen. Tatsächlich sind doch 
alle Maßnahmen der Enrpfascher, soweit sie fiberhaupt Beachtung 
verdienen, schon vorher von einzelnen Aerzten angewendet und 
erst später in einseitiger reklamehafter Weise von Eorpfäschern 
angepriesen worden. Von einer Bereicherang der wissenschaft¬ 
lichen Medizin kann doch da keine Rede sein, and der Beweis, 
daß ein strenges Earpfaschereiverbot der wissenschaftlichen Medizin 
Schaden bringen könne, ist bisher nicht erbracht! 

Aach die in den Erläuterungen zum Entwarf angeftthrte 
Behaaptang, daß durch ein allgemeines Verbot die Aasflbong der 
Eorpfascherei der Oeffentlichkeit noch mehr entzogen and in die 
verborgensten Winkel hineingetrieben wflrde, wo sie dann um so 
schädlicher wirke, vermag ich nicht als zutreffend anznsehen, da 
diese Befflrchtung doch eine zu schlaffe Handhabung des zukflnftigen 
Gesetzes von vornherein voraassetzt. 

Weit richtiger, will es mir scheinen, wäre in der Begrflndong 
fflr den Nichterlaß eines Verbotes noch mehr zam Ausdruck ge¬ 
bracht, daß es vornehmlich politische Grflnde gewesen sind, 
welche die Reichsregierang vorläufig noch davon haben Abstand 
nehmen lassen, ein direktes Earpfaschereiverbot einzubringen, weil 
man eben befflrchtet, fflr die Annahme eines solchen nicht die 
erforderliche Majorität im Reichstage za finden. Ansrotten werden 
wir die Eorpfascherei auch nicht durch ein direktes Verbot; es 
gibt eben kein Strafgesetz, das Gesetzesflbertretnngen unmöglich 
macht. Die beabsichtigte Beschränkung und vor allem die ge¬ 
plante Eontrolle des Earpfaschertnms, wie sie der Entwurf vor¬ 
schlägt, werden im Verein mit den noch näher za besprechenden 
Ergänzungen und Abändernngen sicher die gröbsten Auswflchse, 
welche das gemeinschädliche Treiben der Enrpfascher gezeitigt 
hat, za beseitigen geeignet sein. Diese Ansicht hat sich in den 
Ereisen der Medizinalbeamten und der praktischen Aerzte immer 
mehr Bahn gebrochen und der letzte Aerztetag in Danzig hat 
auch seine Zastimmang zu dem vorliegenden Gesetzentwurf, den 
er als wertvoll im Eampfe gegen das Pfaschertum bezeichnet, 
ausgesprochen, wenngleich er, nach wie vor, die Forderung 
eines generellen Verbotes aufrecht hält und den jetzigen 
Entwarf nur als eine vorläufige Abzahlung ansieht An dieser 
Auffassung vermochte auch in Danzig nicht die vereinzelt da¬ 
stehende Ansicht Gattstadts zu rfltteln, der in dem Gesetz¬ 
entwurf nur eine Legalisierung der Eorpfascherei erblickte; denn 
seine rein theoretischen Bedenken gegen den ersten Teil des Ent¬ 
wurfes erfahren nach dem offiziellen Bericht Aber den Verlauf der 
Verhandlungen des Deutschen Aerztetages eine bestimmte und 



der Heilkimde durch nicht approbierte Personen n. den GeheimmittelTerkehr. 41 

scharfe Ahweisnng von der Vertreinng der Gesamtheit der dent- 
schen Aerzte. 

Noch einen weiteren Pnnkt Ton allgemeinem Interesse möchte 
ich knrz berfthreny bevor ich znr Besprechung der einzelnen Para* 
graphen des Entwurfes fibergehe, das ist das Strafmaß, welches 
der Entwurf in den §§ 6—18 vorgesehen hat. Im allgemeinen 
wird man zngeben, daß die Zuwiderhandlungen gegen das vor¬ 
geschlagene Gesetz nicht mit allzu hohen Strafen geahndet 
werden; denn einem Kurpfuscher, wie dem Schäfer Ast oder dem 
berüchtigten Scott, macht es bei ihren ungeheuren Einnahmen 
nichts aus, eine Geldstrafe von 1500 Mark zu zahlen, so daß hier 
eine Erhöhung der Strafe erwünscht erscheint; ich möchte aber 
doch den Schwerpunkt mehr aaf die Festsetzung eines möglichst 
hohen Mindestmaßes gelegt wissen. Die bisherige Erfahrung 
bei der Aburteilung der Kurpfuscher hat gelehrt, daß viele Bichter 
geneigt sind, den Pfuschern gegenüber im Falle der Verurteilung 
eine nicht angebrachte besondere Milde obwalten zu lassen; 
man hört dann stets als Erklärung für das niedrige Strafmaß, daß 
der Kurpfuscher doch bei seiner geringen Bildung nicht die Folgen 
seines Handelns übersehen konnte oder von der Wirkung seiner 
Behandlungsweise Überzeugt war, was dann eine Schar vor Ge¬ 
richt gebrachter dankbarer Kronzeugen bereitwilligst attestiert. 
Ja, wir haben es doch in einem Prozesse gegen einen bekannten 
Natnrheilkundigen erlebt, daß selbst Bichter anftraten und aus¬ 
sagten, sie seien selbst Anhänger der Natnrheilmethode, nähmen 
mit Vergnügen Beibebäder, lebten streng nach den Lehren der 
Naturheilmethode, seien abgesagte Feinde der Impfung nsw. Da, 
m. H., ist es doch naheliegend anzunehmen, daß ein solcher Bichter 
ans vollster Ueberzengnng zu einer viel milderen Be¬ 
urteilung kommen muß. Es erscheint deshalb dringend er¬ 
wünscht, in dem Gesetz ein möglichst hohes Mindestmaß der 
Strafe vorznsehen, unter das der Bichter nicht hinnntergehen 
kann, will man nicht die ganze Bestrafung illusorisch machen! 

Wenn ich mich nach diesen allgemeinen Ausführungen nun¬ 
mehr den einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfes 
selbst zuwende, so möchte ich Sie gleichzeitig bitten, die Ihnen 
übergebene gedruckte Zusammenstellung (s. nachstehend) der von 
mir in Vorschlag zu bringendeu Abänderungen bezw. Zusätze zu 
dem Entwurf znr Hand zu nehmen, indem ich mich der Hoffnung 
hingebe, daß Ihre Geduld dann nicht auf eine allzu harte Probe 
gestellt wird, und Sie meinen Ausführungen leichter zu folgen 
vermögen, auch für eine etwa später beUebte Diskussion gleich 
die näheren Anhaltspunkte gegeben sind. 

Da ohne eine Meldepflicht die Ueberwachnng der Kur¬ 
pfuscher nicht möglich ist, so regelt § 1 zunächst die Anmelde¬ 
pflicht der nicht approbierten gewerbsmäßigen Krankenbehandler. 
Nach dem Wortlaut des Entwurfes hat die Anmeldung des Ge¬ 
werbebetriebes bei der Polizeibehörde des Wohnortes zu 
erfolgen und ist, wie es in den Erläuterungen zu den Einzel- 
bestimmnngen heißt, entgegen den bisherigen Bestimmungen davon 



42 Dr. Dtttflchke: YorUofiger Entwurf des Beichsgesetzes, betr. die AnsBbiiag 

abgresehen, als Meldestelle den beamteten Arzt zu bezeichnen, 
da darch die Meldung der Polizeibehörde die zur Ueberwachnng 
des Betriebes nötige Kenntnis von der Begrttndnng desselben, 
sowie von seiner Einstellung gegeben werden soll. 

Ich vermag hierin keine Verbesserung der bisherigen Melde¬ 
pflicht zu erblicken, fürchte im Gegenteil, daß der Zweck der 
Anmeldung, über die Art der Behandlung nnd das von den Kor- 
pfuschern beliebte Heilsystem unterrichtet zu werden, nur in den 
seltensten Fällen erreicht wird, wenn man lediglich die Polizei¬ 
behörde als die Meldestelle vorsieht. Das Meldewesen liegt bei 
uns meist in den Händen der unteren Polizeiorgane; diese Be¬ 
amten werden aber bei ihrer ohnehin schon starken Belastung mit 
Schreibwerk froh sein, wenn sie ihre Listen oder Meldekarten 
schematisch ansgefflllt haben. Bei den Kurpfuschern kommt es 
jedoch nicht nur darauf an, ihnen die Frage vorzolegen, , woher 
der Fahrt*, sondern hier ist vor allem ein Eingehen auf die 
spezielle Behandlungsmethode, den Gang der Vorbildung und die 
Art der Erlangung der Befähigung zur Ausübung des Heilgewerbes 
erforderlich, soll die Aufsichtsbehörde genügend unterrichtet sein, 
nnd diese Fragen vorzulegen, dürfte der beamtete Arzt bei weitem 
geeigneter sein, als die Organe der Polizei. 

Nun ist mir sehr wohl bekannt, daß von den in Betracht 
kommenden Personen die vorgesehene Meldung bei der Polizei¬ 
behörde gerade als etwas Degradierendes empfunden wird, 
ähnlich wie die Beglementiemng der Prostituierten, so daß man 
z. B. in den Kreisen der Naturheilknndigen schon von einer 
„Stellnag unter Polizeiaufsicht* gesprochen hat, während eine 
vorgeschriebene Meldung bei dem beamteten Arzt sie den appro¬ 
bierten Aerzten, die sich bei ihrer Niederlassung ebenfalls dort 
zu melden haben, gleichstellen würde. M. E. genügt es auch 
nicht, daß der § 14 des Entwurfes besagt, welche Behörde in 
jedem Bundesstaate unter der Bezeichnung „Polizeibehörde* zu 
verstehen ist, wird von der Zentralbehörde der Baudesstaaten 
bekannt gemacht; es könnte so kommen, daß im Fürstentum 
Hnuß j. L., wie bisher, der beamtete Arzt die Meldung der Nieder¬ 
lassung der Kurpfuscher entgegennimmt, während im benachbarten 
preußischen Reg.-Bez. Erfurt der Ortspolizeibehörde die Meldung 
zu erstatten ist. Gerade der Reg.-Bez. Erfurt, der bei seiner 
eigenen geographischen Lage an 9 Bundesstaaten eng stößt, dürfte 
die Konsequenzen einer Verschiedenheit des Begriffes „Polizei¬ 
behörde* am unangenehmsten empfinden. 

Will man aber die Meldung bei der Polizeibehörde aus den 
in den Erläuterungen zum Entwurf angeführten Gründen bei¬ 
behalten, so muß gleichzeitig die Mitwirkung des betreffenden 
Amtsarztes im Gesetz festgelegt und den im § 1 genannten Ge¬ 
werbetreibenden hier aufgegeben werden, sich bei der Polizei¬ 
behörde und dem zuständigen beamteten Arzt bezw. Tierarzt zu 
melden. Erfolgt diese Abänderung des § 1 nicht, so wird der 
beamtete Arzt, der doch die Listen über diejenigen Personen, 
welche gewerbsmäßig die Heilkunde ausüben, zu führen hat. 



der Heilkonde darch nicht approbierte Personen n. den GeheimmittelTerkehr. 48 

außerstande sein, die Kurpfuscher ordnungsmlßig: zn überwachen, 
weil er keine Kenntnis von den betreffenden Personen hat. 

Dahingegen bin ich nicht der Ansicht, daß man dem § 1 den 
Zusatz hinzntügt, wie dies der Deutsche Aerztetag in Danzig 
jüngst forderte, „wird der Gewerbebetrieb außerhalb des Wohn¬ 
ortes ausgeübt, so ist die Anzeige auch der für den Ort des Ge¬ 
werbebetriebes zuständigen Polizeibehörde und dem zuständigen 
beamteten Arzte zn erstatten*; denn die Ausübung der Heilkunde 
im Umherziehen durch nicht approbierte Personen ist über¬ 
haupt nach § 56 a der Gewerbeordnung verboten. Für praktischer 
halte ich es vielmehr, daß die Meldung grundsätzlich bei der 
Polizeibehörde und dem zuständigen Amtsarzt bezw. Tierarzt des 
Betriebsortes zn erfolgen hat. Würde die Meldung bei der 
Polizeibehörde des Wohnortes erfolgen, so kann es Vorkommen, 
daß der Gewerbetreibende z. B. in einem Vorort von Berlin wohnt, 
aber in Berlin selbst das Gewerbe ausübt und eine Meldung am 
Wohnort würde zur Ueberwachung des Betriebes zwecklos sein. 
Ebenso halte ich auch die von mir in Vorschlag gebrachten Ab- 
ändernngen hinsichtlich der Abmeldung für zweckmäßiger. 

Nachdem durch den Erlaß vom 28. Juni 1902 in den ein¬ 
zelnen preußischen Regiemngs-Bezirken durch Polizei-Verord¬ 
nungen die Meldepflicht derjenigen Personen, welche, ohne appro¬ 
biert zn sein, die Heilkonde gewerbsmäßig betreiben, angeordnet 
ist, hat nun die Erfahrung weiter gelehrt, daß Kurpfuscher die 
bei dem zuständigen beamteten Arzt erfolgte Anmeldung vielfach 
zn Beklamezwecken benutzt haben, indem sie sich die Bezeichnung 
„kreisärztlich angemeldet* oder „anerkannt* nsw. beilegten und 
dadurch den Anschein zn erwecken suchten, als sei ihr Gewerbe 
staatlich anerkannt und sie selbst wären solche Medizinalpersonen. 
Es steht zn erwarten, daß sich nach der für Deutschland nun¬ 
mehr allgemein vorgeschriebenen polizeilichen Anmeldung ähnliche 
Vorgänge wiederholen werden, weshalb es angezeigt sein dürfte, 
dem § 1 den Zusatz hinznzufügen, daß aus der polizeilichen An¬ 
meldung nicht die Berechtigung folgt, sich „staatlich oder poli¬ 
zeilich gemeldet*, oder „behördlich konzessioniert, oder zugelassen* 
zn bezeichnen, oder sich ähnliche Bezeichnungen hinsichtlich der 
Persönlichkeit bei den Ankündigungen und auf den Verordnungen 
beizulegen, durch welche das Publikum in einen Irrtum darüber 
versetzt werden kann, daß der Betreffende nicht im Besitz der 
inländischen staatlichen Anerkennung (Approbation) zur Ausübung 
der Heilkunde ist. 

Ebenso ist es noch erforderlich, am Schloß des § 1 besonders 
zn vermerken, daß von den Bestimmungen des § 1 die nach den 
Konventionen zwischen dem Deutschen Reich und den angrenzenden 
nicht deutschen Staaten zur Ausübung des Heilgewerbes in den 
Grenzbezirken zngelassenen nicht inländisch approbierten Medi¬ 
zinalpersonen ausgenommen sind. 

Noch mehr wie im § 1 tritt im § 2 des Entwurfs die Not¬ 
wendigkeit hervor, die Beteiligung des zuständigen Amtsarztes 
bei der Ueberwachung des Kurpfuschereigewerbes gesetzlich 



44 Dr. Dtttschke: Vorläufiger Entwurf des BeicbfgesetzM, betr. die Aueflbnag 


festzalegfeD. Die hier fflr den Enrpfascher vorgesehene Bnchffthmng 
soll znr Kontrolle der gesamten Tätigkeit der Pfuscher dienen 
nnd seine Leistungen, sowie seine Zuverlässigkeit beleuchten, nm 
erforderlichenklls ein strafrechtliches Verfahren zn ermCglichen. 
Zur wii'ksamen Ausübung dieser Kontrolle sind aber eingehende 
ärztliche, insbesondere gerichtsärztliche Kenntnisse 
erforderlich, über welche wohl der beamtete Arzt verfügt, nidit 
aber die Polizeibehörde. 

M. H.! Man darf nicht versressen, daß das Wenige, was 
bisher im Kampfe gegen das Pfuschertnm erzielt worden ist, allein 
dank der sachverständigen Tätigkeit und Mitwirkung der be* 
amteten Aerzte erreicht wurde, nnd es gehört wahrlich kein 
großer prophetischer Blick dazu, um behaupten zu können, daß 
von der zukünftigen Tätigkeit der Amtsärzte die ganze Wirkung 
des Knrpfuschereibekämpfungsgesetzes abhängig sein wird und 
mit der Tätigkeit der beamteten Aerzte das ganze 
desetz steht und fällt! In den praktischen Aerzten werden 
die Kreisärzte stets gern willkommene Helfer im Kampfe gegen 
die Kurpfuscherei erblicken, die wirksame Vertretung aber vor 
Gericht nnd den Verwaltungsbehörden wird immer in den Händen 
der beamteten Aerzte bleiben, nnd sie werden dieser wichtigen 
Aufgabe, welche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes den bis¬ 
herigen Kreis ihrer Tätigkeit bedeutend erweitern wird, nur dann 
gerecht werden können, wenn sie selbst nicht, wie die prakti¬ 
schen Aerzte, auf Privatpraxis angewiesen sind, und demzufolge 
nicht als Konkurrenten der Kurpfuscher angesehen werden müssen, 
sondern wenn sie ganz unabhängig als Beamte dastehen! Es ist 
daher erforderlich, schon jetzt im Gesetz die Grenzen der amts¬ 
ärztlichen Tätigkeit genau abzustecken, nm die Mitwirkung der 
Medizinalbeamten bei Durchführung des Gesetzes nicht von dem 
mehr oder minder ausgeprägten Verständnis der Polizeibehörden 
für ihre Zuziehung abhängig zn machen. Nicht nur bei der An¬ 
meldung der Kurpfuscher, der Prüfung ihrer Geschäftsbücher 
muß der beamtete Arzt beteiligt werden, sondern von seiner Mit¬ 
wirkung wird es auch abhängen, ob einem Pfuscher der Gewerbe¬ 
betrieb wegen gesundheitsschädlichen Betriebes oder schwindel¬ 
hafter Ausbeutung untersagt werden kann, nnd ob die erfolgten 
Ankündigungen geeignet erscheinen, Täuschung hervorzurufen! 

Es ist daher erforderlich, im § 2 vorzuschreiben, daß die 
Gewerbetreibenden der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art verpflichtet 
sind, der Polizeibehörde des Betriebsortes und dem zuständigen 
beamteten Arzt bezw. Tierarzt über ihre Vorbildung nnd 
seitherige Tätigkeit Auskunft zu erteilen, nnd zwar nicht „auf 
Erfordern* und nur „soweit sie mit dem Gewerbebetriebe in Zu¬ 
sammenhang stehen*, sondern stets. Ebenso sind die Geschäfts¬ 
bücher der Polizeibehörde des Betriebsortes und dem zuständigen 
beamteten Arzt oder Tierarzt alljährlich zu einem 
von der Polizeibehörde zn bestimmenden Termin, sonst 
jederzeit auf Verlangen vorzulegen. 

Da nach dem letzten Absatz des § 2 der Bnndesrat zu be- 



der Heilkande darch nicht approbierte Personen n. den GeheimmittelTerkehr. 45 

stimmen hat, in welcher Weise die Geschäftsbücher zu führen 
sind, so mag hier der Wunsch ansgesprochen werden, die Ein- 
richtang derselben so zu gestalten, daß ihre Ansiüllnng auch die 
Handhabe zn einem gerichtlichen oder yerwaltnngsrechtlichen 
Eingreifen bietet. Zn diesem Zweck empfiehlt es sich vielleicht, 
nicht die Angabe der gestellten Diagnose zn fordern, sondern 
vorzuschreiben, daß eine Bezeichnnng der Krankheits- 
erscheinnngen zn erfolgen hat, znmal ja besonders dieNatnr- 
heilknndigen nicht eine Diagnose stellen, sondern nnr die ein¬ 
zelnen Erankheitserscheinnngen behandeln. 

Eine wesentliche Beschränknng der Tätigkeit der die Heil- 
knnde gewerbsmäßig ansttbenden nicht approbierten Personen 
bieten ohne Frage die Bestimmnngen des § 3 des Entwnrfes; in¬ 
dessen scheinen mir diese Beschränknngen noch nicht weit genng 
zn gehen, da sie die notwendigsten Fordernngen, welche 
die öffentliche Gesnndheitspflege stellen mnß, nicht 
voll berücksichtigen. Sagen doch die Erlänternngen zn dem Ge- 
setzentwnrf selbst, daß grnndsätzlich davon anszngehen ist, 
daß jede Erankenbehandlnng dnrch Enrpfnscher nnznverlässig ist 
nnd daß nicht fachmännisch ansgebildete Personen die erforder¬ 
liche Znverlässigkeit nicht besitzen. Dieser Grnndgedanke des 
ganzen Gesetzentwnrfes mnß, wenn man nnter den gegebenen 
Verhältnissen anch von einem radikalen Enrpfnschereiverbot ab¬ 
sieht, doch noch eine größere Berücksichtignng im § 3 finden, als 
dies im Entwnrf geschehen ist. 

Besonders denke ich hierbei an Ziffer b des § 3 nnd halte 
den Znsatz „nnd deren Folgeznstände“ hinter Syphilis für 
dnrchans erforderlich. Vor einer Versammlnng von Sachverständigen 
erübrigt es sich für mich, daranf hinznweisen, welche enorme 
gesnndheitliche nnd anch volkswirtschaftliche Bedentnng die Be- 
handlnng der Geschlechtskrankheiten gerade dnrch Enrpfnscher hat, 
nnd welche Fälle von Unglück, das sich meist erst in späteren 
Jahren doknmentiert, wenn die ersten dentlichen Erscheinnngen 
der Lustsenche geschwnnden sind, nach einer nicht sachgemäßen 
Behandlnng Geschlechtskranker dnrch Enrpfnscher heranf be¬ 
schworen wird. Es mnß das Verbot der Behandlnng dnrch Enr¬ 
pfnscher weiter anch anf die „Franenkrankheiten**, ins¬ 
besondere den „Gebärmntterkrebs'^ erweitert werden. Was 
nützen sonst die Bestrebnngen nnserer Gynäkologen, welche in 
den letzten Jahren so kraftvoll einsetzten, nm die Franenwelt 
über die frühzeitige anssichtsvolle Operationsmöglichkeit des Gebär- 
mntterkrebses antzuklären, was frommen alle Fortschritte der 
modernen Diagnostik nnd Operationstechnik, wenn nach wie vor 
diese nnglücklichen Franen dnrch die Behandlnng gewissenloser 
Quacksalber, die nur für ihren Geldbentel arbeiten, einem frühen 
Siechtum entgegengetrieben werden! 

Für erforderlich erachte ich es ferner in Uebereinstimmnng 
mit sämtlichen beamteten Aerzten nnd der lanten Enndgebnng 
der ärztlichen Presse, sowie des Danziger Aerztetages, daß der 
letzte Absatz des § 3, der nnr die Möglichkeit der Unter- 



46 Dr. Dütscbke: Vorläufiger Entwurf des BeicbsgesetzeS) betr. die Austtboog 


sagang der Behandlung gemeingeffthrlicher oder solcher 
übertragbaren menschlichen oder Tierkrankheiten 
dnrch Eurpfnscher bietet, bezüglich deren doi’ch Landesrecht 
eine Anzeigepflicht eingefflhrt ist, eine yollständige Umarbeitimg 
erfährt, indem hier ein direktesVerbot ebenso aasgesprochen 
wird, wie dies fflr Fernbehandlang geschehen ist. In den Ans- 
ffthrangsbestimmangen za dem Reichsseuchengesetz und den ein¬ 
zelnen Landesseachengesetzen ist mit Recht stets aaf die Wichtig^- 
keit des schnellen Erkennens der ersten Fälle dieser Krankheiten 
fflr die Seuchenbekämpfung hingewiesen. Dieses Erkennen ist 
vielfach, wie bei Cholera, Typhus, Genickstarre, Diphtherie, Rotz 
usw., nur mit Hilte der Bakteriologie möglich, deren Be¬ 
herrschung nur Sache der Aerzte und Tierärzte Meibt. Mit 
Freude ist es zu begrüßen, daß sich heute, dank den Anregungen 
der Zentralbehörden, über ganz Deutschland ein Netz von bak¬ 
teriologischen Untersuchungsstationen aasbreitet, die nicht nur ein 
ehrendes Zeichen dentscher Wissenschaftlichkeit und Opferwillig- 
keit darstellen, sondern auch ein wertvolles Mittel im Kampfe 
gegen die ansteckenden Krankheiten bilden und dazu beitragen, 
die ersten Fälle solcher übertragbaren Menschen- und Tierkrank- 
heiten rechtzeitig zu erkennen, um sodann den ersten aut- 
glimmenden Funken zu löschen, bevor er zum verherenden Brande 
jäh emporgelodert ist! Wenn aber erst, wie es im Entwurf 
heißt, im ferneren Verlauf der genannten Krankheiten deren 
Behandlung durch Laien untersagt werden kann, so wird hier¬ 
durch meist infolge unterlassener rechtzeitiger Vorbengungs- 
anordnungen ein großer Schaden fflr das Gemeinwohl entstanden 
sein und das Verbot zu spät kommen. Wir alle, m. H., die 
wir als Mediziaalbeamte mitten im praktischen Leben stehen, 
haben leider gar zn oft erfahren müssen, welche ungeheuere Ver- 
breltnng Typhuserkrankungen z. B. nehmen können, wenn sie un¬ 
erkannt von Laien behandelt werden, und wir wissen, daß diese 
Fälle die Ursache mancher Kontaktfälle und zahlreicher sich 
daraas entwickelter Epidemien geworden sind. Es ist daher eine 
dringende Forderung der öffentlichen Gesundheitspflege, die Be- 
handlnag ansteckender Krankheiten durch nicht approbierte Per¬ 
sonen generell zu untersagen. 

Ich verhehle mir dabei allerdings nicht, daß von den nicht 
approbierten Krankenbehandlern dann voraussichtlich sehr häufig 
der Ein wand erhoben werden wird, sie hätten die behandelte 
Krankheit nicht für eine ansteckende oder übertragbare gehalten. 
Solche Vorgänge aber, von sachkundiger Seite vor Gericht be¬ 
handelt, werden weiteren Kreisen die Unzuverlässigkeit und Un¬ 
fähigkeit des Kurpfuschers eher vor Augen führen und in der 
Folge geeignet sein, den Tätigkeitskreis dieser Personen immer 
mehr einzuschränken. 

Wenn von verschiedenen Seiten ferner der Ein wand erhoben 
wird, daß ein nicht approbierter Krankenbehandler bei seiner 
eigenartigen Bildung doch kaum in der Lage sein könne, wie ein 
Arzt eine ansteckende Krankheit oder ein Krebsleiden zu erkennen, 



der Heilkande durch nicht approbierte Personen u. den Gehcimmittelrerkehr. 47 

und daher die Behandlong dieser Krankheiten man^rels richtiger 
Erkennung nicht abzulehnen brauche, so muß demgegenüber 
immer wieder darauf hingewiesen werden, daß, wer den Drang 
and die Fähigkeiten in sich verspürt, gewerbsmäßig die Heilkunde 
anszuüben, auch die Konsequenzen hierzu ebenso wie jeder appro¬ 
bierte Arzt auf sich nehmen muß, und daß, wer die Fähigkeit 
besitzt, Tripper, Schanker und Syphilis zu diagnostizieren nnd 
diese von seiner Behandlung anszuschließen, auch befähigt sein 
muß, eine ansteckende Krankheit zu erkennen. Es ist eine offen¬ 
bare Inkonsequenz, die Behandlung eines Trippers zu verbieten 
und die Behandlung von Typhus und Diphtherie, wenn auch be¬ 
dingt, zu gestatten. 

Im übrigen möchte ich auch nicht unterlassen darauf hin* 
zuweisen, daß bereits nach § 14 des Gesetzes vom 30. Juni 1900, 
betr. Bekämpfung der gemeingefährlichen Krankheiten, die Ab¬ 
sonderung kranker Personen derart zu erfolgen hat, daß 
der Kranke mit anderen, als mit den zu seiner Pflege bestimmten 
Personen, dem Arzt und dem Seelensorger, nicht in Berührung 
kommt. Der Persönlichkeit des Kurpfuschers ist hier nirgends 
Erwähnung geschehen; es muß derselbe hier also schon von der 
weiteren Behandlung zurücktreten und kann nicht erst auf An¬ 
regung der Polizeibehörde veranlaßt werden, die Behandlung auf- 
zngeben, will man hier nicht künstlich einen Gegensatz bezw. 
Widersprach konstruieren. 

Der Forderung des Deutschen Aerztetages weiter, den Kur- 
pfuschern im § 3 die Abgabe von Mitteln oder Gegen¬ 
ständen zu verbieten, die zur Verhütung, Linderung oder 
Heilung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen 
oder Tiere dienen sollen, habe ich mich gern angeschlossen nnd 
in meinen Abänderungsvorschlägen zum § 3 einen entsprechenden 
Zusatz gemacht. Ich verhehle mir dabei aber nicht, daß es einiger 
Mühe bedürfen wird, diese Forderung rechtlich zu begründen im 
Hinblick auf eine Entscheidung des Preußischen Kammergerichts 
vom 7. Mai 1900, welche zum Ausdruck bringt, daß nach § 6 
Abs. 2 der Reichs-Gewerbeordnung durch Kaiserliche Verordnung 
bestimmt wird, welche Apothekerwaren nnd Mittel dem freien 
Verkehr überlassen sind. Sache der Herren Juristen wird es sein, 
hier eine Uebereinstimmung zu erzielen, da das Verbot der Ab¬ 
gabe dieser Mittel ohne Frage geeignet erscheinen muß, die Kur¬ 
pfuscherei einzuschränken. 

Dahingegen halte ich die weiter vom Deutschen Aerztetage 
gegebene Anregung, in das geplante Reichsapothekengesetz ein 
Verbot der Anfertigung von Kurpfuscherrezepten auf- 
zunehmen, für undurchkhrbar. Es ist die notwendige Folge der 
nach der Gewerbeordnung einmal erfolgten staatlichen Duldung 
der Kurpfuscher, daß denjenigen Personen, welche sich an nicht 
approbierte Heilgewerbetreibende wenden, anch die Möglichkeit 
geboten wird, daß die ihnen übergebenen schriftlichen Verord¬ 
nungen der Kurpfuscher in der Apotheke ansgeführt werden können, 
vorausgesetzt, daß diese Verordnungen keine Mittel enthalten. 



48 Dr. Dtttschke: Vorläafiger Eatwarf des Beichsgesetzas, betr. die Aasftbaog 


die nur auf ärztliches Rezept hin von den Apotheken abgegeben 
werden dürfen. Wäre ein solches Verbot angängig, so würde mit 
einem Schlage die Earpfnscherei bedeutend eingedämmt. 

Der von mir weiter zum § 3 gemachte Zusatz des Verbots 
der Ankündigung von Sprechstunden außerhalb des gemel¬ 
deten Betriebsortes durch die im § 1 genannten Gewerbetreibenden 
bedarf keiner weiteren Erklärung. 

§ 4 des Entwurfes, der von der Untersagung der gewerb¬ 
lichen Tätigkeit der im § 1 erwähnten Personen handelt, hat hin¬ 
sichtlich des ersten Absatzes eine allgemeine Zustimmung in der 
bisherigen Kritik gefunden, während die folgenden Absätze wegen 
ihrer abschwächenden Wirkung und zu milden Tendenz vielfadi 
bemängelt worden sind. Mit Genugtuung ist es zu begrüßen, 
daß nicht das Vorhandensein von Tatsachen zur Unter¬ 
sagung des Betriebes erforderlich ist, sondern daß es genügt, 
wenn die Tatsachen die „Annahme“ begründen, daß die Ge¬ 
sundheit geschädigt wird, oder wenn die Annahme besteht, daß 
Kranke schwindelhaft ansgebeutet werden, so daß also juristisch 
die Tatbestandsmerkmale des Betruges nicht erbracht zu sein 
brauchen. 

Erheblich abgeschwächt wird aber der § 4 später durch 
Abs. 4, wonach die Wiederaufnahme des Gewerbebetriebes wieder 
gestattet werden kann, sofern seit der Untersagung mindestens 
ein Jahr verflossen ist. M. E. sollte man diese Bestimmung ent¬ 
weder ganz streichen oder nur auf die Fälle beschränken, in 
denen die Untersagung wegen Uebertretungen, nicht wegen Ver¬ 
gehen erfolgt war. Als selbstverständlich ist es anzusehen, 
daß vor Untersagung der gewerblichen Tätigkeit der beamtete 
Arzt oder Tierarzt zu hören ist, der auch berechtig ist, einen 
Antrag auf Untersagung des Betriebes zu stellen. Einer näheren 
Bezeichnung in dem Entwurf bedarf es noch, welche Behörde 
für die Untersagung des Gewerbebetriebes zuständig ist 

Der non folgende § 5 handelt, ebenso wie die §§ 7 und 11 
von der Beschränkung und Untersagung des Verkehrs 
mit Geheimmitteln. Wer seine Fassung liest, wird es 
begreiflich Anden, daß hier seitens der Vertreter der Fabrikation 
von Geheimmitteln eine lebhafte Agitation einsetzen mußte, um 
diesen üppig blühenden Industriezweig in der Folge vor zu 
empflndlichen Schädigungen zu wahren. Aber gerade diese leb¬ 
hafte Agitation liefert auch den besten Beweis dafür, daß man 
in jenen Kreisen eine besondere Wirksamkeit der Bestimmung^ 
befürchtet, und daß somit ihr Zweck erreicht wird. 

Der „Deutsche Verein für den Schutz des gewerblichen 
Eigentums“ hat gegenüber dem Entwurf die Forderung des 
gewerblichen Rechtsschutzes aufgestellt und verlangt, daß 
demjenigen, der sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von 
Heilmitteln befasse, der gleiche Schutz auf Wahrung und An¬ 
erkennung seiner geistigen Tätigkeit gewährt werden müsse, wie 
jedem anderen Gewerbetreibenden. Vor allem wird aus jenen 
Kreisen die Forderung laut, daß der Kommission, welche bei dem 



der Heilkonde durch nicht approbierte Pereonea n. den OehefanmlttelTeikebr. 49 

Kaiserlichen Gesundheitsamt gebildet wird, und welche der Bundes* 
rat gntachtlich anhOrt, ob eine Beschränkung oder Untersagung 
des Verkehrs geboten ist, ein Vertreter der chemischen 
Industrie nnd ein Vertreter des gewerblichen Bechts- 
schntzes angehbren. Der Wunsch, einen Vertreter der chemi¬ 
schen Indnstrie in der Kommission zn haben, wird mit dem Hin¬ 
weis darauf begrOndet, daß die in der Kommission yertretene 
Pharmazie hente in vielen Dingen im lebhaften Gegensätze 
materieller Interessen mit der chemischen Indnstrie stehe. Ebenso 
verlangt man eine Definition des Begriffes ,Geheimmittel“. Wie 
ich mir schon vorher zn bemerken gestattete, sehe ich es gerade 
als einen Vorzug des Entwurfes an, daß er eine Definition des 
Begriffes „Geheimmittel“ nicht gibt; im Übrigen deutet § 7 Ziff. 3 
des Entwurfes, entsprechend den Auslegungen des Preußischen 
Kammergerichtsnrteils, den Geheimmittelbegriff an. Wollte man 
nur einen Teil der Wünsche erfüllen, welche Herr Patentanwalt 
Dr. Ephraim-Berlin zu dem Gesetzentwurf in der Zeitschrift 
„Die chemische Indnstrie“ anführt, so würde das geradezu einer 
Prämiierung der Geheimmittelfabrikation gleichkommen nnd jeden¬ 
falls das, was der Beichsgesetzentwnrf verhindern will, groß 
ziehen nnd zn ungeahnter Blüte bringen! Die Handhabung der 
Bestimmungen des § 5 muß eine möglichst weitgehende sein, damit 
alle von der überaus geschäftigen Geheimmittelindnstrie immer 
wieder in den Handel gebrachten neuen Mittel oder alten Mittel 
mit neuen Namen getroffen werden können. Als zweckmäßig 
würde ich es nur noch ansehen, wenn außer dem „Vertrieb“ anch 
das „Anpreisen“ untersagt würde und demgemäß am Schluß des 
Abs. 1 des § 5 die Worte „oder angepriesen“ hinzugefügt 
werden; denn wenn anch von den Fabrikanten auf der Umhüllung 
des Geheimmittels eine täuschende Reklame vermieden wird, so 
kann doch solche noch durch Zeitungsanzeige, Flugblätter oder 
anders recht wirkungsvoll erfolgen. 

Im Interesse einer sicheren Durchführung der Bestimmungen 
des § 5 muß sich der Wunsch geltend machen, daß die Listen 
der verbotenen Mittel nnd Gegenstände, welche der 
Bnndesrat durch die beim Kaiserlichen Gesundheitsamt einzn- 
richtende Kommission anfstellen läßt, auf dem Laufenden erhalten 
werden, und ihre Abänderungen oder Ergänzungen in nicht allzu 
großen Zwischenräumen erfolgen. 

Die nun folgenden Paragraphen handeln von den Straf¬ 
bestimmungen. § 6 bestimmt zunächst die Strafen für eine 
unzulässige Beklame. Hier dürfte iu dem Satze „wer 
wissentlich unwahre Angaben macht“ das Wort „wissentlich“ 
zu streichen sein, da hiermit gegen Kurpfuscher überhaupt nichts 
zn machen ist. Vor Gericht wird der Kurpfuscher immer von 
der Wirksamkeit seiner Mittel nnd Behandlungsweise überzeugt 
sein; es wird deshalb nur in den seltensten Fällen der Nach¬ 
weis gelingen, daß er „wissentlich“ seine Klientel getäuscht hat, 
wie ^es erst jüngst im „Aerztlichen Vereinsblatt“ der ans 
Hagen in Westfalen berichtete Fall des Ferrosol-Fabrikanten, 

4 



50 Dr. Dülachke: Votlftafiger Eotwnrf des Beichsgeietzes, betr. die Anaftbong 

Hanptmann der Landwehr Stahlschmidt, zeigt. Bleiben nnr die 
„unwahren Angaben* übrig, so ist es eben Sache des Richters und 
des Sachyerst&ndigen, die objektive Unwahrheit dieser Angaben 
festznstellen. 

Ebenso würde in dem letzten Satz des § 6 das „wissent¬ 
lich* zn streichen und zn sagen sein: „dasselbe gilt, wenn solche 
unwahren Angaben gemacht werden*. Dahingegen wire hinter 
den Worten „wer unwahre Angaben macht* die Einfügung des 
Satzes „oder mit seinem Wissen machen läßt* recht wfins^ens- 
wert, da viele Eorpfnscher bezahlte Agenten halten, welche Bro¬ 
schüren schreiben nnd Dankschreiben sowie Erfolgbestätigiuigen 
veranlassen and bei der jetzigen Fassung des § 6 durch ihre 
Reklame ungehindert für den Kurpfuscher arbeiten können. 

Der § 7 des Entwurfes, der von den öffentlichen An¬ 
kündigungen nnd Anpreisungen, die mit der Kurpfuscherei 
nnd dem Ueheim- bezw. Heilmittelverkehr in Verbindung stehen, 
handelt, hat ein besonderes Interesse für die Presse nnd ist hier 
vielfach scharfen Angriffen ansgesetzt gewesen, zuletzt noch auf 
der Hauptversammlung des Vereins deutscher ZeitnngsVerleger 
am 25. Juni in Danzig. Hier ist beschlossen worden, eine An¬ 
gabe an den Herrn Reichskanzler zu machen und darin vor aUem 
den Wunsch ausznsprechen, daß der Begriff „Geheimmittel* näher 
definiert und die Liste der Geheimmittel in möglichst kurzen Ab¬ 
ständen, wenn möglich wöchentlich, veröffentlicht werde. 

Im § 7 wird es zweckmäßig sein, der Ziffer 1 den Zusatz 
hinzuznfügen „oder Fernbehandlung vermittelt oder ver¬ 
anlaßt*; ebenso ist in Ziffer 2 hinter „Geschlechtskrankheiten* 
noch zn setzen „und Frauenkrankheiten*. 

Nicht unterlassen möchte ich hinsichtlich Ziffer 2 des § 7 
darauf hinznweisen, daß in ärztlichen Kreisen die Befürchtung 
laut geworden ist, die jetzige Fassung der Ziffer 2 könne unter 
Umständen geeignet sein, die Volksgesundheit zn schädigen, indem 
hierunter auch Mittel fallen, welche bestimmt und geeignet sind, 
geschlechtliche Infektionen zu verhüten. Aerztlicherseits wird 
hervorgehoben, daß diese Gegenstände zur Verhütung von Ge- 
schlechtskranUieiten (Präservativs) eine größere RoUe im Ge¬ 
schlechtsverkehr spielen, als allgemein angenommen wird, nnd daß 
durch ihre Benutzung tatsächlich Infektionen verhütet werden. 
Würde nun durch das Verbot der öffentlichen Ankündigung und 
Anpreisung solcher Mittel der Bezug derselben erschwert oder 
gar verhindert, so sei eine Zunahme der Geschlechtskrankheiten 
zn befürchten. Ich muß es dahin gestellt sein lassen, ob man 
diesen Bedenken eine Bedeutung beilegen will; denn der Verkam! 
dieser Mittel ist ja nach wie vor gestattet, und diejenigen Per¬ 
sonen, welche sich solcher Mittel bedienen, werden diese nach wie 
vor zu erhalten wissen. 

Frölich bleibt es, ob das im § 7 Ziffer 8 erlassene Verbot 
erforderlich istP Der § 6 des Entwurfs schützt schon genügend 
gegen zahlreiche, auf Täuschung ausgehende Anpreisung«!, be¬ 
sonders wenn hier, wie vorgeschlagen, das Wort „wissentlich* 



der Heilkunde durch nicht approbierte Personen n. den OeheimmittelTerkehr. 51 


fortfällt. Es bleibt auch gleich, ob die Bestandteile der Mittel 
bei der Ankündigung bekanntgegeben oder geheimgehalten werden; 
die Hauptsache ist immer, ob den Mitteln gewisse, ihnen nicht 
znkommende Wirknngen, Erfolge nsw. in prahlerischer Weise 
angedichtet werden, nnd hierfür bietet § 6 schon eine wirk¬ 
same Handhabe. 

Was sodann den letzten Absatz des § 7 anbelangt, welcher 
die Ankündignng der unter Nr. 2 nnd 3 aofgeführten Mittel, Gegen¬ 
stände and Verfahren außer Strafe läßt, falls diese Ankündigungen 
oder Anpreisungen in ärztlichen, tierärztlichen oder pharmazeuti¬ 
schen Fachschrifcen erfolgen, so hegen ängstliche Gemüter die 
Befürchtung, daß sich sehr bald findige Geheimmittelfabrikanten 
zusammentun werden, welche unter dem Mantel der Wissenschaft¬ 
lichkeit undin Form einer Fachzeitschrift eigeneOrgane erscheinen 
lassen werden, die nur solche Anzeigen enthalten. Ich halte diese 
Befürchtung nicht für begründet, da der Begriff „Fachpresse* 
ein tatsächlicher ist, dessen Vorhandensein in jedem Einzel¬ 
fall vom Richter nachzoprüfen bleibt; dieser wird aber als Fach¬ 
schrift nur solche Schriften gelten lassen können, die lediglich 
fachliche Dinge behandeln nnd nur für Angehörige des Fa^es 
bestimmt sind. 

Entsprechend den zu § 8 empfohlenen Zusätzen, würden im 
§ 8 nunmehr auch diese Zusätze unter die angedrohte Strafe 
fallen. 

Die im § 9 Abs. 1 festgesetzte Strafe für unterlassene 
Anmeldung halte ich für zu gering; denn einem „berühmten* 
Kurpfuscher, der sich der Anmeldepfiicht und den übrigen Pflichten 
entzieht und bald hier, bald dort sein Zelt aufschlägt, macht es 
gar nichts aus, eine Geldstrafe von 150 Mark zu zahlen; diese 
Summe bildet vielleicht einen Teil einer einzigen Tageseinnahme. 
Wird die unterlassene Anmeldung nicht unter hohe Strafe gestellt, 
so werden die Kurpfuscher nicht davor zurückschrecken, sich 
dieser Pflicht möglichst zu entziehen und die Kontrolle gestaltet 
sich dann äußerst schwierig. Welche geringe Rolle das Geld bei 
berühmten Kurpfuschern spielt, haben wir ja erst jüngst bei dem 
bekannten William Scott gesehen, der die gesteUte Kantion von 
100000 Mark lieber verfallen ließ, als daß er sich weiteren Un¬ 
annehmlichkeiten bei Gericht aassetzte. 

Um den § 10 des Entwurfs noch wirksamer zu gestalten, 
vor allem um auch die Zeitungsredakteure wegen Aufnahme 
der öffentlichen Ankündigungen verbotener Mittel 
wirksamer zur Bestrafung zu bringen, empfiehlt sich noch nach 
dem Vorschlag von Reissig-Hamburg am Schluß des Abs. 1 
des § 10 der Zusatz: „oder die öftentliche Ankündigung in periodi¬ 
schen Druckschriften, Volkskalendem und ähnlichen Reklameorten 
zuläßt oder vermittelt, desgleichen, wer Bücher, Schriften und 
Zeitschriften Öfientlich anpreist oder anpreisen läßt, in denen zur 
Verletzung solcher gesetzlichen Bestimmungen angereizt wird, die 
zur Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten getroffen 
worden sind.* Durch diese Ergänzung würde man einen großen 

4* 



52 Dr. DQtschke: Vorliofiger Entwarf des Bdchsgesetus, betr. die AasHbang 

Teil der natorheilkandlichen Schriften, in denen ja mit Vorliebe 
die Absperrmaßreg^eln, DeeinfektionBVorschriften und dergL wer- 
bOhnt werden, treffen können. 

Eine bessere Wirkung des § 12 scbließlicb ist za erhoffen, 
wenn vor das Wort „gleichgeachtet" am Ende dieses Paragraphen 
noch eingeiftgt wflrde: „der öffentliche Hinweis auf Bficher and 
Schriften, in denen die durch dieses Gesetz betroffenen Mittel, 
Gegenstände oder Verfahren empfohlen werden"; denn bei der 
jetzigen Fassung dieses Paragraphen gehen die Agenten der Kur¬ 
pfuscher und Geheimmittelfabrikanten, welche in den Zeitungen 
Deckannoncen und Dankschreiben yeröffentlichen, straffrei aus. 
Ebenso werden solche Annoncen in Kalendern und Volksböchem 
vielfach gefunden, welche bei Beschreibungen von bestimmten 
Krankheiten, Krebs, Tuberkulose, Beinschäden usw. die Aufmerk¬ 
samkeit des Publikums auf bestimmte Geheimmittel lenken. 

Im § 13 wird hinter Ziffer 1 zweckmäßig die Strafbestimmung 
für die vorgeschlagene Untersagung der Beilegung der Bezeich¬ 
nung „staatlich, polizeilich usw. gemeldet" (vergl. § 1 vorletzten 
Absatz der Abänderungsvorschläge) eingef&gt, ebenso hinter 
Ziffer 2 das nicht rechtzeitige Vorlegen der Geschäftsbttcher mit 
unter Strafe gestellt, wie dies schon vom Deutschen Aerztetag 
vorgeschlagen ist. 

Um eine noch deutlichere Trennung zwischen approbierten 
und nicht approbierten Personen zum Ausdruck zu bringen, wflrde 
im § 15 anstatt Ausflbung der „Heilkunde" zu setzen sein 
Ansflbung des „Heilgewerbes"« 

Zur Vermeidung von Mißverständnissen erscheint es mir 
auch nötig, dem § 15 hinzuzuffigen, daß die landesrechtlichen 
Sonderbestimmungen hinsichtlich der Apotheker, welche diesen 
die Ausflbung der Heilkunde untersagen, unberflhrt bleiben. 

M. H.I Ich bin am Ende meiner Ausfflhrungen angelangt 
nnd habe sowohl diejenigen Wflnsche und Abänderungsvorschläge, 
welche ich in der jttngsten Publizistik, die schnell einen ziemlich 
g^ßen Umfang angenommen hat, als beachtenswert fand, als auch 
die Ergänzungen und Zusätze, die sich mir selbst, besonders vom 
Standpunkt des Medizinalbeamten aus, als nötig und 
wflnschenswert aufdrängten, an zutreffender Stelle flbersichtlich 
zusammenzustellen versucht. Wenn auch ein großer Teil dieser 
Abänderungsvorschläge Aber den ursprflngUchen Rahmen des Elnt- 
wurfs hinausgeht, so soll diese freimfltig geflbte Kritik nicht etwa 
dazu beitragen, in Ihren Augen den Wert dieses vortrefflichen 
Entwurfes herabzusetzen, nein, die Zusammenstellung der vor¬ 
getragenen Abänderungsvorschläge ist nur dem aufrichtigen 
Wunsche entsprangen, die Wirkungen des znkflnftigen Gesetzes, 
da eben nach Lage der Verhältnisse ein vollständiges Knr- 
pfuschereiverbot in absehbarer Zeit nicht zu erreichen sein wird, 
möglichst weitgehend zu gestalten und die Maschen des Gesetzes 
immer enger zusammenzuziehen, um die gröbsten Ausschreitungen 
des Pfuschertums und des Geseimmittelschwindels zu beseitigen. 

Wir, m. H., als Medizinalbeamte wissen, daß mit dem 



der Heilkiinde darch niebt approbierte Peraonen n. dea GebeimmittelTerkebi. 68 

Inkrafttreten des EnrpfaschereibekämpfnngsgeBetzes die beamteten 
Aerzte vor neue und bedentnngsvolle Aufgaben gestellt werden, 
und ich betone es nochmals, daß es von der Tätigkeit der Medi- 
zinatbeamten in Zukunft wesentlich abhängen wird, mit welchem 
Erfolge das Gesetz dnrchgef&hrt werden wird; deshalb haben 
wir nicht nur yon unserem Standpunkt aus, sondern yor allem 
im Interesse des Gemeinwohles den dringenden Wunsch, 
daß die Kompetenzen des Medizinalbeamten yon yomherein gleich 
gesetzlich so festgelegt werden, daß ihm ein wirksames Ein* 
greifen und Mitarbeiten ermöglicht und garantiert ist, und er nicht 
yon dem mehr oder minder ausgeprägten Verständnis der Polizei¬ 
behörden fftr seine erforderliche Zuziehung abhängig ist. Der 
beamtete Arzt, der gleichsam der getreue Eckart seines Kreises 
ist, wenn es gilt, die Verbreitung und Uebertragung ansteckender 
Krankheiten yon seines Kreises Grenzen femzuhalten, hat andi 
die Pflicht, beyor der Entwurf dem Reichstag zugeht, noch einmal 
seinen Wamnngsruf eindringlich ertönen zu lassen, um die nicht 
approbierten Heilgewerbetreibenden yon der Behand¬ 
lung ansteckender und Übertragbarer Krankheiten 
ganz ansznschalten; denn er weiß aus eigener Erfahrung, 
welche Ausdehnung ansteckende Krankheiten gewinnen können, 
wenn sie nicht rechtzeitig erkannt werden, und wenn die wohl¬ 
erprobten sanitätspolizeilichen Maßnahmen zu spät einsetzeni 

Ob der Entwurf mit dem yom Aerztetag und den deutschen 
Medizinalbeamten zu machenden Abändernngsyorschlägen die Zu¬ 
stimmung des Reichstages Anden wird, ruht in der Zukunft Schoße 
und ist zurzeit noch nicht abzusehen. Jedenfalls aber deuten die 
bisherigen Preßerzeugnisse und yerschiedenen Beurteilungen des 
Entwurfs darauf hin, daß es yoranssichtlich großer Anstrengungen 
bedürfen wird, um die zum Teil aus Unyerstand, Eigennutz und 
Feindschaft gegen die ärztliche Wissenschaft und ihre Vertreter 
erhobenen Einwände zu entkräften. Besonders hat sich ja in dieser 
Beziehung die wohlorganisierte Presse der „Naturheilkundigen* 
hervorgetan, welche einen erbitterten Kampf durchzuführen ge¬ 
sonnen ist, um die „Kurierfreiheit, ein heiliges Gut des deutschen 
Volkes,“ diesem ungeschmälert zu erhalten. 

Als ein gfinstiges Zeichen fflr das Zustandekommen des Ge¬ 
setzes betrachte ich es aber, daß gerade heute, wo der Preußische 
Medizinalbeamtenverein das Fest seines 25jährigen Bestehens 
feiert, ein großer Teil der deutschen Medizinalbeamten nochmals 
seine warnende und beratende Stimme zu dem Entwurf erhebt! 
Der Preußische Medizinalbeamtenverein hat unter der bewährten 
und zielbewußten Leitung seines langjährigen ersten Vorsitzenden, 
sowie unter der kraftvollen und weitsichtigen Führung des jetzigen 
Leiters des Vereins so manche Anregungen auf dem gesamten Ge¬ 
biete der öffentlichen Gesundheitspflege, der Volkswohlfahrt und 
der gerichtlichen Medizin gegeben, die von den Staatsbehörden 
wegen ihrer Zweckmäßigkeit gern aufgegriffen, dann in die Praxis 
übertragen worden ist, daß wir uns der berechtigten Hoffnung 
hingeben dürfen, man werde an maßgebender Steile die von den 



54 Dr. Dfltscbke: Vorl&ofiger Entwarf des BeicbsgeMtzes, betr. dieAosflbang 

deutschen Medizinalbeamten an dem Entwurf geübte Kritik 
nicht unbeachtet lassen. 

Wir Medizinalbeamte, die wir uns frei Ton Eigennutz wissen, 
die wir keine Schädigung unserer persönlichen Interessen durch 
die Kurpfuscher zu gewärtigen haben, weil unsere amtlichen 
Pflichten uns keine Zeit zur Ansflbnng ärztlicher Praxis lassen, 
sind im Aerztestand in erster Linie berechtigt, an eine Kritik des 
vorliegenden Entwurfes heranzntreten und die Wünsche zu äußera, 
welche zur wirksamen Durchführung des Gesetzes erforderlich 
erscheinen! So geht denn mein, und ich bin überzeugt, Ihrer 
aller Wunsch dahin, daß sich im Beichstag für die Annahme des 
Elntwarfs mit den heute von mir vorgeschlagenen Abänderungen 
und Ergänzungen eine genügende Majorität Anden möge, und hier¬ 
mit der Medizinal- und Sanitätspolizei eine wertvolle Wafte in 
die Hand gegeben werde, durch welche es zum Heile der leiden¬ 
den Menschheit gelingen wird, die gröbsten Auswüchse des Kur¬ 
pfuschertums und des deheimmittelnnwesens zu beseitigen I 

(Lebhafter Beifall.) 

Der Gesetzentwurf und die von dem Herrn Beferenten 
gemachten Abänderungsvorschläge haben folgenden Wortlaut: 

»Vorläuflger Entwurf eines Gesetzes, betr. die Ausübung 
der Heilkunde durch nicht approbierte Personen und den 

Oeheimmitteiverkebr." 

§ 1 . 

Personen, welche sich gewerbsmäßig mit der Behandlung 
von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden an Menschen oder 
Tieren befassen, ohne die entsprechende staatliche Anerkennung 
(Prüfungszen^is, Approbation) erbracht zu haben, sind verpflichtet, 
spätestens mit dem Beginn des Gewerbebetriebes der Polizei¬ 
behörde f ihres Wohnortes unter Angabe ihrer Wohnung und Ge¬ 
schäftsräume schriftlich Anzeige zu erstatten. 

Die Anzeige ist von Personen, die das Gewerbe bei dem 
Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits betreiben, spätestens inner¬ 
halb vierzehn Tagen zu erlassen. 

fElne Veränderung des Wohnortes, der Wohnung oder der 
Geschäftsräume, desgleichen die Aufgabe oder Einst^ung des 
Betriebes ist in gleicher Weise, spätestens binnen vierzehn Tagen 
anzuzeigen. 


§ 2 . 

Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art sind 
verpflichtet,f der Polizeibehörde ihres Wohnortes über ihre per¬ 
sönlichen Verhältnisse, soweit sie mit dem Gewerbebetriebe im 
Zusammenhang stehen, insbesondere über ihre Vorbildung und 
ihre seitherige Tätigkeit auf Erfordern Auskunft zu erteilen. 



der Heilkande durch nicht approbierte Personen u. den Qebeimmittelrerkehr. 55 


AbändenuigsTorsohläge. 

Zar Ueberschrift: „Heilgewerbe* statt „Heilkande*. 

Za § 1. 

Za Abs. 1. t* • • Polizeibehörde des Betriebsortes 
und dem dort zuständigen beamteten Arzt bezw. Tier* 
arzt ... za erstatten. 

, Za Abs. 3. fBioe Veränderang des Betriebsortes ist 
binnen einer Woche bei der. Polizeibehörde des alten 
und des neaen Betriebsortes, die Aenderang der Wohnang 
oder der Geschäftsräome, sowie die Aafgabe oder Einstellong des 
Betriebes binnen 14 Tagen bei der Polizeibehörde des alten 
Betriebsortes anzazeigen. 

Zasatz: Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬ 
treibenden ist es verboten, aas dieser erfolgten Anmeldung die 
Berechtigung herzaleiten, sich als „staatlich, polizeilich oder be¬ 
hördlich asw. gemeldet* oder „zagelassen* za bezeichnen. 

Ausgenommen von den Bestimmangen des § 1 bleiben die 
nach den Konventionen zwischen dem Deutschen Reich und den 
angrenzenden nicht deutschen Staaten zur Ausübung des Heil¬ 
gewerbes in den Grenzbezirken zugelassenen, nicht inländisch 
approbierten Medizinalpersonen. 

§ 2 . 

Zu Abs. 1. ... f sind verpflichtet, der Polizeibehörde des 
Betriebsortes und dem zuständigen beamteten Arzt bezw. 
Tierarzt über ihre Vorbildang und seitherige Tätigkeit Aus¬ 
kunft za erteilen („auf Erfordern* fällt weg, desgl. „soweit sie 
mit dem Gewerbebetriebe in Zusammenhang stehen*). 



56 Dr. DOtschke: Yorläofiger Entwurf den Beiclugesetzes, betr. die Ansllbaiig 


Sie sind ferner verpflichtet, Geschäftsbficher zu führen,t 
die der Polizeibehörde f eef Vwlangen vorznlegen sind. 

In welcher Weise die Geschufbsbflcher zn fahren nnd wie 
lange sie anfznbewahren sind, bestimmt der Bnndesratt 


§ 3. 

Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Personen ist bei der Ans- 
flbnng ihres (^werbebetriebes verboten: 
an Menschen und Tieren: 

a) eine Behandlung, die nicht auf Gmnd eigener Untersnchnng 
der zn Behandelnden erfolgt (Fembehandlnng); 

an Menschen: 

b) die Behandlung von Tripper, Schanker, Syphilis, 

c) die Behandlung unter Anwendung von Betänbnngsmitteb, 
die Aber den Ort der Anwendung hinauswirken; 

d) die Behandlung mittels Hypnose. 

e) die Behandlung mittels mystischer Verfahren. 

Durch Beschli^ des Bundesrats kann die Anwendung der 
unter c bis e genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die 
Anwendung anderer als der unter c bis e genannten Verfahren 
bei Menschen und Tieren untersagt werden. 

Behandelt einer der im § 1, Abs. 1 bezeichneten Gewerb^ 
treibenden eine Person an einer gemeingefährlichen Krankheit 
(Beichsgesetz, betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Kn^< 
heiten vom 30. Juni 1900 — R.-G.-B1. S. 306 —) oder an einer 
solchen flbertragbaren Krankheit, bezflglich deren durch Landes¬ 
recht eine Anzeigepflicht eingeführt ist, oder ein Tier an einer 
der Anzeigepflicht unterli^enden übertragbaren Seuche, so kann 
die Polizeibehörde die weitere Behandlung nntersagen.t 



der HeUkande durch nicht approbierte Personen n. den GehefanmittelTerkehr. 57 


Zu Abs. 2. ... f die der Polizeibehörde des Betriebsortes, 
bezv. dem zaständigen beamteten Arzt oder Tierarzt 
alljährlich zn einem von der Polizeibehehörde zn 
bestimmenden Termin, sonst jederzeit ant Verlangen Tor* 
znlegen sind. 

f Zusatz zn Abs. 8: Behnfe Dnrchftthmng einer wirksamen 
Kontrolle ist es erwünscht, yorznschreiben, di^ in die Geschäfts* 
bttcher außer den Personalien der behandelten Personen anch 
deren Angaben über ihr Leiden, die Bezeichnung der Erankheits- 
erscheinungen, Beginn und Dauer der Behandlung, Behand¬ 
lungsweise und die erhaltene Vergütung einzutragen sind. Die 
Zahl der Seiten der Geschäftsbücher ist von der Polizeibehörde 
des Betriebsortes bei der Anmeldung unter Beidrücknng des 
Amtssiegels in dem Geschäftsbnche zu vermerken. 

§ 8 . 

Zn Abs. 1: a) wie im Entwurf. 

an Menschen: 

b) die Behandlung von Tripper, Schanker, Syphilis und deren 
Folgezuständen; 

c) die Behandlung von Frauenkrankheiten; 

d) die Behandlung an einer gemeingefährlichen 
Krankheit (Beichsgesetz betr. die Bekämpfung gemeingefähr¬ 
licher Kranheiten vom SO. Juni 1900. Beichsgesetzbl. S. 806) 
oder an einer solchen übertragbaren Krankheit, be¬ 
züglich deren durch Landesrecht eine Anzeigepflicht 
eingeführt ist; 

e) die Behandlung unter Anwendung von Betäubungsmitteln, 
die über den Ort der Anwendung hinauswirken; 

f) die Behandlung mittels Hypnose, Suggestion und der¬ 
gleichen Verfahren; 

g) die Behandlung mittels mystischer Verfahren. 

Durch Beschluß des Bundesrates kann die Anwendung der 
unter e—g genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die An¬ 
wendung anderer, als der unter e—g genannten Verfahren bei 
Menschen und Tieren untersagt werden. 

Behandelt einer der im § 1, Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬ 
treibenden ein Tier an einer der Anzeigepflicht unterliegenden 
übertragbaren Seuche, so kann die Polizeibehörde nach zuvoriger 
Anhörung des beamteten Tierarztes die weitere Behandlung unter¬ 
sagen; sie muß es, falls der beamtete Tierarzt es für nötig 
erachtet. 

Zusätze zn § 3. Die Abgabe von Mitteln oder Gegen¬ 
ständen, die zur Verhütung, Lindemng oder Heilung von Krank¬ 
heiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere dienen 
sollen, ist den im § 1 bezeichneten Personen verboten. 

Ebenso ist ihnen das Ankündigen oder Ankündigenlassen 
des Abhaltens von Sprechstunden außerhalb ihres der Polizei¬ 
behörde gemeldeten Betriebsortes untersagt. 



68 Dr. OfttBchke: Vorläufiger Entwarf des Bdchsgeeetses, betr. dieAaitinug 


§ 4.t 

Den im § 1 Abs. 1 bezeidmeten Personen ist der Gewerbe¬ 
betrieb zn nntersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die 
imnahme begrftnden, daß durch die Ausübung des Gewerbes das 
Leben der behandelten Menschen oder Tiere gefährdet oder dermi 
Gesundheit geschädigt wird, oder daß Kunden schwindelhaft aus- 
gebentet werden-f 

Der Betrieb kann nntersagt werden, wenn der Gewerbe¬ 
treibende wegen einer strafbaren Handlung, die mit der Ausübung 
des Gewerbes in Verbindung steht, rechtskräftig verurteilt ist, 
bei Uebertretung jedoch nur im Falle wiederholter Verurteilung. 

Der Betriebt kann auch dann untersagt werden, wenn dem 
Gewerbetreibenden wegen eines nicht unter Abs. 2 fallenden Ver¬ 
brechens oder Vergehens die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt 
sind, jedoch nicht über die Dauer des Ehrverlustes hinaus. 

f Ist die Untersagung erfolgt, so kann die Landes-Zentral¬ 
behörde oder eine andere von ib^ zn bestimmende Behörde die 
Wiederaufnahme des Gewerbebetriebes gestatten, sofern seit der 
Untersagung mindestens ein Jahr verflossen ist. 

Der Bescheid, der die Untersagung ansspricht, kann im 
Wege des Rekurses gemäß §§ 20, 21 der Gewerbeordnung an- 
gelochten werden. 

Die Landesregierungen können bestimmen, daß die Anfechtung 
im Verwaltnngsstreitverfahren zu erfolgen hat Die Einlegung 
von Rechtsmitteln hat keine anfschiebende Wirkung. 

§ 5. 

Durch Beschluß des Bnndesrats kann der Verkehr mit ein¬ 
zelnen Mitteln oder Gegenständen, die zur Verhütung, Linderung 
oder Heilung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der 
Menschen oder Tiere dienen sollen,f) beschränkt oder nntersagt 
werden, wenn von deren Anwendung eine Schädigung der Ge¬ 
sundheit zu befürchten ist, oder wenn sie in einer auf Täuschung 
oder Ausbeutung der Abnehmer abzielenden Weise vertrieben 
werden. 

Soweit der Bandesrat den Verkehr mit einzelnen Gegen¬ 
ständen oder Mitteln untersagt hat (Abs. 1), ist deren Einfuhr 
verboten. 

Zur Mitwirkung bei Ausübung der dem Bandesrate nach 
Abs. 1 zustehenden Befugnis wird bei dem Kaiserlichen Gesund- 
heitsamte eine Kommission gebildet. Die Kommission besteht aus 
Beamten, welche die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren 
Verwaltungsdienste besitzen, und aus Sachverständigen aus dem 
Gebiete der Medizin, der Tierheilkunde und der Pharmazie. Die 
Mitglieder werden vom Reichskanzler ernannt. Dieser ernennt 
auch den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter aus der Zahl der 
Mitglieder. Die Ernennung der Sachverständigen erfolgt auf die 
Dauer von fünf Jahren. 

Vor der Beschlußfassung des Bandesrats hat die Kommission 
sich gutachtlich darüber zu äußern, ob eine Beschränkung oder 



der HeUkoiide dnrdi nieht «pprobiexte Persosen xl den GebeimnittelTerkelir. 69 


§ 4 . 

f Zusatz zu § 4: Angabe, irelehe Behörde den Gewerbe¬ 
betrieb zu untersagen hat. 

Zusatz zu Abs. 1: fDie Untersagung des Gewerbebetriebes 
erfolgt nach Anhörung des zuständigen beamteten Arztes oder 
Tierarztes, der auch berechtigt ist, einen Antrag auf Untersagung 
des Betriebes zu stellen. 


Zn Abs. 3: fDer Betrieb ist ferner dann zu untersagen 
wenn . . . (anstatt «kann auch untersagt werden*). 


Zu Abs. 4: fist die Untersagung wegen wiederholter 
Uebertretungen erfolgt, so kann die Landes-ZentralbehOrde 
oder nsw. 


Abs. 5 und 6. Wie im Entwurf. 


§ 5 . 


Zusatz im Abs. 1: f dienen sollen «und angepriesen wer¬ 
den,* beschränkt . . . 



60 Dr. Dfttfohke: Vorllnflger Entwurf dei Bdclugefetzcs, betr. die Aurtbnng 

Uatersagnng des Verkehrs geboten sei. Die Kommission beschließt 
in der Zusammensetzung von fünf Mitgliedern, unter denen min¬ 
destens drei Sachverständige sein mflssen. 

Die Kommission hat dem Verfertiger oder andere Beteiligte, 
soweit dies ausifthrbar ist, zur Wahrung ihrer Interessen GMegen- 
heit zu geben. 

Im fibrigen wird die Einriditnng der Kommission und das 
Verftüiren vor derselben durch den Bnndesrat geregelt. 

§ 6 . 

Mit Gefilngnisf bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis 
zu dreitausend Mark oder mit einer von diesen Strafen wird be¬ 
straft, wer in öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen, 
welche die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten, 
Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere zum Giegen- 
Stande haben, wissentlich unwahre Angaben macht f, die geeignet 
sind, Täuschungen über den Wert oder Erfolg der angekündigten 
oder angepriesenen Mittel, Gegenstände oder Verfahren hervor- 
znrnfen. Dasselbe gilt, wenn solche wissentlich f unwahre Angaben 
gemacht werden in bezug auf die Person des Verfertigers oder 
Urhebers oder über die die Veröffentlichung veraiüassende Person 
oder über die Erfolge einer dieser Personen. 

§ 7 . 

Mit Gefängnis f bis zu sechs Monaten und mit Gnldstrafe 
bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit einer dieser Strafen 
wird bestraft 

1. wer sich in öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen 
zur Fernbehandlungt (§ 3, lit a) erbietet; 

2. wer öffentlich ankündigt oder anpreist Mittel, Gegenstände 
oder Verfahren, die zur Verhütung, Linderung oder Heilung 
von Geschlechtskrankheiten f zur Behebung geschlecht¬ 
licher Schwäche oder zur Hervorrufong geschlechtlicher 
Erregung, sowie zur Verhütung der Empfängnis oder 
zur Beseitigungf der Schwangerschaft dienen sollen; 

3. wer öffentlich ankündigt oder anpreist Mittel, Gegenstände 
oder Verfahren, die zur Verhütung, Linderung oder Heilung 
von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen 
oder Tiere dienen sollen, sofern die Bestandteile oder die 
Gewichtsmengen der Gegenstände oder Mittel oder die 
wesentliche Art des Verfahrens bei der Ankündigung oder 
Anpreisung geheim gehalten oder verschleiert werden. 

Die Vorschriften unter Nr. 2 und 3 finden keine Anwendung, 
soweit die Ankündigung oder Anpreisung in ärztlichen, tierärzt¬ 
lichen oder pharmazeutischen Fachschrifton erfolgt. 

§ 8 

Mit der gleichen Strafe (§ 7) werden bestraft Gewerbe¬ 
treibende der im § 1 Abs. 1 bezeiclmeten Art, die 

1. vorsätzlich den Vorschriften des § 3, Abs. 1 f oder einer 
gemäß § 3, Abs. 2, 3 oder § 4 ergangenen Untersagung 
zuwider handeln; 



der Heilkunde durck nicht approbierte Personen n. den GeheimnüttelTerkehr. 61 


§ 6 . 

f Mit Gefängnis von ... bis za einem Jabr and mit 6eld> 
strafe von ... bis za dreitaosend Mark. 

DaS' Wort wissentlich** ist za streichen and dafftr der 
Zasatz za machen f^oder mit seinem Wissen machen läßt,** 
die geeignet sind asw. 


Das Wort f,wissentlich** ist za streichen. 


§ 7 . 

f Mit Gefängnis von . . .bis za sechs Monaten and mit 
Geldstrafe von ... bis za eintaosendfflnfhnndert Mark oder . . . 

Zasatz za Ziffer 1: Fembehandlang erbietet, oder fFern- 
behandlang vermittelt oder veranlaßt. 

Zusätze za Ziffer 2: f Geschlechtskrankheiten and Fraaen- 
krankheiten. 

fBeseitigong von MenstraationsstOrnngen and Schwan¬ 
gerschaft dienen sollen. 


Ziffer 3 fällt weg (vergl. § 6). 


§ 8 . 


Za Abs. 1, Ziff. 1 t§ ^ ^^8. 1, 4 and 5 statt Abs. 1. 



62 Dr. Dntsehke: Vorl&afiger Entwarf des Bdohsgesetses, betr. die Ansftbug 

2. vorsfttzlich sich za den nacht § 1 unter b, c, d 

und e oder nach § S, Abs. 2 verbotenen Handlangen in 
öffentlichen Ankttndigangen oder Anpreisangen erbieten. 

Ist eine der unter 1 bezeichneten Handlangen aas Fahrlässig* 
keit begangen, so tritt Gefängnisstrafe f bis zu drei Monaten and 
Geldstrafe bis za sechshundert Mark oder eine dieser Strafen ein. 

§ 9 - 

Mit Geldstrafet bis zu einhundertondfftnfzig Mark oder mit 
Haft wird bestraft, wer gegen Entgelt Menschen oder Tiere wegen 
einer Krankheit, eines Leidens oder eines Körperschadens be* 
handelt, ohne dazu staatlich anerkannt za sein and ohne eine 
entsprechende Anzeige nach § 1 erstattet zu haben. 

Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Be¬ 
handlung wegen Gefahr im Verzage fibemommen und nur so lange 
fortgeffihrt worden ist, bis Hilfe von einer staatlich anerkannten 
Person geleistet werden konnte. 

Ist die Behandlung eine solche, die den im § 1, Aba. 1 be¬ 
zeichneten Gewerbetreibenden nach § 3 verboten ist, so kann 
neben der Strafe auf Einziehang der zar Behandlung gebrauchten 
oder dazu bestimmten Gegenstände erkannt werden, sofern sie 
dem Täter oder einem Teikehmer gehörmi. 

§ 10 . 

Mit Geldstrafe f bis zu einhandertandfönfzig Mark oder mit 
Haft wird bestraft, wer Mittel oder Gegenstände, die vom Bandesrat 
gemäß § 5 dem Verkehr entzogen oder Verkehrsbeschränkungen 
unterworfen worden sind, entgegen diesen Anordnungen einffihrt, 
feilhält, zum Verkaufe vorrätig hält oder verkauft oder sonst an 
andere fiberläßt oder öffentlich ankfindigt oder anpreist.f 

Neben der Strafe kann auf Einziehung der verbotswidrig 
eingeffihrten, feilgehaltenen, zum Verkauf vorrätig gehaltenen 
Mittel oder Gegenstände erkannt werden, sofern sie dem Täter 
oder einem Teilnehmer gehören. 

§ 11 . 

Ist in den Fällen §§ 9 und 10 die Verfolgung oder die Ver¬ 
urteilung einer bestimmten Person nicht ausffihrbw, so kann auf 
die Einziehung selbständig erkannt werden. 

§ 12 . 

Der öffentlichen Ankfindigung oder Anpreisung im Sinne 
dieses Gesetzes wird die Verbreitung von Empfehlungen, £2rfolg- 
bestätigungen, gutachtlichen Aeußernngen, Danksagungen und 
ähnlichen MitteUungen in einem großen Kreise von Personenf 
gleichgeachtet. g ^3 

Mit Geldstrafet bis zu einhundertundffinfzig Mark oder mit 
Haft werden bestraft Gewerbetreibende der im § 1, Abs. 1 be¬ 
zeichneten Art, die 

1. die im § 1 vorgeschriebene Anzeige nicht rechtzeitig 
erstatten oder die gemäß § 2, Abs. 1 von ihnen geforderte 
Auskunft fiber ihre persönli^en Verhältnisse verweigern 
oder unrichtig erteilen if 



der Heilkonde durch nicht approbierte Peraonen n. den Geheimmittelrexkehr. 63 

Za Abs. 1, Ziff. 2: f § 3 Abs. 1 b—g statt Abs. 1 unter b, 
c, d und e. 

f G^efängnisstrafe von ... bis zn drei Monaten nnd Geld¬ 
strafe von ... bis zn sechshnndert Mark oder . . . 

§ 9 . 

f Mit Geldstrafe von ... bis zu (höherer Satz, als im Ent- 
woi'f angegeben). 


§ 10 . 

fMit Geldstrafe von ... bis zn 

Zusatz zu Abs. 1: fMit der gleichen Strafe wird bestraft, 
wer die öffentliche Ankündigung in periodischen Dmckscbriften, 
Volkskalendem nnd an ähnlichen Reklameorten zuläßt oder ver¬ 
mittelt, desgleichen, wer Bücher, Schriften nnd Zeitschriften 
öffentlich anpreist nnd anpreisen läßt, in denen zur Verletzung 
gesetzlicher Bestimmungen angereizt wird, die zur Verhütung der 
Verbreitung ansteckender Krankheiten getroffen worden sind 
(Reissig). 


Wie im Entwurf. 


§ 11 . 


§ 12 . 

Zusatz: Vor das Schlußwort ^gleichgeachtet* ist nochein- 
zufflgen „sowie der öffentliche Hinweis auf Bücher nnd 
Schriften, in denen die durch dieses Gesetz betroffenen 
Mittel, Gegenstände oder Verfahren empfohlen werden". 

§ 13. 

f Mit Geldstrafe von ... bis einhundertfünfzig Mark (höhere 
Strafe, als im Entwurf vorgesehen). 

Zu Ziffer 1. Zusatz hinter „erteilen*: 
f oder gegen die Bestimmung des § 1 Abs. 4 (Abänderungsvor¬ 
schlag) verstoßen. 



64 Dr. Dütsehke: VorlloAger Entwoif dea Eeichagesetzes, betr. die AnsHbiiiig 


2. die Geschäftsbflcher, deren Fftbmng oder Aafbewahmng 
ihnen obliegt, nicht oder nicht in der Tom Bandesrate 
vorgeschriebenen Weise oder unrichtig führen oder ver* 
heischen oder vernichten oder der znstftndigen Behörde 
auf deren Verlangen f nicht vorlegen. 

§ 14. 

Welche Behörde in jedem Bandesstaat nnter der Bezeichnong 
Polizeibehörde za verstehen ist, wird von der Zentralbehörde des 
Bandesstaates bekannt gemadit. 

§ 16. 

Die landesrechtlichen Voi Schriften, welche die Ansübang der 
Heilkundet durch nicht approbierte Personen, sowie die Aokfindi- 
gang and Anpreisung von Mitteln, Gegenstftnden and Verfahren 
der in diesem Gesetze bezeichneten betreffen, werden auf* 
gehoben, t 

§ 16. 

Dieses Gesetz tritt am.in Kraft. 

Vorsitzender: Ich eröffne die Diskassion, and zwar zu¬ 
nächst über den Entwarf und das Referat im allgemeinen. 

Hem Ereiflust Dr. Pflani-Berlin: M. H. I Mit den eben gehörten Au* 
mhrungen des Herrn Beferenten und den yon ihm aofgestellten Leitsätzmi, 
glaabe ich, dürfen wir uns im allgemeinen wohl einyerstanden erklären. leh 
will daher, am nicht za sehr in Einzelheiten einzagehen, einige Bedenken mehr 
formaler Natar hier anberücksichtigt lassen, kann es mir aber nicht versagen, 
einige noch nicht erwähnten Ergänsangen, die ich auch teilweise in der za 
einer wahren Hochflat angeschwollenen Literatar bisher noch nicht gefonden 
habe, hier in Vorschlag za bringen. 

Za dem § 8 des Entwurfes hat der Herr Referent bereits nnter d) hin- 
zagefügt: den in § 1, Abs. 1 bezeichneten Personen za verbieten: 

„die Behandiang an einer gemeingefährlichen Krankheit oder aa einer 
solchen übertragbaren Krankheit, bezüglich deren durch Landesrecht eine An* 
zeigepdicht eingeführt ist." 

Wenn der vorgeschlagene Absatz im Gesetze in dieser Form Annahme 
findet, so ist za erwarten, daß die Earpfascher bei etwa eingeieitetem ge¬ 
richtlichen Verfahren den Ein wand erheben werden, daß sie z. B. Scharlach für 
Masern oder BOteln gehalten hätten, damit nach den bisher gemachten Er- 
fahrangen vor Gericht aach Glaaben finden and eine Freisprechung erzielea 
werden. Aus diesem Grande halte ich hier einen weiteren Zusatz für erforder¬ 
lich, etwa in der Art, daß die Behandiang aller mit Haataasschlägen 
einhergehenden Krankheiten den in Bede stehenden Personen anier- 
sagt wird. Dieser Zusatz wäre auch erforderlich za einer wirlmamen Darch- 
führang des aoter b) in diesem Paragraphen auf geführten Verbotes der 
handlang von Schanker and Syphilis. Aach hier würde der Einwand, daß der 
betreffende Earpfascher die Krankheit nicht für Syphilis oder SchsAker go- 
halten habe, bei einem gänzlichen Verbot für alle mit Haataasschlägen ein¬ 
hergehenden Krankheiten ihm vor Gericht wohl nichts nützen. 

Ferner erscheint mir das Verbot der Behandiang des Trippers in 
dieser allgemeinen Fassung des Entwurfes und auch in der vom Beferenten 
vorgeschlagenen Ergänzung, der den Zusatz empfohlen hat: „und deren Folge- 
zaständen“ — so sehr m aach mit diesem Zasati einverstanden bin — 
trotz dieser Ergänzung noch nicht wirksam genag. Ist es doch schon für 
den Arzt oft schwer, ohne Hilfe des Mikroskops, besonders beim Wdbe, 
eine richtige Diagnose za stellen, so daß der eventuell erhobene Einwaad 
des Karpfaschers, daß er die Krankheit nicht für Tripper, soadem fb 
harmlosen Harnröhrenkatarrh oder Aasfloß gehalten habe, bei dem Biditar 




der Heilkande durch nicht approbierte Personen u. den Geheimmitteirerkehr. 65 


Ziffer 2. Zusatz hinter „deren Verlangen“: 
foder zn den vorgeschriebenen Terminen nicht vorlegen. 

§ 14. 

Wie im Entwurf. 


§ 16 . 

f Anstatt Ausübung „der Heilkunde“ Ansübung „des Heil* 
gewerbes“. 

Zusatz als 2. Absatz. 

t Unberührt hiervon bleiben die landesrechtlichen Sonder- 
bestimmnngen für die Apotheker, die diesen die Ausübung der 
Heilknnst untersagen. 


moist Glnuben linden wird. Dnhm mttßte eine Erweiterung des Begrilb 
„Tripper* durch den Tieileicht in BGnmmem zn setzendenZnsnti: „AusfiuB 
aus den männlichen oder weiblichen Geschlechtsteilen* hier 
vorgeoommen werden. Dann konnte allerdings der Zusatz, der sich auf die 
weibiichen Geschlechtsteile besieht, lortbleiben, wenn, wie es von dem Herrn 
Beferenten Torgeschlagen wird, die Behandlung aller Frauenkrankheiten Ober¬ 
haupt verboten wird. 

Hinter dem in § 8 des Entwurfs unter e), in den Leitsätzen unter g) 
aufgeftthrten Verbot der Behandlung mittels mystischer Verfahren halte ich, 
um den gerade hier in Berlin neuerdings besonders zahlreich anftretenden 
Magnetopathen, ebenso wie den Gesundbetern, das Handwerk zn legen, den 
Zusatz etwa in Klammem „(Gesundbeter, Magjietopathen und der¬ 
gleichen)* fOr erforderlich, da sonst erst durch gerichtliche Entscheidunffon 
festgestellt werden müßte, ob die genannten Methoden auch wirklich zu den 
mystischen Verfahren zu rechnen sud, was wohl sicherlich zunächst von den 
beteiligten Kurpfuschern und ihren Bechtsanwälten bestritten werden wird. 

Ich komme nun zu § 4, durch den bestimmten Personen bei gewissen 
Voraussetzungen der Gewerbebetrieb untersagt wird und untersagt werden 
kann. Hier halte ich die Einreihung der Geisteskranken und Trunk¬ 
süchtigen beim Ausschluß von der Krankenbehandlnng im Öffentlichen 
Interesse für dringend geboten. Wir haben in Berlin mehrfach die Erfahrung 
gemacht, daß Personen, welche wegen Geistesschwäche oder Geisteskrankheit 
entmündigt sind oder in einem gegen sie anhängig gemachten Strafverfahren 
auf Grund des § 61 des Beichsstrafgesetzbuches freigeeprochen wurden, bezw. 
fdne Einstellung des Verfahrens erzielt haben, ruhig die Heilkunde weiter aus- 
üben, ohne diä Urnen dieses auf Grund der derzeitigen gesetzlichen Be¬ 
stimmungen in wirksamer Weise untersagt werden kann. Ich wUl hier nur 
einen interessanten FaU ans der letzten Zeit erwähnen, der einen Heilkundigen 
betraf, der hier im Tiergarten w^en Exhibitionismus sistiert wurde und bei 
seiner Vernehmung den für diese FäUe charakteristischen Einwand erhob, daß 
er von der ganzen Sache nichts wisse. Bei der gerichtsärztlichen Untersuchung 
wurde festgesteUt, daß es sich hier vermutlich um einen epileptischen Dämmer¬ 
zustand gehandelt habe, für den die Voraussetzungen des § 51 B. St. G. als 
vorliegend erachtet werden mußten, so daß die EinsteUung des Verfahrens 
erzielt wurde. Dieser Mann, der sich durch ein fast eia Meter hohes und eat- 

3 rechend breites BeUameschUd ansaeicbnet, auf dem er sich zur Behandlung 
ier möglichen Krankheiten anbietet, behandelt noch nach wie vor kranke 
Personen, unter ihnen auch besonders Frauen, ohne daß es jetzt mOgUch ist, 
ihm das Gewerbe in wirksamer Welse zu untersagen. Wenn einmal gesagt 

6 



66 Diskiunoa za dem Vortrage: Vorläufiger Entwarf des Beiclugeeetiee, 


worden ist, daß jeder Kranke, der wisse, daß er za einem nicht approbi^ten 
HeilkttDStier gehe, dieses mit seinem eigenen Gewissen abmachen mftsse 'and. 
hierin eber staatlichen BeTormnndang nicht bcdfirfe, so hat m. B. der Staat 
doch die Pfiicht, das Pablikam vor Karpfaschern dieser Art za schätzen,^deren 
Geisteszustand bm nicht rorher bekannt sein kann. 

Aus dieser Erwägung halte ich b § 4 einen weiteren Zusatz* etwa 
folgender Art für unbedingt erforderlich: 

aDenjenigen b § 1, Abs. 1 bezeichneten Personen, welche gemäß § 1906 
des B. G. B. unter vorläufige Vormundschaft gestellt oder wegen Geisteskrank* 
heit, Gebtesschwäche oder Tronksncht nach § 6, Ziffer 1 und 8 des B. G. B. 
entmündigt sbd, bt während der Dauer der Bevormundung und Entmündigung, 
solchen Personen, bei denen b ebem Strafverfahren die Voraussetzung des 
§ 51 des Beidisstrafgesetzbuches ab vorliegend anerkannt worden bt, djauernd 
der Gewerbebetrieb zu untersagen.** 

Ich verkenne allerdings hierbei nicht, daß bereits im § 4, Abs. 1, der 
da sagt, «den usw. Personen bt der Gewerbebetrieb zu untersagen, wenn Tat¬ 
sachen vorliegen, welche die Annahme begründen, daß durch die Ausübung des 
Gewerbes das Leben der behandelten Menschen oder Tiere gefährdet oder 
deren Gesundheit geschädigt wird“ — ich sage, ich verkenne nicht, daß hier 
vielleiobt — vielleicht — schon eine Handhabe gegeben bt, gegen gebtes- 
kranke und trunksüchtige Eurpfuscher vorzugeben. Ich bezweifle aber, ob in 
allen Fällen, in denen die Untersagung des Gewerbebetriebes dieser Personen 
erforderlich erschemt, dieser Absatz auch wirklich ausreichend sein wird. 

Was nun den Geheimmittelverkehr betrifft, der in § 5 geregelt 
wird, so halte ich es für erforderlich, auch die besonders vom Aaslande her 
in auffälligen äußeren Formen betriebene, auf die Eitelkeit der Menschen 
spekulierende Reklame — ich erinnere z. B. an die Inserate mit der üeber- 
Schrift: «Wie werde ich energbcb P“, an die Inserate über Badiopathie, an die 
Empfehlung der Apparate zur Verlängerung der Körpergröße, an die Mittel 
gegen Magerkeit, Korpulenz, zur Erzielung einer üppigen Büste usw. — v<m 
dem in diesem Paragraphen ausgesprochenen Verbot zu treffen, möchte daher 
Vorschlägen, im Absatz 1 des § 5 Unter „Heilung“ den Zusatz „Beseiti¬ 
gung“, sowie Unter „Körperschäden“ die Worte „und Mängel“ eia- 
zufügen. Ferner müßte, um die zahllosen, zur Umgehung der gesetzlichen 
Bestimmungen in neuester ^eit ab „Nähr- und Kräftigungsmittel“ angepriesenen 
sdiwindelhaften Reklame- und Gebeimmittel ebenfalb unter dieses Verbot zu 
hrbgen, bbter den Worten „der Menschen oder Tiere“ im Absatz 1 der Zusatz 
gemacht werden „sowie als Nähr- und Kräftigungsmittel bei 
krankhaften Zuständen“. Sbngemäß müßten diese für den § 5 vor- 
gesebiagenen Ergänzungen auch im § 6 und im § 7, Abs. 8 Pbtz finden. 
Uebrigens bt für diese Ziffer des § 7 von dem Herrn Referenten die gänzliche 
Streichung empfohlen worden; ich glaube aber, daß wir doch woU Wert 
darauf legen müssen, daß diese Gegenstände, Mittel, Methoden usw., wenn sie 
nun einmal angepriesen werden, auch zu gleicher Zeit die Angabe der Bestand¬ 
teile enthalten. Es bt z. B. der Uebersicht halber schon wichtig, wenn man 
weiß, dieses unter irgendebem Namen angepriesene Mittel besteht aus harm¬ 
loser Kamille und dergleichen. Ich muß daher sagen, daß ich mich mit einer 
Streichung dieses unter Ziffer 8 aufgeführten Zusatzes doch nicht emver- 
standen erklären kaim. 

Wie wichtig dieser Zusatz, betreffend die „Nährmittel“, bt, das be- 
weben die in letzter Zeit vielfach an das Uesige PoUzeipräsidium gerichteten 
Anfragen, ob dieses oder jenes Mittel, das nur ein „Nährmittel“ darstellen 
solle, woU dem freien Verkehr überlassen oder Uer öffentlich angekündigt 
werden darf. Wenn wir uns dann Angaben über die Zusammeasetsung der 
Mittel machen lassen, so haben wir in sehr vielen Fällen gesehen, daß es sidi 
nicht bloß um eb rebes Nährmittel, sondern um eb Arzneimittel handelt. 
So wurde b diesen Tagen eb „Nährmittel“ ausschließlich für Tuberkulose b 
hiesigen Zeitungen angepriesen, das u. a. glyzerinphosphorsanre Salze und 
Perubabam enthält, abo gewbsermaßen doch ab eb spezifisches Arzneimittel, 
aber unmöglich als eb Nährmittel angesehen werden kann. Man sieht hieraus, 
wie nötig der von mir vorgesohlagene Zusatz bt, damit aUe Hbtertüren der 
Gehelmmittelhändler nach Möglichkeit abgeschlossen werden. 



betr. die Aasfibang der Heilkunde durch nicht approbierte Personen usw. 67 




LÜLXCf 



Ji 


l'i »Sä 











* „ I 
•\i. 



y 


Im § 7 ist das Anbieten zur Fernbehandiung für jedermann mit 
Strafe bedroht, und in den Erl&uterungen zu diesem Paragraphen ist ans* 
drttcklich bemerkt, daß die beabsichtigte Folge u. a. auch die sei, daß das 
öffentliche Anbieten der Fernbehandiung seitens approbierter Aerzte in Zukunft 
dann strafbar wäre. M. H., ob die Gerichte diesen Ausführungen angesichts 
der gewählten üeberschrilt des Entwurfs folgen werden — denn die üeber* 
Khrift lautet: „Vorläufiger Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ausübung 
der Heilkunde durch nicht approbierte Personen und den Geheimmittelverkehr*— 
ob, sage ich, die Gerichte diesen Ausführungen folgen werden, scheint mir 
doch sehr zweifelhaft nach den Erfahrungen, die mit den die Meldepflicht der 
Kurpfuscher regelnden, auf Grund des Ministerialerlasses vom 28. Juni 1902 
erlassenen Polizeiverordnnngen gemacht worden sind. Ist doch, wie bereits 
in dem von Herrn Geh. Med.-Bat Dr. Wehmer und mir für die Festschrift 
verfaßten Beferat näher ansgeführt wurde, die Anwendung des Ankündigungs- 
Verbots für gewisse Inserate auf Leute, die sich nicht mit Ausübung der H^- 
künde befassen, also Geheimmitteltabrikanten, mit Bücksiebt auf die üeber- 
Schrift von den Gerichten für unzulässig erklärt worden, und nur in denjenigen 
Bezirken, wo diese Verordnungen keine Deberschrift haben, z. B. in Minden 
(Vorsitzender: Das ist gerade deshalb absichtlich geschehen!) oder wo sie, wie 
in Berlin, ausdrücklich den Zusatz haben: „sowie betreffend Ankündigung von 
Arzneimitteln usw.*, ist ihre Anwendung auch auf alle Anpreisungen, also 
auch auf solche von Leuten, die nicht £e Heilkunde ausüben, vom Kammer¬ 
gericht (am 15. März 1906) ausdrücklich für zulässig erachtet worden. Dem¬ 
gemäß empfiehlt es sich, dem Entwurf in der Ueberschrift die Worte „sowie 
Erbieten zur Fernbehandiung und dergleichen* hinznznfügen, 
wenn die in § 7 unter Ziffer 1 angedrohte Strafandrohung auch auf den Arzt 
sioh erstrecken soll, was ja an und für sich sehr wünschenswert erscheint. 

Schließlich möchte ich noch erwähnen, daß es sich empfelen dürfte, im 
letzten Absatz des § 7 ebenso wie die tierärztlichen auch die zahnärzt¬ 
lichen Zeitschriften, wenigstens für die unter Nr. 8 aufgeführten Mittel, 
auszunehmen. 

Hiermit wären in der Hauptsache die Vorschläge erschöpft, die ich für 
die weitere Ausgestaltung des vorliegenden Gesetzentwurfes für unbedingt not¬ 
wendig erachte, wenn dieses Gesetz den Behörden eine wirksame Handhabe 
zur Bekämpfung der Kurpfuscherei und des Geheimmittelunwesens bieten solL 
Eine weitere Begrenzung des den Kurpfuschern verbleibenden Gebietes halte 
ich im Gegensätze zu dem Herrn Beferenten nicht für opportun; denn ich ver¬ 
hehle mir nicht, daß der Entwurf zweifellos um so weniger Anklang bei den 
Volksvertretern finden wird, je mehr das Gebiet eingeengt wird, das den nicht 
approbierten Heilkundigen schließlich noch verbleibt. Darum habe ich auch 
abgesehen von den Vorschlägen über die Ausdehnung des Kurierverbotes auf 
alle mit Hantausschlägen e^hergehenden Krankheiten und die Untersagung 
des Gewerbebetriebes für Geisteskranke und Trunksüchtige, mich in der Haupt¬ 
sache nur darauf beschränkt, mehr Vorschläge erläuternder Art, wenigstens für 
den die Kurpfuscherei betreffenden Teil des vorliegenden Gesetzentwurfes, zu 
machen. (BeifaU.) 

Herr Beg.-und Med.-Bat Dr. Bluber-Köslin: M. H.! Die großen Vor¬ 
teile, die der Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kurpfuscherei bietet, ver¬ 
kenne ich nicht; aber meiner Ansicht nach trifft er eine ganze Beihe von Per¬ 
sonen nicht. § 1 sagt: „Personen, welche sich gewerbsmäßig mit der Be¬ 
handlung usw. „befassen“, und § 9 hebt die Strafen hervor und sagt „mit 
Geldstrfäe usw. wird bestraft, wer gegen Entgelt Menschen oder Tiere usw. 
behandelt.* Ea ist aber sehr schwierig, die Personen zu bestimmen, die ge¬ 
werbsmäßig behandeln. Nach der Bechtsauffassung sind darunter solche Per¬ 
sonen zu verstehen, die gewohnheitsmäßig Krankheiten behandeln, und zwar 
gegen Entgelt. Danach würden also alle Personen, die Kranke gewohnheits¬ 
mäßig in großer Ausdehnung behandeln, aber nicht gegen Entgelt, durch den 
Gesetzentwurf gar nicht getroffen. Als ich in Düsseldorf war, habe ich den 
Kampf gegen den Lehmpastor Felke auf genommen; es schloß sioh daran eine 

S anze Menge Gerichtsverhandlungen, in denen es außerordentlich schwer war, 
ea Begriff der Gewerbsmäßigkeit nachzuweisen. Der Angeklagte hatte zwar 
eine Menge Geld bekommen, es aber immer zu wohltätigen Zwecken und 

6 * 


) 


( 

I 




68 DIsknsaioB za dem Yortrage: VorUaflger Entwarf des BdehsgeseUez, 


zaderen Saehen rerwandt; jedenfalls erkannte der Bichter den Begriff gewerbe* 
mlfflg nicht an. 

Ich habe dabei noch eine ganz andere Art von Earpfaechem im Sinne, 
die speziell in Hinterpommern ihr Wesen treiben, das sind die Hebammen- 

S fnscherinnen. Da sitzt aof dem Lande eine alte kloge Frao, die statt 
er Hebamme za Entbindongen zagezogen wird. Sie beschränkt sich nicht 
blofi darauf, den Leib mit Qinsefett oder Schweinefett einzareiben, sondern 
macht aach Manipalationen an den Geschlechtsteilen und untersacht. Es ist 
dann kein Wander, wenn spater die Entbandene an Eindbettfieber erkrankt. 
Auch solchen Frauen gegenüber ist es sehr schwer, die Gewerbsmißigkeit 
Bachzawelsen. Nach dem Gesetzentwurf werden diese Personen rollstindig 
straflos ansgehen. Im § 9 wird weiter gesagt: ,Diese Bestimmnng findet keine 
Anwendong, wenn die Behandlung wegen Gefahr im Verzage übernommen and 
nor so lange fortgeführt worden ist. bis Hilfe Ton einer staatlich anerkannten 
Person geleistet werden konnte.* Aber, m. H., das ist ebenfalls sehr schwer 
nachzaweisen I Man kann allerdings |egen diese Pfoscherinnen aof drderlei 
Weise Torgehen, zankchst auf Grand einer Ankla^ wegen fahrlässiger Tütong. 
Ich habe nun vor karzem einen solchen Fall zur Kenntnis bekommen, wo eine 
Eorpfoscherin die Ereißende behandelt hatte and diese gestorben war. Dem 
Gericht wurde Anzeige erstattet, and von diesem die gerichtliche Sektion der 
Leiche angeordnet; leider aber so spät, daß wegen Fäulnis die Todesorsache 
nicht festgestellt werden konnte. Die Frau gjng demzufolge straffrei aus. 
Sdbst wenn die Aerzte, wie in diesem Falle, ihr Gutachten dahin abgeben, 
daß durch Nichtanwendung von Earbol oder anderen Desinfektionsmitteln, dureh 
nnsaohgemäße Behandlung and unsachgemäßes Eingreifen der Tod herbeigeführt 
sei, wird sich leider immer ein ärztlicher Sachverständiger finden, der die 
fikkrankung auf Selbstinfektion zurückführt und dadurch eine Freir^rechong 
der betreffenden Pfascherin herbeiführt. Also damit ist nicht viel anzofangen. 

Zweitens kann die Pfascherin auf Grund des § 147,1 der Beichsgewerbe* 
ordnang bestraft werden, der die Ausübung eines selbständigen Betriebes oder 
eines ständigen Gewerbes ohne Eonzession oder ohne Genehmigung verbietet. 
Auch dn Muiisterialerlaß vom 20. Februar 1871 weist darauf hin, daß eine 
Person, die Hebammenpfuscherei treibt, auf Grund dieses Paragraphen zu be¬ 
strafen ist. Es ist aber in dem Erlaß ausdrücklich gesagt: ,gewerbsmäßig*. 
Die Frau kann nur bestraft werden — wir haben soldie Fälle gehabt — wenn 
sie Geld und Geldgeschenke bekommen hat, and das wird meistens Oe- 
heimnis bleiben. 

Ein dritter Weg endlich ist mittelst einer Polizeiverordnung möglich. 
Nach einem Erkenntnis des Eammergerichts vom 28. November 1903 ist nim- 
lioh eine Polizeiverordnung rechtsgültig, welche vorschreibi, daß solche Per¬ 
sonen sofort nach der Anknnft für Herbeiholung einer Hebamme oder eines 
Arztes Sorge tragen müssen und bis zu deren Ankunft sich jeglicher geburts¬ 
hilflichen Tätigkeit zu enthalten haben. Aber auch hiermit wird man nidit 
weit kommen; denn die Pfascherin wird immer sagen, es sei eine Notlage 
gewesen, und keine Zeit gewesen, zur Hebamme zu schicken. 

Also die ganze Ausübung der Eurpfuscherei, namentlich die Hebammen- 
pfuscherei, ohne Entgelt wird durch das Gesetz nicht getroffen. Ich mefaie 
deshalb, entweder müßte das Wort „gewerbsmäßig* genauer präzisiert oder 
dahin erweitert werden, daß auch die gewohnheitsmäßige Ausübung der Eur- 
pfosoherei, die über den Wohnort und den Sitz des Betreffenden hinaasgeht, 
zu bestrafen ist. Jedenfalls mOohte ich diesen Vorschlag zur Etwägong 
anheimgeben. 

Herr Ob.-Med.-Bat Dr. v« Gossmann-Stuttgart: H. H.I Darf ich znr 
formellen Geschäftsbehandlong beantragen, daß die dnzelnen Paragraphen nach 
der Beihe besprochen werden, di^ auo der Herr Vorsitzende die einzelnen 
Paragraphen aufruft und derjenige, der dazu etwas zu sagen wünscht, sieh 
meldet. Ich befürchte, daß sonst die Diskussion za sehr auseinanderlaaiea 
könnte. Ich hätte z. B. auch einige Anträge za stellen, die ich dann aber 
lieber bei den betreffenden Paragraphen, wenn sie znr Beeprechong stehen, 
stellen möchte, als jetzt bei der all^emeiaen Besprechong. Wenn diese Be¬ 
handlung jedoch nicht beliebt wird, dann würde kh mir das Wwt erbitten, 
um auch cdnige Punkte zu bespreeben. 



betr. die Auttbiuig der Heilkonde dorcli nicht approbierte Personen nsw. 69 


Vorsitzender: Ich habe zonächet nur die Generaldisknesion 
erbffaet; bei dieser kann jedoch anch anf Einzelheiten eingegangen 
werden, wie dies tatsächlich schon von den beiden Vorrednern 
geschehen ist. Es ist hier non ein Antrag eingegangen, bei 
dessen Annahme sich eine Spezialdisknssion überhaupt erübrigen 
würde. Der Antrag lautet: 

,Die Versarnndang erklärt sich mit den Abändemngs'Vor¬ 
schlägen des Herrn Referenten einverstanden und überlult dem 
Vorstand die Berücksichtigong der in der Diskussion sonst 
gemachten Vorschläge und zutage getretenen Gesichtspunkte.* 
Ich möchte diesen Antrag gleich mit zur Diskussion 
stellen und mit Rücksicht darauf Herrn Kollegen y. Gnssmann 
empfehlen, die von ihm beabsichtigten Vorschläge schon jetzt zu 
machen. 

Herr Ob.*Med.*Bat Dr. T* Goasmann-Stuttgart: M. H.I Zu dem § 8g, 
dem neuea Vorschläge wegen der Behandlung mittels mystischer ver¬ 
fahren, haben unsere Tier&rzte mit Recht darauf aufmer^am gemacht, daß 
uerade von den tierärztlichen Kurpfuschern diese mystischen Ver- 
»hren ungeheuer viel geObt werden, und daß dadurch das Publikum um eine 
Menge Gdd betrogen wird. Ich schlage deshalb vor, in Klammem eine De* 
fioition hinzuzusetzen, und zwar: „Benandiung durch Auflegen oder 
Bestreichen mit den H&nden, Besprechen nsw." Hier konnte dann 
anch, wie bereits von anderer Seite vorgeschlfgen ist, das ..Gesnndbeten* 
hineingefttgt werden. Dementsprechend wird auch von den Tierärzten verlang, 
und das Wttrttembergische Medizinalkolleginm hat diesem Verlangen Bedit 
gegeben, daß bei dieser mystischen Behandlung ausdrücklich anch Se Tiere 
hineinbezogen werden und nicht bloß die Menschen, wie dies bei der jetzigen 
Fassung der Fali ist. Es solite demnach ausdrücklich gesagt werden, daß auch 
das mystische Verfahren bei Tieren den Kurpfuschern verboten ist. 

Zn dem gleichen Paragraphen hätte ich ferner einen redaktionellen Vor¬ 
schlag zu machen. Ich bin selbstverständlich — ich glaube, ich brauche das 
nicht extra zu versichern — dafür, daß den Kurpfuschern ihr Handwerk mOg* 
lidist gelegt wird. Aber nachdem nun einmal das Knrpfnschereiverbot nicht 
beliebt worden ist, und meines Erachtens mit Becht, wird man nicht zu weit 
gehen dürfen in der Frage, welche Krankheiten den Kurpfuschern zur Behänd* 
lung verboten sein sollen, und so mOchte ich den Antrag stellen oder bitten, 
es bei dem Passus 3 b, wo es heißt, die Behandlung von Tripper, Schanker 
und Syphilis, zu belassen, also die Worte, die der Herr Referent zugefügt 
wissen will „und deren Folgezuständen“ und ebenso die Behandlung von Frauen¬ 
krankheiten wegznlassen. (Widersprach.) Beides, die Folgezustände der 
Syphilis und die Frauenkmnkheiten, sind zu unbestimmte Begriffe und würden 
in der Rechtsbehandlnng solcher KurpfnscherfäUe eine große Verwirrung an* 
richten. Ich würde es entschieden für besser halten, wenn man es einfach bei 
der Ziffer 8 b belassen würde. 

Endlich habe ich noch zu § 5, Absatz 1 einen Antrag zu stellen oder 
eine Anregung zu geben. Hier werden die Mittel und Gegenstände besprochen, 
die zur Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten usw. dienen 
soUen. Da möchte ich eingefttgt wissen „oder welche den Körper zu 
besonderen Leistungen befähigen sollen“. Auch diese Einfügung, 
die wir im Medizinalkolleginm beschlossen und beantragt haben, verdankt ihren 
Ursprung den Tierärzten. Die Tierärzte erklären, und gewiß mit Recht, daß 
gerade solche Mittel, die zur Kräftigung und zur Hebung der Verdauung des 
Viehs vertrieben werden, in einer ganz ungeheuren Masse in das Publikum 
kommen und dieses in der schamlosesten Weise ausbenten. Sie sagen mit 
Becht, diese Viebpulver, Milchpulver, Mastpulver usw. werden massenhaft ver¬ 
trieben, sie sind absolut wertlos und also Ausbeutungsmittel erster Größe. Es 
wäre also höchst erwünscht, wenn diese Mittel mit einbegriffen werden könnten. 
Sie werden aber nach der jetzigen Fassung durch den Paragraphen nicht ge* 



70 Dükamion za dem Vorträge: Vorliofiger Entwarf des Eeiebsgesetzes, 


troffen, zomsl es in der Begrfindnng dazu beißt, daß die ErSfUgongsmittel 
aasgescblossen sein sollen. leb scblage desbdb vor, daß im § 5, Abs. 1 dn> 
nefttgt wird: Mittel nsw., „oder welche den EOrper zn besonderen Leisinngea 
bef&higen sollen". 


Herr Kreisarzt Dr. Hoehe-Potsdam: M. H., nor zwei Punkte, auf die ick 
aufmerksam maehen wollte; ich mOchte dabei anknttpfen an das, was Herr 
EoUege Pflanz gesagt hat Uber die Krankheiten, die mit Exanthemen ein- 
hergehen. Was fttr diese gilt, maß m. E. auch ffir alle fieberhaften Er* 
kranknngen gelten, die mit entzttndlichen Brscheinnngen im Bachen 
einhergenen. Ich sab nealich bei einem gewerbsmäßigen Earpfnscher eine 
Krankenliste von täglich bis ca. 80 Patienten. Auf jeder Seite standen so 
und so viele Fälle von Halsentzttndang. Wie viele Fälle von Masern, Schar* 
lach and Diphtherie darnnter sind, war nicht festzostellen; gemeldet bat der 
Betreffende noch niemals einen Fall von InfektionskrankWten. Bs müßten 
auch diese verdächtigen Halsentzündnngen der Behandlung durch den Kur* 
pfuscher entzogen werden. 

Ebenso müßte bei den übrigen Krankheiten, die unter die Senchengesetze 
fallen, anch schon der Verdacht die Behandlung des Kurpfnschers aus* 
schließen, speziell gilt dies vom Typhus. Wissen wir doch alle, daß sehr viele 
praktischen Aerzte nie eine prompte Typhnsdiagnose stellen, sondern immer 
nur die Möglichkeit, den Verdacht auf l^hus zageben, der nicht anz^e- 
pfliebtig ist. Die Karpfaseber werden erst recht nie das Vorhandensein dieser 
Erkrankangen zageben. Also müßte bezüglich derselben auch schon der Ver* 
dacht die Behandlang darch einen Karpfaseber aasschließen. 

Vorsitzender: Wünscht sonst noch jemand das Wort? — 
Dann schließe ich die allgemeine Besprechung und gebe, ehe wir 
in die spezille Diskassion eintreten, dem Herrn Referenten das 
Schlußwort. 


Beg.* u. Med.*Bat Dr. Dfltsehke*Erfurt (Schlußwort): Wenngleich mir 
Idder ein großer Teil der Ausführungen des Herrn Obermemzinalrat v. Ouss* 
mann entgangen ist, weil ich während seines Vortrages einen sehr ungünstigen 
Platz im Saale hatte und ihn nicht verstehen konnte, so glaube ich ihm doch 
so weit richtig gefolgt za sein, daß er eine genaaere Definition des Begriib 
der mystischen Verfahren wünschte, eine Forderang, der ich nur zostimmea 
kann. Ebenso bin ich Herrn Kollegen Pflanz ffir seine weiteren Anregungen 
dankbar, im besonderen halte ich den von ihm angedeateten Zusatz Absatz 3, 
§ 7, Ankündigang in „zahnärztlichen Zeitschriften" für beachtenswert. Dahin* 
gegen möchte ich davor warnen, hinsichtlich des Verbotes der Kurpfoscher* 
behandlang solcher Krankheiten, welche unter das Senchengesetz fallen, zu 
sehr in die Einzelheiten hineinzasteigen; denn ich habe selbst die Erfahrong 
bei Ausarbeitung der Abänderungsvorschläge gemacht, als ich die einzelnen 
Krankheiten unter ihren Krankheitserscheinungen zosammenzastellea 
versuchte, um eine möglichst wirksame Handhabe gegen die Kurpfuscher zu 
haben, daß ein solches Verzeichnis zu weitgehend wird und sich der Sachver* 
ständige selbst dann nur schwer zurecht findet; ich habe deshalb ganz davon 
Abstand genommen. Wenn wir in das Verbot, wie es vorbin angeregt wurd^ 
z. B. „fieberhafte Halsentzündungen mit Belag" aufnehmen, so müssen wir 
ebenso die verschiedenen Haatausschläge mit Fieber und anderes mehr unter 
Verbot der Behandlang stellen, und das erschwert die Handhabung des Ge* 
setzes, weshalb ich bitte, es in dieser Berdehung bei meinen Vorschlägen zu 
belassen. 

Dahingegen würde ich es dankbar begrüßen, wenn die Versammlung die 
von dem Herrn Vorsitzenden vorgetragene Besolntion annähme und dem Vor* 
Stande die weiteren Anregungen und Gesichtspunkte, die in der Aussprache 
zutage getreten sind, zur Berücksichtigung überließe. 

Vorsitzender: M. H.I Wir haben ans jetzt über den mit¬ 
geteilten Antrag schlüssig za machen, darch dessen Annahme, wie 
ich bereits hervorgehoben habe, eine Spezialdiskassion fortfallen 
würde. Durch die Annahme des Antrages würden Sie dem Vor* 



betr. Aasttbang der Heilkande darch nicht approbierte Peraonea nsw. 71 

Stande gleichsam eine Vollmacht fftr die weitere Behandlung der 
Angelegenheit geben, namentlich mit Rücksicht darauf, welche von 
den in der Diskussion gemachten Vorschlägen den maßgebenden 
Körperschaften znr Erwägung und weiteren Veranlassung mitzn* 
teilen sind. Ich mochte hierzu gleich bemerken, daß m. E. die meisten 
Vorschläge, die vom Herrn Ober-Med.-Rat Dr. v. Gnssmann, 
sowie von dem Herrn Kollegen Dr. Pflanz gemacht sind, Be¬ 
achtung verdienen, desgleichen die Forderung des HeiTn Kollegen 
Räuber betreffs schärferer Präzisierung des Wortes „gewerbs- 
mässig'^. Dagegen glaube ich nicht, dass der Vorschlag des Herrn 
Kollegen Dr. v. Onssmann, den vom Referenten gemachten 
Zusatz zu § 3 b zu streichen, die Zustimmung der Versammlung 
finden würde. 

Ich frage nnn, ob von anderer Seite noch ein anderer Antrag 
gestellt wird, oder ob noch jemand das Wort zu dem Antrag er¬ 
greifen will. 

Es ist dies nicht der Fall. Dann bringe ich den Antrag 
znr Abstimmung, nnd bitte diejenigen Herren, ^e für den Antrag 
sind, sich von ihren Plätzen zu erheben. 

(Es bleibt niemand sitien; der Antrag ist einstimmig angenommen.) 

Es liegt mir nun noch die Pflicht ob, dem Herrn Referenten 
für seine ausserordentlich interessanten, sacbgemässen Aus¬ 
führungen den herzlichsten Dank der Versammlung ansznsprechen. 
Der reiche Beifall, den seine Ausführungen hervorgemfen haben, 
ist der beste Beweis für das grosse Interesse, das sie in der 
Versammlung gefunden haben. 

M. H.! Es sind inzwischen eine große Anzahl Telegramme 
sowohl von Medizinalbeamtenvereinen, als von Vereinsmitgliedem 
eingegangen, in denen dem Verein zu seinem heutigen Jubiläum 
die herzlichsten Glückwünsche gesandt werden und der Wunsch 
für einen schönen Verlauf unserer Festversammlnng wie für 
das fernere Gedeihen des Vereins ausgesprochen wird. Ich 
will Sie nicht länger durch das Verlesen aller dieser Glück¬ 
wünsche anfhalten, gestatten Sie mir nur zwei davon zu ver¬ 
lesen, das eine von Herrn Prof. Dr. Haberda in Wien, das 
folgendermassen lautet: 

„Aas Anlaß der Jabelfeier beglückwünsche ich den Preußischen Medi* 
ziaalbeamtenvcrein, seinen Vorstand und alle Mitglieder aufs herzlichste 
zu seinen Erfolgen auf dem Gebiete der Wissenschaft und der Förderung 
der Standesinteressen der Medizinalbeamten, nnd drücke die Hoffnung ans, 
daß der Verein auch in Zukunft blühe, gedeihe und von gleich segens¬ 
reichem Einfluß sein möge wie bisher.“ 

(Braro I) 

Das andere Telegramm stammt von unserem Kollegen Prof. 
Dr. Ziemke in Kiel, der uns seinen Glückwunsch in Versen ge¬ 
sendet hat, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte: 

,Der Medizinalbeamtenverein 
Möge blühen, wachsen und gedeihn: 

Bapmnnd, der ihn stets forsch regiert, 

Heut auch ein donnernd Hoch gebührt! 



72 


Schloß der SlUong des ersten Tages. 


Der dieses mit, sitst festgebaant 
Beim Sohwnrgerioht am (^tseestraad. 

Daher per Draht der Wflnsche viel 
Und allseits grftßead Ziemke«Kielt* 

(Bravo 1) 

M. H. I Sie werden eich wohl damit emyeretanden erklftren, 
daß ich allen, die nneeree Vereins hente so frenndlich g^edacht 
haben, in Ihrem Namen den herzlichsten Dank ansspreche. 

(Allseitige Znstimmang.) 

Ich schliesse die heutige Sitzung. 

Schluss: 3*/« Uhr. 

Nachmittags 6 Uhr htnd im Hotel «Prinz Albrecht* das 
Festessen statt, das jedenfalls den Höhepunkt der Jnbil&iimsfeier 
bildete. Nicht weniger als 240 Teilnehmer hatten sich in den 
Festsftlen des Prinz Albrecht-Hotels eingefhnden; von allem 
Anfang an und bis znm Schluß herrschte eine so g^obene Stim¬ 
mung, wie sicherlich noch bei keinem derartigen Festessen des 
Vereins. Sein Verlauf war demzufolge ein wahrhaft glftnzender. 
Außer Se. Exzellenz dem Herrn Kultusminister Dr. Holle, hatte 
der Verein die Ehre, Herrn ünterstaatssekretär Exzellenz Wever 
und Herrn Ministerialdirektor Förster, sämtliche Vortragenden 
medizinisch-technischen Räte der Medizinal-Abteilung sowie fast 
alle vorhergenannten Vertreter der Bundesregierungen und Medi¬ 
zinalbeamtenvereine auch hier in seiner Mitte begrüßen zu können. 

Daß es außer dem Toast auf Se. Majestät den Kaiser und 
König, der von Se. Exzellenz dem Herrn Kultusminister ansge¬ 
bracht wurde, nicht an manchen Festreden gefehlt hat, brandit 
wohl nicht erst versichert zu werden; die verschiedenen Hochs 
— auf die Qäste, insbesondere auf Se. Exzellenz den Herrn 
Kultusminister (Vorsitzender), auf den Prenssischen Medizinal¬ 
beamten-Verein (Med.-Bat Dr. Köstlin-Stuttgart) und später 
nochmals der Senior der Anwesenden (Geh. San.-Bat Dr. Wallichs- 
Altona), auf den Vorsitzenden (Geh. Med.-Bat Dr. Fielitz), auf 
die übrigen Vorstandsmitglieder und die Stifter (Vorsitzender), 
auf die Damen (Med.-Bat Dr. Leppmann) — fanden alle be¬ 
geisterten Wiederhall. Nicht minder grossen Beifall fand eine 
von dem Kollegen Gerichtsarzt Dr. Marx-Berlin verfasste 
humoristische „Neue Zeitschrift für Medizinalbeamte: M. Z. am 
Abend* mit einer lyrischen Beilage, deren Austeilung mit einem 
Prolog erfolgte, gesprochen von der lüs Zeitnngsfräulein ans 
Minden sich einführenden Tochter eines Berliner Kollegen. Die 
Festnnmmer enthält übrigens ein wohlgelnngenes Gruppenbild 
von sämtlichen Vorstandsmitgliedern. Nach dem Festessen liess 
sich Se. Exzellenz der Herr Kultusminister die Vertreter aus den 
einzelnen Bundesstaaten durch den Vorsitzenden vorstellen und 
unterhielt sich mit jedem einzelnen in der liebenswürdigsten Weise. 

Der Schluß des Tages bildete ein frohbewegtes Zusammen¬ 
sein im Restaurant «Weihenstephan* (Friedrichsstr. 176/177). 



Zweiter Sitznngstag. 


Mittvooh, den 80. September, Tormittags 9V> Ubr 

Im Preusslsohen Abgeordnetenhaus«. 


Vorsitzender: M. H.I Ehe wir in die heutige Tagesord¬ 
nung treten, gestatten Sie mir, Herrn Landgerichtsrat Peltasohn- 
Berlin zu begrttssen, und ihm unseren verbindlichsten Dank nicht 
blos dafür anszusprechen, dass er heute unserer Einladung Folge 
gdeistet hat, sondern auch dafür, dass er die Interessen der 
Medizinalbeamten im Abgeordnetenhause wiederholt in warmer 
Weise wahrgenommen hat. 

I. Oer gegeiwärtige Stiad lad Viert der 
Krimiaalaitkropolosie. 

Herr Geriditsarzt und Privatdozent Dr. Straneh-Berlin: 
Der Vortragende schildert, wie zur Zeit der Gründung des Me^- 
zinalbeamten-Vereins von Italien aus die Lehren Lombrosos 
ihren Weg in die Kulturstaaten nahmen und die wissenschaftliche 
Welt damals in stärkstem Maße bewegten. 

Es lohnt sich nach einem so laugen Zeitabschnitt zu prüfen, 
wie denn gegenwärtig der Stand jener Lehre sei, welcher Wert 
in wissenschaftlicher oder praktischer Weise ihr beizumessen sei. 

Redner gab zunächst einen knappen Ueberblick über den 
Inhalt jener Lehre vom „geborenen Verbrecher** und berichtete 
über die große Anzahl von kritischen Forschungen und Nach¬ 
prüfungen. 

Aus der reichen Fülle der von Lombroso und seiner Schule 
als charakteristisch für den Verbrecher angesprochenen Merkmale 
demonstrierte der Vortragende die interessantesten und bedeut¬ 
samsten an einer großen Anzahl anatomisch-anthropologischer 
Objekte, vornehmlich an sehr wertvollem Schädel- und Knochen¬ 
material, an Ohrmuscheln, Händen und Füßen. 



74 Dr. Strauch: Der gegeuwärtlge Stand und Wert der Eriminalanthropologie. 


Die Präparate and Schädel stammten her von Terbreehe- 
rischen Earopäern, von primitiven YOlkem nnd zam Teil von 
Tieren, besonders anthropoiden Affen. 

Aaßerdem warden die angeblichen Verbrechermerkmale an 
einer Reihe von Wandtafeln veranschaalicht. 

Es war aaf diese Weise den Zuhörern Gelegenheit geboten, 
sich noch einmal persönlich ein Urteil ttber die Dignität der ein¬ 
zelnen Lombrososchen Stigmata zu bilden, zumal da zugleich 
berichtet wurde, wie einwandfreie Forscher nnd berühmte Anthro¬ 
pologen, besonders Rudolf Vir chow, die einzelnen Befunde ge¬ 
deutet haben. 

Nach Ansicht des Vortragenden hat sich zwar die Lehre so, 
wie sie Lombroso damals verkündete, als unhaltbar erwiesen 
und ist jetzt als widerlegt anzusehen. 

Aber trotzdem ist das Lebenswerk Lombrosos ein gro߬ 
artiges und sehr bedeutendes, denn erst durch ihn hat man ge¬ 
lernt, die körperliche und seelische Eigenart der Verbrecher zu 
studieren, auch ihnen gegenüber zu individualisieren, in dem Ver¬ 
brecher nicht allein diesen, sondern vor allem auch den Menschen 
anzusehen. 

Darch jenes genaue Studium der von Lombroso angegebenen 
Verbrechermerkmale ist tatsächlich erst der Grund zu der über¬ 
aus wichtigen Lehre von der körperlichen nnd geistigen Minder¬ 
wertigkeit einzelner Menschen gelegt und die Forschung in der 
Richtung angebahnt worden. 

Hierin sieht der Vortragende das Hauptwerk und das dauernde 
Verdienst Lombrosos. 

Die längeren Ausführungen wurden schließlich in folgende 
Leitsätze zusammengefaßt: 

1 Am verbrecherischen Menschen — im Sinne der Eriminal¬ 
anthropologie — beobachtet man die von Lombroso angegebenen 
Befunde tatsächlich sehr häufig. 

2. Es gibt trotzdem keinen für den Verbrecher charakte¬ 
ristischen Typus (Tipo criminale), wie ihn Lombroso annahm. 

3. Die Befunde am Verbrecher beruhen teils auf pathologi¬ 
schen, auch bei nicht verbrecherischen Menschen vorkommenden 
Störungen, teils auf angeborenen Merkmalen (tatsächlich bisweilen 
atavistischen). 

In ihrer Gesamtheit beweisen sie aber jedenfalls einen all¬ 
gemein minderwertigen Organismus des Individuums. 

4. Lombrosos großes Verdienst ist es somit, durch den 
Nachweis, daß unter Rechtsbrechern sich vielfach solche gininder- 
wertigen'^ ludividuen finden, als Erster die Aufmerksamkeit auf 
„Minderwertigkeit*' einzelner Menschen hingelenkt nnd ein ernstes 
Studium dieses Zustandes angebahnt zu haben. 

5. Körperliche Minderwertigkeit ist oft mit geistiger Minder¬ 
wertigkeit vergesellschaftet und bedingt zuweilen sogar eine solche. 

6. Die Diagnose geistiger Minderwertigkeit soll sich aber 
nicht allein auf die körperlichen Befunde anfbauen, hierzu gehört 
vielmehr eine genaue, eingehende seelenärztliche Untersuchung 
und Prüfung im einzelnen Falle. 



Dr. Lochte: Psychologie der Aassage. 


75 


7. Die körperlich and gfeietig minderwertigen Individuen 
unterliegen infolge mangelhafter Widerstandsfähigkeit besonders 
leicht dem Anreiz zum Verbrechen, und ist gerade bei ihnen das 
soziologische Moment (v. Liszt) ein ganz wesentlicher und be> 
dentsamer Faktor. 

8. Besserang der sozialen Lage und die modernen Be- 
strebnngen der Rassenhygiene könnten die Entstehung minder¬ 
wertiger Individnen besc^änken und damit die Zahl der Ver¬ 
brecher vermindern. 

(Lebhafter Beifall.) 

Vorsitzender: Ich eröffne die Diskussion: 

H. Qeh. Med.-Bat Prot Dr. Strassmann-Berlin: Die Fragea, die Herr 
Kollege Strauch hier angeschnitten and in eingehender Weise erOrtert hat, 
sind so ninfangreich, daß es sich vielleicht empfiehlt, wenn wir von einer 
Diskussion darüber heate absehen (Zostimmung). Das ganze Gebiet der Hin* 
derwertigkeit würde allein eine so ausgedehnte Diskussion erfordern, wenn es 
nur einigermaßen erschöpfend hier behandelt werden soll, daß uns die Zeit dazu 
fehlen würde. Ich glaube deshalb, es ist am zweckmäßigsten, wir nehmen 
diese interessante Darstellung und die außerordentlich lehrreiche Demonstra* 
tioa hier nur zur Kenntnis. 

VorsitzoDder: Sind die Herren damit einveretandenP 
(Allseitige Zustimmung.) 

Dann bleibt mir nur noch übrig, dem Herrn Kollegen 
Strauch unseren verbindlichsten Dank für seinen hochinteressanten 
Vortrag und die damit verbundenen nicht minder interessanten 
Demonstrationen ansznsprechen. 


II. Psychslojie der Asssase. 

H. Prof. Dr. med. Lochte, Kreisarzt in Göttingen: M. H.! 
Wir wenden nns mit dem 2. Vortrage einem speziellen Zweige 
der Kriminalanthropologie zu, nämlich der Anssagepsychologie. 
Das Thema hatte ich gehofft auf dem internationalen Kongreß in 
Budapest im nächsten Jahre behandeln zu dürfen; nachdem mir 
aber jetzt durch den Vorstand des Preußischen Medizinalbeamten- 
Vereins die Möglichkeit zur Anssprache an dieser Stelle gegeben 
war, habe ich die Gelegenheit mit Freuden ergriffen; denn es 
handelt sich um ein außerordentlich interessantes nnd wichtiges 
Gebiet, nicht nnr in theoretischer, sondern auch in praktischer 
Beziehung. 

Die Anssagepsychologie stellt die Fordemng, in ihren Konse¬ 
quenzen von richterlicher Seite anerkannt zn werden. Vor wenigen 
Tagen sind die Reformvorschläge zum Strafprozeß erschienen. So 
ist denn der Zeitpunkt ein außerordentlich günstiger, in die Er- 
örternng über dieses Thema einzntreten. Um so mehr glaubte 
ich, die Psychologie der Aassage hier behandeln zn sollen, als ein 
Medizinalbeamter überhaupt das Wort dazu noch nicht ergriffen 
hat. Die Arbeit, die bisher geleistet ist, mhte ansscbließlich in 



76 


Df. Lochte. 


den Hftnden der Peyehologen, der Psychiater und Jorieten, nnd 
doch mflssen wir alle, die wir häufig pro foro als Gutachter tAtig 
sind, das allergrößte Interesse an dem Gegenstände nehmen. 

Zwei PniJcte will ich bei der Betrachtung yon vomherein 
ausscheiden: einmal die Aussage der Kinder und ferner die be> 
wußte Lttge. 

Mit dieser Beschränkung wollen wir zunächst an die 
Psychophysiologie nnd dann an die Psychopathologie der 
Aussage herangehen. Wenn wir die Fehler der Aussage kennen, 
wird es sich dann fragen, wie wir denselben am besten steuern 
können. 

Sie werden alle von dem bekannten v. Lißtschen Versuch 
gehört haben, mit dem wir gleich mitten in unser Thema hinein* 
kommen. Im kriminalistischen Seminar in Berlin wurde im Winter 
1901/02 folgender Versuch gemacht: 

Geheimrat t. Li6t fra^ nach einer Debatte Aber das Referat Aber 
Ta'rdea Buch, ob jemand nodi etwas zur Sache in bemerken bitte; es er¬ 
hebt sich ein Herr und inßert: ich mOcbte Tardes Lehre noch kurz rom 
Standpunkt der christlichen Moralphilosophie aus betrachten. Ein anderer 
Herr fällt ein: nDas fehlte gerade noch“. Daran knApft sich ein Wortwechsel, 
in dessen Verlauf einer der Herren einen Bevolrer zieht, dessen MAndung er 
anf die Stirn des Geners richtet ▼. Lißt schlägt auf den erhobenen Atbl 
D ieser senkt sich und als er sich in der Hohe der Herzgegend des K. beAndet, 
knackt der Hahn. Außer den Handelnden wußte Niemand etwas davon, daß 
es sich um einen psychologischen Versuch handelte, der ledig^ch dazu dienen 
sollte, die Wahrnehmungen nnd Aussagen der anwesenden Zeugen zu unter¬ 
suchen. 

Solche Versuche sind auch von anderer Seite ansgeffihrt 
worden; ich erwähne speziell denjenigen von Gramer nnd 
Weber: 

Mitten in der Diskussion Aber dnem wissenschaftlichen Vortrag im 
forensisch-psycholo^chen Verein in QOttingen erschallt vor der TAr des Saales 
Lärm nnd Wortwechsel, zwei Personen in auffallendem EostAm, der eine als 
Klown, der andere als Neger verkleidet, springen in den Saal, sie kommen 
miteinander ins Handgemenge, beide stürzen zu Boden, der eine ruft: «Jetzt 
habe ich deinen Fez, brauner Schuft,“ der andere: «Ich schieße dich tot ver¬ 
fluchter Schweinehund,“ dann springen sie beide anf und verschwinden durch 
eine andere Tür. Der Vorgang dauerte 16—20 Sekunden. Er sollte V* Stunde 
später beschrieben werden. 

Die Wiedergabe des Vorganges, welche der Wahrheit am nächsten 
kam, enthielt noch 16 **/o Auslassungen nnd 4**/o Fidschangaben; von der 
Mehrzahl der Beobachter wurde ungefähr die Hälfte der sich abspielendeu 
Vorgänge Abersehen oder falsch angegeben. Einer der anwesenden Herrn 
äußerte ungefähr: «Ich war Aber die StOmng so empOrt daß ich Aberhaupt 
nichts aussagen kann.“ 

Was besonders an diesem zweiten Versuch interessiert, das 
war die Aufgabe fftr einen unbeteiligten Herrn, ans der Gesamt¬ 
heit der Fragebogen mit ihren Antworten eine Schilderung des 
Vorgangs zu geben. Er sollte also etwa wie ein Untersuchungs¬ 
richter unparteiisch die Zengenaussagen prfifen nnd würdigen. 
Es gelang diesem völlig unbeteiligten Herrn, den Vorgang wenig¬ 
stens in seinen gröberen Zügen richtig zu rekonstruieren und 
auch ein ziemlich richtiges Bild von dem Aussehen der beiden 
Akteure zu erhalten. 

Da es sich in diesen Versuchen um komplizierte bewegte 



Psychologie dmr Aussage. 77 

Szenen handelte, ist man dann dazu ttbergegangen, einfache Bild- 
yersnche anznstellen. 

Man ließ z. B. ca. 1 Minitte lang ein Bild anschanen, das eine Bauern* 
stabe darstellte. In der Mitte befand sieh ein Tisch, an dem der Bauer and 
ein Kind saß. die Banersfrau steht seitw&rts mit einer Schüssel in den Händen 
und scheint dieselbe oben aal den Tisch setzen za wollen. Ein Hand, eine 
Wiege mit einem Kinde, ein Bett, Bilder etc. yerToUständigen das Inyentar 
des Emmers. Oder man ließ das Bild eines angelnden Staben, oder eines 
mit Garben beladenen Wagens and dessen ländli<mer Umgebung ansehen und 
stdlte dann yerschiedene Fragen. Wieyiel Personen sind auf dem Bilde, wie 
sind sie geUeidet osw. Oder man stellte Saggestiyfragen, z. B. bezüglich 
des ersten Bildes: Ist nicht ein Schrank aal dem Bildef Steht nicht eine 
Vase auf dem Schranke oder Gläser? osw. 

Uebereinstimmend ergab sich, daß die in den selbstgelertigten Berichten 
geschilderten Situationen richtigere waren, als die za Protokoll ebes Ver* 
nehmenden gegebenen. 

Der Fehlerprozentsatz in den selbstgelertigten Berichten bewegte sich 
zwischen 6 and 10**/<>> der der Vorhüro swürnhen 90 und SO**/». 

Dieser Erfahmng entspricht auch in gewissem Sinne die 
Vorschrift der §§68 Str.*Pr.*0. und 896 Z.’Pr.*0., in denen es 
heißt: 

aDor Zeuge ist za yeranlassen, dasjenige, was ihm yon dem Gegenstände 
der Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben. Zar Auf* 
klärang oder veryoUständigug der Aassage, some zur Erforschung des 
Grundes, auf welchem die Wissenschaft des Zeugen beruht, sind nüügenlalls 
weitere Fragen zu stellen.* 

Das Gesetz geht also davon ans, daß, wenn der Zeuge den 
Vorgang ans sich heraus und ohne Zwischenfragen des Ver¬ 
nehmenden selbst schildert, der Vorgang richtiger dargestellt 
wird, als wenn der Zeuge immer nur auf bestimmte Fragen des 
Vernehmenden bestimmte Antworten gibt. 

Durch die Fragestellung entsteht sehr leicht eine Sng- 
geriernng des zu Vernehmenden. 

Woran liegt es nun, daß die Aussagen z. T. so fehlerhalte 
sind? Wir müssen suchen, uns die einzelnen fiüschenden Momente 
zu vergegenwärtigen. Wenn wir sie kennen, wird es sich dann 
fragen, ob wir sie ausschalten kßnnen. 

Zunächst kommt die Art und Weise in Betracht, wie 
der Vorgang sich abgespielt hat. 

Wenn der Vorgang sich mit großer Geschwindigkeit abge¬ 
spielt hat, ist es selbstverständlich für den Beobachter nicht 
möglich, jede einzelne Phase desselben scharf aufzufassen und 
nachher im DOtail zu beschreiben. Unser Auge sieht nur immer 
eiuen einzelnen Punkt scharf, alles übrige in Zerstrennngskreisen. 
Wir können also nicht gleichzeitig mehrere Gegenstände mit dem 
Auge fixieren; macht sich diese Schwierigkeit schon bei ruhenden 
Objekten geltend, so tritt sie noch deutlicher in die Erscheinung bei 
bewegten und vollends, wenn die Bewegungen sehr schnelle sind. 
Zahlreiche Taschenspielerkunststücke beruhen lediglich auf Ge¬ 
schwindigkeit, es ist nur beim Anschauen derselben unmöglich, 
die einzelnen Phasen der Handlung zu beschreiben. In ähnlicher 
Weise wird bei größerer Kompliziertheit des Vorganges die Be¬ 
obachtung und folgeweise die Wiedergabe erschwert. 



78 


Dr. Lochte. 


Von Bedentong ist ferner der Zeitraum, der seit der Beob¬ 
achtung verflossen ist; je weiter die letztere in der Vergangenheit 
zurflckliegt, um so schwerer ^d es uns im allgemeinen werden, 
genaue ^gaben zu machen, weil mit der Länge der Zeit die 
Erinnerung allmählich verblaßt. 

Ein zweiter fälschender Faktor liegt in der körperlichen 
und seelischen Artung des Beobachters. 

Wenn jemand schwerhörig oder taub ist, wenn jemand 
schwachsichtig oder farbenblind ist, so wird er nur mangelhafte 
Angaben Aber das Geschehene machen können. 

Nur wenigen, die mit normaler Sehkraft ausgestattet sind, 
ist es möglich, Personen, die sie einmal flüchtig sahen, in charak¬ 
teristischer Haltung, Kleidung, Gesichtsausdrnck hinterher treffend 
ans dem Gedächtnis aufznzeichnen. Von dem Maler Makart er¬ 
zählt man sich, daß er Blumen wahrheitsgetreu malen konnte, 
wenn er auch nur einen flüchtigen Blick auf das Urbild ge¬ 
worfen hatte. 

Mozarts Ohr konnte Vs Viertelten auf der Violine scharf 
unterscheiden. Ueber ein leises wahrgenommenes Geräusch wer¬ 
den wir von einem Musiker voraussichtlich eine bessere Auskunft 
erhalten, als von einem Kesselschmied, dessen Ohr durch den 
Lärm des Betriebes allmählich stumpf geworden ist 

Das fuhrt uns auf die Bedeutung des Berufes und weiter 
auf den Grad der allgemeinen Bildung. 

Der aufmerksame Beobachter vor Gericht weiß, wie Über¬ 
zeugend, klärend, Richtung gebend die Zeogenaussagen dann sind, 
wenn aus ihnen Bildung, d. h. üeberlegung, Sdbstkritik, Sach¬ 
kenntnis hervorlenchtet. 

Naturgemäß erfordern diese Eigenschaften auch eine gewisse 
Gewandtheit des Ausdruckes. 

Der Richter muß unter allen Umständen diesen Eigenschaften 
des Zeugen Rechnung tragen. 

Drittens bildet die Disposition der wahrnehmenden 
Person einen höchst beachtenswerten Faktor. 

In Betracht kommt der jeweilige Grad der körperlichen und 
geistigen ErmUdung, die Frage ferner, ob sie unter Einwirkung 
einer geringen Menge von Alkohol stand oder nicht. Es wUrde von 
großem Interesse sein, Wirklichkeitsversnche, wie die geschilderten, 
an Leuten vorzunehmen, die eine mehrstündige ermüdende Fu߬ 
wanderung oder ein schwieriges Examen hinter sich haben. 

Von wesentlicher Bedeutung ist die Aufmerksamkeit 
Es ist ein großer Unterschied, ob wir mit der Seknndenuhr in der 
Hand auf dem Sportplätze auf das Ergebnis eines Wettrminens 
warten, oder ob wir in völlige Weltvergessenheit versunken die 
Gegenwart vergessen. 

Von erheblichem Einfluß sind auch die Affekte. Nicht mit 
Unrecht sagt man von ihnen, daß sie den Menschen blind machen; 
das gilt nicht nur von Zorn und Wut, sondern auch von Haß und 
Liebe, von Jubel und tiefstem Schmerze. 



Psychologie der Aussage. 


79 


Im Archiv für Kriminalaothropologie von Hans O r o fi ist ein interessanter 
Fall mitgeteilt, in dem ein Mann sich abends nach einem heftigen Streit von 
seiner Fraa entfernt und das Wirtshaus aufsucht. Alsbald erfahrt er, dafi 
eine Frau sich in einem nahen Qew&sser ertränkt hat. Die Frau wird als 
Leiche ans Land gezogen. Der Mann macht Wiederbelebungsversuche, jammert 
lebhaft ttber den Tod seiner Frau, der er bei der herrschenden Dunkelheit 
mit der Lampe ins Gesicht leuchtet. Schließlich nimmt er den Trauring von 
der Hand der Leiche und die Wertsachen an sich. Als er nach Haus kommt, 
findet er seine Frau lebend vor. Unter dem Einfiuß des Affektes hatte er nicht 
bemerkt, dafi die aus dem Wasser gezogene Leiche gar nicht die seiner Frau 
gewesen war. 

Ftlhrt die Disposition des Beobachtenden schon an und für 
sich za einer Trftbang der Wahmehmnng) so wird vollends die 
Bichtigkeit der Darstellung zweifelhaft, wenn der Wahmehmende 
ans seinen Wahrnehmnngen Schlfisse zieht, ohne dies dem Ver- 
nehmenden kenntlich za machen. 

Was in der Hirnrinde sich von den Wahmehmongen fixiert, 
das ist eine bestimmte Beihe von Sinnenseindrttcken, solche 
des Anges, des Ohres, des Geruchs, des Geschmacks, 
des Geffihls. 

Alle diese Erinnerungsbilder klingen ffir gewöhnlich gleich¬ 
zeitig an, wenn wir dieselbe Bose, denselben Apfel, dieselbe Per¬ 
son wiedererkennen. Sie können aber auch sämtlich angeschlagen 
werden, wenn z. B. nur der Duft einer Bose das Zimmer durch- 
strömt, oder wenn wir aus der Ferne eine könstliche Blume sehen 
oder auch nur etwas ähnliches, ln solchen Fällen liegt es unge¬ 
mein nahe, daß der Zeuge eine an sich richtige, aber unvoll¬ 
ständige Beobachtung durch subjektive Zutaten und Schlüsse er¬ 
gänzt. Darauf beruht eine der Hauptschwierigkeiten in der 
Bekognition von Personen und Sachen. 

Diese Schwierigkeiten wachsen natürlich, wenn es sich um 
bewegte Vorgänge handelt. 

So ist darauf aufmerksam gemacht worden, wie verschieden sich nach 
den Berichten der Augenzeugen die Ermordung des rassischen Ministers 
Plehwe abspielte. 

Aehnliche Schwierigkeiten ergaben sich bei der Feststellnng da Einzel¬ 
heiten des Attentates Caserios auf den Präsidenten Oarnot. 

Personen, die das Attentat auf die unglückliche Kaiserin Elisabeth 
angesehen hatten, konnten die Einzelheiten der Tat hinterher nicht mehr genau 
schildern. 

Wie es mit den Wahrnehmungen durch das Auge geht, geht 
es auch mit denen des Gehörs. 

Wer, in seine Arbeit vertieft, eine gelegentliche Frage be¬ 
antwortet, wird hinterher sehr leicht behaupten, überhaupt nicht 
gefragt zu sein. Wer nur halb hinhört, wird die Frage mißver¬ 
stehen, und wer im Affekt ist, mehr aus der Antwort heranshören, 
als hineingelegt wurde. 

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch das Experiment von 
V. Lißt erwähnen, nm dazutun, wie schwer es ist, Gehörtes 
wiederzageben. v. Lißt berichtet folgendes: 

Ein praktischer Strafrechtsfall als Aussage des Angeklagten wurde 
vor einer ersten Gruppe von ZuhOrem vorgetragen, dann von einem ^eser 
Zuhürer vor einer zweiten Gruppe, weiter von einem Mkgllede dieser zweiten 



80 


Dr. Lochte. 


Qrnppe tot einer dritten and endlich ron einem Mitdiede dieser dritten Gmppe 
Tor einer vierten sofort weitererzihlt. Die 8. Wiedergabe ergab bereits eine 
vollständige Entstellang des Falles im ganzen wie in iülen seinen wesentlidien 
Einzelheiten and somit eine vernichtende «Kritik der Zeagen von Hären* 
sogen*. 

Wenn dieses Ergebnis bei wissenschaftlich gebildeten Leuten 
an einem joristisch klaren Falle mSglich ist, so braucht man eich 
ftber das, was Klatsch nnd Fama gelegentlich zn leisten Ter* 
mögen, nicht zn wandern. 

Viertens würden es StOningen der Erinnerung sei^ die 
za falschen Aussagen Anlaß geben. Vor allem ^ielt, wie wir 
oben bemerkten, &e Zeit die Bolle der Fälscherin. Eindrücke, 
die wenig hafteten, werden schließlich yergessen. Phantasie¬ 
gebilde ersetzen diesen Verlast. So kann es kommen, daß Wahr¬ 
heit and Phantasie schwer za onterscheiden sind, ja es könnmi 
Tollkommen neae Gebilde in der Erinnerang entstehen, die mit dem 
ursprünglich Wahrgenommenen wenig oder nichts gemein haben. 

Je eindracksToUer der Vorgang war, am so eher werden 
werden wir ihn in der Kegel im Gedächtnis behalten. 

Wir dürfen diesen Abschnitt nicht schließen, ohne daraaf 
hinzaweisen, daß Ton Mensch za Mensch gelegentlich ein kaum 
faßbarer psychischer Einfluss aasgeht, der Ton grosser Bedentong 
für die Aussage ist. Ich meine die Suggestion. Dieser Ein- 
flass fladet sich in allen Abstufungen Ton der interesselosen 
Gleichgültigkeit zam gewinnenden Zauber einer Persönlichkeit 
bis zur faszinierenden Gewalt, mit der sie uns beherrscht. Die 
Sicherheit des Auftretens, das Prägnante der Sprache, das 
Schlüssige des Urteils wirken mit zwingender Gewalt auf die 
Umgebung ein. Wo die Suggestion Fass gefasst hat, da stcJit 
auch die Aussage im Banne dieser Gewalt. Weiter gehörm 
hierher: Die Beeinflussung der Zeagen durch Mitteilungen der 
Presse, durch Polizeiberichte, durch VeröffenUichung Ton Porträts 
der Angeschuldigten, die Aussetzung Ton Prämien. 

Von jeher hat man dahin gestrebt, SuggestiTfragen tot Ge¬ 
richt zu Termeiden. Schon bei Uipianus findet sich eine daraaf 
zielende Stelle (vgl. Moll). Die gleiche Forderung Sterns ist 
daher durchaus berechtigt. 

Den grössten Einfluss übt die Suggestion auf die Massen 
aus. Ich brauche nur an das bekannte Buch «Die Völker¬ 
psychologie“ Ton Stell zn erinnern; ferner an die Arbeiten 
Ton Sighele, Weber, Gaupp etc. Weltnmwälzende Taten, 
die französische Revolution sind unter Mitwirkung der Suggestion 
der Masse geschehen. Auf religiösem Gebiete nenne i^ den 
FiageUantismus, die Einderkreuzzüge, die Hezenprozesse. Auf 
kriminellem Gebiete kann die religiöse Suggestion eine wesent¬ 
liche Bolle bei den sog. Ritaalmorden spielen, wie das der Xantener 
Knabenmord, der Prozeß Tisza Eßlar, der Polnaer Mord, der 
Konitzer zeigen. Ueberall spielte hier religiöser Fanatismos hin¬ 
ein. Unter diesen Einflüssen entstehen die objektiy falschen Aus¬ 
sagen. Die genannten Prozesse lehren, wie si(± in der Vorstellang 
der Zeagen der Vorgang immer plastischer ausgestaltet. 



Pdychologie der Aussage. 


81 


Soviel Aber diesen physiologischen Teil. 

Wir kommen damit zur Psychopathologie der Aus¬ 
sage. Die pathologisch veränderte Aussage ifihrt nns auf das 
Gebiet der Zeugnisfähigkeit der geistig abnormen Personen. 

Wir wollen hier scheiden zwischen denjenigen Aussagen, die 
durch körperliche Leiden beeinflußt sind, und denjenigen der 
Geisteskranken in engerem Sinne. Von den ersteren sind die 
Folgezustände der Kopfverletzungen am wichti^ten. Wenn 
ich diese Einteilung vornehme, so geschieht das allein aus prakti¬ 
schen Gründen. Ich bin mir natürlich sehr wohl bewußt, daß 
die Mehrzahl der hier erwähnten Fälle zur Domäne des Nerven¬ 
arztes gehören. Zunächst spielt die Amnesie eine wesentliche 
Bolle. Ich kann die Bedeutung derselben für die Beurteilung der 
Aussage nicht besser kennzeichnen, als durch Hinweis auf den 
1897 von Ziehen beschriebenen Fall: 

Ziehen hatte die Aufgabe, die Angaben eines Hannes, der eine schwere 
Kopfverletzung mit Zertrümmerung der Hirnsubstanz auf der linken Seite des 
Schädels erlitten hatte, auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen. In Frage kam: 
1. Liegt eine allgemeine Gedächtnisschwäche vor? Dieselbe konnte ausge¬ 
schlossen werden. 2. Liegen Erinnerungsdefekte auf dem Gebiete des GehOrs- 
und Gesichtssinnes vor? Auch diese kamen nicht in Frage. Die Unzuver¬ 
lässigkeit der Zahlenvorstellnngen — der Hann konnte sein Alter z. B. nicht 
richtig angeben, kleine Aufgaben nicht lOsen — mußte auf die Verletzung des 
Sprachzentrums zurttckgeftthrt werden. Vor allem mußte erOrtert werden: 
3. Sind die Angaben über den Hergang des räuberischen üeberfails durch die 
Phantasietätigkeit des Verletzten beeinflußt und 4. spielen Einflüsterungen 
anderer Personen im weitesten Sinne eine Bolle? Es konnte nacbgewiesen 
werden, daß der Elinflaß dieser beiden Quellen gleich Null zu setzen war und 
Ziehen kam zu dem Schluß, es ist sehr wahrscheinlich, daß der Vorgang Im 
Walde sich so abgespielt hat, wie H. jetzt aussagt 

Das ist eine Feststellung, wie sie bedeutungsvoller kaum 
gedacht werden kannn. Allerdings wird man nicht in allen 
Fällen za einem solchen klaren Urteil kommen können, wie der 
andere Falll desselben Autors zeigt :^) 

Es handelte sich um eine außerordentlich schwere Schädel- und Oehim- 
verletzung, im Schlafe erhalten bei einem mehrfachen nächtlichen Mord. 
Wenige Stunden danach war die Verletzte imstande zu antworten; es zeigte 
sich aber ein lang anhaltender Dämmerzustand, in dem sie durch ihre Angaben 
den Verdacht auf eine gänzlich unschuldige Person lenkte, welche längere 
Zeit in Untersuchungshaft zubringen mußte, zumal manche Angaben den ^t- 
sachen entsprachen, während andere sich als deutliche Erinnerungsfälschongen 
erwiesen. 

lu diesem Falle mußte angenommen werden, daß bestimmte 
Fragen suggestiv gewirkt hatten; Ziehen verlangt daher mit Recht 
für solche Fälle, daß die verletzten Personen in den ersten Tagen 
möglichst wenig den Fragen berufener und unberufener Personen 
ausgesetzt werden, und nicht nur die Antworten, sondern auch 
die Fragen schriftlich zu Protokoll gebracht werden. Ein gewiß 
sehr beherzigenswerter Bat. 

Nun, die retrograde Amnesie ist ja dem Gerichtsarzte 


*) Ziehen: Ueber die Zuverlässigkeit der Angaben der verletzten 
Person über die Vorgänge bei einer von ihr erlittenen schweren Schädelver- 
letzung. Korrespondenzblatt des allgem. ärztl. Vereins in Thüringen 190011; 
ref. in Hans Groß Archiv, 1902, 8. Baud, pag. 228. 


6 



82 


Dr. Lochte. 


nicht anbekannt. Weitere F&Ue der Art hat Adler (Viertel- 
jahresschriit f. gerichtl. Med. 1899) mitgeteilt. Wir beobachten 
sie nicht blos bei Eopfverletzangen, sondern z. B. anch bei Unter- 
brechnng des Bewoßtseins darch Erstickung, vor allem bei Er¬ 
hängten and Ertrunkenen. Brie hat in der ärztlichen Sachver¬ 
ständigen-Zeitong 1904 einen Fall mitgeteilt, wo ein Trinker, 
der die eigene Tochter verfährt hatte, nach einem Selbstmord¬ 
versuch durch Erhängen absolut keine Erinnerung an die straf¬ 
bare Handlang hatte. Er wurde trotzdem verurteilt, da er die 
Tat nicht in einem Zustande des § 51 Str.-U. B. begangen hatte. 

Später hat Siegwart*) über eine Schwangere berichtet, 
die sich erhängte und die bewußtlos auijgefanden und gerettet 
wurde; bei dieser bestand keine Amnesie. 

H. H. Ich will in die Amnesiefrage hier nicht näher ein- 
dringen, sondern nur soviel sagen, daß solche Fälle in der Be- 
urteUung der Glaubwürdigkeit der bestehenden Amnesie zur Vor¬ 
sicht mahnen. 

Neben dem Verlust der Erinnerung kommen dann bei den 
Kopfverletzungen die Störungen der Sprache in Betracht. 
Die Sprache ist die große Vermittlerin alles dessen, was uns 
innerlich bewegt und beschäftigt. Wo die Sprache gestOrt ist, 
müssen notgedrungen Bedenken entstehen, ob das Ifickenhait und 
schwerverständlich Vorgebrachte Glauben verdient In dem 
ersten Ziehenschen Falle bestand lediglich eine Störung im 
motorischen Apparat der Sprache. Die Angaben des Verletzten 
konnten daher als glaubwürdig gelten. 

Einen ähnlichen Fall erzählt Gramer: 

Ein 63 jähriger Mann wird morgens in seinem Blute schwimmend uf- 
gefonden mit motor. Aphasie und starker Neigung sum Perseverieren. Da 
auf die Frage, ob ihn sein Sohn Hermann geschlagen hätte, jedesmal die 
Perseveration unterbrochen wurde und mit Neigen des Hauptes eine Bejahung 
erfolgte, wurde — wie sich später ergab — mit vollem Becht ein Einfluß 
kranuaiter Momente nicht angenommen. 

Ich selbst habe zweimal in Zivilsachen Gutachten über die 
Geschäftsfähigkeit von Aphasischen erstattet. 

In dem einen Falle handelte es sich um einen Kranken mit motoiiscber 
Aphasie. Der 60jährige Herr hatte, als er von einem Wege nach Hanse 
kam, auf dem Treppen flur einen Schlaganfall erlitten. Das erste Zeichen des¬ 
selben war, daß er den Knopf der elektrischen Klingel an der Tflr nicht finden 
konnte; gleichseitig war das rechte Bein und der rechte Arm schwach ge¬ 
worden. Der rechte Mundwinkel hatte sich verzogen. Die Sprache, die an¬ 
fangs wesentlich gestOrt war, kehrte allmählich wieder, nur das Schreiben 
fiel dem Kranken schwer. In diesem Falle lag nach der eingetretenen Besserung 
kein Grund vor, den Kranken als verhandlnngsunfähig zu bezeichnen. 

In dem anderen Falle handelte es sich um ehre sensorische Aphasie. 
Der bisher stets gesunde 59jährige Mann hatte sich in einem Kellerraum, der 
durch einen Kochofen erwärmt wurde, zum Schlafen niedergelegt. Als der 
Ofen durchglüht schien, war die Klappe des Ofenrohres geschlossen worden. 
Abends um 9 Uhr erwachte der Mann, stand auf und zog s^ an; nun fiel der 
Umgebung die völlig unverständliche Sprache auf. Die sensoriaehe Aphasie 


0 Im Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten; 1907, Band 42, 
pag. 249. 



Psychidogie der Aassege. 88 

mit doppelseitiger homonymer Hemianopsie war Folge einer KohlendonetTer* 
giftong. 

In diese Grnppe vorwiegend somatischer Störungen gehören 
weiter die Fieberdelirien, die zur Wahnbildnng nnd somit 
znr Anssagegefftlschnng Anlaß geben kOnnen. Vom Fleck* 
fieber, von der Variola, besonders vom Typhus sind solche 
StOrnngen bekannt 

Carschmann erzählt yon einem typhnskranken jungen Schmiede* 
gesellen, der yon der Meinung nicht loslassen konnte, eine gtttige Dame habe 
Uim ylel Qeld geschenkt und dieses hinter einem Schranke im Saale für ihn 
aufgehoben. Noch als der Kranke längst das Bett yerlassen hatte, körperlich 
aufierordentlich gediehen war und geistig yOllig klar war, blieb er inbezng auf 
seine Wahnidee nur halb überzeugt. Er schämte sich, dayon zu sprechen, 
aber immer wieder in einem unbewachten Augenblick schielte er yeriangend 
nach der verheißungsvollen Schrankecke. 

y. Krafft Ebings) erwähnt einen Notarschreiber, der angeklagt war, 
seinem Herrn eine Summe yon 1700 fr. veruntreut zu haben. Er leugnete be¬ 
harrlich. Während der Untersuchung erkrankte er an Typhus. In seinem 
Delirium ruft er wiederholt: „Dieb — ich habe gestohlen — Bankbillette 1700 
— eine Qefängnis - Guillotine — entehrt — her mit dem Bichter — haltet den 
Dieb — ich bin ein Dieb — verhaftet mich." Wieder genesen hatte er keine 
Erinnerung für die Zeit seines Deliriums nnd bebarrte dabei, unschuldig zu sein. 
Der EUchter legte den Sachverständigen die Frage vor, ob im T^hnsdelir 
gemachte Aussagen yon gerichtlichem Belang sein konnten, was diese verneinten. 
Der Angeklagte wurde freigelassen. 

Die Ursachen dieser wahnhaften Aeoßernngen sind wohl 
nicht im Fieber, sondern in den im Blnte keimenden Bakterien¬ 
giften sn Sachen, von denen ans ja bekannt ist, daß sie eine 
das Nervensystem schädigende Wirkaag besitzen können. 

Von den Vergiftangen sind ans z. T. ähnliche Wirkungen 
bekannt. Ich erinnere an den Morphinismas, Eokainismns, an das 
Blei, das CO, vor allem an den Alkohol. In einem mir bekannt 
gewordenen Falle hatte ein Mann die Anzeige erstattet, daß ein 
Dieb über die Dächer mehrerer Häaser entflohen sei nnd sich in 
einem Schornstein verborgen halte. Man alamierte die Fener- 
wehr; das Sachen nach dem Diebe war aber vergeblich, denn 
der Anzeigende litt, wie sich alsbald heransstellte, an einem be¬ 
ginnenden Dcliriam tremens. 

Wir beflnden ans damit bereits mitten im Gebiet der Grenz- 
znstände. Za diesen rechnen wir bekanntlich die Epilepsie, 
den Alkoholismns, die Hysterie, die Degeneration, die 
tranmatische Degeneration, die Nenrasthenie nnd die 
Hirnsyphilis (Gramer). 

Die falschen Aassagen, darch die diese Personen gefährlich 
werden können, sind nicht so selten; jeder beschäftigte Ge¬ 
richtsarzt wird besonders bei Alkoholisten, Degenerativen and 
Epileptikern über eine größere Easaistik verfflgen. 

Speziell möchte ich den Fall eines Epileptikers ei’wähnen, 
der wegen Mißhandlung and dadurch bedingter Arbeitsonfähigkeit 

*) Dar Fall ist von Dr. Liebrecht und mir mitgeteilt in den Sitzungs¬ 
berichten der biologischen Abteilung der ärztlichen Vereins ln Hamburg am 
25. AprU 1905. 

*) Lehrbuch der gerichtlichen Psychopatologie; 1875, pag. 292. 

6 * 



84 


Dt. Lochte. 


eiaen Prozeß gegen einen Gefftngnisbeamten ffthrte. Er besehrieb 
mit Toller Dentlichkeity wie er vorgefBlirt worden sei; er sei 
einige Stufen znm Amtszimmer hinanigetttbrt worden, dann hätte 
er plötzlich einen heftigen Schlag gegen den Hinterkopf erhalten 
und sei bewußtlos hingestttrzt. Als er zu sich gekommen sei, 
hätte er in seiner Zelle gelegen und hätte zahlreiche blaue Flecke 
am Körper gehabt. Es war in diesem Falle zweifellos, daß der 
Kranke den Eintritt des epileptischen Anfalles mißdeutet hatte. 

Wenn wir dann zu den SeelenstOrnngen im engeren 
Sinne übergehen, so wollen wir uns nur kurz Tergegenwärtigen, 
daß sowohl vor, während, wie nach Ablauf einer ^lenstOrnng 
krankhaft beeinflaßte Aussagen verkommen, die dem ärztlichen 
Gutachter ebenso wie den Polizeiorganen und dem Richter ge¬ 
legentlich Schwierigkeiten bereiten können. 

In meine Sprechstunde kam ein 89jähriger Beamter, der ein Atteat 
seineB Hansarztee brachte, das auf Neurasthenie lautete. DerBeamteer« 
z&hlte Ton seiner mifiUchen dienstlichen Stellong, seine Autorität werde unter¬ 
graben, man achte nicht auf seine Instruktion, die Funktionen als Bureaa- 
Torsteher seien ihm wesentlich boschnitten worden, er werde schlecht behan- 
.delt. Er hege die Hoffnung aut eine Disziplinarnntersuchung, dann werde 
Licht in die Sache kommen. Die Untersuchung des groAen, Torzeitig gealtert 
anssehenden Mannes ergab nichts regelwidriges, speziell auch nichts seitens des 
Nerrensystems. Der Mann fuhr fort, sich fortgesetzt in üblen AeDßerongen 
und Verdächtigungen gegen seine Vorgesetzten zu ergehen. Es wurde 8chlie&> 
lieh das Diszipiinarrerfahren gegen ihn ein geleitetet. Als ich nach Verlauf 
eines Jahres den Mann wiedersah — er war aus anderen Ursachen in Halt 
genommen worden, — litt er an ausgeprägter Paralyse. Erst mit Hilfe der 
amtlichen Feststellungen gelang es in diesem Falle, darüber Klarheit zu 
schaffen, daß die Ans(muldigangen des Mannes gegen seine Vorgesetzten sämt¬ 
lich unbegründet waren. Sie mußten als Prodrome der später nm Ausbruch 
kommenden Paralyse angesehen werden. 

Außer den neurasthenischen Seelenstörungen sind es ge¬ 
legentlich Angstznstände bei Trinkern oder Melancholischen, die 
zu falschen Anzeigen, mitunter zu Selbstanzeigen führen. Meyer 
in Königsberg hat dafür Beispiele mitgeteilt. Ch. Vallon^) be¬ 
richtet folgendes: 

Ein 21 jähriges Mädchen wendet sich an einen Polizeibeamten und mel¬ 
det, sie hätte vor 10 Tagen heimlich geboren und ihr Kind erstickt. Ausffthr- 
lich erzählt sie, wie die bestehende Schwangerschaft nicht sehr auffallend 
wesen sei. Montag am 19. April abends, zwei Stunden nachdem sie sich zu 
Bett gelegt, hätte sie die ersten Wehen gespürt, in der Mitte des Zimmers 
hätte sie geboren, dann das Kind mit einem Kopfkissen erstickt. Es sei eiu 
reifer Knabe gewesen, sie hätte ihn zunächst im Garten vergraben, später 
aber wieder ausgesdiarrt und an einer verlassenen Stelle vor der Stadt T<m 
neuem beerdigt. Am 80. April hatte die Person die Anzeige gemacht, erst 
am 22. Mai wurde festgestellt, daß es sich um eine vielfach vorbestrafte, geistes¬ 
schwache Person gehandelt hatte, die lediglich aus Sensationslust und ans dem 
Wunsche heraus, von sich reden zu machen, diese Geschichte erfunden hatte. 

Es ist bekannt, welche Schwierigkeiten hysterische Per¬ 
sonen, insbesondere solche, die das Bild dmr Pseudologia phantastica 
bieten, ferner Querulanten und die Fälle von induziertem IrreaeiB 
(iolie ä deux) den Behörden gelegentlich machen. 

Daß auch unter dem Einfluß von Residuen einer ftbm^ 
standenen Geistesstörung falsche Aussagen zustande kommen, ht 

*) ännalos d’ hyglene publique; 1898, Tome 89, p. 179. 



Pflychologie der Ausege. 85 

za bekannt, als daß ich darauf noch besonders hinzaweisen 
brauchte. 

Ganz besonders ist an dem bereits von Gramer ausge* 
sprochenen Satz festzuhalten, daß bei geisteskranken Individuen 
die Zeugenaussagen mit der allergrößten Vorsicht anfznnehmen 
sind und ihnen nur dann wirklicher Wert beigemessen werden 
kann, wenn es nachgewiesen ist, daß sie von krankhaften Mo* 
menten nnbeeinfloßt abgegeben wurden. 

Damit mochte ich die Betrachtungen über die Psychopatho¬ 
logie der Aussage schließen. 

Was folgt nnn ans diesen Ausführungen für 
die richterliche Vernehmung von Zeugen und für die 
Beweiswürdignng, und wie können die vorgetragenen 
Uebelstände nach Möglichkeit gemindert werden? 

Hier kommt vor allen Dingen die Tätigkeit des Bichters 
in Betracht. Die Aussagen bilden das Material, mit dem er ar¬ 
beitet. Aus den Aussagen baut sich die Rekonstruktion des Vor¬ 
ganges auf. Wie der Baumeister die Technik der Herstellung 
und die Tragfähigkeit des Baumaterials berücksichtigen mnß, so 
ähnlich der Richter bezüglich der Erzielung und der Wertung 
der Aussagen. 

Wir haben gesehen, wieviel wertvoller die zusammenhängende 
Darstellung der Zeugen ist, als das Verhör. Es dürfte sich ferner 
empfehlen, daß der Richter den Zeugen bei der Vernehmung 
darauf aufmerksam macht, daß er bei der Erzählung kenntlich 
macht, was er selbst gesehen hat, und was er nur vom Hören¬ 
sagen weiß. 

Handelt es sich um schwachsinnige Personen, die einer zu¬ 
sammenhängenden Darstellung des Vorganges nicht fähig sind, so 
kann es verkommen, daß das Ergebnis in unsachgemäßer Weise 
zu Protokoll kommt. Es kann dies dadurch geschehen, daß^eine 
Aussage, die zögernd, unvollständig und lückenhaft gegeben wurde, 
nach dem Diktat des Richtera einen logischen Inhalt, eine gram¬ 
matische Konstruktion und einen Wortschatz zeigt, der der be¬ 
schuldigten geistesschwachen Person vollkommen fremd ist und 
dem Leser ein durchaus verkehrtes Bild der Persönlichkeit^gibt. 
ln solchen Fällen würde es zweckmäßig sein, Frage und Antwort 
stenographisch zu protokollieren (Ungar). 

Der geschilderte Einfluß des Ablaufes der Zeit auf die 
Richtigkeit der Zeugenaussage macht es wünschenswert, daß die 
Zeugenvernebmung sobald als möglich nach dem Vorgänge er¬ 
folgt, und daß der Untersuchungsrichter, falls eine Voruntersuchung 
geführt wird, sich bald nach erlangter Kenntnis an Ort und Stelle 
begibt und alle in Betracht kommenden Zeugen vernimmt. Bei 
dem häuflg gemachten Einwand der sinnlosen Trunkenheit könnte 
durch schnelle Vernehmung der Wirte und anderer Personen 
dieser Punkt alsbald klargestellt werden; dasselbe gilt in Betreff 
des Alibibeweises. Der Richter muß den Einfluß der Suggestion 
vermeiden. 



86 


Dr. Loebte. 


Bezüglich der Beweiswflrdigiuig irird sich der Biehter so¬ 
wohl in der Vomntersnchang, wie in der Hanptyerhandlnng weiser 
Vorsicht befleißigen und die Möglichkeit der objektiyen Un¬ 
richtigkeit eines nach bestem Wissen und Gewissen abgegebenen 
nnd auch beeidigten Zeognisses trotz alledem im Ange bebaltmi 
müssen. 

Eine sehr wesentliche Bolle wird hier notgedrungen die 
Glaubwürdigkeit des Zengen spielen. Es illnstrieren dies, 
wie ich glaube, auf das dentlichste die eingangs geschilderten 
Wirklichkeitsyersnche. 

Sind nur wenige nnd zwar ungenügend anssagende Zeugen 
yorhanden, so ist selbstyerstandlich eine genügende Bekonstmküon 
des Vorganges unmöglich. Der Cramer-Webersche Versuch 
lehrt anderseits, daß es bei Vernehmung einer Anzahl znyer- 
lässiger Zeugen sehr wohl gelingt, ein annähernd richtiges 
Bild des Vorganges wiederzugewinnen. 

Noch ein Punkt ist yon richterlichem Interesse: 

Die Tatsache, daß zwischen Wahrheit nnd Lüge sich ein 
breites Gebiet unbewußter Erinnemngsfälschungen einschiebt, 
daß die Aufforderung an die Versnchsteilnehmer, die beeidigungs- 
fähigen Teile ihrer Aussage herauszusuchen, nur eine Herab¬ 
setzung, nicht eine Beseitigung des Fehlerprozentsatzes zur Folge 
hatte, scheint dem Biehter die Möglichkeit zu nehmen, Falscheide, 
die durchaus in die Breite des Normalpsychologischen gehören, 
yon solchen zu unterscheiden, die auf strafbarer Fahrlässigkeit 
beruhen (Stern). Stern stellt daher die Forderung auf, der 
«fahrlässige Falscheid* könne nicht als straffälliges Delikt be¬ 
trachtet werden. Dazu möchte ich bemerken, daß die Staats¬ 
anwaltschaft schon jetzt sehr yorsichtig mit Erhebung der An¬ 
klage in solchen Fällen yerfährt. Es lehrt dies die Statistik. 
Danach fanden 1906 nur 885 Verurteilungen, 1907 sogar nur 298 
Verurteilungen wegen fahrlässigen Falscheides statt; gewiß eine 
minimale Zahl im Verhältnis zu der großen Zahl yon Zeugen, 
die täglich yor preußischen Gerichten yernommen wird, nnd im 
Verhältnis zu den zahlreichen falschen Bekundungen, die bei 
jeder, auch bei der beeidigten Zeugenyernebmnng täglich unter¬ 
laufen. üebrigens wird die Absebaflung der Strafbarkeit des fahr¬ 
lässigen Falscheides auch yon gewichtigen juristischen Autoritäten 
befürwortet. Die Entscheidung wird man nicht yom Ezperimentier- 
fische ans stellen können, sondern es wird die praktische Er¬ 
fahrung des Bichters maßgebend sein müssen. 

Um nun eine möglichst sichere Basis für die Benrteünng 
der Zeugenaussagen zu erhalten, ist yon seiten der Experimental¬ 
psychologie der Vorschlag gemacht worden, die Zeugen einer 
psychologischen Prüfung zu unterziehen. 

Schon 1895 forderte Mc. Eean Cattle die Feststellung 
des Präzisionsindex yon Zeugen durch experimentelle Messungen. 
Man hat eigene Untersuchungszimmer in den Gerichten einrichten 
wollen (Elanssmann), um dort an bekleideten Gliederpuppen 
in Lebensgröße die Bekognitionsfähigkeit des Zeugen zu prüfen. 



Psychologi« der Aussage. 


87 


Der Prttfling wire vor einen rotierenden Stereoskopnppnint, einen 
sogenannten Bevolrerapparat an bringen, an dem seine Fähigkeit au unter- 
suchen wäre, Physiognomien au unterscheiden, um festanstellen, wieriel 
Zeit er braucht, sich eine Physiognomie einauprägen. Die HOrlähigkeii des 
Zeugen, die Biechlähigkeit, die Fähigkeit des ^ätaens von Baum und Zeit, 
konnte untersucht werden. Alle diese Unter Buchungen würden von einem Ans- 
Sagepsychologen anausteilen sein. 

Sehr treffend bemerkt m. E. Sonntag zn diesem Vorschlag, 
daß außer dem Gericht doch wohl anch dem Verteidiger ein 
Psychologe beigegeben werden mfißte. Es würde dann der Fall 
eintreten, daß der Bichter statt über die Glaubwürdigkeit der 
Zeugen über die der Psychologen zn entscheiden hätte. Für ver¬ 
fehlt halte ich diesen Vorschlag deshalb, weil es für die Bichter 
ganz besonders anf Menschenkenntnis und auf die Glaub¬ 
würdigkeit des Zeugen ankommt Die Frage nach seiner Hör-, 
Seh-, Biechfähigkeit wird nötigenfalls der Gerichtsarzt vor¬ 
zunehmen in der Lage sein. Sollte es sich aber um spezielle 
Fragen, der Schätzung der Entfernung, ob jemand von einer 
bestimmten Stelle aus etwas sehen konnte, wieviel er beobachten 
konnte nsw., handeln, so wird dann meist ein Lokalaugenschein 
erforderlich sein und eine Wiederholung der Vorgänge nach den 
Angaben des Angeklagten oder des Zeugen. So wurde im 
Polnaer Mordprozeß festgestellt, daß der Zeuge auf 700 m den 
Beschuldigten nicht erkennen nnd weiter im Tisza Eszlar- 
Prozeß, daß Moritz Scharf durch das Schlüsselloch der Synagoge 
die Tötung des Mädchens überhaupt nicht sehen konnte. 

Man hat ferner gesagt, „der Pädagogik wird nunmehr die 
Aufgabe erwachsen, durch einen etwa dem Anschauungsunterricht 
ähnlichen und ihm anzugliedemden „Erinnernngsunterricht* die 
Aussagefähigkeit zu üben nnd durch ständigen Hinweis anf ihre 
Schwächen nnd deren Ursachen die Treue der Aussagen zn 
steigern (Lipmann). 

Es lehrt Ja nun die alltägliche Erfahrung, daß ungebildete 
Leute häufig sehr apodiktisch ihre Aussagen vor Gericht abgeben, 
und daß, je gebildeter nnd einsichtiger der Mensch ist, er um so 
vorsichtiger mit seinem Urteil und seinen Schlüssen sein wird. 

Bekannt ist die vorsichtige Einleitung einer Aussage des 
Wiener Philosophieprofessors Dr. Mül ln er. Er sagte: 

„Ich kann meine Aussage nur unter dem Vorbehalte der subjektiven 
Bicbtigiceit machen, da ich der Ansicht bin, du3 niemand in der Lage ist, 
einen Vorgang, der sich unvermutet vor ihm abspielt, nach Ablauf einiger 
Zeit mit Sicherheit objektiv richtig darznstellen. ^ tritt da eine Beihe psy¬ 
chischer Unterstrbmungen auf, die es bewirkt, daß nur innerliche Qedanken- 
bilder, logische Schlüsse und subjektive Empfindungen mit dem wirklich 
Erlebten za einem neuen Bilde vermengt werden, das dem Vorgang keineswegs 
objektiv genau entspricht. Ich kann daher nur angeben, daß . . .* 

(Voss. Zeitung vom 12. Oktober 1903.) 

Glaubt man nun wirklich, daß man durch methodisch¬ 
pädagogische UebuDg bessere Aussagen erzielen wird? Man wird 
vorsichtigere, aber nicht genauere erreichen. Die Aussagepsycho¬ 
logie dürfte überhaupt nur soweit in die Schule gehören, als dem 
Kimle gelegentlich gezeigt werden kann, wie mangelhaft wir mit 



88 


Dr. Lochte. 


oDBeren Sinnen im aligemeinen wahrnebmen, nnd wie bänfig ans 
die Erinnemng trügt. Darauf binznweisen, wird sich öfter Ge¬ 
legenheit in der Schule bieten. Auch in dem Sinne dürfte der 
Schule ein Einfluß einzuräumen sein, als der Grad der allgemeinen 
Bildung von wesentlichem Einfluß auf die Zeugenaussagen ist. 
Das Wichtigste aber bleibt, daß das Kind zur Wahrheitsliebe 
erzogen wird, daß es lernt, vor Gericht darf überhaupt nicht 
gelogen werden. Alles weitere gehört nicht in die Schule. 

Wenn wir nun prflfen, in welcher Weise der Entwurf zur 
Strafprozeßordnung die Wünsche der Psychologen und Psychiater 
berücksichtigt, so interessiert am meisten der Abschnitt über 
Zengnispfllcht und Eidesleistung. Da heißt es in der Begründung 
(S. 150: 

„Es handelt sich in erster Linie dämm, das Uebermaß der Eides¬ 
leistungen einnnsohrinken, das die Bedeutung des Eides herab- 
drttckt nnd in Verbindung mit der wenig sweckmäßigen Art, wie gegen¬ 
wärtig die Eidesabnabme geregelt ist, die Zahl der Falscbeide rer* 
mehrt . . . . Der Entwurf bestimmt, daß in allen Sachen, die yor den 
Amtsgerichten yerhandelt werden, die Vereidigung in unterbleiben 

hat, soweit.und daß sie auch in anderen Sachen untere 

bleiben kann, wenn alle Beteiligten über die ünerhebliebkeit eines Zeug¬ 
nisses einyerstanden sind, etc.“ 

Wenn demnach der Entwurf auch von anderen Motiven 
geleitet wird, so glaube ich doch, können wir die Verminderung 
der E ide nur mit Freuden begrüßen. Es treffen in diesem Punkte 
die Wünsche der Psychologen und Psychiater mit denjenigen der 
Juristen durchaus zusammen. 

M. H.l Die Psychologie des Verbrechens und des Ver¬ 
brechers ist gegenwärtig Gegenstand eifrigster Bearbeitung, weil 
wir wissen, daß wir ohne diese Kenntnis das Verbrechen nicht 
an der Wurzel angreifen, nicht nachdrücklich bekämpfen können. 

Aus der methodischen Untersuchung des körperlichen und 
geistigen Zustandes des Bechtsbrechers entwickelt sich die junge 
Wissenschaft der Kriminalanthropologie. Als einen wichtigen 
Zweig derselben haben wir heute die Anssageforschnng kennen 
gelernt. Wir Medizinalbeamte müssen auf diesem Felde mitfort- 
schreiten nnd mitarbeiten, sonst sind wir den uns anvertranten 
großen Aufgaben auf gerichtlichem und sozialem Gebiete nicht 
gewachsen.*) 

(Lebhafter Beifall.) 

Die von dem Referenten aufgestellten Leitsätze hatten 
folgenden Wortlaut: 

1. Die eiperimentelle Psychologie hat nachgewiesen,'' daß, 
abgesehen von der bewußten Falschaussage, ein breites Gebiet 


*) Literaturyerseichiiio. 

Adler: Symptomatologie und einige Folgezostinde 'der Oroßhint- 
yerletanngen. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Medizin; 1899, Bd. 18. 

Aschaffenbarg: Oericbtsärztlicfae Wünsche in besag auf die beyor- 
stehende Beform der Strafprozeßordnnng. IV. Haaptyersammlang des Deatschea 
Medizinalbeamtenyereins in Heidelberg 1905. 

J.Bresler: Die pathologische Anschnldigong. Joristisch-psychiatrische 
Grenzfragen; 1907, Bd. V, H. 8 . 




Psychologie dec Aauege. 


89 


normalpsycholog^scher Anffassangs-, Erinnernogs* nnd Avssage- 
f&lschangen bestellt, mit dem bei jeder Zengenvemehmniig ge¬ 
rechnet werden mnß. Aach der Eid bietet keine OewAlv fttr 
Fehlerlosigkeit der Aussage (Stern). Diese Feststelinng bean- 


A. C r am eT: Gerichtliche Psychiatrie. Jeaa 1908; Verlag tob G. Fischer. 
Carschmano: ünterleibstyphus. Nothnagels speiielle Pathologie 
nnd Therapie; 1898, III, 1. 

Gmelin: Zar Psychologie der Aassage. Juristisch • psychiatrische 
Grensfragen; 1905/6, Bd. III, 8. 56. 

H. Groß: Das Wahrnehmangsproblem and der Zeuge im Strafprozeß. 
Goldammers ArchiT fttr Strafrecht und Strafprozeß. Berlin 1908. 

Hans Groß: ArchiT für Kriminalantbropoiogie nnd KriminaUstUr. 

H. Gross: Handbach fttr üntersnchangsrichter. 

Hans Groß: Kriminaipsychologie. Leipzig 1906; Verlag tob F. C. 
W. Vogel. 

Hans Gadden: üeber Massensuggestion and psych. Massenepidemien. 
Vortrag. Httnchen 1908. 

Hampe: Beitrag zar Psychologie der Aassage. Klinik fttr p^ehisohe 
nnd nerTOse Krankheiten; 2. Bd., 1. Hmt. Bef. Zeitschr. fOr Medizinaibeamte; 
1908, S. 166. 

A. Hoche: Zar Frage der Zeagnisffthigkeit geistig abnormer Personen. 
Jaristisch-psychiatrische Grenzfragen; 1903/4, Bd. L 
Deutsche Juristen •Zeitong; 1902 und 1907. 

T. Krafft-Ebing: Gerichtliche Psychopathologie. Stuttgart; Verlag 
Ton F. Enke. 

A. Lehmann: Aberglaube nnd ZaabereL Uebersetzt TonPetersen. 
Stuttgart 1898; Verlag Ton F. Enke. 

E. Meyer: Selbstanzeigen Geisteskranker. ArchiT fttr Psychiatrie; 

1905, Bd. 40, 8. 875. 

Albert Moli: Die forensische Bedeutung der modernen Forschungen 
ttber die Aassagepsychologie. Aerzüiche SachTorständigen*Zeitung; 1M8, 
Nr. 5 nnd 6. 

A. Naßbaum: Der Polnaer Bitaalmordproseß. II. Auflage. Berlin 

1906. Verlag tou Hayns’ Erben. 

P. Nathan: Der Prozeß Ton Tisza-Eszlar. Berlin 1892; Verlag 
TOB Fontane. 

A. Oebzelt'Neweis: üeber Phantasie •Vorstellungen. Graz 1889; 
Verlag Ton Leuschner nnd Lubensky. 

Schanz: Die Stellung der Geisteskranken in Strafgesetzgebung und 
Strafprozeß. Jaristisch •psychiatrische Grenzfragen; 1905^6, Bd. III, S. 23. 

A. Schott: Zur Psychologie der Aussage. Jaristisch •psychiatrische 
Grenzfragen; 1905/6, Bd. III. 

H. Sigwart: SelbstmordTersuch während der Gebart. ArchiT fttr 
Psychiatrie; 1907, Bd. 42, 8. 249. 

B. Sommer: Kriminalpsychologie und strafrechtliche Psychopathologie. 
Leipzig 1904; Verlag Ton Ambr. Barth. 

Sommer: Die Forscbangen zar Psychologie der Aussage. Juristisch^ 
psychiatrische Grenzfragen; 1904/5, Bd. li. Halle 1905. Verlag TonMarhold. 

William Stern: Beiträge zur Psychologie der Aussage. Leipzig; 
Verlag tob J. A. Barth. 

Stoll: Saggestion und Hypnotismas in der Volkerpsychologie. Leipzig 
1894; Verlag Ton Koehler. 

Cb. Vallon: Ali6n6e auto-accnsatrice. Annales d’hygiOne publique et 
de mOd. 16gale; 1898, Tome 89. 

W. Weygandt: Beitrag zur Lehre tob den psychischen Epidemien. 
Halle 1905; Verlag Ton Mar ho Id. 

E. Walffen: Psychologie des Verbrechers. Qroß>Lichterfelde 1908; 
Verlag tob Langenscheidt. 

Der Xantener Knabenmord Tor dem Schwurgericht za CleTe. 4.—14. Jali 
1892.. Berlin 1898. Croubach, Stenograph. Bmoht. 



90 


Dr. LockU. 


spracht in der Praxis flir die FiUe Bedentonf, in denes nnr ein 
oder wenigrs — nngenflgend aassagende Zeagen Torhanden sind. 

Der Cramer-Webersehe Versneh lehrt anderseits, daß es 
bei Vernehmoog einer Reihe Ton zuTerlissigen Zeogen Mhr vohl 
gelingt, ein annähernd richtiges Bild des Y organges zu rekonstruieren. 

2. Der Forderung eines Aassage-Unterrichts in der Schale 
kann nicht beigestiount irerden, noch weniger der Bestellang Ton 
Gerichtspsychologen. 

3. Beachtenswert ist der Vorschlag, in geeigneten Fällen 
die Fragen des yernehmenden Richters and ^e Aassagen des 
Zeagen stenographisch za protokollieren. 

4. Sowohl durch körperliche, wie dordi seeUsdie Er¬ 
krankungen kann die Aussage störend beeinfloßt werden. 

Unter den körperlichen Erkrankungen spielen die Eopf- 
yerletzangen (Amnesie und Sprachstörungen), die Infektionskrank¬ 
heiten (z. B. Typhas) nnd Intoxikationen eine Rolle. 

Vor, während nnd nach Ablauf einer Seelenstörang werden 
gelegentlich krankhaft beeinflußte Aussagen produziert, die die 
Behörden irreführen können. 

5. Der Zengenanssage eines Geisteskranken kann nur dann 
ein Wert beigemessen werden, wenn es nachgewiesen ist, daß sie 
unbeeiaflaßt yon krankhaften Momenten abgegeben ist ((3ramer). 

6. Die im Entwarf zur Strafprozeßor^ung yorgesehene all¬ 
gemeine Einschränkung der Eide kommt den Wflnschen der Psycho¬ 
logen, wie der Irrenärzte entgegen. 

Vorsitzender: Ich eröffne die Diskussion. 

Prol Dr. W. Stern • Breslau: M. H1 Ich mochte zuaichat mefaia Dank 
dafür aussprechcD, daß es mir, dem Nichtfachmann, in diesem Krdse erlaubt 
ist, hier ein Wort zu sagen. Aber der Herr Vorredner war ja schon so Ireondlich, 
darauf hinzuweisen, in welchem Sinne auch ich beteiligt bin an diesen aussage* 
psychologischen Forschungen; ich mOchte daher Ton dem Standpunkt des 
Experimental - Psychologen, der sich mit dem eben erwähnten Gebiet beschäftigt 
hat, nnr noch einige Punkte kurz erwähnen. 

Ich möchte Toraasscbicken, daß sich unsere psychologische Tätigkeit 
wesentlich auf die Erforschung des normalen Indmdniums in seiner ganzen Breite 
erstreckt bat nnd auch anf die Untersnehnng des Kindes, während die so 
dankenswerte Ergänzang des vorhin gehörten Vortrages auch die patholc^isch 
bedingte Anssagefälschnng mit hineingenommen hat. Aber das Wichtige, was 
wir Hormalpsychologen ancb Ihnen wobl zu bieten haben, ist das Besnliat, 
daß Tieileicbt der Begriff des Pathologischen gerade in bezog auf die Er* 
inncrangatäaschangen and Aassagefälscbongen zuweilen zu eng genommen 
worden ist. Die normale Täaschongsmöglicbkeit der Erinnernng ist breiter 
— das haben gerade unsere Experimente an Gebildeten und Ungebildeten, an 
Erwachsenen und Kindern gezeigt — als man bis daÜn gemeiniglich geglaubt 
hat, and so manche Anssagefälschnng nnd ErinnerangstaasebnFg, die vielleicht 
der Psychiater gern schon als eine pathologische ansprechen möchte, mag noch 
in das Gebiet des Normalen fallen. Auf die vielen emzelnen Fehlerqnellsn, 
die bereits der Herr Vortragende Ihnen so klar auseinaadergesetzt hat, möchte 


(Fortsetzang des LitteraturVerzeichnisses). 

Tb. Ziehen: Psychiatrie. Leipzig 1902; Verlag von HirzeL 
Tb. Ziehen: 0oergatachten Ober die Zuverläsngkeit der Angaben 
eines Aphasiseben über die Vorgänge bei der seiner Aphasie zngmnde liegen* 
den .SchädelVerletzung (Raubmordversuch) Vierteljahrsschrift für geriichUiche 
Medizin und öffentliches Sanitätswesen; 1897, dritte Folge, XIV. BA, 8.1—19. 



Psychologie der Avssago. 


«1 


ich hier sicht weiter dogehes, sonders nur noch kurz sn des praktischen 
Fordemsgen Stellnng nehmen, die am Schlosse des Vortrages erwähnt worden. 

Gewiss ist es eine der Haoptsachen, daß der Vernehmende erkennt, in 
wie hohem Maße die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit der zn Stande kommenden 
Aossage von der Art seines eigenen Fragens mitbedingt wird. Diese Erkenntnis 
sollte vielleicht nicht nnr ans der Psychologie aUmihlich hineindringen in die 
Seele der Richter, sondern anch in das Gesetz Anfnahme finden; nnd insofern 
scheint mir der Entworf zor Strafprozeßordnong noch ergänzongsbedttrftig so 
sein. Er ttbernimmt ja aos der bisher geltenden St. P. 0. die eine grondlegende 
Forderong, deren psychologische Richtigkeit ja vorhin nacbgewiesen worden 
ist — daß zoerst eine zosammenbängende Berichterstattong des Zengen statt« 
finden solle, da sie so viel korrekter ist, als das aof Befragen erfolgende Verhfir. 
Aber innerhalb des VerhOrs hängt non sehr viel davon ab, wie die Fragen 
gestellt werden. Herr Professor Lochte hat einige solcher Soggestivfragen 
erwähnt, z. B.: ,Ist nicht ein Schrank in dem Zimmer gewesen?“ während 
in WirUichkeit kein Schrank dagewesen ist. Wenn wir ons non vergegen« 
wärtigen, wie im allgemeinen inqoiriert wird, dann stellt sich die Zahl dieser 
Soggestivfragen, „die eine bestimmte Antwort schon näher legen als eine 
andere,“ nnd somit eine vorgefaßte Meinong des VerhSrenden verraten, als 
aoßerordentlich häufig herans; die nichtsnggestive Frage dagegen ist relativ 
sdten. Das ist sehr bedaoerlich, denn in der Tat hat die Frage: „Welche 
Farbe hatte das Kleid?“ psychologisch eine ganz andere Wirknng aof den 
Zeogen, namentlich aof einen beeinfloßbaren Zeogen, als die Frage: „War das 
Kleid nicht brann ?“ Die Forderong, die in älteren Strafprozeßordnnngen schon 
einmal bestanden hat, die aber merkwttrd^erweise verloren gegangen ist, daß 
Soggestivfragen zo vermeiden sind, sollte noch in das nene Gesetz 
anfgenommen werden. 

Eine besondere starke Form der Snggestion ist die Konfrontation. Nehmen 
Sie einmal einen onerwachsenen Zengen, ein Kind an, an dem ein Sittlichkeits- 
Vergehen vorgekommen ist. Wird non dem Kinde ein Verdächtiger gegen« 
flbergestellt ond die Fraee vorgelegt: „Erkennst Do den Mann wieder, der 
das an Dir gemacht hat ?“ so ist das eine Suggestion von so starker Wirknng, 
daß schon eine große Kraft des Geistes dazo gehört, darauf nicht Ja“ zn 
antworten. Einem Kinde, ttberhaopt einem beeinfioßbaren Menschen liegt die 
Zostimmong, das Jasagen, sehr viel näher als das Neinsagen oder das Ans« 
drucken eines Zweifels. Der unselbständige Mensch empfindet die Frage schon 
als einen Befehl: Do sollst „ja“ antworten, da sollst eine znstimmende Antwort 
erteilen, selbt wenn es garnicht so vom Richter gemeint worden ist; so 
ist denn in der Tat eine solche Konfrontation von höchster soggestiver Wirkung. 
Um sie zo verhindern, sollte im Gesetz die sog. Wahlkonfrontation 
gefordert oder doch empfohlen werden, daß der Verdächtige unter mehreren 
anderen Personen dem Zeugen vorgelUhrt wird, und der Zeuge gefragt wird: 
„Ist unter den anwesenden Personen derjenige, den Dn damals gesehen hast ?* 
So ist diese Fragestellnng viel weniger suggestiv, ond eine nun erfolgende 
Rekognition ist jedenfalls sehr viel beweiskrUtiger als die aof Einzelkonfron« 
tation hb. 

Das wäre also ebe Forderong, die ich noch ffir die allgemeine Zeugen« 
vornehmong zur Ergänzung der Strafprozeßordnong Vorschlägen möchte. 

Kin anderes Gebiet, das der Herr Vortragende ausdrücklich bei Seite 
ließ, nämlich die Vernehmung von Jugendlichen, bedurfte noch eber besonderen 
Diskussion. EUer mußte Überhaupt völlig von dem bbberigen Brauch abgegangen 
werden. Es ist sehr merkwürdig, daß der Strafprozeßentwnrf, der ein so 
warmes Herz fUr die Jugendlichen zeigt, indem er doch die Jugendgerichte 
in weitestem Umfange einftthren will, zunächst nur auf die jugendlichen 
üebeltäter Rücksicht nimmt, aber nicht die jugendlichen Zeugen erwähnt. 
Und doch mußten auch sie ganz anders behandelt werden ab die Erwachsenen. 
Gegenwärtig bt es so, daß sie Monate hbdurch vor Polizei, Untersuchongs« 
richter ond Gerichtshof und in zahlreichen häuslichen Unterhaltungen immer 
wieder das in Betracht kommende Ereignis dnrebspreeben mUssen. Das bt 
ethisch bedenklich, denn oft handelt es sich um Ereignisse, die im Interresse 
des seelischen Gleichgewichts des Kbdes möglichst schnell vergessen werden 
zollten (Vergewaltigong, Mißhandlong); außerdem bt es paycludogbch bedenUicb, 



9B 


Dr. Lochte: Piyohologie der Anesege. 


denn in der lugen Zwieebenieit stflrmen aoTiel fUBchende RInfiaeu nnf de* 
Kindee Erinnerang ein, d*B die sehliefllicbe Anenge der Huptrerhudlug 
garoioht mehr die Gewähr der Richtigkeit hat. Dieeu Verhiltniaeen gegeattber 
möchte ich die Forderang stellenf dafi Kinder und jogudliche Zeogu nvr 
einmal, nnd zwar möglichst nnmittelbar nach dem Erlebnis, 
durch eine besonders daittr geeignete an te rs ach ungs richterliche 
Persönlichkeit Temommen wfirden. Oer Jugendrichter, der jetzt eingeführt 
wird, müßte auch die Funktion Temehmen, jagendliche Zeugen als Unter- 
sachongsrichter endgültig za übernehmen. Das — womöglich stuographhsch 
aafgenommene — Protokoll seiner Vernehmung hätte dun in der Hauptrer* 
hudJug als Ersatz der persönlichen Vemebmnng zu dienen. 

Guz kurz nur noch zum Schluß die Punkte, die Herr Prof. Lochte 
erwähnte, um eine Verbesserung der Aussagen berlmizulühren. Da meine i^ 
doch, du mu einer Aussage-Pädagogik nicht so kühl gegenüber stehu soltte. 
Als Tor mehr als hundert Jahren die Forderug aufgestellt wurde, der Mensch 
müsse «auchauen“ lernen, da wurde oft gesagt, du kun er ja doch tou selbst; 
er brauche doch nicht erst zu lemu, wie er sieht nnd hört; wir wissen aber 
jetzt längst, daß der Anschauungsunterricht Ton größtem Segen ist. Aehnlichu 
^t für du, wu hier verlugt wird; es ist gleichsam eine Ergänzung du 
Auchanugsnnterrichts: ein Erinneningsnntericht, eine Uebnng der Fähigkeit, 
nicht nur beim Beobachten sich klar zu werden, was beobachte ich? sondern 
nach der Beobachtung sich klu zu werden: wu habe ich beobachtet? Es ist diu 
eine Forderung, die sieh sehr wohl ohne buonderu Unterrichtszweig dem 
Anschauungsunterricht, dem naturwissenschaftlichen Unterricht usw. an¬ 
gliedern kun. 

Und dun die psychologischen Sachverständigul Leider hat Klauss- 
mann in einer sehr fenilletonistischen Manier sdion vor Jahru die Sache 
verfahren. Die Art, wie er du damals forderte, war in der Tat geeignet, so, 
wie u Herr Prof. Lochte heute tat, die Vorschläge humoristisch au behudeln. 
Aber ich meine, die Idee einer psychologischen Zeugenprflfung, 
die natürlich nur in du notwendigsten Fällu vorguommu werdu dürfte, 
verdient eine ernsthaftere Erörterung. Nehmu wir einmal u, u hudelte 
sich darum, festzustellen, ob ein Zeuge in hohem Maße uggutibel ist, ob er 
durch Lektüre, durch Hörensagen, durch MassenfuaUsmus, durch Fragutellug 
usw. besonders beeinflußbar ist; da sind wir jetzt am Werke geuue u- 
perimeotelle Methodu herauszuarbeiten, die ein ungefäbru Bild davon gebu, 
ob der Prüfling sugeestibel ist oder sehr widerstudsfafaig gegu Suggutioau, 
ob er imstude ist, Zeiten zu schätzen oder Bäume zu schätzu, ob er ein gutn 
Gedächnis hat und anderes mehr. Du läßt sich psychologl^ untersuchen. 
Freilich müssen dazu psychologischgeschulteGutachter herugezogu 
werden. Damit komme Ich zu einer letzten Forderang, die gerade ja wohl 
auch für diesen Kreis besonders wichtig ist: daß diejenigen Persönlichkeiten, 
die mit den Zeugen zu tun haben, also die Untersuchungsrichter, die Richter 
und auch die gerichtlichen Medizinalbeamten psychologische Sa^verständige 
seien. Nicht wir Psychologen wollen in den Gerichtssaal kommu, um ^ 
Sachverständige gehört zu werden; sondern der Wunsch ist, daß unsere Gesichts¬ 
punkte znm selbstverständlichen Ont derjenigen werden, die mit der Zeugen- 
Vernehmung zu tun haben. Und ich meine, daß der Richter selbst oder der 
Gerichtsarzt oder der psychiatrische Sachverständige In exakter Weise die 
Aussagefähigkeit eines Zeugen zu prüfen im Stande sein solle; du — werdu 
Sie mir zngeben — ist eine Forderung, die sich höru läßt, die nicht so a limine 
abzuweisen ist, wie es der Herr Vortragende getan hat. So zeigt sich denn 
hier ein Arbeitsgebiet, auf dem sich der ezperimutelle Facbpsychologe uzd 
der am Gericht beschäftigte Medizinalbeamte zur gegenseitigu Aufklärnzg 
die Hand reichen könnu. 

(Beifall). 

Vorsitzender: M. H.! Die Zeit ist schon soweit Twge- 
Bchritten, dass, wenn noch von mehrfacher Seite zu diesem 
Vortrage das Wort zu ergreifen gewünscht wird, es sich em¬ 
pfehlen wflrde, zunächst die in Aassicht genommene Panse ein- 
treten zn lassen ond die Diskussion nach dieser fortznsetzen. 



Bericht der EassenreviBoren. Voistandewah]. Besehlnfl Aber deaSÜftiugefonds. 98 


Ich frage deshalb, ob noch mehrere Herren zur Sache sprechen 
wollen. Das ist nicht der Fall; es meldet sich Niemand mehr 
zam Wort. Dann erteile ich dem Herrn Referenten das Schloss* 
wort — oder verzichten Sie daranfP 

(Heiterkeit; Zomi: SaggestiTe Frage.) 

Herr Prof. Dr. Loehte-OCttingen: Jch veriichte. 

(Heiterkeit.) 

Vorsitzender: Das ist sehr liebenswürdig, wenn ich anch 
glaube, dass die Anwesenden sicher noch sehr gern ein Schloss* 
wort angehört hätten. Jedenfalls sind wir aber dem Herrn Vor¬ 
tragenden für seine vorzüglichen Ausführungen den herzlichsten Dank 
schuldig, was ich hier noch besonders zum Ausdruck bringen 
möchte, obwohl Sie es ja bereits durch Ihren reichen Beifall 
getan haben. 

(Paue.) 

Nachdem Herr Kreis* n. Gefängsnisarzt Dr. Marx-Berlin 
ein nach seinen Anweisungen hergestelltes Taschenmikroskop 
demonstriert und zur Benutzung bei Obduktionen empfohlen hatte, 
wird übergegangen zu 

III. Bericht der Kassenrevisorei. Vorstandsvrahl. 
Beschluss über den Stmnnssfonds. 

Herr Kreisarzt Med.-Rat Dr. Hermann-Bitterfeld: Die 
Rechnung nebst Belegen ist von den Kassenrevisoren geprüft. 
Die Ausgaben und Einnahmen sind ebenso wie der Kassenbestand 
für richtig befunden; dem Kassenführer kann demzufolge Ent¬ 
lastung erteilt werden. 

Vorsitzender: Will jemand das Wort hierzu ergreifen? 
— Es ist dies nicht der Fall; dann darf ich wohl annehmen, daß 
Sie mit dem Antrag der Kassenrevisoren auf ErteUnng der Ent¬ 
lastung des Schriftführers einverstanden sind. 

(AUaeitige ZostiiimiaBg.) 

Ich handle aber sicherlich anch in Ihrem Einverständnis, 
wenn ich dem Kollegen Fielitz unseren herzlichsten Dank dafür 
ausspreche, daß er die mit der Kassenführung verbundene schwere 
Arbeit im vergangenen Jahre wieder übernommen hat. Seine 
Arbeit ist dadurch nicht unwesentlich vermehrt, daß leider immer 
noch ein größerer Teil von den Kollegen mit dem Beitrage 
im Rückstände bleibt. Ich bitte in dieser Hinsicht prompter 
zu sein; der Schrift- und Kassenfübrer wird jedenfalls künftighin 
bei allen denjenigen Mitgliedern, die bis zum 1. April den Bei¬ 
trag noch nicht eingesandt haben, diesen durch Postvorschnß 
erheben, damit die Restanten aus seinem Kassenbnche verschwinden. 

Wir kommen jetzt zur Vorstands wähl. 

Herr ^eisarit Geh. Med.-Bftt Dr. Wledoer-Eottbiu: Wir kOnnea uns 
die Sache wohl dadurch Tereinfacheo, daß wir oneeren VorstaDd, der sich ja 
non schoQ seit Jahren in seiner jetzigen Zasammensetznng bewahrt hat — 
nur ein Mitglied ist seit karaem hinzagetretcn — per Akklamation wieder 




94 Bericht der SaBsenreTlaoreo. VoretMidsweU. BeschlaB Aber deaStUtugBfoods. 

wählen and damit auch Heim Beg.* a. Med.-Bat Dr. r. Hake, der im Torigea 
Jahre kooptiert ist. 

(Alleeilige Zastimmniig ond Beifall.) 

Vorsitzender: H. H.I Die Akklamation ist satznngfBgemSß 
nur dann znlässigy wenn Niemand Widersprach erhebt. Ich frage, 
ob ein solcher erhoben wird? Es geschieht nicht; damit wfirde 
der jetzige Vorstand einstimmig wiedergewählt sein. 

Im Namen des Vorstandes spreche ich Ihnen den yerbind- 
lichsten Dank ans für das Vertranen, das Sie nns durch die 
Wiederwahl kondgegeben haben. Wir nehmen diese gern an nnd 
werden ans jedenfalls bemühen, aach in dem kommenden Viertel* 
jahrhnndert allen Ihren Wünschen, soweit es in nnseren Kräften 
steht, gerecht za werden and ans Ihr Vertrauen in gleichem 
Maße wie bisher zu erhalten, damit das schOne Verhältnis 
zwischen Vorstand and Vereinsmitgliedem stets angetrübt bestehen 
bleibt. 

(BeifaU.) 

M. H.! Wir wollen ans nanmehr korz über die weitere 
Behandlang des Stiftangsfonds schlüssig machen. Der Vor¬ 
stand schlägt Ihnen zanächst yor, daß Herr Kollege Schlüter, der 
diese Angelegenheit bisher so außerordentlich gat geführt hat, 
den Stiftangsfonds auch weiter yerwaltet, und dass dessen Ver- 
waltang yon derjenigen der Vereinskasse getrennt bleibt. Weiter¬ 
hin schlägt er yor, den Vorstand mit der Ausarbeitung der 
Satzungen zu beauftragen und ihn za ermächtigen, hierbei nicht 
nor den Kollegen Schlüter, sondern auch noch ein paar andere 
Vereinsmitglieder zazaziehen, die eine große Erfahrong in solchen 
Fragen sowie das nötige Interesse dafür haben. Gleichzeitig 
bittet der Vorstand, yielleicht schon heute die etwaigen Wünsche 
in bezug auf die Satzungen und den weiteren Aasbaa des Stif¬ 
tangsfonds za äußern, damit diese später berücksichtigt werden 
können. 

H. Med.-Bat Kreisarzt Dr. He 7 aaeher>Qraadenz: M. H.I Ich mSehta 
nicht gerade einen Vorschlag fttr die Satzongen machen, sondern mir nur einige 
Worte za dem Fonds selbst gestatten. 

Ais die Anregang zar Sammlang dieses Fonds gegeben warde, da wurde 
sie wohl Ton fast allen Kollegen mit großer Freade begrüßt. In diese Freude 
wurde aber auf einigen Beztrksversammlungen Wermut geträufelt, die dn 
Bedürfnis für einen solchen Fonds nicht anerkannten und dies damit begründet^ 
daß der Staat ja eigentlich die Verpflichtung habe, für alle die Fälle dn- 
zutreten, die wir bei der Anregang zu diesem Fonds im Auge batten. Viel¬ 
leicht hat dies dazu beigetragen, daß das Ergebnis unserer Sammlang nicht 
so gut ausgefallen und meiner Ansicht nach recht minimal geblieben int. Als 
ich gestern die Zahl hörte, die Herr Kollege Schlüter vorlas, fragte ich 
mich zunächt, was fangen wir mit dem Fonds an, der nur 700 Mark Zinneu 
bringt? M. H., damit können wir eigentlich gar nichts anfangen! Gegenüber 
der Behanptang, daß der Staat eintreten muß, darf ich mir erlauben, darauf 
hinzuweisen, daß es Fälle gibt, in denen der Staat weder eintreten kann noch 
darf. Es gibt z. B. Fälle — ich habe solche erlebt —, daß ein jonger Kolleg 
stirbt, bevor er Pensionsberechtigung hat; dann bleibt die Frau, wenn aie 
nicht zufällig Vermögen hat, oder wenn es nicht der Gatte gehabt hat, in deu 
dürftigsten Verhältnissen zurück. Sie kann mit ihren Kindern eventuell iu 
ein tieferes soziales Niveau herabsinken; denn der Staat kann höchstens gerfage 
Gnadenuntersttttzungen gewähren, die sich schon mehr als Almoeen charakteri- 



Bericht der EwseBreTiaoren. VorsUndswelü. Beschloß Uber den SÜflangsfoods. 95 

Bieren. Ich erinnere weiter daran, daß ein Kollege dorch eine schwere Krank« 
heit in Siechtnm geraten kann, kostspielige Koren dorchmachen muß osw., 
oder daß ein Kollege stirbt, ehe seine Kinder yersorgt sind, mitten in der 
Aosbildong und anderseits schon so alt sind, daß sie kein WaisengeJd mehr 
erhalten. Das sind alles Fälle, in denen man hellen und zwar großsttgig 
hellen mochte nnd müßte. 

Denken sie lerner, m. H., um noch aal einen anderen Ponkt an kommen, 
an unseren Bobert Koch, der seine bahnbrechenden üntersnchongen als 
simpler Kreispbyaikos in Wollstein begonnen hat. So viel ich weiß, ist er 
damals kein vermögender Hann gewesen and wird vielleicht in jener Zeit, wo 
er den Grund zu seinem großen Forschnngswerk legte, nicht Irei von flnan* 
ziellen Sorgen gewesen sein. Wio schön würde es sein, wenn anch für solche 
Fälle ein Fonds da ist, der es ermöglicht, einen Kollegen, der sieb mit wissen« 
scbaftlichen Arbeiten beschäliigt, zu unterstützen, ihm die Mittel zur Be« 
Bchaffnng kostspieliger Instrumente oder zu Belsen nnd dergleichen zu 
gewähren. Zu allen diesen Zwecken reicht selbstverständlich der bisherige 
Fonds nicht aus. Da habe ich mir nun gedacht, daß wir unser Jubiläum nicht 
in würdigerer, schönerer Weise feiern kOnnen, als daß wir uns verpflichten, 
daß jeder von uns alljährlich 20 Mark zu dem Fonds beisteuert. M. H., wir 
sind 900 Mitglieder; gibt jeder von uns 20 Mark — ich habe diesen Optimis« 
mns, daß jedes Mitglied unseres Vereins die 20 Mark entbehren kann —, so 
haben wir alljährlich 18000 Mark verfügbar. Wenn von dieser Summe all« 
jährlich 9000 Mark zu unserem Fonds thesauriert nnd 9000 Mark alljährlich 
za den Zwecken verwendet werden, die ich hier angedeutet habe, m. EL, ich 
glaube, so wäre dies eine so schOne Jubiläumsfeier, daß nnsere Nachkommen 
mit Freude und mit Dank sich unserer und dieser Feier erinnern würden. Ich 
mochte deshalb heute den Antrag stellen, daß jeder von uns, sagen wir für 
die nächsten 10 Jahre, jährlich 20 Mark zahlt; der Kollege Schlüter wird 
als ausgezeichneter Finanzmann mit ihrer Einziehung beauftragt; dann sollen 
Sie sehen, was Großartiges und Schönes wir leisten kOnnen. 

(Lebhafter Beifall) 

Versitzender t M. H., so dankenswert der Antrag des Kollegen 
Heynacher ist, und so sehr er eigentlich — ich mache daraus gar kein 
Eehl — meinen Intentionen entspricht, so kOnnen wir m. E. heute doch nicht 
darüber abstimmen und ihn zum Beschluß erheben. Wir Anwesenden könnten 
uns ja zu einem jährlichen Beitrag von 20 Mark verpflichten, aber diese Ver« 
pflichtung anch auf die abwesenden Mitglieder durch Beschluß auszusprechen, 
würde doch bedenklich sein. Der Vorstand wird den Antrag bei seiner wei« 
teren Beratung in Erwägung ziehen; seine Anregung in der heutigen Sitzung 
nnd der lebhafte Beifall, den er bei Ihnen gefunden hat, ist jedenfalls von 
Wert nnd wird hofientlich nicht ohne Einfluß auf die übrigen Mitglieder sein. 
Sympathischer würde mir eine fakultative Verpflichtung sein, die jedem Mit« 
glied die Beitragszahlung freistellt, der Beitragszahler dann aber anch ein 
Vorzugsrecht an ünterstützungen aus dem Fonds für sich und seine Familie 
erwirbt. 

M. H.l Für so minimal wie der Herr Kollege Heynacher schätze 
ich übrigens den Fonds nicht. Aller Anfang ist schwer l Nach den ersten 
Zeichnungen der 70 Vereinsmitglieder, die den Verein begründet und die 
Anregung zur Gründung des Fonds gegeben haben, hatte ich allerdings 
auch geglaubt, daß wir nicht 18000 Mark, sondern annnähenid 100000 Mark 
zusammenbringen würden. Ich bin in dieser Beziehung aber in meinem Op« 
timismus getäuscht worden; trotzdem bin ich noch immer so optimistisch, an« 
zunehmen, daß aus dem Anfang, den wir nun haben, anch allmählich ein 
größeres Kapital wird. Vergegenwärtigen Sie sich doch, m. H., die in anderen 
Vereinen vorhandenen derartigen Fonds, die vielfach eine erhebliche Höhe er¬ 
reicht haben. Fast alle sind sie aus kleinen Summen — noch kleineren als 
18000 Mark — hervorgegangen und dann in verhältnismäßig kurzer Zeit 
bedeutend angewachsen. Der Fonds maß nur immer wieder den Mitgliedern 
des Vereins in Erinnerung gebracht werden, und zwar bei jeder Gelegenheit, 
damit Sie ihn nicht vergessen. Vielleicht könnten wir ein Eintrittsgeld er¬ 
heben (Zustimmung) und dieses an den Fonds abführen. 

Jedenfalls möchte ich den Kollegen Heynacher bitten, für heute von 



96 


Dr. Qatkneclit. 


leinen Antrag Abstand an nehmen; er wird ans gldchwohl ton sehr daakes- 
werter Anregung sein. 

Herr Hed.-Bat Dr. HeyMeher*Oraadeas: Obgleich der Herr Vor« 
sitzende etwas Wasser in meinen Wein gegossen hat, bin ich selbstrerstindlich 
damit einverstanden, wenn mein Antrag sonlchst nur eine Anregung netn soU, 
in der Vorausssetzang, daß er nicht unter den Tisch AUt, sondern ihm spiter 
Folge gegeben wird. 

Tonitsendert Dafür brauchen Sie doch keine Bange zu haben. Ich 
habe bis jetzt immer den Beweis geliefert, daß nichts unter den Tisch fillL 

Herr Med.-Bat Dr. Heynaeher-Grandenz: Ja, dann bin ich einver¬ 
standen. Aber es muß recht nachdrücklich den Kollegen eingeschirft werden, 
daß wir alle dafür begeistert waren, uns wirklich einmal für die Zuknnft 
ordentlich zu besteuern. 

Vorsitzender: Da Niemand mehr das Wort wünscht, kann 
ieh wohl annehmen, daß Sie mit dem Vorschläge des Vorstandes 
einverstanden sind. 

(Allseitige Zustimmung.) 

M. H.I Ich mochte aber zum Schloß nochmals an alle 
Herren Kollegen, die keine eigene Familie haben und deren Ver¬ 
mögen eventuell später an entfernte nnd ihnen möglicherweise 
ganz unbekannte Verwandte fallen würde, die Bitte richten, den 
Stiftungsfonds unseres Vereins nicht zu vergessen nnd rechtzeitig 
ein Testament zu machen. Der Verein ist gern erbotig, die 
Kosten für die notarielle Aufnahme eines solchen Testamentes 
ans seiner Kasse zu bestreiten, nnd ich selbst würde mich 
außerordentlich freuen, wenn wir recht oft, womöglich schon in 
diesem oder dem nächsten Jahre in diese Lage kommen würden. 

(Heiterkeit und Beifall.) 


IV. MediziRalteanter md ärztliche Praxis. 

H. Kreisarzt Dr. Gatknecht-Belgard: If. H.! Als die 
großen Fortschritte der Medizin, insbesondere der Gesundheits¬ 
pflege, eine Reorganisation des staathchen Medizinalwesens in 
Preußen erforderten, da war es die Absicht der Staatsregiemng 
nnd auch des Herrn Medizinalministers, die neu zu schwenden 
Medizinalbeamten, die Kreisärzte, als reine Beamte mit voller Be¬ 
soldung und allen den Bezägen, wie sie die sonstigen staatlichen 
Beamten erhalten, anzustellen. 

Allein diese großzügige und weitaasschauende Idee fand 
nicht den Beifall des Abgeordnetenhauses. Die überwiegende 
Mehrheit der Landtagsabgeordneten war der Meinung, eine Loe- 
lOsung der Kreisärzte von der Privatpraxis dürfe unter keinen 
Umständen erfolgen, da der Kreisarzt dann den Zusammenhang 
mit seiner Wissenschaft verlOre, ohne Privatprazis nicht auf der 
wissenschaftlichen Höhe bleiben kOnne nnd ferner, daß die Aus¬ 
übung der ärztlichen Praxis auch noch insofern einen Vorteil bOte, 
als er dadurch mit der Bevölkerung in enger, dauernder Fühlung 
bleibe. 



Medizinalbeamter nnd ärztliche Praziz. 


97 


So kam es nan, nm mich der eigenen Worte unseres sehr 
verehrten Herrn Ministerialdirektors Dr. Förster zu bedienen, 
daß der Kreisarzt, wie wir ihn im Ereisarztgesetz erhalten haben, 
ein nicht vollbesoldeter Beamte geworden ist, d. h. ein Beamter, 
der von Staatswegen nur eine halbe Besoldung bezieht, im übrigen 
aber darauf angewiesen ist, die Mittel zur Bestreitung seines 
Lebensunterhaltes aus den Einnahmen der ärztlichen Praxis zu 
beziehen. 

Allerdings erkannte man im Abgeordnetenhanse später, daß 
man sich in einem ganz gewaltigen Iirtnm befanden hatte. Zu¬ 
nächst stellte sich sehr bald heraus, daß die amtlichen Gebühren 
der Kreisärzte, deren Höhe bei der Bemessung der Pension ma߬ 
gebend ist, sich nicht auf 2000 Mark, wie angenommen war, 
sondern nur auf 500 Mark beliefen. Weiterhin ergab sich, daß 
man im Gegensatz zu der üeberschätzuog der amtlichen Ein¬ 
künfte den Umfang der amtlichen Tätigkeit viel zu gering an¬ 
geschlagen hatte. Die Amtsgescbäfte häuften sich infolge der 
neuen Gesetzgebung auf dem Gebiete des Gesundheitswesens 
derartig und gewannen gleichzeitig so an Bedeutung, daß man 
einsah, daß die Besoldung eine durchaus unzulängliche sei. Von 
allen Seiten unseres Parlaments — und das wollen wir mit 
Freuden und dankbar anerkennen — wurde daher der Buf laut, 
die nicht vollbesoldeten Kreisärzte besser zu stellen und eine 
Reform ihrer ganzen Einkommens- und Pensionsverhältnisse ein- 
zuleiten. Auch hat die Regierung die Notwendigkeit des weiteren 
Ausbaues ihrer Stellung nach dieser Seite hin vollständig an¬ 
erkannt. Aber das unglückselige Wort, daß der Kreisarzt im 
Interesse seiner Stellung und Fortbildung Privatpraxis treiben 
müsse, ist doch unwidersprochen geblieben. Auch hat dieser Ans¬ 
sprach, der E[rei8arzt könne nur durch Privatpraxis im Zusammen¬ 
hang mit seiner Wissenschaft bleiben, für den Laien so etwas 
Selbstverständliches nnd so etwas Ueberzeugendes an sich, daß 
nfhn an seiner Richtigkeit gar nicht zu zweifeln wagte. Und so 
ist das Wort gewissermaßen zu einem Schlagwort, zu einer Art 
Dogma geworden; nach wie vor herrscht beim Publikum sowohl, 
als auch bei einem großen Teil der Abgeordneten die Meinung, 
die Praxis sei für den Kreisarzt unentbehrlich. 

Nun, m. H., wir stehen jetzt wieder vor einer neuen Stufe 
der Entwicklung, indem man bei dem neuen Beamten-Besoldungs- 
gesetz resp. der Aufbesserung der Beamtengehälter auch die Ver¬ 
hältnisse der Kreisärzte, insbesondere ihre Pensionsverhältnisse 
und Dienstaufwands - Entschädigung und ihr sonstiges Gehalt zu 
regeln resp. zu verbessern beabsichtigt. Und da ist es wohl am 
Platze, noch einmal das Verhältnis der Medizinalbeamten zur 
Privatpraxis zu erörtern resp. die Frage einer genauen Unter¬ 
suchung zu unterziehen, welchen Einfluß die Privatpraxis 
auf die Tätigkeit resp. wissenschaftliche Ausbildung 
des Kreisarztes ausübtP 

Wenn wir uns zunächst mit der Behauptung befassen, die 
ärztliche Privatpraxis diene in erster Linie dazu, daß der Kreis- 

7 



98 


Dr. Qntknecht. 


arzt mit seinen Kreiseingesessenen dadurch in fortwährende in¬ 
time Berührung käme, so kann diese Ansicht kurzerhand durch 
den Hinweis daranl als eine durchaus irrtümliche zurückgewiesen 
werden, daß der Kreisart doch nur Privatpraxis an dem Orte 
seines Wohnsitzes resp. in nächster Nähe desselben ausüben kann, 
daß er aber mit den zahli’eichen sonstigen Einwohnern seines 
Bezirks, etwa in 90 v. H., durch Privatpraxis schon der räum¬ 
lichen Entfernung wegen überhaupt nicht in Berührung kommt 
Meistenteils wird er auch nicht gerade am Ort seiner bisherigen 
Tätigkeit Kreisarzt, sondern kommt, wie bei seiner Versetzung, 
in ganz neue, unbekannte Privatverhältnisse hinein, so daß von 
einer Praxis, resp. Berühi'ung mit der Bevölkerung oft Jahre lang 
keine Bede sein kann. Dagegen führt gerade seine amtliche 
Tätigkeit, seine Dienstreisen, die Ortsbesichtigungen, die genauen 
Ermittelungen über vorgekommene ansteckende Krankheiten ihn 
fortwährend und meist sehr intim mit den Einwohnern seines 
Bezirks zusammen; und da die Tätigkeit des Kreisarztes, wie 
ich schon in früheren Vorträgen ausgeiührt habe, eine mehr auf¬ 
klärende und belehrende als anorduende sein muß, so ist gerade 
diese Art seiner Tätigkeit doch vielmal mehr geeignet, ihn mit 
den Bedürfnissen und Verhältnissen des Publikums in Berührung 
zu bringen, als es irgendeine Privatpraxis imstande ist. Also, 
m. H., die Privatpraxis bringt den Kreisarzt höchstens 
in einem änsserst geringen-Bezirk, d. h. in der Nähe 
seines Amtssitzes, mit dem Publikum in Berührung; 
znr Anbahnung eines intimen Verhältnisses oder zur 
Erlangung der Kenntnisse über die Bedürfnisse seines 
großen Bezirks hilft sie ihm aber gar nichts; dazu 
hilft ihm nur seine amtliche Tätigkeit. 

Wie steht es nun mit der wissenschaftlichen Förde¬ 
rung der Kreisärzte resp. dem Konnex mit seiner medizinischen 
Wissenschaft, die gerade durch die Privatpraxis so sehr 
gefördert weiden sollP Was umfaßt denn eigentlich d*ie 
kreisärztliche Tätigkeit, was sind ihre Aufgaben? 
Diese Frage erscheint zuerst albern, und doch wird es Urnen 
wohl gerade so gegangen sein wie mir: daß nämlich diese Frage: 
wozu sind Sie eigentlich da? was haben Sie denn zu tun? sehr 
häufig, besonders auf dem Lande, an einen gerichtet wird; oft 
sogar von Leuten, denen man nach ihrem Bildungsgrad Zutrauen 
sollte, daß sie sieh diese Frage selber beantworten könnten. Ein 
Zeichen, einer wie ausgebreiteten ünbekanntschaft sich unsere 
Arbeit zurzeit noch erfreut; dabei ist sie doch eine so um¬ 
fassende geworden, daß man heutzutage mit Becht sagen kann: 
es gibt kaum noch irgendwelche persönliche oder allgemeine An¬ 
gelegenheit, in welcher nicht gelegentlich der Kreisarzt um Bat 
angegangen würde. 

Im großen und ganzen können wir die kreisärztliche Tätig¬ 
keit in bestimmte Gruppen einteilen: 

Da ist zunächst die gerichtsärztliche Tätigkeit. 
Nun, m. H., über diese können wir mit wenigen Worten hinweg- 



Medizinalbeamter and drztliclie Praxis. 


99 


^ehen. Diese Tätigkeit ist so abgesondert von der ganzen übrigen 
Medizin und liegt so weit außerhalb der Privatprazis, daß der 
praktische Arzt mit ihr in nur äußerst seltenen Ausnahmen in 
Berührung kommt, und daß die Ausübung der ärztlichen Praxis 
auch nicht das allergeringste bietet, welches zur Bereicherung 
der gerichtsärztlichen Kenntnisse des Kreisarztes dienen könnte. 
Ein tüchtiger Gerichtsarzt wird man nur durch lange 
gerichtsärztliche Praxis, nicht durch ärztliche 
Privatpraxis. 

Ein weiterer wichtiger Zweig der Tätigkeit der Medizinal- 
beamten ist ihre Mitwirkung auf dem Gebiet der Sani¬ 
tätspolizei. Sie haben die An- und Abmeldung der Aerzte 
entgegenzunehmen und bestimmte vorgeschriebene Listen über das 
gesamte Medizinalpersonal zu führen. Ihnen steht die Dienst¬ 
aufsicht über das niederärztliche Personal (Heilgehilen und Heb¬ 
ammen, das in Apotheken beschäftigte Personal, die Leichenschaner, 
Desinfektoren etc.), die Dienstaufsicht über den Geschäftsbetrieb 
der Apotheken, Drogen- und Gifthandlangen, die Ueberwachung 
der Kurpfuscher, die Dienstaufsicht über öffentliche und private 
Heilanstalten, die Armenhäuser, Kindergärten, Schalen, die Auf¬ 
sicht über Geisteskranke, Idioten, Gebrechliche etc. zu. Alles 
das sind Geschäfte, mit denen der praktische Arzt in 
seiner Tätigkeit gar nichts zu tun hat, und auf die 
die ärztliche Praxis auch nicht den geringsten Ein¬ 
fluß aasüben kann. Um z. B. eine Apotheke zu revidieren, 
nützen mir die Kenntnisse eines praktischen Arztes absolut nichts; 
wohl aber muss ich dazu die Apothekengesetze, insbesondere die 
Apotheken-Betriebsordnung kennen. Was hilft mir die Kenntnis 
von allen möglichen Symptomen, die irgendeine Vergiftung hervor- 
rufen, bei der Revision von Gifthandlangen P Hierzu muss ich 
die gesetzlichen Bestimmungen über den Verkehr mit Giften etc. 
ausserhalb der Apotheken kennen. Was ich also als Medizinal¬ 
beamter auf dem Gebiete der Sanitätspolizei brauche, das ist vor 
allen Dingen das volle Vertrautsein mit den diesbezüglichen ge¬ 
setzlichen Bestimmungen. Diese lerne ich aber durch die Privat¬ 
praxis nicht. 

Aehnlich liegen die Verhältnisse auf dem Gebiet der eigent¬ 
lichen Hygiene. Die Tätigkeit der Medizinalbeamten auf diesem 
Gebiet gipfelt vornehmlich darin, daß er dafür der technische Be¬ 
rater der zuständigen Behörde ist. Er hat hygienische Mißstände 
festzustellen, zu untersuchen und die Abstellung derselben bei 
den zuständigen Behörden anzuregen und zu fördern. Um dies 
zu können, muss er auch ein tüchtiges, hygienisches Wissen haben. 
Nun ist aber das Studium der Hygiene ein ganz besonderer, be¬ 
stimmter Zweig der Medizin, und der Kreisarzt soll gewisser¬ 
maßen der Spezialarzt für Hygiene sein. Man verlangt aber 
heute von Spezialärzten, daß sie sich vornehmlich mit ihrem Ge¬ 
biet beschäftigen und das Gebiet der übrigen praktischen Medizin 
möglichst ungeschoren lassen. Ebenso sollte man von dem Spezial¬ 
arzt für Hygiene verlangen, daß er auf diesem seinem Gebiet 

7* 



100 


Dr. Oatkaeeht 


bleibt und die übrige praktische Medizin in Rohe läßt. Tatsäch* 
lieh bietet ihm die Ansttbnng der Praxis auch nichts, was ani 
diesem Gebiet zur Bereicherung seiner Kenntnisse dienen könnt^ 
denn die praktische Medizin hat ganz andere Aufgaben, als die 
Hygiene. Ihr alleiniger Zweck ist, Krankheiten zu erkennen und 
zu heilen; der Zweck der Hygiene ist aber, Krankheiten zu yer- 
hflten. Allerdings kann gesagt werden, wenn jemand Krankheiten 
verhüten wiU, insbesondere die ansteckenden, so ist es ja unbe¬ 
dingt erforderlich, daß er diese Krankheiten zu erkennen vermag, 
daß er weiß, wie sie weiter verlaufen, daß er jeden Augenblick be¬ 
urteilen kann, in welchem Stadium sie sich befinden; er muß ferner 
wissen, woraus solche Eirankheiten entstehen, und muß auch genau 
darüber unterrichtet sein, wie sie sich weiter verbreiten. Alles 
dies sind Kenntnisse, die man in erster Linie, abgesehen von dem 
ursprünglichen Studium, durch die Praxis, die langjährige Beob¬ 
achtung am Krankenbette lernt. Nun, m. H., dieser Einwnrf ist 
durchaus richtig. Wer Krankheiten nicht in der Praxis erkennen 
gelernt hat, der kann sie auch nicht bekämpfen; wer nicht gelernt 
hat, Masern von Scharlach zu unterscheiden, würde mit seinen 
Anordnungen bald Fiasko machen. Vergegenwärtigen wir uns 
aber doch einmal den Bildungsgang, den ein Kreisarzt durch- 
gemacht hat, bevor er Kreisarzt geworden ist: Er hat sein 
Staatsexamen zunächst als praktischer Arzt gemacht, wie jeder 
andere. Hat er dann 2 Jahre nach dem Ehramen die Praxis ans¬ 
geübt, kann er sich zu dem kreisärztlichen Examen melden. Mit 
dem Bestehen dieses zweiten Examens allein hat er aber noch 
nicht die Anwartschaft auf Anstellung als Kreisarzt erlangt, 
sondern er muß erst 5 Jahre in der Praxis gestanden hab^. 
Allein auch dann erfolgt noch keine Anstellung, sondern es ver¬ 
gehen Jahre, ehe man so weit kommt. Nun, m. H., wer 5 bis 
10 Jahre lang in einer grossen Praxis gestanden hat, dem kann 
man wohl zumuten, dass er auf seinem Gebiet die Krankheiten 
nach allen Seiten hin kennen gelernt hat und sie beherrscht. Wer 
während dieser langen Tätigkeit das noch nicht gelernt hat, 
der ist zum Kieisarzt nicht zu gebrauchen und wird es dann 
auch nicht lernen, wenn er als Kreisarzt noch so viel Praxis 
treibt. Sollte aber diese geschilderte praktische Ausbildung noch 
nicht genügend erscheinen, nun, m. H., dann weise ich darauf 
hin, dass wir doch eine Reihe ganz kleiner Bezirke, etwa 25 Proz. 
der Gesamtzahl, haben, in denen, wie ich später zeigen werde, 
der Kreisarzt Zeit hat, Privatpraxis zu treiben; mag man doch 
die neu anzustellenden Kreisärzte prinzipiell erst in £ese kleinen 
Stellen senden, um zu sehen, ob sie sich praktisch bewähren, und 
die mittleren und grösseren solchen Kreisärzten anvertrauen, die 
, sich in den kleinen Stellen praktisch bewährt haben. 

Dasselbe gilt nun auch von dem letzten grossen Gebiet der 
amtsärztlichen Tätigkeit, nämlich sein Wirken als Gutachter, 
und zwar nicht nur als Gutachter im direkt staatlichen Interesse, 
sondern auch insbesondere als Gutachter in seiner Eigenschaft 
als Vertrauensarzt der Landes Versicherungsanstalten, der zahl- 



MediziiialbeaiiiteT und ftntliche Pfaxis. 


101 


reichen Bernfsgenossenschaften oder sonstigen Korporationen. Ge> 
wisS) m. H., nm ein ordentliches, sachgemässes Gutachten abzn- 
geben, mnss er über ein grosses, nicht nur theoretisches, sondern 
anch praktisches Wissen verfflgen, wie er es nur durch lang¬ 
jährige Arbeit in der Praxis dranssen erwerben kaon. Er mnss 
nicht nur sämtliche Methoden der Technik gründlich beherrschen 
nnd klare Schlüsse ans ihnen ziehen können, sondern anch fort¬ 
während mit den neuesten Errungenschaften ant dem Gebiete der 
Diagnostik unterrichtet sein. Diese Fertigkeit lässt sich allein 
durch lange Praxis erringen, nicht durch das theoretische Bücher¬ 
studium. Aber, wie ich vorhin schon ansführte, wir Kreisärzte 
haben alle Jahre lang fortwährend in der Praxis gestanden 
nnd uns diese Fertigkeit angeeignet; wir können diese Fertigkeit 
anch nicht verlieren, denn als Kreisarzt übe ich sie ja täglich, 
auch wenn ich keine Privatpraxis treibe. 

Worin besteht denn eigentlich die ärztliche Privatpraxis? 
Nun, m. H., das A nnd 0 der ärztlichen Praxis, die Grundlage 
nnd der Inbegriff der ganzen ärztlichen Tätigkeit ist doch die 
Untersuchung des Kranken, mit einem Wort, die Diagnose. 
Das simple Bezeptschreiben oder bestimmte Fertigkeiten sind 
doch nur ein Ausfluss der Diagnose. Wer keine Diagnose stellen 
kann, d. h. wer nicht untersuchen kann, kann kein praktischer 
Arzt sein. Diesen Inbegriff der ganzen praktischen Medizin, 
nämlich die Untersuchung des Kranken, den haben wir Kreisärzte 
aber nicht nur vor unserer Anstellung ausgeübt, sondern den üben 
wir täglich weiter durch unsere amtliche Beschäftigung. Unsere 
Untersuchung muß sogar eine viel exaktere nnd genauere sein, als 
die des praktischen Arztes; wir müssen oft spezialistische Unter- 
suchnngsmethoden anwenden oder auf deren Anwendung dringen 
in Fällen, wo wir den Befund anderer Aerzte als Obergutachter 
nachznprttfen haben. Wir kommen tagtäglich mit allen möglichen 
ansteckenden Krankheiten zusammen, mehr als jeder andere prak¬ 
tische Arzt, indem wir von jedem gemeldeten Fall aus dem Bezirk 
Kenntnis erhalten und uns zur Bekämpfung bei gefährlichen 
Krankheiten bei jedem einzelnen, bei mindergefäbrlichen bei 
groppenweisem Auftreten an Ort nnd Stelle begeben nnd den 
Kranken zur Bestätigung der Diagnose untersuchen müssen. Wir 
stehen also mitten drin in der ärztlichen Praxis, bleiben in fort¬ 
währendem Zusammenhang mit der ganzen Medizin rein durch 
unsere amtliche Tätigkeit, ohne dass wir Praxis treiben. 

Die Ausübung der ärztlichen Praxis ist demnach 
für den Medizinalbeamten völlig überflüssig. Sie hat 
weder Einfluss auf seine Fortbildung, noch auf die 
Ausdehnung seiner wissenschaftlichen Kenntnisse. 
Unbedingt notwendig ist sie nur zur Vorbereitung auf die Kreis¬ 
arztstelle. Ohne eine solche praktische Vorbereitung kann ein 
Kreisarzt unmöglich seine Stellung ausfüllen, und nur solche Leute 
sollten zu Kreisärzten ernannt werden, die die ganze Praxis in 
all ihren Zweigen hinter sich haben, die in jedem Sattel der 
Medizin gerecht und befestigt sind. Nach ihrer Anstellung könnmi 



102 


Dr. Gntknecht. 


sie dagegen die Praxis beiseite lassen, da sie mit dem Pnbliknm 
nnd i^er Wissenschaft danemd in inniger Bertthrnng gehalten 
werden, nnd ihre amtliche Tätigkeit allein geeignet ist, um sie 
stets anf der wissenschaftlichen Höhe zn halten. 

Allein, m. H., wir können noch viel weiter gehmi and sagen: 
Die Ausübung der ärztlichen Praxis ist für den Medizinal¬ 
beamten nicht nnr überflüssig, sie ist ein direktes Hinde¬ 
rungsmittel für seine amtliche Tätigkeit. Unsere 
deutsche Beamtenschaft ist in der ganzen Welt berühmt, and 
andere Völker beneiden uns um sie. Was Deutschland nnd 
Prenssen in der Welt geworden ist, verdankt es nicht zum ge¬ 
ringsten Teil gerade auch seiner Beamtenschaft. Die Pflichttreue, 
die Unparteilichkeit, Uneigennützigkeit, Unbestechlichkeit sind 
Eigenschaften, die bei der deutschen Beamtenschaft traditionell 
geworden sind, und ohne die man sich einen deutschen Beamten 
gar nicht vorstellen kann. Fragen wir uns, wie kommt es, daß 
gerade bei uns diese Eigenschaften im Gegensatz zu anderen 
Völkern besonders entwickelt sind, so Anden wir die Ursache 
darin, daß der deutsche Beamte von je her so gestellt worden 
ist, daß er völlig unabhängig war. Dieses Prinzip, die absolute 
Unabhängigkeit des Beamten zu wahren, namentlich der höheren 
Beamten, ist bei dem Kreisarzt durchbrochen worden, indem man 
ihn zwingt, von den Leuten sein Geld zu erwerben, über die er 
amtliche Funktionen aasüben soll, resp. welche er zum bestimmten 
Ziel führen soll. Wir sind eine Beamtenkategorie, die, wenn sie 
Gedeihliches wirken soll, nicht nur einer gewissen Popularität, 
sondern auch einer gewissen Autorität bedarf. Wie es mit unserer 
Popularität bestellt ist, habe ich bereits ausgeführt; nnd die 
Autorität? Wie soll ein Beamter Autorität erlangen, der fort¬ 
während durch seine Privattätigkeit in Kollision mit den Pflichten 
seines Amtes kommt? Der Kreisarzt ist allein befugt, für seinen 
Bezirk amtsärztliche Zeugnisse auszustellen, bei denen ab¬ 
solute Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit vorausgesetzt wird. 
Wenn er Praxis aasübt, so kommt er häufig in die Lage, über 
seine Privat-Patienten Gutachten zur Vorlage bei den Behörden 
auszufertigen. Kann man ihn unter diesen Umständen immer als 
ganz unbefangen ansehen? Der Kreisarzt hat das niederärztliche 
Personal zu überwachen, die Hebammen, Heilgehilfen, und wenn 
sie ihre Befugnisse überschreiten oder ihre Pflicht nicht tun, das 
Erforderliche zu veranlassen. Ist es da nicht natürlich, daß eine 
Hebamme ihren Kreisarzt vornehmlich zu Geburten heranzieht, 
um bei der Nachprüfung besser behandelt zu werden? Könnte 
sich nicht ein Apotheker veranlasst sehen, gerade deswegen den 
Kreisarzt zu konsultieren, um bei der Revision glimpflicher von 
ihm behandelt zu werden? Zahlreiche Gewerbetreibende, Fleischer, 
Bäcker, Kaufinannsgeschäfte etc. unterliegen der Aufsicht des 
Kreisarztes; auch hat er ein Auge auf die Wohnungsverhältnisse 
zu werfen. In welche Schwierigkeiten gerät er da nicht bei 
Durchführung von notwendigen, oft kostspieligen, gesundheitlidien 
Maßnahmen, wenn er gleichzeitig Hausarzt ist. Uebt er Prtxia 



Medizioalbeanter and ärztlicbe Praxis. 


103 


bei Grundbesitzern oder Großindnstriellen ans, die ihm vielleicht 
Tausende einbringt, so liegt die Gefahr nahe — es ist sogar nnr 
menschlich und entschnldbar —, dass er da bei Vorhandensein von 
sanitären Mißständen unangebrachte Nachsicht walten lässt. Bei 
dieser Kollision derPflichten ist es nicht verwunder¬ 
lich, wenn er in der Achtung des Pnbliknms nicht die 
Stellnng einnimmt, die eben ffirsein Amt absolntnot- 
wendig ist. Ich kann daher Wodtke nnr beistimmen, wenn er 
sagt: dem Publikum imponiere keineswegs dieser Zentaur von 
nicht vollbesoldetem Kreisarzt, der znr Sichemng seiner wirt¬ 
schaftlichen Existenz mit vier Beinen in der Privatpraxis steht, 
gleichzeitig aber als hochanfgeriehteter, streng objektiver Beamter 
und Gesetzeswächter obrigkeitlichen Anspruch erheben will! 

M. H.! Es hieße Eden nach Athen tragen, wenn ich diese 
zahlreichen Schädigungen unserer ganzen Stellung dnrch die 
Privatpraxis noch weiter anfzählen wollte; die Sachen sind ja 
bekannt und schon hundertmal erwähnt. Insbesondere hat Becker 
in seinem Vortrage: „Der amtsärztliche Dienst in Bayern“ diesen 
Punkt eingehend geschildert. Aber eine schwere Schädigung 
muß doch noch besonders hervorgehoben werden: Das ist die 
schiefe Stellnng, in die wir zu nnserenKollegen, den 
praktischen Aerzten, dadurch geraten. Sie wissen ja alle 
recht gut, wie sehr wir bei der Durchiährung sanitätspolizeilicher 
Massnahmen, namentlich bei der Seuchenbekämpfung, anf die Mit¬ 
wirkung der praktischen Aerzte angewiesen sind. Tritt der Medi¬ 
zinalbeamte aber den praktischen Aerzten nicht nnr als Amtsarzt, 
sondern auch als ein wichtiger Konkurrent, der ihnen das Brot 
wegnimmt oder schmälert, gegenüber, dann ist es mit dem regen 
Verkehr und den guten Beziehungen, in welchen er mit Urnen 
nach der Dienstanweisung stehen soll, vorbei. Der amtliche Ver¬ 
kehr wird dann anf das unumgänglich Notwendige beschränkt; 
er erhält von manchen wichtigen Vorkommnissen in seinem 
Bezirk überhaupt nicht oder zu spät Kenntnis; und wird erst die 
Anzeigepflicht schlaff gehandhabt, oder werden seine Anordnungen 
gar abfällig, womöglich heimlich kritisiert, so steht es mit der 
Seuchenbekämpfung schlecht. Grade die Unterhaltung von guten 
Beziehungen zu den praktischen Aerzten halte ich für un¬ 
bedingt notwendig, um Gedeihliches wirken zu können. Die Auf- 
rechterhaltnng dieser Beziehungen ist aber anf die Dauer unmöglich, 
solange der Kreisarzt Privatpraxis ansübt, d. h. als Konkurrent 
den anderen Aerzten gegenübersteht. AUe die vielen hässlichen 
Szenen, die in ärztlichen Vereinen vorgekommen sind, die Ani¬ 
mosität gegen die Kreisärzte resp. die Medizinalbeamten, die 
hänüg in den Organen des Leipziger Verbandes zutage getreten 
ist, wären wohl nicht vorgekommen, wenn die Kreisärzte schon 
längst aus der Privatpraxis herausgenommen wären. 

Wir können nun zum Schluß noch weitergehen: Die Aus¬ 
übung der ärztlichen Praxis ist nicht nnr für die Kreisärzte und 
deren Tätigkeit schädlich, sie ist auch bei einer gewissen¬ 
haften Dienstführnng in größeren und mittleren Be- 



104 


Dr. Gatknecht. 


zirken geradezu unmöglich! Man bat den Einwand 
erhoben, daß die meisten Kreisärzte durch ihre amtliche Tätigkeit 
gar nicht vollständig in Anspruch genommen werden, sondern 
noch genflgend Zeit ttbrig haben, um sich durch ärztliche Praxis 
eine erhebliche Nebeneinnahme zu verschaffen. Auf die Hinfällig* 
keit hat schon Rapmund wiederholt hingewiesen. In schlagender 
Weise bewiesen hat sie aber besonders Wodtke, der auf 6rund 
einer Umfrage, welche der Vorstand des Medizinalbeamtenvereins 
veranstaltet hatte, feststellte, dass 75 Prozent der Kreisärzte keine 
Privatpraxis mehr austtben kOnnen, und dass man auf die amtliche 
Tätigkeit des Kreisarztes durchschnittlich 7,2 Stunden pro Tag 
rechnen mflsse. Es hat sich damals bereits nachweisen lassen, 
daß eine Verdoppelung der kreisärztlichen Tätigkeit gegenüber 
den Voraussetzungen bei dem Inkrafttreten der Medizinalreform 
eingetreten sei. Nun ist inzwischen aber das preussische Seuchen¬ 
gesetz mit seinen Bestimmungen gekommen. Es sind g&nz neue 
Ansprüche gestellt worden auf dem Gebiete der Säuglingspflege, 
der Fürsorge für Tuberkulöse und Krüppel, der üeberwachung des 
Desinfektionswesens, Organisation des Samariter-Dienstes und 
Krankentransportwesens etc., so daß wir wohl nicht fehlgehen, 
wenn wir die Amtstätigkeit des nicht vollbesoldeten Kreisarztes 
durchschnittlich auf 8—9 Stunden bemessen. Insbesondere weise 
ich auch hier noch darauf hin, daß unsere Tätigkeit vornehmlich 
eine belehrende und anfklärende sein soll. Aber gerade diese 
Belehrung erfordert sehr viel Zeit und Arbeit! Und 
wie aufreibend die amtliche Tätigkeit dieser Beamten ist, das 
geht ans den Ra pm und sehen Feststellangen hervor, wonach der 
Abgang der Kreisärzte durch den Tod schon im Alter von 56,7 
Jahren erfolgt. Verbraucht sind sie durchschnittlich im Alter von 
59,58 Jahren, dienstunfähig bei 68,2 Jahren, während z. B. das 
Durchschnittsalter der Richter bei Ausscheiden aus dem Amte auf 
62,20 Jahre, für die Verstorbenen auf 60, für die Pensionierten 
auf 67 Jahre berechnet ist. Es ist ja auch von sämtlichen 
Rednern am 17. April 1907 im Abgeordnetenhause anerkannt 
worden, dass die Entwicklung der kreisärztlichen Tätigkeit und 
der ganzen kreisärztlichen Verhältnisse weit über den Rahmen 
des Kreisarztgesetzes hinausgegangen ist, und auch von dem 
Vertreter der Königlichen Staatsregiernng, Herrn Ministerial¬ 
direktor Dr. Förster, ist anerkannt, daß heute eine ganze Reihe 
von nicht vollbesoldeten Kreisärzten wegen der Fülle der ihnen 
obliegenden Dienstgeschäfte Privatpraxis weder treibe noch treiben 
könne. So besteht denn heute die gewiss einzig da¬ 
stehende Anomalie, dass der Staat die volle Arbeits¬ 
fähigkeit einer Kategorie von Beamten in Anspruch 
nimmt und sie dafür nur halb besoldet und ihnen 
durch weitere Häufung der Dienstgeschäfte auch die 
Möglichkeit nimmt, durch private Tätigkeit die 
nötigen Mittel zur Erhaltung ihres Lebensunter¬ 
haltes zu verdienen! Unsere feste und vertrauensvolle Hoff¬ 
nung, daß dieses Mißverhältnis schon im Interesse der Würde des 



Medizinalbeunter nod bzUiehe Praxis. 


105 


Staates bald beseitiget werden würde, ist bisher nicht erfüllt 
worden. 

Non kann man znr Entschnldigenng sagen: Ihr Kreisärzte 
wollt mit Gewalt ans der Privatpraxis heraus nnd müßt doch 
darüber klar sein, daß der Staat, selbst wenn er eure Wünsche 
bezüglich der Beamtenstellnng erfüllt, euch ein höheres, besseres 
Gehalt, bessere Pensionsverhältnisse gewährt, doch niemals euch 
soviel aufbessern kann, dass er euch die bisherigen Einnahmen 
aus der Privatpraxis ersetzt, deun dazu sind die letzteren doch 
zu erheblich. Nun, m. H., dieser Einwand ist richtig! Daß wir 
nach Aufgabe der Privatpraxis niemals die Einnahmen haben 
werden, wie sie der praktische Arzt erzielt, ist klar; aber die 
Beamtenstellnng ist eben soviel mehr wert, dass wir gern auf die 
größeren Gelder verzichten. Das Ansehen nnd die gesellschaft- 
Uche Stellung des Beamten in unserem Vaterland, die Sicherheit 
seines Einkommens, der staatliche Schutz seiner Arbeit, die Für¬ 
sorge für die Hinterbliebenen, das sind alles in unseren Augen 
so erstrebsame Momente, dass wir gern auf die grösseren Ein¬ 
nahmen verzichten. Endlich aber kommt noch eins hinzu, was uns 
die volle Beamtenstellnng erwünscht sein lässt, nnd das ist mehr 
ein idealer Grund: Der kreisärztliche Beruf ist ja ein überaus 
arbeitsvoller, aber auf der anderen Seite auch ein wunder- 
schöner Beruf, wohlgeeignet, dem nach Betätigung strebenden 
Mann volle innere Befriedigung zu gewähren. Wer viele Jahre 
lang, wie wir alle, in der Praxis gestanden hat, der sehnt sich 
danach, sein Wissen und Können zum Heile seiner Mitmenschen 
auch auf grössere Kreise auszudehnen, mit zu denen zu gehören, 
die durch ihre Arbeit ihre Mitmenschen vor Unheil schützen 
nnd sie durch Anregung seinerseits zu Zielen führen, die ihnen 
körperliches und geistiges Wohlergehen für die kurze Zeit ihres 
Erdenwallens gewährleisten. Hierin liegt die große Anziehungs¬ 
kraft, welche der oft sehr schwere nnd verantwortungsvolle Beruf 
des Medizinalbeamten auf die Aerzte ansübt, nicht die Aussicht 
auf irgendwelchen Geldgewinn; und deswegen können wir zum 
Schluß mit Sicherheit voranssetzen: Werden unsere Wünsche nach 
Vollbesoldnng nnd reiner Beamtenstellung erfüllt, nimmt uns der 
Staat unter der Gewährleistung der nötigen Mittel zu einer standes¬ 
gemäßen Lebensführung aus der Privatpraxis heraus, dann erhält 
er eine Beamten - Kategorie von grosser Arbeitskraft nnd Arbeits¬ 
freudigkeit, eine Beamtenschar, die an Pflichttreue, Gewissen¬ 
haftigkeit nnd Königstreue keiner anderen im preussischen Staate 
nnd Deutschen Reiche nachsteht! 

(Allseitiger, lebhafter Beifall, Händeklatschen.) 

Die von dem Referenten anfgestellten Leitsätze'hatten 
folgenden Wortlaut: 

1. Die Voraussetzungen, die bei dem Erlaß nnd bei der 
Durchführung des Kreisarztgesetzes als maßgebend angesehen 
sind, haben sich in der Folgezeit namentlich in bezug auf den 
Umfang der amtlichen Tätigkeit des Kreisarztes und in bezug 



106 


Schluß der Sitsong. 


aaf die ihm belassene Befag^nis, ärztliche Priratpraxis ansznfiben, 
als anzntreffend erwiesen. 

2. Es ist eine irrtümliche Ansicht, daß für die amtliche 
Tätigkeit des Kreisarztes die gleichzeitige Ansübnng ärztlicher 
Privatpraxis unerläßlich sei; im Gegenteil, eine solche ist nicht 
bloß überflüssig, sondern direkt hinderlich für die Dienstobliegen* 
heiten; außerdem gefährdet sie die für seine amtliche Stellung 
unbedingt erforderliche Unabhängigkeit 

3. In größeren und mittleren Kreisen haben sich die Amts¬ 
geschäfte des Kreisarztes derart gehäuft, daß ihm keine Zeit und 
Möglichkeit zur Ausübung ärztlicher Privatpraxis verbleibt. 

Es besteht demnach hier die einzig dastehende Anomalie, daß 
der Staat die volle Tätigkeit eines Beamten in Anbruch nimmt, 
ohne ihn voll zu besolden. 

Eine schleunige Abstellung dieses Mißstandes ist nicht bloß 
im Interesse der Medizinalbeamten, sondern auch im öffentlichen 
Interesse geboten. 

Torsitzender: Es ist hier ein Antrag eingegangen, daß 
wir^unserer Zustimmung zu diesen Ausführungen des Kollegen 
Gutknecht, die Sie schon durch Ihren lebhaftesten Beifall 
bekundet haben, in keiner besseren Weise Ausdruck geben 
können, als daß wir von jeder Diskussion Abstand nehmen (Bei¬ 
fall) um durch eine weitere Erörterung diesen nachhaltigen Ein¬ 
druck, den die Ausführungen auf uns gemacht haben, und den sie 
hoffentlich nach außen an maßgebenden Stellen machen werden, 
in keiner Weise zu beeinträchtigen (Beifall). Ich frage Sie, ob 
Sie damit einverstanden sind. 

(Allseitige Zostimmang.) 

Dann bitte ich Sie aber auch, sich von Ihren Plätzen zu 
erheben, um dem hochverehrten Referenten für seine vorzüglichen 
Ausführungen, die uns doch sicher alle ans vollem Herzen ge¬ 
kommen sind, unseren verbindlichsten Dank auszusprechen. 

(Oie Anwesenden erheben sich.) 

M. H.! Wir sind am Schlüsse unserer Jnbilänmssitzung. 
Wenn wir jetzt auf diese zurückblicken, so glaube ich, d^ 
keiner unter uns ist, der nicht sagen wird, es ist die schönste 
Sitzung gewesen, die der Preussische Medizinalbeamten-Verein 
bisher erlebt hat! Wir können auf diese Sitzung mit berechtigten 
Stolz und mit besonderer Genugtuung zurückblicken. Möge 
sie uns stets als solche in Erinnerung bleiben; möge sie allen 
künftigen Versammlungen stets als Vorbild dienen, dann wird 
es um den Preußischen Medizinalbeamtenverein auch jcMierzeit 
gut bestellt sein! 

(Lebhafter BeilalL) 

Ich schließe die Sitzung. 

Schloss: 2V» Uhr nachmittags. 



Schluß der Sitzung. 


107 


Nach Schluß der Sitzung Tereinigten sich die noch in Berlin 
verbliebensn Mitglieder mit ihren'Damen^zn einem gemeinschaft¬ 
lichen Mittagessen im Weinrestaurant des Zoologischen 
G-artens. Für den Abend hatte der Herr Generalintendant des 
Königlichen Schauspiel- und Opernhauses in liebenswürdiger 
Weise eine große Anzahl von Billets dem Verein unentgeltUch 
zur VerfOgung gestellt; nach Schluss des Theaters trafen sich 
die Kollegen wiederum im „Weihenstephan“. 



Mitglieder^Verzeiehnis 

des 

Deutschen Medizinalbeamten^Vereins 

Abgeschlossen am 1. Dezember 1908.*) 


A. Ktaigreioh Pr«iim«&. 

Proyins Ostpreimeii. 

1. Dr. Arlart, prakt. Arzt in Pillkallen, staatsärztl. approb. 

2. - Asoher, Kreisassistenzarzt und Assistent der Königlichen Impf- 

anstalt in Königsberg (Pr.). 

3. - Behrendt, Med.-Rat, Kreisarzt in Tilsit. 

4. - Berneiok, prakt. Arzt in Gilgenburg, staatsärztl. approb. 

5. - Börschmann, Kreisarzt in Bartenstein (Ostpr.). 

6. - Gzygan, Kreisarzt in Ragnit. 

7. - V. Decker, Kreisarzt in Osterode (Ostpr.). 

8. - Deokner, Kreisarzt in Heydekrug. 

9. - Doepner, Regierungs- u. Med.-Rat in Königsberg (Pr.)2) 

10. - Eberhardt, Med.-Rat, Kreisarzt in Allenstein. 

11. - Ehrhardt, leitender Arzt in der Heil- und Pflegeanstalt für 

Epileptische in Carlshof (Post Rastenburg), staatsärztl. approb. 

12. - Engel, Kreisarzt in Labiau. 

13. - Engelien, Kreiswundarzt a. D. in Bartenstein (Ostpr.). 

14. - Fischer, Kreisassistenzarzt in Willenberg. 

*15. - Forstreuter, Med.-Rat, Kreisarzt u. Direktor der KönigL Impf¬ 
anstalt in Königsberg (Pr.). 

16. - Franz, Kreisarzt in Heinrichswalde. 

17. - Gallien, Kreisassistenzarzt in Gilgenburg. 

18. - Gessner, Kreisarzt in Memel. 

19. - Heidenhain, Med.-Rat, Kreisarzt in Insterburg. 

20. - Heimbuoher, Kreisassistenzarzt in Kaukehmen. 

21. - Hilbert, prakt. Arzt in Sensburg, staatsärztl. approb. 

22. - Holz, Kreisassistenzarzt in Prostken (Ostpr.). 

23. - Hoppe, Oberarzt an der Provinzial-Heil- und Pllegeanstalt 

Allenberg (Post: Wehlau), staatsärztl. approb. 

24. - Hurwitz, prakt. Arzt in Memel, staatsärztL approb. 

25. - Israel, Med.-Rat, Kreisarzt in Fiscbhausen. 

26. - y. J a n k 0 w s k i, Kreisassistonzarzt in Bialla (Ostpr.). 

27. - Janssen, Regierungs- imd Med.-Rat in Gumbinnen. 

28. - Kahlweiss, Med.-Rat, Kreisarzt in Braunsberg. 

*) Die Namen der Teilnehmer an der XXV. Haupt-(Jubiläums-) 
Versammlung des Preußischen Medizinalbeamtenvereins sind mit einem 
♦ bezeichnet. 

*) Inzwischen verstorben. 



MitgliederverEeiohnis. 


109 


29. Dr. Katerbau, Geh. Med.-Rat, Reg.-u.Med.-Rata.D. in Königsberg (Pr.). 

30. - Katluhn, Kreisarzt in Angerburg. 

31. - Kehler, Kreisassistenzarzt und Assistent am Medizinal-Unter- 

suohungsamt in Gumbinnen. 

32. - Kirohbaoh, prakt. Arzt in Lappienen, staatsärztl. approb. 

33. - Klix, Kreisarzt in Darkehmen. 

34. - Krause, Kreisarzt imd Vorsteher des Medizinal-Untersuohungs- 

amtes in Gumbinnen. 

35. - Lemhöfer, Kreisarzt in Preuss. Holland. 

*36. - Lemke, Kreisarzt in Sensburg. 

37. • Liedtke, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Tilsit. 

38. - Lösener, Oberstabs- u. Regts.-Arzt i. Königsberg (Pr.), staats¬ 

ärztl. approb. 

39. - Müller, prakt. Arzt in Johannisburg (Ostpr.), staatsärztl. approb. 

40. - V. Petrykowsky, Kreisarzt in Ortelsburg. 

41. - Plooh, Kreisarzt in Gumbiimen. 

42. - Pulewka, Kreisarzt in Heilsberg. 

43. - Puppe, Med.-Rat, a. o. Prof., Geriohtsarzt, Mitglied des Pro¬ 

vinzial-Medizinalkollegiums und Direktor des geriohtlioh- 
medizinisohen Instituts in Königsberg (Pr.). 

44. - Rimeok, Kreisarzt in Pr. Eylau. 

*45. - Romeick, Kreisarzt in Mohnmgen. 

46. - Sährendt, Kreisarzt in Rastenburg. 

47. - Sohawaller, Kreisarzt in Pillkallen. 

48. - Scheu, prakt. Arzt in Heydekrug, staatsärztl. approb. 

49. - Sohmidt, Kreisarzt in Gerdauen. 

50. - Sohiller, Med.-Rat, Kreisarzt in Wehlau. 

*61. - Sohüler, Kreisarzt in Goldap. 

62. - Schutze, Med.-Rat, Kreisarzt in Rössel. 

53. - Schultz, Kreisarzt in Stallupönen. 

54. - Solbrig, Reg.- tmd Med.-Rat in Allenstein. 

55. - Springfeld, Reg.- u. Med.-Rat in Königsberg (Pr.). 

56. - Stumm, Med.-Rat, Kreisarzt und ständiger Hilfsarbeiter bei der 

Königl. Regierung in Königsberg (Pr.). 

57. - Thomalla, Kreisarzt in Johannisburg (Ostpr.). 

58. - Vossius, Med.-Rat, Kreisarzt in Marggrabowa. 

59. - Wasserfall, Oberarzt im Feldart.-Reg. 73, z. Z. kommandiert 

zur Prov.-Heil- u. Pflegeanstalt Allenberg (Post Wehlau). 

GO. - Weimann, leitender Arzt des Kreislazaretts in Tapiau, staats¬ 
ärztl. approb. 

61. - Winter, Med.-Rat, Prof. u. Direktor der Univ. - Frauenklinik 

in Königsberg i. Pr., Mitglied des Prov.-Medizinalkollegiums. 

62. - Witting, Kreisarzt in Königsberg (Pr.). 

*63. - Wollermann, Med.-Rat, Kreisarzt in Heiligenbeil. 

64. - Wollermann, Kreisarzt in Lyok. 

65. - Zelle, Kreisarzt in Lötzen. 

PraTlns Westprenssen. 

66. Dr. B a n i k, Kreisarzt in Sohloohau. 

67. - Birnbaoher, Kreisarzt in Danzig. 



110 


Mitgliederverzeichnis. 


()8. Dr. Bremer, Kreisarzt in Bereut. 

*69. - Brinn, Kreisarzt in Pr. Stargard. 

70. - Danielewski, prakt. Arzt in Hoohstüblau, staatsärztl. approb. 

71. - Derbe, Kreizarzt in Dirsohau. 

*72. - Eschrioht, Med.-Rat, Kreisarzt in Danzig. 

73. - Feige, Kreisarzt in Marienburg (Westpr.). 

74. • Gehrke, Kreisarzt in Putzig. 

*75. - Hahn, Kreisarzt in Stuhm (Westpr.). 

*76. - V. Hake, Regierungs- u. Med.-Rat in Marienwerder. 

77. - Hasse, Med.-Rat, Kreisarzt in Matow (Westpr.). 

78. - Hasse, Med.-Rat, Kreisarzt in Neustadt (Westpr.). 

79. - Hennemeyer, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Zoppot. 

*80. - Heynaoher, Med.-Rat, Kreisarzt in Graudenz. 

81. - H 00 hmann, prakt. Arzt in Marienburg (Westpr.), staatsärzG appr. 
*82. - Hopmann, Kreisarzt in Briesen. 

*83. - Howe, Kreisarzt in Culm. 

84. - van Hu eilen, Spezialarzt f. Chirurgie in Thom, staatsärztl. approb. 

85. - Jorns, Kreisarzt in Rosenberg (Westpr.). 

86. - Kaempfe, Med.-Rat, Kreisarzt in Karthaus (Westpr.). 

*87. - Kasten, Kreisarzt in Marienwerder. 

88. - König, Kreisarzt in Könitz. 

89. - Köstlin, Direktor der Prov.-Hebammen-Lehranstalt in Danzig. 

90. - Liedke, prakt. Arzt in Thom, staatsärztL approb. 

91. - Maillefert, prakt. Arzt in Gulm, staatsärzU. approb. 

*92. - Matz, Geh. Med.-Rat, Kreisaizt in Deutsoh-Krone. 

*93. - Ocker, Kreisarzt in TuoheL 

94. - Post, Kreisarzt in Strasburg (Westpr.). 

95. - Richter, Med.-Rat, Kreisarzt in Ellbing. 

*96. - Schlee, Kreisarzt in Neumark (Westpr.) 

97. - Schulz, prakt. Arzt in Schlochau, staatsärztl. approb. 

*98. - Seemann, Reg.- imd Med.-Rat in Danzig. 

99. - Speiser,ElreisassistenzarztinSierakowitz(Kr.Kai*thaus,Westpr.). 

100. - Steg er, Eireisarzt in Thorn. 

101. - Thomas, Kreisassistenzarzt und Leiter der Medizinal-Unter- 

suchungsstelle in Marien werder. 

*102. - Wagner, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohwetz (Weichsel). 

103. - W i 1 c k e, Kreisassistenzarzt in Prechlau. 

104. - Zadow, prakt. Arzt in Deutsch-Krone, staatsärztl. approb. 

105. - Zinkeisen, prakt. Arzt in Czersk, staatsärztl approb. 

Berlin mit den Stadtkreisen 

Charlottenbnrgf Schdneberg, Blxderfi WUmersderf nnd Liehtenberg. 

*106. Dr. Abel, Geh. Med.-Rat und vertragender Bat in der Medizinal¬ 
abteilung des Kultusministeriums. 

107. - Adler, Arthur, Spezialarzt für innere und Nervenkrankheiten, 

staatsärztl. approb. 

108. - Arnheim, prakt. Arzt in Rixdorf, staatsärztl approb. 

*109. - Asohenborn, Geh. San.-Rat, Hilfsarbeiter in der Med. Abtei¬ 
lung des Kultusministeriums. 

*110. - Becker, Geh. Medizinalrat, Kreisarzt a. D. 



Mitgliederverzeiohuis. 


111 


111. Dr. von Boltenstern, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

*112. - Bürger, Assistent am Institut für Staatsarzneikunde, staats¬ 
ärztl. approb. 

•113. - BUtow, Med.-Rat, Kreisarzt in Charlottenburg. 

*114. - Dietrich, Geh. Ober-Med.-Rat u. vertragender Rat in der 
Med.-Abteilung des Kultusministeriums. 

115. - Dietrich, Kreisarzt des Eireises Rixdorf. 

•llb. - Do eher t, Kreisassistenzarzt in Charlottenburg u. HUlfsarbeiter 
in der Medizinalabteilrmg des Kultusministeriums. 

*117. - Ebinger, Assistenzarzt an der städt. Heil- u. Pflegeanstalt 
Herzberge, Liohtenberg b. Berlin, staatsärztl. approb. 

*118. - Elten, Med.-Rat, Kreisarzt des Kreises Teltow. 

119. - Fränkel, Arthur, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

*120. - Fränokel, Paul, in Cbarlottenburg, Assistent am Institut für 
Staatsarzneikunde. 

121. - Friedemann, Julius, San.-Rat in Sohö'neberg, staatsärztl. approb. 
*122. - Gaffky, Geh. Ober Mod.-Rat u. Prof., Direktor des Instituts für 
Infektionskrankheiten in Berlin. 

*123. - Granier, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt. 

124. - Guttstadt, Geh. Medizinalrat, Professor in Wilmersdorf. 

125. - Heilgendorff, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

126. • Herzberg, Siegfried, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

*127. - Hoffmann, Med.-Rat, Geriohtsarzt und dirigierender Arzt 
des Untersuchungsgefängnisses. 

*128. - HUttig, Oberstabsarzt a. D., Kreisarzt. 

*129. - Jacobson, Med.-Rat, Kreisarzt. 

130. - Kaup,HygienikerandorZentralstellefürYolkswohlfahrtinBerlin. 

131. - Keller, Arzt am Strafgefängnis in Plötzensee, staatsärztl. approb. 
*132. - Kirchner, Prof., Geh. 0b.-M6d.-Rat u. Vortragender Rat i. d. 

Med.-Abteilung des Kultusministeriums. 

*133. - V. Kobyletzki, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohöneberg. 

*134. - Leers, Assistent am Institut für Staatsarzneikundc, staats¬ 
ärztl. approb. 

135. - Lehnsen, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

*136. - Lentz, Abteilungsvorsteher bei dem Institut für Infektions¬ 
krankheiten in Charlottenburg. 

•137, - Leppmann, Med.-Rat, Kreisarzt u. Strafanstaltsarzt. 

*138. - F. Leppmann, prakt, Arzt, staatsärztl. approb. 

*139. - Lindemann, Kreisarzt. 

140. - Loewenthal, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

141. - Mann, Kreisassistenzarzt in Liohtenberg b. Berlin. 

•142. - Marx, Gerichtsarzt und Gefänguisarzt. 

143. - Moeli, Geh. Med.-Rat, Prof. u. Direktor der städtischen Heil- 
und Pflegeanstalt Herzberge, Lichtenberg b. Berlin. 

*144. - Nesemann, Regierungs- u. Med, - Rat. 

146. - N 011 e, prakt. Arzt in Charlottenburg, staatsärztl. approb. 

*146. - N 0 w a 0 k, Kreisassistenzarzt. 

*147. - Pape, Kreisphysikus a. D, und San.-Rat. 

♦148. - Pflanz, Kreis.irzt u. ständ. Hilfsarbeiter beim Polizeipräsidium. 
*149, - Pfleger, Gerichtsarzt u. Med.-Rat. 



112 


Mitgliederverzeiohnifl. 


150. Dr. Röckl, Geh. Rog.-Rat in Grunewald (Bz. Berlin). 

*151. • Rogowski, Med.-Rat, Kreisarzt. 

162. - Rüge, Geh. Med.-Rat u. Mitglied des Prov.-Medizinal-Kollegiiinis. 

163. - Salomon, Geh. Med.-Rat, Honorar-Professor an der tech¬ 

nischen Hochschule in Charlottenburg. 

*164. - Schenk, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

*165. - Sohmidtmann, Prof., Geh. Ober-Med.-Rat u. vertragender 
Rat in der Med.-Abt. des Kultusministeriums (Nickolassee). 

156. - Sohönstadt, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

157. - Schröder, Elmil, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

*168. - Schulte, E., Assistenzarzt an der städtischen Irrenanstalt 
Herzberge, Lichtenberg b. Berlin. 

*169. - Schulz, Rud. in Charlottenburg, Kreisarzt fUr Niederbamim. 
*160. - Schulz, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt, Direktor d. Kgl. Impfanstalt. 
*161. - .Stein, Hans, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

*162. - Störmer, Med.-Rat, Mitglied des Prov.-MedizinalkoUegiums 
und Gerichtsarzt. 

*163. - Strassmann, Geh. Med.-Rat, a. o. Professor, Gerichtsarzt u. 

Direktor des Instituts fUr Staatsarzneikunde. 

*164. - Strauch, Gerichtsarztu. Privatdozent für geriohtliohe Medizin 
und Staatsarzneikunde. 

165. - Strecker, prakt. Arzt, staatsärztl. approb. 

*166. - Stiller, Med.-Rat, Kreisarzt. 

167. - Viereck, Oberarzt beim 4. Garde-Reg. zu Füll, staatsärztl. 

approbiert. 

168. - Wagner, Gustav, San.-Rat in Sohöneberg, staatsärztl. approb. 
*169. - W e h m e r, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat. 

*170. - Weidanz, HUlfsarbeiter im Kaiserl. Gesimdheitsamte. 

*171. - W e i s s e n b o r n, Med.-Rat, Kreisarzt. 

172. - Wutzdorff, Geh. Regierungsrat u. Direktor im Kaiserlichen 
Gesundheitsamte. 

Provinz Brandenburg. 

*173. Dr. Aust, Kreisarzt in Nauen. 

174. - Bar nick, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Frankfurt 8./0. 
*175. - Braeutigam, Med.-Rat, Kreisarzt in Königsberg (Neumark). 

176. - Brasch, prakt. Arzt in Wannsee bei Berlin, staatsärztl. approb. 

177. - Daliohow, prakt. Arzt in Neudamm, staatsärztL approb. 

178. - Ernst, Assistenzarzt an der Landes-Heil- und Pflegeanstalt 

in Neu-Ruppin, staatsärztl. approb. 

*179. - Friedrich, Med.-Rat, Kreisarzt in Landsberg (Warthe). 

180. - Gäthgens, prakt. Arzt in Kriescht (Elr. Oststemberg), staats¬ 
ärztl. approb. 

*181. - Gebauer, prakt. Arzt in Wittenberge, staatsärztl. approb. 

*182. - Geisseler, Kreisarzt in Friedeberg (Neumark). 

183. - Gott Schalk, Med.-Rat, Kreisarzt in Rathenow. 

184. - Gottsohalk, Kreisarzt in Elalau. 

*185. - Grossmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Freienwalde (Oder). 

186. - Günther, Kreisarzt in Krossen. 



Mitgliederverzeiohnis. 


ns 


*187. Dr. Hafemann, Kreisarzt in Luokau. 

*188. - Heinze, Kreisarzt u. Vorsteher des Medizinal-Untersuchungs¬ 
amtes bei der Königl. Regierung in Potsdam. 

*189. - Hey er, Kreisarzt in AugermUnde. 

*190. - Ho ehe, Kreisarzt in Potsdam. 

*191. - Jaenioke, Med.-Rat, Kreisarzt in Spandau. 

192. - Jungmann, Med.-Rat. Kreisarzt in Guben. 

193. - König, Med.-Rat, Kreisarzt in Soldin. 

194. - Kr ahn, prakt. Arzt in Landsberg (Warthe), staatsKrztl. approb. 

196. - Kuhnt, Med.-Rat, Kreisarzt in Beeskow. 

196. - Lähr, 6., 2. Arzt der Irrenanstalt Sohweizerhof bei Zehlendorf, 

staatsärzÜ. approb. 

197. - Leopold, leitender Arzt an der Heilstätte Blankenfelde bei 

Berlin, staatsärztl. approb. 

198. - Lummerz he im, prakt. Ärztin Forst i.L., staatsärztl. approb. 

199. - Maire, prakt. Arzt in FUrstenberg a./0., staatsärztl. approb. 
*200. - Meyen, Med.-Rat u. HUlfsarbeiter bei der Kgl. Regierung in 

Potsdam. 

*201. - Meyer, H., Eireisarzt in Belzig. 

202. - Neumann, prakt. Arzt in Landsberg (Warthe), staatsärztl. 

approb. 

203. - Neumann, Assistenzarzt an der Landes-Irrenanstalt in Neu- 

Ruppin, staatsärztl. approb. 

*204. - Nickel, Med.-Rat, Kreisarzt in Perleberg. 

*205. - Podlewski, Kreiswundarzt a. D. in Oderberg (Mark). 

*206. - Prawitz, Med.-Rat, Kreisarzt in Brandenburg. 

207. - Priester, Med.-Rat, Kreisarzt in Reppen. 

208. - Rank, prakt. Arzt in Amswalde, staatsärztl. approb. 

209. - Rau oh, prakt. Arzt in Vetsohau, staatsärztl. approb. 

210. - Rosenthal, prakt. Arzt in Tegel, staatsärztl. approb. 

*211. - Roth, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Potsdam. 

212. - Rudolphy, prakt. Arzt in Bobersberg, staatsärztl. approb. 
*213. - Sander, Geh. Med.-Rat u. Direktor der städtisohen Heil- und 
Pflegeanstalt in Dalldorf, Post Wittenau (Bz. Berlin), Mitglied 
des Prov.-Med.-Kollegiums. 

214 - Schäfer, Med.-Rat, Kreisarzt in Frankfurt a./0. 

216. - Schäfer, Med.-Rat, Kreisarzt in Sorau (Niederlausitz). 

*216. - Sohlieben, Kreisarzt in Zielenzig. 

217. - Sohimmel, prakt. Arzti.Straußbergb.Berlin,staatsärztl. approb. 

218. - SohlUter, Med.-Rat, Kreisarzt in Amswalde. 

*219. - Schmidt, Assistenzarzt an der städtisohen Irrenanstalt in 
Dalldorf, Post Wittenau (Bz. Berlin), staatsärztl. approb. 

*220. - Schneider, Kreisarzt in Prenzlaa 

221. - Seeger, Kreisarzt in LUbben. 

222. - Siehe, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Zülliohau.*) 

223. - Steffen, prakt. Arzt in Spremberg, staatsärztL approb. 

*224. - Struntz, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Jüterbog. 

226. - yoigt, Kreisarzt in Templin. 


1) Inzwischen verstorben. 


8 



114 


Mitgliedorverzeiohnis. 


226. Dr. Wiedemann, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Neu-Ruppin. 

*227. - Wiedner, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Cottbus. 

228. - Wiese, Med.-Rat, Kreisarzt in Spremberg. 

*229. - Wilhelm, Kreisarzt in Kyritz (Prignitz). 

ProTlu Pommern. 

*230. Dr. A r b e i t, Med.-Rat, Kreisarzt in Stargard. 

231. - Be bla, Geh. Med.-Rat, Reg.- und Med.-Rat in Stralsund. 

*232. - Behrend, Med.-Rat, Kreisarzt in Kolberg. 

233. - Beumer, Geh. Med.-Rat, a. o. Professor, Kreisarzt u. Direktor 

des geriohtl. med. Instituts in Greifswald. 

234. - Birkholz, Kreisarzt in Stolp (Pommern). 

236. - Brinkmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Dramburg. 

236. - de Camp, Kreiswimdarzt a. D. u. San.-Rat in Lauenburg. 

237. - Dieterich, Med.-Rat, Kreisarzt in Demmin. 

238. • Frank, Kreisarzt in Bublitz. 

239. - Frank, prakt. Arzt in Bergen (Rügen), staatsärztl. approb. 

240. - Frey er, Geb. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Naugard. 

*241, - Frey er. Geh. Med.-Rat, Kreisarzt u. Mitglied des Provinzial- 
Medizinalkollegiums, Direktor der Königlichen Impfanstalt 
in Stettin. 

242. - Gerloff, Med.-Rat, Kreisarzt in Stralsund. 

243. - Gross, Kreisarzt in Greifenhagen. 

*244. - Gundlaob, Kreisarzt in UekermUnde. 

*246. - Gutkneoht, Kreisarzt in Belgard (Persante). 

246. - Hassenstein, Med.-Rat, Kreisarzt in Greifenberg. 

247. - Hechler, Kreisassistenzarzt und Assistent am Medizinal-Unter- 

suohungsamt in Stettin. 

248. - Howitz, prakt. Arzt in Dramburg, staatsärztl. approb. 

*249. - HUlsmeyer, Kreisarzt in BUtow. 

260. • Kindt, prakt. Arzt in Greifswald, staatsärztl approb. 

261. - Kirstein, Kreisarzt und Vorsteher des Medizinal-Unter- 

suohungsamtes in Stettin. 

262. - Kurpjuweit, Kreisarzt in SwinemUnde. 

263. - Landgrebe, Med.-Rat, Kreisarzt in Neustettin. 

264. - Lemoke, Med.-Rat, Kreisarzt in Grimmen. 

266. - Lewin, prakt. Arzt in Neustettin, staatsärztl. approb. 

266. - Lewinsky, Kreisassistenzarzt in Stettin. 

*267. - M a n k e, Kreisarzt in Sohlawe. 

268. - Margulies, prakt. Arzt in Kolberg, staatsärztl. approb. 

269. - Merklin, San.-Rat u. Direktor der Provinzial-Irrenanstalt in 

Treptow (Rega). 

260. - Neumeister, Med.-Rat, chirur. Medizinalassessor bei dom 

Prov.-Medizinalkollegium in Stettin. 

261. - Palleske, Kreisassistenzarzt in Stralsund. 

*262. - Ohrloff, Med.-Rat, Kreisarzt in Anklam. 

263. - Poddey, Kreisarzt in Lauenburg i./P. 

*264, - Räuber, Regienmgs- u. Med.-Rat in Cöslin. 

266. - R i e 0 k, Kreisarzt in Labes. 



Mitgliederverzeiohnis. 


115 


266. Dr. Sachs, San.-Rat in Pollnow, staatsärzü. approb. 

267. - Sarganeok, Med.-Rat, Kreisarzt in Cöslin. 

268. - Schirmer, Kreisarzt in Naugard. 

*269. - Schlutter, Med.-Rat, Kreisarzt in Pyritz. 

270. - Schröder, prakt. Arzt in Pasewalk, staatsärztL approb. 

*271. > Schulze-Barnim, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Pror.-Medi- 
zinalkoUegiums und Kreisarzt in Stettin. 

272. - Schnitze, Professor u. Direktor der psychiatrischen Klinik in 

Greifswald. 

273. - Settegast, Med.-Rat, Kreisarzt in Bergen (Rügen). 

274. - Siemens, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-Hedizinalkolle- 

giums und Direktor der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt 
in Lauenburg. 

275. - Vanselow, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Stettin. 

*276. - Voigt, Med.-Rat, Kreisarzt in Cammin (Pommern). 

277. - Wanke, Kreisarzt in Rummelsburg. 

ProTÜur Posen. 

*278. Dr. Bekker, Kreisarzt in Wongrowitz. 

279. - V. Blomberg, Freiherr, San.-Bat, Oberarzt an der Provinzial- 
Heil- u. Pflegeanstalt Dziekanka b. Gnesen, staatsärztl. approb. 
*280. - Boehnoke, Kreisarzt in Witkowo. 

281. - Bosse, prakt. Arzt in Kosten, staatsärztl. approbiert. 

282. - Brüggemann, Med.-Rat, Kreisarzt in Bromberg. 

283. - Buddee, Kreisarzt in Neutomisohel. 

284. - Cohn, Med.-Rat, Kreisarzt in Jarotsohin. 

285. - Glauss, Kreisarzt in Posen. 

286. - Dembozaok', Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Krotosohin. 

287. - Doersohlag, Kreisarzt in Strelno. 

288. - Friedrich, Kreisarzt in Sohubin. 

289. - Gebhardt, Med.-Rat, Kreisarzt in Fraustadt. 

290. • Guttwein, prakt. Arzt in Ritsohenwalde, staatsärztl. approb. 

291. - Haaok, Kreisarzt in Gnesen. 

292. - Harmsen, Oberstabs- und Repmentsarzt in Rawitsoh, staats¬ 

ärztl. approb. 

293. - Hartisoh, Kreisarzt in Gostyn. 

294. - Herrmann, Kreisarzt in Obomik. 

295. - Huebner, Kreisarzt in Posen (West). 

296. - Jäokel, Kreisarzt in Samter. 

297. - Jaster, Regierungs- u. Med.-Rat in Bromberg. 

298. - Kleinert, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Rawitsoh. 

*299. - Knospe, Kreisarzt in Schildberg. 

3(X). - Kosohel, Kreisarzt in Filehne. 

301. - Krause, prakt. Arzt in ünruhstadt, staatsärztl. approb. 

302. - Kunau, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-MedizinalkoUegiums 

in Posen. 

303. - Lange, prakt. Arzt in SohneidemUhl, staatsärztl. approb. 

804. - Larass, Kreisassistenzarzt in Posen. 

305. - Lasohke, Kreisarzt in Schroda. 


8* 



116 


Mitgliederverzeiohnis. 


806. Dr. L e h m a n n, Med.-Rat, Kreisarzt in Posen. 

307. - Lehmann, Kreisarzt in Sohmiegel. 

*308. - Lewerenz, Kreisarzt in Kolmar (Posen). 

309. - Lissner, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Kosten. 

310. - V. Mach, Kreisarzt in Bromberg. 

311. - Mauß, prakt. Arzt in Usch, staatsärztl. approb. 

*312. - Mennioke, Kreisarzt in Znin. 

318. - Michaelsohn, Med.-Rat, Kreisarzt in Meseritz. 

314. - Paulisoh, Kreisarzt in Hohensalza. 

315. > Peschei, Kreisarzt in Birnbaum. 

316. - Plot he, Kreisarzt in Pieschen. 

317. > Pusoh, Eireisassistenzarzt und Leiter der Medizinal-Unter- 

suohungsstelle in Bromberg. 

318. - Rosenbaum, Stabs- und Bataillonsarzt in Rawitsoh, staatsärztl. 

approb. 

819. - Rubensohn, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Graetz. 

*320. - Sandbop, Kreisarzt in Kosohmin. 

321. - Sauberzweig, Kreisarzt in Wirsitz. 

322. - Schlag, Kreisarzt in Ostrowo (Bz. Posen). 

323. - Sohmidt, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Posen. 

324. - Sohmidt, Kreisarzt in Wresohen. 

825. - Sohmidt, Kreisarzt in Adelnau. 

326. - Sieber, Kreisassistenzarzt in Sohokken. 

*327. - Steiner, Kreisarzt in Czarnikau. 

*328. • Straube, Kreisarzt in Schwerin (Warthe). 

*329. - Telsohow, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohrimm. 

*330. - Troger, Kreisarzt in Kempen (Bez. Posen). 

331. - Wege, Kreisarzt in Mogilno. 

332. - Wegner, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in lässa. 

333. - Wernioke, Geh. Med.-Rat, Prorektor der Akademie, Mitglied 

des Prov. - Medizinalkollegiums, Prof, und Direktor des hygi¬ 
enischen Instituts in Posen. 

334. - Wessling, Kreisarzt in Wollstein (Bez. Posen). 

335. - Win ekler, III. Arzt an der Provinzial-Heil-und Pflegeanstalt 

in Owinsk, staatsärztl. approb. 

ProTtiii ScUesien. 

336. Dr. Adler, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Brieg. 

337. - Bergmann, prakt. Arzt in Neumarkt (Sohl.), staatsärztl. approb. 

338. - Bleich, Eireisarzt in Hoyerswerda. 

339. - Blumenreich, prakt. Arzt in Sohrau (Ob.-Sohl.), staatsärztl. 

approb. 

340. - Boretius, Kreisarzt in Rybniok. 

341. - Boss, Kreiswundarzt a. D. in Falkenberg (Ob.-Sohl.). 

342. - Brieger, prakt. Arzt in Gosel, staatsärztl. approb. 

343. - Broeokerhoff, prakt. Arzt in Freiburg (Sohl.), staatsärztl. 

> approb. 

*344. - Br oll, Med.-Rat, Kreisarzt in Pless. 

*345. - Cimbal, Med.-Rat, Eireisarzt in Neisse. 

*346. - Coester, Med.-Rat, Elreisarst in Königshiitte (Ob.-Sohl.). 



Mitgliederyerzeiohnis. 


117 


347. Dr. 
848. - 
349. - 
•350. - 
351. - 
*362. - 
*363. - 
364. - 
•366. - 

•366. - 
367. - 
*36a - 
*369. - 

360. - 

361. - 
862. - 

363. - 

364. - 
366. - 

366. - 

367. - 

368. - 

369. - 

370. - 

371. - 

372. - 

373. - 

374. - 
•375. - 

376. - 

377. - 

378. - 
*379. - 

380. - 

381. - 
•382. - 

383. - 

384. - 
•385. - 

386. - 

387. - 

388. - 

389. - 

390. - 

391. - 
•392. - 


Diering, prakt. Arzt in Eieferstädtel, staatsärztl. approb. 
Dirska, Med.-Rat, Kreisarzt in Namslau. 

Du da, E[reisarzt in Nimptsoh. 

Dybowski, Med.-Rat, Kreisarzt in Waldenburg i. Sohl. 
Erbkam, Med.-Rat, Kreisarzt in Jauer. 

Erdner, Med.-Rat, Kreisarzt in Görlitz. 

Finger, Med.-Rat, Kreisarzt in MUnsterberg (Sohles.). 
Platten, Reg.- u. Med.-Rat in Oppeln. 

Flügge. Geh. Med.-Rat, ord. Professor u. Direktor des hygie- 
nisohen Instituts in Breslau. 

Frey, Kreisarzt in Lublinitz (Obersohl.). 

Fried Ifinder, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Lublinitz(Ob.-Sohl.). 
Furoh, Ejreisarzt in Gross-Wartenberg. 

V. Gizyoki, Kreisarzt in Brieg (Bez. Breslau). 

Hassenstein, Med.-Rat, Kreisarzt in Sagan. 

Hausohild, Med.-Rat, Kreisarzt in Breslau. 

Heidelberg, Med.-Rat, Kreisarzt in Reiohenbaoh. 

Heinze, Kreisarzt a. D. in Friedeberg (Queis). 

Hirsohfeld, Med.-Rat, Kreisarzt in Glogau. 

Hoppe, Med.-Rat, Kreisarzt in Gleiwitz. 

Horn, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Löwenberg. 

Keintooh, Kreisarzt in Grottkau. 

KI e w e, Stabsarzt a. D. u. Kreisassistenzarzt in Hirsohberg (Sohl.) 
Kley, Kreisarzt in Kreuzburg (Obersohl.). 

KlingmUller, Kreisarzt in Strehlen. 

Kloss, Kreisarzt in Striegau. 

Köhler, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Landeshut. 

Krau, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohweidnitz. 

Kühn, Med.-Rat, Kreisarzt in Ratibor. 

Kutzki, Kreisarzt in Steinau (Oder). 

Laohmann, Kreisarzt in Oels (Sohles.). 

Langner, Kreisarzt in Frankenstein (Sohles.). 
la Roohe, Med.-Rat, Kreisarzt in Beuthen (Ob.-Sohl.). 

Leder, Med.-Rat, Kreisarzt in Lauban. 

Lemke, Kreisarzt und Vorsteher des Medizinal-Untersuohungs- 
amtes in Liegnitz. 

Lemke, prakt. Arzt in Domb (Er. Kattowitz), staatsärztl. appr. 
Leske, Kreisarzt in Liegnitz. 

Lesser, Geriohtsarzt, a. o. Professor u. Direktor des geriohtl. 

med. Instituts in Breslau. 

Liohtwitz, Med.-Rat, Kreisarzt in Ohlau. 

Ludwig, Med.-Rat, Kreisarzt in Habelsohwerdt. 

Lustig, Med.-Rat, Kreisarzt in Grünberg. 

Mäder, Kreisarzt in Neumarkt (Sohles.). 

Malis oh, prakt. Arzt in Batibor, staatsärztl. approb. 
Marmetsohke, prakt. Arzt in Breslau, staatsärztl. approb. 
Martini, Geriohtsarzt in Breslau. 

Matthes, Med.-Rat, Kreisarzt in Breslau. 

Mewius, Med.-Rat, Kreisarzt und Direktor der Königl. Impf¬ 
anstalt in Oppeln. 



118 


Mitgliederverzeichnis. 


393. Dr. Meyer, Kreisarzt in Muskau. 

894. - Meyer. Ereisassistenzarzt in Liegnitz. 

395. - Mühlenbaoh, Med.>Rat, Kreisarzt in Wohlau. 

*396. - Nauwerok, Med.-Rat, Kreisarzt in Guhrau. 

397. - Nobler, Kreisarzt in Glatz. 

*398. - Neumann, Kreisarzt in Leobsobütz. 

399. - Neu mann, Geb. San.-Rat, Kreispbysikus a. D. in Glogau.') 
*400. - Oebbeoke, Stadtarzt in Breslau. 

401. - Ostermann, Kreisassistenzarzt und Leiter der Medizinal- 

Untersuobungsstelle in Breslau. 

402. - Otto, Geb. Med.-Rat, Kreisarzt in Neurode. 

*403. - Paulini, Med.-Rat, Kreisarzt in Militsob (Bez. Breslau). 

404. - Philipp, Geb. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat a. D. in Liegnitz. 

405. - Pi et ru 11a, San.-Rat in Streblen (Sobles.), staatsärztl. approb. 

406. - Reimer, Stadtarzt in Görlitz. 

407. - Reinkober, Med.-Rat, Kreisarzt in Trebnitz. 

408. - Repetzki, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Gleiwitz. 

409. - Rieger, Kreisarzt in Breslau. 

410. - Rotber, Med.-Rat, Kreisarzt in Falkenberg (Ob.-Sobl.). 

411. - Salzwedel, Geriobtsarzt in Gleiwitz. 

412. - Sobablowski, Assistent am bygienisoben Institut in Breslau. 

413. - So bi Hing, Kreisarzt in Freistadt. 

*414. - Sobmidt, Med.-Rat, Kreisarzt in Neustadt (O.-Sobl.) 

415. - Sobneider, Med.-Rat u. Hilfsarbeiter bei der Königl. Regierung 

in Breslau. 

416. - Soboltz, Kreisarzt in Goldberg. 

417. - So bolz, prakt. Arzt in Görlitz, staatsärztl. approb. 

*418. - Sobreber, Kreisarzt in Bunzlau. 

419. - Sobröder, Elreisarzt in Sprottau. 

*420. - Sobröder, Med.-Rat, Kreisarzt in Kattowitz (Ob.-Sobl.). 

421. - Schubert, prakt. Arzt in Schweidnitz, staatsärztl. approb. 

422. - Sohultz-Sohultzenstein, Kreisarzt u. HUlfsarbeiter bei der 

Königl. Regierung in Oppeln. 

423. - Schweitzer, Kreisassistenzarzt in Kattowitz (Ob.-SchL). 

424. - Skrzeozek, San.-Rat u. Kreiswundarzt a. D. in Orzesohe. 
*425. - Steinberg, Kreisarzt in Hirsohberg (Sobles.). 

426. - Steiner, Kreisarzt in Rosenberg (Ob.-Sobl.). 

427. - Süssmann, Knappsohaftsarzt in Hultschin, staatsärztl. approb. 

428. - Telke, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Breslau. 

429. - Thiene 1, Kreisarzt in Gross-Strehlitz. 

430. - Tookuss, prakt. Arzt in Kreuzburg (Ob.-Sobl.), staatsärztl. 

approb. 

431. - Traoinski, Med.-Rat, Kreisarzt in Zabrze. 

432. - Wagener, 0., Kreisarzt in Lüben. 

433. - Wagner, Med.-Rat, Geriobtsarzt in Beuthen (Ob.-Sobl.). 

434. • Weozereok, Kreisarzt in Tamowitz. 

435. - Wende, prakt. Arzt in Kreuzburg (O.-Sohl.), staatsärztl. approb. 

436. - Woda, prakt. Arzt in Pitsohen, staatsärztl. approb. 


‘) Inzwischen verstorben. 



Mitgliederverzeiohnis. 


119 


437. Dr. W 0 1 f f, Me<l.-Rat, Kreisarzt in Gosel. 

438. • Wolffberg, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Breslau. 

439. - Wrobel, prakt. Arzt in Zalenze, staatsärztl. approb. 

ProTliu Saehsen* 

*440. Dr. Benin de, Kreisarzt in Liebenwerda. 

441. - y. Buohka, Oberarzt an der Proyinzial-Heil- u. Pflegeanstalt 

in Alt-Soherbitz, staatsärztl. approb. 

442. - Bundt, Kreisarzt in Querfurt. 

443. - Burmeister, Eireisarzt und Vorsteher des Medizinal-Unter- 

suohimgsamtes in Magdeburg. 

*444. - Curtius, Kreisarzt in Grosskamsdorf (Kr. Ziegenrück). 

445. - Dahlmann, Med.-Rat, Mitglied des Prov. - Medizinalkollegiums 

u. Direktor der Prov.-Hebammen-Lehranstalt in Magdeburg. 

446. - Deneke, Regierung^ u. Med.-Rat in Magdeburg. 

*447. - DUtsohke, Reg.- u. Med.-Rat in Erfurt. 

*448. - Ebhardt, Med.-Rat, Kreisarzt in Langensalza. 

449. - Eilers, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohleusingen. 

*450. - Fielitz, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Halle (Saale). 

451. - Fränkel, Geh. Med.-Rat, ord. Professor, Mitglied des Prov.- 

Medizinalkollegiums und Direktor des hygienischen Instituts 
in Halle (Saale). 

452. - Friedei, Kreisarzt in Wernigerode. 

453. - Fries, Geh. San.-Rat und Direktor der Prov.-Heil- u. Pflege- 

austalt in Nietleben (Saalkreis). 

*454. - Geissler, Med.-Rat, Kreisarzt in Torgau. 

*455. - Hübler, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Nordhausen. 

456. - Hau oh, Med.-Rat, Kreisarzt in Eisleben. 

*457. - Herr mann, Med.-Rat, Kreisarzt in Bitterfeld. 

458. - Her ms, Med.-Rat, Kreisarzt in Burg (Bz. Magdeburg). 

459. - Heydloff, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Erfurt. 

460. - Hildebrandt, Privatdozent für Pharmakologie und geriobtL 

Medizin in Halle (Saale). • 

461. - Hirsoh, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat a. D. in Magdeburg. 
*462. - Holthoff, Kreisarzt in Salzwedel. 

463. - Hoppe, Oberarzt an der Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt in 

Uchtspringe, staatsärztl. approb. 

464. - V. Ingersleben, Kreisarzt in Osohersleben. 

*465. - J a n e r t, Med.-Rat, Kreisarzt in Seehausen (Altuiark). 

466. - Kalkoff, Med.-Rat, Kreisarzt in Kö'lleda. 

467. - Kef er stein, Gerichtsarzt in Magdeburg. 

468. - Keller, Frauenarzt in Halle (Saale), staatsärztl. approb. 

*469. - Kluge, Med.-Rat, Eireisarzt in Wolmirstedt. 

*470. - Koppen, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Heiligenstadt. 

*471. - Kornalewski, Med.-Rat, Kreisarzt in Delitzsch. 

472. - Krämer, Kreisarzt in Worbis. 

*473. - Kühn, Med.-Rat, Kreisarzt in Calbe (Saale). 

474 - Mantey, prakt. Arzt in Elsterwerda, staatsärztl. approb. 

476. - M e y e, Med.-Rat, Kreisarzt in Mansfeld. 

476. • Moritz, Med.-Rat, Kreisarzt in Halberstadt. 



120 


Mitgliederrerzeiohnu. 


477. Dr. Müller, Kreisarzt in Herzberg (Elster). 

478. • Müller, prakt. Arzt in Sohleusingen, staatsärztl. approb. 

*479. - Pantaer, Kreisarzt in Sangerhausen. 

*480. • Pfeffer, Kreisarzt in Genthin. 

481. - Plange, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Stendal. 

*482. - Probst, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Gardelegen. 

483. - Reip, San.-Rat, Kreisphysikus a. D. in Arendsee (Altmarki. 

484. - Risel, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt u. Direktor der Königl. Impf- 

anstalt in Halle (Saale). 

486. - Rothmaler, prakt. Arzt in Gerbstedt, staatsärztl. approb. 

486. - S oh ade, Kreisarzt in Neuhaldensleben. 

*487. - Sohaffranek, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Zeitz. 

488. - Sohmidt, prakt. Arzt in Weissenfels, staatsärztl. approb. 

489. - Sohneider, Med.-Rat, Kreisarzt in Merseburg. 

490. - Sohröder, Kreisarzt in Weissenfels. 

491. - Schulz, a. o. Professor, Geriohtsarzt u. Direktor des gerichtl. 

med. Instituts, in Halle (Saale). 

492. - Schulze, prakt. Arzt in Liebenwerda, staatsärztl approb. 

493. - Seiffert, Med.-Rat, Kreisarzt in Mülhausen (Thür.). 

494. - Steinkopff, Med.-Rat, Kreisarzt in Naumburg (Saale). 

495. - Strassner, Geh. Med.-Rat, Kreis- u. Stadtarzt, Mitglied de$ 

Prov.-Medizinalkollegiums in Magdeburg. 

496. - Strübe, San.-Rat u. Kreiswundarzt z. D. in Halle (Saale). 

*497. - Thilow, Kreisarzt in Wanzleben (6z. Magdeburg). 

498. - Ulrich, prakt. Arzt in Erfurt, staatsärztl. approb. 

499. - Wachs, Med.-Rat, Kreisarzt in Wittenberg. 

600. - Weidenmüller, Arzt an der Provinzial-Heil-u. Pflegeanstalt 
in Uohtspringe, staatsärztl. approb. 

501. - Weinreioh, Kreiswundarzt a. D. in Merseburg. 

502. - Wodtke, Regierungs- u. Med.-Rat in Merseburg. 

Provliii SeUeswlf•Holstein. 

503. Dr. Bahrs, Med.-Rat, Kreisarzt in Sonderburg. 

504. - Bartels, Kreisarzt in Husum. 

505. - Bertheau, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Schleswig- 
606. - Bookendahl, Med.-Rat, Kreisarzt in Kiel 

507. - Bruhn, Med.-Rat, Kreisarzt in Segeberg. 

608. - Busch, prakt. Arzt in Ratzeburg, staatsärztl approb. 

*ö09. - Cimbal, leitender Arzt der AbteUung für Geisteskranke am 
städtischen Krankenhause in Altona (Elbe), staatsärztl. approb. 

510. - Gold, Med.-Rat, Kreisarzt in Meldorf. 

511. - von Fisoher-Benzon, Med.-Rat, Kreisarzt in Flensburg. 

512. - Halling, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Glückstadt. 

513. - Hansen, Med.-Rat, Kreisarzt in Hadersleben. 

514. - Herford, Stadtassistenzarzt in Altona. 

515. - Horn, Med.-Rat, Kreisarzt in Tondem. 

516. - H u n n i u s, Med.-Rat, Kreisarzt in Wandsbek. 

517. - Jahn, Kreisphysikus a. D. in Kappeln (Schlei). 

518. - Knuth, Kreisarzt in Apenrade. 

519. - Kr am er,''prakt. Arzt in Schleswig, staatsärztl approb. 



Mitgliederverzeiohnis. 


121 


520. Dr. Krefting, Kreisarzt in Plön. 

621. • Erosz, San.>Rat in Horst (Holstein), staatsörztl. approb. 

622. - Lttbbe, prakt. Arzt in Wüster, staatsärztl. approb. 

528. - V. Meurers, Med.-Rat, Kreisarzt in Rendsburg. 

524. - Neidhardt, Med.-Bat, Geriohtsarzt in Altona (Elbe). 

526. - Paulsen, Jens, prakt. Arzt in Ellerbeck, staatsärztl. approb. 

626. • Pentz, prakt Arzt in Kiel, staatsärztl. approb. 

627. - Pfannenstiel, Geh. Med.-Rat, Prof. u. Direktor der Universi¬ 

täts-Frauenklinik in Kiel, Mitglied des Prov.-Med.-Eollegiums. 

628. - R ei mann, Kreisarzt in Neumttnster. 

629. - Rohwedder, Kreisarzt in Ratzeburg. 

530. - Sohow, Kreisarzt in Neustadt (Holstein). 

631. - Sohröder, Stadtarzt in Altona (Hübe). 

532. - Sohütt, BIreisarzt in Eckemförde. 

533. - Siok, Kreisassistenzarzt in Oldesloe. 

534. - Suadioani, Med.-Rat, Kreisarzt in Schleswig. 

*635. - Walliohs, Geh. San.-Rat, Kreisphysikus a. D. in Altona. 

636. - Wenok, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Pinneberg. 

537. - Ziemke, a.0. Professor, Geriohtsarzt u. Direktor des geriohtl. 
med. Instituts in Kiel. 

Provliis Hannover* 

*638. Dr. Arbeit, Regierungs- u. Med.-Rat, in Hüdesheim. 

539. - Baohmann, Kreisarzt in Harburg (Elbe). 

640. - Barth, Med.-Rat. Kreisarzt in Bassum. 

541. - Beoker, Med.-Kat, Kreisarzt in HUdesheim. 

642. - Behrens, prakt. Arzt in Hüdesheim, staatsärztl. approb. 

643. - Bitter, Stadtarzt in Osnabrück. 

544. - Brandt, Med.-Rat, Geriohtsarzt in Hannover. 

546. - BrUokmann, prakt. Arzt in Goslar, staatsäi'ztl. approb. 

646. - Brummund, Kreisarzt in Stade. 

547. - Buohholtz, Med.-Bat, Kreisarzt in Einbeck. 

*548. - BUnting, Kreisarzt in Stolzenau. 

649. - Gramer, Geh. Med.-Rat, ord. Prof. u. Direktor der Prov.-Heil- 
u. Pflegeanstalt, der psyohiatr. Universitäts-Klinik u. der 
Poliklinik für psych. und Nervenkranke in Göttingen. 

660. - Dempwolff, Geh. San.-Rat, Kreisphysikus a. D. in Har¬ 
burg (Elbe). 

551. - Denokmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Burgdorf (Hann.). 

552. - Dieckmann, prakt. Arzt in SohUttorf, staatsärztl. approb. 
*553. - Dohrn, Kreisarzt und Direktor der Königl. Impfanstalt in 

Hannover. 

664. - Dreves, Med.-Rat, Kreisarzt in Hannover-Linden. 

555. - Eichhorst, Kreiswundarzt a. D. in Ottersberg (Hann.). 

566. - Ehrhorn, prakt. Arzt in Hannover-Herrenhausen, staatsärztl. 
approb. 

557. - Elten, Med.-Rat, Kreisarzt in Freiburg (Elbe). 

658. - V. Esmaroh, Geb. Med. Rat, Professor u. Direktor des hygie¬ 
nischen Instituts in Göttingen. 

559. - Gaebde, Med.-Rat, Kreisarzt in Blumenthal (Hann.). 



122 


Mitgliederreneiohnis. 


660. 

Dr. 

561. 

• 

502. 

- 

563. 

- 

564. 

- 

666. 

- 

666. 

- 

667. 

- 

56a 

- 

569. 

- 

670. 

- 

571. 

- 

672. 

- 

573. 


•574. 

- 

576. 

- 

576. 

- 

577. 


678. 

- 

679. 

- 

•580. 

- 

581. 


582. 

- 

•5ai. 

• 

584. 

- 

585. 

- 

*586. 

- 

587. 


588. 

- 

689. 

- 

590. 

- 

591. 

- 

692. 

- 

593. 

- 

694. 

- 

595. 

- 

596. 

- 

597. 

- 

•598. 

- 

699. 

- 

600. 

- 

601. 

- 

602. 

- 

603. 

• 


Ger lach, Assistenzarzt an der Prov.-Heil- und Pflegeanstalt 
in Hildesheim. 

Gerlaoh, Kreisarzt in Ilfeld. 

Grote, prakt. Arzt in Vienenburg, staateärztl. approb. 
Guertler, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Hannover. 
Guttmann, Kreisassistenzarzt in Ottemdorf. 

Heil mann, Med.-Rat, Eireisarzt in Melle. 

Heiniohen, prakt. Arzt in Hannover, staatsärztl. approb. 
Helwes, Kreisarzt in Diepholz. 

Herya, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Hannover. 

Hesse, Med.-Rat, Kreisarzt in Lünebxirg. 

Hillenberg, Elreisarzt in Springe. 

Holling, Med.-Rat, Kreisarzt in Soegel. 

HUpeden, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-Medizinalkolle¬ 
giums in Hannover. 

Huntemueller, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Hoya. 
Itzerott, Med.-Rat, Kreisarzt in üelzen. 

Kahle, Kreisarzt in Dannenberg. 

Kanzler, San.-Rat u. Badearzt in Bad Rothenfelde (Teutoburger¬ 
wald), staatsärztl. approb. 

Kessler, Geh. San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Salzgitter. 

Kr ecke, prakt. Arzt in Bersenbrück, staatsärztL approb. 
Krohne, Reg.- und Med.-Rat in Stade. 

Krüger, Kreisarzt u. Vorsteher des Medizinal-üntersuchungs- 
amtes in Hannover. 

Kuhlemann, prakt. Arzt in Uslar, staatsärztl. approb. 
Langerhans, Med.-Rat, Kreisarzt u. Direktor derHebammon- 
lehranstalt in Celle. 

Lemmer, Med.-Rat, Kreisarzt in Alfeld (Leine). 

Liedig, Kreisarzt in Lingen. 

Lindemann, prakt. Arzt in Hildesheim, staatsärztl. approb. 
Lochte, a. o. Professor, Kreisarzt u. Direktor des gerichtl.- 
med. Instituts in Göttingen. 

Lotze, Med.-Rat, Kreisarzt in Osterode (Harz). 

Mansholt, Kreisarzt in Leer (Ostfrsld.). 

Matth es, Kreisarzt in Wilhelmshaven. 

Meyer, Med.-Rat, Kreisarzt in Hannov. Münden. 

Meyer, Kreisarzt in Gifhorn. 

Müller, Kreisarzt in Rotenburg (Hannover). 

Müller, Kreisarzt in Northeim (Hann.) 

Müller, prakt. Arzt in Gross-Rhüden, staatsärztl. approb. 
Nieper, Med.-Rat, Kreisarzt in Goslar. 

N i e w e r t h, prakt. Arzt in Hildosheim, staatsärztl. approb. 
Nothnagel, Kreisarzt, Oberstabsarzt a. D. in Lehe. 

Noller, Geh. Med.-Rat, Regierungs- u. Med.-Rat in Lüneburg. 
Ocker, Kreisarzt in Verden (Aller). 

Offenberg, Med.-Rat, Kreisarzt in Osnabrück. 

Oliv et, prakt Arzt in Northeim (Hann.), staatsärztl. approb. 
Opitz, Kreisarzt u. Vorst, des Med.-Untersuohungsamtes in Stade. 
Petermö’ller, Med.-Rat, Kreisarzt in Meppen. 



Mitgliederverzeiobnis. 


123 


604. Dr. Picht, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Nienburg (Weser). 

*605. - Pieoonka, Kreisarzt in Peine. 

606. - Flinke, Kreisarzt in Hannover. 

607. - Prang, Kreisassistenzarzt am Medizinal - Untersuohungsamt in 

Hannover. 

608. - Proelss, Kreisarzt in Bremervörde. 

609. - Quentin, Kreisarzt in Bentheim. 

610. - Reinhold, Prof., Med.-Rat und Mitglied des Prov.-Medizinal¬ 

kollegiums in Hannover. 

611. - Riehn, Med.-Rat, Kreisarzt in Clausthal. 

612. - Ritter, Kreisarzt in Geestemünde. 

618. - Ro ehrig, prakt. Arzt in Duderstadt (Eiohsf.), staateärztl. approb. 

614. - Rump, Med.-Rat, Kreisarzt in Osnabrück. 

615. - Sohmalfuss, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-Medizinal- 

kollegiums in Hannover. 

616. - Schmidt, prakt. Arzt in Hoya, staatsärztl. approb. 

617. - Schnelle, Med.-Rat, Kreisarzt in Hildesheim. 

618. - Sohrader, prakt. Arzt in Moringen (Solling), staatsärztl. approb. 

619. - Siemon, prakt. Arzt in Hannov. Münden, staatsärztl approb. 

620. - Sommerlad, prakt. Arzt in Hannover, staatsärztl approb. 
*621. - Sorge, Kreisarzt in Lüchow. 

622. - Speokmann, prakt. Arzt in Schneverdingen, staatsärztl approb. 

623. - Staokemann, Kreisarzt in Walsrode. 

624. - Steinebaoh,'Med.-Rat, Kreisarzt in Hameln. 

625. - Strangmeyer, Kreisarzt in Quakenbrüok. 

626. - S tuoke, prakt. Arzt in Bramsohe (b. Osnabrück), staatsärztl appr. 
*627. - Tergast, Med.-Rat, Kreisarzt in Emden. 

628. - Th ölen, Med.-Rat, Kreisarzt in Papenburg (Ems). 

629. - Vellguth, prakt. Arzt in Kirchtimke, staatsärztl approb. 

630. - Wagner, Kreisarzt in Aurioh. 

631. - Wegener, prakt. Arzt in Clausthal, staatsärztl approb. 

632. - Wegener, prakt. Arzt in Riemsloh (Bez. Osnabrück), staats¬ 

ärztl. approb. 

633. - Weithoener, Kreisassistenzarzt in Zeven. 

634. - Wieohers, San.-Rat, Kreisphysikus a. D. in Gronau (Hannov.). 

635. - Will ms, prakt. Arzt in Kirchweyhe, staatsärztl approb. 

*636. - Winter, Med.-Rat, Kreisarzt in Norden. 

Provinz Westfalen. 

637. Dr. Angenete, Kreisarzt in Lübbecke. 

638. - Benthaus, Med.-Rat, Kreisarzt in Paderborn. 

639. - Besserer, Kreisarzt, Med.-Assessor beim Prov.-Medizinalkolle- 

gium und Vorsteher des Medizinal-Untersucbungsamtes in 
Münster (Westf.). 

640. - Bethge, Kreisassistenzarzt in Gelsenkirohen. 

641. - Biokhoff, prakt. Arzt in Dortmund, staatsärztl approb. 

642. - Bliesener, Kreisarzt in Bochum. 

643. - Boegershausen, Kreisarzt in Lüdinghausen. 

644. - Br an dis, prakt. Arzt in Bielefeld, staatsärztl approb. 



124 


MitgliederverzeichniB. 


(>46. Dr. Brümmer, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov. - Medizinalkolle' 
giums in Münster (Westf.). 

646. - Claus, Med.-Rat, Kreisarzt in Warburg. 

*647. - Deutsch, prakt. Arzt in Neuhaus (Westf.), staatiärtzl. approb. 

648. - Dickel, Oberarzt an den v. Bcdelschwingschen Anstalten in 

Bethel bei Bielefeld, staatsärztl. approb. 

649. - Dieminger, prakt. Arzt in Merklinde (Kr. Dortmund), staats¬ 

ärztl. approb. 

650. - Dörrenberg, Med.-Rat, Kreisarzt in Soest. 

651. - Dorsch, Stadtassistenzarzt in Dortmund. 

652. - Felgenträger, Kreisassistenzarzt in Recklinghausen. 

653. - Finger, Reg. und Med.-Rat in Arnsberg. 

654. - Friedei, Kroisarzt in Schwelm. 

655. - Georg, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Paderborn. 

656. - Gerlaoh, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov. - Medizinalkolle¬ 

giums u. Direktor der Prov.-Irrenanstalt in Münster (Westf.). 

657. - Graeve, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Hagen (Westf.). 

658. - Graeve, prakt. Arzt in Iserlohn, staatsärztl. approb. 

659. - Gruchot, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Hamm (Westf.). 

660. - Guder, Med.-Rat, Kreisarzt in Laasphe. 

661. - Hageraann, Kreisarzt in Dortmund. 

662. - Hagemeier, Kreisarzt in Lippstadt. 

663. - Heising, Med.-Rat, Kreisarzt in Borken (Westf.). 

664. - Helming, Med.-Rat, Kreisarzt in Ahaus. 

665. - Hensgen, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Siegen. 

*666. - Heyne, Kreisarzt in Beckum. 

667. - Hillebreoht, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Vlotho. 

668. - vom Hofe, Med.-Rat, Kreisarzt in Altena (Westf.). 

669. - Kasemeyer, Med.-Rat, Kreisarzt in Burgsteinfurt. 

670. - Kluge, Med.-Rat, Kreisarzt in Höxter. 

671. - Köttgen, Stadt- u. Kreisarzt in Dortmund. 

*672. - Krummaoher, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Münster 
(Westf.). 

673. - Laureck,prakt.Arzt inSohalke-Gelsenkirohen, staatsärztl.appr. 

674. - Liebetrau, Slreisassistenzarzt in Hagen (Westf.). 

675. - Limper, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Gelsenkirohen. 

*676. - Löer, Kreisarzt in Büren (Westf.). 

677. - LUttig, Med.-Rat, Kreisarzt in Brilon. 

678. - Mann, kommiss. Direktor der Prov.-Hebammenlehranstalt in 

Paderborn. 

679. - Mertens, Oberarzt an der Provinzial-Heil- xmd Pfiegeanstalt 

in Lengerioh (Westf.), staatsärztl. approb. 

680. - Meyer, San.-Rat in Olpe, staatsärztl. approb. 

681. Meyer, Augenarzt in Hagen (Westf.), staatsärztL approb. 

682. - Nauok, Med.-Rat, Kreisarzt in Hattingen (Ruhr). 

683. - Nünninghoff, Med.-Rat, Kreisarzt in Bielefeld. 

684 - Petermöller, prakt. Arzt in Oelde, staatsärztL approb. 

685. - Pollack, Kreisarzt in Hörde. 

*686. - Rapmund, Prof., Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Minden 
(Westf.). 



MitgliederverzeiohniB. 


125 


687. Dr. von Recklinghausen, Kreisarzt in Tecklenburg. 

*688. - Rheinen, Med.-Rat, Kreisarzt in Herford. 

689. - Roh erg, prakt. Arzt in Orevon (Westf.), staatsärztl. approb. 

690. - Röper, Geh. Mod.-Rat, Kreisarzt in Arnsberg (Westf.). 

691. - Rubarth, Geh. San.-Rat, 73irektor der Prov.-Heil- u. Pflege¬ 

anstalt in Niedermarsberf;. 

692. - Sartorius, Rioh., Arzt an der Heil- und Pflegeanstalt Apler¬ 

beck (Kr. Hörde), staatsärztl. approb. 

693. - Sohäffer, prakt. Arzt in Altena (Westf.), staatsärztl. approb. 

694. - V. Soheibner, Chefarzt der Heilstätte Ambrook bei Hagen 

(Westf.), Post Dahl (Kr. Hagen), staatsärztl. approb. 

695. - Sohlautmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Münster (Westf.). 

*696. - Schlüter, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Gütersloh. 

697. - Schmidt, Kreisarzt in Warendorf. 

698. - Soholand, Kreisarzt in Olpe. 

699. - Schulte, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Hörde. 

700. - Spanoken, Med.-Rat, Kreisarzt in Mesohede. 

701. - Steinhaus, Stadtassistenzarzt in Dortmund. 

*702. - Stühlen, Kreisarzt in Gelsenkirohen. 

703. - Sudhoelter, Med.-Rat, Kreisarzt in Minden (Westf.). 

704. - Tenholt. Geh. Med. - Rat, Chefarzt der Heilstätte Bering- 

hausen hei Meschede. 

705. - Többen, Med.-Rat, Kreisarzt in Recklinghausen. 

706. - Többen, leitender Arzt der Irrenabteilung bei der König¬ 

lichen Strafanstalt in Münster (Westf.). 

707. - V. Trzaska, Kreisarzt in Iserlohn. 

708. - Voigt, prakt. Arzt in Holzwickede, staatsärztl. approb. 

709. - Wolff, Kreisarzt und ständiger Hülfsarbeiter bei der Königl. 

Regierung in Arnsberg (Westf.). 

710. - Wollenweber, Kreisassistenzarzt in Bochum. 

711. - Wolters, Kreisarzt in Coesfeld. 

712. - Zumwinkel, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Gütersloh. 

Prorlnz Hessen-Nassau. 

713. Dr. Beinhauer, Med.-Rat, Kreisarzt in Höchst (Main). 

714. - Bellinger, Kreisarzt in Usingen. 

715. - Börner, Oberstabsarzt a. D. u. Kreisarzt in Eschwege. 

716. - Cauer, Kreisarzt in Schlüchtern (Bez. Cassel). 

717. - Coester, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Rinteln. 

*718. - Drei sing, Med.-Rat, Kreisarzt in Cassel. 

719. - Eichenberg, Med.-Rat, Kreisarzt in Hanau. 

720. - Ewers, Kreisarzt in Hersfeld. 

721. - Fab er, Med.-Rat, Kreisarzt in Rotenburg (Fulda). 

722. - Floeok, Kreisarzt in Montabaur. 

723. - Frank, Prof., Kreisassistenzarzt u. Leiter der Medizinalunter¬ 

suchungsstelle in Wiesbaden. 

724. - Friedländer, Hofrat, Bes. d. Privatanstalt Hohe Mark (Taunus) 

725. - Fromm, Kreisarzt in Frankfurt (Main). 

726. - Frotsoher, Arzt an der Landes-Heil- und Pflegeanstalt in 

Weilmünster (Oberlahnkreis), staatsärztl. approb. 



126 Mitgliedorverzeiohnis. 

727. Dr. Führer, Geh. San.-Rat, Kreisphjsikus a. D. in Wolfhagen 

(Bz. Cassel). 

728. - Qleitsmann, Geh. Med.>Rat, Kreisarzt in Wiesbaden. 

729. - Grau, Med.-Rat, Kreisarzt in Gelnhausen. 

730. - Hadlioh, Oberarzt ira Inf,-Regt. Nr. 81 in Frankfurt (Main), 

staatsürztl. approb. 

731. - Hans, Hospitalarzt in Limburg (Lahn), staatsärztl. approb. 

732. - Heinemann, Med.-Rat, Kreisarzt in Cassel. 

733. - Hildebrand, a. o. Professor u. Direktor des geriohtl. med. 

Instituts, Kreisarzt in Marburg. 

734. - Holthausen, Oberarzt am Landeshospital in Haina (Kloster), 

staatsärztl. approb. 

735. - Hüter, prakt. Arzt in Gelnhausen, staatsärztl. approb. 

736. • Jannsen, Kreisarzt in Westerburg. 

737. - Kahl, Kreisarzt in MelsTingen. 

738. - KäBtner,prakt.ÄrztinSteinbaoh-Hallenberg,staat8ärztl.approb. 

739. - Kimpen, Med.-Rat, Kreisarzt in Rüdesheim (Rhein). 

740. - Klingelhöffer, (ieh. Med.-Rat, Kreisarzt in Frankfurt (Main)- 

Saohsenhausen. 

741. - König, San.-Rat, Stadtarzt in Frankfurt (Main). 

742. - Kranepuhl, Kreisarzt in Rinteln. 

743. - Krause, Geh. Med.-Rat und Mitglied des Prov.-Medizinalkolle* 

giums in Cassel. 

744. - Lambert, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Melsungen. 

745. - Malous, Elreisassistenzaxzt in HUnfeld. 

746. - Mannes, prakt. Arzt in St. Goarshausen, staatsärztl. approb. 

747. - Marx, Med.-Rat, Kreisarzt in Fulda. 

748. - Mayer, Med.-Rat, Kreisarzt in St Goarshausen. 

749. - Meder, Direktor der Königl. Impfanstalt in Cassel. 

750. - Mencke, Geh. Med.-Rat, Eireisarzt in Weilburg. 

761. - Mumm, Geh. San.-Rat, Kreisphys. a. D. in Gelnhausen. 

752. - Oberstadt, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Langenschwalbach. 

753. - Petsohull, Kreisarzt in Diez. 

754. - Pfeiffer, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Wiesbaden. 

755. • Pilf, Kreisassistenzarzt in Wiesbaden. 

*756. - Rookwitz, Reg.- und Med.-Rat in Cassel. 

757. - Roselieb, Kreisarzt in Wolfhagen (Bz. Cassel). 

758. - Roth, Med.-Rat, Geriohtsarzt in Frankfurt (Main). 

759. - Sch aus, Kreisarzt in Marienberg (Westerwald). 

760. - Sohauss, Med.-Rat, Kreisarzt in Dillenburg. 

761. - Sc herb, Kreisarzt in Fritzlar. 

762. - Schotten, Med.-Rat und Mitglied des Pro7.-MedizinalkoUgiums 

in Cassel. 

763. - Sohuchhardt, prakt Arzt in Haohenbuig (Westerwald), 

staatsärztl. approb. 

764. - Schultz, Kreisarzt in Hofgeismar. 

765. - El. S i m 0 n, prakt. Arzt in Frankfurt (Main), staatsärztl. approb. 
*766. - Sonntag, Kreisarzt in Witzenhausen. 

767. - Stadtfeld, prakt. Arzt in Wiesbaden, staatsärztl. approb. 

*768. - S1611 z i n g, Kreisarzt in Ziegenhain (Bez. Cassel). 



Mitgliederveneiohnis. 


127 


769. Dr. Tenbaum, Kreisarzt in Biedenkopf. 

770. - vonTessmar, Mod.-Rat, Kreisarzt in Limburg (Lahn). 

771. - Tuczek, Geh. Med.-Rat u. Professor in Marburg, Mitglied des 

Medizinalkollegiums für die Provinz Hessen-Nassau. 

*772. - yahle, Kreisarzt in Frankenberg (Hessen-Nassau). 

778. - Werner, Kreisarzt in Schmalkalden. 

774. - Wittioh, Kreisassistenzarzt in Cassel. 

*775. - Wolf, Kreisassistenzarzt in Marburg. 

776. - Ziehe, Med.-Rat, Kreisarzt ln Hombiirg v. d. H. 

RheinproTlnz und HohensoUern. 

777. Dr. Albert, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Meisenheim. 

778. - Altendorf, Med.-Rat, Kreisarzt in Prüm. 

779. - Asohaffenburg, Prof, der Psychiatrie in Cöln. 

780. - Bachem, Kreisarzt in Euskirchen. 

781. - Bahr, Kreis- u. Stadtarzt in Duisburg. 

782. - Baizar, Kreisarzt in Heddesdorf (Kreis Neuwied). 

783. - Baum, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Aachen. 

784. - Berg, Gerichtsarzt in Düsseldorf. 

786. - Berger, Kreis- u. Stadtarzt in Krefeld. 

786. - Borntraeger, Geh. Med.-Rat, Reg.-u. Med.-Rat in Düsseldorf. 

787. - Braun, Kreisarzt in Wetzlar. 

788. - Braun, Geh. Med.-Rat, Geriohtsarzt in Elberfeld. 

789. - Brookhaus, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Godesberg. 

790. - Burkart, prakt. Arzt in Mülheim (Ruhr), staatsärztl. approb. 

791. - Burkharth, Oberamtsarzt in Gammertingen (HohenzoUern). 

792. - Garp, Med.-Rat, Kreisarzt in Wesel. 

793. - Clären, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Bonn. 

794. - Glarfeld, prakt. Arzt in Solingen, staatsärztl. approb. 

795. - Clauditz, Kreisarzt in Remscheid. 

796. - D a h m, Leiter des bakteriologischen Laboratoriums in Duisburg. 

797. - Daske, Stadtassistenzarzt in Düsseldorf-Grafenberg. 

798. - Dennemark, Oberarzt im Inf.-Regt. Nr. 39 in Ehrenbreitstem, 

staatsärztl. approb. 

799. - Ehlers, Kreisassistenzarzt in Trier. 

800. - Eickhoff, Med.-Rat, Kreisarzt in Siegburg. 

801. - Engels, Kreisarzt in Gummersbach. 

802. - Esch-Waltrup, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Cöln. 

803. - Falkenbach, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Mayen. 

*804. - V. Fewson, Baron, Kreisarzt in Ahrweiler. 

805. - Finkler, Geh. Med.-Rat, ord. Professor und Direktor des hygie¬ 

nischen Instituts in Bonn. 

806. - Fischer, Kreisassistenzarzt in Essen (Ruhr). 

807. - F 0 c k e, prakt. Arzt in Düsseldorf, staatsärztl. approb. 

808. - Frech, Kreisassistenzarzt a. D. in Koblenz. 

809. - Fr icke, Stadtassistenzarzt in Duisburg. 

810. - Fritsch, Geh. Ober-Med.-Rat u. ord. Professor in Bonn, Mit¬ 
glied des MedizinalkoUegiiuns für die Rheinprovinz. 

- Gasters, Kreis- u. Stadtarzt in Mühlheim (Ruhr). 


811. 



128 


Mitgliederyeraeiohnis. 


812. Dr. Grape, Kreisassistenzarzt und Leiter der Medizinal«Unter- 
suohungsstelle in Sigmaringen. 

818. - Grisar, Geh. Med.>Rat, Reg. u. Med.-Rat in Koblenz. 

814. - Heinriohs, Med.-Rat, Kreisarzt in Jttlioh. 

816. * Herbst, Kreisarzt in Kempen (Rhein). 

816. - Herlitzius, Kreisarzt in Erkelenz. 

817. • Herting, Direktor der Prov.-Heil- u. Pflegeanstalt in Galk- 

hausen (Post Langenfeld, Rhld.) 

818. - Hilgermann, Kreisarzt und Vorsteher des Medizinal - Unter- 

suohungsamtes in Goblenz. 

819. - Hillebrand, Kreisarzt in Bergheim (Erft). 

820. - Hoechst, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Wetzlar. 

821. - Hofaoker, Kreisarzt in Düsseldorf. 

822. - Hoffa, Theodor, prakt. Arzt in Barmen, staatsärztl. approb. 

823. - Hoffmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Trier. 

824. - Hohn, Leiter des hakteriolog. Laboratoriums in Essen (Ruhr). 

825. - Isfort, Kreisarzt in Call. 

826. - Jannes, Arzt des Kreispflegehauses in Esohweiler. 

827. > Joesten, Josef, prakt. Arzt in (^In-Ehrenfeld, staatsärztl. 

approb. 

828. - Kessel, Kreisarzt in Rheinbaoh. 

829. - Kettler, Geriohtsarzt in Duisburg. 

830. - Kirohgässser, Kreisarzt in Koblenz. 

831. - Kirsch, prakt. Arzt in Ehipen, staatsärztl. approb. 

832. • Klare, Kreisassistenzarzt in Saarbrücken. 

833. - Klein, Kreisarzt in St. Goar. 

834. - Klein, Geriohtsarzt in Essen (Ruhr). 

835. - Knepper, Kreisarzt a. D. imd Vertrauensarzt der Landes* 

Versicherungsanstalt in Düsseldorf. 

836. - Ko epp e, Med.-Bat, Kreisarzt in Zell (Mosel). 

837. - Kohlmann, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Koblenz. 

838. - Krause, Kreis- u. Stadtarzt in München-Gladbach. 

839. - Krautwig, Beigeordneter in C5ln. 

840. - Kriege, Kreis- u. Stadtarzt in Barmen. 

841. • Kruse, a. o. Professor in Bonn. 

842. - Kypke-Burohardi, Kreisarzt in Bitburg (Bz. Trier). 

843. - Ledermann, Med.-Rat, Kreisarzt in Saarlouis. 

844. - Lehmann, Kreisarzt in BemkasteL 

846. - Lehnen, prakt. Arzt in Gerolstein, staatsärztl. approb. 

*846. - Lembke, Kreisarzt in Kreuznach. 

847. - Linok, Kreisarzt in Mörs. 

848. - Litterski, Med.-Rat, EZreisarzt in Mayen. 

*849. - Lohmer, Kreisassistenzarzt in Cöln. 

850. - Longard, San.-Rat, Geriohtsarzt a. D. imd Direktor des Fürst 

Carl - Landeshospitals in Sigmaringen. 

851. - Marx, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Bonn. 

852. - Mayer, Kreiswimdarzt a. D. in Simmern. 

853. - Meder, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Altenkirohen (Westerwald). 

854. - Meder, Kreisarzt u. Direktor der Königlichen Impfanstalt in 

Cöln. 



Mitgliederverzeiohnis. 


129 


855. Dr. 

856. - 

857. - 

858. - 

859. - 

860. - 

861. - 
862. - 
•863. - 
864. - 
866 . - 

866 . - 

867. - 

868 . - 
869. - 

870 - 

871. - 

872. - 

873. - 

874. - 

875. - 

876. - 

877. - 

878. - 
*879. - 

880. - 
881. - 
882. - 

883. - 

884. - 

885. - 

886 . - 

887. - 

888 . - 

889. - 

890. - 

891. - 

892. - 

893. - 

894. - 
896. - 

896. - 

897. - 

898. - 


Meerbeok, Kreisarzt in Mülheim (Rhein). 

Meyer, Med.-Rat, Kreisarzt in Lennep. 

Michels, Med.-Rat, Kreisarzt in Adenau. 

Müller, prakt. Arzt in Mettmann, staatsärzÜ. approb. 
Müller, Aug., prakt. Arzt in Münohen-Gladbaoh, staatsärztl. 
approb. 

Neuhaus, San.-Rat und leitender Arzt d. Dep.-Anstalt für 
Geisteskranke in Düsseldorf. 

Niemeyer, Med.-Rat, Elreisarzt in Neuss. 

Orthmann, Oberarzt in Cöln-Lindenthal. 

Paffrath, Med.-Rat, Kreisarzt in Cleve. 

Peren, Kreisarzt in Montfoie. 

Peretti, San.-Rat u. Direktor der Heil- u. Pflegeanstalt in 
Düsseldorf - Grafenberg. 

Petersen, Kreisphysikus a. D. in Düsseldorf. 

Plempel, Geriohtsarzt in Cö'ln. 

Pollitz, Direktor der Königl. Strafanstalt in Düsseldorf. 
Prigge, Assistent an der bakteriol. Untersuohungsanstalt in 
Saarbrücken, staatsärztl. approb. 

Püllen, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Grevenbroich. 

Racine, Med.-Rat, Kreisarzt in Essen (Ruhr). 

Rathmann, Kreisarzt und ständiger Hilfsarbeiter bei der 
Königl. Regierung in Düsseldorf-Grafenberg. 

Reokmann, Kreisarzt in Geldern. 

Renner, prakt. Arzt in Neuss, staatsärztl. approb. 

Ri ecken, Med.-Rat, Kreisarzt in Malmedy. 

Reeder, Med.-Rat, Kreisarzt in Vohwinkel. 

Roller, Med.-Rat, Kreisarzt in Trier. 

Rühs, Stadtassistenzarzt in Barmen. 

Rusak, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Göln. 
Schelowsky, prakt. Arzt in Sterkrade, staatsärztl. approb. 
Schlecht, Regierungs- u* Med.-Rat in Trier. 
Sohlegtendal, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Aachen. 
Schmidt, Kreisarzt in Neunkirohen (Bez. Trier). 

Schmitz, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Aachen. 

Sohrakamp, Med.-Rat, Stadt- u. Kreisarzt in Düsseldorf. 
Schrammen, prakt. Arzt in Cöln, staatsärztl. approb. 
Schubert, Med.-Rat, Kreisarzt in Göln. 

Schulz, Geh. Med.-Bat, Kreisarzt a. D. in Koblenz. 
Schumacher, Kreisassistenzarzt in Trier. 

Schwabe, Kreisarzt in Saarbrücken. 

Sohwass, Geh. Med.-Rat u. Hofrat, Regier.- u. Med.-Rat in 
Sigmaringen. 

Söhle, Kreisarzt in WaldbröL 

Stauss, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Heohingen. 

Steinbaoh, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Beuel. 

Stoffels, Kreisarzt in Wipperfürth. 

Stoffels, prakt. Arzt in Mörs, staatsärztl. approb. 

Thiele, Med.-Rat, Kreisarzt in Goohem. 

Thoma, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Aachen. 

9 



130 


Mitgliederverzeiohnis. 


899. Dr. Thywissen, prakt. Arzt in Neuss, staatsärztl. approb. 

900. - Tietz, Kreisarzt in St. Wendel. 

901. - Ueberholz, Kreisarzt in Wittlich. 

902. - Ungar, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-MedizinalkollegiuiDs, 

Geriohtsarzt u. a. o. Prof, in Bonn. 

903. - Vieson, Med.-Rat, Kreisarzt in Merzig. 

904. - Volkmuth, Med.-Rat, Kreisarzt in Saarburg. 

*905. - Vollmer, Kreisarzt in Simmem. 

906. - Waohendorff, prakt. Arzt in Stolberg (Rhl.), staatsärztl. 
approb. 

*907. - W e X, Med.-Rat, Kreisarzt in Düren (Rhld.). 

9U8. - Windheuser, Kreisarzt in Daun. 

909. - Wirsch, Med.-Rat, Kreisarzt in Bonn. 

910. - Wirtz, Kreisassistenzarzt in Cöln. 

911. - Wolff, Med.-Rat, Kreisarzt in Elberfeld. 

912. - Woltemas, Med.-Rat, Kreisarzt in Solingen. 

918. - Zibell, Kreisarzt u. Vorsteher der Medizinal-Untersuehungs- 
stelle in Düsseldorf. 

914. - Zillessen, Kreisarzt in Heinsberg (Rhld.). 

Ausserdem: 

915. Dr. Adam, Stabs- u. Bataillonsarzt in Diedenhofen. 

916. - Bürger, prakt. Arzt in Mehlis (Thüringen), staatsärztl approb. 
*917. - Kühnemann, Oberstabs- und Regimentsarzt in Straßburg 

(Elsaß), staatsärztl. approb. 

918. - Mosebaoh, prakt. Arzt in Idar, staatsärztl. approb. 

919. - Neuhaus, Oberstabsarzt a. D., Bezirksarzt in Gera. 

920. - Neumann, Leiter der bakteriologischen Untersuchung.sstelle 

in Idar. 

921. - Peters, Kreisarzt a. D. in Hamburg. 

*922. - Schulze, prakt. Arzt in Zerbst, staatsärztl approb. 

928. - Symanski, Leiter des bakteriologischen Untersuohuugsamts 
in Metz, staatsärztl. approb. 

M. KAnigTeleh Bayern. 

924. Dr. Alafberg, Bezirksarzt in Ludwigshafen (Rh.). 

925. - Angerer, Bezirksarzt in München. 

926. - V. Angerer, k. Geh. Rat, üniversitätsprofessor, Generalarzt 

ä la stiite des Sanitäts-Corps in München. 

927. - Appel, Bezirksarzt in Straubing. 

928. - Aschenbrenner, Bozirksarzt in Gerolzhofen. 

939. - Auer, Bezirksarzt in Bad Aibling. 

930. - Aumüller, Bezirks- u. Krankenhausarzt in Roding. 

931. - Bald, Bezirksarzt in Weissenburg (Bayern). 

932. - Barthel, Theod., Nervenarzt in Nürnberg, staatsärztl. approb. 

933. - Bauer, Karl, bezirksärztl Stellvertreter u. Bahnarzt in Nord¬ 

halben. 

934. - Bauer, Philipp, Bezirksarzt in Neunburg v. Wald. 

985. - Baumann, Landgerichtsarzt in Fürth (Bayern). 



Mitglioderverzeiohnis. 


131 


936. Dr. Baumgart, Bezirksarzt in Miltenberg. 

937. - Bayerl, Landgerichtsarzt in Deggendorf. 

938. - Bayersdörfer, prakt. Arzt in Neustadt (Hardt), staatsärzti. 

approb. 

939. - Becher, prakt. Arzt in Schöllkrippen (Ufr.), staatsärzti. appr. 

940. - Beck, Med.-Rat u. Bezirksarzt in Eichstätt. 

941. - Becker, Karl, prakt. Arzt in Speyer, staatsärzti. approb. 

942. - Becker, Karl, Bezirksarzt, Bahnarzt u. Geföngnisarzt in MUnohen. 

943. - Becker, Georg, Bezirksarzt in Kirchheimbolanden. 

944. - Behr, Valentin, prakt. Arzt in WUrzburg, staatsärzti. approb. 

946. - B eisei e, Hans, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Tutzing, staatsärzti. appr. 

946. - Beltinger, prakt. Arzt in Nördlingen, staatsärzti. approb. 

947. - Bergmann, Bezirksarzt in Staffelstein. 

948. - Bernhuber, Franz, Krankenhausarzt in Altötting, staatsärzti. 

approb. 

949. - Betz, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Beilngries, staatsärzti. approb. 

950. - Beyer, Bezirksarzt in Cham. 

951. - Bi hl er, Bezirksarzt u. Gefängnisarzt in MUnohen. 

952. - Bisohoff, Bezirksarzt in Elrlang^n. 

953. - Bit ton, Bezirksarzt in Forchheim (Bayern). 

954. - Blaohian,k. Oberarzt der Kreisirrenanstalt in Wemeck. 

955. - Bl an alt, Bezirksarzt in WUrzburg. 

956. - Bleser, prakt. Arzt in Alzenau, staatsärzti. approb. 

957. - BlUmm, Joh. Ed., Bezirksarzt in Neustadt (Saale). 

958. - BlUmm, Hermann, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Obernburg. 

959. - Boeoale, Bezirksarzt in Stadtamhof. 

960. - Böhm, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Augsburg. 

961. - Borger, Bahnarzt in Helmbrechts, staatsärzti. approb. 

962. - Boy4, prakt. Arzt in Kirchheimbolanden, staatsärzti. approb. 

963. - Brand, Bezirksarzt u. Medizinabrat in FUssen. 

964. - Braun, Adolf, prakt. Arzt in Bergtheim bei WUrzburg, staats¬ 

ärzti. approb. 

965. - Braun, Friedrich, Bezirksarzt in Eulmbaoh. 

966. - Braun, Lorenz, Bezirksarzt in Königshofen. 

967. - Braun,Rud., prakt. Arzt in Markt Sugonheim, staatsärzti. approb. 
9(38. - Bredauer, Bezirksarzt in Wolfratshausen. 

9(39. - Breunig, Bezirksarzt in Mainburg. 

970. - Brinsteiner, Bezirksarzt in Landsberg (Lech). 

971. - BrodfUhrer, Krankenhausarzt in Schliersee (Oberb.). 

972. - Bruglocher, Reg.- u. Kreismedizinalrat in Ansbach. 

973. - Brusius, bezirksärztlioher Stellvertreter in Erbendorf. 

974. - Bschorer, Bezirksarzt in Neustadt (Aisch). 

975. - Bub, Bezirksarzt in Augsburg. 

976. - BUller, Bezirksarzt in Stadtsteinach. 

977. - Bullinger, prakt. Arzt in Burgkundstadt, staatsärzti. approb. 

978. - Bunz, prakt. Arzt in Regensburg, staatsärzti. approb. 

979. - Burgl, Landgeriohtsarzt, Hausarzt bei denGeriohtsgefängnissen 

in Nürnberg. 

980. - Burkart, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Rosenheim. 

981. - Burkhardt, londgeriohtl. Phys.-Assistent in Nürnberg. 

9* 



132 


Mi bglioderverzeiobnis. 


982. 

Dr. 

98.3. 

• 

984. 

- 

985. 

• 

986. 

- 

987. 

- 

08& 

- 

989. 

- 

990. 

- 

991. 

. 

992. 

- 

993. 

- 

994. 

• 

996. 

- 

996. 


997. 

- 

998. 

- 

999. 


1000. 

- 

1001. 

- 

1002. 

- 

1003. 

- 

1004. 

• 

1006. 

- 

1006. 

- 

1007. 

- 

1008. 

- 

1010. 

- 

1011. 

- 

1012. 

- 

1013. 

- 

1014. 

- 

1015. 

- 

1016. 

_ 

1017. 

- 

1018. 

- 

1019. 

- 

1020. 

- 

1021. 

- 

1022. 

- 


CI essin, Oskar, prakt. Arzt in GlanmUnohweiler, staatsSrztl. 
approb. 

V. Dall’Armi, Bezirksarzt in München. 

Dehler, Oberarzt der Abteilung für körperliche Kranke der 
Kreisirrenanstalt in Frankenthal (Pfalz), staatsärztL approb. 
Demuth, Reg.- u. Kreis - Med.-Rat in Speyer. 

Deppisch, bezirksärztl. Stellvertreter in Pottenstein. 
Desing, prakt. Arzt in Mömsheim, staatsärztl. approb. 
Detzel, Bezirksarzt in Rookenhausen. 

Diel mann, prakt. Arzt in Schweinfurt, staatsärztl approb. 
Dietrich, bezirksärztl. Stellvertreter, Bahnarzt u. Postarzt in 
Amstein. 

Dietsch, Bezirksarzt in Hof (Saale). 

Dischinger, prakt. Arzt u. Bahnarzt in München, staatsärztl. 
approb. 

Döderlein, prakt. Arzt in Reiohelsdorf b.Nürnberg, staatsärztl. 
approb. 

Doepke, prakt Arzt in Bamberg, staatsärztl. approb. 
Dörfler, Spezialarzt für Chirurgie in Regensburg, staatsärztl. 
approb. 

Dollmann, Ohrenarzt in München, staatsärztL approb. 
Dorffmeister, Reg.- u. Kreis-Med.-Rat in Regensburg. 
Dorsch, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Donauwörth, staatsärztl. 
approb. 

Dreyfuss, prakt. Arzt in Kaiserslautem, staatsärztl. approb. 
Drossbaoh, Bezirksarzt in Waldmünohen. 

V. Ebner, Freiherr, Schularzt u.Physikatsassistent in Nürnberg. 
Eccard, Direktor der Kreisirrenanstalt in Frankenthal (Pfalz). 
Eckert, Fritz, prakt. Arzt in Oberhausen bei Augsburg, 
staatsärztl. approb. 

Edenhofer, Bezirksarzt in Regen (Nordbayera). 

Eder, Bezirsarzt in Grafenau. 

Egger, Reg.- u. Kreis-Med.-Rat in Würzburg. 

Eisenhofer, Bezirksarzt in Parsberg. 

Eller, prakt. Arzt in Grünstadt, staatsärztl. approb. 

Endres, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Blertissen (Schwaben). 
Entres, Josef, Landgeriohtsarzt in Weiden. 

Enzensberger, Bezirksarzt in Kemnath. 

Erdt, Landgeriohtsarzt in München. 

Ernst, prakt. Arzt in Hof (Saale), staatsärztl. approb. 

Erras, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Kolbermoor, staatsärztl. 
approb. 

Ertl, Bezirksarzt in Landau (Isar). 

Esohwig, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Laufen. 

Faber, Bezirksarzt und Landgeriohtsarzt in Zweibrüoken. 
Federsohmidt, Bezirksarzt in Dinkelsbühl. 

Feyerle, Bezirksarzt in Hilpoltstein. 

Fiedler, prakt. Arzt in Landstuhl, staatsärztL approb. 

Fink, bezirksärztlioher Stellvertreter in Regenstauf. 



MitgliederyeneichniB. 


133 


1023. Dr. Fischer, Distriktskrankenhausarzt in Hutthurm. 

1024. - Fleisohmann, Anstaltsarzt in Lichtenau (Mittelfranken), 

staatsSrztl. approb. 

1025. - Flierl, Bezir^arzt u. Bahnarzt in Schweinfurt. 

1026. - Fortner, Bezirksarzt in Bad Tölz. 

1027. - Frank, Bezirksarzt in Zweibrlloken. 

1028. - Franke, Hans, prakt. Arzt in Weißenburg (Bayern), staatsärztl. 

approb. 

1029. - Frantz, Richard, bezirksärztl. Stellvertreter in Grttnstadt. 

1030. - Frickhinger, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Schrobenbausen. 

1031. - Fritz, Oberarzt der Ereis-lrrenanstalt in Bayreuth. 

1032. - Fuchs, Bezirksarzt in Dingolfing. 

1033. - Gaggell, Bezirksarzt a. D. in Trulben (Pfalz). 

1034. - Gaill, Bezirksarzt a. D. in München. 

1035. - Gast, prakt. Arzt in Immenstadt, staatsärztl. approb. 

1036. - Gebhardt, Bezirksarzt in Yieohtaoh. 

1037. • Geiger, bezirksärztlicher Stellvertreter in Hemau. 

1038. - Gernand, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Alzenau. 

1039. - Gernert, Mich., prakt. Arzt in Nürnberg, staatsärztl. approb. 

1040. - Gessele, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Traunstein, staatsärztl. 

approb. 

1041. - G i e r e r, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Wendelstein, staatsärztl. appr. 

1042. - Glauning, Physikatsassistent in Nürnberg. 

1043. • Glenk, prakt. Arzt in Buohloe, staatsärztl. approb. 

1044. - Gmehling, Bezirksarzt in Burglengenfeld. 

1045. - Göttling, Direktorder Entbindungsanstalt und Hebammen- 

sohule in Bamberg. 

1046. - Götz, Herrmann, prakt. Arzt in Aichaoh, staatsärztl. approb. 

1047. > Götz, Karl, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Nördlingen. 

1048. - Gopppelt, prakt. Arzt in Treuohtlingen, staatsärztl. approb. 

1049. - Goy, Bezirksarzt imd Med.-Rat in Ochsenfurt. 

1050. - Grab, prakt. Arzt in Hengersberg, staatsärztl. approb. 

1051. - Grahamer, Jakob, Bezirksarzt in Memmingen. 

1052. - Grahamer, Karl, Bezirksarzt in Rottenburg (Neckar). 

1053. - V. Grashey, Geheimer Rat, Referent im Staatsminist, d. Innern 

u. Vorsitzender des Obermedizinal-Ausschusses in München. 

1054. - Grasmann, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Regensburg. 

1055. - Grassl, Bezirksarzt in Lindau (Bodensee). 

1056. - Grassier, Bezirksarzt in Berchtesgaden. 

1057. - Greiner, Bezirksarzt in Amberg. 

1058. - Grimm, prakt. Arzt in Eklenkoben, staatsärztl. approb. 

1059. - Gros, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Sobwabmünohen. 

1060. - Grüb, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Freising. 

1061. - Grub er, Bezirksarzt, Bahnarzt u. Gefängnisarzt in München- 

Giesing. 

1062. - Grundier, Bezirksarzt in Neumarkt (Oberpfalz). 

1063. - Günther, Bezirksarzt in Höchstadt a. Aisch. 

1064. - Gutermann, prakt. Arzt in Unterthingau, staatsärztl. approb. 

1065. - Haass, bezirksärztl.Stellvertr. u. Bahnarzt in Altdorf b. Nürnberg. 

1066. • Härtl, Hofarzt u. Bezirksarzt in Wasserburg (Inn). 



134 


MitgliedcrvorzeioluiiB. 


1067. Dr. Hagen, bezirksSrztl. Stellvertreter und Oberstabsarzt a. D. in 

Windsheim. 

1068. - Hahn, prakt. Arzt in Niederkirohen b. Kaiserslautem, staats- 

ärztlioh approb. 

1069. - Handsohuch, Bezirksarzt in Homburg (Pfalz). 

1070. - Harder, Bezirksarzt in Nürnberg. 

1071. - Hartmann, Bezirksarzt in Pfaffenhofen a. Ilm. 

1072. - Hausladen, prakt. Arzt in Schäftlarn, staatsärztl. approb. 

1073. - Hausmann, Bezirksarzt in Daohau. 

1074. - Heilmaier, Oskar, prakt. Arzt in Würzburg, staatsärztl. appr. 

1075. - Heinsen, Nervenarzt in Augsbimg, staatsärztl approb. 

1076. - Heiss, Adolf,* Krankenbausarzt in Starnberg, staatsärztl appr. 

1077. - Heissler, Bezirksarzt in Neuburg (Donau). 

1078. - Held, Heinr., Bezirksarzt u. Hausarzt a. Zuohth. in Straubing. 

1079. - Helmerioh, bezirksärztl Stellvertreter in Sesslach. 

1080. - Henkel, Bezirksarzt in München. 

1081. - Hennig, bezirksärztl. Stellvertreter in Winnweiler. 

1082. - Hermann, Friedrich Anton, Landgeriohtearzt in München. 

1083. - Herrmann, Franz, Bezirksarzt in Germersheim. 

1084. - Hertel, prakt. Arzt in Hagenbaoh (Pfalz), staatsärztl. approb. 

1085. - Hess, Med.-Rat, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Wunsiedel. 

1086. - Heydner, prakt. Arzt in Obemzenn, staatsärztl approb. 

1087. - Hinker, bezirksärztl Stellvertreter in Rotthalmünster. 

1088. - Hook, prakt. Arzt in Wö'rth a. Main, staatsärztl. approb. 

1089. - Hoeohstätter, bezirksärztl Stellvertreter und Bahnarzt in 

Stadtprozelten. 

1090. - Hörmann V. Hörbaoh, Med.-Rat, Bezirksarzt in Speyer. 

1091. - Hoerrner, Bezirksarzt in St. Ingbert 

1092. - Hösch, Hugo, Oberarzt am Distrikts - Krankenhaus in Pasing. 

1093. - Hösch, Paul, Assistenzarzt am Distriks-Krankenhaus in Pasing. 

1094. - V. Hösslin, Landgeriohtsarzt in Landau (Pfalz). 

1095. - Hofmann, Franz, Bezirksarzt in Würzburg. 

1096. - Hofmann, Heinr., prakt. Arzt in Hilpoltstein, staatsärztl 

approb. 

1097. - Hofmann, Moritz, Prof., Med.-Rat u. Landgerichlsurzt in 

München. 

1098. - Hofmann, Theod., Bezirksarzt in Mellrichstadt. 

1099. - Hofmeister, prakt. Arzt in Schleifiheim, staatsärztl. approb. 

1100. - Hohenberger, prakt. Arzt in Sommeraoh, staatsärztl approb. 

1101. - Hollaender, prakt. Arzt in Arzberg (Bz. Amt Wunsiedel). 

staatsärztl. approb. 

1102. - Horeld, Hausarzt an der Gefangenanstalt in Sulzbacb. 

staatsärztl. approb. 

1103. - Huber, Franz, Krankenhaus- u. Bahnarzt in Fladungen. 

1104. - Huber, Richard, prakt. Arzt in Brand b. Markt-Redwitz, 

staatsärztl. approb. 

1105. - Hug, Bezirksarzt in Donauwörth-Yohenstrauss. 

1106. - Illing, bezirksärztlicher Stellvertreter in Markt - Erlbach. 

1107. - Imhof, prakt. Arzt in Schellenberg, staatsärztl. approb. 

1108. - Jourdan, prakt. Arzt in München, staatsärztl approb. 

1109. - Kablert, prakt. Arzt in Hof (Saale), staatsärztl. approb. 



Mitgliedei'verzeiohnis. 


135 


1110. Dr. K a r 1, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Deggendorf, staatsärztl. approb. 

1111. - Karrer,^Med.-Rat u. Direktor der Kreisirrenanstalt in Klingen- 

mUnster. 

1112. - Kaspar, Bahnarzt in München, staatsärztl. approb. 

1113. - Kaufmann, Veit, Hofrat u. Bezirksarzt a. D. in Bad Dürkheim 

1114. - Kaufmann, Sally, prakt. Arzt in Bad Dürkheim, staatsärztl. 

approb. 

1115. - Keller, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Heimenkiroh, staatsärztl. 

approb. 

1116. - Kern, prakt. Arzt in Pirmasens, staatsärztl. approb. 

1117. - Kersohensteiner, prakt. Arzt in Neubeuern (Inn), staats- 

ärztlioh approb. 

1118. - Ketterl, Peter, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Cham, staatsärztl. 

approb. 

1119. - Kienningers, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Sonthofen. 

1120. • Kihn, Bezirksarzt in Marktheidenfeld. 

1121. • Kirsoh,Christian, prakt. Arzt u.Bahnarzt in Aubing b.München, 

staatsärztl. approb. 

1122. - Klemz, Landgeriohtsarzt in Memmingen. 

1123. - Klingel, prakt. Arzt u. städt. Schularzt in Nürnberg. 

1124. - Kn ehr, Heinrich, Nervenarzt in Nürnberg, staatsärztl. approb. 

1125. - Knorz, prakt. Arzt u. Krankenhausarzt in Prien, staatsärztl. 

approb. 

1126. - Koch, Phil., prakt. Arzt in Waldmohr (Pfalz), staatsärztl. approb. 

1127. - Köhl, prakt. Arzt in Naila, staatsärztl. approb. 

1128. • Körber, Medizinalrat, Bezirks-u. Zuohthausarzt in Würzburg. 

1129. - Krämer, Bezirksarzt in Naila. 

1130. - Kraus, Landgeriohtsarzt in Sohweinfurt. 

1181. - Krembs, prakt. Arzt und Bahnarzt in Schongau, staatsärztl. 
approb. 

1132. - Kreuz, bezirksärztl. Stellvertreter u. Bahnarzt in Dettelbach. 
1133 - Kröhl, bezirksärztl. Stellvertreter in Schesslitz. 

11.-14. - Kühn, Bezirksarzt und Landgeriohtsarzt in Frankentbal (Pfalz). 
11JJ5. - Kufuer, Landgeriohtsarzt in Passau. 

1136. - KundmUller, Bezirksarzt in Hofheim. 

1137. - Kundt, Direktor der Kreisirrenanstalt in Deggendorf. 

1138. - Lacher, Hofrat u. prakt. Arzt in Berchtesgaden, staatsärztl. 

approb. 

1139. - Landgraf, Hofrat u. Krankenhausarzt in Bayreuth. 

1140. -j},Lauer, Bezirksarzt in Riedonburg. 

1141. - Lechleuthner, Karl, prakt. Arzt in Rosenheim, staatsärztl. 

approb. 

1142. - Lehner, prakt. Arzt in Frankenthal (Pfalz), staatsärztl. appr. 

1143. - Leonpacher, Mod.-Rat u. Landgeriohtsarzt in Traunstein. 

1144. - Löffler, Bezirksarzt in Bamberg. 

1145. - Löhe, prakt. Arzt in Dinkelscherben bei Augsburg, staats¬ 

ärztl. approb. 

1146. - Lottner, Bezirksarzt in Griesbach (Niederbayem). 

1147. - Luckinger, Landgeriohtsarzt u. Bahnarzt in Regensburg. 

1148. - Lust, Bezirksarzt in Kaufbeuren. 




136 


Mitgliederverzoiohnis. 


1149. Dr. Lutz, Hans, Bezirksarzt in Liohtenfels. 

1160. - Lutz, Emst, prakt. Arzt in Sohnaitsee b. Traunstein, 

staatsSrztl. approb. 

1161. - Maar, Bezirksarzt in Hammelburg. 

1162. - Mädl, prakt. Arzt in Kempten, staateärztl. approb. 

1163. - Mangelsdorff, Bezirksarzt in GemUnden a. M.. 

1164. - Mann, Bezirksarzt in Pirmasens. 

1166. • Martins, prakt. u. Krankenhausarzt in Eulmbaoh, staatsärztl. 
approb. 

1166. - Marz eil, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Elitzingen. 

1167. - Mayer, Franz Xaver, Bezirksarzt in Pfarrkirchen. 

1168. - Mayer, Landgeriohtsarzt u. Med.-Kat in Amberg. 

1169. > Mayer,Garl, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Rothenburg ob d. Tauber. 

1160. • Mayer, Wilhelm, prakt. Arzt in München, staatsärztl. approb. 

1161. • Mayr, Ludwig, prakt. Arzt in Ismaning b. München, staats- 

Krztlich approb. 

1162. • Medious, Franz, prakt. Arzt imd Bahnarzt in Bobingen, 

staatsärztl. approb. 

1163. - Meixner, prakt. Aizt in Liohtenfels, staatsärztl. approb. 

1164. - V. Merkel, Gottlieb, Ober-Med.-Rat u. Bezirksarzt a. D. iu 

Nürnberg. 

1165. - Merkel, Hermann, Privatdozent für geriohtL Medizin und 

Suppleant des Medizinalkomites in Elrlangen. 

1166. - Merkel, Sigmund, Physikats-Assistent in Nürnberg. 

1167. - Miller, Bezirksarzt in Ingolstadt. 

1168. - Minderlein, Friedr., prakt. Arzt in Oittenheim, staatsärztl. 

approb. 

1169. - Moeges, Bezirksarzt ln Tirschenreuth. 

1170. • Müller, Jos. Ludwig, prakt. Arzt in Berg a. Laim, Staat särzt. 

approb. 

1171. - Müller, Julius, Bezirksarzt in Aiohaoh. 

1172. - Müller, M., bezirksärztl. Stellvertr. u. Bahnarzt in Riedenburg. 

1178. - M ü t z e 1, prakt. Arzt in Krumbach (Schwab.), staatsärztl. approb. 
1174 - Neidhardt, Bezirksarzt in Zusmarshausen. 

1176. - Neumüller, Bezirksarzt in Wertingen. 

1176. - Niokles, Heinrich, prakt. Arzt in Hirsohaid, staatsärztl. approb. 

1177. • Niedermair, Bezirksarzt in Karlstadt. 

1178. - N 0 d e r, Pet., Bezirksarzt u. Bahnarzt in Mindelheim. 

1179. - No der, Anton, prakt. Arzt in Türkheim, staatsärztl. approb. 

1180. - Nothaass, Bezirksarzt u. Ba hn arzt in Günzburg. 

1181. - Oberhofer, Michael, Krankenhausarzt in Hollfeld, staats¬ 

ärztl. approb. 

1182. > Obermayr, Bezirksarzt in Ansbach. 

1183. - Oberweiler, Bezirksarzt in Elsohenbaoh. 

1184. - Oohsenkühn, Jos., bezirksärztl. Stellvertreter in Sohwandorf. 
1186. - Osohmann, Georg, Bahnarzt in Hammelburg, staatsärztl. 

approb. 

1186. - Osohmann, Max, bezirksärztl. Stellvertreter in Euerdorf 

(Unterfranken). 

1187. - Ott, Bezirksarzt in Garmisoh. 



MitgliederverzeiohniB. 


0 


137 


1188. Dr. Pallikan, Paul, PhysikatsassiBtent in MUnohen, 

1189. - Palmedo, bezirksärztl. Stellvertreter u. Bahnarzt in Roth 

bei Nürnberg. 

1190. • Petritsohek, Jos., Spezialarzt für Chirurgie in Mttnohen» 

staatsärztl. approb. 

1191. - Pfeiffer, k. Landgeriohtsarzt u. Bahnarzt in Hof (Saale). 

1192. - Piokl, Langeriohtsarzt in Eiohstätt. 

1193. - PI aut h, Bezirksarzt in Kusel (Pfalz). 

1194. - y. Pracher, bezirksSrztl. Stellvertreter in Tegernsee. 

1195. - Preisendoerfer, Bezirksarzt in Lohr. 

1196. - Probst, prakt. Arzt in Untergriesbach, staatsärztl. approb. 

1197. - Pürokhauer, Reg.- u. Kreismedizinalrat in Bayreuth. 

1198. - Putsoher, Bezirksarzt in Sohongau. 

1199. - Raab, Otto, Bezirksarzt in Soheinfeld. 

1200. - Raab, Wilhelm, Bezirksarzt in Sohwabaoh. 

1201. - Rauh, Bezirksarzt in Erding. 

1202. - Rausoh, prakt. Arzt in ZweibrUoken, staatsärztl. approb. 

1203. - Regler, Landgerichtsarzt in Landshut. 

1204. - ReiohoId,bezirksärztl.Stellvertr. u.Bahnarzt InLauf a.Pegnitz. 

1206. - Reinhardt, Bahnarzt u. Krankenhausarzt in Weiden, staats¬ 
ärztl. approb. 

1206. - Renner, Bezirksarzt in ZweibrUoken. 

1207. - Riegel, Landgeriohtsarzt u. Med.-Rat in Kempten (Algäu). 

1208. - Rittmayer, Gg. Fr., Bezirksarzt in Rehau. 

1209. - Roger, Regienmgs- u. Kreismedizinalrat in Augsburg. 

1210. - Rohm er, Bezirksarzt in Bergzabern. 

1211. - Roth, Friedrich, Med.-Rat, Bezirksarzt u. Direktor des städti¬ 

schen Krankenhauses in Bamberg. 

1212. - Roth, Jos. Herrn., Polizei- u. Bahnarzt in Bamberg., 

1213. - Roth, Max, Med.-Rat u. Bezirksarzt a. D. in Nümbeig. 

1214. - Rothhammer, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Steingaden, staats¬ 

ärztl. approb. 

1215. - Rott, Wilhelm, Bezirksarzt in MUhldorf (Oberbayem). 

1216. - RUdinger, bezirksärzti. Stellvertreter in Weissenborn. 

1217. - Runok, Physikatsassistent u. Bahnarzt in Ludwigshafen. 

1218. - Russ, bezirksärztl. Stellvertreter in Eltmann. 

1219. - Saok, Wilhelm, prakt. Arzt in Oberhausen (Bez.-Amt Zwet- 

brUoken), staatsärztl. approb. 

1220. - Salomon, prakt. Arzt in Waldmohr, staatsärztl. approb. 

1221. - Schäfer, Bezirksarzt u. Hausarzt a.d. Gefangenanstalt in Sulzbach. 

1222. - Sohalkhauser, Landgerichtsarzt in Augsburg. 

1223. - Scharff, prakt. Arzt in Wunsiedel, staatsärztl. approb. 

1224. - Schelle, prakt. Arzt in Kempten (Algäu), staatsärztl approb. 

1225. - Schenk, bezirksärztl. Stellvertreter in Babenhausen. 

1226. - Soheppaoh, prakt. Arzt in Donauwörth, staatsärztl. approb. 

1227. - Schirmer, Bezirksarzt in Ebern. 

1228. - Schlier, Bezirksarzt in Lauf a. Pegnitz. 

1229. - Sohmeifiner, prakt. Arzt in Volkaoh a. Main, staatsärztl. 

approb. 

1230. • Sohmid, Anton, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Vilshofen. 



138 


Mitgliedervoraeichnis. 


1231. Dr. 

1232. - 

1233. - 
*1234. - 

1235. - 

1236. - 

1237. - 

1238. - 

1239. - 

1240. - 

1241. - 

1242. - 

1243. - 
1244 - 

1245. - 

1246. - 

1247. - 

1248. - 

1249. - 

1250. - 

1251. - 

1252. - 

1253. - 

1254. - 
1256. - 

1256. - 

1257. - 

1258. - 

1259. - 

1260. - 
1261. - 
1262. - 

1263. - 

1264. - 

1265. - 

1266. - 

1267. - 

1268. - 

1269. - 

1270. - 

1271. - 

1272. - 

1273. - 

1274. - 

1275. - 

1276. - 


Sohmid, Johann, Bezirksarzt in Altötting. 

Sohmid, Otto, prakt. Arzt in Freising, staatsärztL approb. 
Schmid, Michael, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Passau. 
Sohmid, Valentin, prakt. Arzt in Augsburg, staatsärztl. apprcb. 
Schmidt, Eduard, prakt. Arzt in Edesheim, staatsärztl. approb. 
Schmidt, Felix M., Bezirksarzt in Neustadt (Waldnaab). 
Schmidt, Georg, Bezirksarzt in Nabburg (Pfalz). 

Schmidt, Peter, Bezirksarzt in Hersbruck. 

Schmitt,J osef, Hausarzt d. Gefangenanstalt in Laufen (Oberbay.). 
Schmitt, Josef, Bezirksarzt in Vohenstrauss. 

Schmitz, Bezirksarzt in Starnberg. 

Schneller, Bezirksarzt in Berneok. 

Schön, Bezirksarzt in Pegnitz. 

S 0 h ö p p, Max, Bezirksarzt in Kronach. 

Sohöppner, Earl, bezirksärztl. Stellvertreter in ReiohenhalL 
Sohöppner, Ludwig, Bezirksarzt in Friedberg (Bayern). 
Schrank, Bezirksarzt in Ebersberg. 

Sohröfl, prakt. Arzt in Wertingen, staatsärztl. approb. 
Schrön, prakt. Arzt in Warmensteinaoh bei Bayreuth, staats¬ 
ärztl. approb. 

Schub, Bezirksarzt in Wegscheid (Niederbayern). 

Schütz, Bezirksarzt in Vilsbiburg. 

Schultz, Eduard, prakt. Arzt in Landau (Pfalz), staatsärztl. appr. 
Schuster, Physikatsassistent in Augsburg. 

Schwarz, Ernst, prakt. Arzt in Memmingen, staatsärztl. approb. 
Schweinberger, M., Bezirksarzt in Traimstein. 

Schwink, Landgeriohtsarzt in Ausbaob. 

Seelos, Bezirksarzt in Markt-Oberdorf (Schwaben). 
Seiderer, Bahnarzt in Ingolstadt, staatsärztl. approb. 

Seil, Josef, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Dillingen (Donau). 
Sendtner, Bezirksarzt in München. 

Sitzberger, Alois, Bezirksarzt in Eggenfelden. 

Solch, Bezirksarzt in Münchberg (Oberfrankeu). 

Solbrig, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Bayreuth. 

Spaet, Franz, Bezirksarzt in Fürth (Bayern). 

Späth, Josef, Med.-Rat, Bezirksarzt in Landshut. 
Spenkuch, Bezirksarzt in Neustadt (Haardt). 

Spiegel, prakt. Arzt in Oberhausen bei Augsburg, staatsärzil. 
approb. 

Spies, Bezirksarzt in Bad Dürkheim. 

Stadler, prakt. Arzt in Dinkelsbühl, staatsärztl. approb. 

S t a p p e 1, Wilbelm, prakt. Arzt in Langquaid, staatsärztl. approb. 
Stark, prakt. Arzt in Neustadt (Haardt), staatsärztl approb. 
Stark, Emil, Stadtarzt in Fürth (Bayern). 

SteicUele, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Uffenheim. 

Steidle, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Kempten (Algäu), staats¬ 
ärztl. approb. 

Steigeimann, Lud., prakt. Arzt in Rhodt (Pfalz), staatsärztl. 
approb. 

S t e i n d 1, prakt. Arzt u. Anstaltsarzt in Rennertshofen, staats¬ 
ärztl, approb. 



Milgliodorverzeichnis. 


139 


1277. Dr. Steinhuber, Eczirkearzt u. Bahoarzt in Freyung-Wolfstein 

1278. - Steininger, Bezirksarzt in Brückenau. 

1279. - Stengel, Hans, Physikatsassistent in Würzburg. 

1280. - Steudel, prakt. Arzt u. Babnarzt in Rebau. 

1281. - Stickl, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Rain (Schwaben), Hausarzt 

der Gefangenanstalt Niedersohönenfeld. 

1282. - Stömmer, Otto, Bezirksarzt in Ebermannstadt. 

1283. - Stritzl, prakt. Arzt in Dorfen, staatsärztl. approb. 

1284. - Stummer, bezirksärztl. Stellvertreter in Prien. 

1285. - Stumpf, Universitäts-Prof. u. Landgeriohtsarzt in Würzburg. 

1286. - Thiel, prakt. Arzt in Karlstadt, staatsärztl. approb. 

1287. - Tischler, Bezirksarzt in Deggendorf. 

1288. - Frhr. v.Thon-Dittmer, BahnarztinPressath, staatsärztl. appr. 

1289. - Trzetziak, bezirksärztl. Stellvertreter u. Krankenhausarzt in 

Volkach. 

1290. - üebl, prakt. Arzt in Vohenstrauß, staatsärztl. approb. 

1291. - UH mann, Landgeriohtsarzt u. Med.-Rat in ZweibrUoken. 

1292. - Utz, Christian, Reg.- u. Kreis-Med.-Rat in Landshut. 

1293. - Utzsohneider, prakt. Arzt in Rottenbuoh, staatsärztl. approb. 

1294. - Vanselow, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Kissingen. 

1295. - Vogl, prakt. Arzt in Kottern, staatsärztl. approb. 

1296. - Vogler, Bezirksarzt in Krumbaoh (Schwaben). 

1297. - Vogt jun., Heinrich, prakt. Arzt in Kandel, staatsärztl. approb. 

1298. - Voll, bezirksärztl. Stellvertreter in Weismain. 

1299. - Waibel, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Kempten (Algäu). 

1300. - Wan der, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Peissenberg, staatsärztl. 

approb. 

1301. - Wann er, Hans, bezirksärztl. Stellvertreter in Weiler (Algäu). 

1302. - Weber, Emanuel, Bezirksarzt in Kelheim. 

1303. - Weber, Jakob, prakt. Arzt in Burghaslaoh, staatsärztl. approb. 

1304. - Weber, Jakob, prakt. Arzt in Kaiserslautem, staatsärztl. approb. 

1305. - Weber, Klemens, Bezirksarzt in Kötzting. 

1306. - Weckerle, Bezirksarzt in Mallersdorf. 

1307. - Weigl, prakt. Arzt u. Schularzt in München, staatsärztl. appr. 

1308. - Weikard, Bezirksarzt in Neu-Ulm. 

1309. - W e i s s, August, Landgeriohtsarzt in Bayreuth. 

1310. - Weis8, Theobald, Bezirksarzt in Miesbaoh. 

1311. - Welte, prakt. Arzt in Saal (Saale), staatsärztl. approb. 

1312. - Werner, Paul, bezirksärztlicher*Stellvertreter, üeisenfeld 

b. Pfaffenhofen. 

1313. - Wetzel, Bezirksarzt in Nürnberg. 

1314. - Weygandt, aussorord. Prof, in Würzburg. 

1315. - Wiedemann, Bezirksarzt in Teuschnitz (Oberfranken). 

1316. - Wiest, Franz, prakt. Arzt u. Krankenhausarzt in Lenggries, 

staatsärztl. approh. 

1317. - Wild, prakt. Arzt in Endorf, staatsärztl. approb. 

1318. - Winsauer, Babnarzt und Hofarzt in Kleinheubach, staatsärztl, 

approb. 

1319. - Winterstein, Wilh., prakt. Arzt u. Bahnarzt in Brückenau, 

staatsärztl. approb. 



140 


MitgUederverzeiohnis. 


1320. Dr. Wirsohing, Bezirksarzt in Waldmohr. 

1321. - Wollen weher, Landgeriohtearzt in Neubarg (Donau). 

1322. - Würth, Fritz, prakt. Arzt in Jettingen, staatsärztl. approb. 

1323. - Wunder, bezirksärztl. Stellvertreter in Wolfstein. 

1824. - Wurm, Stepban, bezirksärztl. Stellvertr. in Haag (Oberbayem). 

1325. - Zängerle, prakt. Arzt in Landshut, staatsärztl. approb. 

1326. - Zahn, Med.-Rat, Landgeriohts- u. Bezirksarzt in Kaiserslautern. 

1327. - Zantl, Bezirksarzt in Weilheim. 

1328. - Zeitler, Conrad, Med.-Rat, Bezirksarzt und Arzt an der 

Königl. Strafanstalt in Erbrach. 

1329. - Zeitler, Fritz, prakt. Arzt in Wörth (Donau), staatsärztl. appr. 

1330. - Zinn, Landgeriohtsarzt u. Med.-Rat in Bamberg. 

1331. - Zoellner, Bezirksarzt in Bruok-Fürstenfeld. 

1332. - Zorn, Friedrich, prakt. Arzt in Memmingen, staatsärztl. approb. 

1333. - Zorn, Ludwig, prakt. Arzt in Frankenthal (Pfalz), staatsärztl. 

approb. 

1834. - Zweoker, bezirksärztl. Stellvertreter in Waldflschbach. 

1335. - Zwioknagl, Max, prakt. Arzt in Deggendorf, staatsärztl. 

approb. 

O. Xdnlgraloli Baolui«ii. 

1336. Dr. Boeters, Bezirksarzt in Döbeln. 

1337. - Böttcher, Anstaltsbezirksarzt in Hohnstein (Sächs. Schweiz). 

1338. - Brink, Bezirksarzt in Frankenberg (Sachsen). 

1339. • En dl er, Bezirksarzt in Dippoldiswalde. 

*1340. - Erler, Bezirksarzt u. Ober-Med.-Rat in Meissen. 

1341. - Facilides, San.-Rat u. Geriohtsarzt in Plauen (Vogtland). 

1342. - Fickert, Bezirksarzt in Marienberg (Sachsen). 

*1343. - Flinzer, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Plauen (Vogtland). 

1344. - Gelbke, Med.-Rat u. medizinischer Beirat bei der KreLs- 

hauptmannsohaft in Chemnitz. 

1345. - Geyer, Landgeriohtsarzt in Zwiokau (Sachsen). 

1346. - Harms, Bezirksarzt in Annaberg (Erzgeb.), 

1347. - Hauffe, Stadtbezirksarzt in Chemnitz. 

1348. - Hertzsoh, Bezirksarzt in Borna (Bz. Leipzig). 

1349. - H e s s e, Obermedizinalrat u. Bezirksarzt in Dresden-Strehlen. 

1350. - Holz, Bezirksarzt in Osohatz. 

1351. - Kind, Med.-Rat, Bezirksarzt in Grimma. 

1352. - Klotz, Bezirksarzt in Roohlitz. 

1353. - Kookel, a. 0 . Professor u. Direktor des Instituts für g^ricbtl. 

Medizin in Leipzig. 

1354. - Lehmann, Chefarzt der Piersonsohen Privat-Heilanstalt 

in Coswig (Sachsen). 

1355. - Lehmann, Obermedizinalrat u. Direktor der städtischen HeQ- 

und Pflegoanstalt in Dösen bei Leipzig, Post: Probstheide. 

1356. - v. Mücke, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Zittau (Sachsen). 

1357. - Müller, Anstaltsbezirksarzt in Stollberg (Ehzgeb.). 

1358. - Nowaok, Prof., Stadtbezirksarzt in Dresden. 

1359. - Oppeit, Bezirksarzt in Zwickau (Sachsen). 

1360. - Petzholdt, Bezirksarzt in Grossenhain. 

1361. • Perthen, Bezirksarzt u. Med.-Rat. in Oelsnitz (Vogltl.). 



Mitgliederyerzeiohnu. 


141 


1362. Dr. Pö'tter, Stadtbezirksarzt in Leipzig. 

1363. - Reohholtz, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Freiberg (Sachsen). 

1364. - Richter, Geriohtsassistenzarzt in Leipzig. 

1365. - Sauer, Bezirksarzt in Eamenz (Sachsen). 

1366. - Schmidt, stellvertretender Bezirksarzt in Oelsnitz (Vogtl.). 

1367. - Siegel, Stadt- u. Bezirksarzt u. Geh. Med.-Rat in Leipzig. 

1368. - V. Stieglitz, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Löbau (Sachsen). 

1369. - Streit, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Bautzen. 

1370. - Thiersch, San.-Rat, Assistent des Bezirksarztes in Leipzig. 

1371. - Tietze, Bezirksarzt in Schwarzenberg (Sachsen). 

1372. • Weber, Geheimer Rat und Direktor der Heil-u. Pflegeanstalt 

in Sozmenstein, Post: Pirna. 

1373. - Wengler, Bezirksarzt in Glauchau. 

1374. - Zehlert, Bezirksarzt in Chemnitz. 

D. X5algr«lo]i Württombwrf. 

1376. Dr. Andrassy, Oberamtsarzt in Böblingen. 

1376. - Baur, Oberamtsarzt in Blaubeuren. 

1377. - Bilfinger, Oberamtsarzt in Neokarsulm. 

1378. - Blezinger, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Cannstadt. 

1379. - Breit, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Stuttgart. 

1380. - Bubenhofer, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Vaihingen (Enz). 
1-381. - Camerer, Med.-Rat u. Mitglied des Medizinalkollegiums in 

Stuttgart. 

1382. - Giess, stellvertretender Stadtdirektionsarzt u. San.-Rat in 

Stuttgart. 

1383. - Cuhorst, Oberamtswtmdarzt in Ktinzelsau. 

1384. - Draohter, Oberamtsarzt in Crailsheim. 

1385. - Engelhorn, Oberamtsarzt und Med.-Rat in Göppingen. 

1386. - Essig, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Ravensburg. 

1387. - F a u s e r, San.-Rat u. dirig. Arzt am BUrger-Hospital in Stuttgart. 

1388. - Finokh, Oberamtsarzt in Tettnang. 

1389. - F o e h r jr., Oberamtsarzt in Marbach. 

1390. - Fricker, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Nagold. 

1391. - Gastpar, Stadtarzt in Stuttgart. 

1392. - Gaupp, Oberamtsarzt in Schorndorf. 

1393. - Gaupp, Oberamtswundarzt in Göppingen. 

1394. - Georgii, Oberamtsarzt in Geislingen (Steige). 

1395. - Gnant, Oberamtsarzt in Neresheim. 

*1396. - V. Gussmann, Obermedizinalrat und Mitglied des Medizinal- 
Kollegiums in Stuttgart. 

1397. - Haag, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Heilbronn (Neckar). 

1398. - Habermaas, San.-Rat, leitender Arzt der Anstalt für 

Schwachsinnige und Epileptische in Stetten (Remsthal). 

1399. - Härlin, Oberamtsarzt in Neuenbürg. 

1400. - Hardt, Distriktsarzt in Löwenstein, staatsärztl. approb. 

1401. - Hartmann, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Herrenberg. 

1402. - Heller, Oberamtsarzt in Backnang. 

1403. - Herrmann, Oberamtsarzt in Sulz (Neckar). 

1404. - Höring, Oberamtsarzt u. Hofrat in Weinsberg. 



142 


Mitglioderv erzeiohnis. 


1405. 

Dr. 

1406. 

- 

1407. 

- 

1408. 


*1409. 

- 

1410. 

- 

1411. 

- 

1412. 

• 

1413. 

- 

*1414. 

- 

1415. 

- 

1410. 

• 

1417. 

- 

1418. 

- 

1419. 

- 

1420. 

- 

1421. 

- 

1422. 

- 

1423. 

- 

1424. 

- 

1425. 

- 

1426. 

- 

1427. 

- 

1428. 

- 

1429. 

- 

1430. 

- 

1431. 

- 

1432. 

- 

1433. 

- 

1434. 

- 

1435. 

- 

1436. 

- 

1437. 

- 

1438. 

- 

1439. 

- 

1440. 

• 

1441. 

- 

1442. 

- 

1443. 

- 

1444. 

- 

1445. 

- 

1446. 

- 

1447. 

- 

1448. 



Hopf, Oberaintsarzt u. Med.-Rat in Balingen. 

Jäger, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Ulm (Donau). 
Kemmler, Med.-Rat, Direktor der Königl. Heil- u. Pflf*ge- 
anstalt in Weinsberg. 

Kern, Oberamtsarzt in KUnzelsau. 

Köstlin, Stadtdirektionsarzt u. Med.-Rat in Stuttgart. 

Kooh, Oberarzt an der Königl. Heil- u. Pflegeanstalt in 
Zwiefalten. 

Kohlhaas, Med.-Rat u. Mitglied des Medizinal-KoUegiuni.s in 
Stuttgart. 

Kommerell, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Waiblingen. 
Kräbmer, Oberamtswundarzt in Geislingen (O.-A. Geislingen). 
Krause, Oboramtsarzt u. Med.-Rat in Kirohheim-Teck. 
Kreuser, Med.-Rat und Direktor der Königl. Heil- u. Pflege- 
austalt in Winnental, Post Winnenden (Württ.). 

Kur rer, Oberamtsarzt in Horb (Neckar). 

Lang, Oberamtsarzt u. Hofrat in Besigheim. 

Lang, Oberamtswundarzt in Rottweil. 

Lieb, Oberamtsarzt in Freudenstadt. 

Ludwig, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Leonberg (Württ.). 
Luib, Oberamtsarzt in Mergentheim. 

Lutz, Oberamtsarzt in Saulgau. 

Maisch, Oberamtsarzt in Oehringen. 

Majer, Oberamtsarzt a. D. u. Med.-Rat in Heilbronn (Neckar). 
Mayer, Oberamtswundarzt in Tettnang. 

Mayer, Viktor, Oberamtsarzt in MUnsingen (Württ.). 

Miss mahl, Oberamtsarzt in Riedlingen (Württ.). 

Müller, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Calw. 

Müller, Oberamtsarzt in Oberndorf (Neckar). 

Muntsoh, Stadt- imd Distriktsarzt in Wiesonsteig. 
Mutsohler, Oberamtsarzt in Aalen (Württ.). 

Oesterlen, Prof., Med.-Rat u. Oberamtsarzt a. D. in Tübingen. 
Palmer, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Biberaoh (Riss). 
Paulus, Oberamtsarzt in Heidenheim (Brenz). 

Pfäfflin, Oberamtsarzt in Urach. 

Pfeilsticker, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Gmünd (Schwab.). 
Pfleiderer, Oberamtswund- u. Stadtarzt in Knittlingen. 
Ray, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Ehingen. 

Rank, Med.-Rat, Direktor der Königl. Heil- u. Pflegeanstalt in 
Weissenau, Post: Ravensburg. 

V. Rembold, Medizinaldir. des Med.-Kollegiums in Stuttgart. 
Rembold, Oberamtsarzt in Waldsee (Württ.). 

R 0 m b e r g, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Nürtingen. 

Russ, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Rottweil. 

Sattler, Oberamtswimdarzt in Cannstadt. 

Sautter, Oberamtswimdarzt in Laupheim. 

Soheef, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Rottenburg (Neckar). 
Soheurlen, Ober-Med.-Rat und Mitglied des Medizinalkolle¬ 
giums in Stuttgart. 

Schmid, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Brackenheim. 



MitgliederverzoiohniB. 


143 


1449. Dr. Schmidt, Oberamtswundarzt in Rottonburg (Neckar). 

14Ö0. - Schott, Oberarzt an der Königl. Heil- u. Pflegeanstalt in 
Weinsberg. 

1451. - Schüler, fürstl. Leibarzt in Wolfegg, staatsärztl. approb. 

1462. - Sohwartzköpf, prakt. Arzt in Stuttgart, staatsärztl. approb. 

1453. - Seeger, Oberamtsarzt in Welzheim. 

1454. - Sigel, prakt. Arzt in Stuttgart, staatsärztl. approb. 

1455. - Siegmundt, Oberamtsarzt in Spaichingen. 

1456. - Späth, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Esslingen (Neckar). 

1457. - Staudenmeyer, Oberamtsarzt in Langenbiurg. 

1458. - Steinbrüok, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Reutlingen. 

1459. - Stell, Oberamtsarzt in Tübingen. 

1460. - SUsskind, Oberamtsarzt in Hall (Schwäbisch). 

1461. - Teuffel, Oberamtsarzt in Gaildorf. 

1462. - Votteler, Oberamtsarzt in Esslingen (Neckar). 

1463. - Waloher, Med.-Rat, Direktor der Landes-Hebammen-Lehr- 

anstalt in Stuttgart. 

1464. - Walz, Med.-Rat u. Mitglied des Med.-Kollegiums in Stuttgart 

1465. - Weissensieder, Oberamtsarzt in Maulbronn. 

1466. - Werfer, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Ellwangen. 

1467. - Zeller, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Ludwigsburg. 

E. Chrondiersofftiim Baden. 

1468. Dr. Baader, Bezirksarzt und Med.-Rat in St. Blasien. 

1469. - Bau mann, Bezirksassistenzarzt in Walldürn (Baden). 

*1470. - Becker, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Offenburg (Baden). 

1471. - Brenzinger, Bezirksarzt und Med.-Rat in Buchen (Baden). 

1472. - Compter, Bezirksarzt und Med.-Rat in Rastatt. 

1473. - Dörner, Bezirksarzt in Adelsheim. 

1474. - Ernst, Bezirksassistenzarzt in Gernsbach (Murgt.). 

1475. - Greiff, Ober - Mod. - Rat in Karlsruhe (Baden). 

1476. - Guttenborg, Bezirksassistenzarzt in Freiburg (Breisgau). 

1477. - Hauser, Ober-Med.-Rat in Karlsruhe (Baden). 

1478. - Heinemann, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Konstanz. 

1479. - Henrioi, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Schwetzingen. 

1480. - Herzog, Bezirksarzt in Weinheim (Bergstraße). 

1481. - Hoohe, Geh. Hofrat, Professor u. Direktor der psychiatrischen 

Klinik in Freiburg (Breisgau). 

1482. - Holl, Bezirksarzt in Heidelberg. 

1483. - Kaiser, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Karlsruhe (Baden). 

1484. - Kamm, Bezirksaizt in Breiten. 

1485. - Klebe, Geh. Med.-Rat u. Bezirksarzt in Bruchsal. 

1486. - Kr0eil, Bezirksarzt u. Geh. Hofrat in Lahr (Baden). 

1487. - Kugler, Med.-Rat u. Bezirksarzt in Mannheim. 

1488. - Kürz, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Heidelberg. 

1489. - Lefholz, Bezirksarzt in Säokingen. 

1490. - Manz, Bezirksarzt in Triberg. 

1491. - Mayer, Bezirksarzt in Sohopfheim. 

1492. - Meess, Bezirksarzt in Bonndurf. 



144 


Mit^liederverzeiohnis. 


1493. 

1494. 

1495. 

1496. 

1497. 

1498. 

1499. 
1600. 
1601. 
1602. 

1603. 

1604. 

1605. 
1506. 
1607. 
1508. 

1609. 

1610. 
1611. 
1612. 


1613. 

1614. 
1616. 
1616. 

1617. 

1618. 
1619. 

•1620. 

1621. 

1622. 

1623. 

♦1524. 

1526. 

1626. 

1627. 

1628. 

1629. 

1630. 

1631. 

1632. 

1533. 

1534. 
1636. 
1636. 

1537. 

1538. 


Dr. Mittermaier, Geh. Med.-Rat in Heidelberg. 

- Nitka, ßezirksassistenzarzt in Mannheim. 

- Popp, Bezirksarzt in Staufen (Breisgau). 

- Rehmann, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Pforzheim. 

- Rittstieg, Bezirksarzt in Breisach. 

- Schleid, Bezirksarzt in Wiesloch. 

- Sohmid, Bezirksarzt in Mefikirch. 

• Schneider, Bezirksarzt in Achem (Baden). 

- Schottelius, Professor u. Geh. Hofrat in Freiburg (Breisgau). 

- Seitz, Bezirksarzt in Eberbach (Baden). 

- Stark, Bezirksarzt u. Med.-Rat i. Lörrach. 

- Stöcker, Bezirksarzt in Tauberbisohofsheim. 

- Thomann, Bezirksarzt in Wertheim. 

- Themen, Bezirksarzt in Wolfaoh. 

- Walther, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Ettenheim. 

- Warth, Med.-Rat und Bezirksarzt in MUllheim (Baden). 

- Wippermann, Med.-Rat und Bezirksarzt in Mosbach (Baden). 

- Wörner, Bezirksarzt in Ueberlingen a./l. 

- Wohlfahrt, Bezirksarzt in Btthl (Baden). 

- Zix, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Mannheim. 

F. ChroMhersofftum HeiMii. 

Dr. Baiser, Kreisarzt u. Med.-Rat in Mainz. 

- Best, Kreisassistenzarzt in Darmstadt. 

- Drescher, Kreisassistenzarzt in Mainz. 

- Fertig, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Worms. 

- Fresenius, Kreisassistenzarzt in Worms. 

- Gr OOS, Eireisarzt u. Med.-Rat in Bensheim. 

- Haber körn, Kreisarzt u. Med.-Rat in Giessen. 

- Hauser, Geh. Ob.-Med.-Rat in Darmstadt. 

- Heinrioy, Kreisarzt in Lauterbaoh (Hessen). 

- Jaup, Kreisassistenzarzt in Hirsohhom (Neckar). 

- Koeniger, Kreisarzt in Schotten. 

- Kossel, Prof, der Hygiene in Giessen. 

- Langermann, Kreisassistenzarzt in Giessen. 

- Lehr, Med.-Rat u. Kreisarzt in Darmstadt. 

- Lindenborn, Kreisarzt u. Med.-Rat in Oross-Gerau. 

- Nebel, Kreisarzt in Friedberg (Hessen). 

- Neidhart, Geh. Obermedizinal-Rat in DarmstadL 

- PfannmUller, Med.-Rat u. Kreisarzt in Offenbaoh (Main). 

- SohSffer, Kreisarzt u. Med.-Ratin Alzey. 

- Sohäffer, Med.-Rat, Kreisarzt in Bingen (Rhein). 

- Schwan, Kreisarzt in Dieburg. 

- Stigell, Kreisarzt u. Med.-Rat in Oppenheim. 

- Wal ge r, Kreisarzt in Erbach (Odenwald). 

- Walther, Prof, und Lehrer an der Hebammen • Lehranstalt in 

Giessen. 

- Wengler, Kreisarzt in Alsfeld. 

- Wiessner, Kreisarzt u. Med.-Rat in Büdingen (Oberhessen). 



Mitgliederyeraeiohiiüi. 


14ö 


O» Orosshersogtftmer ICaoUeiibiiri^-Boliwttrln n. Meoklonbvrflr’ 

Strellte. 

1539. Dr. D u g g e, Kreisphysikus u. San.-Rat in Rostook (Meoklb.). 

1540. - Elfeldt, Kreisphysikus u. San.-Rat in Gadebusoh. 

1541. - Günther, Kreisphysikus n. San.-Rat in Hagenow (Meoklb.). 

1542. - Havemann, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Parohim. 

1543. - Kausoh, Direktor der Kaltwasserheilanstalt in Feldberg 

(Meoklb.), pro physio. approb. 

1544. - Mozer, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Malohin. 

1545. - Müller, Geh. Med.-Rat u. Medizinal-Referent bei dem Justiz¬ 

ministerium (Abt. f. Medizinal - Angelegenheiten) in Sohwerin 
(Meoklb.). 

1546. - Mulert, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Waren. 

*1547. - Roggenbau, Ober-Med.-Rat in Neustrelitz. 

1548. - Sohrakamp, Physikus u. Med.-Rat in Schö'nberg (Meoklb.). 

1549. - So hu oh ar dt. Geh. Med.-Rat u. Professor in Gehlsheim, Post: 

Oehlsdorf (Meoklb.), Mitglied der Mediz.-Kommission. 

1550. - Stephan, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Güstrow. 

1551. - Unruh, Ejreisphysikus u. Med.-Rat in Wismar. 

1.552. - Viereck, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Ludwigslust. 

1553. - Wilhelm, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Schwerin (Meoklb.). 

B. Groaahenoflrtiun Oldenburg. 

1554. Dr. Barnstedt, Amtsarzt in Oldenburg (Grhzgt.). 

1555. - Giesler, Physikus u. Med.-Rat in Eutin. 

1556. - Lübbers, Amtsarzt u. Med.-Rat in Löningen. 

*1557. - Heinz, Amtsarzt in Vechta. 

1558. - Möhlfeld, Amtsarzt in Delmenhorst. 

1559. - Ritter, Geh. Ober-Med.-Rat, Mitglied des Med.-Kollegiums 

in Oldenburg (Grhzgt.). 

1560. - Sohlaeger, Landphysikus u. Landgeriohtsarzt in Oldenburg 

(Grhzgt.). 

1561. - Schmidt, Landesarzt u. Med.-Rat in Idar. 

I. Qroeahenogtnm Saohsen-Welnuur. 

1562. Dr. Brauns, Med.-Rat u. Bezirksarzt in Eisenach. 

1563. - Giese, a. 0 . Professor u. Bezirksarzt in Jena. 

*1564. - Gumprecht, Prof. u. Med.-Rat in Weimar. 

1566. - Knopf, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Weimar. 

1566. - Löber, Bezirksarzt in Vaoha. 

1567. - Meunier, Bezirksarzt in Creuzburg (Werra). 

1568. - Michael, Bezirksarzt in Ilmenau. 

1569. - R ö h 1 e r, Bezirksarzt in Apolda. 

1570. - Rüdel, Bezirksarzt in Weimar. 

1571. - Stapff, Bezirksarzt in Dermbach (Feldabahn). 

1572. - Staroke, Med.-Rat u. Bezirksarzt in Vieselbach. 

1573. - We de mann, Med.-Rat, Landgerichts-u. Bezirksarzt i. Eisenach.*) 

1574. - Werner, prakt. Arzt in Blankenhain (Thür.), itaatsärztl. approb. 

’) Inzwischen verstorben. 

in J 


146 


MitgliederveneiohniB. 


K. K«noftiim Anlislt. 

1576. Dr. Esleben, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Bemburg. 

1576. • Fitzau, Kreisphysikus in Ballenstedt. 

1577. • Klauder, pri^t. Ärztin Dessau, staatsärztL approb. 

1578. - Oehmke, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Dessau. 

*1579. - Richter, Reg.- u. Geh. Med.-Rat in Dessau. 

1580. - Robitzsoh, Kreisphysikus u. Geh. Med.-Rat in Zerbst. 

1681. - Weinberg, Kreisphysikus in Göthen (Anhalt). 

Zm Benogtiim Bnnuwehwelif. 

1582. Dr. Beokhaus, Physikus u. San.-Rat in Königslutter. 

1688. - Diederiohs, prakt. Arzt in Holzminden, staatsärztL approb 

1584. - Ehrlich, prakt. Arzt in Stadtoldendorf, staatsärztL approb. 

1585. - Engel, Physikus in Wolfenbüttel. 

*1586. - Engelbreoht, Med.-Rat u. Mitglied des Landesmedisinal- 
kollegiums in Braunsohweig. 

1587. - Kloeppel, San.-Rat u. Physikus in Blankenburg (Harz). 

1588. - Müller, Rcb., Physikus in Braunsohweig. 

1589. - Niemann, Physikus u. San.-Rat in Holzroinden. 

1590. - Roth, Stadtphysikus u. San.-Rat in Braunsohweig. 

159t. - Sohrader, San.-Rat u. Physikus in Vechelde. 

1592. - S e u 1 k e, Physik, u. San.-Rat in Eischershausen (Kr. Holzminden). 

1593. - Zimmer, Physikus und San.-Rat in Gandersheim 

M. Hanoirtiua BAOhMa-Altanbiirg. 

1694. Dr. Beyer, Bezirksarzt in Altenburg (S.-A.). 

1696. - Hesse, Bezirksarzt in Eisenberg (S.-A.). 

1596. - Kutsohbach, Bezirksarzt u. San.-Rat in Kahla. 

1597. - Lorentz, Bezirksarzt u. San.-Rat in Lucka (S.-A.). 

1598. - Ntttzennadel, Med.-Rat in Altenburg (S.-A.). 

V. flaehsaa-Oobiirs-Ootluu 

1599. Dr. Franke, Amtsphysikus in Waltershausen. 

1600. - Kessler, prakt. Arzt in Gotha, staatsärztl. approb. 

1601. - K 0 m p e, San.-Rat in Friedriohroda, staatsärztl. apqrob. 

1602. - Liebmann, Amtsphysikus und Med.-Rat in Neustadt 

• Herzgt. Coburg). 

*1603. - Philipp, Geh. Regierungs- u. Ober-Med.-Rat in Gotha. 

1604. - Sterzing, Stadtphysikus u. Med.-Rat in Gotha. 

1605. - S t U1 e r, Amtsphysikus in Ohrdruf. 

1606. - Waldvogel, Med.-Rat u. Amtsphysikus in Coburg. 

O. Benogtiun Saobsan-Melnlagmi. 

1607. Dr. Berthot, Physikus u. San.-Rat in Hildburghausen. 

1608. - Freyburg, San.-Rat, Physikus in Meiningen. 

1609. - Leubusoher, Prof., Reg.- und Geh. Med.-Rat in Meiningen. 

1610. - Helmkampf, Physikus u. San.-Rat in Saalfeld (Saale). 

1611. - Sohöningh, Physikus in Gräfenthal. 

1612. - Wegener, Physikus in Salzungen. 



MitgliederverseiohniB. 


1 47 

P. FüntMtiun B«ium Ut«r« Ual#. 

1618. Dr. Lösoher, Physikus in Remptendorf. 

1614. - Soheube, Geh. Med.-Rat, Med.-Referent u. Physikus in Greiz. 

Q. FAntnatiim Rohm J4ii|r«r« Ual«. 

1615. Dr. Franz, Bezirksarzt in Sohleiz. 

1616. - Neuhaus, Oberstabsarzt a. D. u. Bezirksaizt in Gera. 

B. Fflrftnatiim Upp«. 

1617. Dr. Garius, Amtswundarzt in Detmold. 

1618. - Gottsohalk, San.-Rat u. Physikus in Salzuflen. 

1619. - Overbeck, Geh. Med.-Rat in Lemgo. 

1620. - Theopold, Physikus u. San.-Rat in Blomberg (Lippe). 

1621. - Volkhausen, Med.-Rat u. Physikus in Detmold. 

8. Fflrsto&tnm Solutiiiiibiirg-Llpp«. 

1622. Dr. Burohard, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Büokebwrg. 

1628. - Lambrecht, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Stadthagen. 

1624. - Ridder, Geh. Med.-Rat in BUokeburg. 

T. Fflnrtantum Bohwanburg-Budolatedt. 

1625. Dr. Biedermann, Polizeiarzt in Rudolstadt. 

1626. - G r a e f 1, Geh. San. - Rat u. Physikus in Frankenhausen (KyfiTh.). 

1627. - Rosendorf, Bezirksphysikus in Leutenberg. 

1628. - Rost, Regierungs- u. Geh. Med.-Rat in Rudolstadt. 

1629. - Sorge, Bezirksphysikus in Königsee (Thür.). 

U. Fdretentnm 8ohw«nbiirg-8oiidershaiu«ii. 

1680. Dr. Bayer, Geh. Med.-Rat, vortrag. Rat im Ministerium u. Bezirks¬ 
physikus in Sondershausen. 

*1631. - Müller, Bezirksphysikus u. Med.-Rat in Gehren (Thür.). 

1632. - Osswald, Bez.-Physikus u. Med.-Rat in Arnstadt. 

V. Fdrateatom Wald«ok. 

1633. Dr. Hartwig, Kreisphysikus u. San.-Rat in Gorbaoh. 

1634. - Krüger, Kreisphysikus in Bad Wildungen. 

1635. - Seebohm, Geh. Hofrat u. Kreisphysikus a. D. in Pyrmont. 

1636. - Vogt, prakt. Arzt in Arolsen, staatsäratl. approb. 

W. Fni« «nd HaiuNurt&dta. 

1637. Dr. Becker, stellvertr. Geriohtsarzt in Bremen. 

1638. - Berkhan, Amtsphysikus in Bergedorf. 

1639. - Gronemeyer, leitender Arzt am St. Joseph-Hospital und 

stellvertr. Kreisarzt in Bremerhaven. 

1640. - Falk, Kreisarzt in Bremerhaven. 

1641. - Harmsen, prakt. Arzt in Hamburg-Winterhude, staatsärztl. 

approb. 

1642. - Heinrich, Hafenarzt in Bremerhaven, staatsärztl. approb. 

1643. - Heuduok, Hafenarzt-Assistent in Hamburg. 


10* 



148 

1644. 

1646. 

•1646. 

1647. 

1648. 

1649. 

1660. 

1661. 

1662. 

1663. 

1664. 

1665. 


1666. 

1667. 

1668. 

1659. 

1660. 
1661. 

•1662. 

1663. 

1664. 

1666. 

1666. 

1667. 

1668. 

1669. 

1670. 

1671. 

1672. 

1673. 

1674. 
1676. 

1676. 

1677. 


Mitgliederveneiohnis. 

Dr. Kister, Abteilungsvorsteher am hygienischen Institut in 
Hamburg. 

- Maes, Polizeioberarzt und Mitglied des Medizinalkollegiums 

in Hamburg. 

- Nooht, Prof. u. Med.-Rat in Hamburg. 

- Otto, Geriohtsarzt in Hamburg. 

- Peltzer, Hafenarzt in Bremen. 

- Revenstorff, Oberarzt am Hafenkrankenhause in Hamburg, 

staatsSrztl. approb. 

• Riedel, Physikus u. Me(L-Rat in Lttbeok. 

- Sannemann, Reg.-Rat u. Hafenarzt in Hamburg. 

- Sieveking, Physikus u. Mitglied des Medizinalkollegiums in 

Hamburg. 

- S p ä t h e, Arthur, prakt. Arzt in Hamburg, staatsärztL approb. 

- Tiedemann, prfd^t. Arzt in Bremen, staatsärztl. approb. 

- T j ad e n, Prof., Geschäftsführer des Gesundheitsamts u. Direktor 

der bakteriologischen Instituts in Bremen. 

X Belohsland EfaHuw-Lothriiigeii. 

Dr. de Bary, Reg- u. Med.-Rat in Sablon (Kr. Metz). 

- Belin, Kreisarzt in Straßburg (Eis). 

- Biedert, Prof. u. Geh. Ober Med.-Rat in Straßburg (Eis.). 

- Eyles, Kreisarzt in Metz. 

- Giß, Kreisarzt in Diedenhofen. 

- Haag, Kreisarzt in Rappoltsweiler. 

- Hecker, Reg.- und Med.-Rat in Straßburg (Eis.). 

- H o e f f e 1, Geh. Med.-Rat u. Kreisarzt in Buchsweiler (Unter-Els.i. 

- Holtzmann, Reg.- u. Med.-Rat, Landesgesundheitsinspektor 

in Straßburg (Eis.). 

- Käst er, Med.-Rat und Kreisarzt in Metz. 

- Krimke, Kreisarzt in Sohirmeok. 

- Mohrmann, Assistent an der bakteriologischen Unter- 

suohimgsstelle in Diedenhofen. 

- Messer, Kreisarzt in Mühlhausen (Eis.). 

- Mttller-Herrings, Reg.- u. Med.-Rat in Colmar (Eis.). 

- Pawolleok, Geh. Med.-Rat u. Landesmedizinalrat in Strass- 

burg (Eis.). 

- Ransohoff, Direktor der staatl. Irrenanstalt in Stephansfeld. 

Post: Brumath. 

- Sorgius, Kreisarzt in Sohiltigheim. 

- Sohäohe, Kreisarzt in SaargemUnd. 

- Spiegel, Kreisarzt u. Med.-Rat in Gebweiler. 

- Sutter, Kantonalarzt in St. Avold. 

- Winter, prakt. Arzt in Sennheim, staatsärztl. approb. 

- Wollenberg, Professor und Direktor der psychiatr. Klinik in 

.Straßburg (Eis.). 

Ausserdem: 

- W e 8 0 h e, Geh. Med.-Rat in Charlottenburg. 


1678.