Harvard Medical Library
in the Francis A.Countway
Library ofMedicine ^Boston
ZEITSCHRin
für
MEDIZINAL-BEAMTE.
ZMrinlUitt flir du (uurte BuiMltitniuM,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Heraasgegeben
Ton
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Otto Rapmnnd
Beg.* nnd Ifedizmabrat in Minden.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussisohen,
Bayerischen, Württembergischen, Badischen und Mecklenburgischen
Medizinalbeamten • Vereins.
XXI. Jahrgang. 1008.
Berlin W. 35.
FISGHEB’S MEDIZIN. BUCHHANDLUNG.
H. KOBMVELD.
flersogl. Bejer. Sof- mad BrsherBOgL Kammer-Baehhladler.
HARVARD KECiCAL f-MrDL
LIBRARY DF LEGAL MEEiGiriE
J. C. C. Bram, Herzopi. Sächs.«. FürtU. Soh.«L. Hofbuohdruckorci In Minden.
Inhalt;
I. Original-'Mitteilungeii.*
• . A. .OeriOlitUoA« VedlslB« • • 8*ite.
Ueber Pettemlx^e vom geriefats&rztlichen Standpankt. Dr. Hadlioh 1
Traamatbche Leak&mie. Dr. Sieber. 41
Wichtigkeit gericbtaärsüicher Photographie. Dr. Stiller.217
Ein angeblicher üafaUverletzter als Simolant. Dr. B. Thomalla . . 261
Wismathrergifiang; Indifferentismas gegen Nitroglyzerin. Dr. Wilcke 268
Anatomische Diagnose des Todes durch Erstickung. Prof. Emnt Ziemke 858
Nicht tödliche Schoßrerletzong der Aorta. Dr. Berg.889
Selbstmord dnrcb Verbrennung.' Dr. Camillo Toro . .898
Der Kelalnk. Ein Apparat zum Fixieren des Kopfes bd der Sektion.
Dr. Oscar Horn.397
Das hdraufäfaige Alter. Dr. Ahlfeld.421
Sifflzlation'oder GeisteskrankhdtP Dr. Gerlach.493
Schidelbroeh dnrch Hnndebifi. Dr. Pfleger und Dr. Harz. . . . 669
Erfabrnngen bei Kohlenoxyd Vergiftungen. Dr. Kart v. Snry . . . . 571
Selbstmord dnrch Schuß mit einer Platzpatrone. Dr. Bosenbanm 605
Kongenitale Hantdefdtte am Kopfe des Neugeborenen. Dr. Liedig . 607
Kindermord durch Einstechen dner Hutnadel in den Kopf. Dr. £. Bihler 647
Tod eines Schulkindes dnrch Alkoholvergiftung. Dr. Vollmer . . . 707
Aether als Schlaf- und Betäubungsmittel. Dr. B. Thomalla . . . 709
Giftmord mit Kalium bichromicum. Dr. S. Mita.747
Tödliche Verletzung durch - Flobertschuß. Dr. Zelle.749
Stichwunde in die Brust. Dr. Zelle.751
Schuß Verletzungen mit Flobertpistolen. Dr. Seitz.863
Simulation eines Nierenlddens. Dr. Doepner . .-.864
B. Hygiene nnd öffentllohes SanltAtswesen.
Wasserantersaehung an der Entnahmestelle. Dr. Karl Schreiber 6
Tagebuch und Jahresbericht. Dr. Berger . 20
Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten dnrch die Schulen.
Dr. Arbeit . 46
Vergleichende Desinfektioosversncbe zwischen Lysol ifnd' der neuen
Kresolseife des Preußischen Hinisterial-Erlasses vom 19. Oktober
1907. Dr. Hans Schneider . 53
Das Hedizinalwesen im Etat 1908/1909. Bpd. 57
Meldepflicht der Hebammen bei Wochenbettflebet. G.'WitftcTr ... 78
Behandlung der epidemischen Genickstarre mit Heilserum. Dr. K r o h n e 78
Die Genickstarre in Bothenburg. Dr. Zelle . 84
Zur Verbreitungsweise des Typhus. Dr. Sta^emann ...... 118
Kurpfuschereigesetz. Bpd.115
Dienstalters-, Pensionierungs- und Sterblichkeitsverhältnisse der Medizinal-
Der Medizioaletat im Abgeordnetenhause. Bpd.160, 185
Geber das Eczema vaccinatum. Dr. Georg Neumann.269
IV
Inhalt.
Seile.
VenoUeppnng von Schalblasen durch Hebammen. Dr. Richter . . 271
Zar Aetloiogie des Paratyphns B. Dr. Dreves.801
Zar Frage der Myiasis interna. Dr. Th. Scharpli.802
Vergleichende Analysen yon Eresolseilen. Prol. Dr. Carl Arnold . . 305
Vernnreinigung der Stubenlnlt dnreh Ofenhelanng. Dr. Roller . . 367
Gesnndheitsschädignngen durch bleilaibenhaltige Tapeten. Dr. Becker 402
Ueber Milzbrand. Dr. Heidenhain.409
Anlbewabrnng der Lymphe bei Landreisen. Dr. Fielitz.410
Mitwirkung der Hebammen bei der Säuglings-Pflege und -Ernätunng.
Dr. Wegner.437
Beanlsichtignng der Bergwerksbetriebe dnreh die Kreisärzte. Dr. C n r t i n s 457
Uebertragnng ansteckender Krankheiten durch Bibliotheken. Dr. Hil¬
lenberg .500
Unsere Hebammen. Dr. E. Angerer.529
Ein bakterioloffisch-chemischer Wasserkasten. Dr. Beninde . . . 542
Sanitätspollzeiiicbe Maflnahmen bei Typhnsbazillenträgem. Dr. Kurp-
juweit.676
Bekämplung der Tuberkulose anl dem Lande durch Tuberknloseausschflsse.
Dr. Helwes. 578
Beitrag zur Sänglingslflrsorge. Dr. Deipser.581
Qesundbeitsschädlicbkeit zbzhaltiger Sanghtttchen. Dr. Rieb. Hadlich 607
Desinlektion in Stadt und Landkreis Worms. Dr. Fertig.612
Zar Kasuistik der Bensinyergiltnngen. Dr. Federschmidt. . . . 653
Das Kreis-Krankenhaus auf dem Lande. Dr. Wengler.654
Leitsätze zur Tagesordnung Iflr die XXV. HauptTersammlung des
Prenfiischen Medizinubeamtenyereins. Dr. Dtttschke, Dr.
Lochte, Dr. Gutknecht .656
Der Unterleibstyphus in Berlin. Dr. Nesemann.677
Die Jubiläamsloier des Preuflischen Medizbalbeamtenvereins. Rpd. . 692
Zur Wohnnngslrage armer Leute. Dr. Heidenhain.711
Der praktische Wert des positiven Widal. Dr. Eyfl.755
Diensteinkommensverbessernngen in Prenflen. Rpd.760
Das Kreis-Krankenhaus anl dem Lande. Dr. Meyer.779
Erwiderung auf vorstehenden Aufsatz. Dr. Wengler.783
Antwort anl vorstehende Erwiderung. Dr. Meyer.7H4
Die Büchereien der Krankenhäuser. Dr. Pilf.784
Gebühren der Medizinalbeamten. Rpd.. .... ..789
Gebühren der Medizinalbeamten, Besoldung der Kreisärzte. Rpd. . . 819
TyphusbazUlenträgerin als Infektionsqaelle. Dr. Troeger.867
Vakzine-ImpllnfektioD. Dr. Troeger. 869
Kurpfuscherei im 18. Jahrhundert. Dr. Zelle.870
H. Kleinere Mitteilimgen und Referate ans
Zeitsohriften n. s. w.O
A. flerlohtliohe Medisln.
Biologische Untersuchung kleinster Blatspuren. Dr. Th. Carnwarth
(Rost). . .. 20
Die Lungenschwimmprobe. Dr. Käthe (Räuber). 21
Reifezeliben der Frucht. Dr. Hugo Nothmann (Rump). 21
Mikroskopische Vorgänge bei der Abstoflung der Nabelschnur. F. Cobliner
(Ramp). 22
Vergütung mit Benzoldampf. L. Lewin (Waibel). 88
Schädigung der Leber dnreh EssigsäurevergUtung. J. Parisot und
A. Harter (Mayer). 89
Toxische Wirkang der Kalisalze. A. Frouin u. A. Maut^ (Mayer). . 89
Giftwirkung des Stovakokaingemisches. Piquand und L. Dreylns
(Mayeu. 89
*) Die Namen der Referenten sind in Klammern beigefttgt.
Inhalt V
Seit«.
Bleirari^niig in chemiich*toxischer ffinsioht Dr. 0. HeilHre
^Ibrig). 90
ChlonlnklOsnagenbei derBehandlnngderEndometritlB. ILHofmeier
(Wnibel) . ; . .. 90
OnngrinSse PeriomtioneB des Utems infolge Ton Aborten. L. Thoinot
und Cb. Paul (P. Fraenckel). 91
Der Herzinhalt bei mechanischer Erstiekang. Romant und Ensiöre
(P. Fraenckel).. 92
Fremdkörper in der Nase. Dr. Hflhlenkamp (Waibel). 92
Fremdkörper im Oberkiefer als Ursache von Bindehanteiteningen. Dr.
Thörey (Waibel). 93
Wirkung des Kall chiorienm anf den Erelslanf. J. KAbelons und
£. Bardier (Nayer) . .. 203
Chlorneihyl im Binte im Verlanfe der Narkose. L. Camns n. Maurice
Nioloax (Mayer). 203
Zar Oiftwirkong nikotinfreier Tabakssorten. Georges Qaillain nnd
Abel Gy (Mayer) . ..204
Bedentnng der kOostlichen Atmung iQr die Diagnose des Ertrinknngs*
todes. Dr. Arthur Schulz (Fraenckel).204
Fragmentation nnd Segmentation des Herzmuskels. A. Stamer (Merkel) 205
Chorionepitheliom - ihnliche GeschwOlste. W. Riesel (Merkel) . . . 205
Fremdkörper in der Nase. Dr. Klaußner (Waibel).205
Verletzungen • des Kehlkopfes vom gerichtsärztlichen Standpunkt Dr.
Heuduek (Hoffmann).205
Die Kriterien des Nahschusses. Dr. W. Meyer (Fraenckel) .... 206
Gntaehten der Wiss. Deputation f. d. Medizinaiwesen über eine angebliche
Impfbeschädigung. Kraus, Kirchner, KOnig (Kraemer) . . 206
Zar Kasuistik der Knnstfehler. Dr. jur. et med. F. Kirohberg (Troeger) 207
Heilmagnetismns in forensischer Beziehung. Dr. Alb. Moll (Fraen<mel) 207
Haft* und Terminfähiffkeit. Dr. Hugo Marx (Räuber).207
Modifikation der Teienmannschen Methode zur Gewinnung von Hämin-
krystallen. Aktinson und Kendail (RevenstorQ ■.272
Akute Alkoholvergiftung. Dr. med. Pentz (Schenk).272
Plötzliche und unerwartete Todesfälle. Wynn Westeott (RevenstorD 272
üeberzähiige Brustdrüse beim Manne. Dr. Cesare Mannini (Solbrig) 272
Wirkung von Reduktionsmitteln nuf Hämoglobin. Dr. Beintker
(P. Fraenckel).868
Redaktion des Ozyhaemoglobins bei verschiedenen Todesarten. Jean
Gautrelet und Pierre Lande (Mayer) . . . ..369
Verdünnung des Blutes beim Ertrinken. A. De Dominicis (Revenstorf) 869
Stickoxydal im Blut beider Narkose. Manrice Nieloux (Mayer) . . 369
Vorkommen von Urobilin im Blute menschlicher Leichen. Biffi
(Revenstorf).870
Bestimmung des Alters von Blutflecken. A. Lecha*Marzo (Revenstorf) 370
Ein Fall von Heroinvergiftung. Dr. med. Glasow (Klare).870
Vergiftung mit EukalyptnsOL Dr. Schröder (Troeger).371
Ausscheidang des Stlckoxyduls bei der Narkose. Maurice Nieloux
(Mayer). 489
Bildung praezipitierender Substansen bei Injektion von Aleuronat.
J. Cantacnzöne (Mayer).439
Vergiftung durch Tbiosinamin. Dr. Paul Große (Waibel).439
Mors subita der Herzkranken. Prof. Dr. H. Kisch (Waibel) .... 440
Spontane Heilung der Herswaaden. Attilio Cevidalli (Fraenckel) 440
Zar Lehre von der Gehirnerschütterung. Dr. Baller (Fraenckel) . . 440
Intrakranielle Blutergüsse Neugeborener. P/ivatd. Dr. Seitz (Waibel) 441
Rigor morUs bei Totgeborenen. Parkinson (Revenstorf).442
Entstehung des Geschlechtstriebes. Dr. Angelo De Dominicis (Mayer) 442
Persistenz des ^mens nach der Verehelichung und Schwangerschaft.
Dr. Marx (Kurpjaweit) ...» .442
Konservierung der Farbe anatomischer Präparate. Giuseppe Fornario
(Mayer).443
Untennehung von Leichen zu römischer Zeit Hingerichteter. Wood
Jones (Revenstorf).
VI
Inhalt.
Seite.
BlntaparenTitalerEntstehnng aufE^nochen. WoodJones(BeTenatorf) 506
Ueber den Naehweis tob Kohlenoxyd im Blute. 0. Schümm (Bpd.) . 606
Identltitenachweis bei Vergiftung. Bahadur (BeTenatorf) .... 607
Flobertpiatole und ihre gerichteärxtliche Bedeutung. C. A. Wolter
(BeTenatorf).507
BeaorziBTergiftnng bei äußerer Anwendung. Dr. Nöthen (Bpd.) . . 607
AraenwanaeratoffTergiftoog. Wiley Jonea (BeTenatorf).508
Vergiftung mit Kautabakaaft. M. Arnold (BeTenatorf)..508
Vergiftung dnrch Beiladonnainlua. Dr. Ealmua (Kurpjuweit) . 508
LaugenTorätzungen und deren Verhütung. Dr. K. Preieitner (Wolf) 509
Lyaolrergiftung durch Diernsapttliuig. Dr. W. Piltz (Waibel) . . . 509
Zur Aetiologie der BleiTorgiftong. Dr. Bleyer (Bpd.).510
Zur BleiTergiftnng. E. Brumpt (Mayer).510
FeatatelJung nach dem BOntgenbiide, ob ein Neugeborener gelebt hat.
VaiTlant (BeTenatorf).510
Die Bedeutung der Lungenprobe. C. Schmoll (Wolf).510
Bedeutung der Barbeiioacben Spermareaktion. Earl Fraenkel und
Budolf Müller (Liebetrau).510
Eine neue chemische Blutprobe. Del6arde und A. Benoit (Mayer) 644
Chemiache Prüfung auf Blut in organiachen Sekreten. Del5arde und
Benoit (Mayer).545
Erkennung dea Todea dnrch Ertrinken mittela Blutkürperehenzählung.
L. Verdereau (BeTenatorf).545
Beduktion dea Ozyhaemoglobina nach dem Tode. Jean Oautrelet
und Pierre Lande (Mayer).546
Vergiftung nach Pormaminttabletten. Dr. Glaaer (Bpd.).540
Vergiftung oder Idioaynkraaie nach Formamint. Dr. Boaenberg (Bpd.) 646
Tod dnrch Sturz ana der Höhe. Dr. Camillo Toto (Fraenckel) . . . 547
Beitrag zu der Frage Selbatmord oder Unfall. Prof. Dr. £. Qieae
(Fraenckel).547
Kongenitale Hautdefekte am Kopfe dea Neugeborenen. Baimund Keller
(Fraenckel).547
Chlorhämin, Jodbämin und Bromhämin. A. Lecha>Marzo (BeTenatorf) 584
Voranaaage dea Todea bei allgemeiner Paralyse. N. Vaaohide und
Baymond Mennier (Mayer). 584
Experimentelle AlkoholTergiftnng; Vergrößerung der Leber mit Olykogen«
anaammlong. Cb. Aubertin und Pierre Höhert (Mayer) . . 585
MentholTergiftung des Menschen. Prof. Dr. Schwenkenbecher (Waibel) 585
Tod dnrch Ertrinken. E. Martin (BeTenatorf).585
Tod dnrch Erwürgen Tom gerichtaärztlichen Standpunkt. Dr. Lösener
(Fraenckel).586
Selbaterdrosselnng. Dr. Kurpjuweit (Fraenckel).586
Kaanistik dea Selbatmordea während der Geburt. Dr. Kurt Ton Snry
(Waibel).586
Vollendung der Geburt im Sinne dea § 11 B.G.B. Dr. P.Fraenckel
(Antoreferat).587
Mora thymica. Dr. Kurt Ton Sury (Fraenckel).587
Pathologische Anatomie der AtoxylTergiitnng. A.Birch-Hirschfeld
und G. Köster (Bpd.).614
Chemische Vorgänge bei der Phosphorrergiftung. 0. Pirges und
E. Pribram (WolO.614
Kasuistik der sogenannten FleischTergiftungen. Prof. Wachholz (Bpd.) 614
Erstickung durch Quetschung des Thorax. G. Brun (Beyenstorl) . . 615
Barberiosche Spermareaktion. A. Lecha>Marzo (Bevenstorf) . . . 615
Ursachen des Öescblechtstriebea. A. de Dominicis (BeTenatorf) . . 615
Zur Technik der Sektion Ton Fällen Ton Wirbelfraktur. Prof. H. Chiari
(Hecker).698
PanoptiscbeUniTersalfärbungfürBlutpräparate. A.Pappenheim(Bpd.) 698
Ueber die Abstoßung der Nabelschnur. Dr. Otto Leere (Troeger) . . 699
Böntgendorchleucbtung Ton Neugeborenen. Bordas, Bonchacourt,
Vaillant (Fraenckel).699
Die histologische Dntersuchnng beim Studium der pulmonalen Atelektasie
der Neugeborenen. Dott. Franc. Leoncini (Solbrig) .... 760
lahaU.
VII
Saite,
üeber Photometbimoc^biD. Dr. Otto Leen (Berenitorl).712
VergiftoBg durch PhQsphoroxjehlorid.. Prof. Dr. Rumpf (Rpd.). . . 718
Beitrug uur Kenntnis der plOtsliehen Todesfälle. A. Asourelli (Be*
. renstori). 718
Fettembolie als Todesursache. Q. 8. Qraham (BeTonstorf) .... 718
Zerreißung.der Vena cocouaria cordis.. DoU. Alb. Pepere (Solbrig) . 714
Finlius der quergestreiften Muskulatur. A. Ascarelli (Berenstorf) . 716
Häoicjytische Erscheinungen an der Leiche. Prof.8chlagenhaafer(Woll) 715
Blutgehalt der Leber und Lunge als Zeichen des Erstickungstodes.
A. Ascarelli (Beuenstorf)...716
Akute Brustkorberweiternng Ertrunkener. A, M. Cenciarini (BeTenstorf) 716
Lnngenbefund bei Ertrunkenen, de Dominicis (Berenstorf) . . . 716
Yerletsnngen und Verstttuunelnngen Ton Leichen im Wasser. L. Thoinot
(Praenckel).717
üeber F/nchtabtreU>nng. E. 8tpekis (Berenstorf). . 717
Beiträge sur Kenntnis der Asooepermie. Hans L. Posner (BeTsnstorl) 717
Nachweis des VeronaL Theodor. Pn ns er (Fiaenckel). 888
Das Alter tou Bintspnren. A. Leeha*Marso (Speiser) . , . . . 888
Antisernm fflr d«n forensischen Blntaachweis. 0. Modiea (Beuenstorf) 884
Die Blutadern des Handrückens als Identititsmerkmal. Prof. Arrigo
, Xamassia (BeuenstorD.884
Ein ungew5hnlicher 8elb8tmordTersncb. East G. B. (Berenstorf) . . 886
Tod durch Erwürgen. Dr. F. 8traßfflann (Praenckel).886
Brüche des Schädeldaches.. Dr. Hugo Marx (Praenckel). 886
Indirekte Orbitaldachfraktur. Prof. Dr. Fischer (Weibel).886
Zerr^ong vergrößerter Müsen. J. Cantlie (Bevenstorf).886
Eklampsie der ^bwangeren und Gebärenden. Dr.Schröder (Praenckel) 887
Fäulnis der Lungen Neugeborener. Dr. Carl Bühs (Fraenekel) . . . 887
Forensische Photographie. Prof. B. A. Beiss (Bevenstorf) .... 876
Beeinßnssnng der Totenstarre durch Calcium und Magnesium. Meltser
und Auer (Bevenstorf).876
PlOtslicheTodesBLlle im Säuglingsalter, Prof. Dr. Finkeistein (Troeger) 876
Syphilis bei den prähistorischen Aegyptem. G. ElUot Smith (Bevenstorf) 877
Beehtshändigkeit. G^ Elliot Smith (Bevenstorf) . 877
B. OerlehtliolM'PsyohUlrle.'
Snksessivo Kombination von PHychosen. Dr. Blum (Kaliseher) ... 22
Alkohol.und Paralyse. Dr. Delbrück.(Schenk). 22
Schmersempflndlichkeit der Gesichtsknochen bd Degeneranten. Dr.
M. Schaikewics (Kalischer). . . 28
Dauernde hysterische Betentio urinae. Dr. J. Bheinisch (Kalischer) 28
Fehlen der. Patellarrefleze bei Hysterie. Dr. Wiegand (Kaliscber) 28
üeber Fehlen des AchUlessehnenpbinomens. Dr. G. Platan (Kallseher) 24
Ergographenversuche bei Katatonie und melancholischer Verstimmung.
Dr. A. Gregor und Dr. B. Hänsei (Többen).185
Zwangsneurose. Dj. Wolf gang Warda (Tobhen).136
Herdersch^nngen bei genuiner Epilepsie. 0. Binswanger (TObben) 186
Symptomatologie der Paralysis agitans. Dr. Otto Ludwig Kliene*
berger (TObben) .. 187
Die Paralyse im ünteroffizierstand.. Dr..E. Ben necke (TObben) , . 187
üeber hysterische Worttanbheit. Dr. Albert Knapp (TObben) . . . 138
Psychosen des Klimakteriums. ProL Hans Berger (TObben) .... 188
Abnormitäten der Assendens in Besiehnug nur Desiendenz. Dr. Tigges
(TObben).188
Jahresl^richt der psychiatrischen Klinik in München (Klare) .... 189
Simulation von Geisteskrankheit. Walther Biehm (TObben) .... 278
Dementia praecox und manisch-depressives Irresein.. Prol Dr. Thomsen
(TObben).274
Deber Dementia infantilis. Dr. Th. Heller (Wolf) 274
Jugendirresein. Dr. Biaor (TObben).274
Debet Gefängnispsychoeen. Karl Wilmanns (TObben).275
Eine VagabundenBunilie. Dr. MOnkemOller (Gerlacb).275
Vm Inhalt.
Seile.
Psjehifche nnd BerrOse Kmüdieiteii im japtniBch-iiuslicheii Kriege.
Prot Dr. 8. Araky (WoÜ) . ..276
Geiateazustand der Schwaageren nad Gebärendea. Dr. Biachoff (Hoppe) 276
AUcohol nad Selbatmord. Dr. Walther Kftrbitz (Többen).277
Zum Stadium der Koraakowschea Paychoae. Frau Bergmann-
Kaaperowica (Schenk).277
Eiateilaog der Homoaexaeliea. Dr. Nicke (T6bben).277
Einige Lären dea Harden-Proieaaes. Dr. Albert Moll (Lohmer) . . 278
Payäoloflda der Zeaaen. Dr. C. B. Mariaai (Solbrig).278
Zorn Stadiam Aber die Falaohheit der ZeageaanaBagea. Dr. Anaolmo
Sacerdote (Solbrig).278
Paychologie and Paychopathologie im Polizeiweaen. Dr. Uebl (Waibel)
ünterbriagong getateakranker Verbrecher. Dr. F. Kr im er (TObben) . 279
Neaea regreaaiTea Stigma bei Degeaerierteo. Dr. G. L. Gaeparina
(SMbrig). 279
Anomalien der Gliedmaßen bei Gelateakranken. Dr. Ceaare Pianetta
(Solbrig).280
Sehidelmaaae and Beruf. Dr. Georg Lomer (Tobben).280
I^gnoae der progreealyen Paralyae. Dr. A. Steyerthal (Troeger) . 371
Angeabefonde bei Paralytikern. Dr. H. Dayida (TObben).371
Körpergewicht bei Psyenoaen. Dr. Otto PlOrringer (TObben) ... 372
Forachnngen hi der Aoaaagepaychologie. Dr. Albert Moll (Treuer) . 372
KliBilr der arterioaklerouBchen SeelenatOrungen. Prof. Dr. Weber
(TObben).443
PoliomyeliUa anterior anbacata adaltoram. E. Medea (TObben) . . . 444
Poettiaamatiache, tranaitoriaehe BewoßtaeinastOrongen. Dr. Carl Wen¬
den barg (TObben) . ..444
Dementia poettraamatica mit ungewöhnlichen ^gleiterscheinongon. Dr.
Treape (Waibel).445
Paychopath^ sexaalia and Epilepaie. Dr. E. Andenino (Solbrig) . . 445
Pathologie der Zwangabewegungen bei zerebralen Herderkranknagen.
W. A. Muratow (TObben).611
Zeitainn bei der KoraakofEachen GeiateaatOrnng. Dr. Adalbert Gregor
(TObben).511
üaterbringang gemeingefibrlicherGeiateakranken. Dr. MOnkemOller
(Liebetraa).511
IV. paychlatriacher Fortbildangaknraaa in üchtapringe. Dr. Friedei. 512
Hyateriacber Dämmerznatand mit retrograder Amneaie. Dr. Mathiea
(TObben).548
Die Erwartoaganeoroae. Dr. Max laaerlin (Waibel).549
Paycbiache Storungen im Eindeaaiter. Dr. A. SchOller (Wolf) . . . 549
Aaabildang in der gerichtlichen Paychiatrie. W. Weygandt (Waibel) 549
Seltene Fälle yon sexueller Frühreife. G. Boaaenda (Solbrig) . . . 616
Fenüaine Homoeexnalität. Dr. 6. L. Gayiarini (Solbrig) 616
GeiateaatOrungen bei Gehimaypbilis. Dr. Hugo Birnbaum (TObben) . 617
Konjugale Paralyse nnd Paralyse-Tabes. Dr. Paul Junius und Dr.
Maar Arndt (TObben). 618
Prognose bei Dementia praecox. Marie Emma Zablocka (TObben) . 618
Zur pemidOs yerlaufenden Melancholie. Dr. DOblin (TObben) ... 619
Myasthenia grayis und Muakelatrophie. Dr.' Cb. De Montet und Dr.
W. Skop (TObben).619
Ein Fall yon Bromismus. Dr. Hankein (TObben).619
Art der Delikte bei krankhaften Geisteszuständen HeeresangehOriger.
Dr. Bennecke (Wolf)..620
Das Symptom des Gedankensichtbarwerdens. Dr. Kurt H a 1 b e y (TObben) 620
üeber Zureebnun^ähigkeit Prof. Friedenreich (TObben). . . . 620
Die forensische Bedeutung der Dementia praecox. Dr. Bichard Sar¬
torius (TObben) ..700
Die phantastische Form des degeneratiyen Irreseins. Dr. Bernh. Bisch
(TObben).700
Traumatische Bindendefekte der Stirn- nnd Zentralwindungen. Dr.
Vollend (TObben)..* 701
Der pathologische BauscL Dr. Kutner (Bpd.).701
Inhalt. IX
Bette.
läowainuig Ton genoisgeflhrliehen GeistnnkrnnkeB in Anstnlton. Dr.
Sfcoltenholl und Dr. Pappe (Többen).701
Okolintisebe Bdtr&ge zor Wertung der Degenemtionneichen. Dr.
Albrand (Többen).717
Nene Steilung der Verbrecher. Dr. Ingegnieroa (Solbrig) . . . 718
Der Schädel•Qesichtn-Typoa bei 300 Mördern. Dr. As carelli (Solbrig) 718
Dai Verbrechen bei den Jagendlichen. Dr. Agosti (Solbrig) . . . 719
Spiegelschrift bei einem normalen Knaben. Dr. 8acerdote (Solbrig). 719
Ine ieradiagnostik in der Psychiatrie and Neoiologie. Dr. Sterz (Többen) 837
Klinischer Beitrag zor psychischen Epilepsie. Dr. Bandettini di
Poggio (Solbrig) .. 838
Epilepsie und LinkshtatUgkeit. Prof. Dr. Emil Bedllch (Többen). . 889
Epilepsie bei Oeschwlstem. Dr. Vollend (Wolf).839
Eine besondere Form von Folie ä deoz. Dr. Enrico Birari (Solbrig) 839
Kongenitale Lues and progressive Paralyse. Dr. Cbr. Müller (Waibm) 840
Wesen des moralischen Schwachsinns. Prof. Dr. Hans Gndden (Többen) 840
IHe Diagnose der Homosexoaliiät. Dr. Naecke (Kalischer) .... 840
Gdstesnörangen bei den Jaden. Dr. M. Sichel (Kalischer) .... 841
Das Oreisenalter in forensischer Bezlehnng. Prof. Dr.Asohaffenbnrg
(Waibel) ..841
Abstinenz - Delirien. Dr. Holitsoher (Schenk).842
Heilangeaassichten in der Irrenanstalt. Dr. Alt (Kalischer) .... 842
Zar Läire von der Amentia. Dr. A. Zweig (Többen).877
DÜerentialdiagnose des katatonischen und hysterischen Stapors. Kart
Löwenstein (Többen).• . . 878
Sniges über Exhibitionismas. Dr. Otto Leers (Hoppe).878
Dementia praecox jenseits des 30. Lebensjahres. Dr. A. Z w e i g (Többen) 878
Delirinm tremens. Dr. Wassermeyer (Többen).879
Sgenartige Form des Tremors bei Epileptikern. Dr. v. Leapoldt (Wolf) 879
B^ehongen von Epilepsie and Alkoholismos. M. S e r r g (Wolf) . . . 879
Ist die Beligionspsychologie eine besondere Wissenschaft? Prof. Dr.
G. Banze (Wolf).879
Die Minderwertigen im Strafvollzage. Dr. Leppmann (Troeger) . . 880
Behandlung der kriminellen Geisteskranken in New York. Dr. Fritz
Hoppe.880
0. Saohventindlgen* Tätigkeit In ünüall* and Invalldltätssaohen.
. 1 . Gbutachten nnd Referate.*)
Hautemphysem and Phthisis palmonam nach Brastverletznng. F. Aron*
heim (Thomalla).* . . 24
Hamleitetverengerang als Spätfolge eines Beckenbruchs. Dr. Heinr.
Mohr (Thomwa) . .. 24
Aetiologie und Pathogenese des Ulcus corneae serpens. Dr. Mil Ter
(Thomalla).. . 24
Anwendung des Elektrotherms. Dr. Kühne (Thomalla). 25
Tabes und Unfall. Dr. Kart Mendel (Többen) . 93
Spätläsion des Ulnaris. Dr. H. Brassert (Waibel). 93
Akute traumatische Psychosen. Dr. Max Sommer (Többen) .... 208
Nervöse und poychische Erkrankangen nach Betriebsanfällen. Dr.
Götze (Wolf).208
Hysterische Einzelsymptome (lokalisierte Krämpfe, Lähmangen osw.) als
Folge von Unfällen. Dr. Kern (Fraenckei).* . . 209
Syringomyelie nnd Unfall. Dr. Kort Mendel (Többen).209
MalUple Sklerose and Unfall. Dr. Kart Mendel (Többen).209
Sarkom nnd Trauma. San.-Bat Dr. Linow (Thomalla). 210
Spät* und Nachwirkang eingeatmeten Kohlengases. L. Lewin (Bäaber) 210
Gewöhnung nach Unfaliverletzangen. Dr. Wolf (Troeger).210
Glykosurien in der Lebensversicherungspraxis. Dr. E. B1 o c h (Troeger) 3ll
Myelitis und Unfall. Dr. Kart Mendel (Többen) . ..281
Amyotrophische Lateralsklerose und Unfall. Dr. Kart Men d e 1 (Többen) 281
*> Die Namen der Beferenten sind in Klammern beigefügt.
X
lohftlt.
8 * 11 «
Progreasive Maskelatrophie und üofall. Dr. Kart Mendel (Tflbben) . 281
DystrophiamnscaUria progresiiiTa n. Unfall. Dr. Kart Mendel (TObben) 281
Primäre akate Osteomyelitia der Rippen. Dr. Fiedler (Waibei) . . 281
Traamat. Laxation des Keryos nlnaris dexter.. Dr. Qaadflieg(Waibei) 282
Zeitliche Verteilang der BetriebeunläUe. Prof. Dr. O. Pleracoini n.
Dr. B. Maffei (Solbrig).282
üebettragaog des Milzbrands als. Betriebaanfall. Obergatachten. Qeh.
Med.'Rat Prof. Dr. Fflrbringer.288
Nearitis and Unfall. Dr. Kart Mendel (Tdbben).372
Arbeitsbehandlang Unfalineryenkranker ki Beiistätten. Dr. Worbs
(Troeger) . 873
Traomatiscbe Langentnberkaloae. Dr. Köhler (Troeger) * . . . . 878
Verachlimmemng der Taberkolose darch Unfall. Dr. Feilchenfeld
(Liebetraa).873
Paralysis agitans and Unfall. Dr. Kort Mendel (Többen).445
Tabes and Traama. Dr. Paal Köppen (Tbomalla).446
Traomatische Accessorinslähmang darch stampfe Gewalt. Dr. Emst
Steinitz (Thomalla).446
Lähmang nach Dolchstich. Dr. Haas Hirschfeld (Thomalla) . . . 446
Trachom and Unfall. Dr. Paal Koejyien (Thomalla). 446
TendiniUs ossificans traamatiea. Dr. Ho er in g (Waibei).447
Basedowsche Krankheit, Akromegalie, Epilepsie and Unfall. Dr. Kort
Mendel (Többen).613
Höhlenbildang im Bockenmark nach Unfall. 8an.>Bat Dr. L a q a e r (Troeger) 513
Scharlach and Traama. Dr. Bejnstein (Troeger).514
Bbeamatische Beschwerden als Unfallfolgen. Dr. Laaenstein (Bpd.) 614
Simalation einer Tastlähmang. Dr. Alb. Knapp (Liebetraa) .... 550
Zerreißong des Dactas thoracicas Infolge Brustqaetschong. Dr. Oeken
(Waibei).550
Langenerkrankang nach UnfalL Dr. Wilh. Baamann and Dr. M.
Qroedel (Liebetraa). 551
Simalation bei Unfalinervenkranken. Dr. Th. Becker (Wolf) . . . 621
Hysterische L&bmang darch einen Schaß. Dr. Hammerschmidt
(Thomalla).621
Traamat. Lähmang der Oberscholterblattnerven. Dr. Kühne (Thomalla) 621
Beitrag zar Nervenchirargie nach Unfällen. Dr. Heinr. Mohr (Thomalla) 622
Stenose des Palmonalostiams nach Traama. Dr. Brano Leick (Waibei) 622
Kohlenoxydvergiftang and Diabetes mellitas. Dr. H.Zieschö (Thomalla) 622
Radiographie der Fraktaren zar Diagnose bei Unfällen. Dr. A. Bien*
fait (Solbrig).623
Atypisch yerlaafende Psychosen nach Unfall. Dr. Hasche (Többen) . 720
Diabetes mellitas nach psychischem Trauma. Dr. Boepke (Troeger) . 720
Traamatische Erkrankung oder Maskeldefekt. Dr. A. Zweig (Troeger) 720
Traomatische Insolflzienz der Mitralklappen. Prof. Ziemke (Mayer) . 720
Appendiritis nach Traama. Dr. F. Brttning (Wolf).721
Begaiachtong der Wirbelsäaleverletzangen. Dr. A. Zweig (Troeger) 721
Indirekte Mittelfaßbrüche. Dr. Na st-Kalb (Waibei).722
Verfahren, Faßabdrücke za gewinnen. £. Stockis (Beyenstorf) . . 722
Poeamokükken*Meningitis als Unfallfolge. Dr. J. Babin (Waibei). . 843
Neryöae and psychische Erkrankungen nach Betriebsanfälien. Dr. B.
Götze (Woli).843
Neuritis and Myositis bei Leacbtgasyergiftang. Dr. Mayer . . . . 843
Die Sehschärfe and das entscbädigangspflichtige Minimum. Prof. Dr.
Gino Bichi (Solbrig) . ' .844
Mesenterialabreißang bei Konlasion des Abdomens. Dr. Beinicke (Waibei) 844
Atrophie des großen Oesäßmaskels darch Ueberanstrengang. Prof. Dr.
Cesare Biondi (Solbrig).844
Vergiftung durch Morphin and Opinm. Prof. Dr. L. Lewin (Bpd.) . 8 h0
Einatmung von Kohlendanst. Dr. Philipp Kissinger (Thomalla) . . 881
Neryöse Störungen .nach. Unfällen. Dr. B. Schönfeld (Thomalla) . . 881
Eine seltene Verletzung des Kniegelenks. San.*Bat Dr. Bartsch (Thomalla) 881
Aerztllcbe Begatachtang in Inyaliden* and Krankenyersicherongssachen.
Assessor Seelmano (Thomalla).882
lolialt. XI
Seite.
e. Bntsolieldangen la UnfUl- und InTalldltfttasaohen.*)
1906. 2. Aag.: Behandelnder Arzt als Gutachter. 25
1907. 14. MArz: Unfall und Geisteskrankheit. 26
, 15. April: Entseheidong auf Grand eines noch ansstehenden irzt«
liehen Gatachtens. 25
, 2. Mal ; Unfall darch Einatmen giftiger Gase. 27
, 27. „ : Nearasthenie veranltifit durch Bentensacht.26
, 9. Okt. : Selbstmord aus Lebensttberdrnß.211
, 21^ „ : Einholung ärztl. -Gutachten seitens der Bemfegenossen*
schäften von schiedsgerichtlichen Vertrauensärzten. . 447
. 24. . : Entstellung des Aussehens rechtfertigt Entschädigung
nicht.285
, 6. Not. : Warmkrankheit kein BetriebsunfaUjWohl aber Erblindung
des Wurmbehafteten durch die ^handlang .... 94
7t , : Porto bei Zusendung yon Gebühren.449
, 21. : Tod an Unterleibst^hns — Betriebsunfall . 284
r, 22. „ : Verschlimmerung einer Lungentuberkulose als Betriebs*
Unfall ..285
., 11. Dez.: Bemessung der Unfallfolgen bei schon Torber beein*
trächtigter Erwerbsfähigkeit.846
, 12. , : Unfall und Lungentuberkulose.874
, 27. , : Anhörung des behandelnden Arztes gemäß § 69, Abs. 3
des G. U. G. 448
1908. 30. Jan. : Erwerbsrerminderung bei Verlast des linken Armes. . 447
.. 26. Febr.: Herabminderung der Bente.722
2. März: Hchenkelbrnch und Unfall.551
, 12. „ : Blatyergiftaug infolge geringer Haatyerletzang als
Betriebsunfall.702
, 18. „ : Inhalt des ärztlichen Gatachtens im Bentenstreitrerfahren 448
, 21. Mai : Obduktion von Leichen Onfallserletzter.552
, 6. Juni : Verscblimmeruog schon bestehender Unfallfolgen. . . 703
, 6. , : Anhörung des behandelnden Arztes.846
., 10. , : Neurose infolge der Einstellung der Bente.845
, 19. „ : Verlast des kleinen Fingers.845
19. „ : Verlast von 1*/« Gliedern des Zeigefingers.846
.. 3. Juli : Gebühren für ärztliche Gutachten.723
D. Bakteriologie) InfekUonskrankhelten und öffentUohea
Saultitswesen *}•
1. Bakteriologie und Bekämpfung der Infektionekrank-
beiten.
a. Allgemeines.
Disposition und Virulenz. Prof. Dr. Finkler (Liebetran).224
Zytotoxische und zytotrope Serum wukao gen. Prof. Dr. F. Neufeld
und Dr. Bickel (Bost).224
Ursachen der Phagozytose. Prof. Dr. F. Neufeld (Bost).224
Wirkung des Atozyls auf die Spirillose der Hübner. Prof. Dr. Uhlen*
huth und Dr. Groß (Rost).226
HOhnerdiphtberie und Gtfiügelpocken. Dr. Tb. Carnwatb (Bost) . . 227
Die Tetsefiiege. Dr. Frans Stahlmann (Bost) ..227
Opsonine. J. G. Steeswijk (Hirscbbruch).807
Die Giftigkeit der Heilsern. Dr. Besredka (Hirschbrach).807
Intrayenöse Eollargolinjektionen bei Infektionskrankheiten. Dr. Arnold
Lemberg (Wo)f).*.308
Jahresbericht des Untersachungsamtes in Heidelberg. Prof. Dr. B. 0.
Neumann (Eurpjuweit).308
Jahresbericht des Untersachungsamtes zu Göttiogen. Dr. Albert
Fromme (Eurpjuweit).309
*) Wo kein besonderer Vermerk gemimht ist, sind die nachstehenden
Entschddungen solche des BeichsTersicherung'samts.
*) Die Namen der Referenten sind in Kammern boigefflgt
XU ) lolialt.
Seit«.
Heleinlektioa der Meoiogeo. Dr. Willi. Tflrk (Lohmer).311
Angina und septische Infektion. Prof. Dr. B. Kretz (Wolf) .... 828
Bleiben die Erreger ansteckender Krankhdten in KrankenrSnmen infek*
tionstflchtig? Prof. Lernoine (Dohm). 341
Durch Helminthen abgesonderte giftige Sabstanzen. Weinberg (Mayer) 87G
Jahresbericht des chemischen üntersachongsamtes Halle a. S. Dr. phil.
Max Klostermann (Karpjaweit).623
Jahresbericht des hygienischobakterioiogischen Institnts in Dortmund.
Dr. 0. Stade (Karpjaweit).624
Jahresbericht des üntersachongsamtes in Preiborg i. Br. Dr. E. K tt s t e r
(Karpjaweit). 624
Jahresbericht dos Uatersachnngsamtes in Heidelberg. Prof. Dr. B. 0.
N e am an n (Karpjaweit).. 625
Krankentransport and Epidemiedienst in großen Städten. Dr. B Öhm (Bpd.) 731
Ein neuer Filtrationsapparat. Dr. Hilgermann (Bpd.).781
Präzisionssangvorrichtnng für Meßpipetten. Dr. Woitke (Bpd.) . . 731
Anfwärtswandem der Bakterien im Verdaaongskanal. Dr. F. Dieterlcn
(Lentz).882
Antifermentreaktion des Blates. Dr. Wiens (Wolf).882
b. Cholera, Pest, Gelbfieber, Lepra, Fleckfieber.
Die Pestinfektion von Fischen. Emst Fflrth (Hirschbrach) .... 95
Die Pest in Japan und Formosa. Prot Dr. Oshida (Eigenbericht) 95
Die Pestepidemie in Japan. Dr. T. No da (Oshida). 95
Aetiologie einer unbekannten (an Fiecktyphas erinnernden) Krankheit
in der Mandscharei. Horiachi (Oshida). 101
El*Tor Vibrionen. Prof. Dr. Neufeld a. Dr. Haendel (Bost) . . . 225
Agglutinierende Wirkung des Serams bei Immonisiemng gegen Pest.
Dr. A. Franchetti (Solbrig).813
Die Cholera in Petersburg. Major z. D. G o eb e 1 (Solbrig). \ . . . 313
Cholera* und Pseadocholeravibrionen in Austern und Miesmuscheln. 0.
Bemlinger und Osman Nonri (Mayer) ......... 618
Die Pest in Zanzibar 1907. Dr. Friedrichsen (Dohrn).589
c. Pocken, Impfung.
SabkutaneVakzineinjektionen. Dr. W.Knoepfelmacher (Kurpjuweit) 96
Protahierte Inkubationszeit bei Vakzine. Dr. Simon (Waibei) ... 96
Subkutane Vakzineinjektionen. Dr. Knoopfelmacher (Wolf) . . . 813
Vaccination against Plague. Prof. Dr. Strong (Dohrn).554
Ekzema vaccinicum. Dr. Paul Schenk (Hoffmann).554
Varizellen bei Erwachsenen. Dr. Tripold (Bpd.).723
Za welcher Jahreszeit sollen wir impfen? Dr. Walther Kampe (Solbrig) 847
d. Typhus, Paratyphas.
Wachstum des Bacterium typhosum and des Vibrio cbolerae in Abfall*
stoffen. Gerda Trnili*Peterson (Lentz). 97
Bacteriam coli commune als Sepsiserreger. Dr.Ernst Kremker (Waibei) 97
Typhasdiagnose dureh Blatuntersuchang Dr. Bainer Mttller und Dr.
Heinr. Gräf (Lentz). 97
Untersachung des Blutes auf TyphusbaziUen und Agglatination. Wolf*
gang Veil (Liebetrau) . 98
Typhasdiagnose mittels Bazillenemulsion and Fickerschen Diagnosticums.
Dr. P. Schrumpf (Waibei). 9S
Typhusbakteriämie u. Agglutinationsrcrmögen. Dr.V.B. Stüh lern (Lentz) 98
Beobachtangen bei Abdominaltyphus. Dr. G. Benecke (Wolt) ... 99
Wann steckt der Typhuskranke an? Dr. H. Conrad! (Liebetrau). . 99
Bakteriologie des Typhus in Beziehung zur Prophylaxe. Dr. William Q.
Sa vage (Mayor). 99
Verbreitung des Typhus durch Bazillenträger. Dr. Kossel (Liebetrau) 100
Typhosbazilientrager und •Schatzimpfang aaf dem Kriegsschiff „Iwate“.
Momose (Oshida) . i . . ... 100
Bazillenträger und Disposition. Prof. Dr. E. Levy und Oberstabsarzt
Dr. Wieber (Lentz)... . 101
Fleischvergiftung durch Paratyphus. Dr. Albert Fromme (Lentz) . 101
Diagnose and Verlauf des Paratyphas. S. M. Poggenpohl (Hirschbrueb) 102
Inhalt
xni
Seite.
Bakteriologbche Dingnos« des Typhös. Dr. Frits Moyer (Lohmet) 814
TjphosfSUe mit geiii^er nnd fehlender Agglutination. Dr. H. y. H061in
(Lohmer).814
Beobachtungen beim Abdominaltyphus. Dr. H. Bennecke (Lohmer) . 815
Koffein-Anreicherungsyerfshren snm Nachweise yon Typbusbakteiien.
Dr. C. Loben an (Kurpjaweit).315
Malachit grttnpräparato als Näbrbodensnsatz bei Untersuchung yon Typhus-
Stühlen. Dr. F. Vial (Kurpjuweit).816
Wert der Oallenbintknltnr neben der Qruber-Widalschen Beaktion.
Dr. Venema (Kurpjuweit).316
Nachweis der Typhnsbasillcn mittels der Gallenanreichernng. Dr. £.
Gildemeister (Kurpjuweit).317
Cholecystitis parstypbosa. Dr. Lorey (Waibel).318
Bazillenträger bei Typhus. Prof. Dr. Förster (Hecker).318
TyphnsbazUienträger in Irrenanstalten. Dr. Grimme (Waibel) ... 319
T^husirage in München. H. Mandelbaam (Waibel).320
Stwnng des Paratyphns in der lyphnsgruppe. Dr. Jürgens (Blnber) 821
Paratypbus nnd NahmngsmitteliniektJonen. Dr. Kutscher (Bänber) 821
Typbusdiagnose mit Bintaussaat auf Ghdlenagar. Dr. Stefansky (Bpd.) 515
Cholangitis und Cholecystitis typbosa bei einer Basillentrigerin. Dr.
Max Schüller (Kurpjuweit).515
Typhnsbazillen in der Zerebrotipmalflflssigkeit. Dr. A. Nieter (Waibel) 516
Verspiteter Eintritt der Agglutination nnd abnorm lange Bakteriämie.
Charlotte Müller (Bpd.).516
Typhnsbazillmi im Blute nicht Typbnskranker. Prof. Dr. 0. Busse (Waibel) 516
Misebinfektionen bei Typhus abdominalis. Dr. F. Port (Liebetran). . 517
Zur Metatyphnsfrage. Dr. Nieter (Waibel).517
Eine bakteriologisch interessante Eigeiuehaft des Lezithins. Dr. B.
Bass enge (Liebetran).*.517
Sehadenersatspflicht bei Typhus nach Eintritt yon Abwässern in die
Wasserleitung (Mayer). «... 618
Paratyphosepidemie beim Feld-Art.-Be^. Nr. 75. Dr. Baehr (Kurpjuweit) 589
Mischinfektion mit Typhus n. Paratypbu. J. K. Beckers (Kurpjuweit) 590
Diagnostischer Wert der Ophthalmoreaktion. Dr. Osc. 0 r s z ä g (Liebetran) 591
Ophthalmoreaktion. Dr. Amatore Moroni (Waibel).591
Wert der Gallenblntknltnr in der Diagnostik. Dr. Bnchholz (Bpd.) . 703
Herabsetzung der Agglntinierbarkeit beim Typhnsbacillus. Dr. Hirsch•
brnch (Bpd.) ..703
Bazillenträger und l^phnsyerbreitung. Dr. Baumann (Bpd.) . . . 704
Die Greiser Typhusepidemle. Dr. Schenbe (Bpd.).704
Epidemiologische Beobachtungen bei Typhus und Paratyphns. Dr. Otto
Mayer (Waibel).706
Vorkommen der Paratyphus-Bijtterien in der Außenwelt. Dr. Hüben er
(Liebetran). 706
Verbreitung der Paratyphnsgmppe. Dr. Bimpan (Liebetran) . . . 706
Klinik nnd Bakteriologe des Paratypbus. Dr. Wolf Bingel (Waibel) 706
Bakteriämie bei Typhus. Dr. 8. A. Silberberg (Wolf).883
Immnnisation durch Injektion yon Typhnsbazillen. Prof. P. iPessaiio
und 'Dr. C. Qnadrone (Wolf).883
e. Bückfallfieber.
Die Bekurrensspirochaeten nnd ihre Immnnsera. Dr. Mantenfel (Bost) 225
Die enropäisehen, amerikanischen u. afrikanischen Beknrrenzspirochaeten
Dr. phil. 0. Schellack (Bost) . .226
Die Bückfalliyphns-Epidemie in Kiew. Dr. Babinowitsch (Bänber) 314
f. Bnhr^ Dysenterie.
Bohrepidemie in St. Johann • Saarbrücken. Dr. Otto L e n t z (Autoreferat) 29
Die AmBben-Enteritis nnd ihre Beziehnngen zur Dysenterie. Dr. Jür¬
gens (Wolf) . ..313
Die Bohr in Tsingtau 1906—1908. Dr« Trembnr (Dohm). .... 589
Toxin nnd Antitoän der Dysenteriebasillen. Dr. Scnottelius (Bpd.) 725
Differenzierung der Buhrburterien. Dr. Haendel (Bpd.).^5
Paradysenterie. Dr. Knoepfelmacher (Bpd.) ..726
¥Üii TlwMAnf Arfff •*RM9ri1lAiif.TftarAr Dr irftutAi* ^Wft.fbAtV 726
XIV Inhalt.
Seit«.
g. Diphtherie, Scharlach, Masern, Böteln.
Diphtherie als Volkssenche. Dr. Ed. Btt sing (Hirschbrucb) .... 823
Diphtheriebazillen auf Lakmns'Natrose'N&brbödent Dr. Thiel<Enrpjaweit) 328
Eigelboähfböden fOr Diphtherie- and Taberkelbazillen. C. Labenaa
(Karpjaweit).•.324
Pyocyanosebehandiong der Diphtherie. Dr. Bich. Mühsam (Liebetraa) 5l8
Marpmanns Scbarlachsemm. Prof. Monti (Karpjaweit).519
Bhinitis chron. atrophi a. Diphtherie. Verwendbarkeit der Pyocyanose
bei Ozaena. Dr. Wolf (Bpd.).726
Ein diphtherie&hnlkher Bacillns. Dr. F .Ditthorn a. Dr. A. Laerfien
(WolO.883
h. Epidemische Genickstarre.
Meningokokken-l^ermatocistitis. Dr L. Pick (Bäaber).103
Bedeatang der &tchenerkrankang bei Genickstarre. Dr. Westen-
hoeffer (Bäaber).103
Ueber das Wesen asw. der Genickstarre. Dr. Weidanz (Kraemer) . 104
Prophylaxe der ttbertragbaren (Genickstarre. Dr. Brammand (Dohrn) 104
Sporadische MeningitM cerebrospbalis. Dr. Eölker (Bäaber) . . . 104
Eifahrangen mit dem Meningokokken-Heilserom. Prof. Dr. A. Wasser-
maon (Liebetraa). 104
Agglatiaationsphänomen bd Genickstarre. Dr. Fr. Ditthorn n. Dr.
W. Schnitz (Karpjaweit).812
Erfahraagen mit Meningitis cerebiospinaUs bei Kindern. San.-Bat Dr.
Casse'l (Liebetraa) 812
Der Wert der Lambalponktion. Prof. Dr. t. Bokay (Liebetraa) . . 312
Erfahrangen mit Meningokokkenserom. Dr. Werner Schulz (Bäaber) 812
Schwierigkeiten der Diagnose. Dr. L. F. Dmitrenko (Karpjaweit) . 452
Erfahrangen mit Koile^Wassermannachem Meningokokkenserom. Dr.
F. Lery (Liebetraa).453
Meningitis cerebrospinalis im höheren Lebensalter. Dr. Herrn. Schle¬
singer (Karpjaweit) ‘.453
Behandlang mit Meningokokkenheilseram. Dr. V. Arnold (Wolf). . 554
Therapie der Genickstarre. Dr. W. Arnold (Woli) ..... . . 554
Wirkangsweise and Wertbestimmong des Genickstarreserams. Prof. Dr.
iTeafeid (Bpi.).723
Komplikationen and Seramtherapio bei Meningitis cerebrospinalis. Dr.
Stephani Weiß-Eder (Bpd.) . , 724
üeber Carebröspinalmeningitis. Dr. Leo'Cohn (Bpd.).724
i. Wochenbettfie-ber.
Kindbettfieber and dessen Anzeigepfiicht. Otto y. Her ff (Waibel) . . 322
Infektion von.Matter aof Kind im Wochenbett. . Dr. Mayer (Bpd.) 555
Die Anzeigepflicht beim Kindbetifieber. Dr. Veit (Bpd.).555
k. Taberkalose.- >
Gefäßstreifen — Erkennnngsmittel der Schwindsacht. Dr. Karl Francke 28
(Waibel). 23
Wachstam des Badllas bei niederen Wärmegraden. C. Fraenckel
(Karpjaweit).105
Wirkung des Formaldehyds ahl fiehBacillas asw. Prot G. Martinotti
(Lentz).•.105
Stand der Taberkaloseforscbang. Lydia Babinowitsch (Korpjaweit) 105
Bedeatang der Atmangsorgane and des Verdaaongstraktns Ittr die
Taberkoloseinfektion. B. Pfeiffer o. £. Friedberger (Liebetraa) lOß
Planmäßige Taberkalosebekämpfhng. Prof. Dr. Petraschky (Wolf). 106
Ophthalmoreaktion der Taberkalose. Dr. Wiens and Oberarzt Günther
(Waibel). 107
Bedeatang der Ophthalmoreaktion. Dr. C. Klineberger (Waibel) 107
Haut- and Ophthalmoreaktion aaf Taberkalin. Dr. Carlos Mainlni
(Waibel). 107
Heilstätten oder Inyalidenheime für Taberkalose?. Beg.*Bat Biele*
leid (Dohrn). 108
Taberkalose and Syphilis in Nordafrika. Dr. Boigey (Dohrn) . . . 108
Pleomorphie des Taberi:s!bacillas. Dr. A. B. Welsmayr (Lohmer) . 325
Ttthalt XV
Beite.
WirkoHg der TaberkelbeiUlen ron der lUTerletsken Heut eoa. Prot
C. Freeskel (Earpjawdt).825
Geseee der taberkolOseii LangeDphthise. Dr. Carl Hart (Llebetras) . 826
Endometritis decidualis tnbercolosa. P. Sebrnmpl (Merkel) .... 326
Laesioo der Nebenieren bei Tabeikalose. V. Babes (Mayer) .... 826
Neae Methode der Haatreaktioo. B. Lautier (Mayer).326
Die kutane Taberkuliuprobe im Kindesalter. Prof.Dr.K Fe er (Weibel) 827
Ueber Ophthalmoreaktion. A. Woll-Eisner (Waibel).827
Wert der Ophthalmoreaktion für die Diagnose. Dr. Blum und Medi-
disinalpraktikant Schlippe (Waibel).828
Empfindlichkeit gegen die Ophthalmoreaktion lange Zeit nach Entfer¬
nung tuberkuiSeer Herde. O. Btienue (Mayer).828
Absorption des Tuberkulins vom Maatdarm aus. A. Calmette und
M. Breton (Mayer).* . . . 829
Tuberkulose im S&ugiingsaiter. Dr. Sebach (Waibel).829
Behandlung Ton Tuberkuldsen in den Kranks^iuaern. Prof. Dr. O.
Hoppe-Seyler (Liebetran).829
Bekimpfung der Tuberkulose. Dr. F. Jessen (Waibel).880
Obligatoris^e Anseigepflicht der Schwindsucht in Sidney. W. O. Arm¬
strong (Mayer).380
Das TuberkuUn in der Hand des praktischen Arztes. Dr. H. Weioker
(Kurpjuweit).449
Dosierung bes Alt-Tuberkulins zu diagnostischen Zwecken. Dr. LOwen-
stein (ELlare).449
Frühzeitige Diagnose der Tuberkulose und die Ophthalmoreaktion. Dr.
Qlovanni Cocci (Kurpjuweit).450
Ophthalmoreaktion nach Calmette bei Kindern. Dr. Bayaerd (Lohmer) 451
KonjanktiTalreaktion und Salbenrektion. Dr. H. Hei ne mann (Waibel) 452
Wert und Oelahren der OpUthalmoreaktion. Dr. A. Siegrist (Klare) 452
Stellung des Augenarztes zur Ophthalmoreaktion. Dr. P. Schultz-
Zehden (Klare).452
Qleiehzeitig angestellte kutane, konjonktiVale und subkutane Tuber-
knlinreaktionen. Dr. Boepke (Bpd.).591
Ophthalmoreaktion und Allergieprobe. Dr. Hammerschmidt (Bpd.) 592
Opbthalmosytodiagnose, Dr. Dietschy (Waibel) 592
Ophthalmoreaktion in Beziehung zum Sektlonnergebnis und zur Tuber-
kulininjektion. Dr. Q. Fehsenfeid (Waibel).598
Die kutane Tuberkulinimpfung bdi Kinderh. Dr. Morgenr oth (Waibel) 598
Die angeblichen Gefahren der Konjnnktiralreaktionen. Dr. Teich¬
mann (Bpd.). ..-.593
Ist die konjunktirale Tnberknlinreaktion ungef&hrlich ? Dr. Max QOr-
llch (Waibel).594
Die Tuberkulose im schulpflichtigen Alter. Dr. Ascher (Kurpjuweit) 594
Bekimpfung der Tuberkulose auf dem Lande. Dr. Hillenberg (Dohrn) 595
Heilstittenbehandlung. Dr. A. Frankenburger (Waibel) .... 595
Bedeutung der Kontaktinfektion bei Tubeik^ose. Dr. Ostermann
(Autoreferat).848
Infektion beim Genoß yon Milch perlsflchtiger Kühe. Dr. Oster¬
mann (Autoreferat).848
Beziehnngen zwischen Siuglingsemihrung und Tuberkulose. Dr. Bruno
Heymann (Ostermann). 849
Disposition der Longe zur Erkrankung an Tuberkulose. Dr. Oettinger
(Ostermann).849
Infektion durch Inhalation yon Sputnmstaub. Dr. Kffhlisch (Ostermann) 849
Aufnahme inhalierter Tuberkelbazülen in die Lunge. Dr. Hey mann
(Ostermann).850
Schicksal inhalierter Schimmelpilz^orCn.’ Dr. Ballin (O^itermann) . . 850
Durehgingigkeit des Darmes fttr TobetkelbazUlen. Dr. Beichenbah
und Dr. Bock (Ostermann).850
Verhalten des Kaninchens gegenüber den yerschiedenen Infektionswegen.
Dr. Alexander (Ostermann).
Eintrlttswege der Tuberkulose. Dr. Eeichenbach (Ostermann) . . 851
TuberkelbaiUlen in der Milch tuberkulöser Tiere. Dr. A.de Jong (Lents) Sol
XVI
Inhalt.
SeiU.
Kutane TaberkuUnreaktion bei Säuglingen. Dt. Ellenbeck (Epd.) 861
Wert der BOntgendiagnoetik der Frflhtuberkalose der Lungen. Prof.
Dr. Krause (Bpd.).862
Röntgenverfahren und Diagnostik der Tuberkulose. A. Kjritz (Wolf) 862
Konjunktiralreaktion. Dr. G. Lttdke (Wolf).. . 8.63
Ophthalmoreaktion. Dr. Wiens und Dr. Günther (Waibel) . . . 853
Gefährliche Fol^n der Ophthalmoreaktion. Dr. Schrumpf (Waibel). 863
Bedeutung der Konjunktiralreaktion. Dr. A. Wolf-Eisner (Waibel) 868
Primäre Darmtuberkulose bei Erwachsenen. Prof. Dr. B. Fischer (Widbel) 864
Tuberkulose - Immunblut (I.-K.)*Behandlnog. Dr. Carl Spengler (Budloff) 864
Harmoreks Antituberkuloseserum. Dr. Damanskyu. Dr. Hilenko(Bpd.) 865
Operative Beeinflussung einseitiger Lungenphthise. Prof. Dr. P. L.
Friedrich (Wolf).855
Kampf gegen die Tuberkulose. Unterbringung Schwerkranker. Dr.
Bumpf (^d.).855
Bekämpfung der ^berkuiose und Fürsorge für Phthisiker. Prof. Dr.
Martin Kirchner (Dohrn).. 856
Bekämpfung der Tuberkulose im Kreise Neustadt a. Bbge. Dr. D o h r n (Wolf) 866
Kontrolle der Lungenschwindsucht in Schottland (Mayer).858
Anzeigepflicht für Tuberkulose in England. G. F. Mc. üleary (Mayer) 858
Kritische Untersuchung der Sputumgläser. Dr. Busch (Bpd.) . . . 859
L Syphilis, Prostitution.
Beweglichkeit und Agglutination der Spirochaete pallida. Dr. Zabo«
lotny und Dr. Maslakowetz (Lentz). 27
Vitale Färbung der Spirochaete pallida. M. Handelbaum (Waibel). 27
Atoxylrersuche bei Piroplasmose der Hunde. Dr. G. Gonder (Bost) . 228
Untersuchungen über Dourine; Atoxylbehandlung. Prof. Dr. Uhlen*
huth, Dr. Hübner und Dr. Woithe (Bost).228
Präventive Wirkung des Atozyls. G. Uhlenhuth, E. Hoffmann
und 0. Weida nz (Liebetran).828
Atozyl bei Syphilis und Framboesie. Prof. Albert Neisser (Liebetran) 228
Nagelpigmentation bei sekundärer Syphilis. Hans Voerner (Waibel). 229
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in Oesterreich. Dr. L. Sofer
(Dohm).229
Ist eine Gonorrhoekontrolle mOgUchP Dr. Magnus Möller (Dohrn) . 830
Sexuelle Prophylaxe beim Heer im 17. Jahrhundert. Dr. Frhr. v. Nott-
haft (Dohrn).331
Gesindeordnnng und Geschlechtskrankheiten. Dr. Springer (Dohm) 381
Die Häufigkeit und Prophylaxe der Syphilis. A. Renault (Dohm) . 381
Spirochaete pallida und Cytorrhyktus luis. Dr. Jancke. Bemerkungen
dazu. Dr. C. T. Neeggerath (Klare).376
Häuflgkeit der Geschlechtskrankheiten. Dr. Dohrn (Wolf) .... 376
Dianose der Syphilis. Dr. Naegeli und Dr. Vernier (Qare) . . 663
Sinu SyphiUs und Framboesie verschiedene Krankheiten? Prof. Dr.
A. Neisser (Dohrn).554
Scharlach und Serodiagnostik auf Syphilis. Dr. Meier (Bpd.) . . . 727
Bedeutung der Serodiagnostik für die Praxis. Dr. Blaschko (Bpd.). 727
Bedeutung der Serodiagnostik für den Praktiker. Dr. Goldstein (Bpd.) 728
Der serologische Luesnachweis. Dr. Hinrichs (Bpd.).728
Prostitution und Staat. 0. Münstermann (Bpd.).728
Geschlechtskrankheiten und Heilschwindel. Dr. K. Alexander (^d.) 729
Serodiagnostik der Syphilis. Prof. Dr. F. Ballner und Dr. A. v. De*
castello (Wolf).883
Ueber die sexuelie Verantwortlichkeit. Prof. K. Tonton (Dohm) . . 884
Verbreitung der Geschlechtskrankheiten an den Mittelschulen. Dr. Hugo
Hecht (Dohm). 884
Prostitntionspolitik und SittenpolizeL Dr. Güth (Dohm).884
Animierkneipenwesen in Frankfurt a. M. Dr. Th. Baer (Dohm). . 885
Ueber Animierkneipen. Münsterberg (Dohm). 885
Kampf gegen die Animierkneipen. Marie Eggers-Schmidt (Dohm) 885
m. Granulöse.
Trachom und seine Behandlung. Dr. Pick (Klare) 3S2
Inhalt. XVII
Salt«.
Der erste Trachomkongrefl ln Palermo. Prof. B. Greef nnd Dr.
Claaeen ^ohm).882
Bekimplong der Granulöse. Dr. Cohn (Bpd.).847
n. Malaria und Tropenkrankheiten.
Malaria im nördlichen Jeverlande. Dr. H. Weydemann (Lentz) . . 80
Aetiologie der Tsatsnganmshikrankheit Prof. M. Ogata und Dr.
S. Ishiwara (Liebetran). 30
Ankylostoma und andere Darmparasiten der Kameronneger. Dr. Efllz
(Dohm).229
Erfolge der Abtreibangskoren bei Ankylostomiasis. Dr. Dieminger
(Dohm).280
Sehlangengiftschatzsemm. Dr. M. Krause (Dohrn).286
Malariabekämpfnng in den deutschen Kolonien und der Marine. Prof.
Dr. Besold Buge (Dohm).286
Malariaprophylaxe in unkultiTierten Gegenden. Prol Dr. Ziemann
(Lohmer).287
Bilharxiosis in Deutsch •Ostafrika. Dr. C. Mense (Dohrn).287
Aetiologie der Schlafkrankheit Dr. Kudicke (Doora).287
Erzeugung eines fttr den Europäer günstigeren Klimas der Wohn* nnd
Arbeitsränme in den Tr^en. Dr. C. E. Banke (Dohm) . . . 287
Schulen fttr Tropenmedizin in England. Dr. Clans 8 chilling (Dohm) 288
Die Bekämpfung der Malaria in Oesterreich. Dr. L. Sofer (Wolf). . 882
Behandlung der Schlafkrankheit. F. Mesnil und M. Nicolle
(Hirschbruch).888
Ancbylostomiasis. Dr. Calogero (Solbrig).520
Semmbehandlnng der Schlangenbisse. Dr. KOrbel (Knrpjuweit) . . 621
Malaria ohne Parasitenbefund nnd Parasitenbefnnd ohne Malaria. Dr.
Kttls (Dohm).688
Wesen der Beriberikrankheit Dr. F. Tsuzuki (Dohrn).688
Atozylfestigkeit der Trypanosomen. A. Breinl nnd M. Nierenstein
(Liebetran).626
Wirkungsweise des Atoxyls bei Trypanosomiasis. C. Leyaditi nnd
T. Tamanonchi (Mayer).626
Die Bekämpfung der Malaria in Italien (Bpd.).729
Prophylaxe der Beriberi. Dr. H. Sünder (Dohm).886
VolKskrankheiten in Kamerun. Dr. Kttlz (Dohm).886
Ueber das Sommerfieber. Dr. Mennella (Dohrn).887
0 . Zoonosen (Tollwut, Milzbrand, Botz pp.).
Besiatena gegen Milsbrand. Max Gruber n. Kenzo Futaki (Liebetran) 80
Jahresbericht der Wntschntzabteiinng des Lutituts fttr Infektionskrank«
heiten. Dr. H. TSpfer (Dohm).809
Jahresbericht der Wntschutzabtcunng am Hygienischen Institut Breslan.
Dr. Ostermann (Dohrn).810
Wntschntzimpfungyon der PeritenealhShle ans. Dr. Bemlinger (Mayer) 310
Zum biologischen Studium des MUzbrandbacillns. Nonnote n. Sar>
tory (Mayer).311
Schweinerotlauf beim Menschen nnd dessen Heilung durch Schweinerot-
laubernm. Dr. A. Wetzel (Waibel).811
p. Sonstige Krankheiten.
UlzetOse Hantaffektion, yemrsacbt durch den Bacillns pyocyanens. Dr.
Felix Lewandowsky (Waibel). 28
Infiuenzasepsis. Dr. Saathofl (Waibel). 28
Infinenzabazillen im Bronchialbanm. Dr. Friedr. Wohlwill (Waibel) 824
Sklerom, Vorkommen nnd Behandlung. Prof. Dr. Gerber (Klare) . . 876
Blinddarmentzttndnng in Preußen. 876
Juckepidemie, beding durch Leptns antnmnalis. Dr. Frh. y. Notthaft
(Waibel).619
Tmehocephali^e Enteritis. Dr. Ch. Garise (Knrpjuweit) .... 620
Influenza Encephalitis. Prof. Dr. Berger (Bpd.).689
q. Desinfektion.
Thoms .Ptyoohason“. Dr. Artur Lissaner (Liebetran).280
xvm
Inhalt.
Saite.
Para-Lysol. Dr. Nieter (Karpjaweit).230
OniTersal-Dampfdesinfektionsapparat. Dr. Christian (Knrpjnweit) 230
Desinfektion durch Wasserdämpfe nnd floohtige Desinfektionsmittel bei
erniedrigtem Druck. Dr. Christian (Snrpjuweit).281
Leistungsfähigkeit einiger neuen Desinfektionsarten. Dr. Christian
(Kraemer).232
Verwendung alter Aetzkalkpräparate. Prof. Dr. t. Esma r ch (Kurpjaweit) 232
Die festen Polymeren des Formaldehyds. Dr. Fr. Auerbach und
Dr. H. Barschall (Bost).233
Schrankdesinfektionen mit Formaldebyd. Dr. Hilgermann und Dr.
Eirchgässer (Dobrn).* . . 233
Desinfektionsrersuche mit Antan. Dr. ln gelfinger (Dohrs) . . . 233
Prüfung des Antan. Prof. Dr. 0. Frank (Dohrn) ........ 233
DesinfektionsTersucbe mit Antan. Prof Dr. Proskaner und Dr. phii.
Hans Schneider (Dohrn).234
Formaldebyddesinfektion mit Autan. Dr. Eirchgässer nnd Dr. Hil¬
germann (Dohrn).234
Desinfektionswirkung des Antans. Dr. F. Bock (Dohm).234
Wirkung von Tbymoi nnd Tannothymol; Verhalten einiger Substanzen
zur Scbwefelwasserstoffsildnng. Dr. Herrn. Hildebrandt (Elare) 378
Lysol und Eresolseife. Prof. Dr. H. Schottelius (Waibel) .... 378
Zur Händedesinfektion. Dr. Lenzmann (Wolf).379
Untersuchungen über „Festoform". Dr. E. Walter (Daske) .... 379
Händedesinfektion mit Chirosoter. Dr. 0. Becker (Waibel) .... 411
Händedesinfektion nur mit Alkohol. Dr. Schum bürg (Liebetran). . 411
DesinfektionsTermOgen des Autans. B. Oalli (Elare).412
Verbesserung der Hantdesinfeklion. Dr. H. 7. Brunn (Waibel). . . 556
Formaldehyddampfdesinfektion. Prof. Dr. O. Bischoff (Wolf) . . . 556
Baumdesinfektion mit dem neuen Autanpräparat. Dr. Fr omme (Wolf) 557
Zur Autanfrage. Dr. Christian (Enrpjuweit).557
Antan in der Desinfektionsprazis. Dr. Langermann (Enrpjuweit) 557
Amandesinfektion. Dr. Selter (Enrpjuweit). 558
Bakterizide Wirkung des Glyzerins. Prof. Dr. E. Levy und Dr. E.
E renk er (Enrpjuweit).. . 626
Bakterizide Wirkung des Hygienols. Dr. 0. Biasius (Eurpjnweit) 627
Desinfektionswert der drei Eresol-lsomeren. Dr. H. Schneider (Bpd.) 627
Desinfektion der Hände nnd Bant mittels Jodtetrachlorkohlenstoff und
Dermagnmmit. Dr. Wederbake (Bpd.).627
Desbfektion mit Autan. Dr. A. Lleoy Morera (Döli).628
Zwei einfache Desinfektionsyerfahren durch Formaldebyd. Dr. Fi6döric
Eilliet (DöU).628
Earbolaänretabletten. Dr. F. Croner u. Dr. G. Schindler (Wolf) . 732
Zwei neue Formaldebydseifenpriparate. Dr. E. Seligmann (Wolf) . 732
Des HeiBluftzimmer, ein TrockenstetUisator. Dr. 0. B. y. Wunsch¬
heim (WoU).732
Zur Sterilisation yon Gummihandschuhen. Dr. A. Fiefiler und Dr.
Iwase (Waibel).732
Jahresbericht der Desinfektionsgenossenschaft der Gemeinden Dieden-
hofen Ost. Dr. Gifi (Hecker). 732
Desinfektionswert des Hygienols. Dr. Wolf (Lentz).887
Desinfektion mit Formalin auf kaltem Wege. Dr. B. Dörr nnd Dr. H.
Banbitschek (Lentz).887
Wohnnngsdesinfektion mit Formaldebyd ohne Apparate. Dr. LOsener
(Wolf).887
ft. Wohniuigahyglene, Heisang, Ltlftaiig.
B^gienische Untersuchung der japanischen Hanswand. C. Yokote
(Oshida).235
Eanalisation in der Stadt Tokio (Oshida).235
Ventilatoren mit Branseyorrichtung. Dr. Debelmesser (Enrpjuweit) 237
Fugenlose FnfibOden. Stadtbanrat Peters (Liebetran).341
Trodienstellnng der Eleinwobnnngen. Prof. H. Chr. Nnßbaum (Wolf) 880
Bauordnungen nnd Wohnnngsrefoim. Heg. - Assessor Becbtel (Wolf) 380
Inhalt.
Mitialbare Gaahelsiug. Oberingenienr F. Sohaefer (Wolf) . . . .
Maßnahmen gegen Banchsohiden. Prof. O. Wislieenns (Wolf) . .
Die Baacbplage in den Großstädten. Prof. Dr. Bahner (Kypke*
Bnrchardi).
QaantitatiTe Stanb* and Baßbestimmang. Prof. Dr. M. Hahn (Wolf) .
Laftreinigang darch Oson. Dr. O. Erlwein (Wolf).
Schatz der Schornsteine gegen die Witterang. Prof. Naßbaam (Wolf)
Aufgaben der Gemeinden bei Aasgestaitong des Bebaangsplanes. Bei*
geordneter Schilling (Liebetraa).
Einfloß schlechter Wobnnngen aaf die Gesandbeit. Dr. F. Lebram (Wolf)
Slanbzersetzang auf Heizkörpern. Prof. Dr. Ohr. Naß baam (Wolf) .
Die WohnongsTOrhältnisse in Frankreich. Dr. Jaqaes Bertilion (Dohrn)
Die Bowton Hoases in London. G. Albrecht (Wolf).
Gartenstadt and Gesundheit. Dr. A. Fischer (Wolf).
Grandsätze Aber die Bebaubarkeit des Grand and Bodens. Prof. Ewald
Genzmer (Liebetraa).
Die Genehmigung ron Eotwttrfen fhr Stadtgesondheitswerke. Prirat-
dozent Max Kn an ff (Liebetraa) .
Wohnangsmangel und Eleinwohnangsbau. Dr. A. Fischer (Wolf)
Schlafborschenonwesen und Ledigenheime. Dr. Wandel (Bpd.) . . .
Zentrale Ent- and Belttftong bei Niederdrackdampfhelzang. Ingenieur
E. Bitt (Wolf).
Heizung and LUftang ron Bestaarationen. Ingenieur G. Bo ose (Wolf)
Die Gartenstadt-Bewegung. F. E. Fremantle (Marer).
Zentralheizang oder BinzeUieizang. Prof. Dr. E. Wolf (Wolf) . . .
Zeratörongsfähigkeit lufthaltigen Wassers in Zentralheizungen. P. Ta-
kasa (Wolf). .
8. WMaerTersorgong.
Der Trinkspringbronnen. Dr. Steinhaus (Solbrig).
üeber TrinKwasser. Dr. Otto Leers (Bamp).
Beobacbtongen an einer Wasserleitong. Dr. Kißkalt ^arpjaweit) .
Zorn Nachweis des Bacteriam coU. Dr. J. Thomann (Karpjaweit)
Löslichkeit ron Bleirerblndangen in Wasser. Dr. H. Pleißner (^st)
Basche Entbrionong and Enteisenung ron Gmndwasser. Prof. Bernhard
Fischer (Eurpjaweit).
Bedeatang des (lebraachswassers fttr die Eatstehang ron Infektions¬
krankheiten. Dr. Hillenberg (Wolf).
Zar Enthirtang des Wassers. Dr. Elut (Kraemer).
Wasserrersorgong and Entwässerung der Gemeinden. Ziril-Ingeniear
Geißler (Wolf).
Zinkhaltige Trinkwässer. A. Brttnig (SymansU).
Ueber ein zinkhaltiges Trinkwasser. F. Schwarz (Symanski) . . .
Enteisenong des Wassers. G. Oesten (Wolf).
üeber Bäckhaltebecken. Dr. ing. Tb. Hejd (Wolf) . . . . ‘ . .
Gefährliche Anordnung des üeberlHufrohres. Ing. H. Goodson (Wolf)
Eine neae Taachelektrode. Dr. Pleißner (Bpd.).
Trinkwasserrersorgang der Städte. Prof. W. Hempel (Wolf) . . .
Beinigang des Tr^kwassers ron Hangan. Dr. G. Noll (Wolf) . . .
Schwankungen der Grandwasserstände. Cbr. Hezger (Wolf). . . .
Sehwanknngen der Grandwasserstände and QaellenaasflOsse. Chr. Mezger
(Wolf).
Saaierang des Breslauer Grandwasserwerkes. Dr. Ltihrig (Wolf) . .
4. Beseitigung der AbfAUstofre, Abwässer
(MAllbeseitigang, Kanalisation, Beinhaltong der Flösse).
Kanalisation der Stadt Tokio (Oahida).
SchlammrerzehruDg. Dr. W. Farre (Wolf).
Verwertang des Klärschlamms (Wolf).
Einleitung ron Abwässern in Gewässer. Dr. Haller (Wolf)
Beinigang der Abwässer. A. Beich (Wolf).
Torßtpissoirs. Dr. Peters (Earpjuweit).
Mailbeseitigung. Dr. Thlesing (Wolf).
XIK
Saite.
881
881
881
883
476
476
558
559
559
629
629
629
629
629
733
783
784
734
888
889
839
287
238
289
889
240
240
384
884
885
479
479
480
480
630
680
784
735
736
786
889
235
285
286
236
286
286
888
ooc
XX
Inhalt.
Seite.
Versnchsreinigiuigaanlage Dresden. Dr. ing. Ensch (Wolf) .... 885
Erfolge der Abwasserklärong. Prof. Dr. Schmidtmann (Bpd.) . . 476
Kadaververwortnng. Ing. P. Naumann (Wolf).479
Abwässerbeseitignng in Kadaver •Verwertnngsanatalten. Prof. Dr.
Thiesing (Bpd.).630
Abwässer der Znckerraffinerie in Dessau. Prof. Dr. B u b n e r und Prof.
Dr. V. Buchka (Bpd.).681
Yernnreinigung durch gewerbliche Abwässer. Prof. Dr. v. Buchka und
Prot Dr. Benk (Bpd.).682
Mftllbeaeitignng. Prof. Dr. Thiesing (Wolf).682
Kampf gegen die Stechmücken. Fr. Begensberg (Wolf).632
Emscherbrnnnen. Oberingenieur Paul Korgefi (Wou).786
Schlammbeseitigung ans Kläranlagen. Dr. mg. Kusch (Wolf) . . . 736
Kanalisation von Landgemeinden, v. Boehmer (Wolf).889
Maschinelle Abwasserreiniger. Dr. F. Jastrow (Idebetrau) .... 890
MflUverbrennnngsversuche (Wolf).890
6. NAhrtmg 8 mltteUi 7 glene.
Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. Dr. Pros*
kauer, Seligmann und Croner (Hirschbrnch). 33
Alimentäre Vergiftungen. E. Sacqu[6p6e (Mayer). 88
Verpflegung der römischen Soldaten in Deutschland. H. Dr agendorff
(Symanski). 34
Nachweis von Pferdefleisch. Dr. J. Fiehe (Symanski). 84
Nachweis tierischer Fette in Gemischen. Dr. F. Polenske (Bost) .85
Wein-Statistik 1905/1906 (Bost). 85
Anforderungen an alkoholfreie Getränke. A. Beythien (Symanski) . 85
Zur Frage des kleinsten Eiweißbedarfes. Prof. Dr. Förster (Waibel) 241
Eindringen der Bakterien in Hühnereier. Dr. G. Menini (Solbrig). . 241
Ichthyismus choleriformis. Dr. 0. Boepke (Wolf).241
Neuere Konservierungsmittel für Fleisch. Dr. Doepner (Troeger) 242
Die Fabrikation von Fleiscbkonserven. Dr. Wilh. D o i q u e t (Liebetrau) 243
Fleischvergiftung und Widalsche Beaktion. Dr. H.Liefmann (Waibel) 480
Ueberleben von pathogenen Bazillen in dem Brod nach dem Back-
prozefl. J. Boussel (Fraenkel).481
Biologische Milchdifferenziernng. Dr. J. Bauer (Waibel).481
Verunreinigung der Milch durch Holz* u. ZinnteUe. Dr. F. Beiß (Symanski) 481
Ziegenmilch und Ziegenbutter. K. Fischer (Symanski).482
Schaf* und Ziegenbutter. B. E. Dons (Symanski).482
Eier * Konservierung. Dr. Prall (SymansU).482
Beurteilung des konservierten Eigelbs. A. Brüning (Symanski) . . 483
Enrilo, ein EaffeeersatzmitteL L. Beitter (Symanski).483
Zichorie. Dr. Heinrich Zeller (Solbrig).484
Ueber alkoholfreie Getränke. 0. Mezger (Symanski).484
Zichoriengenuß unschädlich? Dr. L. Horwitz (Autoreferat) .... 633
Die Bewegung für reine Milch in den Vereinigten Staaten. Dr. Ernst
Schulze (Eypke-Burchardi).633
Untersuchung der in Montevideo eingeführten Milch. H. van de
Venne (Speiser).634
Vergiftungen durch Fleisch kranker Tiere. Dr. Mann (Bpd.). . . . 737
Wurstzubereitung und Wurstvergiftung. William G. Sa vage (Solbrig) 737
Dynamogener Wert des Zuckers. Dr. A. Casarlni (Dohrn) .... 78S
Zichorie. Dr. H. Zellner (Solbrig).738
Geheime Bleivergiftung (Wolf).788
Nahrungsmittelhygiene in offenen Verkaufsstellen. Dr. Körner (Wolf) 891
Fleischvergiftung. Dr. Bitterband (Wolf).891
G^ahren der Verwendung von Essigessenz. Dr. L. Bleibtrcu (Waibel) 892
6. (äeverbehyglene.
Luftdruckerkrankungen. Dr. Klineberger (Kurpjuweit).288
Gewerbliche Bldvergiftung. E. Mosny und Ch. Laubry (Solbrig) 289
Arbeiterinnen der Blmbergwerke in Sardinien. Dr. GildoFr ongia (Solbrig) 290
Gießfleber. Dr. Otto Graeve (Eraemer).291
Inhalt
XXI
Seite.
Heratellang Ton Filz and ihre Gefahren. Joseph Espanet (Oohrn) . 291
Einwixlnuig des berolsm&Blgen Telephonierens anf den Organismns. Dr.
N. Bh. Blegrad (Badloff).292
Professioneller Nystagmus. Dr. Q. Y. Giglioli (Solbrig).292
EinfloB des Steinpalvers anf die Steinhaner. S. Sasakr(Oshida) . . 298
Stigmata der Eopfiastttägerinnen in Kalabrien. Dr. Filippo Bepaoi
(Solbrig).298
Physiopathologie der Nachtarbeit. Dr. Ambrogio Mori (Solbrig) . . 294
Arbeit und Buhe. Georg Hahn (Dohrn).296
(Jntersachnngen Uber berufliche Arbeitsleistung. Prof. Dr. A. Imbert
(Wolf).296
Eänilaß der Berufsarbeit auf die Herzgröße. Dr. Schiefier (Lohmer) 660
Blutrcränderungen bei den Seidenspinnerinnen. Dr. Vincenzo Correnti
(Solbrig).660
Statistik über Bleivergiftungen. Dr. W. Heubner (Klare) .... 661
Stadien Aber den chronischen Phosphorismus. Prof. Dr. Casara Biondi
(Solbrig).661
Angenerkrankung durch kttnstliches DOngemittel. Dr. Maximilian
Bondi (Waibel).662
Augoierkrankung durch ktlnstliches Dttngemittel. Dr. B. Heßberg
(Waibel).. 892
Kraakheltsgefiüiren der Glashflttenarbelter. Dr. Klocke (Bpd.) . . 892
Opfer des Leuchtgases und anderer Energletriger. Fr. Schäfer (Be>
venstorO.898
Die Hdmarbett in England. Dr. Francis J. Allan (Mayer) .... 898
7. SAagllngspflege, HslteUndervesen.
Heilung der Blenorrhoea neonatorum. Dr. Vinzenz Fukala (Waibel) 81
MBchkttchen und Beratungsstellen. Prof. Salge (Wolf). 81
Milch für kleine Kinder in Washington. Prof. Dr. G. Kober (Wolf) . 81
Das Fttrsorgewesen fär Säuglinge. Dr. A. Szana (Wolf). 81
Mutterschaftsversicherung. Dr. Alfons Fischer (Liebetrau) .... 32
Frauenmilch und Kuhmilch in der Sänglingsemährung. Ferdinand
Hueppe (Liebetrau). 82
Einfluß der ^nährnng auf das Stillungsvermögen. Dr. Weißmann (Klare) 83
Debergang von Arzneimitteln in die Frauenmilch. Dr. C. J. Bucara
(Klare). 33
Säuglingssterblichkeit in Bostock. Dr. B r tlnin g und Dr. B alck (Wolf) 83
Säuglings - Milchkflchen in Hamburg. Dr. Sieveking (Thomalla) . . 248
Unfähigkeit der Frauen, zu stillen. G. v. Bunge (Thomalla) . . . 248
Einfluß der Ernährung auf die Milchsekretion. Prof. Dr. F i n k 1 e r (Solbrig) 244
Mutterschaftsversicherung. Dr. Alfons Fischer (Dohrn).244
Säuglingssterblichkeit in Mflnchen; Einfluß der Witterung darauf. Walter
Fuerst (Liebetrau).246
SäuglingsfUrsorge in Charlottenburg.412
Sänglingsfürsorge in Weißenburg T B; Dr. Hans Doerfler (Waibel) 418
Säuglingssterblichkeit und Kostkinderwesen in Mecklenburg. Dr.
G. Brflning (Wolf).414
Säuglingsfflrsorgestellen in Berlin. Dr. G. Tugendreich (Wolf) . . 414
Pasteurisierung der Säuglingsmilch. Dr. A. Luerssen (Wolf) . . . 686
Keflrmilch als Säuglingsnahrung. Dr. D real er (Bpd.).636
Das Säuglingsheim zu Barmen. Dr. Th. Hoffa ^olf).636
Störende Einwirkungen von Brotsuppen anf die Ernährung junger Or*
ganismen. G. Variot und P. Lassabli^re (Mayer) .... 636
Städtische Sänglingsfflrsorge in Berlin. Dr. G. Tagendreich (Kypke-
Buxchardi).687
Entwickelung der Säuglingsfttrsorge. Dr. Nesemann (Bpd.). . . . 788
Städtische Säuglingspflege in Bixdorf. Dr. M. Cohn (Wolf) .... 739
Säuglingssterblichkeit in Kiel. Dr. Spiegel (Wolf) ....... 789
Nervosität und Ernährung im Kindesalter. F. Siegert (Waibel) . . 894
Säuglingsfürsorge in Freibarg L B. Dr. Hans Scheible (Wolf) . . 894
IGlchversorgung, Säuglingsfürsorge und Mütterberatung. G. Kolleck
Anstaltspflege kranker Säuglinge. Dr. A. Szana (Wolf).895
XXII Inhftlt.
Seite,
8. Sohulhygiene.
NerTodtftt bei Sehnlkiiideni. Dr. G. Pan 11 (Wolf).296
VorbeugaDg der Myopie. Dr. Berger (Waibel). 296
UeberbUrdong und wahlfreier Unterricht. Prof. Dr. Eeeaebitter (Wolf) 296
IMentnng des Handarbeitsanterrichts in der Hilfsechole. Dr. Paba t (Wolf) 296
Sdiolhygiene. Ingenienr Zyka (Wolf).296
Scholarztweaen in Dreaden. Dr. B. Flacha (Wolf).297
Hie Arzt — hie Lehrer. Dr. Cron(Wolf) .297
Geachleebtliche Aofklärong der Jugend. Dr. Neumann (Wolf). . . 297
SehOlerapeiaungen. F. Lorentz (Wolf).297
Die Säuberung der Schulbank. H. Suck (Wolf).298
Scbulbäder. Dr. F. E. Hopf (Wolf).298
Heizung und Lüftung einer Gruppe von öffentlichen Schulhäuaem. S.
B. Lesria (Wolf).298
Vom Stottern. Prof. Bud. Debnbardt (Hoffmann).333
Selbatmord u. SelbatmordTerauche yon Schillern. Prof. Dr. C h 1 o p i n (Solbrig) 333
Hygieniache Bedeutung dea fttnfattlndigen Vormittagaunterrichta. Dr.
Steinhaua (Solbrig).334
Zum Problem der Sezuaibelehmng. Dr. D. Saraaon (Solbrig) . . . 336
Zur Schularztfrage. Dr. 0. Dornbltttb (Kypke*Burchardi) .... 336
Daa engUache ünterrlchiageaetz. Dr. Arthur New ab o Im e (Mayer) . 337
Anaftthrungabeatimmungen zum engliaehen ünterrichtageaetz. Bobert L.
Morant (Mayer).337
Wirkung ataubbindender Fufibodenöle. Dr. Arnold Mayer (Liebetrao) . 339
Beziebnngen zwlacben Schwachainn und Schwerhörigkeit. Dr. Franz
Kobrak (Solbrig).414
Ueber den jugendlichen Schwachainn; Unterauchungen an Kindern der
Göttinger Hilfaachule. Dr. Karl Vix (Többen).416
Entwickelung und Ziele der Schulhygiene. Dr. W. Hanauer (Wolf). 484
Aua der achulhygieniacheu Prazia. Dr. H. Wolff (Wolf).485
Die körperliche Züchtigung der Schulkinder. Dr. Traug. Pilf . . . 486
Die neryöae Jugend in höheren Lehranatalten. Bich. Flacher (Solbrig) 485
Die Organiaation der Hilfaachule. Bektor Henze (Wolf).486
Bekämpfung dea Alkoholiamua in den Volkaachulen. Kurt F. W. Boaa
(Solbrig).487
Orthopädiach'gymnaatiacher Spielkurana. Dr. Her bat (Solbrig) . . . 487
SpeigefäOe in der Schule. Dr. Fürat (Wolf).488
Siatbtik über Volkaschul>Brauaebäder. Ing. Grnnow (Wolf), , . . 488
Ohrunterauchung bei Schulkindern. Prof. Dr. Preyaing (Solbrig) . . 637
Kurzaichtigkeit und ihre Verhütung, Prof. Dr. Beat (Waibel) . . . 638
Die Schulzahnpflege (Wolf).638
Die freiere Geataltung der Oberklaaaen der höheren Schulen. Dr.
Benda (Solbrig).638
Füraorge für die achulentlaaaene Jugend. Dr. Feliach (Klare). . . 639
Anleitung zur hygieniachen Erziehung. Frau Dr. W. Geißler (Solbrig) 639
Erholungaheim für kränkliche Schulkinder. G. Büttner (Solbrig) . . 640
Schulärztliche Erfahrungen. Dr. Bayerthal (Pilf).640
Der Kampf gegen den Staub in den Schulen. Stadtbau-Inap. Uhlig (Bpd.) 640
Einrichtung der höheren Schulen. Prof. A. Flacher (Wolf) .... 740
ffiifaachulzöglinge u. Militärdienateignung. Dr.E.Mattauachek (Wolf) 740
Bückgratunterauchungen von Schulkindern. Dr. E. Kiracb (Wolf) 740
Die achulärztliche Tätigkeit in Dortmund. Dr. Steinhaua (Solbrig) . 740
Schularzt im Haupt* oder Nebenamt. Dr. Juba (Solbrig).742
9. Füraorge für Kranke, Gebreohllohe, Rettnngaveaen.
Soziale Auageetaltung der Armenpflege. Stadtrat H. t: Franken*
berg(Wolf) .340
Krüppelfüraorge und ihre Bedeutung für Volkawirtschaft (Wolf) . . . 340'
Füraorge für Krüppel. Dr. Leonhard Boaenfeid (Liebetrau). . . . 340
Aerztliche Füraorge für Taubatumme. Prof. Dr. Oatmann (Budloff) . 840
Deainfektionaanlagen für Abwäaaer ana Krankenanatalten. Dr. Wolf*
holz (Wolf).641
Krankenhaua*Büchereien. Dr. Emat Schnitze (Kypke-ßurcbardi) . 895
Inhalt XXm
Mte.
10. Bnkftmpfang dM JUkohoUnman.
Wirkongan des Alkohols. Bold Haut (Schenk) .... v ... . 86
Dar Alkoholismns ln Umbrien. Dr. Camillo-Yltnli (Solbrig) .... 87
Alkoholismos and toflere Taberkalosen. Beynier (Schenk) .... 841
Der Kampf gegen den AikohoUsmos. Dr. L. Viand a. H. A. Vasnier
(Schenk). 841
Aiukonfu* and Fflrsorgestellen für Alkobolkranke. Dr. Waldschmidt
(Schenk).842
Die Behaadiaog der Alkohollaten. Dr. Waldschmidt (Schenk) . . 842
Das Osterreichidche Trankenhettsgesetz. Gfirtler (Schenk) .... 742
Alkoholismos• Sterblichkeit. Ch. Fernet (Schenk).742
11. Körperpflege. Oeffentllohes Badewesen, Kurorte, Heilquellen.
Hygienische Erziehang. Dr. Neamann (Wolf) ..848
Körperkoltar in Krakaa. Prof. Haz Qatmann (Solbrig) . . . . . 344
Heihiaftbäder als Volksbäder. iMeniear W. Qranow (Wolf) . . . 844
Einrichtang yon Badeanstalten (Wolf). 344
Sicherhetts*Mischapparat für Badeaniagen. K. Eaaffmann (Woll) . 344
15. Verkehrehjglene.
Herstellang staubfreier Straßen. Oberiog. Fraoz Schlfer (Liebetran) 286
Der Verkehr and die Verkehrsschäden. Prof. Dr. Bahner (Xarpjawelt) 846
Staabbekimpfang der Steinschlagstraßen in Bristol. Leonhard (Wolf) 883
Straßenstaab. B. Websel (Wolf).8‘)3
Beitrag zur Eisenbahnhygiene. Dr. Pichenbach (Bpd.).748
18. aefftngnlsh 7 glene.
Staatsgefängnis in Buenos‘Ayres.' Direktor Antonie Bally^ (Solbrig) 845
14. lieiohenaoliau und Begr&bnlnwesen.
Die Leicheneinäschemog yom sozialhygienischen Stindponkt. Dr. Moritz
Fürst (Liebetran)..846
Einrichtang yon Leichenhäasern. Dr. Haberstolz (Karpjaweit) . . 347
Leichenschaa in Elsaß •Lothringen. Dr. Albert Hamm (Aatoreferat) . 562
Der moderne landschaftliche Zentralfriedhof. Emil Oie na pp (Liebetran) 564
15. Soslale Hjglene, Statistik.
Patholorie n. Therapie der weiblichen Sterilität. Ernst Fr änkel(Dohrn) 245
Notwendigkeit eines hygienischen Maseums. S. Miyake (Oshida) . . 245
Volkshygienische Weihnachtsgedanken. Dr. E. Beerwald (Woli) . . 246
Beform der sozialen Oesetzgebang. Prof. Dr. Bampf (Dohrn) . . . 246
Die soziale Wertung des Aerzteatandes. Dr. Liebetran (Dohrn) . , 247
Ergebnisse des Impfgeschäfts 1905. Dr. Breger (Bost).247
Sterblichkeit in Frankfurt a. M. yom Mittelalter bis zam 19. Jahr*
hundert. Dr. Hanauer (Dohrn).249
Sozialmedizinisehe AaskanftssteUen. Dr. A. Babe (Liebetran) . . . 743
Von ärztlicher Ethik. Dr. E. S. Mc. Kee (Mayer). 748
16. Hobammenwenen.
Prüfung der geistigen Fähigkeiten der Hebammenalpirantinnen. Dr.
Bißmann (Bpd.).848
Die Zahl der Hebammen in den europäischen Staaten. Dr. Prinzing
(Dohm) . . . . ,.348
Vom englischen Hebammenwesen (Mayer). 348
Syphilis der Hebammen und Hebammeayersieherung. Dr. A. B la s c h k o
(Lohmer).349
17. Kurpfusoherel.
Bekämpfung der Kurpfuscherei. Dr. Siefart (Dohm) 849
m. Bespredumgen. 0
Abel, Dr. Budolf: Bakteriologisches Taschenbuch (Lentz). 67
— u. Ficker, Dr.: Hilfsmittel für bakter. Untersuchungen (Lentz) . . 774
Aerztiiche Bechtskunde (Bpd.).250
^) Die Namen der Beferenten sind in Klammem beigefttgt.
XXIV
Inhalt.
Beite.
Alkoholismna, sebe Wirknng und seine Bekimpfong (Schenk) . . 523
Bandelier Dr. und Boepke, Dr.: Diagnostik and Therapie der
Barnoooy Dr. Nie.: Die sexaelle Neurasthenie (TObben).140
Banmm, s. Lebbin.
Biedert, Prof. Dr. Pb. und Wiegand, Dr. 0.: Das Medizinalwesen
in Elsaß •Lothringen (Bpd.). 66
Blaschko, Dr. n. Jacobson, Dr.: Taschenbach der Haat* and Ge*
schleuitskrankheiten (Bpd.).181
Boeokel, Dr. jar. Pritz: Alkoholismos and Becht (Schenk) .... 523
B Ott ge r, Prof. Dr.: Lehrbach der Nahrungsmittel-Chemie (Bpd.). . 182
Borntraeger, Dr.: Diät-Vorschriften für Gesunde und Kranke (Bpd.) 744
Gramer, Prof. Dr. Gerichtliche Psychiatrie (Bpd.).596
Gr&mer, Dr. Friedrich: Einwirkung der Geniumittel auf den Or*
ganismus (Schenk).385
Deichert, Dr. H.: Geschichte desHedizinalwesens inHannorer (Dohm) 668
Desssauer, Friedrich: Heilende Strahlen (Boepke).672
Dornblttth, Dr. Otto: Gesunde Nerren (Pollitz).773
Dunbar, Prof. Dr.: Leitfaden der Abw&nerreinigungsfrage (Bpd.). . 180
Elsner, Dr. F.: Praxis des Chemikers bd Untersuchung Ton Bah-
mngsmitteln pp. und bei hygienischen und bakteriologischen
Untersuchungen (Bpd.).142
Entscheidungen des Preußischen Ehrengerichtsbof;es
für Aerzte (Bpd.).668
Eulenbarg,Prof. Dr.: B^-Ensyklopldie der gesamten Heilkunde(Rpd.) 596
Ficker, s. AbeL
Finkh, Dr. J.: Das heutige Irrenwesen (Klare).108
Forel, Prof. Dr. August: Der HypnoUsmus (TObben).139 .
Fürst, Dr. Moritz u. Pfeiffer, Dr. E: Swulhygienisches Taschen¬
buch (Schenk). 67
Fürst, Dr. L., San.-Bat: Vademecum der weiblichen Gesundheits¬
pflege (Boepke).565
Gesundheitswesen des Preußischen Staates 1906 (Bäuber). 668
Grotjahn, Dr. und Kriegei, Dr.: Jahresbericht über Hy^ene, De¬
mographie und MedizuialBtatistik für 1906, 1907 (Bpd.) . . 181, 597
Haefke, Dr.: Handbuch des Abdeckereiwesens (Bpd.).252
Hartman, s. Kiskalt
Hayelock Ellis: Gbsehlechtsbetrieb und Schamgefühl (TObben) . . 68
— Die krankhaften Geschlechtsempflndungen (Pollitz).773
Hensgen, Dr.: Anleitung zur Desinfektion (Lentz). 522 '
Hetsch, s. Kolle.
Hildebrandt, Dr. H.: Neuere Arzneimittel (Boepke).598
Hopf, Dr. Ludwig: Das speziflsch Menschliche (Thomalla).386
HoTorka, y., Dr. C. und Kronfeld, Dr. A.: Vergleichende Volks¬
medizin (Bpd..).744
Huetlin, Dr. C. Th.: Mnemotechnik der Bezeptologie (Bpd.). ... 69
Jaeobsohn, s. Blaschko.
Joachim, Justizrat und Joachim, Dr.: Gebührenordnung für
Aerzte (Bpd.).180
Joire, Prof. Dr.: Handbuch des H^notismus (Pollitz). 773 i
Jallien,Prof.Dr.L.: Seltene u. weniger bekannte Trippeiformen (Boepke) 523 '
Katz, Dr. L.: Krankheiten der Nasenscheidewand (Boepke) .... 744
Kaufmann, Dr.: Handbuch dei Unfallmedizin (Bpd.). 249 <
Kirchner, Prof. Dr.: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchen- {
bek&mpfung (Bpd.).251
Kirstein, Dr. Fritz: Leitfaden für Desinfektoren (Lentz) .... 522
Kiskalt, Dr. K. und Hartmann, Dr. A.: Praktikum der Bak¬
teriologie und Protozoologie (Bpd.) . .. 66
Klut, Dr. Hartwig: Untersucbung des Wassers an Ort und Stelle
(Schultz-Schultzenstein).859
Kolle, Prof. Dr. W. und Hetsch, Dr. H.: Die experimentelle Bak¬
teriologie und die Infektionskrankheiten (Lentz). 774 1
Kringel, s. Grotjahn. I
Inhalt XXV
Seit«.
Kroafeld, a. HoTOika.
Knbats, Dr. Alfred: Zar Frage einer AlkoholtoaenniHtatlrtlk (Schenk) 528
Karts, Amtsgeriohterat: üntersachong Ton KOrperrerletsongen (Bpd.) 260
Laaggaard, e. Liebreich.
Lebbin, Dr. and Baam, Dr.: Deatsches Nahrnngsmittelrecht (Bpd.). 262
Leere, Dr. Otto: Forensische Biat* and EiweiOdifferenzierang dorch
Antiseram (Bpd.).899
Lenharts, Prof. Dr.: Mikroskopie a. Chemie am Krankenbett (Bpd.) 249
Lenhartz, Prof. Dr. and Bappel, Baarat: Der moderne Kranken*
hansbaa (Bpd.).672
Lew in, Prof. Dr. L.: Vergiftnngs* and Infektionskrankheiten im Be¬
triebe (Thomalla).142
Liebreich, Dr. Oscar and La>ggaard, Dr. Alexander: Compen-
diom der Arzneiyerordnnng (Bomp).141
Liefmann, Dr.: Die Baach- and BaSfrage (Bpd.).671
Lomer, Dr. Q.: Batgeber für Irrenirzte (^d.).669
Langwitz, Dr. med. et phil. Hans: StofmechselTersuche über den
Eiweißbedarf des Kindes (Boepke).670
Mamlock, Dr.: Friedrichs d. Gr. Korrespondenz mit den Aerzten (Bpd.) 253
Meyer, Prof. Dr. E.: Die (Trsachen der Geisteskrankheiten (Klare) 140
Meyer, Dr. and Boeder, Prot Dr.: Atlas der klinischen lUkrokospie
des Blates (Bpd.).249
Mindes, J.: Manoale der neaen Arzneimittel (Bpd.).263
Mombert, Dr. Paal: BeTölkerongsbewegang in Deatschland (Graßl) . 268
M tili er, Prof. Dr. Bobert: Sezaslbiologle (Uare). 69
Mtiller, Dr. Wilhelm: Kompendiam der Longentaberkolose (Boepke). 598
N&dor, s. Pollatschek.
Neißer, Dr. J.: Internationale Uebersicht über Gewerbehygiene (Bpd.) 521
Haßbaum, Prof. H.: Hygiene des Wohnonnwesens (Boepke) . . . 622
Orlowski, Dr.: Die Behandiung der Gonorrhoe des Mannes (Boepke) 623
— Die Geschlechtsschwäche (Boepke).523
Phar, Dr. Adalbert St: Angst (hüare).109
Pfeiffer, Dr.: Taschenbach der Krankenpflege (Bpd.).181
— Fortschritte und Leistangen in der Hygiene. Jahrg. 1906 (Bpd.) 669
Pfeiffer, s. Fürst
Pietrzikowski, Dr.: DieBegatachtaiwen der Unfallverletzangen(Bpd.) 250
Pollatschek, Dr. A. and Nädor, Dr. H.: Die therapeaUsdien Lei¬
stangen 1907 (^Boepke).669
Bamboasek, Dr. J.: üeber die Verhfltong der Bleigefahr (Bpd.) . . 671
Bap^mond, Prot Dr.: Kalender für Medizinalbeamte (Fielitz). . . . 899
— Das Preoßischo Medizinal- and Gesandheitswesen in den Jahren
1883—1908 (Gomprecht).896
Boeder, s. Meyer.
Boepke, s. Bandelier.
Bahner, Prot Dr. Max: Lebensdaaer, Wacbstam and Emährang (Boepke) 669
— Volksemihrangsfragen (Lentz).670
Bange, Prot Dr.: Lehrbnch der Gynäkologie (Bpd.). 38
Bappel, s Lenhartz.
Schmidt, Prot Dr. Adolf: Die Fanktlonsprtlfang des Darmes mittels
der Probekost (Boepke).671
Schneider, Dr.: Das preoßische Seachengesetz (Bpd.).251
Simon. Helene: Schale and Brot (Dohrn).598
Sternberg, Dr. Wilhelm: Kochkanst and Heilkonst (Thomalla) . . 142
Stier, Dr.: Trankenheit and ihre strafrechtliche Begatachtang (Bpd.) 180
Saltan, Dr.: Grandriß and Atlas der speziellen Chirargie (Bpd.) . . 182
SzOllSzny, t., Dr. L.: Mann and Weib, zwei Natarprinzipien (Pollitz) 778
Twistei, Bflrgermstr.: Volksbad and Schalbad für kleine Städte and
das flache Land (Solbrig).671
Weiehardt,Dr. Wolfg.: Ergebnisse der Immonitätsforschong (Boepke) 664
Wiegand, s. Biedert
Wolf f-Eisner, Dr. A.: Ophthalmo- and Katan - Diagnose der Taber-
kolose (Boepke).597
Ziehen, Prot Dr. Th.: Psychiatrie (Becker). 67
XXVI Inhalt.
Seii«.
Tagesnaohrioliten.
Ans dem Beichstage und dem Bondesrate:
Abtnderang der Qewerbeordnang, Arbeiterschatz. 38, 900.
Kontraeexoalität. 110
Gteeetzentwarl ttber Karpfascher und Qeheimmittelserkehr. . . 110, 817
Abgabe starkwirkender Arzneien in Apotheken ..142
Hebammenwesen, 8chlacht?leh* and Fleischbeschaa.212
Weingesetz. 212, 265, 350, 774
Essigessenz, Unfallrenten, E rankenpflegewesen . .. 212,255,
Vergiftangskrankheiten, Vereidigung der Sacbrerständigen .... 212
Kinderschats, gesande Ern&hrong, AlkohoUsmas, Tabakraacben,
Bleivergiftung, Heilstätten.255
WochnerinnenfUrsorge.775
Bekämpfung der Tuberkulose. 255, 8l7
Einwirkung der Armenunterstfltznng auf bffentliche Hechte. . . . 860
Etat . ..■ . . . . 860
Aus dem preußischen Landtage:
Pflege der Leibesflbungen in Schalen, Gehälter der Gefängnis* und
Strafanstaltsärzte. 212
Gesetz, betreffend die Gebühren der Hebammen . . . .213, 256, 415
Medizinische Prttfungsordnung, Nahrungsmittelkontrolle.256
Gesetzentwurf über die Gewährung von Wohnaogsgeldzuschttssen . 816
Beamtenbesoldungsgesetz.8^
Gesetz über die Gebühren der Medizinalbeamten.900
Aus anderen gesetzgebenden Kürperscbaiten:
Bayern: Gehaltsordnung der Medizinalbeamten. 183, 565
Apothekenwesen.215, 387
■Kindersterblichkeit, Säuglingspflege, Kurpfuscher, Stellung der
Amtsärzte.257
Beamtengesetz.416
Prüfungsordnung für den ärztlichen Staatsdienst.860
Wttrttem^rg: Apothekenwesen.215, 417
Krankenversicherung der land* und forstwirtschaftlichen Arbeiter 417
Pharmazeutische Standesvertretung.417
Sachsen: Besoldungsordnung. 258, 416
Baden: Gehaltstarif für die Staatsbeamten.489
Gesetz ttber Irrenfttrsorge. 599, 861
Braunschweig: Scblußdesinfektion.417
Hamburg: Aerztliches Ehrengericht.299
Bremen: VoUbesoldeter Kreisarzt ..454
Elsaß «Lothringen: Medizinalroform.183
Krankheiten, ansteckende, Wochenübersichten 40. 71, 144, 184, 216, 260
362, 3a8, 466, 492, 525, 643, 708, 778, 818, 861, 902
Kongresse und Versammlnngen:
I. internationaler Kongreß zur Bekämpfung der Nahrangs* und
Arzneimittelfälschungen..525
VII. internationaler Kongreß fflr Kriminalanthropologie .... 777
VIII. n Kongreß fttr Hydrologie, Klimatologie, Geologie und
physikalische Therapie. 817
II. Internat. Kongreß zur Bekämpfung der Schlafkrankheit 39, 70,184, 214
XI. . n fttr Augenheilkunde.8l8
„ TuberknlosekoDgreß . 143, 352, 666, 708
III. , Kongreß fttr Irrenpflege.. . 524, 673
XVI. , medizinischer Kongreß. 259, 777
I. „ Kongreß fttr Bettungswesen. 300, 455
XIV. „ Kongreß fttr Hygiene und Demographie.466
IX. Deutscher Kongreß fttr Volks- und Jugendspiele.420
25. Kongreß fttr innere Medizin.111
37. , der Deutschen Gesellschaft fttr Cttirnrgie .... 143
n. „ der Deutschen Gesellschaft fttr Urologie.861
80. Baineologenkongreß.817
8. Krankenpflegekongreß.525
>lnhalt XXVII
Beit«.
II. InteniatioiMler Kars der gerichUiehee Psychologie und Psy*
ehietrie..902
XII. Generelrereammlnog des Zeatralkomitees rar Bekämpfnog der
QeserelTersemmloog des Deatschen Vereins für Volksbygiene . . 387
V. a der intenntionnlen V ereinigong für gesetz«
liehen Arbeiterschats.674
IX. JnhresTersnmmlang des Deutschen Vereins Ittr Scholgesondheits-
pflege...851
HraptTersemmlong der Deatschen Oesellschsft Ifir Volksbider 184,887,420
_ a des Niederrhein. Vereins fttr Öffentliche Oesondheitspflege 350
XXXTTT- „ des Deatschen Vereins ittr Öffentliche Oesondheitspflege 464,708
Jabü&amsyersamDuang des Deatschen Vereins gegen den Mifibraach
geistiger Getränke.707
26. Haopt-(Jabiläams>)Versamialnng des Preafiiscben Medisinal*
V. LandesTersammlang des Bayerischen MedizinalbeamtenTereins 488
VJJL Jahresyersammlang des Wflrttemberg. Medizbalbeamtenyereins 862
IV. Tagung der Deutschen QeselUchalt ftlr gerichtliche Medizin . 491
80. Versammlong Deutscher Naturforscher und Aerzte . . . 299, 601
Tagura der deatschen Otologischen Gesellschaft.666
ll. Konferenz der Zentralstelle für Volkswohlfahrt.887
XIV. Delegiertentag der Vereinigung Deutscher Hebammen . . . 465
Perstmalien: Engelmann 901, Georg 777, Flttgge 901, Holle 776,
Koch 143, 800, 699, Meder 699, Bubner Wl, Salomon 611,
TObben. . ..489
TodesfäUle: Althoff 776, Baer, y. Esmarch 184, Lassar ... 89
Abiaderung der Dienstanweisung fflr die preußischen Kreisärzte ... 89
Beiehsapothekengesetz.. . 39
Gescbättsjubiläum Hofbuebhändler Kornfeld . 39
Arsneitaze. 40
Milsbrandgefahr in Gerbereien und Lederfabriken.69, 416
Prostitutionsfrage. 70
Bobert Koeh-SUftung. 70, 148, 184, 268, 489, 699
Zentralstelle für Volks Wohlfahrt. 70
Preisermäßigung des Autans. 70
Begelung des Hebammenwesens.109
Approbation für Zahntechniker.110
Apothekenreform und Kommunalapotheke.111
Kreisärztliche Prflfung 1902—1907 . 143
Ehrung Bobert Kochs . 143, 300, 699
Fortbilduagakurse in Psychiatrie und gerichtlicher Medizin.188
Sänglingsfflrsorge.2'2
BeichsausschuB fflr das ärztliche Fortbildungswesen.214, 816
Bakteriologischer Kurs fflr Amtsärzte.2'>9
Wissenschaftliche Kurse zum Studium des Alkoholismus.259
Bauschyergfltungen fflr Beisekosten der Kreisärzte.298
__L.—__ i _
Kalender fflr Medizinalbeamte. 300, 778, 818
GehUtsyerbesserung der Medizinalbeamten in Preußen.349
Kurs Aber Familienforschung und Vererbungslehre.361
Verbot des Korsetttragens beim Tarnen.387
Zusammenschluß der Lehreryereioigungen fflr Schulhygiene.388
Ferienkurse Aber Schulhygiene.388
Neuere Arzneimittel und Spezialitäten.888
Krankenkassen und Apotheken. 524, 642
Abwässerreinigung in Zellulosefabriken.416
Internationale Vereinigung fflr B^rebsforschung.^1^
xxvm
Inhalt.
Seit«.
Wohnnngsinapektion In Erfurt 420, in Worms.599
BlelTorgiftangen.420
Internationale Hyffiene^Aosstellnng in Dresden. 465
Epidemische Haarkrankheit.455
Bericht über das Gesundheitswesen ln Preußen 1906 488
Internationales Bureau fttr die öffentliche Hygiene.489
Zentrale fttr balneologische Forschungen.490
Schutz des reellen Arzneimittelrerkehrs.492
Deutscher Medlzinalbeamtenyerein.492
Medizinische Beisestipendien in Bayern.524
Festschrift zum 25 jähriuen Jubiläum des Prenß. Med.-Beamten^Verein 527, 604
Verfahren bei gerichtlichen Leichenuntersuchnngen in Bayern .... 565
Aerztliche Atteste fOr Schulbehörden.666
Sexuelle Belehrung in der Volksschule.5^
Hebammenordnung in Sachsen.567
Fftrsorgeeinrichtungen der Arbeitgeber.567
Monatsschrift „Desinfektion“. 567
Zeitschrift fttr Krttppelfttrsorge. 567
Prüfung fttr den ärztlichen Staatsdienst in Bayern. 599, 860
Verkehr mit gebrauchten Verbandstoffen. 600
Ernährung der Säuglinge. 600
AnssteUnnu fttr Säuglings- und Kinderpflege. 600
Pockenimpfung in Spanien. 600
Massenvergiftung durch Pökelfleisch. 600
Cholera in Bußland.600, 642, 674, 707, 746 777
Zentralprttfungsstelle fttr Arznei- und Qebeimmittel.642
Landesgewerbearzt in Bayern.642
Desinfektionswesen in Bayern.642
Vereinigung der in städtischen Diensten tätigen Aerzte.707
Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte.707
Beform der ArbeiterTersicherung.416, 454, 524, 642, 745, 775
Bekämpfung der Schlafkrankheit.746
Apothekerrat und Kammerausschuß.776
Medaille fttr Verdienste um die Einderfttrsorge.776
Anisichtsbeamter zur Oeberwachung der Beinhaltung der Gewässer . . 776
Cholerasernm. 777
Venerische Krankheiten in Oesterreich-Ungarn.777
Sächsisches Landes - Medizinalkollegium.817
Nobelpreis fttr Mediziner.861
Verwaitungsfragen der InralidenTersicherung.900
Krebsforschung, Leydenstiftung.901
Vertrauensärzte der Schiedsgerichte fttr ArbeiterTersicherung .... 901
Desinfektionskurse.901
Aerztlicher Sachyerständiger beim Obersten Schulrat in Bayern . . . 902
Säuglingsfttrsorge und Mutterschutz in Hessen.902
Stadtarzt in Münster i. W. 902
Physikatsärzte in Deutsch - Ostafrika.902
Ausstellung gegen Alkoholismus und Kurpfuscherei in Dresden . . . 902
VerscMedenes.
Sprechsaal 40, 71, 111, 144, 216, 456, 525, 668, 602, 643, 746, 778, 818, 862
Berichtigungen. 72, 260, 818
Mitteilungen an die Leser. 300, 492, 676, 818
Sach'-Register.
Abdeckerelwesen 252.
Abnormitäten der Aszendenz zur Des¬
zendenz 138.
Abort, krimineller, Perforation des
Uterus 91.
AbfaUstoffe, Torfitpissoirs 236, Mttil-
beseitigung 383.
Abwässer, Beinigung 180, Kanalisation
yon Tokio 235, Schlammyerzehmng
235, Klärschlamm 285, Einleitung
Sach-Register.
XXIX
in öffentliche Gewisser 2S6, Be* gong von Arbeiterinnen n. jagendl.
seitigong 186, 236, Entw&ssernng Arbeitern 38, 900, berufliche Yer*
von Gemeinden 385, Reinigung durtm giftungskrankheiten 212, Luitdruck*
Fischteiche 385, Versucbsreinigungs* erkrankungen 288, gewerbliche Blei*
anlage Dresden 385, Zellulosefabri* Vergütung 289, Arbeiterinnen in
ken 416, Erfolge der Klärung 476, | Bleibergwerken 290, Gießfieber 291,
Beseitigung in Kadaververnichtungs* Gefahren bei Herstellung von Filz
anstalten 630, in Zuckerraffinerien 291, Telephonistinnen 292, pro*
631, Desinfektion in Erankenanstal* fessioneller Nystagmus 292, Stein*
ten 641, Emscher * Brunnen 786, hauer 293, Kopflastträgerinnen ^3,
Schlammbesdtignns' 736, Kanalisa* Physiopathologie der Nachtarbeit
tion in Landgemeinden 889, ma* 294, Arbeit und Ruhe 295, und Ge*
schindle Abwässerreiniger 890. werbehygiene 521, Fttrsorgeeinrich*
Achillessehnenphänomen tungen der Arbdtgeber 567, Landes*
Aether, Schlaf- und Betäubungsmittd gewerbeaizt 642, internationale
709. Vereinigung 674.
Aetzkalk 232. Arbdterverdchemng, Jahresbericht
Akromegalie und Unfall 513. 181, 597, Reform 246, 416, 745, 775,
Alkohol und Paralyse 22. Heilstätten 255, Inhalt des ärzt*
Kontrolle alkohourder Getränke 35, liehen Gutachtens im Bentenstrdt*
Wirkungen 36, in Umbrien 37, akute verfahren 448, Krankengdd und
Tmnke^dt 180, Gefahren des Ge* Invalidenrente 862, Verwaltnngs*
nusses 255, Studum des Alkoholis* fragen 900, Vertrauensärzte der
mus 259, Vergiftung 272,585, eines Schiedsgerichte 901.
Schulkindes 707, Selbstmord 277, Tn* Arbdtsleistung, Höhe 295.
berknlose 841, Bekämpfung 342,528, Armenpflege, soziale Ausgestaltung
in den Schulen 487, Fürsorge* 840, Einwirkung der Unterstützung
stellen 342, Behandlung der Alko* auf öffentliche Rechte 860.
holisten 842, Konsumstatistik 523, Arsen Wasserstoff, Vergütung 508.
Alkoholismus n. Recht 523, patho* Arteriosklerose, Sedenstörungen 443.
logischer Rausch 701, Deutscher Arzneimittel, Uebergang in die Frauen*
Verein gegen den Misbrauch geistiger milch 83, stark wirkende 142,
Getränke 707, österr. Trunksnehts* Handbuch 253, Riedels Mentor 888,
gesetz 742, Alkoholismn8*Sterblich* Abgabe 456, Verkehr 492, Fälschung
kdt 742, Abstinenz*Delirien 842, 525, neuere 598, für Krankenkassen
Delirium tremens 879, Ausstellung 642, Zentralprüfungsstelle 642, Hien*
in Dresden 902. fong-Essenz 818, Aufbewahrung 818.
AlkohoUrde Getränke 484. Abgabe von Unguentum Hydiargyri
Amtsärzte in Bayern 257, 416, Fort* flavnm 862.
bildung 259, Prüfung 599, 860, in Arzndtaze 40.
Sachsen 258, 416, Baden ^9, Lan* Arzndverordnung 69, 141.
desgewerbearzt in Bayern 642. Arzt, Anhörung in Unfallsachen 25,
Amöben*Bnteritis 313. 448, Gebührenordnung 180, Straf*
Anatonüsche Präparate, Konservierung anstalts- und Gefängnisärzte 213,
der Farbe 443. Fortbildungswesen 214, 816, soziale
Angina und septische Infektion 823. Wertung des Aerztestandes 247,
Angst 109. ärztliche Rechtskunde 250, Fried-
An&iierkneipenwesen 886. richs des Großen Korrespondenz mit
Ankylostoma in Kamerun 229, Ab* Aerzten 253, Doktorpromotion 200,
trdbungskuren 230. mediz. Prüfungsordnung 256, Scbul-
Aorta, Sckußverletzung 889. arztwesen. Hie Arzt — hie Lehrer
Apotheker und Apotheken, Rdchs* 297, Ehrengerichte 299, Beziehung
gesetz 39, Reform, Kommunal- zu Krankenkassen 416,454,491,52^
apotheke 111, 215, 417, Apotheker- Versicherungs - Gesellschaften 491,
nunmem 387, 417, Ausschuß 776, Versammlung deutscher Naturfor*
Verein 566, 678, Beschäftigung von scher und Aerzte 299, 601, 707,
Drogisten 602, Besichtigung 678, Aerztetag 350, 490, 902, Inh^tdes
Apothekerrat 776, Beschäftigung ärztlichen Gutachtens im Renten-
von Pharmaziestudierenden in Apo- streitverfahren 448, Abzug des
theken 862, Name des Apothekers Portos bei Uebersendung von Ge-
auf Rezepten 862. bühren 449, Reisestipendien 524,
Appendidtis nach Unfall 721. Atteste für Schulbehörden 566,
XXX
Sach*Begister.
668, Ratgeber fttr Irrenärzte 669,
Meäizinalbeamter und ärztl. Praxis
667, Vereinigang der in städtischen
Diensten stehenden Aerzte 707,
gerichliche Vernehmang in Unfall*
Sachen 723, ärztliche Ethik 713,
Abgabe yon Medikamenten 746,
Nobelpreis 861, Begntachtang in
Invaliden* n. Krankenversichernngs*
Sachen 882, Stadtarzt in Mttnster 902.
Atmung, kdnstliche, bei Ertrinkung
204.
Atoxyl, Wirkung bei Spirillose der
Hdhner 226, bei Piroplasmose der
Hunde 228, Dourine, Affen* n. Ka*
ninchent«yphilis, Syphilis und Pram-
boesie 228, Vergiftung 614, Atoxyl*
festigkeit der Trypanosomen 625,
Wirkung 626.
Auge, Ulcus corneae serpens 24,
Qranulose 199, 847, Augenbefunde
bei Paralytikern 871, Erkrankung
bei Arbeit mit kttnstl. Dttogemitteln
662, 892, Degenerationszeichen 717,
Augenheilkunde, Kongreß 818, pro*
fessionelle Sehschärfe und das ent*
schädigungspflichtige Minimum 844.
Autan 70, 233, 284, 667, 558.
BadeweseU) Schulbäder 298, Heißluft*
bäder, Blischapparat 344. Einrichtung
T. Badeanstalten 844, Volkbäder 184,
387, 420, Statistik der Volksscbul*
Brausebäder 488, Zentrale für bal*
neologische Forschungen 490, Volks*
bad u. Schulbad 671, Baineologen*
kongreß 817.
Bakteriologie, Praktikum 66, Taschen*
buch 67, Lehrbuch 774, Institute
198, Opsonine 307, Jahresberichte
yon Uotersachungsämtern 808, 809,
624, 625, Filtrationsapparat, Meß*
pipette 731, Hilfsmittel zu Unter*
Buchungen 774, Aufwärtswandem
der Bakterien im Verdauungskanal
882.
Bauordnung u. Wobnungsreform 380,
Bebauungsplan 558, Bebaubarkeit
des Grund und Bodens 629.
Begräbnis, landschaftlicher Zentral*
friedbof 664.
Balladonnainfus, Vergiftung 508.
Benzinyergiftung 668.
Beozoidampf, Vergiftung 88.
Beriberikrankheit 588, Prophylaxe 886.
Bevölkerungsbewegung 263.
Bibliotheken, Uebertragung anstecken*
der Krankheiten 600, 784, 896.
Bilharziosis 287.
Bindehauteiterung 93.
Blei, Vergiftung 90. 265, 289, 420,
510, 561, 788, Löslichkeit in Wasser
Oi.n riAsafi'otAvrTAviA sIap A rKaltArinnMi
in Bleibergwerken 290, Gießfieber
291, i bleifarbenhaltige Tapeten 402,
Verhütung der Bieigefahr 671.
Blenorrhoea neonatorum 31.
Blinddarmentzündung in Preußen 876.
Blut, Untersuchung yon Spuren 20,
Chioraetbyl darin 203, klinische
Mikroskopie 249, Gewinnung yon
Hämiokrystallen 272, Reduktion des
Hämoglobins 368, des Oxyhämoglo*
bins 369, 546, Verdünnung teim
Ertrinken 369, Gehalt an Stickoxydul
bei der Narkose 369, 439, Urobilin
fan Blut von Leichen 370, Alter von
Blutflecken 370, 833, intrakranielle
Blutergüsse Neugeborener 441, Blut*
spuren vitaler Entstehung a. Knochen
505, 606, Nachweis von Kohlenoxyd
606, Identitätsnachweis 507, neue
chemische Blutprobe 544, Blut in
organischen Sekreten 545, BlntkOr*
perchenzählung zur Erkennung des
Ertrinkungstodes 545, Blutverände-
rungen bei Seidenspinnerinnen 560,
Chlor*, Jod*, Bromhämin 584. Blut¬
druck vor dem Tode von Paralytikern
584, Färbung yon Blutpräparaten
698, Photometbämoglobin 712, Anti*
Serum für Blutnachweis 834, Blut¬
adern des Handrückens als Identitäts¬
nachweis 834, Antifermentreaktion
882.
Brot, Bazillen überleben den Back¬
prozeß 481.
Bromismus 619.
Bronnen, für Schulen 287.
Brust, Stichwunde 751.
Brustdrüse, überzählige beim Mann 272.
Büchereien der Krankenhäuser 784,895.
Butter, Schaf*, Ziegen* 482.
Chemie, Praxis bei Untersuchung von
Nahrungsmitteln etc. 142.
Chirurgie 143, Grundriß u. Atlas 182.
Chloraethyl, Narkose 208.
CblorzinklÖRungen 90.
Cholera, Wachstum des Vibrio cholerae
97, EUTor Vibrionen 225, in Ru߬
land 600, 642, 674, 707, 746, 777,
in Petersburg 313, Vibrionen in
Austern und Miesmuscheln 518,
Serum 777.
Darm, Funktionsprüfong 671, Durch¬
gängigkeit für TnberkelbazÜlen 850,
Darmtuberkulose bei Erwachenen
854.
Darmparasiten der Kamerunneger 229.
Degenerierte, Schmerzempflndlichkeit
23, neues Stigma 279, Anomalien
der Gliedmaßen bei Geisteskranken
280, Degenerationszeicben 717.
DAfiioarMhiA. .lAhrAflhAriAlit. Iftl. ftQ7.
Saeh'BegiBter.
XXXI
DesbfekUoa, mit Lysol a. Eresolseife
53, 305, 878, Aatan 70, 233, 234,
412, 5ö7, 658, 628, Schlaßdusinfek-
tion 216,417, Piyophagoo, Paxalysol,
Universal* Dampfdesiofektions-Appa*
rat 230, bei ktinsüicb erniedrigtem
Lnltdrack 231, neue Desinfektions*
arten, Aetzkalk 232, Formaldebyd
233, 234, 379. 628, 837, Thymol,
Tannothymol 378, Handedesinfektion
378, Festoform 379, Cbirosoter, Al¬
kohol 411, Anleitang 522, Leitfaden
522, Haatdesinfektion 556, Formal-
debyddampf 556, Formaldebydseifen
732, Zeitschrift 567, im Landkreis
Worms 612. Wert der drei Rresol*
Isomeren 627, Jodtetrachlorkohlen-
stofF, Dermagnmmit 627, von Ab*
wissem in Krankenanstalten 641,
Aasgestaltang in Bayern 642, Kar-
boisftaretabletten 732, Heidloftzim-
mer 732, Sterilisation von Gammi-
handschohen 732, Bericht Kreis
Diedenhofen O^t 732, Hygienol 887,
Desinfektionsknrse in Bayern 901.
Diabetes, darch Koblenoxydvergiftnng
62ii, nach psychischem Tranma 720.
Diphtherie, als Volkssenche, Zttchtnng
der Bardllen 323, 324, Pyozyanose-
behandlang 518, 726, Besiehnngen
za Bhinitb chron. atrophica 726,
diphtherie&hnlicher Bazilias 883.
Dispositon and Viralenz 224.
Doktorjabil&am, Qeh. Hed.-Bat Dr.
Meder 599.
Doarine, AtozylTersnche 228.
Drogenhandlongen, Formalere für
Beviaion 862.
Dttngemittel, Aogenerkrankongen 562,
892.
Dystrophia mosealaris a. Unfall 281.
Ecieoin Tarclnntam 269.
Ehrengericht 299, Entscheidangen 668.
Eier, Eigelb* Konservierana 482.
Eiweis, kleinster Bedarf 241, Bedarf
des Kindes 670.
Eisenbahnhygiene 748.
Eklampsie 837.
Elektrotherm 25.
Elektrizität, Unf&lle 893.
Emsoher-Brnnnen 736.
Endometritis 90.
Enteritis, tnchozephalische 520.
Epilepsie, Herderscbeinangen 136,
Psyehopathia seznalis 445, Unfall
513, Bromismos 619, psychische 838,
Linksbiadigkeit 889, bei Geschwi¬
stern 839, Tremor 879, Alkoholismos
879.
Emährong, Eänflafl aaf das Stillangs-
TormOgen 83, Eiweißbedarf 241,670,
ORR a.L«!...
speisangen 297, Schale a. Brot 598,
der ErstimpfUnge 600, Brotsappen
636, Beziehongzar Lebensdaaer 669,
Yolksernährangsfragen 670, Diät-
yorscbriften 744.
Brsticknng, Ht-rzinbalt 92, Diagnose
353, Biatgehalt der Leber a. Lange
716.
Ertrinkaog, künstliche Atmang 204,
Verdannnng des Blotes 869, Blnt-
kOrperchenzählang 545, Tod 585,
darch Qaetscbang des Thorax 615,
Brastkorberweitorong 716, Langen-
befand 716, Verletzungen and Vers-
tümmelangen yon Leihen 717.
Erwürgen, Selbaterdrosselang 586,835.
Essigessenz 212, 892.
Essigsäare, Vergiftang 89.
Eakalyptasbl, Vergiftang 371.
Exhibitioniamos 878.
FümlUenforsehang 851.
Fett, Nachweis in Gemischen 35.
Fettembolie 1, 718.
Fenerbestattong 800,346, 386,524,860.
Filtrationsapparat 731.
Filz, Gefahren der fierstellang 291.
Finger, Verlast, Gewübnang 845, 846.
Fisäe, Peatinfektion 95, Fischyergif-
tang 241.
Fischteiche, Beinlgnng yon Abwässern
885.
Fleisch, Nachweis yon Pferdefleisch 34,
Fleischyergiftang 101, 480, 600, 614,
737, 891, Konseryierangsmittel 242,
Konserven 243.
Flobertpistole, Schaßwirkang 507, töd¬
liche Verletzang 749, 863.
Flüsse, Veranreinigang 632, Ueber-
wachang der Beinhaitang 776.
Formaldehyd 233, 234, 879, Dampf
556, Wirkang aal Tuberkelbacillas a.
Stapbylococcas pyogenes aareos 105.
Formamint, Vergiftang 546.
Fortbildang, Psychiatrie and gericht¬
liche Medizin 183. ärztliche 214,
bakteriologische 259.
Framboesie, Behandlang mit Atoxyl
220, Syphilis 564.
Fremdkörper, in Nase 92, 205, Ober¬
kiefer 93.
Fracht, Beifezeicben 21, Abtreibang
717.
Faß, indirekte Hittelfaßbrüche 722,
Faßabdrücke 722.
Faßboden, fagenloser 341.
Gartenstadt n. Gesundheit 629, Garten-
stadtbewegang 888.
Gas, Einatmen von Gasen als Unfall
27, Heizung 381.
Gebärende, Geisteszostand 276.
-I—fr--.:-»— a.-. rn -40 a mor
TCTCTni
Sach'Begifter.
bei Konzessionierong gewerblicher
Anlagen 71, Beisekoaten 71, Ein*
Ziehung der Gebühren 72, Gebühren«
ordnnng für Aerzte und Zahnarzte
180,491, der Hebammen 213, Abzug
des Portos bei üebersendung 449,
für Obduktion UnfaUverletzter 552,
Prüfung als Schwimmlehrerin 568,
für Dienstreisen 648, Taubstummen*
Statistik 643, für ärztliche Gutachten
in Unfallsachen 728, Gesetzentwurf
789, 819, 828, 900, für Tereitelte
Yorbesudie 818.
Geburt, Abstofiung der Nabelschnur 22,
699, Selbstmord 586, Bedeutung:
„Vollendung der Geburt" 587.
Geburtshilfe, Wiederholungsbuch 181,
898.
Gefängnis, in Buenos-Ayres 845.
Geflügelpocken und Htthnerdiphtherie
227.
Geheimmittel, Gesetzentwurf 110,115,
656, 673.
Gehirn, Erschütterung440, Orbitaldach*
fraktur 836.
Geisteszustand, Schwangerer und Ge¬
bärender 276.
Geisteskrankheit, Unfall 26, Irren*
wesen 108, Ergographenversuche bei
Katatonie und melancholischer Ver*
Stimmung 135, Ursachen der Geistes*
krankheiten 140, Simulation 273,498,
Dementia praecox 274, 618, 700,878,
manisch * depressives Irresein, De¬
mentia infantilis, Jugendirresein 274,
Gefängnispsychosen 275, Unterbrin*
gung von Verbrechern 279, Gemein*
gefährlichen 511, 701, Anomalien
der Gliedmafien ^0, Schädelmafie
280, Gehirnsyphilis 617, Melancholie
619, Heeresangehörige 620, Gedan*
kensichtbarwerden 620, degeneratives
Irresein 700, Bindendefekte der
Stirn* und Zentralwindnngen 701,
Folie ä deux 839, bei den Juden
841, Amentia 877, hatatoniscber u.
hysterischer Stupor 878, Strafvollzug
bei Minderwertigen 880, bei Geistes*
kranken 880.
Genickstarre, epidemische 84, 724,
Therapie 554, Heilserum 78,104,812,
458,554,723,724, Wesen, Verhütung,
Bekämpfung 104, Meningokokken-
Spermatocistitis 103, Prophylaxe 104,
Bedeutung der Bachenerkrankong
103, Agglutination 312, Abgrenzung
von anderen meningealen Erkran*
kungen 104, bei Kindern 312, Lum*
badpnnktion 312, im höheren Lebens*
alter 458, Komplikationen 724.
Gerichtliche Medizin, Fettembolie 1,
Fortbildungskurse 183, Kehlkopf*
verletzunsren 205. Heilmasmetismus
207, Haft- und Terminfähigkeit 207,
Wichtigkeit der Photographie 217,
Untersuchungen v. Körperverletzun*
gen 250, IV. Tagung der Deutschen
Gesellschaft 491. Ausbildung in
Psychiatrie 549, Zurechnungsfähig¬
keit 620, Kongreß für Kriminu*
anthropologie 777, forensische Pho¬
tographie 875.
Gerichtlicher Termin, Ladung 144.
Geschäitsjubiläum 89.
Geschlechtsempfindungen, krankhafte
773.
Geschlechtskrankheiten, Beziehung zur
Neurasthenie 140, Taschenbuch 181,
in Oesterreich 229, 777, Aufklärung
der Jugend 297, o8A Prophylaxe,
Gesindeordnung 331, Häufigkeit 375,
Heilschwindel 729, Verbreitung an
den Mittelschulen 884, Prostituuons*
E olitik u. Sittenpolizei 884, Animier*
neipenwesen
Geschlechtsschwäche 523.
Geschlechtstrieb 68, Sexualbiologie 69,
Entstehung 442, Ursachen 615.
Geschwülste, Chorionepitheliom - ähn¬
liche 205, s. auch Ulcus.
Gesundheitswesen, Bericht, Preußen
488, 668.
Gewerbekrankheiten, Beurteilung des
Zustandekommens von Vergiftnngs*
u. Infektionskrankheiten im Betriebe
142, Blutverändernngen bei Seiden*
Spinnerinnen 560, Phosphorismus 561,
Bleierkrankungen 561, 671, Arbeit
mit künstlichen Düngemitteln 562,
892, Steinhauer 293,Studium 777, Ver¬
giftung durch Morphin und Opium
880, Glashttttenarbeiter 892.
Gewerbehygiene und Arbeiterschutz
521, Landesgewerbearzt 642.
Gewöhnung nach Unfallverletzungen
210 .
Gießfieber 291.
Gifte, Handel in Filialgeschäften 111,
Wirkung nikotinlreien Tabaks 204.
Glashüttenarbeiter, Krankheitsgefah¬
ren 892.
Gliedmaßen, Anomalien bei Geistes¬
kranken 280.
Glykosurien, Lebensversicherung 211.
Glyzerin, bakterizide Wirkung 626.
Gonorrhoe, Kontrolle 330, Behandlung
523, seltene Formen 5^.
Granulöse 199, 847.
Greisenalter, in forensischer Besiehnng
841.
Grnndwasser, Schwankungen 785.
Gummihandschuhe 732.
Gynäkologie, Lehrbuch 88.
Haarkrankheit, epidenrische 455.
Haft* und TerminfäluKiioll 207.
Sach-BegiBter.
XXXIIl
HaadarbeiUuntorricht in der Hills*
schale 296.
HarnleiterTerengong nach Unfall 24.
Haas Wirtschaft, Unterricht 387.
Haatdosinfektion 556.
Hautkrankheiten, Taschenbach 181.
Hebammen, Bestrafung 40, Meldepflicht
bei Wochenbettfleber 73, beim Tode
der Wöchnerin 112, Begelang des
Hebammenwesens 109, 193, 212,
Gebühren 213, 256, 415, Versehlep-
ang Ton Schälblasen 271, Fähig-
eiten der Aspirantinnen 348, Zahl
348, in England 348, Syphilis 349,
Mitwirkung bei der Säuglingspflege
437, Delegiertentag 455, in Bayern
529, Hebammenordnang 567.
Hefeinfektion der Meningen 311.
Heilkanst und Kochkunst 142.
Heilsera, Giftigkeit 307.
HeUstättenbehandlong 595.
Heimarbeit in Enp'land 893.
Heirat, heiratsfähiges Alter 421.
Heiflluftzimmer, im Trockensterilisator
782.
Heizung, von Schalen 298, Verunreini¬
gung der Luft durch Kohlenoxyd
367, durch Gas 881. Staubzersetzung
auf Heizkörpern 559, Ton Bestaura-
tionen 734, Zentralheizungen 889.
Helminthen. Absonderung giftiger Sub¬
stanzen 376.
Heroin. Vergiftung 370.
Herz, Inhalt bei Erstickung 92, Frag¬
mentation und Segmentation des
Muskels 205, Mors subita der Herz¬
kranken, spontane Heilung der Herz¬
wunden 440, Einfluß der Berufsarbeit,
des Militärdienstes auf die Herzgröße
560, Stenose des Pulmonalostiams
622, Zerreißung der Vena coronaria
cordis 714.
Himhautentzflndung und Unfall 848.
Homosexuelle 277, 616, Hardenprozeß
278.
Hühner, Spirillose 226, Hühnerdiphthe-
lie und Geflügelpocken 227, Bak¬
terien in Eiern 241.
Hygiene, schalhygienisches Taschen¬
buch 67, Jahresbericht 181,597,669,
Museum 245, yolksbygienische Weih-
nachtsgedanken 2^, Schulhygiene
296, Bedeutung des fünfstündigen
Vormittagsunterrichts 834, hygien.
Erziehung 348,639, Volkhygiene 387,
Kongreß 350, 351, 454, 456, 708,
Ausstellung 455, internationales Bu¬
reau 489, Gewerbehygiene 521, Weh-
nungshy^ene 522, weibliche 565,
Gartenst^t 629, Verzögerung der
Genehmigung gesundheitlicher An¬
lagen 629, Eisenbahnbyg^ene 743, j
in Nahrangsmittelhandlangen 891. I
Hygienol, bakterizide Wirkungen 627.
Hymen, drei Fälle von Persistenz in
derselben Familie 442.
Hypnotismus 189, 773.
Hysterie, Betentio urinae 23, Patellar-
reflexe 23, Worttaubheit 188,
hysterische Einzelsymptome nach
Unfall 209, Dämmerzustand 548,
Lähmung durch einen Schuß 621.
Jahresbericht der Kreisärate 20.
Ichthyismus choleriformis 241.
Immunitätsforschung, Jahresbericht
564.
Impfung, subkutaneVakzineinjektionen
96, 313, protrahierte Inkubations¬
zeit 96, Impfbeschädigung 205,
Statistik 247, 568, Eczema yacdna-
tum 269, 554, Aufbewahrung der
Lymphe bei Landreisen 410, aus¬
ländischer Aerzte, mit ausländischer
Lymphe 568, Ernährung der Erst-
impdingeOOO, Spanien 600, Impfarzt
keu Beamter 778, Jahreszeit der
Impfung 847, Vakme-Impfinfektion
869.
Influenza 28, Bazillen in den Bronchien
324, encephalitis 589.
Inyalidenyersicherung, Verwaltungs-
fragen 900.
Irrenwesen, Leitfaden 108, Kongreß
524, Fürsorge, Baden 599.'861, &it-
geber für Irrenärzte 669, Irren-
pflegekoDgreß 673, Heilangsanssich-
ten in der Irrenanstalt 742.
Jackepidemie in München 519.
Kadayer, Vernichtung — Verwertung
479, Abwässer - Beseitigung 630.
Kaffeeersatzmittel 483, Zichorie 484,
638, 788.
Kalender für Medizinalbeamte 778,
818, 899.
Kali chloricum, Wirkung auf den
Kreislauf 208.
Kalisalze, Vergiftung 89.
Kamerun, Ankylostoma und andere
Darmparasiten 229.
Kautabaksaft, Vergiftung 508.
Keflrmilch als Säuglingsnahrung 635.
Kehlkopf, Verletzungen 205.
Kindbettfieber, Begriff 322.
Kinder, Schatz 255, Sterblichkeit 257,
psychische Störungen 549, Fürsorge
für die schulentlassene Jagend 639,
Kindermord 647, Eiweißbedarf 670,
jugendliche Verbrecher 719, Spiegel¬
schrift 719, Medaille für Kinder-
fürsorge 776, Kontaktinfektion mit
Taberkulose 848, Neryosität 296,
485, 894, Ernährung 894.
Klimakterium, Psychosen 138.
Kniegelenk, seltene Verletzung 881.
XXXIV
Sach'Begiater.
Eoeh, Robert Koch > Stiftaag 70, 143,
18^ 268, 489, 599, Kommers 148,
Ehrong in Amerika 800, in Japan
599.
Kochknnat and Heilkonat 142.
KOrperkoltor, in Krakau 344, Volks¬
und Jugen^piele 420.
Kohlenoxyd, Spät- und Nachiritkung
des im Betriebe eingeatmeten 210,
Vergiftung 571, 622, 881, 893.
KoUargolinjektionen bei Infektions¬
krankheiten 308.
Kopflastträgerinnen 293.
Kostkinderwesen 414.
Krankenanstalten, Infektion durch
Erankenräumo 841, Desinfektion Ton
Abwässern 641, das Kreiskranken¬
haus auf dem Lande 654, 779,
moderner Krankenhausbau 672,
Büchereien 784, 895.
Erankenpflegewesen, Taschenbuch 181,
Verbesserung 212,255, Kongreß 525.
Krankenversicherung, der land- und
forstwirtschaftl. Arbeiter 417, An-
neiversorgung 642, Bezug von Inva¬
lidenrente und Krankengeld 862.
Krankhdten, ansteckende. Wochen-
nachweisungen 40, 71,144,184,216,
260, 352, 389, 456, 492, 525, 643,
708, 777, 818, 861, 902, Verhütung
der Verbreitung durch Schalen 46,
unbekannte, an Flecktyphus er¬
innernde Krankheit in der Mand¬
schurei 101, Disposition u. Virulenz
224, Seuchengesetze 251, Infektion
durch Erankenräumo 341, Verbrei¬
tung durch Wasser 384, üebertre-
tung von Absperrongsmaßregoln 456,
IJebertragang durch Bibliotheken
500, Krankentransport u. Epidemie¬
dienst in großen Städten 731, Lehr¬
buch 774, Volkskrankbeiten in Ka¬
merun 886.
Krebsforschung 418, 901.
Kreisärzte, Tagebuch u. Jahresbericht
20, Abänderung der Dienstanweisung
39, Gebühren bei Konzessionierung
ewerblicher Anlagen 71, Ergebnisse
er kreisärztlichen Prüfung 148,
Dienstalters-, Pensionierungs-, Sterb-
üchkeitsverhältnisse 145, amtliche
Stellung, Gehalts-, Pensionsverbält-
nisse, Gebühren 59, 160, 525, 760,
778,789,819, Dienstaufwand 59,160,
Bauschvergtttungen 298, Gehaltsver¬
besserung 849, in Bremen 464, Be-
au&ichtigung der Bergwerke 457,
Gebühren für Obduktion Unfallver¬
letzter 552, Medizinalbeamter und
ärztliche Praxis 667, Untersuchung
des Gesundheitszustandes von Leh¬
rern 746, Wählbarkeit zum Stadt¬
verordneten 746, Reisen wegen
Schnlsohließongen 862, Dienstweg
für Berichte 862.
Kreislauf, Wirkung von Kali chloricum
203.
Kresolseife 58, 805, 878.
Krüppelfürsorge 1^, 840, Zeitschrift
567.
Kunstfehler Kasuistik 207.
Kurpfuscher 456, Gesetzentwurf 110,
115, 257, 656, 673, 817, Bekämpfung
349, 491, Geschlechtskrankheiten
729, im 18. Jahrhundert 870, Aus¬
stellung in Dresden 902.
Kurzsichtigkeit 296,' 688.
ütudgemelnden, Kanaliaation 889,
Landesgewerbearzt 642.
Lateralsklerose und Unfall 281.
Laugenverätzu^en 509.
Lebensdauer, Wachstum, Ernährung
669.
Lebensversicherung, Glykosurien 211.
Leibesübungen 212, 344, Volks- und
Jagendspiele 420.
Leichen, Leichenschau 186, 562, Ein¬
äscherung 300, 346, Leichenhäuser
847, Urobilin ün Blut 370, Leichen
in Nubien zu römischer Zeit Hin¬
gerichteter 505, landschaftlicher
Zentralfriedhof 564, Fäulnis 714,
hämolytische Erscheinungen 715,
Verletzungen u. Verstümmelungen
im Wasser 717.
Leuchtgas, Vergiftung 843, 898.
Leukämie, nach Unfall 41.
Leyden-Stiftung f. Krebsforschung 901.
Lezithin, bakteriologisch interessante
Eigenschaft 517.
Luft, Verunreinigung mit Kohlenoxyd
durch Heizung 367, Reinigung durch
Ozon 476, LiUtung von Schalen 298,
zentrale Lüftung 731, Lüftung von
Restaurationen 734.
Langen, Schwimmprobe 21, Lungen¬
probe 510, Erkrankung nach Unfall
551, Fäulnis bei Neugeborenen 837.
Lupus, Bekämpfung 214, 776.
Lysol 53, 305, 378, Vergiftung 509.
Magnetismus, Heilmagnetismas und
Heilmagnetiseure 207. .
Malaria in Jever 80, Bekämpfung 286,
332,729, Prophylaxe 287, Parasiten-
träger 588.
Mann und Weib 773.
Massöse 602.
Medizin, innere 111. Handbuch der
Unfallmedizin 249, intemat. Kongreß
259, soziale Medizin 200, Schalen
für Tropenmedizin 288, Reisestipen¬
dien 524, Real-Enzyklopädie 596,
vergleichende Volksmedizin 744.
Medizinalbeamte, Gehaltsordnung in
Sach-B«giiter.
XXXV
BAyera 188, 565, FoAbildaag 183, |
Kalender 778,818,899, Einkommens* |
Terbesserong in Prenßen 760, 789, j
819,899, Wohnongsgeldzascbaß 816, .
Medixinalbeamtenyereine, preaß. 260, i
492, 526, 603, 644, 645, 675, Leit- I
sitze zar Tagesordnong der XXV. i
Hanptrersammlang 656, Jabilinms-
feier 692, bayer. 488, wflrttemb. I
352.
Medizinalkolleginm Sachsen 817.
Medizinalstatistik, Jahresbericht 181,
597.
Medizinaiwesen, im preofiischen Staats-
hanshalt 57, 161, 185, in ^aB*
Lothringen 66, 183, in Bayern 257,
im früheren Königreich Hannoyer
668, das preußische Medizinal* u. Ge*
sundheitswesen 1888—1908, Fest*
Schrift 896.
Melancholie 619.
Meningismus, Diagnose 452.
Meningokokken * Spermatodstitis 108.
Mensch, das spezifisch Menschliche 386.
Menthol, Vergiftung 585,
Meßpipetten 731.
Milch, fttr Säuglinge 31, 82, 33, 685, '
dänische 88, Milchkttdien 81, 243, i
üebergang yon Arzneimitteln in die
Fraueiunllch 88, Verkehr 186, biologi*
sehe MUchdifferenzierung 481, Ver*
nnreinigung durch Holz u. Zinn 481,
Ziegen^ch, Ziegen-, Schafbutter
482, Milch in Amerika 683, in Mon*
teyideo 634, Kefirmilch 685, perl- ;
sflditiger Kfihe 848, 851, Milohyer- |
sorgnng 895.
MHk. Zerreißung 886. I
Milzbrand, 30, 409, 416, Bekämpfung
69, als DnfaU 283, Bacillus 811.
Minderwertige, StrafyoUzug 880.
Mitralklappen, Insuffizienz nach Unfall
720.
Mord, yon Kindern durch eine Hut¬
nadel 647, Giftmord mit Kalium
bichromicum 747.
MOrder, Schädel-Gesichtsi^pus 718.
MttUbeseitigung 383,682, Verbrennung
890.
Mttskelatrophie 619, Unfall 281.
Mutterschaftsyersichernng 82, 244.
Myasthenia grayis 619.
Myelitis und Unfall 281.
Myiasis interna 802.
Myopie 296, 688.
Myositis bei Leuchtgasyergiftung 848.
Kabelsduimr, Abstoßung 22, 699.
Nachtarbeit, Physiopathologie 294.
Nagelpigmentation bei Syphilis 229.
Nahmngs* u. Genußmittel, Vergiftun¬
gen Fleischyergiftung 101, 480,
Deutschland 84,Chemie 182, Schlacht*
yieh- u. Fleischbeschau 212, Essig¬
essenz 212, Bakterien in Hühner¬
eiern 241, Ichthyismus choleriformis
241, Fleisch - Eonseryierungsmittel
242, Fleischkonseryen 243, Nahrungs¬
mittelrecht 252, Kontrolle 189, 256,
Fälschung 525, Infektion mit Typhus
821, Einwirkung der Genußmittel
auf den Organismus 385, Bazillen
im Brot nach dem Backen 481,
Eierkonseryierung 482, Unter-
suchungsanstalt 628, Wurst-Zube¬
reitung, -Vergiftung 787, Hygiene
in offenen Verkaufsstellen 891.
Narkose, Chloraethyl 208, Stickozydul
869, 439.
Nase, FremdkSrper darin 93, 205,
Krankheiten der' Nasesoheidewand
744.
Naturforscher, Versammlung 299, 601,
707.
Neryenchirurgie nach UnBUlen 622.
Neryenkranke, Neurasthenie u. Unfall
26, Angst 109, sexuelle Neurasthe¬
nie 140, im russ.-japan. Kriege 276,
Arbeitsbehandlung in Heiutätten
378, Erwartungsneurose 549, Simu¬
lation 621, Belehrungen 778, neryOse
Störungen nach Unfall 881.
Neryosität bei Schulkindern 296, 485,
894.
Neugeborene, Blenorrhoea 3L intra¬
kranielle Blutergüsse 441, Ermitte¬
lung nach dem BöntgenbUde, ob er
geatmet 510, kongenitale Haut¬
defekte 647, 607, Böntgendurch-
leuchtung 699, pulmonale Atelek-
tasie 700, Fäulnis der Lungen 887.
Neuritis und Unfall 872, 848.
Neurose infolge Einstellung der Bente
845.
Nierenleiden, Simulation 864.
Nitroglycerin, Indifferentismus dagegen
268.
Nobelpreis 861.
Nystagmus, professioneller 292.
ObduktioBy Apparat zum Fhderen des
Kopfes 897, Unfallyerletzter 552,
gerichtliche in Bayern 565, Technik
bei Fällen yon Wirbelfraktur 698.
Ohr, Schulohrenärzte 566, Ohrunter¬
suchung bei SchulUndem 687.
Opsonine 807.
Osteomyelitis der Bippen 281.
Otologische Gesellschaft 566.
Ozon, Luftreinigung 476.
Paralyse, u. Alkohol 22, Symptoma¬
tologie 187, im Unterofflsierstand
187, Prognose 871, Augenbefunde
m «1 A kW 1 n_i__
XXXVI
Sach'BegiBter.
dem Tode 584, konjagale Paralyse |
618, kongenitale Lues 840.
Patellarreflexe, Hysterie 23.
Parlamente, Verhandlangen s. 8. XXVL
Personalien, Althoff 776, Baer 184,
▼. Esmarch 184, Qeorg 777, Holle '
776, Koch 143, 300, 599, Kornfeld
39, Lassar 39, Meder599, Salomon 641.
Pest, in Japan 95, Infektion von
Fischen 95, Immnnisiemng 313, 554,
in Sansibar 589.
Phagozytose 224.
Phosphor, Vergiftung 561, 614, Phos-
phorozychlorid 713.
Photographie, Wichtigkeit für gericht¬
liche Medizin 217, 875.
Physikatsärzte in Deutsch-Ostafrika
902.
Piroplasmose, AtozyWersuche 228.
Pissoirs mit Torfit 236.
Pocken 185, Varizellen b. Erwachsenen
723.
Poliomyelitis anterior 444.
Polizeiwesen, Paychologie u. Psycho¬
pathologie 279.
Praezipitierende Substanzen, Bildung
bei Injektion yon Aleuronat 439.
Prostitution 70, und Staat 728, Pro-
stitutionspolitik u. Sittenpolizei 884.
Protozoologie, Praktikum 66.
Psychiatrie, Lehrbuch 67, Abnormitäten
der Aszendenz in Beziehung zur
Deszendenz 138, Jahresbericht der
Münchener Klinik 139, Fortbildungs¬
kurse 183, 512, Psychotherapie 139,
Ausbildung in gericbtlicher 549,
Leitfaden 596, Serodisgnostik 837.
Psychologie, der Aussage 278, 372,666,
im Polkeiwesen 279, Beligionspsy-
chologie 879, internationaler Kurs
für Psychologie u. Psychiatrie 902.
Psychosen, Kombination 22, Zwangs¬
neurose 136, im Klimakterium 138,
Ursachen 140, akute traumatische
208, nervöse u. psychische Erkran¬
kungen nach Betriebsunfällen 208,
843, Qefängnispsychosen 275, psy¬
chische u. nervöse Krankheiten im
ruBS.-japan. Kriege 276, Korsakow-
sdie 277, 511, Körpergewicht 372,
arteriosklerotische Seelenstörnngen
443, Poliomyelitis 444, posttraumati¬
sche Bewußtseinsstörungen 444, De¬
mentia posttraumatica 445, Psycho-
pathia sezualis u. Epilepsie 445, im
Kindesalter 549, Zwangsbewegungen
bei zerebralen Herderkrankungen
511, atypische Psychosen nach Un-
faU 720.
Qaellen^ Schutzgesetz 69, 182, 256,
298, 415, Schwankungen der Aus-
I7QK
Baueb) Belästigung 188, Baucbscbftden,
Bauwplage 381, Staub- und Buß-
bestimmnng 883, Bauch- und Buß-
frage 671.
Bechtshändigkeit 877.
Bechtskundo, ärztliche 250.
Bekurrensspirochäten 225, 226.
Beisekosten, Berechnung 71, 112,
Bauschvergütungen 298.
Beligionsp^ychologie 879.
Besorzin, Vergiftung 507.
Bettungswesen, internat Kongreß 300,
455.
Bezeptologie 69, 141.
Bheumatismus, entstanden während
Krankenbansbehandlung wegen Un¬
falls 514.
Böntgcngesellschaft 143.
Bückfalltyphus, Bekurrensspirochäten
225, 226. in Kiew 314.
Buhr 813, Epidemie 29, in Tsingtau 589,
Tozin u. Antitozin der Bazillen 725,
Differenzierung d.Biüiter. 725, Para¬
dysenterie 726, Bazillenträger 726.
Saehverständlge) Vereidigung 212.
Sarkom nach Unfall 210.
Säuglinge, Milchküchen u. Beratungs¬
stellen 31, 243, 895, Fürsorge 31,
212, 257, 412, 413, 414, 581, 637,
788, 894, 895, Ernährung 32, Sterb¬
lichkeit 33, 245, 739, Mutterschafts-
Versicherung 244, Häufigkeit der
Tuberkulose 329, Mitwirkung der
Hebammen bei der Sänglingspfiege
487, Säuglings- u. Kinderpfiege 600,
789, zinkhaltige Saughütchen 607,
Pasteurisierung der Milch 635, Kefir¬
milch 635, Säuglingsheim 636,
Schädlichkeit von Brotsuppen 636,
Ernährung und Tuberkulose 849,
kutane Tnberknlinreaktion 851,
plötzliche Todsfälle 876, Anstalts-
pfiege kranker Säuglinge 895, Zen¬
tralstelle für Säuglingsfürsorge und
Mutterschutz in Hessen 902.
Schädel, Maße und Beruf 280, Bruch
durch Hundebiß 569, Bruch des
Schädeldaches 835.
Schälblasen, Verschleppung durch
Hebammen 271.
Schamgefühl 68.
Scharlach, Unfall 514, Serum 519,
Serodiagnostik auf Syphilis 727.
Schenkelbrnch durch Unfall 551.
Schiedsgericht, Würdigung des ärzt¬
lichen Gutachtens 25.
Schimmelpilzsporen, Inhalierung 850.
Schlachtvieh- u. Fleischbeschau 212.
Schlafkrankheit 39, 70, 184, 214, 287,
833, 746.
Schlafburschenunwesen 783.
.QaKI AnnfAtiorHf flsvliviiwaAvnm QAß f\91
Sach« Register.
xxxvn
Schmerzempfindlicbkeit, bei Degene- ' während der Qeburi 686, dnrdi Er«
rauten 23. j schießen 605, ongewOhnlieher 885.
Schornsteine, Schatz geg. Witterangs- ; Septische Infektion and Angina 828.
einflttsse 476. Senun, zytotoxische a. zytotoope Wir«
Schalärzte 297. 336, 490, 742, Schal« hangen 224, Qewinnang yon Anti«
Ohrenärzte 566, Erfahrongen 640, sernm 899.
Bericht 740. Sexasüileben 68, Biologie 69, Kontra«,
Schalen, VerhUtang der Verbreitang Homo-Sexaalität 110, 277, 278, 616,
ansteckender Erankhdten 46, schal- 840, Belehrang 297, 336, 566, 884,
hygienisch. Taschenbach 68, Hygiene i sexaelle NearMthenie 140, Frtthreife
296, 388, 484, 485, 490, Kongreß | 616.
351, Scholschließong 216, Trink- | Simalation, Unfall 261, Qeisteskrank-
springbrannen 237, Nervosität 296, ! beiten 273, 493, Tastläbmang 550,
4%, 894, Erziehangsfragen 296, | bei Unfallneryenkranken 621, Nieren-
Vorbengang der Myopie, Ueberbttr- i leiden 864.
dang o. wahlfreier Unterricht 296, { Sklerom 375.
638, Bedeatnng des Handarbeits- ' Sklerose, moltiple and Unfall 209.
onterrichts 296, Hie Arzt — hie | Sommerfieber 887.
Lehrer 297, geschlechtliche Aafklä« ' Sozialmedizinische Aoskanftsstellen
mag 297, 336, 566, 884, SchOler- | 743.
speisangen 297, Säaberang der Soldaten, römische, Verpflegong in
Schalbank, Schalbäder 298, Heizong Deatschland 34, Geisteskranke 620,
a. Lflftong 298, Stottern 833, Selbst- HUfsschalzOglinge a. Militärdienst¬
mord 333, fttnfstOndiger iVor- eignang 740.
mittagsonterricht 334, englisches Sperma, Fcststellang 510, 615, Azoo«
Unterrichtsgesetz 337, fagenlose spermie 717.
Faßboden 341, Verbot des Korsetts Spiegelschrift 719.
beim Tarnen 387, haaswirtschafü. Spirüiose der Hühner 226.
Unterricht 387, Schwachsinn, Schwer- Spirochaete pallida 27,375, Rekorrens-
hOrigkeit 414, 415, körperliche Zttch« spirochaeten 215, 226.
tigang 485, Schatz der nervösen Staatshaasbalt, Deatsches Reich 212,
Jagend 485, Hilfsschalen 415, 486, 255, 860, Preußen 57, 160,185, 212,
740, Alkohol-Bekämpfang 487, ortho- 256.
pädischerSpieikarsas 487, Speigefäße Stadtarzt in Münster 902.
488, Brausebäder 488, Uebertragong Stadtgesandheitswerke, Verzögerung
ansteckender Krankheiten durch der Genehmigong 629.
Schalbibliotheken 500, Atteste für Staub, Straßenteerang 236, 383, qoan-
SchnlbehOrden 566, Taberkolose im titative Bestimmung 383, Staabzer-
scholpflichtigen Alter 594, Schale setzang aaf Heizkörpern 559, in
and Brot 598, Ohrontersachangen Schalen 839, 640.
637, Fürsorge f. d. schulentlassene Stechmücken, Bekämpfang 632.
Jagend 639, hygienische Erziehnng Steiahaaer,EinflDßde8Steinpalvers293.
639, Erholungsheim f. schwächliche, Sterblichkeit, im Mittelalter in Frank¬
kränkliebe Schüler 640, Kampf gegen fart a. M. 249.
den Staub 839, 640, Schalbäder 671, Sterilität, weibliche 245.
Alkoholvergiftung eines Schulkindes Stillen, Einflaß der Ernährung 33,^, 244,
707, Einrichtang der höheren Schalen Unfähigkeit 243.
740, Rückgratsantersuchangen 740. Stoffwechsclversuche 670.
Schüsse, Kriterien des Nahschusses , Stottern 333.
206, Verletzung der Aorta 389, Storakokain, Vergiftang 89.
Flobertpistole 507, 749, 863, bysteri- Strafvollzug, bei Minderwertigen 880
sehe Lähmong 621. | Geisteskranken 880.
Schwachsinn 414, 415, moralischer Straßen, Teerung 236.
840. Saggestion 139.
Schwangerschaft. Geisteszastand 276. Syphilis, in Nordafrika 108, Atoxyl
Schweinerotlaaf 311. bei Affen- u. Kaninchensypbilis, bei
Schwerhörigkeit u. Schwachsinn 414. Syphilis und Framboesie 228, 554,
Seidenspinnerinnen, Blatveränderan gen Nagelpigmentation 229, Bekämpfang
560. in Oesterreich 229, Häufigkeit und
Selbstmord, aas Lebensttberdruß, kein Prophylaxe 331, 375, der Hebammen
Unfall 211, and Alkohol 277, yon 349, Diagnose 553, Gehimsyphilis
Schülern 333, durch Verbrennung 617, Serodiagnostik und Scharlach
393, Selbstmord oder Unfall 547, 727,^728, kongenitale Lues a. Para-
XXXVUI
Sach • Begister.
lyse 840, bei prihistoriecheii Aegyp*
tern 877, SerodUgnostik 888.
Syringomyelie und Uniall 209, 618.
Tnbftk) nikotinlreier, Wirkong 204,
Gefahren des Qennsses 26b.
Tabes und Unfall 98, 446.
Tapeten, bleifarbenbaltige 402.
Tanbstnmme, Fürsorge 840.
Tancbelektrode 680.
Telephonieren, Einwirkong auf die
Tuephonistinnen 292.
Tendinitis 447.
Tetanns 589.
Therapie, Leistangen i. J. 1907 669,
heilenae Strahlen 672, KonneA für
Hydrologie, Klimatologie, Geologie
and physikalische Therapie 817.
Tbiosinamin, Vergiftong 439.
Todesfälle, plötzliche, anerwartete 272,
718,876, bei Herzkranken 440, durch
Sturz aus der Hohe 547, im Ündes*
alter 587, 876, Mors thymica 687.
Todesorsacbe, Diagnose d. Erstickung
368, Fettembolie 713.
Tollwut, Schutzimpfung 810, Jahres*
berichte der Wutschutzabteilangen
809, 810.
Torfitpissoirs 286.
Totenstarre 442, Beeinflussung durch
Calcium und Magnedum 876.
Totgeborene, Bigor mortis 442.
Trachom, Behandlung, Kongreß 832,
Unfall 446.
Trinkspringbrunnen 287.
Trunkenhdt, akute 180.
Trypanosomen 626.
Tsetsefliege 227.
Tsutsugaumshikrankheit 30.
Tuberkulin 449, 460, kutane Impfung
698.
Tuberkulose und Unfall 24, 286, 378,
874, 446, Erkennungsmittel 28, des
Bamllns Wachstum 106, Zttchtung
824, Pleomorphie 325, Wirkung
auf die Haut 325. Formaldehyd 105,
Tuberkuloseforscnung 105, Longen*
phthise 325, Bekämpfung 106, 330,
Haut* und Ophthalmoreaktion 107,
827, 828, 450, 451, 452, 591, 592,
598, 594, 697, 851, 853, Bedeutung
der Atmungs* u. Verdauungsorgane
für die Inf^tion 106, Heilstätten- u.
InraUdenheime 108, Tuberkulose in
'Nordafrika 108, Diagnostik u. The¬
rapie 141, 816, Lupusbekämpfung
214,776, Ptyophagon 230, Belehrung
266, Anzeigepflicht *,.330, Endome¬
tritis decidualis, Laesion der Neben¬
nieren, Hautre^tion gegen Tuber¬
kulin 326, Absorption d. Tuberkulins
vom Mastdarm aus 329, Häufigkeit
im Säoglingsalter 329, Behandlung
in den allgemeinen Krankenhäusern
329, Alkoholismus 341, Bekämpfung
817, Deutsches Zentralkomitee 300,
361,418, Internat. Kongreß 143, 862,
666, 708, Bekämpfung auf d. Lande
578, 695, 856, im schulpflichtigen
Alter 594, Heilstättenbehandlung
596, Kompendium der Lungentuber¬
kulose 598, Kontaktinfektion im
Kindesalter 848, Infektion durch
Milch perlstichtiger Ktlhe 848, 851,
Inhalieren von Sputumstaub 849,
860, Säuglingsemährnng n. Tuber¬
kulose 849, Disposition 849, Durch¬
gängigkeit des Darms für Bazillen
850, Infektionswege 850, 851, Wert
der BOntgendiagnostik 852, primäre
Darmtaberkulose bei Erwachsenen
854, Immanblat854| Antituberkulose-
serum 855, operative Beeinflussung
855, Unterbringung Schwerkranker
855, Bekämpfung, Fttrsorge fflr
Phthisiker 856, Kontrolle in Schott¬
land 858, Anzeigepflicht in England
858, Sputumgläser 859.
Turnen, Verbot des Korsetts 387,
orthopädischer Spielkursus 487.
Typhus, Wachstum des Bakterium
typhosum 97, Bakterium coli com¬
mune als Sepsiserreger 97, Diagnose
durch Blutuntersuchung 97,814,615,
Agglutination 98, 314, mittels Ba-
ziUenemulsion u. Fickerscbem Diag-
nosticum 98, Bakteriaemie 98, 888,
Agglutination 98, Anreicherun g durch
Gallenkultur 98,708, Komplikationen
99, Zeit der Ansteckung 99, Pro¬
phylaxe 99, Bazillenträger )00, 101,
818, 704, 867, in Irrenanstalten 319,
polizeiliche Maßnahmen bei Bazillen¬
trägern 576, Fleischvergiftung 101,
Verbreitungsweise 113, Tod an
Typhus ^ Betriebsunfall 284,
Aetiologie des Parat^hus 301,
klinische u. bakteriologische Beob¬
achtungen 815, Koffein - Anreiche-
mngsverfahren 315, Malachitgrün
als Nährbodenzusatz 316, Gallen-
blutknltur 316, 317, Cholecystitis
paratyphosa 318, in München 320,
Nabrungsmittelinfektionen 321, Cho¬
langitis u. Cholecystitis bei|Bazillen-
trägerin 515, Bazillen in der Zere¬
brospinalflüssigkeit 516, im Blute
nicht typhuskranker Personen 516,
^äte Agglutinationsreaktion 516,
Herabsetzung der Agglutinierbarkeit
703, Miscbinfektionen 517, Meta-
typhuB 517, Paratyphus 101, 102,
321, 706, Epidemie 589, Mischinfek¬
tion 590, Schadenersatzpflicht bei
Eintritt von Abwaaser in me Wasser¬
leitung 518, Ophthalmoreaktion
Steh« Register.
XXXIX
591, TTplms ia Berlin 677, in Qreiz
704, in der Pfalz 705, Wert dos
positiyen Widal 756, BazillentrBgerin
als Infektionsquelle 867, akÜTO Im-
munisation 888.
UeberbflrduBg u. wahlfreier Unter¬
richt 296.
Ulcus 28, corneae serpens 24, s. auch
OescbwtÜste.
Unfall, Hautemphysem u. Phtisis 24,
Hamleiterrerengung 24, Ulcus cor¬
neae 24, Anhörung des behandelnden
Arztes 448,846, Urteil auf Grund
eines noch abzugebonden ärztlichen
Gutachtens 26, Geisteskrankheit 26,
Neurasthenie 26, Elinatmen giftiger
Gkse beim Rettnngswerk 27, Leu¬
kämie 41, Tabes 93, 446, Spätläsion
des Ulnaris 98, Wurmbebaftung u.
Wurmkrankbeit 94, akute traumati¬
sche Psychosen 208, nervOse und
psychische Erkrankungen 208, 843,
hysterische Einzelsymptome 209,
Syringomyelie 209, 518, multiple
Sklerose 209, Sarkom 210, Spät- n.
Nachwirkung von Kohlenoxyd 210,
Gewöhnung nach Verletzungen 210,
Selbmord ans LebensOberdrnß 211,
Sinken der Unfallrenten 212, beruf¬
liche Vergiftungskrankheiten 212,
Ebmdbuch der Unfallmedizin 249,
Begutachtung von Verletzungen 260,
Untersuchungen von Körperver¬
letzungen 250, Simulation 261, von
Nervenkranken 621, Myelitis,
teralsUerose, Muskelatrophie, Dy¬
strophia muscularis, Osteomyelitis
der Rippen 281, Luxation des Nervus
ulnaris 282, Verteilung auf Jahres¬
zeiten, Tage u. Stunden 282, Milz¬
brand 288, Tod nach Genuß ver¬
seuchten Trinkwassers 284, Ent-
stellnng des Aussehens nach Unfall
285, Lungentuberkulose 285, 378,
374, 446, Lungenerkrankung 551,
Arbeitsbehandlnng Nervenkranker
378, Neuritis 372,843, posttraumati¬
sche BewustseinsstOrungen 444,
Dementia posttraumatica 446, Pa¬
ralyse 445, Lähmungen 446, Trachom
416, Tendinitis ossificans 447, Er-
werbsverminderung bei Verlust des
linken Arms 447, Einholung von
Gutachten schiedsgerichtlicher Ver¬
trauensärzte seitens der Berufs-
f enossenschaften 447, Basedowsche
[rankheit, Akromegalie, Epilepsie
518, Scharlach 514, rheumatische
Beschwerden, entstanden während
Hoepitalbehandlnng 514, Selbstmord
oder Unfall 547, Tastlähmung 660,
Zerreißung des Ductus tboracicus
550, Schenkelbrnch 551, Leichen¬
obduktion 552, Lähmung des Ober-
schulterblattnerven 621, Nerven-
Chirurgie 622, Stenose des Pul-
monalostiums 622, Radiographie zur
Diagnosenstellung 623, Rinden¬
defekte d. Stirn-u. Zentral Windungen
701, Blutvergiftung infolge Haut-
verletznng 702, Verschlimmerung
bestehender Unfallfolgen 708, atypi¬
sche Psychosen 720, Diabetes nadi
psychischem Trauma 720, Insuffizienz
der Mitralklappen 720, Appendicitis
721, Wlrbelsäulenverletzungen 721,
Gewinnung von Fnßabdrttcken 722,
Herabsetzung der Rente 722, Höhe
der Gebühren für ärztl. Gutachten,
gerichtl. Vernehmung von Aerzten
728, Pneumokokken-Meningitis 848,
Neuritis u. Myositis bei Leuchtgas¬
vergiftung 848, professionelle Seh¬
schärfe u. d. entschädigungspflichtige
Minimum 844, Mesenteriiüabreiflnng
bei Kontusion des Abdomens 844,
Atrophie des großen Gesäßmuskels
nach Ueberanstrengung 844, Neurose
infolge Einstellung der Rente 845,
Verlust des kleinen Fingers, Vjt
GUeder des Zeigefingers, Angewöh¬
nung 845,846, Bemessung der Rente
bei schon vorher beeinträchtigter
Erwerbsfähigkeit 846, Vergiftung
durch Morphin n. Opium 880, Ein¬
atmung von Koblendunst 881, Ner¬
vOse Storungen 881.
Urin, bysterisäe Retention 23.
Urologie, Kongreß 861.
Uterus, Perforation infolge kriminellen
Aborts 91, Vergiftung durch Spülung
mit Lysol 509.
Vngnbuiideiifnmllle 275.
Ventilatoren mit Bransevorrichtnng
237.
Verbandstoffe, Vernichtung gebrauch¬
ter 600.
Verbrecher, Unterbringung geistes¬
kranker 279, Einteilung 718, Schädel-
Gesichtstypus von Mördern 718,
jugendliche 719.
Verbrennung, Selbstmord 398.
Vererbungslehre 851.
Vergiftungen, durch Nahrungsmittel
83, Benzoldampf 88, Essigsäure 89,
892, Kalisalze 89, Stovakokäin 89,
Blei 90, 255, 289. 420, 510, 561, 788,
Cblorzink 90, Fleischvergiftung 101,
480, 600, 614, 737, 891, berufUche
Vergiftungskrankheiten 212, Wis-
mnth268, Heroin 370, Eukalyptusöl
371, Thiosinamin 439, Identitäts¬
nachweis 507, Resorzin 507, Arsen-
wasserstoff 508, Kautabaksaft 508,
XL
Namen» Veraeicbnis.
Belladonnainfns 608, Lysol 509, '
Fomamint 646, Kohlenoxyd 671. 1
622, 881, 898, Alkohol 585, Menthol t
685, zinkhaltige Sanghütchen 607,
Atoxyl 614, Benzin 653, Phosphor
561, 6l4, Phosphoroxychlorid 713,
WarstTorgiltnng 737, Qiftmord mit
Kaliom bichroinicom 747, Leuchtgas
843, 893, Morphin u. Opium 880.
Verkehr u. Verkehrsschäden 846.
Veronal, Nachweis 883.
Versammlungen u. Kongresse s. Tages¬
nachrichten s. S. XX VL
Virulenz u. Disposition 224.
Volkskrankheiten in Kamerun 886.
Volks Wohlfahrt 70, 887, Volks» und
Jugendspiele 420.
WachftuD, Beziehung zur Lebens¬
dauer 669.
Wasser, Untersuchung Ton Trink¬
wasser 6, an Ort und Stelle 859,
bakteriologisch-chemischer Wasser¬
kasten 542, Trinkspringbrunnen 237,
Uber Trinkwasser 238, Beobachtun¬
gen an einer Wasserleitung 239,
Nachweis des Bakterium coli 239,
Löslichkeit von Blei 240, Bntbräu-
nung und Enteisenung 240, 480,
Bedeutung für die Entstehung von
Krankheiten 384, Enthärtung 384,
Versorgung Ton Oemeinden 386,
zinkhaltiges 479, Bttckhaltebecken
480, gefährliche Anordnung des
Ueberlaufrohrs 630, Tauchelektrode
630, Trinkwasseryersorgung der
Städte Tom chemischen Standpunkt
734, Reinigung tou Mangan 735,
Schwankungen der Qrundwasser-
stände 736, Qmndwassergewinnungs-
uilagen in Breslau 889.
Weib und Mann 778.
Wein, Statistik 35, Gesetz 212, 255,
360, 774.
WirbelsäulenTerletzungen 721.
Wismutb, Vergiftung 268.
Wochenbett, Lifektion Ton Mutter u.
Kind 555, Wöebnerinnenfttrsorge
775.
Wochenbetlfiober, Meldepflicht der
Hebammen 73, Anzeigepflicht 555.
Wohnungen, hygienische Dntersnehung
der japanischen Eauswand 235, der
Arbeiter 185, in heißen Gegenden
287, Trockenerhaltung 880, Bau¬
ordnungen u. Wohnungsreform 380,
W ohnungsinspektor 420,Hygiene 522,
Bebauungsplan 559, Einfluß schlech¬
ter Wohnungen auf die Gesundheit
559, Wohnnngsinspektorin 599, Woh-
nungsTerhältnisse in Frankreich 629,
Rowton Houscs 629, Wohnungsfrage
armer Leute 711, Wohnungsmangel,
Eieinwohnungsbau, Ledigenheime
733.
Worttaubheit, hysterische 138.
Wurmkrankheit 620, als Unfall 94.
Wurst, Nachweis Ton Pferdefleisch 84,
Zubereitung, Vergiftung 737.
Zahnärzte) Gebührenordnung 180.
Zahnpflege, in Schulen 638.
Zahntechniker 110, 568.
Zeugenaussagen, Psychologie, Falsch¬
heit 278, 372.
Zichorie 484, 633, 738.
Zinkhaltige Sanghütchen 607.
Zucker, dynamogener Wert 738.
Zuckerraffinerie, Abwässerbeseiligung
631.
Zurechnungsfähigkeit 620.
N amen^ V erzeichnis.
Abel 67, 774.
Abelous 208.
Adenino 446.
Agosti 719.
Ahlfeld 421.
Albrecht 629.
Aktinson 272.
Albrand 717.
Alexander 729, 850.
AUau 893.
Alt 842.
Angerer 529.
Araky 276.
Arbeit 40.
Armstrong 380.
Arnold, Prof. 305.
Arnold, M. 508.
Arnold, V. 554.
Arndt 618.
Aronheim 24.
Ascarelli 713, 714, 715,
718.
Aschaffenborg 841.
Asebenbom 250.
Ascher 694.
Aubertin 685.
Auer 876.
Auerbach 233.
Babes 326.
Baebr' 689.
Baer 886.
Bahadnr 507.
Balck 33.
Baller 440.
BalUn 850.
Ballner 883.
Bsllvö 846.
Bandelier 141, 816.
Bandettino di Poggio 838.
Bardior 203.
Barschall 238.
Bartsch 881.
Barucco 140.
Bassenge 617.
Namen • VerEeicbnis.
XLI
Bauer 481.
Baum 252. >
Baomann (Uttncben) 551.
Banmann (Stabsarzt) 704.
Baomm 181, 808.
Bayaard 451. I
Bayerthal 640.
Bechtel 380.
Becker (Hildesheim) 402.
Becker (Halle) 411.
Becker (Qiefira) 621.
Beckers 590. I
Beerwald 246.
Beintker 368.
Beitter 483.
Benda 638.
Benecke 99.-
Beninde 542.
Beanecke, E. 137, 630. |
Bennecke, H. 315.
B^ooit 5^, 545.
Berg 389.
Berger (Crefeld) 20, 296.
Berger, Prof. -138, 589. |
Bernmann'Easperowicz j
277. ;
Bernstein 514.
Bertilion 629. •
Besredka 307.
Best 638.
Beythien 35. j
Bickel 224. I
Biedert 66.
Bielefeld 108. !
Bieafait 623.
Biffi 370.
Bibier 617.
Bingel 706.
Binswanger 136.
Biondi 561, 844.
Birch-Hirschfeld 614. |
Birnbanm 617.
Bischof 276. '
Bischof, Prof. 556.
Blaschko 181, 349, 727.
Blasios 627. !
Blegrad 292.
Bleibtren 892. !
Bleyer 510. t
Bloch 211. !
Blom 22, 328.
Boas 487. ,
Bock 234, 850. I
Boeckel 523. i
Böhm 731. I
y. Böhmer*889. !
Böttger 182.
Boigey 108.
Bokay 312.
Bonchacoort 699.
Bondi 562.
Bordas 699. j
Bomtr&ger 744. i
Brassert 93.
Breger 247.
Breinl 625.
Breton 329.
Brfining (Rostock) 33, |
414. ]
Brttning (Dttsseldoif) 479,
488.
Brttning (Freibarg) 721.
Brommond 104.
Brampt 510.
Brun 615.
V. Bronn 556.
Bacara 33.
Bachholz 703.
y. Bachka 631, 632.
Bttsing 323.
Bttttner 640.
y. Bange 243.
Basch 859.
Basse 516.
Calmette 329.
Calogew 520.
Camus 203. •
Cantacozöne 439.
Cantlie 836.
Carnwarth 20, 227.
Casarini 738.
Cassel 312.
Cenciarini 716.
CeyidalU 440.
Chiari 698.
Chlopin 333.
Christian 230, 231, 232,
557, 558.
Claasen 332.
Cleary 858.
Cobllner 22.
Cocci 450.
Cohn (Heydekrag) 847.
Cohn, Leo 724.
Cohn, M. 739.
Conradi 99.
Comheim 385.
Correnti 660.
Crämer 385.
Cron 297.
Croner 33, 732.
Cortios 457.
Damanakl' 855.
Davids 371.
y. Decastello'883.
Debnhardt 333.
Deicherti668.
Deipscr o81.
Delbrück 22.
Delöarde 544,'545.
Dessaaer 672.'
Dieminger. 230.
Dieterlen 882.
Dietrich 250.
Dietschy 592.
Ditthom 312, 883.
Dmitrenko 452.
Döblin 619.
Doepner 242, 864.
Doerfler 413.
Dörr 887.
Dohm 375, 856.
Doiqoet 243.
de Dominicis 369, 442,
615, 716.
Dons 482.
Dornblttth 336, 773.
Dragendorf 84.
Dresler 635.
Dreves 301.
Dreylos 89.
Dtttschke 656.
Danbar 180.
East 835.
Eggers'Schmidt 88.5.
EiUenbeck 851.
EUis 68, 773.
Ebner 142.
Erlwein 476.
y. Esmarch 232.
Espanet 291.
Etienne 328.
Ealenbnrg 596.
Enzbre 92.
Eyff 755.
Favre 235.
Federschmidt 653.
Feer 327.
Fehsenfeid 693.
Feilchenfeld 378.
Felbch 639.
Fernet 742.
Fertig 612.
Ficker 774.
Fiedler 281.
Fiehe 34.
Fielitz 410.
Fiessler 732.
Finkeistein 876.
Finkh 108.
Finkler 224, 244.
Fbcher (Bentheim) 482.
Fischer (Cöli.) 836, 854.
Fischer (Qlanchao) 485.
Fischer (Hamborg) 740.
Fischer (Earlsrahe) 82,
244, 629, 738.
Fischer (Eiel) 240.
Flachs 297.
Flatao 24.
Fiorschtttz 250.
Forel 139.
Fornario 443.
Förster 241. 318.
Fraenckel 587.
XLU
Namen • Verieicbni«.
Fraenkel, Emst 246.
Fraenkel, Karl 610.
Fraenkel, Prof. 106,826.
Franchetti 818.
Francke 28.
Frank 238.
y. Frankenberg 840.
Frankenborger 696.
Fremantle 8^.
Friedberger 106.
Friedei 512.
Friedenreicb 620.
Friedrich 866.
Friedricbsen 589.
Fromme, Albert 101, 809.
Fromme, Oberarat 567.
Frongia 290.
Fronm 89.
Fttrbringer 288.
Fttrst (Berlin) 665.
Fttrat (Hambarg) 67, 346,
488 ,
Faeret (München) 246.
Fürth 96.
Fiikala.81.
Fataki 80.
Oarlse 620.
Qaepariai 279, 616.
Gantrelet 869, 646.
Oeiäler, Fraa Or. 689.
Geifiler 885.
Genzmer 629.
Gerber 876.
Gerlach 498.
Gienaph 664.
Gieee 547.
Giglioli 292.
Gildemeister 817.
Gifi 732.
Glaser 546.
Glasow 870.
Goebel 818.
Gürlicb 694.
Götze 208, 848.
Goldstein 728.
Gonder 228.
Gkrodson 680.
GrM 97.
Graeye 291.
Graham 718.
Greef 332.
Gregor 136, 611.
Grimme 919.
Groedol 561.
Groß 226.
Grosse 439.
Qrotjahn 181, 597.
Gräber 80.
Grunow 844, 488.
Gadden 840.
Günther 107, 853.
Gürtler 742.
Güth 884.
Guillain 204.
Gatkneoht 667.
Gatmann 844.
Gy 204.
Haberetoli 847.
Hadlich 1, 607.
Haefke 252.
Haendel 226, 726.
Hansel 136.
Hahn (Jena) 295.
Hahn (Münzen) 883.
Halbey 620.
Haller 236.
Hamm 662.
Hammerscbmidt 692,621.
Hanauer 249, 484.
Hankein 619.
Hart 826.
Harter 89.
Hartmann 66.
Hasche 720.
Hebert 586.
Hecht 884.
Heidenhain 409, 711.
HeUer 274.
Hellwig 250.
Helwes 678.
Hempel 734.
Hensgen 622.
Henze 486.
Herbst 487.
y. Herff 322.
Heßberg 892.
Hetsch 774.
Heubner 661.
Heuduck 205.
Heyd 480.
Heymann 849, 850.
Hildebrandt 878, 598.
Hilgermann 233,234,781.
Hillenberg 884, 500,695.
Hinrichs 728.
Hirschbruch 703.
Hirscbfeld 446.
HOlker 104.
Hoering 447.
y. HöBlin 314.
Hoffa 686.
Hoffmann 228.
Hofmeier 90.
Holitscher 842.
Hopf (Dresden) 298.
Hopf (Ludwig) 386.
Hoppo 880.
Hoppe|-Seyler 329.
HoriuchillOl.
Horn 397.
Horwitz 633.
y. Hoyorka 744.
Hübener 706.
Hübner 228.
I Hueppe 32.
Huetun 69.
Hunt 86.
Jaeebsolu 181.
Jaenecke 236.
Jancke 876.
I Jastrow 890.
I Jessen 330.
Imbert 296.
I Ingegnieros 718.
I ingelflnger 288.
Joachim 180,
Joire 773.
JoUy 250.
Jones 506, 506, 508.
de Jong 861.
Ishlwara SO.
Isserlin 549.
Juba 742.
Jürgens 318, 821.
Juluen 623.
Junins 618.
Iwase 732.
Kalmu 508.
Kampe 847.
Käthe 21.
Katz 744.
Kauffmann 844.
Kau(mann£249.
Kee 743.
Keesebitter 296.
Keller 647.
KendaU 272.
Kern 209.
I Kirchberg 207.
Kirchgässer 233, 234.
Kirchner 206, 250, 251,
856.
Kirsch 740.
Kirstein 522.
Kisch 440.
Kiskalt 66, 239.
I Kissinger 881.
' Kiaußner 205.
I Klieneberger 187.
! Klineberger 107, 288.
I Klocke 892.
1 Klostermann 623.
I Klut 884, 859.
I Knapp 188, 650.
! Knauff 629.
I £[nöpfelmacher 96, 318,
1 726.
I Kober 81.
Kobrak 414.
Köhler 873.
I Köb lisch 849.
König 206.
I Koeppen 446.
Körbel 521.
Körner 891.
Namen • V erzeichnii.
XLIU
Kteter 614.
KoUe 774.
Kolleck 8K.
Ko^ß 786.
Kessel 100.
Kr&mer 279.
Kraepelin 139.
Kraos 206.
Kraose, M. 286.
Kranse, Prof. 862.
Kremker 97.
Krencker 626.
Kreta 328.
Kriegei 181, 697.
Krohne 78w
Kronleld 744.
Kabatz 528.
Kndicke 287.
Kfthne 25, ^1.
Kttia 229, 588, 886.
Kftrbitz 277.
Ktkster 624, 726.
Knhner 250.
Knrpjaweit 576, 586.
Kurts 260.
Kusch 885, 786.
Kutner 701.
Kutscher 321.
J^ritz 852.
Lude 369, 646.
Lugermann 557.
Luggaard 141.
Laquer 513.
LassabUöre 636.
Laubiy 289.
Laueastein 514.
Lautier 326.
Lebbin 252.
Lebram 569.
Lecha-Marzo 870, 584,
615, 838.
Leere 238,699, 712, 878,
899.
Leick 622.
Lemberg 308.
Lmaoine 341.
Leahartz 249, 672.
Leatz 29.
Leazmann 378.
Leondni 700.
Leonhard 383.
Leppmann 880.
Leapoldt 879.
Leraditi 625.
Levy (Straßborg) 101,626.
Lery (Essea) 458.
Lewaadoirsky 28.
Lewin 88. 142, 210, 880.
Lewis 298.
Liebetrau 247.
Liebreich 141.
Liedig 607.
liefmaan 480, 671.
Linow 210.
LIssauer 230.
▼. Liszt 260.
Lochte 666.
LOsener 586, 887.
Löwenstein (Beelitz) 450.
Löwenstein, Kurt 878.
Lomer 280, 669.
Loreatz 297.
Lorey 318.
Lubenau 815, 324.
Lttdke 858.
LtOirig 889.
Luerßen 685, 883.
Lnngwitz 670.
Muffel 282.
Mainioi 107.
Hamlock 258.
Mandelbaum 27, 320.
Mann 737.
Mannini 272.
Mantenfel 225.
Mariani 278.
Martin 585.
Martinotti 105.
Marx (Berlin) 207, 569,
885.
Marx (Paris) 442.
Maslakowetz 27.
Mathies 548.
Mattauschek 740.
Mautö 89.
Mayer (Marburg) 555.
Mayer, Oberarzt 705.
Mayer (Simmein) 848.
Medea 444.
Meier (Berlin) 727.
Meilli^re 90.
Meitzer 876.
Mendel 93, 209, 281,372,
445, 518.
Menini 241.
Menneila 887.
Mense .87.
Meroni 591.
MesnU 333.
Metzger 484.
Meunier 584.
Meyer (Königsberg) 140.
Meyer (Potsdam) 206.
Meyer (München) 249.
Meyer, Fritz 314.
Meyer (Bremen) 389.
Meyer (Münden) 779, 784.
Mezger 735.
MUenko 855.
Miller 24.
Miades 253.
Mita 747.
Miyake 245.
Modiea884.
MöUer 880.
MöakemöUer 275, 511.
Mohr 24, 622.
MoU 207, 250, 278, 372.
Mombert 258.
Momose 100.
Montet 619.
Monti 519.
Morant 387.
Morera 628.
Morgenroth 598.
Mori 294.
Mosny 289.
Mühlenkamp 92.
Mühsam 51o.
Müller (Dresden) 69.
Müiler, Baiaer 97.
Müller, Rudolf 510.
Müller, Charlotte 516.
Müller, Wilh. 598.
Müller, Cbristian 840.
Münsterberg 728, 886.
Mngdan 260.
Muratow 511.
Nddor 669.
Näcke 277, 840.
NaegeU 558.
Nast-Kalb 722.
Naumann 479.
Neißer, Prof. 228, 554.
Neißer, J. 621.
Nesemann 677, 738.
Nenfeld 224, 225, 723.
Nenmann (Landsberg)269.
Neamann (Bromberg) 297,
848.
Neumann, Prof. 808,.625.
Newsholme 337.
Niclonx 203, 869, 489.
NicoUe 333.
Nierenstein 625.
Nieter 280, 516, 517.
Noda 95.
NoU 736.
Nonnotte 811.
Nöthen 507.
Notbmann 21.
V. Notthaft 331, 519.
Nouri 518.
Naßbaum 880, 476, 522,
559.
Oeken 550.
Gesten 480.
Oettinger 849.
Ogata 30.
Orlowski 523.
Orszag 591.
Oshida 95, 235.
Ostermann 810, 848.
Ostmann 340.
XLIV
Pabst 296. >
Panzer 833. i
Pappenheim 698. t
Parisot 89. |
Parkinson 442.
Paul 91. I
Pauli 296. !
Pentz 272. I
Pepere 714. I
Pessarolo 883. !
Feters 236, 841. |
Petruachky 106.
Pfeiffer (Wieabadea) 669.
Pfeiffer (Hamburg) 67.
Pfeiffer (Königsberg) 106.
Pfeiffer (Weimar) 151.
Pfleger 569.
Pförringer 372.
Phar 109.
Pianetta 280.
Pick 103, 832.
Pickenbacb 743.
Pleraccioi 282.
Pietrzikowski 250.
PjU 485, 784.
Piltz 509.
Piquandt 89.
Pirges 614.
Pistor 250.
Pleißner 240, 630.
Poggenpohl 102.
Poleoako 35.
PoUatschek 669.
Port 517. I
Posner 717.
PraU 482.
Preleit.ner 509. ;
Preysing 637.
Pribram 614.
Prinzing 348.
Proskauer 33, 234.
Puppe 701.
Qaadflieg 282.
Quadronc 883. |
Babe 743. |
Babinowitsch 105, 314. I
Rambouaek 671. i
Ranke 287. j
RapmuDd 57, 115, 145,
160, 185, 645, 692, 760, i
789, 819, 896, 899.
llaubitscbek 887.
Redlich 839.
Regeusberg 632.
Reichenbach 850, 851.
Reinicke 844.
Reiß, F. 481.
Reiß, R. A. 875.
Remlinger 310, 518.
Renault 331.
Renk 632.
Namen ‘Verzeichnis.
Repaci 293.
Reynier 841.
Rheinisch 23.
Richi 844.
Richter 271.
Riehm 278.
Riesel 205.
Rilliet 628.
Risch 700.
Rißmann 348.
Ritt 734.
Ritterband 891.
Rivari 839.
Rizor 274.
Roasenda 616.
Boeder 249.
Roepke 141, 241, 591.
720, 816.
Roller 367.
Romant 92.
Roose 734.
Rosenbaum 605.
Rosenberg 546.
Rosenfoid 340.
Roth 250.
Roussel 481.
Rubner 345, 381, 631
669, 670.
Rubin 843.
Rtths 837.
Rage 286.
Rumpf 246, 713, 855.
Runge 88.
Runze 879.
Ruppel 672.
Saathoff 28.
Sacerdote 278, 719.
Sacquöpee 33.
Salge 31.
Sarason 336.
Sartorius 700.
Sasaki 293.
Sdvage 99, 737.
Schaefer 381.
Schäfer 236, 893.
Schaikewicz 23.
Scharpff 302.
Schelble 894.
Schellack 226.
Schenk 554.
Schenbe 704.
Schieffer 560.
Schilling (Berlin) 288.
Schilling (Trier) ööH.
Schindler 732.
Schlageuhaufer 715.
Schlc.singer 453.
Schlippe 328.
Schmidt (Halle) 671.
Schmidtmann 476.
Schmoll 510.
Schneider (Hamburg) 53.
I Schneider, Dr. phil. 234,
627.
Schneider (Breslau) 251.
I Schönfeld 881.
Schottelias 378, 725.
: Schreiber 6.
' Schröder 371, 837.
Schrumpf 98, 826, 853.
SchttUer 549.
' Schüller 515.
' Schultz, W. -312.
' Schultz‘Zehden 452.
! Schultze 633.
I Schulz (Halle) 204.
I Schulz (Posen) 812.
Schulze 895.
Schnmbnrg 411.
Schümm 506.
Schwarz 479.
Schwenkenbecher 585.
Sebach 329. •
j Seelmann 882.
Seitz (München) 441.
Seitz (Eberbach) 863.
Seligmann 33, 732.
Selter 558.
Serrg 879.
\ Sichel 841.
I Sieber 41.
I Siefart 349.
I Siegert 894.
Siegrist 452.
Siereking- 243.
I Silberberg 883.
Simon (Plauen) 96.
I Simon, Helene 598.
j Skop 619.
I Smith 877. •
i Sofer 229, 332.
Sommer 208.-
Spengler 854.
Spiegel 789.
Springer 331.
Stade 624.
Stahlmann 227.
Stakemann -113.
Stamer 205.-
Stceswyk 307.
Stefansky 515.
Steinhaus -237, 334, 740.
I Steioitz 446.
' Sternberg 142.
Sterz 837.
Steyerthal 371.
Stier 180.
Storkis 717, 722.
Stoltcnboff 701.
Straßmann 835.
Strong 554.
Stüblern 98.
Stüler 217.
Sack 298.
Sultan 182.
Sander 886.
V. Soiy 671. 686, 687.
Szana 81, 896.
SzOliSuy 773.
TaksM 889.
Tunassia 834.
Teichmann 593.
Thiel 323.
Thiesing 383, 630, 632.
Thoinot 91. 717.
ThomaUa 261, 709.
Thomann 239.
Thomsen 274.
Thörey 93.
Tigges 138.
Töpfer 309.
Toaton 884.
Tovo 393, 547.
Trembor 589.
Trespe 445.
Tripold 723.
Tröger 867.
Troili • Peterson 97.
Tsazold 688.
Tttrk 311.
Tagendreich 414, 637.
Twistel 671.
Uebelmesser 287.
Uebl 279.
üblenhnth 226, 228.
Dhlig 640.
Taillant 610, 699.
Vaiiot 636.
Vaschide 684.
Yasnier 342.
Namen - Yeraeichnis.
YeU 98.
Yeit 555.
Yenema 316.
yan de Yenne 634.
Yerderean 645.
Yernier 553.
YUl 816.
Yiand 842.
YitaU 37.
Yix 415.
Yoemer 229.
YoUand 701, 889.
Yollmer 707.
Waehholi 614.
Waldschmidt 342.
Walter 379.
Wandel 788.
Warda 186.
Wassermann 104.
Wassermeyer 879.
Weber 448.
Wederhake 627.
Wegner 437.
Weichardt 664.
Weicker 449.
Weidanz 104, 228.
Weinberg 376.
Weismayr 326.
Weißmann 83.
Weiß-Eder 724.
Welzel 383.
Wendenbarg 444.
Wengler 654, 783.
Westcott 272.
Westenhöffer 103.
Wetzel 811.
Weydemann 30.
XLY
' Weygandt 649.
Wieber 101.
! Wiegand 23.
' Wiens 107, 853, 882.
Wigand 66.
Wilcke 268.
Wilmanns 275.
Winter 73.
Wislicenas 381.
Wohlwill 324.
Woithe 228.
Woitke 781.
Wolf (Danzig) 210.
Wolf (Frankfort) 726.
I Wolf (Marburg) 887.
Wolf (Tübingen) 889.
I Wolff.Eisner 327, 462,
697, 853.
Wolff, H. 486.
; Wolfsholz 641.
I Wolter 507.
Worbs 373.
y. Wanschheim 732.
Tanumovehl 625.
Yokote 235.
Zabloeka 618.
Zabolotny 27.
! Zeidler 99.
! ZeUe 84, 749, 870.
' ZeUer 484.
. Zöllner 788.
! Ziehen 67.
1 Ziemann 287.
I Ziemke 353.
I Zieschö 622.
! Zweig 720, 721, 877, 878.
, Zyka 296.
21. Jahrg.
1908.
Zeitschrift
fflr
MEDIZINALBEAMTE.
Zmtralblitt für das gasaarte OssundlKiitsistm,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Herausgegeben
too
Dt. OTTO RAPMÜND,
Mefleiiuifs- and Geh« Ifedtdaelrel In Minden«
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WOrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fisohers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld,
Hmoifi. Bayer. Sof- o. BnHwioaL Kamm«
Berlin W. S5, Lützowstr. 10.
Inaereie nehmen die Ti
eriefihendhmg sowie eile Annoncen-Expeditionen des Xn-
nnd Aulendei entgegen«
Nr. 1.
Snchelnt am 9. and EO. Jeden Monats.
5. Januar.
Ueber Fettembolie vom gerichteärztlichen Standpunkt.
Von Dr. Hadlieh, prakt. Arzt in Weimar, staatalrztlich approbiert.
Die Lehre Ton der Fettembolie ist ein wichtiges Kapitel fttr
den Gferichtsarzt, flber das er genau orientiert sein muß. Er
muß im Stande sein, im gegebenen Falle die oft nicht eindentigen
Symptome richtig aofzafassen und das, was auch auf andere Ur¬
sachen zorttckgefOhrt werden kann, von diesem Gesichtspunkte ans
zu beurteilen.
Wenn dies bei Lebzeiten des betreffenden Patienten oft schon
mancherlei Schwierigkeiten machen kann, so ist es natOrlich
noch viel mehr der Fall, wenn der Gerichtsarzt über die Ursache
eines Todesfalles sein Gutachten abzngeben hat, bei dem mit dei*
Möglichkeit einer Fettembolie zu rechnen ist. Es heißt dann
gewissenhaft alle anderen Ursachen aasschließen, wenn man die
Fettembolie, deren Nachweis an sich keine großen Schwierig¬
keiten bietet, als alleinige Todesursache ansprechen will.
Zunächst wird es nötig sein, sich genau über die Anamnese
des betreffenden Falles zu informieren. Man muß hierbei fest¬
stellen, ob Denatas vor dem Unfall, um den es sich ja in der
Begel handelt, vöUig gesund war, oder ob ein Leiden vorlag,
dn^ das sich der Ezitns erklären läßt, wobei der Unfall evtl,
alz anslösende Ursache in Betracht kommen kann.
Ist ersteres der Fall, läßt sich in keiner Weise ein Anhalts-
2
Dr. Hadltch.
pnnkt fflr letztere Annahme gewinnen, so hat man dann weiter
die Art des Unfalls selbst zn berttcksichtigen. Es wird sich hier
fast ansnahmslos nm Enochenbrüche handeln. Doch ist zn be¬
merken, daß Flonrnoy^) einen Ezitns mit hochgradiger Fett¬
embolie bei einer Geisteskranken beobachtete, die sich bei ihren
Tobsnchtsanfällen zahlreiche Hant- nnd Weichteilqnetschnngen zn-
gezogen hatte, ohne daß es dabei zn einer Fraktur gekommen
wäre.
Jolly’) teilt analoge Beobachtungen mit, ja, er will anch
Fettembolie infolge eiternder Hautwnnden bei solchen Kranken
gesehen haben.
Somit erscheint es möglich, daß auch infolge einer Schlägerei
oder einer schweren körperlichen Züchtignng Fettembolie ohne
EnochenTerletzung eintreten kann.
Die Schwere der Fraktur steht dabei in keiner Beziehung
zn der Wahrscheinlichkeit der Fettembolie als Todesursache, da
man schwere Frakturen sämtlicher Extremitäten sehen kann, die
mit mehr oder weniger Lipurie zur Heilung gelangen, während
anderseits schon eine einfache Fibulafraktur von einer letal yer-
laufenden Fettembolie gefolgt sein kann. Man kann in einem solchen
Falle auch nicht eine starke Erschütterung des gesamten Knochen¬
gerüstes als Ursache betrachten; denn die Fälle von Hnfschlag
oder von Osteoklasie bei orthopädischen Operationen mit nach¬
folgender Fettembolie schließen eine derartige allgemeine Er-
schfltternng ohne weiteres aus (Busch).’)
Weiterhin ist das freie Intervall zwischen dem Trauma
nnd dem Auftreten der ersten Emboliesymptome zu beachten, das
innerhalb weiter zeitlicher Grenzen schwanken kann: Sofort oder
nach wenigen Stunden, wie anch erst am 9. Tage hat man das
Eintreten dieser Symptome beobachtet, so daß man also nur bei
noch späterem Eintreten der betreffenden Erscheinungen berech¬
tigt wäre, eine Fettembolie anszuschließen.
Wie diese verschiedene Länge des Intervalls zu erklären
ist, steht noch nicht fest. Weder eine mangelhafte Herzaktion
noch Veränderungen der Lunge konnten für eine schlechtere
Lnngenpassage des Fettes nnd daher für längeres Intervall als Grund
herangezogen werden. Ebenso wenig erwies es sich zutreffend,
daß durch die Erschütterungen eines längeren Wagentransports
diese Passage begünstigt nnd das Interwall abgekürzt würde
(Hämig)’).
Gegebenenfalls wird also für den Gerichtsarzt zur Diagnose
der Fettembolie von anamnestischen Daten nur ein statt gehabtes
Trauma erforderlich sein, an das sich nach einer Beihe von
höchstens 9 Tagen die nun zn besprechenden ersten Symptome
anschließen.
Ueber den Eintritt der ersten Symptome wird der Gerichts-
1) Contribation & Pitode de rembolie gralseose. Tböse. Straßboorg 1878.
’) Siehe Nr 6 des Litt.-Verz.
') üeber Fettembolie. Virehows Archiv; 1866.
Siehe Nr. 6 des Ijitt.-VerK., S. 849.
üeber Fettembolie Tom geiichte&rztlichen Standpunkt.
arzt wohl meist nicht durch eigene Beobachtung orientiert sein.
Er wird z. B. von seiten des behandelnden Arztes oder der An¬
gehörigen erfahren, daß so und so viel Stunden oder Tage nach
dem Unfall der Verletzte, der sich bis dahin ganz wohl befanden
hatte, angefangen habe. Über Kopf- und Rückenschmerzen zu
klagen, und unter mehr oder weniger hohem Anstieg von Puls-
und Bespirationsfrequenz bald in Delirien und Aufregungszustftnde
geraten sei, denen nach einer gewissen Zeit das letale Eoma
folgte. Dieses kann jedoch auch mehr oder weniger unvermittelt
anftreten, ohne vorhergegangene Reizerscheinungen, direkt mit
plötzlicher intensiver Dyspnoö, Zyanose und baldigem Exitus unter
den Zeichen von Herz- und Lungeninsuffizienz.
Sonstige zerebrale Symptome, wie Lähmungen, Erampf-
zustände, Erbrechen und dergl. sind selten. Dagegen stellt sich
häufig Husten mit sanguinolentem Sputum ein. Das fast stets
vorhandene Fieber ist zwar manchmal z. T. durch lobulär-pneumo¬
nische Prozesse bedingt, aber diese sind doch wohl stets mehr
sekundärer Natur, nach bereits eingetretener Embolie.
Das Fieber stellt sich mit zuerst ein und steigt oft derartig
schnell an, daß man häufig geneigt sein wird, eine andere Ursache
als die Embolie dafür anzunehmeo. Eine recht plausible Erklärung
findet dieser auffallende Temperaturanstieg in der Annahme, daß
es durch die Embolie zu einer Läsion des Wärmereguliemngs-
zentrnms gekommen sei (H ä m i g).^) Wenn andere Autoren dem ent¬
gegenhalten, daß sie in ihren beobachteten Fällen, wie auch im Tier-
ezperiment stets eine Temperatur er niedrigung festgestellt haben,
ja diese als allein charakteristisch ansehen, so löst sich dieser
Widerspruch, wenn man annimmt, daß solcher Temperatnrabfall
nur einer vorübergehenden Reizung des Wärmezentrums ent¬
spricht, auf die naä einem gewissen Zeitraum eine Lähmung mit
dem dadurch bedingten Fieber folgt.
Wenn man die Resultate des Tierezperiments nicht für den
Menschen als maßgebend gelten lassen will, so könnten nur direkt
nach dem Unfall vorgenommene Temperatnrmessnngen hier völlige
Elärnng schaffen, und das wird, wie leicht begreiflich, meist nicht
gut möglich sein.
Man sieht also, daß sich das Bild der Fettembolie aus einer
Reihe von Symptomen zusammensetzt, die eigentlich nicht sehr
charakteristisch sind; denn sie sind einmal nur zum Teil konstant
und können außerdem auch sämtlich bei anderen Erankheitsformen
Vorkommen. Da wird nun der Gerichtsarzt sich durch 4ie Sektion
volle Elarheit zu schaffen suchen.
Liegt wirklich eine Fettembolie vor, so ist ihr Nachweis
nicht schwer. Während man sonst, abgesehen von der Verletzung,
durchweg einen normalen Befund hat, finden sich ziemlich kon¬
stant in Herz, Lunge und Gehirn die charakteristischen Ekchy-
mosen: in der Lunge unter Pleura und Bronchialschleimhaut; im
•) L. c.; S. 858.
4
Dr. HAdUeh.
Herzen unter Epi- and Endo*, sowie auch im Myokärd, im Gehirn
in den Hemisphären, in der Geg^end der großen Ganglien, im
Kleinhirn, event anch in der Medulla obloogata. Aach Nieren,
Milz und andere innere Organe können die gleichen Yerände*
rangen zeigen.
Aber aach das Fehlen makroskopischer Veränderangen ist
noch kein Gegenbeweis; denn aaf frischen Schnitten läßt sich
dann noch oft eine hochgradige Fettembolie feststellen.
Das einfachste Verfahren der Färbung, das ein schnelles
and sicheres Resaltat ergibt, ist das mit Sudan. Viel kompli¬
zierter and nar fär wissenschaftliche Zwecke in Betracht kommend
ist die Safraninfärbang nach voraufgegangener Härtung in
Flemmingscher Lösung, wobei man jedoch prachtvolle Bilder
erhält.
Im übrigen wird man oft noch eine beginnende lobuläie
Pnenmonie oder pleuritische Veränderungen feststellen können.
Liegt der Fall so, daß man auf Grund einer sorgfältigen Ob¬
duktion keine andere Todesursache feststellen kann, so ist die Dia¬
gnose „Fettembolie mit tödlichem Ausgang** gerechtfertigt.
Schwieriger wird aber die Sache, wenn neben der nach¬
gewiesenen Fettembolie noch Veränderungen festgestellt werden,
die auch eine andere Todesursache als möglich erscheinen lassen.
Aach die intra vitam beobachteten Symptome werden dabei nicht
immer Aafklärung geben können.
Nur bei einem ganz plötzlichen Exitus wird man auch bei
tatsächlich festgestellter Fettembolie diese nicht als Todesursache
ansprechen können. Man wird in solchen Fällen wohl in erster
Linie aaf Veränderangen am Herzen zu fahnden haben und dann
oft eine schwielige Myocarditis mit oder ohne Koronarsklerose fest¬
stellen können, wenn nicht gar ein schwerer Klappenfehler oder
gar ein geplatztes Aneurysma vorliegt. Auch ein Herzgamma
kann Ursache eines ganz plötzlichen Todes sein.
Ebenso wird eine Apoplexie meist za anvermittelt auftreten,
am als Fettemboiie angesehen werden za können, obwohl bei
dieser neben dem Sopor zuweilen auch Lähmungs- und Krampf-
erscheinangen beobachtet werden, die im ersten Augenblick irre-
fflhren können. Die Anamnese wird da Ellarheit schaffen können,
namentlich aber der tatsächliche Nachweis einer Apoplexie durch
die Obduktion.
Man hat ferner bei einem plötzlichen Exitus die Möglichkeit
eines Thymnstodes zu berücksichtigen. Der Befand einer per¬
sistenten Thymus, sowie Hyperplasie d^es lymphatischen Apparates,
eventuell mit gleichzeitiger Enge der Aorta und Herzdilatation
würden eine solche Diagnose rechtfertigen. Besonders in bestimmten
Gegenden, wie z. B. in Steiermark, wo der sog. Status tbymicas
nicht selten ist, wird man mit dieser Möglichkeit za rechnen
haben (Payr^).
*) üeber tödliche Fettembolie nach Streckung von Eontraktnren. —
MOnchener med. Wochenschrift; 1898, Nr. 28.
üeber Fettembolio rom geriobtsintliehen Standpunkt.
5
In vielen Fftllen tritt aber der Tod nicht so plötzlich ein,
sondern es werden vorher Erscheinnngen beobachtet, wie sie bei
der Fettembolie anftreten. Hier kann die Anamnese, selbst die
gfenaneste klinische Beobachtnngr im Stich lassen nnd erst die
Obduktion Anfklärnng bringen.
Da ist es besonders die intrakranielle Blntnng, mit der eine
Fettembolie verwechselt werden kann, wie es tatsäc^ch in einem
von Erönlein^) mitgeteilten Falle geschah, bei dem man mit
negativem Resnltat trepanierte, nnd erst die Sektion eine hoche
gradige Fettembolie feststellen ließ. Hier war die klinisch-
Diagnose kanm richtig zn stellen, da die bei der Fettembolie doch
nnr selten vorkommenden Lähmnngserscheinnngen weit eher an
ein Hämatom denken ließen, das höchstens durch das Fehlen jeder
Spur einer Scbädelverletznng in Frage gestellt werden konnte.
Nnr dann läßt sich eine Fettembolie mit Sicherheit ansschließen,
wenn ein längeres freies Intervall vorhergegangen ist, das bei
einem Hämaton bis zn 2 Monaten dauern kann, während im
andern Fall höchstens 9 Tage beobachtet worden sind (Hämig)*).
Hecht kompliziert wird auch die Entscheidung sein in Fällen
von Diabetes, die im Koma zugrunde gehen, nachdem sie vorher
zufällig einen Uoiall erlitten haben, sich auch hierbei ans-
gebreitete Fettembolie der inneren Organe in feineren nnd größeren
Tropfen finden kann (Ebstein)*). Hat der Gerichtsarzt selbst
das Koma beobachten können, so kann das charakteristische »große
Atmen* (Enssmanl*) oder ein stärkerer Azetongemch die Dia¬
gnose: ,Coma diabeticum* sichern.
Eine Urämie dürfte intra vitam wohl kanm verkannt werden.
Bei der Obduktion, besonders bei unvollkommener Anamnese, muß
man immerhin daran denken; ebenso an die Möglichkeit einer
Pankreasblntnng oder Fettgewebsnekrose, die intra vitam
wohl nur in den seltensten Fällen diagnostiziert werden.
Dagegen wäre noch die Möglichkeit eines Vergiftnngstodes
Giftmord oder Suizid — zu beachten, z. B. durch Narcotica oder
giftige Gase. So wird man auch bei den Fällen von Fettembolie,
die im Anschluß an eine Osteoklasie ad ezitum kommen, häufig die
Möglichkeit eines Chloroformtodes nicht ausschließen können, zumal
sich die Chloroformvergiftnng in solchen Fällen überhaupt oft als
alleinige Ursache der Fettembolie auffassen läßt, hervorgernfen
durch die bekannten Verfettnngsprozesse in den inneren'Organen.
Man findet auch hier Fett in den Windungen der Lungenkapillaren,
sowie im Gehirn mit Fettmetamorphose der Ganglienzellen; be¬
sonders aber auch Verfettung der Herzmusknlatur mit rapidem
Verfall, wodurch sich eine plötzliche tödliche Herzschwäche vollauf
erklärt. Die Nierenglomenili finden sich jedoch meist frei, was bd
*) Siehe Nr. 7 dee Litt-Verz.
*) I<. c. { 8.849.
*) Siehe Nr. 4 dee L{tt.>Verz.
*) Deutechee AroUv klie. Medizio; Bd. 14, S. 4.
6
Dr. Schreiber.
einer Fettembolie gewöhnlieb nicht der Fall ist; Tielmehr sieht
man hier in der Regel eine sehr hochgradige Fettanhäafongy wobei
allerdings zn bemerken ist, daß es aach Fälle von Fettembolie
gibt, bei denen die Nieren tlberhanpt nicht betroffen werden.
Man sieht also, daß die Diagnose der FettemboHe oft sehr
leicht, in anderen Fällen aber nur sehr schwer zn stellen sein
kann. Ehe der Gerichtsarzt sie gegebenenfalls als Todesursache
anspricht, muß er jede andere der verschiedenen Möglichkeiten
wohl bedacht und ausgeschlossen haben.
Literatur:
I. Arnold: Zur Morphologie und Biologie der Zellen des Knochen*
marks. Virch.>Arch.; Bd. IM, 8. 411.
8. Colley: Ueber Fettembolie nach gewaltsamer; Qelenkbengong.
Deutsche Zeitschr. lOr Chi^ 1898, Bd. 82, 8. 82A
8. Eberth: Zar Kenntnis der Fettembolie. Fortschr. der Medix.;
1898, Jahrg. 16, 8. 261.
4. Ebstein: Beitrag zur Lehre von der Lipfimie, der Fettem*
bolie und der Fettthrombose bei der Zackerkrankheit. Yirch. Arcb.: Bd. 156,
8eite 671.
6. HSmig: Ueber die Fettembolie des Qehims. Beitr. z. klin. Chir.;
1900, Bd. 27, 8. 888.
6. Jollj: Fettembolien bei aufgeregten Geisteskranken. Archir für
Payohiatrie u. Nerrenkrankbeiten; 1881, Bd. 11, 8. 201.
7. ErOnlein: Beferat in einer Sitzang der Gesellschaft der Aerzte
in Zürich. Eorrespondenzbl. für Schweiz. Aerzte; 1898; 8. 629.
8. Lücke: Bericht über die chirurgische Universitätsklinik von Bern
von Ostern 1865 bis Ostern 1872. Deutsche Zeitschr. für Ohirargie; 1878,'
Bd. U, 8. 220.
9. B. Müller: Markologie. Leipzig*Bendnitz 1905.
10. Pomatti: Ueber einen Fall von Fettembolie des Gehirns. Diss.
Zürich 1895.
II. Becklinghansen: Handbuch der allgemeinen Pathologie des
Kreislanfs.
12. 8chlokow, Both u. Leppmann: Der Kreisarzt. 1901.
18. Tillmanns: Lehrbach der Chirargie. 1900.
14. Wahneau: Ein Fall tödlicher Fettembolie. Diss. Halle; 1886.
Die chemische Untersuchung von Trinkwasser an der
Entnahmestelle.
Von Prof. Dr. med. Karl Schreiber, wissenschaftliches Mitglied
der Königlichen Versachs* and Prttfangsanstalt für Wasserversorgang and
Abwässerbeseitigang.
Die Grundige für die hygienische Begutachtung eines
Brunnens oder einer Quelle bilden die örtlichen Verhältnisse,
d. h. die geologische und hydrologische Beschaffenheit der Wasser¬
entnahmestelle und ihrer Umgebung, sowie die Konstruktion und
der Zustand der Wasserfassungsanlage. Die Untersuchung der¬
selben ist durch geeignete Sachverständige an Ort und Stelle
ausznfähren. Zur Unterstützung des Urteils dienen die Ergeb¬
nisse der chemischen, bakteriologischen und mikroskopischen Unter¬
suchung des Wassers. Diesen Standpunkt, den zuerst Flügge
1895 auf der Versammlung des Vereins für öffentliche Gesnndheits-
Die chemisebe üntennchang des Trinkwassers an der Entnahmestelle 7
pflegte in Breslan^) präzisiert hatte, nehmen zurzeit wohl alle
praktischen Hpgieniker ein.*) Aach der Reichsgesnndheitsrat hat
sich in seiner im vorigren Jahre heransgegebenen „Anleitang ifir
die Einrichtang, den Betrieb and die üeberwachang öffentlicher
Wasser^ersorgangsanlagen, welche nicht ansschließlich technischen
Zwecken dienen** za'ähnlichen Grandsätzen bekannt.
Handelt es sich daher am die Erschließang von Wasser fftr
größere Wasserversorgangen, so sind nicht narmitBflck-
sicht anf die Qaantitätsfrage, sondern anch zor Entscheidong, ob
das Wasser den hygienischen Anfurderangen entspricht, zunächst
die geologischen and hydrologischen Verhältnisse der Wasser¬
entnahmestelle and seiner ümgebnng hinreichend klar za stellen.
Das erschlossene Wasser wird ein oder mehrere Male chemisch,
bakteriologisch and mikroskopisch nntersncht.
Ist bei größeren Wasserfassangsanlagen eine solche genaue,
mit dem ganzen Rüstzeug der modernen Wissenschaft yor-
genommenen Prüfung schon von dem Gesichtspunkte ans geboten,
daß, je größer die Wasserversorgungsanlagen, desto schwerer anch
die Verantwortlichkeit ist für Schädigungen gesundheitlicher und
wirtschaftlicher Art, die durch ungenügende Vorarbeiten heraof-
beschworen werden, so wird anch die Beantwortung der in Betracht
kommenden technischen, wirtschaftlichen, sowie anch der hygieni¬
schen Fragen am so schwieriger, je größer die Wasserentnahme
ist. Man denke nur an die gewaltigen Veränderongen in den
natürlichen FiltrationsYorgängen im Boden, welche durch die Ent¬
ziehung großer Wassermengen hervorgemfen werden können.
Gerade in neuester Zeit, bei der Breslauer Wasserkalamität, hat
es sich gezeigt, wie außerordentlich schwierig es ist, derartige
Vorgänge richtig zu beurteilen. Aber auch £e hygienische Be¬
urteilung sehr ergiebiger Quellen bieten ungeheure Schwierigkeiten;
sie erwecken häufig schon von vornherein den Verdacht, daß es
sich um mangelhaft filtriertes Oberflächenwasser handelt; nur
durch sorgfältige ausgedehnte Untersuchungen unter Zuziehung
aller in Betracht kommenden Methoden gelingt es darüber Klar¬
heit zu schaffen, ob das Wasser großer Quellen gesundheitsschäd¬
lichen Infektionen aasgesetzt ist oder nicht. Die erheblichen Un¬
kosten, welche derartige, im Interesse der Sicherstellung der hy¬
gienischen Urteile umfassende Voruntersuchungen der für große
Wasserversorgangen heranzuziehenden Wässer erfordern, sind aber
gegenüber dem Anlagekapital gering.
Anders liegen die Verhältnisse, wenn es sich um Beurteilung
von Haus- und Straßenbrunnen oder auch kleiner Wasser¬
leitungen handelt, die für die Versorgung einzelner Anwesen
oder kleiner Ansiedelungen dienen sollen. In diesen Fällen mit
1) Viertelj&bnebrift für öffentliche Gesandheitapflege; Bd. XXYIU, Heft 1.
*) Ernmmaoher, F.: Streit über die chemuche WaeBemntenaohimg.
Zeitscbmt för Medizinalbeamte; 1904, 8. 501 ff. und 665.
Salomen: Noch ein Beitrag zar Waaserontersnchnngsfrage Zeitschrift
für Medisinaibeamte; 1904, 8.506.
8
Or. Schreiber.
derselben Ansffthrlichkeit za yerfahren and Qeologeny Techniker,
Chemiker nnd Bakteriologen znr Untersnchong def einschlftgigen
Verhältnisse heranznziehen, ist mit Rhcksicht aaf die hierfür er¬
forderlichen Aafwendnngen von vornherein ansgeschlossen. Die
Entscheidang der Frage, ob das in Betracht kommende Wasser
als hygienisch einwandsfrei zn betrachten sei, maß hier vielmehr
tnnlichst in die Hand eines einzigen Gatachters gelegt werden,
ln dieser Beziehang kommt vermöge seiner Aasbildang and amt¬
lichen Stellang in erster Linie der zoständige Medizinal¬
beamte, in Preußen der Kreisarzt, in Betracht. Ihm ist es
verhältnismäßig am leichtesten, sich über die gesamten örtlichen
Verhältnisse der Wasserentnahmestelle ein Urteil zn verschaffen
and er wird deshalb bei der Bearteilang von kleinen Wasser-
versorgongsanlagen die Zaziehang von Spezialsachverständigen
meist entbehrlich machen. Der Medizinalbeamte kennt überdies
die Lebensgewohnheiten and die Bedürfnisse der Bevölkerung,
sowie die landesübliche Art des Brannenbaaes and der Qaell-
fassangen seines Dienstbezirkes. Er ist über die epidemiologischen
and allgemein hygienischen Verhältnisse orientiert nnd kann daher
beurteilen, ob ein mehr oder weniger energisches Vorgehen in
der Wasserversorgnngsfrage angezeigt ist. Werden Mängel oder
Veranreinigangen bei in Gebrauch befindlichen Bronnen oder
Quellen festgestellt, so wird der Kreisarzt am ehesten in der
Lage sein, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage Ver¬
besserungen an bestehenden Wasserversorgangsanlagen vorzu-
schlagen oder aaf die Schaffung von Neuanlagen za dringen.
Die hygienische Beaufsichtigung der Wasser¬
versorgangsanlagen, welche dem Medizinalbeamten dienstlich
anferlegt ist, erfordert, daß er sich aach die Spezialkenntnisse
aneignet, welche zar Bearteilang von Brunnen- und Quellfassungen
nnd von kleinen leicht za übersehenden Wasserleitungen in hygi¬
enischer Hinsicht notwendig sind. Hierzu gehört auch die Aus¬
führung einfacher Wasseranalysen. Sicherlich wird es jedem, der
eine Wasserversorgungseinrichtung beurteilen soll, am ange¬
nehmsten sein, wenn ihm hierfür auch eine ausführliche chemische
Analyse zur Verfügung steht. In kleinen Verhältnissen fehlen
jedoch häufig die Mittel für genaue, darch irgend ein chemisches
lustitat aasgeführte Untersuchungen. Soll man nun in solchen
Fällen von der chemischen Untersachung des Wassers ganz ab-
sehen?
In manchen Fällen erscheint in der Tat, wie schon Flügge
hervorhebt, eine chemische Untersachung für die Beurteilung,
ob ein Bronnen- oder Quellwasser einwandsfrei ist, nicht
dorehaus erforderlich. Um z. B. ein hygienisches Urteil über einen
neuen, mindestens 5 m tiefen Rohrbrunnen abzngeben, der etwa
im Sandboden ^ erbohrt und von allen in Betracht kommenden
•Qaellen einer etwaigen Verunreinigung hinreichend entfernt ist,
genügt, abgesehen von den Ergebnissen der örtlichen Untersuchung,
unter Umständen die Feststellung, ob die äußere Beschaffenheit
des Wassers billigen Ansprüchen entspricht. Findet man anderseits
Die chemische üntenoehoBg des Trbkwsssers an der EntDahmrstelle 9
offensiditliche Veranreinig^aDg eines Brnnnens oder gibt schon die
Umgebnng eines Bronnens Anlaß znr Beffirehtnng, daß das
Bronnenwasser yeronreinigt werden kann, so ist eine chemisdie
üntersochong des Wassers ebenfalls überflüssig.
Sehr hänflg ist jedoch auch für die hygienische Benrteilnng
eines Bronnens- oder Qoellwassers die Aosfflhmng einer chemi¬
schen Üntersochong desselben dorchaos erforderlich. Insbesondere
kommen hier Bronnen oder Qoellen in mehr oder weniger dicht
bewohnten Qagenden oder in sehr dnrchlässigen geologischen
Formationen in Betracht. Meist wird man in solchen Fällen,
wenn möglich anch eine bakteriologische nnd mikroskopische
Üntersochong des Wassers vornehmen; aber anch da, wo es sich
nm vielbenotzte öffentliche Bronnen oder om kleine Wasser¬
leitongen handelt, die einer größeren Menge Menschen Trink- nnd
Wirtschaftswasser liefern, wird man znr größeren Sicherheit aof
die chemische Üntersochong nicht verzichten wollen, selbst wenn
die Giefahr einer Vemnreinigong des Wassers nnwahrscheinÜch
ist. Nor von Fall zo Fall läßt sich hier beorteilen, welche Unter-
l^en für das hygienische Urteil zn beschaffen sind. Kommt end-
li^ bei Wasserleitnngen die Verwendong von Bleiröhren in Be¬
tracht, so mnß man sich anch darüber orientieren, ob eventnell
die Gefahr besteht, daß das Wasser Blei löst.
Daß, ebenso wie der Kreisarzt, anch andere Sachverständige,
die sich die erforderlichen Kenntnisse angeeignet haben, für die
hygienische Benrteilnng von Bronnen nnd Qoellen herangezogen
werden können, braocht nicht besonders hervorgehoben zo werden.
Wünschenswert ist es onter allen Umständen, daß derjenige,
welcher ein hygienisches Urteil abzngeben hat, sich die hierftbr
erforderlichen Unterlagen womöglich schon an Ort nnd Stelle
beschafft. Denn wenn es sich heraosstellt, daß eine Veronreini-
gnng des Wassers z. Z. der Üntersochong besteht, oder späterhin
zn befürchten ist, so kann man sich in kleineren Verhältnissen
nicht damit begnügen, diese Tatsache festznstellen. Der Sach-
versUndige mnß vielmehr anch in der Lage sein, sofort zo ent¬
scheiden, ob es notwendig ist, den betreffenden Bronnen oder die
Qoelle zo schließen, oder ob ond wodnrch es möglich ist, Ver-
onreinigongen von dem Wasser fernznhalten. Hänflg gelingt es
ja dnrch verhältnismäßig einfache Maßnahmen die Wasserentnahme¬
stelle nnd die Fassnngsanlagen so omzo gestalten, daß eine weitere
Vemnreinigong ansgeschlossen ist. Man darf sich nicht damit
begnügen, einen Bronnen, dessen Wasser vernnreinigt ist, korzer
Hand zn schließen, sondern wird sich hierbei stets vor Aogen
halten müssen, daß ein Bronnen oder eine Qoellfassong für die
Besitzer hänflg eine verhältnismäßig hohe Kapitalsanlage darstellt,
nnd daß es daher Anfgabe des Sachverständigen sein moß, wenn
möglich die Wege anzngeben, nm dieses Kapital anch fernerhin
nach Möglichkeit notzbar zo machen.
Die AosfÜhrang ond Beendignng der chemischen Üntersochong
an Ort and Stelle ist jedoch nicht nor ans dem Grande wünschens¬
wert, daß ihre Ergebnisse anch die Üntersochong der örtlichen
10
Dr. Schrellwr.
Verhältnisse wirksam nnterstfltzen, sondern sie hat aneh nicht
nnwesentliche Vorteile im Gefolge gegenüber der chemischen
üntersnchang an Proben, die längere Zeit anibewahrt nnd trans¬
portiert worden sind. Es ist bekannt, daß infolge des Zutritts
von Sanerstoff znm Wasser nnd des Entweichens gasf&rmiger
Bestandteile chemische Umsetzungen in manchen Wässern hervor-
gemfen werden. Gerade die stickstoffhaltigen Substanzen, die fttr
die hygienische Beurteilung eines Triokwassers in erster Linie
in Betracht kommen, können bei der Antbewahrung der Wasser¬
proben Verändernneren eingehen, die leicht zn falschen Schlüssen
yerleiten. Tonige Trübungen nnd Färbungen des Wassers lassen
sich meist überhaupt nnr an frisch entnommenen Proben richtig
bearteilen. Die Gepflogenheit, die chemische üntersnchnng an
eingesandten Proben vorznnehmen, hat wohl anch dazu geführt,
daß von vielen Analytikern die Feststellung der äußeren Be¬
schaffenheit des Wassers mehr oder weniger vernachlässigt wird.
Dennoch sind die Ergebnisse der Prüfung des Wassers durch die
Sinne (Gesicht, Geruch, Geschmack, Temperatur-Sinn) von nicht
zn nnterschätzender Bedeutung. Für eine vollkommene
chemische Untersuchung eines zu Trinkzwecken
dienenden Wassers ist daher eine teilweise Unter¬
suchung desselben an Ort und Stelle nicht zu ent¬
behren. Mit Rücksicht hierauf läßt die Königliche Versuchs-
und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung nnd Abwässerbeseitigung
in Berlin denn auch in allen Fällen, wo eine genauere chemische
Untersuchung des Wassers erforderlich ist, möglichst bereits an
Ort und Stelle durch einen Sachverständigen die Untersuchung
der äußeren Beschaffenheit, der Temperatur des Wassers, seines
Gehaltes an stickstoffhaltigen und gasförmigen Bestandteilen, sowie
der Reaktion vornehmen.
Wenn man anch prinzipiell auf dem Standpunkt steht, daß
zur hygienischen Beurteilung eines Trinkwassers eine sachver¬
ständige Besichtigung der Entnahmestelle notwendig ist, wird
man diesen Standpunkt doch in vielen Fällen zurzeit aus äußeren
Gründen nicht aufrecht erhalten können und sich auf Grund der
Untersnchnngsergebnisse eingesandter Proben über die Brauch¬
barkeit des Wassers äußern müssen. In solchen Fällen hilft man
sich damit, daß man einen möglichst eingehenden Fragebogen
über die örtlichen Verhältnisse der Wasserentnahmestelle durch
eine geeignete Person an Ort nnd Stelle beantworten läßt. Häufig
wird jedoch dann ein abschließendes Urteil nicht abgegeben werden
können nnd eine nachträgliche örtliche Üntersnchnng gefordert
werden müssen.
Dem Bedürfnisse einer einfachen, am Ort der Entnahme leicht
ausführbaren chemischen Untersuchung eines Trinkwassers ist
bisher in verschiedener Weise versucht worden, zu entsprechen.
Am meisten Anklaug hat die Untersuchnngsmethode von Dr. John
Thresh in London gefunden, die mit einer von der Firma
Wellcome, Burronghs & Go. in den Handel gebrachten Zu¬
sammenstellung von Chemikalien und Apparaten ausgefflhrt wird.
Die ehemifclie Unteraachiug dei Trinkwusen an der Entnahmestelle 11
Die Methode, bei der die Beagentieii in Tablettenform verwendet
werden, verzichtet anf die Genanigkeit der chemischen Analyse,
die bei der üntersnchnngf von Trinkwftssem in Deatschland sonst
im allgemeinen ttblich ist; sie ergibt jedoch Werte, die für die
Abgabe eines hygienischen Urteils meist genau genug sind. Die
Methode von Thresh ist daher von dem Beg.> und Geh. Med.-
Bat Dr. Salomon in Coblenz den ihm unterstellten Kreisärzten
empfohlen worden und hat sich nach und nach auch in anderen
Begiernngsbezirken eingefUhrt. Eine große Beihe der nach der
Threshschen Methode ausgefflhrten Analysen von Wässern, die
fdr kleine Wasserleitungen der Bheinprovinz in Aussicht genommen
waren, hat bei der Prüfung der Projekte der hiesigen Prttfnngs-
anstalt Vorgelegen, und zwar häaflg zusammen mit den Besultaten
ausführlicherer, von chemischen üntersuchungsanstaUen gelieferter
Analysen. Ich habe nicht nur auf Grund der Kenntnis dieser
Analysen, sondern auch durch eigene, sowie durch andere An*
staltsmitglieder ausgetührte vergleichende Untersuchungen die
Ueberzeugung gewonnen, daß die Thresh sehe Methode tatsäch-
lidi in vielen Fällen für die hygienische Beurteilung der Wässer
ausreichende Unterlagen ergibt. Nur in einigen wenigen Fällen
schien eine genauere Analyse wünschenswert, wo es sich z. B.
darum handelt, festznstellen, ob eine Quelle mit einem Ober*
flächenwasser in Verbindung steht, läßt sich eine genauere chemi*
sehe Anal^e der beiden Wässer nicht entbehren. In solchen
Fällen kommen jedoch neben der Klarlegung der geologischen
Verhältnisse auch andere Untersnehnngsmethoden, z. B. die An*
Wendung chemisch leicht nachweisbarer Zusätze (Kochsalz, Ura*
nin nsw.), sowie die bakteriologischen und mikroskopischen
Prflfungsmethoden in Betracht.
Wenn mau sich daher im Prinzip mit der Threshschen
Untersuchnngsmethode für die vorliegende Zwecke einverstanden
erklären kann, so lassen sich im einzelnen doch noch einige Ver*
bessemngen vornehmen, welche den Wert der Methode nicht un¬
wesentlich erhöhen. Vor allem ist die Anwendung der englischen
Maße und Gewichte, welche in dem von der oben genannten
englischen Firma znsammengestellten Untersnehnngskasten ver¬
wendet werden, für den Gebrauch in Deutschland unbequem; sie
erfordern eine Umrechnung der gefundenen Werte, um die Analysen¬
ergebnisse allgemein verständlich zu machen. Auch in der Aus¬
wahl und vor allem in der Anordnung der Utensilien schienen
einige Abänderungen wünschenswert, wie sich diese in Verfolg
der von der Prüfungsanstalt für Wasserversorgung gestellten
Aufgabe, einen für den praktischen Gebrauch, insbe¬
sondere der Medizinalbeamten, geeigneten Unter-
snehungskasten zu konstruieren, sehr bald zeigte.
Bevor ich mit meinem Kollegen Dr. Klnt, der mir seinä
reichen Erfahrungen in der chemischen Untersuchung von Trink¬
wasser bereitwilligst zur VerfQgnng stellte, hierbei an die Nach¬
prüfung der einzelnen Untersnehnngsmethoden ging, wurde zunächst
noch einmal die Frage geprüft, ob es vorteilhaft ist, die Bea-
12
Dr. Sehreiber.
gfentien in der Form von Tabletten oder Ton Ldsnngen zn ver*
wenden. Die Bmintzang von Tabletten besitzt den Nachteil, daß
sie sich, wenigstens teilweise, im Wasser langsam lösen nnd daher
kflnstiich zerkleinert werden mflssen. Dieser nnlengbare Nachteil
verschwindet jedoch gegenüber den vielen Vorzügen, welche ^e
Tablettenform bietet. Zunächst nehmen die Tabletten, welche für
dieselbe Zahl von üntersnchnngen ansreichen, einen viel geringeren
Banm ein, als die entsprechenden Lösungen, ein Vorteil, der für
einen Untersuchnngskasten, der leicht transportabel sein soll, von
großer Bedeutung ist. Ueberdies besteht beim Transport von
Lösungen in Flaschen die G-efahr, daß bei Bruch einer Flasche
meist der ganze Vorrat verloren geht und unter Umständen,
zumal wenn es sich um eine Säure handelt, auch andere Uten*
silien des Ustersuchungskastens beschädigt werden. Dasselbe
kann eintreten, wenn eine Flasche nicht genügend geschlossen
ist. Daß Tabletten ferner haltbarer sind, ids die entsprechenden
Lösungen, dürfte besonders für die Aufbewahrung des Silbemitrats
in Frage kommen. Endlich ist auch die Ergänzung fehlender
Tabletten bequemer, als die Nachlieferung von Lösungen, wc^
sich die ersteren leicht als Muster ohne Wert in Ährchen und
Holzhülsen versenden lassen.
Der Einwand, der früher von manchen Seiten gegen die
Verwendung von Tabletten erhoben wurde, daß die Dosierung zu
ungenau sei, trifit für die in Frage kommenden Präparate der
Firma E. Merck keineswegs zu. Wie durch eine Beihe von
Untersuchungen festgesteilt wurde, ist die Genauigkeit vielmehr
weit größer, als sie bei der beabsichtigten Verwendung der
Tabletten überhaupt von Belang sein köonte.^) Man konnte somit
nicht in Zweifel sein, daß es für die vorliegenden Zwecke vor¬
teilhafter sei, die Beagentien in Tablettenform anzuwenden.
Wir haben daher durch die erwähnte Firma E. Merck in
Darmstadt, deren Buf von vornherein eine sichere Gewähr fO^ die
Zuverlässigkeit und Güte der chemischen Präparate bot, eine
etwas veränderte Ausrüstung für die chemische Untersuchung
nach den Prinzipien der Treshsehen Methode zusammenstellen
lassen.*) Die kompendiöse Form des Untersuchuugskastens’)
und die dauernde Haltbarkeit der Beagentien werden nicht nur dem
Kreisarzt angenehm sein, sondern lassen diese Ausrüstung zur
>) Eine Permanganat-Tablette verbraachte im Mittel 0,12, im HSchst-
lalle 0,18 ccm Thiosnliatlösang; das entspricht 0,96 bezw. 0,98 mg
Sauerstoff statt eines Milligrammes. Ferner wurden 86 Argentumnitrieom-
tabletten zusammen auf ihren Wirkungswert geprüft. Sie verbrauchten 10,21
*/io N. Bhodanammoniomlüsung, entsprechend 10;2,9 mg Chlor (statt 100 mg).
Bel der Prüfung der einzelnen Tabletten wurden im Durchschnitt 0,29 ccm
*/io N. Bhodanammoniumlösung verbraucht, entsprechend 1,029 mg Chlor (statt
1 mg). Die größte Abweichung entsprach 1,065 mg Chlor.
*) Der Analysenkasten ist bei der Firma E. Merck, chemische Fabrik
in Darmstadt für den Preis von 60 Mark erh<lich. Das Analysenmaterial
reicht für etwa 40 voliständige Analysen ans.
*) Siehe Abbildung auf Seite 18.
Die chemiBche UntereachuDg des Trinkwasseii an der Entnahmestelle. 13
chemischen Wasserantersnchungf auch fQr den Gebranch in der
Marine, in den Tropen nnd im Innern unserer Kolonien gut ver¬
wenden, d h. überall da, wo die unbedingte Haltbarkeit der Rea-
gentien and der
ln Anbetracht
der Bedentnng,
welche die Unter-
snchnng der äuße¬
ren Beschaffen¬
heit des Was¬
sers für seine hy¬
gienische Beortei-
Inng bietet, ist be¬
sonderes Gewicht
auf die Ausstat¬
tung zur mög¬
lichst genauen
Ausführung der¬
selben gelegt wor¬
den. In dieser Be¬
ziehung verdiente
namentlich die ün-
tersnchung der
Farbe des Was¬
sers eine größere
Beachtung, als ihr
bisher überhaupt
in den üblichen
chemischen Ana¬
lysen zuteil ge¬
worden ist. Wenn
man viele Trink¬
wässer, insbeson¬
dere ans Brunnen,
untersucht bat,
wird man die Be¬
obachtung machen,
daß fast alle Wäs¬
ser, die sofort nach
der Entnahme aus
dem Untergründe
einen gelblichen
Farbenton zeigen,
auch einen höhe-
14
Dr. Sdirelber.
ren Gehalt an organischer Substanz besitzen. Schon bei einem Ver¬
brauch von mehr als 12 mg Permauganat wird man im frischen
Wasser bereits eine Färbung wabmehmen. Im allgemeinen ent¬
spricht) wenigstens bei Brunnenwässern, der Menge des Per-
manganatverbranches auch die Intensität der Farbe. Kann man
daher in einem unter den üblichen Eantelen frisch entnommenen
Wasser eine solche Färbung feststellen, so darf man in vielen
Fällen die an sich zeitraubende und unbequeme Untersuchung des
Wassers auf seinen Permanganatverbranch entbehren.
Allerdings ist es hierfür notwendig festzustellen, daß die
Färbung nicht durch ausfallendes, fein suspendiertes Eisen bedingt
ist. Zur Bildung des im Wasser unlöslichen Eisenoxydhydrates
ist der Zutritt von Sauerstoff notwendig; deshalb findet
man in einer Wasserprobe, die eben dem Untergründe entnommen
ist, im allgemeinen kein ausfallendes Eisen. Die Oxydation der
Eisenverbindung ruft im übrigen neben der gelblichen Färbung
auch eine mehr oder weniger starke Opaleszenz oder Trübung
des Wassers hervor, die als solche durch eine Untersuchung des¬
selben mittelst einer mindestens 10—15fach vergrößernden Lupe
unter Benutzung der Dunkelfeldbeleucbtung (s. Anleitung) zu er¬
kennen ist und durch feine suspendierte Eisenteilchen hervor-
gerufen wird. Bei einiger Uebung wird man eine tonige Trübung
von einer Eisentrübnng unterscheiden lernen. Ist das Wasser ganz
klar, so beruht eine etwa beobachtete Färbung des Wassers bei
hygienisch einwandfreier Lage und Konstruktion des Brunnens
fast immer auf der Anwesenheit von sogenannten Huminstofien.
Zur genaueren Feststellung der Farbe eines Wassers ist es
notwendig, dieselbe vor allem im durchfallenden Licht zu unter¬
suchen und dafür Sorge zu tragen, daß nicht durch die Befiexe
in der Nähe befindlicher farbiger Objekte (Bäume, Hanswände etc.)
Täuschungen entstehen. Zu diesem Zwecke ist dem Untersnchnngs-
kasten eine schwarze Hülse beigegeben, welche in den Meßzylinder
hineingestellt wird, um die seitlichen Lichtstrahlen abzuhalten.
Als Unterlage dient ein Stück weißen Papiers.
Zur Feststellung der Temperatur, die manchmal beijder
Beurteilung des Wassers, besonders eines Qaellwassers von großer
Bedeutung sein kann, dient ein einfaches Thermometer.
Die Reaktion wird im allgemeinen nur mit Lackmnspapier
festgestellt. Wo jedoch eine Forlleitung des Wassers in Bleiröbren
in Frage kommt, ist es notwendig, sich auch über den Gehalt
des Wassers an freier Kohlensäure zu orientieren. Hierfür
ist eine Prüfung mit Bosolsäure ausreichend. Da sich dieses
Reagens weder in Tabletten form herstellen, noch auf Papierstreifen
fixieren läßt, ist es in Lösung beigegeben worden. Von der be¬
quemeren Anwendung, welche der Einschluß der für die jeweilige
Untersuchung erforderlichen Quantität in Ampullen ermöglicht,
wie sie für das Neßlersehe Reagens in Anwendung kommen,
ist mit Rücksicht auf die seltenere Verwendung des Reagenz und
die teure Herstellung der Ampullen abgesehen worden.
Die Feststellung der Reaktion mittelst Rosolsäure ist inso-
Die ehemUclie ünterrachong des Trinkwassers ab der Eotaahmestelle. 15
fern besonders empfehlenswert, weil ein Gehalt von etwa 10 mg:
freier Eohlens&nre sich bereits durch eine deutliche Gelbfärbung
beim Zusatze des Reagens bemerkbar macht, während kleinere
Mengen von freier Kohlensäure, die durch das Reagens nicht an¬
gezeigt werden, ifir die Frage der bleilösenden Fähigkeit des
Wassers bedeutungslos sind. Fällt daher die Rosoleäureprüfung
positiv aus, so daß mehr als 10 mg freier COa im Liter Wasser
Torhanden sind, so wird Blei in sanitär bedenklicher Menge
gelöst. Anderseits besteht bei Wässern, die eine deutliche Rosol-
säurereaktion nicht ergeben und außerdem noch eine Earbonat-
härte von nicht unter 7^ aufweisen, während Nitrate fehlen, die
Gefahr der Bleilösung nicht. Sehr weiche Wässer — das mag
an dieser Stelle sogleich erwähnt werden — können aber auch
ohne Anwesenheit von 00^ bei Zatritt von Sauerstoff, der in der
Praxis niemals verhindert werden kann, das Blei angreifen.
Sollen nun Wässer, bei denen eine Bleilöslichkeit ver¬
mutet werden kann, in ungeschtttzten Bleiröhren fortgeleitet werden,
wie sie für Hausanschlftsse vielfach verwendet werden, so ist es
notwendig, daß das Wasser genauer auf seine Fähigkeit, Blei zu
lösen, untersucht wird. Die hierfär erforderliche quantitative
chemische Untersuchung Überlasse man einem Bernfschemiker.
Da jedoch die Untersuchung bereits an Ort und Stelle eingeleitet
werden muß, ist es manchmal wünschenswert, daß der Sachver¬
ständige die hierfür erforderliche Vorarbeit selbst übernimmt.
Die in den Ausführungsbestimmungen zu der anfangs genannten,
vom Reichsgesnndheitsrat herausgegebenen „Anleitung** enthal¬
tene Vorschrift hierzu lautet:
„Man stellt in einen mit schr&e sbgeschoittenem Glasstopfen rerschließ-
baren Standzylinder Ton ungefähr 1 Liter Inhalt ein der Höhe des Zylinders
entsprechendes Sttlck eines halbierten, etwa 1—2 cm starken Bleirohres ein,
nachdem seine Oberfläche mit stark verdünnter Salpetersäure gerebigt, in
destilliertem Wasser sorgfältig längere Zeit abgewaschen und darauf mit ebem
sauberen Tuch abgetrocknet und blank poliert ist. Dann wbd das zu unter¬
suchende Wasser b den Zylinder längere Zeit unter möglichster Vermeidung
des Miteintritts von Luft eingeleitet (bis sich der Inhalt des Zylinders mehrere
Male erneuert hat). Der Zylinder wird dann mit dem Qlasstopfen so ge¬
schlossen, dafi kebe Luft zwischen dem Stopfen und dem Wasser mitein-
g^hlossen wird. Nach frühestens 24 Stunden wird der Zylinder geöffnet, das
mit einer reinen Pbzette gefaßte Bleirohr mehrere Male durch das Wasser
auf- und Biedergezogen, um etwa anhaftende ungelöste Bleisalze von dem
Bleirohr abzuschütteln, und das unflltrierte Wasser nach den bekannten
Methoden auf seben Bleigehalt untersucht.''*)
Der Untersuchung des Wassers auf das Vorhandensein von
Ammoniak, salpetriger Säure und Salpetersäureist vom
hygienischen Gesichtspunkte aus die größte Bedeutung beizu¬
messen.
Die Untersuchung auf Ammoniak wird mit dem bekannten
Neßlersehen Reagens ansgefüh.rt. Die für eine jeweilige Unter¬
suchung von 60 ccm erforderliche Menge ist in eine Ampulle ein-
*) VergL Ministerialblatt für Medizinal- und medbbbche ünterrichts-
Angelegenhdten, VIL Jahrg. 1. Juni 1907, Nr. 11, 8.183, sowie Beilage zu
Nr. 12 der Zeitschrift für Medlsbalbeamte; Jahrg. 1907, S. 86.
16
Dr. SehrcllMr.
gesdilossen, die durch zwei Feilenschnitte beim Oebraoch gebffiaet
wM. Bei der Untersnchang: ist darauf za achten, ob sich eine
weißliche Trttbnng oder FlockeobildaDg einstellt. Dieser Befand,
der darauf beruht, daß sich infolge des Gehaltes des Neßlersehen
Beagens an Natronlauge, Kalk- und Magnesiaverbindungen ans«
scheiden, spricht, wie'Dr. Klut festgestellt hat, datfir, daß die
Härte des Wassers über 18 deutsche Härtegrade beträgt. Auf
eine derartige Untersuchung der Härte wird man sich für die
vorliegenden Zwecke in den meisten Fällen beschränken können,
zumal bei einiger Uebung aus dem Grade der Trübung oder
Flockenbildung auch ein gewisses Urteil über höhere vorkommende
Härtegrade gebildet werden kann.
Wird in einem Wasser salpetrige Säure in größerer
Menge festgestellt, so ist auch Salpetersäure anwesend. Fto
die hygienische Beurteilung des Wassers ist in solchen Fällen die
Menge der vorhandenen Salpetersäure meist so wenig maßgebend,
daß man auf eine Untersuchung auf Salpetersäure üWhaupt ver¬
zichten kann.
Die Menge der vorhandenen stickstoffhaltigen Substanzen
wird im übrigen nach dem Grade der entstehenden Färbung und
der Schnelligkeit des Eintritts der Reaktion geschätzt. Genauere
quantitative Bestimmungen sind für die vorliegenden Zwecke wohl
fast stets überflüssig.
Haben nun die bisher erwähnten Untersuchungen
eines Wassers ein günstiges Resultat ergeben, so
wird man häufig von einer weiteren chemischen
Untersuchung desselben absehen dürfen; denn eine
Wasserprobe, die klar, geruch- und farblos ist, eine neutrale oder
schwach alkalische Reaktion und eine normale, der mittleren
Jahrestemperatur des Ortes ungefähr entsprechende Temperatur
besitzt, keinen abnormen Geschmack zeigt, frei ist von stickstoff¬
haltigen Substanzen und weniger als 18 Härtegrade auf weist,
kann im allgemeinen als nicht verunreinigt gelten. Die quanti¬
tative Bestimmung des Chlors, des Permanganatverbranches, der
sich übrigens bei höherem Gehalt an organischen Substanzen, wie
erwähnt, auch in der Färbung des frisch dem Untergründe ent¬
nommenen Wassers zu erkennen gibt, und der Härte wird dann
meist keine neuen Gesichtspunkte für die hygienische Beurteilung
des Wassers ergeben. Wo jedoch Zweifel bestehen sollten, oder
eine möglichst vollständige Analyse wünschenswert erscheint, sind
diese drei quantitativen Bestimmungen noch auszulühren.
Für die Permanganatbestimmung hatte Thresh
Tabletten vorgesehen, die nach deutschem Gewicht 5,2 mg Per-
mangananverbrauch im Liter Wasser anzeigen. Mit Rücksicht
darauf, daß 4 mg Permanganatverbrauch etwa 1 mg Sauerstoff
entsprechen, haben wir Stufen von 4 zu 4 mg gewäUt. Häufig
wird man jedoch sofort mit 2 Tabletten (= 8 mg) beginnen können,
da reine Wässer aus nicht moorigem Boden nach den meist
geltenden Anschauungen bis zu 8—10 mg Permanganat-
verbrauch aufweisen können. Ein Permanganatverbrauch von mehr
Die chemische UntenachoDg des Trlnkwassexs sa der Entnahmestelie. 17
als 12 mg im Liter Iftßt jedenfalls auf einen höheren Gehalt an
organischen Sabstsnzen schließen. Ob diese dann ans hygienisch
bedeoklichen Vemnreinignngen stammen, oder nnr als sogenannte
Hominsnbstanzen anznsprechen sind, wie man sie in Wässern ans
brannkohlenhaltigem oder moorigem Untergründe oder auch ln
Schlickablagerangen bei völligem Fehlen frischer Yernnreinigongen
findet, maß aof Grand der übrigen AaalysenergebniBse nnd der
örtlichen Verhältnisse entschieden werden.
Die Tabletten fOr die Chlorbestimmnng sind so dosiert,
daß eine üntersnchnng von 10 zn 10 mg Chlor pro Liter möglich
ist, während eine Tablette nach Thresh 28,6 mg Chlor anzeigt.
Es gibt nämlich Bezirke, in denen reine Grand- nnd Qa^-
wasser stets einen weit niedrigen Chlorgehalt als 80 mg anf-
weisen, so daß man schon ans einem Chlorgehalt von beiläufig
15 mg an eine Venmreinignng denken muß. In solchen Fällen
erscheint es wünschenswert, auch geringere Mengen Chlor be¬
stimmen zu können, als es Thresh vorgesehen hat. Zu diesem
Zweck ist durch die Dosierimg in unserem Analysenkasten die
Möglichkeit gegeben, Chlor von 10 zu 10 mg im Liter festzn-
stellen. Meist wird man jedoch ohne Schaden für die hygienische
Beurteilung mit 8 Tabletten = 80 mg Chlor die üntersnchnng
beginnen können.
Für die Härtebestimmung ist es bei Wässern, die
eventuell in Bleiröhren fortgeleitet werden sollen, wie bereits
erwähnt, vorteilhaft zu wissen, ob das Wasser sehr weich ist.
Daher sind unsere Tabletten ebenso wie die von Thresh so
bemessen, daß jede 4 Grad angibt. In diesen Fällen, wo die
Bleilöslichkeit des Wassers in Frage kommt, und eventuell auch
da, wo man eine künstliche Enteisenung des Wassers für erforder¬
lich hält, empfiehlt es sich, auch die transitorische Härte
(Gesamthärte minus permanente Härte) zu ermitteln.
Eine quantitative Bestimmung des Eisengehaltes ist nnr
mit Hilfe von komplizierten Methoden möglich, die an Ort und
Stelle schwer auszuführen sind. Eine Notwendigkeit Älr eine
genaue Bestimmung des Eisengehaltes liegt jedoch nur bei Wässer
vor, die fdr größere Wasserleitungen verwendet werden sollen,
und wo daher durch die Analyse ein Anhalt für die Konstruktion
nnd Dimensionierung der Anlage gegeben werden soll. Wo es
sieh um kleinere ländliche Wasserleitungen handelt, wird man
sehen, soweit als möglich ohne Enteisenungsanlage auszukommen,
weil der sachgemäße Betrieb einer Enteisenungsanlage, zumal da,
wo die Einfögung derselben in das Drucksystem nicht angängig
ist, immerhin geschalte Kräfte erfordert. Bei einem Eisengelmlt
bis zu ungefä^ 1 mg FetOg im Liter, der sich im allgemeinen
durch den Geschmack noch nicht unangenehm bemerkbar macht
und nur mäßige Bisenozydhydratausscheidungen im Bohrnetz her¬
vorruft, wird man sich bei kleinen Wasserleitungen damit be¬
gnügen, das Leitungsnetz regelmäßig durch Spülungen von dem
aasgeschiedenen Schlamm zu reinigen. Die Gefahr, daß durch
Wucherungen von Grenothriz polyspora in dem aasgeschiedenen
18
Dr. Sehreiber.
EiBensehlamm schwere Ealamitftten eintreten, wird man ftbrigens
bei QaellWasserleitungen nach ▼. Banmer^ nicht zn hoch yer-
anschlagen dftrfen. Anf jeden Fall empfiehlt es sich aber znr
Vorsicht, wenn möglich, das für die spätere Einschaltnng einer
Enteisennngsanlage erforderliche QefäUe bei dem Projekt der
Wasserleitung mit in Bficksicht zn ziehen.
Bei Brunnen mit eisenhaltigem Wasser kann man die An¬
bringung einer Enteisennngsvorrichtnng, die mit nicht geringen
Kosten verknüpft ist nnd daher noch wenig Anwendung in der
Praxis gefunden hat, erst dann fordeim, wenn der Eisengehalt,
der Geschmack und das Aussehen des Wassers in so hohem Maße
beeinträchtigt, daß es als hygienisch einwandfreies Gennßmittel
nidit angesehen werden kann, oder wenn die Verwendung des
' Wassers zu Wirtschaftszwecken ohne Entfernung des Eisens nicht
möglich ist. Das trifft im allgemeinen auch erst bei Eisenmengen
j im Wasser von mehr als 1 mg zu.
Es ist daher nicht nur ffir den Bau kleiner Wasserleitungen,
sondern auch bei Brunnen von besonderem Interesse festzasteUen,
ob der Eisengehalt über 1 mg im Liter beträgt Das läßt sich
in dem eben ans dem Untergründe geschöpften, mit Sauerstoff
noch nicht in Berührung gekommenen Wasser, mit einer gewissen
Sicherheit durch den Zusatz der in dem Analysenkasten befind¬
lichen Eampescheholztabletten feststellen. Bei einem Gehalt von
über 1 mg Eisen geben sie dem untersuchten Wasser eine blaurote
bis blanschwarze Färbung. Diese Reaktion, welche meist mit den
weniger empfindlichen Lösungen von Kampescheholzextrakt an¬
gestellt wird, hat sich in der Praxis auch zur Feststellung der
Leistungsfähigkeit von Enteisenungsanlagen mittelst Hoch^nck-
filtem allgemein eingeffihrt, weil es bei einiger Uebnng gelingt,
ans dem Grade der weinroten Färbung auch niedrigere Mengen
Eisen abzuschätzen. Wir haben daher geglaubt, auch dieses
Reagens der Ausrüstung znr chemischen Analyse hinznfdgen zn
sollen.
Im allgemeinen gibt es eine viel einfachere Methode, um
sich für praktische Zwecke über den Eisengehalt zu informieren;
sie hat leider den Nachteil, daß zu ihrer Ausführung eine gewisse
Zeit, mindestens doch 24 Stunden, erforderlich ist. Man schüttelt
das Wasser in einer halbgefüllten Flasche energisch mit Luft und
beobachtet dann, ob sich eine Trübung und späterhin ein Nieder¬
schlag von Eisenoxydhydrat bildet. Bei der Verwertung dieser
Methode wird man allerdings beobachten müssen, daß sich die
Ausscheidung des Eisens in einem mit Luft geschüttelten eisen¬
haltigen Wasser nicht mit der Ansfällung des Eisens in einer
Enteisennngsanlage oder im Rohrnetz deckt, weil hier neben
anderen mehr oder weniger die Eisenausscheidung begünstigende
Momente das bereits ausgeschiedene Eisenoxydhy^'at in der Ent-
msennngsanli^e und im Rohrnetz in erster Lini e als Sanerstoff-
übertrl^er die Enteisenung befördert.
*) Zeitschrift Ittr analytische Chemie; XXII, Jahrg. 1903, 9. und 10. H.,
S. 591 ff.
Die ehemlBdie ünterraehiiHg dei TrinkweBsen u der Eotoahmeetelle. 19
Wendet man beide Methoden an, die Featstellnngf des ge¬
lösten Eisenoxydais mit iCampescheholztabletten und die Beob¬
achtung des mit Luft geschüttelten Wassers, so wird sowol in
der Frage, ob ein Wasser einer künstlichen Enteisenung bedang
als auch bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit einer Ent-
eisenuDgsanlage bei einiger üebung ein sachgemäßes Urteil ge¬
winnen können; zu einer endgültigen Entscheidong ist jedoch in
wichtigen Fällen die quantitative Feststellung des Eiseng^ltes
des Boh- und Beinwassers durch einen Chemiker nicht zu ent¬
behren.
Alle sonstigen Analysenmethoden, die teilweise mit mehr
oder weniger Berechtigung bei der Untersuchung von Trinkwässem
im Interesse einer hygienischen Beurteilung aasgeführt werden,
insbesondere auch die Untersuchung auf metallische Beimengungen,
wie Blei und Zink, überlasse man in den seltenen Fällen, wo
eine solche Untersuchung erforderlich ist, dem Bernfschemiker.
Die Feststellung des Abdampfrückstandes und das Verhalten beim
Glühen desselben, wie ihn Thresh vorsieht, haben wir fallen
gelassen, da die Ausführung dieser Untersuchung umständlich ist
und keine wesentlichen Vorteile für die hygienische Beurteilung
bietet.
Hinsichtlich der Utensilien, welche zur Ausführung der
Untersuchungen notwendig sind, haben wir uns nach Möglichkeit
an Modelle gehalten, die stets im Handel zu haben sind: Einer¬
seits um den Ersatz zu erleichtern, anderseits, um nicht durch
Schaffung besonderer Formen den Preis des Untersuchungskastens
unnötig zu erhöhen.
Die Verpackung und Anordnung der Beagentien und
der UntersachangsutensUien ist so gestaltet, daß man jeden ein¬
zelnen Teil mit einem Griff aus dian Kasten entnehmen kann.
Einsätze bewähren sich im allgemeinen in dieser Hinsicht nicht.
Ehe man den Untersuchungsanalysenkasten in der Praxis
verwertet, empfiehlt es sich, die einzelnen Untersuchungsmethoden
zunächst an einem Wasser, dessen chemische Zusammensetzung
bekannt ist, einzuüben. Es ist natürlich für die richtige Ver¬
wendung einer solchen Ausrüstung zur vereinfachten Analyse eine
gewisse Geschicklichkeit und Erfahrung nicht zu entbehren. Ins¬
besondere bei der Untersuchung auf den Permanganatverbrauch
muß man eine gewisse Uebung besitzen, um den Farbenschlag
richtig erkennen zu können. Der Kasten ist aber nur für solche
Untersacher berechnet, die die hierfür erforderliche Vorbildung
besitzen.
Stellt sich ein Ersatz der Beagentien als notwendig heraus,
so ist derselbe nur durch die liefernde Firma zu bezi^en. Die
flbrigen Utensilien lassen sich eventuell auch leicht aus jedem
Gesdiäft für chemische Apparate ergänzen.
20 .
Dr. Berger: Tagebaoh and Jahresbericht.
Tagebuch und Jahresbericht.
Notiz Ton Dr. Berger in Krefeld.
Für den Jahresbericht bildet das Tagebuch die wesentliche
Qnmdlage. Die Uebersicht über die amtliche Tätigkeit im Jahre
mit ihren zahlreichen Spalten baut sich auf dem Tagebuch allein
auf. Bei der Aufstellung dieser Uebersicht hat aber wohl mancher
ebenso geseufzt wie ich, und viele Stunden gesessen; besonders
werden das die empfinden, die gleich mir 4000 bis 5000 Journal-
Nummern zu verarbeiten haben.
Ich habe mir nun ein Tagebuch auiertigen lassen, das hinter
der letzten Spalte „Bezeichnung der Akten etc.“ durch Ziehen
eines weiteren Striches von oben nach unten noch eine Spalte
ohne üeberschrift schafft. In diese Spalte trage ich bei jeder
Jonrnalnummer ein, in welche Spalte der Jahres-Uebersicht der
Gegenstand gehört, und zwar einfach die Nummer der Spalte.
Um diese Uebersicht immer zur Hand zu haben, habe ich
mir an das Ende des Tagebuches ein Formular der Uebersicht
über die amtliche Tätigkeit einheften lassen und die einzelnen
Spalten mit den fortlaufenden Zahlen 1—24 bezeichnet.
Das vorgeschriebene Formular ist in keiner Weise geändert;
durch das Verfahren wird aber eine große Arbeit am Jahresschluß
gespart. Die Arbeit geschieht unmerklich bei jeder Eintragung
oder täglich; die Uebersicht wird dadurch ganz genau. Voraus¬
setzung dabei ist, daß jede Handlung ins Tagebuch eingetragen
wird.
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. OeriolitUohe Medizin.
Zar Teehelk der Melogisehea Untersoohnng kletnzter Blatspvrea.
Von Dr. mod. Th. Carnwarth-Belfast, frtlheren freiwilligem Hilfsarbeiter
im E. G. A. Arbeiten aas dem Eaiseriichen Qesondheitsamt. XXVI. Bd.,
S. H.
Der Blatfleck wird mit etwa 0,2 ccm 0,85 *7o Igor Eocbsalzlösong aos-
gelaagt. Die jetzt anzoschliefiende EiweiOprobe wird in der Weise aosgefuhrt,
daß man mit einer Kapillare Flüssigkeit bis ca. 2 cm Höhe aufziebt, dann
die Kapillare, ohne die Flüssigkeit za erneuern, am unteren Ende zaschmilzt,
in kochendes Wasser taacht and so zam Erhitzen bringt. Nunmehr wird das
zogeschmolzene Ende abgebrochen, die erhitzte Eiweißlösang anf einen
Objektträger mit etwa dem 4. Teil 25 "/o Salpetersäure zosammengebracht and
gut gemischt. Tritt dabei eine opaleszierende Trübung anf, so haben wir die
für «Ue Beaktion notwendige Verdünnung. Zur Austührang der biologischen
Beaktion wird mit einem, an einem Ende zu einer langen Kapillare ansgezogenen
BOhrcben in ein am unteren Ende zugescbmolzenen steriles Böhrchen von 2 mm
Durchmesser und 6 cm Länge soriel präzipiterendes Serum gebracht, daß das¬
selbe etwa 8 mm hoch steht; hierzu werden dann die Untersucbungsflüssigkeiten
nach den Ton Uhlen hu th angegebenen Vorschriften zugesetzt. Bei positivem
Ausfall der Beaktion tritt nach einigen Standen an der Borührangsstelle
zwischen Serum und Flüssigkeiten eine ringförmige Trübung auf, die sich
allmählich nach oben hin immer mehr verbreitet. Bei dieser Kethode kann
man beqaem mit 0,1 ccm Untersuchongsflüssigkeit aaskommen.
Dr. Bost-Badolstadt.
Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans ZdtBehriftea.
21
Oie LugenseliwlBiBiprolM ud ihre Bevrtellnif. Ana dem patho-
logieehea Institut der üniTersit&t Halle a. S. Von Dr. Hans Käthe, Assisteaten
des Instituts. Berliner klin. Wochenschrift; 1907, Nr. 86.
Der positire Ausfall der Schwimmprobe ist nicht absolut beweisend für
eztrauterines Leben. Lungen Ton Kindern, die selbst einige Tage gelebt,
selbst geschrieen haben, können bei der Obduktion luftleer gefunden werden.
Schwächliche Kinder gehen durch Asphyxie zugrunde; die Atmung sistiert
ganz allmählich; die dastischeu Fasern im Lungengewebe wirken fortgesetzt
passiv im Sinne einer Expirstion; es wird bei jeder Inspiration weniger Luft anf-
genommen, als durch die Expiration ansgetriehen wird. Die beim Kollabieren der
Lunge in den Alveolaren noch befindliche Besiduallnft (die feineren Bronchien
sind meistens durch Schleim verlegt) wird vom Blut resorbiert, das in den
die Lungenbläschen umspinnenden Kapillaren zirkuliert, da die Blntzirkulai^
noch genflgend Umge den respiratorischen Luftwechsel tiberdauert. Der Sach*
verstihidige kann bei luftleeren Lungen nur anssprechen, daA Befunde, die
ein Luftatmen nach der Geburt beweisen, nicht vorliegen, nur bei fanltoten
Kindern ist Leben und Atmnng zu verneinen.
Anderseits können Lungen von Kindern, die spontan llberhanpt nicht
oder nach Verlassen des Geburtskanals nicht geatmet haben, sich schwinun*
fähig erweisen. Sie können a) künstlich lufthaltig gemacht sein (Einblasen
mittelst Tubulus, Schultzesche Schwingungen, Pa cini sehe Methode), b) durch
Fäulnisgase (meist subdurale und interstiuelle große Bläschen), c) durch in¬
trauterine Luft- bezw. Gasatmung schwimmfähig werden. Abgesehen von
künstlicher Einbringung atm. Luft in den üterns (Platzen eines mit Luft ^
füllten Kolpeurynters) müssen 8 Bedingungen erfüllt sein, damit Luft in die
Gebärmutter eindringen kann: 1. Der abdominale Druck muß unter den der
Atmosphäre sinken (plötzlicher Abfiuß des Frnditwassers bei Lagewechsel,
üebergang der Bückenlage in die Seitenlage oder Knieellenbogenlage); 2. schlaffe
Beschaffenheit der Uternswandnngen und der Bauchdecken; 8. Insuffizienz des
äußeren Muttermundes. Das intrauterine Luftatmen wird am häufi^ten nach
Wmdungen oder Anlagen der hohen Zange beobachtet, ja selbst ue geringe
Kommunikation, die durch die touchierenden Finger zwischen der äußeren Lut
nnd der unter vermindertem Atmosphärendruck stehenden UternshOhle her¬
gestellt wird, genügt, um Luft in die Gebärmutter ansangen zu lassen. Aber
auch ohne Kunsthüffe kann Luft eindringen bei anormalem Bau der knöchernen
Gebutswege (plattrachitische, ungleichmäßig verengte Becken) und durch
einen anormalen Ablauf der Gebart, zumal wenn noch eine anormale Lage der
Frucht dazu kommt (Verfall von Kindesteilen oder der Nabelschnur). Auch durch
Zersetzung des Fruchtwassers kann sich im Anschluß an langdauemde Gehurten
Gas in der Gebärmutter bilden (Tympania Uteri), das duch eingebrachte oder
aingewanderte Keime (anaerobe Bakterien ans der Gruppe der Oedombazillen)
betUngt ist.
Findet der Gerichtsarzt teilweise entfaltete Lungen nnd aUe Anzeichen
der Erstickung, bleibt die verdächtige Mutter bei der Behauptung, das Kind
sei tot zur Welt gekommen, so ist an intrauterine Atmnng zu denken. Ano¬
malien des Beckens usw. sind bei seinem Gutachten zu berücksichtigen.
Ein ziemlich sicheres Kriterium für intrauterine Atmung nnd Erstickung
ist der Befand von Frachtwasserbestandteilen und Mekonium in den entfalteten
Lungen. Dies trifft für viele Fälle zu; es ist jedoch auch denkbar, daß Frucht¬
wasser aspiriert wird, das Kind noch lebend zur Welt kommt, einige Atem¬
züge macht, dann aber stirbt. Der Befand würde dann dnrduchnittlich der
gleiche sein, wie bei intrauteriner Lnftatmnng. Dr. Bäuber-KOslin.
Zur Kritik der Belfezelcheu der Frucht. Von Dr. Hugo Nothmann.
Fr. BL f. g. M. u. S.; 1907, Heft I, II, HL
Die Kriterien der Beife, wie sie allgemein angegeben sind, sind niemals
für sich allein, sondern nur in Berücksichtigung des gesamten Entwickelungs-
grades des Spindes verwertbar. Wie bei einer Krankheit nicht ein Symptom, son¬
dern das Vorhandensein eines Symptomkomplexes die Diagnose sichert, ist auch
bei der Diagnose der Beife das Zusammentreffen vieler Zeichen erforderlich.
Außerdem ist zu beachten, d^ wie die Zustände der Gesundheit und Kruik-
heit ineinander übergehen, sich auch mancherlei Brücken zwischen reif und
28 Klelaer« WttdhuigeD uid Baferate ans ZeltaebUleaL
nnif iad«. Die aUgemeiaeo ESrperajmptMBe, wie du VorliaadflBaeüi tob
Lobbto, die JüliBiB- und ConiedoneBbildug, die Beecliaffealieit tob WinpeiB
BBd liigelB siBd Bach Verfassen ErfahrOBgea so gut wie wertlos. Am meistea
BeacbtBBg TordieBt Boch die Beschaffenheit des Genitale bei Knaben, doch nur
insoweit, daiS sie lüs eiau der Tielea Hilfsmomente herugesogen werden darf.
Die lAnge ist dn branchbares MaA znr Bestinunong der Beile, doch läfit dch
die angegebene Qrease tob 48 cm nicht aufrecht erhalten, da sicher reife
Kinder imt Biederen Maßen Torhonunen. Das Gewicht du Kindu darf als
Beifeseiehea nnr daan gelten, wenn alle diejenigen Momute berttchsichtigt
sind, welche seine Gestaltung beeiolliuseB. Ein butimmtu Gewicht der Pia*
eenta buw. ein honstautu Verh<nls zwisehen diesem nnd dem Körpergewicht,
kann als BeifezeicheB nicht aufrecht erhaltu werden. Die Schalter breite darf
fnsofern als Kriteriom Terwendet werdu, daß man im allgemeinen tob einem
rotfea Kinde eia bestimmtu Mindestmaß fordert, jedoch mit der Einschrinhang,
daß auch diesu Maß nicht koutant ist. Aach T<m du Extremit&tu tu*
loagu wir ein gewiuu Minimam, du allerdings auch in muchu FSllu
nnterschrittu werdu kun. Ein Verhältnis der o^en zur unteren Extremität,
wie u bei Erwachsuen Torkommt. spricht stark im Siue der Beife. Die
Foßlänge kun für die Diagnue nicnt Terwendet werden. Die Nabelsebnar*
iuertion ist für die Diajgnose der Beife belanglu. Von Wert sind die Be*
fude der Kopfmaße. Die Verwudbarkeit des geradu Kopfomfugu maß
nach Verfauers Erlahran|[u wuutlich einguchränkt werdu, insofern seine
Konstanz eine za geringe ist. Aach die utere Greue tob 82 cm kun nicht
anfrecht erhaltu werden; dun u kommen ureife Kinder mit einem Um*
fuge bis n 84 cm Tor. Die Kopfdorchmeuer sind insofern tob Bedeatug,
als dUi gewiues Mindutmaß bei reifu Kindern nnr selten anterschritten wird.
Hinsiehtuch ihru Koutau rugieren sie nach der Verwendbarkeit folgender*
maßu: der bitemporale, bimastoide, frontoocdpitale ud biparietale Dorchmuer.
_ Dr. Bamp'Ouabrttck.
Haben die ndkrukoplsehen Verginge bei der Abstoranng der
üfabelachnnr ferenslsehu Interesut Von F. Cobliner. Fr. Bl.; 1907, Heft
n, UL
Verfassu ist auf Grud seiner üntersnchang u der Ueberzeugug ge-
kommei^ daß mu durch die mikrukopische Untersachang der Nabelschnar
keiau Hinweis dafür erhält, ob du Kind gelebt hat oder Seht.
_ Dr. Bamp-Osnabrück.
B. OertohttlblM Psyehlntrle.
Beitrag nr Frage der snkzusiren Kemblutlon tob PsyehoMn*
Vu Dr. Bl am. Nearologischu Zutralblatt; 1907, Nr. 14.
Blam teilt elnu Fall mit, bei welchem Paralyse bei'^inem Menschu
anftrat, der seit dem 18. Jahre u typischer Epilepsie ud epUeptischu
Verwirrtheitszutändu litt. Er ergab sich mit 16 Jahren dem Tranke and
seigte im 80. Lebensjahre du augeprägte Bild der Dementia paralytiu
läne syphilitische Infektion war ebenfaUs Toraasgegugen. Einige Jahre Tor
dem Aasbrach der Paralyse waren die epileptischen Anfälle fortgeblieben.
Jarenile Paralyse war mit Sicherheit auzucfaließen. Aetiologisch kamen Lau
ud Alkobolismu in Betracht für die Kntwicklug der Paralyse, bei einem
seit der Pubertät EpUeptischu.
S. Kalischer-Schlachteuee b. Bulin.
Die Beilehugen zwiseheB Alkohol nnd Paralyse. Von Dr. Del¬
brück, Direktor der städtischen Irrenautalt Ellen bei Bremen. Separat-
abdrack au dem Bericht über den IV. Deatschu Abstinutentag. Jeu 1907.
GostaT Fischer.
Nebu der Syphilis, du körperlichen und geistigen Ueberustrengang,
Einwirkang übergrooer Hitze, Kopftraomen wird wohl auch der Alkohol als
Ursache der Paralyse genaut. Doch war mu im allgemeinen bisher geneigt,
nnr die Syphilis als wuentliehe Ursache geltu u lusen, ud bei Alkobolismu
TU einer alkoholischen MPseado^paralyse za sprechen. Indessen hat Mongeri
Kleinere Ifittellaiigen and Befemte nne Zeiteohriften.
28
neaerding« dannl nnfmerksein gemacht, daß in Lindem, wo die SjphiliB, wie
s. B. in Algier, China, Japan, Tttrkei, recht hiodg, die Paraljae anßerordentlidi
selten an linden ist. Es scheint nach Ifongeris Zahlen, als müsse snr
Syphilis noch der Alkoholiamns hinznkommen, nm die Paralyse an eraengen.
Anch Eraepelins Zahlen für München begünstigen diese Vennntnng;
wenigstens kann die hohe Zahl weiblicher Paralysen in München mit dem
Umstande in Verbindnng gebracht werden, daß München unter seinen Kellne*
rinnen nach Qanpp eine große Zahl syphilitischer, alkoholischer Weiber hak
Als ätiologisches Moment käme die schädigende Wirkung in Betracht, wel<^e
sowohl Lues, wie Alkohol auf die Gefäßwände ausüben. Anch ist an die be¬
deutende Bolle an erinnern, welche der Alkoholiamns bei der Akquisition der
Syphilis spielt. Dr. Paul Sehenk-Berlin.
üeber SekmenempflndUelikelt der Gesiehtsknoehen bei Degeneruten*
Von Dr. M. Schaikewies. Neurologisches Zentralblatt; 1907, Nr. 9.
Sehaikewiea untersuchte bei kranken Soldaten und Degenerantmi die
▼ersehiedenen Befleze und konnte bei diesen, wie auch bei Geisteskranken mit
morphologischen Degenerationszeichen eine Schmerzempfindlichkelt feststellen,
die schon beim lachten Beklopfen der Gesiehtsknoehen und besonders dm
Jochbeins, des Kinns, der Mandibula auftrat. Bei Gesunden war das Beklopfen
dieser Stellen nicht schmerzempfindlich, wenn es nicht übermäßig stark geschaL
Diese Erscheinung tritt um so regelmäßiger und deuUicher hervor, je aus¬
gesprochener die psychischen und physischen Degenerationszeichen waren.
Eine Blyperalgesie der Haut, wie sie häufig bei Degeneration TorUegt, bestand
hier nicht. Bei allgemeiner und halbseitiger hysterischer Anaesthesie fehlte
diese Schmerzempfindlichkeit beim Beklopfen, die Schaikewicz auf eine
Hyperaesthesie des Gesichts zurückführt und als Analogon ansieht su
degeneratiyen Veränderungen des Knochenbaues am SchädeL
S. Kalischer-Schiachtensee b. Berlin
Hb Pall TOB dauernder hysterischer Betentio arfaiae. Von Dr. J.
Bheinisch. Neurologisehee Zentralblatt; 1907, Nr. 14.
Während Däjärine die hysterische Betentio urinae meist nur 1—8
Tage dauern sah, berichtet Binswanger von hartnäckigen Fällen mit
woäenlangem Blasenkrampf bei Hysterischen, so daß der Urin nur durch
regelmäßiges Katheterisieren entleert werden konnte. Beimisch beobachtete
bei einem 16 jährigen jungen Manne nach einer hysterischen Paraplegie der
Beine neben anderen Erscheinungen der Hysterie, eine 18 Monate bestehende
Betentio urinae, so daß der Urin täglich zweimal durch den Katheter entleert
werden mußte; durch schmerzhaftes Faradlsieren der Blasengegend konnte
dieses Symptom scluell beseitigt werden. Auffallend war der Grad der kon-
seatriseheB Gesiditsfeldeinengnng, die hier gleichzeitig bestand.
S. Kalischer-Schiachtensee b. Berlin.
Ueber einen weiteren Fall von seitweisem Fehlen der Pntellarre-
flexe bei Hysterie- Von Dr. Wiegand. Neurologisches Zentrallblatt;
1907, Nr. 7.
Trotz der von Nonne, Pierre Marie, Souza-Seile und anderen
beschriebenen Fällen erklärt Binswanger in seinem Handbuche über
Hysterie, daß ein Verlast der Sehnenphänome bei hysterischer Lähmung
nicht Torkomme. Wigand teilt hier einen neuen Fall von Grand Hysterie
ans der Nonnesehen Abteilung mit, bei dem trotz aller Kautelen zeitweise
das Kniephaenomen nicht auszalOsen war, ohne daß der geringste Hinweis auf
mue Kombination mit einer Erkrankung des Bttckenmarkes, der peripheren
Nerven usw. bestand. Der Fali wurde lange Zeit in der Klinik stationär be¬
handelt und beobachtet. Es handelte sich um einen Mann mit psychischem
Trauma und hysterischen Stigmata, wie Anosmie, Geschmacksstörung, Sensibi-
litätsstOrungen usw. Bei schlaffer Lähmung fehlten die Patellarreflexe zeit-
weil^. Die Lähmung selbt konnte suggestiv beeinflußt werden. Dieser Fall
lehrt sicher, daß bm Hysterie die PatelUrrefleze zeitweilig fehlen können.
S. Kalischer-Schiachtensee b. Berlin.
24
Klelnne MitteUangen tmd Beferate ans Zeitaehriftea.
lieber das Fehlea dea AehUlessehaeBpUbiOBieai. Voa Dr. O. Fl atao.
Neuidogisehea Zeotralblatt; 1907, Nr. 22.
IHe Anaicbten Aber die H&tiflgkeit dea Fehlena dea Aohilleaaehneareflezea
wie Aber die Bedeatang dieaer Eracheinang achwankea aoeb, iadeaaea aeigt
maa mehr za der Aaaicht, daB der AcbiUessehneareflex bei Qesoadea atota
au fladea iat oad daß aeia Fehlea ebenao tob pathoiogiacher Wichtigkeit iat,
wie daa Fehlea der Patellarrefleze. Bei Tabea aad Paralyae könaea die
Aehilieaaebaeareflexe adtaater IrAher achwiadea, ala die Patellarrefleze. Am
beatea prAft man dieae Befleze, indem man die zu Unteraaebendea auf einen
Stahl knieea l&ßt, während die FAße lose an der Stuhlkante herabhängea.
Daa AchiUeaaehnenphänomea kann fehlen bei Diabetea, Bleirergiftong, hohem
Grad ron Alkohol- and NikotinTergiltang, hohem Alter, lachiaa, atarken Krampt*
adern, PlattfAßen, FoßTerletpangen. Im großen ganzen iat der Achillessehnen-
reflez nidit ganz so konstant wie der Patellarreflez; er wird ferner leichter darch
periphere, auch nicht neryenbetreffende Ursachen geschädigt, als der Patellar*
reflez. Das beiderseitige Fehlea ist als wichtige pathologische Erscheinnng
ansnsehen. Dr. Kalis eh er-Schlachtensee b. Berlin.
O. SMhwAntAad%«at&tlgk«lt ln Uaftül- and ZawaUdlt&tMtokwa.
Anagedehntes Hantemphyaem and Manlfestatien einer latenten Phtbi-
Bis palaonnm nach einer kleinen perforierenden BmstTerletznng bet einem
19 Jahre alten Arbeiter. Von F. Aronheim-Gevelsberg. Monatsacbrift
fflr ünfallheilkonde and Invalidenwesen; 1907, Nr. 11.
Verfasser spricht erst von Haatempbysem im allgemdnen, dann vom
Empbysema traomaticam, daa durch Elindringen von Luft and Gaa von innen
her, durch spontanes oder traamatischea Einreißen der Wand eines laft* oder
gashaltigen Organs entsteht. Darauf berichtet er Aber einen Full Ton aasge¬
dehntem Haatempbysem darch eine penetrierende ThorazTerletzong, indem ein
abgeuprongenes StsihlstAckchen in die linke vordere Brasthälfte geflogen war
and sofort eine heftige Blatang and stechenden Schmerz bis zwischen die
Schalterblätter aassirwend, hervorgerufen hatte. Dieser Fall ist von beson¬
derem Interesse, weil durch das Trauma eine latente Pbthisis pulmonnm bei
ehiem langen, völlig arbeitsfähigen Arbeiter manifest wurde.
Hier konnte somit in gutachtlicher Beziehung der unzweifelhaft ver^
scblinunemde Einfluß des Traumas auf die schon latent bestehende Taberknlose
nicht bestritten werden. Dr. B. Thomalla-Waldenburg (Schl.).
Harnleiterverengang als Spätfolge eines Beekenbruehs. Yen Dr.
Heinrich M o h r in Bielefeld. Monatsschrift fflr Unfallheilkunde und Invaliden-
wesen; 1907, Nr. 11.
Subkutane Hamleiterverletzungen sind seltene Vorkommnisse; Verfasser
beschreibt eine solche. Ein Klempner hatte sich durch Stnrz von der Leiter
ans größerer Höhe einen Beckenbruch neben anderen Verletzungen zugezogen.
Im Anschluß an den Beckenbruch war eine langsame Entwicklung einer Hara-
Mterverengang entstanden, wenn auch der strikte Beweis hierfür mangels
einer Autopsie nicht erbracht werden konnte. M. bespricht die Ursachen,
welche za der Verengung beigetragen haben können und vor allem die schweren
Störungen die dadurch eintreten und fflr die Begutachtung des Beckenbruchs
von grtßter Wichtigkeit sind. Dr. Thomalla-Waldenburg (ScbL).
Zur Aetlologle und Pathogenese des ülens eomeae serpens. Von Dr.
Miller-Bayreuth. Monatsschrift fflr UnfaUheilkunde und Invaliden wesen:
1907, Nr. 11.
Der Ansicht, daß Die. corn. serpens vornehmlich eine traumatische
Augenerkrankung sei, schließt sich Verfasser nicht an. Bei pathologischen
Prozessen wird oft erst der Boden für die Krankheit vorbereitet; es stellt
sich dann eine besondere Empfänglichkeit ein. So auch bei Ulc. corn. serpens,
bei dem Verfasser zwischen der Vorbereitung und der Auslösung der Ge-
schwttrsentwicklung unterscheidet. Die Geschwflrsentwicklung vorbereitende
pathologischen Vorgänge sind: 1) Altemiavoiutionen, 2) chronische Erkran¬
kungen der Bindehaut, 3) Narbenbildung in der Harnhaut.
Kleinere Hittdliingett nnd Referate ans Zeitsohriften.
25
Die Oeeehwttnentwieklnog anelOeende Momente sind:
1) Mechanisolie Sehftdignngen. 2) Thermische Schidignng. 8. Ohemisehe
SehUigiug.
Zorn Schlnfi gibt Verfasser noch einige Richtlisien für die Begntaehtnsg
derartiger Fälle. Dr. B. Thomalla, Waldenburg (SchL).
Erfahnngen ln der Anwendung des Eiektrotbenns. Von Dr. E11 h n e.
Monatsschrift für Unfallheilkunde und Inralidenwesen; 1907, Nr. 10.
Verfasser gibt erst eine Beschreibung des Apparates, bei dem lur Er*
Beugung der Hitze der elektrische Storm gebraucht wird. Die Vorzüge gegen*
über dem Bi er sehen Apparate sollen folgende sein:
1) Die Hitzeentwickiung geht von der ganzen Bodenfläche des Appa¬
rates gleichmässig ans; Verbrennungen der zu behandelnden Glieder, wie bei
dem Bierseben Apparat, sind daher unmöglich.
2) Die Hitzeentwickiung geht schnell vor sich, auch entstehen keine Gase.
8) Es besteht keinerlei Gefahr, daß die Kleidungsstücke in Brand geratoi.
4) Der Apparat sieht sehr elegant ans.
Dagegen hat der Bier sehe Apparat den Vorzug, daß er einfach und
billig herznstellen ist. Dr. B. Thomalla*Waldenburg (Schl.).
Die AnbSrung des bebandelnden Arztes muss nicht nur als Gut*
aebter» sondern auch als saebrerstlndlger Zeuge erfolgen. Be*knrsent*
Scheidung des Beichsyersicherungsamts vom 2. August 1906.
Amtliche Nachrichten des Beichs-Yers.-A.; 1907, Nr. 10.
Die im § 75, Abs. 8 des Unfüllyersicberungsgesetzes für Land* und
Forstwirtschaft (§ 69 Abs. 8 des Gewerbe-ünfallyersicbernngsgesetzes) yorge-
sehriebene Anhörung des behandelnden Arztes bat yor allem den Zweck, die
unmittelbare Einwirkung des Unfalls und die erste Entwicklung seiner Folgen
festsnlegen nnd somit zuyerlässige Anhaltspunkte für die Beurteilung des
weiteren Einflusses des Unfalls zu sichern. Deshalb hat sich die Befragung
des behandelnden Arztes in erster Linie darauf zu richten, was er yon seiner
Behandlung her weiß. Der behandelnde Arzt ist, wenn seine gerichtliche
Vernehmung erfolgen soll, in enter Linie als sachyerstludigcr Zeuge zu hören
(zu yergleichen § 414 der Ziyilprozeßordnung). Daneben hat er sich, wie
schon ans dem letzten Satze der in Bede stehenden Vorschrift erhellt, auch
gutachtlich über die Wirkung des Unfalls auf den Verletzten und dessen Er*
werbsfähigkeit zu äußern, wenigstens hinsichtlich der Zeit seiner Behandlung.
Diesem Sinne der bezeichneten Bestimninog ist die Beklagte nicht gerecht
geworden, als sie am 5. Sratember 1905 das Königliche Amtsgericht zu N. um
Vernehmung des Arztes K. bloß „über die Arbeite- und Erwerbsunfähigkeit
bezw.über die yerbliebenen Folgeznstände der Unfallyorletzung des Besitzers B.‘
yom 5. September 1908 ersuchte. Denn nach dom Inhalte dieses Beweisbe*
Schlusses hatte der Arzt sich nur über die zur Zeit seiner Befragung noch
bestehenden ünfallfolgen zu äußern, und es mußte den Anschein haben, als
ob er lediglich als Sachyerständiger nnd nicht auch als Zeuge seine Aussage
machen sollte. Dabei war der Arzt, obwohl er den Kläger damals schon seit
langer Zeit nicht mehr ln Behandlung hatte, trotz seines wiederholten An¬
trages nicht einmal ermächtigt worden, zum Zwecke der Erstattung des er¬
forderten Gutachtens den Kläger nochmals zu untersuchen.
Dm Scbtedsgeiiebt darf seine Entscheidung nicht im yoraus dayon
abblugif machen, ob ein noch ansstehendes ärztliches Gutaebten sieh für
oder gegen Erwerbsunfähigkeit ansspreeben werde. Beyisions-Ent¬
scheidung des Beichsyersicherungsamtes yom 15. April 1907.
Amtliche Nachrichten des Beichs-Vers.-A.; 1907, Nr. 10.
Es geht nicht an, daß das Schiedsgericht sich im yoraus, je nachdem,
ob dM Gutachten sich für oder gegen Inyalidität entscheide. Das ärztliche
Gutachten hat zum wesentlichen Bestandteile nicht nur die Erklärung, ob
Inyalidität yorliege oder nicht, sondern yor allem diejenigen tatsächlichen
Feststellungen nnd wissenschaftlichen Erwägungen, die zu uiesem Ergebnisse
führen. Das Schiedsgericht soll seine Entscheidung treffen nicht lediglich nach
der abschließenden Erklärung des Sachyerständigen über Bestehen oder nicht
26
Kleinere Mitteilnngen and Beferste »ns ZeltMhrlften.
Bestehen der InTaliditit, sondern anf der Qroadlage aller jener Yoraassetann“
gen des abschließenden ärztlichen Urteils,, nnd indem es diesem gesamten In'
halt des Gutachtens nachprOft, seinerseits beurteilt nnd gegen den übrigen
Akteninhalt abwägt. Das aber ist naturgemäß erst möglich, wenn das ganze
ärstliche Gutachten mit seiner Begründung bekannt ist.
Unfall als anslßsendes Moment für den Ansbrneh der Geisteskrank¬
heit. Beknrs-EntscheidnngdesBeichsTersicherungsamtsTom
14. März 1907. Kompaß; 1907, Nr. 19.
Unstreitig ist der Kläger am 12. Dezember 1904 von den Zeugen K.
nnd H. in der Fahrstraße neben seinem Förderwagen in bewnßtiosem Zu¬
stande anfgefunden worden. Daß der Bewußtlosigkeit eine Kopfverletzung
nnmltteibar rorargegangen war, bat nicht mit Sicherheit festgestellt werden
können; dafür spricht aber ein überwiegender Grad von Wahrscheinlichkeit.
Denn einmal konnte eine Kopfverletzung, wie sie der Kläger am 12. Dezember
1904 erlitten haben will, sehr leicht verkommen. Sodann fehlt es für einen
Ohnmachtsanfall lediglich ans inneren Ursachen ohne äußeren Anlaß an aus¬
reichenden Anhaltspunkten. Der Kläger ist einzelnen seiner Arbeitskollegen
allerdings schon immer etwas „komisch* vorgekommen. Das ist auch in
einigen Zeugenaussagen mit Beispielen belegt. Daraus läßt sich aber nach
den Ausführungen des Dr. Sch. noch nicht darauf schließen, daß der Kläger
schon vor dem 12. Dezember 1904 geistig anormal gewesen seL SchließUch
fällt besonders ins Gewicht, dsß der Kläger in der Provinzial-Irrenanstalt
zu Eickelborn, wo er sich schon vom 28. Januar 19C5 bis 25. Mai 1905 b^
fanden hatte, die am 12. Dezember 1904 erlittene Kopfverletzung ausführlich
geschildert und als Ursache der an diesem Tage bei der Betriebsarbeit ein¬
getretenen Bewußtlosigkeit bezeichnet bat, ohne aber seine Erkrankung, die
seine Ueberfübrnng in die Anstalt notwendig gemacht hatte, mit diesem Vor¬
gänge in ursächlichen Zusammenhang zu bringen oder von Entsebändigungs-
ansprüchen zu sprechen. Ist hiernach anzunebmen, daß der Kläger sich am
12. Dezember 1904 bei der Betriebsarbeit den Kopf gestoßen hat und infolge¬
dessen in längere Bewußtlosigkeit verfallen ist, so fragt sich nur, ob die am
26. Dezember 1904 plötzlich ausgebrochene Geisteskrankheit auf jenen Vorfall
ursächlich zurttckzuftthren ist. Das B.-V.-A. hat diese Frage — ohne ihre
Zweifelhaftigkeit zu verkennen — mit Rücksicht anf die Ausführungen in
dem Gutachten des Oberarztes Dr. Sch. in dem Sinne bejaht, daß es dem Un¬
fall zwar nicht die Bedeutung der alleinigen Ursache der Geisteskrankheit
des Verletzten, wohl aber diejenige eines anslösenden nnd wesentlich mit in
Betracht kommenden Momentes zuerkannt hat. Im übrigen bat das Beknrs-
gericht nach dem Gutachten des Dr. Sch. die Folgen des Unfalls für völlig
beseitigt erachtet. _
Neurasthenie veranlasst durch Bentensueht ist nicht als entsekidU
gungspfliebtige Unfallfolge anznseben. Rekurs-Entscheidung des
Reichsvericherungsamt vom 27. Mai 1907. Kompaß; 1907, Nr. 21.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. August 1906, durch weichen der
Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen des am 17. September 1904
erlittenen Unfalles abgelebnt wird, stützt sich anf das Gutachten des Knapp¬
schaftsarztes Dr. R. in Laurahtttte vom 20. April 1906. Dieses Gutachten
stellt fest, daß objektive Folgeerscheinungen des erlittenen Unfalls nicht nach¬
zuweisen sind, ferner, daß der Kläger mit Rentenneurasthenie behaftet ist,
und daß diese Erkrankung indirekt auf den erlittenen Unfall zurückzufübren
sei. Der von dem Schiedsgericht zugezogene Sachverständige, Sanitätsrat Dr. H.
in Bentben. hat sich dem Gutachten des Dr. R. angescblossen und fügt noch
hinzu, daß der Unfall die Gclegenbeitsursache für die jetzt bestehende Neu¬
rasthenie sei, und daß er eine Rente von SSVa'^/n für angemessen erachte.
Anf Grund der ärztlichen Gutachten nahm das Schiedsgericht an, daß die
Neurasthenie in der Hauptsache durch Rentensucht des Klägers ent¬
standen sei, und daß der Unfall am 17. September 1904 nur zum Teil für
dieses Leiden verantwortlich gemacht werden könne; es erschien ihm danach
eine Rente von 25**/e angemessen. Diese Schlußfolgernng ans den eingeholtea
ärztlichen Gutachten zu ziehen, war nach Ansicht des R.-V.-A. nicht angängig,
zumal das eine Gutachten einen direkten Zusammenhang annimmt, das andere
Klelirare Mitteilmigen and Sefente ans Zeftsetariften.
27
den eriittenea üniall nu als die Gid^enlieitsanaehe bezelduiet. Es wurde
deshalb die Einholung eines weiteren Gntachtens angeordnet. Dieses Qat-
achten ist auf Grand mehrtägiger Beobachtang and üntersuchong in dem
Enappschaftslazarett erstattet. Es stellt in aasftthrlicher Begründung and
unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden ümstände fest, dim der
Kläger allerdings an Nearasthenie leidet, daß dieses Leiden aber nicht im
ursichlichem Zasammenhange mit dem am 17. September 1904 erlittenen Un«
falle steht. Das B.-y.>A. hat sich diesem Gutacnten angeschlossen und den
Bekois der Beklagten für begründet erachtet.
Unfall durch Einatmen giftiger Gruben- nnd Brandgase beim Bet¬
tungswerk. Bekurs-Entseheidung des Beichsyersichernngsamts
Tom 2. Hai 1907. Kompaß; 1907, Nr. 21.
Voraussetzang für den Begriff eines Betriebsunfalls ist, daß der Ver¬
letzte durch organische Erkrankung eine Schädigung seiner körperlichen
Gesundheit im Betrieb erlitten bat, yoransgesetzt, daß diese Schädigung auf
dn plötzliches, d. h. zeitlich bestimmbares, in einen yerhältnismäßig kurzen
Zeitraum eingeschlossenes Ereignis zurückzufOhren ist, welches in seinen —
möglicherweise erst allmählich herrortretenden — Feigen die Schädigung yer-
ursacht hat. Daß diese Voraussetzungen im yorliegenden Falle gegeben sind,
hat das B.V.-A. mit dem Schiedsgericht bejaht. Für die Ueberzeugong des
Senats war maßgebend das Gutachten des Priyatdozenten an der medizinischen
üniyeTsitätskUnB: Dr. M. in Breslau vom 17. Oktober 1906, mit welchem der
Vorsteher dieser Klinik Prof. Dr. yon St. sich einyerstanden erklärt hat, und
die tatsächliche Feststellung, daß der yerstorbene G. längere Zeit unter
großer Anstrengung während der Bettangsarbeiten zweier Henschen gesund-
heitssehidliche Grubengase eingeatmet hat nnd daß sein Allgemeinbefinden
seit dem Vorgänge yom 27. März 1905 sich allmählich yerschlechterte. Somit
war mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die FeststeUung zu treffen, daß
der Verstorbene infolge plötzlicher Einatmung einer größeren Menge Gruben¬
gase sich eine baktmeUe Eiteryergiftung zugesogea hatte, die seinen Tod
zur Folge gehabt hat. _
D. Oaffantllohen Bualt&tawanan.
Bakteriologie und InfektionskraXhhe'iten.
Beobachtungen über Beweglichkeit nnd Agglutination der Splro-
ehaete palllda. Ans dem sjphilidologischen Laboratorium des Instituts für
experimentelle Medizin zu St. Petersburg (Vorsteher: Prof. Dr. Zabolotny).
Vorläufige Mitteilung. Von Prof. Dr. Zabolotny und Dr. Maslakowetz.
Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., Orig.-Bd. 44, H. 6.
Die Verfasser beobachteten an der Spirochäte pallida Eigenbewegung
nnd bei Zusatz yon Serum bereits längere Zeit an Syphilis Leidender aus¬
gesprochene Agglutination. In beiden Erscheinungen erblicken sie einen Beweis
gegen die Ansicht yereinzelter Autoren, die auch heute noch in den Spirochäten
Neryenfasem und darin auch ein Argument für die ätiologische Bedeutung der
Spirochäten sehen wollen.
Das üntersuchungsmaterial yerschafften sich die Verfasser mittelst des
Biersehen Saugapparats in der Weise, daß sie den Glastubus über ein
Schankergesebwür oder eine Papel setzten und nun mit einem Gnmmiballon
oder einer mit Schlauch yersehenen Hetalipnmpe ansogen. Die so erhaltene
Gewebsfiüssigkeit war stets außerordentlich reich an Spirochäten.
Dr. Lentz-Berlin.
Elae yltale Färbung der Splroebaete pallida. Von M.Mandelbaum-
Müaehen. Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 46.
Verfasser gibt eine Methode an, mittels welcher die Spirochaete in
kürzester Zeit gefärbt und für das Auge gut sichtbar gemacht werden kann.
Es bandelt sich um eine Färbung der Spirochaete pallida in vivo. Hierzu
bringt man das zu untersuchende Material — Beizserum von einem Primär¬
affekt oder yon einer näßenden Papel — in Form eines hängenden Tropfens
auf ein Deckgläschen. Nun setzt man mit der Platinnadel etwas Löfflers
Methylenblau zu dem hängenden Tropfen, vermengt den Farbstoff und das zu
38
Kleinere Hitteilnngen nnd Befente nns Zeitseliriften.
nntemieliende Material md fftgt eine Oeee V,. Nonnalnatronlange^O^a an
dem ganzen hinzo. Unterraeht man hieranl mit Oelimmersion and Oknlar 4
(Zeiß) den Rand des hängenden Tropfens, so siebt man die Spirochaete pallida
alz zartes, feines, blafiblan gefärbtes Gebilde mit engen, unmittelbar aneinander
gereihten Windungen, die nach beiden Ebiden zu immer niedriger werden und
& einer feinen Spitze endigen. Eine Veiwecbslung mit anderen Spirochaeten
ist ausgeschlossen. Der Vorteil dieser Färbmethode der Spirocbete pallida
in vivo liegt erstens in der sofortigen Färbung derselben, zweitens
in dem rollkommenen Erhaltenbleiben ihrer aatfirlichen
Form und drittens in dem Erkennen yon Eigenbewegnngen der
f efärbten Spirochaete, wodurch der Einwand, es handle sich um
unstprodukte, wohl als widerlegt betrachtet werden kann.
_ Dr. Wai bei* Kempten.
Uaber einen Fall ren nlierßser Hantaffektlen beim Enraehsenen,
yemrsaeht durch den Baelllns pjoeyanens« Von Dr. Felix Lewandowsky,
1. Assistent der dermatologischen üniyersitäts* Klinik in Bern. Münchener
med. Wochenschrift; 1907, Nr. 46.
Verfasser berichtet über einen Fall, in welchem eine Hautkrankheit
eines Erwachsenen durch lokale Pyocyanensinfektion bedingt war. Es handelte
sich um eine 61 jährige Frau, welche in sehr herabgekommenem Zustande mit
multiplen tuberkulösen Haut* und Knochenherden, hauptsächlich an den Ex¬
tremitäten in die Klinik kam. Daneben zeigte sie am rechten Unterschenkel,
an dem sich drei tuberkulöse Fisteln befanden, noch eine andersartige Haut-
erkrankung. Der ganze Unterschenkel war ttbersät mit Geschwüren yon Linsen*
bis Fünfmarkstückgroße. Die Geschwüre waren flach, hatten kreisrunde Form,
scbarfgeschnittene Bänder, einen schmalen roten Hof und einen schmierigen,
grü nen, zäh anhaftenden Belag. An einigen Stellen waren mehrere Einzel¬
herde zu einem einzigen größeren Geschwüre mit polyziklischen Bändern kon-
fluiert. Der grüne Belag ließ sofort an eine Pyozyaneusinfektion denken. Es
fand sich ein Bacillus in Beinkultur, der nach allen kulturellen und morpho¬
logischen Eigenschaften als Bacillus pyocyaneus identifiziert werden konnte.
Als weiterer Beweis hierfür galt die am linken Unterschenkel yorgenommene
kleine Autoinokulation, wonach sich ein ganz gleiches Geschwür entwickelte.
Auch wurde die ätiologische Bedeutung dieses Bacillus bestätigt durch die
Blutnntersuchung auf Agglutinine. Dr. Waibel-Kempten.
Inflaenznsepsls nnd experimentelle InflnenzabnzIllenseptlkSmie* Von
Dr. Saathoff, ^sisent der 11. medizinischen Klinik in München. Münchener
med. Wochenschrift; 1907, Nr. 46.
Verfasser konnte einen Fall yon septischer, letal endender Erkrankung
beobachten, deren Aetiologie Intra yltam trotz mehrfacher Blutnntersuchung
dunkel blieb. Erst nach dem Tode konnte auf kulturellem nnd mikroskopischem
Wege als Erreger der Inflnenzabacillas festgestellt werden. Schwere Allgemein¬
symptome und Bronchopneumonie eröffneten den Krankheitsprozeß, ans dem
sich bald meningitiiiche Erscheinungen berau-shoben; weiterhin beherrschte eine
fortschreitende Endocarditis das Bild, bis zum Schlüsse ein hämorrhagisches
Exanthem auftrat, das an der Diagnose: Sepsis, keinen Zweifel überließ. Die
Sektion ergab als Hauptbefand yerrnküse Endocarditis, enorme Mllzschwellung,
hämorrhagische Meningitis und Encephalitis.
Verfasser berichtet nach genauer Mitteilung der Krankengeschichte und
des Sehtionsbefundes über yerschiedene Impfyersuche mit Influenzabazillen rein
oder mit abgetöteten Bakterien zusammen. Dann schließt er mit der Be¬
merkung, daß der yorliegende Fall — vielleicht zum ersten Male — einwand¬
frei zeigt, daß eine typisch beginnende Influenza über Bronchopneumonie, Endo¬
carditis, Encephalitis und Meningitis in eine yollentwickelte Sepsis huüberführen
kann, unter der alleinigen Aetiologie des Pfeifferschen Bacillus.
Dr. Wa i b e 1 - Kempten.
Oefässstrelfeii — ein Erkennnngsmittel der beginnenden Sohwlnd-
snebt.' Von Dr. Karl Francke in München. Münchener med. Wochenschrift;
1907, Nr. 46.
Kletner« Mitteilangen and Befemte aus Zaltsohrlftaa.
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Yerfaner berichtet Aber Qefäßstreifen in der Haut Aber den Longenepitcen
als ein neues Diagnosticom aar Erkrankung der Spitzentnberkulose. Diese
Oef&ßstreifen sind erweiterte Haargefäße, welche bald eine rOtliche, bald
eine bläuliche Färbung zeigen, verschieden lang und breit sind, gerade
oder meist ungerade vorlauten. Die dAnnen hochroten Streifen entsprechen
Disch entzündeten, die breiten blauroten Streifen entsprechen solchen mit länger
schon bestehenden oder schon abgelaufenen Gefäß wanden tzttndungen.
Die Streifenbildnng in der Haut Aber den Lungenspitzen ist hervor*
gerufen durch tuberkulöse Vorgänge in den obersten Teilen der Lungen.
Daraus folgt: Das Vorhandensein von Qefäßstreifen in der Haut Aber den
Lungenspitzen beweist, daß in nahe gelegenen Lungenteilen tuberkulöse Ent-
zAndongen sich abspieien oder abgespielt haben. Ueber den Lungen ist also
die Untersuchung auf Hautstreifen, „die Streifenschau* eine diagnostische
Methode. Im einzelnen gelten folgende Sätze:
1. Das Vorhandensein von Streifen beweist, daß in den oberfläch«
liehen Teilen der Lungen tuberkulöse Herde sitzen oder gesessen haben.
2. Das Fehlen von Streifen bei offenbarer Lungentuberkulose beweist,
daß die EntzAndung in der Tief e der Lungen bronchitisch, peribronchitisch
oder in den DrAsen abläuft.
8. Die Maße und die Verteilung der Streifen erlaubt einen Schluß auf
die Ausdehnung des tuberkulösen Herdes.
4. Die Farbe und die Form der Streben zeigt das Alter der Ent¬
zAndung an.
6. Die Form, die Farbe und die Häufung der Streifen ermöglicht einen
Schluß auf die Intensität der EntzAndung.
6. Eine Mischung von Streifen verschiedener Arten zeigiL daß neue und
alte EntzAndungen nebeneinander bestehen. Dr. Waibel-lLempten.
Ueber die Im Sommer 1906 in St Johann ■ SaarbrAcken beobaehtete
Bnbrepldemte« Aus der Königlichen bakteriologischen Untersnchungsanstalt
in SaarbrAcken). Von Dr. Otto Lentz, IrAherem Leiter der Anstalt, jetzigem
Leiter der Wutschutzabteilnng beim KönigL Institut lAr Infektionskrankheiten
in Berlin. Klin. Jahrbuch; 17. Band.
Verfasser beschreibt eine kleine Bnhrepidemie, welche durch den zuerst
von Hiss und Bussel in Amerika gefundenen Buhrbadllns „T* verursacht
worden war. Klinisch war der Krankheitsverlauf im allgemeinen ein leichter;
bei einem Kranken trat 4 Monate nach Ablauf der primären Attacke ein
Bezidiv auf. Soweit festgestelit werden konnte, nahm die Epidemie ihren
Ansgang von einem Ulanen, der bereits im Jahre zuvor eine Buhrattacke
dnrchgemacht und im Sommer 1906 an Diarrhöen gelitten hatte. Von ihm
aus verbreitete sich die Krankheit, wie in den meisten Fällen einwandsfrei
nachgewiesen werden konnte, durch Kontakt.
Energische Maßnahmen, bestehend in Isolierung der Kranken, Desinfektion
ihrer Dejektionen, bakteriologischer Untersuchung ihrer Umgebung und bak¬
teriologischer Kontrolle ihrer Genesung, ferner Desinfektion der verseuchten
Wohnungen und Aborte sowie Durchführung allgemeiner Beinlichkeitsmaßnahmen
nach der Defäkation und vor dem Essen bei allen Personen der Umgebung
der Erkrankten, brachten die Epidemie bald zum Erlöschen.
Das Bezidiv äußerte sich in leichten Schmerzen im Verlauf des Colon
descendens und 2 Tage währenden Durchfalls; es wurde durch eine gerade in
diesen Tagen vorgenommene Nachuntersuchung eines Teils der früheren
Kranken entdeckt. Die Behandlung des Bezidivs bestand in alle 8 Tage vor¬
genommenen hohen Darmeinläofen von Argent. nitric. 0,1:200,0 Aq. mit zwei
Minuten später folgender Spttlnng mit 1 Liter Kochsalzlösung, während in den
beiden dazwischen liegenden Tagen hohe Einläufe mit einer Mischung von
EucalTptoli 1,6, Eucalypti gummi 2,6, Aq. dest. ad 1600,0 appliziert worden.
Unter ^eser Behandlung verschwanden die Buhrbazillen ans dem Stuhl,
desgleichen die Schmerzhaftigkeit im Verlairi des Colon descendens, so daß der
Paoent als geheilt ans dem Lazarett entlassen werden konnte. Autoreferat.
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Kleinere Mitteilungen nnd fiefente nne ZeitBohrlfteiL
Die MnUrla im nOrdliehen JTeferlande. Von Dr. H. Weydemann,
Arzt in Hohenkirchen. Zentralbiatt Ittr Bakteriologie; L Abteilnng, Original-
Band 48, Heft 1.
Martini hatte das Anschwellen der Malaria im oldenbargischen Amte
Jerer im Jahre 1901 nnd 1902 aal den Zazng holländischer Arbeiter zurOck-
geführt, unter denen er Malariakranke nnd Parasitenträger feststellte. Wey de-
mann weist nan nach, daß diese Annahme von Martini onzatreffend ist, da
das Auftreten der ersten Fülle jener Epidemie zeitlich mit dem Eintreffen der
Holländer znsammenfiel, jedenfalls za einer Zeit erfolgte, in welcher etwa hei
den Holländern infizierte Anopheles noch nicht die Krankheit anf andere Per¬
sonen übertragen haben konnten. Ueberdies traten die ersten Fälle der Epi¬
demie in einem Tom Aafenthaltsorte der Holländer einige Kilometer entfernten
Dorfe anf in einem Hanse bezw. dessen Nachbarschaft, in welchem wenige
Monate za?or ein yereinzelter Malariafall sich ereignet hatte.
Da derartige sporadische Malariafälle alljährlich im nördlichen Jeyer-
lande zur Beobachtung kommen (Weydemann selbst hat 1898 : 4, 1899 : 7
and 19<X): 9 meist mikroskopisch sicbergestellte Malariafälle behandelt), so
glanbt Weydemann, dafi auch die Epidemien yon 1901 and 1902 nur eine
Häufung der alljährlich zar Beobachtang kommenden Fälle yon dort endemi¬
scher Malaria darstellt.
Diese Häofang der Malariafälle ist anf die in den beiden Jahren für die
Entwicklung der Malariabrat aafierordentlich günstigen Witterangsyerhältnisse
im Verein mit den eigenartigen Abwässerungsyerhäiinissen des Landes znrück-
zoführen. Das ganze Land (meist Weideland) ist nämlich yon yieien Kanälen
darchzogen, die zagleich der Abwässerang und der Abgrenzung der Weiden
dienen. Während eines heißen, dürren Sommers trocknen diese Kanäle ans
und werden dann mit Seewasser gefüllt, beides Momente, welche zar Ver¬
nichtung der Anophelesbrat führt; anderseits werden in sehr wasserreichen
Jahren die Kanäle häufig ins Meer entleert, wodurch ebenfalls ein großer Teil
der Anophelesbrat hinaosgeschwemmt und vernichtet wird. In Sommern mit
mittleren Niederschlagsmengen gestalten sich dagegen die Verhältnisse für die
Entwicklung der Anophelesbrat außerordentlich günstig. Solche Verhältnisse
boten die Sommer 1901 und 1902; daher das Ansteigen der Malaria in
diesen Jahren. Schon die nächsten Jahre 1903 -1905 mit den anßerordentlich
trockenen Sommermonaten brachten für die Entwicklung der Malariabrut un¬
günstige Verhältnisse and damit einen ganz auffallenden Bückgang der Malaria.
Dr. Lentz-Berlin.
Zweite Mitteilung Aber die Aetlologle der Tzutsugaumshiknuiklieit
(Uebenehwemmungsfleber nach Beetz). Von Professor M. Ogata und
Dr. K. Ishiwara in Tokio. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 88.
Die Verfasser setzten die in Nr. 46 und 46 der , Deutschen medizinischen
Wochenschrift“ yon 1906 (cf. Beferat in Nr. 6 dieser Zeitschrift von 1907) mit-
S eteilten üntersuchungen fort und fanden die ätiologische Bedeutung der von
gata entdeckten Tsutsugaumshi-Sporozoe bestätigt, deren Entwicklung und
Morphologie sie an Präparaten aus dem Blut, aus Geschwüren und ans inneren
Organen, sowie mit Hilfe von Beinkulturen studierten. Impfungen auf Kanin¬
chen, Ziegen, Affen, Mäuse und Meerschweinchen fielen meist positiv ans.
Dr. Liebetrau-Hagen LW.
Weitere Mitteilungen über die Besistenz gegen Milzbrand. Von
Max Qruber und Kenzo FutakL Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr.89.
Wie die Verfasser schon früher mitteilten (cf. Münchener med. Wochen¬
schrift ; 1907, Nr. 6), spielen beim Kampfe des mit Milzbrand infizierten Organis¬
mus gegen diesen die Leukozyten eine große Bolle, einmal durch Phagozytose,
dann aber auch bei einzelnen Tierspezies (Huhn, Kaninchen), durch Sekretion
eines bakteriziden Stoffes, des .Leukantbrakozidin“. Ferner enthalten bei
einigen Gattungen (Batte, Kanincnen) die Blutplättchen eine gegen Milzbrand
außerordentlich wirksame Substanz, das .Plakanthrakozidin“. Die Tatsache
der geringen Besistenz des Tierkörpers gegen Milzbrandinfektion trotz all^r
Schatzkräfte beruht neben der Vermehrungsfähigkeit der Bazillen auf ihrer
ümkapselung. Es konnte im Experiment naebgewiesen werden, daß eine bei
Klefaiere MltteUiiBgen und Refersta au Zeltadurlften.
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weitem grOfiere Zahl angekapselter als gekapselter Erreger Tertrai^en werden.
Bei den Veraachen zeigte sich ttbrigeu eine größere Toleranz bei mtraTenOser
als bei intraarterieller Injektion. Bei ersterer nildet die Lange einen wichsen
Schatzwall gegen die Bakterien. Dr. Liebetrau-Hagen L W.
Hellong der Blenorrhoea neonatomm* Von Dr. Vinzenz Fakala-
Wien. Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 41.
Obwohl das Verfahren von Cred6 ansere vollste Anerkennang verdient,
erreicht es doch nnr die Verhüten g von |leichteren Erkrankungen, be¬
sonders in der üblichen Anwendung einer 2 proz. Lösung; denn bei heftigen
Blenorrhßen mit bedeutender Sekretion ist die Wirkung der 2 proz. Lösung
sehr fraglich. Verfasser fand, daß die 4 proz. Lösung sowohl für leichtere,
als auch für schwere Formen der Blennorrhoe eine absolut sicheres Mittel ist,
und zwar erfolgt die Heilung in leichteren Fallen in 4 bis 5 Tagen, in schworen
F&ilen in 10 bis 14 Tagen. Nach seinen letzten Untersuchungen führt bei sehr
schweren Fällen die 5 prozentige Lösung noch rascher zur Heilung mit gleich
sicherem Erfolge. Verfasser hat bei Anwendung der 5 proz. Lösung nie die so
gefürchteten flornhautgeschwüre oder gar Hornhautvereiternng gesehen. Er
bedient sich zum Tuchieren der umgestülpten Augenlider ausschUeßlich einer
kleinen Sperrpinzette, mit der er ^ erbsengroßes Stück Watte erfaßt und
taucht diese in die Lösung ein, welche am besten jedesmal frisch zu ver-
wendu ist. Piuel wird verworfen. Dr. Waibel-Kempten.
Säuglingspflege.
Milehkflclieii ud Beratoofutcllen. Von Prof. Salge-OOttingen.
Zeitschrift für Säuglingsfürsorge; Bd. I, Nr. 10.
Verfasser faßt seine Auftthrungen kurz zu folgendem Urteil zuammen:
Die Säuglingsfürsorge ist in erster Linie durch Beratung und Aufklärung zu
betreiben.
Milchkflehen haben eine Berechtigung nur in Verbindung mit ärztlich
geleiteten Beratungsstellen, sind nicht als geeignete Einrichtungen der Saug-
Ungsfürsorge anzusehen, ihre Schaffung beruht auf gänzlich falschen Voraus¬
setzungen, sie sind ein Versuch mit ungeeigneten Mitteln. Wo Geldmittel für
die Säuglingsfürsorge aufgebracht werden, da sollen sie für die Beratung und
die Miiwpropaganda in erster Linie verwendet werden, dann erst für die künst¬
liche Ernährung. _ Dr. Wolf-Marburg.
Die Herstellung reiner MUeh fdr kleine Kinder ln Washington, D. G.
Von Professor Dr. G. Kob er-Washington. Zeitschrift für Säuglingsfürsorge;
Band I, Heft 11.
Die Milchkommission schlägt bis zur Vollendung der übrigen Reformen
folgende Sicherheitsmaßregeln vor:
1. Man kaufe um keinen Preis von einem Milchbändler, dessen Milch,
wenn sie zwei Standen gestanden hat, einen sichtbaren Niederschlag auf dem
Boden der Flasche zeigt. Dieser deutet auf schmutzige Handhabung hin und
legt die Befürchtung von Gefahren nahe, die ohne erhebliche Vermehrung der
Kosten durch sorgfältige, reinliche Methoden leicht zu vermeiden gewesen wären.
2. Man Unterwerfe alle Milch häuslicher Pasteurisation, indem man sie
fast zum Sieden bringt, und halte die Milch, nachdem sie kalt geworden ist,
wenn die Temperatur 60 Grad F. übersteigt auf Eis. Dadurch werden die
Krankheitskeime zerstört und die Gefahr einer durch den Genuß von Milch
erzeugten Krankheit auf ein Minimum reduziert. Dr. Wolf-Marburg.
Das Fflrsergewesen für Säuglinge. Fürsorge für ln üffentllche Ver¬
sorgung gelangende Sängltnge. Von Dr. A. Szana-Temesvar. Zeitschrift
für Säuglingsfürsorge; Bd. I, H. 11.
1. Die Säuglhi^fttrsorge muß einsetzen mit einer öffentlichen Versor¬
gung der bedürftigen Säuglinge. Die Mortalität dieser Säuglinge bestimmt die
Höhe der allgemeinen Säogmgsmortalität, durch Hebung des Standart of
Bfe dieser Scuchten hebt sich automatisch die Hygiene sämtlicher Säuglinge.
2. Die Aufnahme und Versorgung von Säuglingen in die öffentliche
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Kletaere Httteilangen und Referate aas ZeitsebrUtea.
Fttraorge ist ia dem nngarischea System der staatlichen Fttrsorge mnstergdltig
gelost. In Ungarn übernimmt der Staat die Versorgung der der OffentUchen
Fttrsorge bedürftigen Säuglinge, für die er durch Einderasyle sorgt. Die
Uebernahme in öffentliche Versorgung geschieht, sobald die Bedttrltigkeit an«
gemeldet wird. Eine genaue behördUebe Prüfung der Bedürftigkeitsnmstände
erfolgt erst nach der Aufnahme des Säuglings.
8. Bei gleicher Art der Versorgung ist ein Unterschied zwischen der
Sterblichkeit von ehelichen und unehelichen Säuglingen nicht zu konstatieren.
4. Die Sterblichkeit der von einer Pflegemutter gesäugten Säuglinge ist
um V« zweiten Jahre größer, als die von der eigenen Mutter
gesäugten, um ti°ch noch im dritten Jahre und erst im vierten Jahre ver«
schwinden die Unterschiede.
5. Die in öffentlicher Versorgung befindlichen Säuglinge haben, wenn
sie gegen Stillprämien bei ihrer Hutter belassen werden, ein Durchschnitts¬
gewicht, das höher ist, als das Aufoahmegewicht der in öffentliche Versorgung
kommendeu Säuglinge gleichen Alters. Werden die in öffentlicher Versorgung
befindlichen Säuglinge mit der säugenden Mutter zusammen in Anßenpfiege
gegeben, so ist ihr Durchschnittsgewicht beiläufig gleich dem Anfnahmegewicht
der in öffentliche Versorgung kommenden Sängl^ge. Werden diese Säuglinge
aber durch eine Pfiegemntter gesäugt, so ist ihr Durchschnittsgewicht (immer
nach mindestens 4 wöchiger Versorgung) niedriger, als selbst das Anfnalune-
dnrchschniitsgewicht der in öffentliche Versorgung gelangender Kinder.
6. Unter den durch eine Pfiegemntter gesäugten Kindern ist die Sommer¬
sterblichkeit größer als die des übrigen Jahres. verstorbenen Säng-
Ibge starb einen Monat nach seiner Aufnahme.
7. Die Prinzipien einer richtigen Statistik von Sänglinrachntzinstitntionen
sind einheitlich festzustellen. Diese Statistik muß das Aufnahmealter und die
Dauer des Aufenthaltes berücksichtigen. Das Schicksal der aus der Beob¬
achtung Scheidenden ist zu berücksichtigen.
Das ungarische System des Schutzes der verlassenen Kinder, d. h. der
Aufbau der gesamteu öffentlichen Säuglings- und Kinderfttrsorge auf dem
Kinderasylprinzip, ist anzustreben. Dr. Wolf-Marburg.
Staatliehe und private Mutterschaftsverslehemng. Von Dr. Alfons
Fis eher-Karlsruhe. Deutsche mediz. Wochenschrift; 1907, Nr. 88, 84, 85.
Zweifellos haben viele Tausende von Schwangeren und Wöchnerinnen
nicht die Schonung, die im Interesse der Mutter und der Kinder wünschenswert
wäre. Die durch die Krankenkassen gewährleistete Unterstützung genügt
nicht. Man hat deswegen schon lange eine besondere Mutterschaftsversichernng
ins Auge gefaßt. Die Kosten bei staatlicher Organisation würden sehr große
sein. F. ist deshalb, wenn er jene auch als die ideale Forderung ansieht, der
Ansicht, daß zunächst die nationalökonomisch und sozialhygienisch so wichtige
Frage auf privatem Wege (Stiftungen mit kommunaler und staatlicher Snbven-
tiOD, Beteiligung der höheren Stände an der Verwaltung etc.) in Angriff ge¬
nommen werden solle. Er stützt sich dabei besonders auf die eklatanten &•
folge der 1891 gegründeten französischen MutterscbaftsversicherungsgeseUschaft
„Mutualitö maternelle.“ Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Frnuenmlleh und Kuhmilch ln der Slngllugsemfihrung. Von Ferdi¬
nand Hueppe in Prag. Deutsche medizin. Wochenschrift; 1907, Nr. 89.
Die Arbeit gibt einen kritischen Ueberblick über die Wandlungen in der
theoretischen Beurteilung und praktischen Handhabung der künstlichen Säng-
lingsernährung. Sie warnt vor einseitiger Bewerbung von Versuebsergebnissen
des Laboratoriums. Das Ideal der allgemeinen Selbststillung wird trotz aller
intensiven Bemühungen noch lange nicht erreicht werden, deshalb muß die
künstliche Ernährung möglichst günstig gestellt werden. H. tritt energisch
für die gekochte Kuhmilch nach einwandfreier Gewinnung ein. Daneben
aber betont er mit Recht den Wert der Verbesserung allgemeiner hygienischer
Verhältnisse, vor allem des Wohnungswesens, und der Beseitigung tiefelnge-
wurselter Vorurteile in der Behandlung der Säuglinge.
Dr. Liebetrau-Hagen L W.
Seinere lOtteiloDgen nnd Referate aoi Zeitschriften.
3S
lieber dea Elafliun der Emihnug auf das StOlragsreniSgeB. Von
Dr. W ei fi mann •Lindenfels. Deutsche Aerste-Zeitnug; 1907, Nr. 28.
Verfasser berichtet über günstige Erfolge, die er durch Darreiehong
Yon Halztropon an schwangere Eranen ersielt hat: das StillnngsTermOgen, das
ihnen infolge schlechter Ernibrong verloren gegangen war, kehrte zurück.
Br empfiehlt, daß die Ernährung ärmerer Sdwangerer aus üffentUchen
Mitteln aufgebessert werde. Auch sollte seiner Ansicht nach jede Frau bei
der EheschUeßnng durch ein Merkblatt oder in sonst geeigneter Form auf die
Wichtigkeit des Selbststillens anfmerksam gemacht werden. Gerade in den
gebildeteren Kreisen würde ein Hinweis auf die B Ose sehen Feststellnngen,
daß die durch Muttermilch ernährten Kinder geistig (besseren Zensuren) und
körperlich (gute Zähne etc.) den künstlich emäu'ten überlegen sind, viel
Nutz» stiften kOnnen. Dr. Klare>Haina (Bez. Cassel).
üeber den Uebergang tob AranelBiltteln ln die FraueBmlleb. Von
Dr. G. J. Bucara-Wien. Zeitschrift für experimentelle Therapie; 4.Bd., 2.H.
Bd Verabrdchnng von medikamentösen Dosen gehen in die Frauenmilch
folgende Arsndmittd über: Jod, Salizyl, Aether, Quecksilber, Antipyrin, Aspirin,
Arsen, Brom. _ Dr. Wolf‘Marburg.
Die SingllBgssterbllelikeit 1 b Bostoek* Von Privatdozent Dr.Brüning
und Dr. Balck. Zdtschrift für Säuglingsfürsorge; Bd. I, Nr. 10—11.
Verfasser teilen mit, daß von 1704 in 1904 lebendgeborenen Kindern Im
1. Jahre 16,78 **/, gestorben sind, und zwar 15,4% eheliche nnd 24,06% un¬
eheliche Säuglinge. Als Ursache für die relativ hohe Säuglingssterblitmdt
führen de an:
1. Das Nachlassen der natürlichen Säu^ingsemähmng;
2. Die unzweckmäßige künstliche Ernährung;
8. die mangelhafte Beschsffenhdt der Kindermilch;
4. die mangelhafte Organisation des Zieh- und Kostkinderwesens;
6. Das FeUen einer Krankenanstalt für Säuglinge.
Daher ist die Schaffung einer Säuglingsmilchküche und Nenregdnng des
Ziehldndwwesens unter allen Umständen zu erstreben.
_ Dr. Wo If- Marburg.
Nahrungsmittelhygiene.
Uebor die BesebaffoBheit der Ib Berlin elBgeflUirteB dlnisebeB
Milob* Von Dr. Proskauer, Seligmann nnd Croner. Zdtschr. 1 Hyg.
nnd Infekt.-Krankheiten; Bd. 67, psjg. 178.
Die dänische Milch ist hy^enisch zulässig, sie eignet dch aber zur Er¬
nährung von Säuglingen durchaus nicht. Der Schmntzgdialt der dänischen
Milch Ist hoher, als bd der Berliner Handelsmilch oder der pommerschen
Milch. Dr. Hirschbruch-Metz.
Alimentire Vergiftungen durch den Enterocoeens« Von E. Sac-
quOpOe (Val-de-Orace). Comptes rendus de la soo. de bioliologie; LXIIL
1907, Nr. 29.
Die meisten Nahrungsmittdvergiftungen verursachen schwere klinische
S^ptome; gutartige Intoxikationen werden ebenfalls beobachtet, nur sind de
bisher weniger eingehend studiert worden. Verfasser hat gemdnsam mit
Dr. Navarre eine Epidemie nach Genuß von gesalzenem Schinken be¬
obachtet. Von 200 Menschen, die davon genossen hatten, erkrankten nach 6
bis 7 Stunden 160. Alle Symptome waren Idcht, bis auf einige diarrhOische
Stühle bd allen Kranken, die höchstens 20 Stunden lang anhidten — andere
Beschwerden bestanden nicht. Im verdächtigen Schwebefleisch nnd im Stuhl
der Kranken wurde der Enterococcus Thieralin nachgewiesen. Die patho¬
gene Wirkung dessdben wurde an der Maus demonstriert. Ebenso wie die
Bazillen der Enteridb-Gruppe war auch der hier gefundene Erreger per os
für versehiedoie Tierarten pathogen. Beide verlieren rasch eben Teil ihrer
Vimleas, beide scheiden thermostabfle Tozbe ab.
Dr. Mayer-Simmem.
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Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zettsohrlften.
Elaiges Uber die Terpflegimf der rSmlMhen Soldaten In Dentseli*
land« Yen H. Dragendorft-Frankfort a. H. Zeitschrift lär Untersachong
der Nahrongs* nnd Gennßmittel; Bd. 14, H. 1 und 2., S. 11.
Die großen Schwierigkeiten, die zur römischen Kaiserzeit sich der Ver«
pflegang der römischen Soldaten bei Feldzügen nach Dentschland in den Weg
stellten, haben die Börner schon früh dazn geführt, Eriegsvorräte namentlich
auf dem Wasserwege den operierenden Truppen nachzosenden. Einen solchen
Stapelplatz ehemaliger Eriegsvorräte hat man in den letzten Jahren bei Haltern
an der Lippe aofgefnnden. ln einem durch Eastelle geschützten Landeplatz
sind Graben mit Massen römischen Geschirrs nnd auch Sparen eines Getreide*
Speichers, in denen Millionen verkohlter Weizenkömer lagen, aafgefanden
worden. Von den verschiedenen Getreidearten hat offenbar in jenen Zeiten
fast aosschließlich der Weizen zar Nahrung gedient, der in mitgenommenenen
sehr schwer transportabeln Handmühlen gemi^en wurde. Ebenso fanden sich
Gefäße, die ihrer ganzen Form nach zu nichts anderem dienen konnten, wie
zur Herstellung des Breies, der Polenta oder richtiger des Puls, des National¬
gerichtes des Italiker. AuJßer dem Brodgenuß machte sich bei den Trappen
m dem nördlichen Deutschland auch ein stärkerer Fleischkonsum bemerkbar.
Die Hauptrolle in der Fieischnahrung spielte das Schwein; daneben wurde
jedoch außer dem Fleische allen möglichen anderen Schlachtviehes nnd Wild-
prets auch Pferdefleisch recht reichlich genossen, was aus den Vorgefundenen
Besten mit Sicherheit zu schließen ist. Außer Fischen sind auch große Mengen
von Muscheln, vor allem Austemreste, gefunden worden, wobei man sieb aller¬
dings fragen muß, wie es möglich war, derartiges Material noch genießbar bis
an Ort und Stelle zu bringen. Der Obstkonsum war ein reichBcher; nach
Wein wurde in beträchtlichen Quantitäten mitgeführt. Die Vorgefundenen
Meti^efäße sind als Luxusgeschirre anzusehen, der gemeine Mann behalf sieh
mit irdenem, nicht einmal glasiertem Tongeschirr; Ueine Glasgefäße sind als
Luxus und Offlziershabe zu betrachten. Erst in der späteren Eaiserzeit
bürgerte sich glasiertes TongescÜrr mehr nnd mehr ein, während der wohl¬
habende Mann medemm sich in steigendem Maße an das Metallgerät gewöhnte.
Dr. Symanski-Metz.
Ueber den Nachweis von Pferdefleisch in Fleisch- nnd Wnrstwaren
mittels der PriMpitat-Beaktlen* Von Dr. J. Fiehe. Mitteilung ans dem
Institut für Hygiene nnd Bakteriologie der Universität Straßburg. Zeitschrift
für Untersuchung der Nahmngs- und Gcnußmittel; Bd. 18, H. 12, S. 744.
Fiehe hat mit selbst bergestelltem Pferdeantiserum durch ue Präzipitat¬
reaktion den Nachweis von Pferdefleisch wohl bei einer Beihe von im Handel
erhaltenen Wurst- nnd Hackfleischprobenj wie auch zur Eontrolle an mehreren
dgens zu dem Zwecke hergestellten reinen nnd gefälschten Fleischwaren zu
ernringen versucht und hierbei recht gute Besultate erhalten, so daß sich
diese Methode gegenüber dem verhältnismäßig schweren und unsicheren Nach¬
weis mit Hilfe der Glykogen - Methode voraussichtlich bald in der Praxis dn-
bürgern wird. Die Schwierigkeiten, ein hochwertiges derartiges Antiserum
zu gewinnen, sind, selbst wenn die Arbeit in dem kleinsten Laboratorium vor¬
genommen werden, nicht groß; noch mehr allerdings dürfte es sich empfehlen,
wenn größere Institute bezw. Fabriken sich mit der Herstellung dieses Präp
parates im großen befassen möchten. Die Hauptsache ist, ein hochwertiges,
aber auch klares Serum zu gewinnen. Zur Erlangung eines solchen sind bei
einem großen Eaninchen, wenn unter anti* nnd aseptischen Eantelon gearbeitet
wird, & der Begel 7—8 intraperitoneale Einspritzungen (in Intervallen von
6 Tagen) von je 15 ccm Pferdeblutserums (absolut steril gemacht mittels Fil¬
tration durch Tonfilter) erforderlich. Auf derartige Weise gelingt es, ein hoch¬
wertiges Pferde-Antiserum zu erlangen, das Pferdeblut noch in einer Ver¬
dünnung von 1:10000 präzipitiert. Zur völligen Eeimfreimachung empfiehlt
■ich außer chirurgisch einwandfreiem Arbeiten bei der Entnahme auch hier eine
Filtration durch Berkefeidfilter und nachträgliche Eonservierung mit Earbol-
läure (auf je 10 com Serum 1 com einer 3 proz. Earbolkochsalzlösung). Be¬
züglich der Methodik gibt F. an, daß er die von Fornet aasgearbeitete üeber-
seuohtungsmethode (Serum vondehtig überschichtet mit dem zu prüfenden
klaren Extrakt) angewendet hat. Von besonderem Interesse bei F.’s Versuchen
Klebiere Hitteiliuigeii imd Befertiie au Zattubriftm«
85
waren tefaie Ergebnlne bei gekochter PferdeoerreUtwnrat, iuofem hier
der eharakterietuche Eiweißring erst nach einer Stande minimal herrortrat,
and erst nach 2 Standen dentlich warde (w&hread sonst die Beaktion je nach
der Menge des zagesetzten Pferdefleisches schon nach 5 bezw. 80 Minaten
deatlich and stark ist). Es zeigte sich nan bei der Prflfang aaf den Eiweiß*
gehalt (Kochen mit Essigsäare and Natriamsalfat) eine ganz geringe weißUdie
Trflbug, während die Auzflge nicht gekochter Wflrste bei ^leioher Behänd*
lang deatlich flockige Niederschläge ergeben. Mithin waren bei den gekochten
w£zten nar minimale Eiweißmengen in LOsang gegangen and die BeidEtion
dementsprechend augefallen. In zweifelhaften Fällen empfiehlt es sich deshslb,
den Warstauzag hieraaf za prüfen, and gegebenen Falles mit kouentrierten
Anazflgen and längeren Beobaehtangszeiten za arbeiten. Die Besaitete F.s
sind aber gflutig, insofern es ihm anter Beobachtug aller Vorsichtsmaßregeln
gelug, noch Fäuchugen mit 10^/, Pferdefleisch nuhzaweisen.
_ Dr. Symanski'Metz.
Ueber den Nachweis einiger tierischer Fette ln Gemischen mit
anderen tlerlsehen Fetten. Von Dr. F. Polenske, technischem Bat im
Kaiserlichen Gesudheitsamt. Arbeiten au dem Kaiserlichen Gesandbeitsamte.
(Beihefte za den VerOffentlichugen des KaiserL Gesundheitsamts; XXYL Bud,
3. Heft. Berlin 1907. Verlag von J. Springer.
Während Pflauenfette in Gemischen mit tierischen Fetten oftmals schon
dnreh Spezialreaktionen, allgemein aber dorch die Phytostearinazetatprobe
nacbgewiesen werden können, ist der Nachweis des Fettes einer Tiergattnng
in Gemischen mit uderen tierischen Fetten znrzeit noch mit Schwierigkeiten
Terknüpft. Diese Lücke wird in der Praxis vielseitig augenützt, am wert¬
vollere Tierfette mit solchen von geriuerem Werte zn fälschem. Dem Mugel
in der chemischen Untersachong der Fette will P. durch ein nenes Verfahren
abhelfen, welches anf der Beobachtug beruht, daß die Temperatnrdiffereu
(D. Z.) zwischen dem Schmelz- ud Erstarru^ukte bei den Fetten ver¬
schiedener Tierarten nicht gleich groß ist, aber für du Fett einer Tierart
eine aemlich konstante Größe besitzt. ’
So ist, nach P., ein Schweineschmalz als verfälscht mit Talg ud uderen
Fetten, welcme eine niedrigere D. Z. als Schweineschmalz haben anzuehen,
weu die in dem Schmalz gefudene D. Z. kleiner ist, als 18,6. ünd eine
Bntter ist mit Schweineschmalz oder uderen Fetten, die eine höhere D. Z.
als Bntter haben, als gefälscht uzuehen, weu in dem ursprünglichen Butter-
fette eine höhere D. Z. als 14,6, oder ^ dem au 75 Tdlu Butterfett ud
25 Teüu Bindertalg hergestellten Gemisch eine höhere D. Z. als 15 erhaltu
wird. Dr. Bost-Badolstadt.
Ef^ebnlsu der amtlichen Welnztatlstlk. Berlehtsjahr 1806/1906
(TeQ I). Welnstatistlsehe Dntersachugen (Teil II). HoststatlstlBohe Vnter-
saehugen. Ebenda. XXVn. Bd.; 1. Heft.
Die Berichte enthalten die analytischen Daten von 567 Weinen ud
1137 Mosten. Es entfallen auf Preußen 100 Weine ud 142 Moste, auf Bayern
84 Weine, 233 Moste, anf Sachsen 7 Moste, auf Württemberg 77 Weine, 43 Moste,
auf Badu 52 Weine, 151 Moste, auf Hessen 95 Weine, 199 Moste und anf
Elsaß-Lothringen 149 Weine, 362 Moste. Die Güte reichte nicht u die des
vorhergehenden Jahres heru, doch sind sie im Durchschnitt als ng^t* zu
bezeichnen. Die gesetzliche Greuzahl für den Gesamteztrakt, sowie ifür
du Extrakt nach Abzag der nicht flüchtigu Säure ud der Gesamtsäare
wurde in allen Fällen erreicht. Dr. Bost-Budolstadt.
Welche Anforderangen sind von der amtllehen Nahrugsmittel-
kontroUe an die alkoholfreien Getränke zn stellen. Von A. Beythion
in Dresden. Zeitschrift für üntersuchung der Nahrugs- ud Genußmittel;
Bd. 14, H. 1 ud 9, S. 26.
Die alkoholfreien Getränke sind als Gunßmittel zn bueichnen and als
solche du Bestimmugu des Nahrungsmittelgesetees uterworfen. ZnrzMt
jedoch besteht ein fester Begriff der normalen Beschaffenheit, der jeder Be-
86
Kleinere Mitteilangen nnd Befente ane Zeiteehriften.
artefflaiig tob NalinuigiinittelB im Sinne des BeiohBMsetzes vom 14. Mai 1879
saffrande ^egt werden mnfi, fflr die Hehnahl der alkoholfreieB OetiiBke
niut. Naw iurt des Ansgangemateiiale lassen die alkoholfreien Getrlnke
■ich in Tier Hanptgmppen einteilen: die sogenannten alkoholfreien Biere tud
Weine, ferner die ans dem Safte Ton Aepfeln and einigen Beerenfrttchten
hergestellten Gtotrinke nnd sehliefilich Erzengnisse Ton der Art der k1inst>
liehen Brauselimonaden. Wenn man sich fragt, welche Anfordemngen Ton der
amtlichen Nahmngsmittelkontrolle an die Beschaffenheit der alkoholfreien Ge¬
tränke an stellen seien, so erscheint es znm Schatze des Pnbliknms im all-
gemdnen für yOllig ausreichend, wenn dafür gesorgt wird, dafi die zurzeit noch
Tielfach beliebten täuschenden Bezeichnungen aus dem Handel Terschwinden,
nnd daß Tor allem die Kunstprodukte nicht unter dem Namen echter Frucht¬
saftgetränke in den Verkehr gelangen. Im speziellen wäre folgendes zu fordern:
1. Alkoholfreie Biere oder Halzgetränke nnd Erzeugnisse, die im wesentlichen
ans Wasser, Hopfen und Malz, event. unter teilweisem Ersatz des Malzes durch
Zucker beraestellt werden und mit Kohlensäure Impräniert sind. Mindestens
die Hälfte des Extraktes soll ans Malz bestehen; sonstige Zusätze Ton Stärke-
symp. Färb- und Aromstoffen (exkL HopfenOl) sind unzulässig. 2. Alkoholfreie
Weine sind Erzeugnisse, die durch Sterilisation yon Tranbenmost oder durch
Entgeisten ron Wein und nachträglichen Zusatz von Zucker hergestellt und
event. mit Kohlensäure impräniert sind. 8. Alkoholfreie Getränke, die ihrer
Bezeichnung nach aus natürlichen Frachtsäften (z. B. Heidelbeermost, Apfd-
sait etc.) bestehen sollen, dürfen nur aus dem entsprechenden Preßsaft frischer
Früchte hergestellt werden. Beimischung von Wasser und Zucker ist nur
insofern statthaft, als eine erhebliche Vermehrung hierdurch nicht erfolg.
Sonstige Zusätze, sowie DOrrobstauszüge, sind ohne Deklaration unzulässig.
4. Kohlensäurehaltige Getränke von der Art der Brauselimonaden mit Namen
einer bestimmten Frachtart dürfen nur Mischungen von echten Frachtsäften
mit Zucker und kohlensänrehaltigem Wasser darstellen. 5. Alkoholfreie Ge-
tri^e, die neben oder ohne Zusatz von natürlichem Frachtsaft, Zucker und
kohlensäurehaltigem Wasser noch organische Säuren oder Farbstoffe oder
natürliche Aromastoffe enthalten, dürfen nur unter entsprechender Deklaration
in den Handel gebracht werden. 6. Die Verwendung künstlicher Frachtsäfte
und saponinhaltiger Schanmmittel ist unzulässig. 7. Bei der technischen ün-
ihOglichkeit, die sogen, alkoholfreien Getränke vollkommen alkoholfrei darzu-
steUen, darf als alkoholfrei ein solches Getränk bezeichnet werden, das in
100 ccm nicht mehr als 0,48 g, entsprechend 0,6 Volumen-Prozent Alkohol,
enthält. _ Dr. Symanski-Metz.
Bekämpfung des Alkoholismns.
Untennohnngen Uber die Wirkungen des Alkohels* Von BeidHunt.
Washim^n; bygienic laboratory, Bulletin, 1907. Nr. 88.
Verfasser hat an Mäusen, Tauben, Kaninchen, welche einige Zeit lann
kleine Alkobolgaben erhielten, Versuche über die Giftwirkung des Azetonitru
angestellt Die Giftwirkung dieses Stoffes beruht auf der durch Oxy¬
dation im Organismus erfolgten Abspaltung von Blausäure. Die Versuchs¬
tiere waren für das Gift weit empfänglicher, als nicht alkoholisierte. Diese
erhöhte Empfänglichkeit beruht nicht auf einer Herabsetzung der Widerstands¬
fähigkeit des Körpers, sondern vielmehr auf einer gesteigerten Oxydationz-
fähigkeit. Die gegebenen Alkoholmengen waren so gering, daß sie weder
anatomisch, noch physiologisch irgendwelche Zeichen von Alkoholvergiftung
hervorbrachten. Damit ist der Beweis geliefert, daß sehr geringe Alkohol¬
gaben inutande sind, den Stoffwechsel für gewisse Substanzen, wie z. B. Aze-
tonitril zu beschleunigen. Je mehr unsere Kenntnis über bestimmte Oxydations-
Torgänge im KOrper wächst, um so augenscheinlicher wird es, daß Ausdrücke,
wie „dieser Stoff beschleunigt oder hemmt die Oxydation* viel zu allgemein
sind. Es müssen stets nur bestimmte Stoffe untersucht werden. Für den
Alkohol ist es wahrscheinlich, daß er wie beim Azetonitril auch noch bei
anderen Stoffen oxydationssteigemd wirkt. Voraussichtlich werden daher auch
schon bei den „mäffigen* Trinkern gewisse physiologische Prozesse anders ab-
laufen wie bei den Abstinenten. Dr. Paul Schenk-Berlin.
Eldnere Mitteilungen und Referate ans Zeitaohrlften. 87
Der Alkeholimu In Umbrlea. Yen Dr. Camillo Yltali-Pemgla.
n Bamaniiii; Faai. 9, 1907.
Der Alkoholiamiu in Italien ist nicht wenig yerbreitet, die antialkoho«
lische Bewegung jedoch eigentlich erst im Entstehen begriffen. Das Verständ¬
nis daftir f^t eben noch, die Voistellnng von dem stärkenden EinfloB des
stärkenden Weins ist bei Arm und Reich ^gemein yerbreitet, wird auch yon
Aeraten geteilt; fast alle Mütter geben ihren kleinen Kindern etwas Wein sa
trinken. Statistische Angaben über den Alkoholyerbranch in Itidien fehlen
noch; ans einer neuen Zusammenstellung geht heryor, daß, was die Zahl der
Betriebe yon alkoholischen Getränken betrifft, Belgien mit 1 auf 86 Bewohner
an der Spitze marschiert, Schweden und Norwegen mit 1 auf 6000 Bewohner
am günstigsten steht und Italien mit 1 auf 300 noch ziemlich gut abschneidet,
jedenfalls besser daran ist als Deutschland fmit 1 : 190).
Verfasser hat nun seine Heimatproyinz Umbrien, in deren Hauptstadt
Perugia er als Arzt der hier befindlichen Proyinzialirrenanstalt tätig ist, ge¬
nauer auf die Frage nach dem Alkoholismus studiert. Da andere statistisäe
Unterlagen fehlen, hat er das Krankenmaterial der Irrenanstalt zu Grunde ge¬
legt, und zwar yom Jahre 1824 an bis 1905. Die Ergebnisse, sorgfältig be-
arMtet und in Tabellen wiedergelegt, sind interessant genug, um kurz darauf
einzngehen. Im Jahre 1885 wurde der erste Fall einer Alkoholspychose (ein
Fall yon Delirium tremens bei einer Frau) festgestellt, der nächste dahin ge¬
hörige Fall ereignete sich 1869 (ein Fall yon Manie auf alkoholischer Basis)
und yon 1866 an findet sich eine Steigerung der Alkoholpsychosen, die zu¬
nächst noch langsam, in den achtziger Jahren aber schnell ansteigt und im
Durchschnitt der letzten 20 Jahre bei den männlichen Geisteskranken
und 8,7*/« der Geisteskranken überhaupt ausmacht. Die absoluten 2^1en der
alkoholischen Irren stieg bei den Männern yon 15 im Jabre 1886 auf 48 im
Jahre 1905; die Zahl der Frauen war meist eine yerhältnismäßig geringe,
aber auch bei ihnen ist eine merkliche Steigerung in den letzten Jahren fest¬
zustellen.
Von 613 alkoholischen Irren, die während des 20 jährigen Zeitraums in
der genannten Irrenanstalt yerpfiej^ wurden, worden geheilt 64 "/o» gebessert
6,5 */o, yerfielen in Demenz O**/« und starben 18 Die Zahl der Geheilten
erscheint recht hoch, jedoch macht Verfasser darauf aufmerksam, daß die Zahl
der Kranken, die rückfällig wurden (im ganzen 26,7*’/o) und eine nicht zu be¬
stimmende Zahl yon solchen, die nach ihrer Entlassung in das Laster des
Trinkens zurückfallen, ohne grade wieder geisteskrank zu werden, in Abzug
zu bringen seL
^merkenswert war die Beobachtung, daß die größte Zahl jener Kranken
aus der Hauptstadt und deren Umgebung stammte. Die Zunahme des Alkohol-
mißbrauchea wird besonders auf die Militärpfiichtigen und die Wanderarbeiter
zurückgeführt; diese beiden Klassen lernen die Trinkunsitten draußen und
bringen sie in die Heimat mit, wo aie reichlich Nachahmer finden.
Die yermehrte Kindersterblichkeit wird gleichfalls auf den Abusus
spirituoeorum zurückgeführt. Allerdin^ ist die Kindersterblichkeit in Italien —
und dies ist, die Richtigkeit der statistischen Angaben yorausgesetzt, einiger¬
maßen beschämend für das kulturell doch bei weitem höher stehende König¬
reich Preußen (d. Bef.) — weit geringer als bei uns, wenigstens für das erste
Lebensjahr. Dafür folgende Zahlenangaben nach der yorliegenden Arbeit,
denen yergleichsweise die für Preußen aus dem »Gesundheitswesen des Prenßi-
sdien Staates* gegenübergestellt werden:
Kindersterblichkeit für das Jahr 1901:
^wohner- Es starben im
Land zahl ca. 1. Lebensj. 2. Lebensj. 8. Lebensj. zusammen
ItaUen 32600000 176785 64828 27092 267776
Preußen 84500000 261696 47791 18709 818195
Unter den yerschiedenen Berufsständen stehen bezüglich der Erkrankung
an alkoholischem Irresein an erster Stelle die italienischen Schuhmacher;
letztere müssen also wohl dort einen besonderen Hang zum Trinken haben, was
man yon ihren deutschen Kollegen nicht gerade wird behaupten können.
Die Heredität, die gerade bei den Alkoholpsychosen yon Bedeutung ist,
wurde yom Verfasser besonders erforscht; er ermittelte bei 200 Fällen unter
613 erbliche Belastung. _ Dr. Solbrlg-Allenstein.
88
Be«preohangen.
Besprechungen.
ProC Dr. BttBfe'Götthigeii: I^ehrbaoh der Gyaftkologle. Mit zahl¬
reichen Abbildungen im Text. Dritte Auflage. Berlin 1907. Verlag von
J. Springer. 8**; 522 8. Preis: geb. 10 M.
Das vorliegende Lehrbuch der Gynäkologie reiht sich in jeder Weise
würdig dem Lehrbuch der Oeburtshülfe des wohlbekannten Verfassers an. Es
gibt in klarer, sachlicher Weise einen alle Vorschläge umfassenden Ueber-
blick über das gesamte Gebiet der Frauenkrankheiten, bei dem Verfasser
nach Möglichkeit einen objektiven Standpunkt anzunehmen bemüht ist und
sich besonders auf eigene Erfahrungen stützt. Das Verständnis wird durch
zahlreiche und gut ausgeführte Abbildungen erleichtert, die in der neuen
Auflage noch wesentliche Verbesserungen gefunden i^ben. Sorgfältige Lit^
raturangaben ermöglichen es dem Leser in Kapitel, die ihn besonders inter¬
essieren, tiefer einzudringen. _ Bpd.
Tagesnachrichten.
Dem Beloluitaifa ist jetzt der angekündigte Entwurf eines Gesetzes,
betreffend die Ablndemng der Gewerbeordnung, nebst Begründung zu-
ä egangen. Von hygienischem Standpunkte aus wichtig sind davon namentlich
ie Bestimmungen zu § 120 (Regelung der täglichen Arbeitszeit in
Gewerben, in denen durch übermäßige Dauer der Arbeitszeit die Gesundheit
der Arbeiter geschädigt wird), zu den §§ 187—139 (Beschäftigung von
Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern; lOstündiger Mazimal-
arbeitstag und 11 stündige ununterbrochene Nachtruhe für Frauen) und die als
neu unter Abschnitt VII a, §§ 189 n—139 y, eingefügten Vorschriften über die
Hausarbeit. Danach sollen die Werkstätten (dazu gehören auch Räume zum
Schlafen, Wohnen oder Kochen, falls darin gewerbliche Arbeit verrichtet wird),
so eingerichtet und unterhalten werden, daß die Haosarbeiter gegen Gefahren
für Leben und Gesundheit so weit geschützt sind, wie es die Natur des Be¬
triebes gestattet. Insbesondere ist für genügendes Licht, ausreichenden Luft¬
raum und Luftwechsel, Beseitigung des bei dem Betrieb entstehenden Staubes,
der dabei entwickelten Dünste und Gase, sowie der dabei entstehenden Abfälle
Sorge zu tragen. Ebenso sind diejenigen Vorrichtungen herzustellen, welche
zum Schutze gegen gefährliche Berührungen mit Maschinen oder Maschinen¬
teilen oder gegen andere in der Natur der Betriebsstätte oder des Betriebes
liegende Gefahren erforderlich sind. — Auf die Gesundheit der Hausarbeiter
unter achtzehn Jahren müssen diejenigen besonderen Rücksichten genommen
werden, welche durch das Alter dieser Arbeiter geboten sind. — Arbeiten, bei
denen dies zur Verhütung der sonst mit ihnen verbundenen Gefahren für Leben
oder Gesundheit erforderlich erscheint, dürfen nur in solchen Räumen ver¬
richtet werden, welche ausschließlich hierfür benutzt werden. — Für Gewerbo-
zweige, die der Herstellung, Verarbeitung oder Verpackung von Nahrungs- oder
Geniämilteln dienen, kann durch die zuständigen Polizeibehörden im Wege
der Verfügung für einzelne Werkstätten angeordnet werden, daß die Werk¬
stätten und Lagerräume, einschließlich der Betriebsvorriebtungen, Maschinen
und Gerätschaften ao eingerichtet und unterhalten werden und der Betrieb so
geregelt wird, daß Gefahren für die Öffentliche Gesundheit ausgeschlossen sind.
Außerdem kann angeordnet werden, daß Räume, in denen Nahrungs- oder Ge-
nußmittel hergestellt oder verarbeitet worden, zu bestimmten anderen Zwecken
nicht benutzt werden dürfen. Den bei Erlaß dieses Gesetzes bereits bestehenden
Betrieben gegenüber können, solange nicht eine Erweiterung oder wesent¬
liche Veränderung eintrit, jedoch nur Anforderungen gestellt werden, die zur
Beseitigung erheblicher, das Leben oder die Gesundheit der Hausarbeiter oder die
öffentliche Gesundheit gefährdender Mißstände erforderlich oder ohne unver¬
hältnismäßige Aufwendungen ausführbar erscheinen. Durch Beschluß des
Bundesrats kann aber die Verrichtung solcher Arbeiten in der Hausarbeit ver¬
boten werden, welche mit erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit oder
Sittlichkeit der Hausarbeiter oder für die öffentliche Gesundheit verbunden
sind. Desgleichen können durch Bundesratsbesebluß Vorschriften in bezug auf
die für bestimmte Werkstätten zu stellenden Anforderungen erlassen werden.
Tagesnaebrlohtoit.
99
Abladerug der DlenstonwelniBg fttr die preieelsoheii KreleAnte.
Infolge des Gesetzes ttber die Bek&mpfnng der ttbertragbaren Krankheiten Tom
28. Aagast 1905 and der daza erlassenen Aosftthrangsbestimmangen vom
15. September 1906 haben die in dieses Gebiet gehörigen Vorschriften der
Dienstanweisung für die Kreisärzte verschiedene Aendernngen erfahren^ aaf
die vom Herausgeber dieser Zeitschrift in den Erläuterungen zur Dienst¬
anweisung in dem Kalender fttr Medizinaibeamte bereits aufmerksam gemacht
ist. Jetzt sind vom Herrn Minister die betreffendenBestimmungen der Dienst¬
anweisung durch Erlaß vom 22. Dezember v. J. abgeändert, so daß sie jenen
gesetzlichen und Ausftthrungsvorschriften entsprechen; in Betracht konunon
die §§ Id, Abs. 5, 28, Abs. 8, 86, Abs. 2—4, 87, 82—86 und 96. Wir werden
die Abänderungen in der Beilage zur nächsten Nummer bringen; für die Ab¬
nehmer des Kalenders ffir Medizinalbeamte werden sie außerdem auf Blättern
im Format des Kalenders abgedruckt werden, so daß sie dem Kalender ffir
1908 an zutreffender Stelle eingeffigt werden kOnnen.
Der bayerische erweiterte Obermedizinalansschuß hat
sich in seber am 16. und 17. v. Mts. stattgehabten Beratung fiber den Ent¬
wurf eines Beichsapothekengeseties ffir me unveräußerliche Personal-
hoBzeesion als Grundlage der reichsgesetzlichen Begelung ausgesprochen,
dagegen stimmten nur die 8 Vertreter der Apothekergremien, welche Verkäuf¬
lichkeit verlangten.
Einstimmig wurde beschlossen, daß in der Begel auch das Apotheken-
Anwesen sd>zalösen und (bei Vollapotheken) fttr die Uebergabe des Ge¬
schäftes eine Abfindung zu leisten sei. Bei der Festsetzung des Betrages
dieser Abfindung sei neben dem Beinertrag insbesondere zu berficksichtigen,
was der bisherige Eigentfimer fttr die Errichtung oder fttr den üebergang des
Geschäftes, sowie fttr dessen Hebung selbst geleistet hat.
Mit allen Stimmen gegen die der 8 Apotbekergremienvertreter beschloß
die Versammlung ferner, die landesrechtliche Ablösung der Bealrechte und der
mit Geschäftswerten ttberlasteton Personalapotheken und zu diesem Zwecke
die Einftthrung von Apotheken - Betriebsabgaben zu befttrworten.
- Im ttbrigen wurde eine Beihe von Einzeländerungen des Gesetzentwurfes
— fast durchweg mit Stimmeneinheit — in Vorschlag gebracht, z. B. gutacht¬
liche Mitwirkung der Standesvertretung der Apotheker bei Besetzung von
Apothekenkonzessionen, Anstellung von beamteten Apothekern als Beferenten
bei den Kreisregierangen usw.
An dem im Januar d. J. in London stattfindenden ü* internationalen
Kongress zur Bekimpfnng der Schlafkrankheit wird Geh.-Bat Dr. Koch als
Vertreter des Deutschen Beiches teilnehmen.
Am 6. d. M. feiert der Verleger dieser Zeitschrift, Herr Hofbuch-
händier H. Kornfeld in Berlin, sein w jähriges Gesehiftsjnbilfinni. Seiner
Anregimg ist hauptsächlich die Grttndung der Zeitschrift fttr Medizinalbeamte
und seiner geschäftskondigen Mitwirkung wie seines stets bereitwilligen Ent¬
gegenkommens den Wttnsäen der Bedaktion gegenfiber nicht zum geringsten
Teile die so erfreuliche Entwicklung der Zeitschrift im Laufe der Jahre zu
verdanken. Mit den aufrichtigsten Glttckwttnschen zu seinem Jubiläum sprechen
wir ihm daher gleichzeitig den herzlichsten Dank fttr jene Mitwirkung aus
und knüpfen hieran den Wunsch, daß es ihm noch viele Jahre vorgOnnt sein
mOge, die Leitung seiner Verlagsbuchhandlung in der bisherigen erfolgreidien
Weise zu führen!
Todesfllle* Am 21. v. M. ist an den Folgen eines Antomobilunfalles
Prol Dr. La ssar in Berlin gestorben. Abgesehen von seinen großen wissen¬
schaftlichen Leistungen auf seinem Spezialgebiete der Dermatologie, hat er sich
aber auch außerordentliche Verdienste auf volkshygienischem Gebiete, ins¬
besondere als Gründer und langjähriger Leiter der Deutschen Gesellschaft fttr
Volksbäder, erworben. Die mächtige Förderung, die das Volksbadewesen
40
Tagetaaehriehtea
wihrend des leisten Jahrzehntes in Deatschland erfahren hat, ist in erster
Linie seinem tatkriftigen und zielbewaßtem Vorgehen zn Terdanken; sie wird
ihm bis in die weitesten Kreise ein bleibendes Andmiken sichern! Fast
gleichzeitig am 20. ▼. M. ist der langjährige Vorsitzende der Berlin-Branden-
barger Aerztekammer, Qeb. San.-Eat Dr. Becker in Berlin, ein eifriger
Vertreter und Förderer der ärztlichen Standesinteressen, nnd wenige Tage
später (am 23. y. M.) der Senior der Berliner medizinischen Fakoltät und
der Deutschen Laryngologen, Geh. Med.-Eat Prof. y. Tob old, gestorben, nach¬
dem er noch kurz yorher bei seinem SOjäbrigen Geburtstage yon Sr. Majestät
in den erblichen Adelstand erhoben war. Einen weiteren schweren Verlust hat
die Berliner medizinische Fakultät mit Beginn des neuen Jahres durch den am
1. d. M. in Köln (auf der Ettckreise) erfolgten plötzlichen Tod des Geh. Med.-
Bats Prof. Dr. Hoffa erlitten; seine Verdienste um die Förderung der
Orthopädie werden ihm nicht minder ein bleibendes Andenken sichern, wie
seine unermfldlichen und erfolgreichen Bemühungen um die KrUppelffiisorge in
Deutschland.
Die neue Deutsche Amieitaxe für 1008 bringt, abgesehen yon d«i
Preisyerändemngen einzelner Arzneimittel (868Erhöhungen, darunter yer-
hiltnismäßig yiele yegetabilische Arzneimittel, und 196 Ermäßigungen) wenige
Veränderungen, yon denen nur die Erhöhung der Preise für Gläser wesentlich
in Betracht kommt. Der Preis für Gläser bis zu 100 g beträgt künftighin
10 Pf.
20 Pf,
gestr
bisher 10), für Gläser yon 100—2(X) g: 16 Pf. (10), yon 200—800 g:
16), yon 800-400 g: 26 Pf. (26), yon j^-600 g: 80 Pf. (86) und
bei größeren für je 6(X) g 20 Pf. (15) mehr. Neu aufgenommen sind 6,
chen 8 ArzneimitteL
Erkrankungen und Todesfllle an ansteekenden Krankheiten ln
Prenssen« Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit yom 1. bis 14. Dezember y. J. erkrankt
(gestorben) an: Cholera, Gelbfieber, Eückfallfieber, Pest, Eotz
nnd Tollwut: — (—); Aussatz: — (—), 1 (—); Fleckfieber: —
(—), 1 (—); Pocken: 1 (—), — (—); Bißyerletzugen durch toll-
wutyerdächtige Tiere: 8 (—), 1 (—); Milzbrand: 1 (—), 1 (—);
Euhr: 6 (1), 8 (—); Unterleibstyphus: 292 (29), 806 (81); Diphthe¬
rie: 1888(128), 1901 (181); Scharlach: 1921 (86), 2008 (100); Genick¬
starre: i2 (8), 22 (9); Kindbettfieber: 113 (22), 107 (^); Wurst-
9(—), — (—): Körnerkrankheit (erkrankt): 188,186; Tuberkulose
(gestorben): 612, 5l8.
MpruohuaaL
Anfirage des Krelsarites Dr.K. in G.: Auf Grund welcher Be¬
stimmungen kann die Hebamme yon der OrtspolizeibehOrde
wegen Verstöße gegen ihre Dienstanweisung in Geldstrafe
genommen werden?
Antwort: Eine Bestrafung ist nur anf Grund einer Polizeiyerordnung
über die Bernfspflichten der Hebammen möglich, wie solche gemäß Nr. 6 der
Instruktion zur Ausführung der früheren allgemeinen Ministerial-Verfügung yom
6. August 1888 in den einzelnen Eegierungsbezirken erlassen sind. Verstöße
in bezug auf Anzeige usw. bei Kindbettfieber (s. § 2, Nr. 8 nnd § 8, Nr. 8 des
Gesetzes yom 28. August 1905), können jedoch auch anf Grund der §§ 85,
Nr. 1, nnd 86, Nr. 2 nnd 4 dieses Gesetzes bestraft werden.
Das Inhalta-Vorselolinls fftr die ZeitsoErlft, Jahrgang 1007
urlrd der Nr. ft beigelegt werden.
Verantwortl. Eedakteur: Dr. Eapmnnd, Eeg.- n. Geh. Med.-Hat in Minden i. W.
J. a 0. Braas, HanosL Stena n. T. aelL,-L. Hofbnebdrnclnm ta MliwUa
2L Jthrg.
1908.
Zeitschrift
ittr
MEDIZINALBEAMTE.
ZMiinUlatt fir du {uanti InmdMtsintn,
fOr gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenweeen.
Heratugegebea
Dt. OTToIaPMUND,
Bgfieruff- nnd (Mu Medlstauüral In lllndan.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag yon Fischer s medis. Buehhandlg, H. Kornfeld,
HinogL Bvtr. HOf* o. BiriiinDgL
Berlin W. S5, Lützowstr. 10.
TbitmIi dl« Tolafakaadlnf aowl« alU A muMiOMi - Mwpedttlottan dm !«•
and ▲«uaadee eatfegen«
Np. 2.
BmieKeüit mm S. u4 SO. Jeden Monnta.
20. Januar.
Ein Fall von traumatischer Leukämie bei einem 12 jährigen
Knaben.
Von Dr. Sieber, piakt. Arzt in Betsche (Begbz. Poeen), kreiifaitL appreblert.
Während bei den Verletzungen, deren Behandlung dem
Chimrgen obliegt, der ursächliche Zusammenhang zwischen Tranma
nnd Verletzung meist klar auf der Hand liegt, ist diese Ent«
Bcheidung für innere Leiden, welche nach einem Tranma in die
EtTscheinung getreten sind, meistens sehr schwer, ja, häufig ganz
nnmOgiich. Ganz besonders gilt dies für diejenigen inneren Krank*
heilen, die eine gewisse Zeit zu ihrer Entwickelung brauchen,
BO daß zwischen ihrer Erkennung und dem Tranma eine Zeit*
spume liegt, in der sich der Verletzte anscheinend völligen Wohl*
befindens erftent. Erst die praktische Erfahrung, wie sie nament*
lieh auf Grund des Unfallversichernugsgesetzes in so ansgedehntem
MÄße gesammelt werden konnte, hat einiges Licht in diese noch
recht dunklen Verhältnisse gebracht. So war es auch mit der¬
jenigen Krankheit des Blutes, mit der wir uns im folgenden be¬
schäftigen wollen, mit der Leukämie. Je häufiger Fälle be¬
schrieben werden, in denen das Anitreten der Leukämie nach
einem Trauma einwandsfrei beobachtet worden ist, mit desto
größerer WAbrscheinlichkeit wird der ärztliche Gutachter vor*
42
Dr. Sieber.
kommendenfalls einen nrsächlichen ZuBammenbang zwischen der
Entwicklung dieser Krankheit und einem voraufgegaugenen Trauma
annehmen können. Von dieser Erwägung ausgehend, habe ich
mich entschlossen, einen Fall von Leukämie, den ich in meiner
Praxis zu beobachten Gelegenheit hatte und der in unzweideutiger
Weise sich im Auschluß an ein Trauma entwickelt bat, hier zu
veröffentlichen, obwohl bereits etwa ein Viertelhnndert gleich¬
artiger Fälle ans der Literatur bekannt geworden sind. Ich habe
mich meiner Aufgabe mit um so größerer Freude unterzogen,
weil ich beim Studium der Literatur erfahren habe, wie wichtig
die Entscheidung jener Frage für den ärztlichen Gutachter in
TJnfallsachen ist; ich setze voraus, daß auch für den gerichtlichen
Sachverständigen die Kenntnis dieses Zusammenhanges gegebenen
Falles von Bedeutung sein kann.
Krankengeschichte. Am 13. April 1907 kam der 12 Jahre alte
Sohn des Zigarrenmacbers P. io Begleitung seines älteren Bruders in meine
Wohnung: er blutete heftig ans der linken MasenOffoong; anf Tamponade mit
in EitnenchloridlOsuog getancbter Watte stand die Blntnng alsbald. Trotzdem
der Knabe nicht gerade übermäßig viel Bint verloren haben mochte, bekam
er eine Ohnmacbtsanwandlnng, die jedoch nur leichter Art war und bald vor-
ttberging Der Knabe, der eine eigentümlich fahle Gesichtsfarbe hatte und
eine anffallende Schlaffheit zur Schan trog, machte mir gleich damals den
Eindruck, als wenn ein inneres Leiden bei ihm vorläge; ich hielt es aber mit
Bücksicht auf seinen Scbwäcbeznstand nnd nm das Nasenbluten nicht wieder
anznfachen, in diesem Augenblick nicht für geraten, eine eingehende Unicr-
Sücbung vorznnehmen, bat jedoch den Brnder des Knaben, mich zn benach¬
richtigen, wenn die Blntnng sich wiederholen oder die Schwäche nach einigen
Tagen nicht schwinden sollte. Am 25. April wurde ich zn dem Knaben ge¬
rufen, Weil das Nasenbluten sich wiederholt hatte, das Allgemeinbefinden stetig
schlechter geworden war. Die Eltern des Knaben erzählten mir, daß derselbe
stets gesund gewesen sei und ein blähendes Aussehen gehabt habe: dies be¬
stätigte mir später anch der Lehrer des Knaben, den ich danach befragte und
der mir angab, daß er bis zn den Osterferien nicht die geringste Veränderung
in dem Wesen desselben bemerkt habe, wohl aber sei ihm bald nach den
Osterferien eine sichtliche Müdigkeit nnd Abgescblagenbcit bei dem Schüler
aufgefallen, die so erheblich war, daß der Knabe nicht mehr mittnrnen konnte.
Ans den Berichten der Eltern konnte ich weiterhin folgendes entnehmen : Kurz
vor Ostern (31. März) des Jahres hatte der Knabe die Erlaubnis bekommen,
das Radfahren zn erlernen, eine Aufgabe, der er sich mit großer Ansdaner
unterzog. Hierbei ist er non mehriach gefallen und bat sich, wie er selbst
zngibt, recht tüchtig geschlagen. So beobachtete eine Nachbarin, wie er mit
dem Bade mit ziemlicher Wucht gegen eine Hansecke fahr nnd sich hierbei
offenbar eine starke Erschütternng des ganzen KOrpers znzog. Der Knabe
erzählte seinen Eltern von dem Unfälle zunächst nichts, wahrscheinlich ans
Furcht, daß diese Mitteilnng ein Verbot des Radfahrens znr Folge haben
konnte; die Eltern scheinen wohl eine Veränderung in dem Wesen ihres Sohnes
bemerkt zn haben, schenkten dieser aber keine weitere Beacbtnng, bis das
Anftreten der Nasenblatnngen nnd die znnebmende Hinfälligkeit des Knaben
sie besorgt machte und sie bewog, ärztlichen Bat in Anspruch zn nehmen.
Untersnehnngsbefand am 25. April 1907. Die objektive Unter-
suchnng hatte folu^endes Ergebnis: Der Knabe ist für sein Alter groß und
kräftig, der Ernährnngsznstand ziemlich gnt. Die Gesichtsfarbe ist fabl, die
Hane des gesamten Körpers blaß, ebenso die sichtbaren Schleimhänte, nur die
Lippen sind verhältnismäßig rot. Die Znnge ist leicht belegt, etwas trocken.
Die Temperatur beträgt 38** C Die Lymphdrüsen des Halses, wie diejenigen
des Nackens sind angeschwollen; am Halse bilden die Drüsen bereits zn-
aammenbängende Pakete, die einzelnen Drüsen sind erbsen- bis dattelgroß.
Dieser Befand an den Lymphdrüsen des Halses führte znr Untersuchnog weiterer
Lymphdrfisenregionen; es ergibt sich, daß alle peripheren Lymphdrüsen ver-
Ein Fall von traamatischer Leokämie bei einem 12j&hrigen Knaben. 4S
grSßert sind, namentlich auch die Achsel* und Leistendrüsen. In der rechten
ünterbanebgegend ist die Haut in einem 12 cm langen, 8,b cm breiten Bezirk,
welcher an der Spina anterior snperior beginnt and sich über and parallel dem
Ponpartschen Band hinziebt, dankclblaa verfärbt. AehnUch verfärbte, aber
viel kleinere Haatstellen finden sich an der Außenfläche des rechten Vorder¬
armes, ebenso an den unteren Oliedmaßen. Der Kranke gibt zu, daß alle
diese fiantverfärbungen von Quetschnogen infolge Sturzes mit dem Bade her-
rührten. Die Dntersuchung der Brustorgane ergibt nichts Krankhaftes, die
Herztöne sind zwar leise, jedoch frei von Geräuschen. Zam Zwecke der Blut-
untersuchung werden der Fingerspitze mit einer ansgekoebten Nadel einige
Tropfen Blut entnommen und auf mehrere Objektträger nach Möglichkeit
gleichmäßig verteilt. Schon im frischen, ungefärbten Präparate konnte man
sehen, daß weiße Blutkörperchen in unverhältnismäßig grober Zahl vorhanden
waren. Hierauf färbte ich ein Präparat, nachdem ich da^selbo hatte lufttrocken
werden lassen und einige Sekunden über der Spiritubllamme erhitzt hatte,
mittels einer von Orth^) angegebenen Doppelfärbung (2 Minuten Färben mit
konzentrierter alkoholischer Eosiulösung, 1—2 Minnten Nachfärben mit kon¬
zentriertem wässerigem Methyienblan). Diese einfache Färbung ergab ein
sehr schönes Präp rat: Die roten Blutkörperchen waren hellgrün, die Kerne
der weißen blauviolett gefärbt.*) Da mir ein Blatkörperchenzählapparat nicht
zur Verfügung stand, war ich darauf angewiesen, mir durch Schätzung eine
ungefähre Voretellang von dem Verhältnis der Zahl der weißen Blutkörperchen
zu derjenigen der roten zu machen; ich zählte mehrere Gesichtsfelder, so gut
ee ging, aus und zog dann den Durchschnitt. Die Zahl der weißen Blut¬
körper verhielt sich zu derjenigen der roten etwa wie 1 :10. Die Leukozyten
hatten fast ausschließlich nur einen runden Kern; mehr- bezw. gelapptkernige
Leukozyten waren im ganzen Präperat nur etwa zwei bis drei zu finden. Bei
weitem die meisten einkernigen Leukozyten waren kaum größer, als die roten
Blutkörperchen, einige wenige indeß erheblich größer. Zur genaueren Fest¬
stellung der Art der Leukozyten schien eine Färbung mit Ehrlicbs Drei¬
farbengemisch sehr wünschenswert. Da mir diese Farbmischung indes nicht
zu Gebote stand, schickte ich ein Präparat an das bekannte Untersuchungs-
institut des Herrn Dr. Piorkowski zu Berlin, welcher es nach der eben
erwähnten Methode färbte; nach seiner Ansicht waren unter den Leukozyten
viele Lymphozyten, wenig Myelozyten vorhanden, polynukleäre Leukozyten
konnte er nicht eruieren.
Die Leber ist nicht vergrößert, wenigstens überragt sie den Bippen-
bogen nicht; dagegen ist der untere Band der Milz zwei Finger breit unter¬
halb des linken Bippenbogens zu fühlen; die Milz ist sehr hart, wenig druck¬
empfindlich. Der Urin ist frei von Eiweiß und Zucker.
Erankheitsverlauf: Da auf Grund dieses Untersuchungsbefundes,
insbesondere auch des charakteristischen Ergebnisses der Blutnntersncbung die
Diagnose „Leukämie* außer Zweifel stand, leitete ich alsbald eine Arsen-
Chininkur ein, welche Mittel ich dom Kranken in Form von Pillen verabreichen
ließ. Irgendeinen Erfolg dieser Behandlnngsweise konnte ich nicht feststellen,
die weitere Behandlung war eine roborierende und symptomatische. Im weiteren
Verlauf der Erkrankung trat das Bild einer schweren hämorrhagischen Diathese
immer mehr hervor. Das Nasenbluten nahm an Häufigkeit zu, so daß fast
fortwährende Tamponade nötig war; es stellten sich Zahnfleischblutungen ein,
die jeder Behandlung trotzend stetig an Ausdehnung und Stärke Zunahmen.
Das Blut, welches aus der Nase oder dem Zahnfleisch hervortrat, hatte eine
auffallend wässrige Beschaffenheit; in der Brustbein- und in der rechten Lenden¬
gegend traten petechiale Hautblutungcn auf. Die Milz nahm im weiteren
Verlauf der Krankheit rasch an Größe zu, so daß ihr unterer Band bald in
Höbe des Nabels zu fühlen war; besonders nach rechts hin dehnte sich
die Milz unverhältnismäßig weit aus; bei oberflächlicher Palpation hätte man
*) Pathologisch - anatomische Diagnostik. Berlin 1900.
*) Diese Blutfärbung scheint mir ihrer großen Einfachheit und der
leichten Herstellbarkeit der Farbstoffe wegen für den praktischen Arzt wert¬
voll und empfehlenswert.
44
Dr. Sieber.
sie leicht lOr den vergrößerten linken Leberlappen halten kOnnen. Aneh glaubte
ich im Abdomen eigenartige hOckrige Tomoren gefflhlt zn haben, die ich ids
geschwollene MesenterialdrtUen dentete. Laß es KotbalJen waren, glaube ich
aasschließen za können; denn erstens war der Stuhlgang des Kranken regel-
mtßig and zweitens war die Konsistenz eine andere; auch die Lage der Tamoren
mehr in der Mitte des Abdomens sprach wohl eher gegen, als für Kotmassen.
Aaflallend war das Verhalten der Temperatur; dieselbe war fttr gewöhnlich
mißig erhöht (88**—38,5** C.). Einigemal stieg sie aber aaf 40,6** C. Meist
ließ sich dann allerdings nachweisen, daß der Kranke vorher seinem Magen
zuviel zagemutet hatte. Sicher ist jedenfalls, daß das Fieber völlig unregel*
mäßig war. Wer das subjektive befinden des Kranken infolge des schweren
Allgemeinzustandes, der steten Furcht von Nasenblntnngen, des blatenden
Zahnfleisches usw. an und für sich schon ein sehr schlechtes, so wurde der
Zustand direkt qualvoll, als sich plötzlich kolossale Schmerzen in beiden Knie*
gelenken einsteliten. Glücklicberweise verschafften dem Kranken warme Bader
hiergegen Linderung. Auch am rechten Vorderarm, an dem, wie ob erwähnt,
ebenfaUs Spuren der erlittenen Qnetschung zu erkennen waren, hatte der
Kranke ab und zu heftige Schmerzen. Von seiten des Magendarmkanals waren
die Störungen im ganzen gering; gegen Ende des Leidens trat einige Male
Erbrechen auf; die Nahrungsaufnahme wurde immer geringer; nur nach Doppel*
hier hatte der Kranke stets großes Verlangen; auch Hering aß er einmal ohne
mein Wissen, wonach die Temperatur allerdings auf Uber 40 stieg. Wenige
Tage vor dem Tode trat Schwerhörigkeit auf. Am 12. Mai war das Sensorium
des Kranken etwas benommen; er warf sich im Bette hin und her. Der Puls
war äußerst leicht zusammendrückbar und betrag 140 Schläge in der Minute.
Aus dem Zahnfleisch des Unterkiefers sickerte das dUnne Blut stetig hervor.
Der Tod erfolgte am 13. Mai 1907 unter den Erscheinungen des Kollapses.
Eine Sektion konnte nicht vorgenommen werden.
In der Literatur ist, wie schon zn Beginn dieser Arbeit
angedentet, bereits eine größere Anzahl von Fällen bekannt ge¬
geben worden, in welchen das Auftreten einer Leukämie auf ein
Trauma znrflckgefiihrt wird; allerdings ist nicht in allen diesen
Fällen der Zusammenhang klar erwiesen. In einer sehr lehr¬
reichen und dankenswerten Arbeit hat Stempel^) bei Gelegen¬
heit der Mitteilung eines eigenen Falles 20 einschlägige FlÜle
znsammengestellt und einer eingehenden Kritik unterworfen, 4
weitere Fälle finden wir in Bekers Lehrbuch der ärztlichen
Sachverständigen-Tätigkeit*) erwähnt nnd teilweise referiert.
Näher auf die Literatur einzugehen, ist nicht meine Absicht nnd
liegt auch außerhalb des Bereiches des Zweckes dieser Zeilen.
Nnr möchte ich nicht versäumen, einige Punkte aus der Kranken¬
geschichte meines Falles, in welchen dieser von den bisher be¬
schriebenen Fällen ab weicht nnd welche daher besonders interessant
erscheinen, kurz hervorznheben. Zunächst verdient der Umstand
Beachtung, daß es sich im vorliegenden Falle nm einen zwölf¬
jährigen Knaben handelte; meines Wissens ist in der Literatur
noch kein Fall von traumatischer Leukämie bei einem so jungen
Individnnm beschrieben worden; meistens waren es wohl Arbeiter,
die bei ihrer Berufsarbeit verunglückten nnd die dadurch, daß sie
ihre später anftretende Leukämie auf einen Betriebsunfall zurftck-
fflhren konnten, einen Anspruch auf ünfallrente gewannen. Wenn
auch in einem Teile dieser Fälle der ursächliche Zusammenhang
*) Monatzzchrift fflr ünfaUheilkunde und Invalidenwesen. Leipziff 1908;
X. Jahrgang, Nr. 11.
Berlin 1907, Seite 169.
Ein Fall Ton traamatiseher Lenkimie bei einem 12jiUirigen Knaben. i5
zwischen Leukämie and Unfall einwandsfrei dargetan ist, so ge¬
winnt der vorliegende Fall doch gerade dadurch an Beweiskraft,
daß mein Kranker keinerlei Interesse daran hatte, sein Leiden
anf einen Unfall znrfickzafiihren.
Bekanntlich unterscheidet man drei Formen der Lenkämie»
welche indes mehr oder weniger ineinander übergehen, nämlich
die lienale, die myelogene and lymphatische. Während nun
Stempel zn dem Schiasse kommt, daß nach Trauma fast ans*
schließlich die myeloide Form zur Beobachtung gelangt und es
ihm nicht sicher erscheint, ob unter den angeblich nach Trauma
entstandenen Fällen sich anch solche rein lymphatischen Charakters
befinden, so handelt es sich im vorliegenden Falle ohne Zweifel
ganz vorwiegend um die lymphatische Form; die geradezu
kolossalen Drüsenschwellnngen und das Verwiegen der Lympho¬
zyten nnter den Leukozyten des Blutes sprechen dafür.
Anch der akute Verlauf gehört in dem Maße, wie es hier
der Fall war, sicherlich zn den Ausnahmen; ist doch von dem
Tage an, wo der Knabe mich das erstemal wegen seines Nasen-
blntens anfsnchte, bis zn seinem Tode gerade nnr ein Monat
verflossen!
Zum Schluß möchte ich noch die Frage anf werten: Wie wäre
der vorliegende Fall praktisch, wenn es sich um die Erstattung eines
gmichtsärztlichen oder eines Unfallgutaehtens handelte, zn be¬
urteilen? Würde die Frage, ob die Leukämie bezw. der
infolge dieses Leidens eingetretene Tod mit dem erlittenen Trauma
in ursächlichem Zusammenhang stehe, zu bejahen oder zn ver¬
neinen sein ? Für den ersteren Fall muß das Erfülltsein gewisser
Bedingungen als unerläßliche Forderung anfgestellt werden. Zu¬
nächst muß verlangt werden, daß der Verletzte znr Zeit der
Verletzung anscheinend völlig gesund war; ferner darf der Zeit-
pnnkt, an welchem die Leukämie zuerst in die Erscheinung trat,
nicht allzuweit von dem Tage der Verletzung entfernt liegen —
Stempel gibt ein Jahr als die Höchstgrenze an —, und schlie߬
lich muß &e Art der Verletzung eine derartige gewesen sein,
daß diese geeignet war, eine Schädigung solcher Organe, welche
mit der Blutbildung etwas zu tun haben, herbeizufUhren. Da in
nnserem Falle diese drei Bedingungen erfüllt sind, so würde die
Frage nach dem ursächlichen Zusammenhänge zwischen dem Tod
an Lenkämie and dem Trauma bejaht werden müssen. Jedoch
würde es sich empfehlen, diesen Zusammenhang nicht als absolut
sicher, sondern nur als in hohem Grade wahrscheinlich hinzn-
stellen; denn nach dem heutigen Stande der wissenschaftliche)^
Forschung auf diesem Gebiete steht es noch nicht fest, ob-,b^
den Fällen traumatischer Lenkämie das Trauma die alleijiifgif
Ursache ist oder ob bereits eine gewisse Anlage vorhand/^p
für deren Weiterentwicklung das Trauma die anmittelb^,ft.,X^
anlassnng abgegeben hat. , .ü a
_ .. . . : t|M;
1! .)! iM' HI.' li
46 Dr. Arbeit: JDle oene preaS. Anweuang vom 9. Juli 1907, betr. die
Die neue preueeische Anweisung vom 9. Juii 1907 betr.
die Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten
durch die Sohuien.
Voa Med.-Bat Dr. Arbeit, Kreiearzt in Stargard (Pommern).
Darch den Erlaß vom 9. Juli 1907 ist die seit dem 14. Juli
1884 bestehende Verfü^j^ung aufgehoben. Er ist die Folge der
Senchengesetze von 1900 und 1905 und bringt bemerkenswerte
Abänderungen der bisherigen Bestimmungen; insbesondere ist vom
schnlbygienischen Standpunkte der § 2 der „Anweisung“ freudig
zu begrüßen, der zu der Hoffnung berechtigt, daß gemäß des
Hinweises im § 1 die zur Durchführung der Anordnungen ver¬
pflichteten „Schulbehörden“ gegen den zumal in Landschulen von den
Kreisärzten andauernd monierten Schlendrian in der Reinhaltung
der Schulgrundstücke, Schulräume, Brunnen und Aborte Vorgehen
werden. Der § 2 der „Anweisung“ hat in dieser Hinsicht nach
seiner Fassung Geltung, nicht blos für die Zeit etwa auftretender
Seuchen, sondern er trifft Bestimmungen genereller Bedeutung.
Danach sind „die Klassenzimmer täglich ausziikehren und wöchent¬
lich mindestens zweimal feucht anfzuwischen;“ „die Bedürfnis¬
anstalten sind regelmäßig zu reinigen“. Jährlich mindestens
dreimal hat eine gründliche Reinigung der gesamten Schulräume
einschließlich des Schulhofs zu erfolgen“. Aufgabe der Kreisärzte
wird es sein, bei den Schulbesichtigungen festzufttellen, ob und in
welcher Weise den Forderungen des Min.*Erl. Genüge geschieht.
Man findet in Pommerschen Landschulen, im Kreise Saatzig wenig¬
stens, fast durchgehends die Gepflogenheit, daß die Reinigung
der Schulräume durch die Schulkinder erfolgt; die Schulgemeinde
spart die Rcinmachefrau. Angesichts der dadurch bedingten
Gesundheitsgefahr für die fast ausschließlich mit dem Fegen und
Staub wischen beauftragten Schulmädchen — nicht immer die
kräftigsten und blühendsten — wurde diesseits bei den Schul¬
besichtigungen regelmäßig dem Lehrer unter Hinweis auf die
Gesuudheitsschädigung der Kinder gesagt, daß kein Kind zn
diesen Arbeiten auch nur mit leisem Zwange herangezogen werden
dürfe. Verlangt der Staat die Schulpflicht, so ist dafür zu sorgen,
daß die Schulkinder in jeder Hinsicht denselben Schutz ge¬
nießen wie die Impflinge und mindestens ebenso einwandsfrei
während der Schulstunden untergebracht sind, wie der Soldat in
seiner Kaserne. Es wird künftig auf Grund des neuen, im Einver¬
ständnis mit dem Minister des Innern ergangenen Erl sses des
Kultusministers nicht mehr erforderlich sein, die Lehrer bezüglich
der Reinhaltung der Schnlgrundstücke gelegentlich der Besich¬
tigungen besonders anzuregeu; es war dies immer eine undank¬
bare Aufgabe, da der Lehrer vielfach achselzuckend bemerkte:
„Ich kann das nicht ändern, dazu wird kein Geld von der Schul¬
gemeinde hergegeben.“ Der „Lehrer“ ist nach § 14 der „Anwei¬
sung“ für die Beobachtung der in dem § 2 . . . gegebenen ver¬
antwortlich. Daß aber die Forderungen des § 2 nicht durch
Heranziehen der Schulkinder erfüllt werden können, bedarf keiner
yerhatOBg der Verbreitaog ansteckender Krankheiten darch die Schalen. 47
ErörteroDK. Aach die Stadtschal-Deputationen werden kttnftig
sich za höherea Aafwendaogen für Reinigangszwecke entschließen
rnftssen. Wir Mediziaalbeamte aber wissen dem Herrn Minister
Dank fdr den energischen § 2 der Anweisung und hoffen, daß in
nicht za ferner Zeit anch die Ueberwachung des Gesnndheits-
Zustandes der Schulkinder der Resolution der diesjährigen Medi¬
zinalbeamten-Versammlung entsprechende Ber&cksichtignng finde,
zum Segen der heran wachsenden Jugend.
Die Abändernngen des neuen Erlasses gegenüber den bis¬
herigen Bestimmungen hinsichtlich der in Betracht kommenden
Krankheiten (§ 3), Persönlichkeiten (§ 4 und 5) einerseits and
der Schalaasschließung (§ 4 und 5) bezw. Wiederznlassung (§ 6)
anderseits, sind mannigfach. Eine Gegenüberstellung der alten
und der neuen Bestimmungen erleichtert die (Jebersicht. Der
neue Erlaß trifft unterschiedslos die gleiche Anordnung für Schüler
and Lehrer, sowohl hinsichtlich der Ausschließung, wie bezüglich
der Wiederznlassung zur Schule, während der Min.-Erl. von
1884 sich nur auf die Schulkinder bezog und in Ziff. 7 den Fall
der Si'.hulschliessnng erörtert, „wenn eine im Schulhaose wohn¬
hafte Person** erkrankt. Dieser Fall findet im § 12 der neuen
Anweisung seine besondere Vorschrift, anf die später noch zn-
rückgekommen werden soll.
Anwelxang ron 1884: Aniretsnng rom 9. Juli 1907:
A. Aasgeschloasen Ton der Schale warea 1. Lehrer und Schaler (§ 4),
1. Kinder, welche leiden an: welche erkrankt sind an:
Ziff. la
Ziff. Ib
1. Cholera,
2. Pucken,
8. Fleckfieber,
4. Bubr,
6. Diphtherie,
6. Scharlach,
7. Bückfallfieber,
8. Masern,
. 9. Röteln,
10. Typhös,
11. Kenchhosten (.sobald
and solange er krampf¬
artig auf tritt“),
12. Krätze,
13. Kontagiöse Aogenent-
zündang.
2. Kinder, in deren Hans-
stand eine der Krankheiten 1
bis 9 vorkommt
„es sei denn ärztlich be¬
scheinigt, daß das Schulkind
durch aasreichende Abson-
derong vor der Gefahr der
Ansteckang geschützt ist“.
§ 8a'
§3b
' 1. Cholera, 7. Bahr,
2. Pocken, 8. Diphtherie,
H. Fieckfieber. 9. Scharlach,
4. Gelbfieber*, >) 10. Bttckfallfieber,
5. Pest*. 11. Typhus,
6. Lepra“, 12. Genickstarre*,
18. Favas*, 14. Krätze,
15. Kenebhasten (ohne Einschrän¬
kung),
16. Körnerkrankheit (.solange deat-
liche Eiterabsonderung“),
17. Langen- and Kehlkopftaberka-
I lose* (.wenn and solange Tb.-
Bazillen im Aaswarf*),
IlS. Masorn, 22. Mureps*,
19. Röteln, 28. Tollwut*,
iO. Botz*, 24. Windpocken*,
21. Milzbrand *,
2. Gesunde Lehrer and Schaler
(§ 6 ).
„aas Beb aasan gen, in denen
Erkrankungen der Ziffer 1—12 (§ 3a)
Torgekommen“,
„soweit und solange eine Wei
terverbreitnng ans diesen Bebaa-
sangen durch sie zu befürchten ist.“
*) Die mit * bozeichneten Krankheiten sind im Erlaß von 1907 neu hinza-
gekommen, ab die Schalaaescbließang begründend, und zwar sind es aas dem
preafi. Seuchengesetz: (ienickstarre, Tuberkulose, Botz, Mibbrand, Tollwat;
aas dem Beichsgesetz: Gelbfieber, Pest, Lepra; außerdem: Grind (Fayas),
48 Dr. Arbeit: Die eene prenfl. Anweisuig rom 9. Jnli 1907, betr. die
Es ist also Scholaiisschliessiing Gesnnder bei Masern und
BOtelnkrankheit im Hansstande fortgefallen, dagegen bei Genick¬
starre nnd Typhns in der Beb ansang gesnnder Lehrer nnd
Schttler hinzngekommen. Auch ist bei den gesnnden Schfilem
die «ärztliche Bescheinigung* fortgefallen, welche um den un¬
unterbrochenen Schulbesuch besorgte Familien- nnd Pensions-
Torstände gern begehrten, nnd die Entscheidung tlber die Ans-
schliessung entweder dem Leiter der Schale bezw. dem Einzel¬
lehrer oder der Ortspolizeibehörde überlassen. Der hierauf be¬
zügliche § 5 lässt diese Frage zwar offen, Abs. 2 des § 5 jedoch
die Annahme zu, dass die Ortspolizeibehörde zuständig ist. Es
dürfte in diesem Falle mit Rücksicht auf den ernsten Charakter
der hierzu gehörigen Krankheiten (die 6 Reichsseuchen und 6 über¬
tragbare [§ 3a]) zu erwarten sein, dass das kreisärztliche
Gutachten erfordert wurd.
Anweisung ron 1884t Anweisung rom 9. Juli 1907: § 6.
B. Die Wiederzulassung zur Schule darf erfolgen:
a) wenn die Glefahr nach Ärztlicher
Bescheinigung beseitigt,
oder;
b) die für den ErankheitsTerlanf als
Begel geltende Zeit abgelaufen
ist (Pocken, Scharlach 6 Wochen,
Masern, Böteln 4 Wochen),
nnd (gleiche Bedingung für
a und b).
c) wenn «das Kind nnd seine Klei*
dnngsatftcke grflndlich gereinigt“
sind.
1. (§ 6a) Krank gewesener
Lehrer nnd Schttler:
a) nach ärztlicher Bescheinigung
ttber die Beseitigung der An«
stecknngsgefahr,
oder:
b) nach Ablauf der als Begel gel¬
tenden Erankheitsdauer ^e
bei der Anwebung Ton 1884),
und (gleiche Bedingung fttr
a nnd b),
c) nach erfolgtem „Bad“ nnd „Tor-
schriftsmäßiger“ Beinigung der
„Wäsche, Kleidung und persOn«
Üchen Gebranchsgegenstände* —
„bezw. Desinfektion“.
2. (§ 6b) gesunder Lehrer nnd
Schüler:
a) nach Genesung, Tod oder Kran-
kenbausttberftthrung des Er¬
krankten und
b) zuvoriger Torschriftsmäßiger Des¬
infektion ihrer Wolmränme,
Wäsche usw.
Die neue Anweisung: trifft also bezüglich der Wiederznlas-
sung krankgewesener Lehrer nnd Schülerim wesentlichen die¬
selben Bestimmangen wie die von 1884 insofern, als eine ärztliche
Bescheinigung für ausreichend erachtet wird oder die erfahrnngs-
mässig für den Krankheitsverlauf geltende Frist verstrichen sein
muss; doch ist sie wesentlich bestimmter in ihrer Forderung be¬
züglich der Reinigung und Desinfektion. Es fragt sich, wie ver¬
sichert sich der für die Durchführung dieser Bestimmung nach
§14 «verantwortliche* Schulleiter bezw. Einzellehrer in Land-
Ziegenpeter (Mumps), Win^ocken. Bei Lepra und Genickstare waren aller-
dings schon frtther auf drnnd besonderer Min.-£rL ^e Yorschiiften der
Anweisung von 1884 ausgedehnt.
Verhfttug der VerbreitUDg ansteekeBder Krankheiten durch die Schalen. 49
sehnleDy dass die Desinfektion erfolgt istP Die Ansschliessiing
ans der Schale stellt sich nach dem Seachengesetz von 1905 ids
eine polizeiliche Massregel dar; die OrtspolizeibehOrden sind gemäss
§ 5 Abs. 2 des neuen Min.«Erl. vom 9. Juli 1907 „angewiesen,
Yon jeder Femhaliang einer Person vom Schal- and Unterrichts-
besnche dem Vorsteher der Schale asw. anverzOglich Mitteilong
za machen.“ Mithin ist es auch das Recht and die Pflicht der
Ortspolizeibehörde, sich über die erfolgte „Yorschriftsmässige“
Beinigang bezw. Desinfektion der zur Schale wieder zazalassenden
Person Gewissheit za Yerschaffen and davon gleichfalls die Schale
za benachrichtigen. Erst wenn dies geschehen ist — and
zwar sowohl vor Ablauf der erfahrangsmässigen Frist mit ärzt¬
licher Bescheinigung, wie nach Ablauf —, darf die Wiederzu-
lassung erfolgen.
Die Wiederznlassnng gesnnderLehrer und Schfiler
wird abhängig gemacht von der Tatsache des erfolgten Ablaafs der
Krankheit durch Genesung oder Tod oder der erfolgten Eranken-
haasfiberfhhrang and der „vorschriftsmässigen“ Desinfektion der
„Wohnräame, Wäsche, Eleidang, persönlichen Gebraachsgegen-
stände* der Erkrankten. Auch über diese Tatsachen wird vor
der Wiederznlassnng von der Ortspolizeibehörde eine Mit¬
teilang abzawarten oder einzuholen sein.
Im Einzelnen ist za den §§ 4 and 5 des Erlasses noch
za bemerken:
§ 4 des Erlasses gibt Kenntnis von der an die Polizei¬
behörden ergangenen Anweisung, von jeder Erkrankung eines
Lehrers oder "Schülers an einer der im § 3 genannten (sämtlichen 24)
Krankheiten — Granulöse nnr solange „deutliche“ Eiterabsonde-
rong — und solcher, welche den Verdacht von Aussatz, Cholera,
Gelbfieber, Fleckfieber, Pest, Pocken sowie von Rotz, Rückfall-
fieber and Typhus erwecken, dem Schalvorsteher „unverzQglich“
Mitteilung zu machen. Die an den genannten Krankheiten lei¬
denden, bezw. den Verdacht der zuletzt genannten Krankheiten
erweckenden Lehrer und Schüler „dürfen die Scholräome
nicht betreten“.
Unter „Vorsteher der Schale“ dürfte sinngemäß bei ein-
klassigen Landschalen auch der Einzellehrer za verstehen sein,
wie aus § 14 ersichtlich. Die ganze aaf die Meldepfiicht beim
Schulleiter bezügliche Bestimmung des Erlasses, welche im Erlaß
von 1884 fehlte, ist für die Prophylaxe von wesentlicher Bedeutung.
§ 5 verpfiichtet die Polizeibehörde, auch über jede an¬
geordnete Scbnlaasschlieesnng „einer Person“ („vom Schul- und
Unterrichtsbesache“) dem Schulleiter Mitteilang „(unverzüglich“)
za machen, und zwar sowohl bezüglich erkrankter, wie bezüg¬
lich gesnnder Lehrer und Schüler ans Behansnngen, in denen
Erkrankungen an einer der sechs Reichsseachen und an Rohr,
l^hus, Rückfallfieber, GenickstaiTe, Diphtherie, Scharlach vor¬
gekommen. Für die Ansschließang* von Lehrern und Schülern,
welche an einer der zwölf in den beiden Senchengesetzen nicht
genannten, unter § 8b dieses Erlasses aber aufgeftthrten Krank-
60 Dr. Arbeit; Die neae preaß. Anweiaang vom 9. Jali 1907 betr. die
beiten leiden, ist der Schnlvorsteher zuständig. Anch ist
„seitens der Schule“ dahin zu wirken, daß der Verkehr ans-
geschlossener Schüler mit andern Kindern möglichst unterbleibe,
daß Lehrer und Schüler nicht „Behausungen“ betreten, in denen
sich Kranke der im § 8 a bezeichneten Art, oder Leichen an solchen
E[rankheiten Gestorbener befinden; Leichenfolge und Singen am
offenen Grabe ist den Schülern zu verbieten.
Zn § 6 vergleiche vorher S. 48.
Zn§7 und§U wäre statt des Wortlautes: „Kommt in
einer Schule“ eine Erkrankung . . . vor, die Fassung bestimmter:
„Erkrankt ein Zögling einer Schule oder anderen Unterrichts-
anstalt an.
Es wird im § 7 aut Diphtherie • Serum und im § 11 auf die
Schutzpockenimpfung hingewiesen, im §8 auf den Gebrauch von
Spülungen bei Diphtherie, Genickstarre und Scharlach.
§ 9 entspricht bez. Platzanweisung bei Granulöse der
alten Bestimmung. Daß ihr wegen Raummangel in Landschulen
oft nicht entsprochen werden kann, ist bekannt.
§ 10 gilt der Tuberkulosebekämpfung in der Schule. Es
soll darauf gehalten werden, daß bei Verdacht auf Tuber¬
kulose Lehrer undSchüler veranlaßt werden, ihren Auswnrf
bakteriologisch untersuchen zu lassen. Besonders dem Lehrer
gegenüber wird die Schulaufsichtsbehörde mit stärkerem Nachdruck,
als bisher möglich, diese Forderung vertreten können, zumal die
Medizinal-Untersuchungsämter die Untersuchung auf Tuberkelba¬
zillen unentgeltlich ansführen dürften.
Das Verlangen wassergefflllter „leicht erreichbarer“ Speise-
gefässe in „ausreichender“ Anzahl, an „geeigneten“ Plätzen wird
dem Kreisärzte Gelegenheit geben, darauf hiozuwirken, daß statt
der in einsamen Winkeln stehenden und daher nicht benutz¬
bare Schalen zweckmäßigere Vorrichtungen getroffen werden.
Kirchner hat in seiner Monographie „die Tuberkulose und die
Schule“ zuerst darauf hingewiesen, daß an dem allgemein
festgestellten Rückgänge an Tuberkulose*Sterblichkeit
das jugendliche Alter keinen Anteil habe, dass die Zu¬
nahme der Sterblichkeit in den Altersklassen 5—15 Jahren größer
sei, als in den übrigen und dass die Tuberkulose-Sterblichkeit im
schulpflichtigen Alter von 11—15 Jahren gegenüber Scharlach,
Masern, Keuchhusten, Diphtherie an höchster Stelle stehe. Ange¬
sichts dieser Tatsache, bedeutet der Erlass auch bezüglich der
Tuberkulosebekämpfung durch die Schule einen erfreulichen Fort¬
schritt Zugleich darf wohl der Hoffnung Ausdruck gegeben werden,
dass dem einhelligen Beschloss der Medizinal beamten betreffs der
Notwendigkeit der Bestellung von Schulärzten — auch für
Landschuieu — seitens des Herrn Ministers Rechnung ge¬
tragen wird. Bedarf es doch nur einer Anregung dazu bei den
Schulbehörden! Der Kostenpunkt kann kein Hindernis sein.
*) Berlia 1906; Bich. Schötz.
Verhätnog dor Verbreitong ansteckender Krankheiten dnrch die Schulen. 61
Man rechne etwa 90 Scfanlen eines Landkreises; ein gewandter
üntersncher erledigt an einem Keisetage 2—3 Schulen; innerhalb
2 Monaten wären jährlich alle Schalkinder besichtigt mit einem
Kostenaufwand von 30—40 Mark für eine Tagesreise, also mit
10—20 Mark Beisteuer für den verpflichteten Schulverband. Zu¬
gleich wird, wenn der Kreisarzt anteilweise dabei mitwirkt, die
schulbygienische Kontrolle intensiver nnd nutzbringender sein als
bei dem fünfjährigen Turnus. Es kann diesseits der optimistischen
Auffassung, wie herrlich weit wir es mit dem § 94 der Dienst-
auweisung gebracht hätten, nicht zugestimmt werden: Die un¬
bedeutenden Mängel werden gern beseitigt — den großen, wichtigen
in bezug auf Luftraum, Beleuchtung, Reinigung, Bankfrage, Turn¬
platz, Brunnenbescbafienheit wird vielfach, mit Hinweis auf die
Finanzlage, aus dem Wege gegangen. Der Kreisarzt ei fährt da¬
von nur gelegentlich einmal etwas. Die Autorität der Medizinal¬
beamten aber gegenüber anderen wichtigen Forderungen z. B.
aus § 35 Reiclisseuchengesetz und § 29 Prenß. Seuchengesetz
gewinnt keinesfalls, wenn die Schulvorstände den Kreisarzt im
Kampfe um das Notwendige ex officio unterliegen sehen.
Warum soviel Schönfärberei! Wo hätten Landräte bezw.
Kreisansschüsse von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, für das
platte Land gemäß § 12 Kreisarztgesetzes Gesundheits-Kommis¬
sionen einzurichten? Zweifellos würde die Hygiene auf dem
Lande, die der Ministerial-Erlaß vom 22. Juni 1907 zu heben
bestrebt ist, im Wege fortgesetzten Gedankenaustausches zwischen
Kreisarzt, Amtsvorsteher, Gemeindevorsteher, Geistlichen, Lehrer
u. a. interessierten Persönlichkeiten innerhalb jährlich sich wieder¬
holender Sitzungen — nach Amtsbezirken — eine stetig wachsende
nnd stärkere Förderung erfahren, als es im Wege der öjäbrigen
Ortsbesichtignngen möglich ist, an denen sich oft niemand oder
nur der Ortsschulze pfiichtgemäß „beteiligt“. Nur in sietem Kon¬
takt mit der Bevölkerung und nur in ganzer, voller Amtsstellung
vermag der Medizinalbeamte seiner schweren Kulturaufgabe gerecht
zu werden.
Die §§ 12 und 15 des Erlasses behandeln die Schul-
schließung bei Erkrankungen im, Schulgebäude selbst
wohnhafien Personen (§ 12) bezw. bei Epidemien in Ortschaften
(§ 15). Die Bestimmungen sind in beiden Fällen verschiedene;
hinsichtlich der die Scbulschließung begründenden Krankheiten
epidemischen Charakters scheiden im § 15 naturgemäß Lepra und
EU)tz aus. Die Schnlschließuog unter der Voraussetzung des
§ 12 (Erkrankung im Schulgebäude) ordnet der Direktor, in
Landkreisen der Landrat, in Stadtkreisen der Bürgermeister an
— nach vorgängiger .4ahörang des Kreisarztes und Begutachtung
desselben über die Absonderung des Kranken. Dagegen ent¬
scheidet über die Schulschließung bei epidemischem
Auftreten (§ 15) „die Schulaufsichtsbehörde“ (Re¬
gierung) nach Anhören des Kreisarztes; „bei Gefahr imVer-
zuge“ kann „der Vorsteher der Schale“ (Rektor, Direktor) auf
Grund eines ärztlichen Gutachtens die Schließung vorläufig an-
52 Dr. Arbeit: Oie neue preoB. Aaweienag yom 9. Jnli 1907 new.
ordnen, hat aber der SehnlanfsichtsbehOrde sowie dem Landrat
(bezw. Bflrgfermeister in Stadtkreisen) Anzeige zn machen, anch
ist er verpflichtet, alle gefahrdrohenden Erankheitsverhältnisse
zur Kenntnis der Aufsichtsbehörde (Begierung) zu bringen (§15).
Es bedeutet der § 15 insofern eine sehr wesentliche Aende-
rong, als bisher bei epidemischem Auftreten ansteckender Krank¬
heiten der Ortsschulinspektor vorläufig, der Landrat nach Benehmen
mit dem Kreisarzt endgültig die Schuischließung anordnete. Man
wird im Interesse der Schule anuehmen dürfen, daß bei „Gefahr
im Verzüge“ auch künftig der Ortsschulinspektor oder der Landrat
zum vorläufigen Schließen der Schule die Befugnis behalten.
Zur Wiedereröffnung — nur auf Grund des kreisärzt¬
lichen Gutachtens — ist nach § 16 des Erlasses der Schul¬
direktor (höhere Schulen), der Landrat bezw. in Stadtkreisen der
Bürgermeiser zuständig. Es ist nicht ersichtlich, weshalb über
die Schnlschließung wegen Epidemien eine andere Instanz zu
entscheideu hat als bei der Wiedereröffnung; der Instanzenweg
zur Schulaufsichtsbehörde ist für die Frage der Schließung er¬
schwert, verlängert, für die Eröffnung erleichtert, verkürzt; die
umgekehrte Anordnung dürfte zweckdienlicher im Interesse der
Verhütung der Verbreitung der Infektionskrankheiten scheinen.
Nach § 17 der Anweisung gelten ihre sämtlichen Vor¬
schriften auch für Erziehungsanstalten, Kinderbewahran¬
stalten, Spielschnlen, Warteschulen, Kindergärten,
Krippen. Auch in diesen der privaten Wohltätigkeit zumeist
entstammenden Anstalten wird bei den kreisärztlichen Besich¬
tigungen mit mehr Nachdruck auf die Reinlichkeitsfordernngen
hingewirkt werden dürfen.
Die Empfehlung in § 18 der Anweisung, die Schüler über
die Bedeutung, die Verhütung und Bekämpfung der übertragbaren
Krankheiten gelegentlich des naturwissenschaftlichen Unterrichts
aufznklären, setzt bei den Lehrern Kenntnisse voraus, die sie im
allgemeinen auf dem Gebiete der Gesnndheitslehre nicht besitzen,
da sie ihnen in der Ausbildungszeit in nur unzureichendem Maße
übermittelt sind. Dem Kreisärzte erwächst zunächst die im § 14
der Dienstanweisung berührte Aufgabe, an den Kreislehrer-
Eonferenzen sich durch entsprechende Vorträge zu beteiligen.
Es wäre erwünscht, daß, sofern Reisen erforderlich sind — und
das ist in allen Kreisen der Fall — sie als Dienstreisen zoge-
lassen würden, zumal sie mit baren Auslagen verbunden sind.
Im übrigen gibt die Schule die beste Gelegenheit, die Lehren
der Hygiene in die Familien hineinzutragen. Die Schule und die
Kaserne sind die beiden gewaltigen Stützen, auf denen des Volkes
Größe sich anfbaut. Die Tragfähigkeit beider im Gleichgewicht
zu erhalten, ist des Schweisses wert. Jeder Schritt vorwärts in
dieser Richtung bedeutet einen Gewinn für die nächste Generation
und für die Anfwärtsentwickelnng des Vaterlandes. Videant
consnles!
Dr. Schneider: Vergleichende Vereache zwischen Lysol a. Kresolseile nsw. 58
Vergleichende Desinfektioneversuche zwischen Lysol und
der neuen Kresolseife des Preussischen Ministerial-Erlasses
vom 19. Oktober 1907.
Von Dr. Hans Schneider in Hamborg.
Der von der Medizinalverwaltang des Enltasmiiusteriiiins
erg^gene Erlaß bestimmt, daß seitens der Hebammen kftnftighiii
an Stelle von Lysol eine Kresolseife, deren Darstellnng des nftheren
beschrieben ist, Anwendung zn finden habe.
Der erste Absatz der Verordnung lautet:
„Nachdem die aageordneten üntereochongen ein Eresolseifenpriparat
ergeben haben, welches dem Lyaol nicht allein in den allgemeinen Sagen*
schäften gleichwertig, sondern in bezog aof seine deaiDflzierende Wirkong noch
überlegen ist, bestimme ich in Abänderong der §§ 109, 113, Ziff. 7 bis 10 ond
194, Zm. 11, sowie aoch der sonstigen Bestimmongen des Hebammen-Lehrboches
(Aasgabe 1905), daß an Stelle des Lysols von non an die „Kresolseife* der
nachstehenden Vorschrift gem&ß seitens der Hebammen zor Anwendong
gelangt.*
Zur Herstellung der Kresolseife findet ein Kresol vom Siede¬
punkt 199—204** Anwendung, das ans einem technischen Gemisch
von meta- und para-Kresol (za. 60 meta und 40 para-Verbindung)
besteht und im wesentlichen den Anforderungen entspricht, welche
von Herzog*) und Emde*) in ihren Vorschlägen zur Au&abme
eines neuen Kresolum crudum in das Deutsche Arzneibuch gestellt
worden sind. — Beide haben nämlich gefordert, daß aus dem
gleichzeitig ortho-, meta- und para-Kresol enthaltenden Tri-Kresol
die ortho-Verbindung entfernt werden solle, da diese gegenüber
der meta- und para-Verbindung an Desinfektionskraft erheblich
minderwertig sei. — Eine derartige Minderwertigkeit von ortho-
Kresol kann ich aber, soweit es sich um ein Gemisch desselben
mit Seife handelt, nach meinen früheren Untersuchungen nicht
bestätigen. Während meiner mehrjährigen Tätigkeit im König¬
lichen lostitut für Infektionskrankheiten habe ich mich eingehend
mit dem Studium der Kresole und ihrer bakteriziden Wirksamkeit
beschäftigt und hierüber in einer anfangs 1906 erschienenen Arbeit
„Ein Beitrag zur Kenntnis der Phenole in Verbindung mit Säuren
und Gemischen mit Seifen"*) ausführlich berichtet. In dieser
gelangte ich auf Grund vergleichender Desinfektionsversuche zu
dem Resiütate, daß in Gemischen mit Seife Unterschiede von
praktischer Bedeutung zwischen ortho- und para-Kresol nicht be¬
stehen; nur das meta-Kresol fand ich etwas wirksamer als die
bdden Isomeren, wie das auch schon früher von anderer Seite
mehrfach nachgewiesen worden ist.
Ich habe bereits im Jahre 1905, wie dies ans meiner oben
zitierten Arbeit hervorgeht, durch Ausscheidung des ortho-Kresols
versucht, eine desinfektorisch wirksamere S^resolseife zn erhalten,
als es mit dem Tri-Kresol der Fall ist. Diese Versuche hatten
ein durchaus negatives Ergebnis. Daher mußte ich mich beim Eh*-
*) Apotheker-Zeitaiig; 1907, Nr. 8.
*) Apotheker-Zeitang; 1907, Nr 11.
*) Zeitachrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; 6d. 53, S. 116.
54 Dr. Schneider: Vergleichende DesinfcktionsTersache zwischen Lysol nnd
scheinen des Erlasses wnndern, als in diesem gesagt wurde, daß
die neue, mit einem meta-para-Kresolgemisch hergestellte Eresol-
seife dem Lysol, das ein außerordentlich wirksames und sorgfältig
ansgewähltes Tri-Eresol enthält, und das in meine früheren
Versuche einbezogen war, überlegen sei. In einem Gutachten,
das der Geh. Regierangsrat Prof. Dr. Proskauer in seiner frü¬
heren Stellung als Abteilungsvorsteher am Institut für Infektions¬
krankheiten im Oktober 1906 abgegeben hat, nnd das an den
Direktor des pharmazeutischen Instituts in Berlin, Prof Dr.
Thoms, gerichtet ist, heißt es wörtlich (zitiert nach Herzog):^)
„Die mir unter dem 30. Jali d. J. zageätellte Eresolaeifenlösang (aus
60 "/o m-Kresol enthaltendem Bohkresol bereitet) hat mit Staphylokokken
(Agar- und Boaillonkuituren) geprüft, eine etwas stärkere Wirkung gezeigt,
wie das Leinölseifen-Eresoipräparat, das ich im vorigen Jahre von Ihnen er¬
hielt, und war wenig schwächer als Lysol. Dieser letztere Unterschied war
BO unwesentlich, daß er für die praktischen Zwecke der Desinfektion nicht
mehr in Betracht kommen würde.“
Die in diesem Gutachten zuerst erwähnte Eresolseifenlösung
war dem neuen Erlaß entsprechend zusammengesetzt nnd es ist
deutlich gesagt, daß sie schwächer wirke wie Ly^ol. Auf Grnnd
welcher weiteren Gutachten die Medizinal^erwaltung des Mi¬
nisteriums dann zn der Ueberzengung gelangt ist, daß die neue
Eresolseife wirksamer sei als Lysol, entzieht sich meiner Eennt-
nis, es wäre aber wünschenswert, wenn diese Gutachten an die
Oeffentlichkeit gelangen würden, damit sie einer exakten Nach¬
prüfung unterzogen werden könnten.
Ich habe inzwischen bereits vergleichende Desinfektions-
versnehe zwischen Lysol und der neuen Eresolseife, unter Be¬
nutzung verschiedener Eouzentrationen und verschiedener Prüfungs-
methoden angestellt nnd nicht in einem einzigen unter
21 Fällen eine Ueberlegenheit der neuen Eresolseife
feststellen können. Im Gegenteil, fast durchweg zeigte das
Lysol eine erheblich höhere Wirksamkeit.
Das meta-para-Eresolgemisch, das ich zur Herstellung der
neuen Eresolseife verwendete, stammte von der chemischen Fabrik
Dr. F.Rascbig, Ludwigshafena.Rh., und war unter Garantie,
als dem Erlaß entsprechend, geliefert worden. — Seih
Siedepunkt lag innerhalb der geforderten Grenzen, nämlich bei
199—201®.
Bei Anfertignng der Eresolseife wurde genau nach der Vor¬
schrift des Erlasses verfahren. Ich gebe untenstehend in tabella¬
rischer Anordnung ein Protokoll über eine Versuchsreihe (I) und
bemerke, daß das Ergebnis der übrigen Versuche hiervon nicht
wesentlich ab weicht.
Weitere Untersuchungen, welche mehrfach kontrolliert wurden,
erstreckten sich auf die Wirkung von Lysol im Vergleich zu ver¬
schiedenen Handels-Eresolseifen, welche als dem Erlaß ent¬
sprechend geliefert worden waren. Es wurden bezogen: Ere¬
solseifen
I. von der Firma Schneider <& Gottfried, Cassel;
♦) 1. c.
der Deaen Eresolscifc dea Preoß. Min.« Erlasses t. 10. Oktober 1907. 55
11. von der Firma Bollmann & Gran, Berlin;
III. Ton der ehern. Fabrik Ladenburg, G. m. b. H., Ladenbnrg
bei Mannheim;
IV. Yon Scherings ,Grüner Apotheke*^, Berlin (nach Rezept
gefordert);
y. Yon Ln ca es Apotheke, Berlin, Unter den Linden (nach
Rezept frisch bereitet).
Die Ergebnisse der damit ansgeführten Desinfektionsversnehe
sind in der Versuchsreihe II zusammengestellt.
Das Yollständige Material, sowie die Resnltate von noch nicht
abgeschlossenen DesinfekiionsYersuchen, welche sich auf Eresol*
seifen ans chemisch reinen Eresolen beziehen, werde ich in nächster
Zeit in einer hygienischen Zeitschrift publizieren. Ich werde dann
zugleich anf die Arbeiten vonFraenkel, Henle, Fischerand
Koske, Hammer, Hammerl, Seybold, Fehrs and Rapp
zurückkommen, welche sich mit der Desinfektionswirknng der drei
isomeren Eresole beschäftigt haben und znm großen Teil zn ähn¬
lichen Resnltaten wie die meinen bezüglich der Wirksamkeit des
ortbo-Eresols gelangt sind.
Meine üntersuebungen sind unter Einhaltung exakter Prfifungs-
methoden aasgeführt und basieren auf den Grundsätzen, wie sie
Yon Seligmann und mir in einer im Eönigl Institut für In¬
fektionskrankheiten angefertigten und zurzeit im Druck befindlichen
Arbeit: „Stadien zur Wertbestimmnng chemischer Desinfektions¬
mittel* *) niedergelegt sind.
Bei den folgenden Tabellen ist sowohl die Art der Prüfung,
wie das Yerwendete Testmaterial genannt, — in der Hauptsache
benutzte ich zn meinen Versuchen, wie das jetzt allgemein üblich
ist, Staphylokokken.
Versnehsreihe I.
Testmaterial: Stapbylococcas pyogenes anreos.
100 ccm Boaillon worden mit 2 Normaiödcn Staphylokokken-Agarkultar
beimpft and 24 Standen im Bratschrank belassen.
Eine Abgemessene Menge der gleichmäßig dichten Bonillonkaltar warde
jeweils mit der gleichen Menge Desinfektionslösong yon doppelter Konzentration
als io der Tabelle yerzeichnet, yermisebt nnd zn den angegebenen Zeiten eine
Oese yon 3 mm Darcbme8>er in 10 ccm Nährbonillon yerimpft. Die Versnehs-
röbreben worden so lange bei Brotschrankwärme beobachtet, bis dieVersnebsreihe
mehrere Tage bindorch ein konstantes Aassehen zeigte.
Schloßresoltate in der folgenden Tabelle.
Dos Zeichen -{- bedeutet Wsebstom, das Zeichen — AbtOtang.
Dauer der Einwirknng
des Desinfektionsmittels, Min.:
3
6
9
12
15
20
25
30
35
40
45
Lysol «/*%
Kresolseife nach Erlaß „
+
+
+
T
t
+
+
-f
+
+
+ 1
+
.+ 1
Lysol */4 7o
Kresoaeife nach Erlaß „
+
+
+
—
—
—
Lysol 17o
Kresolseife nach Erlaß „
+
1 -
—
—
') Zeitschrift für Hygiene and Infektionskrankheiten.
56 Or. Schneider: Vergleichende DesinfektionsTerenche zwischen Lysol und
Während also bei Lysol Vtprozentig eine Abtötnng in 30/'er*
folgte, war bei der Eresolseiie in 45' noch keine Desinfektions*
Wirkung za konstatieren. — Lysol ‘/«prozentig wirkte in 6', die
Eresolseife in 15'; Iprozentig ersteres innerhalb 3', die letztere
erst innerhalb 3—6'.
.Versuchsreihe IL
Testmaterial: Staphylococcns pyogenes aureus.
100 ccm Bouillon wurden mit 2 Normalösen 24stllndiger Stapbylokokken-
Agarknltur beimpft, 24 Stunden im Brutschrank belassen, und hierauf mit 60 ccm
sterilen Leitnngswassers Terdttnnt. — Alsdann wurde wie bei Versuchsrdhe I
rerlahren.
Die Besultate blieben nach Verlauf Ton 48 Stunden während mehrtägiger
Beobachtnngsdauer im Brutschrank konstant.
i/s Prozent.
Däner der Einwirkung
des Desinfektionsmittels, Mbnten:
24
80
86
42
48
64
1
1
66
66
72
80
1. Lysol V*'’/o
2. Eresolseife
+ !
+
+
+
+
—
—
—
—
—
n. Erlaß, Schneider & Gottfried „
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
8.
„ Bollmann & Gran „
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
4.
„ Ladenbnrg ,
+
+
+
+
+
+
+
+
+
5.
„ Schering ,
+
+
+
+
+
+
+
+
+
6.
» Lucae ,
+
+
+
+
+
+
+
+
+
'/4 Prozent.
Dauer der Einwirkung des Desinfektionsmittels,
Hin.:
6
12
18
24
80
1. Lysol
•/«7<»
+
—
—
—
—
2. Eresolseife nach Erlaß, Schneider & Gottfried
»
+
+
+
—
—
3.
„ „ Bollmann & Grau
n
+
+
—
—
—
4.
, „ Ladenburg
H
+
—
—
—
—
5.
, , Schering
yi
+
+
+
—
—
6.
„ „ Lucae
fl
+
+
+
+
—
1 Prozent.
Dauer der Einwirkung des Desinfektionsmittels, Min.:
2
4
6
3
10
1. Lysol
17.
—
—
—
—
—
2. Kresolseife nach Erlaß, Schneider & Gottfried „
+
—
—
—
—
fl
„ „ Bollmann & Gran ,
+
—
—
—
—
4.
„ „ Ladenburg „
+
—
—
—N
—
5.
• , Schering .
+
—
—
—
—
6.
, , Lucae ,
+
+
““ 1
—
—
Nach den yorstehenden Protokollen der Versachsreibe U
— die verwendete Enltar zeigte höhere Resistenz als bei I —,
war Lysol, ^/sprozentig, in 54' wirksam, während die übrigen
Präparate noch bei 80' keine Abtötnng erzielt hatten. Das
Präparat Ladenbarg zeigte in den Versuchsröhrchen langsameres
Wachstum als die übrigen Eresolseifen.
‘/«prozentig zeigte Lysol mit der Eresolseife Ladenbarg
gleiche Wirkung, Abtötnng innerhalb 6 bis 12'. Das Präparat UI
d«r Bea«ii Kresolfleife des Preofi. Hin.-ErlMses r. 19. Oktober 1907. 57
wirkte innerhalb 12 bis 18'; nnd die übrigen wirkten innerhalb
18 bis 24% bezw. 24' bis 30'.
Bei 1 Proz. sind nnr geringe Unterschiede za verzeichnen;
immerhin steht auch hier Lysol an der Spitze, während das Prä¬
parat Lncae am wenigsten wirksam ist.
Das Schlnßergebnis meiner üntersnchangen ist,
knrz zasammengefaßt, das folgende:
Lysol, das als wirksamen Bestandteil Tri-Eresol enthält, ist
der neuen Eresolseife des Hebammenerlasses, welche mit einem
meta-para-Eresolgemisch hergestellt wird, an Desinfektionskraft
überlegen, was sich besonders in schwächeren Losungen (Vi proz.)
erheblich bemerkbar macht.
Es liegt daher meiner Ueberzengong nach keine Veranlassung
vor, dieses in der Hebammenprazis seit vielen Jahren bewährte
und auf seine gleichmäßige Zasammensetzang und Wirksamkeit
hin sorgfältig kontrollierte Präparat der neuen Eresolseife gegen¬
über als geringer wirksam zn bezeichnen and vom Gebranch durch
die Hebammen auszuschließen, wie es in dem Erlaß geschieht;
üntersnchangen von anderer Seite werden die Richtigkeit meiner
Angaben bestätigen.
Das preussische Medizinalwesen im Staatshaushalts-Etat
für 1908/1909.
Vom Heraasgeber.
Wer sich der Verhandlnngen des Abgeordnetenhauses im
vorigen Jahre erinnert, wird jedenfalls einen ganz anderen Etat
für das Medizinalwesen erwartet haben, als den von der Staats-
regiemng für das Jahr 1908/1909 vorgelegten. Von sämtlichen
Betern, die bei der betreffenden Sitzung (17. April v. J.) das
W(»t n^men, die Abg. Dr. Rnegenberg (Zentr.), Dr. Eeil-
Halle und Meyer-Diepholz (nat.-lib.), Lüdicke-Potsdam(freikons.)
and Münsterberg (freis. Verein.) —, also mehr oder weniger
von Vertretern sämtlicher Parteien wurde damals die Reform¬
bedürftigkeit der amtlichen Stellung und der Pen¬
sionsverhältnisse der nichtvollbesoldeten Ereisärzte
anerkannt nnd betont, daß die Grundsätze, von denen bei der
Beratung nnd dem Erlaß des Ereisarztgesetzes ausgegangen sei,
sich seit dem Inkrafttreten des Gesetzes als unhaltbar und un¬
richtig erwiesen hätten; dies gelte insbesondere von denjenigen,
die f^ das Gehalts- und Pensionierungssystem der
nicht vollbesoldeten Ereisärzte, für die Höhe der amtsärzt¬
lichen Gebühren nnd für die Bemessung der Dienstauf-
wandsentschädigung als maßgebend angenommen seien.
75% der Ereisärzte seien vollständig durch ihre Dienstgeschäfte
in Anspruch genommen nnd lediglich anf die Einkünfte ans ihrem
Amte angewiesen; das Durchschnittseinkommen ans amtsärztlichen
Gebühren stelle sich aber in Wirklichkeit nur auf den vierten
Teil des früher dafür angenommenen Betrages (500 Mark statt
2000 Mark), so daß das pensionsfähige Einkommen der nicht voll-
58
Dm preofiiseh« ICediriiuüwMea
besoldeten, aber yollbeschäftigten KreisArzte als nnzareiehend
bezeichnet werden mftsse. Um so notwendiger sei daher, Überall
da, wo der Nachweis der vollen Beschäftigung erbracht sei, die
nicht vollbesoldeten Stellen in vollbesoldete nmznändem nnd mit
dieser Umwandlung in schnelleren Tempo vorzugehen
als bisher. Jedenfalls genüge die im vorjährigen Etat vorge*
sehlagene Umwandlung von nur 5 nicht vollbesoldeten Kreisarzt-
steilen nicht im entferntesten, nm jenen Mißstand zu beseitigen.
Diese Forderungen, die sich vollständig mit den Wünschen
der beteiligten Medizinalbeamten decken und von dem Vorstand
des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins s. Z. dem Herrn Res¬
sortminister in einer besonderen Eingabe vorgetragen nnd ein¬
gehend begründet sind, wurden in jener Sitzung auch von dem
Vertreter der Königl. Staatsregiernng, H. Ministerialdirektor Dr.
Förster als berechtigt anerkannt Es wurde von ihm ausdrüdc-
lich zugegeben, daß die Entwicklung der kreisärztlichen Verhält¬
nisse über den Rahmen des Ereisarztgesetzes insoweit herans-
gegangen sei, als heute eine ganze Reihe nicht vollbesol¬
deter Kreisärzte wegen der Fülle der ihnen oblie¬
genden Dienstgeschäfte Privatprazis weder treiben,
noch treiben können, und, obwohl vollbeschäftigt,
doch nur auf halbe Staatsbesoldjing angewiesen seien.
Es sei in der Tat eine Anomalie, ein Mißstand, der mit der
Zeit beseitigt werden müsse, und zwai* dadurch, daß in Zukunft die
Umwandlung der nicht vollbesoldeten Stellen in vollbe¬
soldete in größerem Umfange als bisher dnrchgeführt
werde. Auch die zeitigen Mißverhältnisse in bezog der
Pensionirung der nicht vollbesoldeten Kreisärzte wurden vom
Herrn Vertreter der Staatsregiernng anerkannt und bedauert, daß
die Verhandlungen über eine, in der Hauptsache den Wünschen
der Kreisärzte Rechnung tragende Abänderung noch nicht zum
Abschluß hätte gebracht werden können. Und was ist nun das
Resultat der vorjährigen Verhandlungen? Ueber eine ander¬
weite Regulierung der Pensionsverhältnisse enthält der
Etat nicht die geringste Andeutung nnd statt „fünf" vol^
beschäftigte Kreisärzte im Vorjahre sind in diesem Etat
„sechs" vorgesehen! Von einer umfangreichen Umwandlung dieser
Stellen ist also nichts zu merken, obwohl die jetzigen Verhält¬
nisse von Jahr zu Jahr unhaltbarer werden und ihre Abänderung
keineswegs nur im Interesse der beteiligten Medizinalbeamten,
sondern uooh weit mehr im Interesse des öffentlichen
Wohls liegt, da die gedeihliche Entwicklung des Medizinalwesens
und der ganzen öffentlichen Gesundheitspflege mehr oder weniger
davon abhängt, daß die hierfür in erster Linie zuständigen Beamten
nicht nur im Hauptamt angestellt, sondern auch ihrer vollbe¬
schäftigten Amtstätigkeit entsprechend besoldet werden. Es kann
nach Lage der Sache wohl angenommen werden, daß die in dieser
Hinsicht von Seiten des Kultusministeriums gemachten Vorschläge
von dem Finanzministerium mit Rücksicht auf die ungünstige Finanz¬
lage abgelehnt sind. Aber wie reimt sich diese Ablehnung znsammmi
im StMtsbMflhaltS'Etat fttr 1908/1909.
69
mit der Einstellimg von 86 neaen Begienmgeratsetellen in den Etat
deren Beddrlnis im Abgeordnetenhanse bei der ersten Etatsberatnng
Ton ▼erschiedenen Seiten anfs Lebhafteste bestritten istP Der dafllLr
eingestellte Betrag yon 126000 Mark würde genügt haben, nm
nicht weniger als 87^) nicht vollbesoldete Kreisarztstelleu in vollbe-
soldete nmzawandeln! Sicherlich würde durch eine solche Aendernng
des Etats dem öffentlichen Wohl und einem allseitig anerkannten
Bedürfnisse mehr gedient sein, als durch die Neubeschaffung jener
Stellen. Die Budgetkommission des Abgeordnetenhauses würde sich
demzufolge ein großes Verdienst erwerben, wenn sie eine derar¬
tige Abftnderung des Etats beschließen würde; auf die Zustimmung
des Plenum dürfte sie nach dem Verlauf der yorj&hrigen Ver¬
handlungen jedenfalls rechnen können. Von Seiten des Herrn
Finanzministers wird zwar voraussichtlich einem derartigen Vorge¬
hen entgegengehalten werden, daß das Abgeordnetenhaus selbst bei
den Beratungen des Ereisarztgesetzes s. Z. den Grundsatz ver¬
treten habe, der vollbesoldete Kreisarzt solle die Ausnahme und
der nicht vollbesoldete die Hegel bilden. In dem Gesetz heißt
es jedoch: ,wo besondere Verhältnisse es erfordern, können voll¬
besoldete &eisärzte angestellt werden;“ solche besonderen Ver¬
hältnissen müssen aber überall da angenommen werden, wo der
Kreisarzt vollbeschäftigt ist und außer Stande ist, ärzt¬
liche Privatprazis zu treiben, also die Voraussetzungen für einen
nicht vollbesoldeten Kreisarzt nicht mehr zutreffen. Der Wortlaut
des Gesetzes würde demnach an sich nicht dagegen sprechen, wenn
jetzt den veränderten Verhältnissen entsprechend der umgekehrte
Weg eingeschlagen und der vollbesoldete foeisarzt die Regel und der
nicht vollbesoldete die Ausnahme büden würde. Hat man aber
trotzdem Bedenken gegen eine solche Gesetzesanslegnng, so dürfte
es sich empfehlen, den § 3 des Kremarztgesetzes den jetzigen
Verhältnissen entsprechend zu ändern und ihm etwa folgenden
Wortlant zu geben:
„Der Kreisant ist ein Tollbesoldeter Beamter. Br besieht ein festes
Dienst^kommen unter Ausschlofi von Qebtthren. Soweit nach den bestehenden
Gtebtthren zu entrichten sind, fließen diese ln die Staatskasse. Die Aasflbung
der Ärztlichen PriTztpraxis usw. wie bisher.
Wo besondere Verhältnisse vorliegen, können nicht vollbesoldete Ereis-
ärste angestellt werden, denen die Aasflbung der ärztlichen Privatpraxis ge¬
stattet ist, soweit ihre amtliche Tätigkeit nicht darunter leidet. Bei ihrer Ver¬
setzung in den Buhestand steht ihnen das gleiche Buhegebalt wie das der
ToUbesoldeten Kreuärzte von demselben Dienstalter zu. Die Berechnung von
Witwen- und Waisengeldem aii die Hinterbliebenen erfolgt nach demselben
Grundsätze.“
ünd vievid würde dem Staate die Durchführung einer
solchen veränderten Stellung der Kreisärzte kosten? Nicht mehr
als 600000 Mark,*) ein Betrag, der gegenüber den vielen Millionen,
die jetzt in dankenswerter Weise für die Gehaltsaufbesserungen
M Die Mehrkosten fflr einen voUbesoldeten Kreisarzt betragen nach dem
Etat 8^ -f 690 — 2700 => rund 1500 M.
*) Es ist hierbei angenommen, daß 75*’/o der Kreisärzte vollbeschäftigt
sind und demnach voll boMdet werden mflßten; rund 875 bei eher Gesamtzahl
von ^7. Da von diesen bereits 48 vollbesoldet sind, würden noch 889 Stellen
60
Das preußische Medizinalwesea
der Beamten, Geistlichen, Lehrer nsw. in den Stat gestellt sind,
wirklich nicht ins Gewicht fallen kann and außerdem den nicht zn
unterschätzenden Vorteil hat, daß einer Beamtenklasse, deren
Amtstätigkeit für das gesundheitliche Wohl der ganzen Bevölkerung
von der allergrößten Bedeutung ist, endlich auch finanziell die
Stellung gegeben wird, die sie durch ihre Vollbeschäftigong schon
längst verdient. Bereits bei Erlaß des Ereisarztgesetzes ist von
verschiedenen Seiten vorausgesagt, daß die hier mit Recht ge*
stellten Aufgaben in der Mehrzahl der Kreise nur ein vollbe*
soldeter Beamter gerecht werden könne; diese Ansicht hat sich
schneller, als die Vertreter der gegenteiligen geglaubt haben, aJe
zutreffend herausgestellt; sollen nun die Beamten infolge dieses
Irrtums noch länger als bisher darunter leiden? Gerade das Ab¬
geordnetenhaus hat früher entgegen dem nrsprönglichen Vorschläge
der Medizinalverwaltung, sämtliche Kreisärzte als vollbesoldete
Beamte anzustellen, in seiner überwiegenden Mehrheit den Stand¬
punkt vertreten, daß der Kreisarzt nur halb besoldet zu sein brauche
und ihm die Ausübung der Privatpraxis auch ferner gestattet
werden könne; umsomehr ist auch Sache des hohen Hauses, Ab-
hülfe zu schaffen, nachdem es selbst jene Voraussetzung als unzu¬
treffend anerkannt hat.
Nach einer anderen Richtung hin ist die Königliche Staats¬
regierang dagegen den Wünschen des Abgeordnetenhauses bereit-
wUlig entgegengekommen, d.L die Pauschalierung der Reise¬
kosten und Tagegelder der Kreisärzte, für die ein Betrag
von 865000 Mark in den Medizinaletat eingestellt und dafür die
gleich hohe Summe im Kap. 58, Tit. 11 des Etats des Finanz-
miniteriums (Diätenfonds der Regierungen) abgesetzt ist. Es
muß zunächst auffallen, daß eine Pauschalierung der Reise¬
kosten und Tagegelder bei den Kreistierärzten entgegen den
Wünschen des Abgeordnetenhauses nicht stattgefunden hat, obwohl
gerade die Verhältnisse in bezug auf die Notwendigkeit von Dienst¬
reisen bei den Kreistierärzten genau so liegen wie bei den Kreis¬
ärzten, nur mit dem Unterschiede, daß diese verhältnismäßig mehr
Veranlassung zu Dienstreisen haben als jene, da ihnen außer den
Ermittelungen bei ansteckenden Krankheiten auch noch viele andere
Dienstreisen, z. B. wegen Ortsbesichtigungen, Teilnahme an
Sitzungen der Gesundheitskommission, Revisionen von Kranken¬
anstalten, Wasserleitungen usw., erwachsen. Wenn sich nun auch
für die Dienstreisen zu den eben genannten Zwecken im voraus eine
angemessene Pauschalvergütung berechnen läßt, ähnlich wie dies
bei den Kreisschulinspektoren, Gewerbeinspektoren und Kreisban-
beamten geschehen ist, so ist dies mit Rücksicht auf die Be¬
kämpfung ansteckender Krankheiten gar nicht möglich; da die
Notwendigkeit derartiger Reisen lediglich von der größeren oder
in solche nmgewandelt werden mttssen und hierdurch 882 X 1ÖOO (s. vorher
Anm. 1) = 497000 M. Mehrkosten entstehen. Die sonstiffen Mehrkosten
fttr Pensionen und Beliktenversorgung durften mehr als reichlich durch die
von den voUbesoldeten Kreisärzten an die Staatskasse abznfflhrenden amtsärzt¬
lichen Gebühren anfgewogen werden.^
im Staatshaiuh»lt8-£tat fttr 1908/1909.
61
geringeren Verbreitung jener Krankheiten abhängt. Alle diese
Dienstreisen mflssen außerdem sofort erledigt werden, lassen sich
demgemäß weder gelegentlich abmachen, noch mit anderen Be¬
sichtigungen, zu denen die Termine im voraus festzusetzen sind,
verbinden. Jedenfalls sind diese Gesichtspunkte maßgebend ge¬
wesen, um von einer Pauschalvei^fltung der Reisekosten bei den
Ereistierärzten abzusehen; daß die Menschen aber mindestens den
gleichen Schutz gegen ansteckende Krankheiten beanspruchen
können wie die Haustiere, wird doch wohl von keiner Seite be¬
stritten werden! Dieser ^hntz ist aber ein ungenügender,
wenn der dafür in erster Linie verantwortliche Beamte bei den
von ihm dieserhalb vorznnehmenden Ermittelungen usw. Rücksicht
auf das ihm zngebilligte Reise-Pauschale nehmen muß. WUl man
also an der Festsetzung einer solchen festhalten, so müsste den
Regierungspräsidenten außerdem ein angemessener Fonds zur
Veriügung stehen, um daraus den Kreisärzten Zulagen, für den
Fall einei' größeren Steigerung ihrer Reisetätigkeit wegen ver¬
mehrten Auftretens ansteckender Krankheiten oder wegen anderer
besonderer Ereignisse gewähren zu können. Ob dazu der im Etat
vorgesehene Betrag ausreicbt, muß entschieden bezweifelt werden,
zumal die Gesetze, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher
und übertragbarer Krankheiten, erst zu kurze Zeit in Kraft sind,
um schon jetzt die den Kreisärzten dadurch erwachsende Reise-
Tätigkeit auch nur annähernd richtig bemessen zu können. Bei
der Summe von 865000 Mark ergibt sich ein Reiseaversnm von
durchschnittlich rund 1700 Mark für jeden Kreisarzt; dieser Durch-
echnittssatz ist jedoch bereits im Etatsjahre 1905/1906 von den
Kreisärzten erreicht worden, wie sich ans den Verhandlungen des
Abgeordnetenhauses am 5. März 1906 ergibt. Schon damals
äußerte aber der Abg. Krüger-Marienburg (kons.), daß jene
Summe „geradesoviel betrage, wie die Reise-Pauschal Vergütung
des Kreisbanbeamten, daß der Kreisarzt aber viel mehr
als dieser reisen müsse". Seitdem wird sich jener Durch-
schnittssatz zweifellos wesentUch erhöht haben, da das Gesetz
über die Bekämpfung der übertrügbaren Krankheiten erst am
1. Oktober 1905 in Kraft getreten ist; will man deshalb nicht
noch einige Jahre mit dieser Pauschalierung warten, was u. E.
richtiger sein dürfte, so sollte wenigstens der Durchschnitt ßir
1906/1907 als Maßstab angenommen werden. Es ist dies nament¬
lich den nicht voUbesoldeten Kreisärzten gegenüber erforderlich;
denn es darf nicht vergessen werden, daß diese infolge aus¬
wärtiger Dienstreisen mehr oder weniger erheblichen
Verlust in ihrer ärztlichen Privatprazis erleiden,
auf die sie doch vorläufig noch mit Rücksicht auf ihren Lebens¬
unterhalt angewiesen sind. Die Ueberschüsse aus den Vergütungen
für Dienstreisen, die übrigens keineswegs so hoch sind, wie von
mancher Seite angenommen wird, bilden also gleichsam einen
Ersatz für jenen Verlust.
Im übrigen bringt der Etat nur wenige Veränderungen im
Vergleich zu dem vorjährigen. Für eine zeitgemäße Umgestaltung
62
Derjprenßiscbe Mediiinalwesea
der ProTinzial-Medizinalkolleg^ieii ist wiedermn keine
Position vorgesehen; ebenso ist, wie schon vorher erwähnt,
die dringend notwendige Erhöhung der DienstanfwandS'Ent-
Bchftdignngen ihr die Kreisärzte nicht erfolgt. Die Zahl der
Ereisassistenzarztstellen ist um eine vermehrt (zwei neue
in Gelsenkirchen und Essen, unter Fortfall derjenigen in Frank’
fort a. M), desgleichen eine neue Gerichtsarztstelle für die
Kreise Buhrort und Duisburg (Stadt) eingerichtet. Zu Beihilfen
zum Studium medizinaltechnischer Einrichtungen und
Vorgänge sind wiederum 3000 Mark, fflr Fortbildungskurse
29800 Mark eingestellt; um 37000 Mark ist der Fonds für
medizinalpolizeiliche Zwecke erhöht, derjenige zur Ans-
führung des Gesetzes, betr. die Bekämpfung übertragbarer
Ejankheiten, um 20000 Mark herabgesetzt, da der bisherige Be*
trag (250000 Mark) nach den gemachten Erfahrungen über das
Bedürfnis hinausgeht. Für die Bekämpfung der Granulöse und
des Typhus Anden sich dieselben Summen wie im Vorjahre; da¬
gegen ist der Betrag für die Erforschung des Krebses um 25000
Mark erhöht, die dem Institut für experimentelle Therapie in
Frankfurt a. M. zu diesem Zwecke gewährt werden sollen. Bei¬
hilfen zur Erforschung der Syphilis (je 10000 M.) sind nicht
nur bei der Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Breslau,
sondern auch bei der betreffenden Klinik der Charite vorgesehen,
desgleichen 10000 Mark zur Förderung des gerichtsärzt¬
lichen Unterrichts und außerdem noch 5000 Mark für das
gerichtsärztliche Institut in Eid.
Neu sind endlich ein Betrag von 10000 Mark zu Beihilfen
zur Anstellung von Weinkontrolleuren im Hauptbrnnfe zwecks
Durchführung des Weingesetzes in den Weiugebieten am Rhein,
an der Mosel, Saar, Nahe und Ahr, sowie 40000 Mark zur Unter¬
stützung des Bezirkshebammenwesens besonders in den
östlichen Provinzen. Aus diesem Betrage sollen bedürftigen
Kreisen und Hebammenbezirken staatliche Beihilfen zur Ausbildung,
Fortbildung und Erhaltung eines ausreichenden und leistungs¬
fähigen Hebammenpersonals gewährt werden. Ob das beabsichtigte
neue Hebammengesetz noch in diesem Jahre dem Landtage
vorgelegt werden wird, scheint wieder zweifelhaft geworden zu sein;
jedenfaUs findet erst am 20. d. Mts. im Kultusministerium eine
Konferenz über die Frage der Regelung des Hebammenwesens
statt, an der Vertreter der beteiligten Ministerien, sowie ver¬
schiedene Abgfordnete, Medizinalbeamte und Aerzte teilnehmen
werden. Hoftentlich ist das Ergebnis dieser Konferenz ein solches,
daß das betreffende Gesetz noch zur Vorlage gelangen kann!
Die einzelnen Positionen des Etats ergeben sich aus der
der nachfolgenden Zusammenstellung:
A. Dauernde Ausgaben.
1. Besoldang von 39 Mitgliedern (600—1200 H.) und 36
Assessoren (600—1050 M.J der Provinzial'MedizinalkoUegien 59 850,— H.
2. Besoldung von 37 Begierongs* und Medizinalr&ten mit
im StMtshausbalte-Etot 1908/1909.
63
4200—^7200 M. and Ton 1 BegierungB* nod Hedizinalrat
mh 1900 M. . 244200,- M. *)
3. Besoldong tob 7 ToUbesoldetea Kreis&nteu als ständige
Hilbarbeiter bei den Eegiernngen io Königsberg, Potsdam,
Breelan, Oppeln, Arnsberg, Düsseldorf und beim Polisei*
prisidiam in Berlin (mit 8600—5700 If.). 33850,— „ *)
4. Besoldongron 487oll^oldeten Kreisärzten (36(X)—5700 M.),
Ton 454 nicht Tollbesoldeten Kreisärzten (darnnter 1 künftig
in Berlin fortfallend) and 16 nicht Tollbesoldeten Gerichts*
ärzten mit mindestens 1800, höchstens 4200 H., im Darch*
schnitt 8700 M. Gehalt, sowie für sonstige Besoldangen . 1498 571,— „ *)
Yermerk: 1. Ersparnisse kOnnen za StellTertretongs-
kosten Terwendet werden.
2. Bei der Beratang des pensionsfähigen Dienstein-
kommens der nicht ToUbesoldeten Kreisärzte werden
die amtsärztlichen Gebühren, welche nach 9 3 des
Gesetzes, betreffend die Dienststellang des Kreis¬
arztes nsw., Tom 16. September 1899 and den dazu
erlassenen Aosführongsbestimmangen Ton den toU*
besoldeten Kreisärzten zar Staatskasse abzoführen,
beaw. nicht mehr aas der Staatskasse zu erbeben sind,
nach ihrem darcbscbnittlichen Betrage während der
drei letzten Etatsjahre Tor dem Etatsjahre, in welchem
die Pension festgesetzt wird, mit der Maßgabe zar
Anrechnung gebracht, daß das hiernach der Pension
zagronde zu legende Diensteinkommen nicht das
pensionsfähige Diensteiokommen eines ToUbesoldeten
Kreisarztes Ton gleichem pensionsfähigen Dienstalter
übersteigen darf.
5. Wohnongsgeldzaschfisse. 59340,— „ *)
6. Zar Remuneration Ton 42 Kreisassistenzärzten (mindestens
900 H., höchstens 1800 M., im Darebscbnitt 1200 M.),
sowie Ton Hilfsarbeitern im Bareaa*, Kanzlei- and Unter-
beamtendienst bei den ProTitzial-MedisinalkoUegien und
za Beihilfen für die Wahmebmang der Obliegenheiten des
Kreisarztes durch Gemeinde-(Stadt-) Aerzte 64251,— „ *)
7. Za (^escbäftsbedürfnbsen der ProTinzial-Medizinalkollegien,
Dienstaufwandsentschädigang für 2 Begierangs- and Medi¬
ziaalräte in Berlin (je 1200 M.), für Vertretang Ton Beg.-
ond Medizinalräten und Ton als ständige Hilfsarbeiter bei
den Regierungen beschäftigte Tollbesoldete Kreisärzte, zu
Bemanerationen für die Prüfung der Rezepte and Rech-
annc^ über die für Staatsanstalten gelieferten Arzneien,
za ^tschädignngen für Amtsnnkosten für die Tollbesol-
') Mehr: 10200 M. nach Maßgabe des Dienstalters der Regierangs-
and Medizinalräte.
*) Mehr: 2200 M. nach Maßgabe des Dienstalters der Kreisärzte.
') Mehr: 868(X) M., and zwar 216(X) M. für 6 vollbesoldete Kreisärzte
(je 1 für die Stadtkreise Posen und HaUe, den Stadt- und Landkreis Ratibor,
die Kreise Pleß, Dortmnnd (Land) und Saarlouis, 8600 M. Mindestgehalt), sowie
2700 M. Darcbsehnittsgehalt für einen nicht Tollbesoldeten Gerichtsarzt für die
Kreise Babrort und Daisbnrg (Stadt), sowie 12500 Mark nach Maßgabe des
Dienstalters der ToUbesoldeten Kreisärzte, zusammen 86800 Mark. Weniger
Dardisehnittsbesoldang (2700 M.) für 7 nicht vollbesoldete Kreisärzte (je 1 in
Berlin, in den Stadtkreisen HaUe and Posen, den Kreisen Ratibor, Pleß, Dort-
mond-Land and Saarlonis); bleibt also mehr: 17900 M.
*) Mehr: 3540 Mark an Wohnangsgeldzoschüssen für 6 ToUbesoldete
Kremärzte.
') Mehr: 1200 M. Darchschnittsremoneration für 2 Kreisarztassistenten
in den Stadt- and Landkreisen Gelsenkirchen und Essen. Weniger: 1200 M.
für Fort^ TOB 1 Kreisassistenzarztstelle des Stadtkreises Frankfart a. M.;
bleiht mehr: 1200 Mark.
64
Das preofiiscbe Mediainalwesen
deten Kreisärzte bis za 1000 M., im Dorchschnitt 760 H.,
für die nicht Tollbesoldeten Kreuärate and Qerichtsärzte
bis za 760 !£., im Dorchschnitt 260 M., sowie an Tase*
Reldem and Beisekosten fttr aaswärtige Uitglieder der
Proyinzial-Medizinalkollegien, an Tagegddern, Beisekosten
and Entscbädigang für die Erstattung schriftlicher Gat*
achten and Berichte an die psychiatrischen Mitglieder der
Besachskommission für die Beaolsicbtigug der Privat-
Irrenanstalten and za Tagegeldern and Itoisekosten für die
aoswärtigen Mitglieder des Beirats für das Apotbekenwesen 176186,—
7 a. Za Beihilfen zam Stadium medizinal-techniBcher Einrich*
tongen and Vorgänge. 8000,— ,
7 b. Tagegelder und Beisekosten der Kreismedizinalbeamten 866000,— „ ')
8. Zur Bemanerierang der Mitglieder and Beamten der Kom*
mission für die Staatsprttfang der Aente, Zahnärzte osw. 208000,— •
9. Zaschafi für das Cbaritd-Krankenhaos in Berlin ..... —,— „
10. Institut für Infektionskrankheiten. 288646,— . ")
11. Institut für experimentelle Terapie in Frankfurt a. M. 86360,— „
12. Zar ünterbaltang einer staatlichen Versacbs- and Prüfung
anstalt für die Zwecke der Wasserrersorgong und Ab*
wisserbeseitigong. 162010,— „ '°)
18. Bad Betrieb. 60650,— ,
14. Hygienisches Institut in Posen. 49662,— , ")
16. Hygienisshes Institut in Benthen. 28260,— ^ *')
16. MedizbaUUntersachangsSmter (3 rolibesoldete Kreisärzte
in Gumbinnen, Stettin und Münster, 7 nicht Tollbesoldete
Kreisärzte in Potsdam, Liegnitz, Magdeburg, HannoTer,
Stade, Koblenz and Düsseldorf); 6 Kreisassistenzärste
in Gambinnen, Potsdam, Stettin, HannoTer, Münster and
Sigmaringen . 96120,— „
17. Zaschüsse für einige Krankenanstalten. 6288,47 „
a. Zar Vermehrung des hilfsärztlichen Personals in den Offent*
liehen Irrenanstalten. 6000,— „
18. Für das Impfwesen (Bemanerierang der Vorsteher und
Assistenten and Oewinnong tierischen Impbtoffes osw.) und
sächliche Ausgaben. 105104,— „ ^*)
19. Za Beagentien bei den Apothekenreyisionen. 19(X),— „
20. Za Unterstützongen für aktiTe Medizizinalbeamte (7600 M.)
*) Mehr: 3260 M. an Dienstaafwands*Entscbädigang für 6 yollbesoldete
Kreisärzte (Differenz zwischen den Darchschnittssätzen Ton 250 und 760 M.)
and eine neue nicht Tollbesoldete Gericbtsarztstelle; bleibt mehr: 30(X) Mark.
Mehr nea: 865000 M. Die Kreismedizinalbeamten haben bisher für dfe
von ihnen innerhalb ihres Amtsbezirks eingeführten Dienstreisen Tagegelder und
Beisekosten mit dem Fonds Kap. 58, Tit. 11 des Etats des Finanzministeriums
(also den Diätenfonds der Beaierangen) erhalten. Es ist beabsiciitigt, dem
Vorgänge bei anderen Beamtenklsssen folgend, nunmehr auch für die Dienst*
reisen dieser Beamten, soweit die Kosten der Staatskasse zar Last fallen,
gemä6 Artikel III des Gesetzes Tom 21. Jnni 1897 PaaschTergütungen fest*
zasetzen. Der Fonds ist übertragbar. Der Fonds Kap. 68, Tit. 11 ist ent*
sprechend ermäßigt worden.
*) Weniger: 673672,86 M. Der Zaschafi wird Jetzt bei der UniTeraität
Berlin yerreebnet.
”) Mehr: 2610 M. für Bemaneration an Assistenten osw.
>«) Mehr: 200 M.
’*) Mehr: 118(X) M., darunter Anfangsgebalt für 1 wissenBchaftlicbcs
Mitglied (3600 M.), 2000 M. für Tagegelder and Beisekosten.
») Mehr: 2600 M.
*») Mehr: 1100 M.
Mehr: 4670 M. zar Erhöhung des Fonds für sächliche Aasgaben bei
den Impfanstalten in Königsberg i. Pr. (320 M.), Berlin (1020 M.), Oppeln (1600 M.).
Hannoyer (1600 M).
im SUalsbaiuIialU'Etat für 1908/1009.
65
ond Idr ansgesohiedaae Hedüdnalbeamte (60000 H.), sowie
Itlr Witwmi nnd Waisen von Hedizinalbeamten .... 67500,—M.
21. Znr Untersttttzang für die auf Grand des § 15 des Kreis*
arztgesetzes auf Wartegeld gestellten Medi^albeamten
(bflnftig wegfallend). 50000,— „
22. Za Almosen an körperliche Gebrecbliobe zur Bbckkebr in
die Heimat, sowie fttr arme Kranke. 900,— „
23. Fbr medizinalpolizeiliche Zwecke, einschließlich 8000 M.
zur Bestreitang der Kosten der sanitätspolizeilicben Kon¬
trolle behols Abwehr der Choleragefahr und 19 810 M. fhr
das Lepraheim im Kreise Hemel. 204810,— „
24. Zar Aosfflhrang des Gesetzes, betr. die Bekämpfang über*
tragbarer Krankheiten. 280000,— „
25. Ha^* and Schiffsflberwachang einschließlich der Qaaran-
täneanstalten. 51870,— „
26. ünterstfttzang des Bezirkshebammenwesens. 50000,— „ ’*)
27. Verschiedene andere Ausgaben (Zoschoß fttr Arzt aaf der
Karischen Nehrang, Qaarantäneanstalten, Beihilfe fttr
ärztliche Fortbildongskorse (9000 M.) asw. 39736.17 M. ***)
Znsammen: 4708421,64 M.
im Vorjahre: 48^ 734,49 „
Darnach mehr: 823687,15 „
B. Blmnalige und aunaezordentliohe Aungaben.
a) 2402200 M. (720700 H. mehr als im Vorjahre) fttr N'ea- and Umbauten
▼ on klinischen üniTersitätsinstitaten, Ergänzung des Inven*
tars derselben, Deckang von Fehlbeträgen nsw.; hiervon interessieren be¬
sonders ; Einriebtong von geeigneten Bäumen za gerichtsärztlichen
Unterrichtszwecken in Breslau, Neubau einer Irrenklinik
in Königsberg i.Pr., einer medizinischen Klinik und Poliklinik
bei der Charitl in Berlin, Ankauf eines Grundstückes fttr ein zahn¬
ärztliches Institut in Berlin usw., Anmietung von Bäumen im
Ksüserin Friedrich-Hause fttr das ärztliche Fortbildnngewesen fttr Zwecke
der Universität in Berlin (15600 U.), je 10 (XX) U. zu Sypbilisforscbnngen
in den Kliniken fttr Haut- und Geschlechtskrankheiten zu Breslau und in
der Cbaritö zu Berlin, 3000 H. fttr die beim hygienischen Institut in Bonn
zur Weiterftthrang der Forschungsarbeiten des Prof. Dr. Kruse behufs
Auffindung eines wirksamen Schatz- und Heilmittels gegen
die Bahr, 14000 M. zur Erforschung der Krebskrankheit Inder
ersten medizinischen Klinik der Charitö, 5000 H. beim gerichtsärzt-
licben Institut in Kiel zu Unterrichtszwedien und außerdem 10000H.
zur Förderung des gerichtsärztlichen Unterrichts ttberbaupt.
b) 298(X) M. zur AbhaUung von Fortbildungsku^rsen fttr 50 Hcdi-
**) Mehr: 87000 M. zur Verstärkung des Fonds fttr medizinalpolizei*
liebe Zweek^ da die Anforderungen auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung
sich wesentlich gesteigert haben.
'*) Weniger: 20(X)0 M., da die Erfahrungen ergeben haben, daß^der
bisherige Betrag (250000 M.) ttbor das Bedttrfnis hinausgeht.
”) Weniger: 1980 M.
Hehr (neu): 50 000 H. Im Interesse einer guten Geburts- und
Woehenbettshygiene ist die Ausgestaltung des Bezirkshebammenwe’sens,
boMnders in den östlichen Provinzen erforderlich. Es handelt sich im wesent¬
lichen darum, den Kreisen und Hebammenbezirken die Aasbildang,^ Fortbildung
und Erhaltung eines ausreichenden und leistungsfähigen Hebammenpersonals
zu ermöglichen. Die Lösung dieser Aufgabe ist bisher vielfach an der Leistungs¬
fähigkeit der betreffenden Verbände gescheitert. Es ist daher in Aussiäit
genommen, denselben durch Gewährung staatlicher Beihttlfen zu Httlfe zu
koBunen.
**) Hehr: 66(X) H., namentlich durch Erhöhung des Zuschusses an Idas
Zentralkomittee fttr das ärztliche Fortbildungswesen von 9<X)0H.aul 15 000 H.
66 Daß preoBische Medisinalwesen im StMtshaasbalts-Etat 1908/1909.
zin albe amte und von Idtägigra InformatioDsknrsen für 12 Beg.- nnd
Med.-Rite io der staatlichen versochs- and Prttfnngsanstalt fOr Wasser*
yersorgnng and Abw&Bserbeseitigong (wie im Vorjahre).
c) 8000 M. fttr Aasstattong des Hygienischen Instituts in Beathen
i. Ob.-8chl.
d) 6030 H. fttr innere Einricbtongen in den Impfanstalten in Berlin,
Königsberg i. Pr. and Halle a. S.
e) 18040 M. fttr banliche Veränderongen im Lepraheim in MemeL
f) 26000 M. fttr Verbreitong von Druckschriften und Versandt*
gef äßen gemiß der Aasftthrangsbesthnmangen zum Gesetz, betr. die
Imklmpfang ttbertragbarer Krankheiten, vom 28. Aagast 1906 (6000 M.
mehr wie im Vorjahre).
g) 860000 H. zar Bekämpfang der Granulöse (wie im Vorjahre).
b) 20000 M. zur Bekämpfung des Typhus im Beg.*Bez. Trier (wie im
Vorjahre).
i) 22000 M. zur Unterhaltung einer bakteriologische)n Anstalt in
Saarbrttcken (wie im Vorjahre).
k) 26000 H. Beihttlfe fttr das Institut fttr experimentelle Therapie in Frank*
furt a. M. zur Veranstaltung von Forschangen ttber die Ursache nnd
Verbreitung der Krebskrankheit (neu).
l) 10000 M. Beibttlfen zur Krebsforschung (wie im Vorjahre).
m) 16000 M. zar Bescbaffang yon je einem Motorboote (je OCiOO M.) fttr Zwecke
der gesondheitspolizeilichen Hafen* und Schifbttberwachung in Stettin und
Swinemttnde.
d) 83200 M. fttr Neubau eines Badehaases und Umbau des Kurhauses
:a Bad Bertrich (letzte Bäte).
o) 10000 M. zu Beibttlfen zur Anstellung yon Weinkontrolleuren
im Hauptberufe zwecks Durchftthrung des Beichsgesetzes yom 24. Hai
1901 in den Weingebieten am Bhein, an der Mosel, Mar, Nahe und Ahr**).
Besprechungen.
Prol^ Dr. Ph. Bladart, Geh. Ob.*Med.-Bat u. Dr. O. Wigand, Generalober*
arzt a. D. ln Straßburg: Das Medlsinalwesan ln Blaasa-IiOthrlngan.
Straßburg i. Eis. 1907. Verlag yon C. Ben st. 8*; 217 8.
Der Verfasser behandeln im yor liegenden Buche alle zum Medizinal wesen
gehörigen Gegenstände unter Berttcksichti^ng der fttr Elsaß*Lothringen ein¬
schlägigen Gesetze und Bestimmungen. Die Materie ist alphabetisch geordnet.
Die betreffenden Gesetze usw. sind auszugsweise in Kleindruck wiedergegeben,
ttberall aber gleichzeitig genau angegeben, wo sie im Wortlaut yeröffentlicht
sind. Auf diese Weise bildet das Werk ein fttr den Arzt, besonders fttr den
beamteten Arzt Elsaß - Lothringens sehr wertyoUes kompendiöses Nachschlage*
buch, in dem er sich sehr leicht zurechtfinden nnd Ober die einschlägigen Be*
srimmungen unterrichten kann. Bpd.
Dr. K. Klzkalt, Priyatdozent und Dr. A. Bartmann, Priyatdozent in
Berlin: Praktlkiim der Bakteziologle und Protoaoologle. Mit
**) In der Begrttndung heißt es hierzu: Bei der Durchftthrung des
Beichs-Weingesetzes yom 24. Mai )901 hat sich die Notwendigkeit ergeben,
an Stelle der zurzeit mit der Weinkellerkontrolle ehrenamüich betrauten
Personen in den Hanptweingebieten des Staates, d. h. in den Beg.*Bezirken Kob¬
lenz, Trier und Wiesbaden Kontrolleure im Hauptberufe anzustellen. Dieselben
sollen an öffentliche Nahrungsmitteluotersuchungsstellen angegliedert werden
und ihre Dienstbezttge yon den die Anstalten unterhaltenden Verbänden er¬
halten, die ihrerseits yon den Polizeiyerwaltungen Gebtthren fttr die Bereit*
steUung der Kontrolieinrichtung erheben. Hierlttr sollen zunächst staatliche
Beihttlfen in Aussicht gestellt werden, um die bezüglichen Verhandlungen
schnell zu dem erhofften Ziele zu fuhren.
BeBprechnngen.
67
89 teils mehr farbigen Abbildungen im Text. Jena 1907. Verlag toq G.
Fischer. Gr. 8*; 174 8. Preis: geh. 460, geb. 6,60 M.
Das TorliegMide Werk soll dasn dienen, den Medisiner ani mbgliehst
schnelle Art and Weise in den wichtigsten Gebieten der Bakteriologie and
Ftotosoologie einzoltthren. Der bakteriologische, yon Dr. Eiskalt bearbeitete
Teil ist ni^ Art eines Praktikams aof der üniyersit&t dargestellt and der
Stoff aof 60 Tage mit einer Arbeitsseit yon je 2—8 Standen täglich yertdlt.
Znnichst wird haaptsächlieh Gewicht daraaf gelegt, daß sich der Arzt aaf
dmn Gebiete der Bakteriologie die grandlegenden Kenntnisse aneignet and
dadarch befihigt wird, sich eine wissenschaftliche Betrachtangsweise der Bak«
teiien ansagewOhnen. Der eigentlich wissensch^tliche Teil Bringt dann die
Verwertang der gewonnenen Technik. Die zweite, yon Dr. Hart mann be*
arbeite Hälfte des Werkes enthält das wichtigste Uber die Protozoen and
macht den Arzt praktisch wie theoretisch damit bekannt. Die flott and
in leicht yeiständucher Weise goschiiebemen Abhandlangen werden darch dne
Anzahl gater Abbildnngea erläatert. Bpd.
Dr. Bodolf AbnL Geh. Med.>Bat in Berlin: BnkterlologlsohM TMOhwit*
baoh, enthaltena die wichtigsten technischen Vorschriften zor bakterlo*
logischen Laboratoriomsarbeit. Elfte Anflage. Wflrzbarg 1907. A-
Stabers Verlag (Gort Kabitssch). Preis: gw. and mit weißen Blättern
dorcbschossen 1,^ M.
Kaam 9 ttonate nach Erscheinen der 10. Aaflage ist jetzt bereits in
11. Aaflage das bekannte bakteriologische Tasohenbaw, der »kleine Abel",
erschienen, diesmal in donkelblaaem Gewände. Sein Inhalt ist den Fort*
schritten der bakteriologischen Wissenschaft and Technik entsprechend ergänzt
and erweitert worden. Nea aafgenommen sind besondere Abschnitte Trjpa*
nosomen, Bekorrensspirillen and die bei der Handswat gefondenen Negri*
sehen KOrperchen. Wie die früheren ist aach die neae Aaflage mit weißen
Blättern for Notizen dorcbschossen worden.
Aach diese neae Aofiage des kleinen Beraters sei all seinen Frennden
wie allen bakteriologischen Praktikern warm empfohlen.
Dr. Len ts «Berlin.
Dr. Morlte Fürst* Hambarg and Dr. E. Pfalffer, VerwaltongsphTrikos in
Hamborg: Solmlhygloiila^MTaBOlianbnoli. Mit Beiträgen yon B. Abel-
Berlin, Th. Altsehai-Prag, Marie Baom-Heidelberg, C. Biesalski-
Berlin,Fr. Crismann-Zürich, W. Feilchenfeld-Charlottenbnrg, Aagoste
Fürster-Kassel, Fr. Frenzel*Stolp i. P., M. Fürst-Hambarg, A. Gaert-
ner-Jena, H. Gatzmann-Berlin, A. Hartmann-Berlin, K. Jatfä-
Hamborg, E. Jessen-Straßbarg i. Ela., A. Kraft-Zürich, W. Lacke¬
mann-Hambarg, 0. Lassar-Berlin, G. Leabascber-Meiningen, E.
Lobedank-München, 0. Magen-Leipsig, G. Marr-Hambarg, George
Meyer-Berlin, J. Moses-Mannheim, H. Chr? Naßbaam-Hannoyer, A.
Pabst-Leipzig, J. Petersen-Hsmbarg, L.Pfeiffer-Weimar,E.Pfeiffer-
Hambarg, A. POtter-Cbemnitz, E. Bo Iler-Darmstadt, J. Samosch-
Breslaa, H. Sandi-Cbarlottenbarg, F. A. Schmidt-Bonn, W. Schal-
thess-Züricb, H. Stadelmann-Dresden, C. Stamm-Hamborg, W. Zür-
cher-Zürich. Hambarg and Leipzig 1907. Verlag yon Leopold Voss.
384 8. Kl. 8«; Preis: 4 M.
Unter den 37 Mitarbeitern an diesem sehr empfehlenswerten Tascbenbachc
für den Scbalarzt treffen wir meist Namen, welche aof dem Gebiete der Hygiene
bereits rühmlich bekannt sind. Das Taschenbuch zeichnet sich bei seiner
Beichbaltigkeit durch erscüpfende Kürze yorteilhaft aas. Es gewährt einen
gaten Uelmrblick über das weite Gebiet der Schulhygiene.
Dr. Paal Schenk-Berlin.
Tb. Ziobea, o. Professor an der Onyersität Berlin: Psjrohiatri«. 8. yoll-
ständig nmgearbeitete Aaflage. Leipzig 1908. Verlag yon S. HirzeL
Die 8. Aaflage des bekannten Lehrbaches yerfolgt ebenso wie die
früheren den Zweck, den Stadierenden and den Arzt in die Psychiatrie ein-
68
Besprecbungon.
zaitthren. Der 1. Teil, die allgemeine Psychopathologie, beginnt mit der Oar-
stdlang der einzelnen Komponenten der Empfindung, streift dabei kurz das
Gebiet des konträren Sezualgelübls und erläutert an der Hand von Beispielen
die verschiedenen Formen der Sinnestäusebungen. Bin auslfibrliches Kapitel
ist den Störungen der Ideenassoziation, ihren Beziehungen zur Anfienwelt und
den mannigfaltigen ihre Geschwindigkeit beeinfiussenden Ursachen gewidmet;
die lehrreichen Winke über Dissimulation der Wahnideen dürfte dabei be¬
sonders interessieren. Die Handlungen Geisteskranker empfiehlt Verf. stets
genau zu analysieren und ihren Ursachen, namentlich etwaigen Affektstörungen,
nachzuforschen. Die somatischen Begleiterscheinungen der Psychosen beruhen
nach Ziehen teils als Komplikationen auf gleichzeitiger koordinierter Erkran¬
kung von Gebieten des Zontralnervensystems, die mit psychischen Prozessen
nichts zu tun haben (Störungen der Motaliiät, der Befiexe), teils erscheinen
sie als Nebeneinwirkungen der erkrankten Hirnrinde auf die übrigen Teile
des Zentralnerven- und (durch Sympathicus-Vermittlung) des übrigen Organ«
Systems, z. B. trophische oder vasomotorische Störungen. Das Kapitel enthält zu¬
gleich nützliche Hinweise auf einfache Hilfsmittel der Untersuchung bei soma¬
tischen Störungen wie Körpergewicht, Blutdruck usw. In dem klaren und um¬
fassenden Untersuchungschema hat sich gegen die 2. Auflage wenig geändert,
die Aetiologie der Psychosen ist dagegen verschiedentlich ergänzt, worunter
die Fehler in der Erziehung der fijnder, das Verabsäumen, diese an die
Beherrschung der Affekte zu gewöhnmi und gegen physische Unlust abzu-
härten, interessieren dürften.
Im n. speziellen Teil klassifiziert Verfasser, wie bekannt, die Psychosen
ausschließlich nach dem klinischen Verlauf in solche 1. ohne Intelligenzdefekt,
2. mit Intelligenzdefekt. Ein erschöpfender Bericht dieses Teiles, welcher überall
in klarer und scharf definierter Weise unter Voranstellung des didaktischen
Ghwichtspunktes die Psychosen schildert, sie nach Möglichkeit zusammenfaßt
und theor. Erörterungen über einzelne Schulen — nach Verfasser existieren
etwa 60 Klassifikationen der Psychosen — vermeidet, würde zu umfangreich
werden. Hervorgehoben zu werden verdient jedech die ausführliche Erörterung
der Diagnose, der Therapie und der forensischen Bedeutung der einzelnen
Psychosen; auch der pathologischen Anatomie ist bei den Defektpsychosen ein
breiter Baum gewidmet. Von Einzelheiten ist noch erwähnenswert, die Be¬
deutung der Dämmerzustände wegen ihrer zahlreichen Konfiikte mit dem
Str.-G.-B. sowie das Kapitel über die Behandlung der schwachsinnigen Kinder.
Verfasser fordert hier methodischen Empfindungs-, Ansebauungs-, Aufmerksam-
keits- und Bewegungsunterricht und frühzeitige ethische Erziehung, um na¬
mentlich Vergeben auf sexuellem Gebiet von Jugend auf zu verhindern.
Ein Anhang enthält die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen für den
psychiatrischen Sachverständigen ans dem Str.-G.-B., Mil.-Str.-G.-B., B.-G.-B.,
ans der Str.-Pr.-O. und Ziv.-Pr.«P.
Das ganze Buch ist wegen seiner vorzüglich klaren Ausdrucksweise, der
die streng wissenschaftliche Beobachtung und Erfahrung zu Grunde Uegt,
vorzüglich geeignet zur Eii^übrung in die Psychiatrie und auch jedem beam¬
teten Arzt als Handbuch zu empfehlen.
Stabsarzt Dr. F. Bock er-Metz.
Hawnlook EUln: GMohleohtstrleb und Sohungeftthl. Autorisierte
Uebersetznng Von J. E. KÖtscher. Dritte erweiterte und gänzlich nm-
gearbeitete Auflage. Würzbnrg 1907. Verlag von A. Stüber.
Die vorliegende Abhandlung enthält drei Studien, welche als Einleitung
zu einer verständlichen Analyse der geschlechtlichen Pbaenomene dienen sollen.
Die erste Studie betrifft die Entwicklung des Schamgefühls, die zweite be¬
schäftigt sich mit dem Phaenomen der Sexual-Periodizität und die dritte mit
den spontanen Aeußerungen des Qeschlechtstriobes. Für den Verfasser ist bei
Abfassung des Buches der Gesichtspunkt leitend gewesen, daß wir schon mehr
als genug Darstellungen grober sexueller Perversität gehabt haben, seien
nun ans der Irrenanstalt oder dem Bordell. Diese sind aber nur dann lehr¬
reich, wenn sie in der richtigen Perspektive gesehen werden, wo sie sich als
die seltenen und äußersten Extreme einer Kette von Erscheinungen zeigen,
die wir nutzbringender in unserer normalen Umgebung studieren können. Die
Tagesnaohri ohten.
69
fldUge Arbeit tob Havelook Ellle hat awar fttr den Natorwlssensehaftler and
Ptychologen ein hohes theoretisches Interesse, fttr den Gerichtsant and
Medininalbeainten dftifte sie kaam Ton praktischem Wert sein.
Dr. Többen-Mftnster.
Dr. Bobnrt Mfiller, o. Professor für Tierzacht an der landwirtschaftlichen
Akademie Tetschen^Liebwerd and Priratdozent an der Tierärztlichen Hoch-
schale za Dresden: Sexnalblologle. Vergleichendentwicklangsgeschicht-
liiche Stadien über das Geschlechtsleben des Menschen and der höheren Tiere.
Berlin SW 61. 1907. Verlagsbachhandlang yon Ladas Marcas.
Jedem Arzte, der ein besonderes Interesse für die Biologie der Ge*
schlechtserscheinaogen hegtj kann das vorliegende Werk bestens empfohlen
werden. Der Verfasser, gestützt durch seine fachliche Beschäftigang mt der
Tierzaebt und durch eine gründliche Kenntnis der biologischen Literatur, be*
leuchtet vom eniwickelongsgeschichtlichen Standpunkte aas die biologischen
Grondarsachen der Geschlechtserschdnangen and wendet mit Vorsicht die an
Tieren gemachten BeobachtonMn aaf den Menschen an. Die klare gemein*
vemtändliche Darsteilang wird durch die Darbietung einer Fülle von Inter*
easantea Tatsachen belebt. Dr. Kiare*Haina (Bez. Cassel).
]>r. O. Th. HnetUn*Freibarg i. Br.: Mnemoteolmlk der Reaeptologle.
Leicht faßliche Anleitung zum Erlernen der darch die Pharmakopoe vorge*
schriebenen Mazimaldosen auf mnemotechnischem Wege. Dritte vermehrte
and verbesserte Aoflage. Wiesbaden 1907. Verlag von J. F. Bergmann.
12«; 81 S. Preis: 1,20 M.
üeber den Wert einer derartigen mnemotechnischen Anleitung kann
man verschiedener Ansicht sein; daß sie fttr viele eine wesentliche Erleichterong
bedeutet, beweist die dritte Auflage des Schriftchens, das demnach auch zahl*
reiche Anhänger gefunden hat. Die Methode ist jedenfalls einfach; mancher, dem
die Maximaldosen früher Schwierigkeiten bereitet haben, wM sie danach
spielend erlernen können. Rpd.
Tagesnachrichtan.
Die Kommission des Preußischen Abgeordnetenhaases
zur Vorberatung des Qnellensehntzgesetzes hat in ihrer Sitzung vom 17. d. M.
insbesondere die Frage erörtert, ob außer den Heilquellen auch andere Quellen,
wie Tafelwässer und Queilen zur Versorgung von Städten schutzbedttrftig dnd.
Von der Begiemng wurde darauf hingewiesen, daß für die Quellen zur Wasser*
Versorgung der Städte das Enteignuogsgesetz genügenden Schatz biete. Aus
der Kommission wurde hervorgehoben, daß die Begriffe „Heilquellen" und
^afelwosserquellen* sehr flüssig seien. Schließlich wurde ein Antrag, das
Gesetz nur auf die Heilquellea zu beschränken, angenommen. Als „gemein*
ntttzige Quellen" sollen nur solche gelten, die im Interesse der leidenden
Mensehheit unersetzlich sind.
Unter Vorsitz des Präsidenten des Beichsversicherungsamts Dr. Kauf*
mannn fand am 4. d. Mts. in Berlin im Reich sve reicher an gsamt eine
Konferenz mit Vertretern der Lederinda8trie*Berafsgenos8en*
Schaft über die Bekämpfung der Hilzbrandgefahr in Gerbereien und Leder*
fhhrlken statt. Der Vorstand der Berufsgenossenschaft legte eine Statistik
über die in diesen Betrieben in den letzten zwei Jahren beobachteten Milz*
brandflüle, ihre Entstehung, ihre Behandlung und ihre Folgen vor, berief sich
auf die günstigen Folgen einiger typischen Behandlungsmethoden und empfahl
die Zustimmung des von Sun daraufhin aasgearbeiteten Entwurfs von
Unfadlverhütungsvorschriften zur Bekämpfung der Milzbrandgefahr. Der Ent*
warf fand im wesentlichen die Zustimmung der Versammlung; es soll jedoch
nach drei Jahren auf Grund des bis dahin gesammelten weiteren statistischen
Materials die Frage der Erweiterung der Vorschriften erneut geprüft werden.
Am 7. d. M. hat im KönlgL Bayerischen Staatsministerium
des Innern unter dem Vorsitz des Ministers eine Besprechung über die
70
TtgeBDacbriehteiL
Pro9titatl«aBfltig6 BUttgelniideB, an der ander Vertretern der beteillgtea Staats*
behOrden aneb Vertreter des Magistrats mehrerer grofien St&dte, sowie Ver*
treter tod Vereinen teilgenommen haben. Die Beglementiemng, Kaserniemng,
Untersnchong und Heubebandlang der Prostituierten worden sowohl vom
Sitten«, als vom gesandheitspolizeilichen Standponkte ans eingehend erörtert,
desgleichen die Frage, inwieweit eine Aendernng der einschlägigen Be«
stlmmangen des Strafgesetzbuches geboten erscheine. Das Ergebnis der Ver«
handlang soll die Grundlage weiterer Erwägungen seitens der Staats«
regiemng bilden.
Die IL intenattonale Kenfereni zur Bekimpfong der SeUafkraak«
helty die am 9. d. Mts. in London beginnen sollte, ist um einige Monate rer«
schoben, da die französischen Vertreter ihre Vorarbdtnngen dazu noch nicht
abgeschlossen hatten. _
Der Senat der freien Hansestadt Hamburg hat bei der Bürgerschaft
ie Bewilligung Ton 80000 für die Bebert Koeh« Stiftung beantragt.
Zn Mitgliedern und stellrertretenden Mitgliedern des 'Beirats der
Zentralstelle für Yolkswehlfkhrt sind ernannt worden:
L Vom Beiehe: a) an Mitgliedern: 1. Dr. Althoff, Wirkt. Geh. Bat,
Ezs., in Steglitz. 2. Dr. Becker, Ext., Oberbürgermeister a. D. in Coin a. Bh.
8. Bielefeldt, Geh. Beg.«Bat, Vorsitzender der Landesrersichernngsanstalt
der Hansestädte, in Lübeä. 4. Franz ins, Wirkl. Geh. Admiralitätsrat, in
KieL 5. Giesberts. Arbeitersekretär, in München, Mitglied des Beichstags.
6. D. Harnack, WirfcL Geh. Ob.«Beg.«Bat in Charlottenbnrg, Freiherr Heyl
zu Herrnsheim, Gtoh. Kommerzienrat, in Worms, Mitglied des Beichstags.
8. Kirdorf, Geh. Kommerzienrat, in Bheinelbe. 9. Charles de Wendel,
Hüttenbesitzer, in Hayingen, Mitglied des Beichstags. b. zu steÜTertretenden
Mitgliedern: 1. Behrens, Generalsekretär des Gewerkvereins christlicher
Bergarbeiter Dentschlands, in Essen«Bttttenscheid, Mitglied des Beichstags.
2. Cnno, Erster Bürgermeister von Hagen i. W., Mitglied des Beichstags.
8. Haniel, Geh. Kommerzienrat, in Düsseldorf. 4. Dr. Hildebrandt,
Senator in Bremen. 5. Junghans, Geb. Kommerzienrat, in Schramberg.
6. Dr. Muff, Geh. Beg.«Bat, Bektor der Landesschnle zu Pforta. 7. Dr,
Buegenberg, Geb. San.*Bat, in Bonn, Mitglied des Beichstags. 8. Schack,
Vorsteher des Dentsch«Nationalen Haadlnngsgehilfenverbandes, in Hamburg.
Mitglied des Beichstags. 9. Wodrig, Frau Vizeadmiral, Exzellenz, in
Charlottenburg, Dernbnrgstraße 42.
II. Von Preufien: a) zu Mitgliedern: 1. t. Dewitz, Landrata.D., Mit«
glied des Hauses der Abgeordneten, In Berlin. 2. Henning, Bentier, Mit«
glied des Beichstags, in Berlin. 3. Herold, Gutsbesitzer, Mitglied des
Beichstags, in Loerelinklon b. Münster L W. 4. Kaftan, Generalsnperinten«
dent, in Kiel. 5. Mnensterberg, Kommerzienrat, Mitglied des Hauses der
Abgeordneten, in Danzig. 6. Prof. Dr. Bnbner, Geb. Med.«Bat, Direktor des
hygienischen Instituts, in Berlin. 7. y. Schenckendorf f, Direktionsrat a. D.,
Mitglied des Hauses der Abgeordneten, in Görlitz. 8. Heinrich Prinz
T. Schönaich«Carolatb, Landrat a. D., erbliches Mitglied des Herrenhauses,
Mitglied des Beichstags, in Amtitz bei Guben. 9. Dr. Struckmann, Ober«
bürgermeister, Mitglied des Herrenhauses, in Hildesheim, b) zu steilyertretenden
Mitgliedern: 1. Dr. y. Böttinger, Geb. Beg.-Bat, Fabrikdirektor, Mitglied
des Hauses der Abgeordneten, in Charlottenburg. 3. Prof. Dr. Fafibender,
Mitglied des Hauses der Abgeordneten, in Friesdorf «Godesberg. 4. Karcher,
Kommerzienrat, Fabrikbesitzer, in Beckingen a. d. Saar. 5. Leyin, Fabrik«
hesitzer, in Göttingen. 6. Bothe, General der Artillerie z. D., Exz., In
Charlottonburg. 7. Dr. Schiffer, Kammergerichtsrat, Mitglied des Hauses
der Abgeordneten, in Berlin. 8. Dr. Schroeder, Landesrat, Mitglied des
Hauses der Abgeordneten, in Cassel. 9. y. Schubert, Generalleutnant z. D.,
Exz,, io Berlin.
Prelsermisslgung desAutans. Die Elberfelder Farbwerke, yormals
Bayer tt. Comp., haben eine neue Antanpackung (Packung B.) in den Handel
SpreduMl
71
g^nehky die eine weeenUieb höhere Deeinfektionswirkiug eie die frfihere be»
sitti ud eilen ron emtilcher Seite gestellten Anfordenugen en Formel*
dehjd- und Weeeerdempfentwieklang entspricht. Gleichz«itig heben eie
nir eile MedizinelbehOrden, Stedtverweltangen, Gemeinden, Eisenbehn- nnd
endere Verweltongen, Krenkenenstelteo, Militärbehörden etc. eine erhebUohe
Preisherebsetsong eintreten lessen, so defl sich die Kosten einschl. Ammonieek*
entwickiong für ^ cbm Benmeffekt enf 2,06 H. stellen, fttr 40 cbm enf 3,60 M.,
fSr 60 cbm enl 6,06 M., fttr 80 cbm enf 6,76 M., fOr 110 cbm enf 8,40 M. nnd
für 176 cbm 14 M. Bei Kertonpeckong oder freier Bttcksendnng der Blech*
bftehsen tritt noch eine weitere kleine Preisermifiignng ein, die bei 20—40 cbm:
6 Pfg, bei 60 «bm: 10 Pfg., bei 80 nnd 110 cbm: 16 Pfg., bei 176 nnd mehr
ebm: 26 Pfg. beträgt. _
ErkrnnknngeB nnd Todeefllle an ansteekenden Kraakhelten ln
Prenaaen. Nech dem Ministerialblatt für MedldniJ* nnd medlzinisehe Unter*
richts* Angelegenheiten sind in der Zeit vom 16. bis 28. Dezember ▼. J. erkrankt
(geetorbein en: Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, Bttckfellfiober,
Pest nnd Botz: — (—); Anssetz: — (—), — (1); Pocken: 10 (8),
6 (1); Tollwnt: 1 (—^), — (1); Bißyerletzngen dnroh tollwnt*
rerdächtige Tiere: 9 (—), 2 (—); Milzbrand: 8 (1), 8 (1); Bnhr:
4 (—), 1 (—); Unterlelbstyphns: 801 (89), 189 (21); Diphtherie:
1879 1184), 1621 (99); Soherlech: 1870 (106), 1420 (88); (jenicksterre:
19(11), 16(10); jQndbettfieber: 184 (29),98(24);Fleisch*nnd Wnrst*
Torgiftnng: 2 (—), — (1); KOrnerkrenkheit (erkrankt): 120, 78;
Tnberknloae (geetorben): 611, 879.
MpraohaaaL
Anfirage des Sreisaratea Dr. D. In B.: Hat der Kreisarzt An-
sprnch enf Terminsgebtthren in Hohe von 6 M., wenn er in
seinem Wohnort yon dem Stadtanaschnß als Sachyerständiger
eingeladen wird, ^behnfs Teiinahme an den Verhandinngen
einer Konzessionssache bezw. Abgabe eines Gntaehtens ttber
eine Konzessionssache, die wegen Einsprnchs yon Interessen¬
ten znr mttndlichen Verhandinng gelangt? Verneinenden
Falles: Darf der Kreisarzt 1,60 M. Fnhrkosten — als yollbe
solidster Kreisarzt — liquidieren?
Antwort: Nach den Erlassen vom 9. Mai und 11. Dezember (Mia.-Bl.
f. d. i. V. 1874 (8.119 und 1876, 8. 286) haben die Hedizinalbeamten fttr die*
jeaigen Verrichtungen, die sie im allgemeinen staatlichen Interesse bisher im
Aumage ihrer Vorgesetzten Behörde unentgeltlich zu vollziehen hatten nnd
nunmehr auf Bequisition der Kreis- und Bezirksansschttsse usw. voUziehea,
keinen Anspruch auf Gebtthren. Zu diesen Verrichtungen gehört nach dem
Erlaß des Min. der Med.-Angel, vom 13. August 1902 und des Min. f. Handel
nnd Gewerbe v. 26. Oktober 1904 — Ula 8448 — die Prttfnng der Unterlagen
fttr Anträge auf Genehmigung gewerblicher Anlagen gemäß § 18 B.-G.-0. so-
vrie die Teilnahme an den Verhandinngen der BeschlnßbehOrde gemäß § 118
L.-V.-G. In letzterem Falle hat er jedoch Anspruch auf Fnhrkostenentschädignng
(1^ M.) gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 9. März 1872, die nach dem
MiB.-Erl. vom 2. Dezember 1902 auch dem vollbesoldeten Kreisärzte zusteht.
Ist der Kreisarzt aber im Verlaufe des Genehmigungsverfahrens ansdrttcklioh
als ßachverständiger vorgeladen, sei es zu einer 81tzung der Beschluß
behOrde oder zu einer Örtlichen BesiehUgnng, so erhält er die fttr 8achver-
ständige vorgesehenen Gebtthren und Entschädigungen.
Anfrsge des Kreisarztes Dr. K. in 8eh.: Kann man, wenn der
am Terminstage in Betracht kommende Zug im Winter bereits
vor 7 Uhr frtth vom Wohnorte abgeht, mit beliebiger anderer
Fahrgelegenheit (Automobil) zum Termins ort (8chiedsgerioht
in Unlallsachen) reisen nnd dann fttr die Hinreise die Land*
wegentsehidigung, soweit sie ein Tagegeld nicht flbersteigt,
beanspruchen?
Antwort: Naeh F 2 der AusfOhrungsbestiinfflUBgen an den Vorschriften
72
Berlchtigang.
ttber die Tagegelder and Beieekoeten der Staatsbeamten rom 11. November 190S
(G. 8. S. 248) erfolgt die Berechnong der Reisekosten ohne BOcksicht daranf,
welchen Weg der Beamte tatsächlich eingeschlsgen nnd welches BelOrderongs-
mittel er benutzt hat, nach demjenigen Wege, der sich für die Staatskasse
unter Mitberhcksichtignng des Tagegmderbezuges als der’mindest kosupielige
darstellt und nach dem Zweck der Reise und den Umständen des besonderen
Failes auch von dem Beamten wirklich hat benutzt werden können. Da fan
vorliegenden Falle die Reise am Terminstage mit dem schon vor 7 Uhr morgmis
abgehenden FrOhzuge im Winter nicht angetreten zu werden braucht (B 2 a. a. 0.),
mit einem späteren Zuge aber der Terminsort nicht rechtzeitig erreicht werden
konnte, ist zu liquidieren, als ob die Reise mit der Eisenbahn am Tage vor
dem Termin ausgefUhrt ist. Nach dem Landwege kann dann berechnet werden,
wenn das Ziel am Terminstage ftberhaupt durä Fuhrwerk bei Antritt der
Reise um 7 Ohr rechtzeitig zu erreichen ist, und sich die Kosten geringer stellen,
als lOr die Fahrt mit der Eisenbahn am vorausgehenden Tage.
Rechtsmittel: Im vorliegenden Falle Mschwerde an das Reichsver-
sichemngsamt.
Anfrage des Krelmrstes Dr. N. In N.t Können nicht bezahlte
Gebühren für amtsärztliche Zeugnisse usw. auf dem Ver¬
waltungswege oingezogen werden?
Antwort: Nein! Die Vorschriften über die materiellen Voraussetzungen
der Anwendbarkeit des Verwaltungszwangsverfahrens (König!. Verordnung vom
16. November 1899 — G. S. S. 545 —), insbesondere darüber, welche Abgaben,
Gefälle und sonstigen Geldbeträge der Beitreibung unterliegen, sind teils in
dnzelnen Verordnungen (z. B. für die Rheinprovinz vom 24. November 1843)
enthalten, teils ist in den betreftenden Gesetzen usw. ausdrücklich ausgesprochen,
daS das Verwaltungszwangsverfahren Anwendung finden kann. Für die Ge¬
bühren der Medizinalbeamten ist eine solche Anordnung aber nicht getroffen;
es empfiehlt sich daher, derartige Zeugnisse nur gegen Barzidilang auszu-
händigen, um etwaige spätere genchtliche Klagen zu vermeiden.
Anfra^ des Dr. Br. In 8.t Ein Rechtsanwalt beauftragt
mich zu einer amtsärztlichen Untersuchnng mit folgendem
Schreiben: .Namens der Ehefrau N. N. habe ich gegen deren
Ehemann den abschriftlich anliegenden Antrag auf Ent¬
mündigung gestellt. Das Kgl. Amtsgericht in S. hat die
Beibringung eines ärztl. Zeugnisses angeordnet und bitte
ich Sie deshalb, den p. N. untersuchen nnd mir das Gutachten
übersenden zu wollen.“ Ist dor betr. Rechtsanwalt in diesem
Falle mein Auftraggeber, an dem ich mich mit einer Liqui¬
dation zu wenden nabe? Der Rechtsanwalt hat mich an die
Ehefrau verwiesen, diese ist aber zahlungsunfähig.
Antwort: Der Rechtsanwalt hat im vorliegenden Falle als Mandator
seines Klienten den Auftrag erteilt und ist demzufolge auch haftbar für die
Kosten. Da der Kreisarzt aber nicht verpflichtet ist, amtsärztliche Zeugnisse
an Privatpersonen — als solcher ist aueh der Rechtsanwalt trotz der gerioht-
lichen Anordnung anzusehen — ohne sofortige Bezahlung aaszuhändigen, so
empfiehlt es sich, in solchen Fällen entweder einen Kostenvorschuß zu verlangen
oder die Anshändigang erst nach Entrichtung der Gebühr eintreten zu lassen.
Berlchtlsmnii;.
ln dem Artikel .Tagebuch und Jahresbericht* der vorigen Nummer ist
ein verwirrender Druckfehler stehen geblieben: Es muß auf 8. 20 am SeUuß
des dritten Absatzes nicht .1—24“, sondern ,)1—124** heißen, denn es sind im
ganzen 124 Spalten. Alles, was unter die üeberschrift einer Spalte fällt, erhält
einfach die Zahl dieser Spalte, event. auch zweier Spalten; die Zugehörigkeit
zum Abschnitt A, B oder C ergibt sich dabei von selbst. Gegenstände, für
die keine Spaltenüberschrift da ist, werden je nach der Zugehörigkeit mit A,
B oder C bezeichnet. Dr. Berger.
Verantwortl. Redakteur: Dr. Rapmund, Reg.-n. Geh. Ued.-Rat in Minden i. W.
J. C C. Braaa fsnoal- OZeba n. V. Sek.-L. Hofbaebdrackerai ta Mlndsa.
it Jahrg.
Zeitschrift
I90d.
Mi
MEDIZINALBEAMTE.
ZMtralklatt für du gesurta BnnidlMibmsm,
fQr gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Hemugegeben
Dt. OTTO rapmünd,
Bagtomg«- ud e«k. MedlUnalMt Ib JUnte.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussisohen, Bayerischen, Wörttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag Yon Flseher’s medis. Buehhandlg, H. Kornfeld,
Bww* Bof* M» 8 nlMnO 0 l.
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
figgriti wfhMmu Be TtrIafAaadlmg sowlt alle iinaoneeib-IrpedltleBem dea ln*
sDd AaMaade« entverea.
Nr. 3 .
s.
•nA SO. J«Aeu Mraate.
5. Februar.
Ueber die Meldepflicht der Hebammen bei Wochenbettfieber.
Von 8. Winter.
Direktor der KOnigUcheii ünirerait&tS'Fraaeiiklinik und HebammmenleliraiutaU
in Königsberg L Pr.
Die neue Ausgabe des preußischen Hebammenlehrbuchs yon
1905 bringt als eine ihrer wichtigsten Nenemugen im § 481 (Ver*
lialten der Hebammen und Vorschriften) die Bestimmnng „bei
jedem Fieber im Wochenbett yon mehr als 38^ dem
Kreisarzt ungesäumt Anzeige zn erstatten.* Damit
wurde die Bestimmung der Ausgabe 1904, daß die Hebamme
den beim Ansbrach yon Fieber hinzugezogeuen Arzt fragen solle,
ob Eindbettfieber yorliege und im bejahenden Falle sofort dem
^eisarzt Meldung machen sollte, aufgehoben.
Die grundsätzliche Aenderung des Meldungsyerfahrens,
welches den Arzt als Quelle der Meldung ausscbließt und die Hebamme
an seine Stelle setzt mit den daraus erwachsenden Konsequenzen,
sowie die Schwierigkeiten und Bedenken, welche der allgemeinen
Dnrchf&hrung dieser Bestimmung in der Praxis erwachsen könnten,
waren die Veranlassung fär die „Vereinigong zur Förderung des
Dentschen Hebammenwesens* auf ihrer letzten Tagung in Dresden,
an der Hand eines yon Poten erstatteten Beferats eich über
diese nene Art der Meldung auszusprechen. Die Stimmung der
Versammlung, war dieser neuen Bestimmung nicht günstig. Die
wichtigsten Ein wände, wdche gegen das neue Meldeyerfahren
gemacht worden, waren:
74
Q. Winter.
1. daß die Hebamme nicht pflichtgemäß melden würde, weil eie
Belästignng iflr ihre Person und Schäden ittr ihre PraziB
^ fürchten za müssen glaube;
2. daß die Kreisärzte nicht im stände wären, den pflichtgemäß
eingegangenen Meldungen das vorschriftsmäßige Ermitteinnga-
vertahren folgen zu lassen, weil sie dazu nicht die nütige
Zeit hätten.
Wenn auch nene praktikable Vorschläge nicht gemacht
werden konnten, so war doch die Unzufriedenheit mit dem neuen
Meldungsverfahren so allgemein, daß es nicht unmöglich erscheint,
daß das Kultusministerium dasselbe abermals zur Beratung stellt
und, dem Druck der Unzufriedenheit nachgebend, Konzessionen
macht oder die neue Meldepflicht wieder abschafft.
Leider war ich verhindert, an den Dresdener Verhandlungen
teilzunehmen; da ich aber als langjähriger Hebammenlehrer und
als Mitglied der Kommission, in welcher diese Meldepflicht be*
schlossen wurde, an ihrem Schicksal sehr interessiert bin, so
möchte ich meine Ansichten und Erfahrungen über diese nicht
zurflckhalten.
Zunächst möchte auch ich mich dahin anssprechen, daß der
Arzt als der für die Diagnose .Kindfettfleber“ verantwortliche
Melder dauernd aasgeschaltet werden muß. Ich will dem betei*
ligten Arzt nicht den Vorwurf bewußter Schönfärberei, geschweige
denn den der absichtlichen Unterschlagung der Diagnose des ,Eind*
bettflebers" machen; er wird aber, so lange seine Person als
Leiter der Gebart in Frage kommt, geneigt sein, die Diagnose
,Kindbettfleber*‘ zu umgehen oder möglichst lange hinauszu-
schieben, weil heute jeder gebildete Laie über die Entstehungs-
Ursachen desselben orientiert ist. Wenn die Hebamme dagegen
entbanden hat, so wird die Meldung des Arztes dadurch beein¬
flußt werden können, daß ihm Rücksichtnahme auf die eine oder
strenge Beurteilung der anderen opportun erscheint. Die Er¬
fahrungen, welche aus den beiden größten Bundesstaaten, Preußen
(Bunge) und Bayern (Stampf), mitgeteilt wurden, sprechen
dafür, daß wir mit der ärztlichen Meldepflicht nicht zu unserem
Ziel, von jedem Kindbettfleberfall rechtzeitig Kenntnis zu be¬
kommen, gelangen. Weitere Versuche mit dieser Art der Mel¬
dung dürfen auch nicht mehr gemacht werden.
Wenn nun die erste Meldung der Hebamme obliegt, so
muß man die Hoffnung, von jeder wirklich vorhandenen Tem-
peratursteigerung über 38^ Kenntnis zu bekommen, von vorn¬
herein aufgeben. Einmal gibt es noch immer eine Reihe von
Hebammen, welche den Thermometer nicht regelmäßig gebrauchen;
selbst wenn die Hebamme aber regelmäßig mißt, werden eine
grosse Zahl von Temperatnrsteigerungen ihr entgehen, weil sie
Uire Wöchnerinnen nur einmal täglich besucht (ein zweimaliger
Besuch wird äusserst selten ausgeführt) und auf dem Lande die
Besuche noch viel seltener ausgeführt werden. In einer Ver¬
sammlung von Hebammen aus dem Stadt- und Landkreis Königs¬
berg habe ich feststellen können.
üeber die Meldepdicht der debammon bei Wockenbettfieber.
75
dM8 von 59 anwesenden Stadthebammen jede täglich einen,
aber nnr zwei täglich zwei Besache gemacht haben
dass von 16 anwesenden Landhebammen keine einzige die
regelmässigen Besuche hat dnrchfdhren können.
Mit diesen Verhältnissen wird man immer rechnen müssen,
wenn sie sich auch im Laufe der Jahrzehnte, mit Aofbessernng
des Hebammenstandes, etwas günstiger gestalten mögen. Viel
wichtiger ist es, dass die Hebamme die Temperatarsteigernngen,
welche sie findet, nnn auch wirklich anmeldet. Natürlich wird
auch sie, ebenso wie ich es vorher vom Arzte annahm, schönftr-
ben, d. h. Temperatarsteigernngen unterschlagen und sie wird
es a priori wahrscheinlich viel häufiger als der Arzt tun, weil
sie den Sinn der Sache nicht einsieht. Anf alle diese Gründe
ist es nnn znrückzaführen, dass Meldungen von den Hebammen
beim &eisarzt erstaunlich selten einlanfen. Ich kann nnr über
zwei offizielle Daten aus dem Jahre 1907 verfügen, welche aber
durch ihre Gegensätze (Grosstadt und Land) interessant sind:
In Königsberg (Stadt) worden auf 6271 von Hebammen ge¬
leitete Entbindungen des Jahres 1907 19 mal Temperaturen über
88 ^ gemeldet = 0,3 %.
In Königsberg (Land) worden anf 1234 von Hebammen ge¬
leitete Entbindnngen des Jahres 1907 15 mal Temperatnren Über
38^ gemeldet = l,2**/o*
Das ist so erstaunlich wenig, daß man ohne weiteres den
Schloß ziehen muß, daß nur der kleinste Teil der vorhandenen
Temperaturen wirklich gemeldet worden ist; aus welchem Grande
dies unterlassen wurde, kann ich natürlich nicht angeben. Jeden¬
falls nehme ich für die ostpreußischen Hebammen zum mindesten
dasseloe Pflichtbewußtsein in Anspruch wie anderswo; der kate¬
gorische Imperativ der Pfiicht liegt dem Ostpreußen im Blut.
Wir sind ja auch vorläufig gar nicht im stände, zn sagen,
wieviel Temperatarsteigernngen nicht gemeldet worden sind, weil
wir gar keine Anhaltspunkte über die Häufigkeit derselben in
der Anßenpraxis haben. Vielfach, so auch bei der Tagung in
Dresden, ist der Fehler gemacht worden, die Fieberfreqnenz der
Klinik anf die Außenprazis zn übertragen. Daß ist ein großer
Irrtnm, denn die in der Klinik so häufigen Eintagsfieber entstehen
durch die zahlreichen üntersuchungen und Anhäofnngen von
Wöchnerinnen in gemeinschaftlichem Saale; diese Gründe fallen
außen weg. Brauchbare Statistiken über die Häufigkeit von
Temperatursteigerungen in der Außenprazis fehlen noch voll¬
ständig; ich schätze sie vielleicht auf 5—lO^/o. Immerhinsehen
wir, wie weit wir von unserem Ziele, alle Temperataren über
88*^ kennen zu lernen, entfernt sind.
Für uns ist nun als Hauptziel hinznstellen, daß die
Hebamme die von ihr gefundene Temperatur auch
wirklich meldet. Das wird davon abhängen, wie ihr dabei,
namentlich vom Kreisarzt, begegnet wird. Vor allem muß ihr
die Ansicht genommen werden, daß sie an jeder Temperaturstei-
gerung Schuld ist. Wenn sie eben nur die Tatsache des Fiebers
*76
Ö. Wlatef.
meldet and nicht immer das pater peecavi dahinter zn Ahlen
brancht, so wird sie schon seltener Temperataren nnterschlagen;
hierin kann ich Veit nar beistimmen. Noch viel wichtiger ist
es, daß sie in ihrem Renommee and ihrem Srwerb keinen Schaden
leidet and das hftngt wieder von der Anffassong and dem takt-
Tollen Verhalten des Kreisarztes ab. Wenn dieser bei jeder
Temperatar Aber 88 ® die Hebamme mit Sack and Pack sich des¬
infizieren läßt oder sie fttr längere Zeit saspendiert, so wird die
Hebamme bald aufhören za melden. Anders wenn der Kreisarzt
mit Sachkenntnis and Takt die Bedentong des Falles erkennt
and sich die richtigen Hebammen Ar das strenge Verfahren
heraoszaholen weiß. Als Beispiele Ar das verschiedene Vor¬
gehen des Kreisarztes fahre ich an, dass z. B. der Kreisarzt des
Landkreises Königsberg bei 14 Meldungen nor eine Hebamme
sich hat desmfizieren and pansieren lassen and der Elreisarzt
des Stadtkreises nnter 19 Fällen 15 mal die Hebamme sich hat
desinfizieren, aber niemals pausieren lassen (wobei natürlich die
leichte Desinfektionsmöglichkeit in der Stadt ebenfalls eine Bolle
spielt). Immerhm wird es m erster LAie von dem Vorgehen des
&eisarztes abängen, wie die Hebamme sich mit ihren Meldungen
verhalten wird.
Wenn es non scheAt (wenigstens ans meAen beiden sta-
tistmchen Angaben), als ob die Meldepfiicht der Hebamme eben¬
falls Fiasko machen könnte, so wäre es weit gefehlt, sie des¬
halb schon wieder auf heben za wollen; denn wir müssen doch be¬
denken, daß die Meldepfiicht nicht Selbstzweck ist, sondern nar
eA Mittel za dem Zweck, die wirklich Afektiösen Puerperalfieber-
Alle rechtzeitig zur Kenntnis za bekommen and Are Weiterver-
breitang durch die Hebammen za verhindern. Darauf kommt es
in letzter Linie an und was das jetzige System A diesem Punkte
lerntet, können wA doch noch garnicht ttbersehen. Das werden
ans erst die Berichte der Kreisärzte nach Jahren melden können.
Aus diesen GrAnden würde ich es als einen schweren
Fehler halten, wenn wesentlich auf Grund theoretmcher EAwen-
dangen die segensreiche Bestimmung der Hebammenmeldepfiicht
wieder aufgehoben würde.
Ein weiterer Einwand der Gegner der neuen Meldepfiicht
ut der, dass das Ermittelungsverfal^en, welches die Kreisärzte
bei den Fiebermeldungen anstellen sollen, denselben eAe Arbeit
aoferlegt, welche sie allein schon aus Mangel an Zeit nicht lernten
könnten; Poten z. B. spricht für Hannover von Aglich 3—4
Ermittelungsverfahren; er und alle anderen, welche dieselbe
Meinung haben, gehen von der durch nichto bewiesenen Annahme
gas, dass zAka 20®/o aller Wöchnerinnen Temperaturen über
88® haben. Und wenn es wAklich der Fall wäre, so habe ich
doch oben bewiesen, dass die Meldungen derselben beim Kreisarzt
nicht eAgehen and niemals eAgehen werden. So wie die Ver¬
hältnisse jetzt liegen, kann von eAer Ueberlastnng des KreA-
arztes keAe Bede seA. So z. B. hatte der Kreisarzt des Land-
kreues Königsberg im ganzen Jahre 1907 nor 14 and der des
üeber die Heldepflicht der Hebunmen bei Wocbeobettfleber.
77
Stadtkrdses nur 8 Ermittelon^verf&hren ang^eBtellt. Ist das flber-
hanpt der Bede irertP Non wollen wir ja aber erreichen, dass
die Zahl der Meldangen den wirklich vorhandenen Temperatnr-
steigerangen näher kommt nnd es fragt sich, ob der ^eisarzt
an<^ dann noch die von ihm verlangte Arbeit leisten kann ? Un¬
bedingt, wenn der richtige Masstab an dieselbe angelegt wird.
Das Landessenchengesetz (vom 28. Angast) sa^ nun hier-
Aber in § 6:
«Auf Erkrankungen, Verdacht der Erkrankungen und Todes¬
fälle an Eindbettfleber usw. finden die in § 6 bis 10 des Beichs-
gesetzes vom 30. Juni 1900 enthaltenen Bestimmungen fiber, die
Ehmittelung der Krankheiten entsprechnnde Anwendung*," und
diese verlangen, „dass der Kreisarzt unverzöglich an Ort nnd
Stelle Ermittelungen über die Art, den Stand und die Ursache der
Erkrankung vomimmt* usw. Danach wäre der Kreisarzt gesetz¬
lich gehalten, bei jedem Verdacht auf Kindbettfieber die örtliche
Emittelung vorzunehmen. Wann liegt nun ein solcher Verdacht
vorP Das ist doch dem Ermessen des &eisarztes überlassen. Hier¬
bei ist nun immer der Irrtum begangen, den Ausdruck „Kindbett-
fieberverdacht* des Hebammenlehrbachs als Ausgangspunkt für seine
Verpfiichtung zu nehmen. Das ist aber falsch; dieser Ausdruck hat
mit dem in § 6 des Landesseuchengesetzes erwähnten „Verdacht auf
Kindbettfieber, Typhus, Genickstarre usw.* nichts zu schaffen, son¬
dern ist erst nach der Formulierung des Landesseuchengesetzes in i
das Hebammenlehrbach, wesentlich für didaktische Zwecke, aufge*
nommen worden. Wenn der Kreisarzt von dem „Kindbettfieber¬
dacht* des Hebammenlehrbachs ausginge, so würde er allerdings
ein Ermittelungsverfahren im weitesten Sinne zu leisten haben;
das Landessenchengesetz überlässt es ihm aber, Verdacht zu
schöpfen, wo er wiU. Die Kreisärzte denken auch gar nicht da¬
ran, bei jeden Fall von Kindbettfieberverdacht im Sinne des
Hebamme^ehrbuchs ein Ermittelungsverfahren anzustellen. Zum
Beispiel hat der Kreisarzt von Königsberg unter 19 Fällen von
Kindbettfieberverdacht im Sinne des Lehrbuchs (d. h. Meldangen
über 38*) nur 8 mal ein Elrmittelungsverfahren angestellt.
Man muss den Geist der Verordnungen im Auge behalten,
nnd der soll doch nur der sein, dass der l&eisarzt jeder Weiter-
verbreitung des Kindbettfiebers entgegenwirkt. In diesem Sinne
wird er natürlich sofort ermitteln, wann eine Hebamme, welche
schon Fälle von Kindbettfieber gehabt oder welche ihm als an-
sanber bekannt ist, Fieber meldet; im entgegengesetzten Falle
wird er die Sache auf sich beruhen lassen oder wenigstens nur
im Auge behalten; man kann und muss dem Kreisarzt in dieser
Beziehung volle Freiheit lassen. Die Kommission, welche 1905
die jetzt geltende Meldepfiicht der Hebamme formulierte, hat
auch gar nicht daran gedacht, dass der Kreisarzt bei jeder
Temperatur Aber 38* persönlich ermitteln soll, sondern sie hat
ihm nur die Möglichkeit gewähren wollen es zu tun, wenn
er es für nötig hält. Wenn man das Verhalten des Kreisarztes
in diesem Sinne auffasst, kann von einer Belastung desselben mit
78 Dr. Erobne: üeber die bisberigea Erfolge der Bebudliug der
nnaiuifiUirbarer Arbeit gar nicht die Bede sein, selbst wenn die
Fiebermeldangen von Seiten der Hebammen noch viel zahlreicher
einlanfen, als es jetzt geschieht.
Meine Ansfübrangen sollen verhindern^ dass die ansseror-
dentlich segensreiche Meldepflicht der Hebamme den mehr oder
weniger theoretischen Einwänden, wie sie namentlich in Dresden
geänssert sind, zum Opfer fällt, und sollen die Anregung geben
über den genannten Schwierigkeiten nicht den wahren Zweck der
Verordnung ans dem Auge zu verlieren. Es wäre nun an der
Zeit, dass die Kreisärzte sich in grosser Zahl darüber
änsserten, wie die Meldepflicht in der Praxis in for¬
maler Hinsicht funktioniert und was mit derselben
für den eigentlichen Zweck erreicht wird. Noch viel
besser wäre es, wenn die Zentralbehörde, am besten
das Ministerium, durch eine Enquete bei den Kreis¬
ärzten sich über beide Punkte informierte; ich habe
das Vertrauen zu demselben, dass es nur auf Grund
einer solchen etwaige weitere Aenderungen in der
Meldepflicht verfügen wird.
Ueber die bisherigen Erfolge der Behandiung der
epidemischen Genickstarre mit Genickstarre-HeÜserum im
Regierungsbezirk DUsseidorf.
Von Kreisarzt Dr. Kroline, ständigem Httlfsarbeiter an der KOnigl. Begiemng
zu DOsseldorf.
Das seit 1904 in Preußen — und zwar vorwiegend in Ober¬
schlesien und dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet — zu
beobachtende gehäufte Auftreten der epidemischen Genickstarre
mit bis jetzt mehr als 6500 Erkrankungen und rund 4200 Todes¬
fällen hat uns mit den erschreckenden Sterblichkeitsziff'em der
Seuche die fast vollkommene Machtlosigkeit der bisherigen Be¬
handlungsmethoden der übertragbaren Genickstarre wieder einmal
recht drastisch vor Augen geführt. Die so außerordentliche,
jeden Genickstarrekranken bedrohende Lebensgefahr macht es
auch dem Medizinalbeamten zur Pflicht, nicht nur im Sinne der
Bestimmungen des Landesseuchengesetzes vom 28. August 1905 alle
nur irgendwie anwendbaren Maßnahmen zur Verhütung der Weiter¬
verbreitung der Genickstarre im Verein mit den Polizeibehörden
zur Durchführung zu bringen, sondern auch die modernen Heil¬
versuche der Behandlung der Genickstarre mit Heilserum bezw.
andere geeignete Methoden aufmerksam zu verfolgen und im
Einvernehmen mit den praktischen Aerzten — soweit dies an¬
gängig und durchführbar erscheint — an den Versuchen zur
Herabdrückung der Sterblichkeitsziffer der Genickstarre mitzu¬
arbeiten. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend hat der Herr
Begiernngspräsident zu Düsseldorf bereits Anfang des Jahres 1907
mit Bücksicht auf die bereits im Jahre 1906 im hiesigen Begie-
mngsbezirk mit teilweise günstigem Erfolge gemachten einzelnen
epidem. GeBiebtorre mit(}eiilck8tarr««HeU8eramimBeg.>Bez. Dtlsteldorf. 79
Yenaelie^^ einer Behandlnng mit Genickstarre •Heilserum mittelst
einer Yerngnng die sämtlichen Kreisärzte angewiesen, mit den
Aerzten ihres Kreises — namentlich mit den Krankenhansärzten
— in Yerbindnng zu treten and auf die Anwendong des Genick¬
starre •Heilserams in allen geeignet erscheinenden and sicher
festgestellten Fällen hinzawirken. Gleichzeitig werden die Kreis¬
ärzte anfgefordert, Aber alle mit Heilsernm behandelten Genick-
starreiälle bis za einem bestimmten Zeitpankt za berichten. Das
j^zt non Yorliegende Ergebnis der bisher mit Genickstarre-Heil-
serom behandelten Erkrankangen nnseres Begierungsbezirks ist
ein im allgemeinen recht erfrenliches and interessantes, weshalb
ich mit Rücksicht anf die Wichtigkeit der Angelegenheit and
namentlich in Hinsicht daranf, daß bisher erst wenige Beobachton-
gen über dies Gebiet veröffentlicht worden sind, nnser Material —
das meines Wisgens das bisher nrnfangreichste ist — hiermit be¬
kannt geben möchte.
Bis jetzt sind im Reg.-Bez. Düsseldorf in den Jahren 1906
and 1907 135 dorchweg sicher diagnostizierte Erkrankangen an
epidemischer Genickstarre mit Genickstarre-Heilsernm be¬
handelt worden. Yon diesen 135 Fällen sind 70 als geheilt ans
der Behandlnng entlassen, 1 Erkranknng befindet sich seit 8
Wochen noch in Behandlnng and ist soweit gebessert, daß ihre
Hdlang mit Wahrscheinlichkeit za erwarten ist, während 64 der
mit Sernm behandelten Erkrankangen tödlich verlaafen
sind. Diese Zahl entspricht also einer Gesamtmortalität von 47,6
gegenüber einer Sterblichkeit von rnnd 66 der übrigen im Reg.-
Bez. Düsseldorf bezw. der in Oberschlesien vorgekommenen, nicht
mit Heilsernm behandelten ca. 650 bezw. 4000 Erkrankangen.
In den 64 tödlich verlaufenen, mit Sernm behandelten Fällen sind
non allerdings auch alle diejenigen Fälle mit eingerechnet, die
einmal vermöge der schweren, znm Teil apoplektitormen Krank-
heitserscheinnngen, dann aber besonders wegen der viel za spät —
manchmal erst nach 10—14 Tagen — einsetzenden Serambehand-
lang von vornherein keine oder doch nur eine sehr geringe Ans¬
sieht auf einen Heilerfolg darboten. Betrachten wir dagegen
unter Berücksichtignng dieses Umstandes nur diejenigen Fälle,
in denen — soweit festgestellt werden konnte — die Behandlung
mit dem Genickstarre-Heilserum schon in den ersten 3—4 Tagen
nach dem Aaftreten der ersten Krankheitserscheinangen einge¬
leitet wurde, so ergibt sich, daß von den hier in Betracht kom¬
menden 72 Fällen 48 geheilt and nur 24 = SSVs^/o verstorben
sind; im Gegensatz za dieser günstigen Zahl hätten wir dann
für die erst im vorgeschrittenen E^rankheitsstadium mit Heilserum
behandelten 63 Fälle, von denen allein 40 verstorben und nur 23
geheilt sind, eine Mortalität von 63,2 °/o za berechnen, eine Ziffer,
die demnach hinter der bisherigen dnrchschnittlichen Sterblich¬
keitsziffer der Genichstarre von 66 *’/o nar wenig zarückbleibt und
1) Siehe die Arbeit des VerfMsers betr. dM Auftreten der epidemischen
Qenickstarre im Beg.-Bex. DSsseldorl im Band XYU des Klio. Jahrbuches; 1907.
80
Dr. Krobne: Ueber die bisberigen Erfolge der Bebeadliug der
erneut beweist, daß ebenso, wie z. B. bei Diphtherie und Tetanus,
die Serumbehaudlung' im aligemeineu nur ^nn einen deutlichen
Erfolg verspricht, wenn sie möglichst frühzeitig, d. h. noch ehe
der erkrankte Körper von den toxischen Prod^ten des Krank-
heitsprozesses gleichsam überschwemmt und in sdner Wider¬
standskraft gegen die fortschreitende deletäre Wirkung der infek¬
tiösen Stoffe total geschwächt ist, eingeleitet wird.
Der Krankheitsverlauf der nach Serumanwendung geheilten
und zwar besonders der im Frühstadium behandelten Fälle charak¬
terisierte sich meist durch eine bald nach den Injektionen des
Mittelseintretende, manchmal sofortige Besserung des Fiebers
und der übrigen Krankheitserscheinnngen. So wurde z. B. in
einem völlig desolat ins Krankenhaus eingelieferten FaÜ, bei dem
allerdings die Serumbehandlnng noch sofort am ersten Krankheits¬
tage begonnen wurde, noch Heilung erzielt. Aber auch unter
den 23 noch im Spätstadinm geheilten Erkrankungen waren noch
einige Fälle, bei denen trotz anfangs bestehender, äußerst schwerer
Symptome schon unmittelbar nach der Injektion eine auffallende
Besserung bemerkbar wurde, die dann relativ rasch zur Heilung
führte. Des weiteren ist die Tatsache recht bemerkenswert, daß
auch bei 10 von den 64 tötlich verlaufenen Sernmfällen nach den
jedesmaligen Injektionen anfänglich eine deutliche Besserung der
Krankheitserscheinnngen (sofortiger Fieberabfall, Nachlassen der
Nackenstarre, der Bewußtseinsstörungen, der Kopfschmerzen etc.)
beobachtet werden konnte, und daß überhaupt der Krankheits¬
verlauf der 64 tötlich endigenden Semmfälle im allgemeinen ein
länger dauernder war bezw. der Tod später eintrat, als dies bei
den anderen, nicht mit Serum behandelten ca. 400 tätlichen Er¬
krankungen im hiesigen Begiernngsbezirk beobachtet worden ist.
Dies ist ans folgender Darstellung zu ersehen:
Zeitpoakt
des Todes
Bei den ohne Heilserum
behandelten, tödlich verlaufe¬
nen Erkrankungen.
1
Bei den mit Heilserum
behandelten, tOtlich verlaufe¬
nen Erkrankungen.
i
in der
1.—2. Woche
in der
75 »/o
47,6%
1
8.-4. Woche
im
1.—2. Uonat
i
14,9
10,1%.
•26*/o
28,7 %|
23,77.]
52,47.
Während also in den tödlich endigenden, nicht mit Heil¬
serum behandelten Erkrankungen schon in
Tod in der 1.—2. Woche nach dem Beginn der Rankheit erfolgt,
trat in den tödlich verlaufenen Serumfällen — offenbar unter
dem Einfluß des anfänglich günstig wirkenden Heilmittels — in
mehr als der Hälfte der Fälle der Exitus erst nach Ablauf von
mehreren Wochen bezw. später, in nahezu V« tödlichen Er¬
krankungen sogar erst einige Monate nach dem Beginn der Krank¬
heit ein. Jedenfalls beweisen selbst diese statistischen Betrach¬
tungen des Verlaufes der trotz Sernmbehandlung tödlichen Er-
qiiden. GtoBiekstarre mit Gealolntarre-Hdlsenim im Beg.>Bet. Dftnddorf. 81
krankmigreii) daß das Mittel geei^rnet ist^ den Erankheitsprozeß
der GeniekstaiTe günstig zn beeinflussen.
Nun geht allerdings aus den vorliegenden Berichten deutlich
hervor, daß der Erfolg der eingeleiteten Heilsemmbehandlnng der
Genickstarre wesentlich mit abhängt einmal von der Art und
Menge des benutzten Serams und nicht znm wenigsten von der
Art der Einführung des Heilmittels in den menschlichen EOrper.
Von den 135 Düsseldorfer Fällen wurden 59 mit dem vom In-
stitut für Infektionskrankheiten zn Berlin kostenlos gelieferten
Wassermannschen Produkt, 57 mit dem Serum Merck-Darm*
Stadt (Jochmann), 5 mit von der Firma Meister, Lucius
& Brüning in Hdchst stammenden und 1 mit dem aus dem
Schweizer Serum-Institut von Prof. Dr. Eolle in Bern stammenden
Heilseram behandelt; außerdem wurden noch 11 Fälle abwechselnd
bezw. zusammen mit dem Berliner und dem Merck-Serum und
2 Fälle gleichzeitig mit dem Höchster und dem Merck-Serum
behandelt. Die Behandlungserfolge dieser verschiedenen Sera
ergeben sich aus nachstehender üebersicht:
Senun
Zahl der
Fälle
DaTon
geheilt
tot
also
Mortalität
1
Berlis (Wassemaon).
69
88
21
86,6«/,
2
Merck (Jochmann).
67
24
88
68,0 ,
8
Höchst.
6
2
8
69,0 , (?)
4
KoUe-Bem.
1
1
—
P
5
Berlin u. Merck sosammen . .
11
6
6
46,4 . (?)
6
Höchst u. Merck susaouaen . .
2
—
2
46,0 , (?)
Ans dieser üebersicht müssen nun zunächst die unter Nr. 3
bis 6 aufgeführten, mit dem Höchster und EoIle-Bern-Semm
oder mit den Mischungen des Berliner, des Merck- und des
Höchster Serams behandelten Fälle für die Beurteilung der Frage,
welches der angewendeten Mittel am wirksamsten ist, ansscheiden,
da einmal die Anzahl der mit Höchster und mit Eolle-Bern ge¬
machten Beobachtungen für eine brauchbare Vergleichsstatistik
zu gering ist und anderseits in den 13 abwechselnd mit zwei
verschiedenen Heilserumpräparaten behandelten Fällen eine Ent-
sdieidung der Frage nach der größeren Wirksamkeit des einen
oder anderen Mittels aus den uns vorliegenden Berichten gar nicht
möglich ist.
Dagegen läßt einVm'gleich der mit Berliner Serum und
der mit Merck-Serum behandelten Erkrankungen, deren Anzahl
fto* beide Mittel nahezu gleich ist, deutlich erkennen, daß allem
Anschein nach das Wassermannsche, aus dem Institut
für Infektionskrankheiten zu Berlin stammende Heil¬
serum mit nur 35,5<^/o Mortalität gegenüber dem
Jochmannschen, von Merck-Darmstadt stammenden
Heilserum mit 58**/o Mortalität die günstigere Wir¬
kung hat
Was zunächst die Menge des jeweilig verwendeten Heil¬
serums und die Zahl der an einem Kranken vorgenommenen In-
82 Dr. Krohne: üeber die die blBlierlgea Erfolge der Behudliug der
jektionen anbetrifft, so hat sieh gezeigt, daß die Anwendnng
möglichst großer Dosen des Heilmittels nnd die öftere Wieder-
holnng der Injedctionen wohl den meisten Erfolg yerspricht. Die
kleinste, mehrmals angewendete Dosis beträgt 5 ccm, die größte,
einmal verwendete Menge 70 ccm (!!); in den übrigen Fällen
schwankt die einmalige Dosis zwischen 10 nnd 25 ccm Serum.
Die Gesamtmenge des mit 8 Injektionen eingeführten Serums
betrag in einem Falle 110 ccm. Die Anzahl der öfters wieder¬
holten Injektionen belief sich einmal auf 12, in mehreren anderen
Fällen anf 11, 10 and 9 Anwendungen and bewegte sieh im all¬
gemeinen zwischen zwei- und viermaligen Injektionen.
Von großer Bedeatang ist offenbar die Art der Einfühmng
des Heilserams in den Körper. Das Mittel werde in 50 Fällen
subkutan (meist in Brust oder Oberschenkel), in 59 Fällen intra-
lambal (gewöhnlich nach Vornahme einer Lambalpanktion) and
26 mal gleichzeitig oder abwechselnd snbkatan and intralombal
dem Körper einverleibt. Das Ergebnis dieser Behandlungen war
folgendes:
Anzahl der
F&Ue
Geheilt
Mortalität
snbkniaa.
60
23
27
63,8 0,0
intridambsl.
snbkatsn und intralombal zu¬
59
86
24
40,6 .
sammen .
26
12
14
64-0 ,
Hieraus geht hervor, daß anscheinend die intralnmbale In¬
jektion, die mit 40,6 *^/o Sterblichkeit einer Mortalität von 53,3 */«
der sabkatanen Anwendung gegenübersteht, auf den Krankheits-
prozeß günstiger einwirkt, als die subkutane Applikation. Dies
stimmt auch mit den Berichten der meisten Aerzte überein.
Welche Anwendungsart in denjenigen Fällen, die gleichzeitig mit
subkutanen und intralumbalen Injektionen behandelt wurden, am
wirksamsten war, läßt sich aus den Berichten nicht feststellen,
da die Dosierung und die zeitliche Aufeinanderfolge der beiden
Injektionsarten in allen Fällen verschieden war. Dagegen ist es
von Wichtigkeit, den Erfolg der subkutanen und intralumbalen
Verwendung des Wassermannschen bezw. Berliner Serums
mit dem Merckserum zu vergleichen, was sich aus folgender
Uebersicht ergibt:
Zahl der
behandelten
Geheilt
Tot
Mortalität
Fälle
Serum
Berlin
(Wassermann)
subkutan . .
30
17
13
48,4 •/•
iatralumbal.
22
16
6
27,8 .
Serum
Merck
(Joehmann)
subkutan . .
intralombal.
12
37
8
18
1
9
19
76,1 •/•
65,0 ,
Auch ans dieser Darstellung geht nicht nur die günstigere
epidem. OenicksUrre mit Oeniclcstarre'Hdlseriim im Beg.-Bez. Dttsseldorf. 88
Wirknng: der intralambalen lojektionen ement heiror, sondern es
kann snch hierans geschlossen werden, daß das Wasser-
mannsche Sernm dem Jochmannschen Semm sowohl bei der
subkutanen, wie bei der idtralambalen Anwendung an Wirksamkeit
überlegen ist. Es mag noch erwähnt werden, daß in 6 Fällen
(1 mal nach Sernm Merck, 4 mal nach Sernm Wassermann
nnd 1 mal nach Eolle-Semm) als Nebenwirkungen nach der
Injektion das Auftreten' von erythematOsem bezw. Urticaria¬
ähnlichem Ausschlag beobachtet wurde, daß aber nur in einem,
später geheilten, Falle (einmalige Injektion von 70 ccm (!!)
Wassermannschem Serum) damit auch eine erhebliche StOmng
des Allgemeinbefindens verbunden war.
Nach allen Mitteilungen der Kreisärzte bezw. der betreffen¬
den behandelnden Aerzte unseres Bezirkes scheint es außer¬
ordentlich wichtig, die Behandlung der Genickstarre mit Heil¬
semm streng systematisch und unter genauester Beobachtang
aller in Betracht kommenden Momente (wie sie z. B. auch in
der Veröffentlichung von Prof. Wassermann in Nr. 89 der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift; Jahrgang 1907, S. 1585
eingehend dargelegt sind) durchzuführen. Es ist bemerkenswert,
daß gerade einige Aerzte, die eine größere Anzahl von Genick-
starreerkrankungen systematisch zu behandeln Gelegenheit hatten,
besonders gute Erfolge gehabt haben. So hat z. B. der leitende
Arzt eines Krankenhauses allein 17 Genickstarreerkrankungen
mit intralumbalen Injektionen von Wasser mann sehen Serum
behandelt, von denen nur 2 (= 21,7 °/o Mortalität) verstorben
sind; dabei ist zu berficksichtigen, daß der eine von diesen beiden
Todesfällen einen Patienten betraf, der schon moribund in das
Krankenhaus eingeliefert wurde.
Fassen wir das Ergebnis unserer bisherigen Feststellungen
zusammen, so erscheint die Behauptung durchaus gerechtfertigt,
daß das Gsnickstarre-Heilserum unter bestimmten VorausBetzungen
sehr wohl imstande ist, den Krankheitsprozeß der allen anderen
Behandlungsmethoden trotzenden epidemischen Genickstarre wirk¬
sam aufzubalten bezw. zur Heilung zu bringen. Berücksichtigen
wir, daß die Gesamtmortalität aller mit Heilserum behandelten
Genickstarrefälle 47,6% (auch entsprechend den anderswo ge¬
sammelten Beobachtungen) beträgt, daß dagegen die Sterblichkeit
der schon in den ersten 3—4 Tagen behandelten Erkrankungen
sich nur auf 33 Vs % beläuft, so erscheint doch zum
mindesten die Hoffnung berechtigt, daß es bei all¬
gemeiner Anwendung des nahezu völlig unschäd¬
lichen Genickstarre-Heilserums und systematischer
Durchbildung der Methode gelingen müßte, die bis¬
herige Sterblichkeit der Genickstarre von 65% auf
wenigstens 40% (Mittelzahl zwischen 47,6% und 33V8%)
bezw. um Vs herabzudrücken. Praktisch würde dies be¬
deuten, daß vielleicht in Zukunft von 1000 im Bheinisch-West-
ftlischen Industriegebiet an Genickstarre erkrankenden Personen,
von denen bisher ca. 650 starben, etwa 260 Personen C/» von 660)
84
Dr. Zelle.
mehr als bisher am Leben wfirdmi erhalten werden können. Um
dies nnd ein vielleicht noch günstigeres Besoltat zn erzielen,
wftre allerdings erforderlich:
1. Möglichst trflhzeitige Anwendung des Heilserums nnd zwar
tnnlichst in den ersten 3—4 Tagen,
2. Bevorzngnng der intralnmbalen ^jektion vor der snbcntanen
nnd des Wassermannsehen Semms vor den ttbrigmi
Präparaten,
8. Verwendung großer Dosen des Heilmittels nnd — nach
Bedarf — öftere Wiederholung der einzelnen Injektionen.
Nach alledem möchte ich den Herren Kollegen mit Bücksicht
darauf, daß doch die meisten GenickstarrefAlle den Kreisärzten
rechtzeitig bekannt nnd von diesen an Ort nnd Stelle zum Zwecke
der vorgeschriebenen Ermittelnngen nntersncht werden, dringend
empfehlen, überall die rechtzeitige Einleitung der Heilserum-
be^ndlnng, die freilich tnnlichst in einem Krankenhanse vor¬
genommen werden sollte, bei den behandelnden Aerzten anznregen
bezw. diese auf die Branltate der bisherigen Statistik, die nicht
allgemein bekannt sein dürfte, hinznweisen.
Die Genickstarre-Epidemie im Kreise Rothenburg 1906/07.
Von Kreisarzt Dr. Zelle in Hnskan.
I. Vorkommen nnd Statistisches: Im oben genannten
Kreise sind in der Zeit vom 11. Angnst 1906 bis 80. Mai 1907
21 Fälle von epidemischer Genickstarre zur amtlichen Fest¬
stellung gelangt nnd fast alle bakteriologisch, dagegen nur znm ge¬
ringsten Teil klinisch als echte Genickstarre erkannt worden;
eine ganze Reihe anderer als verdächtig gemeldeter Fälle er¬
wiesen sich durch die bakteriologische Untersnchnng z. T. als auf
anderen Infektionsnrsachen beruhend, z. T. als nicht infektiöse
Leiden. Sämtliche Kranke sind von mir amtlich untersucht worden,
da der Herr Begierungspräsiden zu Liegnitz auf meinen Antrag
genehmigte, daß über alle Genickstarrefälle inkl. der verdächtigen
amtsärztliche Ermittelnngen an Ort und Stelle angestellt wurden.
Von den Fällen kamen vor in:
Weiswasser (einem größeren Fabrik* Sagar (2,5 km von Keula) 1,
dorf von 10000 Einwohner) 9, Nochten (10 km Ton Weiswasser) 1,
Kranschwitz (Dorf, 4 km von Weis- Trebendorf (6 km ron , ) 1,
Wasser) 1, Schleife (8 km ron „ ) 8,
Kenia (2 km ron Kransehwitz) 2, Yiereichen (16 km ron „ ) 1.
Weiskeißel (8 km yon Kenia) 2,
Die Krankheitsfälle kamen demnach fast alle in einem kleinen
Radius von 4—10 km von Weiswasser vor; eine Ausnahme macht
nur der Fall in Viereichen.
Von den 21 Fällen gelangten zur Behandlung in das unter
meiner Leitung stehende Wilhelm-Augusta-Stift 16, davon starben
4 und zwar je 1 am 2., 3. und 4. Tage, sowie 8 Wochen nach
der Aufnahme. Als geheilt wurden 11 entlassen.
Demnach betrag die Sterblichkeit der in Hospitalpflege
l>ie QeiüekatarM'fipidemie im Kieise fiotheabnrg 1906/07.
86
geUngenden Kranken nur 26,6eine anffatllend niedrige Ziffer,
namentlich im Vergleich za den aaeserhalb des Erankenhvues
verpflegten 6 Kranken, die sämtlich starben. Hit diesen Todes¬
fällen betrag demnach die Gesamtmortalität 48*/o.
Von den Erkrankten standen im Alter von:
V* Jahren 1 (Knabe, gestorben),
1 Jahr 1 (Knabe, , ),
2 . 2 (M&dehen, , ),
7 „ 1 (Mädchen genesen),
9 „ 8 (1 Mäddben , ,
1 Mädchen gestorben,
1 Knabe genesen),
10 a 1 (Mädchen, genesen).
Es starben von 7 Kranken
14 männlichen Geschlechts 6.
18 Jahr 2 (1 Mädchen gestorben),
1 Knabe genesen),
14 a 1 (Knabe, , ),
15 , 8 (Knabmi, 1 gestorben),
16 a 2 (Knaben, 1 , ),
18 a 1 (Mann genesen),
19 a t (desgL
29 a 1 (Mann, gestorben),
81 a 1 (desgl.).
▼eibüchen Geschlechts 4, von
Die Erkrankten verteilen sich aaf die Altersklassen von:
1— 6 Jahrw:
4,
§
1
1
1
4 = 100,0
6-10 . :
6.
H
II
1 = 20,0
11—16 , :
6,
9
9
2 = 88 0
16—20 ,
4,
»
fl
1 = 25,0
21—80 ,
1,
9
9
1 = 100,0
daribei:
1,
fl
ff
1 s 100,0
II. Klinische Beobachtangen: Die Krankheit flng fast
in allen Fällen mit Erbrechen an; Halsschmerzen worden als Vor¬
läufer etwa 10 mal angegeben; Herpes labialis war selten (2 mal).
Hj^erästhesie der Beine beobachtete ich 5 mal. Die charak¬
teristische Stellung der gekrQmmten Beine sah ich fast immer;
Ohrenerkrankangen worden 8 mal in Form vom Mittelohreiteran-
gen beobachtet, dazu trat bei einem 9 jährigen Knaben absolute
Taubheit ein, von der bei der Entisissang noch eine starke
Schwerhörigkeit zurückgeblieben war.
Gelenkergflsse kamen 5 mal vor, Blasenlähmungen 2 mal.
In einem Fall trat eine eitrige Irido-Cyclitis auf, welche indessen
einen gutartigen Verlauf nahm und eine Sehschärfe von Vio
dem befallenen Auge hinterließ. Magenstörungen während der
Krankheit, wie Erbrechen, Durchfall kamen sehr oft vor; ein
14 jähriger Knabe behielt 4 volle Wochen lang nicht die ge¬
ringste feste oder flüssige Nahrung bei sich, sein Gewicht sank
von 65 auf 40 Pfund. Trotzdem trat Genesung ein; bei der
Ehitlassung wurden 68 Pfund notiert.
Die Behandlung bestand in systematich gegebenen Bädern
bis zu 40 Orad, ferner leisteten Eisbeutel und Quecksilbereinrein-
reibungen gute Dienste. Bei Schwächezuständen erwiesen sich
Kochsalzinfusionen als wertvoll; gegen die Schmerzen wurde
Aspirin in großen Dosen sowie Ghloralbydrat verwendet. Dem
meisten Erfolg aber sah ich von der Lumbalpanktion, welche bei
jeden Kranken angewandt wurde. Sie ergab fast immer ein
Exsudat, dessen Beschaffenheit von durchsichtig seröser bis dick
eitriger Konsistenz wechselte. Nach der Punktion wurde meist
ein promptes Ab&Uen des Fiebers beobachtet; die unerträglichen
96
Br. Zelle.
Kopfschmerzen ließen nach, das Sensoriam wurde freier. Vielfach
erbaten die Kranken deshalb eine Wiederholung der Prozedur.
Bei dem schon erwähnten Fall von unstillbarem Erbrechen machte
ich 4 Wochen lang jeden 2. oder 8. Tag die Punktion; es war
sehr interessant; zu beobachten, wie das anfänglich dickeitrige
Exsudat allmählich heller und klarer wurde und wie Hand in
Hand damit eine Besserung des Erankheitszustandes ging.
III. Bakteriologisches: In allen Fällen wurde Hachen*
schleim, Blut aus einer Hautvene oder Lnmbalsekret eingeschickt,
zuerst an das hygienische Institut der Universität Breslau, dann
an die bakteriologische Untersuchungsstelle der Eönigl. Hegiemng
zu Liegnitz.
Sehr große Schwierigkeiten machte zuerst die Beschaffung
von Versandmaterial; Glasröhrchen fdr Aspirintabletten, Pravazsche
Spritzen, Medizingläser mußten aushelfen. Wegen Mangel an
festen Umhüllungen kamen einige Proben zerbrochen am Be*
stimmnngsort an. Auch die Vorräte in Liegnitz reichten nicht
immer hin. Ans diesem Grunde konnte besonders anfangs
die Untersuchung nicht auf die ganze Umgebung des Erkrankten
ausgedehnt werden.
Bemerkt sei, daß 4 mal Bazillenträger gefunden wurden.
IV. Getroffene Maßnahmen: Da mein Amtssitz von
dem des Landrats durch 38 km Bahn* und 8 km Landweg getrennt
ist, war es nicht möglich, ohne schwer zu verantwortenden Zeit*
Verlust die von mir für nötig erachteten Maßnahmen durch die
Polizeibehörde anordnen zu lassen. Ich verfügte daher fast in allen
Fällen selbständig durch schriftliche Anordnungen, die durchweg po*
lizeiliche Billigung fanden. Obwohl ich vielfach über die Forderungen
des Gesetzes vom 21. August 1905 hinausging, kann ich doch das
verständnisvolle Entgegenkommen der Amts- und Gemeindevor*
Steher besonders in Weiswasser nur rühmend anerkennen.
Meine erste Maßnahme war die Anordnung sofortigen Trans*
Portes des Kranken oder des Verdächtigen in die Isolierbaracke des
von mir geleiteten Krankenhauses. Nur sehr selten nahm ich von
dieser Forderung Abstand auf dringendes Bitten der Eltern und
wenn tatsächlich eine wirksame Isolierung zu Hause möglich war.
Zugleich mit dem Kranken wurden seine Kleider und seine Leib*
wie Bett-Wäsche ins Krankenhaus transportiert zur Desinfektion
im Dampfapparat.
Die Säuberung der Wohnung schrieb ich bis ins einzebe
vor, auch kontrollierte ich sie gelegentlich. In den Arbeiter¬
familien ließ ich die Angehörigen der Erkrankten isolieren und
8 Tage lang der Arbeit fernbalten. Durch das Entgegenkommen
der Fabrikleiter und der Gemeinden wurde den dergestalt Iso*
lierten der Ti^elohn unverkürzt fortgezahlt. In besonders bedroh¬
lichen Fällen nahm ich die ganze Familie bezw. die Stuben*
genossen auf 8 Tage zur Beobachtung ins Krankenhaus. Die
Bazillenträger wurden sämtlich ins Krankenhaus übergeführt und
dort solange bewahrt, bis zweimalige Untersuchung das Fehlen von
Meningokokken im Rachenschleim erwiesen hatte.
87
pie ^«nickstArre* Epidemie im Kreiie Sothenborg 1906/07.
leb bin d«r festen Ansieht) daß ohne diese etwas rigorose
Kahnabmen die Seuche besonders in Weiswasser, wo sich die
ErkrankiuiS&tUle anfänglich mit großer Schnelligkeit folgten) eine
▼iel grö&ae Aasdehnnng gewonnen hätte. Denn W. wird in der
Hanptsache voa Arbeitern bewohnt, welche zu vielen Hunderten
auf großen Fabriken beschäftigt sind nnd eng gedrängt in Arbeiter-
wohnnngen hansen, in denen es wie in einem Ameisenhaufen
von HmucheD) besonders Hindern wimmelt.
y. In epidemiologischer Beziehung konnten folgende
Eig^ebnisse iestgestellt werden:
Der seitliche erste nnd in seiner Aetiologie nnklar gebliebene FsU er«
eignete eich nm 11. Angast 1906 in Weiswnsser. Hier erkrankte ein 19jlhr.
bShmiscber Olnsnrbeiter, der seit einem h&lben Jahre den Ort nicht TerUssen
hatte. Der sweite Fall wnrde am 16. Angnst ans Kranschwits (4 km von
Weiswasser) gemeldet; hier war es ein ISj&hriger Steinsengarbeiter, der am
21. Juli ans QOrlits zngezogen war. Bemerkt sei, daß in GOrlitz kefaierlei
Gtoaickstarrel&Ue vorgekommen sind.
Möglicherweise stehen diese beiden Fälle in Verbindnng mit Fall UL
In Kenia (2 km Ton Kranschwitz) erkrankte am 6. Angnst ein 9 jihr. Mädchen
an Kopfschmerz and Erbrechen. Ein Arzt wnrde nicht sn Bäte gezogen da
der Znstand sich bald besserte; am 18. Angnst setzten dagegen wieder Aopf«
schmerzen ein, nnd am 26. Angnst ergab sich, daß Genickstarre Torlag.
Sehr interessant ist, daß eine 10jährige Schwester des Mädchens am
28. Jnli einem Arzt Torgeführt wnrde mit Symptomen, die dieser als Polio¬
myelitis dentete; die Patientin starb am 21. Angnst. Der Arzt gab nachträg¬
lich zn, daß es anch eine atypische Genickstarre gewesen sein kOnne. Yid«
leicht ist der Infektionsstoff in diese Familie nnd damit in den Kreis dnrch
eine ältere Schwester ebgeschleppt, die Mitte Jnli ans Berlin sarückkehrte.
Genaneres ließ sich leider nicht ermitteln.
Der vierte Fall war leicht zn erklären, es handelte sich nm einen 29Jährigen
Grabenarbeiter ans Kenia, in dessen Bebansong Kinder ans der Wohnnng von
Fall III gespielt hatten (Erkranknng Anfang Oktober). Fall V (16. Oktober)
and Fall Fl (81. Oktober) betrafen 2 jnnge Arbeiter ans Weiskeißel, weldie
mit IV anf derselben Grabe and in derselben Belegschaft gearbeitet hatten.
Zn diesen Fällen gesellte sich ein bakteriologisch nicht als Genickstarre
veriflzierter Fall (Beginn 6. November), welcher aber klinisch das dentliche
Kid einer Genickstarre bot nnd bei dem ich anch alle erforderlichen Ma߬
nahmen traf, ohne ihn als Genickstarre amtlich sn führen. Anch er hatte mit
IV, V nnd VI znsammengearbeitet.
'Eet trat non eine längere Panse in den Krankheitsmeldongen ein, welche
erst am 6. Febrnar nnterbrochen wnrde. Es erkrankte in Sagar ein 18 ji^.
Schnlknabe (Fall VU), dessen Vater anf dem Hüttenwerk Kenia mit den Er¬
krankten snsammen gearbeitet hatte. Leider gelang der Nachweis von Ba-
sUlen bei dem Vater nicht. Etwa 14 Tage später erkrankte in Weiswasser,
das in regstem Verkehr mit Kenia steht, ein 16jähr. Glasmacher and starb
am 86. Febrnar (Fall VUI). An demselben Tage, als ich diesen Fall fest-
stellte, wnrde mir ein anderer in Weiswasser gemeldet; es war ein 18jähriges
Midien, das, soweit nachsnweisen, in keinerlei Beziehnng mit dem vorher¬
gehenden Falle gestanden hatte (Pall IX); anch dieser starb.
Non folgten in besorgniserregendem Tempo Meldnngen anf Meldnngen
ans Webwasser.
Am 19. März erkrankte ein Ißjähriger Glasmacher (X), am 20. März
ein ebenso alter Arbeiter (XI), dessen Matter and 8chwestem anf derselben
Fabrik wie Fall VUI beschäftigt waren. Am 26. März erkrankte and starb
eia 1 jähriges Kind eines Glasmachers, der anf derselben Glashütte wie FallX
arbeitete. Ein zweiten Kind derselben Familie erkrankte am 28. März nnd
starb am 1. Api^ (Fall XIU nnd XIV). Am 2. April erkrankte ein Ißjähr.
Glasmacher (XV), der mit Fall XI snsammen gearbeitet hatte. Am 8. April er-
88
Kleiaere ttitteilnagen oad ftefente ans 2eitse1iri^o.
kraakt« and starb an atehstea Tage ein iwei Jakre altes Kiad, dessea Woh¬
nung dicht neben Fall XV lag (Fall XVl).
Mit diesen Fällen war aber anch die Zahl der Erkranknngen in Weia-
wasser erschöpft; bis heute sbd keine neuen Torgekommen.
laswischen war am 20. Hän ein 81 jähriger Forstarbeiter ans Nochten
(1 km Ton Weiswasser), der yiel in Weiswasser Torkehrt hatte, erkrankt und
starb am 2. April (Fall XII).
Kaum war die Seuche in Weiswasser erloschen, so flammte sie in dar
nächsten Bahnstation in Schleife auf. Hier erkrankte am 21. April ein 9 Jahre
altes Mädchen (Fall XVII), das im Krankenhaus scheinbar ganz geheilt wurde
und am 21. Juni entlassen werden sollte, als die Schwester sie am Morgen
dieses Tages tot im Bette fand. Eine Obduktion wurde leider yerweigert.
Ferner erkrankten in Schleife am 16. Mai in derselben Familie ein lOJähr.
Schulmädchen (XVlll), das mit Fall XVII yerkehrt hatte sowie ihr kleiner
Bruder, der am 17. sich legte und am 19. starb (Fall XIX).
Auf diese S Fälle beschränkte sich die Epidemie in Schleife, jedoch
wurde am 28. Mai noch eine Erkrankung (XXI) ans dem nahegelegenen Tre¬
bendorf gemeldet; es bandelte sich um ein 7jähriges Mädchen, das m Schleife
zur Schule ging und mit Fall XVII in einer Klasse saß.
Während bei all diesen Fällen der Uebertragnngsweg ziemlich klar
war, blieb in seiner Entstehung unklar Fall XX. Ein 9jähriger Knabe
aus einem Gasthof in Viereichen, einem 16 km yon Weiswasser gelegenen und
mit diesem in keiner Verbindung stehenden Dorf, erkrankte am 20. Mai an
Genickstarre. Der einzige Fingerzeig in diesem Fall ist der, dafi in Viereichen
am 4. April ein der Genickstarre klinisch dringend yerdächtiger Fall sich
ereignete. Es war ein 22 jähriger Bauernsohn, der yiel in Weiswasser yer-
k^rt hatte. Die yerschiedensten Blut- und Mchenschleim - Untersudinngea
blieben indes hartnäckig negatiy.
Ich stehe am Ende meiner kurzen Üebersicht, sie zeigt
meines Erachtens, wie nützlich eine Erweiterung der sanitären
Zwangsmaßregeln bei Genickstarre wäre; insbesondere halte ich
eine gesetzlich Torgeschriebene Absonderung der Erankheits- und
Ansteckungsverdächtigen für dringend geboten.
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. Oarlohtllohe Madlsiii.
Die aknto tddliohe Vergiftung mit Benioldampf. Von L. Lewin-
Berlin. Mttnohener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 48.
Beim Beinigungsyersuche eines mit Benzol und a-Naphthjlamin beschickt
und erwärmt gewesenen Extraktionskessels yerlor ein Arbeiter das Bewufitsc^;
man sah ihn bewußtlos dasitzen. Mehrere Arbeiter machten den yergeb-
liehen Versuch, den Bewußtlosen herausznholen. Bin Arbeiter, der sich hierbei
beteiligte, war noch nicht ganz in den Kessel gekrochen, als er anch schon
betäubt znsammenbrach; trotzdem er durch eigene Kraft wieder herauskro^,
starb er nach 10 Minuten. Einem mit Sicherheitshelm ansgestatteten Ingenieur
gelang es dann, den zuerst hineingekrochenen Arbeiter herauszuziehen und
zu retten.
Verfasser hatte nun in einem Gutachten die Frage zu beantworten, ^ob
nach dem Obduktionsbefunde anzunehmen ist, daß der Tod des Arbeiters N.
infolge Binatmens giftiger Gase eingetreten ist und ob es mOglidi ist, daß
ein Herzschlag die Todesursache ist*.
Zu diesem Zwecke wurde nun zunächst festgeatellt, daß Benzol in den
Kessel gelang war und dieses mithin auch sdne Ebiwirknngen auf die in dem
Kessel Mfladlichen Menschen entfalten konnte. Dann wurde die Frage zu
beantworten gesucht, wie eingeatmeter Benzoldampf wirkt und dabei folgende
yier Gruppen yon Erfahrungen herangezogen:
1. Es kann ein Mensch durch Benzoleinatmung akut ye^iftet und
wieder hergeetellt werden.
Sldnttre Mittelliinfen. und Referate abs Zelteohrlften. 89
2. Aneh nach einer leichten akuten Benaoleinwirkung kOnnen bei einem
Meuchen laaganhaltende Nachkrankheiten dch eiutellen.
8. Oorch die wiederholte Vergiftung mit Benaol im Betriebe sah man
ein chronisehee Leiden entstehen.
4. Menschen, die akut eine größere Menge konzentrierten Benzoldampfli
ffa tMHMi, können innerhalb mehrerer Minuten bü zu einer Stunde sterben.
Es wurde ferner fettgestellt, daß in dem Eztraktiooskessel eine Atmungslnft
war, die durch den Gehalt an Benzol eine Oiftwirkung, nämlich Betäubung
erzeugen konnte. Auch war der Beuolgehait des Kessels genügend, um
einu Menschen toten zu können.
Du Sektionsprotokoll über den verstorbenen Arbeiter yerzeiehnet unter
anderem:
a) Blutaustritte am Eingug der Gefäße in die rechte Lunge.
b) ln der Mitte du Mageu stecknadelgroße rundliche schwärzlich ge-
fiUbte Blutaustritte.
c) Blutaustritte derselben Art in größerer Menge an 6 verschiedenen
Stellea im Dünndarm.
Selbst weu man die unter a) genauten als zufällige oder besser durch
die zweifeUos bei N. vorhuden gewesenen AtmungtstOrungen bedingt et-
klärm wollte, so fügen sich die unter b) und c) genannten so in du Bild der
Benztdvergiftung passend ein, daß sie auch davon abgeleitet werden müssen.
Verfuser gab sein Gutachten dahin ab, „daß der Tod durch akute
Bnatmung von Benzoldampf erfolgt ist*.
Der Gerichtshof nahm u, daß der Tod des Arbeiters N. und die KOrper*
Verletzung des uderen geretteten Arbeiters durch Benzolvergiftung elngetretea
seieBi veneiate aber eine Fahrlässigkeit der Beteiligten.
_ Dr. Waib el«Kempten.
Sehidfgaag der Leber durch experlmeutolle Esslgslurevergiftuug.
(Läsioas ezpdrimentales du foie). Von J. Parisot und A. Harter. Comptu
rendus de la soc. de bioL; LXUl, 1907, Nr. 84.
Nach lujektion verdünnter Essigsäure in den Ductus choledoohus
bei Kaninchen blieben die Tiere noch 1—18 Tage am Leben. Bei der histo*
logischen Untersuchung der Leber fanden sich: Nekrotische Partien, starke
BludUUnng der Zentralvenen und der intralobulären Kapillaren, Zellinflltration
in der Umgebung der Gallengänge, außerdem aber junges zirrhotisches
Gewebe, dessen Kennzeichen sehr ausgesprochen waren.
Die Mil« war stark hypertrophketa, die Blutüberfüllung bedeutend, die
Glomemli sehr groß, z. T. mit nekrotischem Zentrum mit Biutpigmentgualt.
(In seinem Obduktioubefund einer Essigessensvergiftung benchtet
Schiffer-Bingen in AerztL Sachv. Ztg. 1908, 8. 16 ebenfalls über Ver¬
größerung und starken Blutgehalt der MUz. Bet)
_ Dr. Mayer-Simmem.
Zar toxlseheu Wirkung der Kaltsalse. (SclOrose rOaale, drrhose hO-
patigue et ascHe expOrimental par les sels de potuse). Von A. Fronin n.
2k. MantA Comptes rendus de la soc. de bioL; LXUL, 1907, Nr. 88.
Bekannt ist, daß man nach Vergiftung durch CbJoroform, durch Phosphor-
oel und andere Mittel neben Läsionen der Leberzelle auch mehr oder weniger
deutliche Nierenlaesionen antrifft. Lanceraux hat auf Entstehung von
Lebercirrhose durch Aufnahme von Kaliumbulfat autmerksam gemacht.
Die Autoren erzeugten im Versuche an Hunden durch Kaliamsolfat Leber-
drrhoee und Ascites; — nach täglicher Aufnahme von 4 g K> SOi 10 Monate
kialnreh starb der Hund und wies in der Bauchhöhle 1800 ccm freier Flüssig¬
keit aut
Sind die Kt SOt-Dosen nicht ansreichend, um Leberschädigungen zu er-
zielsa, so treten doch Nierenläsionen aut Dasselbe gilt für KCL
_Dr. Mayer-Simmem.
Untennehaigen Iber die Gtftwirkung des Stovakekalngemlsebes.
Von Piquand und L. Dreyfus. (Ans dem Laboratorium des ProL
Beclus). Oomptes rendus de la soc. bloL LZin.; 1907, Nr. 81.
90
Kldnen lOttollaiigen and Sefentn nos Znitsehrlftan.
Du sar LokalaoneBtherie bnnntste StoTokoknln butebt bekanntlich
au einem Gemisch Ton Kokain and Storoin. Die Antoren prüften beim
Kuinchen dnrch intrarenOse Injektion, beim Meenchweinehen dorch intro*
peritionale Injektion von Kokain, Storoin and ron einem Gemisch dieser beiden
teils im VerbUtnis 1:1, teils in dem ron 8:4 nnd in einer LOsnng ron
1:200, wie sie praktisch angewandt wird, die Giftwirknng. Es ergab sidi,
daß du Gemisch swischen Kokain nnd Storoin in besag aal die Toxiittit
etwa die Mitte hilt — (Ungefähr 2 g pro Kilo Tier bä intmrenOser An-
wudug).
Uu intereuiert du Symptomenbild in erster Lbiie, du dem Tode der
Tiere roraugeht. Mu beobachtet snerst Anlregugssutände; du Tier
flüchtet nach einem dnnklen Winkel seines Käflgs, wirft sich sur Säte, dann
treten Krämpfe and Singaltu aaf. Manchmä stellen sich Trismu, Nacken-
starre, Spächäflafl — und schließlich epUeptiforme Krämpfe ein.
Dr. Mayer-Simmern.
Beitrag rar Bleirerglftnng ln ehemlseh-toxluher Hlnaleht. Von
Dr. G. Meill6re. La Tribane m6dicäe; 19u7, Nr. 27.
Die Versache, die Verfuser über die Bleirergiftung in chemisch-toxi¬
kologischer Hinächt ustellte, besogen sich 1) anf die Anäue aller der Grand-
itoffe und Zuammeuetxnngen, deren Herstellug oder Buntsong rorflber^
gehende oder chronische Bleirergiftang herrorrofen kOnnen, 2) anf die Unter-
snchang der Nahrangsmittel (iw. Txinkwasser), 8) anf die Lokalisation des
Bläes im Organismu and die Wege seiner Elimination.
Verfasser sieht folgende Sclüaßfolgenugen au seinen Versachen: Die
klinisdien Beobachtangen stimmen mit den experimentellen Festäellnngen
darin überein, daß du Blä als ein Gilt sa gäten hat, welches du Nerren-
system in seinem wichtigsten Element (graue Sabstau der Nerreuentren)
schädigt and du Blatsystem in den hämatopo^tschen Orguen (Leber, Müs,
Knochenmark) and den Blatelementen angreift. Die Wirkang des Bläes auf
den KSrper ist teils unmittelbar, teils mittäbar. Im wuentlichen wird da-
darch die Zuammeuetsang der yerschiedenen Sekrete verändert nnd eine
Sklerose der Gefäßwände herbägeführt; Eisen ud Phosphate werdra oaf
uormäe Weise eliminiert. Allu suammen raft eine Irühsätige Senilittt
hervor und macht den KOrper weniger sriderstudsfähig gegen olle möglichen
Krankheiten. Durch die Beharrlicliäät der Lokalisation und die Lugsamkät
der Auschädang besrirkt du Blä änen unheilbaren Verfall des Organismu,
der nar dun aufgehäten werden kun, wenn der KOrper du Einflüsun du
Bläee gänslich entzogen wird. Die prophylaktischu Maßnahmu kOuu bis
SU einem gewissu Grade die Eatwicklung der Bleivergiftug verhindern;
eine rationelle Ernährang (vegetarische Kost) ud eine entspreehude medika¬
mentöse Behudlug (Salfotherapie) können die Entstehug des chronischu
Satarnismu aufhalten oder abschwächen, alle diese Maßnahmu gewähru
aber keine absoljite Sicherhät, ramä bä den Individaen, die ihre KOrper-
beschaffenhät buonders empfänglich für die Einflüue du Bläu macht.
_Dr. Solbrig-Allenstein.
Ueber den Gebraneh von Chlonlnklßsnngen bei der Behandlug der
Endometritis. Von M. Hofmeier. Münchuer med. Wocheuchrift; 1907,
Nr. 48.
Verfauer berichtet über zwä Fälle von Chlorsink-Vergiftung, weläw
ihm rar forensischu Begutachtug kamu.
Im ersten Fäl trat bei einer 20 jährigen Person noch der intrauterinen
Anwendug von u. 2 ccm 60 proz. Chlorzink nach 12 Standen uter du
heftigsten peritoätischen Erscheinu^u der Tod ein. Die Obduktion ergab
eine äemlich intenäve Peritonitis, cue wätgehude Verätzug der Uterai^
Schleimhaut, aber weder eine Verätzug der Uteruwud, noch einem Dureb-
tritt der Aetsflüsägkeit darch die Tabu, deren Schleimhaut guz normal
wu. Weu auch ein Zweifel darüber ächt bestehu koute, daß diese Po-
tiutin u den Folgu der Chlorzinkuwudug gestorbu war, so wu deeii
die direkte Todesursache ächt gou klar. Die Aetzwirkug allein erklirto
Kleinwe Mitteilnngeii and fieferote am ZeitMhriftea.
91
dm ■chmllm Tod nicht; rielmehr schien dne direkte Giftwlrknng Im Spiele
na sein.
Im swdtm Eelle handelte es sich nm eine Ton der Scheide am sa>
Stande gekommene Chlomink- bmw. Zinkrergiftnng. Der Arst hatte sich die
I^rÜo im Speknlom eingestellt und non mit einer 1 ccm fusenden Bmanschen
Spritse 50 proo. Chloriink in den üterm injisiert. Da infolge mangelhaften
mhlnsees des Ansaustttckes das meiste Torbeifloß, soll noch eine sweite Spritse
angewendet worden sein. Bdm FfiUen dieser sweiten Spritze soll das ln
der linken Hmd |[ehdtene Fl&schchen mit der 50 proz. ChlorzinklSsnng nm-
gekippt sein and sich ein Teil seines Inhalts fyielleicnt einige Enbikzentimeter)
n ue Scheide Tergossen haben. Hierauf folgte noch eine AmsptUnng der
Schelde bei noch liegendem Speknlnm mit ‘/»P^ozentiger LysoUösong. Sehr
hold stellten sich heftige Schmerzen ein, die immer mehr znnahmen, dann
Kollaps, Erbrechen and nach 21—22 Standen Tod.
Die Obdaktion ergab zanächst eine sehr heftige Peritonitis, zunehmend
an Intensität nach dem ueinen Becken za. Ferner bestand Schwangerschaft
in der 6. Woche. Aber mit Sicherheit waren das Innere des Uterm sowohl, wie
die Taben vollständig inti^t and zeigten keine Spar von Verätzung. Ebemo
sicher konnte eine Perforation irgend eines Organes aasgeschlossen werden.
Dagegen warde im oberen Teile der Scheide ein über htthnereigrößer, am Ver¬
sehen Uegen gebliebener Wattebamch gefunden, um welchen hemm die game
Scheidewand, besonders nach hinten zu, stark yerätzt war. Die chemische
Anoljm der Baucheingeweide er^ab einen relativ sehr hohen Gehalt an Zink,
der einer Henge von 8,21 ccm einer 50 proz. Chlorzinklbsung entsprach.
Demnach bleibt die Tatsache bestehen, daß die Person nach dem Hinein¬
bringen größerer Mengen von Chlorzink in die Scheide (ohne Verletzung and
ohne Durchtritt des Mittels darch den Uterm) unter schweren Vergiftungs-
ersehelnongen verstorben ist.
Der wegen der Giltwirkung zu Bat gezogene ProlDr. Straub meinte,
daß bei der Anwesenheit von Cluoraink und bei einem gleichzeitigen Ueber-
sehoß von Semm gewisse Zinkalbuminatverbindungen sich bilden kOnnen,
welche leicht resorbierbar sind and denen eine intensiv toxische Eigemchaft
mdcommt. Die nach dieser Bichtang hin angestellten Untersuchungen ergaben,
daß es ln der Tat scheint, als ob es gerade £e spezifische Verbindang von Zink
mit Albuminaten Ist, welche die Giftwirkang amflbt, so daß es sich in beiden
FäUen nm eine rein toxische Wirkung gehandelt hat.
Zorn Schlosse warnt Verfasser vor dem Gebrauche starker Chlorzink-
iSzongen we|^ der unberechenbaren Tiefenwirkung und empfiehlt, den Gebrauch
der konzentnerten ChlorsinklOsangen, sobald es sich nicht um eine rein Ört¬
liche Aetzwlrkong handeln soll, za verlassen, was nm so mehr angezeigt
seia dftrfte, als man fttr die gewfinschte Aetzwirkung auf die Utermschleimhaat
aadere, weniger gefährliche Mittel, wie Fonnalin und komentrierte alkoholische
KorboUOsnngen (20proz.) zor Verfügung hat. Dr. Waibei-Kempten.
Heber gongrinSse Perferattenen des Uterns infolge von kriminellen
Aberten« Von L. Thoinot, Prof, der ger. Medizin in Paris und Ch. Paul,
Gerichtsarzt ln Paris. Annales d’hygiOne publ. et de mOd. 10g. IV. Serie;
Bd. VIIL; Dezember 1907.
Im Anschloß an Abtreibongsversuche kommt es gelegentlich zu Per-
foratloaen des Uterm mit größeren GewebszerstOmngen von besonderem aao*
tomlsehea Verhalten, das nach den Untersuchungen der Verfasser als myko-
tiache Gangrän zu bezeichnen ist. Obwohl bisher kein einziger Fall eines
derartigea Defektes bekannt ist, bei dem eine traumatische Entstehung
aiasgesdüossen wäre, so ist doch die Möglichkeit nicht abzulehnen,
daß es nach einmal im Verlauf eines nicht kriminellen Abortes zu einer
spontanen (Hagrän der Utermwand kommen könnte, die der Utermgangräa
im Wochenbett an die Seite zu stellen wäre. Die pathologischen Prozesse
■ind aber ln den typischen Fällen so deutlich unterscheidbar, daß für den
gniichtlichen Sachverständigen daram keine Schwierigkeiten zu entstehen
braoehea. Wohl aber kann dies bei nicht typischem Befunde der Fall sein.
Bei gangränöser Perforation sddiem sich natürlich die Gangrän an
die primäre Perfwatlon an und Ist deshalb an ihren Bändern am stärksten; es
92
Heinere Httellaiigen tind Referate ans 2eit8ehriReii.
kommt zn einer auffällig raschen VerflQssignng; Fetzen nekrotischen Gewebes
hängen in die Oeffnong hinein. Weiter entfernt Ton dieser schreitet die Nekrose
langsamer Tor; es bildet sich zwar ein Schorf, aber er wird nicht abgestoOen,
weil der Prozeß lange vordem Halt macht. Umgekehrt ist bei der perfor-
rierenden Gangrän im Wochenbett die Nekrose eines mehr oder weniger
großen GewebsstOdees das primäre und die Perforation die Folge der Ab¬
stoßung des nekrotitseben Sequesters, den man gelegentlich in der ütershShle
findet. Auch der klinische Verlauf beider Erkrankungen ist verschieden,
namentlich in bezug auf die Dauer. Bei gangränöser Perforation tritt der
Tod innerhalb 48 Stunden, längstens nach 6 Tagen ein; bei perforierender
Gangrän ist der früheste Todesuül, der bekannt ht, am 7. Tage erfolgt.
Dr. P. Fraenckel-Berlin.
Der Herzinhalt bei mechanischer Erstickung. Von Romant und
Euzi^re. Ann. d’bygiöne publ. et d. m6d. Idg.; September 1907.
Ob das Herzblut bei mechanischer Erstickung fiOssig oder geronnen ist,
ist noch immer strittig. Der alten Walterschen Lehre, wonach beim Er¬
trunkenen das Blut stets flüssig, bei aus Wasser gelangten Leichen teilweise
geronnen sein soll, stehen experimentelle Untersuchungen entgegen, die
Gerinnsel im Blut ertränkter Tiere ergaben. Aber auch in Leichen Ertrunkener
wurden von Brouardei und Loye Gerinnsel beobachtet. Sarda und seine
Mitarbeiter erklärten auf Grund von Experimenten sogar den Befund von
Gerinnseln sowohl bei Erhängten, Erwürgten, Erstickten, als auch bei Ertrunkenen
für regelmäßig. Demgegenüber gelangten Wachholz und Horoczkiewicz
neuerdings zu der Ansicht, daß beim Ertrinken wie bei allen plötzlichen Todes-
flUlen überhaupt das Flüssig bleiben des Blutes die Regel sei, wenn man es
vermeidet^ bei der Eröffnung des Herzens durch rauhe Instrumente, Berührung
des Blutes mit Perikardiaiflüssigkeit und dcrgL Gerinnung hervorzurufen.
Um diese Widersprüche aufzuklären, haben die Verfasser unter Berflck-
sichtigung der von den letzten Autoren bervorgehobenen Fehlerquellen
neue Versuche angestellt. Die Ergebnisse sind folgende: Nur unmittelbar
nach dem Tode und bei weit vorgeschrittener Fäulnis ist ganz flüssiges Blut
vorhanden. Die Herzhöhlen können völlig leer sein, wenn gleich nach dem
Tode die Leiche in eine Lage mit abwärts gerichteten Oberkörper gebracht
wurde und bis zum vorgeschrittenen Fäulnisstadium in ihr verblieb. Eine Aus¬
treibung des Blutes durch die Erstarrung der Muskeln, wie von einigen be¬
hauptet worden ist, kommt nicht vor. Auch wenn das Herz erst nach sorg¬
fältiger Abspüiung der Perikardialflüssigkeit und mit eingefetteten Instru-
S enten, nach Unterbindung der großen Qefäßstämme geöffnet wurde, fanden
eh sowohl bei langsam ertränkten, als bei erhängten Tieren 12 Stunden nach
dem Tode Gerinnsel. Dieses nun von der Sardaschen Schule regelmäßig er¬
haltene Resultat dürfen daher gegenüber den inkonstanten Befunden von Wach-
holz als das richtige gelten. Es fehlen noch Beobachtungen, ob es einen
Unterschied für die Gerinnung ausmacht, ob der Tod durch Sauerstoffmangel
oder durch systolischen Herzstillstand eintritt, wie es gelegentlich beim Er¬
trinken vorkommt. Experimentell ist diese Frage nicht zu prüfen, weil er¬
tränkte Tiere nicht an Synkope sterben. Dr. P. Fraecnkel-Berlin.
Ueber einen interessanten Fall von einem FremdkSrper ln der Nase.
Von Dr. Mühlenkamp-Düsseldorl Münchener med. Wochenschrift; 1907,
Nr. 49.
Bei der Untersnehnng eines Patienten, welcher über Brennen und
Zucken in der Nase klagte, sah Verfasser in der linken Nasenhälfte direkt
neben der Scheidewand, senkrecht zum Nasenbecken einen 8 mm langen und
1 mm breiten schwarzgrauen Streifen, welcher sich bei der Operation als dne
gut 5 mm lange und fast l^/i mm breite, abgebrochene Messerklinge heraus¬
stellte. Die Anamnese ergab, daß der Kranke bei einer Schlägerei vor
2 Jahren gestochen worden war, wobei das Messer durch den Nasenrücken in
den knöchernen Teil des Gaumenbogens eingedmngen und dort abgebrochen
war. Auf den Nasenrücken fand sich bei genauerem Zusehen eine kleine
winzige, striebförmige Narbe. Die Messerklinge hat also 2 Jahre lang reak¬
tionslos in der Nase verweilt. _ Dr. Waibei-Kempten.
Kleinere Mitteilungen and Beferate ans Zeiteehiiften.
98
Alter FrendkSrper im Oberkiefer ala ürsaehe akat elaeetieBder
bleaarrhoe-ihnltcher Bindebanteiternncen. Von Assistenaanct Dr. Tkorey-
DOneldorf. MOnchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 49.
Verfasser bietet 2 Röntgenaufnahmen dar, welche von einem 81 jihrigen
Manne herrtthren, bei dem eine abgebrochene Messerklinge seit 4 Jahren in
dar linken Augen*, Kiefer- und Nasenhöhle und der Nasenscbeidewand saS,
o^e daß der Kranke davon wußte. Eine starke Bindehautsackeiterong,
welche 8 Wochen lang erfolglos behandelt wurde und ein Ubier Oer ach ans
der Nase, führte zu einer genaueren Untersuchung und zu obigem Befunde.
Der Kranke wurde erfolgreich operiert und erzählte nun, daß er vor 4 Jahren
einen Stich in die Gegend des 1. Auges bekommen habe, der von oben her
geführt sein mttsse; die Klinge sei vermutlich an der Stirn abgeglitten und
habe dann die Waage verletzt. Die Wunde sei am nächsten Tage genäht
worden und in wenigen Tagen vollständig geheilt gewesen.
_ Dr. Waibel-Kempten.
B. SaohwentftndiKeat&tlgkelt In Unfall- und ZnwalidltAtasaolian.
Tabes und UnfalU Von Dr. Kurt Mendel. Monatsschrift fUr Psj-
chiatrie und Neurologie; Band XXII, Heft 6.
Ein sicherer Fall einer reinen Tabes traumatica ist bislang nicht be¬
schrieben; ein früher gesundes und insbesondere durch Syphilis nicht prae-
disponiertes Individuum kann durch einen Unfall, welcher Art er auch sei, nie
tablsch werden. Das Trauma kann aber bei einem zur Tabes durch Syphilis
Disponierten die ersten Erscheinungen des BUckenmarksleidcns auslösen, es
kann ferner bei bereits bestehender Tabes verschlimmernd und auf den Ver¬
lauf der Krankheit beschleunigend wirken. Die Verschlimmerung kann ent¬
weder das Trauma an sich herbeiftihren, oder es können das dem Trauma
nachfolgende langdauernde Krankenlager, die veränderte Lebensweise, die
erzwungene Buhtgstellung einzelner Glieder des Körpers und die Sorten
ffir die Zukunft das schädigende Agons abgeben. Besonders eklatant zeigt
sich die Verschlimmerung der Tabes durch den Unfall in denjenigen Fällen,
in welchen direkt im Anschluß an die Verletzung eines Körperteils eine
Zunahme der Beschwerden daselbst beobachtet wird oder wo zu früheren
Symptomen neue, an dem Orte der Verletzung lokalisierte, hinzukommen.
Dr. Többen-Mttnster.
Si^ttlision des Ulnarls. Von Dr. H. Brassert. Münchener med.
Wochenschrift; 1907, Nr. 63.
Wenig beachtet sind nach Oppenheim Jene Spätläsionen des Ulnaris,
die infolge von Verletzungen und Affekionen anderer Art am Ellbogengelenk,
durch Kallasbildung oder narbige Verwachsungen hervorgerufen und unmittel¬
bar aasgelöst durch eine brüske Bewegung, Deberanstrengung oder Zerrung,
nach vielen Jahren erst in die Erscheinung treten. Einen ähnlichen Fall teilt
Verfasser mit. Ein 48jähriger Maschinist zeigte an der rechten Hand deut-
lidie Atrophie des M. interosseus ezternus I und des Adductor pollicis, auch dies
Spatia interossea am Handrücken waren etwas eingesunken, der Hypothenar
leicht atrophisch. Spreizen und Adduktion der Finger waren stark beeinträchtigt,
Beugen der Grandphalangen nicht möglich. Geringe Sensibilitätsstörungen an
der ulnaren Handseite und an den vom Ulnaris versorgten kleinen Handmuskeln
partielle EaB. Anamnestisch war besonders heivorzuheben, daß Pat. im Jahre
1875 Scharlach durchgemacht hatte und sich im Laufe dieser Krankheit schwere
eitrige Prozesse in beiden Ellbogengelenken mit starken Gelenkveränderungen
angeschlossen hatten, besonders im rechten Ellbogengelenk.
Es lag also bei dem Pat. eine Parese des rechten Ulnaris vor,
welche angesichts der arthritisch - deformierenden Veränderungen am r. £11-
bogengelenk zweifellos von hier ans ihren Ausgang genommen hatte, indem
wahrscheinlich der Nervenstamm infolge eben dieser Gelenkveränderungen
gedrückt oder sonstwie in seiner Lage, beeinträchtigt wurde. Für eine andere
Aetiologie sprach nichts; denn weder Traumen noch Kompression und Zerrungen
in bestimmten Situationen, bei besonderen Bewegungen oder Hantierungen, noch
Inf^tionen, Intoxikationen, noch ein begbnendes Zentralleiden waren vorhanden.
Dr. Waibel-Kempten.
94
Kleinere Mltteilnngen nnd Beferate am Zeitsohrlfleo.
Wvmbehaftaiig nd WarmkravUeit iat aleht ala Betrlebaaalkll
aanMhaa, wohl abor eine darah die Behaadlanf elagetreteae Brbliadaaf
des Wnrmbehaftetea« Urteil des Beichsgerichts (V. Z.-S.) Tom
6. Norember 1907. Joristische Woobenschrift 1907, Nr. 22.
Der EUger hat bis zum 21. Mai 1902 anf der der Bergwerksaktiea-
S aellschaft Eibemia gehSrigen Zeche Shamrok als Bergmann gearbeitet; aa
esem Tage wurde er, „als mit der Wnrmkrankheit behaftet", in das katho¬
lische Krankenhaus in Bochum anfgenommen nnd dort an dieser Kraakheit
irstlich nnd mit dem einzigen dafdr bekannten nnd gebrinchlichen Heilmittel
— Extractnm filicis — behandelt, infolgedessen er (unheilbar) erblindete.
Nach seiner Behanptnng hat Kläger sich die Inlektioa niit der Wnrmkrankheit
hei der Bergarbeit zngezogen. Er nimmt den beklagten KnappschaftsTerdn,
dessen ständiges Mitglied er war, anf Zahlung der statutenmäßigen Inraliden-
rente und Schadensersatz' wegen von ihm zu yertretenden Verschnldem in
Anspruch. Der erste Bichter wies die Klage ab, da die Wurmkrankheit nicht
als eine Vernnglttcknng bei der Bergarbeit, vielmehr als eine allmählich ent¬
stehende bergmännische Berufskrankheit anzmehen; ein Verschulden des
Beklagten aber nicht dargetan sei. Das Berufnngsgeridit nimmt im Gegen¬
satz zum ersten Bichter an, daß die in der Grube bei der Bergarbeit statt-
gefundene Infektion des Wägers mit den Erzeugern der Wnrmkrankheit
(Wurmlarven) als ein Betriebsunfall im Sinne des Unfallversichemngs- nnd des
ünfallftirBorgegesetzes nnd folglich als eine Verunglflcknng bei der Bergarbeit
im Sinne des § 25 des Knappschaftsstatuts anzmehen, daher der Beklagte dem
Der Begriff des Unfalls im Sinne der Versicherungs- und Fftrsorge-
gesetze ist durch Judikatur nnd Wissenschaft positiv und negativ dahin fMt*
gelegt, daß darunter ein körperlich schädigendes zeitlich begrenztes mit
dem Betriebe in innerem Zmammenhange stdiendes Ereignis, nicht aber
eine Summe fortwirkender schädlicher Einflflsse des Betriebes zu verstehen ist,
die allmählich zu einer Erkrankung der davon Betroffenen geführt haben.
Der Bernfungaricbter ist sich audi dieser Unterscheidung wohl bewußt nnd
f elangt von diesem Standpunkt aus an der Hand des erhobenen Sachverstin-
igenbeweises zu dem Ergebnis, daß das Mndringen von einer oder mehreren
’V^rmlarven in den menschlichen KOrper plötzlich, idso durch ein einmaliges
Ereignis vor sich geht, und daß der so mit dem Krankheitsträger Behaftete
von Bergarbeit so lange amzmchließen ist, bis er sich der vorgescbriebmea
Kur mit Erfolg unterzogen bat. Er erachtet deshalb die durch ein ebmaligea
Ereignis entstehende Wnrmbehaftung (die er von der eigentlichen Wnrm¬
krankheit unterscheidet) ab eben Unfall im Sbne des Versicherungs-
f esetzes nnd demgemäß ab Verunglückung im Sbne des Statuts. Das B.^.
at sich dieser Auffassung nicht anznschließen vermocht. Es fehlt zunächst
die Feststellung nnd auä die Feststellbarkeit desjenigen Zeitpunkts,
b welchem sich die Invasion der Wnrmlarven voUzogen hat, und damit
zeitliche Begrenzung und Individnalbiernng des Ereignbses, wie sie zum
Begriff des Betriebsunfalles gehOrt. Außerdem stellt der Eintritt ober oder
einiger Wurmlarven b den KOrper an sich noch hebe körperliche Schädigung
dar, sondern bewirkt zunächst nur eine Gefahr der Erkrankung nnd zwar,
wie sich ans dem Gutachten des Medizinalkolleginms nnd des Medizbalrats
Dr. T. ergibt, nur ebe entfernte Gefidir, die nur bei ebem verhältnismäßig
geringen Teil der Wnrmbebafteten (ewa 10 Prozent) die sogenannte Wurm¬
krankheit (Anämie) zur Entwicklung kommt. Hat sonach der Bernfnngsrichter
den Bechtsbegriff des Betriebsunfalles verkannt, so konnte das doch nicht
zur Aufhebung des BerufnngsurteUs führen, weil der Tatbestand ebes Betriebs¬
unfalles b dem oben angegebenen Sinne ans den festgestellten Tatsachen
ohne weiteres sich ergibt. Als das den Unfall darstellende Ereignis
ist im vorliegenden Fall die Behandlung des Klägers mit Ex-
tractum filicis in Verbindung mit der dadurch wider Erwarten
herbeigeführten Erblindung des Behandelten anznsehen.
Es bleibt zu prüfen, ob dieser Unfall mit dem Betriebe des Bergwerks, in
welchem der Kläger ab Arbeiter beschäftigt war, b Verbbdnng steht. Das
bt nnbedbgt zu bejahen. Die Verbindung braucht hebe unmittelbare su
seb, es bedarf auch keber Einheit von Ort und Zeit zwischen dem Betriebe
selbst und dem den Unfall darstellenden Ereignb. Es genügt, daß der Ar-
Xkliiore Mitt^uigen imd Befeiate au Zeitsehriften.
95
baitar bai Ebtiitt dea ünfaUas in aiaer mit dam Batriabe im Zuammanbaag
■tabuden, dam Batriaba dianstbaraa Titirtait odar Sitoatian gawiMarmafien
— nach dam treffmdea Audrnck das B.>V.«A. — ,im Banne du Betriabas*
bafondan bat. So liagt abar dia Sacba hiar. Bann, wia dar Bamlangs«
liehtar badankanfrai lastest, ist der Warmbehafteta Ton dar Barnarbeit so
lange augescblossea, bis er sieh dar Torgascbriebenen Kar mit Erfolg antar-
aagaa bat; dadurch aber war dar Kligar, nachdem er bei der Bergarbait dia
Wurmbahaitug sich aagasogan, ganOtigt, sieh der Behandlung, wia sie statt-
safnndu hat, au untarwerfaa, einer Behandlung, die nicht blöd im Interesse
M Tom Wurm BafaUanan, sondern auch nur Sieharheit das noch intakten Teiles
dar Belegschaft und also im Interesse des Betriebes geboten und Torgeschriabra
war. Es l&Bt sich also auch hier sagen, daß der Kläger während dieser Ba*
handlang, der er sich nicht entsiehen konnte, ,im Banne des Betriebes“ stand,
worau dau folgt, daß in diesem Falle uheilvoUe Wirkung dea dem Kläger
als Heil* oder Yorbeagungsmittel yerabreichten Extractum filicis als ein W
d. b. in Yerbingung mit dem Betriebe erlittener Unfall auuehen ist. Au
diesen Grttndu erweist sieh die Yerurteilug des Beklagten sur Zahlug der
im Fall der Yemnglftekwg au gawährudu Inyalidenrute nebst Bttckständen
als gerechtfertigt _
O. B nk t a ri ol o gia, Hyglana and ßffaattleltM 8Aiilt4tew«>«ii.
Infektlonakraakeltoii.
Pest und Pocken.
Uabar kSutUaha nnd natürliche Pestinfaktlon Ton Fisaban. Yon
Ernst Fürth. Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 67, 8. 816.
Es gelingt weder durch Yerfütterug noch intramukuläre Injektiu
yon Pastmatarial, Goldfische krank zu machen. Die Fische, welche Pestmaterial
gefrassu haben, scheiden aber Pestbazillen bis 6 Tage nach der Aufnahme
noch au. Darau ergibt sich die Forderung, auf den Schiffen yerendet auf*
gefundene Batten nicht über Bord zu werfen und diese Beseitigugsart gau
besonders in der Nähe der Häfen zu yermeiden. Die Arbeit ist im hygienisdien
Insütut in Hamburg ugefertigt. Das Institut untersucht die tot aulgefundenen
Batten solcher SchMe, die au pestinfizierten Häfen kommen. Wenn bei einer
Batte Pestbadllen gefunden werden, dann müssen natürlich alle übrigen Battu
anl dam Schiff durch Augasung getütet werden. Yon einem Dampfer worden
kürzlieh im Hamburger lutitut ^ Batten abgaUefert, dia sämtlich utersucht
wvden; 21 yu den Tierra waru pesUnfiziart.
Dr. Hirschbruch'Metz.
Tarbraltnng der Put in Japan nnd Fannasa (Japan). Yon Pro! Dr.
Osbida (Tokio) Charlottenburg.
Seitdem am Ende des Jahru 1894 die Putepidemie in der Hafeutadt
Kobe zum arstra Male augebrochen war, betrug die gesamte Krankenzahl in
Japan bis März 1907: 1147, yon denen 949 gestorben sind. Im ganzen betrug
die Zahl der Pestratten 5358. Die zur Bekämpfung dieser Pestepidemien yer*
brauchten Barkosten erreichten die kolossale Summe yon ca. 5 Millionen Mark. —
Im Naguaki*, Moji*, Hiogo* und Yokohamahafen wurden bisher (während der
18 Jahre) 84 Schiffe wegen der Pest- oder yerdächtigen Fällen der Quarutäne
utarzuu; u waren durchschnittlich im Jahre 2,6 Schiffe.
Von Januar bis Juni 1907 erkrankten auf Formosa im ganzen 2462 Per¬
sonen an der Pest, yon denen 2052 starben. In den beiden Bezirken Tainau
und Taihoku wurden yon Januar bis Mai 167377 Batten gefangen oder ge-
Inidea, yu dum 648 Stück als Pestratten anerkaut wurden. Mit den Batten,
die anterdem in uderu Bezirken gefangu waru, betrug die Zahl 1566214
Müdk. _ (Eigubericht.)
üobor dl« Putepidemie in Japan.
; Bd. m, Heft ^8.
Yon Dr. T. Noda. Eiseigakkwai-
Der Yerfasur berichtet über die gesammte Pestepidemie in Japu
lolgendermaßu: Die Pestepidemie und die der Hauratten haben insofern
ii^u YerhÜtnis mit einuder, als die letztere stets der ersteru einige Zeit
yoran gebt und die Schwankungen beider Epidemien paralell laufen. Mu
96 Kleinere mtteilangen nnd Befemte ms Zdtsehiifteib
kann den ümiMg der Batten-Epidemie mit ebem ZiUenTerhSltnls swisehen
den gefangenen nnd den bflzierten Batten sor Ansebannng bringen. Zn Anfang
der Menschen-Epidemie ist dieses ZahlearerhUtnis nnr 10000 : 1. Nimmt
diese Zahl nnn danemd an und xirar bis 1000 : 1 oder noch mehr, dMn hinfen
sieh die Erkrankungen unter den Menschen. Im Höhepunkte der Epidemie seigt
^ Zahlenyerh<nis 40—60 : 1. Bd dem Nachlassen der Epidemie nimmt
diese Zahl wieder, wie su Anfang derselben, ab; und wenn das ZdüesTer«
hiitnis 1000 : 1 und noch weiter 10000 : 1 beträgt, dann kann mM auch
Toranssehen, dafi die Menschen-Epidemie ebenfalls abnimmt, um schließlieh
ToUständig XU verschwinden. Der Infektionsmodus der Pest ist noch nicht
ganx klar. Die Pesterreger werden den Batten wahrscheinlich durch die
Batten-Flöhe ttbtrtragen, dagegen weiß man bei den Menschen nicht genau,
wodurch die Erreger ttbertragen werden; nuui vermutet, daß sie mittw der
von ihnen beschmutxten Gegenstände in kleine Wunden undringen.
Prof. Dr. Oshida-Tokio (Berlin).
Sabkatane YaksinelnJektleneB« Von Privatdozent Dr. W. Knoenfel-
maeher in Wien. Vortrag gehaiten auf der Yersammlnng Deutscher Natur¬
forscher und Aerzte in Dresden. Wiener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 89.
Bei subkutaner Injektion von 1 ccm Lymphe, die im Verhältnis 1 : 200
verdünnt ist, wird mit Sicherheit volle Immunität gegen Pockenvaksbe beim
Menschen erzielt. An der Injektionsstelle bildet sich am 10.—14. Tage eb Infil¬
trat und ein Erythem, die beide verschwbden. Beim bereits einmal Geimpften
tritt diese Beaktion am 1. oder 2. Tage auf. Sie bt eb Analogon xnr Area
der Hantimpfung nnd nach den Ausführungen v. Piquets*) auf 1. die Tätig¬
keit der Zellen (oder des Blutes?) des tierischen Organismus, 2. auf eu
Beaktionsprodnkt, welches der tierische Organismus biolge der Yaksbatioa
gebildet hat, 8. auf eine toxische Substanz im Virus zurückxnfübren.
Vakzine kann durch Erhitzen oder durch Zusatz von Semm ebes
Vakzinierten avirulent gemacht werden; dann ruft sie aber nur beim Geimpften
ebe Beaktion hervor, dagegen nicht beim Nichtgeimpften.
Die Injektion avirulenter (auf 70" erhitzter) Lymphe erzeugt bei
dem nur selten Immunität.
Die subkutane Injektion von Vakxbe nnd die gleichzeitige Hantimpfang
haben heben Ebfiuß anfebander.
Bei sukzessiven Impfungen m aufeinanderfolgenden Tagen tritt db Be¬
aktion ungefähr gleichzeitig auf. Bei Vakzbebjt-ktionen, welche etwa 10
Tage nach der ersten Injektion oder später ausgefübrt waren, machte sich die
Beaktion bnerhalb 14 Stunden bemerkbar. Dieses Phänomen entspricht der
Frühreaktion v. Piquets bei der Hantimpfung, der allergischen Beaktion.
Man kann mit Hülfe dieser BeaMon feststellen, ob ein Mensch selbst
vor einer Beihe von Jahren die Vakzin ekrankheit oder Variola überstanden
hat oder nicht. Femerhb kann die Injektion beim Variobverdächtigen zum
Zwecke der Dbgnose gemacht werden. Der positive Ansfail der Beaktioa
bebi Nichtgeimpften sichert die Diagnose Variola.
_Dr. Knrpjuweit-Berlb.
Protrahierte Inknbatlonsxelt bei Vakzine* Von Dr. Si m on - Pbnen LV.
Münchener med. Wochenschrift; 1907. Nr. 46.
Eb am 10. September vorschriftsmäßig geimpftes 10 Monate altes Snd
ließ bei der Impfkontrolle am 17. September an den Schnittstellen nicht die
gerbgste Beizung der Haut erkennen.
Am 23. September bemerkte die Mutter m eber der Schnittstellen auf
dem rechten Oberarm des Ebdes eb Bläschen nnd am 26. September konnte
Verfasser eine gut entwickelte Impfpustel feststellen.
Die Impfung war somit von Erfolg, nur hatte die Inkubationszeit nicht
wie normal 8 Tage, sondern 13 Tage gedauert.
Verfasser bemerkt zum Schlüsse noch, daß er mit der gleichen I^phe
zwei Tage später eb Mderes Kbd mit Erfolg impfte.
_ Dr. Waihei-Kempten.
>) Siehe Beferat darüber b dieser Zeitschrift; Jahrg. 1907, 8. 680,
Kleinere MitteUnngen und Befemte »ne Zdteohrifteiu
97
Tjphns and Pnrntyplias.
Stadien tber dM Waeketain des Bneterlnni tjpkeenm nnd des Tfbrie
dMlerae ln sterUlelerten nad nleht sterilen AbfsliBtefffn nnd Abwlssenu
MitteiloBg ans dem hygienlscben Institut su Stockholm. Von Gerda Troili-
Petereon, Surahammar (Schweden). Zentralblatt fhr Bakteriobgie; I. Abt.,
Orig.'Bd. 4&, H. 1.
Naeh den Untersuchungen der Verfasserin Termehrt sich der Typkns-
baeUlns reichlich in sterilisierten Extrakten Ton rerwestem Seegras nnd Laub,
in sterilem Filterschlamm nnd Sinkstoffen, nur wenig in sterilem Bilschwasser
nnd kaum in sterilem Kloaken wasser. Cholerabssillen gedeihen gar nicht in
sterilen Extrakten Ton Laubkompoet, während sie in den anderen Medien mehr
oder weniger gut fortkommen.
Wurden die Medien nicht sterilisiert verwandt, so wurden Cholera»
Vibrionen im Wachstum znrttekgehalten, während TyphnsbaiUlen im Filter^
■whiMftitt aieh stark vermehrten nnd auch eine unter diesen beflndliehe Sand¬
sdickt durchwucherten. Dr. Le nt a-Berlin.
Bneterium eell eonunune als S^slserreger ln iwel Pillen von Ab-
lealanlerkrankungen. Von Dr. Ernst Kremker, Assistenaarzt in Straibnrg.
Mincbener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 42.
Es finden eich in der Literatur bereits eine Anzahl von Fällen, wo
Bacterinm coli von der Gallenblase oder vom Genitaltraktns ans allgemeine
Infektion hervorrief, verzeichnet.
Verfasser teilt zwei weitere Fälle von Kolisepsis mit, von denen der
eine sicher seinen Ausgangspunkt im ürogenitaltrdtns hatte, während beim
aweiten Veränderungen der (HUenwege das Eindringen der Erreger wahr¬
scheinlich vermitteln.
In beiden Fällen war Bacterinm coli aus dem Blute in Bebkultnr zu
züchten; die kulturellen Eigenschaften geprüft durch ZücAten auf Gelatine,
Agar, Milch, Bouillon (Indolreaktion positiv), Eartoffei, Traubenznckerbonillon,
Lakmnsmolke, Endo- nnd Conradi-Drigalokiplatten verhielten sich charakte¬
ristisch. Ferner agglutinierte bei beiden Patienten das Blutserum die ans dem
Blute sowohl, wie auch ans dem Urin einerseits, ans Galle und Fäces ander¬
seits gezüchteten Stämme. _ Dr. Wal bei-Kempten.
Wert der Blutuntersuehung für die Tjrphusdlagnose. Ans dem
hygienischen Institut su Kiel (Dir.: Geh. Med.-Eat Dr. Fischer). Von Dr.
i^er Müller und Dr. Heinrich Gräf. Mit 1 Figur. Zentralblatt für Bak¬
teriologie; L Abt., Orig.'Bd. 48, H. 8.
Die Verfasser hatten in einer früheren Arbeit (Nachweis von Typhns-
baktoien in eingesandten Blutproben. Münchener med. Wochenschrift; 1906,
Nr. 2) empfohlen, den Blutkuchen ans zur Anstellung der Widalsehen Beaktion
eingesandten Blutproben auf v.Drigalski-Conradischen Lakmns-Li^tose-
Agar anssnstreichen, da es ihnen gelungen war, aus solchen Blutknehen, die
früher als wertlos fortgeworfen wurden, Typhnsbazillen zu züchten. Das Ver¬
fahren ist inzwischen von Kurpjuweit unter Leitung des Beferenten nadi-
geprüft und als wertvoll für die Typhusdiagnose anerkannt worden.
Die Verfasser berichten jetzt über eine größere Zahl von nach ihrer
Methode ansgeftthrten Untersuchungen. Unter 141 Blutproben ergaben 69
/also annähernd 60**/«) ein positives Besultat, darunter 18 bei gleichzeitig
fehlender, 6 weitere bä gleichzeitig niedriger, nicht beweisender Widalscher
Beaktion.
KontroUnntersnehnngen mit Anwendung der Fornetschen Methode
(Einbringen des Blutkuchens in Galle nnd Anreicherung etwa vorhandener
Typhnsbazillen, sodann Ausstrich auf v. Drigalski-Conradi -Agar) ergaben
etwa gläch gute Besnltate wie die Methode der Verfasser; die Stellung der
IBagnose wurde durch F o r n e t s Methode jedoch um 24 Stunden verzögert.
Für die Anstellung der Widalschen Beaktion empfehlen die Verfasser
stets zwei gut agglutinierende Typhnsstämme heranzuziehen, da sie häufig eine
verschieden starke Beeinfiossnng verschiedener Typhnsbazillenstämme durch
das se l be Serum beobachteten, so daß bei Verwendung nur eines Stammes Aus¬
fall der Beaktion negativ erscheinea kann, während ein anderer Stamm hoch
98
Kleinere IfitMlnngen imd Befertte aas Zeits^riftea.
Intiniert wird. An! diese Weise gelang ihnea dareh posittreB Aosiall der
dalsehen Beaktioa (miBdesteBs in der SemmTerdflBniiBg 1:100) die Sieherw
steUnag der Diagnose bei erstmaliger üntersnchnng in 76% aller aater-
snehten Typhen.
Nar selten wurde der ans dem Blatknehea geaflelitete Stamm Toa dem
Seniffl des Patienten aioht agglntiniert, wenn dieses andere Typhaastimma
agglntinierte. Bbeafalls selten fanden sie Stimme, welche, Ifisch gesttebtet,
schwer agglntinabel waren. _____ Dr.Lents-Berlin.
Weitere BeobachtaBfen Ibw ÜBtersaehnag des Blates aaf Typbaa*
basUleB aad aaf AgglntlaatleB. Von cand. med. Wolfgang VeiL DmUscIib
med. WochenBchrift; 1907, Nr. 86.
Die Arbeit ans der Straßbnrger med. Klinik schließt sich an eine tob
Brion and Kayser im Deatschen Archir fflr klin. Hedisin, Bd. 86, TerOffeBt-
liebte an and erstreckt sich auf 210 Fälle, die nach der bakteriologischen Seite
von der Straßbnrger Typhosstation bearbeitet worden. Aach hier erwies sich
die Zflchtong Ton Typhosbazillen ans dem Blate (nach der Gallenanreichernngs-
Methode tob Coniadi'Kayser) als das wichtigste Mittel sar FrlUtdiagnose
der Krankheit. Dabei seigte sieh ein gewisser Parallelismns swischea Schwere
der Erkrankung and Bazillennaebweis (bei »leichten* Fällen in 60*/«, bei
•mittelschweren* in 76% and bei »schweren* in 100%). ln der sweitea
Woche Termindert sich die Aussicht auf Erfolg, in der oritten Woche ist er
schon sehr unsicher. Bei Paratyphos gelingt die Zttehta^ aas dem Blate
seltener. Dr. Liebetran^Hagea L W.
Terglelehende UntersaehangeB Uber die Typhnsdlsgnese aüttels
BasUleBemalsioB and Flekersehem DlagBestlenau Von Dr. P. Sch rampf,
Assistenten der med. Klinik der üniTersität in Straßbarg. Mtknehener medi
sinische Wochenschrift; 1907, Nr. 51.
Verfasset hat in 48 Fällen von Typhus abdominalis and 2 Fällen tob
reinem Paratypbas B die Agglutination des Serams der Typhoskranken geprtlft
and swar gleichseitig mit frischen Emalsionen tob eintägigen Eoltaren tob
Typhus- and Paratypbns B-BasUlen and mit dem Fickersdien Typhas- and
Paratyphos B-Diagnosticam.
Verfasser faßt die Besoltate seiner Versaehe mit dem FickerscheB
Diagnostieom in folgendem sasanunen: In 10 Fällen tob 49, in denen eine
sichere Infektion mit TyphasbaxUlen Torbanden war, war die Agglatination mit
dem Diagnostieom negativ, mit einer frischen BuUlenemalsion podtiT (sirim
20 Prosent); in 6 dieser 10 Fälle war mit dem Diagnosticam eine AgglatinatioB
bei Prttfnng an verschiedenen Erankheitstagen ttberhaupt nicht zu erzielen;
bei drei davon trat die Agglutination mit dem Diagnostieom erst im späteren
Verlauf der Krankheit ein; bei einem bestand sie anfangs and verlor sieh
später. Die Erfolge mit dem Paratyphos B.-Diagnostieom sind also mangel¬
hafte. Sieht man von den Fällen einer Hisebinfektion von Typhös- and Para-
typhas B-BazUlen ab, we ein positives Besnltat mit dem Paratypbns B-Dia¬
gnosticam eine ganz seltene Ausnahme darstellte, and beschränkt sich auf die
zwei Fälle von reiner Paratyphas B.-Infektion, so sieht man, daß daa
Diagnostieom bei dem einen ganz versagte, bei dem anderen bloß vorüber-
f ehend auf kurze Zeit brauchbar war, obwohl wir es mit schwerkranken
'atienten za tan hatten.
Bei der verbreiteten Anwendong, die das Diagnostieom, vor allem wegen
seiner bequemen and angefährlicben Handhabung, & der Praxis haben dttiite,
erseUen es dem Verfasser angezeigt, aaf seine (derzdtige) ünsicherheit hin-
zaweiseB. _ Dr. Waibei-Kempten.
Heber Typhasbakterlaende and AgglntlBatleBSveraißgeB Im Terlaafs
des Typbas abdominalis. Ans dem städtischen Obachow-Krankenhanse fOr
Männer in 8t. Petersburg (Chefarzt: A. A. Netschajew). Von Dr. V. B.
Stflhlern. Mit 6 Kurven. Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., Original-
Baad 44, H. 2.
Zar Frage der TyphasaareiehemBg mittels der GaUenkaltar. Aas
Xlainera lOtteOnngen and Refente nna Zeitsehriftnn.
99
dem itidtlieben Obaehow-Enuikenhaaie ffii Frnnen In St Petenbnrg. Vor-
linfige MitteUnng. Von Dr. C. Zeidler. Ibidem, H. 5.
Stflblern konnte mittelst der Conrndisehen Gnllenmethode bei
96 TTpbnskmnken in der ersten Krankbeitswocbe in 94,4*/, der Filie die
Xyphnsbeiillen im Blnte nachweisen, in der sweiten Woche bei 60**/,, in der
dritten Woche bei 16*/, nnd in der Vierten Woche bei 7*/,. Auch im Typhns-
raeidiT K^Ung ihm der Basillcnnachweis mehimal^ stets aber erst nach dem
vierten nge des BesidiTS. Der Bazillennachweis im Blnte von Leichtkranken
«lang nnr bis snm Anfang der zweiten Krankheitswoche, bei Mittelschwer-
kranken bis zum Ende der zweiten nnd bei Schwerkranken bis znr 4. Krank-
heitswoche. Sobald die Agglntioationskrafi des Krankensemms erheblich an-
znnehmen begann, waren die Bazillen im Blnte in der Begel nicht mehr nachweis¬
bar, so da6 sich Stflhlern znr AnfsteUnng des Satzes berechtigt sieht, dad
die Anssicht des Bakteriennachweises ans dem Blnte des Kranken amgekehrt
proportional der Höhe des Agglntinationstiters des Krankensemms ist.
Noch bessere Besnltate mit der Qallenanreichemng erzielte Zeidler,
der in der ersten Krankheitswoche in 100**/,, in der zweiten Woche In 80**/,
positive Besaitete erhielt. Er empfiehlt, den Oallenansstrich an! Löffler-
schem Malachitgrflnagar zn machen, auf welchem etwa in der Gallenröhre ge¬
wachsene Sapropbyten nicht aaskeimen, so daß man eine Beinknltnr von
Xjphnabarillea erhält. Die Widalsche Beaktion fand Zeidler bei sdnea
uanken stets in der Semmverändemng 1:100 positiv, wenn der Bazlllen-
befand poriUv war. _ _ Dr. Lentz-Berlin.
KHnlzehe nnd bakterlologlsehe Beobaektnngeii bei Abdomlnaltyphns,
fubeeendere bei Typhnskomplikationea. Von Dr. G. Be necke-Jena.
Dentschee Archiv fftr hlin. Medizin; 92. Bd., 1. nnd 2. Heft.
Es gibt nach Ablauf des Typhus nnregelmäfiige Temperatarsteigerangen,
die nicht als Bezidive, sondern als durch das Typhnsgift oder durch nm-
sehriebene lokalisierte Typhnsbazillenherde bedingte Komplikationen anfzu-
fasNn sind, auch wenn sie klinisch unter dem Bilde des Bezidivs verlaufen.
Von einem hämorrhagischen I^phns sollte nnr dann gesprochen werden,
wenn keine Misch- oder Sekondärinfektionen vorliegen.
Der l^hnsbadllns vermag als solcher nicht Eiterung hervorznrafen.
Die Zählang der Leukozyten, besonders nnter Bertlcksichtigong der
Naegelischen Angaben ist eine wesenUiche Unterstützung der T^hns-
diagnoee. _ Dr. Wolf-Marburg.
Wann steekt der Typhaskranke an! Von Dr. H. Conradi in Nenn-
kirchen. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 41.
Nach den ausgedehnten Erfahrungen des Verfassers in der Typhus-
b^ämpfnng im Sfldwesten des Reichs kommen verhältnismäfiig häufig Kontakt-
isiektionen in der Inkubationszeit und ün Initialstadiam des Typhus zustande,
eine Tatsache, die für die Eoidemiologie bedeutungsvoll ist und auf die
VHehtigkMt der frühzeitigen Erkennung und schleunigsten Isolierung hinweist
Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Neuere Ergebnisse der Bakteriologie des Typhus In Ihrer Beziehung
SU prophylaktlsehen Massnahmen. Von Dr. William G. Sa vage. Medical
ettoer of health for Golshester. Public health; XX., Nr. 1, Oktober 1907,
Seite 12—24.
In seinem Vortraj^ teilt der Redner mit, daB die neuen üntersuebnngs-
methoden 4 Tatsachenreihen endgültig festgelegt haben:
1. TjThns-Bazillen werden nicht blos durch den Stuhlgang, sondern
hän^ durch den Urin aasgeschieden. Das Prosentverhältnis ist nach
Bichardson 22,6, nach Harton Smith 28,0, nach Vincent 22,0, nach
'Herbert 18,0, nach Jakobi 19,0. nach Fuchs 9,0*/,.
2. Von den deutschen Autoren ist uns die Kenntnis der chronischen
Bazillenträger vermittelt worden.
8. Typhus-Bazillen können sich auch in den Ausscheidungen von Per-
•onea Ibden, die anscheinend nie an I^phus gelitten haben.
4. üeber Paratyphus ist ans Deutschland und Amerika in großer Zahl,
100
Kleinere HitteilonKen and Referate ans Zettsohriftea
ans England in einer sehr geringen Zahl herlehtet worden. Naeh Br. Wells«
Chicago sind etwa 10 7o der dortigen TyphnsfiUe echter Paratyphns, nach
Ko Ile güt IQr Dentachiand derselbe Prozentsata.
Ans der Diskussion an dem Vortrage, der ein ausgedehntes Tatsachen«
material brachte, sei herrorgehoben:
Sir Shirley Murphy: Die Baaillentriger kOnnen au keinen weiteren
Beinliehkeitsmaßregeln herangeaogen werden, als die übrige BeTölkemng.
Kura -nach dem Berichte Kochs von 1902 habe schon Dr. Eyre vom
Ouys Hospital bei einer Typhusendemie im London County Asylum ünter-
snehungen auf Bazillen im Stuhl einer großen Reihe Ton Personen ansgeführt,
um die Ursache des stetigen Wiederaulflackerns zu finden. Bazillentr&ger
habe er zwar nicht entdeckt; die erhöhte Reinlichkeit, die seitdem aber Ton
den Wärtern angewandt worden sei, habe jedoch die Krankheit zum Erloschen
gebracht
E. Seaton war der Ansicht, man müsse nach weiteren Unter«
scheidnngsmerkmalen zwischen Typhus und Parat^mhns suchen.
Dr. Cooper Pattin forderte, daß jedes Meberhospital ein bakteiio«
logisches Laboratorinm haben müsse.
Dr. Hamer hielt die Lehre von den Bazillenträgem noch nicht für
gesichert Die deutschen Methoden seien den englischen durchaus nicht so
überlegen, wie man angebe. Englische Forscher hätten wichtige Ergebnisse
gehabt noch beror die deutschen angefangen hätten. Allerdings sei jetzt der
Typhus im Erloschen, und so würden wahrscheinlich die Anhänger der Bazillen«
trägerlebre in einigen Jahren schon in der Lage sein, den Anspruch zu erheben,
daß dies Erloschen ihr Verdienst seL
Dr. A. G. R. Foule rton wies auf die Richardsonsche Arbeit hin,
in welcher bereits vor 9 Jahren die Urotropindarreichnng zur Sterilisierung des
Urins der Rekonvaleszenten empfohlen worden war. Er selbst rate seinen
Schülern, eine Woche vor der Entlassung aus dem Krankenhause pro Tag
2 Dosen Urotropin zu verordnen. — Trotz seiner großen Erfahrungen habe er
im Middlesez Hospital Paratyphns bisher mit Sicherheit nicht nachweisen
können. Die sogenannten ParatyphnsbazUlen seien eben nahezu oder vOUig
mit dem Bacillus enteritidis Gärtner identisch.
In seinem Scblnßworte wies Dr. Savage darauf hin, daß die Zahl
der Bazillenträger nicht so groß sei, wie ebige Redner angenommen hätten.
Bei etwa 8000 l^hnsfällen pro Jahr in London gebe es etwa 18000 Kontakt«
fälle und nngeföhr 600 Bazillenträger, eine Zahl, gegen die man wohl etwas
erreichen kOnne. In bezug anf die Diagnose des Paratyphns erwähnte er, daß
in seinem ersten Falle von Oolchester der Bacillus selbst ans dem Urin
isoliert worden seL _ Dr. Mayer-Simmem.
Zar Verbreltnng des Typhus durch Baztllenfriger. Von H. Kossel
in Gießen. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 89.
Kasuistische, die Ansicht von der Geßhrlichkeit der Typhnsbaziilen-
träger wiederum bekräftigende Mitteilung: Im Anschluß an eine durch Milch
vermittelte Epidemie wurde ein Kuhmelker als chronischer «Träger* ausfindig
gemacht. Dr. Liebetraa«Hagen L W.
Feststellung der Typbnsbazlllentriger und Tn>busschutsimpftang am
Bord des Kiiegssebiffes „Iwate". Von Momoso. Saikiogaknzasshi; Nr. 141.
An Bord des Kriegsschiffes «Iwate" brach im Dezember 1906 eine Typhus-
epidemie aus, die sich, obwohl sie durch sorgfältige Desinfektionsanwendnngen
sofort niedergelegt wurde, im Februar 1907 wiederholte. In der Mei«
nnng, daß das Wiederauftreten der Krankheit durch Bazillenträger hervor«
geruen sei, wurde der Stuhl der ganzen Mannschaft bakteriologisch untere
sucht und festgestellt, daß darunter zwei Typhusbazillenträger vorhanden
waren. Nachdem die Bazillenträger von der übrigen Mannschaft abgesondert
und diese einer Typhnsschntzimpfang unterzogen waren, erfolgte völliges Er¬
loschen der Epidemie. Prof. Dr. Oshida*Tokio (Berlin).
klebw« Ißttoilangen nnd Refetsto aiu Zeitsohriften.
101
Buflleatriger ud Dlsposltten ain Beispiele des AbdemlnaltTplivs.
Von Prot Dr. E. Lery, StraSborg LE. und Oberalabsarzt Dr. Wieber, Saar«
bnrg i. L. Aus dem hygienischen Institut der Oniversit&t Strafiburg, Zentral«
blau Ittr Bakteriologie; 1. Abt, Orig.«Bd. 43, H. 5.
Ebe Dnteroffizierslrau erkrankte unmittelbar nach Qeberstehen ebes
Wochenbetts an Typhus. Wie die Untersuchung ihrer Umgebung ergab, war
ihre Untrer, welche sie im Wochenbett gepflegt hatte, Typhnsbazillenträgerb,
und auf sie die Infektion der Wöchnerb znrückzufflhren.
An der Hand dieses Falles weben die Verfasser auf die Bedeutung der ''
Basillenträger iiir die Weitet Verbreitung des Typhus nnd auf die des Wochen«
bette ab wponierenden Moments für das Zustandekommen einer Infektion mit
Typhus hin. Ab weitere Illustration für den letzteren Punkt werden auch
zwei von Levy beobachtete Typhnsepidemien erwähnt, welche von zwd an
^^yphns erkrankten WOchnerbnen ansgegangen waren, deren Typhus ab solcher
nicht erkannt, sondern fflr Wochenbettfleber gehalten worden war.
Dr. Lents«Berlb.
üeber <lle Aetlologle einer bbher nnbekannton (an Fleektypbas
erinnernden) Krankheit ln der Mandsehnrei. Von Horluchi (Japan).
Saikingaknsasski; 1906, Nr. 126.
Der Verfasser führte die bakteriologbchen Untersuchungen über ebe an
Flecktyphus erinnernde Krankheit aus, über welche bisher noch nichts berichtet
war. Dieselbe trat im April und Mai des Jahres 1906 b der Mandschurei epi¬
demisch auf. Die Untersuchungen bei mehr ab 40 Patienten ergaben, daß db
Krankheit weder zu dem Abdominaltyphus, noch zu dem Paratyphns, die ja
auch mit Hautroseola ebhergehen, bakteriologische Beziehungen hatte, sondern
daß eb eigentümlicher Bacillus, den der Verbsser bollerte, wahrscheinlich der
Krankheitserreger war. Der Bacillus kommt sehr oft in Stühlen und Urben
der EUkrankten vor, nnd wird durch das Serum derselben deutlich agglutiniert;
weder bei anderen nUanken noch bei Gesunden ist dieser Bacillus unnachwebbar.
Ferner lügt Verfasser hbzn, daß er die verschiedenen Flecktyphuserreger, ^e
viele Autoren bb jetzt ab solche angesehen haben, hier nicht Anden Konnte.
Prof. Dr. Oshida«Tokio (Berlin).
Heber eine Flebehverglftnng dnreh Parntypbns B. Ans dem hygieni¬
schen Institut zu Güttingen (Direktor: ProL Dr. K v. Esmaroh). You
Dr. Albert Fromme, Assbtenten am Untersuchungsamt. Zentralblatt für
Bakteriologie; I. Abt., Orig.-Bd. 48, H. 8.
Anfangs Oktober 1906 erkrankten b H. 82 Personen bnerhalb von zwei
Tagen unter den Erschebungen einer akuten Flebehverglftnng. Sämtlidie
Personen hatten von einem Schlächter bezogenes Hackflebch genossen, das
Schwebe- und Bbderflebchgembche enthielt. Das Göttbger Untersnehnngs*
amt erhielt neben anderen Fbbehproben eben rohen Schbken, der von dem¬
selben Schweine stammte wie oben erwähntes Hackflebch. In dem Schinken,
der stark b Finbb übergegangen war, fand sich eb Abszeß, der schmierigen
Eiter enthielt. In dem Eiter konnte Fromme durch direkte Kultur nnd Ver¬
impfungen neben Bazillen der Mänsesepticaemie eben Bacillus nachweisen, der
Meh ab identisch mit dem Bac. Paratyphi B. erwies. Derselbe BacUlns fand
sieh b den Entleerungen eber Frau, bei welcher sich an die Erschebungen
der Flebehverglftnng ebe längere typhnsähnliche Erkrankung angeschlossen
hatte. Auch agglntinierte das Blutserum von drei der erkrankten Personen,
von welchen dem Untersuchungsamt Blutproben zur Untersuchung zugbgen,
sowohl den ans dem Schinken gezüchteten Stamm wie in gleichem Grade auch
den Paratyphns B-Stamm aus der Institutssammlnng hoch.
Auf den Schlachthof b H. war das betreffende Schweb, trotzdem der
Sehlächter den anderen Schinken des Tieres wegen ebes Abszesses zur Ver«
ntehtung abgeliefert hatte, für gesund erklärt und seb Flebch zum Verkauf
sngelassen worden, da, wie die Schlachthausdirektion auf Anfrage mitteilte,
•derartiji^ durch eine starke bbdegewebige Hülle abgekapselte Abszesse, welche
auch bei Kälbern nnd Bbdern zuweilen Vorkommen und erst bei der Zerlegung
der Tiere erkannt werden künnen, erfahrungsgemäß nicht den ge^gsten Xb-
flnß auf db Cbnußtnnglichkeit des Fleisches haben*.
102 Kleinere Mitteilungen nnd Sefemte nns Zeitsehriften.
Mit Beeilt wdst Fromme nof die Bedenklichkeit dioMr Amleht hin
und fordert eine gründliche Beiehrnng der Schlnehthnnsbeuntea Uber di« ein-
eehllgigen bakteriologischen Yerhiltnisae. Dr. L e nt i-Berlin.
Zar Diagnose nnd mm klinischen Terlanf des Pamtjphis. Von
8. M. PoggenpohL Zeitschrift für Hygiene nnd Infektionskrankheiten:
Bd. 57, 8. 278.
In diesem Falle sei dem Beferenten eine kritische Betrachtung gestattet.
P. beschreibt mit Becht einen Fall von echtem Typhös aosfOhrlich, bd dem
bis zom 23. Krankheitstage — dem ersten fieberfreien Tage — die Widalsehe
Beaktion fttr Paratyphos A, die am 18. Krankhdtstage bis 1:100 positir war,
auf 1: 260 stieg, während die Eberthsohen Typhnsbazillen anfangs gar nicht
nnd erst am 23. Krankheitstage bis 1:50 aggiotiniert worden. Das durch
Yenenponktion entnommene Blot des Kranken enthielt aber echte Typhös*
basiilen. Der Kranke bekam dann ein Bezidir, in dessen Yerlanf wiederum
echte Typhosbazillen in seinem Blute gefunden wurden. Der Widal stic^
nun bis zum 84. Krankheitstage, dem 5. Tage des Bezidirs für Typhus bis
1:750, während er fttr Paratyphos A von 1:250 auf 1: 60 sank. Fttr Para-
typhös B war der Widal während des ganzen Krankhdtsrerlanfs negatir.
Die Beobachtung ist zweifellos richtig. Der Buferent hat wiederhol^ wie er
es gelegentlich in Beferaten aosgedrttckt hat, bei echtem Typhus eine sogen.
Mitagglutination fttr Paratyphos B (!) gefunden, die quantitativ weit ttber den
Agglutinationsgrad fttr Typhus hinausging. Aber regelmäßig ist dann im Yer¬
lanf der Krankheit — soweit nicht durch Anffinden der ParatyphnsbazUlen
die naheliegende Schlußfolgerung bestätigt wurde, daß es sich auch um einen
Fall von Paratyphos handle — der Widal fttr Typhus gestiegen und hat den
fttr Paratyphos ttberholt. Ein Absinken des Titers fttr die mitagglntinierte
Bakterienart hat Beferent nie dabei beobachtet. Die Tatsache, du die Mit-
aggiutination während eines erheblichen Teils des Krankheitsverlanfs stärker
smn kann, als die eigentliche Agglutination spricht durchaus gegen das sogen.
Zupniksche ^Gesetz*. Dem Verfasser stimmt Beferent durchaus bei, daß
aus dem Widal allein die Differentlaldiagnose zwischen Typhus und Paratyphos
nicht zeitig gestellt werden kann; daß vielmehr hierzu die Auffindung der
BasUlen erforderlich ist. Die Stellung der Differentialdiagnose ist ans dem
Widal nach den Erfahrungen des Beferenten wohl mSglich, aber häufig erst
zu einem späten Kraakheitstermin. Falls aber die von Chantemesse in¬
augurierte Semmtherapie des Typhus sich wertvoll erweisen nnd Aufnahme
in die Praxis finden sollte, handelt es sich darum, die Differentialdiagnoee so
zeitig wie möglich zu stellen. Damit kann natttrlich, worauf leider in der
Arbeit nioht hingewiesen ist, der Wert der Widalschen Beaktion zieht ^
schmälert werden, da die Sicherung der Diagnose aTyphns* schlechtweg we
außerordentliche Bedeutung fttr die desinfektorischen Maßnahmen und die
sanitätspolizeiliche Behandlung des Falles besitzt Yon manchen Seiten hOrt
der Bakteriologe wohl gelegentlich die Aeußemng, daß gerade bei den klinisch
sichersten nnd schwersten Typhnsfällen der Widal negativ ansfalle. Darauf
ist an bemerken, daß ein klinisch sicherer Fall nicht erst die Bestätlgnug
durch die Widalsche Beaktion nOtig hat nnd daß bei diesen schwer verlaufenden
Fällen im Blut des Kranken die Typhnsbazillen meist besonders leicht aubni-
finden sind. Das Ausbleiben des Widals findet bei den sehr schweren Fällen
eiae ungezwungene Erklärung: Da die agglutinierende Wirkung des Blutserums
Folge einer reaktiven Lebensänßemng des Organismus ist, muß der KOrper
Aber genttgend starke Kräfte verfttgen, um diese Beaktion zustande zu bringen;
hieran dürfte es aber wohl häufig fehlen. Anderseits könnte aber trotz BUduug
von Agglntininen bei einer außergewöhnlich starken Ueberschwemmung des
Körpers mit Typhnsbazillen eine Absättignng der gebildeten Agglntinine Us
zu dem Grade erfolgen, daß die Widalsche BeakUon nicht mehr zustande
kommen kann. In den meisten Fällen wird man nicht fehlgehen, bei kliniseh
aieheren und schweren Typhusfällen das dauernde Ausbleiben des Widals sJe
ein signnm mali oiiiinis zu betrachten. Dr. Hirschbruch-Metz.
Kldnere lUttoiliiiigen vnA Bafente aoi Zeitsehrlfton.
108
BpidemUehe Gealckstarre.
UelMT JiMüagokokkeii-Spaniuitoeiatitlf. Eia Beitrag aur pathologlaclieo
Aaatomie aad Bakteriologie der ftbertragbarea Geaickstarre. Von Primdoieat
Dr. L. Piek, Prosektor. Beriiner klin. Woehenschrift; 1907, Nr. 80 nnd 81.
Die übertragbare Genickstarre ist keineswegs eine reine lokale Affektion
des Zentralaerrensystems, sondern geht mit einer fast überraschenden grofien
Zahl anatomischer Verdnderongen & anderen Organen (^chen, Nase, Ange*
Longe, Magendarmtraktns, Hers, Milz, Nieren, Plenra, Perikard, Gelenke,
lymphatischer Apparat, Hant) einher. Die Vorstellnng der Allgemeininfektion
rückt mehr in den Vordergrund; das Problem der ersten Ansiedlnag den
Meningoooccns ist allerdings noch nicht erschöpfend gelöst. Verfasser fand
bei einem sehr genau nntersnchten typischen, mit dem Tode endenden Fall
ron Meningitis Empyem der beiden Simenbissen, die sich nach Appriparieren
des Mastdarms als 2 große, etwa Daumenlange nnd •dicke, blutrote, nnktni^
rende Wülste prisenwrten nnd im Eiter Meningokokken enthielten. Es ist
ansunehmen, daß Meningokokken mit dem zirkulierenden Blut in die Samen¬
blasen gelangt sind. Trotz der nahe TerwandtschaftUchen Beziehungen
Zwischen den Meningo- nnd Gonokokken ist Ton einer Identhkt beider Kokken
keine Bede, wie sich ans den weiteren Untersuchungen ergab.
Durdi die Beobachtungen ist aber erwiesen, daß, wie der Gonococcns
von seinem eigensten Bezirk, dem ürogenitaltraktns ans gelegentlich in den
Hüllen des Zeatralnerrensystems sich einnistet, auch umgekehrt der Meningo-
eoocns außer in den Leptomeningen zuweilen in die Dom&ne des Genpcoccns,
in die eigentlichen Organe der Urogenitalsphäre, in die Nebenhoden, die Tnnica
propiia der Hoden, die AnguUa des Samenleiters oder in die SamenÜasen gerät
nnd in den letzteren sehr erhebliche Empyeme zu erzeugen Terman. Bd der
Meaingolrokken-Sperinatocystitis kann unter Umständen der Urin die Erreger
zwiildloa, sogar u nicht geringer Menge enthalten; es ist daher bei Meningitis
andi Dcaeinfektion des Urins zu fordern. Dr. Bänber-KOslin.
Ueber die praktische Bedeutung der Baehenerkmnkang bei der
Scnlekstarre* Meningokokken • Meningitis nach Lnmbalanästheaie lut Storain.
Ana dem pathol. Institut des Krankenhauses Moabit • Berlin. Von Priratdoaent
Dr. Westenhoeffer, Prosektor. Berliner klin. Wochenschr.; 1907, Nr. 88.
Die Erkrankung der Bachentonsille ist das Primäre, ron der ans die
Meningitis entsteht. Sie ist regelmäßig in den ersten Krankheitstagen festzn-
st^en, rerschwindct aber manchmal schon nach 8 Tagen nnd früher. Die
lymphatische Nasenwucbemng ist die Ursache der Erkrankung; die Gaumen-
ton^en treten bei der Geuckstarre in den Hintergrund. Bm tuberknlSser
Men. fehlt die Nasenraehenerkrankung, während sie bei durch Streptokokken
nnd Pneumokokken herrorgernfener Men. Torhanden ist. Die Verbreitung der
Meningokokken geschieht durch die Luft, nnd zwar nicht durch Kinder, da
.dieae ihr Sputum nicht auawerfen, scmdern durch erwachsene Personen, die eine
Hcaingokokkenpharyngitis haben oder einfache Kokkenträger sind. In
Mbuh Fall trat nach Injektion Ton Stovain in den Bückenmarkskanal bei
einem ganz gesnndea Mann echte Meningokokken-Meningitis ein, ein einzig
dastehender Fall, eine Ausnahme yon der Begel, daß Träger yon Menin¬
gokokken nur da yorhanden sind, wo epidemuche Genickstarre besteht, da
m adner Umgebung kein Kokkenträger gefunden wurde und er selbst keine
Bachenerkraakuag hatte. Nach dem Gesetz war dieser Fall zu melden, yom
wissenschaftlichen SUmdpunkte nicht, da er nicht ansteckend wirkte, wenn man
nicht an die Ausscheidnng der Erreger durch den Urin denkt. Anderseits ist
eine Men., die durch die yiel resistenteren Strepto- oder Pneumokokken heryor-
gemfen Id, ebenfalls ansteckend. Isoliemng nnd Wohnnngsdesinfektion ist
ai^ hier am Platze.
Zur Stellung der Diagnose Men. ans dem Baohensekret wird mit einer,
nach aufwärts geboten, mit einem Wattebausch bewickelten Sonde yom
Mnnde her aus Mm Nasopharyax Sekret entnommen. Es genügt nicht gram-
negntiye intrazellnläre Diplokokken zu färben undzu züchten; es ist yieunehr
aaeh iUe A gglntinationsprobe mit Mcadngokokkeasemm anznstellen.
Dr. Bänber-KOslin.
104
Kleinere Mltteiliingen nnd Sefemte nne Zeiteehriftett.
Ueber das Wesen, die TerUtnng nnd Beklmpfnng der epldenilsehen
Oenlekstarre« Von Dr. Odknr Weidsni>SchSneber|p b. Berlin. Vieiteljsbrs-
sobriffi 1 gerichtl. Hedisin and OffentL Sanit&tawesen; Jahrg. 1907, EL 1 a. 2.
Die aasfdhrlicbe Arbeit behandelt das gesamte Qabiet der «epidemischen
Genickstarre* ned benutzt sehr sorgfältig die Literatar, einschließlich der
jhngsten Veröffantlichaogen. Besonders der pathologisch-anatomische Teil
der Arbeit rerdient lateresse, so die kritischen Ausführongen Aber die Eingangs¬
pforte nnd den lolektionsweg des Erregers.
Es maß im einzelnen auch die Arbeit selbst, die als gut orientierende
Zasammensteilang an gelten hat, verwiesen werden.
Dr. Kraemer-Worbis.
Zar Prophylaxe der übertragbaren Geniekstarre. Von Kreisarzt
Dr. Brnmmand in Stade. Soziale Medizin nnd Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 7
Verfasser empfiehlt aof Grund einiger Beobachtungen wiederholtes Ein-
blasen von Natrium sozojodolicum in den Nasenrachenraum. Die Ausführung
der Einblasungen wird leicht erlernt und von den Beteiligten selbst ansgeffihrt.
Dr. D 0 n r n-Hannover.
Heber sporadische Meningitis eerebrospinaUs eptdemlea nnd Ihre
dlagnostlsehe Abgreninng von anderon menlngenlen Erkranknngen. Ans
der IL med. Klinik der Önigl. Cbarit6 (Direktor Geh. Med.-Bat ProL Dr.
Kraus). Von Stabsarzt Dr. HOlker, Assistent der Klinik. Berliner klin«
Wochenschrift; 19U7, Nr. 34.
Von 16 seit Januar 1906 unter dem klinischen Bilde der Meningitis
cerebrospinalis eingelieferten Fällen, boten 9 Fälle diagnostische Schwimg-
keiten. In 2 Fällen wurde trotz so^ältiger üntersuchung erst im Verlaiue
der Krankheit (Ende der 2. und Ende der 5. Woche) echte epidemische
Genickstarre (Men. Weichselbanm) festgestellt; 1 Fall erwies sieh
bei der Sektion als Men. purulenta tubercolosa, 1 anderer als Lues, bei den
5 übrigen handelte es sich um einen Tumor cerebri, einmal um hämorrhagiseha
Diathese mit Gehimblatungen, einmal um eitrige und 2 mal um tuberlralOsa
Meningitis. Bei dem Falle, in welchem in der 5. Woche der Men. intracellu-
laris £ der Lumbalfiflssigkeit gefunden wurde, war schon vorher eine Prfiiui^
der kokkenfreien Cerebrospinalflüssigkeit auf MeningokokkenantikOrper posi¬
tiv ausgefallen, während bei dem Luetiker die angestellte Prüfung auf Me-
ningokokkenantigen negativ gewesen war. Dieses neue Verfahren scheint,
wenigstens bei positivem Ausfall, zur Abgrenzung und Differenzierung zweifel¬
hafter Genickstarrefälle von Wert zu s^. Leukozyten landen sich in der
Lumbalflüssigkoit aller Formen.
Die Tatsache, daß, besonders bei sporadischen Fällen von Genickstarre,
der spezifische Kokkus manchmal erst sehr spät anfgefunden whrd, mahnt dazn,
zweifelhafte Fälle schon vor Abschluß einer endgültigen Diagnose abznson-
dem; eine gesetzliche Handhabe fehlt aber noch dafür.
' Dr. Bäuber-KOslin.
Ueber die bisherigen Erfhhmngen mit dem Meningokokken-HeU-
semm bet Genlekstarre- Kranken. Von Geh. Med.-Bat Pro! Dr. A. Wasser¬
mann. Deutsche med. Wochenschr.; 1907, Nr. 89.
Ueber die Wirksamkeit des in bedeutender Menge vom Institut für la-
fektionskrankheiten kostenlos abgegebenen Meningokokken - Pferdeserams, liefern
nur 105 Berichte ein, von denen nur 67 genauere Angaben enthielten. Dlesee
kleine Material läßt aber erkennen, daß in frühen Stadien der Krankhdt dsM
Serum einen günstigen Erfolg hat, deren Chansen um so geringer werden, J«
später mit der Injektion begonnen wird. Es muß häufig (eventuell tägliw>
injiziert werden; bei schweren Fällen scheint die intradurale EinverleibuBg
wirfanuner zu sein. Abgesehen von einem bisweilen beobachteten harmloenm
Serum - Exanthem kamen keine Nebenerkranknngen zu Tage.
Dr. Liebetrau-Hagen 1. W.
Kleinere Hittelhmgen and Beferate ane Zettsehilften.
106
Taberknloie.
Ueber das Waehstnia des Taberkelbaelllos bet niederen Wirme-
fmden. Von C. FraenkeL Hygienische Hnndschau; 1907, Nr. 18. Fesh-
aammer za Ehren des XIY. internationalen Kongresses Ihr Hygiene und
Demographie.
Im Gegensatz za der allgemeinen Ansohaanng, daß der Taberkelbacfllos
nur bei Bratwirme oder doch aosschließlich bei Temperataren gedeihe, die
dieser letzteren nahe stehen, konnte der Verfasser feststellen, daß einige Kol«
turen, die ailmihlich, im Verlaafe yon 6 Jahren, bei immer geringeren Wirme«
graden gehalten wurden, schließlich bei gewöhnlicher Zinunerwirme (20* C)
eine ganz deutliche Vermehrung aafweisen. Das Wachstam konnte erst nach
6 W^en mit dem bloßen Aage erkannt werden, nach ongefihr 8 Monaten
war es zur Bildung eines dichten Basens gekommen, wihrend bei Bratwirme
dieses Ereignis schon nach ongefihr 3 Wochen eingetreten ist. Einige Kol«
tnren wachsen ohne allmähliche Gewöhnung, bei der direkten üebertragung
yon bei Brutwirme gediehenen Kaltaren aal Giyzerinseram, der bei gewöhn¬
licher Zimmeitemperatar gehalten wurde. Die so entstandenen Kaltaren
standen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit für den tierischen KOrper nicht hinter
den gewöhnlichen bei firatwirme gediehenen zarOck.
_Dr. Kurpjnweit-Berlin.
üntersnehangen ftber die Wirkung des Formaldehjds aof die Ent-
wleklong des Taberkelbaelllos and des Staphylocoecos pyogenes anrens»
Von Prof. G. Martinotti, Direktor des pathol.-anat Instituts der Königlichen
üniyersität in Bologna. Zentralblatt für Bakteriologie; 1. Abteilang, Original-
Band 48, Heft 8.
Kaltarelle üntersnehangen zeigten, daß yerhUtnismäßig große Mengen
Foroudin za Kaltaren des Taberkelbacillas hinzagefügt werden können, ohne
die Entwickelung der Taberkelbazillen za hemmen, während Staphylokokken
durch die Gegenwart yon Formalin in ihrer Entwicklung je nach der Menge
des Formalins mehr oder weniger stark beeinträchtigt werden, stets aber me
Fähigkeit yerlleren, ihr charakteristisches Pigment za bilden.
_ Dr. Lentz-Berlin.
Zorn gegenwirttgen Stand der Taberknloseforsehong. Von Lydia
Babinowitseh-Berlin. Wiener mediz. Wochenschrift; 1907, Nr. 88.
Es sind gerade 25 Jahre yerflossen, seit B. Koch den Erreger der
Taberkolose entdeckt hat. 190L glaubte Koch in London die Ansiät yer-
treten za mflssen, daß der Erreger der Bindertuberkolose yon dem des mensch¬
lichen yerschieden sei. Durch zahlreiche üntersuchungen ist es in den letzten
Jahren jedeh festgestellt, daß beim Menschen auch solche Bazillenformen yorkom-
men, welche alle Eigenschaften der Perlsachtbaziilen aufweisen. Man schloß
daraas nicht mit Unrecht, daß der Mensch für die Erreger der Bindertaberkalose
empfänglich sei Immerhin ist die Uebertragang der Bindertaberkalose aof den
Menschen eine seltene Erscheinang. Bei Bindern worden bisher nur Perlsuchtba-
zillen festgestellt Verfasserin konnte aas tuberkulösen Milebproben Kaltaren
gewinnen, die yon menschlichen Taberkolosestämmen nicht abwichen; fernerhin
gelang es ihr in üebereinstimmong mit einer Beihe yon Autoren außer den
menschlichen Taberkelbazillen and den Perlsachtbazillen sogenannte Taberkd-
bazillenformen — üebergangsformen — nachzaweisen. Da die Untersuebongen
ergeben, daß die beiden Vertreter der Säagetiertaberkalose sowohl beim Men¬
schen, ab anch beim Bind yorkommen, bt der Schloß berechtigt, daß die
Bindertaberkalose auf den Menschen und die menschliche Taberkolose auf das
Bmd übertragbar bt Bei tuberkulösen Affen konnte die Verfasserin mensch¬
liche Taberkelbazillen, Bbderstämme and sogenannte üebergangsformen nach-
webea. Die Gelegenheitsarsache zur Spontaninfektion bt yon großer Beden.«
lang, wie ans folgender Beobachtung heryorgeht Bei Hauspapageien worden
näiwch menschliche Taberkelbazillen, bei Papageien des Zoologischen Gbrtens
VogeltaberkaloeebazUlen gefunden. Die GeflOgeltaberkolose bezeichnet Ver-
Venasserin auf Grund ihrer Erfahrungen an einem großen Sektionsmaterial
oor ab eine Varbtät der Säagetiertaberkalose.
106
Kleinere Mitteilnngen and Referate ans Zeiteehiiften.
Der ursprünglich infiaierende Taberknlosestamin kann im Menschen eine
Umwandlung erfahren. Die Ffltterungsinfektion spielt bei der menschlichen
und tierischen Tuberkulose eine größere Bolle als man bisher annabm, dafür
sprechen zahlreiche Beobachtungen und Experimente. Beim Menschen und
beim Bind kommen in Organen, Drüsen etc. virulente Bazillen vor, ohne dort
Ver&ndermigen hervorgerulen zu haben. In der Milch von Kühen, die auf
Tuberkulin reagiert hatten, fand die Verfasserin in üebereinstimmang mit
andern Autoren Tuberkelbazillen, ohne daß das Euter selbst mikroskopisch
tuberkulöse Veränderungen auf wies. Die Gefahr des Genusses perlsucbthaltiger
Milch für den Menschen ist daher nicht gering einzuschätzen. Von den laten¬
ten Tuberkelbazillen in Drüsen etc. kann jederzeit bei besonderen disponieren¬
den Momenten eine progrediente Tuberkulose ausgeben, da die Büillen in
ihrer Virulenz nicht geschwächt sind. Dr. Kurpjnweit>Berlin.
Vergleichende Untersuchungen Aber die Bedeutung der Atmungs¬
organe und des Verdannngstraktns für die Tuberkuloselnfektion (nach
Versuchen am Meerschweinchen). Von B. Pfeiffer und £. Friedberger
in Königsberg i. Fr. Deutsche mediz. Wochenschr.; 1907, Nr. 39.
& wurden 28 Meerschweinchen mit Tuberkelbazillen, und zwar in
S üßerer Menge, durch die Scblnndsonde gefüttert, und anderseits wurden
Tiere der EÜnwirkung tnberkelbazillenbaltigen Flttssigkeitssprays ansge¬
setzt, wobei die a priori für die etwaige Inhalation von Tuberkelbazillen durch
den Menschen in Betracht zu ziehenden Verhältnisse möglichst naebgeabmt
wurden, insbesondere die Zahl der möglicherweise aufgenommenen Krankheits¬
keime eine sehr niedrige sein mußte. Die Tiere wurden nach 50 Tagen ge¬
tötet. Dabei zeigte sich nun bei 22 der 29 Inbalationstiere ausgesprochene
Lungentuberkulose, bei 15 von ihnen auch spezifische Erkrankungen anderer
Organe, aber bemerkenswerterweise in keinem Falle eine solche der Mesenteri¬
aldrüsen und des Darmes. Hingegen erkankten von den gefütterten Tieren
trotz der großen Mengen eingeiührter Erreger nur 4 an Lungentuberkulose;
bei drei anderen waren die Mesenterialdrttsen ergriffen. Für die Lungenaffektion
mußte direkte Einführung in die Luftwege beim Zurückziehen der Sonde als
möglich angenommen werden. 21 Tiere zeigten keine Spur von Tuberkulose.
Die Versuche berechtigen jedenfalls an dem Schluß, daß auch beim Menschen
für die Aetiologie der Lungentuberkulose die Inhalation der Erreger selbst in
IMnsten Mengen viel wich^er ist als die Aufnahme durch den Darmtraktus.
Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Zum weiteren Ausbau der planmimfgen Taberknlosebeklmpfbng.
Von Prof. Dr. Petruschkr-Danzto. Blätter für Volksgesundheitspflege;
Jahrg. VII, Nr. 11.
Die erheblichen Fortschritte, welche in den Jahren seit der Entdeckung
des Tuberkulins gemacht worden sind, bewegen sieh vorzugsweise auf dmn
Gebiete der Anwendungsmethoden und der Anwendungsdauer der spezifischen
Präparate. Ein näheres Eingehen hierauf würde an dieser Stelle zu weit
führen. Nur soviel sei gesagt, daß man von der früheren Hoffnung, schwere
Tuberkulose durch wenige Tuberkulineinspritzungen schnell heilen zu können,
vollständig zurückgekommen ist, daß man sich aber von der Möglichkeit, Früh¬
stadien der Tuberkulose durch vorsichtige und mehrfach wiederholte Kur-
Etappen zu heilen, und zwar im Verlauf von Jahren endgültig zu heilen,
mehr und mehr überzeugt hat. Die Tuberkulinanwendung ist daher ein wich¬
tiges Mittel geworden, um die durch die Heilstätten begonnene Arbeit einer
Steigerung der Widerstandsfähigkeit des Kranken in zielbewnßter Ergänzung
zu vollenden. Sie dient nicht nur als Erkennungsmittel zweifelhafter Früh¬
formen und als Ergänzung für die Heilstättenbehandlung, sondern auch ala
selbständiges Kurnuttel für solche Tuberkulöse, welche bei gutem Kräftezu-
stand und erhaltener Erwerbsfähigkeit zu ambulatorischer Behandlung
ohne Berufsstömng geeignet sind, vor allem aber zur Nachprüfung, ob end¬
gültige Heilung erreicht ist
Das nä<&te Ziel ist die Schaffung von Stationen für ambulatorische
Tuberkulin'Behandlung in allen großen und mittleren Städten unter sach¬
kundiger Leitung.
Kleinere Blitteilnngen and Referate ans Zeitschriften.
107
Für die ratsuchenden Patienten besteht leider noch immer die Sehwie*
rigkeit, unter ihren irztUchen Beratern die Tersohiedensten Heianngen in he¬
gten. Ein Fortsehritt aber ist es schon, daß das frtther so weit yerbreitete
Mißtranen gegentibor den spezifischen Heilmitteln unter den Aerzten mehr
und mehr zu schwindmi begbnt und die in der Literatur niedergelegten Er*
fahmngen in der Tnberkolintherapie mehr und mehr Beacbtong finden.
_ Dr. Wolf*Marburg.
XJatersuehnng über die Ophthalmereaktlon der Tuberkulose. Von
Harinestabsarzt Dr. Wiens und Oberarzt Ottnther. Mttnch. med. Wochen*
Schrift; 1907, Nr. 62.
Kritische Bemerkungen |rar klintsehen Bedeutung der Ophtbalme*
reaktlon anf Tuberkulose. Yon Priratdoient Dr. C. Klineberger-KOnigs*
borg L F. Ebenda.
Wiens und Ottnther hielten sich bei ihren Versuchen ttber Ophthalnto-
reaktion genau an die von Galmettein der Originalarbeit angegebene Methodik
und benutzten eine 1 prozentige Lösung, welche aus trockenem Tuberkulin der
Höchster Farbwerke mit destiliertem und sterilisiertem Wasser hergestellt war
und in der Menge eines Tropfens in den Konjunktiralsack des emen Auges,
nahe der Carnncnla, eingeträufelt wurde.
Ans dem Resultate der Untersuchungen fällt zunächst anf, daß bei den
Einträufelungen mit 1 prozentiger Lösung in einer Anzahl yon Fällen recht
schwere Augenyeränderungen eingetreten sind, die sich oft sehr in die Länge
zogen; dabm femden siä derartig scUwere Erscheinungen bei Patienten,
die klinisch auch nidit den geringsten Anhaltspunkt für eine tuberkulöse Er*
knnkung boten.
Wenn auch die Verfasser auf Grund der kleinen Zahl yon Untersuchungen
ein Urteil ttber den Wert der Reaktion an sich nicht fällen wollen, so möchten
sie doch betonen, daß bei einem Untersnchnngsmodns, der ganz dem in der
Originalarbeit angegebenen (La presse m^dicale Nr 49, 1907) entsprach, sich
derartig schwere Angenyeränderungen gefunden haben, daß eine weitere An*
Wendung der Methode bezw. der Einträufelungen mit 1 prozentiger Lösung als
nnzuläss^: erschien.
Die Untersuchungen mit '/* P^ozcntiger Lösung haben ein günstigeres
Resultat ergeben; die Zahl der Untersuchungen ist jedoch zu klein, um ttber
den diagnostischen Wert oder Unwert der Reaktion ein Urteil abzugeben.
Die Verfasser wollten hauptsächlich beweisen, daß die Callmettesche
Ophtbfdmoreaktion keineswegs ein so harmloser und unbedeutenter Eingriff
ist, als man bisher angenommen hat, und daß man durch die schweren, unter
Unutänden hartnäckigen Folgeerscheinungen recht unangenehmen Situationen
ausgesetzt sein kann.
Zu ähnlichen Ergebnissen ttber die Gefahren und den zweifelhaften
diagnostischen Wert der Ophthdmoreaktion kommt auchDr. Klineberger in
der oben eingezogenen Arbeit. Dr. Waibel*Kemptmi.
Haut* und OphthalmoreiAtlon auf Tuberkulin. Von Dr. Carlos
Maini ni aus Buenos^Aires. (Ans der IL med. Klinik in München). Mttnchener
med. Wochenschrift; 1907, Nr. 52.
Verfasser berichtet ttber Versuche mit einer neuen spezifischen Reaktion
bei Tuberkulösen, welche er teils nach dem yon ihm etwas modifizierten
y. Pir quetschen Verfahren, (Kutanreaktion) teils nach dem gleichfalls etwas
modifizierten Wolff*Eisnersehen Verfahren (Ophthalmoreaiktion oder Kon*
junktiyalreaktion) an 208 Personen anstellte. Von diesen 208 Personen um¬
faßte die erste Gruppe 28 Kranke bezw. Tnberknlöse mit positiyem Bazillen*
befand, die zweite Gruppe 74 Kranke bezw. Patienten, welche der Tuberkulose
yerdächtig waren und die dritte Gruppe 111 Kranke bezw. Patienten, bei denen
kein Anhaltspunkt fttr Tnberknlöse yorhanden war. Verfasser gibt tabellarische
Uebersichten ttber die Untersnehnngsbefnnde der einzelnen Gruppen und Ver¬
fahren und faßt die Ergebnisse der Gesamtuntersuchungen folgendermaßen
zusammen:
1. Die kutane, wie die Ophthalmoreaktion ergeben bei Kranken mit
sicherer Tuberkulose, abgesehen yon sehr yorgeschrittenen Fällen, mit groner
Konstanz eine Lokalieaktion.
108
Besprechtmgen.
2. Die Speeilisittt dieser Beektien ist zwar tu maBchen GrtliideB
wahrselieiitlichf aber Doch Bicht bewiesen.
8. Bei nicht der Taberkolose yerdächtigen Individuen ergibt die Kutan*
reaktiOB etwa sechsmal höhere Werte als die Ophthalmoreaktion.
4. Unter der Voraussetzung, daB die Beaktion spezifisch ist, lißt sich
dieser Widerspruch unter allem Vorbehalt vielleicht dahin auffassen, daß die
a pthalmoreaktion vorwiegend auf eine aktive Tuberkulose hindeutet, während
e V. Pirquetsche Beaktion (Kutanreaktion) auch latente Herde anzeigt.
Dr. Waibel* Kempten.
Hellstltten oder Invaltdenheime für Tnberkulßse! Von Geh. Be*
giemngsrat Bielefeld, Direktor der Landes «Versicherungsanstalt der Hanse¬
städte. Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, Hr. 7.
Gegenttber den Angriffen der Heilstättengegner verteidigt Verfasser den
Wert der Heilstätten. Vergleicht man rechnerisch Aufwand und Gewinn der
Heilstättenbehandlung, so schließt das Konto mit einem Gewbne ab. Die
idealen Vorteile der Heilstättenbehandlung sind außerdem noch in Anrechnung
zu bringen.
Invalidenheime fflr unheilbare Tuberkulöse haben sich nicht bewährt.
Sie stehen im Bufe von Sterbehäusem und werden aus diesen und auch ans
anderen Gründen (Freiheitsbeschränkung, Trennung von der Familie) nicht von
den Kranken aufgesucht. Dr. Dohrn-Hannover.
Tuberkulose und Syphilis 1 m 1 den Einwohnern von Hordafrlka. Par
M. le Dr. Boigey, Biskara. Bevue d’ Hygiöne et de Police sanitaire; 1907,
Band 29.
Verfasser entwirft von der Verbreitung der Tuberkulose im nörd¬
lichen Afrika ein sehr trflbes Bild, das nicht gerade dazu angetan ist, die
Sehnsucht lungenkranker Europäer nach diesen Gegenden zu erhöhen. Han
findet dort kaum ein Zelt oder Hütte ohne Tuberkulosekranken. Alle Be¬
dingungen sind gegeben, um der Verbreitung der Krankheit Vorschub za
leisten: Schmutz, Ibdolenz, mangelhafte Ernärung und hauptsächlich eine
durch die Beligion absichtlich niedergehaltene Bildung. Verfasser konnte eine
E oße Zahl von üebertragungen der Tuberkulose innerhalb der Ehe feststellen.
teressant sind auch seine Beobachtungen, die er über die Verbreitung der
Tuberkulose unter den Kindern machte. Von Sachverständigen wurde ihm
versichert, daß von 100 Kühen in Algier durchschnittlich 10 an Entertuber¬
kulose leiden. Die außerordentlich hohe Kindersterblichkeit führt er hieranf
zurück; zumal da das Aufkochen der Milch nicht üblich ist. Der Kampf gegen
die Tuberkulose ist ganz aussichtslos. Erst wenn im Laufe der Jahrhunderte
europäische Kultur mit den mangelhaften hygienischen Einrichtungen auf¬
geräumt haben wird, ist ein Erfolg zu erwarten.
Nicht minder verbreitet ist die Syphilis. Hier kommt noch der über¬
aus rege Geschlecbtstrieb der Araber hinzu, um die Ausbreitung der Krankheit
zu fördern. B. glaubt auch die (allerdings nicht unwiderapro^ene; Bef.) Be¬
obachtung gemacht zu haben, daß die syphilitischen Erkrankungen in den
heißen Gegenden besonders schwer verlaufen, ln den meisten Fallen handelt
es sich um hereditäre Syphilis. Auch bezüglich der Syphilis sind alle B»-
kämpfongsmaßregeln aussichtslos. Der Mubamedaner ergibt sich in sein
Schicksal mit dem Gedanken, daß seine Syphilis eine Gabe von Allah ist
Dr. Dohrn-Hannover.
Besprechungen.
Dozent Dr. J, Flnkli, I. Assistenzarzt der Psychiatrischen Klinik in Tübingen:
Dm heutig« Irrenwenen. Leitfaden für Angehörige und Pfieger von
Geisteskranken.
In leicht faßlicher Form setzt Verfasser den Begriff geistiger Gesundheit
und Krankheit auseinander, bespricht dann die Behandlung Geisteskranker in
Anstalten und außerhalb der Anstalten, sowie die Aufnahme- und Entlassungs¬
bedingungen und geht schließlich noch auf die Bedeutung des Alkoholismus
und ue neueren üntersuchungsresultate bezüglich des Selbstmordes ein. —
Tagesnsobrlehten.
109
Jeder, der als Asstaltsarzt Oelegeaheit liatte, Öfters mit AsgehOrigen ros
GeisteskTaiikeB Terhaadeln sa mftasea, würde es mit Freode begrüßen, wenn
dM Büchlein in den Kreisen, für die es bestimmt ist, Verbreitong finden sollte.
Aber anch im größeren Pablikom verdiente es bekannt sn werden, am die
alten Yomrteile, welobe durch die Sensationsprozesse immer von neaem wieder
Mahrang erhalten, endgültig hinwegr&amen zu helfen.
Dr. Klare>Haina (Bes. Cassel).
Dr. AAnlbnrt 8t. Pluur: Angst« Webers Yerlsg (Dr. Abel & Born).
Leipzig 1907. Preis: 8 Mark.
Yerfasser will einem fühlbaren Mangel abhelfen und Aufklfirung über
die Behandlung der neurasthenischen Angstznstfinde geben, da kein belehrendes
Buch über dieses Leiden existiere (!) und die Aerzte denselben meist ratlos
gegenüberstünden (1). — Wären diese Yoraussetznngen richtig, so würde wohl
Phars Buch schwerlich berufen sein, die Lücke anszufüllen, da es recht ober*
fläehlich geschrieben ist nnd eine große Reihe von Uebertreibongen nnd Irr*
tümem enthält. Auch mutet es etwas gar zu reklamebaft an, wenn der Yer¬
fasser sich zum Schluß erbietet, Interessenten — das Buch wendet sieh an
Aerzte nnd Leidende 1 — auf Wunsch speziellere Erklärungen geben zu wollen,
da er sieh wegen Raummangels nur kurz habe fassen kOnnen.
Dr. Klare-Haina (Bez. Cassel).
Tagesnachrichten.
Belang des prensslschen Hebammenwesens. Im Eultusmini-
sterium fand am 26. d. Mts. unter dem Yorsitz des Ministers Dr. Holle
eine Konferenz von Yertretern des Koltusministeriums, des Ministeriums
des Innern und dos Finanzministeriums, von Mitgliedern des Abgeordneten- und
des Herrenhauses, von Yertretern einzelner ProTinzialverwaltungen, von Medi¬
zinal- und Yerwaltungsbeamten, sowie von ärztlichen Sachverständigen statt,
an welcher auch die Geschäftsführerin der Yerebigung deutscher Hebammen,
Frau Olga Gebauer, teilnahm. Zur Yerhandlnng stand b erster Lbie die
Frage, ob zur Beseitigung der bestehenden Mängel im Hebammenwesen ebe
gesetzliche Regelung erforderlich sei, oder ob es zunächst zu versuchen sei,
ohne neues Gesetz unter Zuhilfenahme von Staatsbeihilfen die sdion vielfach
vorhandene statutarische Regelung des Bezirkshobammenwesens durch die
Slreise amzubanen, bei anderen Kreben ein ähnliches Yorgehen anzuregen
und dadurch die bedürftigo Lage der Hebammen, den Hebammenmangel nnd
die hierauf beruhenden Mißstände in der Geburts- nnd Wochenbetthygiene zu
beseitigen. Es wurde üebereinstimmung darüber erzielt, daß zunächst versucht
werden müßte, unter Erhöhung der Gebührenordnungen, die Kreise durch Ge¬
währung von Staatsmitteb zur Sicherstellung der Hebammen zu befähigen und
anzuhalten. Zugleich wurde ebe wirksamere Ueberwachung der Berufstätig¬
keit der Hebammen und ihrer Fortbildung durch vermehrte Revisionen nnd
Haebprüfungen seitens des Kreisarztes, sowie durch periodische Wiederholnngs-
lehrknrse ab notwendig bezeichnet. Anch sei es erforderlich, daß die Dauer
des Hebammenlehrkursns in allen Hebammenlehranstalten auf nenn Monate
verlängert nnd die praktuche Säoglingspfiege in den Hebammenunterricht ob-
gefügt werde. Durch die Aufbesserung der materiellen Lage und die Yer-
tiefnng der Ausbildung sei anch zu erhoffen, daß bessere Elemente zum Heb-
ammenberuf herangezogen würden. — Damit bt das seit mehreren Jahren
bestimmt b Aussicht gestellte und bereits ansgearbeitete Hebammengesetz
vorläufig ad calendaa graecas verschoben. Ob mit den oben bezeichneten
Mitteln tatsächlich alle Mängel des Hebammenwesens ohne gesetzliche Rege¬
lung beseitigt werden können, dürfte, wenigstens was die finanzielle Lage der
Hebammen betrifft, nach den bbheHgen Erfahrungen sehr zu bezweifeln seb;
es sei denn, daß recht erhebliche Staatsmittel zur Yerfügnng gestellt werden.
Mit den zu diesem Zwecke zum ersten Male in den Etat für 1908 ebgestellten
60000 Mark wird aber eb nennenswerter Erfolg kaum zu erzielen sein, nament¬
lich wenn auch für die dringend notwendige Sicherstellung der Hebammen bei
Dienstunfähigkeit bfolge von Krankheit und Alter gesorgt werden soll.
110
TagesoMhiiohten.
IQt der Frage der Kontrasexaalitit hat lieh jttngit die Fetitioni«
kommiiiioB des Beiehitags infolge einer Eingabe dei nWinemchalU
lieh «humanitären Komitees* nm Abänderung des § 176 des Strafgesetzbuchs
beschäftigt und einen schriftlichen Bericht darüber erstattet. Es heißt hier,
daß die Theorie Ton der Unverantwortlichkeit der Eonträrsexuellen hinfälliger
als je erscheine; immer mehr Sachverständige, darunter eine Reihe von Autori¬
täten aus dem medizinischen Fachkreise, wenden sich gegen diese Auffassung;
desgleichen habe die Prüfung der einzelnen vor das Forum des Gerichts ge¬
brachten Fälle der Verfehlang gegen § 176 ergeben, daß die nAusschreitungen*
fast durchgängig von Personen verübt würden, die früher hi ausschweifender
Weise den heterosexuellen Geschlechtsgenuß ansgeübt hätten und jetzt, über¬
sättigt, neue Beize suchten. Infolge der großen Prozesse sei allerdings das
Interesse an dieser Materie gewachsen, aber nicht im Sinne der Petenten,
sondern gerade nach der entgegengesetzten Seite hin. In allen Teilen des
Yolkes wende man sich mit solcher Schärfe gegen die Bestrebungen des be¬
treffenden Komitees, daß ein Eintreten des Reichst ages für diese direkt als ein
Schlag gegen das Volksempfinden empfanden werden würde. Und das mit Recht;
denn selbst wenn man zugebe, daß die Angaben über die Ausbreitung des Lasters,
um das es sich hier bandle, übertrieben seien, so könne doch niät geleugnet
werden, daß dasselbe in den letzten Jahren in bedenkenerregender Weise zutage
getreten sei, und, wie gerichtliche Feststellungen ergeben, gerade in hoch¬
stehenden, gebildeten Kreisen und, was besonders beklagenswert sei, selbst in
der Armee vorkomme. In allen Teilen des Volkes herrsche tiefe Entrüstung
gegen das Treiben der homosexuellen Elemente und dringend der Wunsch,
dem Umsichneifen des Lasters Halt zu gebieten. Oie Kommission hat dem¬
zufolge einstimmig beschlossen, über die Petition üebergang zur Tagesordnung,
sowie die Annahme folgender Resolution zu beantragen:
„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen: a) die Zivil- und Militär¬
behörden anzuweisen, den bestehenden Gesetzesvorschriften ohne Ansehen der
Person unnachsicbtlich Geltung zu verschaffen, b) dem Reichstage alsbald eine
Vorlage zur Abänderung des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgosetz-
buches zugehen zu lassen, durch welche die Ausnutzung des Abhängigkeits-
Verhältnisses (durch Vorgesetzte, Arbeitgeber usw.) zu unsittlichen Zwecken
nach § 176 des Strafgesetzbuchs unter erhöhte Strafe gestellt und c) in welcher
das Scbutzalter (§§ 176, 182, 184 und 184 a des Strafgesetzbuchs) auf 18 Jahre
erhöht wird.*
Die Petition hat also erfreulicherweise gerade das Gegenteil von dem
hewirkt, was sie beabsichtigt hatte.
Der im Beiohsamt des Innern fertiggestellte Entwurf über die
Ausübung der Heilkunde durch nichtnpproblerte Personen und über den
Geheimmlttelverkebr ist jetzt den Bundesregierungen zur Aeußerung über¬
sandt. Desgleichen ist beabsichtigt, den Entwarf in den nächsten Tagen durdi
Veröffentli<äang zur Kenntnis der beteiligten Kreise zu bringen.')
Approbation für Zahntechniker. Vor einigen Tagen wurde im Reicha-
amt des Innern eine Deputation von Zahntechnikern seitens des
Staatssekretärs des Innern im Beisein des zuständigen Abteilungsdirektors
empfangen, nm ihre Wünsche bezüglich der Regelung ihrer Standesverhältnisse,
namentlich im Hinblick auf die bevorstehende gesetzliche Regelung der Aus¬
übung der Heilkunde durch nichtapprobierte Personen, sowie die Revision der
zahnärztlichen Prüfungsvorschriften vorzutragen. Diese Wünsche betrafen ins¬
besondere die Erteilung einer Approbation mit beschränkten Befugnissen und
die Bitte, bei gesetzlichen Maßnahmen gegen das Kurpfuschereiwesen mit den
Kurpfuschern nicht in eine Reihe gestellt zu werden. Seitens der Vertreter
des Reichsamtes des Innern wurde demgegenttber darauf hingewiesen, welche
Schwierigkeiten sich der Abgrenzung einer beschränkten Approbation für Zahn¬
techniker sowohl nach oben gegen die Zahnärzte, wio nach unten gegen die
Vorbildnngslosen Elemente des Fachs entgegensteUten. Es wurde betont, daß
der neue Gesetzentwurf über die Ausübung der Heilkunde dnrdi nichtappro»
') Die Redaktion hat ihn soeben nach Schluß der Nummer erhidten und
wird ihn in der nächsten Nummer zum Abdruck bringen.
TagesnaohrlehteiL
111
Merte PeraoneB den Zalmtechnikeni die Äasttbiiiig Uires Gewerbes keines¬
wegs beschränke, sie ▼ielmehr niur wie alle sonstigen Nlchtapprobierten ge-
wlMen Ordnnngsrorschriften nnterwflrfe und nnr von einseinen solchen
Behandlnngsweisen sosschlbsse, die schlechterdings nnr dem approbierten Arate
llberlassen werden müßten. In der Begründung des Gesetzentwurfes komme
Eum Aosdmck, daß die Zahntechniker keineswegs ohne weiteres den sogen.
Kurpfuschern zuznzähien seien. _
In Straßburg 1. E. hielt am 21. Januar d. J. der Oberapotheker Matter
eiaen Tortrag über ^Apothekenreform nnd Kommnnalapotheke**» Er legte
zunächst die Grundzüge des neuen Beichsgesetzentwnrfs nebst der offlziellen
Begründung dar und gab eine Kritik desselben unter besonderer Berücksichti¬
gung eisaß-lothringischer Verhältnisse. Durch die Eigenart der Aufgaben
dieses Berufes sei zwar die Monopolisierung geboten, diese habe aber, seit die
Monopole Handels- und Spekulationsobjekte geworden sind, zu Zuständen ge¬
führt, die Jenfalls nicht im Interesse der Allgemeinheit liegen und der
Pharmazie selbst sehr uefährlich geworden seien. Es ergebe sich daher aus
sozialen, wissenscbältlichen, kommerziellen und beruflichen Gründen die Not¬
wendigkeit, das Monopol aus den Händen einzelner wieder der Allgemeinheit
zuzuführen, was am besten durch schrittweise Kommunalisierung der Apotheken
erreicht werden kOnne, ein Syatem das sich im Großherzogtnm Hessen bereits
^währt habe. Es sei deshalb die Forderung zu erheben,* daß in dem neuen
Beichsgesetzentwurf nicht die Personalkonzession aliein zur Grundlage gewählt
werde, obgleich sie zwar einen erheblichen Fortschritt darstelle, sondern noch
folgende Bestimmung aufgenommen werde:
aDie Verleihnng der Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke
nnd die WiederrerleUinng einer heimgefallenen Apothekenkonzession kann
nach Ermessen der Behörden auch an eine Gemeinde erfolgen, wenn die¬
selbe darum nachsncht. Den Gemeinden steht das Becht zu, Bealprivilegien
nnd Beaikonzessionen käuflich zu erworben.**
Die sehr lebhaft geführte ausgiebige Diskussion, an der sich die Hcarren
Medizinalrat Dr. Hecker, Dr. Bär, Geh. Ober.-Med.-Bat Dr. Biedert,
Medizinalreferent Geh. Med.-Bat Dr. Pawolleck nnd zahlreiche Apotheker
beteiligten, ergab im wesentlichen eine Uebereinstimmnng mit
dem Beferenten, der sich also vollständig auf dem Boden der betreffenden
Beschlüsse des Deutschen Medizinalbeamten-Vereins gestellt hatte.
Der 25. Kengress für Innere Medizin findet vom 6. bis 9. April 1908
in Wien statt. Zur-Verhandlung kommen: Am ersten Sitznngstage: Montag,
den 6. April 1908: Die Beziehungen der weiblichen Geschlechlsorgane zu
innerea Erkrankungen. 1. Beferat: Herr v. Bostborn (Heidelberg). 2. Bef erat:
Herr Lenhartz (Hamburg). Am dritten Sitznngstage: Mittwoch, den 8. AprU
1908: üeber die neueren klinischen üntersuchnngsmethoden der Darmfunktionen
und ihre Ergebnisse. Vortrag von Herrn Adolf Schmidt (Halle). Folgende
Vorträge sind bereitsangemeldet: Herr Heisse r (Breslau): Der gegenwärtige
Stand der Pathologie und Therapie der Syphilis. Herr F i s ch 1 er (Heidelberg:
üeber experimentell erzeugte Leberzirrhose und einige Beobachtungen dab^
Herr August Horner (Wien): Nephritis und Blutdruck. Herr Morawitz
(Heidelberg): lieber Blutmenge und Blutverteilnng bei Anämie. Herr Emil
Pfeiffer (Wiesbaden): Drüsenfieber. Herr Schwenkenbecher (Heidel¬
berg): Die endgültige Beseitigung des Begriffes: Perspiratio insensibilis. An¬
meldungen von Vorträgen sind bis zum 1. Februar 1908 zu richten an Gebeim-
rat Dr. Emil Pfeiffer, Wiesbaden, Parkstraße 13. Mit dem Kongreß ist
eine Ausstellung von Präparaten, Apparaten und Instrumenten, soweit sie für
die innere Medizin von Interesse sind, verbunden. Anmeldungen zur Ausstellung
sind zu richten an Herrn Professor Dr. Hermann Schlesinger, Wien I,
Ebendorferstraße 10.
SpiwohMUtL
Noek einmal die Frage betreffend der Erforderung einer Genehmi¬
gung zum Gifthandel ln Fllialgesehäften. Ebenso wie bei Gastwirtschaften
gilt die Genehmigung zum Giftandel nur für die Geschäftsstelle, für die sie
erteilt ist; werden von einem Hauptgeschäfte Filialen errichtet, so bedarf es
112
SprediMsL
auch Ittr jede einer Genehmigung nnm Gifthandel, wie solche nach dem in Gel¬
tung gebliebenen § 49 der preul. Gew.-Ordn. vom 17. Januar 1846 in der
Fassung des Gesetzes vom 22. Jnoi 1861 vorgeschrieben ist. Diese Genehmi¬
gung kann allerdings auch dem Inhaber des Haoptgeschäfis erteilt werden;
aber sein Stellrertreter im Zweiggeschäft muß dann gemäß § 45 der B. G. 0.
den fttr das in Bede stehende Gewerbe insbesondere Torgeschriebenen Erfor¬
dernissen gentkgen und demzufolge den Nachweis seiner Zuverlässigkeit in
Bezug aut den Oifthandel (durch amtsärztliches Zeugnis) beibringen, da unter
den „insbesondere vor geschriebenen Erfordernissen“ die persönlichen
Eigenschaften zu verstehen sind, die nach Vorschrift des Gesetzes der Ge*
werbetreibende bei bestimmten Gewerben erfüllen muß (Befähigung, Zuver¬
lässigkeit usw.). _
Anfrage des Krelsantes Dr. B. ln M.t Dari man wirklich,
wenn man bei Dienstreisen im Sommer einen vor 6 ühr, im
Winter vor 7 Uhr abgehenden Zug benutzt hat, so liquidier en,
als ob man die Beise bereits am Tage vorher angetreten hatP
Antwort: Nein! Der Beamte braucht zwar die Beise nicht vor 6
bezw. 7 Uhr anzutreten, hat aber, wenn er cs gleichwohl tut, keinen Anspruch
auf Tagegeld fttr den vorhergehenden Tag; denn Tagegelder werden grundsätzlich
nicht fttr mehr Tage gewährt, als zur Zurttcklegnng der Beise notwendig ge¬
wesen und wirklich verwendet worden sind. Eine Ausnahme ist nur
dann zulässig, wenn sich die Gesamtkosten dadurch geringer
stellen (F 2 der Ansf.*Be3t. z. d. Vorschr. ttber die Bcisekosten und Tage¬
gelder vom 11. Nov. 1903, G.-S. S. 231), ein Fall, der bei der Frage im
Sprechsaal der Nr. 2 vorlag, wo die Hinreise an demselben Tage mit dem
Automobil auf dem Landwege zurttckgelegt war und sich die Gesamtkosten
bei Annahme des Landweges höher stellten, als wenn die Hinreise am Tage
zuvor mit der Eisenbahn angetreten war und Tagegelder fttr zwei Tage ne*
rechnet wurden. Die dort gegebene Antwort scheint demnach mißverstanden
zu sein.
Anfirage des Kreisarztes Dr. L« In B.t Kommt Artikel II des
Gesetzes vom 21. Juni 1897 in Anwendung, wenn der Kreis¬
arzt bei einer amtlichen Beise nach einem Ansiedelnngsgut
das von diesem gestellte Fuhrwerk benutzt?
Antwort: Ja! Durch Erlaß des Ministers fttr Landwirtschaft usw. vom
18. November 1902, II, 10561, ist bestimmt, daß in Zukunft den zur Liqui¬
dation von Beisekosten fttr die einzelne Beise berechtigten Staatsbeamten,
wenn sie bei Beisen behufs dienstlicher Verrichtungen auf selbstbewirt¬
schafteten Domänen ein fiskalisches Fuhrwerk zu benutzen
wünschen, ein solches, falls es verfügbar ist, von der Gntsverwaltung un¬
entgeltlich gestellt wird. Es sind alsdann nach den bestehenden Be¬
stimmungen (Art. II des Ges. vom 21. Juni 1897, G. S. 8.193, und F. 6 und 88
der Auaf.- Best. z. d. Vorschr. ttber Tagegelder üsw. vom 11. November 1908,
G. G. 8. 231) den Beamten Fnhrkosten fttr die betr. Wegostrecke überhaupt
nicht und — bei Beförderung der Beamten nach oder von einem Bahnhole pp. —
die Gebtthr fttr Zu- und Abgang nur je zur Hälfte aus der 8taatska88e zu zahlen.
Anfrage des Kreisarztes Dr. H. ln G.: Ist eine Hebamme auf
Grund des § 223 des Hebammenlehrbnches verpflichtet, den
Tod einer Wöchnerin anzuzeigen, wenn das Wochenbett
normal verlaufen, die Hebamme die ganz gesunde Wöchnerin
vom lO.Tage ab nicht mehr besucht und die Wöchnerin in der
sechsten Woche an einer Lungenentzttndung oder an einer
anderen mit dem Wochenbett in keinem Zusammenhang
stehenden Krankheit gestorben und sie davon Kenntnis erhältP
Antwort: Nein! Denn die betreffende Frau ist nicht im Wochenbett
gestorben, da als solches bei normalem Verlauf doch nur die ersten 9 bis 10
Tage gelten.
Verauxtwortl. Bcdaktenr: Dr. Bap mnn d, Beg.- n. Geb. Med.-Rat in Minden i. W.
J. O. O. Bnnw, Herso^ Zteha il V. Sea.*!- Haftomhdniclur«! la IfliMlea.
2t J»hrg.
1908.
Zeitschrift
fllr
MEDIZIN^BEAMTE.
ZMrtnlMitt für iit gesaiti IniidheitsiNmi,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Heransgegeben
Toa
Dr. OTTO &APHDND,
B^gteraafe- «ad 0«h. Medirfaalrat la Mladta«
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fisoher's medis. Baehhandlg., H. Kornfeld,
HiHnQflL Bvw« Hoff* IL HnliinogL
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
lai grate aahwiaa dl« Tarlagahaadlaag sowla an« ÄaaoaoM-lapedltloaea das la«
aad laaUadas aatfagaa.
114
Or. StokenuuiB.
meistens ergab auch die Besichtigang arge Verschmntznng der
betreffenden Hänser nnd Höfe.
Die im Jahre 1907 beobachteten Typhnserkranknngen be¬
anspruchen nun insofern ein besonderes Interesse, als bei ihnen
alle, mit Ausnahme eines unaufgeklärt gebliebenen Falles, auf eine
gemeinsame Quelle zurflckgeffihrt werden konnten. Es sei mir
daher erlaubt, die kleine Epidemie hier kurz zu beschreiben.
Am 15. und 16. Mai wurde je ein Fall ans einer kleinen
Gastwirtschaft gemeldet. Da das Hans keinen Anschluß an die
Zentralwasserleitnng hatte nnd das Wasser nach der chemischen
Untersuchung eines hiesigen Apothekers als sehr verunreinigt
anzusehen war, so lag es nahe, mangels anderer ätiologischen
Momente, die Erkrankungen zunächst auf den Gebrauch dieses
unappetitlichen Wassers znrttckzuftthren. Der Brunnen wurde
polizeilich geschlossen nnd der Anschluß an die Wasserleitung
bewerkstelligt. Es wurden dann weiter bis Mitte Juni im ganzen
16 Personen als typhuserkrankt gemeldet. Bei fast allen wurde
die klinisch bereits sichere Diagnose durch die bakteriologische
gesichert. Es ergab nun die amtliche Untersuchung, daß sämt¬
liche Erkrankten mit Ausnahme eines Eaufmannslehrlings, welcher
in erhitztem Zustande kaltes Wasser getrunken hatte, Milch ans
dem Stalle eines anderen dem erstgenannten Gasthause benach¬
barten Gastwirtes getrunken hatten. Eine im Hanse dieses Milch¬
lieferanten wohnende Krankenschwester war ebenfalls an Typhus
schwer erkrankt.
Da im Herbst 1906 in einem anderen Nachbarhause mehrere
Typhusfälle vorgekommen waren, die seiner Zeit auf den Gebrauch
des aus der Hofpumpe entnommenen Wassers zurflekgefttrt werden
mußten, so wurden von den beiden benachbarten Brunnen Proben
an das Hygienische Institut in Kiel eingesandt. Es wurden hier
zwar keine Typhnsbazillen im Wasser gefunden, „indes erwies
sid^ das Wasser bei der chemischen Untersuchung so stark ver¬
unreinigt, daß mit der Möglichkeit der Verbreitung von Typbus¬
keimen durch das Wasser gerechnet und daher von der Mit-
verwendnng des Wassers dieser Brunnen auch zum Spülen and
zum Hausgebrauch solange abgeraten werden muß, bis durch
geeignete Maßnahmen die Verunreinigung der Brunnen mit aller
Sicherheit ausgeschlossen ist“. Angeblich war zwar Leitungs¬
wasser zum Trinken, Kochen etc. gebraucht, aber zum Spülen
der Milcheimer das verunreinigte Pumpenwasser verwendet worden,
es liegt deshalb die Vermutung nahe, daß die Milch auf diesem Wege
infiziert wurde, zumal die vom Kreisärzte angeregte Untersuchung
der betreffenden Milchkühe keinerlei weitere Anhaltspunkte ergab.
Der Kampf gegen die Seuche war nach Auffinden dieser
gemeinsamen Ursache sehr viel leichter. Es wurden die beiden
Nachbarbmnneu polizeilich geschlossen nnd der weitere Milch-
verkanf vom Hause ans untersagt; dagegen wurde der Verkauf
von der Weide ans nach Reinigung der Euter mit Lysol und
Seifenwasser gestattet. In allen betreffenden Wohnungen wurde
desinfiziert; sämtliche Kranken und Krankheitsverdächtigen kamen
Zur Verbreitiufgweise des Typhus.
116
ins Krankenhaiis bis anf einen, dessen Erkrankung von dem be¬
handelnden Arzte als fieberhafter Magen-Darmkatarrh bezeichnet
wurde, obwohl seine Mutter und Schwester an ausgesprochenem
'Typhus krank lagen.
Wie wichtig prompte Isolierung der Erkrankten ist, beweist
die Erkrankung des Dienstmädchens M. B. Sie erkrankte an¬
scheinend an fieberhaftem Magen-Darmkatarrh, wollte aber den
Bat ihres Arztes, sich gleich ins Krankenhaus zu begeben, nicht
annehmen, sondern reiste zu ihrer 5 km von Tondem entfernt
wohnenden Familie nach Abel, wo dann nach wenigen Tagen die
klinischen Symptome des Typhus so deutlich wurden, daß die Kranke
nunmehr ins Krankenhaus überfährt wurde. Der ganz kurze Auf¬
enthalt in der Familie hatte aber zur Folge, daß zwei Brüder
ebenfalls an Typhus erkrankten, während der Vater und drei
weitere Geschwister sich tagelang sehr elend fühlten, über Kopf¬
schmerzen und sehr gestörtes Allgemeinbefinden klagten. Diese
abortiven Typhen wurden, wie meine spätere amtliche Untersuchung
ergab, von den Eltern selbst als leichte TyphusfäUe aufgefaßt.
Sie sind aber nicht gemeldet und rubriziert worden. Wahrschein¬
lich ist die Seuche nur ans dem Grande auf dies eine Haus in
Abel beschränkt geblieben, weil die Familie B. erst ganz kürz¬
lich von Dänemark hier eingewandert, also noch ganz fremd war
und noch keinerlei Beziehungen zu den übrigen Dorfbewohnern
hatte.
Die einzelnen Typhuserkranknngen in Tendern waren durch¬
weg schwer und teilweise von schweren BückfäUen und Nach¬
krankheiten gefolgt
Die beschriebene Epidemie beweist, wie nötig die kreisärzt¬
liche Ueberwachnng des Nahrnngsmittelverkehrs, besonders auch
des Milchverkaufes, bei Ausbruch ansteckender Krankheiten ist,
und wie wünschenswert es ferner ist, daß der beamtete Arzt in
steter enger Fühlung mit den praktischen Aerzten arbeitet, im
Sinne unserer modernen Seuchenbekämpfung auf sie einwirkt und
so ihr Interesse an einer immer besseren Durchführung unserer
Seuehengesetze weckt. _
Der voiiäuflge Entwurf eines Gesetzes betreffend die
Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte Personen
und den Gehelmmittelverkehr.
Vom Herausgeber.
Die Beichsregiemng ist in den letzten Jahren dazu über¬
gegangen, Gesetzentwürfe vor ihrer Vorlage im Beichstage zu ver¬
öffentlichen und diese dadurch gleichsam zur öffentlichen Erörterung
zu stellen, ein Verfahren, das zweifellos den Vorzug hat, einen
lebhaften Meinungsaustausch der beteiligten Kreise anzuregen,
deren Ansichten über die in dem Gesetzentwurf niedergelegten
Grundsätze kennen zu lernen und etwaige Abänderungsvorschläge
noch vor seiner endgültigen Fassung berücksichtigen zu können.
IHesen Weg hat die Beichsregiemng audi jetzt in bezog auf die
116 Der Torlinflge Entwarf eines Qesetses betreffend die Aasfibang der
einheitliche gesetzliche Begelnng der Aasttbnng der Heilknnde
ohne Befähigangsnachweis nnd des GeheimmitteWerkehrs be*
schritten, die von Jahr zn Jahr immer dringlicher geworden nnd
nicht nnr von den Standesvertretnngen der deutschen Aerzteschaft,
sondern auch von den Verwaltnngsbehörden, insbesondere von
den Gesondheitsbeamten, von Reichs- nnd Landtagsabgeordneten,
von Vereinen f&r Öffentliche Gesundheitspflege nsw. gefordert ist
Da es sich hier nm eine außerordentlich schwierige Materie han¬
delt, ist die znvorige Veröffentlichnng des Entwurfs um so dan¬
kenswerter; hoffentlich trägt aber die dadurch veranlaßte Erör¬
terung nicht zn einer Hinausschiebung oder wohl gar zu einem
Anfgeben, sondern zn einer möglichst biddigen Dnrchffihmng des
beabsichtigten gesetzlichen Vorgehens bei.
Der betreffende Gesetzentwurf hat folgenden Wortlaut^):
§ 1. Penonea, welche sich gewerbsmäßig mit der Behandlung ron
Krankheiten, Leiden oder EQrperschäden an Menschen oder Tieren befassen,
ohne die entsprechende staatliche Anerkennung (Prfifungszeugnis, Approbation)
erbracht zu haben, sind yerpflichtet, spätestens mit dem Beginne des Gewerbe¬
betriebs der Polizeibehörde ihres Wohnorts unter Angabe ihrer Wohnung und
Geschäftsräume schriftlich Anzeige zu erstatten.
Die Anzeige ist von Personen, die das Gewerbe bei dem Inkrafttreten
dieses Gesetzes bereits betreiben, spätestens innerhalb vierzehn Tagen zu er¬
statten.
Zu I 1. Der Entwarf richtet sich in erster Linie (vgl. indessen § 9)
gegen die gewerbsmäßigen Erankenbehandler, also solche, deren Tätigkeit auf
eben fortgesetzten Erwerb gerichtet ist. Es fallen demnach nicht unter das
Gesetz gelegentliche, aus Nächstenliebe oder in Notfällen vorgenommene Hilfe¬
leistungen ärztlicher Natur. Getroffen werden soll nicht nur die Behandlung
von Krankheiten, sondern um die Tätigkeit der Kurpfuscher möglichst weit
ebzuBchränken, auch die Behandlung von Leiden und KOrperschUen. Dabei
bt ab Krankheit nicht nur ebe Veränderung des normalen Organismus ansu-
sehen, die ihn in seben gesamten Funktionen beebträchtigt, sondern jede Ab¬
weichung von der Norm, die geeignet ist, das Wohlbefinden zu stOren. Die
Grenzliuen zwbchen Krankheit und Leiden werden Öfter bebanderlaufen, der
Ibtwurf will, daß als Leiden oder EOrperschäden auch Abweichungen von der
Norm zu gelten haben, die von der Bechtsprechung nicht oder nicht immer
ab Krankheiten anerkannt, aber mit Vorliebe von Kurpfuschern und Geheim¬
mittelfabrikanten (§ 5) zum Gegenstände der Behandlung gemacht werden.
Dahb gehören z. B. Beschwerden bei der Menstruation, b der Schwanger¬
schaft, bei der Entbbdung, beim Zahnen, Fettleibigkeit, Verstopfung, Mutter-
mäier, Htthneraogen, Kahlköpfigkeit usw., während die bloße Lieferung voa
ktbstlichen Ersatzstttcken verlorener Glieder, z. B. von künstlichen Augen,
Beben usw. oder von mechanbchen Hilbmitteb, wie Bruchbändern, Sospen-
sorien, Verbandstoffen usw. nicht ab Behandlung anzusehen bt. Im. fibrigen
entspricht es dem Zwecke des Gesetzes, unter Behandlung nicht nur die Be¬
handlung eber Arznei, ebes sonstigen Heilmitteb oder eber Kur (Bade*, Ealt-
wasser-, Luft*, Massage*, Zitronen-Kur usw.), sondern auch ebe körperliche
Untersuchung, ebe Baterteilung usw. zu verstehen.
Ab staatliche Anerkennung (Prttfungsaeugnb, Approbation) kann nur
die von dner bländbchen Behörde erteilte gelten. Durcn den Zusatz aeut*
‘) Die Erläuterungen zu den Bbzelbestimmungen sbd gleich bei den
betreffenden Paragraphen in Anmerkung hinzugefttgt; die allgemebe Erläu¬
terung bt bei der nachfolgenden Besprechung des Entwurfee in ihren wesent¬
lichen Punkten berücksichtigt.
Htflkiiiide dmeh nicht approbierte Personen n. den Oehetounittdrerikehr. 117
Eine Verindening des Wohnorts, der Wohnung oder der Geschifts*
rinne, desgleichen die Anfgnbe oder EhuteUung des Betriebs ist in gleicher
Weise spätestens binnen vierzehn Tagen anzuzeigen.
§ 2. Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art sind ver>
pflichtet, der PolizeibehSrde ihres Wohnorts Aber ihre petsihiliohen Verhüt*
nisse, soweit sie mit dem Gewerbebetrieb im Zusammenhang stehen, insbeson¬
dere Aber ihre Vorbildung und ihre sdtherige Tätigkeit auf Erfordern Aus¬
kunft zu erteilen.
Sie sind ferner verpflichtet, Geschäftsbflcher zu fflhren, die der Polizei"
behOrde auf Verlangen vorzulegen sind.
In welcher Weise die Geschäftsbflcher zu fflhren und wie lange sie auf-
nubewnhren sind, bestimmt der Bundesrat.
a irechend* ist zum Ausdrucke gebracht, dafi ein Täti^erden Aber die durch
e Approbation usw. gesogenen Grenzen hinaus den Bestimmunffen des Cie-
setzes unterliegen soll. Das gilt z. B., wenn ein Zahnarzt Krebskranke, eine
Hebamme Geschlechtskranke behandelt. Verrichten eeprttfte Heilgenüfen,
Masseure, Krankenwärter, Hebammen derartige Dienstleistnngen auf Grund
ärztlicher Anweisung oder unter ärztlicher Aufsicht und Kontrolle, so sind sie
nicht selbständig tätig und deshalb nicht den Bestimmuneen des Gesetzes
unterworfen. Ebensowenig unterfallen Studierende, die als Gehilfen von Aerzten
mit gewissen ärztlichen Verrichtungen betraut werden, den Vorschriften des
Entwurfs.
10t der vorgeschriebenen Meldepflicht folgt der Entwurf einem schon
in zahlreichen UndesrecbtUchen Verordnungen sich findendem Verenge. Durch
die Meldung soll der Polizeibehörde die zur üeberwachung des Betriebs nötige
Kenntnis von der Begrflndung desselben sowie von seiner Einstellung gegeben
werden. Als Meldestelle ist deshalb auch nicht der Kreisarzt, sondern die
Polizeibehörde bezeichnet. Eine etwa durch andere, z. B. stenerffesetzliche
Bestimmungen angeordnete Meldepflicht bleibt durch diese poUzeilide Melde¬
pflicht nnberflhrt.
Zu I 2* Die Bestimmungen des § 2 bezweckmi die Beaufsichtigung der
Krankenbehandler nach der persönlichen und nach der sachlichen Seite. Die
Verpflichtung, der Behörde Aber ihre persönlichen Verhütnisse in gewissem
Dmfanff Aur&nnft zu geben, flndet sich in ähnlicher Weise schon in verschie¬
denen landesrechtlichen Verordnungen. Die in den Worten „soweit sie mit
dem Gewerbebetrieb im Zusammenhänge stehen“ liegende Beschränkung der Aus-
konftspflicht beugt einer allzn peinlichen und unnötigen Ansflbnng des Frage-
rechts durch die Polizeibehörde vor. Im flbrigen ist es fflr die Polizeibehörde
von nicht geringem Vorteile, wenn sie sich durch unmittelbares Befragen des
Gewerbetrdbenden und durch Vergleichung seiner Angaben mit den amtlich
feetgestellten Tatsachen ein Bild Aber seine Zuverlässigkeit, seine bisherige
Tätigkeit und seine Vorbildung machen kann.
Eine noch schärfere Kontrolle gewährt die in Abs. 2 vorgeschriebene
BuchfAhmng, eine Anordnung, die sich ebenfalls schon in einzelnen Verord¬
nungen ausgesprochen flndet. Die BuchfAhrung bildet die sicherste Grundlage
fflr die Feststellung dafflr, ob den Vorschriften des Gesetzes zuwidergehandelt
isA ferner fflr die NachnrAfunu des bei strafrechtlicher Verfolgung so oft er¬
hobenen Einwandes, daß der Heilbehandler die Krankheit nicht als solche,
deren Behandlung ihm verboten ist, erkannt habe. In entsprechender Anwen¬
dung des § 88 d^s. 4 der Gewerbeordnung ist die Bestimmung darflber, was
in die Bflcber cinzutragen ist, in welcher Weise sie zu fflhren und wie lange
sie aufzubewahren sind, dem Bundesrat Aberlassen.
Durch die den Behörden zngestandene Einsichtnahme der Bücher können
zwar Dinge bekaimt werden, an deren Geheimhaltung der Behandelte ein In¬
teresse hat. Die aus den BAchem gewonnenen Mitteilungen unterliegen aber
dem Dienstgeheimnisse, wodurch das Interesse der Behandelten geschfltzt ist.
Sollte aber die Vorschrift, insbesondere die dem Patienten obliegende Pflicht,
dem Behandler sehmi Namen, Stand, die Art der Krankheit und dergleichen
118 Der vorttnilge Entwurf einee Gtoeetses betreffend die Ansttbiing der
§ 8. Den Im § 1 Abe. 1 beieiohneten Penonen ist bei der Anaftbiug
ihre! Gewerbebetriebs rerboten:
nn Menschen and Tieren:
a) eine Behandlung, die nidit auf Grund eigener Untersuchung des su
Behandelnden erfolgt (Fembehandlung);
an Menschen:
b) die Behandlung Ton Tripper, Schanker, STphilis;
c) die Behandlung unter Anwendung Ton Betäubungsmitteln, die über
den Ort der Anwendung hinaus wirken;
d) die Behandlung mittels Hypnose;
e) die Behandlung mittels mystischer Verfahren.
Durch Beschluß des Bandesrats kann die Anwendung der unter c bis e
genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die Anwmidnng anderer als der
unter o bis e genannten Verfahren bei Menschen und Tieren untersagt werden.
Behandelt einer der im § 1 Abs. 1 beseichneten Gewerbetreibenden eine
Person an einer gemeingefährlichen Krankheit (Beichsgesetz, betreffend die Be¬
kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, Tom 80. Juni 1900 — B.-G.-BL
rar Eintragung in die Bftcher anrageben, ihn daTon abhalten, sich in die Be¬
handlung eines Kurpfuschers su begeben, so würde damit nur den Absichten
des Gesetzes entsprochen.
Die Polizeibehörde kann nach ihrem Ermessen die Vorlegung der Bücher
in ihrem Bureau oder in den Geschäftsräumen der Kurpfuscher terlangen.
Zu § 8. Der | 8 verbietet, wie oben erwähnt, den in § 1 Abs. 1 be¬
seichneten Personen ue Behandlung gewisser Krankheiten und ^e Anwendung
bestimmter Behandlungsarten. Gewisse Gebiete, auf denen die AusübiuK der
Heilkunde durch nicht approbierte Personen sich als besonders schädlich er¬
wiesen hat, sollen deren wirkuogskreise gänzlich entzogen werden.
Dahin gehört in erster Linie die sogenannte Fembehandlung, eine Be¬
handlung, die erfolgt, ohne daß vorher der Behandler selbst an der Person
des zu Behandelnden eine Untersuchung vorgenommen hat. Dagegen ist die
gelegentliche briefUche Beratung einer Person wegen einer Krankheit, eines
Leidens oder eines KOrperschadens, wegen deren sie bereits von dem Behandler
körperlich untersucht ist, nicht als Fembehandlung anzusprechen.
Die Fembehandlung hat sich zu einem umfangreichen Geschäftsbetrieb
ausgewachsen und bildet, wie zahlreiche Prozesse der Neuzeit erkennen lassen,
dadurch sowie durch das schwindelhaft betriebene Boklamewesen einen Gegen¬
stand nicht nur erheblicher, gesundheitlicher, sondern auch vermOgensrecht-
licher Schädigung größerer Volkskreise. Der Erfolg einer Heilbehandlung ist
in erster Linie bedingt durch eine richtig gestellte Diagnose. Diese kann meist
aber nur auf Grund einer ebgebenden körperlichen Untersuchung gestellt
werden. Bei der Fembehandlung fällt aber die persönliche Untersuchung fort.
Damit erschwert sich auch die Diagnose, die nicht eigentlich der Kranken-
behandler, sondern vielmehr der Kranke selbst oder einer seiner Angehörigen
oder gar ein fernstehender Dritter zu stellen pflegt. Demgemäß erfolgt auch
die Behandlung auf Grund von Angaben oder Symptomen, die völlig unsicher
sind und auch von dem Behandelnden auf ihre Zuverlässigkeit und Bichtigkeit
nicht nachgeprüft werden können. Es bedarf keiner Erörterung, welche Ge¬
fahren und Schäden für den Einzelnen und die Gesamtheit eine solche Fera-
behandlung ün Gefolge hat, zumal der Behandelnde auswärtigen Kunden
gegenüber seinen Nimbus besser wahren hann, und anderseits den Behörden
die Kontrolle über die den auswärtigen Kunden zugefügten Schädigungen
äußerst erschwert wird.
Das Verbot betrifft nur die im § 1 Abs. 1 bezeichneten Personen, bezieht
sich also nicht auf die approbierten Aerzte. Für diese bedurfte es einer be¬
sonderen Vorschrift nicht, da das Verbot tatsächlich schon insoweit besteht,
als die ärztliche Standessitte die briefliche Fembehandlung nur ganz aus¬
nahmsweise zuläßt und als etwa sich zeigenden Mißständen meist im Diszi-
Heillnude dareh nicht approUerte Penoneo a. dm GehdmmittalTeriiehr. 119
8. 806 —) oder an einer Niehen ftbertragbarm Krankheit, heittglieh derm
dueh Laadeireeht dne Anieigepflieht eingeftthrt ist, oder ein Tier an etner
der Anseigepflieht unterliegenden ttbertragbarm Seuche, w kann die PoUsei-
behOrde die wdtere Behandlung untersagen.
pUnarwege wird entgegengetreten werden kOnnm. Zu dm Tom § 1 nicht ge-
troffmm Personm gehOrm audi die Heilgehilfen, Bader, Hebammen usw., km
alle diejenigen Personen, die im Besitz eines Prflfungszeugnisses sind und
innerhalb der dadurch gegebenm Befugnisse der HeUbehmdlung sieh widmm;
sie unterstehm daher dem Verbote des g 8 nicht. Fftr diese Personm er>
scheint es zweckmäßiger, etwaige entsprechmde Vorschriftm der Landes’
gesetzgebung zu Überlassen, da ue Begelnng ihres Gesdiäfts^triebs ohnel^
meist schon Imdesgesetziich erfolgt ist.
Auf keinem Gebiet entfalten die Kurpfuscher eine solche Tätigkeit, wie
auf dem der Geschlechtskrmkheiten, der sogmannten geheimen Leiden. Sie
gehen dabei von der richtigen Annahme aus, daß viele Leidende, besonders
In kleinm Städtm aus falscher Scham sich scheuen, den Arzt aufzusuchm
und dann geneigt sind, sich m einen Kurpfuscher zu wendm. Dabei wird es
dm Leidenden leicht, die Adressen solcher Pfuscher in großer Zahl, ansgestattet
mit sicheren Ekfolgaverheißungen, aus den Tageszeitungen zu ersehen. Dieses
Femhalten ärztlicher Hilfe, wie es systematisch gerade von dm Kurpfuschern
betrieben wird, ist bei der Behandlung geschlechtlicher Erkrmkungen von
f roßer Bedeutung. Im Anfänge schlecht behandelte Geschlechtskrmkheiteu
abm oft schwere, nicht wieder gntzumachende Folgen. Zudem bleibt jeder
Geschlechtskranke, je länger er unbehandelt ist oder falsch behandelt wird,
um so länger eine Infektionsquelle und damit eine Gefahr für die Allgemeinheit.
Bei der Verbreitung, welche die Geschlechtskrankheiten auch ln Deutschlmd
gefunden haben, und bei ihrer Vererblichkeit und Uebertragbarkeit hmdelt es
sich dabei um keineswegs geringe Gefahren. Die von den Kurpfuschern gegm
Geschlechtskrankheiten mgewendeten Mittel sind dabei erfahrungsgemäß hänflg
trotz schwindelhaft hoher Preise gänzlich wertlos, zum Teil gesnndheitsschätL
lieh, ja sogar lebensgefährlich. Im Interesse der Gesundheit des Volkes ist
es daher gebotm, die Behandlung der Geschlechtskrankheiten ausschließlich
dm Aerztm zu Überlassen, d. h. sie nicht nur dm sogenannten Kurpfuschern
im mgeren Sinne, sondern auch allen nicht approbierten Personen zu verbietm.
Die Geschlechtskrankheiten, deren Behmdlung dem Knrverbote zu unter*
ntellm sind, sind, um Zweifel auszuschließen, einzeln aufgefährt. Es sind die*
selbm, weiche das Preußische Gesetz zur Bekämpfung ttbertragbarer Krank*
heltm vom 28. Aug^nst 1905 zum Gegenstand bestimmter Vorschriften macht.
Die Verbote unter c und d rechtfertigen sich mit Bttcksicht auf die
Gefährlichkeit der dort mgegebenm Behandlungsarten in der Hmd von un¬
kundigen und mit der Wirkung auf den Organismus nicht vertrautm Personm.
Nach Ziffer c soU nicht nur eine allgemeine Betäubung der Sinne (Narkose),
sondern auch die Betäubung nur eines Sinnes, nämlich des Tastsinns, bezOglich
des Schmerzgefühls verboten sein. Der Entwurf will die in neuerer Zeit mehr¬
fach in Anwendung kommenden Betäubungsmittel, wie z. B. die Einspritzungen
in den Bttckenmarkskanal, treffen, die nur ebe teilweise Dnempflndlicbkeit des
K&rpers hervorrufen. Dagegen soll von dem Verbote freibleiben eine Schmerz-
betäubung, die eine Wirkung ttber den Ort der Anwendung hinaus auf das
Zmtralnervensystem nicht ansübt. Ziffer d schließt die in der Hand von Laien
schwer schädlich wirkmde Hypnose aus, während das Verbot unter e die Be¬
handlung mit allerlei mystischem Schwindel (Behandlung durch Handauflegm,
Besprechm und dergl.) treffm soll, wobei fast stets betrügerische Zwecke ver¬
folgt werden.
Der Abs. 2 trifft Vorsorge, daß, wenn im Laufe der Zeit noch andere
Behandlungsarten von gleicher Gefährlichkeit oder Schädlichkeit usw. zur An-
wmdung kommm sollten, auch diese, ohne Gesetzesändemng von dem Verbote
getroffen werdm kSnnm.
Dm Interessm der Landwirtschaft genügt es zurzeit, wenn nur die Be¬
stimmung des Abs. 1 unter a auf die Tiere erstreckt, also die Fembehandlung
von Tieren verbotm wird. Dagegm erschien es angezeigt, im Abs. 2 die Aus¬
dehnung des Verbots der Anwendung der unter c, d und e genannten oder
120 Dor Torl&nflge Entwarf eines Geseties betreffend die Aostlbang der
§ 4. Den im § 1 Abi. 1 beieiehneten Personen ist der (Gewerbebetrieb
zu ontersagen, wenn Tatsachen Torliegeny welche die Annahme begründen, daß
durch die Aasttbang des Gewerbes das Leben der behandelten Menschen oder
Tiere gefährdet oder deren Gesundheit geschädigt oder daß Kunden schwin¬
delhaft ausgebeutet werden.
Der Betrieb kann untersagt werden, wenn der Gewerbetrdbende wegen
einer strafbaren Handlang, die mit der Ausübung des Gewerbes in Verbindung
steht, rechtskräftig verurteilt ist, bei Uebertretungen jedoch nur im Falle
wiederholter Verurteilung.
Der Betrieb kann auch dann untersagt werden, wenn dem Gewerbe-
auch noch anderer Verfahren (Heilmethoden) auf die Behandlung von Tieren
durch den Bandesrat voraubehalten, damit einem später etwa nach dieser
Bichtang hervortretenden Bedürfnis ohne Gesetsesändemng Genüge ge-
scheW kann.
Während die im Abs. 1 vorgesehenen Behandlungsarten durch das Gesetz
unmittelbar verboten sind, soll bei den im Abs. 3 vorgesehenen Krankheiten
die Behandlung im Einzelfalle durch die PeUzeibehOrde untersagt werden
können. Zu den in Betracht kommenden Krankheiten gehören einmal die in
dem Beichsgesetze vom 80. Juni 1900 (Beiohs - GesetzbL S. 806) auf geführten
Krankheiten: Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken, ferner
die im Viehseuchengesetze bezeichneten, der Anzeigepflicht unterliegenden
übertragbaren Seuchen und sodann auch die übertragbaren Krankheiten, be¬
züglich deren landesrechtlich eine Anzeigepflicht vorgeschrieben ist, für Preußm
nach dem Gesetze vom 28. August 1905, oetreffend Bekämpfung übertragbarer
Krankheiten (Gesetzsamml. 8. 873), Diphtherie, Genickstarre, KindbetUieber,
KOmerkrankheit, Bückfallfieber, Bahr, Scharlach, Typhus, Milzbrand, Botz,
Tollwut, Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung und Trichinose.
Zu § 4. Während das Verbot d®s § 3 sich auf die Behandlung gewisser
einzelner Rankheiten oder auf bestimmte Behandlungsarten bezieht, sieht § 4
die Untersagung des ganzen Betriebs vor, die unter den Voraussetzungen des
Abs. 1 verfügt werden muß, in den Fällen der Abs. 2 und 8 aber verfügt
werden kann. Der § 4 ist dem § 86 der Gewerbeordnung nachgebildet, der
insbesondere im Abs. 4 vorschreibt, daß der Handel mit Drogen und chemischen
Präparaten, welche zu Heilzwecken dienen, zu untersagen ist, wenn die Hand¬
habung des Gewerbebetriebes Leben und Gesundheit von Menschen gefährdet.
Indessen ist es zweckmäßig erschienen, eine Abschwächung dahin eintreten zu
lassen, daß nicht eine Gefährdung, sondern ebe 8chädigang der Gesundheit
mit dem Gewerbebetriebe verbanden seb muß. Die obligatorische Untersagung
des Gewerbebetriebs soll nach Abs. 1 des Entwurfs auch ebtreten, wenn Tat¬
sachen dafür vorliegen, daß Kunden schwindelhaft aasgebeutet werden. Wann
ebe solche Ausbentang gegeben ist, kann nnr im Ebzelfall entschieden werden.
An^tspunkte für die Beantwortung der Frage werden die Eintragungen b
den Geschäftsbüchern ergeben. Eine Ausbentang wird meistens bei unerfahrenen
oder urteUslosen Personen b Frage kommen und ebe Benachteiligong oder
Schädigung der betreffenden Person zur Voraossetzong haben. Weiterhb
wird sher noch erfordert, daß die Aosbeatang verarsacht bt durch eb Ver¬
halten des Betriebsbhaben, das ^emebhb als schwbdelhaft bezeichnet zu
werden pflegt, ohne daß darauf die Tatbestandsmerkmale des Betrags zuzu-
treffen brauchen.
8trafbare Handlangen, die mit der Ausübung des Gewerbes b Verbbdung
stehen (Abs. 2) sbd nicht ausschließlich solche Handlungen, die b den §§ 6,
7, 8, 9, 10, 18 unter 8trafe gestellt sbd.
Bei Verbrechen und Vergehen genügt die einmalige Verurteilung für die
Untersagung des Betriebs, wuirend bei Uebertretungen nur ebe wieuerholte
Verurteilung solche Folge nach sich ziehen kann.
Mit der Vorschrift im Abs. 3 folgt der Entwarf dem § 68, Abs. 1 der
Gewerbeordnung. Der Abs. 4 schließt sich dem Abs. 6 des § 36 der Gewerbe¬
ordnung, die im Abs. 6 vorgesehene Begelung der Bechtsmittel gegen den
Heilkaoda dareh nieht »pproblerte PecMsen xl. dan Qeheimmittalferkebr. 121
tralbenden wegen eines nicht unter Abs. 2 feilenden Verbrechens oder Ver¬
gehens die bttrgerllchea Ehrenrechte aberkennt aind, jedoch nicht über die
Dauer des Ehnrerinstee hinaus.
Ist die üntersagung erfolgt, so kann die Landes-ZentraibehSrde oder
eine andere Ton ihr zu bestimmende Behörde die Wiederaufnahme des Gewerbe¬
betriebes gestatten, soweit seit üntersagung mindestens ein Jahr yerflossen ist.
Der Bescheid, der die Untersagung ansspricht, kann im Wege des Be-
knrses gemifi §§ 20, 21 der Gewerbeordnung angefochten werden.
Die Landesregierungen können bestimmen, daß die Anfechtung im Ver-
waltnngsstreityerfahren zu erfolgen hat Die Einlegung Ton Beohtsmitteln
hat keine au&chiebende Wirkung.
§ 5. Durch Beschluß des Bnndesrats kann der Verkehr mit einzelaea
Mitteln oder Gegenstinden, die zur Verhütung, Lbdemng oder Heilung ?on
Krankheiten, Leiden oder Eörperschäden der Menschen oder Tiere dienen sollen,
beschränkt oder untersagt werden, wenn von deren Anwendung eine Schädigung
der Gesundheit zu befürchten ist oder wenn sie in einer auf Täuschung oder
Ausbeutung der Abnehmer abzielenden Weise yertrieben werden.
Soweit der Bundesrat den Verkehr mit einzelnen Gegenständen oder
Mitteln untersagt hat (Abs. 1), ist deren Einfuhr yerboten.
Zur Mitwirkung bei Ausübung der dem Bundesrate nach Abs. 1 anste¬
henden Befugnis wird bei dem Kaiserlichen Gesundheitsamt eine Kommissiop
gebildet. Die Kommission besteht ans Beamten, welche die Befähigung zum
Bichtoramt oder zum höheren Verwaltungsdienste besitzen, und ans Sachyer-
stindigen ans dem Gebiete der Medizin, der Tierheilkunde und der Pharmazie.
Die Mitglieder werden yom Beichskanzler ernannt. Dieser ernennt auch den
Vorsitzenden und dessen Stellyertreter aus der Zahl der Mitglieder. Die Er¬
nennung der Sachyerständigen erfolgt auf die Dauer yon fünf Jahren.
Vor der Beschlußfassung des Bnndesrats hat die Kommission sich gut¬
achtlich darüber zu äußern, ob eine Beschränkung oder Untersagung des Ver-
Untersagungsbescheid dem Artikel 4 des Gesetzes, betreffend die Abänderung
der Gewerbeordnung yom 7. Januar 1907 (Beichs-Gesetzbl. 8.8), an.
Zn I 6. Die Bestimmungen des § 5 bezwecken die Bwämpfung des
Oeheimmittelunwesens und zwar in der Bichtnng, daß der Verkehr mit be¬
stimmten Gegenständen oder Mitteln soll untersagt oder beschränkt werden
können. Die zurzeit bestehenden Folizeiyerordnungen usw. lehnen sich wesent¬
lich an die in den Bundesratsbeschlüssen yom 23. Mai 1903 und yom 27. Juni
1907 aufgestellten Normativbestimmungen an.
Die einzelnen Polizeirerordnungen beschränken sich jedoch darauf, das
Öffentliche Ankündigen und Anpreisen zu untersagen. Diese Beschränkung war
lediglich deshalb geboten, weil es für das an sich durchaus berechtigte und
den öffentlichen Interessen entsprechende Verkehrsyerbot an einer ausreichenden
gesetzlichen Grundlage fehlte, wcdche nunmehr durch die Vorschrift des Ent¬
wurfs geschaffen werden soll.
Die Formulierung der Voraussetzungen, unter denen das Verkehrsyerbot
oder die Verkehrsbeschränkung ausgesprochen werden kann, läßt erkennen,
daß die Geheimhaltung der Zusammensetzung der Bestandteile der Mittel
keineswegs eine notwendige Voraussetzung bildet. Wenn daher in der Ueber-
nchrift des Gesetzes und in der Begründung — nicht im Texte des Gesetzes —
TM Geheimmitteln die Bede ist, so beruht dies, wie bereits im Allgemeinen
Tdl der Begründung erwähnt ist, darauf, daß der Ausdruck Geheimmittel im
Sprachgebrauch ein technischer geworden ist, der für die im Abs. 1 des § 5
yorgesehenen Mittel angewendet zu werden pflegt. In Betracht kommen solche
Gegenstände und Mittd, die sowohl zur Verhütung, wie auch zur Linderung
oder Heilung yon Krankheiten, Leiden oder Körperschäden an Menschen oder
182 D«r Torlinflg« Entwurf eines Gieseties betreffend die Anstbong der
kehrs geboten seL Die Konmission besehliefit in der Znsnmmensetsnng tob
fttnf mtgliedem, unter denen mindestens drei Sschrerständige sein mttssen.
Die Kommission bst dem Verfertiger oder anderen Beteiligten, soweit
dies ausftthrbsr ist, sur Wahrung ihrer Interessen Gelegenheit su geben.
Im Übrigen wird die Einrichtung der KommissiOB und das Verfahren
Tor derselben durch den Bandesrat geregelt.
g 6. Mit Gef&ngnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu drei«
tausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer in öffentlieben
Ankttadigungen oder Anpreisungen, welche die Verhfltung, Linderung oder
Heilang Ton Krankheiten, Leiden oder KSrpersch&den der Menschen und Tiere
zum Gegenstände haben, wissentlich unwahre Angaben macht, die geeignet
sind, Tiaschnngen Aber den Wert oder Erfolg der angekttndigten oder ange-
Tieren dienen sollen. Von dem Verbote des § 5 scheiden ans alle Mittel nsw.,
die nur als Desinfektionsmittel, kosmetische Mittel, Nahrungs* und Qennfimittel
als Krkftigungsmittel und dergleichen angeboten werden.
Die EntschUefiunu Aber die Verkehrsbeschrinkungen ist dem Bandesrat
Abertragen, der yon Fall zu Fall zu urttfen hat, ob bei einzelnen Gegenständen
die Voraussetzungen fttr eine Verkebrsbeschränkung oder für ein Verkehrs-
yerbot gegeben sind, und dann entscheiden muß, wieweit in der Beschränkung
-der einzelnen Gegenstände usw. zu gehen ist, ob der Vertrieb nur in bestimmten
UmhAllangea oder Gefäßen, mit bestimmten Aufschriften oder Warnungen usw.
gestattet, oder ob er auf bestimmte Zeit, oder ganz und auf Dauer zu unter¬
sagen ist Die GrAnde dafAr, daß der Bandesrat gehalten wird, vor seiner
Entschließung die gutachtliche Aeußerung einer beim Kaiserlicben Gesundheits-
amte zu bildenden technischen Kommission einzuholen, sind oben bereits dar¬
gelegt. Der Kommission sollen außer richterlichen bezw. Verwaitungsbeamten
auch Sachyerständige der Medizin, der Pharmazie und der Tierheilkunde an-
S ehOren. Soweit sich bei der Erörterung Aber einzelne Mittel usw. das Bo>
Arfnis ergibt, andere Sachyerständige, z. B. des Handels, der cbemisehen
Industrie oder dergleichen zuzuziehen, kann dies im Wege der Anhörung durch
die Kommission geschehen.
Der Entwarf beschränkt sieh darauf. Aber die Zusammensetzung der
Komnüssion, über die Ernensung bezw. Berufung ihrer Mitglieder, sowie Aber
ihre Aufgaben nur einige allgemeine Bestimmungen zu geben. Im Abrigen ist
die nähere Ausgestaltung der Einrichtung der Kommission, sowie des Verfahrens
yon ihr dem Bandesrat Überlassen.
Die Beschlösse des Bandesrats sind öffentlich bekannt zu machen und
werden in ihrer Zusammensetzung ein den jetzigen Geheimmittellisten ähn¬
liches Verzeichnis bilden, das mit Böcksiebt auf die Vorschrift im § 10 för
Gewerbetreibende, för Zeitungsredakteure nsw. von erheblichem Interesse ist.
Zu den ^anderen Beteiligten* des Abs. 5 gehören diejenigen, die, ohne
Verfertiger zu sein, die Mittel oder Gegenstände vertreiben oder den Verkehr,
besonders bei im Aaslande hergestellten Mitteln usw., im lalande vermitteln.
Daß för diejenigen Gegenstände und Mittel, deren Vertrieb der Bandes¬
rat im Inlande verboten bat, auch die Einfuhr vom Auslände gesetzlich ver¬
boten wird, ist dringend wünschenswert. In diesem Falle können bereits die
Zoll- und Steuerbehörden zur Fcrnhaltung der verbotenen Waren beitragen.
Zu § ß. Mit § 6 heben die Strafbestimmungen an, die die Durchlöhrung
der Vorschriften des Gesetzes und seiner Zwecke sichern sollen, und zwar »t-
halten die §§ 6, 7 und 8 die gegen das schwindelhafte Beklamewesen gerich¬
teten Bestimmungen.
Aus zahlreichen Prozessen ist, wie bereits oben erwähnt, bekannt ge¬
worden, daß för Beklameswecke außerordentlich hohe Summen ausgegeben
werden. Der in Bede stehende Geschäftsbetrieb muß daher ein sehr gewinn¬
bringender sein. Auch stehen die angekUndigten oder angepriesenen Mitte],
Gegenstände oder Verfahren sehr hoch im Preise. Die Absicht des Gesetzes
ist deshalb nur durch Androhung empfindlicher Geld- und Freiheitsstrafen zu
Hdlkude dmreh afeht Approbierte PenoBen a. den GehebniDittelTerkebr. 128
prieMBOi Mittel, Qegeutftade oder Yerfiüireii berroisiiruleii. Deeielbe güt,
wen Mlehe winentlicb rmwAhrea AagBben gOBUtebt werden in bong auf die
PetBOB dee Verfertigers oder Urbebers oder über die die VerSifeBtliebiiBg rer«
BnlBBsende PersoB oder die Erfolge eioer dieser PersoBOB.
I 7. Hit Qef&Bgnis bis su secbs MonstSB und mit Geldstrafe bis an «hi-
taaaeadffiBfbuBdert Mark oder mit einer tob diesen Strafen wird bestraft,
1. wer sieb in öffeatlieben AnkOndigungen oder Anpreisungen sur Fembo>
bandlung (f 8 lit a) erbietet;
2. war Offentlicb ankftndigt oder anprdst
Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die .Bur Verbtttung, Linderung oder
errdehen. Niedrige Geldstrafen würden sieb durch den ans dem yerbotswldiigen
Geschäftsbetrieb erzielten Gewinne reieblicb beosahlt machen und daher ilem*
lieb wirkungslos seien. Ans diesen Gründen sind in den §§ 6 bis 7 hohe
Strafen in Vorschlag gebracht.
Die StrafTorsebrift des § 6 wendet sich gegen alle diejenigen, welche
in Öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen bestimmter Art wissentlich
unwahre Angaben machen, die geeignet sind, gewisse Täusebungen herTorsu«
rufen. Das Aufstellen solcher wissentlich falschen Behauptungen grenzt an
Betrug. Die Strafandrohung richtet sich daher auch nicht nur gegen die
Gewenmtreibenden der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art. Der Gegenstand der
Öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen ist im Entwürfe der Vorschrift
im § 6 entsprechend begrenzt. l3ie unwahren Tatsachen brauchen keine
Täuschungen tatsächlich heivorgerufen zu haben, es genügt die Feststellung,
daft sie solche herrorbringen können. Die Täusennngon kOnnen sich beziehen
auf die Person des Verfertigers, oder was für die angekündigten Verfahren
besonders in Betracht kommL auf die Person des Urhebers, ferner auf den
Wert oder den Erfolg der Mittel usw., sodann aber auch auf die die Ver>
Offentlichung veranlassende Person beziehunftsweise deren Erfolge. Durch
diese Ausdrucksweise soll der Strafrorschrift eine mOgUchst weite Wirkung
beigelegt werden. Es soll die in neuerer Zeit yiclfach in Aufnahme gekommene
Art der Beklame getroffen werden, wonach in Zeitungen, Volkskalendem,
illustrierten Blättern usw. Schreiben zum Abdrucke gelangen, in denen bestimmt
bezeichnete Personen den Erfindern oder Herstellern von Heilmitteln, Gegen*
ständen usw. den durch den Gebrauch derselben erzielten glänzenden Erfolg
mit Dankesworten bestätigen, während die Schreiben jeder tatsächlichen Grund¬
lage entbehren und meist von den Herstellern der betreffenden Mittel selbst
oder in ihrem Aufträge ron unzurerlassigon Personen gefertigt und größten¬
teils mit erdichteten Namen, besonders solcher Personen versehen sind, die
durch ihre Stellung oder ihr Amt in den Volkskreisen für glaubwürdig gelten.
Io diesen Fällen ist die VerOffentltcbung auf die Geheimmittelfabrikanten su-
rücksuführea, von ihnen veranlaßt, und es scheint geboten, sie dafür zur Ver¬
antwortung zu ziehen, zumal die Erfahrung gelehrt hat, daß gerade solche
Täuschungen dne erhebliche Irreführung weiter Kreise des Publikums ver¬
ursachen.
Täuschungen über den Wert kOnnen vorliegen, wenn z. B. der Preis
in keinem Verhältnisse zu den Herstellungekosten steht oder wenn dieser ab-
siehdich nicht angegeben wird.
Der Unterschied zwischen Ankündigen und Anpreisen ist ein gradweiser.
Wann das Ankündigen in ein Anpreisen ^marktschreierische Empfehlung) über¬
geht, kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalls entschieden werden.
Zn I 7. Die Bestimmung dient ebenfalls der Bekämpfung der Beklame»
Unter Nr. 1 wird das Erbieten zur Fembehandluog (vgl. § 8 Abs. 1 unter a)
für jedermann mit Strafe bedroht, während das Erbieten zu den übrigen im
S 8 verbotenen Behandlungsarten (b bis e) im § 8 Abs. 1 Nr. 2 nur für die
im § 1 Abs. 1 bezeichneten Gewerbetreibenden unter Strafe gestellt ist. Die
beabsiebtigte Folge u. a, daß das Öffentliche Erbieten zur Fembehandlnng
auch seitens approbierter Arzte strafbar ist, während die Fcrnbehaltung selbst
ihnen nicht unbedingt verboten, sondern gegebenenfalls dor Ahndung im ohren-
geiichtUcben Verfahren überlsMon ist.
124 ' Dar Torllaflge Entwarf einaa OaBatoes betreffend die ^oaftbong der
Heilnng yon OeeeUechtskrankheiten, nur Behebung geschleehtUeher
Schwitze oder zur Heryorrnfong geschleditllehn Erregung, sowie znr
Verhtttung der Empfängnis oder zur Beseitigung der Schwangersebnft
dienen sollen;
8. wer Öffentlich ankttndigt oder anpreist
Mittel, Oegenstinde oder Verfahren, die zur Verhtttung, Linderung oder
Heilung yon Krankheiten, Leiden oder KOrpersehiden der Menschen oder
Tiere dienen sollen, sofern die Bestandtdle oder die wesentliche Art
des Verfahrens bei der Ankttndigung oder Anpreisung geheim gehalten
oder yerschleiert werden.
Die Vorschriften unter Nr. 2 und 8 finden keine Anwendung, soweit die
Ankttndigung oder Anpreisung in ärztlichen, tierärztlichen oder pharmazeu¬
tischen Fachschriften erfolgt
§ 8. Hit der gleichen Strafe (§ 7) werden bestraft Gewerbetreibende
der in § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, die
Mit der Vorschrift in Nr 2 folrt der Entwarf Bestimmungen, wie sie
teilweise schon in einzelnen landesrechtiiehen Verordnungen enthalten sind.
Nr. 8 stellt die Ankttndigung yon Geheimmitteln im engeren Sinne, d. h.
Mitteln usw., bei denen die Bestandteile oder die Gewichtsmengen geheimge¬
halten oder yerschleiert werden, und yon Geheimyerfahren unter die im § 7
yorgesehene schwerere Vergehensstrafe, während die Ankttndigung der sonstigen
sogenannten Geheimmittel, deren Ankttndigung nach § 5 des Entwurf yer-
boten ist, durch § 10 nur mit der üebertretungsstrafe bedroht wird.
Boi Geheimyerfahren kann fttglich yon Bestandteilen oder einer Zn-
sammensetzungsart in dem Sinne, den diese Begriffe bei Mitteln und Gegen¬
ständen haben, nicht die Bede sein. Auch ist es nicht leicht, z. B. bei An¬
preisung des Kaltwasseryerfahrens oder des orthopädischen Verfahrens alle
möglichen in Betracht kommenden Arten des Verfahrens anzugeben. Immerhin
muß ans sanitären Grttnden yerlangt werden, daß wenigstens im wesentlichen
die Art des Verfahrens angegeben wird. Denn erfahrungsgemäß wird häufig
die Ankttndigung eines Verfahrens, einer Kur, als Deckmantel fttr den Ver¬
trieb eines Arzneimittels benutzt.
Neben der Angabe der Bestandteile oder der Gewichtsmengen wird eine
Erklärung oder Erläuterung der Zubereitungsart nicht gefordert werden kOnnen.
Auch wird ein Mittel der ünterstellung unter die yorliegende Strafyorschrift
nicht schon dadurch entzogen, daß der Hersteller auf besonderes Ansuchen die
Zusammensetzung jedermann richtig bekannt gibt, bei der Anpreisung sie aber
yerheimlicht. Ein Geheimhalten oder Verschleiern hat nicht znr Voraussetzung,
daß die Zusammensetzung oder die tatsächlich oder angeblich wirksamen Ein¬
zelbestandteile fttr jederman geheimgebalten werden, es genttgt yielmehr, wenn
das kaufende Publikum ttber wesentliche Eigenschaften eines Mittels in ebem
gewissen Dunkel gehalten oder in einen irnttmUchen Glauben an eine im be¬
sonderen Maße yorbandene geheimnisrolle Heilkraft versetzt wird.
Die Nr. 8 setzt ebenso wie die Nr. 1 und 2 ein yorsätzliches Handeln
yoiaus. Ein fahrlässiges Verhalten unterliegt nicht der Strafyorschrift.
Fttr die Zwecke des Entwurfs ist es nicht erforderlich, das Verbot der
Nr. 2 und 8 auch auf die Ankttndigung in ärztlichen, tierärztlichen und phar¬
mazeutischen Fachschriften anszudebnen. Derartige Schriften haben nur einen
bescbänkten Leserkreis, so daß eine Schädigung des Publikums ans Anzeigen
in diesen Schriften nicht zu befürchten ist. Anderseits erscheint es zwew-
mäßig, die Möglichkeit offen zu lassen, daß die Angekttndigten oder ange-
priesenen Mittel und Gegenstände usw. in Fachkreisen bekannt werden, damit
sie von Sachverständigen dieser Kreise geprüft und untersucht werden kOnnen.
Eine ähnliche Bestimmung befindet sich bereits in dem Großherzoglieh
Badischen Gesetze vom 20. August 1904, betreffend Abänderung des PoUzei-
Strafgesetzbuchs.
Zu I 8. Wie die Verbote im § 8, so richten sich auch die Strafbe-
HeOkoade darch Bieht approbierte Peraoneo o. dea GeheimmittelTerkehr. 126
1. Toisitilich dea Yorschriftea des § 8 Abs. 1 oder einer gemäß § 8 Abs. 2,
8 oder § 4 ergangenen Untersagung suwiderbandeln;
2. TorsäUlicb sieb an den nach § 3 Abs. 1 unter b, c, d und e oder nach
§ 3 Abs. 1 verbotenen Handlungen in Mfentlicbei^ Ankflndigungen oder
Anpreisungen erbieten.
Ist eine der unter 1 beaeichneten Handlungen ans Fahrlässigkeit be>
begangen, so tritt Gefängnisstrafe bis au drei Monaten und Geldstrafe bis au
sechshundert Mark oder eine dieser Strafen ein.
§ 9. Mit Geldstrafe bis au einhundertfttnfzig Mark oder mit Haft wird
bestraft, wer gegen Entgelt Menschen oder Tiere wegen einer Krankheit, eines
TjOidens oder ebes EOrpersehadens behandelt, ohne daau staatlich anerkannt
au sein und ohne eine entsprechende Anaeige nach § 1 erstattet au haben.
Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Behandlung wegen
Gefahr im Veraug ftbemommen und nur so lange fortgeffihrt worden ist, bis
Hilfe von einer staatlich anerkannten Person geleistet werden koi3te.
Ist die Behandlung eine solche, die den im § 1 Abs. 1 beaeichneten Ge.
werbetreibenden nach § 4 verboten ist, so kann neben der Strafe auf Einaie-
hnng der aur Behandlung gebrauchten oder daau bestimmten Gegenstände
erkannt werden, sofern sie dem Täter oder Teilnehmer gehSren.
•timmungen des § 8 lediglich gegen die Gewerbetreibenden der im § 1 Abs. 1
beaeiehneten Art.
Unter Nr. des Abs. 1 wird das Zuwiderhaadeln gegen die Verbote des
I 8, unter Nr. 2 das öffentliche Erbieten au den daselbst verbotenen Hand*
langen — mit Ausnahme der bereits im § 7 Abs. 1 Nr. 1 erledigten Ferabe*
handlnng — unter Strafe gestellt.
Abs. 2 sieht auch — geringer bemessene — Strafe gegen fahrlässige
Handlungen der im Abs. 1 beaeichneten Art vor.
Wird das öffentliche Erbieten au den Behandlungsarten unter lit. c, d
und e des § 3 mit Strafe belegt, so muß folgeweise ein Gleiches geschehen
beafiglich der Verbote, welche der Bundesrat gemäß Abs. 2 des § 8 erläßt,
da diMe Verbote den gesetzlichen unter lit. o bis e gleichstehen.
Zu I 9. § 9 enthält eine Sondervorschrift, die einmal die Handhabe
bieten soll, der gelegentlichen Kurpfuscherei entgegensutreten und die sodann
audi da Plata greifen soll, wo sich die Gewerbsmäßigkeit nicht nachweisen
läßt. Der Entwurf würde eine Lücke enthalten und es würde eine starke
Vermehrung dieser Art von Kurpfuschern au besorgen sein, wenn sie völlig
straflos ihre Beschäftigung nachgehen könnten. Immerhin ist eine niedrigere
teafe für ausreiehead erachtet. Der Strafvorschrift des § 9 werden in der
^gel, abgesehen von Ausnahmen (z. B. es behandelt ein Tierkurpfuscher, der
dies Gewerbe angezeigt hat, gelegentlich Menschen), die im § 1 Abs. 1 be¬
nannten Gewerbetreibenden und auch die approbierten Aerzte nicht unterliegen.
Durch die Ausnahme im Abs. '2 soll verhütet werden, daß in Notfällen,
wenn a 3. äratliche Hilfe aus besonderem Anlasse nicht oder nicht sofort au
kaben ist, ans Furcht vor einer etwa nachfolgenden Bestrafung eine an sich
nicht einfachgemäße Hilfe, z. B. Wiederbelebnn^versuche, Anlegung von Not¬
verbänden, Stillen von Blutungen nsw. unterbleibt.
Der Abs. 2 ist dem § 40 des Strafgesetzbuchs nachgebildet, der bestimmt,
daß Gegenstände, welche .... zur Begehung eines vorsätzlichen Verbrechens
oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, sofern sie dem Täter oder
einem Teilnebmer gehören, eingezogen werden können. Während danach bM
den in § 8 unter Nr. 1 vorgesehenen Zuwiderhandlungen gegen die Verbote
besw. Untersi^fungen des $ 3 des Entwurfs die Möglichkeit gegeben ist, die
Gegenstände, weloie zur Fembehandlung, von Geschlechtskrankheiten usw.
gebraucht oder dazu bestimmt sind, zur Einziehung zu bringen, soweit sie
dem Täter oder Teilnehmer gehören, ist dies bei einer Zuwiderhandlung nadi
$ 9, die sich nur als Uebertretung darstellt, nicht ohne weiteres der Fall.
126 0«r Torllnflg« EntwiiTl «Ibm GeietiM betteffead die Aeettbnag der
g 10. Mit Geldstrafe bis zu einhandertflUifzig Mark oder mit Haft wird
bestraft, wer Mittel oder Qegenstinde, die Tom Bondesrate gemlB g 5 dem
Verkehr entzogen oder VerkehrsbeschrSnlnuigen unterworfen wordmi sind, ent*
gegen diesen Anordnungen einfUhrt, leilhUt, zum Verkaufe yorritig hält oder
yerkauft oder sonst an andere Oberläßt oder Öffentlich ankOndigt oder anpreist.
Neben der Strafe kann auf Einziehung der yerbotswidrig eingefOhrten,
feilgehaltenen, zum Verkaufe yorrlthig gehaltenen Mittel oder Gegenstände
erkannt werden, sofern sie dem Täter oder einem Teiinehmer gehören.
§ 11. Ist in den Fällen der §§ 6 und 10 die Verfolgung oder die Ver*
urteilong einer bestimmten Person nicht ausfflhrbar, so kann auf die Kinzie-
hnng selbständig erkannt werden.
g 12. Der Öffentlichen AnkOndigung oder Anpreisung im Sinne dieses
Gesetzes wird die Verbreitung yon Empfehlungen, Erfolgbestätigungen, gut-
aehtliehen Aeußemngen, Danksagungen und ähnlichen Mitteilungen in tinem
größeren Kreise yon Personen gleichgeachtet.
Es bedarf deshalb dner ausdrücklichen Bestimmung, um auch bei solchen Zu¬
widerhandlungen die erwünschte Einziehung zu ermöglichen.
Zu I 10. Die Vorschrift des § 10 soll den yom Bnndesrate gemäß g 6
yerfügten Verkehrsyerboten und Verkehrsbeschränkungen beziehungsweise dem
daselbst ausgesprochenen Einfuhryerbote die nötige Nachachtung yerschaffen.
Die Ausdrücke „feilhält, yerkauft oder sonst an andere überläßt“, finden sich
auch im § 867 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs. Im yorliegenden § 10 sind hinter
dem Worte „feilhält“ noch die Worte „zum Verkaufe yorrätig hält* eingefügt,
weil die Bechtsprechung yielfach unter „Feilhalten“ nur das Bereithalten zum
Verkauf an einer dem Publikum zu^nglichen zum Verkaufe bestinimtew
Stelle yerstanden hat, so daß also ein Händler als nicht straffällig angesehen
werden würde, wenn bei der Beyisioa oder Durchsuchung seines Geschäfts im
Keller oder in einem sonstigen dem Publikum nicht zugänglichen Nebenraum
ehi Mittel yorgefnnden wird, dessen Vertrieb der Bundesrat untersagt hat.
Dem will der Entwurf entgegentreten.
Auch hier bedarf es wie im § 9 einer besonderen Bestimmung, um die
yerbotswidrig eingefOhrten, die feilgehaltenen und die zum Verkaufe yorrätig
gdialtenen Mittel und Gegenstände einziehen zu können. Für die „yerkauften
oder an andere überlassenen“ Mittel und Gegenstände war jedoch die Zulassung
der Einziehung nicht auszusprechen, weil auch § 40 des Strafgesetzbuchs
eine Einziehung nur insoweit gestattet, als die Gegenstände usw. dem Täter
oder Teilnehmer noch gehören, und diese grundsätzliche Beschränkung nicht
zu yeranlassen sein wird.
Gemäß dem Zwecke des Entwurfs, der mit den Geheimmitteln usw. be*
triebmien Beklame nach Möglichkeit entgegenzutreten, bedroht der § 10
weiterhin auch das Öffentliche Ankündigen oder Anpreisen der hier fraglichen
Mittel und Gegenstände mit Strafe.
Zn I 11* Die Vorschrift des § 11 ist eine Folge der Zusätze zu den
§§ 9 und 10 (Abs. 8 daselbst). Es erschien geboten, entsprechend der Vor¬
schrift im I 42 des Beichs-Strafgesetzbuchs auch die Zulässigkeit des soge¬
nannten objektiyen Strafyerfahrens auszusprechen.
Zn I 12. Schon in der Begründung zu § 6 ist auf die Art der Beklame
hiogewiesen, die darin besteht, daß in Zeitungen und sonstigen Öffentlichen
Blättern yielfach Atteste und Danksagungen angeblich geheilter Personen,
gutachtliche Aenßerungen über die bei Anwendung der betreffenden Mittel
angeblich erzielten glänzenden Erfolge sich abgedmwt finden, ohne daß diese
Angaben tatsächlich begründet sind. Um etwaige Zweifel, auch in der Becht-
sprechung, zu beseitigeo, ist im Entwürfe besonders zum Ausdrucke gebracht,
dmß auch solche Anzeigen der Öffentlichen Ankündigung oder Anpreisung im
Sinne des Gesetzes glelohgeachtet sind und somit das Öffentliche AnkündigeB
und Anpreisea mit Stran bedroht ist, gd^iohlaUs den Strafbestimmungen
unterliegen.
HeOkude 4udi niokt ijwrokierte PertMen o. d«i Odialmnittalferkelir. 117
§ 18. Mit Gddftrafe bis ra dnkaDdertfflnlsig Mark oder mit Heft
werdee bestraft Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 besekkneten Art, die
1. die im § 1 Torgeschnebene Anseige nicht rechtseitig erstatten oder die
gemäß § 2 Abs. 1 von ihnen geforderte Anskonft Ober ihre persönlichen
Yerhiltnisse Terweigem oder nnriohtig erteilen;
2. die Gkschlftsbflcher, deren Ffihmng oder Anlbewahnug ihnen obliegt,
nicht oder nicht in der Tom Bandesrate yorgeschriebenen Weise oder
unrichtig führen oder rerheimlichen oder yernichten oder der zast&ndigen
Behörde aoi deren Verlangen nicht yorlegen.
§ 14. Welche Behörde in jedem Bandesstaate unter der Beseiohnang
Polizeibehörde zu yerstehen ist, wird yon der Zentralbehörde des Bondeostaats
bekannt gemacht.
§ 15. Die landesrechtliohen Vorschriften, welche die Aosftbang der
Heilkande durch lücht approbierte Personen, sowie die Ankündigung und An>
preisung yon Mitteln, Gegenständen und Verfahren der in diesem Gesetze be<
zeichneten Art betreffen, werden aufgehoben.
§ 16. Dieses Gesetz tritt am ...... in Kraft.
Unter § 12 fällt auch die Beigabe yon prahlerischen Empfehlungen, yon
Danksagungen und Attesten der yorbezeichneten Art bei der Verabfolgunu der
betreffenden Mittel oder Gegenst&ide, ferner die sogenannte indirekte Beklame,
die darin besteht, daß auf Broschüren, Druckschriften usw. ausdrücklich Bezug
genonunen wird, in denen die betreffenden Mittel oder Gegenstände näher be¬
zeichnet sind und ihre wirkliche oder angebliche Heilkraft behauptet und er¬
läutert wird. Als Öffentliche Ankündigung wird ebenfalls angesehen werden
müssen eine Verbreitung der Flugschruten in der Art, daß sie in die Häuser
getragen oder durch die Post yersandt werden.
Zu § 18. Die Strafyorschriften im § 18 bezwecken, den den nicht
approbierten Erankenbebandlern in den §§ 1 und 2 auferlegtm Pflichten zur
Aueige über gewisse Verhältnisse des Hstriebs and ihrer Person, zur Aus-
kunfterteilang und zur Buchführung den erforderlichen Nachdruck zu geben.
Zu § 15. Im allgemeinen Teile der Begründung ist bereits darauf hin-
gewiesen, daß die bisher zur Bekämpfung der Kurpfuscherei und des Geheim¬
mittelanwesens erlassenen landesrechtlichen Vererbungen yielfaeh nicht den
gewünschten Erfolg gehabt haben, und daß die landesrechtliche Regelung der
Angelegenheit die B^tslage nicht zu einer einheitlichen gestaltet hat. Um
diese für die Zukunft zu gewährleisten, empfiehlt sich die Bestimmung des § 15.
Der Entwarf steht im allgemeinen auf dem Standpunkte, du die yon
ihm aufgestellten Forderungen das Mindeste sind, was zur Erreichung des
gewollten Zweckes yerlangt werden muß. Es konnte sich deshalb fragen, ob
nicht wenigstens diejenigen landesrechtlichen Vorschriften zu erhalten wären,
wdche no^ strengere oder noch schwerere Bestimmungen enthalten, als der
Entwurl Aber auch hieryon ist Abstand genommen, weil die Frage, ob im
einzelaen Falle die reichsgesetzliche oder die landesrechtlicbe Vorschrift die
strengere oder schwerere ist, Icdcht zu Zweifeln Anlaß geben kann und yon-
dnander' abweichende Auslegungen und miteinander nicht übereinstimmende
oder gar sich widersprechende gerichtliche Entscheidung nur zu leicht und
auch mit Erfolg zur Umgehung der erlassenen Vorschrimn benutzt zu werden
pflegen.
Der Torliegende Gesetzentwurf will, wie es in der allge¬
meinen Einleiinnff heißt, zwei verschiedene, aber eng miteinander
zosammenh&agende Fragen des Öffentlichen Gesundheitswesens
regeln; er wUl einmal den durch die Kurpfuscherei entstehenden
Schädigungen verbeugen und anderseits dem Unwesen entgegen¬
treten, das mit dem Vertriebe, dem Ankflndigen und Anpr^en
Der Yorllaflge Eatwarf dnes QeseUee betreffend die Aoeftbung der
▼on Geheimmitteln oder fthnliehen Gegenständen verbanden ist,
die der Verhtttnng, Linderang oder Heilang von l&ankheiten asv.
dienen sollen. Die gesetzliche Begelang soll einheitlich ffir
das ganze Reichsgebiet erfolgen; demzofolge vird im § 15
aasdrttcklich die Aafhebang aller landesrechtlichen Yorschriften
in bezag aof die Ankfindignng and Anpreisang von Geheimmit*
teln asw. aasgesprochen; eine Bestimmang, ^e gegenüber^ der
zarzeit bestehenden Bantscheckigkeit der gesetzlichen Vorschriften
aaf diesem Gebiete einen aaßerordentlichen Fortschritt bedeatet
and sicherlich von allen beteiligten Kreisen mit großer Freade
begrttßt werden wird.
Der Gesetzentwarf will sich aaf das Mindeste dessen be¬
schränken, was zar Erreichong des gewollten Zwecks verlangt
werden maß and was nnter den obwaltenden Verhältnissen,
namentlich im Hinblick aaf den Reichstag, aach als erreichbar and
darchfährbar bezeichnet werden kann. Während den Geheimmittel¬
fabrikanten, Karpfaschern and einem Teil der Presse, die eine
große Einbaße ihrer Annoncen-Einnahme befftrchtet, der Gesetz¬
entwarf za weit gehen dftrfte and voraassichtlich mit aUen Mit¬
teln bekämpft werden wird, werden andere, insbesondere die
Aerzte, in ihm nor eine halbe Maßregel sehen, weil er die
Eniierfreiheit nor beschränkt, aber nicht vollständig aofhebt.
Wer in dem allgemeinen Teil der Erlänterongen die Schil¬
derang über den Umfang and die stetig wachsende Zanahme*)
der gewerbsmäßigen Ansttbang der fieilkande dorch nicht appro¬
bierte Personen seit der im Jahre 1869 erfolgten Aafhebang des
Eorpfaschereiverbots liest and daraas weiterhin erfährt, welche
aasgedehnte Reklame von jenen Personen getrieben wird,’) wie
aoßerordentlich amfangreich sich die Tätigkeit einzelner Eor-
pfascher gestaltet ’) and wie niedrig der Bildongsgrad der meisten
Earpfascher ist, der wird sich allerdings wandern, daß man ihrem
schamlosen and der Öffentlichen Gesundheit im höchsten Maße
gefährdenden Treiben^) nicht dorch die Wiedereinfflhrang des
*) ln Preußen s. B. Ton 2404 im Jalire 1898 auf 6187 (in Berlin Ton
28 im Jahre 1879 ai^ 1063 im Jahre 1908); im KOoigreicb Sachsen von 428
im Jahre 1878 auf 1000 im Jahre 1908; im KOnigrdch Württemberg in
den Jahren 1880—1904 Ton 85 auf 829.
*) Ein Kurpfuscher hat z. B. yon seinem Beklamebuch 1 Million Exem«
J lare abgesetzt; von 1888 bis 1901 sind nachweisbar fast 2 Millionen yon
[urpfoschern yerfaßte Bücher im Preise yon 14*/i Millionen Mark verkauft
*) Ein Berliner Kurpfuscher hat, wie gerichtlich festgestellt ist, in
8 Monaten über 2500 Patienten gehabt; er wird aber weit übertroffen vom
Schlier Ast, der zeitweise täglich bis 800 Patienten abfertigt und sich für
jede Baterteilung 3 Mark bezahlen läßt.
*) In den allgemeinen Erläuterungen heißt es hierzu, speziell betreffs
der nachteiligen Folgen der Kurpfuscherei mit Bücksicht auf die Bekämpfung
der Infektionskrankheiten:
„Die Maßnahmen zur Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten können
so lange kebe volle Wirksamkeit entfalten, ab Kurpfuscher ohne jede staat¬
liche Aubicht und Kontrolle solche Krankheiten ausnahmslos und unbeschränkt
behandeb dürfen. Außerdem bt das Publikum aUzu bereit, die zur Bekämpfung
der ansteckenden Krankheiten usw. erlassenen Bestimmungen ab behördliche
Belästigungen aubufassen und bfolgedessen leicht geneigt, sie zu umgehen
Heilkuiide durch nicht approbierte Personen jl den Oeheimmittelrerkehr. 129
namentlich von seiten der Aerzte geforderten EnrpfaschereiTerbots
enlg^egentreten will, znmal sich die Voraossetznng, die seinerzeit
zu dessen Anthebang geffthrt hat: der Bildungsgrad des deutschen
Volkes sei hoch genug, um den Quacksalber vom wirklichen Arzte
zu unterscheideu, sich als nicht zutreffend heransgestellt hat, und
in fast sämtlichen europäischen wie in zahlreichen außereuropäi¬
schen Staaten, z. B. in Oesterreich-Ungarn, Frankreich, Rußland,
Italien, Schweden, Belgien, Holland, den Vereinigten Staaten von
Amerika, Brasilien usw. ein solches Verbot besteht. Trotzdem
hat der Entwurf diesen Weg nicht beschritten und zwar nach
der Erläuterung aus folgenden Gründen:
„Es maß damit gerechnet werden, daß es ca allen Zeiten and bei allen
Völkern Heilbeflissene ohne wissenschaftliche Aasbildang gegeben hat, and daß
Ton jeher in weiten Volkskreisen die Neigung bestanden hat, sich gerade von
diesen behandeln za lassen. Eine solche Erscheinung läßt sich nicht ohne
weiteres durch gesetzliche Vorschriften beseitigen. Die Übermäßige, durch
kein Gebot der Standesehre beeinflußte Beklame, die ganz zu unterdrücken
tatsächlich nicht durchführbar ist, die beliebte und stets wirksame Methode
der Verunglimpfung der wissenschaftlichen Forschung, das Bedürfnis Oebil«
deter und Ungebildeter nach Mystizismus, das sich auch in der Gegenwart
immer noch kund gibt, und nicht zuletzt die Pflicht aller ehrlichen Aerzte,
den Kranken auf die dem ärztlichen Können gesetzten Grenzen hinzuweisen,
alle diese Momente werden den Kurpfuschern stets neue Kunden zufUhren.
Ein allgemeines gesetzliches Verbot würde höchstens dahin führen, die Aus-
Ubang der Kurpfuscherei der Oeffentlichkeit noch mehr za
entziehen und sie in yerborgene Winkel hineinzutreiben, wo
sie dann, weil unbeaufsichtigt, um so üppiger gedeihen und
am so größere Schädigungen heryorrufen würde. Gerade die
heimliche Ausübung umgibt allzuleicht die Kurpfuscherei mit einem Nimbus,
der ihr Ansehen in den Augen der Menge hebt und ihren Geschäftskreis er¬
weitert. Ein allgemeines Kurpfaschereiyerbot würde daher nicht nur in weiten
Kreisen auf Widerstand stoßen, sondern auch in der Praxis sich nur mit
S oßen Schwierigkeiten durchführen lassen. Zudem würde es zu Ergebnissen
hren, die nicht erwünscht und nicht nötig sind; denn es müßten folgeweise
alle yon der Schulmedizin zunächst nicht anerkannten Heilmethoden dem Ver¬
bot unterstellt werden. Es läßt sich aber nicht läugnen, daß, ?de auf anderen
Gebieten, so auch auf dem der Medizin yon Nichtfachmännem mancherld
Heilmethoden empfohlen und zur Anwendung gebracht sind, die später auch
in der wissenschutlichen Medizin Eingang und Verbreitung gefunden haben.
Alle solche Versuche oder Bestrebungen für die Zukonft zu yerbieten, dürfte
ein genügender Grund nicht yorliegen."
Wir halten diese BegründiinK für zutreffend; denn tatsächlich
sind in allen denjenigen Staaten, in denen ein Eurpfaschereiver-
bot besteht, die einschlägigen Verhältnisse nicht anders, insbe¬
sondere nicht wesentlich günstiger als in Deutschland. Dazu
kommt, daß bei der Zusammensetzung des Deutschen Reichstages
auf die Zustimmung zu einem derartigen Verbot gar nicht ge-
oder außeracht za lassen. In dieser Neigung findet es die wirksamste Unter¬
stützung bei den sogenannten Kurpfäschern. Je strenger und eingehender die
behördlichen Vorschriften sind, um so leichter wendet sich das Publikum dem
seine Wünsche fördernden Pfuscher zu. Durch solches Entgegenwirken gegen
die gesundheitlichen Vorschriften wird deren Durchführung erheblich ben^-
teiligt und damit der Gesundheit sowohl des einzelnen, wie der Allgemeinheit
empnndlich geschadet.Aus Vorstehendem ergibt sich, daß das Kor-
pfaschereiwesen in Deutschland za einem bedenklichen Mißstande des öffent¬
lichen Lebens geworden ist; Abhilfe ist daher dringend geboten.“
180 Dar TorUaflge Entwarf eines QeeeUes betreffend die Aosübang der
rechnet werden kann. Hier will man nur die AnswUchee, dae
gemeinschädliche Treiben der Ewpfuscher bekämpfen; es frägt
sich daher, ob dies mit den Bestinimangen des Gesetzentwurfes
in wirksamer Weise möglich ist, und diese Frage muß unbedingt
bejaht werden. Die rorgeschlagenen Maßregeln stellen keinen
Sdilag ins Wasser dar, sondern werden den ansfflhrenden Be¬
hörden eine wirksame Waffe in die Hand geben, um den jetzt auf
diesem Gebiete bestellenden Mißständen mit Erfolg entgegenzn-
treten; der Gesetzentwurf stellt nach dieser Richtung hin einen
großen Fortschritt dar; deshalb sollten sich auch diejenigen mit
ihm einverstanden erklären, denen er nicht weit genug gät, und
sieh mit dem unter den gegebenen Verhältnissen Erreichbaren
begnügen.
Was zunächst die Eurpfnschereifrage anbetrifft, deren
Losung der Gesetzentwurf sich zunächst zur Aufgabe gestellt
hat, so sollen seinen Vorschriften alle diejenigen Personen unter¬
worfen werden, ,die sich gewerbsmäßig mit der Behandlnog von
Erankheiten, Leiden oder EOrperschäden an Menschen oder Tiere
befassen, ohne die entsprechende staatliche Anerkennung (Prfi-
fnngszengnis, Approbation) erbracht zu haben*. Für alle diese
Personen sind folgende Beschränkungen vorgesehen:
1. ADzeigepflieht bei der zmt&ndigeii Polizeibehörde mit Begioa
dee Gewerbe» — w die schon vorhandenen derartigen Personen 14 Tage
nach Inkrafttreten des Gesetzes — sowie bei Verändernng des Wohnorts, der
Wohnung oder der Geschäftsriome, Aufgabe oder Einstellung des Betriebes (§ 1).
2. Verpflichtung zur Auskunftserteilung Aber die persönlichen
Verhältnisse, Vorbildung, seitherige Tätigkeit nsw., zur Fflhmng von Ge-
sehlftsbttchern und zu deren Vorlegen auf Verlangen der Polizeibe¬
hörde (§ 2).
8. Verbot der Fernbehandlung von Menschen und Tieren; ferner ln
bezug auf Mensdien: Verbot der Behandlung von venerischen Krank¬
heiten (Tripper, Schanker und Syphilis), der Anwendung von Betäubungs¬
mitteln, abgesehen von den nur Örtlich wirkenden, von Hypnose und
mystischen Verfahren (Handauflegen, Besprechen nsw.) (§ 3).
4. Verbot aller Öffentlichen Ankündigungen mit wissentlich
unwahren und Täuschungen Aber den Wert oder den Erfolg der angekflndigten
Heilverfahren hervor ruf enden Annben (§ 6), sowie Verm des Offentliäen
S^bietens der Fembehandlnng und der unter Nr. 8 bezeichneten Behandlungs¬
arten (§§ 7 u. 8).
6. Verbot jeder gewerbsmifligen Behandlung von Manschen und Tiereii,
ohne zuvor der Anzdgepflicht (s. Nr. 1) geuAgt zu haben (§ 9).
Erwägt man mm, daß die Strafen fDr alle nach dem Ge¬
setzentwurf strafbaren Zuwiderhandlungen verhältnismäßig
hoch bemessen sind und daß das Gesetz außerdem in
bestimmten Fällen das Recht der Untersagung vorsieht in
bezug auf
a. die Weiterbehandlung von Menschen und Tieren, die an einer nach
w_u_w __ a_ » __ ä . _i*_w__«_
liehen oder Abertragbaren Krankheit — Tierseuche — leiden (Ermächti¬
gung der Polizeibehörde, § 8, Abs. 8) sowie
b. in bezug auf den Gewerbebetrieb, der bei begrOndeter Annahme einer
Lebensgefährdung oder Gesundheitsbeschädigung der behandelten Per¬
sonen oder Tiere und bei schwindelhafter Ausbeutung untersagt
werden muß und in anderen Fällen (VerurteUnng wegen einer strafbaren
HeUkande dareh nicht approbierte Personen o. den QeheinunittelTerkehr. 131
Handla^ in Ansftbiing des Gewerbes oder bei Aberkoinnng der b1irger>
liehen Ehrenrechte wegen anderer Verbrechen oder Vergehen yerboten
werden kann (§ 4),
SO wird man zageben müssen, daß sich mit solchen Waffen der
Kampf gegen die Earpfascherei erfolgreich anfnehmen lassen wird.
Notwendig ist allerdings, daß die zuständigen Behörden, ins*
besondere die Medizinalbeamten, namentlich von den Aerzten
in wirksamer Weise nnterstätzt werden. Gerade den Medizinal¬
beamten erwächst hier eine wichtige Aufgabe ihrer Tätigkeit, der
sie allerdings nicht völlig gerecht werden können, so lange sie
selbst auf Privatprazis angewiesen sind und demznfolge als Partei
gegen den Knrpfascher angesehen werden können. In ihren
Händen hat bisher in fhst allen Bandesstaaten hauptsächlich die
üeberwachnng der Earpfascherei gemht; desgleichen maßte ihnen
die erforderliche Anzeige erstattet and die nötige Ansknnft erteilt
werden. Der Giesetzentwarf hat an ihre Stelle die Polizeibehörde
gesetzt, damit dieser „die znr Üeberwachnng des Betriebes nötige
Kenntnis von der Begründung desselben sowie von seiner Ein¬
stellung gegeben wird*. Die Polizeibehörde ist aber gar nicht
in der Lage, die vorgelegten Zeugnisse der Knrpfascher einer
sachgemäßen Prüfung za unterziehen und sich durch Bückfragen
ausreichende Auskunft über die persönlichen Verhältnisse, Vorbil¬
dung usw. der Ku^fuscher zu verschaffen, da die unteren Polizei-
beamten, denen in der Hegel das Meldewesen übertragen ist,
nicht wissen, auf welche Punkte es bei diesen Ermittelungen an¬
kommt. Ebenso hat die Kontrolle der Geschäftsbücher der Kur¬
pfuscher durch die Polizeibehörde wenig oder gar keinen Wert;
auch hierfür kommt in erster Linie der Medizinalbeamte in Be¬
tracht. Man sollte es deshalb bei dem bisherigen Verfahren
bewenden lassen und in den §§ 1 und 2 den zuständigen Medizinal¬
beamten statt der Polizeibehörde als denjenigen bezeichnen, dem
die Anzeige zu erstatten und Auskunft zu erteilen ist sowie die
Geschäftsbücher vorzulegen sind; will man aber an der Polizei¬
behörde festhalten, so maß § 2 jedenfalls einen Zusatz erhalten,
wonach die hier den Eurpfäschern auf erlegte Verpflichtung nicht
nur der Polizeibehörde, sondern auch dem zuständigen Gesund-
heitsbeamten gegenüber festgelegt wird.
Von aUen in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßregeln
gegen die Earpfascherei wird sich besonders das Verbot der Fern-
behandlung und der Ankündigung sowohl dieser, als ge¬
wisser anderer Behandlungsarten, und das Verbot marktschreieri¬
scher Empfehlungen usw. am wirksamsten erweisen. Das Verbot
des öffentlichen Erbietens der Fernbehandlnng erstreckt
sich nach dem Entwurf auch auf die praktischen Aerzte, wäh¬
rend diesen die Fernbehandlnng an sich nicht verboten, sondern
gegebenenfalls der Ahndung im ehrengerichtlichen Verfahren
überlassen ist. Wird der Entwarf Gesetz, so werden die ärzt¬
lichen Ehrengerichte gerade nach dieser Hichtung etwas strenger
als bisher verfahren müssen; denn die Aerzte müssen in dieser
Hinsicht mit gutem Beispiel vorangehen. Zur Zeit bleibt aber
in bezug auf dUe Fernbehandlung auch bei den Aerzten noch man-
132 Der vorlinAge Sntwnrf eines Qesetses betreffend die Auftbong der
ches za vfinschen fibrig, inBonderheit gilt dies betreffs der Ho-
mdopathen, yon denen nicht wenige ihre ärztliche Verordnungen
ohne eigene üntersnchnng des Kranken treffen.
Die Forderung der Aerzte (Beschlüsse auf dem Künigsberger
Aerztetag), den Kurpfuschern jede Ankündigung zu yerbieten,
würde zweifellos eine noch größere Beschränkung ihres Qewerbes
herbeiführen) als die im Qesetz getroffene Vorschrift, wonach, ab*
gesehen yon bestimmten Fällen, nur Ankündigungen mit unwahren,
Täuschung über den Wert oder Erfolg der angekündigten Heil-
yerfahren heryorrufenden Angaben strafbar sind; wenn man aber
yon einem gänzlichen Kurpfoschereiyerbot abgesehen hat, dann
kann man dem Kurpfuscher auch nicht die bloße Ankündigung
seiner Tätigkeit untersagen, sondern nur die Auswüchse, d. h. die
prahlerische, auf Täuschung des Publikums abzielende Ankündi¬
gung yerhindem, und das wird durch jene Bestimmung yoraus-
sichtlich mit Erfolg geschehen. Dagegen sollte man nach einer
Bichtang hin weiter gehen und den Kurpfuschern die Abgabe yon
Arzneien usw. untersagen; mit einem solchen Verbot wird man
weit mehr erreichen, als mit einem allgemeinen Verbot der An¬
kündigung; das ist um so mehr gerechtfertigt, als ja auch den
Aerzten die Abgabe yon Arzneien an ihre Patienten untersagt
ist, obwohl der Arzt doch weit eher in der Lage ist, die Arznei¬
mittel auf ihre Reinheit und Güte zu prüfen als der Kurpfuscher.
Den Schäden, die durch das Geheimmittelwesen yer-
ursacht werden,^) will der Entwarf dadurch begegnen, daß er
nicht nur arzneiliche Mittel, sondern auch Mittel, Gegenstände
und Verfahren, die zur Verhütung, Linderung oder Heilung
yon Krankheiten, Leiden oder Körperschäden dienen sollen,
in seinen Geltangsbezirk zieht und sich einmal gegen den
Verkehr mit diesen Mitteln usw., anderseits gegen die mit
ihnen betriebene Beklame richtet, ln ersterer Bezidiung
BoU der Verkehr mit einzelnen Gegenständen oder Mitteln
*) ln den aUgemeinen Erlänterongen helBt es hierzu: „Wie die Kur¬
pfuscherei im allgemeinen, so hat auch um Geheimmittelwesen im besonderen
schwere wirtschaftliche und gesundheitliche Nachteile im Gefolge. Gro6e
Mensen Geldes werden alljährlich für meist wertlose Zubereitungen, denen
fUsi^cherweise geheimnisToUe Heilwirkungen beigelegt werden, yergeudet.
Der Umsatz ron Geheimmitteln und Spezialitäten soll in Deutschland allein
im Jahre 1898/99 30 Millionen Mark betragen haben. Zu den finanziellen Ver¬
lusten kommen schwerwiegende gesundheitliche Benachteiligungen. Wenn auch
Tielfach die Geheimmittel nur aus unschädlichen Bestandteilen zusammengesetat
sind, so enthalten sie doch auch häufig Stoffe, die arzneilich nicht bedeutungsloe
sind, ja sogar stark wirkende Eigenschaften besitzen. Beispielsweise sind nach
den amtlichen Bekanntmachungen des Karlsruher Ortsgesundheitsrats yon 76
durch Beklame angepriesenen sogenannten Allheilmitteln nicht weniger ab 48
für direkt lebensgef^rlich, 11 für gefährlich in der Hand yon Laien befunden
worden. Gesundheitsstörungen treten durch den Gebrauch derartiger Mittel
um so leichter ein, ab dieser mebt ohne Wissen und Kontrolle ebes Arztes
erfolgt. Kranke, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe Ge¬
nesung finden konnten, erleiden an Uirer Gesundheit dauernden Schaden. wdÜ
sie durch den Gebrauch der ihnen mit schwindelhaftem oder ttbertiiebeaem
Wirkungswert angepriesenen Mittel dayon abgehalten werden, sich rechtzeitig
sachyerständiger Hiue zu bedienen.“
Heflkande durch nicht approbierte Pemonen u. den OehehnmittelTerkehr. 188
der gedachten Art beschr&nkt oder ganz untersagt werden kOnnen,
wenn yon ihrer Anwendung eine Schädigung der Gesundheit zu be-
fOrchten ist, oder wenn sie in einer auf Täuschung oder Ausbeutung
der Abnehmer abzielenden Weise vertrieben werden (§ 5); nach der
anderen Richtung hin ist ein Ank&ndignngsverbot vorgesehen fftr
Gegenstände, Mittel und Verfahren der in Bede stehenden Art,
sofern ihre Bestandteile oder die Art ihrer Zusammensetzung
geheimgehalten oder verschleiert werden. Desgleichen sind außer
dem schon erwähnten Erbieten zur Fembehandlung auch be¬
stimmte Ankündigungen auf geschlechtlichem Gebiete, unwahre
oder Täuschungen über Wert und Erfolg der Mittel hervormfende
Angaben, sowie die Ankündigung der vom Bnndesrat dem Verkehr
entzogenen oder Verkehrsbesclu'änkungen unterworfenen Mittel
unter Strafe gestellt. Von einer Begriffsbestimmung des
Ausdruckes^Geheimmittel^ist mit Recht Abstand genommen,
weil, wie es in den allgemeinen Erläuterungen heißt:
,der Aiudrack im arzneilichen Verkehre zu einem technischen geworden
ist and seine nrsprfingliche Bedeutang yerloren hat. Es kann nim mehr
als unbedingte Voraassetzang für den Begriff ,Qeheimmittel‘ gelten, daß
die Zosammensetzong des Mittels anderen als den Herstellern unbekannt ist.
üm der Anwendung der Oeheimmittelvorschriften zu entgehen, haben die
GMieimmittelfabrikantcn in neuerer Zeit vieUach die Zusammensetzung ihrer
Pabrikate in irgend einer Formel öffentlich bekannt gegeben. Dem yolks*
gesundheitlichen Zwecke der Vorschriiten würde es aber nicht entsprechen,
wenn dadurch die fraglichen Mittel ihrem Geltungsbereich entzogen werden
könnten.“
Der Entwurf geht also erheblich weiter als die jetzigen Vor¬
schriften; denn er stellt unter Strafe:
1. die Einfuhr, das Feilhalten, Vorr&tighalten usw. sowie die
öffentliche Ankündigung und Anpreisung von Mitteln und
Gegenständen, die zur Verhütung, Linderung oder Heilung von Krask-
halten, Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere dienen sollen,
soweit deren Verkehr wegen zu befürchtender Schädigung der Gesund-
hdt oder wegen Täuschung oder Ausbeutung der Abnehmer yom Bandes¬
rat beschränkt oder untersagt ist (§§ 6 und 10);
2. die öffentlichen Ankündigungen oder Anweisungen, die
wissentlich unwahre und Täuschungen über den Wert oder den Er¬
folg der angepriesenen Mittel oder Gegenstände heryorrufende Angaben
enthalten (§ 6);
3. die öffentliche Ankündigung oder Anpreisung
a. yon Mitteln, Gegenständen oder Verfahren zur Verhütung, Linderung
oder Heilung yon Geschlechtskrankheiten, zur Behebung geschlecht¬
licher Schwäche oder zur Heryorrufung geschlechtlicher Erregung, zur
Verhütung der Empfängnis oder zur BeseiÜgung der Schwangerschaft
(§ 7, Nr. 2) sowie
b. yon Mitteln usw., sofern die Bestandteile oder die Gewichtsmengen
der Gegenstände oder Mittel oder die wesentliche Art des Verfihrens
bei der Ankündigung oder Anpreisung geheimgehalten oder yerschlei-
ert werden (§ 7, Nr. 3).
Der öffentlichen Ankündigung und Anpreisung im Sinne
des Gesetzes wird nach § 12 die Verbreitung von Empfehlungen,
Erfolgbestätignngen, gutachtlichen Aenßemngen, Danksagungen
und ähnlichen Mitteilungen in einem großen Kreise von Personen,
also die sogenannte indirekte Reklame, gleich geachtet, eine Be¬
stimmung, die schon im § 4 der neuen Vorschriften über den
Verkehr mit Geheimmittehi vom 27. Juni 1907 getroffen war.
134 Der Torl&nflge Entwarf eines Gesetzes betreffend die Ansttbong der
aUerdingB ohne die eüiBchrftnkenden Worte «in einem größeren
Kreise*, dnrch deren Hinznffignng wahrscheinlich der bisherigen
Rechtsprechung auf diesem Gebiete Rechnung getragen weiden
sollte. Diese geht aber gar nicht so weit, sondern sieht eine
Öffentliche Ankttndigung schon darin, wenn z. B. die Versendung
▼on Broschüren usw. an eine „Mebrzahl von Personen — un¬
bestimmt welchen und wievielen — erfolgt* (Urteil des Preußischen
Eammergerichts Tom 11. April 1904, 11. Februar und 18. April
1907), verlangt demnach keineswegs einen größeren Kreis. Jene
Worte sollten daher gestrichen werden; sie geben nur eine will¬
kommene Handhabe, sich der Bestrafuig zu entziehen.
Im übrigen gehen die Vorschriften aber erheblich weiter als
die jetzt bestehenden; denn das Verbot der Ankündigung und
Anpreisung ist ein viel umfassenderes als bisher, vor allem ist
aber außer diesem für bestimmte Gegenstände und Mittel ein
völliges Verkehrs- und Einfuhrverbot hinzngetreten, sowie
im § 10, Abs. 2 dem Richter das Recht gegeben, neben der Strafe
auch auf Einziehung der verbotswidrig eingeführten, feil¬
gehaltenen usw. Mittel oder Gegenstände zu erkennen, soweit diese
nach § 5 Verkehrsbeschränkungen unterliegen. Der Bundesrat
soll nach dem Gesetzentwurf auch künftighin die Liste derjenigen
Gegenstände und Mittel aufstellen, die Verkehrsbeschränkungen
unterliegen; es soll ihm aber jetzt eine besondere, bei dem
Kaiserlichen Gesundheitsamte einznrichtende Kommission zur
Vorbereitung seiner Beschlüsse beigegeben werden, die ans
Juristen, Verwaltungsbeamten und Sachverständigen der Me¬
dizin, Tierheilkunde und der Pharmazie besteht und vor ihrer
Entschließung den Fabrikanten oder anderen Beteiligten zur
Wahrung ihrer Interessen Gelegenheit zu geben hat. Durch dies
Verfahren dürfte allen Härten gegen £e Geheimmittel- und
Spezialitätenfabrikanten vorgebengt sein; wünschenswert ist es
nur, daß die betreffenden Listen auf dem Laufenden erhalten
werden und ihre Abänderung oder Ergänzung nicht in zu großen
Zwischenräumen erfolgt. Es liegt dies nicht nur im Öffentlichen
Interesse, sondern auch im Interesse der Presse, damit diese über
die Aufnahme von Ankündigungen über derartige Mittel usw.
nicht im Zweifel ist. Schwierig wird für sie dann nur die Ent¬
scheidung über etwaige Ankünd^gnngen sein, die nach § 7, Nr. 8
verboten sind (siehe vorher S. 138 unter Nr. 3 b). Hier trägt es sich
nun, ist diese Bestimmung unbedingt notwendig? Verfasser mochte
diese Frage verneinen; denn die übrigen Strafvorschriften, ins¬
besondere § 6, schützen schon genügend gegen prahlerische, au
Täuschung ausgehende Anpreisungen.*) Sie widerspricht auch dem
vorher bereits erwähnten, in den ^läuternngen anfgestellten Grund¬
satz, „daß es dem volksgesundheitlichen Zwecke der Vorschriften
nicht entsprechen würde, wenn dnrch die Öffentliche Bekanntgebnng
der Zusammensetzung der Geheimmittel in irgend einer Formel
*) Vergleiche aach die vorher mitgeteilten ErläaternogeB za § 6; siehe
AnmerkoDg auf S. 122.
Heilkunde durch nicht approbierte Personen u. den Qeheimmlttelrerkehr. 186
diese dem Mtiuigsbereich des G^etzes entzogen würden.* Tat*
sädilieh ist es auch ziemlich gleichgültig, ob fie Bestandteile der
Gegenstände oder Mittel bei der Ankündigung bekanntgegeben
oder geheimgehalten werden; der Schwerpunkt ist vielmehr darauf
zu legen, ob den Mitteln gewisse, ihnen nicht zukommende Wirkungen,
Erfolge usw. in prahlerischer Weise angedichtet werden; dies
wird aber durch § 6 in wirksamer Weise geahndet, und ob eine
solche nnznlflssige Ankündigung vorliegt, wird auch von Laien
unschwer festgestellt werden kOnnen. Viel wichtiger erscheint
es, in dem Gesetzentwurf eine Vorschrift zu treffen, die verhindert,
dsißmit der im § 7, Abs. 2 in bezug auf die Fachpresse getroffenen
Ausnahme Mißbrauch getrieben wird; denn ebenso gut wie leider
auch künftighin sich Aerzte finden werden, die den Kurpfuschern
den Bücken decken, falls die ärztlichen Ehrengerichte nicht ent¬
sprechend eingreifen, so wird es auch eine unsolide Fachpresse
geben oder ad hoc ins Leben gerufen werden, die derartigen
Ankündigungen in unzulässiger Weise Aufnahme und Verbreitung
gewähren wird, gegen die es aber weder ein Ehrengericht gibt,
noch eine gesetzliche Handhabe im Gesetzentwurf.
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Strafen gegen die
schwindelhafte Reklame sind absichtlich hoch gegriffbn, niedrige
GMdstrafen sich durch den ans dem verbotswidrigen Geschäfts¬
betrieb erzielten Gewinne reichlich bezahlt machen und daher
ziemlich wirkungslos sein werden. Diese Ansicht ist durchaus
zntreffisnd; nur bietet dafür die Festsetzung des Höchstmaßes einer
Strafe nach den bisher gerade auf diesem Gebiete gemachten
Erfahrungen keine sichere Handhabe, wenn nicht gleichzeitig ein
Mindestmaß festgesetzt wird, das im Wiederholungsfälle auf das
Doppelte erhöht werden müßte. Geschieht dies nicht, so werden
Zuwiderlumdlungen gegen die §§ 6—8 nicht selten mit Geldstrafen
geahndet werden, deren Höhe mit der obigen Absicht des Gesetz¬
gebers im vollen Widerspruch steht. Weiterhin sollte nach § 10
nicht bloß derjenige bestraft werden können, der die betreffenden
Mittel usw. einftl^, feilhält usw., sondern auch der, der sie ,in
den Verkehr bringt*; durch einen solchen Zusatz würde man in
der Lage sein, den wirklich schuldigen Teil, d. i. den Verfertiger
oder Großhändler, zu treffen, während sonst nur der Verkäufer usw.
getroffen wird, der in vielen Fällen sich lediglich infolge von
Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften strafbar gemacht hat.
Hoffentlich wird der Gesetzentwurf ohne erhebliche Aende-
mngen recht bald dem Reichstage vorgeli^ und gdangt hier
zur Verabschiedung; mit diesem Wunsche sei die vorstehende Be¬
sprechung geschlossen!
Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitecbriften.
Oerlohfllohe Psyohlztrle.
Ibot midi UMlMliOllOliSMllMf \
BeitragaarkenatniB der Störung ftuSerer Willenehandlungen.
Von Dr. A Gregor und Dr. B. Häniel. Monatseclurift fftrPejeUatiie und
Neurologie; Bd. aXm, Januar 1906.
186
Kleinere Mitteilnngen ond Beferate aiu Zeitsohriften.
Die Betrachtuiff der erhaltenen Karren zeigt, daß die von den Me¬
lancholikern gezeichneten einen kurzen und rerh<nism&ßig niedrigen
Gipfel aufweieen, von * da ziemlich steil zu einem niedrigen Nirean abfallen,
weiches über eine lange Strecke konstant bleibt, — oder überhaupt keinen
Gipfel entwickeln.
Die Ton Katatonikem gewonnenen Karren lassen als herrorstecbendes
gemeinsames Merkmal erkennen, daß die Arbeitsleistung bei ihnen mit einer
rerhältnismäßig geringen Habzahl erreicht wird, daß also die Durchschnitts-
hubhöhe- und Durchschnittshubleistung eine relatir hohe ist.
Der Melancholiker führt die Ergographenarbeit in zahlreichen kleinen,
der Katatoniker in wenigen, aber ausgiebigen Kontraktionen aus.
Beim Melancholiker gehören die Züge, welche eine derartig Arbeits¬
leistung, wie sie die Ergographenkurre aasdrückt, bedingen, zum Wesen der
Psychose, beim Kataton&er hingegen steht die hier beobachtete Form der
baßeren Willenshandlang neben anderen Zügen seines Charakters; sie kann
mit ihnen in Parallele gestellt, nicht aber von ihnen abgeleitet werden.
Dr. T Ob b e n - Münster.
Zur Pathologie und Therapie der Zwangsneurose« Von Dr. Wolf¬
gang War da, leitendem Arzte der Heilanstalt „Villa Emilia*' zu Blanken¬
burg in Thüringen. Monatsschr. für Psychiatrie u. Neurologie; 1907, Bd. XXII.
Die Zwangsneurose ist charakterisiert durch das Ai^treten von Zwangs-
yorstellungen, d. h. solchen Vorstellungen, die in störender Weise das Denken
beschäftigen, in der Gesamtheit ihres Inhalts einen selbstquälerischen Zug
und eine Selbstkontrolle des Individaums wenigstens andeutungsweise erkennen
lassen und damit einen mehr oder weniger versteckten Hinweis auf ein ver¬
drängtes Schuldbewußtsein geben. Diese Vorstellungen imponieren dem Kran¬
ken umsomehr als zwangsmäßig, fremdartig und für sein logisches Denken
unerklärlich, je weiter ihnen ein ursprünglicher, peinlicher, gegen das leidende
Individuum selbst sidi kehrender Affekt anhaftet. Vorübergehend kann dem
Kranken diese Kritik seines Zustandes verloren gehen.
Der Verfasser hat seit Jahren in den schwereren Fällen von Zwangs¬
neurose, gleichgültig, ob die sexuelle Aetiologie im Freund sehen Sinne naä-
{ gewiesen war oder nicht, den Hauptwert auf die kausale psychische Behand-
ung gelegt und im allgemeinen gute Erfolge gehabt. Er benutzt dazu die
H^nose, begnügt sich gewöhnlich mit der Somnolenz und sucht durch immer
wiederholten Zuspruch das Selbstmißvertranen zu beseitigen, das Gewissen zu
beruhigen, Behagen und Zuversicht zu wecken. Hier muß natürlich nach der
psychischen Verfassung des Kranken, der Art seines Denkens und Fühlens
und seiner Schicksale ganz individuell verfahren werden. Warda vermeidet
es neuerdings völlig, im eigentlich therapeutischen Verfahren die sexuelle
Aetiologie zu berühren; er hält sogar die einfache anamnestische Befragung
nach geschlechtlichen Vorgängen mitunter nicht für Unbedenklich.
Dr. Többen-Münster.
üeher Herderschelnungen bet genuiner Epilepsie. Von 0. Bins-
wanger-Jena. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie; Band XXII,
Heft 5.
Zweifellos können auch im Krankheitsbild der genuinen Epilepsie
Herdersebeinungen auftreten, die, wenn nur ein einzelner Krampfparoxysmus
zur Beurteilung vorliegt, zu Verwechselungen mit den Herdsjrmptomen der
organiseh bedingten, insbesondere der partiellen, der Jackson sehen Epi¬
lepsie führen müssen. Die Herderscheinungen finden sich als Aurasymptome
und als Teilerscbeinungen der konvulsivischen Phase der Anfälle. Sie sind
als umschriebene Erregungs- und Hemmungsentladungen oder als postparoxys-
tische Erschöpfungsphänomene aufzufassen.
Unter den Aurasymptomen kommen nur die unilateralen motorischen
und sensiblen resp. sensoriellen Erscheinungen in Betracht. Sie finden sich
nur selten bei den vollentwickelten typisch en, häufiger bei den vollentwickelten
atypischen Anfällen. Die motorische Aura der genuinen Epilepsie zeigt
folgende Formen; a) umschriebener, auf einen Qlicdabschnitt oder eine
Muskelgruppe beschränkter klonischer Krampf; b) auf einen Gliedabschnitt
Kleinere Mitteilnngen nnd Befente nna Zeitschriften.
187
•der etne Extremitit oder bestimmte KOrperregionen bescbrinkter tonischer
Knmpf; c) rereinselte lokomotorische Bewegnngen; d) koordinierte, antomsp
tisehe Mwegongen. Einen weitergehenden lokaldignostischen Wert besitsea
nur die unter a) genannten Erscbeinnngen, da sie aal initiale kortikale
regiugsentladnngen in bestimmten Abschnitten der motorischen Bindenregion
■eUieien lassen. Während bei den organisch bedingten Fällen die moto*
riseheAara mit ihren Begleit* nnd Folgeerschebnngen sich in gleichartiger,
fast gesetzmäßiger Weise bei den einzelnen Attacken wiederholt, bietet
sie bei der genuinen Epilepsie nichts Begelmäfllges nnd Gesetz*
mäßiges dar.
Die Herderscheinnngen während der Parozysmen selbst
(Monospasmen, hemilsterale nnd gekreuzte Eonrnlsionen) beweisen Ittr die
Urspmngsstelle des Krampfanfalles nichts; sie sind ttberdies viel zu Wechsel*
ToU and nnregelmäßig, nm ans ihnen lokaldiagnostische Schlflsse zn ziehen.
Die größte Schwierigkeit hinsichtlich der Deutung der Herderscheinungen
bieten die Fälle der genuinen Epilepsie dar, in welchen sich im Verlauf der
Krankheit auf Grund von später an^etretenen Herderkrankungen bestimmte
nnd regelmäßig wiederkehrende Herderseheinangen, sei es als Anrasymptome,
sei es im Krampfbilde des entwickelten Anfalles hinsugesellen. Die genuine
Epilepsie bietet selbst dann, wenn sie Herdsymptome aufweist, keinen Gegen*
stand der operativen Behandlung. Dr. T0bben*Mttn8ter.
Beitrag snr Symptomatoli^le der Pamlysis agltnns. Von Dr. Otto
Ludwig Klieneberger. Ans der Psychiatrischen* und Nerven*Universitäts*
klinik zu Greifswald. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Neurologie; Bd. XXIU,
Heft L
Man kann die Parkinsonsche Krankheit in zwei große Gruppen trennen«
in die im Anschluß an ein Trauma nnd die ohne greifbare Ursache sich mehr
allmählich entwickelnde Paralysis agitans. Angesichts der reichhaltigen Lite*
rator muß die Möglichkeit des traumatischen Ursprungs der Paralysis agitans,
bezw. ihrer Verschlimmerung durch den Unfall mit Sienerheit als erwiesen be*
trachtet werden. Im allgemeinen scheint die Paralysis agitans eine Erkrankung
des Torgerfickten Alters zu sein. Es sind nur vereinzute Fälle im jagend*
liehen Alter, auch im Anschluß an Typhus und andere Infektionskrank*
heiten beschrieben worden. Erblichkeit, Alkohol und Lues scheine in der
Anamnese kebe Bolle zu spielen. Die Anschauung, daß die Paralysis agitans
nur einen Symptomenkomplez darstellt, zählt beute keinen Anhänger mehr.
Auch ihre Zurttekftthrang auf Erkrankungen der Schilddrüse und andere
antointoxikatorische Vorgänge wird heute nur noch von wenigen vertreten.
Dagegen schwanken die Neigungen, ob es sich um eine funktionelle oder
organische Erkrankung handelt. Die Verfechter der letzteren Anschauung
sehen bald das Rückenmark oder Gehirn, bald die Muskulatur als den Sitz der
Erkrankung an. Selbst die als spezißsch beschriebenen Veränderungen, die in
den einzelnen Organen gefunden wurden, weichen von einander ab. Der negative
Befand der Lumbalflüssigkeit macht das Vorhandensein eines entzün^chen
Prozesses ün Zentrainervensystem nicht gerade wahrscheinlich. Die Frage der
Pathogenese ist demnach heute noch nicht spruchreif. Die Schilderung der
einzelnen Symptome der Paralysis agitans durch den Verfasser bietet im
wesentlichen keine neuen Gesichtspunkte dar. Dr. Többen*Münster.
Die Paralyse im Unterofflzfentand. Von Stabsarzt Dr. K. Bennecke
in Dresden. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Neurologie; Bd.XXII, 1907.
Der Verfasser bat schon seit mehreren Jahren au paralytische Er*
•eheinnngen bei Unteroffizieren geachtet nnd teilt in seiner Arbeit 14 ein*
wandfreie Fälle von Paralyse mit. Die Kasuistik Benneckes ist nicht der*
artig, daß sie einen Schluß auf die Häufigkeit der Paralvse im Unteroffizier*
stand im Verhältnis zu anderen Berufen znläßt. Hinsichtlich der Lueofrage
scheinen die Fälle zu ergeben, daß weniger die Syphilis an and für sich, ^
vielmehr die unterlassene und unzueichende Quec^ilberbehandlung die Para¬
lyse hervorgerufen hat. Für den frühzeitigen Ausbruch der Erkrankung sind
vielleicht spezifisch militärische Verhältnisse verantwortlich zn machen.
Dr. T ö b b e n * Münster.
188
Kleinere Mltteilnngen nnd Befemte ans Zeiteotariften.
Ueber hTSterisehe Worttanbhelt* Von Dr. Albert Knapp, frlüierein
Oberarst und Privatdosent an der nsyehiatrlBohen ond Nerrenkunik der üni-
Tersitit Halle, jetzt in GOttingen. Konatsschrilt Iflr Psyehiatrie and Neurologie:
Band XXU, Heft 6.
Knapp berichtet Aber einen hochinteressanten Fall Ton hysterischer
reiner Worttanbheit, der wegen seiner prinzipiellen Bedeutung mehr als eia
rein kasuistisches Interesse beansprucht. Aul die Schilderung der klinischen
Ebzelheiten dieses Falles, der gleichzeitig mit einer hysterischen Fadalis-
arese. die durch Anwendung von Elektrizität beseitigt wurde, einhergin^
ann nier leider nicht einhergegangen werden. Knapp kommt aus iüilaS
seiner Beobachtung zu der Annahme, daß sämtliche Formen aphasischer StS-
mn^en, wie sieTon Wernicke auf Grund von theoretischer Ueberlegung und
klinischer Erfahrung aufgestellt und seither durch pathologisch‘anatomische
Befunde belegt worden sind, auch auf hysterischem Boden sich ansbilden
können, wie Agraphlen, Monoparesen nnd Hemiparesen, Jacksonsche Krampf-
zostände, Tastlähmungen, Apraxien, Hemianopsien, kurz alle nur denkbaren
Gehimaffektionen auf psychogener Grundlage in derselben Reinheit und Präg*
nanz beobachtet worden sind, wie sie in unkomplizierten Fällen isolierter um
organischer Affektionen angetroffen werden. Dr. TObben*Mfinster.
Ueber die Psychosen des Klimnkterinms« Von Prot Hans Berger,
Hausarzt der psychischen Klinik in Jena. Monatsschrift fttr Psychiatrie und
Neurologie; 1907, Bd. XXII, Ergänzungsheft.
In einer sich auf 9 Jahre erstreckenden Beobachtungszeit konnte der
Verfasser an dem Material der Jenenser Klinik bei 14 Frauen ein zeitliches
Zusammenfällen der ersten psychischen Veränderung mit den Alterationen der
Menstruation nachweisen und das Klimakterium als die alleinige Ursache der
Psychose ansprechen. Von diesen 14 Fällen lag einmal eine operativ beding
Klimax vor, in 10 Fällen bandelte es sich um Melancholien, von denen dine
paranoische Zfige darbot. In den drei anderen Fällen lag eine Paranoia hallnei*
nntoria acuta mit katatonischen Symptomen vor. Von dmi Melancholien waren
60*/o erblich belastet; bei den anderen Kranken konnte eine Erblichkeit nicht
nachgewiesen werden. Zwei von den Kranken endeten durch Suizid, 4 gingen
in einen chronischen Defektzustand ans; nur 8 Fälle genasen vollständig
und blieben bisher gesund.
Nach dem ihm vorliegenden Krankenmaterial muß der Verfasser ebe
spezifische klimakterische Psychose ablehnen. Im Verein mit anderen Beob>
achtem findet er bei den Jenenser Kranken, daß die Hauptzahlen der im
Klimakterinm ansbrechenden Psychosen auf die Melancholie entfallen nnd
an swdter Stelle die Fälle von akuter halluzinatorischer Verwirrtheit mit
katatonischen Symptomen zu rubrizieren sind. Dr. TQbben«Münster.
Die Abnormitäten der Aszendenz in Beziehung zur Deszendenz. Von
Geh. Med.*Bat Dr. Tigges in Düsseldorf. Allgemeine Zeitschrift fttr Psy*
cUatrie nnd psychisch - gerichtliche Medizin; Bd. 64, H. 6.
Die Resultate der Untersuchung Aber den Einfioß der väterlichen resp.
mütterlichen Erblichkeit auf Deszendenz, je nach den Abnormität» der Aszen¬
denz nnd den Stufen der Erblichkeit, sind folgende:
Bei Geisteskrankheit der Aszendenz ttrorwiegt bei direkter Erblichkeit
der mütterliche Einfinß über den väterlichen um 1,8—2,0*/«, bei indirekter,
mit 1 Ausnahme, um 0,5—0,8
Bei Trunksucht der Aszendenz ttberwiegt bei direkter Erbfolge in hohem
Grade die väterliche Seite.
Bei Nervenkrankheiten der Aszendenz ttberwiegt, wie bei den Geistes¬
krankheiten bei direkter und indirekter Brblicheit, die mütterliche Seite.
Bei auffallendem Charakter ttberwiegt bei direkter ^blichkeit die vätei^
liehe Seite.
Bei der Summe der Abnormitäten ttberwiegt bei direkter Erblichkeit
ttberall der väterliche Einfluß, bei indirekter, mit einer Ausnahme, der
mfltterliche. Das väterliche Uebergewicht schwankt bei direkter ErUo^e
zwischen 1,1 und 8,2 ^/o, das mütterliche bei indirekter Erbfolge zwischen (\5
bis 0,8 */q. Das Uebergewicht des väterlichen Einflusses bei direkter ErbUch-
Betprechungen.
189
kdt wird im wesantlioheii dnreh Tnuksiieht d«r Anendem, in gerinsem
Ondo noch durch auffallenden Charakter der Aeiendeni bedingt. Dm Ueoer*
gewicht der mfltterlichen Seite bei indirekter Erbfolge in den deutschen An«
atalten wird wesentlich durch Geisteskrankheit der Assendenz, in geringem
Grade noch durch Nerrenkrankheiten der Assendenz herbeigeftthrt.
Bei Geisteskrankheit, Nerrenkrankheit und der Summe der Abnormittten
der Aszendenz, wenn man tos letzterer die Nachkommen trunksflchtlger
Anendenz ausschlleSt, findet sieh bei direkter Erbfolm entsprechend einem
Uebergewicht der mlltterliehen Seite Uber die TiterUehe, eia üebergewieht
der Tochter Aber die SOhne. — Bei indirekter Erblichkeit, ferner bei direkter
Erblichkeit Ton Trunksucht und anffalieadem Charakter der Asseadmiz, lifit
sieh ein der obigen Begel entsprechendes Verhalten nicht bestimmt nach«
weises. Einige Imta renialten sich direkt entgegeng^tst.
_ Dr. TObben«MAaster.
dahresherleht Aber die Kdnlgllch-Pspehlntrisehe KUnlk in Mtaehen
fir 190d und 1905. Mfinchen 1907; Verlag tos J. F. Lehmann.
Im Gegensatz zu den ttblichen Jahresberichten, in denen wir eine groSe
Beihe ron Zälen und Tabellen hauptsächlich zu finden pflegen, bietet uns
dM Ton Kraepelin und seinen Assistenten (Alzheimer, Gaupp u. a.)Ter«
fafite Bflchlein ein umfassendes Bild der Arbeit, welche in der Mtkncheser psj«
düatrischen Klinik seit ihrer Eröffnung am 9. November 1904 bis Ende des
Jdires 1905 geleistet worden ist. Wir hOren von den Erfahrungen, die man
mit Scbwestemdienst auch auf Männerabteilungen, mit dem sonstigen Pflege«
J ersonal, mit der Anwendung von Dauerbädern und Packungen usw. gemacht
at, und wir werden mit den bisher getroffenen Einrichtungen für den wissen«
schaftlichen Dienst bekannt gemacht. Den AbsehluA bildet ein ausftthrlicher
Bericht Aber die zur Behandlung gekommenen Fälle, insbesondere Aber ihre
etwaigen diagnostischen Schwierigkeiten und andere bemerkenswerten ElgentAm«
Uchkdten, Aber ihren Verlauf und Ausrag, soweit er sieb verfolgen uefi.
Dr. Klar e«Haina (Bei. Cassel).
Besprechungen.
Dr. med. phil. (h. c.) et jnr. (h. c.) Anglist Ford, o. Professer der Psy«
chiatrie und fzAherer Direktor der kantonalen Irrenenstalt in ZArich: Der
Hypiiotlsmas. seine peyohologisolie, psyohophyslolooleolie nnd
therapeniisolie Bedeutung oder die Suggestion und Psjohotlio«
reple. V. Auflage. Stuttgart 1907. Verlag von Ford. Enke.
Der berflhmte Verfaner gibt in dem vorliegendem Buche eine Aber«
sichtliche Darstellung der wichUgsten Tatsachen nnd Theorien des Hypnotismus.
Dm Werk ist Aberaus anschaulich nnd pUstisch geschrieben, durch zahlreiche,
sorgfältig ansgewählte Krankengeschichten Ulustnert nnd ausgezeichnet dnreh
eine Ffllle geistreicher nnd höchst origineller Ideen Aber das Wesen nnd die
Wirkung der Suggestion. Trotz aller VorzAge des lesenswerten Werkes ist es
Forel nicht gelungen, sich vor einer gewissen Einseitigkeit zu bewahren, als
er mit den Gkgnem der von ihm hochgeschätzten Hypnotherapie auf dM
schärfste ins Gericht geht nnd ihre Anschauungen in außerordentlich sar«
knstischen Wendungen bespöttelt. Zur Begründung dieser Tatsache sei dM
Urteü des Autors wOrtlich wiedergegeben, welches er Aber das Gutachten der
Hypnosekommission der Berlin «Brandenburgischen Aerztekammer abgibt. Er sagt
anf S. 948 des Werkes: .Ich ... begnflge mich kurz damit, zu erkluren, daß das
Gutachten der Hypnosekonunission der Berlin-Brandenburgischen Aerztekammer
nichts als ein armseliges, tendenziöses Machwerk ist, das sorgfältig nnd konsequent
die gewissenhaftesten k der Natur dargelesten Belege Aber die Erfolge der
Snggestiontherapie verschweigt, unbedeutende Gefahren einer AnsAbnnff der«
selben durch Laien oder ungeAbte Aerzte ganz ungebAhrlidi hervorhebt, da¬
gegen die nachgewiesene viWge üngefähruchkeit jener Therapie, wenn sie
von kundiger Hand ausgeAbt imd. wiederum ignoriert.“
Dr. TObben-MAnster.
140
Besprechungen.
Dr. B. M«j6r, Professor in Königsberg i. Pr.: Die Ur e e ch en der Qeletee*
krenkhelten. Jena 1907. Verlag von GusUt Fischer. Gr. 8^ 2418.
Preis: 4,60 Mark.
In sehr klarer und interessanter Darstelloagsweise behandelt Verfasser
die Ursachen der Psychosen. Bei den inneren (endogenen) Ursachen be>
spricht er zunftcbst die allgemeine Pr&disposition, die sich im Alter, Ge*
schlecht, Basse etc. äußert. Bezüglich des Klimas weist er auf den
„Tropenkoller* hin, der durchaus ernst zu nehmen sei; auf dem Boden der
Weifach am Ende der Begenperiode bei Europäern autretenden schweren
Neurasthenie stellen sich häufig Aufregungszustände ein. Verfasser warnt
daher auch davor, psychopathische Individuen in unsere Kolonien zu senden.
Ferner liegen in der Art, wie sich die Kuitur während der letzten 40 Jahre
bei uns ansgebreitet und gesteigert hat, sicherlich gefahrdrohende Momente.
Doch braucht deshalb die Kultnr nicht den Todeskeim in sich zu tragen; denn
wir befinden uns in einer Uebergangszeit, in der der Umschwung zu schnell
vor sich geht; das heranwachsende GescUecbt wird mit mehr Widerstands¬
kraft ausgerüstet sein. Bei der Besprechung der ätiologischen Bolle, welche
den Bernfsscbädlichkeiten zukommt, weist Verfasser darauf nin, daß
die Frauen, je mehr sie aktiv in den „Kampf ums Dasein* eintreten, auch
desto mehr geistig erkranken werden. Bezüglich der Erziehung wendet er
sich gegen £e körperliche Züchtigung, die bei nervOsen Kindern nur schadet
und zuweilen schon der Grund zum Selbstmord geworden ist. Von den
äußeren. Ursachen bespricht er die Verletzungen (Unfallneuroeen)
eingehend; er warnt vor einer Ueberwertung der von Strümpell inaugu¬
rierten „Begebrungsvorstellungen*. Weiterhin werden dann die Gehirn-,
Nerven-, Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten (Tuberkulose,
Malaria, Syphilis, Schlafkrankheit), sowie die Vergiftungen mit Alkohol,
Blei, Quec^ilber usw. in ihrer ätiolo^chen Bedeutung für die Psychosen zum
Teil in sehr ausführlicher Weise gewürdigt. Zum Schluß bespricht Verfasser
die psychischen Ursachen und erwähnt dabei seinen vorläufig ablehnenden
Standpunkt den Lehren Freuds gegenüber, der bekanntlich seinem „Ideoge-
nitätsmoment* nicht nur bei der Hysterie, sondern auch bezüglich anderer
psychischen Störungen eine hervorragende ursächliche Bedeutung zuweist. —*
Die Abhandlung dürfte jedem Arzte, besonders aber demjenigen, der sieh als
Gutachter mit psychiatrischen Fragen zu beschäftigen hat, eine Fülle be¬
lehrenden und anregenden Stoffes bieten.
Dr. Klare-Haina.
Dr. Hio. Bamooo, wall.: Die sexuelle NearMthenie und Ihre
Beslehang sn den Krankheiten der Qesohleohtsorgane.
Autorisierte Uebersetzung von Dr. Bali Wicbmann. 2. Anfiage. Berlin
1907. Verlag von Otto Salle.
Der verstorbene bekannte Autor gibt uns in dem vorliegenden Werke
eine erschpOfende Abhandlung über das Wesen der sexuellen Neurasthenie
und bespricht eingehend ihre sehr interessante Aetiologie, Symptomatologie
pathologische Anatomie, sowie ihre Diagnose, Prognose und Therapie. Diese
klinisch besondere, sehr wichtige und häufige Form der Neurasthenie gehOrt
sowohl in das Fach des Nervenarztes, wie in das des Spezialarztes für (Ge¬
schlechtskrankheiten, da alle die funktionellen Beschwerden und Störungen
des Nervensystems, welche jenes Krankheitsbild zusammensotzen, von organischen
Affektionen der Urethra, der Prostata oder des Uterus abhangen und zwar be¬
sonders solchen, die durch frühere oder gleichzeitige gonorrhoische Prozesse
bedingt werden. In derartigen Fällen setzt man heute an die Stelle der früheren
Diagnose „Hysterie* und „Hypochondrie* die weit logischere und berechtigtere
und exaktere Diagnose: „sexuelle Neurasthenie.* Es ist einleuchtend, ude
verschieden die heutige Therapie gegenüber der früheren sein muß. Während
früher die interne und externe symptomatische Behandlung angezeigt war,
nimmt heute die lokale Therapie, welche die Grundursache des Leidens berück¬
sichtigt, den ersten Bang ein. Dr. TObben-Münster.
Besprechungen.
141
Dr. Buid«ll«r, dirlg. Ant der Longenheilheilst&tte Cottbus und Dr. BBpk«,
dirig. Arzt der B^enbahoheilstltte Melsiugeii: Lelirbnoh der epeslflM^en
Dli^noBtlk und TAereple der Tuberkulose. Mit 118 Temperstnr*
karren and 5 lithographierten Tafeln. Wttrzbarg 1907. A. Stabers Ver¬
lag. Gr. 8*; 118 8. Preis: 4 M., geh. 4,80 M.
Das Bestreben, die menschenmordende Taberkalose zn bek&mpfen, Iflhrte
zahlrdehe Aerzte za experimentellen und tberapeatischen Immanisierongsrer-
Sachen. Jetzt haben wir 8 bekannte Taberknline ron Koch, rerschiodene
TOB Klebs, eins von Denys, eins von Beranek, eins ron Spengler,
daza eine ganze Anzahl ron aktiren and passiren Immnnisiernngsmethoden
nach Jenner-Pastear, Maragliano, Figari, Mamorek n. a. m.
Ueber jedes dieser Mittel Ist im Laote der Zeit eine mehr oder weniger om-
üaaneiche Literator entstanden, die neben vereinzelten nngflnstigen Besoltaten
aaeh gate Erfolge bekannt werden läfit. Die sich nicht selten recht wider-
rarechenden Ansichten hatten aber zur Folge, daß die in Frage kommenden
Mittel und Methoden nar von einer kleinen Anzahl der Aerzte angewandt
worden, während ihnen die Mehrzahl ratlos and zweifelnd gegenttberstand.
Dieser Verwirrang zu stenem and die Anwendung der spezifischen Diagnostik
and Therapie zum Allgemeingat der Aerzte zu machen, wird das Bandelier-
BOpkesche Bach bemen sein.
Klar und übersichtlich ist Anlage and Einteilang des Baches; mit
knappen Worten ist es den Verfassern gelangen, auch dem in der einschlägigen
Literatar anbewanderten Aerzte ein anscbanliches Bild zu entwerfen vom
Stande der ganzen Taberkalinbewegong, von seiner Anwendung za diagnostischen
and tberapeatischen Zwecken. Die Taberkulinanwendong bietet allerdings ge¬
wisse Schwierigkeiten and verlangt bestimmte Vorkenntnisse; an der Hand des
vorÜMenden Baches ist jedoch jeder Arzt imstande, sie nicht nur zur Diagnose
mit vorteil za verwerten, sondern auch völlig selbständig eine solche Kar
darchzulühren.
Der Taberkolinanhänger wird seine Freude an dem Bache haben, das
ihm über so manche Frage klare Antwort gibt, der er bisher zweifelnd gegen-
fiberstand. Zahlreiche erklärende Temperatnrtabellen, sowie kurze Abhand¬
langen ttber den Wert der spesiflschen Methoden bei Behandlung von Taber-
kaloee anderer Körperorgane erhöhen den Wert des Backes, das in keiner
ärstUcber Bibliothek feluen sollte und auch den Medizinalbeamten warm
empfohlen werden kann, besonders mit Bfioksicbt auf ihre vertraaensärztliche
Tätigkeit, bei der alle HiUsmittel für eine möglichst frühe and sichere
Dia^ose der Taberkalose von grofiem Werte sind.
Dr. Gnmprecht-Lippspringe.
Br. Osour Uabraluh und Or. Alezundsr LMZggMrd: Oompedlum
der ArsBelTerordiiaixg. Nach der Pharm, germ. ed. IV and den neuesten
fremden Pharmakopoeen. Sechste vollständig amgearbeitete Auflage. Berlin
1907. Fischers mediz. Bachhandlong H. Kornfeld. Gr. 8“; 900 S.
Pr^: 16 Mark.
In der neaen Auflage sind diejenigen Mittel, welche in den letzten
Jahren sich als weniger bedeatend heraosgestellt haben, möglichst kurz be¬
handelt, so dafi die seit dem Jahre 1901 neu empfohlenen Mittel eine aus-
ffihrliche Berficksichtignng finden konnten, ohne den Umfang des Werkes zu
sehr zu vergrößern. Die nea erschienene österreichische Pharmakopoe und
die Pharmakopoe der Vereinigten Staaten sind, so weit als möglich berfick-
dehtigt worden. Das vorliegende Werk behandelt alles, was für die Praxis
von Bedeatong ist; aaf die Angabe der Darstellang, Zasammensetzung and
Eigenschaften einer Substanz folgt die BesprecLong ihrer Wirkung and An-
wendang, die Angabe der Dosierung and der offizinellen Präparate, za denen
die betreffende Substanz benutzt wird; beigeffigt ist eine Answabl von Rezept-
formein. Der Praktiker kann sich leicht in ^ze Zeit über alle diejenigen
Punkte, welche für die Rezeptor oder Anwendung einer Substanz lös Heil»
mittel von Wichtigkeit sind, orientieren. Dr. Rump-Osnabrück.
148
TftCMBMhri«htn.
Dr. F. Slaattr, Holrat ia Ldpaig: Die PaexU <lee Ohemlken bet der
Unterenobimg tob Nebrnngsmlttela, Qebraaohegegenetftnden
und HeadelaprodakteB, bei byglentaohen nad bakterlologlsoben
UntereaobaBgen eovle la der gerlobtllohea Medlsla oad Hera*
eaalyee. Achte, dorchaos nmgearbeitete und wesentlich vermehrte Auflage.
Mit 194 Abbiidongen im Text und cahlrdchen Tabellen. Hambarg and Leipzig
1907. Verlag vonLeop. Voß. Gr. 8°; 1092 S. Preis: geh. 20 M., geb. ^ IL
Dieses Werk, das schon bei seinen früheren Anflagen überadl, nach an
dieser Stelle, angeteilte Anerkennung gefunden hat, nat durch die Neu*
auflage eine weitere wesentliche Verbesserung erfahren. Aus den vielen neuen
Verüffentllchnngen auf diesem Gebiete ist das praktisch Verwendbare und Be¬
deutungsvolle sorgfältig herausgesudit und hinzugefttgt; was VerL. bringt, ist
praktisch erprobt. Das Buch cfffflllt seinen Zweck vollständig; für den prak¬
tischen Gdurauch geschrieben, ist es für jeden, der speziell als Nahrungsmittel-
ehemiker tätig ist resp. später tätig sein will, ein unentbehrliches Lehrbuch
S eworden, das bei seiner erschöpfenden und leichtverständlichen Abhandlung
es ganzen Stoffes wohl das beste derartige Werk genannt werden kann
Auch für den ärztlichen Sachverständigen ist es ein recht gutes Nachschlage¬
werk. _ Bpd.
Fro£ Dr. Lewta-Berlin. Dl« QvuadUtgea für dl« Biedlslalnohe aad
roohtUoh« Beart^aag de« Zastnadekoauaean aad de« Tevlaafls
Toa Yerglftaa^ aad lafefctlOBskraakbelteB lai Betrieb«. Karl
Heymanns Verlag, Berlin.
Die in der kleinen Schrift in äußerst verständlicher, leicht faßlicher
Form enthaltenen Ausführungen sollen dem Bichter das nötige belehrende
Material bieten, um seine Kenntnisse zu bereichern und in zivilrechtlicher wie
unfallrechtlieber Verhandlung die erforderlichen Fragen so zweckentsprechend
wie möglich stellen und leichter den Gedankengbigen des Sadiverständigen
folgen zu können. Soweit würde Bef. der Ansicht des Verfassers unbedingt zu¬
stimmen. Wenn aber in dem Beiwort gesagt wird, daß der Bichter dureh
diese Schrift in manchen Fällen befähigt werden kOnne, die wesentlichen Ge-
sicbtspankte, soweit sie sich auf normale, oder durch Gifte krankhaft gewordene
Lebensvorgänm beziehen, allein zu beurteilen, so kann ich udch diesen
letzteren Ausführungen nicht anschließen, da nicht Laien, sondern nur Sach¬
verständige derartige Vorkommnisse zu beurteilen haben.
Dr.B.Thomalla-Waldenburg (Schlesien).
Dr. Wilhelm Bieraberg- Berlin: Koohkuaet nad Heilkaant. Die
Phynlologle der Koohkoant. Verlag von Wilh. Weicher, Leipzig 1906.
In leicht verständlicher, interessanter, fesselnder Form versteht es Ver¬
fasser obiges Thema zu behandeln. Er spricht zunächst über Gesdimadc und
Sehmackhaftigkeit, über Appetit und Appetitlichkeit. Darauf kommt er zn
der künstlichen und künstferisehen Ernährung, um endlich, nachdem er über
Sinnesgoiaß und Kunstgenuß gesprochen, sich über die Kochkunst gegenüber
der Bezeptierkunst und Heilkunst zu äußern.
Dieses Werk ist um so mehr den Aerzten als Lektüre anzuempfehlen,
als man unstreitig dem Verfasser darin zustimmen kann, daß der immer mdir
um sieh greifende ünfug mit den künstlichen Nährmitteln und die stetig zu¬
nehmende Vernachlässigung der Kochkunst in der Heilkunst zur Stellungnahme
drängen, um der diäte^chen Kochkunst eine ihr durchaus zukommende würdig«
Stdlung in der Heilkunst und in der medizinischen Wissenschaft zu sichern.
Dr. B. Tho mall a • Widdenburg (SchL).
Tagesnachrichten.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzunu vom 6. d. Mts. der Vorlage,
.betreffend Aenderung der Vorschriften über die Abgabe stek WlrkenMr
Amelnttttel in den Apotheken, seine Zustinunung erteUt.
Tagesnmchrichten.
148
Naeh «iner BeluuiBtaaehiutg des PrenßbcheD Knltonaiiiisteriiuiis haben
die kratolnttiche Prlfuf in den Jahren 1902 bia 1907 (einachlieflUch) be-
itaaden mit
1902:
sehr gut
6
gut
80
genügend
zusammen
46
1906:
1
86
20
67
1904:
1
46
28
70
1906:
4
80
19
63
1906:
4
42
11
67
1907:
2
40
14
66
Zoaanuaen: 17 221 98 889
DarehsehnittUehjihrUeh: 2,8 87,8 16,8 56,6
Unter anßerordentlieh großer Beteilignng hat am 11. d. Mts. der tob der
Aeratesehaft Orofl-Berlln veranstaltete Kemmers in Ehren Beberta
Keeh im Krollsehen Saale stattgefonden! Neben Vertretern des Koltos-
miaisterinms, der städUschen Behörden, der Berliner Universität nsw. hatten
deh mehr als 1000 Aerzte versammelt, tun den großen Forscher in feiern.
Der Kommers wurde von Geh. San.-Bat Dr. Stoeter mit einem Toast anl
Se. Maj. des Kaisers eröffnet; die eigentliche Festrede hielt San.*Bat Dr. Moll,
außerdem wurde Koch noch von Dr. Kntner, der Ihm die erste Bobert
Keeh-Medaille ttberreiohte, Dr. Lennhoff and Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Wal-
deyer gefdert. Mit kursen eindracksvollen Worten sprach der Gefeierte
seinen Dank ans. Er habe die Empfindang, daß das Fest weniger der Person
gelte, ab der Genagtaong, daß ein neuer Baustein der Wissenschaft an-
gegliedert werden konnte. Erst nachdem es ihm gelang sei, die Krankhdts-
wreger su entdecken, sei es mOglich geworden, die &ankheit selbst amu-
«dien. Db Diagnose bilde den Schlfissel lur modernen Seachenbekämpfung.
Daß es ihm wieder gelungen sei, das allgemeine Prinzip der Seachenbekämpfung
auch auf die neuen Krankheiten, die Schlafkrankheit, zu übertragen, eröffne
für ferne Zukunft die Ausdcht, aueh die Tuberkulose und die Syphilb erfolg*
Nieh bekämpfen zu können. Und daß er selbst den Grundsteb dazu geie^
erffiUe ihn mit freudigem Stob. Nichts aber kOnne ohne die gemeinsame
Arbdt aller praktbcben Aerzte errdcht werden, aus deren Beihen er her-
vorgegangen sd, deshalb gdte seb Hoch dem praktischen Arzt
Zur Bebert Koeb* Stiftung hat der VoiBtand des Deutschen Zentral-
Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose vorbehaltlich der Zustimmung des
Ausschusses eben Betrag von 60000 Mark bewilligt und dabei den Wunsch
ausgesprochen, durch eb Mitglied des Vorstandes b dem späteren Kuratorium
der StutUBg vertreten zu sein, um auf diese Webe ebe ständige Verbbdung
su schaffen zwischen den praktischen Strebungen des Zentralkomitees und den
verwiegend wbsensohaffentlichen Tendenzen der Bobert Koch-Stiftung. Mit
Ebreihung dieser Summe hat das Stiftungskapital die Summe von rund
800000 Ibrk erreieht.
Der Sf.KMgresa der Deutsebeu Cbsellzehaft für Uhlmrgle flndet
am 2L — 24 April d. J. b Berlb im Langenbeckhause statt Im Anschluß
daran wird am 26. April die Gesellsehaft fffr erthopldbche Chinurgtey und
am 26. April db Beutgeugeselbchaft eben daselbst tagen.
Der vom 21. November bb 12. Oktober 1908 b Washington, D. C.,
Ver. St von N. A. stattflndende btematleBale Tuberkulose-Kongress wird
nadi der ersten vorläufl^n Bekanntmachung sieben Abteilungen haben:
L Pathologie und Bakteriologie. — II. Klbbche Forschungen und Tuber¬
kulose-Therapie — Sanatorien SpitUer und Armen - Poliklbiken. — III. Chirurgie
und Orthopädie. — IV. Tuberkulose bei Kbdem. — Aetiologie Verhütung und
Behandlung. — V. Erschebunu der Tuberkulose vom hygienbchen, gesell-
adtaftlichen, gewerbstätigen und wirbchaftlichen Stan^unkte aus. — VL Ober-
aufsieht der Staaten und MunizipalbehOrden über die ^berkulose. — VIL Die
Tuberkulose bei Tieren und deren Beziehungen zum Menschen.
144
SpreohsaaL
Die erste and letzte Woche sind fhr Besichtigongsreisen bestimmt; in
der Woche Tom 28. September bis 80. Oktober werden die Abteilnngssitzongen
und zwei General •Versammlangen abgebalten.
Der Kongreß ist mit einer Aasstellang verbanden. Als Aoszeichnongs*
bezeagangen werden Denkmünzen, Diplome oder Geldprämien verliehen. Ehie
Prämie von 1000 Dollars ist für denjenigen Freiwilligenverein ansgesetzt, der
die besten Beweise von wirksamen Leistungen seit dem International-Eongreß
von 1905 mit Besag auf Linderung oder Verhütung der Tuberkulose za
liefern vermag; eine gleich hohe Prämie für das beste zar Schau ansgestellte
Modell einer möblierten Wohnung für die Armen, die den Kampf gegen die
Tuberkulose erleichtert.
Die im offiziellen Programm angemeldeten Vorträge werden schon im
voraus gedruckt und am Tage, an dem sie gehalten werden, verteilt. Sie er¬
scheinen in deutscher, französischer, spanischer und englischer Sprache.
Ordentliche Mitglieder haben einen Betrag von 6 Dollar, außerordent¬
liche einen solchen von 2Vt Dollar zu zahlen.
Schriftführer ist Dr. Henry Barton Jakobs, Schatzmeister Gen. George
M. Sternberg. Die Vertretungen für Deutschland hat das deutsche Zenträ-
komitee zur BeKämpfung der Tuberkulose übernommen, dessen Generalsekretär,
Oberstabsarzt Prot Dr. Mi et ner-Berlin, Eicbhomstraße 9, jede auf den Kon¬
greß bezügliche Auskunft erteilt._
Brkrankaagea oad TodesflUe ob ansteckendea Krankheiten ln
PreoBsea. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- and medizinische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 26. Dezember 1907 bis 1. Februar
1908 erkrankt (gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleck¬
fieber, Bückfallfieber, Pest, Botz and Tollwat: — (—); Pocken:
— (1), 6 (1), 7 (8), 4 (1), 8 (1), 8 (—); Bißverletzugen darch tollwat¬
verdächtige Tiere: 8 (—), — (—), 4 (1), 2 (—) 16 (-), 8 (—); Milz¬
brand: 2 (1), 1 (1), 4 (-), 6 (1), 2 (1), 1 (-); Ruhr: 1 (-), 1 (-), 2 (-),
2 (-), 7 (2), 1 (1); Unterleibstyphus: 124 (11), 119 (18), 242 (81), 221
(22), 200 (26), 191 (14); Diphtherie: 923 (58), 822 (61), 1590 (139), 1640 (147),
1629 (104), 1705 (117); Scharlach: 873 (44), 828 (53), 1817 (82), 1689 (94),
1702 (67), 1616 (66) ;Genickstarre:7 (8), 9 (8), 16 (4), 22 (5), 16 (10), 87 (16);
Kindbettfieber: 66(19), 66(7), 126(33), 139(36), 123(24), 136(24);Fleisch-
and Wurstvergiftung: — (—), — (-), 6 (—), — (—), — (—), — (—);
KOrnerkrankheit (erkrankt): 20, 67, 69, 109, 169, 202; Tuberkulose
(gestorben): 294, 236, 698, 641, 656, 569.
SprneliMutL
Anfknge des Dr. B. In 8.S Ist der Kreisarzt verpflichtet,
einer angeblich vom Amtsanwalt ausgehenden Auffordernng,
„sofort zum Schöffengericht zn kommen", Folge zu leisten, wenn
ihm diese durch einen unbekannten, jungen Mann mündlich über¬
bracht wird oder kann er eine schriftliche formelle Vorladung
verlangen? Welche Bestimmungen gelten in solchem Falle?
Antwort: Nadi § 143 der Strafprozeßordnung ist der Amtsanwalt
Vertreter der Staatsanwaltschaft vor dem Schöffengerichte und demzufolge nach
§218 Str. P. 0. berechtigt, Zeugen und Sachverständige vorzuladen. Für diese
Vorladungen finden die §§ 48, 60 u. 72 Anwendung; sie müssen danach „unter
Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens geschehen" und „ord¬
nungsmäßig" erfolg sein, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger w^en
unbegründeten Ausbleibens bestraft werden kann (§ 50). Es ist jedoch keines¬
wegs nötig, daß die Vorladung stets mit einer schriitlicnen Zustellung erfolgt,
wenn diese auch die Hegel bUdet Jedenfalls ist eine mündliche oder telepho¬
nische Vorladung zulässig; sie muß aber ordnungsmäßig, d. b. unter Hinweis auf
die gesesetzlichcn Folgen wegen Ausbleibens erfolgen; desgleichen muß sich der
damit vom Amtsanwalt Beanitragte als solcher dem vorznladenden Zeugen oder
Sachverständigen gegenüber legitimieren, falls er diesem nicht bekannt ist. Eine
schriftliche Vorladung kann dagegen nicht in jedem Falle verlangt werden.
Verantwortl. Bedaktenr^ Dr. Kap man d, Heg.- n. Geh. Med.-Hat in Mmden i W.
J. O O. Broaa, HenogL Sieba o. T. Seh.-L. HofbDCbdmckani (r Mlndaa.
2L Jahrg.
1908.
Zeitschrift
fttr
MEDIZINALBEAMTE.
ZeatnAlatt für das gssants Besuadkiitsiiiesea,
für gerichtliche Medizin, Peychiatrie und Irrenweeen.
Herausgegeben
Ton
Dr. OTTO RAPMDND,
Beg:laniiige- and Qeh« Medirinnlral In Minden.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WOrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fischers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld,
HaanogL Bam> Bat- u. BnbanogL ittiniiiar-BBffliliamnar.
Berlin W. 35, Lützowstr. 10.
Tnewrele nelunen dl# Terlofebendlanf sowie eUe iJinoneen-Bzpedltlonen dee In«
and 4aBlandes entgegen.
Nr. 5.
BncM nt am 5 . nnd SO. Jeden Monats.
5. März.
Die Dienstalters-, Pensionierungs- und Sterblichkeitsver¬
hältnisse der preussischen Medizinaibeamten, insbesondere
der Kreisärzte.
Vom Heraiugeber.
Die gegen Ende des Jahres 1905 snf Anregnng des Vorstandes
des Preußischen Medizinalbeamtenvereins veranlaßte Umfrage bei
sämtlichen nicht vollbesoldeten Kreisärzten, die sich hauptsächlich
ani die Feststellung ihrer amtlichen Tätigkeit, des Umfangs ihrer
ärztlichen Privatprazis nnd der Höhe der pensionsfähigen Gebühren
erstreckte, enthielt auch eine Frage über die Höhe der pen¬
sionsfähigen Dienstjahre beim Eintritt in das 65. Lebensjahr,
bei dem im allgemeinen angenommen wird, daß ein Beamter
40 Jahre im Dienst gewesen ist and demnach die höchste Pension
i*^Uo seines Gehaltes) beansprachen kann. Das Ergebnis der da¬
maligen Umfrage war, daß der preußische Kreisarzt mit 65 Jahren
dnrchschnittlich nur 80 Dienstjahre zorttckgelegt hat, also bis
znm 75. Lebensjahre im Dienste Meiben maß, wenn er die höchste
Pension erreichen will. Da jener Umfrage aber der Vorwurf ge¬
macht werden konnte, daß sie sich nur auf die nicht vollbesoldeten
Kreisärzte erstreckt habe und auch nnr von 75 o/o derselben be¬
antwortet sei, ist sie durch Bflckfragen über Alter nnd Anstellang
aller am 1. April 1901 im Amte befindlichen Kreisassistenzärzte,
Kreisärzte nnd Regierangs- and Mediziaalräte sowie der seitdem bis
znm 81. Dezember 1907 durch Tod, Pensionierung oder ans anderen
146 Die Dienstalters*, Pensionierongs* and SterblicbkeitsTerhältnlsse
Gründen ans ihrem Amte ausgeschiedenen Medizinalbeamten ent>
sprechend ergänzt. Der 1. April 1901 ist als Anfangspunkt für
diese statistische Zusammenstellung gewählt, einmal, weil an
diesem Tage das Ereisarztgesetz in Kraft getieten ist und in¬
folgedessen die Stellung der Kreisärzte eine vollständige Umgestal¬
tung erfahren hat; anderseits aber auch, weil es nur möglich
war, über die zu dieser Zeit vorhandenen und seitdem neu ange-
stellten Medizinalbeamten absolut zuverlässige nnd für die Sta¬
tistik verwertbare Unterlagen zu erhalten. Bei der Beschaffung,
Sichtung nnd Bearbeitung dieser Unterlagen hat mich der Kreis¬
arzt Dr. Hillenberg in Springe in der liebenswürdigsten Weise
unterstützt; er hat hauptsächlich die statistischen Zusammenstel¬
lungen besorgt, zu deren Ausarbeitung mir selbst die erforderliche
Zeit fehlte. Ich möchte deshalb nicht unterlassen, ihm hierfür
an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
Das aus dem beschafften Material festgestellte Ergebnis gibt
nicht nur einen genauen Aufschluß über den Eintritt der Medi¬
zinalbeamten in ihr Amt, sowie über das Ausscheiden aus dipsem
durch Tod, Pensionierung oder aus anderen Gründen, sondern
bildet auch eine einwandsfreie Grundlage füi* die Beurteilung
einer Reihe von sonstigen diese Beamten betreffenden Fragen und
gestattet außerdem einen Vergleich mit anderen gleichgestellten
Beamtenklassen, für die ähnliche statistische Zusammenstellungen
vorliegen.
Am 1. April 1901 standen im Dienst:
Begierongs- und Hedizioaliäte . 87
Kreisärzte und Gerichtsärzte . . 508
KreisassiBtenzärzte .... . . 22 *)
zusammen 567
Hiervon sind sind bis zum 81. Dezember 1907 ohne Pension
ausgeschieden und demzufolge außer Betracht gelassen: 7 fl
Reg.- u. Medizinal-Rat, 8 Kreisärzte, 1 Gerichtsarzt und 2 Kreis¬
assistenzärzte). Es bleiben somit übrig:
Begierungs- und Uedizinalräte. . 86
Kreisärzte nnd Gericbtsärzte . . 504
Kreisassistenzärzte .... . . 20
smsammen 560
Von diesen Medizinalbeamten standen am 1. April 1901 im
Lebensalter
Aber 86—80 Jahre:
!•)
0,18*/,
n
80—85
ff
23
SS
4,11 ,
n
85-40
f§
82
14,64 „
n
40—45
ff
104
18 57 ,
ff
45-50
ff
98
17,49 ,
ff
50-56
ff
114
=
20,86 ,
ff
66-60
fl
61
10,89 ,
ff
60-66
ff
48
=
7,68 ,
fl
65—70
H
88
s=
6,90 ,
n
70
91
1')
=r
0,18 ,
zusammen 560 (lOO**/«)
*) Die Kreisassistenzarztstellen waren am 1. April 1901'noch nicht alle besetzt.
*) 28 Jahre alt. *) 74 Jahre alt.
der preafiiaehen Medlzinalbeamten, inabesoBdere der Kreis&nte. 147
Ihr darchschnittliches Lebensalter stellt sich hier¬
nach anf 49,26 Jahre; ohne die Kreisassistenzärzte anf 50 Jahre.
Ihre erste Anstellung als Medizinalbeamter (Ereiswnnd-
arzt, Kreisassistenzarzt, Kreisphysikus oder Kreisai'zt) ist erfolgt
im Lebensalter
unter 25 Jahren bei 1 = 0,18 %
aber 25—80 Jahre
, 74
= 18,22 ,
, 80-86
» 286
= 41,97 ,
, 86-40
n
. 141
= 26,18 .
, 40-45
n
, 76
= 13,57 -
, 46-60
» 24
= 4,28 ,
„ 60-66
»_
. 9
= 1,60.
zosammen 660
(100%)
Es ergibt sich daraus ein durchschnittliches An-
stellungsalter von 34,94 Jahren, das sich aber fhr die An¬
stellung als Kreisarzt oder Gerichtsarzt auf 38,25 Jahre,
also wesentlich erhöht; denn von den am 1. April 1901 vorhandenen
540 Begiemngs- und Medizinalräten, Kreisärzten und Gerichts¬
ärzten sind zum Kreisarzt oder Gerichtsarzt ernannt im Alter
aber 25—80 Jahie 26 ss 4,81 o/o
. 80—85 , 165 = 80.55 „
- 86-40 - 146 = 27,04 ,
, 40-46 , 116 = 21,80 ,
, 46-60 . 47 = 8,71 ,
, 60-65 , 28 = 6,18 ,
, 66-60 , 6 = 1,11 ,
» , 7 = 1,80 ,
zosammen 540 (100 o/o)
Selbst wenn man bei den vorstehenden Berechnungen die¬
jenigen Medizinalbeamten, die vor ihrer Anstellung in anderer
Stellung, insbesondere im aktiven Militärdienst gewesen und demzu¬
folge in höherem Lebensalter in die Medizinalbeamten-Laufbahn
eingetreten sind, nicht berücksichtigt, so ändern sich die obenge¬
nannten Durchschnittsziffern nur ganz wenig und betragen für
die am 1. April 1901 im Dienst befindlichen Medizinalbeamten
bei der ersten Anstellung: 34,89, bei derjenigen als Kreisarzt:
38,18.
Die statistischen Zusammenstellungen geben auch eine Unter¬
lage ffir die Berechnung des durchschnittlichen Dienst¬
alters der Medizinalbeamten. Es stellt sich anf nur 14,32 Jahre
seit der ersten Anstellung und auf nur 11,75 Jahre seit der An¬
stellung als Kreisarzt, also bei Erreichung des 65. Lebensjahres
auf durchschnittlich 30,6 bezw. 26,75 Jahre, demnach fast genau
entsprechend dem Ergebnis der Umfrage im Jahre 1906.
Von den am 1. April 1901 im Amte befindlichen 87 Begie-
rnngs- und Medizinalräten*) sind in diese Stellung be¬
fördert im Lebensalter:
1) Im Alter von 24 Jahren.
Der später ohne Pension ansgeschiedene Begieinngs* and Medizinal¬
rat ist hier mitgezihlt.
148 Die Dienstalters*, PenBionieranga- and SterbliohkeitsTerhUtniaae
anter 86 Jahren 1‘) =
Aber 86—40 Jahre 4 = 10,8 ,
n
40-46
, 18 =48,6,
n
46—60
, 7 = 19,0 ,
II
60-66
, 6 = 16,8 ,
11
66-60
» !•) = 2,7 ,
zosammen 87 (100*/«)
Das durchschnittliche Lebensalter der Regierangs* and
Medizinalräte bei der B ef Order an g beträgt demnach 44,7 Jahre,
während sich ihr Dienstalter bis za diesem Zeitpunkte aaf
dnrchschnittlich 13,7 Jahre stellt; denn es sind befördert nach
weniger ala 5 Dienatjahren 6 = 18,6 *’/o
mehr ala 5—10 „ 6 = 16,8 ,
, , 10-16 , 14 = 87,8,
, , 16-20 , 8 = 21,6 ,
. , 20-26 , 4 = 10,8 ,
87 (100 ®/,)
Die Regierangs* and Medizinalräte sind also etwas früher (mit
dorchschnittUch 31 statt 33,94 Jahren) in die Medizinalbeamten*
Laoibahn eingetreten.
Wie haben sich nan diese Verhältnisse im Laufe
der nächsten Jahre bis zur Jetztzeit gestaltet?
Streng genommen hätte za diesem Zwecke für jedes ein¬
zelne Jahr eine ähnliche Zasammenstellang gemacht werden
müssen, wie vorher für die am 1. April 1901 vorhandenen Medi¬
zinalbeamten; es dürfte aber genügen, wenn die entsprechenden
Verhältnisziffern für die seitdem nea angestellten and für alle
am 31. Dezember 1907 im Dienste befindlichen Medizinalbeamten
festgestellt werden.
Im ganzen sind seit dem 1. April 1901 206 Medizinal¬
beamte nea angestellt; ihr Lebensalter betrag
a) bei ihrer ersten Anstellung überhaupt:
25- 80 Jahre bei: 18 = 6,31*/«
80—36 , , : 64 = 31,07 ,
86-40 , , : 78 = 86 44 ,
40-45 , 43 = 20,87,
46-60 , , : 13 = 6,31 „
zaaammeo 206 (lüO*/,)
b) bei ihrer Ernennung zam Kreisarzt (153):
26- 80 Jahre bei: 4= 2 6t*/,
30-36 , , : 28 = 18,80 ,
35-40 , , : 62 = 40,63 ,
40-46 , , : 39 = 26,49 ,
46-60 , , ; 17 = 11,11 ,
60-66 , , : 1 = 0,66 ,
66-60 , , ; 2 = 1,31 ,
zosammen 168 (100 “/«)
Ihr durchschnittliches Anstellangsalter stellt
sich also beim Diensteintritt aaf 37,37 Jahre und
bei der Ernennung zam Kreisarzt auf 38,65 Jahre. Bleiben
bei dieser Berechnung des Lebensalters bei der ersten Anstellung
Im Alter yon 34*/a Jahren. *) Im Aller von &7'/i Jahren.
der preaßisehen Medizinalbeamten, iosbeeondere der EreisSrzte. 149
die gleich als Kreisärzte angestellten Medizinalbeamten anßer
Betracht, so stellt sich das durchschnittliche Anstellnngsalter der
nach dem 1. April 1901 angestellten Kreisassistenzärzte
p34) allein auf 35,2 Jahre. Werden ebenso wie vorher die¬
jenigen Medizinalbeamten außer Betracht gelassen, die früher in
anderer Stellung (Militärärzte nsw.) gewesen sind, so erniedrigen
sich jene Dnrchschnittszififern anf 36,42 bezw. 38,51, also eben¬
falls nur sehr wenig. Vergleicht man die betreffenden Dnrch-
schnittsziffem mit denjenigen, die vorher bei den am 1. April 1901
im Amte befindlichen Medizinalbeamten festgestellt sind, so zeigt
sich ein etwas höheres Anstellnngsalter, insbesondere bei der
ersten Anstellang (37,37 statt 34,94 Jahre), während der Unter¬
schied bei der Anstellung als Kreisarzt ein geringfügiger ist
(38,65 statt 38,25 Jahre). Die Ursache hierfür ist jedenfalls
darin zu suchen, daß jetzt die Zahl der Kreisassistenzärzte
eine viel geringere ist als diejenige der früheren Kreiswund¬
ärzte und sich demzufolge die Gelegenheit zur ersten An¬
stellung entsprechend vermindert hat. Außerdem haben seit dem
1. April 1901 noch manche damals zur Verfägung gestellte ältere
Kreiswundärzte Wiederanstellang namentlich als Kreisärzte ge¬
funden, so daß auch dadurch eine Erhöhung des durchschnittlichen
ersten Anstellungsalters herbeigeführt ist. Immerhin wird nach
Lage der Sache kaum zu erwarten sein, daß sich dieses in den
nächsten Jahren niedriger als früher stellen wird; ist es doch
für die seit dem 1. April 1901 ernannten Kreisassistenzärzte allein
berechnet höher als damals (35,2 statt 34,94 Jahre) und bei den
zur Zeit im Amte befindlichen Kreisassistenzärzten auch etwas
höher (35,57 Jahre).
Am 31. Dezember 1907 waren nun in Dienst:
Begiemiigs- und Medizinalräte: 88
Kreis- and Gerichtsärzte: 529*)
Kreisassistenz ärztej_ 49
zusammen 616
Ihr Lebensalter betrag an diesem Zeitpunkte:
über 25—80 Jahre:
, 20-85
, 85-40
, 40-45
, 45—50
, 50-55
, 55—60
, 60-65
, 65-70
, 70-75
19
38 = 6,17 „
60 = 9,74 ,
125 = 20,29 ,
106 = 17,21 „
110 = 17,86 ,
88 = 14,28 ,
59 = 9,68 ,
15 = 2,43 ,
12 - 1,95 ,
zusammen 616 (lOO ’/o)
Das durchschnittliche Lebensalter der Medizinalbeamten
beträgt danach 49,32 Jahre, ohne die Kreisassistenzärzte 50 Jahre.
>) Bei den Kreis- und Gerichtsärzten sind auch die Stadtärzte mit kreis¬
ärztlichen Funktionen, sowie die Gerichtsärzte, die gleichzeitig Professoren der
gerichtlichen Medizin sind, mitgezählt. 7 Kreisarztstellen waren am 81. De¬
zember 1907 erledigt.
160 Die Dienetolten-, PensioiiieriuigS' und SterbliebkeitsTerhiltnleee
Ihre erste Anstellung als Medizinalbeamter (Sxeiswnnd*
arzt, Ereisassistenzarzt, Ereisphysikns oder Kreisarzt) ist erfolgt
im Lebensalter:
unter ^ (24*/^ Jahren bei 1 = 0,16 ®/,
über
25-80 Jahren bei 79 = 12,82
80-35
9
, 246 = 39,94
85-40
9
- 180 = 29,22
40-45
9
, 76 = 12,18
46-60
II
, 28 = 4,65
60—66
9
, 6 = 0.97
55 (56)
fl
, 1 = 0,16
zusammen 616 (100 ®/,)
Es ergibt sich darans ein durchschnittliches Anstel-
Inngsalter von 85,3 Jahren, das sich fttr die im Amte befind¬
lichen Ereisassistenzärzte anf 85,57 Jahre ,fQr die Anstellnng als
Kreis- nnd Gerichtsarzt anf 37,85 Jahre erhöht Von den Ereis-
assistenzärzten befanden sich nämlich bei ihrer Anstellnng
im Alter Ton
mehr nie 26—80 Jahren 6 = 10,2
80-86 . 22 = 44,9
18 = 26,6
6 = 10,2
4 = 8,1
, , 86-40 ,
, - 40-46 .
. . 45-50 .
“/•
W
w
n
fl
zosanunen 49 (100 ®/o)
Die Ernennung znm Kreisarzt oder Gerichtsarzt war
dagegen bei den übrigen 567 Medizinalbeamten erfolgt im Alter von
mehr als 25—80 Jahren 82 = 6,64 */,
80—86
9
178 = 8061
86-40
9
189 = 88,83
40—45
9
108 = 18,17
46—60
9
46 = 7,94
60-66
9
17 = 8,00
66—60
9
8 = 1,41
zosanunen 567 (l(X)®/o)
Die hier gefundenen Dnrchschnittsziffem (85,3 nnd 87,85)
decken sich demnach fast genau mit den för die am 1. April 1901
vorhandenen (84,94 nnd 88,25) nnd die später neu angestellten
Medizinalbeamten (85,2 nnd 88,68), wenn man bei den letzteren
nnr das Anstellungsalter der KreisassisteDzärzte allein zum Ver¬
gleich heranzieht. Ebenso ist das durchschnittliche Beför-
dernngsalter der Regiernngs- nnd Medizinalräte bei
den am 81. Dezember 1907 im Amte stehenden genan so hoch wie
bei der Berechnung für den 1. April 1901: 44,8 gegen 44,7. Die
Beförderung ist nämlich erfolgt im Lebensalter von
weniger als 85 Jahren bei 1
mehr als 86— 40 » • 5
17
II
fl
fl
m
- -40 ,
, 40-45
, 45-50
, 50-55
, 55-60
»
n
D
fl
8
5
Q
2.63 ®/o
13.15
44,75
21.06
18.15
5,26
(100 ®/o)
Auch das durchschnittliche Dienstalter bei der
Beförderung ist fast das gleiche geblieben (13,2 gegen 18,7 Jahre)!
der prenflischeB HediziBalbeamtea, InebesoBdere der Ereieinte. 161
Denn es sind von den am 81. Dezember 1907 yorhandenen Be-
giernngs- und Medizinalrftten befördert nach
weniger als 6 DieastJahren 4 = 10,62 */o
melir als 6—10 , 8 == 21,06 ,
, , 10-16 , 13 = 34,20 ,
, , 15-20 , 9 = 2;V0 ,
, , 20-26 , 4 == 10,62 ,
zasammen 38 (100 ”jo)
D^gleichen stellt sich das Alter der Begiemngs- nnd Me¬
dizinalräte beim ersten Dienstantritt wiedemm niedriger als bei
den übrigen Medizinalbeamten (31,5 statt 85,3).
An! Grand der vorstehenden statistischen Berechnungen
ergiebt sich weiterhin ein darchschnittliches Dienstalter
für die am 81. Dezember 1907 im Dienst befindlichen Medizinal¬
beamten von 14,16 Jahren seit der ersten Anstellang and von
12,15 Jahren seit der Anstellang als Kreisarzt, das sich danach
bei Erreichung des 65. Lebensjahres nur anf 29,96 bezw. 27,15
erhöhen würde.
Was non den Eintritt der Dienstnnfähigkeit nnd die
Sterblichkeitsverhältnisse der Medizinalbeamten anbe¬
trifft, so sind diese verhältnismäßig ungünstig. Obwohl beim In¬
krafttreten des Kreisarztgesetzes die Mehrzahl der über 60 Jahre
alten Medizinalbeamten zar Verfügung gestellt und dadurch
gleichsam eine Verjüngung dieses Beamtenstandes bewirkt worden
ist (nur 13,76'^/o der Gesamtzahl hatte damals das 60. Lebensjahr
überschritten), sind von den damals (am 1. April 1901) im Dienst
befindlichen Medizinalbeamten bis zum 81. Dezember 1907, also
während eines Zeitraumes von 6*/4 Jahren,
geztorbea: 78 = 13,93 ^’/o,
peasio aiert; 67 = 10,18 ,,
zaBaaunea: 135 = 24,11 */o.
Innerhalb genau 7 Jahre scheidet danach ein Viertel
sämtlicher Medizinalbeamten aus dem Dienste durch Tod oder
Invalidität, so daß sich hieraus ein duichsctmittliches Dienst-
alter von 28 Jahren ergiebt; in Wirklichkeit ist dieses aber,
wenigstens bei den Ausgeschiedenen, noch um mehrere Jahre nie¬
driger.
Von den 135 Medizinalbeamten standen bei ihrem Aus¬
scheiden
durch durch
im Alter Ober
Peasionieruag:
Tod:
Oberhaupt;
35-40 Jahre;
‘)
—
8 = 8,84 V,
8
= 2,22»/,
40-45
n
1 = 1J6V,
6 = 6,41 ,
6
= 4,44 ,
45-50
9
4 = 7,00 .
9 = 11,64 ,
18
= 9,68 ,
50-55
9
6 = 10,60 ,
18 = 23,08 ,
24
= 17,76 ,
65-60
9
6 = 8,76 ,
18 = 16,67 ,
18
= 18.34 ,
60-65
II
9 = 16,80 *
14 = 17,95 ,
28
= 17,02 ,
65—70
11
25 » 48,95 ,
16 = 19,23 -
40
= 29,67 ,
70
19
7 = 12,26 ,
1 = 1.28 ,
8
= 6,92.
zusunmea 57 (100 */«)
78 (100 V«)
186
(100»/,;
Das durchschnittliche Lebensalter der Ausgeschie
*) VondeaPensioBiertea war der jttngste 44, der filteste 75V* Jahre alt,
TOB dea Verztorbeaea der jttagete 86, der älteste 78 Jahre alt.
152 Die DieDstslters', PensionieraDge* nad StexblichkeitsTerliiltBiMe
denen betr&g^ demnach 69,68 Jahre and zwar 56,9 Jahre bei
den Verstorbenen and 63,2 Jahre bei den Pensionierten.
Besonders ongflnstig stellen sich die Dienstalters-
verhältnisse bei den aasgeschiedenen Medizinalbeamten; es
hatten nämlich ein pensionsfähiges Dienstalter:
die pensionierten:
▼erstorbenen:
zusammeii:
bis 5 Jahrei) —
4= 6,12%
4
= 2,96%
aber 6—10 ,
—
8 = 10,25 ,
8
= 6,92 ,
- 10-15 ,
6 = 8,76%
8 = 10,25 ,
13
= 9,63 ,
» 16-20 ,
9 = 16,80 ,
14 = 17,96 ,
23
= 17.02 „
, 20-26 ,
13 = 22,85 ,
19 = 24,40 ,
32
= 23,74 „
, 26-80 ,
14 = 24,60 ,
16 == 20.60 ,
80
= 22,23 .
, 80—35 ,
8 = 1400 „
8 = 10,25 „
16
= 11-84 „
, 86-40 ,
7 = 12,25 ,
1 = 1,28 „
8
= 6,92 ,
» 40-46 .
1 = 1.76 .
1
= 0,74 ,
xasunmen: 57 (100 »/o) 78 (100 */o) 135 (100%)
Ihr darchschnittliches Dienstalter beträgt somit
nnr 22)8 Jahre, and zwar bei den Pensionierten: 25,7,
bei den Verstorbenen: 20,7 Jahre.
Ans den vorstehend mitgeteilten statistischen Znsammen-
stellangen ergeben sich nnn folgende Schloß folgerangen, die
als ÜQterlage za einem Vergleich mit anderen akademisch ge*
bildeten Beamtenklassen dienen kdnnen. In Betracht kommen hier*
bei haaptsächlich die Richter and Oberlehrer, da nor fftr diese
ähnliche Berechnnngen vorliegen.
Die ersteAnstellnng des Medizinalbeamten, von der das
pensionsiähige Dienstalter beginnt, erfolgt im Alter von
rond 86 Jahren; er mnß also bis znm 76. Lebensjahre im Dienste
bleiben, wenn er die höchste Pension erhalten will. Bei den
während der Zeit vom 1. April 1901 bis 31. Dezember 1907 ans
dem Amte durch Tod oder Pensionierung ausgeschiedenen Medizinal*
beamten hat sich dieses Verhältnis sogar noch etwas nngfinstiger
gestellt, denn ihr pensionsfäbiges Dienstalter betrag beim Ans*
scheiden im durchschnittlichen Alter von 59,58 nur 22,8 Jahre; sie
hätten demznfolge erst nach 17,2 weiteren Jahren bei 76,78
Jahren ein Dienstalter von 40 Jahren erreicht. Sowohl bei den
Juristen, als bei den Gymnasiallehrern and anderen Beamten*
kategorien liegen diese Verhältnisse dagegen wesentlich gttn*
stiger, weil bei ihnen das pensionsfähige Dienstalter
nicht erst vom Tage der ersten Anstellung, sondern vom Eintritt
in den Vorbereitungsdienst nach Ablegang der ersten
Staatsprüfung (Referendar*, Bauführer*, Oberlehrer* nsw. Examen)
beginnt, also bis 11 Jahre früher; denn man kann wohl
annehmen, daß jene Prüfung durchschnittlich 4 Jahre, bei den
Oberlehrern’) 6 Jahre nach dem Bestehen des Abitorient^-
ezamens abgelegt wird. Dabei ist die Ansbildangs* und
1) Das geriogste Dienstalter betrag bei den Pensionierten 11, bei
den Verstorbenen 2*/« Jahre, das höchste 45 bezw. 89 Jahre.
*) Bei den Oberlehrern beginnt das pensionsfähige Dienstalter mit
der Eintragung in die Kandidatenliste nach Beendigong des Yorbereitan^
dlenstes and der dann erfolgten Vereidigang; da aber bei der Berechnang der
Pension die beiden Yorbereitangsjahre zagerechnet werden, so beginnt es in
der preuBiseheii MedizinalbeuDteB, ioebesoadere der Kreisirate. 168
VorbereitaDgszeit der Medizinalbeamten mindestens eine
ebenso lange wie bei den anderen ähnlichen Beamtenkategorien.
Im allgemeinen wird angenommen, daß bei den Juristen, Ge>
werbeanfsichtsbeamten, Baabeamten, Gymnasiallehrern nsw. 8—0
Jahre erforderlich sind, bis sie die Befähigung zu ihrem
Amte erreicht haben. Mindestens die gleiche Zeit bedarf
aber der Arzt bis zur Erlangung der Befähigung als
Kreisarzt; denn 5 Jahre hat er nötig zu seinem Studium, Vs
zur ärztlichen Prflfung, 1 Jahr zur Ableistung des praktischen Jahres,
2 Jahre ärztliche Berufstätigkeit und Vorbereitung bis zur Zu¬
lassung zur kreisärztlichen Prüfung und etwa 1 Jahr bis zur Ab¬
legung dieser Prüfung, zusammen also 9Vs Jahr! Diese Ziffer
bedeutet für ihn jedoch das Minimum, für alle anderen Beamten
dagegen mehr oder weniger das Maximum. Daß außerdem sein
Bildungsgang und die damit verbundenen Prüfungen (ärzt¬
liche Vor- und Hauptprüfung, Doktorpromotion, Ereisarztprfl-
fang) und Anforderungen an Arbeitskraft und Geld dem Bildungs¬
gänge aller vorgenannten Beamten mindestens gleichwertig
sind, wird wohl von keiner Seite bestritten werden.
Mit der im günstigsten Falle nach 9Va Jahren erlangten
Befähigung als Kreisarzt hat der Arzt nun keineswegs schon die
sichere Aussicht aut eine baldige Anstellung; er muß vielmehr
auch eine fünfjährige selbständige praktische Tätigkeit als Arzt
nach der Approbation ausgeübt haben,so daß er frühestens
11 Vs Jahre nach dem Beginn seines Studiums, also im Lebensalter
von Sl'lf*) J&hiea anstellungsfähig ist, während alle anderen
hier in Betracht kommenden Beamten diese Anstellungsfähigkeit
bereits im Alter von 28—29 Jahren erreichen. In Wirklichkeit
liegen aber die Verhältnisse für ihn noch ungünstiger, da er nach
vorher mitgeteilten statistischen Zusammenstellungen erst nach
15 Jahren, also im Lebensalter von 85 Jahren auf Anstellung
redinen kann, und auch dann zunächst nur als Kreisassistenzarzt
gegen eine jährliche Remuneration von 900—1200 Mark, während
die endgültige Anstellung als Kreisarzt durchschnittlich erst
im Lebensalter von 38,5 Jahren erreicht wird. Es dürfte wohl
kaum einen anderen Beamtenstand geben, der in bezug auf das
durchschnittliche Anstellungsalter so ungünstig gestellt ist, wie
die Kreisärzte. Für die Richter hat Klatt^j ein solches von
34,69 bezw. 33,2 Jahren festgestellt, für die Oberlehrer ist es von
Schröder*) auf 84^Via Jahre berechnet, von KlattV, der für
Wirklichkeit mit dem Bestehen der Oberlehrerprttfang (s. Klatt: Die rer-
schiedenen Arten des Dienstalters, insbesondere die nene Anciennität. Monats¬
schrift fttr höhere Schalen. VI. Jabrg., 8. Heft, Seite 430—438.
1) Siehe § 2, Nr. 4 des Kreisarztgesetzes and § 3, Nr. 4 der Dienst¬
anweisung fttr äe Kreisärzte.
*) Es ist hier das 20. Lebensjahr als Daichschnitt fttr das Bestehen der
Abiturientenprttfong angenommen.
*) Prof. Dr. M. Klatt: Die Alters- und Sterblichkeitsyerbältnisse der
preuttsdien Bichter und Staatsanwälte. Berlin 1904. Verlag von 0. Liebmann.
V Derselbe: Siehe yorher Anmerkang 2 aaf S. 152.
*) Dr. H. Sehroeder: Oberlehrer, Bichter, Offiziere. Zweite Auflage.
Klftl und Leipiüg 1897. Verlag yon Lipsius A^Tischer.
154 Oie Oienetalters*, PeaaioBieniBge* and SterbliehkeiteTerhUtnisee
seine Berechnnng dnen größeren Zeitranm zngmnde gelegt hat,
auf 80,1 Jahre; das gibt eine Differenz yon 4—8 Jahren zn ün-
gnnsten der Kreisärzte.
Diesen außerordentlich nngttnstigen Anstellnngsverhältnissen
der Medizinalbeamten gegenüber wird vielleicht von mancher Seite
der Einwand erhoben, daß diese selbst die Schuld daran tragen,
indem sie es in der Regel verziehen, jahrelang in anderen
Stellungen, insbesondere als praktische Aerzte, tätig zu sein und
erst in verhältnismäßig spätem Lebensalter den Entschluß fassen,
die Laufbahn als Medizinalbeamter zu ergreifen. Von anderer
Seite wird weiterhin eingeworfen werden, daß die Medizinal¬
beamten mit den Richtern, Ereisbaubeamten, Gewerbeinspektoren
oder Oberlehrern nicht verglichen werden können, da sie zwar
im Hauptamte angestellt, aber in ihrer großen Mehrzahl amtlich
nicht vollbeschäftigt und demzufolge nicht vollbesoldet seien. Beide
Einwände sind jedoch hinfällig; sie treffen wohl für die früheren
Verhältnisse zu, aber nicht mehr für diejenigen nach dem Inkraft¬
treten des Ereisarztgesetzes. Tatsächlich entschließen sich die
Aerzte jetzt viel früher zur Ablegung der Ereisarztprüfnng
als in der Zeit vor dem Ereisarztgesetz, denn die Ansprüche an
das Wissen und Können der betreffenden Prfifungskandidaten sind
derartig erhöht, daß es ein älterer Arzt gar nicht mehr riskiert,
sich einer derartigen Prüfung zu unterwerfen. Einen Vorteil in
bezug auf die Anstellung hat ihnen allerdings die frühere Absol¬
vierung des Ereisarztexamens bisher noch nicht gebracht; sie
müssen nach wie vor jahrelang auf diese warten, obwohl es jeden¬
falls ihr Wunsch ist, so bald als möglich in die Medizinalbeamten¬
laufbahn einzutreten.
Noch weniger stichhaltig ist aber der andere Einwand, daß die
meisten Kreisärzte durch ihre amtliche Tätigkeit gar nicht voll¬
ständig in Anspruch genommen werden, sondern noch genügend
Zeit übrig haben, um ärztliche Privatpraxis auszuüben und
sich dadurch eine erhebliche Nebeneinnahme zu verschaffen. Auf
die Hhinfälligkeit dieses Einwandes ist von dem Verfasser schon
wiederholt hingewiesen, so daß er auf seine früheren Aus¬
führungen über diese Frage Bezug nehmen kann, zumal sowohl
in den früheren Beratungen des Abgeordnetenhauses über den
Medizinaletat, als in der diesjährigen nicht blos vom Minister¬
tische ans, sondern auch mehr oder weniger von den Vertretern aller
Parteien im Abgeordnetenhause anerkannt ist, daß sich die Voraus¬
setzung, der Kreisarzt könne neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit
noch nebenamtlich eine größere ärztliche Praxis treiben und sich
dadurch erhebliche Nebeneinnahmen erwerben, als irrig heraus¬
gestellt hat. Man braucht sich ja nur die den Kreisärzten nach
ihrer Dienstanweisung obliegenden vielseitigen Aufgaben zu ver¬
gegenwärtigen, um sofort zu erkennen, daß ihnen deren gewissen¬
hafte Erfüllung keine Zeit mehr für eine anderweitige Tätigkeit
übrig läßt. Die ständige Beobachtung der gesundheitlichen Verhält¬
nisse seines Bezirks, die Aufdeckung von sanitären Mißständen und
die rechtzeitige Anregung der zu ihrer Beseitigung erforderlichen
der preufileehen MedüdnelbeamteB, iaebeeondere der Kreiabzte. 156
Maßregeln/sowie die damit yerbondeneD zahlreichen Dienstreisen)^)
Wahmehmnniren yon Terminen, Verhandlnngfen nsw. stellen selbst
in mittelgroßen Bezirken ein solch yoU gerfltteltes und geschütteltes
Maß yon Arbeit dar, daß sie die Arbeitskraft eines Mannes
yollständig in Anspruch nehmen, wie sich dies auch tat¬
sächlich bei der großen Mehrzahl der Kreisärzte nach dem Er¬
gebnis der Ende 1905 yeranlaßten Umfrage als zutreffend her-
ansgestellt hat. Ebenso wie die yorstehenden statistischen Zusam¬
menstellungen, die auf absolut zuyerlässigen Unterlagen beruhen
die Richtigkeit des damaligen Ergebnisses bestätigt haben, wonach
die Kreisärzte im 65. Lebensjahre durchschnittlich erst 80 Dienst¬
jahre haben, wird auch sicherlich eine yon amtlicher Seite yer-
anlaßte Umfrage zu dem damals festgestellten Ergebnis führen,
daß 75°/o aller Kreisärzte amtlich yollbeschäftigt sind und eine
irgendwie nennenswerte ärztliche Tätigkeit nicht mehr ansüben. Ist
d(^ seitdem das Arbeitsfeld des Kreisarztes nicht yermindert,
sondern noch weiter yermehrt; ich brauche in dieser Hinsicht nur
an die yermehrten Aufgaben zu erinnern, die den Kreisärzten durch
das Inkrafttreten des neuen preußischen ^uchengesetzes mit seinen
Ausführungsbestimmungen, sowie auf anderen Gebieten: auf dem Ge¬
biete der Säuglingspflege, Fürsorge für Tuberkulöse und Krüppel,
Ueberwachung des Desinfektionswesens usw., erwachsen sind. Man
wird daher schwerlich fehlgehen, wenn man in Uebereinstimmnng
mit Wodtke*) die durchschnittliche Dauer der amtlichen Tätigkeit
auch der nicht yollbesoldeten Kreisärzte in mittleren und größeren
Kreisen auf täglich 7^/, Stunden bemißt; betrug sie doch schon
zur Zeit der Umfrage gegen Ende 1905 in 168 Kreisen mit
weniger als 50000 Einwohnern 5,9 und in 201 Kreisen mit mehr
als 50000 Einwohnern 7,2 Stunden. Daß aber die Oberlehrer,
Richter usw. durchschnittlich wöchentlich 45 Arbeitsstunden ihrem
Amte widmen müssen, dürfte doch nur für eine Minderzahl zutreffen.
Auch die yorher mitgeteilten Fensionierungs- und Sterb-
lichkeitsyerhältnisse der Medizinalbeamten lassen in überzeu¬
gender Weise erkennen, wie aufreibend die amtliche Tätigkeit
dieser Beamten ist. Im durchschnittlichen Alter yon 59,58 Jahren,
nach nur 22,8 Dienstjahren, sind sie yerbraucht, und zwar erfolgt
der Abgang durch Tod schon im Alter yon 56,7, durch Dienstunfähig-
keit yon 68,2 Jahren, nach 20,7 bezw. 25,7 Dienstjahren. Nur
*) üeber die amtliche Tätigkeit der Kreisärzte enthalten übrigeos
die alljährlich in der Zentralinstanz ansgearbeiteten Generalsanitätsberichte ein-
wandafreie Angaben, die eine ganz aoßerordentliche Steigernng anf sanitäts-
nnd medizinalpolizeilicbem Gebiete erkennen lassen. Von 1903 bis 1905 (soweit
liegen die Berichte bis jetzt vor), also innerhalb 3 Jahre, sind z. B. (für
dne Kreisarztstelle berechnet) die Geschäftsnnmmern von rund 800 anf 1900,
^e Dienstreisen Ton 55 anf 77, die Termine von 30 anf 52 gestiegen; rechnet
man dazu noch die gerichtsärztlichen Geschäfte (im J^e 1905 dnrch-
schnittlich 25 Termine, 11 Beisen nnd 40 üntersnchnngen), so ergibt sich
daraus, daß schon die Hälfte der Arbeitstage des Kreisarztes dorch Dienst¬
reisen (88) nnd Termine (77) in Ansprnch genommen ist.
*) Kehe den offtziellen Bericht ttber die XXIII. Hauptversammlnng des
Freoßisehen MedizinalbeamtenTereins. Berlin 1906, S. 88.
156 Die Dieiutalteri>, Peii8ioiiieriiag8> and SterbliehkeitererhUtnisie
ein einziger (0,74«/») Ton den ansgeechiedenen Medizinalbeamten
hat ein Dienetalter Aber 40 Jahre erreicht; 8 = 5,92 Vo oin solches
von 85—40 nnd 16 = 11,84 ^/o ein solches von Aber 80—36 Jahren;
während nicht weniger als 82,50 */•» also fast der Gesamt-
zahl nicht einmal die Dnrchschnittsziffer von 80 Jahren erreichten.
Diese Ziffern sind mindestens ebenso nngAnstig wie die betreffenden
Ziffern fflr die Oberlehrer, die angeblich am schnellsten von allen
Beamten verbraucht werden sollen, nnd viel nngAnstiger wie die¬
jenigen für die Richter. Nach Schröder^) beträgt das Durch¬
schnittsalter der Oberlehrer beim Ausscheiden aus dem Amte
56,8 Jahre, so daß sich bei einem Anstellungsalter von durch¬
schnittlich 84*V,, Jahren fAr das Dienstalter ein Mittel von rund
22 Jahren ergibt; wird jedoch die Elattsche*) Ziffer fAr das
Anstellungsalter (80,1 Jahre) zugrunde gelegt, so erhöht sich
jene Ziffer auf 26,7 Jahre und stellt sich wesentlich höher als
die fAr die Medizinalbeamten. Das Durchschnittsalter der Richter
beim Ausscheiden aus dem Amte ist von Elatt^) auf 62,60 Jahre
(fAr die Verstorbenen auf 60, für die Pensionierten auf 67 Jahre)
berechnet, das Anstellungsalter auf 34,69 bezw. 83,2 Jahre; dem¬
nach beträgt das Mittel für ihr Dienstalter 27,31 bezw. 28,8 Jahre.
Von 1000 Richtern haben nach Elatt^) 446,17, also fast die Hälfte,
die Anwartschaft, das 65. Lebensjahr im Amte zu erreichen, während
deren Zahl unter den Medizinalbeamten eine verschwindend ge¬
ringe ist.
Es entspricht nur der Billigkeit nnd Gerechtigkeit, daß alle
im Hauptamte angestellten nnd vollbeschäftigten Beamten mit
gleichem Bildungsgang, gleich langer Vor- und Ausbildungszeit
auch in ihren Eompetenzen gleichgestellt werden. Zu den Eom-
petenzen eines Amtes gehört aber nicht nur das Gehalt, sondern
auch die Pension sowie die Wittwen- und Waisenversorgung.
Wenn daher einwandsfrei der Nachweis geliefert wird, daß in
dieser Hinsicht ein Beamtenstand ungünstiger gestellt ist, als die
anderen ihm gleichgestellten, dann ist es auch Pflicht des Staates,
AbhAlfe zu schaffen und zwar nicht nur mit Rücksicht auf den Be¬
amten, sondern auch mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse;
denn je später ein Beamter in sein Amt gelangt, desto mehr wird
er bestrebt sein, so lange als möglich in diesem auszuharren, um
ein möglichst hohes Ruhegehalt zu bekommen. Hierin liegt je¬
doch eine große Gefahr für das Allgemeinwohl, welches die Pen¬
sionierung eines Beamten verlangt, sobald er wegen hohen Alters
nicht mehr im stände ist, den ihm obliegenden Aufgaben gerecht
zu werden. Gerade von den Medizinalbeamten muß aber sowohl
volle geistige wie körperliche Rüstigkeit gefordert werden, da
sich ihre Amtsgeschäfte nicht vom grünen Tisch aus erledigen
lassen, sondern häufige und anstrengende Dienstreisen zur Vor¬
nahme von Untersuchungen und Besichtigungen an Ort nnd Stelle,
Abhaltung von Terminen usw. fordern.
Daß in bezug auf die Pensionierung der Medizinalbe¬
amten, speziell der nichtvollbesoldeten, eine anderweitige Regelung
0 L c.
der prenflisehen Medizinalbeamteo, insbesondere der Krelslrate. 157
ein dringendes Bedürfnis ist, wird sowohl von Seiten der Staats-
regiening, wie Yon Seiten des Abgeordnetenhauses in dankens¬
werter Weise anerkannt. Von sämtlichen Abgeordneten, die bei
der diesjährigen Beratung des Medizinaletats teils in der allge¬
meinen Debatte, teils zu dem Titel ^Kreisärzte" das Wort genommen
haben, ist die Notwendigkeit einer solchen Regelung betont, und
mit Recht von dem Abg. y. Voß darauf hingewiesen,
,daß es sich aacb in dieser Bichtung empfiehlt, reichlich zu geben
und zu verheißen. Denn es ist eine Sache von unleugbarem Öffentlichen
Interesse, daß dem Kreisarzt die Entschließung, in den Ruhestand zu treten,
nicht allzusehr durch die Betrachtung erschwert wird, daß er nachher vielleicht
nicht auskömmlich existieren kann. Der Kreisarzt bedarf unter allen Um>
ständen der vollen geistigen und körperlichen Frische; es genttgt zur Ver¬
waltung dieses Amtes nicht, daß er noch eine leidliche Bureankraft darstellt,
sondern er hat die Obliegenheit, unausgesetzt an Ort und Stelle, vielleicht
nach langjährigen, Tag flir Tag fortgesetzten Wagenfahrten in greulichen
Spelunken, etwa an der russis^en Grenze, sofort m jedem einzelnen Falle
bereitzustehen, die Fäden festznstellcn, auf denen die Seuche zu dieser
Stelle gelangt sein kOnne, die Fäden festzostellen, durch welche die Seuche
sich vielleim schon verbreitet haben kann. Überall sofort vom Platze weg
Maßregeln zu treffen, um dem üebel zu steuern — kurz, es liegen dem
Kreisärzte Leistungen ob, die die höchsten Anforderungen an die geistige
und physbche Kraft stellen. Sobald also der Kreisarzt auch nur
ein leises Sinken seiner Kräfte wabrnimmt, ist er pf licht mäßig
in die Notwendigkeit versetzt,nachzudenken, ob er nicht ans
dem Amte scheidenmnß, und das durch eine ausgiebige und
reichliche Ausgestaltung der Pensionsfähigkeit zu er¬
leichtern, ist Gegenstand ernstlicher Erwägung.*
ln wirksamer Weise wirddem jetzigen Misstande
aber nur dann abgeholfen, wenn die nicht Yollbesol-
deten Kreisärzte nach Maßgabe des Dienstalters der
gleichaltrigen Yollbesoldeten Kreisärzte pensioniert
und allen Medizinalbeamten bei Berechnung des pen¬
sionsfähigen Dienstalters der Vorbereitungsdienst an¬
gerechnet wird. Ist eine solche Anrechnung nach dem jetzigen
Pensionsgesetz nicht möglich und ein anderer Weg zu il^er
Durchführung nicht denkbar, so dürfte eine dementsprechende
gesetzliche Neuregelung auf keine Schwierigkeiten stoßen^), insbe¬
sondere nicht im Landtage, da sie den hier ausgesprochenen
Wünschen durchaus entspricht. Dasselbe gilt betreffs der Be¬
rechnung des pensionsfähigen Dienstalters der nicht Yollbesoldeten
Kreisärzte nach Maßgabe dar Yollbesoldeten; ist doch für eine
solche Gileichstellung bereits insofern ein Vorbild gegeben, indem
die nicht Yollbesoldeten Kreisärzte beim Einrücken in eine yoU-
besoldete Stelle mit dem Gehalt des Kreisarztes Yon gleichem
Dienstalter beginnen. Der Yon Seiten der Staatsregieruug in
Anssicht genommene Weg, jenen Misstand dadurch zu beseitigen,
daß allen nicht Yollbesoldeten Kreisärzten ein Betrag Yon 2250 M.
als pensionsfähiges Einkommen zugerechnet werde, bedeutet
zwar eine wesentliche Besserung in dieser Hinsicht, stellt aber
gleichwohl, so dankenswert diese Besserung ist, doch nur eine
*) Ftlr die Kreizzehulinspektoren izt z. B. eine solche Bestimmung in
Artikel VI des PensioBs-Ergänzungsgesetzes vom 27. Mai 1907 getroffen.
168 Die Dienetaltere-, Pensionieroiigs* und Sterblichkeltererhlltiiisse
halbe Maßregel dar, die diesen Misstand nicht vollständig be¬
seitigt. Man braucht sich nur za vergegenwärtigen, wie sich die
Verhältnisse dann künftighin gestalten werden, und wird dann
sofort erkennen, daß die nicht vollbesoldeten Kreisärzte den voll¬
besoldeten gegenüber bei der Pensionierung wesentlich benach¬
teiligt werden. Es würde nämlich dann das pensionsfähige Dienst¬
einkommen betragen:
Anfangs-, Dorchscbnitts- und Höchstgehalt,
l&x die Tollhesoldeten Kreisärzte 412ä M. 6175 M. 6226 M.
n , nicht YoUbesoldeten , 4050 M. 4500 M. 4950 M.
Während also der Unterschied in dem Anfangsgehalt nur
ein ganz geringer (75 M.) ist, steigt er bei dem Dorehschnitts-
gehalt schon auf 675 und bei dem Höchstgehalt auf 12 75!! Mark;
bei der Pensioniernng kommt aber nicht das Anfangsgehalt, son¬
dern hauptsächlich das Durchschnitts- und Höchstgehalt in Frage.
Jener Weg würde nur dann den bestehenden Mißstand be¬
seitigen, wenn bei der bevorstehenden Erhöhung der Beamten-
besoldungen das Gehalt der nicht vollbesoldeten Kreisärzte unter
Einführung von Dienstaltersstufen so erhöht würde, daß diese unter
Zurechnung eines Zuschusses von 2250 M. das pensionsfähige
Einkommen der betreffenden Dienstaltersstufen der vollbesoldeten
Kreisärzte erreichen.
Wenn in Gehalts- und Pensionierungsfragen eine Neurege¬
lung beabsichtigt ist, dann empfiehlt es sich dringend, diese der¬
artig zu treffen, daß sie als dauernd betrachtet werden kann,
damit die berechtigten Klagen der betreffenden Beamten über
augenscheinliche Zurücksetzungen hinter anderen gleichartigen
Beamtenkategorien endlich verstummen und dadurch auch ihre
volle Freudigkeit und Opferwilligkeit im Amte erhalten bleibt.
Dieser Gesichtspunkt findet hofientlich auch für den Medizinal¬
beamten bei der jetzt bevorstehenden Regelung der Beamtenbe-
solduQg dadurch Berücksichtigung, daß sie wie alle ihnen gleichen
Beamtenklassen (Gewerbeinspektoren, Kreisbauinspektoren, Ober¬
lehrer usw.) den Richtern im pensionsfähigen Diensteinkommen
gleichgestellt und die ungünstigen Verhältnisse in bezug auf ihr
Dienstalter tunlichst beseitigt werden. Hat doch jetzt selbst ein
vollbesoldeter Kreisarzt ein wesentlich geringeres Dienstein¬
kommen als ein gleichaltriger Richter, da seine Anstellung als
Kreisarzt wesentlich später erfolgt. Noch ungünstiger stellt sich
aber seine Pension, während z. B. zurzeit der Oberlehrer im
65. Lebensjahre eine Pension von 4896 und der Richter eine
solche von 5796 M. erhält, beträgt diese für den vollbesoldeten
Kreisarzt durchschnittlich nur 4254 M., da er 10 pensionsfähige
Jahre weniger hat.*)
*) Im EQnigrcich Sachsen ist nach der neuen Begelong der Beamtea-
besoldungen das Gehalt der Bezirksärzte, denen die Austtbong der PriTatpraxia
mit Eintritt der erhöhten Besoldung yerboten ist, auf 4500 bis 7500 Hark
festgesetzt unter Gewährung eines Dienstaufwandes von 1000 Hark, im Eöniff-
reich Bayern für die Beziwärzte bei Belassung der Priyatpraxis auf 8000 n>
6000 Hark.
der preoffisehen HedLdnelbeamten, inebeeondere der Kreisärzte. 169
Ein ähnlicher ünterschied macht sich bei den Begiernngs-
nnd Medizinalräten den anderen Regiernngsräten gegenüber be¬
merkbar; denn einmal werden sie erst im Lebensalter von 44,8
Jahren befördert, während der Yerwaltnngsbeamte durchschnittlich
im Lebensalter von 88 Jahren in eine etatsmäßige Begierungs-
ratsstelle eintritt, anderseits stehen sie diesem gegenüber ganz
erheblich in bezug auf das pensionsfähige Dienstalter zurück. Es
ist vor nicht langer Zeit in den politischen Zeitungen mehrfach
der Vorschlag gemacht, den technischen Beamten bei den Begie-
mngen gerade mit Rücksicht auf diese ungünstigen Verhältnisse
gegenüber den Verwaltungsbeamten von vornherein eine pensions-
fäUge Gehaltszulage von 6—900 Mark zu gewähren; ein Vor¬
schlag, der volle Berücksichtigung verdient, namentlich auch mit
Rücksicht darauf, daß doch für diese Beamten die Ernennung zum
technischen Bat in der Aufsichtsinstanz eine Beförderung be¬
deutet und im großen und ganzen damit ihre Laufbahn mit
ganz geringen Ausnahmen einen Abschluß erhält, während die
Ernennung des Begierungsassessors zum Begiernngsrat lediglich
das Einrücken in eine etatsmäßige Stelle darstellt und die Ver-
waltnngsbeamten viel günstigere Aussicht auf eine weitere Be¬
förderung in eine besser dotierte Stellung haben. Jedenfalls
würden es die betreffenden Beamten mit Freude und Dank be¬
grüßen, wenn bei der nächsten Erhöhung der Beamtenbesoldnng
diesem Gesichtspunkte Rechnung getragen nnd damit die bei
ihnen zweifellos vorhandene Benachteiligung gegenüber den Ver¬
waltungsbeamten beseitigt würde.*)
Auf Grund der vorstehenden statistischen Zusammenstellungen
nnd der daran geknüpften Ausführungen kann ich zum ScUnß
nnr wiederholen, daß die Dienstalters-, Pensionierungs¬
and Sterblichkeitsverhältnisse der Medizinalbeamten
ungünstiger sind, als bei den anderen gleichartigen
Beamten nnd daß es mit Rücksicht hierauf nicht bloß im In¬
teresse der Beamten selbst, sondern auch im öffent¬
lichen Interesse eine Abhilfe dringend erforderlich ist.
Diese Abhilfe wird am besten dadurch getroffen, daß
1. den Medizinalbeamten die nach Ablegung der ärztlichen
Prüfung erforderliche Vorbereitnngszeit zur Erlangung der
Befähigung für ihre amtliche Stellung als pensionsfähiges
Dienstalter angerechnet wird,
2. eine Gleichstellung der vollbesoldeten Kreisärzte in bezug
auf das Höchstgeh^alt mit den Richtern erfolgt und
3. für die nicht vollbesoldeten Kreisärzte Dienstaltersstufen
unter entsprechender Erhöhung des Gehalts eingeführt
werden sowie die Berechnung ihres pensionsfähigen Ein¬
kommens entweder nach Maßgabe desjenigen der vollbesol¬
deten Kreisärzte erfolgt oder ihrem Gehalte ein Durch-
0 Diese Qesichtsponkte haben in der neuen bayerischen Qehaltsord-
nnng Berhcksichtigong gefunden; danach erhalten die Kreis •Medizinalräte, die
den preofi. Begiemngs- und Hedinalräten entsprechen, ein Oehalt yon 6000
bis 8400 Mark.
160
Die diesjährige Beratnng des prenßischeB
Bchnittsbetragf in solcher Höhe hinzngerechnet wird, daß da*
durch ihr pensionsfähiges Diensteinkommen demjenigen der
Yollbesoldeten Kreisärzte gleichsteht.
Die diesjährige Beratung des preussischen Abgeordneten¬
hauses Uber den Medizinaletat.
Vom Herausgeber.
Während seit dem Inkrafttreten des Kreisarztgesetzes die
Beratnng des Abgeordnetenhanses Aber den Medizinaletat fast ans*
nahmslos zn Ende der ganzen Etatsberatnng, mitnnter sogar in vor*
gerflckter Stande erledigt worden ist und demzoiolge nnr verhält*
nismäßig wenig Zeit in Ansprach genommen hat, haben sich die dies*
jährigen Verhandlnngen am 24. and 26. Februar durch eine ebenso
erschöpfende wie sachkandige Behandlang der einschlägigen Fragen
aasgezeichnet. Die Medizinalbeamten werden dafür sowohl dem
Herrn Minister, als dem Abgeordnetenhaase um so dankbarer sein,
als gerade ihre amtliche Stellung, sowie ihre in dieser Hin¬
sicht geäußerte Wünsche eine eingehende Erörterung gefunden
haben, deren Gesamtergebnis als ein verhältnismäßig günstiges
bezeichnet werden muß, wenn danach auch vorläufig noch nicht
auf die volle Erlüllung aller Wünsche gerechnet werden kann.
Zunächst waren die Vertreter aller Parteien — Dr. Buegen*
berg und Dr. Heisig (Zentrum), Lüdecke (freikons.), Marz
(Zentrum), v. Voss-Beckenbrügge (kons.), Dr. Keil (nat.-lib.),
Peltasohn (freis. Verein.), Gyßling(freis. Volkspart.) darin
einig, daß in einem schnelleren Tempo als bisher die Umwand*
lang der nicht vollbesoldeten Kreisarztstellen in voll¬
besoldete erfolgen müsse, und zwar überall da, wo der Kreisarzt
vollbeschäftigt und infolgedessen nicht mehr in der Lage sei, eine
Privatprazis auszuüben, die irgendwie erhebliche Einkommens*
ertrüge abwirft. Ob das Ergebnis der Ende 1905 veranstalteten
Umfrage, wonach 75 <yo aller Kreisärzte völlig von ihren amtlichen
Dienstobliegenheiten in Anspruch genommen würden, tatsächlich
zutreffend sei, bedürfe selbstverständlich erst der amtlichen Nach*
prüfnng; aber der Abg. v. Voss bemerkte sehr richtig, daß in
der Bejahung der Frage, ob die Umwandlung einer nicht voll¬
besoldeten Stelle in eine vollbesoldete erwünscht sei, seitens des
betreffenden Kreisarztes doch zugleich die Bereitwilligkeit zur
gänzlichen Verzichtleistung auf die Privatprazis liege, und diese
danach nicht einmal den ganzen Unterschied zwischen der Voll-
und Nichtvollbesoldung anfzubringen scheine. Ebenso betonte mit
Recht derselbe Abgeordnete, ,daß in dieser Hinsicht eine gewisse
Eile geboten sei, da es sonst nicht aasbleiben könne, daß der
Andrang zu den Kreisarztstellen in empfindlichem Maße nach*
lassen würde, oder zu befürchten stehe, daß sich die Kreisärzte
aus Leuten rekrutieren wärden, die nach einer vielleicht nicht
allzu nützlich verbrachten medizinischen Vorbereitungszeit sich
nicht mehr Zutrauen, aus eigener Kraft eine Präzis zu gewinnen.
Abg«or<lBetenhftiu68 ttb«r den Mediiinaletat. 161
In ihnlieher Weise äußerten sich alle flbrigren Redner; desgleichen
wurde Tom Herrn Minister die Notwendigkeit einer Vermehrnng
der ToUbesoldeten Kreisarztstdlen anerkannt, da die Sorge der
Behörden für die Giesnndheit der Beyölkemng in den letzten
Jahren stete gestiegen sei und voraassichtlich weiter znnehmen
werde. Hoffentlich wird man non auch ein schnelleres Tempo in
dieser Hinsicht einschlagen and den Wünschen des Landtages gemäß,
die sieh mit denen der Medizinalbeamten völlig decken, allen voll¬
beschäftigten Kreisärzten auch volle Besoldung gewährt. Wie
viele hierbei in Betracht kommen, darauf will ich hier nicht näher
eingehen; die Frage ist bereits wiederholt von mir an dieser
Stelle erörtert und auch in der vorstehenden Abhandlung über
die Dienstalters- usw. Verhältnisse der Medizinalbeamten berührt
worden, so daß ich darauf Bezug nehmen kann. Dasselbe gilt
betreffs der Pensionierungsverhältnisse der nicht voll-
besoldeten Kreisärzte, die dort ebenfalls eingehend be¬
sprochen sind. Daß nach dieser Richtung hin endlich Wandel
geschaffen werden soll, ist für die Medizinalbeamten hoch erfreu-
Uch und nur bedauerlich, daß diese Aenderung nach den Aeuße-
mngen des Herrn Minister erst für das Etatsjahr 1909 zu er¬
warten steht. Der Herr Minister hat ja aber ein so großes
Wohlwollen für die Medizinalbeamten bekundet, daß er doch
vielleicht einen W^ findet, um die beabsichtigte Regelung dieser
dringend der Abhilfe bedürftigen Angelegenheit noch für 1908
SU ermöglichen.
Nicht minder erfreulich ist, daß den berechtigten Wünschen
der Medizinalbeamten betreffs einer Erhöhung der Dienstauf-
wandsentschädigung Rechnung getragen werden soll, und
daß der Herr Minister bereit ist, wegen Ausdehnung des
Fürsorgegesetzes von 1902 auf die Mediz nalbeamten mit den
beteiligten Ministem in Verbindung zu treten.
Auch die vom Herrn Minister mitgeteilten Grundsätze ftlr
die Verteilung der Reisekosten-Pauschalsummen werden
■ich voraassichtlich als zweckmäßig erweisen, zumal bei einer
Aber das sonst übliche Maß der Reisen hinausgehenden I**ansprach-
nahme den Kreisärzten eine besondere Entschädigung dafür zuteil
werden soll. Wir befürchten nur nach wie vor, ebenso wie dies
von den Abgeordneten Dr. Ruegenberg, Lüdike und Pelta-
aohn geschehen ist, daß die Pauschalsumme an sich zu niedrig
gegriffen ist und daß es späterhin schwer halten wird, eine Er-
Kühang herbeizuführen. Ist doch die Durchschnittsziffer der
Dienstreisen im sanitäts- und medizinalpolizeilichen Interesse von
1903 bis 1905 von 65 auf 77 gestiegen nnd wird sicherlich seitdem
eine weitere Steigerang erfahren haben. Daß aber die Vorzüge einer
Pauschalierung der Reisekosten gerade bei den Medizinalbeamten
weit weniger zur Geltung kommen, als bei allen anderen Lokal¬
beamten, ist bereits früher von mir hervorgehoben; die gleichen
Bedenken sind anch von den Abgeordneten Dr. Ruegenberg,
Lfldike nnd Peltasohn geäußert.
Die angekündigte Gehaltsaufbesserung für beide Kate-
163
Die diesjihrige Beratung des preußischen
gorien von Süreisärzten wird jedenfalls von den betreffenden Be¬
amten freudig begrüßt werden; hoffentlich bringt sie auch den
nicht Yollbesoldeten Kreisärzten statt der bisherigen drei Gehalts-
klassen Gehaltsstafen nach dem Dienstalter. Auch die Vorlage
einer neuen Gebührenordnung wird den Kreisärzten wiU-
kommen sein, vorausgesetzt, daß sie nicht eine Verschlechterung,
sondern eine Besserung der bisherigen Bestimmungen bringt.
Ebenso wie sein Amtsvorgänger hat der Herr Minister die
Kreisärzte gegen den Vorwort des „üebereifers" warm in
Schutz genommen und betont, daß sich die Klagen in dieser Hin¬
sicht nicht als begründet herausgestellt hätten, und daß er zwar
bereit sei, bei berechtigten derartigen Klagen Abhilfe zu schaffen,
anderseits aber erwarten müsse, daß der Eifer der Kreisärzte
niemals erlahmen möge. Trotz der Bedenken gegen übereifrige
Kreisärzte wurde übrigens auch von konservativer Seite der
Tätigkeit der Kreisärzte und die dadurch in gesundheitlicher
Hinsicht erzielten Erfolge volle Anerkennung gezollt. Es herrscht
hier aber immer noch die Ansicht vor, daß die Ausübung von
ärztlicher Privatprazis für die amtliche Tätigkeit des Kreis¬
arztes von großem Nutzen sei und ihm schon deshalb weiter ge¬
stattet werden müsse. Gerade das Gegenteil ist aber der F^!
Bringt sie ihn doch ständig mit seinen Amtspflichten in Kollision,
macht ihn vom Publikum abhängig und stört seine guten Be¬
ziehungen zu seinen Bernfsgenossen, deren Mitwirkung bei vielen
gesundheitlichen Fragen für ihn von großer Bedeutung ist.
Der Kreisarzt soll in erster Linie „Krankheiten verhüten*‘
und nicht „Krankheiten heilen*'; seine amtliche Tätigkeit liegt
also auf ganz anderem Gebiete als die des Arztes; sie ist aber
nicht minder wichtig, denn ein erfolgreiches „Vorbeugen von
Krankheiten* bringt für das Allgemeinwohl weit größeren Nutzen
als die Heilung der einzelnen Kranken. Der Kreisarzt muß vor
allem ein tüchtiger Fachmann auf dem großen Gebiet der
Hygiene und zwar der praktischen Hygiene sein, wenn er
seinen amtlichen Aufgaben in vollem Umfange gerecht werden
soll; er muß sich deshalb fortgesetzt mit den Errungenschaften
der Wissenschaft wie mit den praktischen Erfahrungen auf
diesem Gebiete vertraut machen, da es ihm nur dann möglich
sein wird, in jedem Einzelfalle die geeigneten Maßregeln unter
Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Beteiligten Vor¬
schlägen zu können. Verlangt man doch auch von den Spezial¬
ärzten nicht, daß sie noch allgemeine ärztliche Berufstätigkeit
ausüben; man sieht im Gegenteil diejenigen, die dies ton, mit
Recht als nicht vollgültige Spezialisten au! Gerade in der Gleich¬
mäßigkeit der Beobachtung und Bearbeitung der einschlägigen
Materie, wie sie nur von einem im Hauptamt angestellten, durch
keine ärztliche Privatprazis abgelialtenen Beamten zu erwarten
steht, ist das beste Mittel gegen etwaige übertriebene und über¬
eifrige Bestrebungen zu erblicken.
Wer die Entwicklung des öffentlichen Gesundheitswesens in
den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hat, der wird die Beob-
AbgeordnetenliaaBM Uber deo Medizinaletat.
168
achtong gemaeht haben, daß ein besonderer Wert anf die Be-
lehrnng und Aaiklärnng der Bevölkerung gelegt wird. Und wem
fällt diese Aufgabe zu? Dem Kreisarzt! Er soll dazu jede Ge¬
legenheit benutzen und besonders durch Teilnahme an den Sitzungen
der Gesundheitskommissionen, der Lebrerkonferenzen, der land¬
wirtschaftlichen Vereine usw. das Interesse fflr die Lehren der
öffentlichen Gesundheitspflege wachrufen. Gerade auf diese Weise
bleiben sie mit dem wircklichen Leben und mit der Bevölkerung
ihres ganzen Amtsbezirks weit mehr in Fflhlnng und werden
sich deren Vertrauen weit mehr gewinnen, als wenn sie Privat¬
praxis treiben, die sich doch nur in engen Grenzen bewegt und
anf einen verhältnismäßig kleinen Klientenkreis an ihrem Wohn¬
orte und in dessen nächster Umgebung erstreckt. Niemand kann
zweien Herren dienen; wird er dazu gezwungen, so liegt stets
die Gefahr vor, daß er den einen vor dem anderen bevorzugt — in
diesem Falle würde es die Privatprazis sein — oder daß er bei
beiden ungenügende, stümperhafte Arbeit leistet. Eine solche
Zwitterstellung ist auch nicht geeignet, die Stellung und das
Ansehen der betreffenden Beamten zu heben; „dem Publikum
imponiert keineswegs dieser Kentaur von nicht vollbesoldetem
Kreisärzte, der zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz
auf vier Beinen in der Privatpraxis stehen muß, aber auch
gleichzeitig als aufrechter, streng objektiver Beamter mit Ge¬
setzesrechten Ansprüche erheben will.“
Die Erfahrungen, die man mit den von der ärztlichen Privat¬
praxis losgelösten Medizinalbeamten in bezog auf ihre amtliche
Tätigkeit und zwar nicht nur in Preußen, sondern auch anderwärts,
z. B. im Großherzogtum Hesssen, gemacht hat, sind tatsächlich so
yorzügliche, daß sie nur zur weiteren Anstellung solcher Beamten
anffordem können. Mit Becht ist übrigens sowohl vom Herrn
Minister, als von dem Abg. Dr. Buegenberg darauf hinge¬
wiesen, daß die Tätigkeit der Kreisärzte fast ausschließlich nur
eine begutachtende und beratende ist, und daß die von ihnen vor¬
geschlagenen Maßnahmen auch die Zustimmung der ausführenden
Verwaltungsbehörden erhalten müssen, die sich sicherlich gegen zu
weitgehende und zu kostspielige Forderungen ablehnend verhalten
werden. Der Abg.Dr.v.Heydebrand und der Lase meint aller¬
dings, daß ihnen diese Ablehnung nicht viel helfen würde, da sie
vorkommendenfalls in der Begierungsinstanz, wo die Sachen von dem
Begiemngs- und Medizinalrat bearbeitet würden, nicht den erfor¬
derlichen Schutz erhielten; er übersieht dabei aber, daß der Begie-
rnngs- und Medizinalrat gerade in dem hier hauptsächlich in Be¬
tracht kommenden Angelegenheiten (Wasserleitungen, Schulen, Ka¬
nalisationen usw.) nur Korreferent ist, also in zweiter Instanz genau
dieselbe Stellung einnimmt, wie der Kreisarzt in erster Instanz. Er¬
freulicherweise gehören jedoch alle diese Fälle zn den selteneren;
denn wenn das Verhältnis zum Landrat und Kreisarzt ein solches
Siehe Wodtke: Die Tätigkeit der Kreisärzte seit dem Inkreft-
tretee aee Kreiserztgesetzes. Offizieller Bericht über die Heaptversemmlnng
des PrenfiischeB MediilBalbeamten-Vereins; Berlin 1906, 8. 85.
164
Dia diaajährige Beratimg des pranßiscbea
iat, wie es sein soll, dann wird sich, wie Dr. Bnegenbergr sehr
richtig bemerkt, auch jederzeit ein Weg znr Verstftndignng linden
lassen, nm nnnOtige oder die Leistnngst&higkeit der Gemeinden
tibersteigende Belastungen zn vermeiden.
Daß anf dem platten Lande in hygienischer Hinsieht
nodi viel zn tan flbrig bleibt, wird Niemand, der die Verhältnisse
ans eigener Anschanang kennt, bestreiten können. Der Abg. Dr.
y. Heydebrand und der Lase fährt allerdings die grOßwe
Sterblichkeit anf dem Lande hauptsächlich auf die Abwandemng
der gesundheitlich kräftigen BevOlkemng in den besten Jahren
nach den großen Städten zurück, so daß auf dem Lande nur noch
Greise und Sonder Zurückbleiben; diese Abwanderung bildet aber
doch nur eine der vielen anderen Ursachen, von denen die meisten
auf sanitärem Gebiete liegen (mangelhatte Hmäbrungs*, Wobnungs*
und Trinkwasserverhältuisse, nicht ausreicbende ^aDkeofttrsorge
nsw.). Es würde zuweit führen, an dieser Stelle weiter aut diese Ver*
hältnisse näher einzogehen; daß aber nicht bloß von den Medizinal-
beamten, sondern auch von anderen, in enger Fühlung mit der länd¬
lichen Bevölkerung stehenden V^'reinen auf jene Mißstände hinge¬
wiesen und die Notwendigkeit einer Abhilfe betont ist, dafür gibt die
von der Zentralstelle für Volkswohlfahrt und vom Deutschen Ver¬
ein für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflt$ge an sämtliche Bundes¬
regierungen vom November v. J. gerichteten Eingabe, betr. die
Unterernährung auf dem Lande und deren Folgeerscheinungen, den
besten Beweis. Anderseits haben es sich gerade die Medizinal¬
beamten angelegen sein lassen, durch fortgesetzte Aufklärung und
Belehrung, sowie durch die sogenannten kleinen, mit verhältnis¬
mäßig geringen Kosten verknüpften Mittel einen Fortschritt in
dieser Ansicht anzubahnen,^) und diesen auch mit Hilfe der Land¬
räte in vielen Bezirken erreicht, ohne daß dadurch eine Mehr¬
belastung der Gemeinden eingetreten ist. Man darf dabei auch
nicht vergessen, daß viele sanitären Einrichtungen nicht eine
Mehrbelastung, sondern eher eine Entlastung darstellen; insbe¬
sondere gilt dies betreffs der Wasserleitungen.
Bei Gelegenheit der Erörterung über die Dienststellang der
Kreisärzte wurde von dem Abg. v. Voß auch die Tätigkeit der
Provinzial-Medizinalkollegien in zutreffender Weise ge¬
schildert und deren Aufhebung befürwortet. Wir können uns
diesen Ausfdhmngen nur in allen Punkten anschließen. Die
Tätigkeit der Provinzial Medizinalkollegien als RevisionsbehOrde für
Obdoktionsprotokolle und Eutmündigungsgutachten ist eine vOllig
überflüssige, wie wir dies schon früher wiederholt betont haben;
gerichtsärztliche Obergutachten kOnnen aber auch in anderer Weise
von den Gerichten beschafft werden, wie solches z. B. schon jetzt in
Unfiall- and Invaliditätssachen gescMeht. Ob sich eine Ausdehnung
*) Betreffs der hierbei einzaschUgenden Wege muß auf dea vortreffliehen
Vertrag des Herrn Kreiaarstee Dr. Gatkneobt-Belgard Uber die Hygiene
anf dem platten Lande vervrieeen werden. OiflzieUer Bericht ttber die
XXL Haaptversanunlnng des Prenü. Med.-BeamtenTereins; Berlin 1904.
AbgeordBeteiihaiu«i Uber dea Medizianletat.
166
der T&tigkeit der Provinzial ■ Medizinalkollegien anf das Gebiet
der Öffentlichen Geenndheitepflege empfiehlt, dfirfte sehr zweifel¬
haft sein; denn einmal ist eine derartige EollegialbehOrde in der
Provinzislinstanz nicht nOtig, anderseits erscheint es nicht zweck-
mftßig, die Tätigkeit einer solchen Behörde anf zwei voneinander
ganz verschiedene Gebiete za erstrecken, auch wenn hei ihrer
Zosammensetzang darauf Bficksicht genommen wird. Man sollte
statt dessen dem Oberpräsidenten einen medizinisch-technischen
Bat (Provinzial-Medizinalrat) heigeben; Arbeit wird dieser genug
finden. Der Oberpräsident hat ja nicht nnr die Nenkonzessionen
ftr Apotheken zn erteilen, sondern in seinen Händen mht auch
die allgemeine StaatsaoMcht Aber die Aerztekammer und die
Provinzialanstalten, desgleichen ist er Vorsitzender des Provinzial-
Schalkolleginms; für alle diese Gebiete kann ihm aber ein medi¬
zinisch-technischer Beirat nnr erwünscht sein. Hoffentlieh fällt
die Beform der Medizinalkollegien in diesem Sinne ans!
Wir lassen non nachstehend zunächst den stenographischen
Bericht Ober die Verhandlungen des Abgeordnetenhanses hetr.
die Stellung der Kreisärzte folgen; die weiteren Verhand¬
lungen über die Bekämpfung ansteckender Krankheiten, insbe¬
sondere Pocken, Abwässerreinignng, Leichenschau, Krfippelfflr-
sorge, Nahrangsmittelkontrolle, Hebammenwesen nsw. wenden in
der nächsten Nummer der Zeitschrift gebracht werden.
Abg. Dr. Rnegenberg (Zentr.): M. H. I Es beißt eigentlich Wnsser in
den Rhein tragen, wenn die Wttnsche ond Beschwerden der nicht vollbesol-
deten Kreisärzte auch in diesem Jahre hier wieder znr Sprache gebracht wei^
dea, nachdem sie nns bereits in mehreren Sessionen beschäfugt haben. Aber die
absolate Micbtberttcksicbtignng derselben in dem vorliegenden Etat zwingt
doch dazn. Die bisherigen Erkl&rnngen der Eegierong lauteten zwar Im
großen und ganzen immer entgegenkommend; man erkenne das Bestehen von
fiUßst&nden an, man sei auch Ober den einen oder anderen Punkt in schweben¬
den Verhandlungen mit anderen Ministerien, die einen baldigen Abschluß er¬
warten ließen; aber geschehen ist nichts.
Wenn man, wie ich das tue, annimmt, daß es der Medizinalverwaltung
mit der Besserung der Lage der nicht voilbesoldeten Kreisärzte ernst ist, so
blÄibt eben nichts anderes übrig, als anzunehmen, daß die Hindernisse wo
anders, im Finanzministerium liegen. Sollte dies aber wirklich der Fall sein,
dann mßchte ich doch an die Medizinalverwaltung die Bitte richten, allen ihren
Einfluß aufzuwenden und mit allem Hacbdruck auf ihren Forderungen zu be¬
stehen. Handelt es sidi doch um eine Klasse von Beamten, deren Tätigkeit
zum Schutze der Volksgesundheit eine eminent wichtige und unentbehrliche
ist, mag sie auch dem einen oder anderen hier und da einmal etwas unbequem
werden, und mag auch in wohlgemebtem Uebereifer einmal des Guten zu viel
geschehen. Das kommt flberall mal vor. Im übrigen bietet ja aber das
KreiBarztgesetz die nötigen Handhaben, um in solchen Fällen Bemedur ein-
treten zu lassen, da die Anordnungen des Kreisarztes keine endgültigen sind.
Ich kann den Einwand nicht gelten lassen, daß die Landräte sich hüten würden,
Anordnungen oder Einrichtungen gegenüber, die die Kreisärzte für notwendig
erklärt haben, sich ablehnend zu verhalten und damit die Verantwortung für
die etwaigen Folgen zn übernehmen; ich bin im Gegenteil der Ai'sicbt, daß,
wenn das Verhältnis zwischen Land rat und Kreisarzt ein solches ist, wie es
sein soll, sich stets unschwer ein Weg znr Verständigung wird finden lassen,
um unnötige oder die Leistungsfähigkeit der Gemeinden übersteigende Be¬
lastungen zu vermeiden.
Was zunächst die Umwandlung der nicht vollbesoldeten
Er eisarztstellen in vollbesoldete anlangt, so scheint man dasselbe
Schneckentempo beibehalten zu wollen wie bisher. Der vorige Etat brachte
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166
Die diesJUirige Beratung dee prenfiischen
5, der dleejilirige 6 neue TöllbeeoUdete Ereisantstellen, so daB, wenn es so
weiter geht, wir in etwa 60—70 Jahren dahin kommen, nnr ▼oUbesoldete
Kreisarztstellen zu. haben. Nun hat zwar der Begierongsrertreter im yorigea
Jahre erklärt, daß der Minister an das Ereisarztgesetz gebunden sei und daß
nach diesem Gesetz der nicht Tollbesoldete Kreisarzt die Begel, der TOllbesol*
dete die Ausnahme sei. Er hat uns wdter daran erinnert, daß entgegen der
ursprflnglichen Absicht der Begiernng, alle Kreisarztsteilen zu Toilbesoldeten
zu machen, uerade das Abgeordnetenhaus es gewesen sei, welche diese For¬
derung abgelehnt habe, und nur dort yollbesoTdete Kreisärzte zuiassen wollte,
wo besondere Verhältnisse yorlägen, und daß es die Ablehnung damit be-
g^det habe, daß sie einerseits dem Interesse der eigenen Fortbildung des
&eisarztes, anderseits dem Interesse einer engeren und leichteren Bertthrung
mit der BeyOlkernng diene, und daß es mit Bttcksicht hierauf nicht erwünscht
sei, den Kreisarzt yon der Priyatpraxis yollständig loszulösen. Der Herr Be-
riernngsyertreter hat aber auch zogestehen müssen, daß die Entwickelung der
kreisärztlichen Verhältnisse in den letzten Jahren dahin geführt habe, daß ein
großer Teil derselben wegen Vollbeschäftigung durch dienstliche Obliegenheiten
mcht in der Lage sei, Priyatpraxis zu treiben, auf die er nach dem Gesetz
bezüglich seines Einkommens mitangewiesen ist, daß also die Herren wohl yoU*
beschäftigt, aber nicht yollbesoldet seien. Er bat das als eine Anomalie be¬
zeichnet, die beseitigt oder wenigstens nach Kräften gemindert werden müsse.
Nun wohl, m. H., wenn man diese Ansicht hegt, dann mOge man auch die
Konsequenzen ziehen und wenigstens die yollbescbäftigten
Stellen, die in absehbarer Zeit etwa 76*’/o aller Kreisarzt¬
stellen ausmachen werden, recht bald in yoilbesoldete umsu-
wandein (Sehr richtig 1 im Zentrum). Denn die Kreisärzte können doch nicht
dafür, daß man damals yon Voraussetzungen ausgegangen ist, die sich als
irrig erwiesen haben, und es würde unbillig sein, sie darunter dauernd leiden
zu lassen. Jedenfalls müssen wir yerlangen, daß bei der demnichstigen Auf¬
besserung der Beamtengehälter auch die nicht yollbesoideten Kreisärzte ge¬
bührend berücksichtigt werden, und daß ihr Gehalt nach den wirklichen Ver¬
hältnissen normiert werde.
Unter Tit. 6 b finden wir eine Summe yon 866000 M. eingestellt für
Tagegelder und Beisekosten der Medizinalbeamten. Man will
also die Vergütungen für Dienstreisen pauschalieren. Ich kann nur bedauern,
daß man mit dieser Einrichtung nicht mindestens noch einige Jahre gewartet
hat, bis man besser übersehen konnte, in welchem Umfange das am 1. Oktober
1906 in Wirksamkeit getretene Gesetz über die Bekämpfung der übertrag¬
baren Krankheiten die Beisetätigkeit der Kreisärzte in Anspruch nimmt (Sehr
richtig im Zentrum I). Anderseits muß es auch auffällig erscheinen, daß die
Ereistierärzte, bei denen die Verhältnisse ungefähr genau so liegen, yor wie
nach Tagegelder und Beisekosten beziehen sollen. In der Bemerkung zu Tit.
6 b ist als Grund für die Einführung des Pauschalsystems angegeben, es sei
bei anderen Beamtenklassen auch so. Ganz gewiß, m. H., aber bei diesen
anderen Beamtenklassen liegen eben die Verhältnisse anders. Sie beziehen
ein auskömmliches Gehalt; der Umfang ihrer Dienstreisen ist im großen und
ganzen yon yornherein ein fest umgrenzter, und sie können sich ihre Termine
so legen, wie es ihnen am praktischsten erscheint. Alles umgekehrt beim
Kreisarzt. Der Kreisarzt bezieht kein auskömmliches Gehalt; die Zahl der
Dienstreisen ist bei ihm eine ganz unbestimmte und schwankende und hingt
in erster Luie ab yon dem häufigeren oder selteneren Auftreten yon anstecken¬
den Krankheiten. Er kann auch seine Beisen nicht so einrichten, wie er will,
da namentlich die durch das Seuchengesetz yeranlaßten Dienstreisen immer
sofort ansgeführt werden müssen. Also, m. H., die Verhältnisse liegen doch
recht ungleich, und die Bezugnahme auf die anderen Beamtenklassen ist meines
Erachtens nicht ganz glücklich gewählt. Jedenfalls möchte ich um eine Er¬
klärung der Königl. Begiernng bitten, wie sie sich die Durchführung der
Pauschyergütnng im einzelnen denkt, und möchte auch um Aufklärung darüber
bitten, ob Zulagen in Aussicht genommen sind für diejenigen Fälle, wo sich
durch Auftreten yon Epidemien die Zahl der Dienstreisen bedeutend yermehrt,
und ebenso eine Erklärung darüber, wie man und ob man eine Entschädigung
in Aussicht genommen bat für den entgangenen Gewinn ans der Priyatpraxis,
auf den der Kreisarzt gesetzBch nun einmal angewiesen ist, wofür bis jetzt
AbgeordnetenhautM ttber den Medlsinaletat. 167
alleniaUs die üeberidilksse »vs den Beieeg^deni in Aneprnch genommen werden
konnten.
M. H., eine andere Forderung der Kreisärzte bat keine Bertteksiehtigung
gefunden, die Erhöhung der Dienstaulwandsentschädigung; sie bo*
trägt bei nicht rolibesoldeten Kreisärzten bis za 750 M., im Durchschnitt 250 M.,
bei den yoUbeaoldeten 1000 M., im Durchschnitt 750 M. Ich glaube nicht,
daß es ein unbilliges Verlangen ist, wenn bei den yollbeschäfligten, aber nicht
yolibesoldeten Kreisärzten auch der höhere Satz in Anwendung kommt.
Große Enttäuschung hat es heryorgernfen, daß die Grundsätze der Pen*
sionierung auch im yorliegenden Etat dieselben geblieben sind. Die Höhe
der Pension wird berechnet nach dem Gehalt und nach dreijährigen Durch¬
schnitt der Amtsgebtlhren. M. H., daß das Gehalt ein den wirklichen Ver¬
hältnissen nicht entsprechendes ist, habe ich mir yorhin schon auszuftthren er¬
laubt, und was die Gebühren angeht, so wurde bei Beratung des Kreisarzt¬
gesetzes angenommen, daß sie im Durchschnitt 2000 M. betragen, während
sie in WirkUchkeit kaum 500 M. betragen, abgesehen dayon, daß man sich bis
heute noch nicht darüber einig ist, was im einzelnen Falle als AmtsgebOhr
zu betrachten ist und was nicht, ein Umstand, der gelegentlich zu unerquick¬
lichen Erörterungen führen kann. Weiche Pension bei solchen Grundsätzen
herauskommt, kann man sich denken: zu yiel zum Sterben, zu wenig zum
Leben! Jedenfalls aber wird die früher schon öfter ausgesprochene Absicht
der Regierung, durch Gewährung einer auskömmlichen Pension in den Stand
gesetzt zu werden, Kreisärzte, die ihren dienstlichen Funktionen nicht mehr
im yoUem Maße nachkommen können, frühzeitig in den Ruhestand zu yer-
setzen, yereitelt. Ich meine, am richtigsten wird es sein, wenn
man den nicht yolibesoldeten, aber yollbeschäftigten Kreis¬
ärzten dieselbe Pension gewährte, wie ihren yolibesoldeten
Kollegen, da die Tätigkeit beider dieselbe ist, und wenn man
bei den nicht yollbeschäf tigten Kreisärzten anstatt des dreijährigen Durch¬
schnitts der Amtsgebühren einen anderen Modus der Berechnung zunnnde
legte. Der Herr Regiemngsyertreter hat uns im yorigen Jahre mitgeteut, daß
die Verhandlungen mit dem Finanzministerium über diesen Punkt yor dem
Abschlüsse ständen und auch einen für die Kreisärzte günstigen Abschluß
erwarten ließen. Deshalb möchte ich die Frage an die Königliche Regierung
richten, ob dieser Abschluß nunmehr erfolgt ist, und was das Ergebnis ge-
weeen ist.
Ich möchte mir auch darüber Auskunft erbitten, ob den Kreisärzten
die Zeit, die sie vor ihrer Anstellung mit praktischer ärzt¬
licher Tätigkeit yerbracht haben, auf das pensionsfähige
Dienstalter angerechnet werden soll, wenn auch nicht yoU, so doch
bis zu einem Zeitpunkte yon etwa 5 Jahren. Bei anderen Beamten gleicher
Kategorie, z. B. bei den Gewerbeanfsichtsbeamten und den KreisschuUnspek-
ioren, fängt das pensionsfähige Dienstalter an mit der Absolyierung der sog.
Vorbereitungsprüfung, also durchschnittlich in einem Alter yon 25 Jahren, bei
den Kreisärzten dagegen erst mit dem Tage der Anstellung, also durchschnitt¬
lich im 35. Jahre. Und so kommt es, daß, während jene etwa im 65. Lebens¬
jahre in den Genuß der Höchstpensionen kommen, die Kreisäizte dann erst
*!• ihrer Pension beziehen.
Zum Schluß habe ich noch eine Forderung zu wiederholen, die auch im
Torigen Jahre erhoben ist: man möge auch die Kreisärzte an den Wohl¬
taten des Beamtenf ürsorgesetzes yomJuni 1902 teilnehmen lassen.
Sie stehen doch bei ihren Besichtigungen dieselben Gefahren ans, wie die Ge-
werbeaufsichts- und Baabeamten (sehr richtig), ja, ihr Gefahrenkonto weist
noch ein nicht unerhebliches Plus auf durch ihre Tätigkeit bei Austührung
des Seuchengesetzes, und deshalb ist es nur recht und billig, wenn auch sie
bei im Dienst erlittenen Gesundheitsschädigungen und im Fall der Inyalidität
und Todesfall eine Entschädigung erhalten.
An den neuen Herrn Minister möchte ich die Bitte richten, doch auch
dea Kreisärzten sein yolles Wohlwollen entgegenzubringen und darauf Bedacht
SU nehmen, daß die als berechtigt anerkannten Beschwerden dieser Beamten
recht bald befriedigt werden zur Hebung ihrer Berufsfreudigkeit und dem
Schatze der Volksgesundheit nicht zum Schaden. (Brayo I)
168
Die diesjährige Beratung des preußischen
Minister der usw. Medizinalangelegenbeiten Dr. Melle: Auf die letzte
Anregung des Vorredners mochte bemerken, daß die Angelegenkeit der
Kreisärzte ndr besonders am Herzen liegt, weil mir wohl bewußt ist, welche
Bedeutung die Erhaltung gesundheitlich einwandfreier Verhältnisse für unsere
Volksmassen hat, und dä diese Sorge im wesentlichen bei uns in den Händen
der Kreisärzte Uegt.
Boi Vorlegung des Kreisarztgesetzes war davon ausgegangen, daß die
nicht Vollbesoldeten die Regel bilden, während die Vollbesoldeten nur in ganz
vereinzelten Fällen in Betracht kommen sollten. Die Praxis hat mehr
und mehr dahin geführt, die Zahl der vollbesoldeten Kreisarzt¬
stellen zn erhöhen, und diese Entwicklnng wird weiter gehen,
weil die Anforderungen der Aufsichtsbehörden an die Tätigkeit
der Mediziaalbeamten stets gesteigert werden, da die Sorge der
Behörden für die Qesundbeit der ^vOlkemng in den letzten Jahren stets
gestiegen ist nnd voraussichtlich weiter zunehmen wird.
Wenn nun in diesem Jahre sechs nene Stellen eingestellt sind, so ist
das eine Zahl, wie sie sie bis dahin noch nicht erreicht ist, die aber gegen¬
über der großen Zahl von 470 verbleibenden nicht voll Btnoldeten nur ebe
kleine ist. Hiernach werden in Znknnft 48 vollbesoldete Kreisärzte vorhan¬
den sein.
Wenn der Herr Vorredner auf die Pauschalierung der Beisevergü«
tnngen der Kreisärzte hingewiesen nnd diese Anordnung bemängelt hat, so darf
ich bemerken, daß diese Verwaltung damit nur den Vorgängen gefolgt ist, die
bei einer großen Zahl anderer Beamten besteben, eine h&riätnng, die für den
Beamten viele Vorteile bat. Es hört die Einzelliquidation anf; er bekommt
seine Panscbalsnmme nnd kann frei disponieren, ohne Einwendnngen befürchten
zn müssen: er ist durch diese freie Disposition in der Lage, seine Reisen
billiger nnd zweckmäßiger einzurichtcn, Die Pauschalierung selbst ist anf
Qmnd einer durchaus günstigen Grundlage erfolgt, günstiger wie bei anderen
Beamten, nnd zwar so, daß 90'’/o der Qesamtkosten, die 1905 entstanden sind,
in den Fonds bineingegeben sind. Davon werden 80*’/o verteilt, 10'*/o als Re¬
serve znrückbehalten, am solchen Beamten, die zu einer besonders gesteigerten
Xtoisetätigkeit genötigt worden, nachträglich durch besondere Zuschüsse helfen
zn können. Ich darf insbesondere den Herrn Vorredner darauf binweisen, d aß
im Fall des Ausbruchs einer Epidemie nnd einer dadurch herbei¬
geführten Inanspruchnahme über das sonst übliche Maß der Rei¬
sen hinaus die Anfsichtsinstanz den betreffenden Kreisärzten
eine besondere Entschädigung dafür zuteil werden lassen wird.
(Bravo.) Bezüglich der Amtsnnkostenentschädignng der Kreisärzte siad
Berichte eingefordert nnd unterliegen znrzeit der Prüfung; die Prüfung ist
noch nicht beendet.
Bezüglich der Pensionierung wird in Znknnft an Stelle der bisherigen
dreijährigen Gebttbrendurchschnitte eine feste, für alle nicht vollbesoldeten
Kreuärzte gleichmäßige Somme von 2260 Mark bei der Pensionsberechnnng
neben der Besoldung zn Grunde gelegt werden. Das bedeutet natürlich ftr
die nicht voll besoldeten Kreisärzte eine ganz wesentliche Verbessemng nnd
namentlich auch eine Gleichstellung aller Beamten dieser Kategorie, die wäh¬
rend ihrer Dienstzeit dieselben Funktionen versehen nnd daher auch anf eine
gleichbemessene Pension Anspruch haben.
Die Erledigung dieser Angelegenheit bängt zusammen mit der Vorlage
des Gesetzes, betreffend die Gebühren der Kreisärzte. Diese Vorlage soll
noch in dieser Session geschehen. Nach dem Zustandekommen dieses Gesetzes
wird die Abänderung dos jetzigen Etatsvermerks über die Pensionierung er¬
folgen. Es war darum auch eine vorherige Etnatellnng in den vorliegenden
Etat nicht möglich. Sie wird erst durch den nächsten Etat znr Ansfühmng
kommen.
Die Anregung, das Beamtenfürsorgegesetz von 1903 anf die Kreis¬
ärzte anszndehnen, wird in wohlwollende Erwägung gezogen werden. (Bravo!)
Abg. Dr. Helsig (Zentr.) schließt sich den Ansfühmngen des Hem
Kollegen Ruegenberg in adlen einzelnen Punkten an nnd gibt seiner Frende
über die Auskunft Ausdruck, die der Herr Minister soeben über die Besol¬
dung der Kreisärzte gegeben hat. (Die sonstigen Ansfühmngen dieses
Abgeordneteohaiuea über den Medinlnaletat.
169
Abgeordnetan, die im Annehliiß na den Geenndheitaberieht Iftr 1906 mehr oder
weniger daa gerne Öffentliche Geenndheitaweaen bortthren, werden apiter im
Annrng gebracht werden.)
Abg. LIdieke (Ireikona.): M. H.! Mit dem Herrn Abg. Dr. Baegen*
herg bedanre auch ich, daß der dieijihrige Etat die Vermehriing der be>
neideten Kreiaaratatellen nur um 6 Toraieht. An aieh lat ea ja rhmtig, daß
nach dem Kreiaaratgeaetz der yoUbeaoldete Kreiaarat die Aoanahme nnd der
nicht yoUbeaoldete Kreisarst die Kegel bildet- An aicb lat es auch weiter
richtig, daß man mit der Vermehrung der beaoldeten KreiaarstateUen akh nicht
dberatfinen aolL Aber der § 3 des Kreiaarztgeaetzea besagt: ,Wo besondere
Verhiltniaae es erfordern, können yoUbeaoldete Kreiskrzte angesteUt werden."
M. H., solche besonderen Verhältnisse liegen dann yor, wenn die amtliche
Tätigkeit des nicht yollbeaoldeten Kroisarates derartig ist,
daß er eine Priyatprazis neben seiner amtlichen Tätigkeit
ftberhanpt nicht oder nicht in nennenswerter Weise ausOben
kann. Denn aelbstyerständlieh kann ein nicht yoUbeooldeter Krdsarzt yon
seinem amtlichen Einkommen nicht existieren. Gewiß ist es richtig, daß die
Kreisärzte der Aosttbang der ärztlichen Praxis nicht entfremdet werden. Man
braocht aber meiner Meinung nach nicht die Befttrohtong zu hegen, daß die
Tolibesoldeten Kreisärzte ans der Praxis heranskommen.; sie haben nodi so yiel
MebeabescbäfUgnng, sei es als Krebkraakenhaasärte, sei es ^ Vertranensärzte,
sei es als Gerichts* nnd Gefängnisärzte oder als Bahnärzte, daß sie zweifeUoB
noch yoU im ärztUchen Leben stehen. Anf der andern Seite gibt es aber eine
ganze Beihe schwerwiegender NachteUe, wenn man mit der Vermebrong der
yoUbesoUdeten KreisarztsteUen nicht aosreichend yorgeht. Es wird insbesondere
Jedem nicht yermOgenden Kreisarzt nnmögUch sein, in einer nicht yoUbesoldeten
SteUe zu bleiben, wenn er nicht nebenher Privatprazis anstiben kann. Wächst
nnn seine amtUche Tätigkeit derart, daß sich die Aosttbang der privatärzt-
lichen Tätigkeit fttr ihn yerbietet, so wird er flnanzieU in eine sehr bedrängte
Lage geraten. Die Folge dayoa wird sein, daß nor noch yermOgende Herren
Kräsänte werden können. Das wäre sicherUch sehr za bedaaern. Es würde
yor aUem hierdarch der Nachwuchs der Kreisärzte leiden. Ferner wird aber
nach der nicht yoUbesoldete Kreisarzt, der aaf eine erhebUche Priyatprazis
angewiesen ist, sehr leicht in ein schiefes Verhältnis mit den übrigen Aerzten
kommen. Fttr den Kreisarzt ist aber eine segensreiche Tätig¬
keit nar möglich, wenn ein gedeihliches Zusammenwirken
zwischen ihm and der übrigen Aerzteschaft stattfindet. Ebenso
leicht wird er in ein schiefee Verhältnis zu seinen eigenen Patienten kommen
können, wenn er in amtUchor Eigenschaft besondere hygienische Ansprüche an
diese steUt
BezttgUch der Pauschalyergtttang in Höhe yon 865000 M. hat
der Herr Minister ja die Erklärung abgegeben, daß daneben noch besondero
Tätigkeit yon ihnen bei Aasbrach yon Seachen yerlangt wird. Man wird aber
bei der Pauschalyergtttang nicht außer acht lassen dürfen, daß, wie schon der
Herr Abg. Krttger (Marienbarg) yor einiger Zeit hier aasftthrte, die Ent*
schädigong fttr Jeden Kreisarzt sich nar auf 1700 M. jährlich beläuft, also
gerade so hoch ist wie diejenige Entschädigang, die ein Kreisbaabeamter er*
Ult. Der Kreisbaabeamte bezieht aber neben seiner Beiseentschädigong nodi
yoHes Gehalt, der nicht yoUbesoldete Kreisarzt soU aber aus seiner Pauschal*
yergtttnng fttr die Beisen gleichzeitig auch noch einen TeU seines Elinkommens
entnehmen. Das ergibt meines Erachtens, wie damals der Herr Abg. Krttger
einwandsfrei darlegte, eine erhebUche Benachteiligung der Kreisärzte gegen¬
über den Baabeamten. Man wird mit Becht eine höhere Entschädi-
gnng bei den nicht yoUbesoldeten Kreisärzten fordern
mftssen, damit sie zngleieh fttr den Gewinn entschädigt wer¬
den, der ihnen wegen der durch die Reisen bedingten Micht-
ansttbung ihrer Praxis entgeht
Dann möchte ich die Anfmerksamkeit des Herrn Ministers auch noch
anf die Pensionsyerhältnisse der Geriehtsärzte richten. Die Oe-,
riehtsirzte sind zur Zeit in drei Gehaltsstufen eingeteUt; sie beziehen 1800,’
2860 und 2700 M. Sie beziehen dann noch eine pensionsfähige Zulsge yon
1200 M. Im ttbrigen sind sie nar aaf die Gebühren ans den Obduktionen an¬
gewiesen, die beUgUch der Peneion allein in Betracht kommen. Nach den
170
Die diesjährige Beratug des prenBisehea
bisherigen Bestimmiingen würde eia Gerichtsarst die Höchstpension nach einem
Einkommen Ton 6200 M. ttberhanpt nicht erreichen können. Diese Höchst-
pension steht ifir die GericbtsSrzte lediglich anf dem Papier; denn wollte ein
Gerichtsarzt za diesem Höchstpensionssatze nach einem Gehalte yon 6200 M.
kommen, so müßte er im Jahre za 225 Obdoktionen zagegen werden; and das
ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Erfahrang hier in Berlin bat erwiesen
— and Berlin gilt als der günstigste Ort für die Gerichtsärzte —, daß ein
Gerichtsarzt jährlich aal etwa 160 Okdnktionen kommt. Sein Einkommen
bleibt aiso wesentlich nnter diesem Höchstsätze, and es ist daher für ihn ganz
aosgeschlossen, die HOebstpension jemals za erreichen. (Bravo!) (Die weiteren
AasfOhrangen des Abgeordneten betreffend die Ertppelfürsorge werden
später gebracht werden.)
Abg. Marx (Zentr.): M. H.! Ehe ich aaf den Gegenstand der Aosführan-
gen meiner verehrten Herren Vorredner eingehe, möchte ich zanächst noch
einmal die Anregongen meines Herrn Kollegen Dr. Haegenborg aafs
wärmste empfehlen, die er für die Umgestaltang der Verhältnisse der Kreis¬
ärzte, namentlich der nicht vollbesoldeten Kreisärzte, gegeben hat. Der Herr
Minister hat ja bereits sein Wohlwollen gegenüber dieser Frage an den Tag
gelegt. Ich möchte aber nicht verfehlen, namentlich gegenüber dem Einwan^
daß ja bei der Beratang des Kreisarztgesetzes das Abgeordnetenhaas beschlossen
habe, daß der nicht vollbesoldete Kreisarzt die Hegel, der vollbesoldete die
Aosnabmo sein soll, — za betonen, daß dieser Beschloß, der damals ge¬
faßt warde, doch onsern jetzigen Wünschen nicht wohl entgegengehalten
werden kann. Denn seit dem Erlaß des Beschlasses sind doch die Ver¬
hältnisse in wesentlicher Art amgestaltet worden; namentlich
infolge des Erlasses des Seachengesetzes ist die Arbeit der Kreisärzte ganz
erheblich vermehrt worden. Wenn es ferner richtig ist — ich meine, mich
dessen za erinnern —, daß bei einer früheren Besprechong dieses Gegenstandes
hier im Haase von irgend einer Seite die Behaaptong aafgestellt warde, daß
sogar 75'^/o, also >/4 der Kreisärzte zwar voll beschäftigt aber nicht
voll besoldet seien, dann, meine ich, ist das doch nicht ein Zostand,
der dringend der Hilfe bedarf. Ich meine — wenn aach gewiß anzaerkennen
ist, daß in jedem Jahre, im vorigen Jahre 5, in diesem Järe 6, neae Steilen
für voUbesoldete Kreisärzte in den Etat eingestellt sind —, dann kann das
doch einer Zahl von über 450 nicht vollbesoideter Kreisärzte
gegenüber kaam ins Gewicht fallen. Da maß mit aller Energie vor¬
gegangen and künftig eine bedeatend größere Zahl solcher
vollbesoldeter Kreisärzte eingestellt werden. Der Königlichmi
Staatsregiorang wird es doch ein Leichtes sein, festzastellen, wieviel denn von
den nicht vollbesoldeten Kreisärzten tatsächlich voll beschäftigt sind; es wird
das doch wohl an der Hand der amtlichen Akten, der amtlichen Atteste asw.
festzastellen sein. Ich meine aber, die Kreisärzte, die voll beschäftigt
sind, haben auch einen Ansprach daraaf, daß sie ihren Kollegen gleichge¬
achtet and voll besoldet werden. (Der Abgeordnete bespricht daraaf die
Nahrangsmittelkontrolle, worauf später zarückgokommen werden wird.
Abg. Dr. V* Voss - BerkenbrOgge (kon«.): Die zunächst in Hede stehende
Materie, die Diensteinkommensverhältnisse der Kreisärzte, ist
bereits von Hednern, die sich za früheren Titeln gemeldet hatten, eingehend
erörtert worden, and nach den freundlichen Zusagen, die der Herr Minister
Ünsichtlich der Verbesserang der Verhältnisse der nicht vollbesoldeten Krds-
ärzte gegeben hat, habe ich nur wenig hinzuzufügen. Befürworten maß ich,
daß meine Fraktion in ihrer Mehrheit an dem Wunsch festhält, der früher
auch aaf anderen Seiten des Hauses bestanden hat, daß nämlich den Kreis¬
ärzten die Privatprazis nicht verschlossen bleiben möge. Die Gründe dafür
sind bekannt; einmal erwartet man für das Amt der Aerzte von der Privat¬
tätigkeit einen Nutzen, weiter aber hofft man auch, daß in der üebnng der
Privatprazis eine gewisse Sicherang vor einem üebereifer gegeben sein werde
der den einen oder anderen Kreisarzt daza bringen könne, allza überreichlich
mit hygienischen Segnungen hervorzatreten. (Sehr richtig!) M. H., daß es
Fälle dieses üebereifers gegeben hat, die insbesondere auf dem platten Lande
eine gewisse Mißstimmung hier and da hervorgerafen haben, ist ja richtig.
Ich maß aber zugleich befürworten, daß die Herren meiner Partei sich durdi
solche Fälle in der Würdigung des Instituts der Kreisärzte nicht irre machen
AbgeordoetenlunuM ftber d«B Medldaaletet.
171
laaseo. E&i Beamter, der ei mit seiner Amtspflicht senau nimmt, ist, auch
wenn er einmal in Uebereiler gerlt, nns jedenfalls lieber als solche, die, nm
nicht in Friktionen sn geraten, in dem, was ihres Amtes ist, mit sich handeln
lassen. Und dann ist ja das, was der Kreisarzt fflr nützlich nnd notwendig
erachtet, znnichst nur ein Gatachten, das sich doch erst durch die Billigang
der znst&ndigen Verwaltungsbehörde in eine Anforderung übersetzt, die in
unserem Staate der Eautelen, wenn sie in der Tat unbegründet ist oder Opfer
erheischt, die die Interessenten nicht zu leisten yennOgen, mit Bechtsmitteln
erfolgreich angetochten werden kann. Tief aber sind wir dayon durchdrungen,
dafi das, was wir unter Hygiene yerstehen, zumal in den kleine¬
ren und mittleren Städten, erst yon der Tätigkeit der Kreis¬
ärzte herrührt, daß sie, abgesehen yon den wertyollen
Diensten, die sie bei der Bekämpfung yon Mensehenseuchen
leisten, ln der häufigen Beratung bei Ausführungen zum ge¬
meinen Wohl, besonders auf dem Gebiete der Wasseryer-
sorgung und der Kanalisationssysteme, Yortreffliches ge¬
leistet haben und tatsächlich noch leisten.
Nun, m. H., wir haben diese Funktionen, und die Funktionäre müssen
in einer dem ihnen gewiesenen Stande entsprechenden Weise existieren können.
Dafi dies der Fall ist, läßt sich leider nicht durchweg behaupten. Die Lage
der nicht yollbesoldeten Kreisärzte bedarf unter allen Umständen der Ver¬
besserung. Es ist in einer Publikation, die jüngst in der Sache ersdhienen
ist, ausgesprochen, dafi nicht weniger als 80**/, der Kreisärzte nicht imstande
seien, irgendwelche Priyatpraxis yon erheblichem Ertrage zu üben. Ob das
nicht yielldcht zu weit gegangen ist, lasse ich dahingestellt. Aber eine
Enquete, die 1906 auf Veranlassung des Medizinalbeamtenyereins yeranstaltet
worden ist, fand das sehr bemerkenswerte Ergebnis, daß 67**/o der sämtlichen
nicht yollbesoldeten Kreisärzte erklärten, daß sie die Umwandlung in eine yoU-
besoldete Stelle wünschen müßten. H. H., dafi ein Beamter, wenn er gefragt
wird, ob ihm eine Steigerung seiner Barbezüge angenehm ist, diese Frage b^
i 'aht, ist ja selbstyerständlich und würde nicht yiel zu bedeuten haben (Heiter-
:eit); aber hier liej^ doch in der Bejahung der Frage zugleich die Bereit¬
willigkeit, auf die Priyatpraxis gänzlich zu yerzichten. Also mufi doch dieser
Erklärung eine Abwägung zugrunde gelegen haben, die erweist, daß dem
Manne die Priyatpraxis nicht mal das wenige einbringt, was der Unterschied
der Vollbcsoldung nnd der yollen Besoldung des Kreisarztes aasmacht. So
wird nichts übrig bleiben, als dafi der Herr Minister die Güte hat, in jedem
einzelnen Fall zu erwägen: yermag der Kreisarzt eine Priyatpraxis zu üben,
die irgendwie erhebliche Einkommenserträge abwirft? Wo dies der Fall, wird
dem yon uns gehegten Wunsche entsprechend eine Umwandlung in eine yoU-
besoidete Stelle jedenfalls nicht yorzunehmen sein; allein wo diese Frage yer-
neint werden muß, bleibt schlechterdings nichts übrig, als daß, und zwar be¬
schleunigt, eine Umwandlung in die Vollbesoldung erfolgt. Denn yor allen
Dingen muß der Funktionär doch leben können; genügt die Priyatpraxis nicht,
dann muß eben eine yolle Besoldung gewährt werden. Ich meine, in
dieser Beziehung ist auch eine gewisse Eile geboten: es kann
nicht ansbleiben, daß der Andrang zu den Kreisarztstellen
in empfindlichem Maße nachlassen würde, wenn sich in der
medizinischen Welt die Ueberzeugung festsetzt, daß yom
Staat nichts oder wenigstens in absehbarer Zeit nichts Aus¬
reichendes zu erwarten steht. Die Zahl derjenigen, die yielieicht, um
den Medizinalratstitel ein wenig früher zu erlangen, sich, wenn sie einiges
Vermögen haben, dem Kreisarztamte zuweoden, wird eine sehr kleine sein.
Es würde also zu befürchten stehen, daß die Kreisärzte sich
rekrutieren würden aus Leuten, die nach einer yielieicht nicht
allzu nützlich yerbrachten medizinischen Vorbereitungsseit
sieh nicht mehr Zutrauen, ans eigener Kraft eine Praxis zu
gewinnen. Das würde doch ein Material sein, dem wir Funktionen so
wichtiger Art wie die des Kreisarztes unter keinen Umständen anyertrauen
wollen.
Ebenso scheint rs mir geboten zu sein, daß eine Verbesserung der als
mangelhaft anwkaanten Verhältnisse bei der Pensionierung ohne Ver-
säuBsis eintreten möge. Ueber diesen Pensionierungsbestimmungen hat ja auch
172
Die diMtiähiige Beratang des preofliscbon
ein ünstern gewaltet, indem einmal der Gebtthrenbetrag, nach welchem penaio«
niert werden sollte, aal 2000 Mark angenommen worden ist, wihrend sieh in
nnangreiibarer Weise durch die Uonatsnachweisungen, die die Kreisärzte den
Begierongspräsldenten einsareichen haben, ergeben bat, daß die Gebtthrea sich
im]l Durchschnitt aal 800, nach einer letzten Berechoang gar nnr aal ÖOO Mark
stellten, ln dieser Beziehung hat ja der Herr Minister bereits die Zusage
gegeben, ? daß er Besserung schaffen werde, indem bei der Pensionierung &
Betrag Ton 2250 Mark berücksichtigt werden solle. In einer anderen Bezi^ung
eher ~ einer der Herren Vorredner hat ja auch diesen Wunsch schon aus*
gesprochen — wird die Pensionierung auch verbessert worden kOnnen, indem
man nämlich das pensionslähige Alter etwas Irtther beginnen
läßt. Im allgemeinen gelangt der preußische Beamte mit 66 Jahren in das
Einkommen, von dem aus er die Höchstpension besieht; dieses Verhältnis aber
tritt bei dem Kreisärzte nicht ein, da dieser durchweg erst im 85. bis 40. Lebens*
jahre in sein Amt kommt und das pensionslähige Dienstalter erst von der
Vereidigung nach Einstt^llung in das Amt berechnet wird. Nun schreibt die
Instruktion vor, daß lOnl Jahre zwischen dem absolvierten Staatsexamen bis
zur Absolvierung der Kreisarztprülung verlaulen sollen; diesen Vor*
bereitungsdienst hineinsubezieben in die Berechnung des
pensionsläbigen Dienstalters würde durchaus nichts Un*
erhörtes sein; im Gegenreil, es würde dem z. B. bei der Bauverwaltung
üblichen Verlahren der EinbeziehaDg von Vorbereitungsdienst in die Berech*
nung des pensionsfähigen Dienstalters entsprechen. Jetzt sind die Zustände
so, daß nach einer Berechnung, die ich auf ihre Bichtigkeit allerdings nicht
kontrollieren kann, eine große Zahl der Kreisärzte erst im 78. Lebensjahre zu
dem höchstpensionsberechtigten Gehalt kommen würde.
M. H., auch in dieser Bicbtung empfiehlt es sich reichlich zu geben und
zu verheißen. Denn es ist eine Sache von unleugbarem öffentlichen Interesse,
daß dem Kreisarzt die Entschließung, in den Babestand zu treten, nicht allzu*
sehr durch .die Betrachtung erschwert wird, daß er nachher vielleicht nicht
auskömmlich existieren kann. Der Kreisarzt bedarf unter allen Umständen
der vollen geistigen und körperlichen Frische; es genügt zur Verwaltung
dieses Amtes nicht, daß er noch eine leidliche Bureaukraft darsteilt, sondern
er hat die Obliegenheit, unausgesetzt an Ort und Stelle, vielleicht nach lang*
jährigen. Tag für Tag fortgesetzten Wagenlahrten in greulichen Spelunken,
etwa an der rassischen Grenze, sofort in jedem einzelnen Falle bereitzustehen,
die Fäden festzustellen, auf denen die Seuche zu dieser Stelle gelangt sein
könne, die Fäden festzustellen, durch welche die Seuche sich vielleicht schon
verbreitet haben kann, überall sofort vom Platze weg Maßregeln zu treffen, um
dem Uebel zu stenern — kurz, es liegen dem Kreisärzte Leistungen
ob, die die höchsten Anforderungen an die geistige und pbysi*
«ehe Kraft stellen. Sobald also der Kreisarzt auch nur ein leises Sinken
seiner Kräfte wahmimmt, ist er pfliebtmäßig in die Notwendigkeit versetzt,
naebzudenken, ob er nicht aus dem Amte säeiden muß, und das durch eine
ausgiebige und reichliche Ausgestaltung der Pensionsfähigkeit zu erleichtern,
ist ein Gegenstand ernstlicher Erwägung.
M. H., besonders bemerkenswert ist die Erklärung des Herrn Ministers,
daß er die Wohltaten des Beamtenfürsorgegesetzes vom 2. Juni 1902
auf die Kreisärzte ausgedehnt wissen will. Es ist das auch der GerechtigkMt
and Billigkeit so entsprechend, daß man sich fast wundern muß, daß nicht von
vornherein gerade an die beamteten Aerzte gedacht worden ist. Denn der
beamtete Arzt leistet ja eigentlidi, indem er sich der Gefahr des Unfalls aus*
setzt, noch mehr als ein anderer, der von einem Unfälle im Betriebe betroffen
wird; er geht sehend, die Gefahr kennend, in den Unfall hinein. Und es ist
ja klar, daß, wenn er weiß, daß, falls er der Seuche erliegt, seine Angehörigen
in der fttrsorgenden Hand des Staates stehen, er noch mutiger in den Kampf
gegen die Seuchen hineintreten wird, als ihm dies sonst wohl möglich sein würde.
Wie alle Verbesserungen,'so wird ja auch die so vielerorten gebotene
Vermehrung der volibesoldeten Kreisarztstellen Geld kosten, aber erfreulieher-
wefse nur weniges; denn der Etat belehrt uns, daß die Differenz swischem
der Barleistung, die der Staat den vollbesoldeten und den nicht vollbesoldeten
^eisärzten gewährt, nur 1500 Mark im Jahre pro Stelle ausmaebt. Es würde
also, wenn etwas geschähe, was wir nicht wünschen, nämlich die allgemeiae
AbgaordiMtenliaiueB ttber den XediaiDaletat
178
ürnwaadlinig in Tollbesoldete Stellee, mit aoeh nicht V* Million Merk in be*
streiten sein. Non, m. H., wenn men sich aber in einer Zeit einer, wenn anch
hoifentlich nur kurz währenden, flaonziellen Beklemmung umsieht, ob nicht in
demselben Bessert an einer anderen Stelle Ersparnisse zu machen sind, so
bietet sich die Glelegenheit an einer allerdings schon rorgestern snr Erörterung
gekommenen Stelle; man brauchte bloß den Medizinalkollegien ein
Ende zu machen. Diese Institution yerdankt ihre Entstehung dem Jahre 1817,
'das ja in trefflichen gesetzgeberischen Dedanken so fruchtbar war; aber ich
medne: wenn man gewußt hätte, welches Gebilde da entstehen sollte, man
hätte sich die Mtthe der Erfindung erspart. (Sehr gut!) Diese Medizinal»
kollegien von heute — und das gilt schon für die letzten Jahrzehnte — be-
sehäUgen sieh im wesentlichen mit der Ilerision von Berichten über Obduktionen
TOB Leichen und yon Befnndberichten über den Zustand geisteskranker Per»
souen. Es sind also das Revisionen technischer Gutachten, wie sie in dieser
Allgemeinheit der Anordnung wohl in keinem Ressort bisher für erforderlich
erachtet wurden. Diese Revisionen sind eminent bedeutungslos, darf ich wohl
sagen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens ist nämlich der Fall, um den es
sidi dabei handelt, immer längst erledigt; der Irrenarzt, dem das Gutachten
über den Befand des Geisteskranken Vorgelegen, hat sich längst darüber
schlüssig gemacht, ob die Aufnahme in die Irrenanstalt erfolgen soll oder
nicht; der Richter ist sich längst darüber klar geworden, welche Ansicht er
ans dem Befundbericht über die Leichenschau entnehmen sollte. Dann aber
ist diese Revision auch deshalb eine bedeutungslose, weil ja der Revident
Jemals aus persönlicher Kenntnis des Falles spriät; er hat niemals die Leiche
r hen, er hat niemals den Irren gesehen, von dessen Zustand die Bede ist.
kann also die Rezension nichts weiter sein als eine, ich möchte sagen,
doktrinäre Betrachtung darüber, ob alle Formalien erfüllt sind, ob das Ding
in sich schlüssig ist, oder ob es gar gegen anerkannte Irziliche Grundsätze
oder medizinische Anschauungen verstößt. Und nun wird die Sache eingepackt
und dem Arzt hingeschickt. Ich habe mir sagen lassen, daß es mit der Lek»
tttre dieser Begutachtungen bei den Aerzten, die es wieder erhalten, doch nur
schwach besteUt ist, eben weil sie von der Bedeutungslosigkeit dieser Beur»
teUungen von vornherein überzeug sein müssen.
Nun ist es ja richtig, daß das MedizinaikoUegium noch andere Obliegen»
beiten hat. So soll es Gutachten über medizbische Angelegenheiten auf
Wunsch des Oberpräsidenten anfertigen. Indessen diese Tätigkeit, die ja wohl
in der Theorie eine recht bedeutende sein könnte, ist praktisch beianglos.
Nach dm Medizinalberichten von 1906 — für die Jahre 1906 und 1907 sind
die Berichte noch nicht im Drucke erschienen — sind bei allm zwölf Pro»
yiasialmedisinalkollegien nur 89 solcher Gutachten, also 8*/« Stück pro Provinz
und Jahr, erstattet worden. Ich denke von der Tätigkeit der Regiemngs»
mediainaLräte sehr hoch, die meisten sind gewiß mit Arbeit Überlastet; aber
wmn sie diese Arbeiten — es handelt sich doch durchweg um kleine Sachen ^
aebmbei übernehmen würden, so würde daß Maß ihrer Ueberarbeitm sich
kaum merklich steigern. Die Provinzialmedizinalkollegien kosten ImmerhiB
60000 Mark. Wmn davon vielleicht 80000 Mark zu Fmds verblieben, ans
denen die Oberpräsidmten —• diese haben mit Medizinalangelegenheiten ja
nidit allzu viel zu tun, wenn man vom Apothekerkonzessionswesen absiebt,
nmd diese Sachen pfle^ der Verwaltnngsdezement ja allein zu erledigen —
Remunerationen beim Erfordern eines besonderen Gutachtens zu zahlen hätten,
so würdm mit den ersparten 80000 Mark immerhin vom Augmblick ab 20
lieht vollbesoldete Stellen von Kreisärzten in vollbesoldete verwandelt werdm
kßnnm, und es wäre gewiß dankenswert, wenn statt der Weiterftthrung des
gmpenstigm Daseins der Medizinalkollegion dos lebenskräftige und Segnnngm
weiter Art verheißmde Institut der Kreisärzte eine Unterstützung erführe.
M. H., ich darf diese kurzen Ausführungen nicht schließen, ohne zu be»
merken, daß ich in der Beurteilung der Entbehrlichkeit der Medizinalkollegim
nur meine eigme Ansicht vorgetragen habe; ich hatte nicht Gelegenheit, mit
meiner Fraktion über diese Frage Fühlung zu nehmen.
Abg. Dr. Keil (nat*lib.); M. H., ich möchte, wie es der Herr Vorredner
heute und die Herren Kollegen Dr. Raegenberg, Lüdioke und Marz am
Sonnabeud geUn habm, dem Herrn Minister die Wünsche der Kreisärzte ebm-
fnlls warm empfehlen. In der Tat haben sich die Dinge in der Praxis ganz
174
Die dieej&hrlge Beratung dea pceiSisoheii
andere entwickelt, als man es bd Erlaß des Gesetzes Aber die Ereia&rzte aa<
genommen batte. Der Beg.* and Med.-Bat Dr. Bapmand fahrt in einem
Aufsatz der «Zeitschrift fUr Medizinalbeamte* sehr trefiend aus, daß das, was
man als Begel gedacht hat, die Aasnahme geworden ist, and daß das, was
damals als Aasnahme gedacht war, sich zar Begel gestaltet hat. Voll-
beschSftlgang and Vollbesoldang mfißtea doch notwendig Hand in
Hand gehen. Nan liegen die Dinge aber tatsächlich so, daß heate */s Büer
Kreisärzte bereits voll beschäftigt sind, and daß fdr den Fall einer Meabe-
setzang */« Stellen ToUbeschäftigt werden. VoUbesoldet aber ist, selbst
wenn man die «enorme* Zahl der 6 nenen Stollen noch hinzarechnet, die in
diesem Jahr im Etat stehen, nar der elfte Teil aller Kreisärzte. Das ist ein
Mißstand, der za immer erneaten Klagen führen wird, solange hier nicht
gründliche Abhilfe geschaffen ist. Der Herr Minister hat in diesem Jahre
ja ein größeres Entgegenkommen versprochen. Ich danke ihm hierfür und
besonders aach für die außerordentlich wichtige Erklärung, daß bei der Pen¬
sionierung nicht das tatsächliche Mebeneinkommen, sondern der fingierte Satz
von 2250 M. zagrunde gelegt werden soll. Das ist ein sehr dankenswertes
Zugeständnis and wird nach manchen Bichtangen hin Berahigang schaffen.
Ganz speziell habe ich dem Herrn Minister aber den Dank dafür ab-
sustatten, daß er der im vorigen Jahre von dieser Stelle aas gegebenen An¬
regung Folge geleistet and die Stelle des Hallenser Kreisarztes in eine voll-
besoldete amgewandelt wird. Wir haben aber in Halle zwei Kreisärzte, and
was dem einen recht ist, das ist dem andern füglich billig; denn die Verhält¬
nisse Uegen bei beiden vollständig konform. Der Kreisarzt für den Landkreis,
dea Saalkreis, ist ebenso überlastet wie der Kreisarzt für die Stadt Der
Saalkreis bat insofern eine ongünstige geographische Lage, als die Entfernung
zwischen dem Norden und dem Süden sehr groß, zwischen dem Osten and dem
Westen aber verhältnismäßig gering ist. Im Südwesten reicht der Merseburger
Kreis bis unmittelbar vor die Toro der Stadt, während anderseits der Sm-
kreis sich nach Norden aaf weite Standen erstreckt, sodaß der Kreisarzt zum
Besuch eines Typhaskranken unter Umständen 6 bis 7 Standen gebraacht
Der Kreisarzt für den Saalkreis hat im Jahre 1907 schon 8600 Joarn^ommern
gehabt und er maß mit einer Vermehrung für das laufende Jahr rechnen.
Das pensionsfähige Nebeneinkommen hat für die Stelle — das ist sehr inter¬
essant — nach dem Durchschnitt der drei letzten Jahre tatsächlich, sage und
schreibe, 179 M. betragen. Wenn man solche Zahlen hOrt, maß man sagen,
daß hier ein gewisser Notstand vorliegt. Deswegen empfehle ich die Wünsche
dar Kreisärzte im allgemeinen und den Wansch dieses Kreisarztes Im ganz
besonderen dem Wohlwollen des Herrn Ministers. (Bravo I bei den National¬
liberalen).
Abg. Peltasohn (freis. Ver.): M. H.I Dem Beigen, welcher sich seitens
aller Parteien um die Kreisärzte schlingt, möchte nach ich mich anreihen, um
vor allem darauf hinzaweisen, daß die Medizinalreform, welche von uns stets
gefordert worden ist, und wobei als Haaptvorkämpfer Virchow fangierte,
noch immer Zakanftsmusik ist. Ich wäre sehr geneigt, das näher aaszaftthren,
wenn ich nicht befürchten müßte, daß nach dem Schloß der Generaldebatte ich
von dem Herrn Präsidenten unterbrochen werden würde.
Das Gesetz vom 16. September 1899, welches eine Art Beform bezüglich
der Kreisärzte darstellen sollte, brachte eine solche auch nicht, sondern
eigentlich nar den Versuch, materiell die Kreisärzte za verbessern. Es ist in
keiner Weise, wie das früher gewünscht worden ist, die Unabhängigkeit der
Elrebärzte gehoben worden, während sie doch die volle Verantwortlichkeit
tragen. Der Versuch, welcher mit dem Gesetz von 1899 gemacht worden ist,
hat sich, wie die Vertreter aller Parteien bereits anerkannt haben, auch als
onzureicbend erwiesen. Es steht im Vordergrund die Forderung, daß nicht
aasnahmsweise nar vollbesoldete Kreisärzte bestellt werden sollten, son¬
dern daß dies die Begel sein sollte, und nar aasnahmsweise, wo die Verhält¬
nisse es nicht gestatten, die Kreisärzte nicht vollbesoldet sein sollten. Nun
hat der Herr Minister darauf hingewiesen, daß durch diesen Etat eine aoßer-
gewöhnliche Vermehrang der vollbesoldeten Kreisarztstellen um 6 stattgefundea
hat. Das erscheint aber doch darchaas nicht genügen^ wenn man bedenkt,
daß nach dem neuen Etat nunmehr 48 vollbesoldeten Kreisärzten 454 nicht-
besoldete gegenüberstehen. Es ist also nicht, wie ein Vorredner bemerkte.
AbgMrdnetealiaiuM ttb«r den Medistnaletet.
176
etwa die HSlfte, sondern es sind nnr etwa 9,4**/o aller Erds&nte ToUbesoldet.
Das erscheint doch nicht als ein richtiges Verhältnis. Der Herr Minister
würde sich ein großes Verdienst erwerben, wenn er in sohlennigerem
Tempo innerhalb des Gesetzes Vorgehen würde, oder wenn
er vielleicht dazu beitragen wollte, anf eine Abändernng des
Gesetzes nach der Bichtnng hinznwirken, wie ich mir anzn«
deuten erlaubt habe. Die lunweisong der nicht vollbesoldeten Kreis*
ärzte auf Gebühren und auf Privatpraxis ist wiederholt schon von den
Herren Vorrednern bdeuchtet worden. Ich möchte darauf nicht weiter ein*
neben; nur muß immer wieder darauf hingewiesen, daß nicht zu verkennen ist,
daß die Ausübung ein er ausgiebigen Privatpraxis sehr oft nicht
mit der Autorität eines mit obrigkeitlichen Befugnissen aus*
i estatteten Beamten vereinbar ist, und daß die Energie des
reisarztes auch leiden kann, wenn er Bücksicht auf seine
Kundschaft nehmen muß. Es ist auch von den Herren Vorrednern dar*
gelegt worden, daß tatsächlich nnr ein Bruchteil der Kreisärzte in der Lage
ist, wirklich Privatpraxis zu treiben, und dieser Bruchteii wird sich noch ver*
mindern, wenn man bedenkt, daß es noch eine große Anzahl alter Kreispbysiker
gibt, die natürlich ihre Klientel in das neue Amt mitgebracht haben und die
Privatpraxis mit Bücksicht auf diese Klientel nicht ganz anfgeben können.
Wenn diese alten Kreisärzte wegfallen, so wird der Prozentsatz derjenigen
Aerzte, die in der Lage sind, Privatpraxis zu treiben, sich noch erheblich ver*
mindern. (Sehr richtig!) Wenn im Jahre 1905 festgestellt wurde, daß diese
Kreisärzte durchschnittlich 6,6 Stunden für ihr Amt brauchen, und daß ^e
Tätigkeit 67*’/o ihrer Gesamttätigkeit in Anspruch nimmt, so wird man sagen
müssen, daß es damals schon ein hoher Prozentsatz war; allein die Verhältnisse
haben sich offenbar in der Zwischenzeit so geändert, daß man wohl annehmen
kann, daß das Amt jetzt mindestens 76'*/o Sirer Gesamttätigkeit in Anspruch
nimmt. Das klingt auch gar nicht unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, in
welchem Maßstabe sich die Anforderungen an die moderne Hygiene gesteigert
haben, daß die Kreisärzte jetzt intensiver auch die Schulen, die Krankenhäoser
beaufsichtigen, daß ihre Tätigkeit bei den Konunnnen mehr auch anf
KanaUsationen, Wasserleitungen und Schlachthäuser sich erstreckt, und vor
allem, wenn man in Bücksicht nimmt die Anforderungen des Ansführungsge*
setzes zum Scuchengesetz an die Kreisärzte. (Sehr richtig!).
Nun ist im Jahre 1899 als wesentliches Moment angeführt worden, daß
die Arzte in der Lage sein müßten im Zusammenhänge mit der Praxis zu
bleiben, daß der Konnex mit den kranken Menschen durchaus notwend^ ist.
Allein ein Aequivalent wird ihnen doch dadurch geboten, daß sie als Eisen*
bahnärzte, als Gefängnisärzte beschäftigt werden, und daß last jeder dieser
Kreisärzte jetzt auch ein Kreiskrankenbaas unter sich hat.
Dann ist ferner auch auf die Gebühren schon vielfach hingewiesen
worden. Ich brauche kein Wort mehr zu verlieren; die Königliche Staats*
regierang hat selbst schon anerkannt, daß die Annahme des Gebührensatzes
im Jahre 1899 nicht richtig gewesen ist. Es kommt das schon znm Ausdruck
durch dio Erklärung des Herrn Ministers, daß bei der Pension jetzt an Stelle
der Gebühren ein fester Satz von 2250 M. angenommen wird.
Nun könnte man sich ja fr^en, in welcher Weise denn die Forderung,
daß in der Begel vollbesolldete Kreisärzte angestellt werden, erfüllt werden
könnte. Der Herr Vorredner aus der konservativen Partei hat ja schon eine
Maßregel empfohlen. Ob diese wirklich ausführbar ist, kann ich nicht recht
beurteilen. Ich glanbe aber, darauf hinweisen zu können, daß es sehr wohl
gerechtfertigt ist, die Ausübung der Funktionen als Gerichtsarzt
von der des Kreisarztes zu trennen. Es haben auch hier die Ver*
bältnisse sich so gestaltet, daß man wohl annehmen kann, daß ein Durch*
Schnittsarzt nicht mehr in der Lage ist, die beiden Aemter voll zu versehen.
Die Entwicklung der Wissenschaft und der ganzen Verhältnisse hat dazu ge*
führt, daß man wohl sagen kann, das Amt der öffentlichen Gesundheitspflege
erfordere ebenso einen vollen Mann wie das der gerichtlichen Medizin, wenn
der Kreisarzt in beiden wichtigen Fragen die Autorität darstellen soll, die er
sein soll. Wenn man nach dem Vorschläge, der schon früher gemacht worden
ist, für jeden Landesgerichtsbezirk einen besonderen Gerichtsarzt bestellt und
dadurch die Kreisärzte von gewissen Geschäften erleichtert, so wird es möglich
i7f> Pie diesjährige Beratang des prenfliscbea
seiiif ihnen grttBere Bezirke in vielen Fftilen zu flbertragen nnd sie dann aneh
voll zu besolden.
M. H., eine besondere Beaohtong verdient aneh die Dlenstanfwands*
entseh idignng, die dem Kreisarzt im Etat aasgesetzt ist. DieKreisftrzte
kiagra, •'Wohl auch mit Recht, das die Dlenstaatwandsentsentseb&dignng fflr
sie nieh« aasreichend ist, daS sie bei den gesteigerten Geschäften nicht in der
Lage si d, selbst die Schreibarbeit za leisten, sondern sich entweder eine be¬
sondere Schreibhiife anschaffen oder ihre Familienmitglieder dafür in Anspmch
nehmen müssen. Das erscheint mir doch nicht als e& würdiger Zastand, and
die Königliche Staatsregierang wird vielleicht doch prüfen müssen, ob die
Dienstaafwandsentschädigang nicht erhobt werden mnfi.
Dann ist in früheren Jahren viel über die Art der Pensionierang
der nicht vollbesoldeten Kreisärzte genrochen worden. Wir müssen
ans für dieses Jahr mit dem begnügen, was der Herr Minister aasgeführt hat,
dafl za dem Gehalt ein fester Satz von 2250 H. als Zulage in Aossicht ge¬
nommen ist. Man wird zageben müssen, daß vorläufig, wenn nicht andere
Erfahrungen gesammelt werden, dieser Satz ausreichen konnte; denn er über-
scnreitet im Durchschnitt das Durchschnittsgehalt eines volibesoideten Kreis¬
ärzte^ und danach wird man doch immer rechnen müssen. Es ist aber
vieUmcbt zu erwägen, ob nicht später einmal radikal dahin verfahren wird,
daß überhaupt den nicht vollbesoldeten Kreisärzten die Pension
des volibesoideten Kreisarztes bewilligt wird, und dann, meine
Herren, wird es nach ein Aosilaß der Billigkeit sein, den Aerzten die Zeit
der Vorbereitung anzarechnen. Man maß bedenken, daß ein Kreis¬
arzt sdne Prüfung erst ablegen kann, wenn er eine gewisse Zeit in der Praxia
gewesen ist, and diese Zeit kann man doch wohl als eine Art Vorbereitangs-
dienst ansehen. Deshalb wäre es in gewisser Beziehung vielleicht ge¬
rechtfertigt, wenn ein Kreisarzt tatsächlich erstin höherem
Alter zur Anstellung kommt, ihm diese Zeit bei der Pen¬
sionierung anzarechnen.
Als etwas Neues erscheint in diesem Etat dann die Pauschalierang
der Reisekosten. Ob diese in der geforderten Hohe von 865090 M. aas-
reichen wird, erscheint mir sehr zweifelhaft, und zwar schon deshalb, weil der
Satz von 1905 angenommen worden ist, davon aber nnr 90*/*. Nun nehme
ich an, daß seit 1905 sich vielleicht schon die Hohe der gewährten Reisekosten
vergrößert hat. Wir kOnnen das nicht nacbprüfen, weil diese Reisekosten in
einem allgemeinen Fonds stecken; aber man kann wohl sagen, daß durch die
erhöhte Liansprachaahme der Kreisärzte besonders durch das Seuchengesets
wohl anznnehmen ist, daß diese Reisekostenentschädigung jetzt hoher sein
wird als im Jahre 1905. Herr Kollege Dr. Raegenberg hat schon daranf
hiogewiesen, daß es vielleicht verfrüht gewesen ist, jetzt schon die Paoscha-
lierang vorzanehmen, daß man vielleicht noch einige Jahre hätte wartra
sollen; wenn das aber nicht beliebt worden ist, wäre es vielleicht gerecht¬
fertigt gewesen, nicht nar 90 '^/o der Kosten von 1905 zu nehmen, sondern man
hätte eine höhere Summe in Aussicht nehmen sollen.
Die Art nnd Weise, wie die Teilung dieses Pauschalsatzes in Anzsieht
genonunen ist, erscheint mir glücklich. Es ist darchaus notwendig, daß ein
gewisser Satz der Zentralbehörde verbleibt znr Verteilung an diejenigmi Kreis¬
ärzte, die durch Epidemien oder Seuchen aaßergewOhnlich in Anspmch ge¬
nommen sind.
Nach alledem erscheint es ja erfrenlich, daß die Medizinalverwaltong,
soweit sie es innerhalb der Gesetze vermag, Fortschritte vorweist; allerdings
es ist doch geboten, daß auch wirklich mal eine gründlichere Reform in Ans-
sicht genommen wird, und daß dabei alles dasjen^e, was hier im Hanse vor¬
gebracht ist, wohlwollende Berücksichtigung bei der Königlichen Staatsregie-
ruhg findet. (Beifall links.)
Abg. dTSsling (freis. V.-P.); M. H., was die Stellung nnd die Tät^keit
der Kreisärzte anlangt, so ist die Frage erwogen worden, ob man den iLreis-
ärzten die für Stadt und Land so wichtige NanrungsmittelkontroUe übertragen
solle. Der Vertreter der Staatsregierang hat meines Erachtens mit Recht die
Meinung vertreten, daß es nicht richtig wäre, auch diese Tätigkeit den Kreis¬
ärzten zur Zeit zu übertragen; denn die Aufgaben der Kreisärzte wacbsen von
AbgaordnetonhMum Uber den Mediainaletat 177
Jahr za. Jahr ao, insbesondere auch infolge der Dorchführong des prenfiischen
Seuchen gesctzes.
Mil Becht ist auch in der Badgetkommission hervorgehoben worden,
die Verantwortang der Kreisärzte sei schon so groß, daß man eher daran
denken sollte, diese Verantwortang vielleicht za mildern. Der Herr Minister
hat ferner zatreffend dargelegt, eine wie schwere Aufgabe die Kreisärzte zur
Zeit haben da sie es eigentlich dem Pablikam nie recht za Dank machen
können. Entweder treten sie nicht rechtzeitig den Uebelständen entgegen, die
mit einer Seachengef&hr verbunden sind, oder sie schreiten za frtthzeitig ein
und erregen dann wieder das Mißfallen des Pablikams. Es wird also vor älem
nötig sein, das Vertraaen im Pablikam den Kreisärzten gegenüber za stärken
und sie deshalb nicht za sehr mit Aufgaben za belasten, die vielleicht geeignet
sind, dieses Vertraaen abzoschwächen.
M. H., über die Stellang der Kreisärzte ist bereits am Sonn**
abend aasfübrlich verhandelt worden. Es sind ja alle auch von mir geteilten
Wünsche mit der größten Ausführlichkeit von den Herren vorgetragen, and
ich möchte sie um so weniger wiederholen, als sie sämtlich niedergelegt sind
in einem Aafaatz von dem Qeh.Med.-Bat Dr. Bapmand über das preußische
Medizinalwesen im Staatshaashaitsetat 1908, der veröffentlicht ist in der Zeit*
Schrift für Medizinalbeamte, der selbstverständlich den Vertretern der Begie*
rang bekannt ist Nor will ich bervorheben, daß etwa 75 "/o aller Kreisärzte
vollbeschäftigt sind and zar Anstellung einer diesem Prozentsatz entsprechenden
Zahl von Kreisärzten ein Aufwand von 600 000 M. nötig sein würde, daß diese
Somme aber wahrlich im Verhältnis za dem Zwecke nicht zu hoch ist. Wenn
der Herr Minister gesagt hat, daß der Zuwachs an vollbesoldeten Kreisärzten
bisher nicht die Zeüd erreicht bat wie in diesem Etat, so ist zu erwidern, daß
im vorigen Jahre 5 and in diesem Jahre 6 mehr vollbesoldeto Kreisärzte ein¬
gestellt sind. Dieser Zawachs ist doch so geringfügig, daß er kaam in Be¬
tracht kommen kann, wenn man bedenkt, daß nur ein Siehntel aller Kreisärzte
vollbeeoldet sind.
Mit großer Freade ist ja za begrüßen, daß den Pensionswttnschen
der Kreisärzte im nächsten Jahre Bechnong getragen werden soll, und dass
wir schon in diesem Jahre eine Vorlage bekommen, welche sich beschäftigt
mit der Neaordnang der Gebühren der Medizinalbeamlen und auch die gesetz¬
liche Grandlage für die Pensionswünsche, die die Kreisärzte meines Eraebteos
mit Becht hegen, schaffen soll. Was die Paaschalierung des Beise-
kosten anlangt, so hebe ich nur hervor, dass die Samme mindestens für die
nicht vollbesoldeten Kreisärzte za gering ist.
Dann möchte ich an den Herrn Minister die Bitte richten, die guten
Beziehungen der Kreisärzte za den anderen Aerzten so viel als
möglich za pflegen. Es ist bereits in der Badgetkommission ein charak¬
teristischer Fali vorgetragen, ln eioer Stadt Ostpreußens war 81 Jahre eia
Sanitätsrat als Gefängnisarzt tätig. Der Vertrag wurde ihm aas Gründen, die
meines Erachtens nicht erheblich genug waren, gekündigt. Ich will auf die
einzelnen Gründe nicht eingeben, da der Fall insoweit zum Bessort des Justiz¬
verwaltung gehört, und es mir auch nicht richtig erscheint, ausführlich auf
die Gründe einzagehen. Die dem Sanitätsrat, der 81 Jahre als Gefängnisarzt
tätig gewesen war, gekündigte Stelle sollte nun an den besoldeten Kreisarzt
übertragen werden, und zwar für ein höheres Gehalt, als der Sanitätsrat bis
dabin erhalten hatte. Der Kreisarzt war aber gar nicht in der Lage, die
Stellang anzonehmen, weil er den ehrenwörtlichen Verpfllchtungsschein unter¬
zeichnet hatte, der dem Herrn Minister Anlaß gegeben hat za einer Nachfrage
nnter den Kreisärzten. Jetzt übt der Kreisarzt ohne Vertrag für die Mindest-
sitre die Tätigkeit des Gefängnisarztes aus. Und es kommt noch hinzu, daß,
laÜs der Kreisarzt verhindert ist, der Sanitäterat, der 81 Jahre als Gefäognis-
arzt longiert hatte, den Kreisarzt noch vertreten maß. Daß solche Dinge
Mißstinunongen anter den Aerzten hervorrafen, wird einer näheren Aasführang
nicht bedürfen (Se^ richtig! links). Ich möchte an den Herrn Minister die
Ktte richten, nach dieser Biehtang hin ein wachsames Auge za haben. Not¬
wendig ist es, daß das Vertraaensverhältiüs zwischen den ^eisärzten und den
anderen Aerzten und aaoh unter den Privatärzten selbst erhalten bleibt and
gestärkt wird; aaoh das Vertraaen des Pablikams zu den Aerzten muß ge-
17S
Die dletjftbiige Beretong de« preofifieheii
hoben werden. Ee ist daher Aufgabe der Verwallnng, alle Hißhelllgkeiten
auf diesem Gebiete im Interesse der Sache aas dem Wege za räomen.
Minister der osw. Medizinalangelegenheiten Dr. Holle; M. H.I Die
Herren Vorredner haben eine Fülle yon Anregungen und Wünschen bezüglich
der staatlichen Medizinalbeamten hier geäußert, die mir Anlaß geben, etwas
näher darauf einzugehen.
Der Herr Abg. Voß hat gesagt: ü eher elf er ist besser als das Gegen«
teil. M. H., ich glaube, dem wird man im Grande auch beitreten müssen.
Die Kreisärzte haben eine außerordentlich schwere Pflicht, die darauf gerichtet
ist, üebelstände in sanitärer Beziehung zur Geltung zu bringen, und diese
Erinnerungen yon ihnen treffen natürlich denjenigen, auf den sie gerichtet sind,
flnanziell, so daß diese darum mit den Anordnungen der Medizinal beamten in
der Begel nicht zufrieden sein wird. Es sind darum auch in jedem Jahre
Klagen wegen des üebereifers der Kreisärzte gekommen, die bekanntlich im
Jahie 1904 zu einer eingehenden Ermittlung der Medizinalyerwaltung Veran«
lasBung gegeben haben. Die eingeforderten Berichte sind dem Hohen Hanse
in einer Denkschrift mitgeteilt. Sie hatten freilich das erfreuliche Er¬
gebnis. daß die staatlichen Behörden der Tätigkeit der Kreis¬
ärzte im wesentlichen nur Anerkennung zollen konnten, ab¬
gesehen yon einzelnen Vorkommnissen, die selbstyersUlndlich bei einer so großen
Zahl leicht passieren. Diese Anerkennung ist dann auch in einem Erlaß
meines Herrn Amtsyorgängers zur Kenntnis der Kreisärzte gebracht worden.
Aber m. H., in diesem Erlaß ist weiter auf § 38 der Dienstanweisungen
yon 1901 hingewiesen, in welchem bestimmt ist: ^die Vorschläge zur Abstel¬
lung yon Mißständen müssen den gegebenen Verhältnissen, insbesondere den
flnanziellen Mitteln der Kommunen sich anpassen und sollen unter Berttcksich-
tigung praktischer Erfahrungen nicht über das Maß des tatsächlichen Bedürf¬
nisses hinausgehen“. Das ist das Wesentliche, m. H., und um den Beschwerden
über den Uebereifer der Kreisärzte die Spitze abzubrechen, mochte ich mir
darauf hinzuweisen erlauben, daß die Kreisärzte, abgesehen yon Notfällen,
nicht das Becht zu direkten Anordnungen haben, sondern nur be¬
gutachtend und beratend wirken, während die Ausführung ihrer Vor¬
schläge durch die Verwaltungsbehörden angeordnet wird. Ich bitte, wenn der
eine oder andere der Herren Abgeordneten einmal besondere Klagen über
elneo Kreisarzt glaubt zur Geltung bringen zu sollen, doch mir den Fall an-
zuzeigen. Ich werde gern dahin wirken, daß ein etwaiger Uebereifer zurück¬
gedrängt wird, während ich anderseits auch den Wunsch habe, daß
der Eifer niemals erlahmen mochte. (Brayo!)
Die Frage der guten Beziehungen zwischen den beamteten
Aerzten und den Priyatärzten ist immer ein Gegenstand besonderer Auf¬
merksamkeit der Zentralyerwaltung gewesen, und soyiel ich weiß, liegen auch
in der Beziehung weiter keine Beschwerden yor.
Dann, m. H., ergab die Statistik die auffallende Erscheinung, daß die
Mortalität auf dom platten Lande größer ist als in den Städten; eine auf¬
fallende Erscheinung deshalb, weil nach der allgemeinen Annahme das platte Land
nach der gesundheitlichen Seite besser gestellt ist wie die Städte. (Bewegung
rechts.) Dieser Unterschied wird zum Teil darauf zurückgeführt, daß die
sanitären Verhältnisse in den Bauerndörfern yiel/ach zu wenig beachtet
werden. (Widerspruch.) Ich glaube auch nicht, daß das in wesentlichem
Maße der Fall ist, und um zu yerbindern, daß die Ergebnisse der Statistik zu
scharfe Anordnungen der Kreisärzte heryorrufen, wird erwogen, ob es sich
nicht empflehlt, die Kreisärzte zu yeranlassen, nur in Verbindung mit Ver¬
tretern der Landwirtschaft, der landwirtschaftlichen Vereine usw. darüber zu
beraten, wie eyentuell die in dem einen oder anderen Bezirke heryorgetretenen
Üebelstände geheilt werden können, damit sich auf diese Weise die medizinalen
Anordnungen den Bedürfnissen möglichst anpassen.
Dann ist die Bede gewesen yon der finanziellen Stellung der yoll
besoldeten und der nicht yoll besoldeten Kreisärzte, ich erlaube
mir darauf hinzuweisen, daß auch diesen beiden Beamtenkategorien durch die
beyorstehende Besolden gsaufbesserung in ihren Gehaltsbezttgen
gebessert werden sollen. Dann möchte ich betonen, daß eine Ver¬
besserung der Pension bei den nicht yoll Besoldeten in der Weise
AbgeordnetenhftUM Aber den Medlsinaletat
179
ia Ansflicbt genommen ist, dnB in Zoknnft nfobt mehr ein Teil der ton ihnen
bisher bezogenen Oebftbren nls Ornndlnge fttr die Bereehnnng der Pensionierung
gelten soll, sondern allgemein der Satz yon 2260 Mark ittr jede nicht yoll*
besoldete Stelle. Ferner soll weiter auch die Erhöhnng der Dienst-
anf wandsentschädignng der Kreisärzte in Erwägnng genommen werden.
Eine Aasdehnang des Fttrsorgegesetzes von 1902 auf Unfälle, die
die Medizinalbeamten in ihrem Amte erleiden, ist eine dankenswerte Anregung,
Aber die ich gern mit den beteiligten Ministern in Verbindung treten werde.
Endlich ist die Bede davon gewesen, ob man nicht den Aerzten Jahre
ihrer früheren Praxis in Anrechnung bringen konnte. M. H., das ist
ausgeschlossen nach den Bestimmungen des Pensionsgesetzes, das solche Jahre,
die vor der Vereidigung der Staatsbeamten liegen, yon der Anrechnung ausschließt.
Im flbrigen wird bei jedem zur Anstellang gelangenden Beamten die Dienst¬
zeit, die er als Kreisassistenzarzt zugebracht hat, in Anrechnung gebracht.
Was weiter das Medizinalkollegium anlangt, auf dessen Beformbedfirf-
tigkeit der Abg. y. Voß hingewiesen hat, so darf ich bemerken, daß ich diese
Anschauung teile, ebenso wie mein Herr Amtsvorgänger. Dieser hat bereits
die beteiligten Behörden zur Berichterstattung veranlaßt. Die Berichte liegen
vor und ist ihre Verarbeitung bereits begonnen. Es wird darauf ankommen,
die bisher im wesentlichen auf gerichtsärztliche Tätigkeit beschränkte Arbeit
der Medizinalkollegien auszudehnen auf die Sorge für die Öffentliche Gesund¬
heitspflege.
Abg. Dr. y. Hejdebmnd und der Lnse (kons.): M. H., ich will auf
die Besoldangsfrage der Kreisärzte nicht näher eingehen; auch meine poli¬
tischen-Freunde sind bereit, anznerkennen, daß die Tätigkeit der Kreis¬
ärzte eine im allgemeinen nützliche und notwendige ist, und
daß sie mit uns daran zu arbeiten haben, die sanitären Ver¬
hältnisse zu bessern, soweit es den Kräften der Heiligten an¬
gemessen ist.
Aber ich mOchte doch eine Mitteilung, die der Herr Minister machte
mit bezog auf die allgemeinen Gesundheitsverhältnisse auf dem
Lande, nicht ganz ohne eine Gegenbemerkung lassen. Der Herr Mi¬
nister hob hervor, daß die Statistik — und was beweist die Statistik Leute
nicht alles I — klarlegte, daß die Mortalität in den ländlichen Verhältnissen
viel bedeutender wäre als in den Städten, und daß daher neue verstärkte An-
. Ordnungen auf sanitärem Gebiet auf dem Lande getroffen werden müssen. Ja,
für diese Mortalität in den ländlichen Verhältnissen gibt es auch eine Erklärung,
die nicht notwendig mit diesem Umstand zosammenhängt; daß ist einfach das
Moment, daß wir auf dem Lande nur noch Greise und Kinder haben, (sehr
richtig! rechts) und daß die gesundheitlich Kräftigen, die Bevölkerung in den
besten Jahren, nach den großen Städten geht. Daß daher die Mortalität auf
dem Lande größer ist, ist klar.
Ferner ist selbstverständlich, daß die Einrichtungen in den größeren
Städten sehr viel leichter und zweckmäßiger und mit größeren Mitteln ansge¬
staltet werden kOnnen als auf dem Lande. Man kann ancUdlich viele Dinge
auf dem Lande einfach nicht so herstellen, wie es in den Städten möglich und
notwendig ist. Deshalb gibt die Statistik in der Beziehnng kein richtiges
Bild. Ich würde doch raten, daß der Uebereifer der Herren Kreisärzte sich
nicht zu ausschließlich auf diese Fragen stürzte; denn die Herren Kreisärzte,
was ich ihnen nicht verdenke, sind bemüht, möglichst gute Zastände herbei-
zuführen. Aber ich finde, daß sie manchmal zu wenig an die denken, die die
Sache zu bezahlen haben, (sehr richtig!) und da ist leider der Schatz, der
von der Begierungsinstanz gewährt wird, nicht immer so wirkungsvoll, wie ich
es gern sehe; denn man weiß, wie die Sache an der Begiernng zngeht. Der
Medizinalrat bekommt die Sache zur Bearbeitang, der Begierungspräsident ist
bei seiner großen Geschäftsüberlastnng nicht in der Lage, die Sache zu kon¬
trollieren; das kommt also unverändert an den Landrat zurück, der pflicht¬
mäßig dieser Anordnung weitere Folge gibt. Dann werden eine Beihe von
Maßregeln getroffen, von denen man wirklich zweifelhaft sein kann, ob sie
absolut nOUg sind. Es gibt Verhältnisse, die sich sanitär ganz leidlich Jahr¬
zehnte hindurch gehalten haben und noch sehr lange erhalten würden,
wenn man die Verhältnisse berücksichtigte, wie sie einmal vielfach auf dem
180
Besprechungen.
Lande sind. loh wttrde also nur bitten, dafi man diese Statistik nnd die Eon.
troile der Begiemn^nstans nicht ais maßgebende Hitwirknng fttr den üeber*
eifer erblickt, wie sie der Herr Minister zn erblicken schien. Ich glanbe, daß
die Tätigkeit der Kreisärzte wohl wert ist, mit allem Ernst geleitet zn
werden. Wir haben eine verbältniamäßig nene Einrichtung mit ihnen getroffen
und mfissen abwarten, wie sich die Verhältnisse anf dem Gebiete gestalten
werden. Wir haben — von seiten meiner politischen Frennde — besonderen
Wert darauf gelegt, daß den Herren Kreisärzten auch ihre Privatpraxis er¬
halten bleibe, und zwar nicht bloß, damit sie nebenher finanzielle Einnahmen haben,
sondern damit sie mit dem wirklichen Leben in Ftthlnng bleiben nnd sich nic^t
bloß als offizielle Verbesserer der offiziellen Hygiene betrachten, (sehr richtig!)
was dann leider eben zn Konsequenzen führt, die ja sehr gut gemeint sind,
aber den tatsächlichen Verhältnissen nicht in dem Maßo entsprechen, wie es
notwendig ist. Bas Zweckmäßige, das Notwendige wollen auch wir; den Fort¬
schritt auf dem Gebiete wollen auch wir; aber wir wollen auch Bücksicht
haben anf die Verhältnisse, wie sie sich entwickelt haben, nnd auch Bücksicht
anf diejenigen, die die Sache za bezahlen haben. (Lebhafter Beifall rechts).
Besprechungen.
Dr. Stiar, Stabsarzt, Berlin: Die aknte Tninkenlieit und Ihre stref-
reolitliohe Begataohtnng mit besonderer Berllokslohtlgang der
mUltftrlaohen Yerhältniaae. Mit einer Tafel nnd einer Knrye im Text.
Januar 1907. Verlag yon G. Fischer. Gr. 8", 153 Seiten. Preis: 4,60 M
Verfasser behandelt zanächst die Wirknngen des Alkohols auf das Seelen¬
leben nnd ihre Bedeutnng für die Armee, darauf den Kampf gegen die
Trunkenheit in verschiedenen Formen. Der dritte Abschnitt handelt über die
rein ärztliche Beurteilung der akuten Trunkenheit bei Delikten nnd der vierte
über die einzelnen Bauschzustände in ihrem Verhältnis zum § 51 des Beichs-
Strafgesetzbuchs. In seinem letzten Abschnitt kommt Verfasser dann zu dem
Ergebnis, daß der Kampf gegen die ans der Trunkenheit hervorgehenden Un¬
sitten in erster Linie auf einen Kampf gegen die Trunkenheit selbst nnd anf
einen Kampf gegen jeden übermäßigen Alkoholgenuß hinanslaufen muß. Er
wendet sich dabei gegen die Unsitte, Soldaten zur Belohnung fttr gute Leistungen
Alkohol zu geben. Eine Aenderung der bestehenden Gesetze hält er einst¬
weilen, bis Klarheit anf diesem Gebiete geschaffen ist, nicht fttr nOtig. Das
Buch ist flott nnd auch für den Laien verständlich geschrieben, so daß es
nicht nur Sadiverständigen, sondern auch Bichtem empfohlen werden kann.
Bpd.
Prof. Dr. Dimbar- Hamburg: Leitfaden der Abv&aserrelnlgangBfrage.
Mit 47 Abbildungen. Berlin 1907. Verlag vonB. Oldenbourg. Kl. 80,
886 Seiten. Preis: geb. 9 Mark.
Verfasser gibt im vorliegenden Buche zuerst einen Ueborblick über die
Entwicklnngsgescbichte der Abwasser frage, um dann zu dem gegenwärtigen
Stand der Abwässerbehandlung ttberzugehen. Nachdem er den Charakter der
Abwässer und die Aufgaben der Abwässerreinigungsanlagcn besprochen hat,
beschreibt er die verschiedenen Methoden zur Ausscheidung ungelöster Stoffe
und zur Beseitigung der Fänlnisfähigkeit. Schließlich behandelt er noch die
Abwässerdesinfektion, die Prttfung und Beurteilung der Abwässerreinignngs-
anlagen sowie die Kosten und Leistungen der verschiedenen Verfahren. Viele
Abbildungen untersttttzen den Text sehr wesentlich. Obwohl sehr viel Material,
wie Verfasser selbst sagt, unberücksichtigt bleiben mußte, weil das Werk sonst
bei der intensiven Entwicklung der Abwässerirage über den Bahmen eines
kurzen Leitfadens hinausgegangen wäre, giebt es doch einen guten Ueber-
bück über Stand und Methoden der Abwässerbehandlung. Bpd.
Jnstizrat A, Joaohlm nnd Dr. JoaoUm- Berlin: Die prensalaohe Qb-
btthrenordnung für approbierte Aerate nnd Zabnftrate Tom
BeBprechtingeii.
181
IB. M»1 1896. Zweite, rermehrto und yerbesserte Auflage. Berlin 1907.
Verlag yom 0. Coblenz. Or. 12*, 264 Seiten. Preis: geb. 6 Mark.
Die neue Auflage dieses Baches, das in seinem Anhang noch das Ge-
btthrengesetz vom 9. März 1872, eine Abhandlung Ober gerichtliche Geltend*
machang des Honorars und praktische Beispiele für die Bemessung der Ge¬
bühren enthält, hat eine erhebliche Umarbeitung und Erweiterung erfahren,
um dem Bedürfnis des praktischen Arztes noch mehr Bechnung zu tragen.
Das Buch hat dadurch an Wert gewonnen und dürfte dem praktischen Arzte
auch weiterhin ein guter Wegweiser bei der Aufatellung seiner Liquidation sein.
_ Bpd.
Dr. Pfeiffer, Geb. Med.-Bat in Weimar: TMOlieiibixolL der Ereakea-
pflege fttr Krankeapflegesolinlea, für Aerste nadfflr die Familie.
Vierte yollständig nmgearbeitete Auflage. Weimar 1907. Verlag H. BOhlan,
Nachfolger. 12*, 444 Seiten. Preis: 6 Mark.
Vorliegendes Buch, das yom Verfasser unter Mitwirkung zahlreicher
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in erster Linie für die Schülerinnen der
Pflegerinnen-Anstalt Sophienhaus in Weimar heraasgegeben ist, enthält zwei
TeUe. Der erste Teil zum Unterricht für die Erankenpfl<‘gerinnen bestimmt,
umfaßt alle Prüfungsgegenstände der Bundesratsyerordnung yom 22. März 1906.
Der zweite Teil ist der Spezialfrage der wichtigsten Krankheiten gewidmet
und soll als Nachschlagebuch für Pflegerinnen, Mütter und auch Aerzte dienen.
Die einzelnen Abschnitte sind in übersichtlicher und yerständlicW Art
bearbeitet; zahlreiche Abbildungen erleichtern im ersten Teil das Verständnis.
Der zweite Teil enthält auch für den Arzt sehr wertyolle Abhandlungen, die
ihm bei der Erteilung yon Verhaltungsmaßregeln an Angehörige bd der Pflege
yon Kranken wesentliche Dienste leisten können Bpd.
Dr. BlMOhko und Dr. Jaoobuohn-Berlin: Therapeatlsohee Tasohen-
baoh der Haut-und Qeaolileolitakrankheiten. Berlin 1907. Fischers
medizinische Buchhandlang (H. K o r n f e 1 d). Gr. 12 o, 180 S. Preis: 2,80 M.
Das Buch, das den nicht zu unterschätzenden Vorteil des handlichen
Formates bat, gibt im wesentlichen die Therapie wieder, die seit Jahren an
der Klinik yon Dr. Blaschko mit Erfolg geübt wird. Die Abhandlungen
sind kurz, übersichtlich und, wie sich das bei einem Taschenbuch gehört, ohne
unnötigen Ballast. Für etwaige Bemerkungen findet sich zwischen je zwei
Seiten ein leeres Blatt. _ Bpd.
Dr. Orofljahn und Dr. Krlegal-Berlin: Jahresberlobt Aber noalale
Hygiene, Demographie und Medlalnaletatletlk und alle Zweige
des eoBlalen Vemloherangswesens. VI. Band: Bericht über das Jahr
1906. Jena 1907. Verlag G. Fischer. 876 Seiten, Preis: 11 Mark.
Die seit 1902 regelmäßig erscheinenden Jahresberichte haben überall
eine günstige Aufnahme gefunden und sich eine große Menge Anhänger
erworben. Bei der ungeheuren großen Menge der Veröffentlichungen auf dem
Gebiete der sozialen Hygiene usw. ist es für den Einzelnon sehr schwierig,
ja fast unmöglich, sich genau zu orientieren. Durch diese Jahresberichte wird
es aber jedem, der sich mit den Aufgaben der sozialen Hygiene beschäftigen
muß, leicht gemacht, sich in den einschlägigen Gebieten zurechtzufinden. Die
übersichtliche klare Anordnung des Stoffes nimmt dem Zareebtfinden jede
Schwierigkeit. Die Disposition und die Art der Behandlung des Stoffes
ist auch bei diesem Band dieselbe wie früher geblieben, nur ist der Um¬
fang des Werkes entsprechend dem Anschwcllen der Literatur etwas größer
geworden. Die Jahresberichte yerdienen in den weitesten Kreisen Eingang
zu finden. _ Bpd.
Dr. Bnmiuii- Breslau: Die prektlsobe Geburtshilfe. Wiederholungsbuch
für Hebammen und Einführung in das neue preußische Hebammenlehrbucb.
5. Auflage. Berlin 1907. Verlag E. Staude. Gr. 12*, 140 S. Preis: 1,80 M.
Das Büchlein enthält in gedrängter Kürze das praktisch wichtige für
eine Hebamme und ruft ihnen das iälemte wieder ins Gedächtnis zurück.
182
Tsgeniachriohten.
■Widitigere Stellen and Schlacworte sind gesperrt gedrackt and erleichtern so
das Verständnis. Sdnra Zweck, als Wiederholangsbach za dienen, wird es yoll
and ganz erfäUen. __ Epd.
Ihr. Snltaa, Professor, Berlin: Glriindriaa und Atlas der apealellea
Ohlrurgie. I. Teil. Mit 40 handlichen Tafeln and 218 zam Teil zwei- and
dreifarbigen Abbildangen. XXSVI. Band von Lehmanns med.Handatlanten.
München 1907. Lehmanns Verlag. Gr. 12 **, 459 Seiten. Preis: geb. 16 M.
In diesem 1. Band behandelt Verfasser die Chirurgie des Kopfes and
der oberen Bampfh&Kte. Die in harzer, sachlicher Weise abgefaßten Abhand¬
lungen enthalten alles Wesentliche and die in ihnen beigegebenen zahlreichen
Abbildangen erleichtern das Verständnis mehr, als die besten Beschreibangen.
Die einzelnen Operationen sind zum Teil so vorzüglich beschrieben und durch
Abbildungen wiedergegeben, daß sie auch jemand, der sie nie hat ausftthren
sehen, ohne Bedenken aasftthren kbnnte. Ein derartiges kurz gefaßtes and
doch alles Wesentliche enthaltene Lehrbuch hat wirklich gefehlt; sein Er¬
scheinen ist daher nur mit Freade zu begrüßen. Es reiht sich in würdiger
Weise den anderen Lehmann sehen Handatlanten an and nimmt in dieser
Sammlong einen der besten Plätze ein. Hoffentlich fällt der IL Band, der in
nächster Zeit erscheinen soll, genaa so vorzüglich aas. Bpd.
Prol Dr. Bßttger - Wttrzbnrg: Lehrbnoh der Nubrungsinlttel-Ohemle.
Dritte, vermehrte und verbesserte Aaflage. Mit 22 Abbildungen und 1 TafeL
Leipzig 1907. Verlag von Ambr. Barth. Kl. 8*, 901 Seiten. Preis: geh.
16 M., geb. 17 M*
Das in seiner dritten Aaflage vorliegende Werk hat durch die Berück-
sichtigang der neueren Erfahrungen der Wissenschaft eine wesentliche Ver-
bessernng erfahren, an seinem eigentlichen Aufbau and der Einteilung des
Stoffes ist jedoch fast nichts geändert. Hinzu gefügt wurde noch ein Antoren-
register. Großer Wert wurde wieder anf möglichst genaue und vollständige
Angabe der Literatar gelegt, damit dem Leser Gelegenheit geboten würde,
sich über besondere Gebiete näher informieren zu können. Die günstige Aaf-
nahme, die das Werk bei seinen früheren Aaflagen gefunden bat, verdient es
nach jetzt wieder. Bpd.
Tagesnachrichten.
Aus dem preuM. Abgeordnetenluknse. Das Qaellenschntzgeiets ist
nunmehr von der Kommission durchberaten und wird demnächst in Plenum zur
Verhandlung kommen. Das Ergebnis der Kommissionsberatung ist im großen
and ganzen folgendes: Die Kommission ist der Vorlage in der Auffassung
gefolgt, daß ein Qaellenschutz durch landesrechtlicbe Begelung nur auf der
Grundlage des öffentlichen Beebts und daher nur für Quellen gewährt werden
kann, deren Erhaltung ans Gründen des öffentlichen Wohles geboten ist.
Während der Begierungsentwurf aber solche Gründe unter Umständen auch
in besonders gearteten wirtschaftlichen Verhältnissen finden will, hat sich die
Kommission auf den Standpunkt gestellt, daß nur die mit einer Quelle ver¬
bundenen Heilwirkungen ihr einen gemeinnützigen Charakter geben können.
Die Bestimmungen des Entwurfes über das Verfahren, das bei der Fesstellnng
der Gemeinnützigkeit einer Quelle and eines Scbnrfbezirkes zu beobachten ist,
haben die Zustimmung der Kommission gefunden. Die Wirkung des Scbnrf¬
bezirkes ist dahin erweitert worden, daß die in der Vorlage vorgesehene Ge-
nehmigungspfiieht für Arbeiten, die auf den gewachsenen Boden einwirken,
auch alle anderen Arbeiten umfassen soll, die geeignet sind, die Ergiebigkeit
und Zusammensetzung der Quelle zu beeinflussen. Den Grundsätzen der Vor¬
lage über die Gewährung von Entschädigung an die in der freien Verfügung
über ihr Grundstück beschränkten Grundeigentümer ist die Kommission im
wesentlichen beigetreten, insbesondere darin, daß die Entschädigung im allge-
TfewuMdiriehten.
188
meinen in Beute sn gew&hren iat and Ersatz noi fttr die durch die Beschr&n*
hangen herbeigefdhrte Mindeiong des Wertes des Qiandstücks schaffen soll,
dabei ist aber fttr zweckmäßig erachtet worden, aosdrttcklich aaszosprechen,
daß entgangener Gewinn in die Entschädigung nicht einzabcziehen ist. An
den Verpflichtungen, die dem Eigentflmer einer geschützten Quelle auferlegt
sind, ist sachlich nichts geändert worden. Das Gebiet des vormaligen Herzog¬
tums Nassau ist aus dem Geltungsbereich des Gesetzes ganz ausgenommen
worden, dagegen hat man die Ausschließung nicht auf diejenigen Gebiete
ausgedehnt, in welchem der Quellenschutz bereits gegenwärtig durch Polizei-
Verordnung geregelt ist.
Zufolge Erlasses des Herrn prenß. Ministers der Medizinalangelegenheiten
vom 19. Februar 1908 werden in diesem Jahre wiederum zwei Fortbildongskurse
ln der Psychiatrie und tu der gerichtliehen Medizin für je etwa zehn
Medizinabeamte in der Zeit vom 9. bis 14. März und vom 23. bis 28. März
d. J. abgehalten werden. Zur Teilnahme an denselben sind Kreisärzte mit
besonders umfangreicher gerichtsärztlichen Tätigkeit in Aussicht genommen.
Die dem Bayerischen Landtage vorgelegte neue Gehaltsordnung bringt
für die Bayerischen Medislnalbeamten sehr erhebliche Verbesserungen ihrer
Gehaltsvernältnisse. Es erhalten demnach die Vortragenden Bäte im Ministerium
8400 bis 11400 Mark, die Kreis-Medizinalräte und Landgerichtsärzte 6000 bis
8400 Mark, die Bezirksärzte und Hausärzte der Strafanstalten 8000 bis 6000 Mark.
Es sind bei den ersten beiden Bcamtenklassen 4 dreijährige Gehaltsstufen und
eine letzte Steigerung des Gehaltes vom 18. Dienstjahre ab vorgesehen, bei den
Bezirksärzten dagegen 5 dreijährige Gehaltsstufen von je 600 Mark und eine
letzte Steigerung vom 16. Dienstjahre ab. Hoffentlich wird die Vorlage vom
Landtage recht bald genehmigt.
Eisass • Lothringen, ln der Sitzung des Landesausschusses am 26. Fe¬
bruar gelangte bei Beratung des Etats der Verwaltung des Innern auch das
Medizinalwesen zur Verhandlung. Der Abg. Dr. Schott widmet hierbei zu¬
nächst dem ehemaligen Medizinalreferenten Geh. Ober-Medizinal-Bat Professor
Dr. Biedert warme Worte der Anerkennung für seine Amtsführung. Erhebe
sich um die Beform des Medizinalwesens große Verdienste erworben; es sei
ihm gelangen, diese Beform Im Sinne einer Besserstellung der Kreisärzte durch-
zuftthren, wenn auch seine Bestrebungen, die beamteten Aerzte von der Aus¬
übung einer Privatprazis unabhängig zu machen, noch ihrer Verwirklichung
harren. Desgleichen habe er den praktischen Aerzten ihre völlige Unabhängig¬
keit gegenüber jedem Versuch einer staatlichen Beaufsichtigung zu wahren
gewußt, wie er ihre Stellung dem Beichstyphuskommissar gegenüber in
würdiger Weise gestaltet habe. Auch sei es ihm nicht zum wenigsten zu
danken, daß eine private Organisation der Aerzteschaft zustande gekommen
seL Der Begierung sprach Dr. Schott weiter seine Anerkennung darüber
aus, daß sie als Medizinalreferenten keinen Theoretiker, sondern einen Mann
berufen habe, der seit Jahrzehnten in Elsaß-Lothringen als Arzt und Medizinal-
beamter tätig sei und das Vertrauen des gesamten Aerztestandes in hohem
Maße genieße. Hoffentlich gelinge es ihm, die halbverwirklichte Medizinal¬
reform glücklich durchzuführen. Die Abgeordneten Dr. Wolf, G. Schott
und Dr. HOffel äußerten sich hierauf betreffs des Landesgesundheits¬
inspektors dahin, daß dessen Tätigkeit hauptsächlich auf dem Gebiete der
Gewerbebygiene liegen müsse. Unterstaatssekretär Mandel dankte dem
Abg. Dr. Schott für die anerkennenden Worte, welche er dem früheren Medi¬
zinalreferenten im Ministerium, sowie der Berufung des jetzigen Beferenten
gewidmet habe. Der Landesgesundheitsinspektor sei schon im Jahre 1906 an«
gewiesen worden, sich in erster Linie der Gewerbehygiene zu widmen; es
bliebea aber doch auch auf dem Gebiete des Medizinalwesens noch wichtige
Aufgaben für ihn übrig. _
184
TageBUftohriohteo.
Der bekannte amerikanische Großindnstrielle Andrew Carnegie In
Newyork bat fttr die Bobert Koeh-Stiftang eine Million Mark geschenkt,
soXdaß das Stiftnngskapital nunmehr die erste Million ttberscbritten hat. Di
seinem an den amerikanischen Botschafter Mr. Charlemagne Tower ge¬
richteten Schreiben bemerkt Mr. Carnegie, daß er Koch, Lister,
Pasteur und Männer wie diese als Führer der Zirilisation ansehe, die es ab
ihre Anfgabo^betrachten, ihren Mitmenschen zu dienen und ihnen zu helfen.
Soweit bekannt, istj^diese Schenkung die erste, die Carnegie fttr öffentliche
Wohlfahrtszwecke in irgendeinem Lande außerhalb der Vereinigten Staaten und
Großbritanniens gemacht hat.
TodesflUle. Am 28. Februar bt der Senior der deutschen Chirurgen,
Wirkl. Geh. Bat Prof. Dr. y. Esmarch in Kiel, Exzellenz, im hohen ^ter
Ton 86 Jahren gestorben. Seine großen Verdienste um die ganze Entwickelung
der modernen Chirurgie und um die Ausbildung des Samariterwesens werden
ihm für alle Zeiten ein ehrendes Andenken sichern.
Am 22. Februar ist nach längerem Leiden der Erebarzt Geb. Med.-Bat
Dr. Baer in Berlin im 74. Lebensjahre aus dem Leben geschieden. Sein Tod
wird nicht nur in den Ereben der Medizinalbeamten und Aerzte ab schmerz¬
licher Verlust empfanden werden, sondern auch in weiteren Ereisen, mit Bttck-
sicbt auf die herrorragenden Leistungen des Verstorbenen auf dem Gebiete
der Gefängnbbygiene und der Bekämpfung des Alkoholbmus. Ehre seinem
Andenkenl
In der am 16. Februar d. J. in Berlin abgehaltenen Sitzung des Ver-
waltungsrats der Dentseheu Geselbehaft fflr TolksbSder bt an Stdle des
yerstorbenen Begrttnders der Geselbehaft, Herrn Prof. Dr. Lassar, Gbh.
Med.-Bat Prof. Dr. Brieger, Leiter der hydrotbcrapeutbchen Anstalt der
kOnigl. üniyersität, zum Prtoidenten der Gesellschaft gewählt. Die bisherigen
stellyertretenden Präsidenten und deren SteUyertreter sowie die ausscheidenden
Beisitzer wurden wiedergewäblt und Prof. Dr. Darm Städter sowie Geh.
Med.-Bat Prof. Dr. Bubner neugewählt.
Ferner wurde beschlossen, die diesjährige Hauptyersammlung
in Essen (Bahr) am 26. und 27. Mai abzuhalten. Anmeldungen zu Vorträgen,
zur Teilnahme an der Hauptyersammlung und zur Mitgliedschaft sind an die
Geschäftsstelle der Deutsenen QeseUschiät fttr Volksbäder, Berlin, Bernburger-
Straße 14, zu richten.
Der internationale Eongress zur Bekämpfung der Schlafkrankheity
der bereits im Januar d. J. in London abgehalten werden sollte, wird nunmehr
am 9. d. Mts. beginnen. Als deutsche Vertreter werden Geb. Bat Professor
Dr. Bobert Eoch, Legationsrat Dr. y. Jacobi und Oberstabsarzt Dr. Stendel
teilnehmen. Die Hauptgegenstände der Verhandlung werden dio Einrichtung
eines internationalen Nacmrichtenbureaus über das Auftreten der Schlafkrank¬
heit und die Vereinbarung gemeinschaftlicher Maßnahmen zu ihrer Abwehr
und Bekämpfung in yerseuchten Grenzgebieten sein.
Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in
Prenssen. Nach dem Minbterialblatt fttr Medizinal- und medizinbehe Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit yom 2. bis 12. Februar 1908 erkrankt
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleck lieber, Bttck-
fallfieber, Pest, Botz und Tollwut: — (—); Pocken: 7 (1), 10 (1);
Bißyerletzngen durch tollwutyerdächtige Tiere: 6 (—), 14(—);
Milzbrand: 4 (—), 6 (1); Bahr: 4 (—), 14 (1); Unterleibstyphus:
206 (18), 190(29); Diphtherie: 1582 (128), 1477 (98); Scharlach: 1688
(98), 1685 (87);Genickstarre: 80 (11), 89 (15); Kindbettfieber: 127
(25), 121 (89); Eörnerkrankheit (erkrankt): 198, 208; Tuberkulose
(gestorben): 628, 626.
VerantwortLBedaktenr: Dr.Bapmund, Beg.-u. Geh. Med.-Rat in Minden i. W
J C 0. nraaa. Rsnoct aietaa & F. Seh.-!.. Hofbnelidniclnral Ir MIbS«»-
2t Jahrg.
Zeitschrift
i»od.
für
MEDIZINALBEAMTE.
ZMtnlUttt fir in gnanti IninAiittMtm,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Henui8gegebe>
Toa
Dr. OTTO RAPMDND,
Begleiiiaf»- aad 0eh. Mediiiaalral In Mtadea.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag Yon Fischers rnedis. Buehhandlg., H. Kornfeld,
HtnogL Bayer. Bof* n. BRhanogL
Berlin W. 35, Lülzowstr. 10.
fa s Tal a aghiata 4De Teriagihaadlinf sowto alle Aaaoneea-fcpeditleaeB das In«
«ad dauaiidee enUmrea.
6 • Bmehelnt am S. aad dO. Jedaa Haaata«
20. März.
Die diesjährige Beratung des preussischen Abgeordneten^
hauses Uber den Medizlnatetat.
Vom Herausgeber.
(ScUaß.)
Die weiteren Verhandlangen des Abgordnetenhsoses Aber
den Hedizinaletat, über deren Anfang in der vorigen Nummer
berichtet ist, sind nachstehend nach den einzelnen Verhandlnngs-
gegenständen wiedergegeben:
s. InfektlonskranUieiten (bes. Pocken); Arbeiterwohnungen;
Verkehr mit Mlloh; Abwaseerbeseltlgnng; Lelohensohau;
Kohlenrsuoh.
Abg. Or. Helsig (Zontr.) bespricht zanäcbst die Verschleppnng der über*
tragbaren Krankheiten, insbesondere der Pocken, durch die Sachseng&ngerei
und durch ausländische Arbeiter aus Bnssisch* Polen, Rnßiand, Galizien, ün*
gam, Oesterreich, Italien usw. Auch Viehseuchen, wie Maul* und Klauen¬
seuche konnten durch diese eingeschleppt werden. Jedenfalls erscheine die
augenblickliche Besorgnis weiter Kreise in Oberschlesicn, die derzeitig auf*
getretenen echten Pocken würden weiter um sich greifen, nicht unbegründet,
zumal Öffentliche Impftermine wegen des Herrschens von ansteckenden Krank¬
heiten hätten ansgesetzt werden müssen und auch Mißerfolge der Impfung
nicht ausgeschlossen seien. Redner bittet deshalb die Königliche Staatsregie*
mag der drohenden Gefahr energisch entgegenzutreten, event. unter Zuhufe-
nahrae Irischer Ljmphe aus anderen Bezirken, damit die einheimische BerOl-
kerang genügend vor den Folgen geschützt werde, die sich ans den Ab- und
Zttwandera Ton Ausländern ergeben.
Besondere Aufmerksamkeit yerdienten die ländlichen Wohnungen
and Arbeiterwohnungen, die einschließlich der Arbeitorquartiere noch
riel zu wünschen übrig ließen, während auf dem Gebiete der Arbeiterwobnungea
186
Die diesjUulge'Beratuag'defl prenßiicheB
aahlreiche erfreuliche Fortschritte za verzeichzen seien, wie sich aas den Be*
richten der Kreisärzte ergebe. Leider hätten aber die Arbeiter noch nicht
das genttgende Verständnis fOr gesande Wohnungen. Zu bedauern sei auch,
dafl der Fiskus den Bau von Mietskasernen bevorzuge, selbst dann, wenn kilo¬
meterweite Flächen zur Bebauung gelangen konnten und zum Bau Ton Zwei-
bis Vierfzmilienwobnungen geradezu einen mächtigen Anreiz geben.
Als einen mächtigen Fortschritt bezüglich der Nahrungsmittel-
kontrolle sei es zu bezeichnen, daß seitens der Zentraiinstanz eine Neube¬
arbeitung der Grundsätze über den Verkehr mit Milch in die Wege geleitet
sei, die hoffentlich allen berechtigten Anforderungen genügen würden. Durch
Beinlichkeit bei Gewinnung der Milch werde aber mehr ab durch polizeiliche
Vorschriften erreicht. Nachdem Bedner hierauf noch auf die Möglichkeit einer
üebertragung von Krankheitskeimen auf Gemüse usw. durch Berieselung hin-
g ewiesen und um weniger rigorose Handhabung der PoUzeiverordnung über
lackstaben ersucht hat, kommt er auf die Verwertung der festen
und der flüssigen — Ablallstoffe zu sprechen. Unmöglich sei diese
nicht, wenn man nach dem Grundsatz diride et impera verfahre, indem man
die in der Begel dem Wachstum der Pflanzen schädlichen, gewerblichen Ab¬
wässer besonders behandele und zwecks zeitlicher Entlastung der Bieselfelder
bezw. der Anlagen nach Eduardsfelder System entweder einfache Kläranlagen
oder biologische Anlagen anwende. Das von der Königlichen Pxüfungsanstalt
für Abwässerbeseitigung als geruchlos und empfehlenswert bezeichnete Kohle-
breirerfahren sei übrigens nichts weniger als geruchlos.
Zum Schluß wendet sich Bedner gegen die allgemeine obliga¬
torische Leichenschau durch Aerzte. Die dafür z. Z. von dem Be¬
gierno gskommiMsar ang-führten Gründe: Feetsteliung zweifelhafter Todesfälle
sowie Todesfälle an ansteckenden Krankheiten und gewaltsamer Todexfille
seien, wie die Erfahrung gezeigt habe, nicht stichhaltig. Anderseits erleich¬
terten sich unbemittelte Personen die Ausgaben für die Leichenschau dadurch,
daß sie die Leichen kleiner Kinder einpacken und sie den Aerzten zur Schau
vor das Hans fahren oder sogar direkt in die Sprechstunde, wodurch große
gesundheitliche Gefahren hervorgerufen würden. Mitunter sei auch ein Arzt
zur Vornahme der Leichenschau nicht zu haben, so daß sich durch längere
Anfbewahrung der Leichen io Wohnräumen, zumal wenn es sich nm über¬
tragbare Krankheiten handele, ebensolche sanitätswidrige Verhältnisse ergeben
können, als wenn die Leichen in die Sprechstunde des Arztes gebracht werden.
Solange man diesen Dingen nicht wirklich Vorbeugen könne, sei es geradezu
geboten, die allgemeine obligatorische Leichenschau durch Aerzte zu unter¬
sagen. Man habe nun versucht, den Krankenkassen die Kosten für die Leichen¬
schau aufzubürden, indem man mit den Kassenärzten eine Pauschalsumme ein¬
schließlich etwaiger Gebühren für die Leichenschau vereinbart habe. Dieser
Weg sei aber weder gangbar, noch empfehlenswert. Auch die Kosten der
Leichenschau seien keineswegs immer geringfügig. Desgleichen sei man nicht
überall von dem Nutzen der obligatorischen Leichenschau durchdrungen; das
lehre die Stadt Posen, deren Magistrat die Einführung wiederholt abgelehnt
habe, sowie auch der Umstand, daß im Weicbselgebiet vielleicht auch an
anderen Orten die Leichenschau nur vorübergehend eiugeführt werde. Bedner
wünscht, von der Königlichen Staatsregierang Aufklärung darüber, vrie weit
jetzt die obligatorische Leichenschau durebgeführt sei, knüpft daran die An¬
frage nach dem Nutzen, den sie seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom
28. August 1905 tatsächlich gewährt habe; seine politischen Freunde hätten
gegen die Leichenschau an sich nichts einzuwenden, wenn sie so gehandhabt
werde, wie z. B. im Beg.-Bez. Schleswig, in dem 70 "/g der auf dem platten
Lande vorgekommenen Todesfälle aus freien Stücken — eine Polizeiverord-
nnng bestehe dort nicht — mit ärztlicher Bescheinigung belegt werden. Aber
dagegen, daß ohne Not Einrichtungen getroffen würden, deren Kosten im um-
S ekehrten Verhältnis zu dem erhofften Nutzen ständen, müsse man sich auf
as Entschiedenste widersetzen.
Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner, Begierungskommissarj gibt zu,
daß die Befürchtung, daß durch ausländische Arbeiter die Pocken im großen
Umfange eingeschleppt werden, berechtigt sei; denn in der Tat würden Jahr
für Jahr sowohl im Osten, als im Westen durch rosaische, galizische und
Abg«ofdBtieBlians«8 Uber den Medisioalttat
107
iUUttÜMbe Arbeit«r die Poekea in einer größeren Anzahl tob Filien tiBge>
•ehleppt Olttcklieherweine sei ea aber biaher fiberall gelaBgeB. dank der
Wirkung dea Beiehaimpfgeaetaea von 1874 zu verbttten, daO die Er«
krankoB^ der auaiindiacheB Arbeiter anf dentache Eingeborene fibergegnifeB
haben. Die Dorehachnittaanzahl der j&brlichen Todesfälle an Focken, welche
früher in Dentachland gana aaßerordentlich groß gewesen sei, betrage Jetat
hfiehstena 20 bis 80 im ganzea preußischen Staat; sie sei also sehr gerug und
keiBeafalla geeinet an beunruhigen. Auch betreffs der jüngsten Pockener*
kraBkungeu im Itogiemngsbezirk Oppeln sei die Befürchtung, daß sie sich an
einer Epideaie entwickeln konnten, nicht berechtigt. Es seien in den letaten
Xonateu seit Anfang Dezember Torigen Jahres im ganzen Begiernngsbezirk
(^pela nicht mehr us 42 Pockenerkrankungen mit 9 TodesfäUen Torgekommea,
die sich anf 14 Ortschaften in 7 Kreisen und anf 8 Monate Tertdi bitten.
Von einer Epidemie kOnne daher nicht die Bede sein. Ebensowenig könne au«
gegeben weiden, daß wegen der Pockenerkrankungen nnd anderer Infektions¬
krankheiten die regelmißigen Impftermine wiederholt hätten verschoben wer¬
den müssen nnd der Impfschutz der Bevölkerung infolgedessen ein ungenügen¬
der sei; denn in denjenigen Gegenden, in welchen dde ständige Omahr der
Einachleppnng von Pocken bestehe, werde nicht nur einmal, sondern zweimal
im Jahre geimpft, so daß diejenigen Kinder, die im Frühjahr der Impfung
nicht unteraogen seieB, derselben noch im Herbst teilhaftig werden kOnnen.
Die Befürchtung, daß infolge der vielfachen Verschiebangeu der Impftermine
die Lymphe nicht genügmia wirksam bleibe, sei gleicbfalM unbeg^det Die
Königliche Impfanstalt in Oppeln, welche die Lymphe für die Provinz Schlesien
herst^e, werde fortwährend genau überwacht; es seien auch bisher noch
niemals tUagen darüber laut geworden, daß die Lymphe von dort schlecht seL
Sollte dies ausnahmsweise der Fall sein, so würde von den übrigen preußischen
Impfanstalten sofort ansgeholfen werden kOnnen. Betreffs der ungeordneten
Schutzmaßregeln bemerkt der Begiernngskommissar, daß die ausländischen
Arbeiter einer sorgfältigen Beobachtung unterworfen würden. Es sei durch
mehrere Ministerial-Erlasse vorgeschrieben, daß alle russischen und galiaiscben
Arbeiter binnen 8 Tagen nach ihrer Ankunft an ihrer Arbeitsstelle geimpft
werden müßten. Das geschehe auch jetzt regelmäßig; man sei in Oberschlesien
so weit gegangen, daß die Gruben und Hüttenwerke sich verpflichtet haben,
ausländische Arbeiter nur zur Arbeit zuzulassen, wenn sie sich sofort an Ort
und Stelle der Impfung unterziehen. Ferner sei weiter ln denjenigen Ort¬
schaften, wo Podtenfälie vorgekommen seien, zur Zwangsimpfung geschritten.
EndUeh seien sämtliche Pockenkranke in Krankenhäuser aufgenommen, und
überall für die Durchführung der Desinfektion Sorge getragen worden. Es sei
demzufolge alles Notwendige geschehen, so daß keinerlei Veranlassung' zu
ehier Beunruhigung vorliege.
Den Wunsch des Vorredners, man solle die obligatorische Leichen¬
schau durch Aerzte sobald als müglich verbieten, werde wohl Niemand, der
die Entwicklung der Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten im Deutschen
Beiche verfolgt habe, teilen. Gerade bei der Beratung des Beichsgesetzes, be¬
treffend die Buämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, vom 80. Juni 1900
und des preußischen Gesetzes, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krank-
hetteu, vom 28. August 1905 sei immer wieder darauf hingewiesen worden,
wie inchtig es zur Erkennung der übertragbaren Krankheiten sei, daß die
obilgatoriscme Leichenschau suttfinde. Bei der letzten Choleraepidemie im
Jahre 1905 habe der erste Krankheitsfall in Preußen einen russischen FiOßer
betroffen, der anf der Weichsel erkrankt nnd gestorben sei. Der Fall sei nur
dadurch als solcher erkannt, daß er gemeldet und die Obduktion der Leiche
gemacht sei. Wenn ein solcher Fall nicht zur ärztlichen Leichenschau ge¬
kommen wäre, so hätte das zu unausdenkbaren Folgen führen kOnnen. Es sei
deshalb in den Ausführungsbestimmungen zu den beiden Gesetzen ausdrücklidi
vorgesehen, daß, wenn irgendwo eine größere Epidemie einer übertragbaren
Knmkheit ansbiicht, dann die obligatorische Leichenschau da, wo sie noch
besteht, vorübergehend eingeführt werden kann, um diese Gefahr abznwenden.
Aber abgesehen von Epidemien kOnne eine ganze Beihe vereinzelter Fälle
übertragbarer Krankheiten nur auf diese Weise sicher festgestellt werden.
Auch der Wert der obligatorischen Leichenschau zur Feststellung von Ver¬
brechen sei ein großer. In einte ganzen Beihe von deutschen Bundesstaaten,
188
Die die&ijäbrige Beratung des prooAischen
sei die obligatorische Leichensehaa für das ganze Land eingeführt: Stfohseo,
Württemberg, Baden, Hessen, Sachsen «Meiningen, Sachsen «AUenbürg, Sachsen«
Kobarg«Qotha, Bremen nnd Hamburg, ln Prenßen habe man bisher Abstand
davon genommen, weil trotz des großen Ueberflosses w Aerzten, der in man«
oben Gegenden besteht, noch in weiten Kreisen nicht genügend Aerzte vor«
handen sind. Die beteiligten Herren Minister haben immer nnd immer wieder
die naohgeordneten Behörden darauf hingewiesen, da wo es möglich sei, die
obligatorische Leichenschau, und zwar durch Aerzte einzuftthren; in Berlin bestehe
sie schon seit 1836. Sie habe sich außerordentlich bewährt; es wäre deshalb im
höchsten Grade zu bedauern; wenn sie, wo sie bestehe, wieder abgeschafft werden
sollte. Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege sei es vielmehr aufs
freudigste zu begrüßen, wenn es möglich wäre, im ganzen preußischen Staat die
obligatorische Leichenschau durchzufübren (Sehr richtig! links). Allerdings sei
nicht zu leugnen, daß dadurch Kosten erwachsen, die dem einzelnen gelegentlich
schwer fallen, ln der Kegel seien diese jedoch unbedeutend; außerdem hätten
es die Kommunen in der Hand, Härten zu verhüten nnd auszugleichen.
Abg. Gjssling (freis. Yolkspartei) begrüßt es mit Freude, daß sich der
Begiemngskommissar für die Einführung der obligatorischen Leichenschau
erklärt habe, hoffentlich gelange sie in nicht zu ferner Zeit zur Durchführung,
was auch im Interesse der fakultativen Feuerbestattung zu wünschen seL
Die gegen diese vom juristischen Standpunkte gemachten Bedenken würden
dadurch beseitigt. Redner bittet dann weiter um eine Anweisung an die
Kreis^zte, die Bestrebungen auf Beseitigung der schädlichen Wirkungen des
Kohlenrauches möglichst zu unterstützen. Es handle sich hier um eine
sehr wichtig sanitäre Frage, der man ernste Aufmerksamkeit schenken müsse;
gerade die Kreisärzte seien aber berufen, sie in den Kreis ihrer Betrachtungen
zu ziehen.
b. Krflppelfüraorge.
Abg. Llldicke (freikons.): Durch die Orthopädie sei es ermöglicht, von
den vielen krüppelhaften Kindern unter 15 Jahren einen erheblich größeren
Teil als früher arbeitsfähig zu machen. Man sei nach einer Statistik schon
soweit gekommen, daß 93 "/o krüppelhafter Kinder erwerbsfähig gemacht
werden können. Im vorigen Jahre habe der Herr Vertreter der Staatsregie-
rung erklärt, daß eine überschlägige Statistik ergeben habe, daß im König¬
reich Preußen im ganzen etwa 5000U Krüppel unter 15 Jahren vorhanden
seien, und daß davon 7000 dnstaltsbedürftig, auf der anderen Seite aber nur
1878 Betten vorhanden seien, um diese anstaltsbodürftigen fUndor aufzunehmen.
könne keinem Zweifel unterliegen, daß hier noch ein großer Mangel liege,
der. dringend der Abhülfe bedürfe. Unbedingte Voraussetzung für eine prak«
tisdie Lösung dieser Frage sei eine einwandsfreie Statistik; denn erst dann,
wenn das Ergebnis einer solchen Statistik vorliege, könne man sich schlüssig
machen, welcher Weg in der Krüppelfrage künftig einzuschlagen sei, ob man
diese wie bisher der privaten Wohltätigkeit überlasse, oder ob man nicht viel¬
mehr an eine Ausdehnnng des Gesetzes vom 11. Juni 1891 denken solle. Im
letzteren Falle sei es allerdings von großer Wichtigkeit, festznstellen, wie
hoch sich die der Provinzialverwaltung znfallenden Lasten stellen würden.
Jedenfalls müsse man dann auch an eine ganz erhebliche Staatsdotation denken.
Viel habe private Woltätigkeit auf dem Gebiete der Krüppelfürsorge geleistet;
mehr zu leisten vermögen Staat und Provinz. Jedenfalls sei die Krüppelfürsorge
volkswirtschaftlich so bedeutungsvoll und vom Standpunkt der Menschlichkeit
so unbedingt notwendig, daß auch die Staatsregierung dieser Frage, wenn
möglich gesetzberisch, näher treten müsse. (Bravo!)
Minister der usw. Medizinalangelogenbeiten Dr. Holle: M. H.! Be¬
züglich der Krüppelfürsorge ist & vorigen Jahre vom Regierungstisch die
Erklärung abgegeben, daß die Regierung dieser Frage wohlwollend gegenüber«
stehe, aber zunächst eine Statistik über die Zahl der Krüppclkinder beschaffen
müsse. Diese statistischen Erhebungen sind inzwischen veranlaßt; das Material
ist ebgegangen und wird zurzeit verarbeitet. Sobald die Bearbeitung soweit
ist, wird die Entscheidung zu treffen sein, wie den Krüppeln geholfen
werden solL Der Herr Vorredner hat bereits darauf hingewiesen, daß dabei
verschiedene Wege in Betracht kommen, die natürlich erwogen werden müssen.
Ich halte es für bedenklich, die Fürsorge den Provinzen anfzuerlegen, da sie
Abgeo ahMton l m i M g tber dea Medisiaaletat.
189
ab Eakgalt eiae aene Dotation beaaspntchea wüidea. Wegen dieaer Sokni»-
rig^eit wird die fiiaM^lagang dieses Weges noch maache Bedeakea habea.
o. NalinmgsinlttelkoiitTOlle.
Abg. Oalsler (Zentr.) bemängelt die hohen Kosten, die durch die Nahraags-
mittelkonirolle den Gemeinden erwachsen and haaptsächlich dadurch veraal^
wflorden, daß Ton seiten der Aofaichtsbehörde die Anordnung getroffen sei, auf
je 300 Einwohner eine Probe von Mahrangs- and Genoßmittek, sowie von
branchsartikeln za entnehmen and in dem zuständigen Untersachangsamt unter-
zachen za lassen. Ueber diese Anordnung herrsche vielfach große ünzoirie-
denheit; sie sei zu schematisch und baieaakratisch. Man solle es den Polizeiver-
waltongen and Amtsverwaltnngen ttberlassen, nach eigenem Ermessen Proben
dort za entnehmen, wo sie Fälschungen vermuten. Da außerdem der Staat
ein besonderes Interesse daran habe, daß seine Untertanen nicht durch ver¬
dorbene oder verfälschte Nahrungsmittel und Gebrauchsartikel geschädigt
würden, müßte er wenigstens einen Teil der Kosten übernehmen. (Bravo!)
Abg. Qaehl (kons.) schließt sich unter Bezugnahme auf das städtische
Untersachangsamt in Liegnitz im wesentlichen den Ausführungen des Vorredners
an. Auch im Begierungsbezirk Liegnitz bestehe tiefe Verstimmang über diese
Organisation der Nahrungsmittelkontrolle, weil dadurch den Gemeinden eine
empfindliche pekuniäre Belastung auierlegt und den Polizeiorganen ein erheb-
Bches Hehr durch die ihnen obliegenden Probeentnahmen und Ausfttllang des
dazu gehörigen Fragebogens an Arbeit zugemutet werde. Es sei deshalb zweck¬
mäßiger, diese Proben nicbt durch die Polizeibehörde, sondern durch die Kreis¬
ärzte entnehmen zu lassen, die Sachverständige seien und die Entnahme
gelegentlich der Ortsbesichtigungen ausftthren könnten. Auch die Kosten von
wrchschnittlich 6 Mark für jede Untersuchung seien zu hoch; jedenfalls sei
es nicht gerechtfertigt, daß durch die Gebühren den städtischen Untersucbongs-
ämtem kein Risiko, sondern voraussichtlich eine recht erhebliche Einnahme¬
quelle auf Kosten des platten Landes erwachse. Die Festsetzung der Zahl
der Probeentnahmen nach der Einwohnerzahl — im Regierungsbezirke Liegnitz
müsse in den Städten auf je 200 und in den Amtsbezirken auf je 400 Bewohner
eine Nahrungsmitteluntersuchung stattfinden — entspreche nicht den Verhält¬
nissen, wie sie in Wirklichkeit liegen, ln den einzelnen ländlichen Amts¬
bezirken sei doch der Produzent meistens gleichzeitig Konsument, so daß eine
Untersuchung nicht notwendig sei; es bleiben somit nur verhältnismäßig wenige
übrig, die auf dem Lande überhaupt Lebensmittel kaufen. Es erscheine des¬
halb viel zuhart, daß auf dem platten Lande auf eine so geringe Kopfzahl
Proben eingeschickt werden müssen. Ein ähnlicher Unterschied wie zwischen
dem platten Lande und den kleinen Städten bestehe zwischen den kleinen
Städten und den großen Städten. Man solle nicbt bloß deswegen untersuchen,
um überhaupt untersuchen zu lassen; jedenfalls müsse die Zahl der auf dem
platten Lande und den kleinen Städten zu entnehmenden Proben beschränkt
werden. (Lebhaftes Bravo rechts.)
Abg. Marx (Zentr.) betont, daß die Art der Nahrungsmittelkontrolle
wie sie jetzt beliebt werde, eine ganz andere sei, als sie in den Beschlüssen
des Abgeordnetenhauses und auch in denjenigen des Reichstages zutage ge¬
treten sei, die Hauptsache sei doch, daß die Kontrolle auf Staatskosten
durch hu Dienst des Staats befindliche Beamte erfolge. (Sehr richtig! im
Zentrum). Redner bemängelt dann weiter, daß Weinkontrolleure im Hauptberuf
nur in den Hauptweingebieten des Staates, also in den Regierungsbezirken
Koblenz, Trier und Wiesbaden angestellt werden sollen, es .sei vielmehr Gewicht
darauf zu legen, daß eine solche Kontrolle auch an den Orten vorgesehen
werde, wo der Hauptkonsum stattfinde, z. B. in Berlin, Stettin usw. (Sehr richtig!
im Zentrum.) Von den zurzeit vorhandenen, als öffentlich anerkannten Unter-
auebungsämtern seien rein staatlich: 28=13'’/c, mittelbar staatlich, d. h. von
Landwirtschaftskammem, Kommunen, Kreisen und Gemeinden eingerichtet: 61
= 83®/o und rein private 95 = 51,3 ®/o. Ein solche.? Verhältnis könne wohl
als Uebergangsstadium, aber nicht als ein endgültige.? angesehen werden; da es
in keiner Weise den Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflge auf diesem
Gebiete genüge. Der Ansicht, daß in den kleinen Städten und auf dem Lande
die Nabrungsmittelkontrolle nicht so notwendig wie in den großen Städten sei,
kann Redner nicht beipflichten; die Bevölkerung auf dem Lande und in den
190
Die diesjährige Beratung des preußischea
kleiiien Städten habe ebenfalls das Becht, zu rerlangen, in ihrer Gesundheit
ebenso geschützt zu werden wie die Bevölkerung in den großen Städten. Not¬
wendig seien auch amtliche Grundsätze fttr die Feststellung der Begrifis-
bestinunungen von Nahrungsmitteln, damit die Verschiedenheit der Sa^ver-
ständigengntachten aufhOre, sowie eine einheitliche Festsetzung der Grundsätze,
nach denen die Chemiker ihre Untersuchungen anstellen. Dann würden auch
die Gutachten der Sachverständigen nicht mehr so verschiedenartig ausfallen
und infolgedessen die Bechtsprechung einheitlicher werden.
Geh. Med.-Bat Dr. Abel, Beg.-Kommissar, hebt zunächst hervor, daß
auch auf dem Lande allerlei verfälschte Nahrungsmittel in den Handel kommen
und daß verfälschte Nahrungsmittel nicht so leicht herausgefunden werden
konnten, sondern zu ihrem Nachweis meist eine genaue chemische Untersuchung
durch einen Sachverständigen nötig sei. Die Unentbehrlichkeit der Nahrnngs-
mittelkontroUe sei bereits von dem Vorredner betont. Drei große Gesichts¬
punkte müssen für sie maßgebend sein: Schutz des Publikums vor direkten
Gesundheitsschädigungen durch verfälschte Nahrungsmittel, sowie Sorge dafür,
daß die Bevölkerung nicht nur eine gute, nahrhafte Kost in den Nahrungs¬
mitteln erhält, sondern ihnen auch ihr gutes Geld nicht für minderwertige
Ware aus der Tasche gezogen wird. Die Beispiele, die der Herr Vorredner
am Schlüsse seiner Darlegungen angeführt habe, zeigen, wie verschieden die
Ansichten von Publikum und Handel über die Beschaffenheit und die Beur¬
teilung der Nahrungsmittel seien. Die Ansicht, daß auf dem Lande eigent¬
lich nur Naturalwirtschaft stattfinde, daß der Landmann das, was er zum
Leben brauche, selbst erzeuge, sei nicht mehr zutreffend; denn er sei doch
gezwungen, Nahrungsmittel mancherlei Art, zumal die sogenannten Kolonial¬
waren, zu kaufen, das seien gerade die Objekte, die verfälscht werden.
Ein Fälscher lege sich nicht auf Delikatessen, die nur in geringem Maße
gebraucht werden, sondern auf Gegenstände des täglichen Bedarfs, da
hier die Fälschung außerordentlich lukrativ sei. ln Berlin existiere zum Beispiel
eine ganze Beihe von Fäischerflrmen, die gute Molkereibutter, aus der
das Wasser möglichst gut ansgeknetet ist, anfkaufen und dann mittelst be¬
sonderer Maschinen das Wasser wieder hinznmengen, das vorher in den Molke¬
reien mühsam herausgeknetet worden sei. Es sei nachgewiesen, daß bei dem
großen Umfange, in dem diese Firmen fälschen, ihr Gewinnst sich auf viele
Tausende belaufe. Die Auffassungen eines Teiles des Handels und der Industrie
über das, was rechtens sei auf dem Gebiete des Nahrungsmittelwesens, weichen
vielfach von den berechtigten Forderungen der Konsumenten ab. Das Nahrungs¬
mittelgesetz gehe von dem Standpunkt aus, daß die reine Ware, so wie sie
die Natur liefere, das Normale sei, im Handelsverkehr habe sich aber diese
Auffassung leider schon vielfach verschoben. Jetzt sage man, die normale
Ware sei die im Handel übliche, man berufe sich auf Handelsgebräuche.
Wolle der Konsument reine Ware haben, so müsse er sie extra verlangen. Nach¬
dem Bedner einige drastische Beispiele hierfür angeführt hat, fährt er fort:
In den letzten Jahren ist nun die Nahrungsmittelkontrolle besser aus-
{ 'ebaut. Es ist einmal versucht worden, eine genügende Anzahl von zuver-
ässigen Untersuchungsanstalten zu bekommen, und zweitens ist den Polizei¬
behörden Auftrag gegeben worden, Nahrungsmittel in gebührendem Umfange
untersuchen zu lassen. Nun hätte es die Organisation der Nahrnngsmittel-
kontrolle sehr vereinfacht und das ganze Verfahren sehr erleichtert, wenn der
Staat die Ausführung selbst in die Hand genommen hätte, so ungefähr, wie
der Herr Abgeordnete Marx das ansgeführt hat. nämlich indem er die nötigen
Anstalten selbst geschaffen und für die Vornahme hinreichender Nahrungs¬
mitteluntersuchungen selbst gesorgt hätte. Eine solche Begelung läuft aber
den Grundsätzen der preußischen Verwaltung zuwider; sie besteht auch in
keinem deutschen Bundesstaate, abgesehen natürlich von den freien Städten.
Das Königreich Sachsen, das erst vor ein paar Jahren die Nahrungsmittel-
kontrolle einheitlich geregelt hat, hat ebenfalls davon abgesehen, die Kontrolle
auf den Staat zu übernehmen, sondern sie den Gemeinden übertragen, und
dabei Anforderungen an diese gestellt, die sehr weit über das hinausgehen,
was in Preußen sich nach der Meinung der Begierung zunächst als notwendig
erwiesen hat.
An staatlichen Anstalten rühmt man als Vorzug, daß sie absolut zu-
Abgeordaetenhaases ttber den MedizinsleUt.
191
yerl&Mig sind, daß man anf die Untersnehongen, die ans ihnen heranskomment
anbedingt banen kann. Dasselbe ist auch der Fall bei der Art der jetsigea
Begelnng. Danach handelt ea sich nm Anstalten, die Yon Kommonen, von
Kreisen oder von öffentlichen Verbänden anderer Art, so Yon Landwirtschafts*
kanunem nnterbaiten werden müssen. Es ist dafür Sorge getragen worden,
daß die Chemiker, die an der Spitse dieser üntersnchnngsämter stehen, yoU*
ständig unabhängig sind in ihrer wissenscbaftlichee Tätigkeit. Sie sind ent«
weder als Beamte oder gegen Bemnneration — and dann anf eine längere
Beihe Yon Jahren, in der Begel 12 Jahre nnkündbar — angesteUt. In ihrer
Tätigkeit, soweit sie sich anf wissenschaftliche Beurteilnng der Nahrnngs«
mittel bezieht, haben sie YoUatändig freie Hand. Daß dabei eine unbefangene,
Yon äußeren Verhältnissen nnbeeinfloßte Art der Beurteilung der Nahrnngs«
mittel heranskommen muß. wird zugegeben werden müssen. Um auch den
Anstalten eine genügende Tätigkeit zuzuweisen, war es notwendig, bestimmte
Gebiete für sie Yorznsehen, einen ganzen Be^erungsbezirk oder einen T^
eines solchen. Die Organisation ist noch nicht ganz Yollendet, aber Yorans«
sichtlich wird sie im Laufe des Jahres zum Abschluß gelangen, so daß es
möglich sein wird, im nächsten Jahre einen Plan vorzulegen, ans dem sich er«
sehen läßt, wie die Einteilung im einzelnen erfolgt ist. Die Bezirke, die an
die üntersnchnngsämter angeschlossen sind, haben eine bestimmte Anzahl Yon
Nahrungsmitteln zur Untersuchung zu liefern. Die Zahl ist in einzelnen Ge«
bieten verschieden gewählt worden, je nach Lage der Dinge. Ea ist z. B.
erforderlich erschienen, in Gebieten, wo eine große Industrie vorhanden ist,
eine schärfere Kontrolle einzuführen, als dort, wo rein ländliche Verhältnisse
Yorliegen. Bei dieser Begelung hat jetzt im Anfang nätürlich etwas Schema«
tisch verfahren werden müssen. Ebenso sind die Untersnchungskosten zunächst
schematisch in der Höhe festgesetzt worden, daß ihr Aufkommen voraus«
sichtlich genügen wird, nm den Etat der Nahrungsmitteluntersuchungsstalten
zu balancieren. Es ist aber überall seitens der Miniaterialinstanz schon
darauf hingwewiesen worden, daß die Beginruogspräsldenten nach Ablauf des
Geschäftsjahres der Anstalten eine Nachprüfung ihres Haushalts vornehmen
und darauf hin wirken sollen, daß die Sätze, wenn es sich irgend möglich
machen läß^ herabgesetzt werden. Es kommen ja außer den Untersncbungs-
S sbQhren, die den Anstalten zufließen, auch noch diejenigen Beträge ihnen zu,
e von den Gerichten anf Grund des Nahrnngsmittelgesetzes verhängt werden.
VHe hoch diese sein werden, kann man von vornherein nicht übersehen; da,
wo zahlreiche Beanstandnngen und Verurteilungen erfolgen, werden sie höher
sein als anderswo. Die Besorgnisse, daß die Untersuchungen zu schematisch
auBgeführt werden und daß die Kosten zu hoch seien, werden auf die Dauer
sich als nicht gerechtfertigt herausstellen. Die in Angriff genommene Art
der Begelnng disr Nahrnngsmittelkontrolle hat sich übrigens auch überall
dort, wo sie seit Jahren besteht, als zweckmäßig bewährt. Man hat sie als
unentbehrlich schätzen gelernt und möchte sie nicht mehr missen. Wo sich
bei ihrer Neaeinführnng jetzt noch Schwierichkeiten geltend machen, wird sich
hoffentlich anch bald die Ueberzengnng von ihrer Nützlichkeit heranstellen.
Der Beg.« Kommissar erwähnt dann noch, daß die vorher vom Abu.
Harz mitgeteilte Statistik sich nicht auf Prenßen, sondern auf das Beiw
bezieht. In Preußen sind nur vereinzelte staatliche Nahmngsmittelsnstalten;
X. B. in Berlin, im Begiemngsbezirk Posen, wo eine andere Art der Kontrolle
zur Zeit kaum dnrchznftthren war, bat das staatliche hygienische Institut zu
Posen, einstweilen wenigstens, die Nahrancsmittelkontrolle übernommen. Hier
und da sind auch die für die Anslandsfleischbeschau eingerichteten Aemter
gleichzeitig mit der Nahrnngsmittelkontrolle befaßt worden. Die Kreisärzte
mit der Entnahme der Nahrnngsmittelproben zu betrauen, würde zu weit
führen; abgeshen von anderen Gründen schon deshalb, weil die Kreisärzte kaum
imstande sein würden, regelmäßig alle Jahre in allen Orten ihres Bezirkes zu
erscheinen, nm Proben zu entnehmen. Die Eegiernng hat aber eine andere
Lösung als zweckmäßig empfohlen, nämlich die, daß die Chemiker der Nahrnngs«
mitteluntersnchnngsämter tunlichst selbst die Proben entnehmen, wenigstens
für die ersten Jahre, und daß sie dabei Gelegenheit nehmen, die Polizei«
beamten zu unterrichten, auf was es bei der Probeauswahl eigentlich an«
kommt. Anweisungen für die Nahrnngsmittelkontrolle und Probeentnahme
können nur allgemeine Anhsdtspunkte geben. Wenn in einer derartigen An-
102
Dio tlie-jHhfii;o lleralmig des preußischen
weisang z. B. steht, es solle Terschimmeltes Brot zur Untersachaag gebrach*
werden, so ist dies höchst ttberflhssig; dafi verschimmeltes Brot ongenieBbart
verdorben ist, weiß jeder, daza braucht man nicht eine üntersnehnng durch
Chemiker. Aber es gibt Nahrungsmittel, bei denen man durch nähere Besieh*
tignng, dio man von Chemikern erlernen kann, schon auf vorgenommene
Bälscbungen aufmerksam wird, und das sind Dinge, über die die Polizei¬
beamten unterrichtet werden sollen. Es ist gerade in Glatz vor kurzer Zeit
ein besonderer Unterrichtskursus für Polizeibeamte abgehalten worden, in dem
die Beamten darüber belehrt worden sind, worauf es bei der Entnahme von
Nahrungsmitteln ankommt. Auf diese Weise werden die Polizeibeamten auf
dem Lande die nötigen Kenntnisse bekommen, nm geeignete Proben für die
chemische Untersuchung selbst zu entnehmen. (Bravo!)
Abg. Frbr. v. WolfT-Metternich (Zentr.) begrüßt den eingestellten Be¬
trag von 10000 M. für BeihtiUon zur Anstellung von Weinkontrolleuren
im Hauptamte. Sehr hoch sei er ja nicht, aber immerhin werde doch einmal
der Anfang gemacht. In den Hauptweingebieten dürfte es jedoch unangenehm
empfunden worden, daß man Weinkontroilcure anscheinend nur für die Beg.-Bez.
Koblenz, Trier und Wiesbaden anstellen wolle. Man wünsche vielmehr allge¬
mein im Lande, daß die hauptamtliche Weinkontrolle auch eingeführt werden
müsse in größeren Städten, wie Berlin, Stettin, Hamburg usw., außerhalb der
Hauptweinbezirke und vor allem auch an den Landesgrenzen. Bedner bittet
nm nähere Auskunft, wie die Sache gedacht sei, ob vor allen Dingen wirklich
eine unabhängige hauptamtliche Stellung beabsichtigt werde, ferner ob es sich
um Staatsbeamte handele; die staatliche Anstellung werde von vielen Seiten
gewünscht (Bravo!).
Geh. Mod.-Bat Dr. Abel, Beg.-Kommissar: Die Organisation der Wein¬
kontrolle in den Hauptweingebieten des Staates sei so gedacht, daß im An¬
schluß au dio dortigen öffentlichen Nahrangsmittclnntersucbungsanatalten, die
von den Gemeinden oder Kreisen unterhalten werden, Kontrolleure im Haupt¬
beruf angcstellt werden sollen, d. h. Leute aus dem Weinfache, die auschließ-
lich unter Vermeidung jeder geschäftlichen Betätigung auf dem Gebiet des
Weinbandeis und des Weinbaues sich mit der Kontrolle befassen. Da die
Weinkontrolle nur ein Zweig der allgemeinen Nahrungsmittelkontrolle sei,
müßte das Prinzip aufrecht erhalten werden, daß der Staat wie für die allge¬
meine Nabrnngsmittcikontrollo, so auch für die Weinkontrolle die Aus¬
gaben nicht auf seine Fonds übernehmen könne. Doch habe sich der Staat
bereit erklärt, da, wo ein besonderes Bedürfnis zur Unterstützung der Kon¬
trolle voriiege, Mittel zur Verfügung zu steilen, um die Durchführung der
Kontrolle zu erleichtern. Die Begelung entsproebe der in der Pfalz vorhan¬
denen; auch dort sei der Kontrolleur nicht ein Angestellter des Staates, son¬
dern der Kroisgemcinde. Wie in der Pfalz sollen die Gemeinden Kontrolleure
heranzieben. Während sie aber io der Pfalz in der Lage seien, sich auch einer
anderen Art der Kontrolle zu bedienen, solle in Preußen dis Begelung so ge¬
troffen werden, daß die Polizeiverwaltungen genötigt werden, allein den amtlich
bestellten Kontrolleur zur Kontrolle zu benutzen. Die Kosten der Kontrolle
würden dabei für die Gemeinden voraussichtlich gar nicht oder jedenfalls nicht
nennenswert höher werden, als sie bisher bei der cbronamtlishen Kontrolle
gewesen seien. Was die Kontrolle außerhalb der Hauptweinbaugebleto am
Bhein und an der Mosel betretfe, so sei in Berlin bereits seit dem 1. April v. J.
ein Kontrolleur im Hauptamte staatlich angestcllt, und zwar deswegen staat¬
lich, weil hier dio Nahrungsmiitelkontrollc, wie die Polizeiverwaltung über¬
haupt, auf staatliche Funds zu überBehmen sei. Ferner sei beabsichtigt, in den
östlichen Weinbaugcbicton des Staates (in den Beg.-Bezirke Merseburg, Frank¬
furt, Posen und Liegnitz) ebenfalls Kentrolleuro im Hauptberufe anznstellen,
ähnlich wie es in dem Etatstitel für die Weinbangobiete an Bhein und Mosel
vorgesehen sei. Diese Kontrolleure würden in der Lage sein, auch dio Kon-
troUe io den größeren Städten zu ttberncbnien, die in der Nachbarschaft ihrer
Gebiete liegen, z. B. in den Städten Magdeburg und Erfurt und den Städten
Posen und Breslau. Im übrigen sei bei der Errichtung der öffentlichen Nah-
rungsuiitLclontersucbangsaDstalten allgemein darauf htogewirkt worden, daß
an Stelle der ehrcnamüichcn Kontrollcuro dio Nahrnngsmittelchomiker der
öflentlicbcn UntcriuchuDgsan-.talten die Kontrolle der Wcinkcllcreicn über-
Abgcordacteohaascs über dou Medizinalotut
m)
nehmeo, jedoch sollen Ittr die Wcinkontrolleure nur solche Chemiker gewählt
werden, die nachweiseD, daß sie über Weinveihältnisse besondere Kenntnisse
besitzen; ihnen könnte dann ein größerer, über den Bereich ihrer Anstalt hin*
ansgehender Bezirk überwiesen werden. Barch diese Art der Begelong dürfte
ein wesentlicher Fortschritt gegen die bisherige Art der Kontrolle gegeben
sein. Sollten sich dabei noch Mängel beranssteUen, so werde die bessernde Hand
leicht anznlegen sein.
Ato. Wallenborn (Zentr.) gibt zu, daß allerdings in dieser Angelegen*
heit ein Fortschritt gegen früher zn verzeichnen sei, ob er aber erheblich sei,
das müsse sich erst noch zeigen. Das jetzige Vorgehen entspreche jedenfalls
nicht dem Beschlösse des Landtags, wonach die Deberwachnng des Verkehrs
mit Nahrange- and Qenoßmitteln, insbesondere mit Wein, nach einheitlichen
Grundsätzen und durch Anstellung besonderer 'Landesbeamten im Hauptamt
geregelt werden sollte. Bedner will keinen besonderen Antrag auf Barch*
lühmng dieses Bcscblasses stellen und abwarten, wie das vorgcschlagenc Ver¬
fahren wirke, bittet aber, daß beim Zusammentritt des neuen Landtages im
nächsten Jahr eine Zusammensteliang über die Ergebnisse der Weinkontrolle
Torgelegt werde. (Bravo! im Zentrum).
Abg. Graf v. Spee (Zentr.) gibt zu, daß die Kontrolle, wie sie in der
Pfalz geübt wird, 'sehr gut wirke; ein Beamter habe dort innerhalb eines Jahres
über eine halbe Million Liter „Wein" auslaufen lassen, in Berlin habe man da¬
gegen sehr wenig von ausgelaufenem Wein gelesen. (Heiterkeit).
Bas Weingesetz sei ein Beichsgesetz; die Ausfübrangs^timmungen
seien aber den einzelnen Ländern überlassen; weim für Preußen vielleicht ähn¬
liche Ausführungsbestimmungen wie in Bayern beständen, würde sich für Berlin
wohl ein anderes Besultat ergeben.
Bedner bittet schließUch die Staatsregierang, wenigstens bei Fest¬
setzung der Bestimmungen des neuen Weingesetzes im Bandes rat dahin zu
vrirken, daß diese Bestimmungen eine wirksame WcinkeUerkontrolle ermöglichen.
(Bravo! im Zentrum).
d. Hebammenweaen*
Abg. Br. Heisig (Zentr.) ist der Ansicht, daß sich mit Bücksicht auf
die Bekämpfung von Kindbettfieber und der Hebammenpfuschcrei eine gesetzliche
Begelong des Hebammenwesens nicht unigsben lassen werde. Er wünscht
weiter eine bessere Behandlung der Hobammenschülerinnen in den Hebammen-
lehrinstituten, damit sich auch die gebildeten Stände diesem hochwichtigen
Berufe zuwenden.
Abg. Mflnsterbei^ (freis. Ver.): Im vorigen Jahre hat der Herr Minister
V. Stadt auf eine Anfrage erklärt, ein Hebammeogesetz liege fertig aus-
goarbeitet im Ministerium; er hoffe, cs bis zur nächsten Tagung des Landtages
einbringen zu können. Der neue Minister bat eine andere Anschauung in sein
Amt mitgebracht. Er wünscht, zunächst ohne ein besonderes Gesetz auszu-
kommen, und will den Versuch machen, durch den Ausbau des bisherigen Zu¬
standes, insbesondere auch durch Einwirkung auf die ländlichen Kreise und
ihre Verwaltungen, eine Verbesserung des Hebammenwesens horbeizuführen.
Zu diesem Zwecke sind zum erstenmal 50000 Mark in den Etat eingestellt.
Wenn auch die Somme an sich nicht hoch ist im Verhältnis zu der großen
Arbeit, die geleistet werden soll, so wird doch sehr viel Gutes erreicht werden
können.
In der vom Herrn Minister vor kurzem einberufenen Konferenz von
Sachverständigen und Mitgliedern dos Parlaments hat man sich auch über ge¬
wisse Grandzüge, nach denen das gesamte Hebammenwesen in der Folge zu
behandeln sein wird, verständigt; wenn infolgedessen nun auch einstweilen von
einem Hebammengesetz Abstand genommen ist, wird man auf die Länge der
Zeit nicht ohne ein solches auskommen können. Redner geht hierauf näher auf
die Forderungen eio, die an etu künftiges Hebammengesetz zu stellen sind. Er
läßt hierbei die Frage, ob das Bezirksbebammousystem mit oder ebne Zulassung
von freipraktizierenden Hebammen vorzuziehen sei, als nicht spruchreif un-
erörtert, ist jedoch für seine Person der Ansicht, daß der einzelnen Frau, der
einzelnen Familie unbedingt die Wahl gelassen werden muß, in ihrer schwersten
Stunde diejenigen Personen an sich zu ziehen, deren Hilfe sie haben will, und
es deshalb falsch sei, die Freizügigkeit abschafien zu wollen.
194
Die dieajUirige Beratung des prenfluehen
Viel wichtigei ist die Frage des Mangels an Hebammen. Die
Verteilnng der Hebammen im prenßiseben Staat ist raBerordentlich rer*
schieden; während im ganzen Staate eine Hebamme auf 1760 Einwohner und
16,80 qkm entfällt, kommt im Begiemngsbezirk AUenstein eine Hebamme aal
62 qkm und 2749 Einwohner, in Köslin ant 44 qkm und 1925 Emwohoer, im
Kreise Osterode eine Hebamme aal 7780 Einwohner and im Kreise Orteisbarg
sogar eine Hebamme auf 10070 Einwohner. In den Beglernngsbezirken Alien«
stein nnd Oambinnen sind 29**/o der Entbindungen ohne Hebammen gemacht
worden, in den Begiernngsbezirken Posen nnd Bromberg 28 bis SO^/o, im
Kreise Johannisberg 78% nnd im Kreise Ortelsbnrg 68*/,. Es ergibt sich
daraas der Schloß, daß auf diesem Gebiete gerade in den ländlichen Kreiswi,
die ganz besonders geschlitzt nnd gehoben werden sollten, das allerschlimmste
Knrpfnschertnm sich breitgemacht hat. Auch andere Ziffern weisen auf die
gro^ Verschiedenheiten der Verteilnng der Hebammen hin. So kommen
s. B. 8,10 Hebammen auf 10000 Einwohner im Stadtkreise Berlin, 4,17 in CQb,
5,01 in Danzig, 5,42 in Schiestrig; in den reichen Landesteilen Hannover
nnd Wiesbaden steigert sich die Zahl auf 8,03 and 8,88, in Cassei sogar anl
9,58. Entsprechend dem Mangel an Hebammen sind in einzelnen Gegenden,
besonders anl dem Lande, die Todesfälle im Kindbett nnd die Kinder¬
sterblichkeit überaus zahlreich. Viel höher sind natürlich die dauernden
Schädigungen, die ans Fehlem bei der Entbindnng hervorgehen, ohne daß es
sofort direkt znm Tode kommt. Nach neuesten Ziffern sind in der 2ieit vom
29. Dezember 19U7 bis 1. Februar 1908 nicht weniger als 646 Franen am Kind¬
bettfieber erkrankt, nnd 142 davon daran gestorben. Danach ist es sehr wahr^
scheialich, daß die Behanptnng, daß zirka 8000 Franen jährlich im Kindbett
sterben, auch hente noch ihre tranrige Berechtigung hat. Anl dem platten
Lande sind diese Zahlen ungünstiger als in den Städten, namentlich ist dies
in den ärmeren Kreisen der Fall; im Kreise Karthans ist z. B. die Sterblichkeit
der Franen im Wochenbett fünfmal so groß ist wie im Durchschnitt für ganz
Preußen. Das ganze Land hat ein großes Interesse an der Heilung dieser
schweren Schäden, die durch die mangelhafte Hubammenausbildung und durch
den Mangel an Hebammen an Zahl und Qualität hervorgerufen wird. Wir
stehen einer Ueberfülle von Hebammen in größeren Städten gegenüber, während
zn gleicher Zeit an Landhebammen ein großer Mangel ist. Wenn daher jetzt
an eine Besserung der Verhältnisse mit staatlichen Maßnahmen herangegangen
vrird, solle man in erster Linie dort beginnen, wo ein Mangel an Hebammen
vorhanden ist. Gleichzeitig sollte die Zentralinstanz, wo sie es irgend kann,
auf die Kreise hinzuwirken suchen, daß sie aus eigener Kraft durch Ortsstatut
sich Bezirkshebammen schaffen.
Die wichtigsten Forderungen für die künftige Ausgestaltung des Heb-
ammsnwesens, die zum Teil auch ohne Gesetz erledigt werden können, sind
Schaffung eines hinreichenden Ersatzes an guten Hebammen,
Sicherung eines ausreichenden Mindesteinkommens nnd
Hebnng der Ausbildung.
Um den Nachwuchs zu fördern, solle man nicht in den Fehler ver¬
fallen und verlangen, daß nur noch Mädchen mit höherer Töchterschulbildung
Hebammen werden, sondern Mädchen und Frauen heranzieben, die mit guter
Intelligenz, mit hinreichender Geistes- und Verstandeskraft ausgerüstet sind,
um die Tätigkeit als Hebamme anszuttben. Dies könne ebenso gut von Mädchen
aus der höheren Töchterschule wie auch von solchen geschehen, die eine Volks¬
schule oder eine Mittelschule besucht haben. Es komme vor allem darauf an,
daß sie die Fähigkeit haben, ihr Verständnis den wachsenden Anforderungen
der Hygiene anzupassen, und daß sie in ihrer ganzen Person und nach ihrer
häuslichen Erziehung in bezug auf Sauberkeit und Verständnis für Gesundheits-
pfiege eine gewisse Vorbildung für ihren Beruf mitbriugen. Außerdem müssen
sie auch moralisch unbedingt zuverlässig sein, und zwar nicht bloß für ihre
Person, sondern auch in bezug auf ihre nächste Familie. Ein Mangel des
jetzigen Zustandes sei das Präsentationsrecht der Gemeinden, das unbedingt
beseitigt werden müsse; denn bei der Auswahl spielen sehr oft andere Ver¬
hältnisse eine Bolle; z. B. der Wunsch, eine verarmte Frau ans dem Kreise
fonznschaffen, oder ihr neue Subsistenzmittel zu schaffen und geschiedenen
Frauen zu helfen. Infolgedessen kommt es oft vor, daß Frauen ohne die
AbgeordneUnbaiues Uber dm KtdlsiaaloUt.
196
elemmtante Vorbildaag ia dla HebamaieaaBiUltaa geachidit vardaa, dia aft
gar aidkt iaiataade dam ÜBterrieht au folgaa.
üm der zweitea Forderaag einer geattgeadea materiellea Sicberatellaag
dar Hebammea za genttgen, bedarf ea einer dnrch Oesaiz feztgeetelltea Oe-
bflhreaordnnagf die boffeatlich noch in dieser Session rorgelegt werde.*)
Eine aolebe Gebtthrenordaang mttsse sich tob allem Scbematismas fern baltaa,
and Bor aUgemebie Stafen Torsehen and die Haaptbestimmang nach gewissen
Normalien mehr in die OrUichen Instanzen Terlegen. Oer jetzt berrseheada
Zostaad, daß die Hebammen einander onterbieton and aal oalaaterem Wage
zieh diejenigen Mittel safObren, die sie aal lanterem Wega aicbt haben er»
ratcben können, mttsse jedenfalls aafhOren. Es sei aber auch dafür Sorga za
tragen, daß Gemeinden die Unkenntnis der Hebammen nicht aasnatzan nad
Yertr&ge mit ihnen abscbließen, darcb die ihnen der wohlrerdieate Lohn iflr
ihre Arbeit gekttrzt wird. Deshalb sollte man Voraorga treffen, daß solche
Yertrige dner gewissen Beyision in dar Kreis* oder in dar sonst ttbergeordnataa
Instanz onterliegen.
Um das Verhiltnis der Hebammen zur BeTOlkerang and ganz besonders
za der minder gat gestellten BerOlkerang gflnsti||' za gestalteB, solle man dla
Hebammen nicht mehr daran! rerweisen, daß sie ihre Gebttbren selbst erheben,
sondern die Gebühren za Amtsgebtthren machen, den Hebammen eine gewiMS
AmtspersOnlichkeit beilegen and die Gebühren darch die Amtskassen erheben.
Man sollte vielleicht auch daraaf achten, daß diese Gebühr gezahlt wird,
nachdem die ordnangsmäßig aasgeftthrte Tätigkeit der Hebammen beendet ist.
Aof diese Weise werde man daza kommen können, daß die Kreise den Heb«
ammen ein gewisses Mindesteinkommen garantieren können, aaf das sie dia
erhobenen Gebühren anrochnen. Die Hebamme habe dann Anspracb anf ala
Mindesteinkommen, and auf ein größeres, wenn die Gebühren das Mindest«
eiakommen übersteigen. Auch hierbei mttsse den indiTidaellen, Örtlichen Var«
hUtnissen Bechnnng getragen werden; ebenso müsse man hier and da für
Wohnang sorgen, denn die hygienische Gestaltang der WohnangsTerhältnissa
sei Vorbedingang für den Bern! der Hebamme. Nicht minder wichtig sei dia
Sorge für Pensionsversicherang, Krankenvarsieharnng, Alters«
and iBTalidenversicherang, sowie Yersirhernng gegf>n UnÄIle, z. B.
Uebertragong von Syphilis darch Schwangere oder Wöchnerinnen. Empfehleas«
wert seien nach staatliche Prämien für lange treae Dienste an angünstig
gelegenen Orten asw.
Die Aasbildang der Hebammen soUte'^ainheitlicb'fürTjdle ganze
Monarchie gestaltet and überall eine neanmonatliche AaBbildangszaH vor«
geschrieben werden, weil die Aneignung der den modernen Anforderongan ant«
sprechenden Kenntnisse einen derartigen Zeitraum verlangt.
Aach die Pflichten der Hebammen müßten durch Gesetz geregelt
werden und nicht bloß darch das H«bammenlehrbnch und die Dienstanweisung.
Vor allem müßte die Hebamme gesetzlich verpflichtet sein, zu helfen, ohne
Ansehen der Person; ebenso müsse gesetzlich eine gewisse Meldepflicht fest¬
gelegt werden, ferner eine Verpflichtung zur Teilnahme an Wiederbolnngs«
Irarsen gegen Entschädigung und Vertretnng, die Pflicht, bei ausreichender
Besoldung sich aller Nebenerwerbe za'enthalten,* besonders'solcher, die auf
dla Reinheit des KOrpers schädlich wirken können, die Pflicht, insbesondere
aaf die Sauberkeit der Hände und die Sauberkeit der Wohnang za achten,
sich einer stetigen energischen Kontrolle darch die Kreisärzte za unterziehen usw.
Wenn so die Rechte und Pflichten der Hebammen, sei es in einem künftigen
Gesetz, sei es durch Kreisstatat, gleichmäßig geordnet werden, so werden sich
diesem Berufe auch intelligente, gebildete warmherzige Franen aller Klassen
widmen. Die Zakanft unseres Volkes bängt in wirtschaftlicher und ethischer
Beziehung za einem nicht geringen Teile davon ab, daß unsere Franen ihre
Matterpflichten gesund und lebenskräftig übersteben. Die Erfahrungen der
Armenpflege bestätigen leider täglich, daß ein übergroßer Teil siecher Frauen
ihr Leiden aus schlecht überstandenen Wochenbetten erlangt haben. Ein gut
geregeltes Hebammenwesen wird auf diesem Gebiete sicherlich sehr viel dazu
beitragen, in dieser Hinsicht nachdrücklich Wandel zu schaffen; ein endgültiger
Wandel zum Besten der gesamten Frauenwelt stehe aber nur nach Erlaß eines
Hebammengesetses za erwarten. (Bravo 1 links.)
*) Ist inzwischen gesehehen'; s. Tagesnaehriohten.
196
Die dic.'<jäbrigc Beratnag des preußischen
Abg. Dr. lleydweiller (nat.-lib) erörtert die Frage der gesetzlichen Ee-
gelong des Hebammonwesens, die seit etwa 9 Jahren das Hohe Haas beschäf¬
tigt habe. Es sei eine Debereinstimmung aller Faktoren sowohl im Abgeord-
netenhaase, wie im Herronhaase dahin erzielt worden, daß eine organische Be-
lorm des Hebammenwesens dringend notwendig sei, wie sich ans den wieder¬
holten Bcschlässen des Abgeordnetenhanses seit dem Jahre 1899 ergebe.
Durch eine einheitliche, großzügige, gesetzliche Aktion werde es allerdings
kaum möglich sein, mit einem Schlage große Erfolge za erzielen, sondern man
müsse auf den Torschiedenen Stand der Knltnrentwicklnng in den yerschie-
denen Teilen des Staates Eflcksicht nehmen; eine lebensvolle Tätigkeit der
Verwaltangsbehördon in Verbindung mit derjenigen der Sclbstverwaltongs-
körperschaften werde im großen and ganzen aaf diesem Gebiete eher in der
Lago sein, wirkliche Besserangen za erzielen, als die Aufstellung idealer For¬
derungen, deren Dorchfübrang doch nur in dem Maße möglich sei, wie die
lokalen Verhältnisse die Darebfübrung gestatten. Von diesem Standpunkt aus
begrüßt Redner den Entschlaß des Kaltasministcrs, zunächst auf dem Wege
der Verwaltung vorzugehen und das zu erreichen, was möglich sei, mit Freuden.
Zeige sich jedoch, daß es auf dem Verwaltungswege nicht vorwärts gehe, daß
es an der materiellen Unterlage fehle, so werde der Herr Minister sich hoffent¬
lich entschließen, die Klinke der Qesetzgebung in die Hand zu nehmen, wie
dies schon betreffs einer Gebührenordnung beabsichtigt sei. Die geringen
Gebühren, die jetzt erhoben würden, ständen in einem großen Mißverhältnis
zu dem großen wirtschaftlichen Wert, den eine richtige Abwartung bei der
Geburt und in der Wochenpllege für die Familie habe. Der Betrag von 10 M.,
wie er jetzt höchstens bezahlt werde, stehe in gar keinem Verhältnis zu den
wirtschaftlichen Ausfällen und dem sonstigen Elend, daß in eine Familie ge¬
bracht wird, wenn durch Kiudbcttficbcr oder Verleizungen bei der Gebart
dauerndes Siechtum in eine Familie cindringe. Mit Erhöhung der Gebübren-
taxe solle aber auch die Möglichkeit der Einziehbarkeit dieser Gebühren auf
dem Wege des Verwaltungszwangsverfahrens vorgesehen werden, ln dieser
Eiebtuag eine Erleichterung zu schaffen, würde zur Hebung des Standes der
Hebammen zweifellos beitragen. Wo die Gebühren nicht ausreichen, sei eine
ergänzende Fttrsorgepfficht der Gemeinden einzuführen. Dieser Zustand sei
schon wiederholt erstrebt worden, bisher aber ohne Erfolg, da durch die Ju¬
dikatur des Oberverwaltungsgerichts eine Verpffichtung der Gemeinden bezw.
Kreise zur Bestellung und ausroicbenden Besoldung der Hebammen als recht¬
lich unzulässig erklärt worden sei. Trotzdem sei allerdings in einem Drittel
der preußischen Kreise das Hebammenwesen kreisstatutarisch geregelt worden;
es bestehe demnach die Hoffnung, daß es dem Herrn Kultusminister bei der
rilichtreuc der Landräte und der Kreisärzte im weiteren Umfange abs bisher
gelingen werde, durch kreisstatutarische Regelung befriedigendere Verhältnisse
herbeizuführen,'* Wenn das aber nicht gelinge, dann werde nichts anderes
übrig bleiben,^,als kurzerhand durch Gesetzgebung einzuführen, daß den Ge¬
meinden oder weiteren Gemeindeverbäuden die gesetzliche Fürsorge für An¬
stellung von Bezirksbebammen in genügender Zahl und die Siäerstellung
ihrer Lebenshaltung auferlegt werde.
Wenn man bedenke, daß 51**/, der Hebammen bis jetzt ein Einkommen
von weniger als 400 M. haben, und sich anderseits die hoben Anforderungen
an die Hebammen vergegenwärtige, dann werde man die Notwendigkeit, die
Stellung der Hebammen zu befestigen, anerkennen müssen. Dann werde es
auch gelingen, gebildetere Frauen und die besten Elemente vom Lande dem
Hebammenstande zuzufuhren. Man solle auch die Bestrebungen auf Einfüh¬
rung einer geregelten Krankenpftege auf dem Lande mit der Hebung der
Hebammen verbinden. “Die Versicherungannstalt von Hessen-Kassel gebe z. B.
Jahrcszuschiisso von 200 M. für eine iieueingerichtcte Krankenpäogc.stoUe; die
ProTinzialverwaltung 100 M. zu dem gleichen Zwecke, mit dem bisherigen
Kinkommen von 400 Mark würde also eine Bezirkshebamme ein Gehalt von
700,Mark haben und dadurch einer Gemeinde eine vollbeschäftigte Hebamme
zugeführt ^werden.
Redner schilcßt mit dem Wun-'ch, daß die Bestrebungen dos Ministers,
Torniittels erhöhter 8taatsziiscbni.se auf dem Verwaltungswege eine durch-
grcifei/dc Verbesserung des Hebammenwesens darchzuführen und dem Heb-
Abgeordfiet«nbaiues ttber den Medizinalctnt.
197
uunensUuid immer bemere Elemente zasnfttbren, ron Erfolg gekrönt sein
möchten, and da6 mit der gebortehilllichen Tätigkeit die Wochenpflege, die
Hnos- and Siagiingspflege mehr and mehr organisch yerbonden werde. Sollte
das aal dem Yerwaliongswege nicht erreicht werden können, so müsse ein
gesetalieher Träger der Hebammenfflrsorge and damit eine genflgende Orond*
läge fttr eine darcbgreifende Hebnng des Hebanunenstandes geschaffen werden.
(Brayo!)
Abg. Sehnedding-Münster fZentr.), will sich aof eine knrze Angabe
des Standponktes seiner Parteifreande besdiränken. Diese seien an sich für ein
Hebammengesetz; da ein solches aber nnr fttr die bedürftigen Hebammenbe«
zirke nnbedingt nötig sei and diesen nnnmebr aaf dem Wege der Verordnung
and daich Beihilfen des Staates geholfen werden solle, so könne zonächst
das Ergebnis des Verfahrens abgewartet werden. Ob das erstrebte Ziel aof
diesem Wege sieh erreichen lassen werde, sei allerdings zweifelhaft, zamal der
dafttr ansgeworfene Fonds recht dürftiger Katar sei; er bedente geradezn einen
Tropfen aaf den heißen Stein (Sehr richtig! im Zentram); aber immerhin ge>
wihre er einen eifrenlichen Anfang der Bessernng, einen ersten Versuch zur
Losung der Frage. Glücke der Versuch, so werde man wohl die Hoffnung
hegen dürfen, daß der Fonds in den nächsten Jahren auch eine erhebliche Ver-
stirkang erfahren werde. Ein Punkt freilich werde an der gesetzlichen Be*
S flong nicht yorbeikommen: das sei die Qebührenordnangsfrage; denn yiele
ebaoimen seien in der unglücklichen Lago, daß sie die ihnen zukommenden
Gebühren entweder gar nicht oder nur au Umwegen oder nnr spät zur Ein*
ziehang bringen können. Wenn es non dem Herrn Minister. gelmgen sollte,
fttr diesen Zweck ein besonderes Gesetz zu schaffen, dann könne man einstweilen
ruhig abwarten, wie sich im übrigen die Dinge, iu Znkonft entwickeln werden.
(Bravo t)
Minister der asw. Medizinalangelegenheiten Dr. HeUet M. H.I In
voller üebereinstimmong mit dem geehrten Herrn Vorredner kann auch ich
mich nnr aof den Standpunkt stellen, daß unser bestehendes Hebammenweeen
g roße Mißstände anfweist, die dringend einer Verbesserung bedürfen. Der
err Abg. Mttnsterberg hat bereits auf die Ergebnisse der Statistik hin*
gewiesen, wonach namentlich in ländlichen Kreisen, and von diesen wieder
m^ in den ärmeren, eine ungewöhnlich große Sterblichkeit der Mütter im
Wochenbett besteht. M. H., noch zahlreicher sind, glaube ich, die Fälle, in
denen nicht der Tod eintritt, sondern die Mütter ein dauerndes Leiden infolge
mangelhafter Behandlung durch die Hebammen davontragen und dadurä
namentlich in den Familien, in denen die flaosfrau der Träger des Wirtschaft*
liehen Bestandes der Familie za sein pflegt, eine dauernde Kot in den Haus¬
stand herbeigefühlt wird. (Sehr richtig.)
M. H., auch das Kurpfuschertum ist unter den Hehammen verbreitet.
Wenn bis dahin zur Besserung dieser Verhältnisse immer von öinem
Gesetzentwurf die Bede gewesen ist, so ist ein solcher auch in meinem Mini«
sterium aasgearbeitet worden. Aber bei seiner Durchsicht habe ich die Deber*
Zeugung gewonnen, daß ein anderes Vorgehen, wenigstens versuchsweise, den
Vorzug verdient. Eine gesetzliche Begelong des gesammten Hebammenwesens
würde notwendig eine starre Form der neuen Organisation herbeiführen, wie
das bei jedem Gesetz der Fall ist. Auch würde eine neue Belastung der
Kommanaiverbände unter den heutigen Zeitverhältnissen, wo sie ohnehin stark
bdastet sind, manchen Bedenken begegnen. Da in großen Gebieten der Mon¬
archie unter möglichster Anpassung an die örtlichen Verhältnisse eine befrie¬
digende Lösung der ganzen Frage ohne Gesetz gelangen ist, so glaube ich
zunächst auch weiter von der gesetzlichen Bindung absehen zu können und.
durch Bercitsteliung eines größeren Staatsfonds den Versuch zu machen, mit¬
tels Staatsbeihilfen auch dort befriedigende Verhältnlsso zu schaffen, wo solche
bisher nicht bestanden. Ob der Versuch gelingen wird, läßt sich noch nicht
übersehen; aber ich glaube, immerhin verdient in der heutigen Zeit dieser
Versuch den Vorzug vor einer doch mehr oder weniger schematischen Boge-
lung durch Gesetz. (Abg. Mttnsterberg: Sehr richtig!)
Die Hauptsache ist zunächst, daß überall Hebammen vorhanden sind,
und daß, wo sie Jetzt noch fehlen infolge der Leistungsunfähigkeit der Kom-
munalverbände^ ihre Ansetzung ermöglich wird. Die zweite Hauptsache bei
198
IM« 4tM|}äb«lf« Btrtiiuig dt« pr«ttAI«di«i
d«r BegeliBg dt« Heb«HuneBwea«ii8 ist eia« daaiudeUe Sfekantelloag der
Hebaounea. Za dem Zweck ist aaaftehst «h« Qraadlage lAr die GebftliioB
erforderlich. Es ist aweifeihaft, ob die besteheade Qeeetzgebaag eiae.ent»
sprecheade Uaterlage bietet; ee ist dar am eia Qesetseatwnrf für die Ocbtthrea
der Hebammea bereits aasgearbeitet wordea, aad ich hoffe, iha in aliemichster
Zeit dem Hohen Hause Toriegen an kOanen. (Bravo 1 ) Dareh das Gesets soll
eiae sichere Unterlage geschaffen werden, damit die Hebammen an ihrem Gelde
kommea. Eiae einheitli^e Regelang der Gebflhren tob der Zentrale aas ist
nicht beabsichtigt, sondern die Gebfihrea sollen durch den Begierongsprial«
deaten bestimmt werden, der sie in Aepassnng an die örtlichen VerhÜtnisse
nach für die eiazelneB TeUe des Besirks Torschieden bemessen kann. Für die
Beitreibong der Gebtthrea der Bezirkshebammea ist das Ferwaltongsawaags*
Terlahrea vorgesehen.
Ferner halte ich aar Verbesseroag des Hebammeaweseos fflr geboten,
daB den Besirkshebammea ebe geattgende materielie Sicherstellong gegeben
wird, soweit diese darch die Gebtthrea nicht erfolgt. In der Bestehnag treten
schon jetst die Kreise vieKach erginsend ein. Die Einstellang der 50000 M.
S eetattet, wie ich mir schon aasadeateB erlaabte, den Versnch an machen, den
[reisen nad sonstigen Verbindea, die aas eigenen Mitteln nicht die eiiorder«
liehen Sanunea beschaffen können, eine staatliche Beihilfe an gewähren, am
so nach in den ärmeren oad abgelegeneren Gemeinden die Niederlassong tob
Hebammen ttberhanpt an erreicben and ihre bessere Aas* and FortbUdnng oa
ermöglichen. Dabei wird es darauf aakommen, für soldie Fälle, in denen dne
Hebamme, die a. B. einen Fall von Kindbettfieber behandelt hat and wegen
der Ansteckangsgefahr ihrem Gewerbe nicht nachgehen kann, eatspreck^e
Entsehädigangen voraoaehen. (Abg. Mttnsterberg: Sehr gut!)
Dann ist auch aa erwägen, ob man nicht den Hebammen für den Fall
der Dienstanfähigkeit in irgend einer Weise eine gewisse Versorgoag
sicherstellen kann, damit man diejenlgea, die in eia höheres Lebensdter konunea,
ohne allsu grofie Härten aas dem praktischen Beraf heransbringea kann.
Diese Pläne werden aanächst gehegt. Ich hoffe, daß wir im Wege der
freiwilligen Verhandlong mit den Kommanalverbändea doch in den weitaas
meisten Fällen aa einem guten Ziele kommen werden. Dies empfiehlt sich
auch schon dämm, weil jetst ia den einaelnen Provinaea gans verschieden vor«
gegangen ist; in manchen sind die Gemeinden die Träger des Bealrksheb«
ammeawesens, in anderen Fällmi sind es die Kreise oder Aemter.
Die Ansbildnng der Hebammen and die Kontrolle darfiber, ob sie
danemd die nötigen Kenntnisse besitaen, am ihren Pfiiehten au entsprechen, ist
eine aaßerordentOeh wichtige Frage, bei deren Begelong freilich die Provin«
eialverbände beteiligt sind; denn die Hebammenlehransialten, die frfther im
Besita des Staates waren, sind bei der Dotation der Provinaen auf diese ttber«
gegangen. Es ist erklärlich, daß die Bereitwilligkeit der Provinaialverbände,
den a^emeinea Interessen beattglich der Dauer der Aosbildong und der Größe
und Aosgestaltung der Anstalten Rechnung au tragen, je nach ihrer Finans«
läge verschieden ist. Ich beabsichtige in diesem Jahre bei der Jahreskoafersna
der Landesdirektoren mit ihnen ttber die in dieser Beaiehong bestehenden
Wflnsche aa verhandeln. (Bravo!)
Ich möchte also bitten, sich mit dem Vwgehen, daß ich beabsichtige,
einverstanden aa erklären. Das Gesets aar Erhebong von Gebühren wird in
allernächster Zeit dem Hohen Hanse aagehen, und ich glaube, daß, wenn wir
den Weg der Freiwilligkeit beschreiten, wir damit aanächst aweckmäßig han*
dein. Denn die ganze Hebung der Hebammenfrage ist schließlich eine Geld*
frage, und wenn der Staat sich helfend den Kommaaalverbänden an die Seite
steUt, BO ist das der Weg, der sam Ziele führen kann. (Bravo l)
e. Bnktoslologlaohe laatltute.
Abg. Franken (nat.*lib.) bittet, daß dem hpgienisehen InsÜtat in Gelsen*
kirchen, ms mit großen Opfern seitens der Kreise, Städte and Indostrie ins
Le^ gerufen sei und bei der Bekämpfang von Krankheiten, insbesondere
der Warmkrankheit und der Genickstarre grofie Dienste getan habe, auch
ferner «ia Zosehoß von 5000 Hark wie bisher gewährt werden möge. (Bravo!)
AbfeordaeUnhaiUM Aber dea Kadlabalatat
198
Minlfter der uw. VedlaiiiaUngelegenheiteB Dr. Holle orklirti defi der
btahorige Zuehafi dem Uatemebmen aaob weiter bleibea aad eaek im Bo«
derirfalle erhobt werden wird. Jedenfalle bestehe nicht die Absicht, ihn irgoad«
wie znkürzen. (Abg. Franken: Daoke sehr!)
f. BekAznpfong der Oreanloee.
Abg. T. Conrad (freikou.) hebt herror, daS die Qraaalose sieht nu in '
Ostprenüeo, sondern anch in Weatprenfien nnd Posen sehr stark grassiere.
Im Etat sd ann nicht gesagt worden, für welche ProTiu die 800000 Mark
▼erweadet werden sollen ; er nehme an, daß sie ebenfalls wieder wie schon
Inaher für Oatprenßen, wenigstens znm großen Teil, verwendet werden sollen.
Westprenßen, besonders der Beg.-Besirk Marienwerder, sei aber anch besonders
stark infisiert. Bereits im Jahre 1896 seien von mnd 170000 SchnJldndem
rand 9000 s= 0,5% kOmorkrank befanden nnd nnter 12000 nicht schnl«
pflichtigen Personen 2500 as 26,7 */o, also eia recht hoher Proseatsats. Na¬
mentlich seien die Kreise Könitz, Fiatow, Briesen nnd Schwets heimgesneht.
Seit 1900 seien von allen Kreisvertretnn^ grtßere Snmmea snr Bekimpfang
der Qrannlose gemeinsam mit dem Staat bewilligt worden. Seit dieser Zeit
sind annmehr 7 Jahre verflossen, die Granulöse bestehe weiter fort, nnr hidie
sich die Krankheit gegen früher allerdings etwu verschoben. In den Schniea
k&men Qrannlosefilie nnr sehr selten noch vor; ebenfalls würden bei der
Auhebnng der Bekmten nnr noch selten Orannlosefälle ermittelt, desto
h&nflger seien aber Grannloselille in Familien; Öfter werde die gesamte Familie
E aanloeekrank befanden, an deren Heilang erhebliche Mittel notwendig seien.
e Gemeinden kOnnen diese nicht anfbringen; der Kreis müsse ^treten,
welchem zn diesem Zwecke jetzt die genügenden Mittel fehlen. Bedner
bittet deshalb den Herrn Minister, die Bek&mpfang der Granalose anch in
Westprenßen, besonders Im Beg.-Bezirk Marienwerder, sn beschlennigen, nnd
dafür an sorgen, daß die im Etat eingestellten Mittel anch für Westprenßen
zu Yerwendnng gelangen.
Geh. Ob.-Med.>Bat Dr. Kirchner erwidert, daß es der Königlichen
Staatsregiemng wohl bekannt sei, daß die Granalose im Osten der Monardüe
viel weiter verbreitet sei, als lediglich in der Provinz Ostprenßen. Es bestehe
eia augedehnter Herd, der sich über die Provinzen Ostprenßen, Posen nnd
auh Teile von Westprenßen nnd anch Pommern erstreckt nnd die mssischen
Ostseeproviuen nnd Busisch-Polen nmfasse. Es sei von vornherein die Ab*
sicht der Staatsregiemng gewesen, ln allen befallenen Landesteilea energisch
gegen die Grannlose vorzngehen; aber es habe sich bald heraugestellt daß
die dueh den Etat snr Verfügang gestellten Mittel von jährlich 860000 M.
allein für die Provins Ostpreußen vollständig anfgebrancht werden mußten.
Diese Summe mußte sogar in verscbiedenen Jahren, am stärksten im Jahre 1900,
erheblich überschritten werden. Es erschien notwendig, dort erst einen Verandi
sn machen, ob und inwieweit es möglich wäre, mit dem angewandten Be*
kimpfangsverfahren sn einem befriedigenden Ziel zu kommen. Dies sei in
der Tat augeseichnet gelangen. Die Orannlose sei in der Provins Ost¬
preußen in allen drei Begiemngsbezirken nicht nu nach der Zahl der Fälle,
sondern anch nach der Schwere derselben außerordentlich zarttckgegangen, so
daß in einer gauen Beibe von Kreisen mit der energischen Bekämpfnng, wie
sie ursprünglich vorgenommen worden sei, habe aufgehOrt werden kOnnen.
Allerdings habe sich heraasg<‘steilt, daß, wenn die Bekämpfung irgendwo gau
anlhOre, bald wieder ein Aafflackem der Krankheit eintrete, weshalb es not*
wendig sei, dort fortgesetzt aufznpassen nnd die Waffen nie ganz rnhen sn lassen.
Aber bereits im Jahre 1904 und in den folgenden Jahren in steigendem Maße
haben von der Summe von 850000 M. schon Ersparnisse gemacht werden
können. Der Herr Minister habe daher Verhandlongen mit dem Herrn Finanz-
minister angeknüpft, um mit Hilfe der in Ostpreußen nicht verwendeten Mittel
die Grannlose in den übrigen Teilen des Landes in Angriff nehmen zu können.
In Posen haben bereits Kurse für Aerzte stattgefanden, um sie in der Er¬
kennung der Behandlung der Grannlose zn unterweisen, nnd es werde beab*
sichtigt, nunmehr die Pläne für die Bekämpfang der Granulöse einer Nach¬
prüfung nach der Btehtung hin za unterziehen, ob sie im Hinblick auf du
Senchengesetz vom 28. Aagust 1905 einer Abänderung bedürfen. Yorans-
sichtUeh werde u sich ermöglichen lassen, in nächster Zeit anch außerhalb der
200
Die diesjährige Berttang des prcaßischen
Provinz Ostpreußen in eine energische Bekämpfong der Granulöse einzu¬
treten. Schon jetzt seien übrigens in anderen Bezirken staatliche Mittel auf-
gewendet worden, so im Regierungsbezirk Danzig durchschnittlich llOOO^M.
jährlich.
g. Doktorpromotlon. Ansban der medleinlsolieii Fakolt&t
ln Mflnater. liehratfihle fdr soslale Medlsln.
Abg. Dr. T. Savlgny^ Berichterstatter, spricht zunächst für Einführnng
und Zulassung der Tierärzte zur Doktorpromotion (Dr. med. Tet)
und bemerkt dann betreffs der medizinischen Doktorwürde, daß deren
Brlangung den Ausländern zu sehr erleichtert und dadurch die Inländer benach¬
teiligt würden.
Er spricht dann schließlich die Hoffnung aus, die medizinische
Fakultät in Münster demnächst vollständig eingerichtet zu sehen. Die
Schwierigkeit, daß die Stadt Münster die für die Einrichtung einer raedhdni-
schen Fakultät notwendigen Krankenhäuser nicht zur Verfügung stellen wolle
werde sich hoffentlich beseitigen lassen.
Abg. SchrSder-Cassel (nat.-lib.) wünscht, daß auf allen deutschoi Uni¬
versitäten Lehrstühle für soziale Medizin errichtet werden mOchten.
In seiner Tätigkeit als Dezernent der landwirtschaftlichen Bemfsgenossen-
schaft und Vorstandsmitglied einer Landesversichernngsanstalt mache er Tag
für Tag die Erfahrung, daß ein großer Teil nicht nur der älteren, sondern
auch der jüngeren Aerzte in Stadt und Land diejenigen theoretischen und
praktischen Erfahrungen vermissen lassen, die zur richtigen Durchführung der
deutschen Arbeiterversicherungsgesetzgebung unbedingt notwendig sind. Der
Arzt stehe im Mittelpunkte der Arbeiterversicherungsgesetzgebung; ihre
Durchführung sei ohne seine Mithilfe vollständig undenkbar, mag es sich um
die Krankenversicherung, die Unfallversicherung oder schließlich um die In¬
validenversicherung handeln, er sei fast überall die entscheidende Instanz.
Bei der Krankenversicherung entscheide er, ob eine mit Erwerbsunfähigkeit
verbundene Krankheit vorliege und damit der Bezug des Krankengeldes ge¬
rechtfertigt sei; bei der Unfallversicherung habe er die einzelnen Uofallschäden
nach Prozenten abzuschätzen, den Zusammenhang der augenblicklich vorlie¬
genden Erwerbsbeschränkung mit dem angeblichen Unfall zu beurteilen. Bei
der Invalidenversicherung habe der Arzt ganz besonders wichtige Entscheidun¬
gen zu fällen und festzustellen, ob der Rentenbewerber durch sein Leiden auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt, aber doch unter Berücksichtigung seiner bis¬
herigen Berufnngstätigkeit zu mehr als */* erwerbsunfähig sei. Das seien
überaus schwierige Entscheidungen, von deren Richtigkeit das Schicksal vieler
Familien abhänge. Dazu komme das große Gebiet der Krankenfürsorge. Da
habe wiederum der Arzt festzustellen, ob ein Heilverfahren noch Aussicht auf
eine vollständige Heilung oder wenigstens auf eine Hinausschiebung der drohen¬
den Invalidität biete. Dem Arzt sei aber überall für diese Frage nur dann
eine richtige Beurteilung mOglich, falls er auch die nötigen theoretischen
Kenntsisse und praktischen Erfahrungen auf dem Gebiete der sozialen Medizin
besitze. Der Arzt solle außerdem auch noch der Berater des Kranken auf
sozialem Gebiete sein, er solle seine Patienten sachgemäß beraten, auf der
einen Seite nicht unerfüllbare Hoffnungen erwecken, auf der andern Seite auch
den Kranken auf seine Rechte ans der Arbeiterversicherungsgesetzgebung auf¬
merksam machen. (Sehr richtig!) Wie viele Ansprüche geben verloren, und
wie viele Menschen gehen zugrunde, die bei rechtzeitigem Eingreifen unserer
sozialpolitischen Kassen und Anstalten noch hätten gerettet werden können!
Deshalb sei eine vollsändige Ausbildung der Aerzte auf dem Gebiete der sozialen
Medizin in Theorie und Praxis unbedingt erforderlich. (Sehr richtig!)
Die in dieser Beziehung in Berlin und Bonn angestellten Versuche haben
sich glänzend bewährt. Der Ansicht des Kommissars der Regierung, daß eine
Berücksichtigung der sozialen Frage auch bei der Behandlung der gesamten
Medizin möglich sei, und dieser Unterricht am ztreckmäßigsten den Akademien
für praktische Medizin und den Fortbildungskursen für Aerzte zuznweisen sei,
kann sich Redner nicht anschließen. Die .soziale Medizin sei heute eine Wissen¬
schaft für sich und könne nicht auf die einzelnen Lehrfächer verzettelt werden.
Außerdem sei auch ein theoretischer Unterricht im Versichernngsrecht not¬
wendig, das doch einheitlich an irgend einer Stelle gelehrt werden müsse.
AbgeordnetenhauM über dea Medlainaletat.
20t
Die Akademie fflr eoalale Medida und die Fortbildongskarae seien in'^keiner
Weise genttgend, nnd xwar ans dem Grande, weil nur ein kleiner Brachteil
der Aerste dort ihre Belehrang finden kOnne. Aofierdem aber sei es notwendig,
daß die sosiale Medizin sam Gegenstand der Abschlaflprttfang gemacht nnd
das Stadiam derselben fflr obligatorisch erklärt werde.
Bedner wflnscht deshalb erstens, daß aaf allen preußischen Unirersitäten
ein Lehrstahl fflr sosiale Medizin errichtet and das AniiOren dieser Vorlesangen
obligatorisch gemacht werde, daß in diesem Fache nach eine Prfllang im
Examen obligatorisch stattfinde, and der betreffende Professor, der dieses Kolleg
liest, zam kütglied der Prflfangshommission gemacht werde. Die ErfflUang
dieser Wflnsche werde ron ihm nicht im Interesse der beteiligten Professoren
Tertreten, sondern ror allen Dingen im Interesse einer gerechten and saeh*
gemäßen Darchfflhrang der deutschen Arbeiterrersicherang. (Bravo l links.)
Abg. Milasterberg (freis. Ver.) schließt sich den Aosfflhrangen des Vor«
redners an. Er weist dann weiter darauf hin, daß auch Professoren fflr Ge*
fängniswesen, Eriminalpsyohologie and Eriminalpsychiatrie fehlen.
Minister der asw. Med.-Angelegenheiten Dr. Helle: Gegen die Professoren
fflr soziale Medizin haben die medizinischen Fakultäten vielfach Bedenken ge*
äußert, weil sie meinen, daß die soziale Medizin in den anderen Vorlesangen
schon genügend berücksichtigt werde. Ich stehe aaf einem etwas anderen Stand*
pankt. Die aaßerordentUche Aosdehnong der sozialen Gesetzgebung and der Um*
stand, daß die meisten Fälle, die unter diese Gesetzgebong fafien, von den prakti*
sehen Aerzten maßgebend beurteilt werden müssen, legen die Erwägung nahe,
die Aerste bei der Aasbildang auch mit der Kenntnis dieser Gesetzgebung nnd
ihrer Ziele vertraut zu machen, damit sie roäter in ihrem praktischen Beruf
die einzelnen Fälle auch richtig in voller Kenntnis dieser Gesetzgebung zu
beurteilen vermögen. (Bravo! links.) Mit Rücksicht hierauf waren ja vor drei
Jahren zwei Lehraufträge in Berlin und Bonn versuchsweise erteilt. Die Er*
Lthrungen der nächsten Jahre haben dazu geführt, auch an den Universitäten
Kiel und Marburg dieselben Lehraufträge vom 1. April d. J. ab zu erteilen, so
daß dann an vier Universitäten die soziale Medizin besonders vertreten sein
wird. Daraus darf wohl geschlossen werden, daß allmählich noch weitere
Universitäten folgen werden. (Bravo! links.) Ob die soziale Medizin in die
Abschlußprüfung einzufügen ist, ist nicht Sache der preußischen, sondern der
Beichsgesetzgebang, denn die Aufgaben und Ziele der ärztlichen Staatsprüfung
sind für alle deutschen Universitäten gleich nnd vom Reich bestünmt.
Abg. Dr. Keil (nat.*lib.) wünscht die Wiederbesetzung der einzigen oitho*
piiischen Professur in Preußen, die bisher der verstorbene Prof. Dr. Hoffa
Innegehabt hat. Er sei gewiß der letzte, der einer zu weitgehenden Spezidi*
sierung der ärztlichen Wissenschaft hier das Wort reden möchte; es sei in
großen Städten nachgerade dahin gekommen, daß man seinen Hausarzt eigent*
lieh nur zu dem Zweck hat, um ihn im einzelnen Fall darüber zu befragen,
welchen Spezialisten man zu Rate ziehen solle. (Sehr gut! Heiterkeit.) Hier
liegen die Dinge aber doch anders. Die Orthopädie habe sieh längst eine
selbständige Daseinsberechtigung erworben. Die Lehre und die Wissenschaft
von dem Erkennen der Verkrümmungen der menschlichen Gliedmaßen und von
der Bearteilung, Verhütung und Heilung dieser Kränkelten sei mit der Zeit
so umfassend geworden, daß sie nur durch einen selbständigen Lehrer in zu¬
reichender Weise bearbeitet werden könne. Dazu komme, daß diesem Gebiete
in der Zukunft noch neue Aufgaben erwachsen werden, namentlich der Krüpptd*
fürsorge. Die Erüppelheime, meist geleitet von Geistlichen, müßten sich all*
mählich in Krüppeiheilaostalten verwandeln, ihre Leitung und Beauf¬
sichtigung einem orthopädisch geschalten Ohirurgen übertragen werden. Die
Orthopädie sei auch nicht ausschließlich aus der Chirurgie hervorgegangen;
denn Mechaniker seien die ersten gewesen, die durch glücklich ersonnene
Apparate die ersten orthopädischen ^sserungen und Heilungen herbeigeführt
hätten. Es sei nicht ausreichend, etwa bei der chirurgischen Klinik oder bei
der Charitö eine orthopädische AbteUung zu errichten, sondern es sei durchaus
notwendig, den verwaisten Lehrstuhl wieder mit einer erfahrenen Kraft zu be¬
setzen (Sehr richtig I) Geschähe das nicht, so würde Preußen überflügelt werden
von außerdeutschen Staaten. In Leipzig habe man längst eine derartige Professur,
ebenso in München; Bayern gehe außerdem damit um, auch auf seinen anderen
beiden Landesuniversitäten Lehrstühle für Orthopädie einzurichten. (Bravo t)
202 Die diesj. Baratang dei preuß. Abgeordoetenhames ttber den Medixiaaletat.
Minister der usw. Med.-Angelegenheiten Dr. Holle: Es ist richtig, daß die
hiesige medixinische Fakaltät beantragt bat, von der Wioderbesetzang dieser
Professor Abstand za nehmen, and zwar deshalb, weil die Orthopädie sowie der
orthopädische Unterricht an die beiden hier bestehenden ebirnrgischen Kliniken
angeschlossen werden möchte. Sie bernf t sich daraaf, daß die Orthopädie eigentlich
ein Spezialfach nicht bilde, daß nach die wesentlichen Fortschritte aaf dem Ge¬
biete der Orthopädie bis dahin von Chirargen erreicht worden seien, and daß die
Yorlesongen onter Holfa einen so großen Zalaaf nicht gehabt hätten, am
den daaemden Bestand dieser Professar za rechtfertigen. Sie weist daraaf
hin, daß an der Wiener Universität derselbe Konflikt besteht and aach dort
die Fakaltät sich aof denselben Standpankt gestellt hat. Trotz dieser Be¬
denken, die gewiß für mich ihre Bedeatang haben, möchte ich doch daran
festhalten, die Professar wieder za besetzen, (Bravo!) die vor wenigen Jahren
erst geschaffen worden ist. (Bravo!) Es ist die Krüppelfttrsorge mit Recht
hier in dem Hohen Hanse betont worden, and die Verhandlungen dieses Hohen
Haases in dem Jahre 1905 haben der Medizinaiverwaltang za einer Enquete
Anlaß gegeben, wieviel schulpflichtige Krüppel wir flberhaapt in Preußen
haben. Nach den eingegangenen Berichten sind es allein 51000 bis zom Alter
von 14 Jahren. Wenn man nan bedenkt, daß verhiUtnismißig ebenso viele
in höheren Lebensaltern sich Anden, so würden wir etwa im ganzen mit 200000
Krüppeln rechnen können. Aber noch viel mehr kommt die Zahl der Kinder
in Betracht, die zam Schiefwachsen neigen, and für die demgemäß ein be¬
sonderer ärztlicher Rat erforderlich ist, um sie wieder in Ordnung zu bringen.
(Sehr richtig!) Aus diesem Grande möchte ich die Verantwortung nicht über¬
nehmen, die Professar nicht wieder za besetzen, (Bravo!) und beabsichtige
demgemäß, die Professar für Krüppelfürsorge in der Meinang, daß ich daiut
dem allgemeinen Interesse entspreche, aafrechtznerhalten. (Lebhaftes Bravo.)
Abg. Bosenow (freis. Volksp.) dankt dem Minister für seine Mitteilangen,
die in den weitesten Weisen der Bevölkerang und der Aerzte aaßerordentlidie
Freude erregen werden. Es wäre in der Tat unerhört, wenn in diesem FaUe
die Fakaltät mit ihrem Urteil hätte obsiegen sollen, and wenn dieser Lehrstuhl,
der eben erst geschaffen und so außerordentlich ausgebaat sei, hätte eingehen
sollen. Spezialfächer seien nicht immer Nebenfächer; insbesondere sei die
Orthopädie ein Fach, das als Hauptfach anzosprechen and mit Rücksicht auf
die Krttppelfürsorge von besonderer Bedeatang sei.
Redner befürwortet dann ebenfalls die Errichtang von Lehrstühlen für
soziale Medizin, and spricht die Bitte aas, daß bei sämtlichen Universitäten
dieser wichtige Zweig der Medizin durch Ordinariate besetzt würde. Die
soriale Medizüi nehme die Tätigkeit der Aerzteschaft in so hohem Maße in
Ansprach, daß unbestritten behauptet werde, 90**/« aller Aerzte wenden 76 Vo
ihrer gesamten Tätigkeit im Dienste der sozialen Medizin und der sozialen
Gesetzgebung auf. Sei dies aber richtig, so werde man nicht von einem Neben¬
fach sprechen können. Die soziale Medizin müsse aach bis zu einem gewissen
Grade Prüfongsgegenstand sein, damit die Mediziner lernen, sich mit diesen
Dingen za beschäftigen. Es liege nicht nur im Interesse des Staates, im
Interesse der sozialen Gesetzgebang der Bemfsgenossenschaften, der Kranken¬
kassen, sondern auch im Interesse der Indastrie and der Arbeiter, daß die
Aerzte dieses Gebiet möglichst voll beherrschen.
Abg. Dr. Wagner (freikons.) betont ebenfalls die Notwendigkeit der Er¬
richtung von Lehrstühlen für soziale Medizin, da es unbedingt erforderlich sei,
daß die Ausbiidang der künftigen Aerzte aaf diesem Gebiete noch vervoll¬
kommnet werde. So unangenehm es auch an sich empfanden werden könne,
die ärztlichen Prüfungen noch mit weiteren Disziplinen and Gegenständen zu
beschweren, so zeige sich doch kein anderer Weg; denn wenn ein Examen
darüber nicht abzalogen sei, dann werde die Sache auch nicht so gründlich
genommen, wie es anbedingt erforderlich sei. Ein rundes Viertel der Ein¬
wohner des Deatschen Reiches gehöre in irgendeiner Form der reichsgesetz-
lichen Arbeiterversicherang an, und es werde wenig Aerzte geben, die nicht
irgendwann and irgendwie vielleicht täglich in die Lage kommen, auf Grund
der Bestimmungen der Reichsarbeiterversicherang ein Gata^ten abgeben zu
müssen, und denen es oft gar nicht bekannt sei, worauf es dabei sowohl in
gesetzlicher Beziehang, wie in rein medizhüsch-technischer Beziehung ankomme.
Dadurch werden auoi große Mengen ganz überflüssiger Verwaltongskostea
Kleioere Mittettiingeii and Referate ani Zeitsehrifteii. 906
den Landesrereieheraogsansialten anfgew&lzt; denn es komme sebr h&nflg vor,
daß das beigebraclite Qalachten eines Arztes sich tatsächlich als nnbranchbar
erweise and weitere Qatachten eingefordert werden mflssen. Diese wieder*
holten Qatachten kosten nathrlich sehr viel Geld, das gespart werden kOnne,
wenn der erste Gatachter tatsächlich wissenschaftlich so aasgebildet wäre, daß
er in jeder Beziehang den an ihn gestellten Anfordeangen genttgen konnte.
Abg. Rosenow (freis. V •?.) bittet, an das Ordinariat für soziale Medizin
ein Institat fttr Gewerbekrankheiten anzagliedern. Dieses Gebiet sei bisher
noch gar nicht beackert worden, aber von größter Bedeatang fttr die gesamte
Arbeiterrersicherang ist. _
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. OorlohtUohe Medlxln.
Zar Wirkung des Kali chlorleam auf den Krelslanf. (De l'action
des chlorates alcalins sar la circalation). Von J. E. Abelons and E. Bar-
dier-Toaloase. Comptes rendas de la soc. de biol; LXIII., 1907, Nr. 87.
In seiner Arbeit: „üeber die giftige Wirkung der cblorsaaren Salze*
hatte March and angegeben, daß intrayenOs injizierte Chlorsäure Salze den
Herzrhythmas ziemlich stark yerlangsamen, dann kurz vor dem tödlichen Aasgange
nod^ beschleunigen. Bei sehr langsamer Injektion der SalzlOsangen trete
ehie Vergiftung nicht aof, das Tier kOnne auch die Einyeileibang starker
Dosen unter diesen Umständen ttberleben.
Aach bei der Verabreichung per os ließen sich dieselben Befände
erheben.
Die Autoren untersuchten nun die Verhältnisse genauer. Sie konnten
feststeUen, daß bei langsamer Injektion ein 8 kg schwerer Hund auf Einrer-
leibung yon 600 ccm einer l*/oi^en LOsung yon KCIO* nur wenig
reagierte; daß bei der Elimination der Flttssigkeit nur eine sehr starke
Diurese einsetzte.
Kali chloricum wirkt auf den Vagusnem reizend und erzeugt eine be*
triehtliche Hersyerlangsamung. Beim Kaninchen fiel nach Injektion yon
6,80 g einer !*/• Na CIO, LOsung die Herzfrequenz yon 800 auf 100; ferner
traten yorttbergehend Eonyulsionen aut Dr. Mayer-Slmmem.
Das Chloraethyl im Blute Im Verlaufe der Narkose* Von L. Camus
und Maurice Nicloux. Comptes rendas de la soc. de biol.; LXIII., 1907,
Nr. 88.
Die Arbeit schließt an die früheren Niclouxschen Darlegungen an,
die in Nr. 8, 1907 (S. 880) dieser Zeitschrift besprochen wurden.
Das Chloraethyl (C* CI) hat einen weit niederen Siedepunkt, als
Chloroform und Aether. Der Siedepunkt für diese Narcotica ist 60,8 und 86,6*,
fttr jenes 12,5*. Vom Blute wird Chloraethyl außerordentlich rasch fixiert;
diese Schnelligkeit stimmt übrigens damit überein, daß auch die Symptome
der Narkose durch dieses Mittel sehr rasch einsetzen.
Beim Auftreten der Unempfindlichkeit der Hornhaut findet sich im
arteridlen Blute meist ein Aethlychloridgehalt yon 25 mg in 100 ccmiBlut.
Bei yoUer Anaesthesie kOnnen die Dosen zwischen 80 und 80 mg schwanken.
Gleichzeitig der Arterie und der Vene des Tieres entnommene Proben ent¬
halten im arteriellen Blute mehr Chloraethyl als im yenOsen.
Die tödliche Dose läßt sich einheitlich nicht feststellen. Manchmal
sterben die Tiere bei einem Gi H» CI gehalt yon 45 mg in 100 ccm Blut,
manchmal erst bei einem 4 fach stärkeren Gehalte. Diese Unterschiede beruhen
aut der yerschiedenen Art der Anwendung des Mittels, auf der Dauer des
Versuches, der Stärke des ei^eatmeten Gemisches, dem besonderen Zustande
des Neryensystems und des Herzens im Augenblicke der Narkose. Bei An¬
wendung titrierter Mischungen treten häufig AtmungsstOrungen auf; häufig ist
der Atemrhythmus beschleunigt, eine toxisäe Polypnoe mit Verringerung der
Amplitude der Atembewegungen setzt ein. In solchen Eällen beruht der
Tod auf Insuffldenz des Atmungsapparates; im Blute braucht nur
wenig Chloraethyl yorhanden au sein. — Läßt man die Tiere dagegen Chlor¬
aethyl ohne Sauerstoff der Luftsoftthrung dnatmen, und führt die Narkose
fi04 Kleinen Mitteilangen and Befente nne Zeitaelirlften.
■ehr nsch herbei, so kann man im Blute bis 200 ^ CtHBCl in 100 ccm
flndon: bei künstlicher Atmu^ läßt sich alsbald eine Wiederbelebung ertielen.
— Chloraethyl ist also ein Körper, der sehr leicht eliminiert werden kann;
ein großer Qehalt im Blute braucht die lebenswichtigen Organe noch nicht
ernstlich zu sch&^gen.
Chloroform und Aether werden viel schwerer aasgeschieden; die Größe
der beim Tode gefundenen Mengen schwankt weniger. Die plötzliche Ein¬
führung einer großen Chloroformmenge ist viel gefährlicher, als das rapide
Ansteigen yon Chloraethyl im Blute. Schwere Schädigungen lassen sich daher
durch Chloraethyl am besten aasschließen, um so mehr, als selbst bei Fällen
massiver Intoxikation die künstliche Atmung ihre Wirksamkeit entfaltet. Das
ist für die praktische Anwendung yon großer Bedeutung.
_ Dr. Mayer-Simmem.
Zur Giftwirkung niketinfreler TubaksBorten. Von Georges Guil¬
lain und Abel Gy. Comptes rendns de la soe. de biol.; LXIU, 1SÜ7, Nr. 87.
Guillain und Gy schließen aus ihren Ursachen^ daß der Gebrauch
nikotinfr eien Tabacks beim Menschen schädlich wirken kann. Die An¬
wendung solcher Tabaksarten gibt eine trügerische Sicherheit und sollte Kranken
mit Herz*, Leber-, Magen- und Nervenleiden verboten werden.
Zu Fersuchen wurden 20% Mazerate einerseits von gewöhnlichem Tabak
der französischen Regie, anderseits von nikotinfreiem Tabak dieser Regie und
nach Parants Verfahren entgifteten Tabak angewandt. Der Tod tritt bei
intravenöser Injektion von Kaninchen dort nach 2 ccm, hier nach 4—5 ccm ein.
Injiziert man Kaninchen Mazerate „entgifteten* Tabaks in geringeren
Dosen, als die letale, so treten heftige Krampfanfälle, später vorübergehende
Lähmungen und Mnskelschwäche auf. Die Tiere sterben nach einigen Tagen.
Nach intravenöser Injektion noch geringerer Dosen — von V* his 1 ccm
des 10—20 proz. Mazcrats nikotinfreien Tab&s treten Dyspnoe, mehr oder
weniger heftige epiieptiforme Anfälle, transitorische Lähmungen und Asthenie auf.
Beweisen diese Injektionen die Gif tWirkung auch dieser Tabaks¬
sorten, so fehlt allerdings die abortive Wirkung, die die Autoren in
einer früheren Arbeit, über welche in dieser Zeitschrift referiert wurde, auch
experimentell nachgewiesen batten. Nach Injektion von nikotinfreiem sogen.
Caporsd doux in wiederholten Dosen der 10 proz. wässerigen Lösung wurde
weder beim Kaninchen, noch bei der Maus die Schwangerschaft unterbrochen.
_ Dr. Mayer-Simmem.
Die Bedeutung der ktlnstllchen Ateiung bei Wlederbelebnagsver-
suchen fdr die Diagnose des Ertrinkungstodes. Von Prof. Dr. Arthur
Schulz, Gerichtsarzt in Halle a. S. Vierteljahrsschrift für gerichtL Mediz.;
1908, XKXV. Bd., 1. H.
Eine Geisteskranke verstarb plötzlich in einem Wannenbad, als sich die
Wärterin pflichtwidrig während 6 Minuten aus dem Raum entfernt hatte.
Wiederbelebnngsversache blieben ohne Erfolg. Die Obduktion ergab den ty¬
pischen Befund des Ertrinkungstodes. Nun stellte sich aber später heraus,
daß nach Lage der Leiche im Bade ein Ertrinken unmöglich gewesen sei; sie
saß so, „daß der Mund bis zur Hälfte aus dem Wasser herausragte*. Die
Möglichkeit, daß der Tod aus innerer Ursache (Herztod) eingetreten und erst
na<äher Wasser in die Luftwege gelaufen sei, gab Veranlassung zu prüfen,
ob durch die künstliche Atmung an Leichen das Bild des Ertrinkungstodes
unter solchen Umständen erzeugt werden kann. Diese Frage konnte auf
Grund von Versuchen durchaus bejaht werden. Der Leiche wurde, ehe die
Starre begann, in sitzender Haltung Wasser in die Langen eingegossen und
sofort künstliche Atmung angeschlossen. Es entsprach nicht nur der anato¬
mische Befand beim Ertrinkungstode, sondern auch die kiyoskopisch nachwds-
bare Verdünnung des linken Herzbluts und der Lungenflüssigkeit sowie stärkere,
Hämolyse des linken Herzblutes wurden, wenn auch nicht ausnahmslos, kon¬
statiert. Wird also bei Leichen, in deren Luftwege Wasser geiangeo konnte,
die künstliche Atmung aasgeführt, so läßt sich der Befund an den Lungen
und an dem Herzen gerade in den Punkten nicht mehr für den Ertrinkungstod
verwerfen, in denen er bisher als zuverlässig galt. Eine Ausnahme bildet
Kleinere Mittellnngen ond Referate tue ZeHeohrfften.
206
vielleleht der Befund der troekenen Lnngenblfthnng. Wenn es richtig ist, daß
diese im Lebenden dnreh die anüuigs erhaltene Besorptionsf&higkeit der
Longen zostande kommt (BeTenstorf), und erst nach dem Anilösen der
Resorption die Dorehtrinkong des ganzen Lnagengewebes das Oedema aqno-
snm sich aasbildet, so wird man bei postmortalem Eindringen des Wassers,
da in der Leiche eine Resorptionsfihigkelt fehlt, kein trockenes Emphysem
erwarten dürfen. Findet man es dennoch in einem Falle, in dem die kflnst*
Üehe Atmung angewendet worden war, so wäre dieser Befand beweisend fQr
den Ertrinkungstod. Weder im berichteten Falle noch in den Versuchen
Schula wurde in der Tat eine trockene Blähung gefunden.
_ Dt. Fraenckel'Berlin.
üntersuehungen Sber die Fragmentation und Segmentation des
Hersmnskels. Von A. Stamer. Zieglers Beiträge Bd. 42, Heft 2.
Ueber die Bctstehung dieser in Bede stehenden Erscheinungen, die man
auch häufig schon bei ganz plötzlichen Todesarten (Selbstmorden) imkroskopisch
konstatieren konnte, sind die Meinungen noch immer geteilt. Bei der sog.
SegmentaUon (dem ötat segmentaire) sind von der größten Bedeutung die
Kittlinien, die man frtther fälschlich als Grenzen der Herzmuskelzellen be¬
trachtet hat, die aber wahrscheinlich agonale Kontraktionsphänomene darstellen.
Bei der typischen Segmentation handelt es sich nun um Qaerbrficbe der
Herzmuskelfasem, die mit jenen Eittlinien zusammenfaUen, während bei der
Fragmentation die Quer- und Treppenbrttche außerhidb der Kittlinien,
zum Teil sogar quer durch Mnskelzellkeme verlaufen. Letztere Erschebung
int sicher als Artefakt beim Zerschneiden oder Zerzupfen des frischen Herzens
oder aber beim Schneiden der eingebetteten Materials aalzufassen; die Seg¬
mentation kann aber doch vielleicht als Folge einer maximalen agonalen
Kontraktion angesprochen werden. Prtvatdozent Dr. Merkel-Erlangen.
Zur Frage der Cherionepithellom - Ihnliehen Gesehwülste. Von
W. BieseL Zieglers Beiträge Bd. 42, Heft 2.
Die vorläufige Mitteilung zeigt, wie vorsichtig man bei der Diagnose
der Chorionepitheliomen und dor Chorionepitheliom-ähnlichen Tumoren sein
muß; denn die beiden vom Verfasser geschilderten Fälle von Magenkarzinom
wiesen Lebermetastasen auf, die z. T. makroskopisch durch ihr stark
hämorrhagisches Aussehen, ganz Überraschende Aehnlichkeit mit Chorion-
epithelioiumoten erkennen liwen, so daß man leicht an eine Kombination
von Magenkrebs und ektopisches Chorionepitheliom hätte denken können; in¬
dessen Ueßen sich doch auch die hämorrhagischen Tnmorknoten mit Sidierheit
als Krebsmetastaaen mit starker Atypie der Zellen und Zellverbände erkennen.
Diese Beobachtung mahnt auch zur Vorsicht in der Deutung jener chorion¬
epitheliomartigen Bildungen, die man zuweilen in| Hodenteratome be-
sdirieben hat Privatdozent Dr. Merkel-Erlangen.
Ein kurzer Beitrag zu dem Kapitell Fremdkßrper in der Käse.
Von Prof. Dr. Klaußner-Mttnchen.
Verfasser extrahierte einer in den mittleren Jahren stehenden Frau
mittels operativen Ebgriffes (seitlicher Spaltung der Nase) eine rauhe, schwarz
geftrbte, rostige, 5,17 cm lange, 2,4 cm breite, abgebrochene Spitze eines im
Griffe feststehenden Messers, welche in der Richtung von oben, außen nach
innen unten gegen die Gaumenplatte fest eingekeilt war und ihr gelegentlich
eines Streites von ihrem Manne ins Gesicht eingetrieben wurde, ohne das
sie eine Ahnung davon hatte. Bei genauer Besichtigung ließ sich
neben dem Nasenflft^ eine feine lineäte Narbe konstatieren.
_ Dr. Waibel-Kempten.
Die Terletraagen dea Kehlkopfes vem gerlebtsirstllehen Standpunkt.
Von Dr. Heu duck-Cuxhaven.
Verfasser behandelt das Thema in sehr ausffihrlicher Weise und faßt
das Resultat der Arbeit in 9 Leitsätze zusammen, von denen die ersten drei
folgendermaßen lauten:
206
Kleinere Mitteilnngen and Befemte «ns Zeitschriften.
1. Die Eehlkopffrsge in gerichtlich nedisiniscber Besiehnng ist ei^
rimentell als gelüst sn hetrschten mit Ansnshme der Commoiie latyngis.
2. Die Conunotio laryngis ist ihrem Wesen nach noch nicht in er*
schöpfender Weise aufgeklärt. In der neueren Zeit haben jedoch die Ansichten
für das Bestehen derselben mehr Sttttxe gewonnen, als die gegen dasselbe durch
Yetmehrung der Kasuistik um einige gut beobachtete Fälle.
8. Unter den mannigfaltigen KeblkopfbrOcben lassen sich rier Typen
herausheben: a) HOrnerbruch des Schildknorpels 1 cm unter der Spitse oder
an der Basis für Erhängen, b) Medianbruch der Schildknorpelplatte für Er*
wttrgeiu c) Quer* und Schräg* und Mischbrücbe der Schildknorpelplatten aller
Art für jede in der Bichtnng von vom nach hbten erfolgende Qewalteinwirkung
(Erdrosseln, Schlag, Stoß, Fall, Wurf aut den Kehlkopf), d) Doppelbmch des
BingknorpeJs bei indirekter Oewalteinwirkung. Die Typen sind jedoch nicht
scharf begrenst, es finden sich üebergänge und Kombinationen yor.
Die 4. These handelt von den Schnittyerletzangen und ergibt — ebenso*
wenig wie die 6., 6. und 7. — ein uns hier interessierendes positives Besultat;
nur sei bei den Yerletzungen darauf hingewiesen, daß Verfasser sehr richtig
das Charakteristische derselben darin sieht, daß schon verhältnismäßig geringe
(lewalten das Leben zu bedrohen geeignet sind, daß ferner bei KehJki^fver*
letzungen innere Scbleimhautwunden entstehen, die durchaus nicht indifferent
sind, und endlich, daß bei Jeder Kehlkopfverletzung das Spiachorgan gefährdet
erscheint.
Die 8. These spricht davon, daß die Prognose der Kehlkopfverletznngen
jetzt günstiger ist, und die 9. bezeichnet als einen ärztlichen Kunstfehler die
Unterlassung der Tracheotomie, falls bei einer Kehlkopfverletzung Erstickungs*
gefahr droht. _ Dr. Hoffmann*Berlin.
Die Kriterien des Nnhsehisses bei Terwendung miehsehwneher
Pnlver» Von Dr. W. Meyer, Kreisarzt in Potsdam. Yierteljahrschrift 1
ger, Mediz. usw.; 8. F., 35. Bd., 1908, 1. Heft.
Auf Grund ausführlicher mitgeteilter SchieSversuche gelangt der Ver*
fasser zu einigeu praktisch wichtigen Folgerungen für die Erkennung des
Nahschusses mit rauchschwachem Pulver. 1) Das sicherste Kriterium für
den Nachweis ist auch bei diesem Pulver die Schwärzung durch den Pulver*
schmauch, neben der sich bisweilen charakteristische graugrüne oder weißgelbe
Färbungen finden. Sie kann zwar von 15 cm Hündungsabstand an schon
fehlen, ist aber unter Umständen (Verwendung sogenannter Hischpnlver
und bei feuchter Haut) noch bis zu 40 cm Abstand möglich. Die Schwärzung
ist schwerer abwaschbar als bei gewöhnlichen Pulvern und daher wohl auch
bei Wasserleichen etwas beständiger. 2) Auf- und Einlagerungen in die un-
verbrannten Haare, ebenfalls für Nahschuß mit Nitropulver beweisend, finden
sich auch bei Abwesenheit der Schwärzung durch Pulverschmanch. 8) Die Schwär*
saug des Scbußkanals, ohne Schwärzung der Haut bei festaufgedrückter Hfln*
dang denkbar, sowie die weite Unterminierung der Haut und die außerordent¬
liche Zertrümmerung der den Schußkanal umgebenden Teile würde den Nah¬
schuß kennzeichnen. 4) Fast konstant ist CO in dem den Schußkanal um¬
gebenden Gewebe naebgewiesen, ohne daß sein Fehlen gegen Nabschnß spräche.
6) Der Kontusionsring zeigt nichts Charakteristisches. 6) Bei Nitropulver-
schüssen fehlen durchaus die Zeichen der Verbrennung und Versengung.
7} Desgleichen fehlen bei ihnen die Einlagerungen anverbrannter oder halb-
verbrannter Pulverkömchen in die Haut, die dem Schwarzpulvernabschuß ein
charakteristisches Gepräge verleiben. Dr. Fraenckel-Berlin.
Gitaehtllehe Aensserung der wiss. Dep. f. d. Hedlsinalwes^ betr.
die «ngebliche Impfbescbidlgug des Kindes L. M. (Beferenten: Kraus,
Kirchner, König). Vierteljahrschrift f. ger. Medizin u. öffentL Sanitäts¬
wesen; 1907, 4. Heft.
In dem zur Begutachtung stehenden Falle handelt es sich um eine
akute atrophische Kinderlähmung von monoplektischem Typus, die vermutlich
auf dem Boden eines Späterysipels, d. h. eines in der Floritionsperiode oder
während der Suppuration durch äußere Schädigungen zustande gekommenen
Erysipels, entstanden ist. Aus dem Gutachten interessieren besonders die
Kleinere Mitteilungen nnd Sefewte nne Zeitschriften.
907
Aasfühnngea Ober die dUferentlal'dlagnostische Entscheidnng iwhNAen new!«
tisdier nnd poliomyelitlscher Grundlage der Lihmug und flher die Frage, ob
die sog. atrophischen Kinderlihmungen überhaupt zu den Krankheiten gehören,
die jemals als Folge der Impfung beobachtet sind.
_ Dr. Kraemer*Worbis.
Zur Kasuistik der Knnstfehler. Von Dr. jnr. et med. F. Kirchborg*
Berlin. AerztUche Sachrerständigen-Zeitung; 1907, Nr. 19, 20, 22, 28.
K. hat 72 Fälle zur Unterlage seiner Arbeit benutzt. Er schreibt zum
SchluS: ^Obwohl das überaus große mir zur Verfügung gewesene Material nur
in sehr wenigen Fällen wirklich einen ärztlichen Knnstfehler, das heißt ein von
dem Arzt rechtlich zu rertretendes unrichtiges ärztliches Verhalten mit einer
dadurch bedingten Schädigung des Patienten ergeben hat, glaube ich doch,
daß die Kenntnis Torstehender Fälle, deren Auswahl von dom Standpunkt des
E raktischen Arztes ans geleitet war, einiges Interesse hat. Selbst der gewissen«
aftest arbeitende Arzt ist yor einer Klage, wie vorstehende Fälle zeigen, nie
sicher. Die durch das heute geltende Becht geschaffene hohe Verantwort¬
lichkeit, wie die ganzen sozialen Verhältnisse zwingen ihn, sich dagegen zu
liehern, einerseits durch eine entsprechende Versicherung, anderseits durch
eine möglichst eingehende Kenntnis der den Arzt interessierenden rechtlichen
Bestimmungen, die leider den meisten Aerzten noch völlig abgeht.*
_Dr.Troeger-Kempea LP.
Ueber HellouifBetlsnina und Hellmagnetiseure ln forenslseher Be¬
stehung. Von Dr. Albert Mo 11-Berlin. Vortrag, gehalten ln der FreieB
Oeriehtsärztliehen Vereinigung zu Berlin am 10. Oktober 1907. Vierteljahr-
Schrift 1 m. Mediz. usw., 4. F.; Bd. XXXV, 1908, H. 1.
Verfasser hat ia jahrelangem Studium des Heilmagnetismns stets den
Grundsatz befolgt, den er jeden Sachverständigen dringend empfiehlt, jede,
auch die absurdeste Behauptung der Pfuscher unter exakten Versuchsbedin-
gnngen zu prüfen; nur dann ist es mOglich, diese Behauptungen vor Gericht
SU widerlegen. Dies ist um so nötiger, als sich die Magnetiseure auf die
Namen von Autoritäten berufen können, die in voreiliger Weise die Exlstens
des tierischen Magnetismus bescheinigt haben, wie Nußbaum, Lombroso,
Crookes, Charles Bichet. Moll hat sie stets widerlegen oder natürlich
erklären kOnnen. Er bespricht unter Einflechtung interessanter eigener Er¬
fahrungen alle Punkte, denen der Sachverständige eine Aufmerksamkeit zu
widmen hat: Lehre, Qualifikation zur Ausübung, Arten der Anwendung, Beweise
der Existenz des Manetismus, Erklärung der wirklichen oder scheinbaren
Heilerfolge, Gemeingefährlichkeit, und betont bei der Frage der Verantwort¬
lichkeit nameatlich, daß sich die MagneUseure oft als Psyäopathea erweisen.
_ Dr. Fraenckel-Berlin.
Haft- nnd Tennlnflhigkelt. Von Dr. Hugo Marx, Kgl. Gerichtsarzt
des Kreises Teltow und Gefängnisarzt in Berlin. Berliner klin. Wochenschr.;
1907, Nr. 49.
Von gesetzlichen Bestimmungen für die Haftfähigkeit kommen in Be¬
tracht die §§ 487 nnd 488 Str.-P.-O. und 906 Ziv.-Pr.-O. Absolute Haftun¬
fähigkeit (nahe Lebensgefahr) bedingen alle Erkrankungen, deren Natur zu
jeder Zeit, die Möglichkeit des Eintritts lebensgefährdender Znfälle erwarten
läßt, nnd die daher die ständige Anwesenheit einer sachverständigen Pflege-
person am Bette des Erkrankten oder in seiner unmittelbaren Nähe notwendig
machen (die vorgeschrittenen Grade der Lnngentaberknlose mit Kavemenbildnng,
hochgradige Arterienverkalkung mit Störung der Herzmnskelfanktion, nicht
kompensierte Herzfehler, die schweren Grade des Diabetes, Nierenerkranknngen
mit erhebUehor Eiweißausscheidung, alle bösartigen Tamoren). ln Lazaretten
der Strafanstalten kOnnen aber anch solche Gefangene untergebracht werden,
deren Erkrankungen unter Umständen Bettruhe und besondere Verpflegung
BOtwendig macht (leichtere Grade des Diabetes, Geschlechtskrankheiten).
Ansgesduossen sind alle akut fieberhaften Infektionskrankheiten und Bett¬
lägerige, bei denen schon der Transport das Leben gefährden kann.
Hiervon zu unterscheiden ist die relative oder zeitliche Haftunfähigkeit.
208
Kleinere HitteUnngen ond Befemte nne Zeitoohriften.
Fflr sie kenn ein Strnfnn&ehnb ^ 488) erwirkt werden (BekonTalenenten
nnok einer ichweren Kmokheit). Die leichteren Ornde non Lnngentaberiniloee
erholen sich oft in der Haft, ebenso wie der Znstnnd der Aikoholiker and
Morphinisten sich bierdnrch erheblich bessert.
Die Möglichkeit der Verscblimmerong einer bestehenden Krankheit ist
kein Haftsosschliefiongsgrund; hier kann es sieh höchstens nm einen 8trafanl-
sohnb handeln, ertl. wird der begutachtende Arst seinen Zweifel an der Haft*
fkhigkeit darlegen.
Nicht jede geistige Erkrankung bedingt Haftunfähigkeit, beson*
ders wenn die Ordnung der Anstalt durch den Kranken nicht erheblich
gestört wird.
Bei Beurteilung der Termins* oder Verhandlungsfähigkeit ist besondere
Vorsicht geboten. Fttr Zeugen (nicht für Angeklagte) kann die Vernehmung
in der Wohnung oder im Krankenhanse angeordnet werden. Nenrastheniscbe
Beschwerden begründen eine Verhandlnngsnnfäbigkeit nich^ dagegen sind
schwere organische Herskrankheiten bei gleichseitiger erheblicher psychischer
Labilität sn berücksichtigen, ebenso Epuepsie oder Hysterie mit gehäuften
KrampfaDfällen.
Bezüglich der Form der Atteste sind die Min.*Erlasse Tom 20. Januar
1858 und 3. Februar 1858 zu befolgen. Dr. Bäuber-Köslin.
8. Mnohwnnit&ndlir^Bt&tlcknlt In UnfttU* und Inwnlldlt&tnMohnn.
Znr Kenntnis der ahnten traumatischen Psychosen. Von Dr. Max
Sommer, Bendorf a. Bhein. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologe;
Band XXII., 1907, Ergänznngsheft.
Dem klinischen Bilde der Hirnerschütterung (sowohl der leichten, als
aber ganz besonders der schwereren Form) entspr^en anatomisch keine
gleichförmigen oder gesetzmäßigen Befunde. Die im unmittelbaren Anschluß
an eine Hiraerschütterung auftretenden Psychosen können also ätiologisch nur
in sehr weitem Sinne einheitliche Gruppe aufgefaßt werden. Auch klinisch
bilden sie keine Einheit. Wie bei vielen Erkrankungen des Gehirns, die mit
ausgedehnteren, gröberen oder feineren Gewebsschädigungen desselben, sei es
in mehr diffuser oder lokalisierter Weise, einhergehen, wird auch im Anschlnfl
an die infolge schwerer Schädeltranmen entstandenen zerebralen Gewebs*
s^ädis^gen häufiger der Korsakowsche Symptomenkomplex beobachtet.
Doch kann derselbe nicht als die typische Kommotionspsyche betrachtet werden,
da auch andere Formen geistiger Störung auftreten könnem
Dr. Többen-Mttnster.
Ueber nervSse und psychische Erkrankangen nach Betrlebsnnflilen.
Von Dr. Götse-Leipzig-Maunhof. Klinik für psychische und nervöee Krank¬
heiten; Bd. U, H. 4.
Verfasser bespricht 4 Fälle von Gelenkerkrankungen mit Muskel-
atrophien bezw. -kontrakturen infolge von Betriebsunfall. Im 1. Falle bestand
eine Neuritis plexus brachialis ohne irgendwelche psychisch-nervöse Ersehet*
nungen; dagegen ließ sich eine erhebliche Atrophie der Klaviknlarpartien
des M. pectoralis minor und eine geringe Atrophie des M. triceps nach weisen.
Auch im 2. Fall handelte es sich um eine Atrophie des Oberarms nach
einer Sehnenverletznng am Handrücken. Der 3. Fall ist typisch für ein nach
traumatischer Irritation ebes Gelenks reflektorbch entstandene Mnskelatropbie,
kombiniert mit Kontraktur. Im 4. Falle waren nach einer Quetschung der
Sbnd Zuckungen b dem betr. Arm, Atrophie der Muskulatur des ünteramu
und vasomotorische Störungen aufgetreten. Der Fall I bt eb reb nenrolo*
gbeber. Niemab sbd bei dem sehr intelligenten nnd besonnenen Kranken
psychogene Erschebungen hinzugetreten. Der Fall II ist ebenfalb ohne jedes
nsychbch-nervöse 8ymptom verlaufen, trotzdem der Verletzte durch die Be¬
hauptung der Bemfsgenossenschaft gereizt wurde, es sei keb Muskelschwund
vorhanden. Im Falle III hatten sich gleich am Anfang psychogene Erschei¬
nungen angekündigt. Sie blieben aber b engen Grenzen und haben weiterhb
hebe Bolle gespielt. Im Falle IV bt der psychogene Anteil zwar am größten
und hat zu ausgesprochenen hysterischen Anfälien geführt, jedoch haben
diese der Beobachtung des Verfassers nach eben erheblichen Grad und Umfang
Kleinere Mitteilungen nnd Referate ane Zelteohriften.
209
erst dann emieht, als der Patientitt bd Qelegenlieit ilirer Verheiratnag infolge
der Doreheinanderwirrung mehrerer TerUansnlierter, snm Teil flberflfissiger
Gatachten ohne begründete Unterlage ihre Rente erheblich ffekftrzt worden
war. Für den praktischen Arst ergibt sieh ans dieses vier instruktiven
Pillen die Regel: Bei Verletzungen ist nicht allein das verletzte Teilglied
n untersuchen, sondern man hat stets auch in der weiteren Nachbarsaiaft
der Verletzung nach pathologisehen Verftndemngen zu forschen, da diese oft
aervOa vermittelt sind. _ Dr. Wolf •Marburg.
üeber hysterisehe Elnselsymptome nokallslerte Krimpfe» Mhmaagmi
■BW.) als Folge von Unfillen* Von Dr. Kern. Ana dem Lndwigahospital
in Stuttgart. Vierteljahrscbrift f. ger. Mediz.; Bd. XXXV, 1906, 2. H.
Die lesenswerte Zusammenstellung führt zu einer Anzahl von Schlnfl*
sitzen, aus den erwähnt sei, daß am Ort der Verletzung sich funktlon^e
StBrungen ansbilden kOnnen, die in seltenen Fällen ganz vereinzelt, häoflger
von anderen hysterischen S^ptomen begleitet sind. Bei der Diagnose wird,
abgesehen von allen anderen bekannten Gei'ichtspnnkten, auch die Bedeutung
der konzentrischen Geaicbtsfeldeinengung besprochen, ^e selbst dann, wenn
sie erat durch die Untersuchung hervorgerufen wird, als Beweis abnormer Sug-
gestibilität wertvoll ist. Die unmittelbar nach dem Unfall auftreteadea
DtSmngen sind als Unfallfolge anzusehen, auch wenn hereditäre Belastung,
originäre hysterische Disposition, alkoholische und andere Degeneration wirk«
sam sind. — Die spätere, im Kampfe um die Rente entstehenden ßtOmngea
kOnnen nicht als entschädignngspflichtige Unfalllolgen gelten. Reine SimnlatioB
ist wohl selten; die Entscheidung oft sehr schwierig. Es empfiehlt sieh meist,
die Rente möglichst niedrig festzusetzen, weil Arbeitszwang die besten thera«
peutischen Erfolge erzielt. _ Dr. Fraenokei-Berlin.
Syringomyelie nnd Unfall. Von Dr. Kurt Mendel. Monatsschrift
für Psychiatrie u. Neurologie; Bd. XXIII; 1908, H. 1.
Es ist sicher, daß viele als „tranmatlscbe Syringomyelie* beschriebene
Fälle keine wahren Syringomyelien, sondern «Myelodelesen* im Smne
KienbOcks sind; es ist ferner sicher, daß in einer großen Anzahl von
Beobachtungen ein Trauma als Ursache der . Syringomyelie fälschlich an«
geschuldigt wird, während in Wirklichkeit das Leiden schon vor dem
Trauma bestand, ja letzteres sogar eiae Folge der Syringomyelie darstellt;
ausgescblosaen erscheint das Entstehen einer Syringomyelie ans einer peripher
gelegenen Läsion auf dem Wege einer aszendierenden Neuritis. Ob durch ein
das Rückenmark selbst in Mitleidenschaft ziehendes Trauma eine wahre Sy«
ringomyelie verursacht werden kann, ist noch nicht mit Sicherheit entschieden,
Bugonsten dieser Annahme spricht nächst den Versuchen von Schmaus
lediglich ein Fall Westphals, welcher jedoch seinerseits noch einige Be*
denken zuläßt, während es im übrigen in keinem einzigen Falle in der
Literatur erwiesen ist, daß das Trauma die Syringomyelie direkt veranlaßte.
Mit größter Wahrscheinlichkeit steht es betreffs der „traumatischen Syringo*
myelTe* so, wie Referent es bezüglich der multiplon Sklerose post tranma
ansgeführt hat: Die Verletzung ist nicht als die direkte, die Krankheit
unmittelbar hervorrufende Ursache anzuseben, vielmehr ist die Prae«
dis Position, eine kongenitale Anlage des Rückenmarks als bestehend
zu erachten, das Tranma ist demnach nur ein anslOsendes Moment. Daher
auch — wie bei der Sklerosis multiploxe — die relative Seltenheit der
Slyringomyelie post tranma trotz der häufigen Verletzungen, die das Rücken*
mark oder die Wirbelsäule treffen. Es ist eben das Trauma an sich allein
nieht imstande, in einer völlig normalen Medulla spinalis eine Syringomyelie
zu schaffen; es ist zur Erzeugung dieser Krankheit erforderlich, daß das
Büekenmuk von Geburt an invalide^ zur Erkrankung disponiert ist.
_____ Dr. TObben*Münster.
Multiple; ISkleroBO und Unfall. Von Kurt Mendel. Monats-
sebrift für Psycl^trie nnd Neurologie; Band XXIII; 1908, Heft 1.
Bei vorhandener Disposition zur Erkrankung kann ein Unfall eine mul*
tiple Sklerose zur EntwicUnng bringen. Bei von Geburt an völlig intaktem
210
Kleinere MÜteilangen und Referate ans Zeitschriften.
Nerrensystem Termag ein Trauna an doh allein eine Sderosis mnltiplex nkht
in enengen. E3ne gans reine traomatiaobe multiple Sklerose gibt es dem*
nach nicht.
Damit man im gegebenen Falle den Unfall als das die Erkranknng ans*
lösende Moment aasprechen kann, maß derselbe eine gewisse Schwere ^dtabt
haben; es maß ferner das Fehlen anderer ätiologischer Momente, sowie ein
sdtUcher Zasanunenbang zwischen den ersten Symptomen des Leidens and
dem Datam des Unfalles nachgewiesen werden können and schließlich der
Nachweis erbracht sein, daß der Verletzte bis zom Tage des Traoma ge-
sand war.
Erwähnenswert erscheint betreffs der Art des Unfalls der Umstand, daß
in auffällig vielen der veröffentlichten Fälle das Trauma mit einem Temperatur*
Wechsel fttr das verletzte Individaam verknüpft war (Starz in kaltes Wasser o. ä.)
Die nach einem Trauma einsetzende moltiple Sklerose unterscheidet sich
^eder in Symptomatologie, noch in Verlauf, noch in ihrer Prädilektion für dne
gewisse Altersklasse (insbesondere in ihrer Scheu vor dem höheren Alter be*
BügUch ihres Beginns) von der nicht traumatischen, ln einzelnen Fällen
scheint allerdings der Beginn des Leidens in ein besonders frühes Alter zu
lallen entsprechend der Jagend des vom Unfall betroffenen Individuums; auch
pflegt bei peripheren Verletzungen die vom Trauma lädierte Extremität be*
sonders frühzeitig und in besonders starkem Grade Krankheitserscheinungen
darzubieten. £<ine Kombination der multiplen Sklerose mit Hysterie wird oei
den Unfallverletzten verhältnismäßig nicht häuflger beobachtet, als bei nicht
traumatischen Sklerosen, bei denen ja diese Kombination nicht zu den Selten*
beiten gehört.
Ein Trauma vermag ebe schon beetehende multiple Sklerose zu ver*
schlimmem und ihren Verbuf zu beschleunigen.
Dr. Többen* Münster.
Sarkom und Trauma* Von San.*Bat Dr. Linow*Dresden. Monats*
Schrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesen.
Verfasser bespricht eben Fall, bei dem das Beichsversieherungsamt die
Entstehung eines Sarkoms durch eben 12 Jahre zurückliegenden Unfall an*
erkannt hat.
Ebern Steinbrachpächter fiel eb Steb von der Größe eines Kopfes auf
den Bücken, wodurch er ebe starke Quetschnng mit Bluterguß unter db Haut
davontrag. Er erhielt anfangs 33 */***/<> Bente. Acht Monate später war er
mk eigenen Zugeständnissen völlig erwerbsfähig. Zwölf Jahre nach dem Un*
falle bildete sich an der Kontusionstelle eb Sarkom. Die mikroskopbebe
Untersuchung ergab ein Biesenzellensarkom.
Die verschiedenen Gutachten sprachen sich teUs für, teUs gegen den
Zusammenhang des Sarkoms mit dem Unfälle ans. Das Beichsgericht ent*
schied sich, wie erwähnt für den Zusammenhang. Verfasser hebt hervor, daß
diese Entscheidung des Beichsversicherangsamtes nicht den Ergebnissen ^ der
b den letzten Jahren über diesen Gegenstand erschienenen Arbeiten entspricht;
er führt zum Bewebe hierfür die Schriften euer Beihe namhafter Autoren an.
Dr. B. Thomalla-Waldenburg (Schles.).
Ueber eine Spltwirknng und Nachwirkung des im Betriebe ein¬
geatmeten Kohlenoxyds* Ein vom Beichversicherungsamt erstattetes Ober*
gutachten. Von L. Lewin. Berliner klin. Wochenschr.; 1907, Nr. 48.
In einem Plätterbnensaal hatte ebe Plätterin bfolge Ansströmens von
Gas (eine Art Wassergas) am 16. November 1904 eine Kohlenoxydyergiftung
erlitten, die sich erst auf dem Heimwege nnd in den folgenden Wochen be*
merkbar machte (Erbrechen, Ohnmachtsanfälle, Bücken* und Genickschmerzen)
und «sogar über Monate hinaus ihre Nachwirkung ansübte, so daß die Unter*
sachte bis zum 21. Februar 1905 völlig erwerbsunfähig, von da an bb 1. Ja*
nuar 1906 um 25*'/o und vom 1. Januar 1906 an um beebträchtigt war.
Dr. Bäuber*Kö8lin.
Das Prinilp der Gewöhnung nach Unfallverletzongen* Von Dr. Wolf-
Danzig. Aerztliche Sachverständigen «Zeitung; 1907, Nr. 28.
Kleinere Mitteilnngen and Kef^nte aas Zeitschriften.
211
Wolf resdiniert: 1. Der WortUmt des Geeetses rerlangt ffir die ander«
weitif^ Feetstellnng der Bente eine Aoidemng der maflgebenden VerhUtaiase.
2. Za diesen maßgebenden Verh<nissen gehört nicht nur der Befand and die
dadarch bedingte Erwerbsfihigkeit. Die ErwerbsTeihäitnisse kOnnen aach dnrch
Oewöhnong an die Folgen des Unfalls eine Aenderong erfahren. 8. Die Frage
der GewOhnang ist nor Ton beroflichen Sachverständigen au beantworten.
4. Da aber nor aaf Grand eines ärstUchen Gatachtens eine anderweitige Fest-
stellang der Bente erfolgen kann, so ist es notwendig, daß ttberall da, wo die
GewOhnang in Frage kommt eine gemischte Kommission, bestehend aas Arst
ind beroflichen SadiTerst&ndigen, in Fanktion trete.
Dr. Troeger«Kempen i. P.
Die Bewertung der Glykosurlen In der Lebensrersleheningspraxls.
Von Dr. £. Bloch. Aerztl. Sachverständigen Zeitong; 1908, Nr. 1.
Zasammenpassend resümiert Bloch:
1. Eine glatte Police kOnnen Antragsteller erhalten, bei denen nach
eineni, angewohnten alkoholischen Exzeß einmal Zocker im Ham konstatiert
worde, voraasgesetzt, daß es sich nicht nm chronische Alkoholiker handelt;
desgleichen Antragsteller, die korz vor der Untersnchang eine schwere psy¬
chische Alteration erlitten haben, voraasgesetzt, daß wir es nicht mit nervOs
beanlagten, erblich belasteten oder in einem aafregenden Bemf stehenden
Personen za tan haben. Bei letzteren erscheint eine geringe ErhOhang der
Prämie, eventaell eine Abkflrznng der Versicheronndaaer angezeigt.
2. Personen mittleren and höheren Alters nut leichten intermittierenden
Olykosoiien, besonders nach größerer Kolebydratzafnhr, oder mit leichtem,
latentem Diabetes ohne Diät and ohne diabetische Symptome kOnnen aaf-
genommen werden mit verkürzter Verslcherangsdaner and erhöhter Prämie.
Letzteres richtet sich im einzelnen nach dem Alter, dem Berof und den
äußeren Lebensbedingongen des Antragstellers.
8. Jagendliche Individaen mit hitermitUerender Glykosorie and leichten
Formen des Diabetes sind abznlehnen.
4. Desgleichen sind abznlehnen Personen mit Diabetes, mit Symptomen,
oder mit konstanter Zackeransscheidong mit oder ohne Diät.
Von diesen Gesichtspankten aasgehend, glaabe ich, daß den Versiehe-
rangsgeseUachaftaa and Antrantellem gedient wird: ersteren, indem sie vor
gesdiaftlichen Verlosten bewahrt bleiben, letzteren, indem eine große Anzahl
Personen der Wohltat einer Lebensversichemng noch teilhaftig werden kann,
welche bis jetzt ohne weiteres daraof verzichten maßten.
Dr. Troeger-Eempen i. P.
Selbstmord ans Lebensflberdrnss kein Betriebsanfall. Urteil des
Beiehsversichernngsamts vom 9. Oktober 1907.
Der Entschädignngsansprach der Kläger würde dann begründet sein,
wenn der überzeagende Nachweis erbracht wäre, daß der Geschirrfübrer T.
den Selbstmord in einem Zustande der Unznrechnnngsfäbigkeit begangen hat,
der auf den Unfali vom 6. April 1906 als mindestens wesentllich mitwirkendc
Ursache zarOckznführcn ist. Dieser Nachweis ist indessen nicht geführt and
kann im vorliegenden Falle auch nicht geführt werden.
Es mag zngegeben werden, daß im Znsammenhange mit dem erlittenen
Unfall in T. Besorgnisse rege geworden sind, die seinen Gemütsznstannd
wesentlich ungünstig beemflaßt haben. Die Sorge nm seine Gesundheit, die
Befürchtung, daß er die volle Arbeitsfähigkeit nicht mehr wiedererlangen
künnte, daß Verlangen der Beklagten, daß er sich einem neuen Eeiiverfabren
in einer mediko-mechanischen Anstalt nnterziohe, wodurch die Sorge nm seine
Famile noch gesteigert sei, alle diese Umstände mögen anf seinen Seelen-
zastand einen nachteiligen Einfluß ansgeübt haben. Sie mußten bei ihm am
so stärker wirken, als er — wie feststeht — von jeher znr Schwermat und
za düsterer Lebensanffassang binneigte. Ein wiliensstärkerer Mann, als es T.
gewesen ist, hätte bei rnhiger Ueberlegang die in ihm anfgetanchten Befttrch-
tnngea, insbesondere die Furcht vor einer Operation, die gar nicht beabsichtigt
war und za der er nicht hätte gezwangen werden können, mit Leichtigkeit
überwanden. Wenn dies T. nicht gelangen ist, so hat es ihm an demjenigen
212
Tigesnachriohten.
MaBe Ton WUlenMÜrke Bas von jedem im Leben stehenden Menschen
gefordert werden mnß. J>er Zustand semischer Niedergeschlagenheit findet
dann seine Ursache nicht mehr in dem Unfälle, sondern in dem Mangel mora¬
lischer Fähigkeiten. Ein Selbstmord, in diesem Zustand aus dom Geftthle des
Lebensttberdmsscs heraus begangen, kann dann nicht mehr auf den Unfall fds
Ursache xurttckgeflihrt werden. Hiernach mußte die Vorentscheidung auf¬
gehoben und der ablehnende Bescheid der Beklagten wiederhergestellt werden.
Tagesnachrichten.
So. KSnigL Hoheit der Prinsregent yon Bayern hat sein
reges Interesse für die SäagUngsfdrsorge dadurch bekundet, daß er dem
Staatsministerinm des Innern die Summe yon 10000 Mark überwiesen hat
mit der Bestimmung, daß den Beg.-Bezirken Oberbayem und MHtelbayem je
2000 Mark, den übrigen Beg.-Bezirken je 1000 Mark zngeteilt werden, um
bestehenden Anstalten zur Säuglingsfttrsorge Zuschüsse an gewähren oder Ein¬
richtungen dieser Art ins Leben zu rufen.
Am dem Belohntege. Bei Beratung des Etats für das Gesund¬
heitsamt am 18. d. Mts. beantragte der Abg. Or. Bnegenberg (Zentr.)
eine reichsgesetzliche Begelnng des Hebammenwesens; außerdem yerlasgte
er die Uebernahme der Kosten der amtlichen Sehlaohtrieh- und Flelsohbeseton
seitens des Staates. Graf y. Carmer (kons.) stellte dieselbe Forderung;
andernfalls müßten die Fleischbeschaugebühren herabgesetzt werden. Abg.
Schellhorn (nat-lib.) frag nach dem Stande des neuen Weingesetsee.
Der Staatssekretär des Innern y. Bethman-Hollweg erklärte, daß sich
das Hebammenwesen nicht für eine einheitliche gesetzliche Begelnng für das
Beich eigne; eine solche müsse der Landesgesetzgebung überlassen bleibm.
Der Weingesetsentwnrf werde demnächst dem Bundesrate yorgelegt und
später yerOffentlicht worden. — Nach Schluß der Debatte wurde der Antrag
des Zentrums, daß die Kosten der Fleischbeschau den Bundesstaaten zur Last
fallen sollen, angenommen; desgleichen wurde ein Antrag des Abg. Or. B8-
sicke angenommen, wonach die Abgabe yon Essigessenz an Speisezwecken
ans den Fabriken yerboten und der Kleinhandel mit Essig und eesigsäuro-
halUgen Flüssigkeiten eingeschränkt werden soll.
Bei dem Kapitel „Beichsyersicherungsamt** erklärte der Staats¬
sekretär y. Bethmann-Hollweg, daß das prozentuale Sinken der Unfall¬
renten nicht zu beklagen, sondern im Gegenteil als eine Folge des besseren
Heilverfahrens und der zweckmäßigeren Einrichtung der Krankenanstalten zu
betrachten sei. Eine Verbesserung des Krankenpflegewesens durch weitere
Anstellung yon Diakonissen auf dem Lande sei ein Gegenstand, der der
^Oßten Fürderung bedürfe. Abg. Dr. Mngdan bemängelt, daß für beruf¬
liche Vergiftnngskrankhelten keine Entschädigung gewährt werde; er em¬
pfiehlt außerdem die Ablösung der kleinen Benten durch Abfindungssummen.
Der Antrag der national-liberalen Partei, betreffend Ausdehnung der Unfall¬
gesetzgebung auf alle Handelsgewerbe, soweit sie mit Lagerungs- und BefSr-
dernngsbetrieben verbunden sind, wird angenommen.
In dem jetzt dem Beichstage voreclegten Entwurf betreffend Aenderung
des Gerlchtsrerfassnngsgesetzes der Zivilprozessordnung nsw. interessiert
die Medizinalbeamten besonders die Bestimmung, daß eine Vereidigung
der Sachverständigen vor und nach der Erstattung des Gutachtens und
nur dann stattfindet, wenn sie von einem Mitgliede des Gerichts für erforderlich
erachtet oder wenn sie yon einer Partei vor Abschluß der Vernehmung oder,
falls schriftliche Begutachtung angeordnet ist vor dem Schlüsse der ersten
mündlichen Verhandlung, weläe nach Erstattung des Gutachtens stattfindet,
verlangt wird.;
Am dam pranwinoliaB AbgaordnetaiilMMa. Bei der Beratung
des Knltnsetats ist der Antrag des Abg. y. Sebenkendorff auf Ver¬
mehrung der Pfiiehtstunden zur Pflege der Leibesübungen in freier Luft,
besonders in den städtischen Schulen einstimmig angenommen worden. Bei
der Beratung des Etats des Innern am 2 d. M. verlangte der Abg.
TaceioMluriehteii.
218
SoaoBow (frds. Yolksp.) md Dr. Bnegenberg (Zentr.) eine hshere
DotteriBg der Gefiagnis* «ad StrafanstaUtiinte. Der Beg.« Kommissar, Qeh.
Ob.-Beg.-Bat Dr. Kr oh ne erkl&rte, daß ttber die ErbOhong der Besttge der
Strafanstalts- and Qef&ngnisärste Verhandlangen mit dem Finansminister
schwebten, die noch nicht abgeschlossen seien.
In der Sitzung vom 18. d. H. hat das Abgeordnetenhaus das i^uell-
■ehutsgesets nach den BeschlOsses der Kommission (s. Nr. 6, S. 282) |ange>
nonunen. Das Qesets soll am 1. Januar 1909 in Elraft treten.
Der dem preußischen Landtage vorgelegte Entwurf eines Cksetees»
betreffend die CfebShren der Hebammen^ hat folgenden Wortlaut:
§ 1. Die fiesahiung der berufsmäßigen Disnstleistungen der Hebammen
erfo4^ nach einer yon dem Begierungspräsidenten — im Landespolizeiberirk
Berlüi Ton dem Polizeipräsidenten in Berlin — festzusetzenden (Jebtthren»
Ordnung. Die Gebtthrenordnung kann für Kr^e oder Ortschaften rerschieden
bemessen werden.
§ 2. Ergeben sich Streitigkeiten ttber die Htthe einer Gebühr, die yen
einer auf Grund statutarischer Begelung yon einem Landkreise besteUtea
Bezirkshebamme innerhalb des Hebammenbezirks gefordert wird, oder wird
die Gtebtthr innerhalb einer angemessenen Frist nicht entrichtet, so setzt der
Landrat nach Anhttrung des Kreisarztes und des Zahlungspflichtigen die
Gebühr nach Maßgabe der Gebührenordnung fest. Gegen diese Festsetzung
ist binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Begierungspräsidenten zulässig.
Der Begierungspräsident entscheidet entgültig.
äe reditskräftig festgesetzte Gebühr unterliegt der Beitreibung im
Verwaltungszwangsyerfiihren durch den Kreisaassehuß. Hierbei gilt, unbe*
schadet des Bechts der Hebamme auf die Gebühr, der Kreis als derjenige
auf dessen Bechnung die Zwangsyollstrecknng im Sinne des § 8 Abs. 8 und
des § 19 der Verordnung, betreffend das Verwailtungszwangsyerfahren weuen
Beitreibung yon Geldbeträgen, yom 15. Noyember lb99 (Gesetzes. S. 646) erfolgt.
§ 8. Alle zur Zeit bestehenden Vorschriften ttber die Gebühren der
Hdmmmen werden aufgehoben.
§ 4. Das Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1908 in Kraft.
In der Begründung dazu wird zunächst ausgefOhrt, daß eine durch*
greifmide gesetzliche Beform des Hebammenwesens seit dner längeren Beihe
yon Jahren sowohl yon den Angehörigen des Hebammenberufes, ds auch yon
Aerzten und im Landtage wiederholt gefordert sei und die daher erhobenen
Klagen: mangelhafte Qualifikation der Hebammen, Hebammenmangel auf dem
platten Lande und ungünstige wirtschaftlichen Verhältnisse der Hebammen, zum
großen Teil berechtigt seien. Die Herbeiführung besserer Verhältnisse werde
nch — ohne Gesetzesform — in der Hauptsache im Verwaltungswege be*
wirken lassen. Die Zulassung zum Berufe, die Ausbildung, Fortbil*
düng und üeberwachung der Hebammen liege in den Händen der Ver*
waltung und dürfte sich au^ ohne Zuhilfenahme der Gesetzgebung durch
Zurückweisung ungeeigneter Elemente yon den Lehranstalten, durch Vertiefung
des Unterrichts auf denselben, durch eine Ausgestaltung der Organisation der
Nachprüfungen und Wiederholungslehrgänge sowie dnreh eine Verschärfung
der Aufsicht befriedigend gestalten lassen. Die hierzu erforderlichen Ma߬
nahmen seien bereits in Vorbereitung. Die Beseitigung des Hebammen¬
mangels auf dem platten Lande in den ärmeren und dünn beyOlkerten
Landstrichen sei in der Hauptsache eine Geldfrage. ESs handele sich darum,
daß die Gemeinden oder Kreise die erforderlichen Mittel bereitstellen, um die
Anstellung yon Bezirkshebammen in ausreichender Zahl dnrehzuführen. So¬
weit dies noch nicht geschehen sei, liege die Ursache yorwiegend in der
Leistungsschwäche der beteiligten Kommunalyerbände. Hier werde sich zu¬
nächst der Versuch empfehlen, durch Bereitstellung entsprechender Staats¬
mittel zu Beihilfen an leistungsschwache Verbände Abhilfe zu schaffen. Diese
durch Staatsbeihilfen geforderten Leistangen der Kommunalyerbände für die
Besirkshebammen würden in erhebiiehem Maße zu einer wirtschaftlichen
fficherstellung dieser Hebammen führen können. Daneben sind auch eine an¬
gemessene Begelung des Gebührenwesens für die Schaffung zufrieden¬
stellender materieller Verhältnisse der Hebammen, insbesondere für die frei¬
praktizierenden, yon großer Bedeutung. Die Bezahlung sei zur Zeit in vielen
214
Tk^esnaeliriditaB.
FiUta xa gering, die Hebamme besitit noch nicht die erforderliche ümsicht,
um sich im Proxeflwege an ihrem Hechte za verhelfen. Hier bedflrfe es
Sinschreitens der Qesetzgebang um so mehr, als in einzelnen Landesteilen
partikalarrechtUche Vorschriften einer ausreichenden Entlohnung der Hebammen
entgegenstehen und den in den einzelnen Regierungsbezirken erlassenen Ghs-
htthrenordnungen von den Gerichten vielfach die Bechtsgttltigkeit abgesprochen
sei. Es werden dann die zurzeit in den einzelnen Landesteilen bestehenden
gesetzlichen Bestimmungen erwähnt und betont, daß die hier vorgesehenen
UebOhrensätze viel zu niedrig seien, so daß ihre Aufhebung und die Schaffung
von Gebtthrenordnnngen, die den heutigen Verhältnissen entsprechen, ihr den
ganzen Staat als dringendes Bedhrfnis anzusehen seL
§ 1 soll die Rechtsgrundlage Ihr die Aufstellung solcher Gebtthren*
Ordnungen bieten. Die Gebtihrensätze gesetzlich festzulegen oder die Zentral¬
behörde mit der Festsetzung zu betrauen, empfehle sich wegen der Ver¬
schiedenartigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Monarchie nicht, die
Regierungspräsidenten seien hierzu geeigneter. Auch innerhalb eines Regierungs¬
bezirks seien die Verhältnisse vielfach noch so verschieden, insbesondere zwischen
den großen Städten und dem platten Luide, daß es erforderlich erscheine, eine
Sonderbemessung der Gebührensätze ftlr einzelne Kreise oder Ortschaften
zuzulassen.
Da die Erfahrung gelehrt habe, daß die lediglich anf den ordentlichen
Rechtsweg angewiesenen Hebammen infolge ihrer Gesohäftsunkunde und der
mit der Durchltthrung eines bürgerlichen Rechtsstreits verbundenen Weite¬
rungen der Nichtentrichtnng der Gebühren tatsächlich ziemlich machtlos
gegenüberstehen, sei speziell für die Bezirkshebammen die Einführung eines
einfacheren Verfahrens zur Einziehung von Hebammengebühren geboten; ^
ihnen nur dadurch ohne Ueberlastung des Eommunalverbandes die notwendige
Sicherstellung des Lebensunterhalts gewährt werden kOnne. Deshalb soUe
durch § 2 für die Festsetzung und Einziehung der Gebühren der Bezirks¬
hebammen ein ähnliches Verwaltungsverfahren eingeführt werden, wie dies
hinsichtlich der amtlichen Gebühren der Kreisärzte durch das Gesetz vom
2L Juli 1904 geschehen sei. Das Verfahren solle nicht nur dann eintreten,
wenn die Höhe der Gebühr streitig sei, sondern audi dann, wenn sich der
Pflichtige aus Säumigkeit oder Böswilligkeit der Zahlung entziehe. Anderseits
solle das Gesetz auf diejenigen Hebammen, die in Landkreisen von Eommnnal-
verbänden angenommen seien und von diesen dafür gewisse Leistungen erhalten,
beschränkt werden, da in größeren Städten überall eine genügende Nieder¬
lassung von Hebammen ohne Vertragsverhältnis mit der Gemeinde stattfinde.
lieber die Höhe der Gebührensätze, die als Anhalt für die späteren
Gebührenordnungen dienen können, wird in der Begründung aaffalienderwelse
nichts gesagt; es ist dies zweifellos ein Hang^ denn wenn es auch zweck¬
mäßig ist, von der Festsetzung einer einheitlichen Gebührenordnung für die
ganze Monarchie Abstand zu nehmen, so ist es doch angezeigt, für die Anf-
Stellung der Bezirks- oder Kreis-Gebührenordnungen bestimmte Grundsätze zu
geben, damit sie nicht zu verschiedenartig aasfallen. Im übrigen kann man
sich mit dem Gesetzentwurf nur einverstanden erklären.
Die vom 9. bis 18. d. Mts. abgehaltene Konferenz rar Beklmpfüag
der Schlafkrankheit ist nicht zu einem Debereinkommen gekommen, da die
italienischen und französischen BcvoilmächÜgten sich gegen die Errichtung des
Zentralbureaus ln London aassprachen und zugunsten von Paris eintraten. Die
deutschen Delegierten unterstützten warm den englischen Vorschlag.
Das dentscheZentraikomiteezurBekämpfung derTuber-
knlose hat beschlossen, der systematischen Lnpnsbekimpfang erhöhte Auf¬
merksamkeit zu schenken, und zu diesem Zwecke eine besondere Kommission
unter Vordtz von Exzellenz Althoff gebildet
Am 15. d. Mts. hat sich In Berlin ein Belchsaiusohuss für das irit-
llehe Fortblldungswesen gebildet behufs Zusammenschlusses der in den ein¬
zelnen Bundesstaaten schon bestehenden Landeskomitees. Nach dem Statut
verfolgt der «Reichsausschuß** die Aufgabe, das ärztli(^e Fortblldungswesen
TageMUtohriehten.
215
möglichst SU fordern, indem er su diesem Zwecke namentlich: a) den Landes*
komitees mit Bst and Tat sor Seite steht, b) auf die BUdang von weiteren
Landeskomitees, und wo dies nicht erreichbar ist, Ton lokalen Vereinigangen
für die Veranstaltong von Earsen and Vortragen hinwirkt, c) das aaf das
Entliehe Fortbildangswesen bezügliche Material sanunelt and bearbeitet, am
als Aoskonftsstelle für alle hierbei in Betracht konunenden Fragen za dienen.
In den Ehrenvorstand worden gewählt: als Präsident der Beichskannler Fürst
Bttlow: als Mitglieder Herzog Carl Theodor von Bayern, der Staats*
Sekretär des Innern t. Bethmann*Hollweg, Wirkl. Geh. Bst Althoff,
Qeneralstabsarzt der Armee Dr. Schjernlng, Wirkl. Geh. Bat Bobert Koch
and der Vorsitzende des „Deatschen Aerste-Vereins-Bandes* Geh. Med.>Bat Prof.
Dr. L 0 bk e r. Den Vorstand bilden die Herren: als Vorsitzender Geb. Med.*Bat
Prof. Dr. T. Benver8*Berlin; als stellyertr. Vorsitzender der Geheime lUit
Prot Dr. T. Angerer*München; als Beisitzer Geb.Bat Präsident Baschbeek-
Dresden, Ober'Med.>Bat Dr. Gr eiff-Earlsrahe, Präsident t. Nestle-Siatt-
gzrt, Geh. Med.-Bat Prot Dr. Waldey er-Berlin; als Generalsekretär Professor
Dr. B. Eatner-Berlin. Dem Eaiser werde ron der erfolgten Eonstitoierang
des Beiehsaasschasses darch ein Telegramm Mitteilang gemacht, woraof das
nachstehende Telegramm eingegangen ist: «Ich habe midi über die heute im
Kaiserin-Friedrichhaase erfolgte BUdang eines BeichsaosschaBses für das ärzt¬
liche Fortbildangswesen and das treue Gedenken meiner onvergeBUchen Matter
herzUch gefreut. Mein lebhaftes Interesse and meine wärmsten Wünsche
werden die yereinbarte Arbeit der deutschen Landedcomitees auf diesem für
unser Vaterland so wichtigen Gebiete begleiten. Wilhelm I.B.*
Die Frage der Begelong des Apethekenwesens ist in der jüngsten Zeit
sowohl im Bayerischen, als im Württembergischen Landtage erOrtert worden,
in dem letzteren allerdings bisher nar in der dazu im vorigen Jahre einge¬
setzten Eommission.
In der Bayerischen Abgeordnetenkammer fand am 18. d. M. eine
grSBere Debatte statt, die sieh hauptsächlich um das Verfahren bei der Ver¬
leihung von Apothekenkonzessionen drehte. Der Minister des Innern
T. Brettreich erklärte, daß die Staatsr^erang in dieser Hinsicht auf dem
Standponkt stehe, daß eine fortgesetzte Vermebrong der Apotheken Torge-
Bommen werden müsse, aof dem Lande müsse man aUerdings vorsichtiger damt
sein, während dies in den Städten nicht so notwendig sei Bewerber fänden sich
auch für Landapotheken ^enag. Die Vermehrung der Apotheken habe so
ziemlich Schritt gehalten mit der Zunahme der Bevölkerung. BezügUeb der
Vergebung der Apothekenkenzession müsse an dem Grundsatz festgehalten
werden, daß einer unangemessenen Preissteigerang entgegenzatreten and ander¬
seits die Bechte der Besitzer za berücksichtigen seien. Die Bewerber müßten
die Einrichtung und Vorräte übernehmen und eine Abfindung zahlen, für deren
Festsetzang sich eine feste Formel nicht anfsteUen lasse; es müsse von Fall
za FaU entschieden werden. Bei der Festsetzang der Entschädigung sei nicht
der subjektive, sondern der objektive Wertzawachs in Anrechnang za bringen.
Sohne oder Verwandte seien nur bei gleicher Qualifikation mit den anderen
Bewerbern za bevorzugen. Die Idee, einen Fonds zur Ablösung der Beal-
konzessionen zu gründen, habe viel für sich; eine Verstaatlichung der Apo¬
theken kOnne nur auf dem Wege der Beichsgesetzgebnng gelöst werden. Ein
weiteres Vorgehen in der Apothekenfrage h&ge davon ab, wie sich ^e Ver¬
hältnisse im Belebe entwickeln werden.
In der Württembergischen zweiten Eammer gelangte am 18. d. M.
in der Eommission für innere Verwaltung der vorjährige Antrag Lindemann
und Eis eie*) betreffs Einrichtung von kommanalen Apotheken zur Beratung.
Der Berichterstatter sprach sich für die Eommanalapotheken in eigener Begie
der Gemeinden and unter Ablösung der bestehenden Bealapotheken aas, während
sich die Mehrheit der übrigen Eommissionsmitglieder dagegen aassprach
und zwar im wesentlichen aus folgenden Gründen: Die Durchführung derEomma-
nalapotbeke würde ongeheare Eosten verursachen und ein selbständiger Gewerbe¬
stand verschwinden; anderseits sei ein Bewew^ dafür, daß dadurch eine
Gesandang eintreten werde, nicht erbracht. Diesen Gründen schloß sich zum
*) Siehe diese Zeitschrift, Jahrg. 1907, S. 870 a. 402.
216
SpreebsMl
TeO der ICliiister des Innern Dr. ▼. Pisehek an, der im Übrigen anerkannte,
dafi man zu einer Gesnndang der Verhältnisse nur durch ein einheitliches
System kommen kOnne; dieses System werde das der Porsonalkonzessioaen sein
mftssen, die vielieicht etwas zahlreicher rergeben werden könnten als bisher.
Die kommunalen Apotheken wflürden wahrscheinlich teurer und schwerfälliger
arbeiten als die privaten. Das Beichsapothekengesetz entspreche im übrigen
nach seinen Wünschen nicht in allen Punkten. Schließlich wurde der Antrag
Lindemann bei der Abstimmung mit 12 gegen 8 Stimmen abgelehnt, ebenso
der Antrag Eis eie mit 8 gegen 7 Stimmen. Darauf wurde ein Antrag Hanser:
„die Begierung zu ersuchen, in der Erteilung von Personalkonzessionen rascher
als bisher fortzofahren und die Konzessionserteilung in die Hand des Ministerinms
zu legen“, angenommen. _
Erkrankungen und TodesfUle an ansteckenden Krankheiten ln
Preissen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizfadsche Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 16. bis 29. Februar 1908 erkrankt
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, Bttck-
fallfieber, Pest, Botz und Tollwut: — (—); Pocken: 7(1), 5 (2);
BlBverletzugen durch tollwutverdächtigeTiere: 8(—), 8(—);
Milzbrand: 8 (—), 2 (—): Bahr; 4(3), 1 (—): Unterleibstyphus:
147 (12), 155(16); Diphtherie: 1493 (92), 1481 (121); Scharlach: 1594
(96), 1620 r75);Genlckstarre: 58 (19), 46 (20); IQndbettfleber: 158
(80), 128 (3^; Eörnerkrankheit (erurankt): 222, 186; Tuberkulose
(gestorben): ^0, 629.
SpraohsMüL
Anfrage des Dr. L. la H. t Ist nach dem preußischen Senchengesets
vom 28. Ang. 1905 und den Ausführungen und Anweisungen über Diphtherie
und Scharlach, die Schiaßdesinfektion bei diesen Krankheiten stets
und immer als obligatorisch rorgeschrieben anzusehen, oder nur als
fakultativ, da im § 8 zu XI der Ausführungsbestimmungen sowie im §20
bezw. § 19 der Anweisung über Diphtherie und Scharlach in dem ersten Absatz
der Ausführungen das Wort kann gesetzt ist undebenso in den Anweisungen.
Antwort: Durch die Worte im Absatz 4 des § 20 und § 19 der Anwei¬
sungen: „es ist regelmäßig anzuordnen und sorgfältig darüber zu wachen,
daß nicht nur nach der Genesung oder dem Tode des Erkrankten eine sog. SchluB-
deslnfeküon stattfindet, sondern daß die Vorschriften über die Desinfektion am
Krankenbett befolgt werden“, ist eine Schlußdesinfektion aller Fälle vorge¬
schrieben, in denen nicht besondere Gründe für deren Unterlassung votliegen.
Anfrage des Kreisarztes Dr. B. in St.: 1. Darf der Kreisarzt nach
§ 96, Ziffer 2 der abgeänderten Dienstanweisung selbständig eine ört¬
liche Besichtigung vornehmen, um zu begutachten, ob eine Schale wegen
ansteckender Krankheiten zu schließen ist?
2. Ist der Kreisarzt auf Grund des § 96, Ziff. 2, Abs. 2 der'abgeänderten
Dienstanweisung berechtigt bezw. verpfiichtet, selbständig eine örüicbe
ErmitÜung zu machen, um vor Abgabe eines Gutachtens bezüglich der Wieder¬
eröffnung einer geschlossenen Schale sich davon zu überzeugeX, daß die
Schale usw. gründlich gereinigt worden ist?
Antwort: In Nr. 2 des § 96 heißt es, daß der Kreisarzt bei Schul-
schließungen „in der Begel vorher eine örtliche Besichtigung
Torzunehmenhat“; da hier ein einschränkender Zusatz wie im § 82,
Abs. 5 a, ß „im Einverständnis mit dom Landrat, in Stadtkreisen die Orts-
polizeibebörde“ nicht gemacht ist, so kann der Kreisarzt auch selbständig
eine örtliche Besichtigung zu diesem Zwecke vornehmen.
Dasselbe gilt betreffs der Wiedereröffnung einer Schule, sobald er es
nach pfiicbtgemäßem Ermessen für nötig hält, sich die Ueberzengung, ob Bei-
nigung und Desinfektion gründlich erfolgt ist, durch eigene Untersuchung
zu verschaffen. Ist die Desinfektion einem ordentlichen und dem Kreisarzt
als zuverlässig bekannten Desinfektor übertragen, so wird sich eine solche
Besichtigung meist erübrigen und die Bescheinigung des Desinfektors genügen.
Verantwortl. Bedakteur: Dr. Bapmund, Beg.- n. Geh. Med.-Bat in Minden i. W.
J. O 0. Bmns, Herzog Sleba n. T. 8eK-U Hofbnebdroekersi la Ifliidea
2t J«hrg.
1908.
Zeitschrift
fflr
MEDIZIN^BEAMTE.
Zwtnililitt für dis gnurti BisnnIMtsmsen,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
HeraiugegebeK
TOB
Sr. OTTO RAPMUND,
Regierangs- and Geh. Medtitaalrat In Mlndea
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, VKOrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fisoher 8 mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld,
B«noaL Hof* 1L BrtliMiool. lammT-BnifliMndlT.
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
iBemte nehmeB dlo TerlagshoBdlaBg sowlo nOe ABBOBoeB«BjcpedlltoBeB des In«
and laidaades entgegen.
218 Dr. Stiller: Ueber die Wichtigkeit gerichts&iztlicher Photographie
Ich faod die Leiche aal dem Faßboden der Wohoetabe auf dem Bücken
liegend, die Füße knapp 1 m Ton der Eingangstür entfernt, den Kopf etwa
in der Mitte des Zimmers, links neben dem Halse eine große Blatlache, in
der ein geöffnetes, scharfes Basiermesser lag, welches dorchaas ohne Scharte
war. Links von der Leiche, nach der Eingangstttr za und im Haasflar vor
dieser zeigten sich nar spärliche Blatstropfen, neben dem linken Knie einige
in streifenförmiger Anordnang, sonst regellos. Die Leiche war völlig bekleidet,
die Kleidang vorn stark mit Blnt besndelt. Die Hände, das Gesicht und das
ganze Kopfhaar waren vollständig mit Blat überzogen; es machte zanächst
den Eindrack, als ob es mit den eigenen Händen im Todeskampfe an die
übrigen Stellen von der rechtsseitigen Halsschnittwunde aas verschmiert worden
wäre. Allein beim genaaeren Hinsehen gewahrte man eine ganze Beihe von
Sohädelverletzangen mit Zertrttmmeraog des Schädeldaches and gewann die
YorsteUang, als ob absichtlich von dritter Hand die Yerteilong des Biates
Torgenommen worden wäre, am die Sohädelverletzangen za verdecken.
Das GemeiDdeoberhanpt war ziemlich erstannt, als ich ihm
erklärte, daß ein Verbrechen yorliege, und ihn znr üeberwachnng
der S.schen Wohnung nnd ihrer Insassen in Anspruch nahm. Anf
meine Anzeige begab sich noch an demselben Tage eine Gerichts-
kommission nach H. nnd zog mich als Gerichtsarzt zu. Das E!r-
gebnis der gerichtlichen Angenscheineinnahme war nach den
Akten folgendes:
Za der Haostüre des einstOckigea Wohnhaoses führen einige steinerne
Stofen in den Haosflor, darch welcmen das Haas in zwei Hälften geteilt
wird. Bechts vom Haasflar befindet sich die Wohnstabe mit daran nach dem
Hofe zn anstoßendem Kämmerchen. Links vom Haosfiar liegen zwei Schlaf-
kammem mit je besonderem Elingange. Die vordere nach der Straße za warde
von der Familie S. benatzt, die hintere, nach dem Hofe za gelegene bewohnte
der Müller, jetzige Handarbeiter M., der Schwiegervater des S. nebst seinem
15jährigen Sohne. ...
Mach Oeffnong der Wohnstabe zeigt sich folgender Anblick: Am Boden
der Wohnstabe auf dem Bücken liegend, die Arme sosgebreitet, den rechten
Faß über den Imken geschlagen, die Ferse etwa 90 cm von der nach dem
Haasflar gehenden Tür entfernt, den Kopf mehr nach der Mitte des Zimmers
mit der Hinterhaaptsgegend aafliegend, findet sich die Leiche vor. Links
neben dem Kopfe befindet sich eine große Lache geronnenen Biates, welches
anscheinend z. T. noch nach der Ostwand des Zimmers gelaufen ist. Die Blat*
lache setzt sich nach rechts onter dem Nacken fort. Bechts von den Grenz*
linien des Kopfes and Halses zei^t der Faßboden lediglich eingetrocknetes
Blat in dünner Schicht, welches in einem Streifen von d'/t cm Breite die
Grenzlinie nach rechts überschreitet
links von der Leiche, nach der Haosflortür za, sowie im Haasflar
zwischen der Wohnstabentüre and der Tür der gerade gegenüber liegenden
S. sehen Schlafkammer, and nach der Haostür za zeigen sich, and zwar beson*
ders zahlreich an der Schwelle der Wohnstabentür, aber verhältnismäßig doch
recht spärlich, Bluttropfen in regelloser Anordnang. Außerdem finden sich
links vom linken Knie der Lei^e in stampfwinkliger Form größere and
kleinere, im ganzen größere and enger zosammenliegende and z. T. in dn*
ander geflossene Blatstropfen.
Die Leiche ist vollständig bekleidet Die braanschwarze Jo^e ist mit
dem obersten Knopfe zugeknöpft, während zwischen den unteren Teilen der*
selben die Weste frei za Tage liegt. Die Joppe ist in ihrem obersten Abschnitt,
die Weste in den freiliegenden Teilen, das Beinkleid aof seiner Vorderseite —
besonders stark über der linken Baachgegend — ziemlich stark mit einge¬
trocknetem Blat beschmutzt.
Bei. weiterer Besichtigung der Stube and der in derselben befindlichen
Gegenstände wird noch festgestellt, daß das an der Ostwand stehende, etwa
1,20 m lange und 0,5 m breite Gatterbetteben aof der oberen Kante der nach
dem Fenster zngekehrten Schmalseite Blatspuren aofweist. Der zwischen
diesem Bettchen und dem Tisch an der Ostwand stehende Stahl zeirt an der
vorderen Seite der oberen Ldme and haaptsächlidi an seinem rechten Teil
und dn dafftdies Verfahr«]! dafOr.
219
erhebliche filatspnreii, die sich nach links hertkberziehen. An der Wand
direkt hinter dem Stahl und aaoh onterhalb desselben sieht man Blut*
spritser, auch ist das an der Wand über dem Stahl h&ngende Bild mit einigen
Biatstropfen befleckt
Ich habe damals sofort die Anwesenden darauf aufmerksam
gemacht, daß die sämtlichen Blntspritzer an der Ostwand und
den daran stehenden Geräten radiär zn einem dicht über der
Stnhllehne befindlichen Mittelpankt angeordnet waren, nnd des*
halb die photographische Aufnahme der Stelle veranlaßt. Fignr I
zeigt diese, natürlich nicht ganz in der Vollkommenheit, wie die
photographische Platte, aber immerhin deutlich genug. Diese
Anfni^e war als Beweisstück von erheblicher Bedentnng, wcdl
die Anordnnng der Blntspritzer den ganz bestimmten Schloß er¬
laubte, daß der Getötete auf dem Stahle sitzend mindestens einen
heftigen Schlag mit stumpfem Werkzeuge auf den bereits blntbe-
deckten Kopf erhalten haben mußte.
Ehe ich darauf genauer eingehe, lasse ich zunächst die in
Betracht kommenden Stellen des Leichenöffnnngs-Protokolls
von der am folgenden Tage vorgenommenen Sektion folgen:
6. Der Kopf erscheint im ganzen ToUständig blatüberstrflmt, resp. im
Geeichte and auch fast am ganzen behaarten Kopfe, besonders linksseitig,
mit angetrocknetem Blate streifen* and krostenförmig überdeckt.
7. Aaf dem Kopfe finden sich im ganzen mindestens 19 blutige Ver*
wandangen. Dieselben sind teils scharfrandig, teils zacUg-lappenförn^ and
geqaetscht. Die meisten darchdringen die Kopfschwarte bis zam Knochen.
8. Drei derselben yon mehr gequetschter Beschaffenheit in der linken
Schlifen-, Scheitel* und flinterhaaptsgegend gelegen, zeigen Eindrflckongen des
unterliegenden Knochens.
9. Das Gesicht zeigt wachsbleiche Farbe. Das rechte Auge ist ge¬
schlossen; am äoBeren Augenwinkel und nach oben zu findet sich eine etwa
8 cm lange, oberflächlich geschälte nnd gequetschte Hautwonde mit bläulichen
Bändern.
12. Auf der rechten Backe finden sich auf dem Jochbogen und Aber
dem rechten Mundwinkel zwei kleinere, unregelmäßig g^ormte Hautabschflr-
fangen, bläulichrot gefärbt und mit stärkerem Bluterguß im ünterhautzell-
gewebe.
16. Am Halse verläuft dicht unter dem Kinn in der Bichtui^ von
rechts unten nach links oben eine 13 cm lange, rechts 3 cm hinter dem Kiefer¬
winkei beginnende und links 35 mm vor dem Kieferwinkel endigende Wunde.
Dieselbe zeigt durchgehends scharfe Bänder; nur rechts am Beginne sind die*
selben etwas wulstig und die Oberhaut gering bläulich gefärbt. In der Mitte
klafft der Schnitt 47* cm. Daselbst ist oben im Gewebe das linkerseits scharf
durchschnittene Zungenbein sichtbar. Unterhalb desselben liegt der unver¬
letzte Schildknorpel frei vor. Auf der rechten flalsseite findet sich der Kopf*
nicker und die Kehlkopfmuskulatur scharf durchschnitten. Die großen Gefäße
des Halses, die äußere Halsschlagader 6 mm oberhalb ihres Abgangs aus dem
Hauptgefäß, ebenso die Hauptblutader und eine kleinere Blutader, neben dem
Kehlkopfe gelegen, zeigen scharfe Schnittverletzungen, fast bis zur Dureh-
trennung, die große Blutader etwa bis zu ^/s ihres Umfangs.
17. Die Umgebung am Halse ist allgemein blutig gefärbt, streifen¬
förmiger Erguß von eingetrocknetem Blute ist nur an der rechten Wandecke,
nach hinten zu verlaufend, vorhanden.
23. Beide Hände sind mit angetroeknetem Blute vollständig fiberzogea,
dunkelrot und z. T. schwärzlich gefärbt. An denselben ist, nachdem das Blut
abgewaschen, iraendeine Verletzung nicht bemerkbar.
25. Die Kopfsehwarte zeigt 16 durchdringende Wanden, meist mit un¬
regelmäßigen, gequetschten und blutig gefärbten Bändern.
26. Die Beinhaut des Schädels zeigt auf der Hohe des Scheitels drei
schnittfOrmige Wanden.
220 Dr. Stiller: Ueber die Wichtigkeit gerichtsärztlicher Photographie
27. Die rechte SchläfenmoBkel ist in seinem unteren Teile stark mit
schwarzem Blate dnrehsetzt. Nachdem er abgetrennt ist, zeigt sich dicht Tor
dem Ohre gelegen eine etwa wallnnßgroße Stelle, in welcher der Knochen,
der mehrfach gesprangen ist, eingedrückt ist.
28. Auf der linken Kopfseite findet sich in der Hohe des Scheitels nnd
86 mm von der Mittellinie nach links zu beginnend eine rechteckige, 22 mm
breite Knochenwnnde, wo die äußere Knocbentafel 8 mm tief eingedrückt bt.
Von deren oberem vorderen Winkel ausgehend verläuft nach hinten und rechts
zu ein Knochensprung bis über die Mittellinie hinaus.
29. Vom unteren Umfange der Knochenwunde aus erstrecken sieh
Knochensprünge weitgehend nnd, anscheinend bis zur Schädelbasis reichend,
die dünn Mitte des Schläfenbeins an einer Stelle von Erbsengroße ganz
durchbrechend.
80. Der in der Richtung nach links und hinten hin verlaufende Knochen-
Sprung endigt hinter dem linken Warzenfortsatze mit einer Knoehendepreesion
von etwa QroschengrOße.
88. Auf der Innenfiäche des Schädeldaches sind entsprechend den vor-
beschriebenen Knocheneindrückungen von außen in der rechten Schläfengegend
und in der linken Scheitelgegend Durchbrüche des Knochens mit hervorstehen¬
den gebrochenen Bändern in noch größerer Ausdehnung vorhanden. Beim
Durchsägen trennt sich der größere Teil der linken Schläfenbeinschnppe vom
Schädel ab. (Infolge der Fissuren).
87. Stellenweise werden an der Gehimsubstanz, namentlich entsprechend
den vorerwähnten zwei großen Schädelknochenverletznngen, anscheinend durch
Quetschung hervor gerufen, bläulichrote Verfärbungen und oberfiächliche 2^r-
trümmernngen der Gehimsubstanz wahrgenommen.
89. An der Schädelbasis erscheinen durch Knoebensprünge größere
Knochenstücke gelöst und abgesprengt.
46. Es wird darauf in den Herzbeutel Wasser eingegossen
nnd durch Stich unter Wasser der rechte Vorhof eröffnet
Dabei steigen ans demselben Luftblasen in sichtbarer Menge
hervor. Der linke Vorhof enthält keine Luft.
Das kurze Schlußgatachten lautete:
L Der Tod ist durch VerblutuuK aus den Vorgefundenen
Verwundungen erfolgt
n. Die Halsschnittwnnde ist zweifellos noch bei Lebzeiten
zugeffigt worden.
Die Ehefrau des Getöteten nnd ihr einarmiger Vater M.
bestritten zunächst die Tat, die ihnen direkt vorgeworfen wurde;
sie behaupteten, daß sich der Verstorbene selbst die Kehle
durcbgeschnitten haben mttßte. Erst als auf dem Boden des
Nebengebäudes auf Beisigwellen unter dem Dache ein blutbe¬
flecktes Beil sowie eine frisch gewaschene Hose des M. gefunden
war, an der trotz des Waschens noch starke Blntspnren wahr¬
nehmbar waren, räumte dieser ein, seinem Schwiegersöhne ein
paar Schläge mit dem Beil versetzt zu haben. Auch die Ehefrau
S. entschloß sich za einem teilweisen Geständnis. M. gab an:
„Um 9 Uhr abends ging 8. von Hause fort nnd kam nach l>/t Stunden
wieder zurück. Es kam alsbald nach seiner Rückkehr wieder zu Streitereien
zwischen S. und seiner Frau. Ich lag während dieser Vorgänge in meiner
Kammer, die vom Hansfiur aus lin^ hinten liegt. PlOtzliä flüchtete
sich meine Tochter in meine Kammer, um sich vor tätlichen Angrifien meines
Schwiegersohnes zu schützen. Mein Schwiegersohn kam jedoch hinterdrein,
gab meiner Tochter ein paar feste Ohrfeigen nnd schmiß sie dann mit aller
Gewalt auf einen StuhL Ich wurde durch diesen Vorgang sehr aufgere^ nnd
eilte meiner Tochter zur Hilfe. Ich nahm mein gleich zur Hand befindliches
Arbeitsbeil nnd schlug mit diesem meinen Schwiegersohn «dn bis zwei mal, es
kann auch dreimal gewesen sein, auf den Hinterkopf. Daß ich den Kopf ge-
ud ein einlaohes Verfahren dafttr.
221
troffen hatte, konnte Ich deshalb sehen, weil es mondhelle Nacht war. Mdn
Schwiegersohn schwankte hierauf, ließ von seiner Frau, die er bisher noch ge*
packt gehalten hatte, ab nnd ging zur Tttre hinaus. Meine Tochter legte ihr
jüngstes 1 Jahr altes Kind, das sie bisher noch auf den Annen gehabt hatte,
in den in der Kammer stehenden Kinderwagen nnd ging meinem Schwieger¬
sohn hinter drein. Ich bin aus meiner Kammer bis heute Morgen nicht wieder
herausgekommen und habe erst durch meine Tochter Temommen, daß mein
Schwiegersohn tot yom in der Wohnstube lag.“
Fraa S. erklärte:
„Es mag wohl 10 Uhr gewesen sein, da kam er wieder zurück; er
schimpfte und machte einen furchtbaren Lärm, stürzte erst in die Wohnstube
hinein nnd kam dann an die Tür der hinteren Kammer; er drückte die Tür
auf und ging alsbald auf mich los. Ich saß auf meinem Stuhle und stillte
mein Kind. Er schlug sofort mit seinen beiden Fäusten auf meinen Kopf der¬
artig ein, daß mir das Feuer aus den Augen sprühte. Ich rief um Hilfe.
Mein Vater kam nun herzu nnd schlng meinem Mann mit seinem Handbeil ein
paar mal auf den Hinterkopf. Mein Mann taumelte zur Türe hinaus und
flüchtete sich in die Stube. Ich lief hinter her und schlag meinen Mann, als
er in der Stube war, noch ein paar mal mit dem Bell auf den Hinterkopf. Ob
er nun hingeschlagen ist, oder ob er sich selbst niedergesetzt hat, weiß ich
nicht mehr. Wie ich meinen Mann mit dem Beii schlng, schrie er. Ich ließ
i^ zunächst in Buhe. Nach etwa 10 Minuten bis V« Stunde ging ich in die
erste Schlaftammer gleich links vom Eingang und holte, ohne Licht anzn-
zünden, das Basiermesser meines Mannes. Ich ging hinüber in die Wohnstube,
fand meinen Mann an der Kinder bettsteile auf dem Fußboden sitzend Tornnd
schnitt ihm mit dem Basiermesser in den Hals hinein."
Demgegenüber steht fest, daß am SO. April in der Schlaf¬
kammer des M. trotz eifrigsten Snchens Blatsporen nicht entdeckt
werden konnten, nnd daß an dem Gesicht der Fran S., sowie
an dem nicht behaarten Teil des Kopfes keine Verletzungen oder
Stellen am 80 . April ersichtlich waren, welche anf eine Miß-
handlang seitens ihres Ehemanns oder anf ein Handgemenge
mit ihm schließen ließen.
Die Zengenyemehmnngen Terliefen in bezog anf die Vor¬
gänge bei der Tat im wesentlichen ergebnislos. Die S.schen
Kinder verweigerten ihr Zeugnis. Entscheidend konnten somit
nur die objektiven Feststellungen sein.
In dieser Hinsicht war außer der Photographie der Blut-
spritzer vor allem der durch die Leichenöffnung gelieferte Nach¬
weis wichtig, daß der Tote nach Aasführung des Halsschnittes
noch geatmet hatte. Da bei dem Mangel von Gasblasen im
linken Vorhofe die Entstehung des Luftgehaltes des rechten Vor¬
hofes durch Fäulnis ausgeschlossen werden konnte, blieb für
diesen als einzig mögliche Erklärung die Luftaspiration durch
die zu */, durchgeschnittene Vena juguluis.
Die Beschuldigten bequemten sich in der Folge, allerdings
sehr zögernd, auch zu einer Erweiterung ihres Geständnisses. ^
gab die Ehefrau schließlich zu, dass sie das Beil im Hausflur
ergriffen, damit ihrem auf dem Stuhl zwischen dem Gatterbettchen
nnd dem Tische mit vornübergebeugtem Kopfe sitzenden Gatten
zwei Schläge auf den Kopf gegeben habe, und dass sie bei dem
später aasgeführten Halsschnitte nur die Absicht gehabt, den
Anschein des Selbstmordes zu erwecken, ohne in ihrer Verzweiflung
danm zu denken, dass sie damit ihren Ehemani^ wenn er noch
lebte, toten müsse. Ebenso erklärte sie, dass ihr Vater ihrem
222 Dr. StQler: üeber die Wichtigkeit geriehtelntlioher Pkotogrepbie
Ehemann im Hansflnr mehr als „ein halbes Mandel** Schläge Yer-
setzt habe. M. gab das auch bei seiner zweiten Yernehmnng
zn; er habe seinem Schwiegersohn in der Kammer 8, im Hansflnr
noch 10 Schläge gegeben; dieser sei daranf in die Wohnstnbe
gegangen.
Die Photographie hat jedenfalls im vorliegenden Falle die
Fran S. zn dem Geständnis gezwnngen, dass sie ihrem Ehemann
anf dem Stnhle in der Wohnstnbe Schläge versetzt hat. Ob aber
der ganze Vorgang sich so abgespielt hat, wie die beiden Ange¬
klagten, die übrigens wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit
tOtUchem Ansgange zn je 2 Jahren Gefängnis verurteilt wurden,
schließlich ansgesagt haben, lässt sich unter den obwaltenden
Umständen nicht entscheiden.
Der Fall zeigt, wie wichtig die Photographie fOr gerichts-
ärztliche Untersnchnngen ist. Nach den nenen Bestimmnngen
vom 4. Januar 1905 müsste meines Erachtens jeder Gerichtsarzt
mit einem photographischen Instmmentarinm ausgerüstet sein.
Das erscheint zunächst vielleicht viel verlangt, wenn man an
einen Stativapparat denkt, der in vielen FäUen unentbehrlich
sein dürfte. Aber zumeist genügt, wie ich mich überzeugt habe,
eine kleine, wenig Baum beanspruchende Klappkamera 9 X
Wie Figur 2 zeigt, ist dieselbe bequem mittels des Busch sehen
Halters an der Decke zu befestigen. Ein Bandmass dient in
einfachster Weise zur Bestimmung der Entfernung von Objektiv
und dem anfzunehmenden Objekte, gleichzeitig als Lot zur Aus¬
richtung der Kamera und Anordnung der Mitte des abznbildenden
Gegenstandes genau unter der E^ameralinse. Die Einstellung er¬
folgt ohne Mattscheibe einfach mit der Einstellskala, die man
sich nötigenfalls auf kürzere Entfernungen selbst ergänzen, nnd
— was wichtig ist — auf die Richtigkeit vor dem Gebrauche
prüfen muss. Ich benutze für gewöhnlich als bequemstes licht-
empflndliches Material Premo-Packfilms. Dieselben sind aller¬
dings weniger empfindlich und erfordern ungefähr die doppelte
ibEpositionszeit, wie die hochempfindlichen modernen Trocken¬
platten und Einzelfllms. Das ist aber für den vorliegenden Zweck
kein Nachteil, sondern geradezu ein Vorzug, da weniger empfind¬
liches Material bekanntlich kontrastreicher arbeitet. Figur 2 zeigt
das Verfahren. Die abgebildete Kamera, deren einfache Land¬
schaftslinse 13 cm Brennweite besitzt, kostet 24 Mark. Der von mir
sonst benutzte Apparat ist eine etwas bessere Handkamera 9 X 1^
mit dem Z eiß sehen Weitwinkel-Protar von 112 mm Brennweite,
welches eine Platte 18 X 1^ niit gewöhnlicher Blende randscharf
auszeichnet und deshalb zugleich für besondere Fälle an dem
nicht immer zu entbehrenden grössereren Stativapparate zu ver¬
wenden ist. Dieses vorzügliche Weitwinkelobjektiv kann ich be¬
sonders empfehlen. Selbstverständlich wird für einzelne Fälle zu
dem grösseren Stativapparate auch ein Objektiv von längerer
Brennweite erforderlich sein.
Der Gebrauch des Apparates in der Praxis setzt einige
elementare Kenntnisse aus der Theorie voraus. Bedeutet A die
nad ein einfnehee Verfeluen dnffir.
828
ObjektgrOsse, B die Bild^ße, 8 den Objektabstand Tom Objektiv,
f dessen Brennweite, so ist bekanntlich:
A : B = a—f : f.
Das heisst: das Verkleinernngsverhältnis bei der Aufnahme
ist gleich dem Verhältnis des Objektabstandes vom vorderen Brenn¬
punkte des Objektivs zur Objektivbrennweite. Die Bedeutung
dieses Satzes fttr die Praxis wird am einfachsten an der Hand
des Beispiels der Figur 2 klar:
Die Leiche war 172 cm lang, die Entfernong a yom Objektiv betrag
280 cm, also die Entferaosg vom vorderen Brennpunkte desselben, a—1,
280 — 18 a 217 cm.
172 ; X = 217 : 18
X SS 10,8 cm.
Dieses Hass wurde in der Tat genau bei der Aufnahme nach
Figur 2 gemessen. Es dürfte für das Format 9 X ungefähr
das Maximum der zulässigen Bildgrüsse darstellen, wenn das
ganze Objekt aufgenommen werden soll. Daraus ergibt sich
ohne weiteres, dass ein Objektiv von 13 cm Brennweite für der¬
artige Aufnahmen in Entfernungen unter 230 cm nicht verwendet
werden kann. Da nun aber auf dem Lande oft genug geringere
Zimmerhöhen Vorkommen, setzt dieser Umstand ohne weiteres die
Benutzung einer geringeren Brennweite voraus. Das von mir
geführte Ze iss-Objektiv von 112 mm Brennweite gestattet noch
in Entfernungen des Objektes von 187 cm vom vorderen Brenn¬
punkt zu arbeiten, also in einer Entfernung von 187 -f* ü = 1^8 cm
des Objektes vom Objektive. Diese Berechnung bezieht sich auf
die Plattengröße 9 X 12. Sind die Raumverhältnisse noch be¬
schränkter, wie in einem am 1 März d. J. vorgekommenen Falle,
bei dem d^e Leiche in einem ganz engen Eellerchen bei Blitz¬
licht photographiert werden mußte, so bleibt nichts anderes übrig,
als das kurzbrennweitige Objektiv mit der Platte 13 X zusam¬
men zu benutzen, wenn die Leiche in der Vorgefundenen Lage
abgebildet werden soll.
Gilt es an Stelle eines Uebersichtsbildes der ganzen Leiche,
einzelne Körperteile in grösserem Masstabe aufzunehmen, so muss
man naturgemäss das Objektiv näher an das Objekt heranbriogen.
Das kann durch Befestigen des Basch sehen Halters an einem
genügend dicken Brette geschehen, welches über zwei Stuhllehnen,
zwei Tische oder andere geeignete Gegenstände gelegt wird, oder
durch unmittelbares Anbringen des Halters an einem solchen.
Wer Hebung im Photographieren hat, dem werden derlei Impro¬
visationen keine Schwierigkeit bereiten.
In solchen Fällen wird meist die Einstellung mit Mattscheibe
möglich und vorzuziehen sein. Auch empfiehlt sich dafür die
Benutzung von Platten, da diese doch schärfere Besultate ergeben,
als die nie absolut planliegenden Films. Mancher wird deshalb
die letzteren überhaupt ganz aasgeschaltet wissen wollen; sie
wleichtem aber die Mitnahme des ganzen Apparates sehr und
arbeiten bei engen Blenden, die für unsere Zwecke ausschliesslich
in Frage kommen, wie die theoretische Erwägung ergibt und
die praktische Ertehrung bestätigt, genügend genau.
224
Kleinere Mitteilungen und Beferate ans Zeitechriften.
Daas oft die Benatzeng farbenempflndlichen MaterialB
mit Gelbfilter notwendig bedarf eigentlich nicht besonderer
Erörterung. Es ist ein Vorzug der Premo* Films, dass sie farlton>
empfindlidb sind und deshalb fttr alle F&Ue passen, wenn nur ein
Gelbfilter mitgefOhrt wd.
Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitechriflen.
Bakteriologie, Hygiene und OffeatUohes Sanitätsweeen.
Bakteriologie and Infektionskrankheiten.
DispMltion and Tlrnleni. Von Prof.Dr. D. Finkler in Bonn. Deutsche
med. Wochenschr.; 1907, Nr. 89.
Die interessante ^kliniseh-bakterlologisohe Studie“ neigt, wie rielge*
staltig der Begriff der „Disposition“ ist, und wie die Veranlagung fttr In»
leküonskrankheiten oft in einandergreift mit der „Virulenz* der Erankheits*
erreger. F. schließt mit dem Satze: „Die Aufgabe fttr unsere Erklärungs*
▼ersuche kann nicht heißen Disposition oder Virulenz, sondern sie muß
heißen Disposition und Vimlenn.* Dr. Liebetran>Hagen L W.
Ueber nytotoxlBehe und ntotrope SemmwlrlnuigeiL Von Professor
Dr. F. Neufeld, Beg.'Bat im £. Q. A. und Dr. Bickel, k. bayr. Oberarzt,
kommandiert zum K.G. A. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte;
87. Band; 2. Heft. Berlin 1907. Verlag von J. Sp r in ge r.
Aus den Beobachtungen von Metschnikoff geht herror, daß, wenn
einem gegen eine bestimmte Art von fremden Blutkörperchen immunisierten
Tier dieselben Blutkörperchen wiederum in die Bauchhöhle eingespritzt werden,
ein großer Teil der' Blutzellen nicht in der freien Bauchhöhle aufgelöst, sondern
▼on Leukozyten zerstört wird. M. selbst vertrat die Ansicht, daß die Ver¬
nichtung der fremden Zellen ausschließlich auf dem Wege der Phagozytose
erfolge, und daß eine Hämolyse nur da eintrete, wo vorher durch Zugrunde¬
gehen von Leukozyten das dazu notwendige Komplement in die KOrperflttssig-
ieit gelangt sei. Dieser Ansicht wird vielfach widersprochen, ohne daß bisher
ebe befriedigende Aufklärung der divergierenden Beobachtungen erfolgt wäre.
Neufeld und TOpfer haben nun zuerst die Hypothese auigostellt, daß die
beiden Vorgänge der Hämolyse und der Phagozytose gleichberechtigt neben¬
einander Vorkommen und auf zwei verschiedenen Antikörpern bernhen können.
Diese Hypothese wird gesttttzt durch die neueren Untersnchungen von N. und B.,
welche ergeben, daß die zytotropen (phagozytären) Antikörper Stoffe eigener
Art und mit den Zytolysinen nicht identisch sind. Da N. und B. ferner auf
Grund ihrer Untersuchungen annehmen müssen, daß die antibakteriellen Sera
denselben Gesetzen wie £e antizellulären unterliegen, so kommen sie zu dem
Schlüsse, die bakteriotropen Stoffe als verschieden von bakteriziden anzusehen.
Dr. B 0 s t -Bndolstadt.
Ueber die Ursaeben der Phagozytose* Von Prot Dr. F. Neufeld-
Beg.-Eat im E. G. A. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 87. Bd.,
8. Heft. Berlin 1907. Verlag von J. Springer.
Die Tatsache, daß viele Bakterien — und zwar sind das häufig aviru-
lente — ohne Mitwirkung von Serum von den Leukozyten gefressen werden,
andere dagegen — wie in ausgesprochenster Weise die maximal virulenten
Kokken — unberührt bleiben, kann auf zweierlei Art erklärt werden: Ent¬
weder ist die Aufnahme von Bakterien durch Phagozyten gewissermaßen das
normale Ereignis, das immer eintritt, falls sich die Mikroorganismen nicht durch
besondere Abwehrstoffe vor den Phagozyten schützen, oder es ist umgekehrt
der normale Zustand, daß Bakterien und Leukozyten unbekümmert nebenein¬
ander existieren, bis etwa durch besondere Stoffe ein Anreiz auf die Phago¬
zyten ausgettbt wird. Die Anschauung, daß die virulenten Bakterien durch
besondere Abwehrstoffe die Lenkozyten von sich fern halten, ist namentlich
von Bail zur Grundlage einer besonderen Theorie, der Aggressivtheorie, ge¬
macht worden; auch Metschnikoff hat sich mehrfach in diesem Sinne
Figur 1 zum Artikel Dr. Slüler: lieber die Wichtigkeit gerichtsärztlicher Photographie und ein einfaches Verfahren dafür.
Figur 2
zum Artikel Dr. Stüler: Ueber die Wichtigkeit gerichtsärztlicher Photographie
und ein einfaches Verfahren dafür.
Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften.
226
aasgesproehea. N. ist im Laufe seber Untersuchungen au der entgegenMctnten
Andauung gekommen; er nimmt an, daB Baktenen und körperfremde Zellen
nur dann ron den Phagosyten aufgenommen werden, wenn sie dieselben durch
Abgabe besonderer Reizstoffe dazu anregen. Werden solche Stoffe nicht ab¬
gegeben. BO bleibt die Phagozytose ans. N. glaubt auch, daß sich die ^Bpon-
tane“ Pnagozytose, die ohne Serumwirkung erfolgt, auf die gleiche Weise,
ide die unter dem EinfluB eines spez. Tropins erfolgende erklären läßt. Als
unmittelbare Ursache der Phagozytose würden hier dieselben oder ähnliche
Reizstoffe ansnsehen sein, die von der Zelle, beyor sie der Phagozrtoee ver¬
fällt, abgegeben werden. Der fundamentale Unterschied liegt aber darin, daß
dnrc^ ein zytotropes Serum das Bakterium bezw. die fremde Zelle, ohne im
übrigen irgendwie geschädigt zu werden, in spezifischer Weise zur Abgabe des
phagozytosenerregenden Stoffes angeregt wird, während bei der „spontanen*
Phagozytose unter anderen Stoffen zufällig auch die besonderen R^stoffe in
LOenng gehen. _ Dr. Rost-Rudolstadt.
Beitrag zur Beurteilung der El-Ter Tlbrlanen. Von Dr.Neufeld,
Reg.-Rat iih Kaiserlichen Gesundheitsamt, und Stabsarzt Dr. Haendel,
kommandiert zum Eaiserl. Gesundheitsamt. Arbeiten aus dem Kaiserlichen
Gesiudheitsamte; 26. Band, 8. (Schluß-) Heft. Berlin 1907. Verlag von
J. Springer.
Die Frage, ob die im Jahre 1906 von Gotschlich beschriehenen, von
ihm aus Leichen von Hekkapilgem, welche nicht unter Choleraerscheinungen
gestorben waren, isolierten 6 sog. El-Tor-Stämme als echte Choleravibrionen
anznsehen sind, hat bisher noch keine einheitliche Beantwortune erfahren.
Gotschlich selbst hat seine Stämme auf Grund ihres morphologmchen, kiü-
turellen und biologischen Verhaltens für echte Cholera erklärt, während
Kraus u.a. sie wegen ihrer hämolysin- und tozinbildenden Eigenschaft von
den echten Choleravibrionen abtrennen und ihnen eine besondere Stellnng geben.
Die Entscheidung der Frage ist sowohl in wissenschaftlicher, als in prs^tischer
Hinsicht von uroßer Bedeutung. Ist die Ansicht von Kraus, daß es sich nicht
um echte Cholera handelt, richtig, dann muß auch dessen Schlußfolgerung zu-
gestimmt werden, daß die biologischen Reaktionen allein nicht ausschlaggebend
für die Feststellung von Cholera sein dürfen. Es wäre eine Aenderung und
Ergänzung der jetzt für die Choleradiagnose gültigen Vorschriften erforderlich.
Im anderen Falle, sind Cholera- und El-Torvibrionen identisch, so ist diese
Tatsache ebenfalls von großem Interesse, weil dann auch bei der Cholera mit
dem Umstand gerechnet werden muß, daß sich unter besonderen Verhältnissen
die Erreger viel länger im menschlichen Darm halten kOnnen, als bisher all¬
gemein angenommen wurde. Diese Erkenntnis würde dann bei der Handhabung
der Abwehrmaßregel gegen die Seuche nicht außer acht gelassen werden dürfen.
N. and H. kommen auf Grund ihrer Untersuchungen zu dem Schlüsse, die El-
Tor-Vibrionen als echte Choleravibrionen anznsehen; sie folgern aber auch
aus ihren Beobachtungen, daß kein Anlaß vorläge, die bewährten Vorschriften
über die bakteriologische Diagnose der Cholera abznändem oder zu ergänzen.
Dr. Rost-Rudolstadt.
ExperlnMBtelle Beiträge nur Kenntnis der Rekarrenssplroekäten
ud Ihrer Immmnsern. Von Dr. Man teuf el, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter
im K. G. A. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 26. Band, drittes
(Schluß-) Heft. Berlin 1907. Verlag von J. Springer.
Die neueren Untersuchungen haben ergeben, daß die in den verschiedenen
Erdteilen zur Beobachtung gelangten Rekurrensspirocbäten nicht miteinander
identisch sind, sondern verschiedene, biologisch gut differenzierte Varietäten
darstellen, und daß bei der Verbreitung des afrikanischen RückfaÜfiebers eine
Zecke (Omitbodorus) den Ueberträger abgibt. Eine sichere Erkennung und
Trennung der drei bisher genauer bekannten Rekorrensformon nach klinischen
Gesichtspunkten ist nach M. anscheinend nur schwer möglich. Ebenso wenig
stellt die Agglomeration ein sehr frühes und auch kein sehr regelm^iges
Smptom der Krankheit dar. Dagegen erkennt M. dem Schatzversuch mit
ffilfe hochgradiger Sera als diagnostisches Hilfsmittel bei der Rekurrenslnfektlon
einen größeren Wert zu, als der Agglomerationsprülung. Was die Phagozytose
226
Kleinere Mttteilnngen and Referate ans Zeitschriften.
Kampfe gegen die Beknrrenslnfektion anlangt, so sehreibt Ihr M. nicht
die wesentliche Bolle so, die Ihr die Metsehnlkoffsebe Schale einrlnmt.
Er Tennatet yielmehr, daß die Chemotaze dnrch Stoffe der zerfallenden Spiro»
ch&tenleiber hermgernfen wird. Die Beseitigung dieser zerfallenden Leiber
and ihrer Gifte ist nach H. anscheinend die Aufgabe der Phagocytosei die
demnach einen mehr sekundären Charakter trägt. Die Phagosytose ist als ein
Symptom, aber nicht als die Ursache des Spirocbaetenschwundes und der
Immunität anzusprechen. M. schließt aus seinen Versuchen, daß wir es bei
dem Rekurrensimmunserum mit einem hauptsächlich parasitiziden Immunserum
zu tun haben. Was die Dauer der Immunität betrifft, so fand M., daß der
pusire Impfschutz im allgemeinen nicht länger als etwa eine Woche anhält,
per Gedanke, das Bekurrensserum zu therapeutischen Zirecken zu benutzen,
hat als erster Gabrischewsky in die Tat nmgesetzt; auch ans den
Versuchen M. geht unzweideutig heryor, daß man mit Immunsemm gute Heil»
erfolge erzielen kann, selbst wenn man es erst auf der Höhe der Infektion,
wenn das Blut mit Parasiten tiberschwemmt ist, In Anwendung bringt.
Dr. Bost »Rudolstadt.
Morphologische Beltrige mr Kenntnis der enropllsehen. nmerlkani»
sehen und afrikanischenBeknnrensspirochiten. Von Dr. phil. C. Schellack,
wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im K. G. A. (Hierzu Tafel V). Arbeiten ans
dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 27. Band, 2. Heft. Berlhs 1907. Verlag
yon J. Springer.
Die Untersuchungen geben eine Bestätigung der Verschiedenheit der
drei Formen. Als einen leicht bemerkbaren Unterschied gab B. Koch die
f rOßere Länge der afrikanischen Form an: Diese mißt im Durchschnitt 24
ie beiden anderen Formen sind bedeutend kürzer, die europäische miSt etwa
19—20 ;i, die amerikanische 17 bis höchstens 20 {i. Was die Dicke anlangt,
so fand S. bei der afrikanischen Spirochäte 0,45 ft, bei der amerikanischen 0,81,
bei der russischen 0,89 {x. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt in der
Art der Bewegung der Spirochäten. Die amerikanische Spirochäte ist dnrch
eine gewisse Starrheit der Form ausgezeichnet; die Intensität ihrer wellen¬
förmigen Bewegungen ist bedeutend geringer, während die afrikanische dnrch
seitliche Verbiegungen charakterisiert ist. Die russische Spirochäte weist in
ihren Bewegungen sowohl Merkmale der afrikanischen, als solche der ame»
riAcanischen auf, sie erinnert dabei aber mehr an die letztere; die Biegsam¬
keit der Form sowohl, wie die Intensität der Bewegung ist geringer
als bei der afrikanischen, größer als bei der amerikanisenen Form. Tm
besonderen äußert sich dies darin, daß die Windungen schneller Ober den
Körper dahinlaufen, als bei letzterer. Alle drei Arten yermehren sich durch
({uerteilung. Ein weiteres Cbarakteristicum der Spirochäten und zwar aller
drei Formen, sind die sogen. Polgeißeln oder Endfäden. An einem Ende befindet
sich eine Endgeißel, während das andere Ende zwar auch fein ansgezogen,
aber bedeutend kürzer and blaßer färbbar ist, als der übrige Körper. Ueber
das Vorhandensein einer nndulierenden Membran wagt S. nicht sich mit yoUer
Sicherheit zu entscheiden. Was sonst yon Strukturen im Inneren der Spiro¬
chäten beobachtet werden konnte, weicht nicht yon dem ab, was bisher s^on
für andere Arten nachgewiesen wurde, und zeigt auch keinerlei Unterschiede
zwischen den drei Formen. Dr.Bost-Rudolstadt
Untersnehnngen Ober die Wirkung des Atoxyls auf die SpIrUlose
der Hühner. Von Prof. Dr. Uhlenhuth, Geb. Reg.-Bat und Direktor, und
Priyatdozent Dr. Gross, kommiss. Hilfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheits¬
amt Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 27. Band, 2. Heft
Berlin 1907. Verlag yon J. Springer.
Die in Brasilien einheimische Krankheit stellt eine Septikämie dar, her-
yorgerufen durch einen exquisiten Blutparasiten, die Spirochaeta gallinamm,
als deren Ueberträger eine Zecke, Argas miniatus, festgestellt werden konnte.
Die Spirillose beginnt mit einer Steigerung der Temperatur auf 42—43*, die
mehrere Tage a^ält und erst kurz yor dem Tode unter die normale sinkt.
Schon einen Tag nach der Infektion fallen die Tiere dnrch große Mattigkeit
auf; sie bewegen sich nur selten oder schwerfällig. Die Kämme sii^ blaß
Kleinere mtteanngen vnd Befemte «na Zeitechrlften.
827
fefirbt; es tritt bald Dnrehfall and in manchen FftUen dne atugesproehens
lÄhmnng der Beine dn. Ist das Stadinm schwerer Somnolens erreicht, so tritt
io der Begel die Krise ein, wdche toßerlidi daran erkennbar ist, daß der bis
dahin ganz blasse Kamm dne dnnkelblanrote F&rbnng annimmt. Die Krise
ffthrt entweder sni Heilnng oder snm Tode, der im Verlanf von wenigen
Minuten immer unter heftigen Krämpfen erfolg Atozy), in Dosen von zirka
0.02 g intramuskulär Terabfolgt, erwies sich sehr wirksam. Es^ hemmt dis
Vermehrung der Parasiten, beschleunigt die Bildung Ton parasitizlden Schutt*
stoffen, unterstützt durch Anregung der blntbereitenden Organe die Phago*
sytose und befähigt die Makrophagen die geschwächten Parasiten zu yernichten.
ln der Hauptsache kräftigt es aiso den Organismus im Kampfe gegen die
Krankheit. ^ yerringert die Symptome und beschleunigt die Krise, so daß
diese sdion zu einer Zeit eintritt, wo das Tier noch nicht geschwächt Ist. Dies
gilt nicht nur für die Heil', sondern auch für die Schutzyersuche. Auch bei
diesen wird die Infektion nicht absolut yerhindert, yielmehr machen die Hühner
eine latente Erkrankung durch. Gerade hierdurch aber erwerben sie ^e
ebenso hohe Immunität, wie die geheilten und die überhaupt nicht behandelten
Hühner; außerdem sehen die Verfasser einen Hanptyorzng der Atoxylbehaad*
lang darin, daß sie der Bildung der Immunität nicht im Wege steht.
Dr. Bost' Budolstadt.
Zur Aetlologle der Htthnerdlphtheile ud Geffflgelpoeken. Von
Dr. Th. Carn wath (Belfast), früherem freiwiiligen Hilfsarbeiter im K. G. A.
Arbeiten ans dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 27. Band, 2. Heft. Berlin
1907. Verlag yon J. S p r i n g e r.
Zweck der Arbeit ist, auf den Zusammenhang der Htthnerdiphtherie und
Geflügelpocken hinznwdsen. Veranlaßt wurden die üntersuchnngen durch eins
Seuche, welche im Winter 1906/07 unter den Hübnern der bakteriologischen Ab*
teilnng des G. A. ansbrach und die als echte Hübnerdiphtherie gedeutet wurde.
Ans den Versuchen yon C. ergab sich nun, daß die krankhaften Erscheinungen
auf das Geflügelpockenvirns zurttckzuführen waren, welches a^io imstande Ist,
ziemlich chronisch yerlaufenden, auf die Kopfscbleimhant beschränkten,
entzündlich ezsudatiyen diphtherischen Prozeß ohne wesentliche Mitbeteilignng
dw äußeren Haut heryorzumfen. Nach M. ist es überhaupt nicht bewiesen,
ob es eine seuchenhafte primäre bakterielle Geflügeldiphtherie gibt und ob
nicht etwa beide Krankheiten, Diphtherie und Pocken, identisch smen, wie dies
s^w Klee u. a. angenommen haben. Dr. Bost«Budolstadt.
Beitrilge nr Kenntnis der Tsetsefliege (Glosslne fnsea nnd Glosslne
tnehlnoldes. Von Dr. Franz Stahlmann, Kaiserlichen Geh. Beg.-Bat nnd
Direktor des biologischen Landwirtschaftlichen Instituts in Amani (Deutsch'
Afrika). Mil 1 Tafel und 28 Tcztabbildnugen. Arbeiten aus dem Kaiserl. Ge*
suttdheitsamte; 26. Bd., 3. (Schloß') Heft. Berlin 1907. Verlag yon J. Springer.
Auf Anregung von B. Koch hat sich Verfasser mit der Anatomie der
Tsetsefliege beschäftigt, aber nur die Organe studiert, welche für die Entwich'
lang des Tsetsekrankheitsparasiten, des Trypanosoma, in Frage gekommen, d. h.
der Verdanungskanale. Weiterhin yerfolgte St. bei seinen Stnd^ien den Zweck,
sowohl die Lebensgeschichte des Trypanosoma in der Fücko zu untersuchen, als
auch die Bedingungen festzustellen, unter denen die Tsetsefliege mit Trypanosomen
inflsiert wird und unter denen sie diese Infektion auf die Warmblüter über'
trägt. Bei den in der Natur frisch gefangenen Fliegen fand man bei 8 bis
14*/e Tr^anosoma im Büssel nnd stets eine größere Aozabl im Darm. Dabei
stellte sich heraus, daß die indifferenten Formen im ganzen Nahrungskanal bis
in den Büssel hinein yorkommen, die langea Formen fast nur im Oesophagus,
munchmal auch im Büssel nnd Vorderdarm, nnd die kleinen Formen nur im
Oesophagus und BüsseL Selbst gezüchtete Fliegen mit Tropenformen künst*
lieh zu infizieren, gelang nur sdiwierig. Glückte der Versuch, so war nach
2—4 Tagen bei 80 bis 90**/o der Fliegen der Hinterdarm voll yon TrypanO'
■omen, nnd zwar yon indifferenten Formen. Die weitere Infektion des Darms
sehreitet wahrscheinlich yon hinten nach yorn fort Versuche, Wirbeltiere
dareh Ig|ektionea einer Aufschwemmung yon den indifferenten Darm'TrypanO'
somea in Kochsalzlösung oder Blntsemm zu infizieren, gelang nicht Beyor
Kleinere JUtteilnngen und Befente ans Zeitaebxiften.
aber dieae Lfteke niebt ansgefallt and so der Kreis geschlossen Ist, nnd beror
nicht gepriift ist, welche Qlossinen, Tr^anosomen in sich mir Entwicklung
bringen, Ist nach 8t. die Aetiologie der l^ypanosomiesis nicht gekl&rt.
Dr. B 0 s t • Bndolstadt
Atoxylrersaehe bei der PlroplasBiese der Hnnde. Von Dr. B. 0 o n d e r,
wissenschaftlicher Hilbarbeiter im K. Q. A., s. Z. in Boyigno. Arbeiten ans
dem Kaiserlichen Gesnndheitsamte; 27. Band, 2. Heft. Berlin 1907. Verlag
Ton J. Springer.
Die Piroplasmose der Hände, dorch einen den T^panosomen systematisch
nicht allsn fern stehenden Blntflagellaten, Babesia eanis, berTorgernlen, ist eine
für Hände sehr gefahrvolle Krankheit mit teils akntem, teils chronischem Verlanf.
Am 4. oder 5. Tage nach der Infektion tritt plötzlich hohes Fieber auf, welches
einige Tage anhält, um dann allmählich bis znr normalen Temperatur zn fallen.
Während dos Höhepunktes der Krankheit fressen die Tiere nicht, liegen apathisch
auf dem Boden, magern schnell ab. Charakteristisch ist das Auftreten der
Hämoglobinurie. Die pathologischen Veränderungen bestehen in einer enormen
Vergrößerung der lUlz, starker Entzündung der Nieren nnd sehr häufig in
einer ikterisdien Färbung der meist vergrößerten Leber. Durch Ato^l wird
der Ausbruch und der Verlauf der Krankheit in keiner Weise beeinflußt; ja es
scheint, als ob Atozyl die Krankheit eher fördere.
Dr. B OS t'Buddstadt.
EzpertmenteUe Untersuchungen ttber Donrlne mit besonderer Be-
rflcksiehtlgnng der Atoxylbehandlnng. Von Prof. Dr. Uhlenhnth, Geh.
Beg.'Bat nnd Direktor im Kaiserlichen Gesundheitsamt, Dr. Hübner, Stabs-
arzt im Garde-Füsilier-Begiment, kommandiert zum K. G. A. nnd Dr. Woithe,
Oberarzt im Kgl. B. 5. Chev.*Begiment, kommandiert zum K. G. A. (Hierzu
Tafel I—IV.) Arbeiten ans dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 27. Band,
2. Heft. Mit 4Tafeln. Berlin 1907. Verlag von J. Springer.
Die Dourino — Beschälseuche, Mal du coit — ist eine Krankheit der
Pferde, welche sich hauptsächlich im nordwestlichen Afrika, vor allem in Algier,
vorflndet nnd von hier auf Teile Spaniens übergreiit. 1894 fand der franzöai*
sehe Militärarzt Bonget zu Constantine bei einem dourinokranken Hengste
ein Trypanosoma, in dem er sofort den Erreger der Seuche vermutete und
feststelite. Empfänglich für den Dourineerreger sind viele Tierarten; das Krank¬
heitsbild ist jedoch für jede Tierart charakteristisch nnd konstant. Neben der
Mannigfaltigkeit der Erscheinungen erkennt man deutlich zwei Typen der In¬
fektion, den der chronischen Gewebs- bezw. Organerkrankung nnd den der
Septikämie. Mit Atozyl kann man die experimentell erzeugte Donrlne im
allgemeinen verhüten und heilen. Therapeutische Erfolge lassen sich aber nur
erreichen, wenn die Behandlung frühzeitig einsetzt nnd die Dosen groß sind —
bis 6,0 g per dosi in 8 proz. Lösung intravenös. Dr. Bost-Budolstadt.
Ueber die praeventlve Wirkung des Atoxyls bei experimenteller
Affen- nnd Kanlncbensyphilis. Von G. üblenhnth, £. Hoffmann nnd
0. Weidanz. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 89.
Das Atozyl, dessen präventive nnd kurative Wirkung auf Affensyphilis
Uhlenhnth schon früher nachwies, zeigte auch an einer größeren Versuch^
reihe von Kaninchen Schntzwirkung gegen das luetische Virus. Während die
unmittelbar nach der Impfung (in die vordere Kammer) fortgesetzt mit Atozyl
behandelten Tiere, abgesehen von den ursprünglichen 8—14 Tage währenden
Beizerscheinnngen, gesund blieben, trat bei den Kontrolltieren nadi verschieden
langer Zeit (zwischen 20 nnd 44 Tagen) die typische Ceratitis auf.
Dr. Liebetrau-Hsgen L W.
Atozyl bei Syphilis und Fmmboesie. Von ProL Albert Meisser.
Deutsche med. Wochenschr.; 1907, Nr. 88.
Die Versuche an Affen haben einen starken Einfluß des Atoxyls (am
besten in großen Einzeldosen) auf das im Tierkörper generalisierte Syphilis-
Virus festgestellt. Meist Asien Impfungen mit Organteilen infizierter nnd
mit Atozyl behandelter Tiere negativ aus. Die Wirkung des Mittels (jeden
Kleinere lOttettnngeB nnd Referate ans Zeltsohifftea. 229
sweitea Tag 0,1 10 Tage lang) auf Framltoesie konnte besondere eklatant an
einem Orang-Ütaog mit sehr rdohliohen Emotionen beobachtet werden. ^
Dr. liiebetraii»Hagen L W.
TJebor Hagelptgmeiitatlon bei seknndlrer STpbUls. Von Hans Voer«
ner. Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 60.
Verfasser hat bereits früher dsranf aufmerksam gemacht, daß es bei
Oaychia luetica zu einer durch Impr&gniernng mit natürlichem Pigment her-
Torgerufenen Dunkelnng bis Schw&rzung der Finger, ercntl. der Zehennigel
kommen kann. Vor kurzem sah er einen fihnlichen Fall. Es handelte sick
um einen 21jährigen Patienten, welcher ca. 4 Monate nach Infektion nM
S^hilis an der Lannla der Fingernägel dunkle bis schwärzliche Stellen zeigte,
die Ton Woche zu Woche peripherwärts an Qröfle Zunahmen. Die Verfärbung
war nicht an allen Nägeln eine gleichmäßige. So war an der linken Hand
allein der Nagel des 5. Fingers stuk rerfärbt und bis auf die äußere, etwas
hellere Partie fast Tollständig dunkelschwarz. Am 8. und 4. Finger bemerkte
man nur einige dünne Längsstreifen yon bräunlicher bis schwärzlicher Pigmea*
tierung auf dem NageL Zeigeilngemagel war besonders'dunkel die äußere
und innere Seite yerfärbt, während die Mitte nur einige ausgedehnte Längs¬
streifen auf wies. Am Daumennagel war besonders die Innenseite schwarz yer¬
färbt bis zur Mitte, während die Außenseite yon längsstreifiger Pigmentierung
besetzt war. Die Nägel der anderen Hand waren fast symmetrisch befallen, ln
allen Fälen war die Verfärbung nicht etwa bloß oberfiäcblicb, sondern soweU
sie sich durch Abschreiben yerfolgen ließ, bis auf den Qmnd der Nagc^ubstanz
reichend. Dr. Waibel-Kempten.
Die Bekimpfuag der Geschlechtskrankheiten in Oesterreich besonders
In CNillzlen. Von Dr. L. Sofer-Wien. Zeitschrift für B^ämpfung der
Qeschlecbtskrankheiten; Bd. 6, 1907, Nr. 1907.
Von den 214404 mit ansteckenden Geschlechtskrankheiten behafteten
Personen, die in dem Zeitraum 1881—1890 in den Österreichischen Kranken¬
anstalten behandelt wurden, entfielen 28,8 **/o auf Galizien. Das Ministerium
sah sich dieser Endemie gegenüber zu besonderen Maßnahmen yeranlaßt
Da die gegen die Öffentliche Prostitution gerichteten Maßregeln keinen
erheblichen Erfolg hatten, wurde das sogenannte Epiedemieyerfahren einge¬
leitet. Es wurden auf Staatskosten 9 Epidemieärzte angestellt, die in ihren
Wohnungen für Syphilitische unentgeltlich Sprechstunden abhielten, die
Prostituierten kontrollierten und aufklärend anf die Bevölkerung v^ken
mußten. Die yerordneten Medikamente wurden auf Staatskosten geliefert.
Später wurden auch zwei Spitäler für Geschlechtskranke eingerichtet.
Der Erfolg dieses Systems war bezüglich der Bekämpfung der Syphylis
gut. Die Kranken gewannen sehr bald Vertrauen zu den Aerzten und nahmen
ihre Hilfe in Anspruch. Man« glaubt auch eine Abnahme der Primäraffekte
beobachtet zu haben. Die Zahl der Tripperkranken blieb ebenso wie die der
an weichem Schanker Leidenden unbeeinfloßt. Dr. Dohrn-Hannoyer.
Ueber Ankyiostoma und andere Darmparasiten der Kamerunneger.
Von Begierungsarzt Dr. Külz- Duaia. Archiy für Schiffs- nnd Tropenhygiene;
1907, Bd. 11, Nr. 19.
Im Gegensatz zu bisherigen Beobachtungen fand Külz eine ziemlich
erhebliche Ausbreitung der Ankylostomiasis bei den Kamemnnegern. Anf-
fallenderweise waren Kinder nnd Frauen besonders häufig und schwer befUlen.
Bei den erwachsenen Negern standen Klagen über Herzklopfen im Vordem
grund, während die Erscheinungen yon seiten des Verdannngsapparates gering
waren. Eine merkwürdige Begleiterscheinung war das „Erdessen“. Ein an
Ankylostomiasis leidender Mann brachte sich in das Krankenhaus eine kinds¬
kopfgroße Kugel Erde mit, yon der er ein Stück nach dem andern yerzehrte.
Die Loft- und Bodenyerhältnisse sind in Kamerxm für das Fortkommen der
Eier sehr günstig. Bei der großen Unsauberkeit der Neger und seiner Ab¬
neigung gfßea die Benutzung yon Abtritten ist für eine Verstreuung der Eier
die beste Guegenheit gegeben. _ Dr. Dohrn-Hannoyer.
280
Klrtnere IDttoUnngen nnd Refermte «u ZdtiöhilfteB.
üdWr 41« Erfolf« der Abtreikugekorea bet iBkjleiteiBlaeis. Von
Dr. Dieminger, Kneppsehaftiarzt in tferkliede. Eiinischei Jahibneb;
1907, Bd. 17, H. 8.
D. berichtet über 1054 Fälle, die im Jahre 1904 wegen AnkylostomiasiB
ln Behandlung genommen wurden. Die in Anstaltebehandlung aufgenommenen
Kranken bekamen meist Extractum FUicis in Mengen bis zu 20 g auf 2 Tage
Terteilt. Vielfach wurde auch Thymol oder yor der Einnahme des Extractom
FiUds ein Abführmittel nach der Leichtensternscheu Methode gegeben.
Nach Beendigung der Kur wurden die Entleerungen an drei Tagen auf
Ankjlostomum - Eier untersncht. 97,16 */o der Behandelten wurde als geheilt,
1,06 als ungeheilt entlassen. Die übrigen entzogen sich der Naehnnter-
Buchnng. Die Kur selbst wurde folgendermaßen ausgeftthrt: Am 1. Tage,
meist Vormittags 10 Uhr, Extractum Filieis 102,0 und nach 2 Stunden ein Ab*
ftthnnittel, Calomel nnd Tubera Jaiepae ää 0,2. — Am 2. Tage Pause. Am
8. Tage wie zu 1. Am 4—6. Tage Nachuntersuchung.
Mit der Leiohtenaternschen Methode hat VerfüBser keine gute Er-
lahrongen gemacht. _ Dr. D ohrn-Hannorer.
Deainf ektion.
Veranehe mtt Thoms y»Ptyopliagon<< nls Beitrag zur Spatimhygleiie.
Ans der Heilstätte Hobterhansen. Von Dr. Artur Lisaaner. Deutsche med.
Wochenschrift; 1907, Nr. 84
Das Präparat (Kresol und Natronlauge) lOst zwar das Sputum gut auf
und leistet so gewisse Dienst^ eine Abtötung der Tuberkelbazillen aber
konnte L. selbst nach 8 mal 24 Stunden nicht konstatieren.
Dr. Liebetrau-Hagen L W.
Ueber die Verwendung Ton Para-Lyaol) einem festen Kreaelaeifen-
nrlpamt zu Dealnfektionszwecken* Von Oberarzt Dr. Nieter. Ans dem
hygienischen Institut der üuiyersität Halle a. 8. Hygienische Bundschan;
1907, Nr. 8.
Das Paralyaol ist eine neuartige Verbindung Ton Kreaolen mit Alkali*
metallen. Die reine Substanz ist nicht hygroskopisch und krystallisiert in
weißen Nadeln. Das Präparat kommt in fester Tablettenform zu 1 g in Qlas-
rührchen in den HandeL Es besitzt einen schwachen Phenolgeruch. Verwandt
wird es zum Desinfizieren bei ansteckenden Krankheiten, zum Abwaschen ron
Wunden etc.
Durch zahlreiche Versuchsreihen stellte der Verfasser fest, daß '/*- and
und */4 proz. Losungen in 8 Minuten eine AbtOtung ron Streptokokken, ^l^hna-,
Diphtherie- nnd Choleraerreger herbeifOhren. Durch Iproz. Losungen werden
Pyocyaneus in 2 Minuten und Staphylokokken zwischen 8 und 4 Minuten zur
Vernichtung gebracht. Sporenhaltigem Material gegenüber ist Paralysol wenig
wirksam.
Für Meerschweinchen lag die tödliche'Dosis des Para-Lysols bei 0,4
bezw. 0,6 pro Kilo Körpergewicht.
Der Verfasser sieht in dem Paralysol eine brauchbare Bereicherung
unseres Vorrats an Desinfektionsmitteln. Als festes Kresolseifenpräparat ist
es leicht und genau dosierbar; es besitzt bei rerhältnismäßig recht guter Halt¬
barkeit in der Tablettenform und konstanter Zusammensetzung eine relativ
nicht sehr erhebliche Giftigkeit nnd entfaltet eine gute Deeinfektionawirkung.
_ Dr. Kurp juweit-Berlin.
Etn UnlTersal-Dnmpfdeainfektlona-Appnrnt (System Bubner). Von
Oberarzt Dr. Christian. Aus dem hygienisehen Institut der Unirersitit
Berlin. Hygienische Rundschau; 1907, Nr. 14. 4 Abbildungen.
Der Apparat ist von der Firma F. & M. Lautenschläger in Berlin
konstruiert nnd soll dazu dienen, Desinfektionen mit allen bekannten Dampf¬
sorten nnd Dampfgemischen ansznftthren. Er besteht aus einem Dampfkessel
und dem Desinfektionsraum. Die Füllung des Kessels kann durch ein Wasser-
Btandrohr oder auf dem Pumpenwege durch eine Speiseleitung erfolgen. An
dem Kessel befindet sich außerdem noch ein Thermometer und ein Metallrohr
(Vakuumleitung), welches zu einer Luftpumpe führt. In den Desinfektionsraum
Kleinere mtteUangen nnA Betemte «u Zelteehiiften.
281
kann TeraittelBt einer eigenartig konitrnierten Yorriehinng in bdiebigen
Zeiten Teatmaterial herein- und dann wieder heranflgebracht werden.
Die im Damplraom kondensierte Flüssigkeit fließt nach einem Kühlraom
und von dort nach einem Beserroir. Ans dem Beserroir kann die Flüssigkeit
wieder Termittels einer Handdmckpompe in die Speiseleitnng and den Dampf¬
kessel gedrückt werden. Von der Dampfleitung geht eine Abzweigung zu
eiaem Ueinen Kessel. Dieser dient zur Aufnahme eines Desinfektionsmittels,
durch welches reiner Wasserdampf durchgeblasen werden solL
In dem Apparat kann zunächst eine gewöhnliche Dampfdesinfektion mit
zirka lOOgrädigem gesättigtem Wasserdampf Torgenommen werden; ferner
kaiin man durch hermetischen Abschluß des Dampfkessels und Desinfektioas-
raums und Nachheizen gesättigte Dämpfe bis 185" anwendea.
Mit HUfe der Luftpumpe ist es möglich eia Vakuum zu erzeugen and
dann Dampfdesinfektionen yorzonehmen.
Vor allem erlaubt die Einrichtung der Apparate nicht nur mit Wasser-
dampL sondern auch mit allen anderen yergasbaren Desinfektionsmitteln, ine-
besonaere mit Dämpfen ans wässerigen Lösungen oder Qemischen bezw.
Emulsionen flüchtiger Chemikalien zu desinflzieren. Die Flüssigkeit wird dama
an Stelle des reinen Wassers in den Dampfkessel gefüllt. Die nach dem
üeberdestillieren kondensierten Flüssigkeitsmengen können, wie yorher erwähnt,
in den Dampfkessd zurückgepumpt und wieder yerwendet werden.
In besonderen Fällen kann man Wasserdampf durch ein Desinfektions¬
mittel bezw. eine Lösung derselben hindurchblasen. Hierfür dient die durdi
den kleinen Kessel führende Leitung. Der reine Wasserdampf nimmt in dem
Kessel die flüchtigen Teile der Flüssigkeit auf. Durch die eingefügten Druck-
und Wärmewasser soll die Bedienung des Apparates so erleichtert sein, daß
sie yon jedem in kurzer Zeit erlernt werden kann.
_ Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Die blelegisehe Wirkung der Desinfektion dnreli yerrii^rte Wirkung
gesättigter Wasserdämpfe und flflehtlger Desinfektionsmittel bei kflnstliek
erniedrigtem Luftdruck. Von Oberarzt Dr. Christian. Aus dem hygieni¬
schen Institut der Uniyersität Berlin. Hygienische Bandschau; 1807, Heft 14,
eine Abbildung.
In Band 56 des Archiys für Hygiene hat Bubner die wissenschaftlichen
Qrundlagen der in der Uebsrsehrift bezeichneten DMinfektion gegeben und
damit der Desinfektionspraxis neue Wege gewiesen. Verfasser beschäftigte
sich eingehend mit der biologischen Wirkung dieser Desinfektion; zu diesem
Zwecke konstruierte er eine Vorrichtung, in der die Desinfektionen unter yer-
mindestem Luftdruck yorgenommen werden konnten. Als Testobjekt Renten
Sporen einer Bakterienart, die in der üblichen Weise an Seidenfäden ange¬
trocknet waren und eine bestimmte Besistenz gegenüber lOOgrädigem g^
sätUgtem Wasserdampf hatten. Den Versuchen wurde zunächst eine Tem¬
peratur yon 50" zugrunde gelegt, da dies ein Wärmegrad ist, der die Wucbs-
formen der meisten Bakterien in der für die Desinfektion in Betracht kom¬
menden Zeit nicht abtötet, Sporen yoUkommen intakt läßt und die Qebrauchs-
gegenstände nicht alteriert.
Eine 8 proz. Formaldebydlösung tötete das Testmaterial in 10 Minuten
ab. Karbolsäure, Wasserstoffsuperoxyd und mehrere Aldehyde erwiesen sich
als weniger wirlmam, letztere als unwirksam. Thymol, dessen Krystalle bei
za. 51 * schmelzen, war oberhalb dieser Temperatur sehr wirksam. Am stärksten
ist die Wirkung bei Flüssigkeiten zwischen 2- und 5 proz. Thymolgehalt. Stärker
und schwächer konzentrierte Lösungen sind weniger wirksam. Eine Erklärung
für dieses auffallende Verhalten kann der Verfasser nicht geben.
Toluol entfaltete eine zu geringe Desinfektionswirkung, das gleiche galt
für KaryoD, welches im Kümmelöl enthalten ist und zu den Kampferarten ge¬
hört. Karyakrol dagegen, welches eine ähnliche chemische Konstitution wie
Thymol und Karyon besitzt und mit dem Japankampfer yerwandt ist, ergab
eine nicht unerhebliche Desinfektionswirkung, die der der Karbolsäure gleich¬
kommt. Aehnlich wie Karbolsäure yerhielten sich die Kresole. Sötmpfer und
Naphtalin gaben keine brauchbaren Besultate. Benzoösäure ließ si<^ nicht
yerdampfen und war da|ier unbrauchbar. Jodoform erwies sidi als ungeeignet
282 Kleinere Mlttettongen und Referate ans Zeltsohrfften.
fOr die Yeraiclitiuig tod Sporen. Akrolein leigte dnen gewissen Binfliiß auf
die Sporen.
Die Vorteile des Bahn er sehen Verfahrens bestehen in einer Steige-
mng der Tiefenwirknng bei porOsen Objekten. Ferner wird die Wasserdampf-
temperatnr herabgesetzt und die Herabsetzong dnreh Beimengung biologisch
detirer Substanzen ausgeglichen. Die Leistungsfähigkeit einiger Desinflzientien
wird durch das neue Verfahren gesteigert. Die Versuche ergaben eine nach
der bakteriziden Wirkung aufzusteilende Rangordnung der Desinfisientien, die
Ton der bisherigen abweiebt. An erster Steile steht Formaldebyd, das bei 50”
annähernd dieselbe Tötungskraft fUr Sporen wie lOOgrädiger gesättigter
Wasserdampf besitzt. Dann kommt Tbymol, die Tötungszeit (20 Min.) ist hier
etwa doppelt so lang wie fdr Formald^yd (10 Min.^ Zum Schluß folgen die
ftbrigoi Torher erwiUinten Mittet _ Dr.Kurpjuweit*Berlin.
Ueber die Leistnngsflhfgkeit einiger neuieltUeher Desinfektlona-
arten. Ans dem hygienischen Institut zu Berlin. Von Oberarzt Dr. Christian.
Vierteljahrsschrift fttr gerichtliche Medizin und öffentliches Medizinalwesen;
Ja^gang 1908, 1. Heft.
Die Arbeit bespricht kritisch die inneren Vorgänge bei den verschiedenen
Desinfektionsarten und ferner die biologische Wirkung, d. h. die Tötung der
Bakterien und die physikalischen Vorgänge, d. h. das Verhalten des desin¬
fizierenden Agens zu den zu desinfizierenden Objekten.
Eingehend werden die Methoden der Desinfektion mit feuchter, heißer
Luft und die verschiedenen Arten der Formaldehyddesinfektion auseinander-
gesetzt.
Am Schluß der Arbeit werden die modernsten Methoden angeführt, das
.Autan‘verfahren, das vorläufig den älteren Methoden nicht gewachsen sei,
das umständliche und unsichere Verfahren nach Huber und Bickel (Formal-
dehyd-Kalk) und das nicht ungefährliche Verfahren, da Mischung leicht ex-
idosibel und brennbar, nach Evans und Schneider (Ealimnfermanganat-
Formalin). Dr. Eraemer-Worbis.
Verwendung alter Aetzkalkpriparate zu Deslnfektionszweeken. Von
Prof. E. von Esmarch-Göttiogen. Hygienische Rundschau; 1907. Fest¬
nummer zu Ehren des XIV. Internat Kongresses fttr Hygiene u. Demographie.
Der Verfasser hat gelöschten Kalk, der 4 Jahre in einer Erdgrube auf-
bewabrt war, nach Ablaiu verschiedener Zeiträume einer Prttfung bezfiglich
seiner desinfizierenden Wirkung unterzogen Er stellte aus Proben, die ächt
unter der Oberfläche und ans der Tiefe entnommen waren, eine Iproz. Lösung
her, welche einer verdünnten frischen Typhnsbonillonkultur im Verhältnis von
2:10 zugesetzt wurde, so daß 2”/oo Kalk auf die Bakterien einwirken konnte.
Wie ans einer Tabelle, die die Versuche nach verschiedenen Zeiträumen zu¬
sammenfaßt, bervorgeht, hatte der Grnbenkalk auch nach 4 Jahren noch nichts
von seiner Desinfektionskraft eingebttßt. Kalkpulver scheint sich zu zersetzen,
besonders wenn die Kohlensäure der Luft hinzukam; braudibar bleibt er nur,
wenn er in gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt wird.
Kalkmilch bleibt in einer offenen Schale noch gebrauchsfähig, wenn sie
auch, wie schon Mosebach erwiesen hat, an Desinfektionskraft dauernd ein-
bttßt; Diphtherie und Typhusbazillen bleiben in Otägiser Kalkmilch doppelt
so lange, in 13 tägiger Uber viermal so lange als in frism bereiteter (hier nach
5—10 Minuten kein Wachstum) Kalkmilch am Leben. Feste FäkalknoUen
lassen sich nach Kayser nicht genügend mit Kalk desinfizieren. Dazu ist
eine mechanische ZerUeinernng der Fäkalien erforderlich. Pfuhl konnte in
Abortgrnben eine gleichmäßige Vermengung des Kalkes und der Fäkalien durch
mechanisches Umrtthren erreichen. Dem Verfasser erscheint es aber zweifel¬
haft, ob dadurch eine ausgiebige Desinfektion bewirkt wird.
Dann folgt eine genaue Beschreibung der Desinfektionsurnben für die
Absonderungsbaracken und das pathologische Institot der klinischen An¬
stalten zu Göttingen. In der Grube wurde mit einem Ruhrwerk der vorher
mit Wasser angertthrte Kalk verteilt und die festen Fäkalknollen zer¬
kleinert Das Abwasser blieb 24 Stunden in der Grube. Auf Grund seiner
Versuche glaubt der Verfasser, daß der Zusatz von etwa i/i”/, Kalk bei
Klaioere Mitteilanfen itnd Referate aas Zeitsehrlfteo.
288
848tttndiger Einwirkaag sa einer Desinfektion im Torliegenden Falle genügte.
Er mochte diese Zahl nicht als eine allgemein gültige betrachten, sondern
empfiehlt bei Einrichtung ähnlicher Desinfektionsgmben einige leicht anin-
steUende Versnche in jedem Falle.
Weitere OesinfektionsTersnche befassen sich mit künstlich infisiertem
Badewasser, and swar kamen auf 200 Liter Badewasser ein Eßlöffel gelöste
Schmierseife, eine Kolibonillonkaltar, sowie ein Teelöffel von Fäces. Der Ver¬
fasser stellte dabei fest, daß ein Zasatz von 2 g Sublimat oder von */4 Liter
gewöhnlichem Grabenkalk oder endlich 10 g s= 1 gehäuften Eßlöffel frischen
Chlorkalk, immer ein gründliches Einrühren der Mittel and ein mindestens ein-
stündiges Stehenlassen des Badewassers in der Wanne nach Einbringen der¬
selben voraasgesetzt, als in der Regel genügend zur Desinfektion einer m-
wOhnliohen Wannenfüllang von 200 Liter Badewasser za erachten and, woM
man natürlich ohne große Kosten die Mengen der Mittel noch etwas erhöhen
kann, wenn man eine noch größere Sicherheit der Wirkang erzielen wilL
Dr. Karpjaweit-Berlin.
Die festen Polvmeren des Formaldebyds. Studien über Formal-
debyd. IL Mitteilang. Von Dr. Fr. Auerbach, ständ. Mitarbeiter, and
Dr. H. Bar sch all, Hilfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheitsamt. Arbeiten
ans dem Kaiserlichen Gesandheitsamt; 20. Bd., 8. (Schiaß-) Heft. Berlin 1907,
Verlag von J. Springer.
Darch die Untersachnngen ist die Existenz von sechs verschiedenen
festen Polymeren des F. sichergestellt:
1. Paraformaldebyd; 2. a., 8. ß*, 4. y-, 6. 9-Polyozymethylen and
6. a-Triozymethylen-Paraformaldehyd and a-Polyozymethylen unterscheiden
sich haaptsächlich durch die amorphe Beschaffenheit der erstereo, seinen Ge¬
halt an Absorptionswasser und die damit zasammenhängenden Eigenschaften.
ß-Polyoxymeth}len wandelt sich leicht in y-, dieses in Ö-Polyoxymetbylen um.
Paraformaldebyd and die vier Polyoxymethylene haben eine Tendenz, Formal¬
dehyd als Gas oder in wässeriger Lösang abzaspalten. Beim d-Polyoxymetbylen
ist sie am kleinsten, aber darch den Geruch eben noch wahrnehmbar. Die
wässerigen Losungen von Paraformaldebyd und der Polyoxymethylene onter-
scheiden sich nicht von FormaldehydlOsang. Der a-Trioxymethylen ist sowohl
als Chm, als in wässeriger LOsang von Formaldebyd gänzlich verschieden.
Dr. Bost-Badolstadt.
Sehraakdeslnfektloaeii mit Formaldehyd. Von Kreisarzt Dr. Hilger¬
mann und Kreisarzt Dr. Kirchgässer (Coblenz). Klinisdies Jahrbach;
1907, Bd. 18, H. 1.
Bericht über 27 Versuche an abgedichteten Holzschränken, in denen
Kleidungsstücke lose aufgehän^ waren. Bei Verwendang relativ großer Aatan-
mengen wurden günstige Erfolgo erzielt. Dr. Dohrn-Hanaover.
Einige Desinfektionsversacbe mit Autan. Von Dr. Ingelfinger,
Assistenten an dem Hygienischen Institut in GOttingen. Klinisches Jahrbuch;
1907, Bd. 18. H. 1.
Die Versuche des Verfassers mit Autan lieferten kein befriedigendes
Resultat. Bei der Desbfektiou eines Versuchszimmers mit der vorgescbriebenen
Menge Autan fand nur in den oberen Partien des Baumes eine genügende
DesinfektionsstOrung statt. Am Fußboden und an geschützten Stellen war die
Wirkang sehr mangelhaft. Die relativ besten Besiutate wurden bei sorgfältig
abgedichtetem Zimmer erreicht.
Die Desinfekiionswirkung in einem schlecht abgedichteten Wagenabteil
dritter Klasse war gleich Null. In einem Abteil zweiter EJasse war sie in den
oberen Partien gut, in den unteren und an den geschützten Stellen schlecht.
Bei der Desinfektion eines Kleiderschrankes war das Resultat an der
Oberfläche der Objekte gut. _ Dr. Dohrn-Hannover.
Prüfung des Desinfektiensmittels Von Prof. Dr. G. Frank.
Aua der bakteriologischen Untersuchungsstelle der KOnigl. Regierung zu Wies¬
baden. Klinisches Jahrbuch; 1907, Bd. 18, H. 1.
234
Kleinere Mitteilungen und Referate aua Zeitschriften.
F. kommt auf Qrand seiner Untersuchungen su dem Resultat, dafi das
Autan jedem anderen Verfahren mit Formalindämpfen gleichwertig ist. Das
AutanTerfahren ist aber eiafacher, schneller ausführbar und ohne geschultes
Personal anzuwenden. Der hohe Preis steht einer weitgehenden Verwendung
noch entgegen.
Die in dem Spttlraum der ünteisuchungsstelle ausgefflhiten Desinfektions-
Tersuche hatten folgendes Resultat:
1. Die Dipbtheriebazilien werden mit Leichtigkeit, auch in ziemlich
dichten Objekten (Wolläppchen) yernichtct.
2. Die Typhnsbazillen werden in solchen Fällen, in denen sie an der
Oberfläche haften und in denen die mit Typhusbazillen verunreinigten Objekte
den Formaldebyddämpfen gut angängig sind, vollständig vernichtet.
8. Die Staphylokokken verhalten sich im großen ganzen gleich den
Typhusbasillen, jedoch sind sie widerstandsfähiger.
4. Die MUzbrandsporen werden auch unter den günstigsten Bedbgungen
nicht mit Sicherheit vollständig vernichtet.
6. Die mittels des Autanverfuhrens entwickelten Formaldebyddlmpfe
wirken am energischsten auf solche Keime, die an der Oberfläche haften; in
porOse Objekte drmgen sie nicht gnt ein, und die in diesen haftenden Infektions*
erreger werden nicht mit Sicherheit vernichtet. Dr. Dohrn'Hannover.
Einige Deslnfektionsversnehe mit Autan. Von Geh. Reg.-Rat Professor
Dr. Proskaner und Dr. phil. Hans Schneider. Aus dem Institut für In¬
fektionskrankheiten in Berlin. Klinisches Jahrbuch; 1907, Bd. 18, H. 1.
Zwei der in einem möblierten Versuchszimmer ausgefübrten Versuche
erstreckten sich auf eine Einwirkungsdauer von 4 Stunden, einer auf 7 Stunden.
Als Testobjekte wurden benutzt: Staphylokokken an Seidenfäden, desgleichen
auf Baumwolläppchen und frischer Eiter (Stapbylococcns dtreus). Das Zimmer
wurde vorher abgedichtet.
Bei dstündiger Einwirkung waren 83,8**/o, bei 7 stttndiger Einwirkung
waren 86°/o der Testobjekte abgetötet.
Die Verfasser kommen zu dem Schluß, daß die Desinfektionswirkung
des Autans kaum hinter derjenigen anderer Formaldebydverfahren zurttckbleibt.
Die Verwendung geschulten Personals, vorherige Abdichtung und Heizung
ist allerdings nicht zu entbehren. Dr. Dohrn*Hannover.
Fonnaldehyddeslnfektion mit Autan. Von Kreisarzt Dr. Kirchgässer
imd Kreisarzt Dr. Hilg ermann‘Koblenz. ELÜnisches Jahrbuch; Band 18,
1907, Heft 1.
Die Versuche wurden in verschiedenartigen Räumen vor genommen (Kran¬
kenzimmer, Wohnzimmer, Hafzelle). In zwei Fällen wurden Parallelversnche mit
dem Flüggesehen bezw. Czaplewskischen Formaldehydapparat gemacht.
Die Autanzimmer wurden nicht abgedichtet. Als Testobjekte wurden Typhus,
Paratyphns, Dysenterie, Staphylokokken, Diphtherie und Milzbrand verwandt.
Die Versuche ergaben, daß das Antanverfahren fast ebenso gute Erfolge
hatte wie das Flüggesche oder Cza plewsk ischo. Von 149 Testobjekten
wuchsen 20 = 13,4 *7o Die geringste Wirksamkeit des Autans fand in
der Nähe des Faßbodens statt Erwähnenswert ist, daß Wanzen und eine
Stechmücke beim Antanverfahren nicht getötet wurden.
Ungeschnltes Personal ist zur Ausführung der Autandesinfektion nur
ausnahmsweise znzulassen. Dr. D o h r n - Hannover.
Untersuchungen Uber die Desinfektionswirknng des Autans. Von
Stabsarzt Dr. F. Bock. Aus dem hygienischen Institut der Universität Breslau.
Klinisches Jahrbuch; 1907, Bd. 18, H. 1.
Die Untersuchungen wurden meist in einem einfenstrigen Parterrezimmer
ausgeführt Als Testobjekte dienten Typhus, Koli, Stapbylococcns pyogenes
und Milzbrandsporen. Die Erfolge des Autans blieben hinter denen des Flügge-
sehen Verfahrens zurück. Insbesondere war die Wirkung am Fußboden, wo
sich das Autan ungenügend ansbreitet, mangelhaft. Eine Abdichtu^ und Aus¬
führung durch geschultes Personal ist notwendig. Dr. Dohrn-Iuumover.
Kleinere Hitteilnngen und Beferate ans Zeitechriftea
285
Wolmaagshygiene, Beseitigng der Abfalletoffe, Strafien*
hygiene, WaeeerTeraorgnng.
Beitrag rar byglenlschen Untersnetaung der JapanlMhen Hanswaiid.
Von C. Tokote. Mippaa-Eiaeigakkwei'Zasshi; Bd. 111, Heft 2 —8.
Der Verfasser hat hygienische üotersachangen über die Wände der
japanischen Wohnhänser aasgefhhrt and äußert sich darüber folgendermaßen:
1. Die zuletzt hergesteliten erzeugen ebenso wie die alten Wände, wenn auch
nur in geringer Menge, Kohlensäure, welche man als eine Vernnreinigongn-
nrsache der Zimmerlnft ansehen kann. 2. Die feuchte Wand entwickelt bei
wärmerer Lufttemperatur mehr Kohlensäure als die trockene. 8. Die wenig
feuchte Wand entwickelt mehr Kohlensäure, als die sehr feuchte; wenn die
Wand durch Regenwasser wenig befeuchtet wird oder nach ihrer Benetzung
wieder znm trockenen Zostand^e übergebt, erzeugt sie mehr Kohlensäure.
4. Die Eohlensänremenge, welche aus der inneren Wand in das Zimmer kommt,
ist Ton der Beschaffenheit des an der Wandoberfläche angestrichenen Materials
abhängig. Bei der Sand > Wand scheint die Kohlensäure mehr herauszukommen,
als bei rog. Kiotsu* und ShikkuLWänden (Mtfrtelwände). Wenn die Winde
alt geworden sind, Terschwindet dieser Unterschied allmählig.
Prof. Dr. Oshida-Tokio z. Z. Berlin.
Kanal iaattea In der Stadt Tokio* Eine solche ist Ton einem Komitee
geplant worden. Die Stadt soll in drei Hauptbezirke geteilt werden. Von
dem ersten ans, dem hoher gelegnen Stadtteile, sollen die Abfallstoffe in das
Meer geleitet werden, im zweiten und dritten Bezirke sollen biologische Beini*
gung und Einleitung in die Flüsse staufinden. Andere Methoden, als wie Be¬
rieselung usw. können hier nicht angewandt werden. Die Kosten dieser Kana-
lisationsanlage betragen ungefähr 64 Millionen Mark.
Prof. Dr. Oshida-ToUo z. Z. Berlin.
Zur Frage der SehlammTerzehrnng ln der Faulkammer. Von Privat¬
dozent Dr. W. Favre-Charkow. Qesundheits-Ing.; 1907, Nr. 50.
Unter günstigen Bedingungen der Temperatur, der Konstruktion und des
Wasserwechsels kOnnnen energische Aufzehrungsprozesse vor sich gehen. Die
Versuche zeigen auch, was für Stoffe nach Möglichkeit, und zwar schon vor
dem Eindringen in die Faulkammer, abgesondert werden müßten, damit sie
nicht als hindernder, weit die vorhandenen Kräfte übersteigender, Ballast sich
geltend machen kOnnen. Dazu gehören vor allem die fetthalUgun Substanzen.
Die Technik hat längst ihr Augenmerk darauf gerichtet und sehr wirksame
Abwasserfettfänge konstruiert, wie z. B. den Dresdner oder den Cremer sehen
Apparat; derartige Vorrichtungen sind durchaus zweckmäßig und praktisch,
nicht nur allein wegen der Fettverwertnng, als vielmehr wegen der durch sie
bewirkten Arbeitserleichterung für die Kläranlagen. Da stagnierendes Wasser
den Zersetzungsprozeß erheblich verzögert, wird man einen allzu langsamen
Flüssigkeitswechsel vermeiden; ferner wird man in der Faulkammer tote
Winkel zu umgehen haben. Im fließenden Leitungswasser ist die Zersetzung
ebenfalls gering. In jedem Falle ist die Faulkammer ^ höchst schätzbares
Glied im biologischen Beinigungssystem, das in seiner Bolle weder überschätzt,
noch zu niedrig bewertet werden darf. Dr. Wolf-Marburg.
Verwertug und Beseitigung des Klirsehlamms ans Belnlgnngsan-
lagen stidtiseher Abwisser. Zentralblatt für Stadt- und Landgemeinden;
Jahrg. I, Nr. 5—6.
1. Die Scblammrückstände aller bekannten Beinignngsmethoden sind
niemals so wertvoll, um etwa derjenigen Boinignngsart den Vorzug zn geben,
bei der die grüßte Scblammenge gewonnen wird. Es gilt dies vorlänflg anch
für die Fälle, in denen mit einer Verwertung des Schlammes durch Fettge-
wianung oder durch Vergasung gerechnet wird.
2. Die Entschlammung der Abwässer ist, um die Erzeugung unnötig
großer Schlammengen zn vermeiden, nur soweit zu treiben, als es die Be¬
schaffenheit der Vorflut oder die auf die Entschlammung folgende Beinigungs-
art bedinraa.
8. Das BieeelveifalireB ist hinsiohtlioh der Schlammverwertung und B^
S88
Kleinere Kitteilangen und Referate aus Zdtsohriften.
eeitigoBg allen anderen Rebignngsmethoden überlegen. Dan MaB der Ent*
schlammong richtet eich bei der Bieeelong nach der Wasaermenge, die pro
Hektar nnterznbringen lat, je kleiner dieae iat, nm ao geringer darf die
Entachlammang aein.
4. Die einfachste und mit geringster Bel&atignng nerbandene Methode der
Schlammbeaeitignng iat die Unterbringong des dOnnflüssigen Schlammes auf
genügend großen Ländereien. Der Schlammberieaeinog sollte daher mehr
als es bisher geschehen ist, der Yoran|; gegeben werden und zwar anch dann,
wenn das Schlammwasser durch maschinelle Anlagen nach entfernt gelegenen
Ländereien befördert werden muß.
6. Die Ansammlung des Schlammes in der Umgebung der Kläranlage ist,
sofern diese in der Nähe der Stadt liegt, zu vermeiden, da Belästigung durch
Qerucb, durch massenhafte Ansammlung von Fliegen und anderen Insekten
und durch die spätere Abfuhr nicht zu vermeiden sind. Auch wird der Wert
des Schlammes durch die hohen Unkosten der Abfuhr auf ein MlBimnm redu¬
ziert, wenn nicht ganz aufgehoben.
6. Die Verwertung und Beseitigung des Schlammes ist von so großer
Bedeutung, daß eine Kläranlage nicht eher zur Ausführung kommen sollte, bis
nicht alle, die spätere Behandlung des Schlammes betreffenden Fragen end¬
gültig und unter Vermeidung der bekannten Uebelstände im Prinzip ent¬
schieden sind. _ Dr. Wolf-Marburg.
Ueber die Einleitung von Abwässern In ßffentllohe Gewässer tu
Württemberg* Von Oberverwaltnngsgerichtsrat Dr. Haller. Städte-Ztg.;
Jahrg. V, Nr. 4.
Aus den Ausführungen ist zu entnehmen, daß wir der Einleitung schäd¬
licher Abwässer durchaus nicht schutzlos preisgegeben sind, daß vielmehr
die bestehende Gesetzgebung bei geeigneter Handhabung ausreichenden Schutz
gewähren kann. Allerdings ist es nicht ratsam, die Hände in den Schoß zu
legen und ruhig Zusehen zu dürfen. Wenn auch die Behörden ihr möglichstes
tun, so können sie doch nicht alles tun. Sache der Beteiligten iat es, beim Her¬
antreten eines Einleitungsbegebrens durch geeignetes Auftreten vor den Be¬
hörden solche Vorschriften dnrchzusetzen, die ihren Vorteilen entsprechen, nm
durch unablässige Aufmerksamkeit ein zeitiges Einschreiten der Behörden
gegen Mißstände zu ermöglichen. _ Dr. Wolf-Marburg.
Belnlgnng und Beseitigung städttseher und gewerblieher Abwässer.
Von Direktor A. Beleb. Verlag von Dr. M. Jaenecke-Hannover.
Der vorliegende Leitfaden enthält nicht nur die verschiedenen Methoden
der Abwässerreinigung, sondern bringt anch eine Beschreibung der verschiedenen
Arten von Abwässern und des Verfahrens zur Entnahme und Untersuchung
von Abwasserproben. Dafür wird er für jeden, der sich auf diesem Gebiete
orientieren will, sehr willkommen sein, zumal der Stoff in znsammengefaßter
Form behandelt ist. _ Dr. Wolf-Marburg.
Die Verwendung von Stelnkoblenteer zur Herstellung staubfreier
Strassen. Von Oberingenieur Franz Schäfer-Dessau. Tecbn. Qemeindebl.;
1907, Nr. lö.
Auf einer Studienreise konnte sich Verfasser davon überzeugen, daß man
in England bereits in ausgedehntem Maße und mit gutem Erfolge Landstraßen
geteert hat, um die starke Stanbbelästignng zu vermeiden. Im wesentlichen
werden 2 Verfahren verwendet: Teerung der Straßenoberfläche und Teerung
des Straßenbanmaterials selbst. Bei richtiger Methode sind die Anlagekosten
nur ungefähr um die Hälfte teuerer als bei gewöhnlichen .Makadam"-Straßen,
während an Beinignngs- und Unterhaltungskosten eine Ersparnis eintritt.
ScL wünscht anch für Deutschland Verbreitung des Teernngs-Verfahrens.
Dr. Liebetran-Hagen L W.
Ueber Torfltplssoirs. Von Stabsarzt Dr. Peters in Magdeburg
Hygienische Bnndseban| 1907, Nr. 20.
Bei den Oelpissoirs (Sdüeferplatten z. B. mit Saprolanstricb) wird das
Haftenbleiben und die Zersetzung des Urins verhindert. Es werden aber durch
Kleinere Mitteilungen nnd Beferate ans Zeitsohrlften.
287
den darftberfliefienden TJrin hftnflg Telle des anfgestrichenett Oels mitgefflhrt,
ferner wird eine absolut sichere AbtOtung von Kiankheitserregem im Urin
nicht erreicht
Neuerdings werden yon der chemischen Fabrik Louis Schwarz & Co.,
A.*G. in Hemelingen bei Bremen für Pissoiranlagen nTorfit‘‘platten nnd „Toi fit«“
extrakt hergestelit Die Piatton sind porOs, haben das Aussehen roten Sand*
Steins nnd einen ausgesprochenen (phenolähnlichen) Torfitgemch. Die chemische
Zusanunensetzung des Torflts ist nicht bekannt gegeben. Im Gebrauch
werden die Piatten wiederholt mit dem obigen Extr^t bestrichen.
An Testobjekten wurden Typhus*Coli*Milzbrandbazillen etc. durch
Torfttextrakt in mehreren Minuten abgetötet. Goß man in feinem Strahl eine
Bakterienanfschwemmung gegen die frisch gestrichenen Torfiiplatten, so wurde
mitunter eine Beeinträchtigung des Wachstums auf den untergestellten Agar*
Platten erzielt Jedoch waren die Besultate durchaus schwankend, ln den
Poren der frisch gestrichenen Platten wurden Typhus* und Cuiikeime fast
regelmäßig in V«—*/* Minute abgetOtet War die Platte aber an einzelnen
Stellen durch einen Wasserstrahl ausgewaschen, so trat keine absolut sichere
Sterilität ein.
Bei wiederholtem Anstrich dürfte sich die Desinfektionskraft der Platten
selbst erhöhen nnd der Zersetzung von etwa haftenblcibendem Drin in denk¬
barster Weise yorgebengt sein, der dann aber um so glatter abfließende Urin
dürfte aber wegen der Kürze an Zeit nicht desinfiziert werden.
Wenn auch die Torfitpissoirs im Vergleich mit den Schieferplatten*
ölpissoirs mehrfache Vorteile bieten, so durften doch zweifellos, nach Ansicht
des Verfassers, mit allen denjenigen Bestrebungen, die auf andere Welse
(z. B. durch schnelle unterirdische Entfernung usw.) die Abwässer unschädlich
zu machen suchen, bessere Besultate erzielt werden.
_ Dr. Kurpjuweit'Berlin.
Geben die Ventilatoren mit Brauseyorrlehtang eine merkbare Ter-
anrelnlgnng der Luft mit Wasserbakterienl Ist also die Tentilations-
methode erlaubt oder zu widerraten t Von Dr. Uebelmessserin Stuttgart
Hygien. Bundschau; 1907, Nr. 12.
Auf Grund seiner Versuche kommt der Verfasser zu dem Schluß, daß
die Möglichkeit einer merkbaren Verunreinigung der Luft mit Wasserkeimen
durch Ventilatoren mit Brausevorrichtung vorliegt. Im allgomeinen ist gegen
diese Art der Ventilation nach Meinung des Verfassers, kein Einspruch zu er¬
beben, jedoch muß dabei der Keimgehalt und die Art der in dem zum
betrieb verwendeten Wasser enthaltenen Keime berücksichtigt werden.
_ Dr. Kurpjnweit-Berlin.
Der Ttinksprlagbrunnen. Betrachtungen über eine neue Art der
Trinkwasserversorgung an Schulen. Von Stadtschnlarzt Dr. Steinhaus-
Dortmund. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege; 1907 Nr. 18.
Verfasser berichtet über einen „Trinkspringbrnnnen“ für Schulen, der
sdt dem Herbst 1906 in Dortmunder Schulen im Gebrauch ist. Derselbe be¬
steht ans einem kreisrunden Becken (aus Beton, Manerwerk mit eiserner Schale
oder Gußeisen) von etwa 1 m im Dnrehmesser, aus dessen oberem Bande ans
8 Düsen Trinkstrahlen aufspringen bis zu einer Höhe yon etwa 10 cm, so
daß das trinkende Kind mit geöffnetem Munde den freien Strahl auffängt, ohne
— nach Aussage des Verfertigers des Brunnens — die Ausflaßöffnung mit dem
Hunde zu berühren und dadurch die Möglichkeit zur Uebertragnng ansteckenden
Krankheiten zu geben. Die Berührnng der Düse mit dem Munde ist leider
bisher aber den Kindern doch noch nicht ganz unmöglich gemacht, so daß in
dieser Beziehung noch nach einer besonderen Vorrichtung gesucht wird.
Dessen ungeachtet bietet der Brunnen soviele Vorteile, daß er an sämtlichen
Schulen Dortmunds anfgestellt worden soll. Ein Brunnen, für dessen Be*
schaffnngskoston in Beton 280 Mark, in emailliertem Gnßeisen 160 Mark in
Anschlag gebracht sind, würde für 500—600 Kindor genügen. Die Firma
IbOpländerWw. in Dortmund erteilt Auskunft und stellt Kostenanschläge auf.
Der Beschreibung von Steinhaus sind einige illustrierte Abbildungen
beigöfügt. Die neue Einrichtung verdient Beachtung und Nachahmung.
Dr. Solbrig-Allenstein.
288
Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zeitsebrlften.
lieber TrtnkwaMer rea Standpunkt der Sffentllehen Oesnndhelti-
pflege* Von Dr. Otto Leere. Friedr.^BL; 1907, Heft U, III, IV, V.
Die Beschaffong und Benutzung guten, gesundheitsznträglichen Trink*
waeseTB in genügender Menge ist für den Einzelnen, wie für das Qemeinwesen
Lebens- und Eulturbedürfnis. Eine Zweiteilung des Wasserbedarfes in besseres
Trinkwasser und weniger gutes Gebrauchswasser ist wegen der Unmöglichkeit,
die Benutzung des letzteren zu Trinkzwecken zu verwenden und wegen der
daraus entspringenden Gefahr zu verurteilen. Jedes Trinkwasser (bezw. Wasser)
ist, bevor es zum Gebrauche zugelassen wird, in sachverständiger Weise anf
neue Brauchbarkeit und Gesundheitsunschädlichkeit zu prüfen. Die physikalische
Prüfung soll feststellen, ob das Trinkwasser klar, farblos, frei von abstoßendem
Geschmack, Nachgeschmack und Geruch, von angenehmer erfrischender Tem¬
peratur und frei von groben, mechanischen Beimengungen ist. Die mikrosko¬
pische Untersuchung soll die Abwesenheit grOberer organischer Substanzen,
von tierischen Parasiten, deren Eiern und Larven, die gesundheitsschädigend
wirken können, kund tun. Die chemische Untersuchung stellt die Abwesen¬
heit bezw. den Gehalt an Kalk und Magnesiasalzen, an Chlor, Salpetersäure,
salpetriger Säure, Ammoniak, PhosphorAäure, Schwefelsäure, Schwefelwasser¬
stoff, an freier und gebundener Kohlensäure, organischer Substanzen, an
Metallen (Arsen, Kupfer, Blei, Zinn, Eisen) fest. Größere Härte und hoWer
Magnesiagehalt kOnnen gesundheitsschädlich sein; Schwefelwasserstoff und
Ammoniak sollten überhaupt fehlen, desgleichen Arsen, Kupfer und Blei.
Wesentliche Ueberschreitungen und Schwankungen in den chemischen Grenz¬
weiten machen ein Wasser verdächtig; geringere in einzelnen Werten sind
nicht ausschlaggebend. Vor allem muß die bakteriologische Untersuchung die
Anwesenheit organisierter pathogener Keime (Cholera, Typhus, Paratyphus,
Koli, Dysenterie, Malaria, Milzbrand), deren Verschleppung durch das Wasser
sichergestellt ist, und damit die Möglichkeit einer Infektion durch den Genuß
des Wassers auschließen und die Lokalinspektion die Integrität seiner Herkunft
und seines Weges bis zur Entnahmestelle sicherstellen.
Die spezielle Wasserversorgung hat mit der erschließbaren Menge, der
Art und Kosten der Beschaffung des Wassers zu rechnen. Bezüglich der Güte
und Brauchbarkeit zu Trinkzwecken ergibt sich folgende abwärts führende
Reihe der zu Gebote stehenden Wasserarten: Grund-, Quell-, Gebirge-,
Meteor-, Talsperren-, Fluß- und Seewasser. Der störende, wenn auch nicht
schädliche Eisengehalt des Grnndwassers kann durch Enteisenungsverfahren
ausgeschaltet werden. Von den das Grundwasser erschließenden Brunnen sind
Bohren und Tiefbrunnen einwandfreier, als Kessel- und Flachbrunnen, bei
denen die Gefahr einer Verunreinigung von oben und von der Seite groß
ist. Einbau bis in die zweite Grundwasserscbicht ist bei allen Brunnen drin¬
gend anzuraten. Nach unseren heutigen hygienischen Anschauungen bedarf
jedes, besonders aber das größere Gemeinwesen versorgende Trinkwasser einer
besonderen Bebignng. Von den diesbezüglichen Mitteln: Abkochung, Destillation,
Chemikalien, Sandfiltration, Ozonisierung sind die beiden ersten die sichersten,
aber kostspielig und eignen sich deshalb nur für beschränkte Mengen Wassers,
im Felddienst, auf Schiffen und in Epidemiezeiten. Die chemischen Mittel sind
durchweg unsicher und ungeeignet. Die Sandfiltration liefert zwar nicht ab¬
solut keimfreies Wasser, ist aber in sachverständigen Händen ein durdians
brauchbares Mittel, um große Wassermengen für den Genuß genügend geeignen
zu machen. Die Fischer-Peters sehen Sandplattenfilter bieten keine wesent¬
lichen Vorteile vor der gewöhnlichen Sandfiltration. Doppelte Sandfiltration durch
künstliche Vor- und Nachfilter gewährt größere Sicherheit der Reinigung, ist aber
kostspielig durch Bodenerwerb. Doppelfiltration durch natürliche Vorfilter (Boden)
und künstliche Nachfilter ist unsicher und kostspielig. Die Leistungen der
Klebfilter sbd hygienisch nicht genügend. Die Ozonbebandlung des Wassers
steht an Sicherheit der Bebigung der Sandfiltration gleich, wenn nicht über
ihr, ut mit geringen Kosten verbunden und deshalb künftig bei Nenan-
bgen zentraler Wasserrebigungswerke ernstlich diese Art der Reinigung zu
erwägen. Es bt Pfiieht der Gemeinden, die Beinigung dos Trinkwasscra nicht
den Konsumenten zu überlassen, auch nicht privaten Gesellschaften, sondern
sie selbst in die Hand zu nehmen, zentral zu bewerkstelligen, sich dabei die
technischen VervoUkommnungen fortbufend zu eigen zu machen und ebe
Kleinere Mltteilnngen nnd Befemte ans Zelteehrlften.
289
tägliche Kontrolle des Beinigangeeffektee anazaftben. Der Waraorpreis ist
m^liehst billig an bemessen. Das Material in den Znleitnngsrohren ist je
nach der chemischen Beschaffenheit des Wassers anszawählen. Das Wasser
ist demgemäß zn nntersnchen; Wo Bieiröhrea im Gebranch sind, ist auf Ver-
htttnng des Laftzntrittes zom Wasser, anf regelmäßiges Ablanfenlassen des in
den Röhren stehengebliebenen Wassers znr Vermeidnng toq BleiYergiitnngen
za achten. Dem beamteten Arzte and den Gesnndheitskommissiouen liegt die
Beratong bezttglich der Beseitigung mangelhafter Anlagen ob, sowie die lortp
laafende Kontrolle aller Wasserversorgangsanlagen, die sich auf die
Prttfang der vor genannten Punkte, besonders aber anf die lokale Besicht!«
gang, bei Zentralanlagen auch anf die Betriebsordnnng, Dienstanweisung, den
Wasserpreis usw. zu erstrecken hat. Zur Vorbereitung und Prttfang von
Wasserrersorgungsanlageprojekten empfiehlt es sich fttr die Gemeinden die
königliche Versuchs« und Prttfungsanstalt fttr Wasserversorgung zur Beratung
zuzi^ehen. _ Dr. Bump'Osnabrttck.
Beobaehtuiigeii an einer Wasserleitong. Von Privatdozent Dr.
Kißkalt. Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin. Hygien.
Bundschau; 1907, Nr. 18. Festnummer zu Ehren des XIV. internationalen
Kongresses fttr Hygiene und Demographie.
Der Verfasser stellte bei den fortlaufenden Untersuchungen der Keim«
zahl in einer Wasserleitung fest, daß wiederholt am 4. resp. 6. Tage, nachdem
Arbeiten am Rohrnetz aupgettthrt waren, die Keimzahl anstieg. Zwei mal
waren die Keime die gleichen, einmal hörten sie einer andern Art an. Der
Verfasser nimmt an, diä sich Keime an in die Leitung eingebrachtem Material
zunächst vermehrt haben, und dann, als der Belag dicht war, so daß
sie nicht mehr festhaften konnten, und als sie in ihrer Vitalität geschwächt
waren, in das strömende Wasser ttbergingen. Eine Sttttze erhält diese An«
nähme durch Versuche Bubners, welche den Nachweis lieferten, daß sieh
nach Einbringen von sterilem Fleischextrakt in Brunnen die Bakterien nicht
sofort, sondern erst nach Ablauf von 8—4 Tagen vermehren.
Zum Schluß bringt Verfasser noch eine andere Beobachtung, welche die
bisherigen nur bestätigte. Im Institute war ein neuer Wassermesser einge«
setzt worden und nun trat eine starke Zunahme der Keime erst am 5. Tage
ein. Erst nach 2 Monaten war die Keimzahl wieder die gewöhnliche. Diese
Beobachtung beweist auch, daß die Verspätung der Zunahme der Keime nicht
durch langsames Fließen des Wassers bedingt ist.
Dr. Kurpjaweit«Berlin.
Zum Nachweis des Baeterlum coli eommune Im Wasser vermittels
der El j k man nsehen Methode. Von Dr. J. Thomann. Aus dem hygienisch«
bakteriologischen Institut der Universität Bern. Hygien. Bundschau: 1907,
Heft 14.
Die von Eijkmann (Zentralblatt f. Bakt.; Abt. I, Orig. Bd. 87, H. 6)
zum Nachweis des Bacr. coli commune im Trinkwasser angegebene Methode
beruht darauf, daß das Bact. bei 46 <> C. alle anderen Bakterienarten ttberwucheit
und iih Traubenzackorbouillion Gährung hervorruft. Christian und G. Neu«
mann sind bei Nachprttfungen zu einem gttnstigen Urteil bezttglich des Ver¬
fahrens gekommen.
Mit verschiedenen Kolistämmen und Fäkalienaufschwemmungen erhielt
der Verfasser immer bei 46*, eine Vergährung in dem Gährkölbchen. Kalt«
blttterfäzes ergaben, wie schon Christian festgestellt hat, keine Vergährung
bei 46* dagegen bei 87*. Mit Wasserproben, die durch Bouillonreinkulturen
der verschiedenen Kolistämme, oder mit Jauche infiziert waren, erhielt er die
gldchen Besultate. Verschiedene Hefesorten und einige andere Bakterienarten
riefen keine Gährung hervor.
In Wasserproben, die zur Untersuchung eingesandt waren, konnte er,
wenn bei 46* Gährung eintrat, nur das Bact. coli finden.
Bei bakteriologisch • qualitativen Prüfungen von Wasserproben ist daher
die Methode als die beste zum Nachweis des Bact. coli zu empfehlen.
Dr. Kurpjuweit-Berlin.
240
Kleinere Mitteilungen und Boferate ans Z^techriften.
üeber die LSsliohkeit einiger Bleirerbindangen in Waaier« Von
Dr. H. PleißneTt Hillearbeiter im Kaieerliehen Gkenndbdtsamt. Arbeiten
ans dem Kaieerliehen Qeenndheiteamte; 26. Bud, 8. (ScUnß-) Heft. Berlin
1907. Verlag von J. Springer.
Die Unterenchnngen Idhrten an folgenden Ergebniaeen: Alkalien nnd
Barytlauge ^en aae Bleiaalzen in der Wärme Bleioxyd, in der Kälte Hydrate
dee Bleioxyde. Daaaelbe Bleioxyd bildet eich bei der Eiowirknog von eehr
aaneratoffreichem Waaaer anf metalliachee Blei, mit aaaeretoffärmerem Waaeer
entatehen Hydrate dee Bleioxyde. Die Ldelicbkeit dee Bleioxyde nimmt mit
steigender Bydratiaiernng zu. Der elektrolyüeohe Zerfall Ton Bleioxyd nnd
seinen Hydraten in wässeriger Lösnng ließ sich aus Leitfähigkeitamesenngen
nicht sicher ermitteln. Die LOslichkeit von Bleisulfat nnd Bleichlorid in Wasser
wird durch Zugabe von geringen Mengen Schwefelsäure oder Salzsäure Ter*
mindert, die von Bleikarbonat durch Kohlensäure yergräßert.
Dr. B 0 s t • Budolstadt.
Basohe spontane Entbrßnnnng nnd Enteisenung bei einem Hrnnd*
Wasser« Von Prof. Bernhard Fischer. Ans dem hygienischen Institut der
üniyersrtät KieL Hygien. Bundschan; 1907, Nr. 18. Festnnmmer zu Ehren
I des XIV. Internationalen Kongresses für Hygiene nnd Demographie.
ln der Provinz Schleswig Holstein kommen im Grundwasser hauptsächlich
Kochsalz, Eisen bezw. Hnminverbindungen vor nnd machen es ungeeignet fär
die Trinkwasserversorgung. Das gewöhnlich in Mengen von 1—5 mg Fe 0 im
Liter enthaltene Eisen läßt sich durch Lüftung mit nachfolgender Filtration
beseitigen. Das in Form von kohlensaurem Eisenoxydnl gelöste Eisen geht
dabei in das unlösliche Bisenoxydhydrat über nnd wird ansgeschieden. Bei
einigen Gmndwässern versagt dies Verfahren; hier scheint das Eisen nicht
ausschließlich in der Form von Eisenoxydnikabornat gelöst zu sein, sondern
auch in Form von hnmussauren Verbindungen, ln zwei Tiefbrnnnenwässem
ans der Marsch wurden weder Kochsalz noch Eisen, sondern ausschließlich
Hnmusverbindnngen beobachtet, die eine gelbbraune, sich beim Stehen an der
Luft nicht verändernde Färbung bedingten. Ein derartiges Verhalten hatte
Verfasser bisher nur bei Oberflächenwasser aus Moorgegenden beobachtet.
Dann sah er auch ein durch Humussnbstanzen gelbbraun gefärbtes nnd zu¬
gleich schwach eisenhaltiges artesisches Brunnenwasser, bei welchem schon
nach 24 Standen in den Stehproben eine vollständige Entbräunung und Ent¬
eisenung zu Tage getreten war, derart, daß über ehiem ziemlich reichlichen,
ans dunkelbraunen groben Flecken bestehenden Bodensatz farbloses und klares
Wasser von reinem Geschmack betroffen wurde, während dasselbe anfangs
einen tintenartigen Geschmack besessen hatte. Im übrigen wich es in seiner
Zusammensetzung nicht von dem gewöhnlichen, nicht verunreinigtem Grand¬
wasser ab. Es war gleichzeitig das Eisen nnd die eine Braunfärbung bedin-
; gende organische Substanz — anscheinend eine Huminverbindung — von
selbst ans dem Wasser ausgefallen.
I Wasserproben, die ans anderen als ans den mittleren tiefsten Partien
f des Grnndwasserstroms entnommen waren, zeigten nicht die Braunfärbung.
i Demnach schienen nur diese Schichten die Huminverbindung mit sich zu
‘ führen, hier war auch der Chlorgehalt bedeutend höher als in den benachbarten
; Partien. Die die braune Färbung bedingende Huminverbindung stammte aus
Braunkohle. Der braune Farbstoff und das Eisen begünstigen sich gegen-
i seitig bei der Ausflockung, beides sind KoUoidsubstanzen und wirken aufm-
<> ander in bestimmten Konzentrationen ein.
Versuche, ein huminstoffhaltiges Wasser durch eisenhaltiges Wasser zu
entbräunen, ergaben ein positives Besultat. Der Verfasser verweist zum
Schluß auf die für Grundwasserversorgung hochwichtige Arbeit von Wer nicke
und Welders «Verfahren der gegenseitigen Enteisenung und Entbräunung
von Grandwässern“ (Mitt. aus der Königl. Prüfungsanstalt für Wasserversor-
rang; Heft 8, Berlin 1907). Diesen gelang es, stark branngefärbtes Wasser
dur^ eisenhaltiges zu entfärben und umgekehrt eisenhaltiges Wasser durch
wässrige Braunkohlenaaszüge zu enteisenen. Ferner ist auch die Entfernung
von Mangansalzen anf diese Weise gelungen.
Dr. Kurpjuwoit-Bcrlin.
Kleinere BOttellangen und Refemte mi Zeitsehrifteiu
241
Nahrnngsmittelliygiene.
Zir Frage dee klelarten EiwelBsbednrfee. Yen Prof. Dr. Förster in
Strnfibiirg. Mllnohener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 49.
Im Interesse der Anordnungen Ton Kosts&tzen seien nachstehende auf
den Ergebnissen ron neueren Ueberlegnngen und Versuchen des Verfassers
mheade Schlnßsfttze einer interessanten Arbeit bekannt gegeben:
1. Neben Eiiroiß, Fett und Kohlenhydraten bedarf der Mensch sum
Ausbau und sur Erhaltung seiner Organe noch in ausreichender Menge andere
Stoffe, wie a. B. Aschebestandteile. In den Nahrungsmitteln befinden sich diese
in Verbindung mit eiweißartigen Substanzen oder sie stehen wenigstens in Be*
Siebungen zum E2iweiß. Es ist daher zu befürchten, dafi bei niedriger Eiweiß*
Zufuhr die Ernährung auch durch Mangel an Aschebestandtcilen leidet.
2. Bei Zersetzung dos Eiweißes im KOrper werden gewisse unentbehr*
Uche Stoffe, Verdauungsfermente, Stoffe der „inneren Sekretion“, Schutsstoffe pp.,
die Abkömmlinge des Eiweißes sind, gebildet. Fttr einzelne dayon ist na^
E ewiesen, fttr die anderen ist es wahrscheinlich, daß die Produktion im Ver-
iltnis SU dem Eiweißzerfall im KOrper steht. 1^ ist daher zu erwarten, daß
bei niedrigem Eiweißumsätze leicht Störungen im Wohlbefinden und Erkrankungen
infolge Mangels an den genannten Stoffen ebtreten.
8. So lange die Verhältnisse nach beiden Bichtungea hin qualitatir und
quaatitatir nicht mehr als Jetzt aufgeklärt sind, ist es Ton allgemein physio¬
logischen und hygienischen Gesichtspunkten aus fttr die Zwecke der praktischen
Ernährung ratsam, einen kräftigen Eiweißumsatz zu unterhalten und sich nicht
auf das pbysiologlMbe Mindestmaß zu beschränken, mit dem in einem gegebenen
Falle das sog. Stickstoffgleiehgewlcht erhalton werden kann.
_ Dr. Waibei*Kempten.
üntonuehuDgen Uber das Eindringen der Bakterien ln die Hühnereier*
Von Dr. Giorgio Men in i* Florenz. Lo Speilmentale, Archivio di Biologin
normale e patologica; Fase. VI, 1907.
Das Ergebnis seiner an frischen und alten, konservierten und faulen
Hühnereiern vorgenommenen Untersuchungen faßt Verfasser wie folgt zusammen:
1. Die Eier sind im Augenblick des Gclegtseins, von seltenen Ausnahmen
abgesehen, frei von Bakterien.
2. Der Prozeß der Verkleinerung des Inhalts der Eier ist nicht bak¬
teriellen Ursprungs; bei den so befallenen Eiern findet man außer Schimmel¬
pilzen, die diese Veränderung hervormfen, keine weiteren Keime.
3. Die Bakterien, welche die Fäulnis der Eier bewirken, kommen von
außen hinein, indem sie durch die — unversehrte — harte Schale und die
membranartige Haut hindurebgehen; gewisse Arten werden mit einer ziem¬
lichen Konstanz, andere seltener gefunden.
4. Der Proteus vulgaris lat derjenige Mikroorganismus, der mehr als
die andern oder einzig in den Eiern Schwefelwasserstoff entwiwelt.
5. Die harte Schale und die membranartige Haut sind für gewisse
Mikroorganismen leicht durchgängig; unter ihnen befallen die bewegUchsten
schneller und vollkommener die Eier.
6. Dieselben Mikroorganismen, künstlich in die Eier hineingebracht,
können auch in kürzester Zeit nach außen bindurcLwandern.
7. Coli-, Typhus- und Cbolerabazillcn entwickeln im Innern der Eier
keiaen Schwefelwasserstoff und führen keine bemerkenswerten Veränderungen
ln deren Inhalt herbei.
8. Eine verlängerte Haltbarkeit der Eier ist möglich, wenn diese an
ihrer Außenfläche desinfiziert und in sterilen Umgebungen gehalten werden.
9. Die ihrem Inhalte nach verkleinerten und die unter Kalk auf*
bewahrten Eier sind leichter von außen infiüerbar als die frisch gelegten Eier.
_ Dr. Solbrig*Allenstein.
Kllntseher Beitrag lum Ichthyismus choleriformls. Von Chefarzt
Dr. 0. Boepke* Melsungen. Archiv f. Verdauungskrankbeiten; Bd. 13, H. 4.
Am 6. Okt. 1906 hatte es für die in der Anstalt verpflegten 114 Patienten
und 26 Personen vom Personal zum Mittagstisch Schellfisch gegeben. In einem
Zeitraum von 2—iO Stunden nach Einnahme dieses Mittagessens traten bei
242
Kleinere Mitteilungen nnd Referate au Zeitschriften.
87 Patienten und 6 Personen rom Personal Verglftnngseraclieinnngen auf,
die in ihrer Art dem kliniscshen Erankheitsbild des Ichthylsmns choleriformis
entsprachen. Man konnte ohne Zwang drei Grnppen nnterscheiden:
1. Die leichten Intoxikationen die sich anf den Tag des Fiscbgenuses
und den folgenden Tag beschränkten (6—6 Oktober);
2. die mittelschweren Intoxikationen, die auch noch am sweiten und
dritten Tage nach dem Fischessen anhielten (6. bis 8. Oktober);
8. die schweren Intoxikationen, die eine erute nnd länger als Tier
Tag danernde bettlägerige Erkrankung bedingten.
Die Intoxikationscrscbeinungen bei dem Personal unterschieden sich im
großen und ganzen nicht von den bei den Patienten gemachten Beobachtungen.
Faßt man alle allgemeinen Qesichtspunkie zusammen, so charakterisierte
sich der Ichthysismu choleriformis als eine akut einsetzende und fieberhafte Er«
krankung, die durch die Sympthomentrias: Kopfschmerz, Leibschmerz und
Diarrhoe ausgezeichnet war. Hinsichtlich des Verhaltens der Körpertemperatur
zeigten auch die schweren Fälle den schnellen, steilen Fieberanstieg, während
die Entfieherung lytisch nnd mehr oder weniger langsam je nach der Schwere
der Erkrankung einirat. Störungen der Herztätigkeit sind in keinem Falle be«
obachtet worden, auch der Pols war hinsichtlich der Regelmäßigkeit und Span¬
nung niemals verändert. Dahingegen war ein gewisser Qrad von Bradykardie für
den Ichthyismus choleriformis charakteristisch; denn die PnlsTerlangsamung bei
normaler Temperatur bezw. ein gewisses Mißverhältnis zwischen der Höhe des
Fiebers und der Anzahl der Pulsschläge muß man als typisch fttr den Ichthyismus
choleriformis ansehen. Vasomotorische Störungen kamen nicht zur Beobachtung.
Die bei Vergiftungen ungemein häufigen zerebralen Erscheinungen waren nur
leichteren Grades und bestanden hauptsächlich in starken Kopfschmerzen nnd
Schwindel. Ein mittelschwerer Fall hatte auf der Höbe der Krankheit Torttber-
gehende Sinnestäuschungen; er sah ,Mäuse in der Luft.* Aenderungen in dem
Aussehen der Haut nnd der sichtbaren Schleimhäute lagen nur 2 mal vor. In
einem Falle wurde in der 2. Krankheitswoche eine leicht ikterische Verfärbung
der Haut nnd der Skleren beobachtet, ohne daß Gallenfarbstoffe im Urin nach¬
weisbar waren; in einem zweiten Fall unterhielten punktförmige Ekchymosen in
Schleimhaut des Rachens mehrere Tage lang Schluckbeschwerden. Motorische
Störungen hatte nur der am schwersten Erkrankte. Die subjektiven Beschwer¬
den bestanden am 2. Tage nach der Vergiftung in ,Krampf in den Händen",
am 4. Tage in „Zuckungen der Arm- und Beinmnskulatur, besonders in den
Waden" nnd am 9. Tage „in schmerzhaftem Zucken in Armen nnd Beinen
nnd Kribbeln in den Füßen." Objektiv war nur stärkeres Muskelzittem
fibrillärer Art nachweisbar.
Die Prognose des Ichthyismus choleriformis ist quoad yitam im ganzen
gut. Die beste Therapie besteht, wenn irgendwo, eo bei den Vergiftungen in
der Prophylaxe. Man muß 2 Gesichtspunkte beachten:
1. Ein frisches Fischgericht in Gestalt von gekochtem oder gebratenen
Schellfisch, Stör, Stockfisch, Brasse, Hecht usw. ist für die Sommermonate —
dieMonate ohne r — nicht auf den Speisezettel zu setzen.
2. Der Fisch ist so in den Wochen-Speisezettel einzufügen, daß zwischen
Fangtag nnd Mahlzeit gerade nur soviel Zeit liegt, als fttr den Transport und
die Zubereitung unbedingt notwendig wird. Dr. Wolf-Marburg.
Unterguchungen über einige Bestandteile neuerer Konservierungs¬
mittel fttr Fleisch. Von Dr. Doepner-Königsberg. Aerztliche Sachver¬
ständigen • Zeitung; 1907, Nr. 24.
D ö p n e r glaubt in seiner Arbeit, die er in dem gerichtsärztlichen In¬
stitut in Königsberg angefertigt bat, naebgewiesen zu haben, daß das phos-
phorsaure Natron überhaupt keine die Zersetzung des Fleisches hemmende
Eigenschaft besitzt, daß es dagegen durch Erhaltung der roten Fleischfarbe
älterem Fleisch, das möglicherweise schon Krankheitserreger enthält, den An¬
schein frischen Fleisches zu geben vermag. Andere Mittel, wie die untersuchten
Aluminiumsalze und die Ameisensäure, vermögen selbst in großen Zusatzmengen
das Fleisch nicht in der Weise zu erhalten, wie das Eis.
Nur ein Mittel, das benzoesaure Natron, zeigte bei den Versuchen eine
hinreichende konservierende Wirkung auf Fleisch, die diejenige der Kälte des
Kleinere Mitteilungen qnd Referate ans Zeltsebriften.
248
Eiasehraakes ftbertraf. Dieaea Mittel hat aber berdta in den hieran not*
wenigen Mengen eine atark achkdigende Wirkung aal geannde Tiere, ao dofl
au befttrchteo lat, daft ea auch bei Menschen, aunal bei Kranken und gesund*
hdtlich Schwachen, eine nachteilige Wiikang auf die Qeaundheit anasuttben
Termng.
Es würde demnach sweckmiBigerweise der Znaata yon benaoeaauiem
Natron und phosphorsaurem Natron aum Fleisch auf Grund des § 81, Aba. 1 u. 8
des Fleischbeschaugesetaes au yerbieten sein. Doepner glaubt aum Schluß
noch, daß ea ylelleicht angebracht sei, den Verkauf mit Eonaeryierunga*
mittein behandelten Fleisches nur unter der ausdrücklichen Angabe dieser
Eigensch^ au gestatten. Dr. Troeger-Kempen LP.
Die Fabrikation yon Flelaohkonaeryen. Von Dr. Wilhelm Ooiquet-
Berlia. Deutsche Vierteljahrsschxilt für öffentliche Gesundheitspflege; 1^7,
Bd. 89, H. 4.
Der Znaata chemischer Substanaen au Eonaeryen ist au yerwerfen. Ins*
besondere ist die Beimengung yon Borsäure nach den Versuchen des Verfassers
und anderer nicht nur zwecklos, da selbst hohe Konzentrationen (5 %) die Ent*
Wicklung pathogener Keime ni(^t zu yerhindern yermögen, sondern, wie D.
yor allem betont, direkt schädlich, weil durch Schädigung saprophytischer
Kcdme die sonst warnende Verschlechterueg des Geruchs und Ansehens hintan*
gehalten wird. Das Kochen der Konseryon nach den bisher üblichen Methoden
setzt öfter das Fleisch in seiner Güte herab. D. hat deshalb an die Stelle
der „antiseptischen* Methode die „aseptische* gesetzt, indem er yon der
Schlachtung der Tiere an das Fleisch streng keimfrei erhält. Zur praktischen
Durchführung, die nicht ganz einfach zu sein scheint, hat er eine besondere
Maschine konstruiert. Auf die genaue Methodik, die D. in extenso wiedergibt,
kann hier nicht elnge^angen werden. Jedenfalls kann man das Verfaben,
yorausgesetst, daß ea nicht zu teuer üt, als ideal und den strengsten hygieni*
sehen Anforderungen entsprechend bezeichnen.
Dr. Liebetrau*Hagen L W.
Säuglingspflege.
Die Sflngllngg-MUohklichen der patrlotisehen Gesellschaft ln Ham¬
burg. Zweiter Jahresbericht, erstattet yon Physikos Dr. Sieyeking, 1906.
Verlag yon E. Boyhen*Hambarg.
Zunächst gibt der Berichterstatter eine allgemeine Schilderung der
Säuglingsküche, deren Inanspruchnahme unaufhaltsam im Steigen ist. Diese
Zunahme des Vertrauens erstrecke sich besonders auf Hebammen und Aerzte.
Bereits sechs Ausgabestellen yerfttgen über eine regelmäßige wöchentliche
Wiegestande unter ärztlicher Leitung. Die Uneigennützigkeit, mit der die
Aerzte sich dieser Aufgabe unterziehen, wird noch besonders hervorgehoben.
Daß auch ans den Kreisen des Hilchhandels ihnen kein Widerstand entgegen*
getreten sei, spricht auch für die Berechtigung dieses Unternehmens. Die
Gehälter der Ang-sstellton werden erwähnt und dabei heryorgehoben, daß das
Unternehmen keine Wohltätigkeitsanstalt, sondern yiclmehr legiglich ein ge¬
meinnütziges Unternehmen sei. Bei der Besprechung über den Vertrieb fügt
der Herausgeber mehrere erläuternde Abbildnngem dem Berichte zu; darauf
schließt er mit Aufzählung der Ergebnisse dieses Unternehmens.
Dr. B. Thomalla-Waldenburg (Schles.).
Die zunehmende Unfähigkeit der Frauen, ihre Kinder an stillen.
Die Ursachen dieser Unfähigkeit, die Mittel zur Verhütung. Ein Vortrag yon
G. y. Bunge, Prof, an der Universität Basel. Verlag yon Ernst Beinhardt,
München, Jägerstraße 17.
In einer Statistik hat Verfasser immer nur die zum Stillen entschieden
befähigten und die zweifellos Nichtbefähigten mit einander yerglichen. Die
zweifelhaften Fälle worden gar nicht in die Statistik aufgenommen. — Ans
den eingegangenen 2051 ansgefdllton Fragebogen ergab cs sich, daß 744
Frauen befähigt und 1307 nicht befähigt waren, ihre Kinder zu stillen.
Verfasser sieht, wie yiele andere, die Abnahme der Befähigung zum
Stillen für eine degeneratiye an; er schlägt zwei Wege zur Verhütung
244
Kleinere HittelluDgen and Refento aiu Zeitsohriften.
dieser Degeneration ror: a) Beseitigniw der ürsaclien, besonders Yerbtttung
UbennftBigen Alkoholgennsses; b) die ZuehtwahL
Er glaubt daher folgenden Bat erteilen in kOnnen:
Ein gesnnder Mann, der sich gesunde Nachkommenschaft wünscht, soll:
1. kein Mädchen heiraten, das nicht von der eigenen Mutter gestillt ist;
2. kein Mädchen aus tnberkolOser Familie; 8. kein Mädchen ans einer psycdio*
patisch belasteten Familie; 4. keine Tochter eines Trinkers.
Jedes Mädchen hat natürlich dasselbe Recht, Ton ihrem Verlobten das
Gleiche an fordern. Dr. B. Thomalla* Waldenburg (Schles.).
Den Einfluss der Eraihrnng auf die Htlcbsekretion. Von Geh. Med.«
Bat Prof. Dr. Fink 1er«Bonn. Zentralblatt für allgemeine Gesundheitspflege;
1907, Heft 11 und 12.
Eine sehr interessante Untersuohnng über die Frage: Wie kbnnen die
Mütter befähigt werden, ihre Kinder selbst in stillen? liegt hier vor uns.
Verfasser sieht die größte Hülfe für das SiiUgeschäft in einer Einwirkung auf
die Ernährung der stillenden Mutter. Er bespricht darum zunächst die riel*
lach, am häufigsten bei Tieren angestellten Beabachtnngen über den EiofloB
der Ernährung auf die Milchabsonderung. Durch die Versuche mit willkürlich
Teränderton Nahrnngsrerhältnissen wurde von verschiedensten Forschern dar¬
getan, daß die Milchmenge überhaupt von der Menge der auf genommenen
Nahrung abhängt, daß durch Erhöhung der Eiweißzufuhr bol der Ernährung
die Menge der produzierten Milch steigt und ihre Qualität sich verbessert,
daß Kohiobydrate an sich ohne besonderen Einfluß auf die Milchznsammen-
Setzung bleiben, und daß man Über den Einfluß des Fettes noch zu keinem
abschließenden Urteil gelangt ist. Um nun bei stillenden Frauen den Einfluß
der gesteigerten Eiweißzufuhr zu beobachten, hat Verfasser das Malztropon
verwendet und ist dabei zu ganz vorzüglichen Resultaten gekommen. Es
wurde neben guter Nahrung täglich 80 g Malztropon gegeben. Bei 20 Fällen,
in denen nach früheren Geburten die Milchsekretion ungenügend war, wurde
durch Zuführung des Malztropons eine Überraschende Besserung erzielt, die ein
regelmäßiges Stillen ermöglichte. Bei anderen Fällen, in denen die Milchab¬
sonderung nachließ, trat durch Malztropon Hülfe ein, Beschwerden wie Bmst-
und Bückenschmerzen gaben sich völlig. In 86 Beobachtungen über die Ge¬
wichtszunahme der Kinder während der Verabreichung des Tropons an die
stillenden Mütter betrug der Mittelwert pro Tag 88,89, während man sonst im
ersten Halbjahr durchschnittlich mit 25 g tägliche Zunahme rechnen kann.
Besonders interessant ist die Entwicklung dreier Zwillingspaare, von denen
das erste in einer Zeit von 87 Tagen täglich 24,1 und 24,4, das zweite ln
85 Tagen täglich 84 und 88, das dritte in einer Beobachtungszeit von 167
Tagen pro Tag 21 und 16 g znnabm.
Ein großer Vorteil der Verabreichung von Malztropon besteht vor allem
auch darin, daß die stillenden Mütter Kraft und Körperfülle behielten.
Verfasser empfiehlt auf Grund seiner Erfahrungen dringend, die richtige
Ernährung der Mutter zu bewirken. Dr. S o 1 b r i g • Allenstetn.
Die HutterschaftsTersiohernng und ihre praktische DnrchfBhrnng.
Von Dr. Alfons Fischer-Karlsruhe i. B. Soziale Medizin und Hygiene;
1907, Bd. 2, Nr. 11.
Trotz sinkender Geburlenzabl, trotz stark verminderter allgemeiner
Sterblichkeit hat die Säuglingssterblichkeit nur wenig abgenommen. Hierfür
sind die unverändert ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der ärmeren
Volksschichten verantwortlich zu machen. Viele dieser Frauen kOnnen ihre
Kinder nicht selbst stillen, obwohl sie es gern möchten, weil die Berufsarbeit
es nicht zuiäßt.
Die gesetzlichen Maßnahmen, die einen WOchnerinnenschutz bezwecken,
reichen nicht ans. Für Deutschland ist bereits mehrfach eine Erweiterung
dieser Bestimmungen, die einen großen Teil der Bevölkerung überhaupt nicht
zu gute kommen, beantragt worden. Allo Pläne scheitern aber an den enormen
Kosten. So würde z. B. eine staatliche Mutterachaftsversichorung nach den
Vorschlägen Prof. Mayets 276,4 Millionen kosten, während die Gesammtein-
nähme der deutschen Krankenversicherung nnr 228,8 Millionen beträgt
Kleinere Mltteilnnfen nnd Befemte nne Zeitsehrlften.
246
Dn auf Staatehilfe Torlinflg nicht an rechnen ist,~mafi TorlSnflg
Selbsthilfe für einen wirkeamen Mattereehatz eintretea. Von gemeinnützigen
Vereinen, Fabriken Verwaltungen etc. sind auch bereits Anfänge gemaät.
So z. B. der von Frau Kommerzienrat Heyl gegründete «Charlottenbo^er
Hauspflegererein“, das Stillprämiensystem der Stadt Freibarg i. B. und die
FirmenTereinigung zor Unterstützung von Wöchnerinnen in Mühlhausen L B.
Sehr viel wünschenswerter sind allerdings Einrichtungen, die nicht auf Wohl¬
tätigkeit beruhen, sondern die durch Beiträge der Versicherten unterhalten
werden und diesen ein Recht auf Unterstützung gewähren. Zweckmäßig ist
es, wenn dieser Einrichtung noch die private Wohltätigkeit zu Hilfe kommt
und so ein kombiniertes System, eine sog. Wohlfahrtseinrichtung zu Stande
kommt. Dieses System wäre für Deutschland das geeignetste.
Dr. Dohrn-Haanorer.
Die Slnglingssterbliehkelt in Htlnehen ln den Jahren 1896—1904
nnd der Einfluss der Wltternngsverhlltnlsse anf dieselbe. Von Walter
Fuerst in München. Deutsche Vierteljahrsschrift f. Offentl. Oesundheitspflege;
1907, Bd. 89, H. 8.
Der Arbeit zugrunde gelegt sind 42880 Todesfälle ln 10 Jahren. Die
Gesamtsterblicbkeit anf Lebend geborene berechnet betrug 26,4 */o. Der
günstigste Monat war der Februar, die ungünstigsten August und September.
Mit steigendem Lebensalter nimmt die Sterblichkeit ab, nur werden die Kinder
des 8. und 4. Lebens-Vierteljahres durch die Wintermonate erheblicher ge¬
fährdet, am meisten im 9. Monat. In den kalten Monaten Uberwiegen (Im
Gegensatz zu anderen Gegenden) die Todesfälle an Infektionskrankheiten
gegenüber den warmen sehr erheblich. Bin wesentlicher Einfluß der meteoro-
lo^chen Hauptfaktoren: Sonnenscheindauer, Barometerstand, rorherrschende
Windrichtung, Feachtigkeit der Luft, Niederschlagsmenge und Lnfttemperatur
konnte nicht festgestellt werden. Nur die Bodentemperatur (in 4 Faß Tiefe)
schien gewisse Beziehungen zu der Höhe der Sterbiichkeit zu haben, indem
mit niedrigster Bodentemperatur die höhere Zahl der Sterbefälle an Eespirations-
krankheiten, mit höchster die größte Zahl tödlicher Magen - Oarmkrankheiten
zusammenfleL Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Soziale Hygiene.
KUnisehe Beltrige zur Pathologie und Therapie der welbllehen
Sterilltftt. Von Ernst Fraenkel-Breslau. Volkmanns klinische Vorträge:
1907, Nr. 460/61.
Das 200 Fälle von weiblicher Sterilität umfassende Material setzt sich
zu */■ polnisch - russischen Jüdinnen und zu V* eus schlesischer Bevölke¬
rung zusammen. Unter den polnischen Jüdinnen war mangelhafte Entwicklung
der Geschlechtsorgane eine der häufigsten Ursachen der Sterilität. Die unter
dem Drucke sozialer Verhältnisse, der Verelendung und der Folgen vorzeitiger
Heirat vorgeschrittene Degeneration dieses Volkes läßt es zur Entwicklang
kräftiger, fortpflansungsfähiger Frauen nicht kommen. Auch die Folgeznstände
fieberhafter Wochenbetten machen sich als Ursache der Sterilität vielfach
geltend.
In einem Drittel der Fälle lag die Schuld an dem Ehemann. Gonorrhoe
oder gonorrhoische Nachkrankheiten spielten hier die Hauptrolle Dennoch ist
Verfasser (ebenso wie Erb) der Ansicht, daß die Bedentnng des Trippers für
die Gesundheit der Ehefrauen und die Volksvermehrnng überschätzt werde.
Dr. Dohrn-Hannover.
Ueber die Notwendigkeit eines hratenlschen Museums. Von S. Hiy ake.
Nippau-Eiseigakkwai-Zasshi; Bd. III, Heft 2—8.
Der Verfasser spricht sich über die Notwendigkeit des hygienischen
Museums folgendermaßen aus: Die Vergrößerung und VervoUständignng eines
hygienischen Museums in Tokio ist gegenwärtig sehr notwendig, damit dem
Publikum hygienische Gedanken eingeflößt werden, und dadurch alle hygienischeu
Einrichtungen leichter ins Werk gesetzt werden können.
Dr. Oshida-Tokio s. Z. Berlin.
246
Kleinere Mitteilnngen and Sefente aae Zeitschriften.
ToUuhjglenlsehe WelhBMhtegtdankeB. Von Dr. E. Beerwald
Bluter für Volksgesondheitspflege; 1907, Nr. 12.
Keine onwabreren Begriffe sind jemals gepr>, niemals die Moral mehr
BOgi Deckmantel geiler Losteruheit and tiefste ünmoral benatzt worden, als
in dem Anspruch auf das sogenannte Aasleben des Individiams and das
Beoht auf Liebe. Jenes geforderte Recht aaf Liebe bat nichts mit dieser
wahren Liebe za tan, es ist einfach das brutale Verlangen der Wollust. Aber
aaoh jenen Persönlichkeiten — leider fast mehr Frauen als Minner — kann
nicht beigepflichtet werden, die fttr das Recht aaf die Mutterschaft and die
sdzaelle Belehrung der Jagend als Notwendigkeit eintreten. Unter allen diesen
und ibnlichen Forderungen scheint dem Verfasser nur eine einzige berechtigt,
nämlich, daß die allgemeine Anscbaaang sich in bezug auf die Illegitimität
des Kindes ändere. Hier bestehen in der Tat Ungerechtigkeit und unnatOrliche
Härte. Qani besonders bedarf die Jagend des Schatzes vor den heutigen
Irrlehren, and ihre Reinheit mit schmutziger Hand za berühren, die Kinder
über sexuelle Dinge za belehren, möchte Verfasser direkt als einen schweren
Fehler bezeichnen. Welche Graosamkeit wäre es non, wenn man die kindliche
Naivität za früh zerstören würde, wenn man die heimliche, schüchterne For¬
schung des Kindes ans Tageslicht zerrte und mit einem Haie das ungewohnte
Aoge ein Licht der Aafklärang blicken ließe, welches blenden and verwirren
maß. Welche Qraasamkeit ist es auch anderseits, von einer Matter za ver¬
langen, daß sie ihrem Kinde Tatsachen schildern und Erklärungen geben
BolC durch welche ihr eigenes keusches Empfinden nur za leicht verletzt wird.
— Die Befürchtung ist ferner nicht unbegründet, daß die Aafklärong häufig
zu dem anrogen wird, was sie verhüten soll, da ja der Forsebungstrieb der
jungen Menschen gerade in diesen Dingen ein sehr starker ist. Als Resultat von
Vererbung und Fehlern in der Erziehung schlummert in manchen Menschen dn
häßlicher Keim, der nicht erwacht und nicht zur verherrenden Flamme wird,
wenn kein ihn belebender Windhauch über ihn herzieht, und die Häufung von
gleichen Verbrechen zu bestimmten Zeiten als Folge des Nachahmungstriebes bei
ähnlicher Veranlagung ist dem Psychologen längst bekannt. Im Interesse der
Volksgesundheit ist daher die Frage voll berechtigt, ob solchen scheinbar last
mit Liebe gebrachten DetaildarsteUungen von Gerichtsverhandlungen durch die
Presse nicht irgendwie entgegengetreten werden kann, ohne daß dadurch die
Freiheit der Presse beschränkt werden soll. — Es läßt sich leider nicht
leugnen, daß das bisherige Schweigen auf anderer Seite durch die gekenn-
zeiäneten Afterpropbeten die sexuelle Frage in unserem öffentlichen Leben eine
Breite hat gewinnen lassen, welche auch unser Kunstleben — nicht zu seinem
Vorteil — beeinflußt hat. Dazu kommt in unseren Großstädten für den ein¬
zelnen die Verführung, welche die Prostitution in das Straßenlebcn hineinträgt.
Was in den vorstehenden Ausführungen mit kurzen Worten erwähnt wurde,
wird doch trotz seiner Kürze und Unvollkommenheit einen Beweis dafür er¬
bringen, in welcher furchtbaren Weise der Sexualismus häßlichster Form
unser öffentliches Leben zu beherrschen beginnt, wie er mit gleißnerischen
Worten die Unmoral zur Moral zu verdrehen sucht, und wie er täglich mehr
zn einer Leibesgefahr für unser Volk wird. Dr. W o 1 f • Marburg.
Zar Reform der sozialen Gesetzgebnng« Von Prof. Dr. Rumpf.
Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 2.
Verfasser faßt seine Ausführungen in folgenden Leitsätzen zusammea:
1. Die Krankenkassen werden möglichst zu größeren, leistungsfähigeres
Verbänden vereinigt. Da ein Ansteigen der Krankenkosten unvermeidlich ist,
empfiehlt es sich, Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte der Kosten her-
anzuziehen. Der Vorsitz in der Krankenkasse erfolgt durch Wahl und event.
umschichtigen Vorsitz. Die Betriebskrankenkassen verbleiben, sobald die Zahl
der Mitglieder 500 beträgt. Die Krankenkassen übernehmen eventuell auch die
Einziehung der Invalidcnversicherungslciträge.
2. Die Unfallversicherung verbleibt in bisheriger Form. Doch finden
auch hier Vereinigungen verwandter Industrien nach Möglichkeit statt. Kleine
Verbesserungen bezüglich Rühens der Renten, Berücksichtigung des FamUieii-
stande^ leichtere Kapitalablösung, Möglichkeit der Entziehung ungerechtfer¬
tigter Renten usw. sind erwünscht. Der dringenden Erwägung sei anhefmge-
Kldnero Hittdlangen and Referate aus Zelt8chtift«i.
247
stellt, ob nicht auch die Arbeitnehmer za den Kosten der ünfallrersicherong
herangesogen werden.
8. Die Altersrersicherang beg^nt mit dem Antritt des 66. Jahres. Die
InTaiidenrersicherang erfolgt wie seither, doch tragen die Gemeinden za den
Kosten der InTalideoTersicWang 80 bis bO*/o bei. Ausnahmen nach yer-
schiedener Bicbtong därften allerdings za amgehen sein. Die Fttrsorgebe*
strebangen gegen Antreten der Invalidität werden in seitheriger, dankenswerter
Weise weiter geführt.
4. Als gemeinschaftliches Organ aller drei Yersicherangen wird in einem
Bezirk bestimmter GrOße (Kreis), am besten in Anlehnung an die erweiterte
Krankenkasse ein Yersicherangsamt, (nötigenfalls mit kleineren zerstreuten
Agenturen) geschaffen. In diesem Yersicherangsamt, in welchem ein Arzt
selbstständig tätig ist, laafen alle Meldangen ttöer Erkrankung, Unfall, InTa>
lidität zusammen. Yon hier aus erfolgen schleunige Ermittelangen, Berichte
an die betreffenden Stellen, Kontrolle der Rentenempfänger in bezug auf Un¬
fall, Inralidität eventuell auf Krankheit. Dieses Yersicherangsamt (Agentur)
dient gleichzeitig als Ankunftsstelle fttr das Publikum. kann auch zur
Stelle der Arbeitsrermittelung und neuer Aufgaben erweitert werden.
Die Kosten des Yersläerungsamtes werden auf die 8 Yersicherangen
nach einem in der Folge zu ermittelnden Modus verteilt. Die Krankenkassen
als lokale Instanzen können veranlaßt werden, die Räume für das Yersicherungs-
amt zu schaffen. Dr. Dohrn‘Hannover.
Die zozlale Wertung des Aerztestandes. Yon Kreisassistenzarzt
Dr. Liebetrau. Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, H. 8.
L. behauptet, daß die sozisde Wertung des Aerztestandes durchaus nicht
mit seiner wissenschafdichen Entwicklung und mit seiner gesteigerten Volks*
wirtschaftlichen Bedeutung gleichen Schritt gehalten habe. Die Ursache dieser
Ersdieinung liegt in dem übertriebenen Erwerbshunger, der wenig idealen
Bernfsauffassung und der mangelnden Kinderstube eines Teiles der Aerzte etc.
Eine Hebung des sozialen Ansehens des ärztlichen Standes ist nur durch
Wiederbelebung des geschwundenen Idealismus und durch Mitarbeit jedes ein*
seinen an der sozialen Arbeit zu erwarten, auch ohne daß jede Einzelleistung
mit barer Münze bezahlt wird! Dr. Dohrn*Hannover.
Statistik.
Die Ergebnisse des Impfgeschlfts im Deutschen Reiche für das
Jahr 1906. Zusammengestellt aus den Mitteilungen der Bundesregierungen.
Berichterstatter: Reg.*Eat Dr. Broger. Medizinal'Statistischo Mitteilungen
aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt (Beihefte zu den Yeröffentlicbungen des
K G.-A.); elfter Band, erstes Heft. Berlin 1907. Yerlag von J. Springer.
Zur Erstimpfung waren vorzustellen 1868819 Kinder = 8,18*/o der
mittleren Bevölkerung, gegen 8,26*/, im Yorjahre. Hiervon wurden von der
Impfung befreit:
a) weil sie die natürlichen Pocken überstanden hatten. 89
b) weil sie bereits L Y. als m. E. geimpft eingetragen waren . . 67 664
c) weil sie bereits im vorhergehenden Jahre m. E. geimpft, aber
erst im Berichtsjahre zur Nachschau erschienen waren . . . 8574
Yon den impfpflicbtig gebliebenen 1787002 Kindern wurden geimpft:
^ mit Erfolg: 1609484, b) ohne Erfolg: 64127, c) mit unbekanntem
Erfolg: 2886.
Yon je 100 geimpften Erstimpflingen wurden mit Erfolg
geimpft: 96,86 (L Y. 97,10). Am günstigsten waren die Erfolge in Oberfranken
(99,58 **/o), am schlechtesten in dem Reg.-Bez. Minden (89,80 ^.q) und Wiesbaden
(88.66 **/«). Im ganzen Reiche entfielen auf je 100 ausgeführte Erstimpfungen
3,46 ohne Erfolg — gegen 2,69 i. Y. — Es blieben ungeimpft, w^:
a) auf Grund ärztlicher Zeugnisse vorläufig zurückgestellt: . . . 167997
b) nicht aufzufinden, oder zufällig ortsabwesend: . 16046
c) vorschriftswidrig der Impfung entzogen. 86260
248
Klebore MittefloBgea und Eefnrate ans ZeiUehTlften.
Die meisten BrsÜmpfpflichtigen worden anl Grund Irztlicher
Atteste zorflckgestellt in Schwarzbarg«Badolstadt (21,04<*/,), die wenigsten
im Fftrstentam Lübeck (2.61*’/,). Die meisten vorschriftswidrigen Ent*
ziehnngen fanden im Beg.*Bez. Msgdebnrg (10,90**/,) statt; in Scnanmbarg*
Lippe kamen keine Entziehangen vor. Hinsichtlich der Art des benntzten
Impfstoffes geht ans den Berichten hervor, daß mit a) MenschenJymphe: 114,
b) Tierlympbe: 1578 714, c) Lymphe nicht näher bezeichneter Art: Impfangen
aosgefühit worden.
Za Wiederimpfangen waren 1818070 = 2,22**/, der mittleren Be-
vOlkerong vorzostellen (i. V.: 2,27**/,). Von diesen wurden von der Impfang
befreit:
a) weil sie während der vorhergehenden 6 Jahre die natflrlichen
Pocken ftberstanden hatten. 58
b) weil sie während der letzten 5 Jahre mit Erfolg getanpft waren 6925
Von den 1811078 wiederimpfpflichtig gebliebenen Kindern
worden a) mit Erfolg: 1189866, b) ohne Erfolg: 88286, c) mit an*
bekanntem Erfolg weil nicht sor Nachschau erschienen: 1198 geimpft.
Von je 100 vorgenommenen Wiederimpfungen ^^ren er¬
folgreich: 92,97. Die höchsten Erfolgziffem worden ermittelt in Mittel-
franken (99,88), die niedrigsten in Wiesbaden (75,95°/,).
Es blieben an geimpft:
a) weil aaf Grand ärztlicher Zeugnisse vorläufig znrttckgestellt: 17489
b) weil nicht aafznfinden osw. 29^
c) weU vorschriftswidrig der Impfang entzogen. 5810
d) wegen AalhOrens des Besuchs einer die Impfpfiicht bedingenden
Lehranstalt. 5 988
Die meisten vorläufigen Befreiungen auf Grand ärztlicher
Zeugnisse kamen in Hamborg (5,07**/,) vor, die wenigsten in Dresden nnd
Schaambarg-Lippe (Je 0,69**/,). Vorschriftswidrig entzogen worden der
Impfang im ganzen 0,41**/,), die meisten in Bremen (8,28**/,); im Schwarzwald-
kreise and in Schaambarg «Lippe kamen flberhaapt keine Entziehangen vor.
Von den Wiederimpfangen worden vollzogen mit a) Menschenlymphe: 1, b) Üer-
lymphe: 1280518, c) Lymphe nicht näher bezeichneter Art: 246.
Als Impfärzte waren vorzugsweise beamtete Aerzte tätig, nur in
Waldeck, MecUenbarg • Schwerin, Lttbeck nnd Bremen worden die uupfongen
von nicht beamteten Aerzten vorgenommen.
Unter den zahlreichen Formen der Impfinstrnmente wurde der Platin-
ridiamlanzette im allgemeinen der Vorzug gegeben; die gewöhnliche Impf-
lansette wurde nur noch in Sachsen, den beiden Mecklenburg und in Brann-
schweig verwendet. Die Zahl der Schnitte, von denen 4 seichte nach den
Vorschriften genügen, wurde von vielen Impfärzten, namentlich Privatärzten,
eigenmächtig erhöht — bis auf 9 — and verringert. Die Beinignng der
Impfstelle wurde in 9 bayerischen Bezirken, sowie in Lippe und einigen hessi¬
schen Kreisen aaf alle Impflinge ausgedehnt, im übrigen erfolgt sie nur aaf
Bedarf. Aaf die schädliche Wirkung der Schatzverbände der Impfstelle wdst
erneut der bayerische Oberimpfarzt hin. Eine aaffallend scWache Wirkung
des Impfstoffs warde bei der Berliner Lymphe in den Beg.«Bez. Potsdam and
Frankfurt a. 0., bei der ans Hannover bezogenen in meberen Bezirken des
Beg.-Bez. Schleswig, bei der Cosseler Lymphe in den Beg.-Bez. Minden, Münster,
Cassel and Wiesbaden wahrgenommen. Ein Widerstand gegen das Impf«
f esetz kam in einzelnen Fällen vor, namentlich in Wörishofen. Bei STodes-
ällen nach der Impfang bestand ein gewisser Zusammenhang zwischen
Impfang and Erkrankang. Viermal handelte es sich am generiüisiertes Vakzin«
ekzem, je einmal um Wandrose, Blatvergiftang, ausgehend von den Pusteln,
septische Herzklappenentzündang. Endlich wurde eine tödliche Uebertragong
des Impfstoffes aaf ein, an einem nässenden Ausschläge leidendes, nicht ge¬
impftes Kind beobachtet. In zirka 43 weiteren Todesfälen, die in zeitlichem
Aiuchlaß an die Impfang erfolgten, lag ein Grand zur Annahme eines Ab¬
hängigkeitsverhältnisses von der Impfang nicht vor. Zahlreich waren die
Erkrankungen, welche mit der Impfang in einer ursächlichen Besiehnzg
standen, aber stets einen günstigen Aasgang nahmen. Dieselben betrafen
Besprechungen.
249
frtthroUau^ SpEtrotlanf, Eiterung des Uaterhautzellgewebes, YersohwOrung
und brandige Beschaffenheit der Pusteln^ postTakzinde Exantheme der yer-
schiedeneten Art naw. Dr. Bost-Budolstadt.
Der Gang der Sterbllehkeit in Frankfurt a« M. rom Mittelalter bis
rar Mitte des 19. Jahrhunderts. Von Dr. med. Hanauer*Fraoklnrt a. M.
Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 4.
Selbst an der Hand relativ genauer Aufzeichnungen, wie sie In Frank*
fnrt von jeher gemacht wurden, ist es schwer, ein ungefähres Bild über den
Gftng der Sterblichkeit in früheren Jahrhunderten zu bekommen. Die großen
Senäenzhge ließen die Sterblicbkeitskurye bald mehr, bald minder empor-
Bchnellen, ohne sie längere Zeit auf ruhiger Ebene zu lassen. So starb gegen
daa Jahr 1440 in mauchen Pestjahren allein ein Viertel bis ein Drittel der
BerSlkerung. Die Kindersterblichkeit soll damals schon sehr hoch gewesen
sein, so daß von einem Dutzend Emder nnr einzelne die Mannbarkeit erreichten.
Auch gegen das 16.—18. Jahrhundert waren die Schwankungen der Sterblich-
keitskurre noch recht erheblich. Für die Zeit von 1550—1700 wird die Sterb*
lichkeit auf 44,7 p. M. geschätzt, während sie heutzntage nnr 16,8 p. M. be*
trägt. Eine sdinelle Abnahme der Sterblichkeit ist seit IbOO zu verzeichnen
Sie ging in 60 Jahren von 28,8 p. M. auf 16,8 herab und ist seitdem ziem-
Udi auf der gleichen Hübe geblieben. Dr. Dohrtl •Hannover.
Besprechungen.
Dr. IKayw, Privatdozent, München und Prof. Dr. Boeder •München: Atlu
der kllnlsoben Mtkroskople des Blutes. 2. Auflage. München 1907.
' Verlag von F. C. W. Vogel. El. 4**; 44 Textseiten mit 16 Tafeln.
Die 2. Auflage, die den Fortschritten der klinischen Mikroskopie Bechnung
trägt, bringt nebst einer kurzen technischen Vorbemerkung 16 Tafeln, von
denen jede mit einem kurzen erläuternden Text versehen ist. Die einzelnen
Abbildungen sind ganz vorzüglich, ihre Ausführung ist wirklich hervorragend.
Der Atlas eignet sich besonders zu ünterrichtszwecken. Bpd.
Fref. Dr. Lenhertz-Hamburg: Idlkroskopie und Chemie em Eren*
kenbett. 5. wesentlich umgearbvitete Auflage. Mit 58 Textßguren und
4 Tafeln in Farbendruck. Berlin 1907. Verlag von J. Springer. El.8**;
406 Seiten.
Das vorliegende Buch ist an dieser Stelle schon bei den früheren Auf*
lagen eingehend besprochen und sein großer Wert hervorgeboben worden. Die
neue Auflage hat durch Berücksichtigung der neueren Fornchnngsergebnbse
erheblich an Wert gewonnen. Nene Färbungs* und üntersnchun^methoden
sind aufgenommen, die Abbildungen sind vermehrt und eine neue Farbentafel
hinzugefügt, auf der unter anderen die Spirochaete pallida und die Trypano*
Bomen berücksichtigt sind. Im übrigen ist die Einteiinng des Stoffes dieselbe
geblieben. Bpd.
Dr. Eenftnenn - Zürich: Handbuch der Unfallmedlsln. Unter Be*
rücksichtigong der deutschen, österreichischen, schweizerischen und franzö*
sischen Arbeiter* und der privaten Unfallversicherung. Dritte neubearbeitete
Auflage des Handbuches der Unfall Verletzungen. L Hälfte: Allgemeiner
Teil. — Unfall Verletzungen. Stuttgart 1907. Verlag von F. Enke. Gr. 8^;
560 S., Preis: geh. 14 M.
Dia dritte Auflage des Handbuches der Unfallverletzungen, die unter
dem neuen Titel: Handbuch der Unfailmedizin in der 1 Hälfte heute vorliegt,
ist wesentlich umfang* und inhaltsreicher geworden. Zu den deutschen,
österreichischen und schweizerischen Unfallversicherungen, die in der letzten
Auflage Berücksichtigung fanden, ist jetzt noch die franzOsiche Arbeiter* und
die private Unfallversicherung gekommen. Das Werk Ist jetzt zu einem Lehr*
buch für den akademischen Unterricht umgestaltet und hat dadurch etnige
formale Aeaderungen erfahren, ohne an Wert zu verlieren. Es zerfällt ln
zwei Teile. Det erste, der allgemeine Teil, behandelt die Begriffsbestimmung
250
BesprechnngeiL
and Abgrenzong des UniaUs, die Leistnnmn der Versicheningen, die ÜBter>
sachnng and Begatschtong der ünfaHlolgen sowie des betiügerische Ver¬
halten Yon Versicherten. Im zweiten Teil sind die OnfallYerletzongen erOrtert
mit besonderer Beracksichtigong ihrer Fol^n in bezug auf die Erwerbsfähig¬
keit und der wichtigsten gerichtlichen Entscheidungen der Terschiedenen
Länder. Eine reichhaltige Easnistik trägt wesentlich zum besseren Ver¬
ständnis beL Der gewaltige Stoff ist in klarer, sachlicher Weise bearbeitet.
Was den Irflheren Auflagen schon rlUunenswertes nachgesagt ist, ^t Yon
der Yorliegenden in noch höherem Maße. Bpd.
Dr. Pietndkownkl-Prag: Dl« Begutaohtong derUnflallTerletBimgeii.
Leitfaden zur Unterauäung und Beurteilung UnfallYerletzter nebst Zu-
sammenstellang der häufigsten Verletzungen und deren Folgezuständen.
Verlag von Fischers medizinischer BucUiandlang, H. Kornfeld. 8**.
A) Al^emeiner Teil. 238 S., Preis: 4,50 M. B) Besonderer TeU. Berlin
IWI. 706 8., Preis: 13 M.
Das speziell für die Österreichischen Aerste geschriebene Werk brinut
in seinem allgemeinen Teil zuerst die gesetzlichen Bestimmungen über £e
UnLülYeraicherung in Oesterreich. Dann folgt ein Abschnitt über die Mit¬
wirkung des Arztes bei der Ausführung des UnfallYersichernngsgesetzes;
schließUch wird die Definition des Unfalls im allgemeinen und des Betriebs¬
unfalls im speziellen und dann der Zusammenhang zwischen Unfall und
Krankheit besprochen. Im speziellen Teil behandelt Verhmser zuerst die
Untersuchung und Aufnahme des Befundes bei UnfaUYerletzten im allgemebien,
dann die Begutachtung der UnfaUYerletzten und schUeßlich in einzelnen Ka¬
piteln die KOrpetYerletzungen und deren Folgen im besonderen. Beide Teile
Yerraten überaU die große Sachkenntnis und Erfahrung des Verfassers; sein
Werk ist zwar in erster Linie für den Österreichischen Arzt geschneben,
gledchwohl wird es auch den Aerzten anderer Eulturstaaten willkommen sein,
um ihre Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der UnfaUrendcherung
zu ergänzen und zu erweitern sowie neue Anregung daraus zu bekommen.
_ Bpd.
XiirtK, Amtsgeriehtsrat, Düsseldorf: Die Unterettohongen Ton EOrper-
Terletsungen, Inabeeondere der tOdliohen. ZusammensteUung der
hierauf bezügUchen gesetzUchen und Verwaltungs - Bestimmungen ein-
schUeßlich der neuesten Vorschriften über Leichen-Untersuchungen zum
praktischen Gebrauch für Gerichts- imd Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften
und GerichtsärZkS. Düsseldorf 1906. Verlag Yon L. Schwann. KL 8%
189 S. Preis: geb. 1,80 Mark.
Der erste Abschnitt des Baches ist den gesetzUchen Bestimmungen (Stral-
prozeßordnung, Militärstrafgerichtsordnung und Strafgesetzbuch) gewidmet,
denen in Anmerkungen die nötigen Erläuterungen beigefügt sind. Der zweite
Abschnitt behandelt die Vorschriften für das Verfahren der Gerichtsärzte bei den
gerichtUchen Untersuchungen menschUcherLeichen Yom 4. Jan. 1905, wobei in den
Anmerkungen auf die Abweichungen Yon dem früheren Beg^atiY Yom 18. Febr.
1875 hingewiesen wird. Der dritte Abschnitt bringt Beispiele für die Praxis.
Als Anhang finden sich die Gebühren- und Beisekosten-Vorschriften. Bpd.
AentUolie Reohtskimde. 12 Vorträge, gehalten Yon Geh. Sanitäts-Bat
Dr. Aschenborn-Berlin, Geh. Beg.- und Med.-Bat Dr. Dietrich-Berlin,
Prof. Dr. Florschütz-Gotha, Geb. Justiz-Bat Dr. Hellwig-Berlin, Geh.
Med.-Bat Prof. Dr. Jolly-Berlin, Geh. Ober-Med.-Bat Prof. Dr. Kirchner-
Berlin, Geh. Jostiz-Bat Prof. Dr. Yon Liszt-Berlin, Dr. Moll-Berlin,
Dr. Mugdan-BerUn^ Beg.-und Geh. Med.-Bat Dr. Both-Potsdam, Geh.
Ober-Med.-Bat Dr. Pistor-Berlin. Heraasgegeben Yom Zentralkomitee für
das ärztUche FortbUdungHwesen in Preußen, in dessen Aufträge redigiert Yon
Prof. Dr. Kühner. Jena 1907. Verlag Yon G. Fischer. 8^, 401 8.
Preis: geh. 6 M., geb. 7 Mark.
Um den Ansprüchen und Anforderungen der Jetztzeit genügen zu können,
besonders um sich nicht unwissentUch irgendwelchen strafbaren Handlangen
schuldig zu machen, anderseits aber, um ungerechten Anforderungen ge-
BoBprcchungen.
251
bahrend entgegentreten za können, moB jeder Arzt in der ärztlichen Bechti-
kande bewandert sein. In 12 Terschiedenen Vorträ^n wird diezee wichtige
Gebiet kurz und bündig behandelt. Die einzelnen Vorträge sind in flotter,
leicht verständlicher Weise geschrieben and enthalten alles Wissenswerte; ihr
Wert wird durch eingeflochtene Beispiele noch erhöht. Größere rein wissen*
schaftliche Erörterungen sind vermieden; es wird nur das lür das Verständnis
unbedingt Notwendige gebracht. Die Vorträge werden dem praktischen Arzt
und ärztÜehen Sachverständigen büchst willkommen sein. Bpd.
ProB Dr. Kirohnur, Geh. Ober*Med.*Bat, Berlin: Die geaetsllohea Grund*
legen der Seaohenbekflmpfung Im Deataohen Reloli unter be*
eonderer Berflokalobtlgung Preuaaens. Festschrift für den XIV. Inter*
nationalen Kongreß für Hygiene and Demographie, dargeboten von dem
pnußischen Minister der geistlichen nsw. Angelegenheiten. Jena 1907.
Verlag von G. Fischer. 8**, 885 S. Preis: geh. 5M., geb. 6M.
I^ch einer kurzen Einleitung über die Entwicklnng der Senchengesetz*
gebung, speziell im Deutschen Beiche und in Preußen, werden die jetzt gültigen
Gesetze, das Beichsgesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefUirlicher
Krankheiten, vom 80. Juni 1900 und das preußische Gesetz, betreffend die Be¬
kämpfung übertragbarer Krankheiten, vom 28. August 1905 in einzelnen Ab¬
schnitten: Anseigepflicht, Ermittelung der Krankheit, Schutzmaßregeln, Ent¬
schädigungen, allgemeine Vorschriften (Vorbeugungsmaßregeln, Verfahren und
BehördiBn, Kosten, Pflicht der Bundesstaaten gegenseitiger Unterstützung usw.)
und Strafvorschriften eingehend erläutert. Den betreffenden Abschnitten bezw.
Kapiteln sind in Fettdruck die einschlägigen Bestimmungen des Beichsgesetzes,
des Preußischen und des Braunschweigischen Senchengesetzes vorgedmckt und
die Preußischen Ansführungsbestimmungen in Kleindruck beigefügt, eine für
den praktischen Gebrauch des Buches sehr zweckmäßige Anordnung. In den
Erläuternden werden wohl alle Fragen berührt, deren Beantwortung den be¬
teiligten Kreisen erwünscht sein dürfte; vor allem kommen in ihnen die
Ziele und Erwägungen klar zum Ausdn»^ die für den Gesetzgeber bei dem
Erlaß der Gesetze maßgebend gewesen sind, und deren Kenntnis die Vor¬
bedingung für ihre richtige Handhabung bildet. Verfasser, der bei der Aus¬
übung jener Gesetze in hervorragender Weise beteiligt gewesen ist und sidi
hierbei große Verdienste erworben hat, war jedenfalls mehr denn jeder andere
geeipiet, uns mit ihrem Geiste und ihren Absichten vertrant zu machen; daß
er sich dieser Anf|;abe unterzogen und sie in so vorzüglicher Weise gelöst
hat, dafür werden ihm alle diejenigen, die im Dienste der Seuchenbekämpfnng
stehen, zu großem Danke verpflichtet sein. Sein Kommentar stellt sich als ein
absolut zuverlässiger und deshalb nicht zu entbehrender Batgeber auf diesem
schwierigen Gebiete dar; er kann deshalb sowohl Medizioalbeamten und
Aerzten, als Verwaltungsbehörden aufs wärmste empfohlen werden. Je mehr
sie sieh in seinem Inhalte vertiefen, desto mehr werden sie auch die großen
Fortschritte erkennen und schätzen lernen, die dnrch die neue Gesetzgebung in
bezug auf die Seuchenbekämpfung erreicht ist, trotz der mannigfachen Mängel,
die ihr noch anhaften und hauptsächlich auf eine zu große Bücksichtnahme
der gesetzgebenden Körperschaften auf den Einzelnen zum Schaden des All-
gememwohu zurückzuführen sind.
Im Anhang sind nicht bloß die betreffenden Gesetze und Ansführnngs-
bestimmnogen im Wortlaut wiedergegeben, sondern audi die einschlägigen
Bestimmungen in den übrigen Bundesstaaten berücksichtigt. Durch ein sehr
ausführliches Sachregister wird außerdem das Nachschlagen und damit die
nduelle Information außerordentlich erleichtert. Bpd.
Dr. Behneider, Med.-Bat in Breslau: Dan preanelaolie Gesets, betr.
die BekAmpfting tlbertregbarer Krankheiten, vom S8. Angnst
1906 nnd die AasfOhrangs-Bestlniinnngen dann ln der Fassung
TOm 16. September 1906, nebst dem Text des Relohsgesetaes,
betreffend die Bekftmpfting gemelngeflhrlloher Krankheiten,
TOm 80. Juni 1800. Breslau 1907. Verlag von J. ü. Kern. Kl. 8**,
280 8. Preis; geb. 6Mark.
Das vorliegende Buch soll denjenigen, die mit der Bekämpfung der
252
Besprechoogen.
lofektioDskrukheiteD sa tan haben, die Handhabong der gesetzliehen
Bestimmungen erleichtern. Nach einer allg<>meinen üeberoicht Aber die
Entstehaog und den Inhalt des Gesetzes, geht Verfasser aal die Besprechnng
der beiden Gesetze selbst Aber, deren Wortlaut in recht praktischer Weise
derart wiedergegeben ist, daß auf der linken Seite des Baches der Text des
preußischen Gesetzes, auf der rechten der des Beichsgesetses und der Aus-
iAhrungs • Bestimmungen steht. Die wichtigsten Vorsdiriften der 8onderan>
Weisungen yom 10. Aagnst 1906 Aber die Bekämpfang von Diphtherie, Ge-
lückstarre, Eindbettfieber, KQrnerkrankheit, Bohr, Scharlach, Typhus, Milz¬
brand, Botz, sowie die sonstigen einschlägigen Bestimmungen und Ministerial-
Erlasse sind in Anmerkung beigefOgt. In einem Anhänge werden die Vor-
sebnften Aber Entnahme und Versendung yon Material für die bakteriologische
Untersuchung, die Batschläge an Aerzte für die Bekämpfung der yerschie-
denen Infektionskrankheiten und gemeinyerständliche Belehrungen zur Ver¬
breitung an die Bevölkerung gebracht. Die Anordnung des Stoffes ist recht
klar, so daß das zum praktischen Gebrauch sehr geeignete Buch sowohl Me¬
dizinalbeamten und Aerzten, ab Verwaltungsbeamten und Polizeibehörden
warm empfohlen werden kann. Bpd.
Dr. KnefkA- Berlin-Lindenau: Haadbuoh den Abdeokerelveaaas, be-
arbettat für Yemraltaags- und KommanalbehördeB, Saalt&ts-,
Yeterln&r- und Qeverbeaaftlohtabeaznte. Mit 90 Textabbildungen.
Berlin 1906. Verlag von P. Parey. Gr. 8*; Preb: geb. 15 M.
Verfasser bespricht nach einer kurzen Einleitung und geschichtlichen
Abhandlung zuerst die Abdeckereiprivilegien und die alten Verfahren zur Be¬
seitigung und Ausnutzung der Tierkadaver. Daran schließt sich eb kurzer
Abschnitt Aber die Menge des zu beseitigenden Eadayermaterials, dem Abhand¬
lungen Aber die verschiedenen Beseitigungsverfahren und zwar der ohne und
mit Ausnutzung dor im Kadarermaterial enthaltenen Wertstoffe, Aber die beim
thermochemischen Verfahren gewonnenen Produkte, Aber die Anlage von
thermochemischen Vernicbtungsaustalien -usw folgen. In kurzen Abschnitten
werden hierauf Anzeigepfliebt für gefallenes Vieh, Transport mit tierischen
Kadavern, Tötung kranker Haustiere, Hundefang, Abwasser, Verwaltung
und Beaufsichtigung der Abdeckereien behandelt und im Anschluß hieran
die auf das Abdeckereiwesen bezugnehmenden deutschen Beichsgesetze,
die Einrichtung yon Verbands- und Kreisabdeckereien, von Vernichtnngsan-
lagen in Verbiudung mit städtischen Schlachtböfeu und yon Nebenbetrieben
zur Beseitigung und Ausnutzung sonstiger Schlachthofabfälle erörtert. Den
Schluß bildet eine Schilderung über den gegenwärtigen Stand des Abdeckerei-
wesens im Deutschen Beiche. Das Werk zeichnet sich sowohl durch Aher-
sichtliche Anordnung, als völlig erschöpfende Darstellung des Stoffes aus und
gewährt einen vorzüglichen Ueberblick über das ganze Abdeckereiwesen.
_ Bpd.
Dr. ZiAbbin, Chemiker, und Dr. Baiui, Bechtsanwalt, Berlin: Deatsohes
Nahmngsznlttelreoht für Jarleten, Medlslner, Chemiker und
Qeverbetrelbende. I. Teil. Handba<‘h des Nahrungsmittelrechts von
Dr.Lebbin und Dr. Baum. Berlin 1907. Verlag von J. Guttonherg.
Gr. 12**, 555 Seiten. II. Teil: Amtliche Untersuchungsmethoden für Chemiker
von Dr. Lebbin. Berlin 1907. Verlag J. Gattentag. Gr. 12**, 224 8.
Der I. Teil enthält eine systematische Bearbeitung des Nahmngsmittel-
wesens. Zuerst werden die allgemeinen Verhältnisse des Nahrungsmittel-
rechtes besprochen, wie Gewerberecht der Nahrnngsmittclbetriebe, Nabrungs-
mittelstrafrecht und andere. Dann werden die Begriffe des Nahrnngs-
mittelgesetzes genau definiert: Begriff des Nahrungs- und Genußmittels,
des Vertriebes und der Verwendung, des Verfälschens, der Zubereitung
und Frische usw. In einem dritten Abschnitt, der systematisches Nah-
rungsmittelrecht betitelt ist, werden die einzelnen Nahrungsmittel genau
durchgesprochen. In einem Anhang sind die verschiedenen einschlägigen Ge¬
setze aufgefdbrt. Den einzelnen Kapiteln sind zur Erläuterung und Ver¬
ständnis einschlägige Entscheidungen des Beichsgcrichts Wgefügt. Das Buch
Besprecbuogea.
^ö3
ist klar oad kickt Tdrstäadlick geschrieben; es enthalt für die Interessenten
allee Wissenswerte nnd wird daher ein guter und sicherer Batgeber sein.
Der IL Teil bringt neben allen tod der Beichsregierung in benag auf
die Nahraogdmittelgesetzgebang festgesetzten Untersucbangsmethoden nach
dk die Nahrongsmittelantersachang betreffenden Vorschriften der Zoll- and
Steaerbebörden. Der Inhalt ist knapp and sachlich seiner Bestimmang gemäß
gehalten, längere wissenschaftliche Erörterungen sind vermieden, lediglich die
Art and Weise der Untersachangsmethoden wird besprochen, diese aber auch
erschöpfend. Bei dem sehr handlichen Format wird dieser Teil speziell dem
Nahrangsmittelchemiker sehr willkonjinen sein. &pd.
J. mndM-Wien: Maaaale der nnaeii JärsneimlUel fttr Apotheker,
Aerste und Drogisten. 5. neabearheitete Auflage. Leipzig 1907. Ver¬
lag von F. Deuticko. 12**; 586 8, Preis: geb. 10 M.
Bei der ungeheueren, ständig wachsenden llenge unserer neueren Arznei¬
mittel ist ein derartiges Nachschlagebuch fttr den Arzt resp. Apotheker unbe-
dkgt erforderlich. Daß das Buch einem Bedürfnis entspricht, zeigt die Not¬
wendigkeit einer fttnften Auflage. Die einzelnen Arzneimittel sind alphabetisch
geordnet und bei jedem kurz die Zusammenzetzung, Anwendung und Art der
Herstellung usw. angegeben. Wichtigere Arzneimittel sind etwas auRftthrlicher
behandelt; bei ihnen sind die Darstellungsweise, Identitätsreaktionen, Prttfungs-
methoden, Art der Aufbewahrung usw. berücksichtigt, was in den früheren
Auflagen zum Teil nicht der Fall war. Zur besseren üeber-<icht sind in dieser
Auflage die Artikel über ^Heilsera", „Organ-Präparate", „Nährpräparate usw."
in einzelnen Abschnitten znsammengefaßt. Das Buch ist handlich und über¬
sichtlich; letztere Eigenschaft wird wesentlich durch zwei ausführliche Be-
gister, ein Namens- und therapeutisches Verzeichnis unterstützt. Bpd.
Dr. ICamlook- Berlin: Frledrlokn den Oronnem Korreeapondens mit
den Aersten. Stuttgart 1907. Verlag von F. Enke. 8**; 168 8., Preis
geb. 6 M.
Nachdem Verfasser in der Einleitung einen kurzen Ueberblick über die
damalige medizinische Wissenschaft, speziell über die Organisation, Leistungen
des Militärsanitätswesens, über die Stellung Friedrichs des Großen dazu ge¬
geben hat, bringt er 121 chronologisch geordnete Briefe, die meist vom König
selbst stammen oder au ihn gerichtet sind und in der Mehrzahl bis jetzt
unbekannt waren. Die Briefe geben nicht nur ein schönes Bild von der
Tätigkeit des großen Königs auf diesem Gebiete, sondern bringen auch einen
wertvollen Beitrag zur Qencbichte der Medizin. Ihr Inhalt wird Jedermann,
Mediziner oder Niebtmediziner, in hohem Grade interessieren. Bpd.
Dr.PftVlMombert: Stadien ans BeTÖlkenrngnbevegung in Deutsok-
land. Karlsruhe 1908. Verlag von G. Braun. Preis: 8 Mark.
Wie der Verfasser in der Einleitung ausführt, hat er die beiden Kapitel:
Dk Sterblichkeit nnd die Eheschließung, nur so weit behandelt, als dies not¬
wendig ist, um das dritte Kapitel „Die Geburten" verständlich zu machen.
Mombert weist nach, daß die Zahl der Geburten vor dem Jahre 1870
abhängig war von den zufälligen wirtschaftlichen Verhältnissen. Erst seit
80 Jahren (1876) finden wir in Deutschland eine konstante Abnahme der Ge-
burtsziffer, die nicht mehr parallel den wirtschaftlichpu Schwankungon gebt.
Diese lange, stets fallende Tendenz der Bevölkerangsergänzung durch Geburten
hat nach Mombert innerliche Ursachen. Eigentlich hätte man eine starke
Zunahme der Geburten erwarten dürfen; denn die Zahl der Ehen wächst, die
Verjüngung der Ehen nimmt stetig zu, ebenso die Dauer der Ehe; die jüngeren
Alterstdassen im deutschen Volke haben gegenüber den älteren an Uebergewicht
gewonnen; Unter Umstände, die eine Vermehrung der Geburten hätten zur
Folge haben sollen. Um so bedeutungsvoller ist die Abnahme der Geburts-
äffer. — Mombert weist dios fttr Deutschland nach, was sich vorher in
ganz gleicher Weise fttr Bayern gezeigt hat. Mombert stimmt mit mir auch
über die Folgen dieser Erscheinung überein, in dem er seine Abhandlung also
schließt: „Vielkicht wird man in nicht allzu ferner Zeit den Kernpunkt der
251
Besprechungen.
BeTölkerongsfrage, auch in anderen Ländern als in Frankreich, weniger in
einer allzn starken, als in einer za schwachen BerSlkerangszanahme za er¬
blicken haben.**
M. geht dann daran, die Erklärong Ihr diese Erscheinong zn bri^en
and entsprechend seinem Berate, glaabt er diese nahezu aossehliälich in wut*
schaftlichen Grttnden za finden. Für ihn ist die Höhe der Ansprache, die eine
BerOUcerangsklasse oder eine Ortsberölkerang an das Leben stell^ maßgebend
ffir die Zahl der Kinder, indem man darch Einschränkung der Kinder die Er¬
reichung dieser höheren Ansprache anstrebt. Dieser Faktor — die gewollte
Kindereinschränkung — wird wohl Ton jedermann, auch von den Aerzten in seiner
Bedeutung gewhrdigt. Dagegen yerhält sich M. sehr ablehnend gegen die yon
yielen Aerzten (darunter auch yom Beferenten) aufgestellte Theorie, daß die
Kruchtiähigkeit hochkultiyierter Völker abnimmt. Als Beweis seiner Ansicht
fahrt er unter anderem an, daß die Zahl der Sparkassenbacher im allgemeinen
im umgekehrten Verhältnis steht mit der Zahl der Kinder. Er stellt die ge¬
ringere Zahl der Kinder als die Folge des Sparsinns hin. Ohne die Berechti-
gang far diese Annahme gänzlich abstreiten zu wollen, kann man aber Ihr
einen großen Teil der Beyölkerung die omgekebrte Beihenfolge annebmen;
Wer eine große Kinderzahl zu yersorgen bat, hat keine OMegenheit far Spar¬
einlagen. Die Spareinlage ist sicher in yielen Fällen nicht die Ursache, son¬
dern die Folge der geringen KinderzahL üeberdies habe ich far Bayern gezeigt,
daß die Kapitalsbildüng hauptsächlich auf dem Lande stattfindet, während
sie in der Stadt geringer ist, und in Bayern ist nach meinen Feststellungen
das Land geburtenreicher als die Stadt. Zudem ist fOr Bayern nach meinen
Erfahrungen die Spareinlage kein sicheres Merkmal des Sparsinns and der
daraus gefolgerten Ansprache auf das Leben. In bäuerlichen und bargerlichcn
Kreisen muß eben ein großer Teil des Uebergewinnstes zum Abzidilea der auf
den Realitäten liegenden Schulden yerwendet werden, so daß die Sparsumme
nicht in der Spareinlage zum Vorsch«^ kommt. Endlich yerwendet ein großer.
Teil der ländlichen Beyölkerong die ersparte Summe zur Erlangung der
Selbständigkeit.
Auch noch in einem anderen Punkte muß ich als Ortsudssender H
energisch widersprechen. Er yerwirft nämlich die Bassentheorie, d. h. er leug¬
net, daß die Basse Einfiuß auf die Zahl der Blinder bat Als Gegenbeweis ffir
die Richtigkeit der Bassentheorie führt er an, daß Niederbayern und Oberpfalz
eine höhere ehelidie Fruchtbarkeit haben, als die yon Polen bewohnten östlichen
Gebiete. Er fährt dann fort: «Ich wttßte nicht, was stärker gegen die oben
genannte „Bassentheorie“ sprechen könnte. Der Anhänger derselben muß ganz
ratlos yor der Tatsache stehen, daß in rein deutschen Gebieten die eheliche
Fruchtbarkeit zum Teil höher ist, als in den polnischen Landesteilen. Anders
geht es demjenigen, der den Einfiuß der sozialen und kulturellen Lage einer
Beyölkerung auf die Höhe der Fruchtbarkeit kennt. Er weiß, daß die Ober¬
pfalz und Niederbayem in ähnlicher Weise wie die polnischen Landesteile zu
den ärmsten und rückständigsten Teilen Deutschlands gehören und sieht dort,
wo der „Bassencharakter“ am Ende seuer Weisheit steht, nur einen neuen
Belag für die Richtigkeit seiner Auffassung.“ — Ich bin 20 Jahre als Arzt in
Niederbayern in drei yerschiedenen Orten tätig gewesen, und ich habe in dem
eigentlichen Niederbayern keine Spur yon Armut gefunden. Vielleicht schlägt
M. ein yolkswirtschaftliches Lehrbuch nach; er wird dort finden, daß gerade
Niederbayern die „Kornkammer“ Bayerns genannt wird und ich yersichere ihm,
daß die meisten Amtsärzte Niederbayems über die zu hohe Lebensführung der
Einwohner klagen. Die hohe Lebenshaltung in Niederbayern ist sprichwörüich.
In der Oberpfalz ist allerdings die Lebenshaltung geringer, allein die Kapitals-
bildung ist dortselbst eine ganz beträchtliche, wie die Steuerstatistik Bayerns
beweist. — Als Lokalkundiger muß ich H. darauf hin aufklären, daß die hohe
Kinderzahl Niederbayerns hauptsächlich durch die nördlicheren Bezirke des
Kreises, durch den Bayerischen Wald, heryorgerufen wird; und der Bayerische
Wald ist gegenüber dem eigentlichen Niederbayern arm und insofern fällt ja
die yon M. angenommene höhere Lebenshaltung und geringere E^inderzahl zu¬
sammen. Trotzdem kann diese Koinzidenz nicht als Beweis für die Ansicht M.8
und als Gegenbeweis für die Bassentheorie verwendet werden. Wie nämlich in
Bayern jedermann weiß, ist die yon König Ludwig yorgenommene Abgrenzung
Tagesoacliriehten.
966
der Kreise gerade in der Abgrenzung Ton Niederbayern und Oberpfalz etbno-
gnphiseh falsch. Der niederbayerische »Waldler* ist ebraso «(^erpfälzer",
wie der fr&nkische Teil bis zu Nürnberg hin. Gerade dieser erweiterte Begriff
^Oberpfalz“ zeichnete sich durch hohen Kinderreichtum aus und merkwürdig,
diese erweiterte Oberpfalz hat sehr, sehr viel slarisches Blut in den Adern;
es ist ja das alte gSlaTonia**; Gesichtsbildung, Scbädelformation, Namen von
Ortschi&en, Flecken, Bergen, Geschlechtern, bitten und Gebräuche, selbst die
alte Volkstracht, alles ist mit dem nahen Slavenvolke ganz verdächtig ver¬
wandt. Dazu kommt, daß die reicheren benachbarten Niederbayern und die
Franken in die rauhe Oberpfalz nicht abwanderten; wohl aber bezo^ die
Oberpfälzer ihre Frauen oft ans Böhmen, wie sie dies jetzt noch tun. ^dlich
darf man nicht vergessen, daß gewisse Handwerker, z. B. die Maurer, die
Hopfenpflücker, die Dienstboten der Landwirtschaft, das ganze fahrende Volk
ans Böhmen das Hanptkontingent stellten und noch stellen. Dazu noch die
oftmaligen Ueberschwemmnngen mit szediischen Eriegsvölkem (Hussiten). Dem
Blute nach, allerdings nicht nach Sprache und Gesinnung, ist die Oberpfalz
im weiteren und engeren Sinne stark slavisch. H. hat also gerade das Gegen¬
teil bewiesen von dem, was er beweisen wollte. Ich gestehe Ihm aber gerne
zu, daß der wissenschaftliche Forscher nicht vor dem Worte „Basse“ Halt
machen darf. „Basse“ ist aber ein Produkt unserer Einwirkungen; und die
Erforschung dieser Einwirkungen muß der Gegenstand der weiteren Studien
sein. — Abgesehen von diesen und anderen Irrungen kann ich jedem Ver-
waltungsarzt die Abhandlung dringendst empfehlen.
Bezirksarzt Dr. G raß 1- Lindau.
Tagesnachrichten.
Anz dam Balohataf a. Bei der dritten Etatsberatung vom 29. März
regt der Abg. Dr. Faßbender (Zentrum) beim Kapitel „Gesundheits¬
amt* den Erlaß eines Gesetzes über den Kinderschutz an und betonte die Not¬
wendigkeit einer eingehenden Aufklärung und Belehrung der Bevölkerung über
die gesundheltsgemlsse Emlhrnng sowie über die Gefahren des Alkoholge-
Bussas und der Tuberkulose. Auch über die Gefahren des Tabakranehens,
besonders im jugendlichen Alter sollen Untersuchungen angestellt und ihre
Ergebnisse in Form von Merkblättern veröffentlicht worden. Die Abg. Dr.
BOsicke (kons.) und Baumann (Zentr.) bitten, die in Aussicht gestellte
Vorlage betreffs Aenderung des Weingesetzes tunlichst zu beschleunigen, was
von dem Staatssekretär des Innern v. Bethmann-Hollweg ungesagt wird.
Die sozisldemokratiscben Abg. Zubeil und Lehmann beschweren sich über
die mangelhafte Durchführung der Verordnung zur Verhütung der Bleiver-
giftnngsgefahr sowie darüber, daß gewerbliche Bleivergiftungsfälle nach der
ünfallversicherung nicht entschädigungspflichtig seien. Man solle die Verwen¬
dung des giftigen Bleiweiß überhaupt verbieten, zumal in dem ungiftigen De-
Biantweiß ein Ersatzmittel gegeben sei. Ministerialdirektor Caspar erklärt
demgegenüber, daß nach den bisherigen Erfahrungen ein vollwertiges Ersato-
mittel für das Bleiweiß noch nicht gefunden sei und daß sich die geltenden
Vorschriften über die Verhütung von gewerblichen Bleivergiftungen durchaus
bewährt hätten; jedenfalls habe die Zahl derartiger Erkrankungen erheblich
abgenommen.
Bei dem Kapitel „Beichsversicherungsamt“ wird von dem Abg.
Erzberger (Zentrum) der Wunsch ausgesprochen, daß die Versicherungsan¬
stalten mehr als bisher dazu übergehen sollten, eigene Heilstätten zu errichten;
«ißerdem fordert er eine größere Berücksichtigung der Seelsorge in diesen
Anstalten, die nicht simultan, sondern womOgUch konfessionell sein sollten.
Schlieslich weist er auf die Notwendigkeit einer intensiveren Forderung des
Krankenpfl^ewesens hin, auf den die beiden Konfessionen bahnbrechend vor¬
gegangen seien. Die Versicherungsanstalten sollten eine Art freier uncntgelt-
ucher Krankenpflege einführen, wie es in der Bheinprovinz und in Oberschlesien
zum Teil schon geschehen sei Die Abg. Everling (nat.-lib.), Cuno (fr.Volksp.)
und Sehrader (fr. Vereinig.) wenden sich entschieden gegen die Absicht,
den Begriff „konfessionell“ ln die Versicherungsanstalten usw. hineinzubringen,
die Angabe der Heilstätte sei. Kranke zu heilen; die Konfession müßte dabei
256
TAfesnaehriehten.
anfier Spiel bleiben. Der Abg. Dr. Magd an (fr.'Volksp.) üt der glichen
Ansicht, wenn er auch die Terdienstrolle Tätigkeit der katholischen und
erangeiischen Krankenpflegerinnen darchans anerkennt.
Ans dem pmnmlflohen I>andtage. Das Abgeordnetenhans
bat in seiner Sitzung vum 23. März d. J. das QnellenHOhatsgeseti in der
dritten Lesnng nach langer Debatte in der von der Kommission Torgeschlagenen
Fassnng, die bei der zweiten Lesnng die Znstimmang des Landtags gelnnden
hatte, unverändert angenommen. Ein Antrag, das Verwaltangsstreitverfahren
als letzte entscheidende Instanz Aber die Entschädigung der Gmndeigentttmer
einznltthren, wurde abgelehnt.
In derselben Sitzung gelangte dann der Gesetzentwurf, betreffend die
Gebühren der Uebammen, zur Beratung, in der sich sämtliche Redner für
den Gesetzentwurf aussprachen. Derselbe gelangte ohne wesentliche Aende-
rungen gleich in zweiter Losung zur Annahme. § 1 erhielt einen Zusatz, daß
„vor Festsetzung der Gebührenordnung die Kreisaubscfaüsse, in Stadtkreisen
^e Gemeinden zu hören sind*, und § 2 wurde dahin geändert, dafl die Be-
Bchwerdeinstanz nicht der Regierungspräsident, sondern der Bezirksausschuß
sein soll. Eine Resolution dabin gehend, daß den Hebammen Gebühren und
Auslagen, die wegen Mittellosigkeit der Wöchnerinnen nicht beigetrieben
werden können, aus öffentlichen Mitteln ersetzt werden sollen, gelangte nicht
zur Annahme. Bei der Beratung betonte der Herr Kultusminister Dr. Holle,
daß das heutige Hebammenwesen völlig unzulänglich sei, und daß, wenn der
letzt eingeschlagene Weg nicht zum Ziele führen sollte, ein anderer Weg
gewählt werden müsse, um die notwendige Verbesserung des Hebammenwesens
wirklich zu erreichen. Jede bureaukratische Ordnung solle bei der Neuregelung
vermieden und das, was sich einmal bewährt habe, möglichst geschont werden,
was bei einer allgemeinen gesetzlichen Regelung nicht möglich gewesen wäre.
Die Taxen müßten so gestaltet werden, daß sie den Hebammen ein genügendes
Einkommen gewähren, das den erhöhten Anforderungen an ihre Ausbildung
und an ihre Leistungen am Wochenbette entspreche. Auch sei es erforder-
lieh, daß die Bezirkshebammen in solchen Fällen, in denen sie einen Armen
behandeln, trotzdem für ihre Hüheleistang eine Bezahlung erhalten, daß
ferner der unlautero Wettbewerb unter den Bezirkshebammen ausgeschlossen
werden müsse, daß namentlich nicht die eine unter das Minimum der Gebühren
hernntergehen dürfe, um dadurch in dem Bezirk der anderen Praxis zu be*
kommen. Apparate, Desinfektionsmittel und alles, was die Hebamme für ihren
Beruf brauche, werde eigentlich schon jetzt in allen Fällen den Bezirkshebammen
auf Kreiskosten geliefert. Dabei werde es auch weiter verbleiben müssen.
Ferner bekomme die Hebamme auch schon jetzt in den meisten Fällen eine
Entschädigung, wenn sie zufolge Ansteckung am Krankenbett eine Zeitlang
ihrem Beruf entzogen werde, wenn sie selbst erkrankt und dadurch zur Aus¬
übung ihres Berufes nicht in der Lage sei, oder, wenn sie schließlich ganz
unfähig werde, ihren Beruf anszuüben. Die Gewährung von Beihilfen aus dem
Hebammenfonds von 50000 Mark werde außerdem ausdrücklich an die Be¬
dingung zu knüpfen sein, daß der Kreis sich verpflichtet, den Bezirkshebammen
für die Besorgung von Armenentbindungen eine entsprechende Entschädigung
zu gewähren. Erwünscht sei es, einen geeigneten und praktischen Weg zu
Anden, um auch der freien Hebamme eine angemessene Entschädigung in den
Fällen zu sichern, wenn sie, ihrer instrnktionsmäßigen Pflicht entsprechend,
ihre Arbeitskraft und Mühe eingesetzt habe. Der Gesetzentwurf ist dann auch
in dritter Lesung vom Landtage und am 1. d. M. vom Herrenhause mit der
beschlossenen Abänderung angenommen worden. In derselben Sitzung des
Herrenhauses bat bei Beratung des Medizinaletats Graf Hutten*Czapski
um Aufnahme des großen Gebietes der experimentellen Therapie, insbesondere
der Semmtberapie, in die medizinische Prüfungsordnung. Dafür könnten
andere Fragen, z. B. der technischen Hygiene, aus der Piüfungsordnnng aus-
Bcheiden. Graf Roon klagte über zu schablonenhafte NahrungsmittrlkontroUei
insbesondere auf dem Lande. Kultuaminister Dr. Holle erhärte sich bereit,
zu prüfen, ob die Bestimmungen über die Ausübung der Nahrnngsmittel-
kontrolle vereinfacht werden könnten.
Tagesnachrichten.
257
Arm d«m bayerlaohan Irfuidtag«. Id der Sitinog yom 16. t. M.
edaogte die Bekimpfvog der Eiademterbllehkelt nod TerbeueniBK der
SiofliDgapllt'ge zur Erörterung. Der Staatsminister des Innern wies auf
die erlulgreicben Bern Übungen bio^ die auf diesem Gebiete in verscbiedenen St&dten
(Begensburg, Nürnberg, Fürth usw.) erzielt seien und sprach seine Zostimmung
zu der beabsichtigten Errichtung einer Zentralstelle für Säuglingspflege aus.
Die Kammer, die vor nicht langer Z«it einen Antrag des liberalen Abg. Pfarrer
Orandinger anf Errichtung von ärztlichen Pflegebezirken für Säuglinge in
Gebieten mit großer Säuglingssterblicbkeit und Oebernahme der dadurch ent*
stehenden Kosten anf Staatsmitteln abgelehnt hatte, nahm jetzt einstimmig
einen Antrag des sozialdemokratischen Abg. Segitz an, dahingehend:
,,im «Etat für Gesundheit“ den Betrag yon 50OVO II. einzustellen, ans welcher
Somme Gemeinden, die mit Sänglingsfürsorge besondere Anfwendungen
machen, sowie Vereine, die sich die gleiche Aufgabe gestellt haben, nach Haß*
K be der yerfügbaren Mittel ihrem Aulwande entsprechende Subyentionen er*
Iten sollen.“
Der Entwurf des Gesetzes gegen die Kurpfuscherei wurde yon dem Abg.
Dr. Süß heim (Sozialdem.) einer Kritik unterzogen, in der er zwar die Not*
Wendigkeit einer scharfen Bekämpfung der schwindelhaften Kurpfuscherei an*
erkannte, aber anderseits aus seinen Bedenken gegen zu weitgehende Maßnahmen
in bezug auf die Naturheilkunde keinen fiebl machte. Der Staatsminister
des Innern stellte zunächst die Beratung des Entwurfs durch sachyerständige
Organe in Aussicht; die Stellungnahme der Regierung müsse er sich bis dahin
yorbehaiten. Daß auch ein Nichtfacbmann manchmal gute Heilmethoden habe
und die Naturheilrereine manches Gute angeregt und erreicht hätten, lasse
sich nicht yerkennen; der Gesetzentwurf wolle aber keine Heilmethode be*
kämpfen, sondern nur den Unfug und Schwindel, der yon den Hcilkünstlem
getrieben werde.
Den für die Medizinalbeamten interessantesten Teil der Landtagsyer*
handlnngen bilden jedenfalls diejenigen über die Stellnng der Amtsärzte, über
die in der Münchener medizinischen Wochenschrift yom 81. y. M. (Nr. 81) wie
folgt berichtet wird:
,Bei dem Kapitel Obermedizinalausschuß wurde der Wunsch
yertreten, in diesen Ausschuß auch einen Kassenarzt aufznnehmen, wogegen
nach der Erklärung des Ministers kein Bedenken besteht. Der Anregung, in
die Kreismedizinalausschüsse auch anf dem Lande lebende Aerzte ein*
berufen, ist in der Hälfte der Kreise schon entsprochen; dem oberbayerischen
Ausschuß gehören, was für dringlichere Sitzungen yon Vorteil ist, s. z. aller*
dings nur in München ansässige Aerzte an, die aber zum guten Teil auch in
ländlichen Verhältnissen Erfahrung haben.
Die Petition des bayerischen Medizinalbeamtenyereins
betr. den Ausbau des Medizinalwesens bildete die Grundlage zu sehr aus*
gedehnten Erörterungen. Von yerschiedenen Seiten wurde gewünscht, daß
die Amtsärzte yollständig aus der Privatprazis aosscbeiden und ausschließlich
sich ihren Amtsgeschäften widmen sollten, die mehr oder weniger durch die
Privatprazis zu leiden hätten, je mehr der Geschäftsbereich durch die schul¬
ärztliche Tätigkeit, üeberwacbnng der Kostkinder etc. sich ansbreitet. Ebenso
sei es notwendig, den Bezirksärzteu, um ihren yolksbygieniscben Aufgaben
gerecht zu werden, eine größere Selbständigkeit zu gewähren. Hierzu betonte
der Minister, daß eine gewisse Einschränkung, aber nicht ein vollständiges
Anfgeben der Privatprazis zu wünschen sei; die Amtsärzte sollen nicht ganz
den Fortschritten der praktischen Medizin entfremdet werden und müssen
geradezu an kleineren Orten, wo für einen zweiten Arzt kein Ffld ist, die
ärztliche Präzis yersehen. Aber entschieden sei der Dienst der Bezirksärzte
zu erweitern und selbständiger zu gestalten; es sei zu beklagen, daß sie
gegenwärtig zu wenig in ihren Bezirk hinanskommen und daß die ihnen anf*
erlegten Verpflichtungen oft nur auf dem Papier stehen. Sie sollen viel mehr
in die Schnlhänser und Krankenhäuser kommen, sich um die Geisteskranken
und Blöden annehmen, die allgemeinen gesundheitlichen Verhältnisse der Ge¬
meinden überwachen. Bei der Visitation der Geisteskranken, der Apotheken,
Bader und Hebammen kann dem Bezirksarzt eine yiel größere Selbständigkeit
eingeränmt werden. Ferner sagte der Minister die Ausgestaltung der Kurse
258
Tagesnachriohten.
zar Fortbildung der Amtsärzte unter Oewährnng tou Urlaub und Znsehflsson
Ittr Studienreisen und dergl. zu, ebenso die Erieichterung der mechanischen
Schreibarbeiten, die Bereicherung der gerichtsärztlichen Instrumentarien und
Bibliotheken. Der Erlaß einer Dienstordnung für die Amtsärzte ist in
Vorbereitung. Die mehrfach kritisierte Ueberwachnng der Protistuierten wird
eine Neuregelung erfahren. Unter dem lebhaften Beifall des Hauses schloß
der Minister mit der Versicherung, „daß er dem Ausbau des amtsärztliehen
Instituts sein volles Interresse entgen bringe und gerne bereit sei, nach der
Bichtung die erforderlichen Schritte einzuleiten*. Damit würdigte der Mi¬
nister die wesentlichen, von dem Abgeordneten Dr. Sttßheim gegebenen An¬
regungen, der im Speziellen noch die zunehmende Bedeutung und Verantwort¬
lichkeit des gerichtsärztlichen Dienstes hervoihob und für die Schaffung ent¬
sprechender Vorrückungsstellen sowie von Hilfskräften bei den größeren Oerichts-
bezirken, prinzipiell aber für die Uebernahme der Landgerichtsärzte auf das
Ressort des Justiministeriums, eintrat. Dieselbe Berücksichtigung bezüglich
der Gehalts- und Beförierungsverhältnisse, sowie der Titeiverleihung wünschte
der Abgeordnete Dr. Einhauser auch für die Bezirksärzte, sich eingehend
über deren wichtige Aufgaben für die öffentliche Wohlfahrt verbreitend.
Erwähnt muß noch werden die Forderung, daß sowohl in der Prüfung
für den ärztlichen Staatsdienst, als bei der Fortbildung der Amtsärzte der
Gewerbehygiene ein ihrer Bedeutung entsprechender vermehrter Raum gewährt
werde. Der Abgeornete Prot Günther wünschte die- baldige Anstellung
nicht nur eines, sondern mehrerer Gewerbeärzte. Die Neuforderungen für drei
Bezirksarztstellen, einen gerichtsärztlichen Assistenten in Begensbnrg und die
Fahrgdldentschädigung für den mit dem Besuch der Eostkinder betrauten
Pnysikatsassistenten in München (500 M.) wurden bewiiligt.
Die hier kurz skizzierten, von keinem Mißton gestörten Verhandlungen
bedeuten schon jetzt einen schönen Erfolg der Bestreben des bayerisi^en
Medizinalbeamtenrereins. Das verständnisvolle und wohlwollende En^egen-
kommen der Regierung wie der Kammer läßt eine Neuregelung des Medizinal¬
wesens erhoffen, welche sowohl für die öffentliche Wohlfahrt und Gesundheits¬
pflege einen kräftigen Fortschritt bedeutet, als auch eine Stärkung des sozialen
Ansehens des Aerztestandea und der Berufsfreudigkeit der Medizinalbeamten.*
Auch wir können die bayerischen Medizmalbeamten zu diesem schönen
Erfolge ihrer Bestrebungen nur beglückwünschen; hoffentlich läßt es die
K. Staatsregierung bei den schönen Worten nicht bewenden, sondern bringt
die in Aussicht gestellte Neuregelung der amtsärztlichen Stellung recht bald
zur Durchführung.
Die dem sächsischen Landtage vorgelegte Neuordnung der Be-
soldnngsverhältnlsse der Bezirksirzte ist von der Ersten Kammer in ihrer
Sitzung vom 26. März d. J. einstimmig genehmigt.
Am 28. März d. J. hielt das Komitee der Robert Koch-Stiftung eine
Sitzung ab, die von dem stellvertr. Vorsitzenden Geh. Rat Alt off geleitet
wurde. Der Schriftführer Prof. Dr. Schwalbe erstattete den Geschäftsbericht
und an Stelle des abwesenden Schatzmeisters den Kassenbericht. Gestiftet
bezw. gezeichnet sind bisher einschließlich der Carnegiespende 823000 Mark.
Hiervon sind durch deutsche Aerzte allein 35000 Mark aufgebracht. Eine
Ergänzung der Sammlungen auf die zunächst erstrebte Million wird seitens
des Komitees erhofft; sie ist um so mehr erwünscht, als Carnegie bekannt¬
lich seine halbe Million nur unter der Voraussetzung gezeichnet hat, daß sei¬
tens des Komitees ebenfalls eine halbe Million ans Sammlungen aufgebracht
wird. Die Ausarbeitung der Stiftnngssatznngen wurde einer ad hoc gewählten
Kommission überwiesen.
*) Siehe diese Zeitschrift; Jahrg. 1907, Nr. 21, S. 751.
*) Diese beträgt nicht eke MiUion, wie in Nr. 5 der Zeitsdirlft, S. 184
mitgetdlt ist, sondern 600000 Mark.
Tagesnachrichten.
259
Laat Bckanntmacbng des EOnigl. Bayerischen Staats*
ministerinms des Innern vom 16. März d. J. findet anch in diesem Jahre
ein bakteriologischer Knrs fllr Amtsärzte und solche Aerite statt, welche die
Prfifnng für den ärztlichen Staatsdienst bestanden haben, ihren Bernl in Bayern
ansttben, aber nicht in einer der drei Unirer.^tätsstädte Bayerns wohnen, üm
ihnen die Teilnahme an dem bakteriologischen Knrs, der vom 28. September
mit 10. Oktober 1. J. im hygienischen lastitnt der Universität Erlangen abge¬
halten wird, za erleichtern, erhalten sie eine Ayersalsnmme von je 250 M.
Amtsärzte und praktische Aerzte, welche sich daram bewerben wollen, haben
ihre Gesuche bis 1. Mai 1908 beim EOnigl. Staatsministerinm des Innern ein¬
zareichen, die Einsendung von Belegen aber zu unterlassen.
Der Zentralverband zur Bekämpfung des Alkohollsmus
(Berlin) veranstaltet auch in diesem Jahre wissenschaftliche Kurse som
Stndlnm des AlkoholismuS) die vom 21.—25. April in Berlin im Landeshause,
W. Matthäikircbstrafie 20 abgehalten werden, ittr die folgendes Programm
aufgestellt ist.
Dienstag, den 21. April: Eröffnungsansprache (Geh. Med.-Bat Prof.
Dr. Bubner-Berlin); Physiologische Wirkungen des Alkohols (Beg.-Bat Dr.
Bost, vom Eaiserl. Oesundheitsamte Berlin); die katholische Eirche im
Eampfe gegen den Alkoholismus (Monsignore l3r. Werthmann, Geist!. Bat,
Freiburg im Br.); Wehrkraft und Alkohol (Oberstabsarzt Dr. Brunzlow-
Posen. — Mittwoch, den 22. April: Oasthansreform auf dem Lande (Pastor
Beetz-Siedkow); Alkohol und Geschlechtskrankheiten (Or. med. Wolf-
Schöneberg). — Donnerstag, den 23. April: Das Trinken in der deutschen
Geschichte (Pastor Dr. Stubbe-Eiei); Alskoholismus und Deutschtum in
den Vereinigten Staaten von Nordamerika (Prof. D. Dr. Bade-Marburg);
Die Bedeutong der AlkohoKrage für die Arbeiterschaft (Gewerbeinspektor Dr.
Bender-Berlin). — Freitag, den 24. April: Die evangelische Eirche im
Eampfe gegen den Alkoholismus (Eonsistorialrat Pfarrer Mahling-Frankfurt
a. M.); Eriminalität und Alkohol (Generalsekretär J. Gonser-Berlin); der
theoretische Nährwert des Alkohols (Prof. D.'. Eassowitz-Wien).
Anmeldungen (5 M. fdr den (iesamtkursns von 18 Standen, 50 Pf. fftt
die einzelne, 75 Pf. für die Doppelstunde) und Programme, Anfragen oder
Anmeldungen sind zu richten an die Geschäftsstelle des Zentralverbandes zur
Bekämpfung des Alkoholismus, Friedenau, Bubensstraße 87, oder an die Ge¬
schäftsstelle des Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke,
Berlin W. 15, zu richten.
Der ETI. tnteraatleiiale medtzlnisch« Kongress wird vom 29. August
bis 4. September 1909 in Budapest stattfioden. 8e. Eaiserl. u. Eönigl. Ha-
je.stät, Franz Joseph der Erste, hat das Protektorat anzonehmen geruht. Die
Eöniglich ungarische Begierung und die Stadtverordneten-Versammlung der
Haupt- und I^idenzstadt Budapest lassen diesem Eongresse die wärmste und
weitgehendste Förderung angedeihen. Für die 21 Abteilungen sind bereits eine
große Anzahl von Vorträgen angemeldet. In der Abteilung für Hygiene und
Immunitätslehre (XVIII) u. a.: v. Esmarch-Göttingen: Organsation
der Desinfektion auf dem fischen Land und in kleinen Ortschaften; Grass-
berger-Wien: üeber hygienische Bedeutung des Nutzwassers; Hartmann-
Berlin: Die Mittel zur Abwendung der Banchplage in Städten; Eirchner-
Berlin: Ueber die Verhütung übertragbarer Erankheiten in den Schalen; Leh¬
mann-Würzburg: Neuere Erfahrungen über organische Fabrikgifte, insbe¬
sondere über die Eintrittswege derselben; Ludwig-Wien: üeber die Zu¬
lässigkeit der Verwendung künstlicher Farbstoffe zum Färben von Nahrungs¬
mitteln und Getränken; Pfeiffer-Bostock: Ueber Typhusprophylaxe und
Unterdrückung von Typhusepidemien; Pransnitz-Graz: Ueber die Aus¬
nutzung animalischer Nahrungsmittel und deren Bedeutung für die Fesstellung
des Eostmaßes; Proskauer-Berlm: Ueber den Stand der Frage der Trink¬
wasserbeurteilung; Bubner-Berlin: Die Ziele der Ernährung in hygienischer
Hinsicht ;8chattenfroh - Wien: Die Methoden der Trinkwasseruntersuchung;
Ehr lieh-Frankfurt a. M.: Ueber Schatzstoffe, die im Blutserum des Men¬
schen normaler Weise vorhanden sind; Gruber-Mttnohen; Ueber Virulenz
260
Tagesnachriehte^
der Bakterien; Landateiner-Wien: Entwicklang der Theorie des Immoni-
aiemngsTorgaaffes; Morgenroth-Berlia: Die Bedeatnng der spezifischen H&-
molTsine und Zytotoxine ffir die Immonitätslehre und die allgemeine Patho>
logie; N e u b e r g • Berlin: Die chemischen Grundlagen der Immunitätsforschnng.
— ln der Abteilung für gerichtliche Medizin (XD[) u. a.: Carrara«
Turin: Ueber Machweis und Diagnose beim Ertrinken; Ottolenghi-Bom:
Die neuen Untersuchungen ftber den Tod durch Ertrinken; Thoinot«Paris:
üeber den Wert neuerer Dntersucbungsmetboden bei längere Zeit im Wasser
gelegenen Leichen Ertrunkener; Leers-Berlin: Die Fäulnis Ton Lungen Neu¬
geborener; Pfeiffer-Graz: Der forensische Blutnachweis.
Der Mitgliederbeitrag, der 25 Kronen beträgt, ist an die Eiasse
des XVL Internat. Kongresses, Budapest, Esterhäzygasse 7, wo sich auch das
Bureau befindet, mit der Angabe, welcher Sektion das Mitglied angeboren
will, einzusenden unter Beftigung einer Visitenkarte, auf welcher die Stellung
und genaue Wobnungsadresse deutlich leserlich angegeben ist.
Die ffir die einzelnen Abteilungen bestimmten Referate werden yor-
her gedruckt und den Mitgliedern bis zum Sl. Juli 1909 zugestellt. Sonstige
Vorträge sind bei dem Bureau bis zum 30. April 1909 anzumelden. Später
angemeldete Vorträge werden nur ffir den Fall auf die Tagesordnung gesetzt,
dal noch genügend Zeit ffir ihre Verhandlung zur Verfügung steht.
Von Seite des ungarischen Ministers des Innern ist ein Preis Ton 1000 Kronen
für das beste Werk über die Aetiologie des Trachoms ausgeschrieben.
Als Einsendungstermin ist der 31. Dezember 1908 bestimmt. (Adresse: Buda¬
pest I, Ministerium d. Innern.) Es kOnuen auch im Drucke bereits erschienene
Arbeiten eingesandt werden, wenn diese zum erstenmal in 1907 oder 1908
publiziert sind. Die Autoren kOnnen sich der ungarischen, deutschen, franzö¬
sischen oder englischen Sprache bedienen.
Erkrankungen und TodeafUle an ansteckenden Krankheiten in
Prenssen* Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit Tom 1. bis 14. März 1908 erkrankt
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, Rfick-
fallfieber, Pest, Botz und Tollwut: — (—); Pocken: 2 (—), 1 (1);
Bißverletzngen durch tollwutrerdächtige Tier e: 8 (—), 16(—);
Milzbrand: l (1), 2 (—); Ruhr: 1 (—), — (—); Unterleibstyphus:
138 (18), 176(13); Diphtherie: 1435 (112), 1393 (81); Scharlach: 1589
(88), 1609 (70); Genickstarre: 50 (17), 42 (20); Kindbettfieber: 132
(31), 135 (24); KOrnerkrankheit (erkrankt): 125, 250; Tuberkulose
(gestorben) ; 694. 620.
DraokfeUerberlolitlg;iuig. In Nr. 6, S. 214, Zeile 80, muß es
„Kreistierarzi“ statt „Kreisarzt** beißen.
Preussischer Medizinalbeamtenverein.
Vorl&nflge Mitteilung.
Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamtenyereins hat in seiner
Sitzung vom 21. März d. J. beschlossen, daß die diesjährige
XXV. (JuliiläiimS') HauptYersammlnng
am und 30. Septeml>ex*
io IBerllxi.
statt finden soll. Etwaige Wünsohe ffir die Tagesordnung usw. sind bis zum
1. Mai d. J, dem Unterzeichneten miizuteilen.
Minden, den 4. April 1908.
Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins.
Im Auftr.: Dr. Rapmund, Vorsitzender,
Reir.- «• 0«h. lCed.-Rat In Mfaidma,
Verantwort!. Redakteur: Dr. Rap mnn d, Reg.- n. Geh. Med.-Rat in Minden i. W.
J. C. C. Bmna, BersogL B&oha o. F. 8eh.-I. Hofbnehdmck^rsl ln irind«i.
2L Jahrg.
1908.
Zeitschrift
fttr
MEDIZINALBEAMTE
IninlUidt ilir in gesaate lisuadHittaeiH,
für gorichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenweeen.
HennsgegebeB
Ton
Dr. OTTO RAPMÜND,
> • Bofloruift- omd €kli« ]Cddlil&alr«t Ia Mild—#
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag yon Fiseher's media Buohhandlg, H. Kornfeld,
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
BiHiOB dto Toriac^kBBdhuif sovle alle ABBOBeiB-MgyedttieBeB des Ib«
and Anuandes enUreren.
Nr. 8.
KraelieLBt am 5 » ud 90. Jeden Monate.
20. April.
Ein angeblicher Unfallverletzter als Simulant auf der
Anklagebank.
Von Dr. B. Thomalla, Kreisasaistenzarzt in Waldenburg (SehL).
Am 80. Juli 1906 wurde mir in die äußere St&tioo des
hiesigen EreiskrankenhaiiBes der Kutscher E. eingelieiert.
£r gab an, schon drei Monate im Breslauer Angnstahospital
und 14 Tage in dem Erankenhanse in Ennzendorf behandelt
worden zn sein. Seine Krankheit rühre von dem Haftritt eines
Pferdes her, den er im November des vergangenen Jahres anf
den rechten Faß erhalten habe. Er kOnne mit diesem Faße nicht
mehr anftreten und habe im ganzen Fuße bis znm Fußgelenk
hin die heftigsten Schmerzen. Bei der Untersnchnng stellte ich
folgenden Befand fest:
Ab der ftoBeren Bftckeofl&ohe des reobteu Fußes eine ea. 8 qem große
Wunde und au der Torderen oberen Ecke eine fistelartige Oeffaung, die
bis an den Knochen führte. Der rechte Fnß war yerdickt, sein Umfang war
in der Nihe der Wunde */* cm jpOßer als an der korrespon^erenden Seite dos
nnderen Fußes. Oberhalb der .Wunde schwankte die VerdiOknng und Tarier
sich in der Oegend des Fußgelenks ganz. Unterhalb der Wnnde wnrde die
Verdickung ebenfalls geringer, um in der Nähe der Zehen ganz anfznhüren.
Am rechten Unterschenkel, direkt oberhalb des Faßgelenks, um die Waden,
unterhalb des Kniegelenks und in der Mitte des Oberschenkels war der Um*
fisng geringer als an den korrespondierenden Stellen des linken Beines. Ans
diesem Befand ging deatlich hervor, daß Patient in der letzten Zett das
rechte Bein nicht gebraacht haben müsse. Da der Untersachte angab, in dem
rechten Faßgelenk ebenfalls heftige Schmerzen zn verspüren, nnteraachtd- ich
eses anf das genaneste, ich konnte aber objektiv nuAts krankhaftes darin
naehweisea.
Dr. Thomall«.
m
Nach sofort yor^enommenw Operation zeigten sich am
am rechten Fuße die Weichteile bis an den Knochen yereitert
nnd entzündlich gewuchert. Bas ganze machte den Eindrnck
einer mißhandelten Wände. Ich entfernte alle kranken Partien
nnd nähte die so entstandene zirka 6 cm lange und bis 3 cm
brdte Wnnde soweit als möglich zusammen. Nadi wenigen
Tagen mußte ich den yöllig gelockerten Verband wechseln;
ich fand eine günstige Heiltendenz an der Wunde yor. Schon
zwei Tage später war der Verband wieder gelockert. Jetzt
fand ich die Heiltendenz an der Wnnde weniger gut, so daß
schon ein leiser Verdacht in mir anfstieg, weil ohne jeden Gmnd
die nicht eiternde Wunde schlecht heilte nnd der Verband sich
immer wieder lockerte, was ich sonst an meinen Patienten nicht
gewöhnt war.
Ans dem mir jetzt yon der Lagereibemfsgenossenschaft
behnfs Ansstellnng eines Gutachtens zngesandten Akten erfhhr
ich zunächst, daß K. es yerstanden hatte, während seiner knizen
Militärdienstzeit eine Beute wegen Stimmritzenkrampf, den er sich
angeblich durch Erkältung zngezogen hatte, herauszuschlagen.
Weiterhin fand ich u. a. auch das Attest des leitenden
Arztes des Augustahospitals Dr. G. In diesem wurde der Ver*
dacht der Simulation über den Verletzten ausgesprochen. E. hatte
nämlich weder bei der Aufnahme in das Krankenhaus, noch nach
Ausweis der Akten yorher über Schmerzen in dem rechten Fu߬
gelenk geklagt. Während der ganzen Zeit der Wundbehandlung
mit Hautaufpflanzung, also zirka 8 Wochen, seien niemals Schmerzen
in dem Fußgelenk aufgetreten; als er dann aufstehen durfte,
sei er stundenlang im Garten allein umhergegangen, ohne daß
sich Schmerzen im Fußgelenk eingestellt hätten. Ja, selbst wenn
irgendeine entzündliche Erkrankung yor seiner Aufnahme in das
Krankenhaus bestanden hätte, so wäre dieselbe bei der langen
Buhelage, die das Gelenk eingenommen hatte, sicherlich geheilt.
Dazu kam, daß durch yerscMedene Böntgenaufnahmen eine Er¬
krankung im Fußgelenk nicht nachgewiesen werden konnte.
Der Verletzte rief daher den Verdacht henror, daß er jetzt, nach¬
dem seine Wunde geheilt war, eine neue Erkrankung yorzutäuschen
suchte, um eine Beute herauszuschlagen. Obgleich K. am 16. Juni
geheilt aus dem Augustahospital entlassen worden war, meldete
er sich schon am 18. Juni bei der Ortskrankenkasse für den
Kreis Waldenburg und gab an, er sei in Breslau im Kranken¬
hause schlecht behandelt worden und ungeheilt aus dem Augusta¬
hospital entlassen worden; er yerlange weitere Behandlung oder
Bente. Am 23. Juni wurde er infolgedessen in das Maltheser-
krankenhans zu Kunzendorf übergeführt. Auch hier war er bald
mit der Behandlung unzufrieden; er drohte yon hier ans seinem
früheren Arbeitgeber und ycrlangte weitere Auszahlung des
dritten Teiles seines früheren Lohnes, da er yon den Aerzten
frisch behandelt, körperlich gänzlich ruiniert werde und sieh
doch bei seinem Arbeitgeber die Verletzung zugezogen habe.
Am 8. Juli entließ ihn Dr. H., der die Angaben des E. bezüglich
Ein angeblicher ÜnfallTerletzter als Slnmlaat auf der Anklagebank. 968
seiner Schmerzen ftr üebertreibnng hielt. Die Wnnde war Tölliff
geschlossen; wegen der noch yorhandenen Schwellang am Foße
billigte ihn aber Dr. H. eine Uebergangsrente Ton 20 Prozmit
zo. Damit war E. nicht zafrieden; er wollte Vollrente and be-
haaptete, daß nach harzer Zeit die Wände Ton nenem wieder
aalgebrochen sei. Er bot somit schon jetzt das Bild eines echten
Simolanten and Qaeralanten.
Er kam nanmehr in Behandlang des Kassenarztes nnd
dann wie oben erwähnt in meine Station des hiesigen Kreis-
krankenhaases.
Nach Kenntnis dieser Vorgänge begann ich den Patienten
genau za beobachten. War mir schon vorher ein leiser Verdacht
aa^estiegen, so warde mir dieser jetzt zar Glewißheit. Die An¬
gabe des Verletzten, er könne nicht aaftreten, war übertrieben;
die in Breslaa geheilte and in Konzendorf noch fest ge-
schlossmie Wände hatte er sich höchst wahrscheinlich selbst
wieder aafgekratzt, eine Ansicht, in der mich das eigentümliche
oben beschriebene Aassehen der Wände noch bestärkte. Dazu
kam die immer schlechter werdende Heiltendenz der Wände and
der stets gelockerte Verband. Ich vermatete, daß Patient sich
die Verbände selbst lockere and an der Wände kratze and reibe.
Ich legte ihm nanmehr einen Stärkegazeverband von den Zehen
bis zor Kniebeoge an. Schon beim nächsten Verbandwedmel
war die Entzündnng geschwanden, die Granulationen zeigten ein
gesundes Aussehen, so daß ich zur Hantaatpflanzong schreiten
konnte. Ich legte hierauf andanemd feste Verbände an and
brachte die Wände in kurzer Zeit zur völligen Heilang. Nan¬
mehr kamen dieselben Klagen über Schmerzen im Fiiägelenk,
wie er sie im Breslauer Augastahospital vorgebracht hatte. Ob¬
gleich nicht eine Spor von irgendeiner Erkrankung im Fußgelenk
oder sonst am Faße oder am Bein za finden war, behauptete er,
nicht aaftreten zu können. Ich zwang ihn aber, wenigstens mit
dem Stocke za gehen. Begann er während des Gehens sich fibw
Aerzte and Berofsgenossenschaften aoszulassen, so vergaß er für
Augenblicke auch seine angeblichen Schmerzen; er ging dum
zeitweise ohne Stock, mit dem er heftig in der Loft herumfadi-
telte. Wenige Tage nach seinen ersten Gehversuchen erblickte
ihn eine Pfiegeschwester, wie er mit seiner Frau, die ihn be¬
suchte, auch ohne Stock sehr gut aasschritt. Ich konnte ausserdem
za meiaer Freude beobachten, daß die Maskalatar am rechten
Unterschenkel immer kräftiger wurde, ein Zeichen dafür, daß er
in unbeobachteter Zeit den rechten Faß doch recht ausgiebig ge¬
brauchen maßte. Als ich ihn am 17. Oktober entließ, konnte
ich in meinem Gatachten a. a. folgendes feststellen:
Die operierte Fistel, sowie die am die Fistel liegende Wände ist seit
liiwerer Zeit gat verbeut. — Trotsdem behauptet Krause mit dem reekten
Fufle nieht aaftreten su kOnnen; es summe und brumme darin, er habe grofie
Schmerlen, wenn er auftrete. Der Umfang um den rechten Ober- nnd Unter¬
schenkel, der wie oben erwähnt bei der Aufnahme bedeutend geringer war,
als an dm entsprechenden SteUen links, ist jetst dem Umfange um ms linke
Bein gleich, dagegen der Umfang um den rechten Fufi, iwisehea Fuflge-
264
Dr. Thom&Ut.
lenk und ehemaliger Wunde noch ca. cm rechte größer ale linke. Die
aktire und paeei7e Beweglichkeit dee rechten Faßen im Faßgelenk iet roll*
kommen aaegiebig, ohne jeglichee Geräasch und ohne Hindernis, besonders l&ßt
sich in den Sehnenscheiden nicht das geringste Qeräasch hören oder föhlen.
Die Muskalatnr am rechten Ober» and Unterschenkel ist gat entwickelt nnd
wieder fest. Die geringe Verdickang des rechten Fußes an der oben erw&hnten
Stelle kann allerdings noch ein Deberbleibsel der durch das nekrotische Ge¬
schwür bedingten froheren Zellgewebsverfinderang sein, die sich dann bei
weiterem aosgiebigem Gebraach des gesunden Fußes sicher surOckbilden
muß; die Verdickang kann aber auch darauf beruhen, daß die ganze rechte
Seite bei K. st&rker entwickelt war als die linke. Gegen diese Annahme
spricht auch nicht der Umstand, daß die Muskulatur am rechten Unterschenkel
der des linken nur gleich und nicht stärker ist Man darf nur daran denken,
daß bei der Einlieferung des Patienten der Umfang um das rechte Bein
stellenweise bis l‘/> cm geringer war als links und daß die damals leicht
atrophierten Muskeln iu diesem immerhin kurzen Zeitraum ihre alte Stärke
noch nicht Tolikommen erlangt haben. Die Behauptung des Untersuchten,
daß seine Knochen am Fuße erkrankt waren, wird schon dadurch wiederlegt
daß die Wunde, nachdem ich das Aufkratzen der Wunde verhindert hatte, so
schnell nnd so glatt zuheilte, was nie geschehen wäre, wenn unter den Weich¬
teilen ein kranker Knochen gelagert hätte. Auch an anderen Stellen des
Fußes, wie im Fußgelenk, können sich Knochenerkrankungen nicht befinden,
da über denselben sich nach so langer Zeit eine Erkrankung der Weichteile
hätte zeigen nnd bei den vielen manuellen und Böntgennntersnehnngen
doch einmal eine kranke Stelle hätte gefanden werden müssen. Endlich stod
auch Erkrankungen der Nerven infolge Quetschung durch den Hufscblag des
Pferdes ausgeschlossen, denn dann wären doch die Schmerzen gleich nach der
Verletzung aufgetreten; sie haben sich aber erst nach vielen Monaten gezeigt;
sie waren noch nicht vorhanden, als Patient zwei Monate nach der Venetzung
in das Augustahospital aufgenommen wurde, sondern die Schmerzen kamen
wie gerufen, als die Wunde geheilt war und Patient kein anderes Leiden mehr
hatte, um weiterhin eine Rente herauszuschlagen. Patient klagt außerdem
nicht immer Ober dieselben Schmerzen. Bald empfindet er an einer Stelle auf
Druck Schmerzen, an der er einige Sekunden später, wenn er den Druck nicht
sieht, garnicht empfindlich ist.
Ich kam in meinem Endgntachten daher zu dem Schloss,
dass ich in E. einen ansgesprochenen Simulanten vor mir habe, der
keinerlei Rente verdiene und den die Berufsgenossenschalt noch
in einem medikomechanischen Institut unterbringen sollte, um
dort das Wiedereröffnen der Wunden zu verhindern.
Nach wenigen Tagen teilte mir die Berufsgenossenschaft
mit, daß sie von einer Einweisung in ein medikomechanisches
Institut absehe, da sich E. anch dort in einem unbewachten
Ä.ugenblick die Wunde wieder zu öffnen vermag. Sie habe viel¬
mehr die Angelegenheit der Eönigl. Staatsanwaltschaft zwecks
Bestrafung des E. wegen Betruges unterbreitet, da er ah Simulant
schon mehrere größere Posten an Rente empfangen hätte, die er
gar nicht beanspruchen durfte. Nach ca. 5 Monaten wurde durch
Beschluß des Landgerichts S. die Eröffnung des Hanptverfahrens
gegen E. abgelehnt. Darauf erfolgte Beschwerde der Staatsan¬
waltschaft, die durch Beschluß des Oberlandesgerichts in Breslau
als begründet erklärt wurde. Infolgedessen wurde nunmehr das
Hanptverfahren vor dem Schöffengericht zu Waldenburg eröffnet.
Zn der Sitzung des Schöffengerichts erschien E. auf eine
andere Person und auf einen Stock gestützt. Er erklärte während
der Verhandlung nicht stehen zu können, da er zu viel Schmerzen
im Fuße habe. Es wurde ihn gestattet, sitzen zu bleiben.
Ein angeblicher Dnfallrerletzter als Simulant auf der Anklagebank. 265
Als Sachverständiger gab ich einen üeberblick über den
Verlani der Krankheit, wobei ich hervorhob nnd näher er*
läuterte, daß ich nicht an den angeblichen Unfall des E.
glaube, ittr den er keine Zengen nennen könne nnd der am
5. November 1905 sich ereignet haben soll, während K. erst am
3. Januar 1906, nachdem ihm seine bisherige Stellnng gekündigt
war, einen Arzt anfsnchte. Anf das genaneste gab ich eine
schreibang Ober die angeblichen schmerzempflndlichen Stellen.
Ich betonte, daß er bei geschlossenen Angen an der einen Stelle
auf Druck Schmerz empfinde, an der er einige Sekunden später
nichts verspüre, während er eine Stelle als nnempfiodlich be-
zeichnete, bei deren Berührung er wenige Sekunden später vor
angeblichem Schmerz laut aufschreie. Nachdem ich meiner festen
Ueberzeugung Ausdruck gegeben hatte, daß der verletzte Fuß
von seinem angeblichen Unfall vollkommen geheilt sei, bezeiehnete
ich den K. als Simnlanten, der nnr darauf ansgehe, eine Bente
heransznschlagen.
Da ich an diesem Tage noch einen Impftermin abznhalten
hatte, wurde ich nach Abgabe meines Untachtens entlassen.
Ungefähr 6 Standen später, auf der Rückkehr von dem Impftermin
sah ich anf der Landstraße plötzlich den E. ankommen, den Stock
schwenkend schritt er, der an demselben Tage vormittags an*
geblich allein nicht stehen konnte, froh und wohlgemut dahin.
Ich rief ihm vom Wagen aus zu, um ihn darauf aufmerksam zn
machen, daß ich ihn gesehen habe, nnd ich glaubte bestimmt,
er sei freigesprochen, da er so lustig einherschritt. Später erfuhr
ich, daß er zu 4 Wochen Gefängnis vernrteilt worden sei. Im
Erkenntnis des Schöffengerichts zu Waldenburg heißt
es n. a.:
„Durch sein Verhalten hat der Aufireklagte die Tatsache einer sehr er*
schwerten oder bisher nicht gelnngenen Heilung einer durch den Betriebsunfall
herrorgerufenen Verletsung vorgespiegelt, dadurch in dem Vorstande der Be*
mfsgenossenscbaft den Irrtum erregt nnd unterhalten, daß seine Arbeitsnn*
Ahigkeit die Folge des Betriebsunfalles sei, und zwar in der Absicht, sich die
gesetsUchen Verpflegnngsgelder zum Nachteil der Berufsgenossenschaft lu
Terschaffen. Br hat sich ^o eines fortgesetzten planvoll betriebenen Betruges
schuldig gemacht und war nach § 263, St.*G.*B. zu bestrafen. — Bei der
Strafzumessung ist besonders erwogen, mit welcher Beharrlichkeit der Ange*
klagte verfahren ist und wie verwerflich es sei, Einrichtnngen, die zum
Schutze der wirtschaftlich Schwachen gegen unverschuldetes ünglttck getroffen
sind, aus Gewinnsucht nnd Tr&gheit zu schädigen.
Deshalb erschien trotz der geringen Vorstrafen des Angeklagten wegen
Diebstahls eine Gefängnisstrafe von einem Monat angemessen.“
Dieses Urteil schlug wie eine Bombe in die hiesige Ar¬
beiterschaft ein. Von den überaus zahlreichen Verletzten, die
ich im Aufträge von Berufsgenossenschaften zn nntersnchen habe,
war jeder einzelne ans hiesigem Kreise mit dem Ausgange des
Prozesses bekannt, denen aber, die ans anderen Kreisen zu mir
zor Untersuchung geschickt wurden, erzählte ich es selbst. Ich
konnte dreierlei Wirknngen bei dem Gespräch über den Ausgang
dieser Verhandlung von den Gesichtern der Zuhörer ablesen:
Freude bei den ordentlichen Arbeitern, die einen Betrug verab-
Dr. Thomalla.
2SfK>
■dienten, Gleidig:filtigkeit bei den Stnmpfsinnigen nnd Angst bei
depjoiigen, die selbst kein reines Gewissen batten.
Der Verurteilte legte Bernfang ein; es kam zn der
Verhandlung beim Landgericht zn S. Hier wurde von der
Staatsanwaltschaft außer mir noch Kollege H. vorgeladen, der K.
hl dem Erankenhanse zn Konzendorf behandelt hatte, von Seiten
des Verurteilten war Dr. B. ans F. als Sacbverstftndiger vor-
geschlagen nnd geladen worden. Ich gab mein Gutachten in der-
idben Weise ab wie beim Schöffengericht in Waldenburg. Dr. H.
schloß sich meiner Ansicht vollkommen an; er fügte aber noch
eine hochinteressante Mitteilnng hinzu. Ihm wurde nämlich K.,
nachdem er von mir als Sim^ant bezeichnet worden war, aitf
Anordnung der Staatsanwaltschaft auf einem Wagen zur ünter-
snchnng gebracht, wobei der zn Untersuchende angab, vollkommen
arbeitsunfähig zn sein, da er nur mit Mühe stehen nnd gehen
könne. Die üntersnchnng ergab einen negativen Befand, so daß
in dem Gutachten ausgesprochen wurde, es bestehe der Verdacht,
daß K. stark übertreibe. Zwei Tage später traf Dr. H. den K.
anf dem Bahnhof in F. Hier ging K. mit schnellen Schritten
nnr mäßig hinkend nnd fest auftretend an ihm vorbei. Er wurde
von Dr. H. sofort gestellt, aber er schwang sich ohne Erwiderung,
mühelos auf das ziemlich hoch vom Erdboden abstehende Tritt¬
brett eines Wagens IV. Klasse nnd verschwand. Diese Beobach¬
tung wurde als Nachschrift dem bereits fertigen Gutachten bei-
gefttgt mit dem Bemerken, daß hierdurch der bereits im Gut¬
achten ausgesprochene Verdacht der bewußten üebertreibnng mit
Sicherheit erbracht sei. Dr. H. stimmte mir zn, daß ein Mann
wie K., bei dem ein objektives Leiden nicht nachweisbar sei,
unmöglich nachmittags flott gehen könne, während er vor¬
mittags nicht zu stehen vermochte, nnd daß er unmöglich flott
anss^reiten und auf einen Wagen IV. Klasse springen könne.
Wenn er zwei Tage vorher kaum stehen nnd gehen konnte.
Dr. B. ans F. schloß sich dagegen meinen Ausführungen
nnr teilweise an. Er hatte den K. wiederholt untersucht nnd
hielt ein derartiges Schmerzgefühl, daß der Verletzte zeitweise
nicht gehen könne, für möglich. Auch konnte nach seiner An¬
sicht eine Anlage zn dauernd neuer Geschwürsbildnng vor¬
handen sein.
Daraufhin beantragte der Staatsanwalt die Verwerfnng der
I Berufung und die Bestrafung des Angeklagten; es erfolgte aber
Freisprechung. Ans dem Erkenntnis dieser Instanz ist folgendes
zn erwähnen:
«Auf Orand der nicht einheitlichen Gatnchten der SeehTersUndigen, be-
•enders nnf Grand der Angaben des Dr. B., welcher eine Anlage na daaernd
nener Geschwilrsbildang infolge Ziikolationsstörangen, heryorgernfen durch den
Pferdehuftritt, für möglich erachtet, bat das Gericht II. Instanz zu Gunsten des
Angeklagten nicht für erwiesen eraditet, daß der Angeklagte während der Zeit
■einer Behandlung im Erankenhanse zu Waldenburg vom 80. Juli bis 17. Ok¬
tober 1906 durch eigene Eingriffe seine Faßkrankbeit fortdauernd yerschlimmert
und die Heilung yernOgert hat in der Absicht, sich durch Yorspiegelang an¬
haltender Krankheit den Fortgenufl der Unfallrente lu sichern.
Ein angeblich ünfaUrerletster ala Simidant auf der Anklagebank. 267
Es konnte daher nicht für tats&chlioh feetgeetellt erachtet werden, daS
der Angeklagte in Waldenborg in der Zeit vom 80. Joni ble 17. Oktober 1906
die LagereiberafsgenoBsenechaft um 197,68 M., das heißt den Betrag seiner
Verpflegong im Krankenhaue an Waldenburg sowie um die wihrend seines
dortigen Aufenthaltes an seine Angehörigen gezahlte Abwesenheitsrente ln der
Absiät, sich einen rechtswidrigen Vermögensrorteil au Tersehaflen, geschidigt
hat indem er durch Yorspiegmung lalscEer und ünterdiflckung wuirer Tal>
saenea einen Irrtum erregte.
Mithin war der Angeklagte von diesem ihm nur Last gelegten Vergehen
des Betruges gegen § 268 Str.-O.-B. unter Aufhebung des erstinstanzuohen
Urtefls Ireiansprechen.*
Die gate Wirktuig, welche der Ausgang der Verhandlong
am Schöffengericht in der hiesigen Arbeiterschaft henrorgerufen
hatte, war mit einem Schlage in das Gegenteil nmgewandelt
worden. Es wäre, soweit ich erfahren konnte, allerdings der
erste Fall gewesen, daß ein Simulant wegen unberechtigter Er¬
langung einer Rente vom Gericht bestraft worden wäre, aber dio
Wirkung auf die ständig an wachsende Zahl der Simulanten, wäre
nach Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils sicher eine sehr
günstige gewesen. Das einzige Erfreuliche hierbei ist, daß E.
seine Rente verlor und diese Entscheidung bereits rechtskräftig
geworden ist.
Nach Fertigstellung dieser Arbeit erfuhr ich zufällig von
Herrn Kollegen R. aus A., daß der Simulant K. jetzt Fabrik¬
arbeiter sei und sich sofort wieder einen Finger verletzte. Eine
Rente zu erlaugen — jetzt bei einer anderen Bemfsgenossen-
sehaft — gelang ihm wieder nicht, da der Finger gut heilte.
Nach Aussage des Kollegen R. ist an dem angeblich vom Pferde¬
huf verletzten Fuße nichts Krankhaftes mehr zu erkennen.
K. klagt nicht mehr über Schmerzen; sein Gang soll tadel¬
los sein.
Wenn man nun vielfach der Ansicht ist, daß die Unfälle
und die sich anschließenden Nervenerkrankungen nicht allein für
den Arzt, sondern noch vielmehr für den Soziologen von In¬
teresse seien, so mOchte ich betonen, daß heute, wie die Verhält-
niese nun einmal liegen, hieraus auch für den Strafrichter ein
fast ebensogroßes Interesse erwachsen müßte. — Wäre es möglich,
durch eine tiefgreifende Veredelung des Individuums und durch
ein energisches Herausheben desselben auf ein höheres geistiges
und sittliches Niveau dem Simulanten selbst einen Ekel vor
seiner verwerflichen Handlungsweise einzuflößen, dann könnten
wir des Strafrichters entbehren. Bei dem stetig anwachsenden
Heere der Simulanten und bei der Hilfsbereitschaft, die diese bei
ihrem Vorhaben bei Gleichgesinnten Anden, werden wir durch
Belehrungen und Ermahnungen wenig Erfolg erzielen. Furcht
vor Strafe wäre das beste, wenn auch unerwünschte Mittel, um
einen angehenden Simulanten von seinen betrügerischen Unter-
frngen abznlenken; man könnte sicher sein, bei dem besseren
Teile der Arbeiterschaft, denen diese Simulanten ebenfalls ver¬
haßt sind, eine aufrichtige Zustimmung zu Anden.
268 Dr. Wileke: Eia Fall tob WismnthTergiftinig aaw.
Ein Fall von Wismuthvergiftung sowie ein Fall von
grossem Indifferentismus gegen Nitroglyzerin.
Von Dr. Wileke in Hammerstein (Westpr.).
Eine fünfzigjährige Fran erhielt Ton mir wegen eines ehren.
Darmkstarrhs Bismnthnm snbnitr. 10,0 mehrmals täglich 1 kleine
Messerspitze. Das Pol Ter sollte in 8—10 Tagen anfgebraneht
werden. Als ungefähr die Hälfte der PolTermenge genommen
war, trat Frieren, einseitiger, in seinem Sitz wechselnder Kopf¬
schmerz, starke Mißstimmung anf. Die Patientin hatte das Ge¬
fühl, als wenn sie an Influenza krank sei, war müde und elend,
lüles tat weh; sehr lästig war Stechen im Rücken in der oberen
Lendengegend; der Appetit ließ nach und die Fran wurde schlaflos.
Es wurde hierauf das Pulver, von dem 7,0 verbraucht waren,
ansgesetzt; die Beschwerden ließen bald nach, traten aber sofort
von neuen auf, als nach einigen Tagen der Versuch gemacht
wurde, Wismnth wieder zu reichen, nm wieder anszubleiben, als
die Medikation geändert wurde.
Ich möchte die Beschwerden für Zeichen einer Wismnth-
Vergiftung halten und führe einige Zeilen aus dem Lehrbuch von
H. Schnlz^) über die anorganischen Arzneistoffe an, die über die
Wismnthwirkung handeln. Es heisst hier:
„Die HaoptTer&ndenuigen machen sich hier (d. h. am Oehira) nur in
leichten psychischen Verstimmnngen geltend. Anffallend ist die Neigung snm
Ersehiecken bei jeder geringsten Veranlassung. Der Schlaf wird ungenfigend
oder aber außergewöhnlich lange anhaltend, auch am Tage besteht die Neigung
zum Schlafen. Schwere und Eingenommenheit des Kopfes, bis su richtigen
Kopfschmerzen sich steigernd, fehlen gleichfalls nicht.
Viel eindringlicher gestaltet sich die Wismuthwirkung auf das Bttcken-
mark und auf die peripheren Nerven. In Armen und Beinen entwickelt sich
ein sehr deutliches Gefühl von großer Mattigkeit und Schwäche; einzelne
Muskel werden schmerzhaft, stellenweise tritt Moskelzittern anf und dabei
bMteht dann gleichzeitig das Gefühl allgemeiner ZerBchlagenheit'*^
Von den meisten Aerzten wird dagegen das Vorkommen einer
Wismuthvergiftung geleugnet; so sagt R. Heinz*): «Vom
Magendarmkanal aus werden Wismnthsalze nicht resorbiert, können
daher — auch bei Verabreichung großer Gaben — nicht giftig
wirken.*
In früherer Zeit scheint man die Nervenwirknng des Wis-
mnths bei innerer Darreichung öfters beobachtet zu haben; denn
in einem alten Buche von F. Jahn*) findet man die Bemerkung,
daß das Magisterium bismutbi „Aengstlichkeit, Magenwehe, Zit¬
tern und andere Nervenzufälle verursachte.*
War in diesem Falle die Empfindlichkeit gegen ein Arznei¬
mittel groß, so war im folgenden Falle die Resistenz gegen ein
für gefährlich angesehenes Mittel sehr bedeutend.
Ich hatte einer Frau Nitroglyzerin solut. 5,0 verschrieben,
weil sie öfters an Kopfschmerzen bei gleichzeitiger Blässe des
€tesiehts litt. In einem Anfalle epileptischer Verstimmnng fhnd
>) H. Schulz: Anorgan. Arzneimittel; Leipzig 1907; S. 174.
*) Heinz: Lehrbuch der Arzneimittellehre; Jena 1907; S. 90.
*) Hateria medica; 11. Band. Erfurt 1800; S. 497.
Dr. NeQiDBnn: üeber Eczema raccioatnm.
269
die Frau das vom Ehemann auf meinen Rat versteckte Fläschchen
nnd trank es ans, kam dann zn mir und bat, ich möchte ihr noch
von den „ganten" Tropfen verschreiben. Ich fand nnr einen hoch¬
roten Kopf, weinerliche Stimmung nnd Herzklopfen.
Nach Schulz0 können sich schon Mengen von 0,1 mg Nitro¬
glyzerin bei zarteren Personen unangenehm bemerkbar machen;
Heinz^ rät zur therapeutischen Anwendung von 0,0001—0,001.
In diesem Falle hatte die Fran aus dem bis dahin unbenutzten
Fläschchen 0,05 Nitroglyzerin, also das fttnfzigfache der größten
gebräuchlichen Dosis, genommen. Nach 2 Stunden war ohne
Anwendung von Gegenmitteln von der Intoxikation nichts mehr
zn spftren.
Ueber das Eczema vaccinatum.
Von Dr. Georg Neumann, Spezialarzt für Kinderkrankheiten in Landsberg a. W.
Eine Form der unerwflnschten Vakziniemngsfolgen bildet
das Eczema vaccinatum, das von manchen Autoren auch als
Vaccine generalisata bezeichnet worden ist. Diese Benennung ist
aber nach Voigt*) nicht zutreffend, denn „unter generalisierter Vac¬
cine soll man den auf hämatogenem Wege entstandenen allgemeinen
Vakzineansscblag verstehen, der sich in Form von mehr oder
weniger vollständig ausgebildeten Vakzinepusteln bei den mit
Euhpockenimptstoff Geimpften ziemlich selten um die Zeit des
Aufhörens des Vakzineflebers zeigt und der einfach abtrocknet,
ohne nennenswerte Narben zu hinterlassen."
Der Inhalt der Bläschen der Vaccine generalisata soll
außerdem nur höchst selten „verimpfbar" sein, während die Sekrete
der anderen, auf örtliche Uebertragung zuröckzuffihrenden, vakzi-
nalen Formen, d. h. der Nebenpusteln, der supernumerären oder
sekundären Pusteln und des Eczema vaccinatum stets Impfstoff
enthalten. Der gleichen Ansicht wie Voigt in betreff Eczema
vaccinatum ist Impfdirektor Paul*), der in seiner Arbeit Über die
Impf Schäden bei Besprechung der generalisierten Vakzine die bei
den für die Erklärung des Eczema vaccinatum geläufigen An¬
sichten eingehend erörtert.
Die eine Groppe nimmt, wie Paul ausföhrt, an, daß es sich
hierbei um den Effekt des im Körper kreisenden Vakzinekontagioms
handelt, wobei die Stellen des Ekzems als Locus minoris resistentiae
besonders gern befallen werden, während die Gegner dieser An¬
sicht meinen, daß es sich um eine rein lokale Dermatose, um ein
Eczema vacciuat. handelt, daß durch das Aussickern der ge¬
öffneten Vakzinepusteln oder durch den kratzenden Finger her-
vorgemfen resp. verbreitet wird. — Das Eczema vaccinatum,
das dem Anschein nach keineswegs sehr selten ist, wie es ja
*) Siehe Anmerkung 1 auf S. 268.
*) Siehe Anmerkung 2 auf S. 268.
') Voigt: Was ist als generalisierte Vaccine zu bezeichnen? Httnch.
med Wochenschrift; 1907, Nr. 88, Seite 1876.
^ Paul: Die Impfschlden: Oesterr. Sanitätswesen; 1904, Nr. 8—16
270
Dr. Neamana : üeber Eczema racdnaiam.
aaeh bei der außerordentlichen Verbreitnng des Ekzems im Ein¬
desalter leicht erklärlich ist, scheint im allgemeinen, ab^ehen
von einigen bedauerlichen, schweren Ausgängen, bei geeigneter
Behandlung nicht so gefährlich zn sein, wie einige Arbeiten ver¬
melden. Einige Beispiele aus der Literatur, z. B. Danzig er ^),
Schiller*) u. a. vermögen dies zu belegen. Allerdings spielt
auch wohl die Größe der von der Vaccine befallenen Ekzem¬
partien sowie ihre Lokalisation dabei eine Bolle. Ein kürzlich
von mir beobachteter Fall Eczema vaccinatum, das allerdings nur
wenig ansgebreitet war, heilte in kurzer Zeit ab:
Alfred Schw., geb. den 7. Joni 190S, wurde 4 Monate lang mit der
Brust, dann künstlich genährt. Mit 1 Jahr lernte er laufen. Am 24. September
wurde er anderweitig geimpft und dort am 1. Oktober zur Nachschau Torge-
stellt. Alle 4 Impfschnitte waren zu Impfpusteln entwickelt. Seit mehreren
Wochen soll das Kind Ekzem hinter den Ohren gehabt haben, seit dem
30. September aber soll es, wie die Mutter sagt, noch „Schlimmes* dazu be¬
kommen haben. Am 8. Oktober werde ich konsultiert. Es handelt sich um
ein blasses pastöses Kind, das sehr unruhig ist und viel weint. Hinter und
yor den Ohren findet sich in mäßiger Ausdehnung ein nässendes, mit Ernsten
und Borken bedecktes Ekzem, das von zahlreichen, einzelstehenden und kon-
flnierten Vakzinepnsteln bedeckt ist. Die zervikalen und submazillaren Lymph-
drtlsen sind yergrOßert. Die Temperatur des Kindes ist bedeutend erhöht.
Therapie: Deckyerband des gesamten Ekzems mit Xeroformgase; anfangs
täglicher, später zweitägiger Verbandwechsel. Am 7. Oktober ist das Kind
fieberfrei, am 14. Oktober ist das Ekzem yöllig trocken und heilt in kurzer
Zeit unter Zinkpaste ohne jede Narbenbildung ab.
Eine Weiterverbreitung der Vaccine nach Anlegung eines
Schutzverbandes hatte also in diesem Falle nicht stattgefnnden.
Der absolute Beweis jedoch daffir, daß das Eczema vaccinatum
nicht hämatogenen Ursprungs, sondern eine lokale Dermatose ist,
könnte natttrlich nur das direkte Experiment liefern. Die Impfung
einer größeren Zahl ekzemkranker Erstimpflinge — allerdings
unter ständiger, sicherer Beobachtung — wobei entweder das
Ekzem durch einen Deckverband vor der Außeninfektion oder
die Impfpusteln in gleicher Weise vor dem Aussickem zn schützen
wären, vermöchte diese Frage zn entscheiden.
In der Literatur finden sich derartige Beispiele, in denen
geimpfte Ekzematöse vor jeder Allgemeininfektion mit der Vaccine
bewahrt blieben; diesen Fällen bin ich in der Lage, einen neuen
hinzufügen zn können.
Walter W., geb. den 6. Juli 1906, bekam bis zum 7. Monat Bmzt, dann
Flasche. Im Alter von 2—4 Monaten soll das Kind an Furunkulose am wter-
kopf und Hals und yom 4. Monat ab an „Ausschlag* gelitten haben. Das
Kind läuft noch nicht.
6. Dezember 1907 i Der jetzt !*/> jährige Knabe leidet an Bachitis und
ausgesprochener ezsudatiyer Diathese. An beiden Oberarmen hat er ein
stark juckendes, trockenes, schuppendes Ekzem, das in geringerem Qrade
auch an der Vorderseite des Rumpfes und am Gefäß besteht. Am linken
Oberarm und speziell io der linken Achselhöhle findet sich ein kleiner Bezirk
eines nässenden mit Krusten und Borken bedeckten Ekzems. Das gelegent¬
lich der „öffentlichen Impfung* des Ekzems halber nicht geimpfte £nd wird
*) Danziger: GeneraUsierto Vaccine. Mfinch. med. Wochenschr.;
Nr. 82, yom 6. August 1907.
*) Schiller: Kasuistische Mitteilungen: Vaccine generalisata bei 8 Ge-
schwistm. Monatsschr. fttr Kinderheilkunde; Mai 1896, Bd. 6, Nr. 12.
Br. Bicbter; Beitrag zar Frage der VeracUeppiiBg der Schälblasen. 271
uf Wniuteh der Mutter ron mir Taksblert 8 Lnpflsebrntte werden anf die
ekaemfreie rechte Schulter, ein Tierter auf den rechten Oberarm gelegt. Bie
Imp&cbnitte werden mit einer mehrfachen Lage ron steriler Gaze bedeckt, die
durch Heftpliasterstreifen befestigt wird.
18. Bezember: Hachscban. 2 Impfsebnitte sind zu kleinen Vakzine-
bl&schen entwickelt. Bas Kind ist etwas unruhig; Temp. 87,4 ^ Ber Yerband
hat sich — wahrscheinlich durch die Neugier der Mutter gelbst — und wird
durch einen neuen ersetzt.
22. Bezember nachm. 8 Uhr: Bas Kind ist recht munter, Temp. 86,6*;
die Pusteln sind braunrot und eingetrocknet. Bas Ekzem ist unTerindert.
In dem soeben referierten Fall ist also ein Kind mit ansge*
breitetem Ekzem vakziniert worden unter der Eautele, daß die
Impfstelle durch einen Deckverband geschützt worden ist, ohne
daß sich irgend eine flble Wirkung, wie z. B. des Eczema vac-
einatum oder die Vaccine generalisata, eiogestellt hätte.
Dieser experimentelle Fall könnte demnach dafür sprechen,
daß das Eczema vaccinatnm doch wohl eher eine lokale Dermatose
darstellt, als auf hämatogenen Ursprung zu beziehen ist, weil bei
Anlegung eines Deckverbandes auf die vakzinierte Stelle ein
Eczema vaccinatum sich nicht bildete. Als beweisend könnte
natürlich nur der gleiche Erfolg bei einer größeren Anzahl der¬
artiger Kinder gelten. Sollte jedoch erst der absolute Beweis
dafür erbracht sein, daß bei ekzematösen Kindern die Verbreitung
der Vaccine nicht auf dem Blotwege stattfindet, dann würde sidh
unter Anwendung der erörterten Vorsichtsmaßregel, d. i. eines
Deckverbandes, auch die Impfung der Ekzematösen zur „rechten
Zeit* und nicht bloß in Zeiten der Gefahr empfehlen. Die Mög¬
lichkeiten der unerwünschten Vakzinierung und deren Folgen
würden sich dadurch wenigstens bei den Kindern anf ein Min¬
destmaß ermäßigen.
Beitrag zur Frage der Verschleppung von Schälblaeen
durch Hebammen.
Von Med.-Bat Br. Richter, Kreisarzt in Elbing.
Jedem erfahrenen Kreisarzt wird es begegnet sein, daß hin
und ber mehrere Fälle von Schälblasen, manchmal durch längere,
mehrere Wochen umfassende Zeiträume von einander getrennt, in
der Praxis derselben Hebamme Vorkommen. Man kann nicht gut
annehmen, daß die Hebamme die Fälle durch ihre Geräte, Hände
oder Kleider verschleppt bat, weil dann die langen Pausen uner¬
klärt sein würden. Hierzulande halten die Hebammen aber, einer
Unsitte, nicht dem eigenen Triebe gehorchend, alle vornehmen
Garnituren von zum Teil recht teurem, mit Spitzen und bunten
Bändern besetztem Tanfzeng. Dies wird leihweise bei Taufen ver¬
schiedener Kinder benutzt und selbstverständlich nicht nach
jedesmaligem Gebrauch desinfiziert. Ich untersage daher den
Hebammen, wenn sie Schälblasen melden, jetzt regelmäßig die
Hergabe von Taufzeug für die kranken Binder. Am besten
würde der Unfug gänzlich verboten, da auch die Uebertragung
272
ffleinere Mitteilangen nnd Referate ans Zeitschriften.
anderer Senchen durch gemeinsames Tanfzeng nicht ansgeschlossen
ist. Wir plagen uns tagaus und «ein mit Desinfektionen; die non
infectio aber ist wichtiger.
Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitechrlflen.
A. OeriohtUohe Xedtsln.
Modlflkattan der Teichmannachen Methode snr CiewlBBiing Ton
HBmlnkrjstallen« (A modification of Teichmanns method for obtahüng
hemin crystals.) Von Aktinson and Kendall. Procerdings of the Soc. for
experimental Biologie and Medicine. Newyork 1907, 15. Norember.
Die Modifikation besteht darin, dafi die mit den bekannten Beagentien,
Kochsalz und Eisessig, Tersetzte Blntprobe in einem fest yerscbloseenen Böbr>
chen darch Eintaachen in kochendes Wasser 15 Minaten erhitzt wird. Die
langsam abgokählte nnd völlig entfärbte Fittssigkeit bringt man sodann, nach¬
dem sie aal dem Wasserbade bis aut wenige Tropfen eingeengt ist, anf den
Objektträger. Ala Voring der Methode bezeichnen die Verfaaaer, daß die
Kryatalle größer aasfallen. Dr. Revenatorf -Hamborg.
Aknte Alkoholrergiftnng. Von Dr. med. Pentz-Eiel. Der Alkoholia-
mna; 1907, Heft 5.
Daß die aknte Alkoholvergifton g znm Tode fflhrt, kommt gar nicht so
selten vor, wie man gewöhnlich glaubt. Die tödliche Dosis des reinen Aetbyl-
alkohols wird fOr den Erwachsenen anf 60—200 g angegeben, vom Methylalkohol
genügen bereits 7,5 g. Der Tod erfolgt meist sehr bald, spätestens aber
Innerhalb 24 Standen. Bei Kindern pflegen dem Tode Krämpfe vorherzageben.
Führt die aknte Alkoholvergiftung zn einem Konflikt mit dem Straf¬
gesetzbuch, so pflegt in der Mehrheit der Fälle der Richter darüber za be¬
finden, ob der § 51 Str. G. B anzawenden ist. Gegen diesen Usas findet der
Verfasser nichts za erinnern. Bei einem „komplizierten“ Rausch würde der
Richter allerdings einen Sachverständigen znziehen müssen. Es kann nnmOg-
lieh die Aufgabe eines Sachverständigen sein, mit seinem Gutachten gegen düs
heutige Rechtsprechung zu protestieren, weil er sie auf Grnnd seines medizi¬
nischen Wissens für falsch erachtet. Nur eine kräftige Volksbewegnng könnte
nach dem Verfasser die zweifellos notwendige Ergänzung des § 51 in bezug
auf die alkoholischen Straftaten herbeiführen.
Dr. Paul Schenk- Berlin.
Zusammenstellnng von pUCzlIehen nnd unerwarteten TodesflUen«
(An address on sudden and nnexpected deatbs.) Von Wynn Westcott.
British med. Journal; 1908, 29. Februar.
Ala Ursache plötzlicher Todesfälle fand Verfasser in SO**/« Herzverände-
rungen, in SO**/« Gehirn- und in 10**/o Lungenerkranknngen. Herztodesfälle
treten mit Vorliebe ein nach Scharlach, Rheumatismus and infolge chronischen
Alkoholismus. Unter den Klappenfehlern stehen die Erkranknngen der Aorten¬
klappen an erster Stelle. Spontane Herzruptur ist in der Londoner Bevölke-
rang kein seltenes Ereignis. Arteriosklerose der Hanptkörperscblagader und
Atherom der Koronararterien sind häufig Ursache unerwarteten Todeseintritts.
Besonders häufig wurden plötzliche Todesfälle bei chronischen Alkoho-
listen bsobachtet. Unter 210 Fällen von plötzlichem Tod fanden sich 57 mal
Veränderungen des chronischen Alkoholismus. Unter 77 Fällen von fettiger
Entartung der Herzmuskulatur war diese Veränderung 83 mal anf den chroni¬
schen Alkoholismus zurttckzuführen.
Unter 1100 Obduktionen eines Jahres fanden sich 4 Fälle (Männer), in
denen der Tod während oder nach der Kohabitation ein getreten war.
_ _ Revenstorf-Hambnrg.
Ueber einen sehr seltenen Fall einer flberzähllgen BmstdrBse beim
Manne. Von Dr. Cesare Mannini-Genua. Archivio di Psichiatria, Neuro-
patologia etc.; Fase. IV—V, 1907.
Kleinere Mittelinngen nnd Referate ans Zeitaehriften.
273
Die PolymaaUe ist an sieh nicht so selten, wenigstens nicht beim Weibe
an der Pr&dilektionsatelle, welche durch eine Linie von der Achselhöhle
mir Ldstenfalte gebildet wird (Milchlinie, Milchleiate nach 0. Sch ult ne).
Das Vorkommen einer überzähligen Mamma beim Mann nnd am
Oberschenkel, wie bei dem hier beschriebenen und abgebildeten Falle,
dürfte etwas aoßerordentlich seltenes sein. Es handelt sich um einen 55 jährigen
Mann ans gesunder Familie, der an einem depressiren Gemütszustand litt nnd
bis auf die eine Anomalie normal entwickelt war, auch normale Geschlechts¬
organe besaß. In der Gegend des linken Trochanter nach den Nates zu be¬
fand sich eine halbkuglige Geschwulst, die an der Basis 8,5 cm im Durchmesser
maß, hart-elastisch sich anfühlte, keine Verwachsungen zeigte, normale Haut¬
farbe nnd auf der Höhe eine rOtliche Protuberans von dem Aussehen der Brust¬
warze, jedoch ohne Oeffanng, auf wies. Diese Geschwulst bestand nach Angabe
der Eltern von Geburt an und hatte nur zur Zeit der Entstehung der Psychose
eine geiingere VergiüBemng erfahren. Die Form der Geschwulst mit der
sentralen Protuberanz, ihre Konsistenz, ihre Schmerzempfindlichkeit, ihre be¬
sondere Ferhnng, die Turpeszenz ließen keinen Zweifel, daß es sich hier um
eine überzählige Mamma handelte.
Verfasser knüpft einige Bemerkungen über diese Genesis dieser Ano¬
malien an diesen FaiJ, wobei er den wechselnden Sitz der Brustdrüsen bei den
▼erschiedenen Säugetieren erwähnt. Dr. Solbrig-AUenstein.
B. Onriolifliolio Pnyohlutri«.
Zur Frage der Simulation ron Geisteskrankheit. Ans der EOaigl.
Psychiatrischen Klinik zu Tübingen (P/ot Dr. G a up p). Von Walther B i e h m,
Medizinalpraktikant. Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch - gerichtliche
Medizin.
Biehm berichtet über zwei Fälle von bewußter und raffinierter Simu¬
lation zum Zweck, sich einen Vorteil zu erringen. Beidemal handelt es sich
um nicht geisteskranke, aber degenerierte Personen, denen der Gedanke, eine
Psychose zu simulieren, teils durch ihre Lebensschicksale, teils durch zufällige
Einflüsse nahegelegt wurde.
Im ersten Falle sehen wir einen jugendlichen Verbrecher den Plan zur
Simulation geistiger ScOrung zu einer Zeit fassen, als er in der harten Straf¬
haft zufällig erfährt, daß man die Einrichtung des milderen Strafrollzuges
für psychisch abnorme Verbrecher schaffe. Die Art, wie er bei seinen Täuschungs-
Tersueben rorging, entspringt den Laienmeinnngen über das Gebahren Geistes¬
kranker ; anschaulich schildert er selbst, wie er zur Simulation des Verfolgungs¬
and Größenwahns kam. Die Lebhaftigkeit seiner Phantasieprodukte hat ihre
hauptsächlichste Ursache in der angeborenen Neigung und Begabung des
degenerierten Burschen zum Schwindel nnd Betrag, in der „Labilität selaes
Persönlichkeitsbewußtseins“, wenn man diesen Ausdruck auch hier an der
Grenze des Normalen anwenden will. Vielleicht mag auch er yorübergehend
selbst nicht mehr gewußt haben, was bei seinen romanhaften Schilderungen
Wahrheit und Dichtung ist; trotzdem wäre es verfehlt, wollte man hier von
hysterischer oder degenerativer Psychose reden. Lag doch dem ganzen Vor¬
gehen ein wohlüberlegter, nie ans dem Auge verlorener Zweck zugrunde, den
er ja auch völlig erreicht hat.
Der zweite Fall ist deshalb von besonderem Interesse, weil wir den
Versuch eines intellektuellen Menschen vor uns haben, seine in Irrenanstalten
and auch bei vorübergehender eigener alkoholischer Psychose gewonnenen Er¬
fahrungen und Kenntnisse für die Simulation zu verwerten. So brachte er ein
Krankheitsbild zusammen, das mit der Paranoia eine gewisse, wenn auch frei¬
lich nur entfernte Aebnlicbkeit hatte, nnd das auch bei einzelnen Psychiatern
Annahme fand. Die Motive seines Handelns sind ganz verschiedener Art:
einmal die Absicht, sich, wenn er bri seinen Zechprellereien ertappt war, Straf¬
freiheit zu verschaffen, ferner aber — und hier kommt die degenerative Per¬
sönlichkeit deutlich zutage — der Plan, sich in der Irrenanstalt ein behag¬
liches Leben ohne Arbeit zu verschaffen. Seine Arbeitsscheu war stärker, iIb
die natürliche Scheu des gesunden Menschen vor der Versorgung in der Irren¬
anstalt. Freilich verstand er es meisterhaft, sieh seinen Anfenthal in der An¬
stalt allmählich so zu gestalten, daß ihm an Bequemlichkeit nichts abging,
274
Kieinore Hitteilongea and Beferato ans Zeitscbriftea
ja, dafi er selbst Wein und Weib nieht n entbehren brauchte. Es ist, wie
Biehm sagt, nicht ohne Homor, zu sehen, wie die Hamanität unsres modernen
Irrenanstaltswesens es dahin brin^ daß der arbeitsschene Alkoholist, selbst
wenn er nicht der niedersten Seicht der schwachsinnigen Vagabunden an«
gehdrt, in der Irrenanstalt den behaglichsten Ort erblickt, um seine Tage in
Muße und Vergnttglichkeit zu verbringen. Dr. TSbben«Münster.
Dementia praecox und maniseh-depressives Irresetiu Von Professor
Dr. Thomson in Bonn. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch«
gerichtliche Medizin; 64. Bd., IV. H.
Die Bezeichnung der Dementia praecox sollte wohl am besten, weil sie
zu sehr zu irrigen Voraassetzungen und Schlüssen in prognostisdier Beziehung
Veranlassung gibt, wieder ans unserer psychiatrischen Nomenklatur ver«
schwinden. Es ist aber nicht zu bestreiten, daß wir in der Hebephrmiie,
Katatonie und Dementia paranoides Krankheitsbilder vor uns haben, deren
innerliche und Soßerliche Verwandschaft und Zusammengehörigkeit sich ganz
besonders dann in ihrer diagnostischen und prognostischen Bedeutung zeigt,
wenn wir zu dieser Gruppe wesentlich nur die Fälle rechnen, deren Ausbmch
in die erste Lebenshälfte fällt.
Wenn wir das tun, so haben wir eine Krankheitsgruppe, welche das
hebephrenische, das katatonische und das paranoide Irresein umfassen würde.
Die Krankheitsgruppe würde sich infolge ihrer gemeinsamen, ziemlich gut
charakterisierten Symptome gegenüber anderen Psychosen des gleichen Lebens«
alters, speziell gegenüber dem manisch «depressiven Irresein, ziemlich scharf
abgrenzen. Je stärker dabei der „katatonische Symptomenkomplex“ ansgebildet
ist, desto sicherer erscheint im allgemeinen die Zugehörigkeit eines Krfmkheits«
fidles zu dieser Groppe. Auf die frühere Bezeichnung der „Eatatoniegruppe*
zurückzngreifen, scheint dem Verfasser praktisch und formal geeigneter s^
von Dementia praecox zu sprechen. Dann stehen die „Katatoniker“ scharf den
„Manischdepressiven* gegenüber, während ans der Dementia praecox sich ja
überhaupt kein sprachlich brauchbares Substantiv ableiten läßt. Zn den
Krankheitsbildem des späteren Lebensalters wird man gesondert Stellung
nehmen müssen. _ Dr. Többen«Münster.
Ueber Dementia inCantUls» Von Dr. Th. Heller«Wien«Grinzing. Zeit«
Schrift für die Erforschung des jagendlichen Schwachsinns; Bd. II, H. 1.
Die Dementia infantilis ist dadurch gekennzeichnet, daß nach einer
Periode normaler oder annähernd normaler geistiger Entwicldnng, zumeist im
dritten oder vierten Lebensjahr, bald unter stürmischen Erschwungen, bald
mit schleichendem Verlauf eine schwere Verblödung eintritt, welche tuter dmn
Bilde tiefer Idiotie endigt. Die fbitstehung der Dementia infantilis auf Grund
psyWsdier Traumen ist höchst zweifelhaft.
Soweit sich ans den nachstehenden Erankengrachichten entnehmen läßt,
spielt die Syphilis in der Aetiologie der Dementia infantilis keine besondere Bolle.
Verfasser teilt 6 diesbezügliche Fälle mit, bei denen der irreführend
intelligente Gesichtsansdruck auffallend ist, der auch im Stadium tiOler
Demenz erhalten bleibt. — Die betreffenden Kinder bedürfen fortwährender
AnfsiW und sorgfältiger Pflege, da sie unberechenbar sind und höchst unan«
genehme Gewohnheiten annehmen können. Dr. Wolf «Marburg.
Jngendlrreselii* VouDr. Bizor. Aus der KönigL üniversitätsklinik
und Poliklinik für psychische und Nervenkrankkelten in GOttingen. Archiv
für Psychiatrie; Bd. 48, H. 2 und 8.
Der Verfasser le^ in einer auf Anregung und unter Leitung A. Gramers
Mchriebenen Arbeit dar, wie berechtig es ist, die geistigen Erkrankungen
der Pubertät zusammenzufassen. Des weiteren versucht er auf katamnestischem
Wege zu beweisen, daß die Psychosen der Pubertät nicht immer zu einer
Verblödung oder zum geistigen Stillstand führen, daß vielmehr auch dauernde
Heilungen möglich sind, üm den weiteren Verlauf der psychischen Erkrankung
offen zu lassen, werden diese geistigen Störungen als Jugendirresein bezeiehaek
und folgende Gruppen unters Weden:
1. Stillstand der geistigen Entwicklung als vorzeitiger Abschluß In der
Pubertät.
Kleinere lOtteilnngen und Referate ans Zeitsobriften.
276
2. Anagesprocbene Peychose im PaberUtsalter unter Eiescblaß der
Paerperaln^ehoaeD.
8. Die Payehoee rerUnft ln mehreren Schflben.
4. Sie IfUut nach Terh<niam&ßig kuraom Teilanf nur absoluten Ver*
blOdung.
6. Die Pubertätspsychose pflanzt sich auf eine schon Torbandene Imbe>
zillitit aut _ Dr. T5bben*MflBster.
üeber GeHngnizpejeboMB« Von Karl Wilmanns*Heidelberg. Zwang¬
lose Abhandlungen; VIll. Bd., H. 1.
Senile, paralytiscbe und andere organische Erkrankungen sind im Oe-
flbsnis selten; selten ist auch das manisch • depressiTe Irresein, wabrscbeialieb
deshalb, weil manisch • depressiy Veranlagte nicht hänflg gewohnheitsmäßig
krfaninel^ werden. Die grflflte Zahl der Kranken gebürt den jurenilen Ver-
blQdnngsprozessen an.
1, Die Landstreicher, die in den meisten Fällen erst infolge der
GMsteskrankheit unsozial geworden waten ;2.dieQewohnheit8Terbreeher,
die fast ausschließlich in früher Jugend geschwächt und erst nach vielen Jahren
in den Gefängnissen erkrankt waren, und 8. die Gelegenheitsyerbrecher, welche
im Anschluß an die Straftat in der üntersuchungs- oder Strafhaft von Geistes¬
störung befallen waren.
Die Frage, ob die Schädigungen der Strafhaft eine Dementia praecox
oder Paranoia auszulOsen vermögen, ist zurzeit noch nicht sprudur^ Be¬
trachtet man die juvenilen VetblOdungsprozesse (ds Autointozikationspsychosen,
so erscheint es möglich, daß die Steffwechselstörungen in der Strafhaft bei der
Entstehung der Krankheit eine ursächliche Bolle spielen. Die Aeußerungen
der Erkrankung sind während der Entwicklung der Psychose ein Produkt des
Milieus, und Bilder, die stark an den Quernlantenwabnsinn erkaem, sind im
Prodromalstadium nicht selten.
Die im Gefängnis auftretenden Psychosen der genuinen Epilepsie
unterscheiden sieh nicht wesentlich von denen der freilebenden Epileptiker,
doch kommen gerade so wie hysterische Anfälle auch hysterische Haftpsychosen
bei gewissen Epileptikern vor; diesen Geistesstörungen stellt Willmanns
die Psychosen auf dem Boden der Entartung gegenüber. Unter Entartung
versteht er die Summe der minderwertigen Variationen des Menschen aiu
(dstigem und körperlichem Gebiete. Die Psychosen auf dem Boden der Ent¬
artung sind Reaktionen auf überstarke Reize und Neigungen der abnormen
Veranlagungen unter ungünstigen Verhältnissen. Der Verfasser teilt diese
degeaerativen Geistesstörungen in akute und chronische; erstere sind das
Prototyp der Untersuchungshaft, letztere das der langen Strafhaft.
Unter den akuten Haftpsychosen lassen sich verschiedene Typen unter-
sehMden, Bilder, wie sie Reich, Ganser, Recke und Rüdin geschildert
haben. Als Typen der chronischen Psychosen werden besonders para¬
noische Formen geschildert, die der Verfasser ans der Wirkung des StrafvoU-
snges auf den minderwertigen Gewohnheitsverbrecher psychologisch zu erklären
•acht. Er bezeichnet diese Haftpsychosen als langsam sich entwickelnde,
dauernde, unerschütterliche Wahnsysteme bei vollkommener Erhaltung der
Klarheit wie der Ordnung im Denken, Wollen und Handeln; er stellt sie der
Pamda Friedmanns und dem Quemlantenwahnsinn Kraepelins gleich.
_ Dr. TObben-Münster.
Eine Vagabnndenfamtlle. Von Dr. MOnkemOller. Monatsschrift
für Krimin. Psych. und Strafrechtsreform; 4. Jahrg., 1907, Nr. 9.
Den Pfaden einer weit verzweigten Vagabundenfamilie mit einiger Be¬
stimmtheit zu folgen, geUngt nur in den seltensten Fällen, da bei dem Nomaden¬
leben, das ihre hütglieder führen, oft genug jede Spur verloren geht. M. hat
als Arzt an der Korrektionsanstalt in Himmelstür zahlreiche Mitglieder einer
stdehen Familie kennen gelernt, ihre Züge an der Hand der ikstalts- und
Polizeiakten verfolgt und ihren Stammbaum aufgestellt, soweit dies bei
dem fluktuierenden Material überhaupt mOglich ist. Klaus W. Viktoria, un¬
ehelich geboren von einer Marketenderin, die die Hannov. Armee in den na^e-
onbehen Feldzügen begleitete, ist der Stammvater dieses erlauchten Geschlechts;
276
Kleinere Hitteiinngen nnd Referate au Zeitschriften.
74 Naebkommen hat Verfasser anfgefonden. Während nur 8 elnea im kärger«
lieben Sinn einigermaßen einwandsfreiea Lebenswandel fuhren, sind 46 Ton
ihnen Landstreicher im wahrsten Sinne des Wortes nnd in allen Abstofongen
Tom fanlsten Bettler bis som ragierenden Pferdehändler, aliu „Bossetänscher*;
dazwischen die „Charaktermasken": Eansierer, Kesselflicker, Siebmaefaer etc.
nnd die vielseitigen Kttnstler nnter den Stromern. Abgesehen von den zahl¬
reichen bekannten Kouflikten mit dem Str. G. B., ohne welche die Znnft ttber-
hanpt nicht bestehen kann, worden 26 Mitglieder bestraft, nnd zwar im idl-
gemeinen wegen leichterer Vergeben, wobei der Alkoholismns eine nnverkenn-
bare Bolle spielte. Daß die Erziehnngsversnehe der Korrektionsautalt, die
bei 20 gemacht worden, so gnt wie erfolglos waren, nimmt nicht Wnnder,
wenn man die Psyche dieser Bitter der Lan^traße in Betracht zieht. Obwohl
die Akten hierflber nnr geringe Ansknnft geben, konnte doch bei 8 eine ana-
gesprochene Psychose angenommen werden; 7 litten an Krämpfen. Daß diese
Zahlen viel zn niedrig sind, daß Folgcznstände des Alkoholismu nnd psychische
Minderwertigkeit hier schwer in die Wagschale fallen, wird besonders hervor-
gehoben. Nach einem Hinweis anf die enormen Schädignngen, die von einer
solchen Familie der Oesnndheit weiterer Kreise dnreh ansteckende Krankheiten
(Trachom, Lnes etc.) nnd in mannigfacher Hinsicht dem Nationalvermögen
erwachsen, nntersneht Verfasser die Ursachen fttr ihren Verfall in Kriminalität
nnd Vagabondage nnd kommt dabei zn dem Ergebnis, daß die gemeiuchi^t-
liche hereditäre Bedentnng hier nicht allein in Frage komme, sondern diüB
anch das Milien mit seinem verderblichen Einfluß anf die nächste Generation
mit heranznziehen sei. Vereinzelte Heirat mit soliden Elementen hat hieran
nichts ändern können. Ein Hinweis anf,die wenig erfolgreichen Versnehe,
diese Parasiten der Gesellschaft nnschädlich zn mache, nnd anf die Anssichts-
losigkeit, die solche Bestrebnngen zurzeit bieten, beschließt die sehr inter¬
essanten Ansiährnngen. Dr. Gerlach-Hildesheim.
Beobaehtnngen Aber psyebtiehe nnd nervöse Krankheiten im Japn-
nlseh-russischen Kriege 1904/06. Von Prof. Dr. 8. Araky-Okayama.
Klinik fttr psychische nnd nervöse Krankheiten; Bd. II, H. 4.
In den Mitteilungen hat Verfasser eine üebersidit seiner Erfahrungen
Aber Art nnd Entstehnog von Psychosen nnd Neurosen im Kriege zn geben
versucht. Selbst wenn man in einer Beihe von Fällen erkennen kann, daiß die
Störung schon frtther ansgebrochen oder wenigstens durch starke Belastung,
Infektionskrankheiten und andere Momente vorbereitet war, kann man die
große ätiologische Bedeutung des Krieges anf den Ausbruch von Psychosen nnd
Neurosen der verschiedensten Art nicht verkennen. Fttr spätere Studien dieser
Art ist besonders anf die Notwendigkeit der weiteren Untersuchung des Ab¬
laufes der Störungen hinznweisen. Nnr hierau kann sich an Stelle der jetzt
noch vielfach notgedrungen angewendeten rein symptomatischen Klassifikation
ein genauer Einblick in die einzelnen Krankheitsgruppen ergeben.
_ Dr. Wolf-Marburg.
Der Gelstessostnnd der Sehwangeren and Gebärenden. Von Dr,
Bischoff. Archiv fttr Kriminalanthropologie nnd Kriminalistik; Band 89.
Heft 2 nnd 8.
Die sehr eingehende Arbeit kommt zu folgenden Ergebnissen:
Geisteskrankheit nnd vorttbergehende, abnorme Geisteszustände sind bei
den zn entbindenden Frauen selten nnd kommen vorwiegend bei Disponierten
vor. Der Kindesmord in einem solchen Zustande kommt sehr selten zur gericht¬
lichen Behandlnng.
Die Affekte der heimlich Schwangeren werden dnreh die Gebortsvorgänge
normalerweise nicht zn pathologischer Höhe gesteigert.
Der Kindesmord wird In der Mehrzahl der Fälle bei klarem Bewußtsein
ansgeftthrt.
Besonders schwere Ergriffenheit durch die Gebnrtsvorgänge wttrde
Kindesmord nicht fördern, sond^ern hemmen.
Eine besondere Disposition znm Kindesroorde besitzen geistesschwache
ledige Erstgebärende. Dr. Fritz Hoppe-Allenberg..
Kleinere Mitteilongen and Referate ans Zeitschriften.
277
Alkehel nnd Selbstmord. Von Dr. Walter Kttrbita, ehern. I. Ass.-
Ant an der psychiatrischen Qnirersitätsklinik in Königsberg, i. Z. Arst am
pathologijicben Institat an Harbarg. Allgemeine Zeitscbrilt ittr Psychiatrie;
64. Band, IV. Heft.
Der Verfasser erörtert in der Torliegenden Arbeit die vielfachen Be-
aiehnngen swischen AlkohoUsmas and Selbstmord und beantwortet sam Schloß
Ue praktisch sehr wichtige Frage: «Was geschieht mit den Alko-
dollkern, die sichoder ihre Mitmenschen in lebenbedrohender
Weise gefährden?
Der Selbstmörder wird in Deutschland bekanntlich nicht bestraft. Ist
nun aber durch einen Trinker eine dritte Person mit mehr oder weniger Ehfolg
bedroht, so tritt der § 51 St. O. B. in einer großen Anzahl der Fälle gans
oder teilweise in Kraft. Nach der Freisprechang oder nach Verbüßang der
meist nicht lange währenden Haft wird der Alkoholiker seinem alten Leben
zniiickgegebea, da nach den anamnestischen Erbebangen an eine Besserang
nicht za denken ist. Das dringendste Erfordernis wäre daher, den Potator
vom Alkohol auf längere Zeit, am besten aber ganz fernzah^ten. Dieses
Postulat kann jedoch nar dann erfüllt werden, wenn die Errichtung von
Landes- oder Reichstrinkerheilstätten mit allen Kräften
unter gleichseitiger Schaffung eines Reichs- oder Landes-
trinkerfftrsorgegcsetzes erstrebt wird.
Dr. TObhen-Münster.
Beitrag nm Studium der Kersakewschen Psychose. Von Frau B er g-
mann-Kasperowics. Thöse der medizinischen Fakultät in Genf; 1907.
Verfasserin berichtet über 11 Fälle von Korsakowscher Krankheit,
welche in den Jahren 1901 bis 1905 in dem schweizerischen Asyl Bel-Air zur
Beobachtang kamen. Von den 11 waren 7 Männer, 4 Fraaen. Bei einer Qe-
samtzahl der Aufnahmen von Alkoholikern in dem betreffenden Zeitraum von
909: 87 ergibt sich, entsprechend anderer Beobachtangen, ein Prozentsatz von
8 Männern auf 10 Fraaen. Die Alkoholintozikation war in allen Fällen dne
schwere. Körperliche Krankheit hat anscheinend nur in einem Falle be¬
günstigend aoi die Entstehnng der Korsakowschen Psychose eingewirkt.
Li 6 Fällen wurde die Krankheit durch ein DeUriam tremens eingeleitet.
Von den 11 Kranken sind 7 ungeheilt entlassen worden, einer ist in der
Anstalt an Tuberkolose gestorben, drei befinden sich noch in der Anstalt. Von
diesen letzten drei sind zwei wenig gebessert, einer unverändert.
In 7 Fällen bestand Ongleichheit der Papillen, 5 Eiranke waren Epilep¬
tiker. Alle zeigten die charakteristischen psychischen Symptome: Abschwächang
der Merkfähigkeit, Verlast des Gedächtnisses für Jüngstvergangenes, mangelndes
oder unzareidiendes Orientierungsvermögen, Neigung zur Konfabolation.
ln zwei Fällen sind genaaere Versuche über das Eindracksvermögen,
das „auterograde" Gedächtnis angestellt worden. Die Prüfangsmethode be¬
stand im wiederholten Vorsagen von zehn Worten und in der Feststellung,
wieviele von diesen zehn Worten nach einer bestimmten Anzahl von Wieder¬
holangen oder nach Ablaaf einer bestimmten Zeit von der Versachsperson im
Gedächtnis fixiert worden waren, so daß sie frei wiederholt werden konnten.
Es ergab sich, daß beim Normalen zwei Wiederholungen der zehn Worte
ausreichend waren, um sie dem Gedächtnis einzuprägen. Bei den zwei Pa¬
tienten mit Korsakowscher Krankheit gelang die Einprägang von zehn
Worten flberhaapt niemals. Der eine Patient kam ein einziges Mal aof neun
Worte, die Patientin höchstens auf sieben. War ihr Fixationsvermögen er¬
schöpft, so sagten die beiden Patienten gewöhnlich erfundene Worte.
_ Dr. Paul Schenk, Berlin.
Eluteiluag der Homosexuelleu« Von Med.-Eat Dr. Näcke in Hubertns-
hurg. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 1908, I. H., 65. Bd.
Näcke unterscheidet eine echte und unechte Homosexualität. Die
echte findet Befriedigang auf rein homosexuellem Wege; sie ist kein Laster,
keine sittiiche Verfehlung; die unechte dagegen sucht ihre Befriedigung
entweder durch onanistisehe Handlangen oder durch Zuhilfenahme der hetero¬
sexuellen Phantasie. Sie ist ein Laster, eine Perversität, falls sie nicht
278
Eieinere Mitteilangen and Eei'erate ana ZeitachriftetL
etwa, wie im alten Griechenland, darch die Sitte oder gar durch die Beligion
geheiligt iat. Den homoaexnellen Akten an sich kann man es nicht an>
aehen, ob aie homo- oder heteroaexnell bedingt sind, hier kann nnr eine genaue
Aniüyae des Einaelfalles, am beaten mit Hilfe der Serienträume Klarheit
achaffen. Während das sexuelle fremde und krankhafte Empfinden als solches
nicht erworben werden kann, kann sich ebe homosexnelle Handlung auf hetero*
sexuellem Boden, x. B. bei Bou6s, allmählich entwickeln.
Dr. T fibb en • Mttnater.
Einige Lehren des Harden-Proiesses. Von Dr. Albert Moll in Berlin.
Zeitschrift für ärztliche Fortbildung; 1908, Nr. 2.
Selten iat so wie in diesem Prozeß die Glaubwürdigkeit der Frau als
2ieugin unter dem Gesichtspunkte der Hysterie geprüft worden, Ea wäre er¬
wünscht, daß man auch in anderen Fällen bei Belastungszeuginnen die gleiche
Vorsicht walten lasse. Weiter hat der Prozeß gelehrt, wie stark in der Volks¬
seele nach wie vor die Abneigung gegen die Homosexuellen wurzelt, ja, durch
die Ausschreitungen der Agitatoren gesteigert ist. Diese mOgen in der Be-
aktion eine Warnung sehen und sich beseneiden, „wenn die menschliche Ge¬
sellschaft ihnen Duldung entgegenbringt, auch ohne ihnen eine volle Gleich¬
berechtigung zu gewähren." Eine dritte Lehre ist die, nicht aus einigen
künstlich zusammengesetzten Fragmenten oder aus einzelnen besonders her-
Tortretenden psychischen Eigenschaften die Homosexualität oder gar die homo¬
sexnelle Veranlagung einer Person herzuleiten.
Man kann gewiß M. nnr beipflichten, wenn er als charakteristisch für
den kulturgeschichtlichen Charakter unserer Zeit eine gewisse sexuelle At¬
mosphäre bezeichnet und glaubt, daß die Durchsetzung der gesamten modernen
Literatur und Kunst mit dem Sexualismus, die vielen wissenschaftlichen Arbeiten
auf diesem Gebiete, besonders aber die zahleichen unter dem Deckmantel der
Wissenschaft gehenden erotischen und sexuellen Schriften nicht ohne Wirkung
geblieben sind. _ Dr. Lohmer-COln.
Psychologie der Zeugen. Von Dr. C. E. MarianL Archivio di Psi-
chiatria, Nenropatologie etc.; Fasz. IV—V, 1007.
Zur Begründung der Forderung, jeden Zeugen, ehe man ihn als solchen
znläßt, nach Methoden der experimentellen Psychologie auf seine Fähigkeit,
sich zu erinnern, zu prtlfen, liefert Verfasser ein neues Beispiel: Einer Sasse
von 280 Schülern, in Abteilungen gesondert, wurde ein einfaches Modell, eine
fünfblättrige Blume am Stil mit zwei Blättern, während zwei Stunden zum
Nachzeichnen aus freier Hand gegeben. Acht Tage später wurden dieselben
Schüler aufgefordert, aus dem Gedächtnis die Zeichnung zu wiederholen; 46
Kinder waren im stände, das Modell mit genügender Genauigkeit zu repro¬
duzieren, 91 machten dabei zwei oder drei grobe Fehler und 94 entfernten
sich in der Wiedergabe so sehr vom Original, daß es so gut wie unkenntlich
war. ünd dies ungünstige Ergebnis, nachdem das Modell zwei Stunden lang
unter den günstigsten Verhältnissen frischen, gesunden Kindern, in ihrer
Hauptarbeitszeit vor Augen gestellt war. Dr. Solbrig-AÜenatein.
Beitrag zum Studium über die Falschheit der Zeugenaussageu. (Con-
tributo Studio sulla fallacia delle testimonianze). Von Dr. Anselmo Saeer-
dote. — Archivio di Psichiatria, Neuropathologia etc. Fasz. IV u. V, 1907.
Verfasser berichtet folgenden Vorgang: Ein Herr, der gegenüber der
Schule stehend, auf seine Söhne wartet, siebt 6 bis 6 Schritte von sich ent¬
fernt, einen Mann mit entblößtem Glieds vorübergehende Damen belästigen.
Er eilt zum nächsten Schutzmann, der etwa 100 Schritt entfernt steht, be¬
richtet ihm den Vorfall und eilt mit ihm zum ersten Standort zurück; er sieht
auch sogleich einen Mann sich schnell entfernen, bezeichnet ihn dmi
Schuldigen, worauf derselbe festgenommen und später in Anklage versetzt wird.
Dieser, ein Beamter, nur an dem betreffenden Tage ohne Uniform, stellt die
Sache aufs entschiedenste in Abrede; der Zeuge, eia einwandsfreier, ernster
Mann, durchdrungen von der Schwere der Anklage, beharrt ebenso entscÜeden
auf seiner Aussage.
Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeiteehriften.
979
Verfasser, als Sachverständiger vor Gericht, kann an den Zeogen keinerlei
Abweiohongen feststellen and kommt an der Annahme, daß der Zeuge sidi
geirrt habe; die Erklärung sei darin za finden, daß der Herr, der viel von
onzttchtigen Vorgängen, die in jenem Stadtteil voUfdhrt waren, gehört habe,
und nun Zeuge einer solchen Handlang geworden, auf das Gesicht, die Gestalt
und Kleidung des betreffenden gar nicht genau geachtet, sondern seine ganze
Aufmerksamkeit dem Vorgang selbst gewidmet habe.
Das Gericht sprach den Angeklagten frei, legte aber auch dem Kläger
keine Sofie auf, da er bona fide gebandelt habe.
Verfasser erinnert an den Aassprach von Gross, welcher sagt, von der
Möglichkeit des Irrens bei den Richtern sprechend, daß es genttge, daß ehie
der Tatsachen, von denen sie aasgehen und aaf welche sie sich sttttzen, irr-
tftmlich sei, damit die ganze Geistesarbeit, welche sie davon ahleiten, zum
falschen Schlosse kommt. Dr. Solbrig-AUenstein.
Fsjeholofte und Psjehopatholegle Im PollielweseB. Von Dr. üebl,
prakt. Arzt in Vohenstraufi. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 8.
Verfasser plädiert im Anschlaß an den bekannten Münchener polizeilichen
Verhaftnngsfall dafür, daß die Organe der Polizei in den Polizeischulen neben
dem sonstigen Unterrichte im Sicherheitsdienste anch aaf dem Gebiete der
populären Psychologie and Psychiatrie einigermaßen Belebrang erhalten sollten.
Verfasser gät dann aaf die einzelnen Punkte näher ein, welche bei
diesem Unterrichte Berücksichtigang finden sollten und erwähnt, daß Professor
Dannemann-Gießen in Darmstadt bereits einen solchen Versuch gemacht
hat, vor einer größeren Zahl von Polizeibeamten das auf diesem Gebiete nötig
Erscheinende in populärer Form abzubandeln, wie er hofft, nicht ohne Erfolg.
Dannemann wird in nächster Zeit einen entsprechenden Leitfaden für Polizei¬
beamte bearbeiten. _ Dr. Waibei-Kempten.
Zur Frage der Unterbringung geisteskranker Verbrecher. Aus der
Provinzial-Irrenanstalt Neustadt in Houtein. Von Dr.F. Krämer. Allgem.
Zeitschrift für Pqrchiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin; 1906, 64. Band,
VL Heft.
Der Verfasser legt die Bauart des „festen* der Neustädter Provinzial¬
irrenanstalt angegliederten „Hauses* dar und bringt zum Ansdruck, daß sieh
der Bau als zweckentsprechend bewährt hat. Das „feste Haus* ist für 40
Köpfe berechnet und mit einem Kostenaalwand von etwa 180000 M. hergestellt.
Das Gebäude ist einzateilen in einen Mittelbau, der von einem mit Kapfer-
platteu gedeckten Turm gekrönt wird and in zwei in derselben Front liegende
Seitenflügel. Da das Hans von den übrigen Gebäuden der Anstalt gesondert
Regt und fest an drei Seiten von einer weit in das Land binebgehenden Aus¬
buchtung der Ostsee eingefaßt wird, so ist ein etwaiger Flachtversuch sehr
erschwert. Der Charakter als Krankenanstalt ist voUkommen gewahrt ge¬
blieben, wenngleich ein gewisser „straffer Zog* sich bei der Bebandlong niät
vermeiden läßt. Für die 40 Insassen sind 14 Wärter vorgesehen, so daß auf
3,6 &anke 1 Pfieger entfällt. — Die Haaptpankte, die nach Kroemer als
Vorbedingung der Bewährung von Irrenanstaltsadnezen in Betracht kommen,
sind: 1. Wirklich feste Bauart. 2. Zahlreiche Zellen und kleine Schlafräume.
3. Gates PersonaL 4. Richtige Verteilung der einzelnen Individuen auf kleine
Abteilungen. 6. Sachgemäße, verständige Leitung und Behandlung.
Dr. Többen-Münster.
Bin neues regressives Stigma bei Degenerierten. Von Dr. G.L. Gas¬
parin a-Genua. Arehivio dl Psichiatria, Neuropatologla etc.; Faszikel IV
und V, 1907.
Nachdem Masini in einer Monographie vom Jahre 1905 auf eine eigen-
tümliehe Anomalie bei einem Epileptiker hingewiesen hatte, die darin bestand,
daß der Kranke seine Fmger, und zwar jedes Segment der Finger vom Karpal-
knoohen bis zur letzten Phalanx, ohne Mühe bis zum rechten Winkel über¬
strecken konnte, nahm Verfasser eine Nacbprttfung bei einer größeren Zahl
von Geisteskraakheiten und zum Vergleiche von gesunden Personen vor. Er
war selbot überrastÄt, alz sich dabei herausstellte, daß diese eigentümliche
280
Elelnere MitteilniigeB und Befernta tna Zeitsebrlften.
Bawegliohkdt der Finger, hier nnd da andi der Zehen, sieh nicht so selten
indet. ünter 400 nntersnehten Epileptikern, Dementen nnd anderen Kranken
mit Degenerationen waren etwa 10*'/o, die dieses Zeichen anfwiesen, wihrend
■nter 200 Normalen nur 2% damit behaftet waren. Das Ph&nomen der HTper*
extensibilitSt beschrankt sich bei den meisten aal die Metakarpo-Phalangeal«
Artiknlation; die betreffenden waren, ohne sich dabei ansnstrengen nnd ohne
dabei Schmerzen zn yerspttren, im stände, die Finger bis za einem rechten
Winkel zam Karpal« und Metakarpalteil des Handrttckens zn überstrecken.
Daß für dieses Zostandekommen einer abnormen BenegUchkeit keinerlei Knochen-
Terletznngen in Betracht kommen, werde durch eine Anzahl Ton Bdntgen«
nntersnehnngen festgestellt. Verfasser ist der Ansicht, daß dieses Zeichen zn
den Stigmata, wie sie bei Degenerierten in der yerschiedensten Weise yor-
kommen, za rechnen ist and zweifelios eine angeborene Anomalie darstellt.
Er weist darauf hin, daß bei den Affen sich eine solche Beweglichkeit regel¬
mäßig findet; der Affe bedarf diese bei bestimmten Bewegungen. Es liegt
daher nahe, anzanehmen, daß die beschriebene Erscheinung ein bedeutungs-
yoUes regressiyes Stigma darstellt, zumal es meistens Epileptiker mit krim-
nellen N^ungen und Geistesschwäche, also degenerierte, sind, bei denen diese
Anomalie am häufigsten zu finden ist. Dr. SoIbrig-Allenstein.
Deber Amomalien der Gliedmassen bei Geisteskraaken. Von Dr. Cesare
Pi an etta-Brescia. Archiyio di Psichiatria, Neuropathologia etc. Fase.rV
nnd y, 1907.
Die Kasuistik hierttber wird um drei interessante Beobachtungen aus
der Proyinzial-Irrenanstalt zu Brescia yermehrt. Der erste Fall war eine
partielle Syndaktylie bei einem Kranken mit Dementia praecox: der
dritte und yierte linke Finger waren yollkommen miteinander yerwachsen, nur
an der Spitze wurde die Teilung angedeutet. In der Familie des Kranken
waren eine ganze Anzahl mit derselben Bildung, und zwar meutens auch an
denselben Fingern, behaftet.
Der zweite Fall war eine yollkommene Syndaktylie an bdden
Händen, yerbunden mit einer teilweisen am linken Fuß und einem pes
yaro-equinus rechterseits und betraf einen geistesschwachen Alkoho-
listen. Der Vater, ein Onkel und zwei Brüder, die alle im Drenhause ge¬
storben waren, batten dieselbe Anomalie an den Händen, ans der Familie war
nur cdne Schwester, die körperlich und geistig gesund war.
Der dritte Fall, der interessanteste und durch zwei photographische
Wiedergaben trefflich illustriert, war eine Ektopie des rechten Unter¬
schenkels nebst Bildung einer überzähligen großen Zehe am linken
Fuße und fand sich bei einem Alkoholisten mit Verfolgao(^ideen, der ans einer
Trinkerfamilie stammte. Die Mißbildung am rechten Bein war derartig, daß
der Unterschenkel im rechten Winkel nach hinten und innen yom Obersdenkel
sich befand und der Fuß mit seiner Sohle nach oben gerichtet war. Diese
eigentümliche Stellung des Beins benutzte der Kranke, um die Krücke, die er
zum Gehen benutzte, zwischen Fuß und Unterschenkel einzuklenunen. Der
letzte Fall kam zur Obduktion, wobei eine genauere anatomische Untersachung
yorgenommen wurde; aus diesem Ergebnis sei nur angeführt, daß die Zahl der
Tarsalknochen yon 7 auf 6 yermindert war.
Die hier geschilderten Anomalien sind, da sie sich bei Geisteskranken
mit ausgesprochen degeneratiyem Charakter finden, als ein Ausdruck atayisti-
scher Hereutät aufzufassen. __Dr. Solbrig-Allenstein.
Sehidebnasse und Beruf. Von Dr. Georg Lomer in Lüneburg. All¬
gemeine Zeitschrift für Psychiatrie nnd psychisch-gerichtliche Medizin;
64. Band, Hnft 4.
1. Die Mehrzahl der Schädelmaße ist bei unseren Geisteskranken großer
als bei unseren Geistesgesunden (Siechen).
2. Von den niedrigen Vol^tänden weist der niedrigste, der Arbeiter¬
stand, durchweg — im geistesgesunden wie geisteskranken Zustande — die
kleinsten Schädelmaße au.
8. Auffallend groß sind sämtliche Schädelmaße der gdstig gesundea
Bauern. Sie sind großer als diejenigen der Handwerker, der Kaulente, der
Kliere lOtteilnagen and Befente ans Zeittohriftan. 281
Baamtan; fflr den Umfang gilt dies andi beaftglioh dar gebtaskrankan
Banam.
4. Die Sch&delmaße der geisteskranken Handwerker, der Kanflente und
Beamten stehmi im ganaen etwa anf gleicher Höhe.
^ Dr. TObben-Httnster.
O. flaehwaratftadlcant&tlgrkalt ln ValUl- und Invnlidltfttn»ekan.
Hyalltis und Unfall. Von Dr. Kart Mendel. Monatsschrift fttr
Psychologie and Neurologie; Bd. XXIII, 1908, H. 2.
Die Myelitis chrouca kann durch einen Unfall herrorgemfen werden.
Für diese Möglichkeit sprechen sowohl die Tierezperimente, wie auch klinische
Erfahrungen am Menschen. Letztere zeigen allerdings, daB das Vorkommen
solcher rein traumatischen, chronischen Myelitiden immerhin zu den großen
Seltenhdten gehört. _ Dr. Többen*Münster.
Amyatraphlsaha Lataralsklarose und Unfall. Von Dr. Kurt MendeL
Monatsschrift fttr Psychiatrie und Neurologie; Bd. XXIU, 1908, H. 2.
1. Bei vorhandener Prädisposition kann ein Trauma eine amyotrophische
Lateralsklerose mit nachfolgender Bulbärparalyse auslOsen, es ist demnach in
solchen Fällen als äußere Ursache der Krankheit anzusehen.
2. Zwischen dem Auftreten der ersten objektiven Zeichen des Leidens
und dem Trauma verstreicht eine gewisse Zelt (meist mehrere Wochen).
8. Das Leiden ergreift zeitlich zuerst und in besonders starkem Grade
den durch die Verletzung zunächst betroffenen Körperteil.
4. In der Art oder der Lokalisation der Verletzung kann aus den bisher
TerOffentlichten Fällen etwas Gemeinsames nicht gefolgert werden, so daß eine
bestimmte Art von Trauma fttr die Entstehung der amyotrophischen Lateral«
Sklerose nicht verantwortlich gemacht werden Kann.
__Dr. T0bben«Httn8ter.
Progressive Muskelatrophle und UnfalL Von Dr. Kurt MendeL
Monatsschrift fttr Psychiatrie und Neurologie; Bd. XXllI, H. 8.
Wie bei der amyotrophischen Lateralsklerose kann auch bei der pro«
gressiven Muskelatrophie nicht angenommen werden, daß dn Unfall
ue direkte innere Ursache des Leidens ist. Es muß vielmehr die Voraus«
Setzung eines Nervensystems mit besonders geringer Widerstandskraft, einer
angeborenen oder erworbenen Schwäche gewisser motorischen Bahnen gemacht
werden. Als «angeboren* würde man eine «ab ovo* schwache Anlage der
Vorderhomzellen bezeichnen; «erworben* kann die Disposition sein durch In«
tozikation, Infektion oder durch eine bereits früher ttberstandene zerebrospinale
oder spinale Erkrankung. _ Dr. Többen«Münster.
Dystrophia muenlaris progressiva nnd Unfall. Von Dr.Kurt MendeL
Monatsschrift fttr Psychiatrie nnd Neurologie; Bd. XXITT, H. 8.
Ohne die Annahme einer gewissen Disposition zur Erkrankung kommt
man auch bei der Dystrophia muscularis progressiva nicht aus. Ist
jedoch diese Disposition vorhanden, so vermag ein Unfall sicherlich „aaslösend*
zu wirken; ist aber das Leiden bereits zur Zeit der Verletzung in Entwicklung
begriffen, so kann das Trauma eine schnelle Verschlimmerang herbeiftthren,
insbesondere an der Stelle der Verletzung die Krankheit in besonderer In«
tensität lokalisierea. Dr. Többen«Mttn8ter.
Beitrag rar primären ahnten Osteomyelitis der Bippen. Von Assistenz«
arzt Dr. Fiedler in Fulda. Mttnehener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 5.
Verfasser berichtet über einen Fall von primärer (Jsteomyelitis der
Bippe^ eine bekanntlich höchst seltene Erkrankung. Der Fall betriff ein
8 jähriges Mädchen, welches am 10. Februar 1907 plötzlich mit hohem Fieber,
Schüttelfrost und Schmerzen im Leib erkrankte. Vor 10 Tagen war sie auf
der Treppe der Schale ausgeslitten und mit dem Bücken auf die Treppe auf«
geschlagen. Unter dem Mae der Septikämie erfolgte am 26. Februar der
Esitu letalis. Die Sektion ergab: Hers und Lunge ohne pathologische Ver«
282
Kliere Mittoilangen and Referate aas Zeitsebriflen.
iademog. Pleurahöhle frei von Exsudat, und Pleura ohne AnfUgemuffeii.
Leber und Milz hyperämlsch und etwas Tergröfiert, Bauchfell ttberoU glatt
und glänzend, Darmschleimbaat intakt, ohne Geschwttre. Am knöchernen
Thorax nur die 7. Rippe von Eiter durchsetzt. Mikroskopisch fand sich in
den Harkkanälchen der Spongiosa des resezierten Rippenstückes ein großzelliges,
fasriges Harkgewebe, das von vielen Leukozyten darcbsetzt war. Knochen«
anbildung oder Resorptionsprozesse waren nicht vorhanden. Nirgends Nekrosen.
Diagnose: Osteomyelitis acata.
Wir haben demnach im vorliegenden Fall dos Bild einer primären akuten
Osteomyelitis der 7. rechten Rippe im Anschluß an ein Trauma, hervorgerufen
durch den Staphylococcus pyogenes aureus, hinzutretende schwere Allgemein¬
infektion mit hohem Fieber, tödlichem Ausgang nach 14 tägiger Krankheits¬
dauer. Die Diagnose war anfangs unmöglidi zu stellen und Typbusverdacht
nicht ganz von Mr Hand zu weisen. Dr. Waihei-Kempten.
Ein Fall von traumatischer Luxation des Nervus ulnarls dexter.
Von Ch^arzt Dr. Qu ad flieg-Bardenberg bei Aachen. Httnchcner medizin.
Wochenschrift ; 1908, Nr. 9.
Ein 85 jähriger Bergmann kam mit dem rechten EUbogengelenk zwischen
Schachtgerüst und Balken und wurde erheblich gequetsdit, wobei an der
Innenseite des Oberarms oberhalb des EUbogengelenkes eine b cm lange Haut¬
wunde entstand; der rechte Arm war wie gelähmt
Bei der späteren Ueberweisnng ins Krankenhaus hatte der sonst ge¬
sunde Patient taubes Gefühl im rechten Kleinfinger, teilweise auch im rechten
Werten Finger. Beide Finger konnten nicht vollkommen gestreckt werden,
standen vielmehr bei der Streckung der rechten Finger in geringer Beuge-
steUnng. Auch konnten der rechte Kleinfinger und Ringfinger nicht adduziert
werden. Im Sulcus ulnaris dexter und ein wenig oberhalb desselben fühlte
man einen 2 cm langen, verdickten, sehr beweglichen, scbmerzhaften, fast
zylindrischen Strang, der bei Beugung des rechten Ellbogengelenkes nach vom
über den Epicondylus internus humeri hinausglitt. Bei dieser Bewegung ent¬
standen Schmerzen durch den ganzen Arm. Beim Strecken des Arms ging der
verdickte Strang in den Sulcus ulnaris zurück. Am linken EUbogen zeigte
sich das Verhalten der üinarnerven normal. Etwas oberhalb des rechten ^-
bogengelenkes innen am Oberarm befand sich eine 5 cm lange, nicht ver¬
wachsene, nicht schmerzhafte Narbe. Diagnose: ,traumatische Luxation des
Nervus ulnaris dexter mit konsekutiver Neuritis.* Durch operativen Eingriff
erfolgte vollständige Wiederherstellung. Dr. W a i b e 1 - Kempten.
Die Jahreszeiten, Tage und Standen ln dem Determinismus der
Betriebsunfälle. (Le stagioni, i giorni, le ore nd determinismo degli infortun
del InvoTo). — Von Prof. Dr. G. Pieraceini und Dr. R. Maffei-Florenzl
II Ramazzini; Fase. 10—11,1907.
Die beiden Verfasser wollen versuchen, aus den statistischen Unterlagen
über das Vorkommen der ünfaUverlctzungen speziell darüber Aufklärung zu
schaffen, wie sich die verschiedenen Jahreszeiten, Tage und Stunden hierbei
verhalten. Es werden zu dem Zweck die Statistiken verschiedener Länder,
namentlich aus Italien, und hier aus Eisenbahnwerkstätten zugrunde gelegt,
und die Ergebnisse in zahlreichen Tabellen und Uebersichten niedergelegt.
Die allgemeinen Schlußfolgerungen, die man hieraus über die Physiologie und
Physiopathologie der Arbeit, im besonderen derjenigen der in mechanischen
Werkstätten und ähnlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter, ziehen kann, sind
noch P. und M. folgende:
Die Jahreszeiten mit extremen Temperaturen begünstigen das Zustande¬
kommen der Betriebsunfälle.
Der Montag ist der Tag mit der höchsten Quote für die Entstehung von
Unfällen, während für die anderen Wochentage unregelmäßige und unbedeutende
Schwanlningen bestehen, ohne daß man eine gewisse Tendenz zur Verminde¬
rung der Unfälle von Montag bis Sonnabend ausschließon kann.
Die Unfälle vermehren sich progressiv im Verlauf des gewöhnlichen
Arbeitsstundenplans, um sich gegen die letzte Periode desselben, vorausgesetzt,
Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften.
288
daft es lielt um einen nicht ttbermSAig verliagerten Siandenplaa handelt, an
Termindem. Die eingeschalteten Bnhepansen hellen die Qefanr der Betrlebs>
anlEile herabsosetzen.
Die prophylaktischen Maßnahmen Ihr die Arbeiter dienen hanptp
sichlich daan, die großen Unfälle nnd schwersten Verletanngmi an yermelden,
nttuen aber siemliiä wenig fdr die Vermeidung mittlerer und leichterer Ver*
letaungen. Fttr letztere ist der indiriduelle Scharfblick nnd die Aufmerksam«
keit ausschlaggebend. Der Betriebsunfall entsteht durch einen Komplex von
anthropologischen Koeffizienten und der Umgebung; die Hanptfaktoren Iflr
sein Zustandekommen sind der beschleunigte Rhytmus der Arbeit nnd die anf
dem Fuße folgende Müdigkeit. Deshalb Ist die Akkordarbeit alldn fttr Mch
und im Verein mit der ihr folgenden Müdigkeit ein das Entstehen yon Betriebs«
Unfällen begünstigendes Moment. Die Prophylaxis muß neben dem Leben des
Arbeiters auch die Interessen der Allgemeinheit ins Auge fassen, in dem Sinne,
daß der zu intensiy ansgeantzte nnd ermüdete Arbeiter fttr sich nnd die
anderen gefährlich ist.
Die Hanpterlordernisse einer sozialen Oekonomie und Hy^ene sind:
Sorge fttr gesunde Umgebung mit bester Lüftung nnd mittlerer Temperatur
fttr den Arbeiter an seinem Arbeitsplatz, Innehaltung mittlerer Arbeitsstunden,
Beyorzngung der freien Arbeit yor der Akkordarbeit, Verbot der Ueberstnnden
über die gewöhnliche Arbeitszeit, Vermeidung des übermäßigen Alkoholgennsses,
zweckmäßige nnd gesunde Ausnutzung der Ruhestunden nnd Ruhetage, Hebung
der Kultur nnd Moral des Arbeiters, Sorge für gute Ernährung nnd Wohnung.
_ Dr. Solbrig« Alleastein.
Uebertragnng des Milzbrands als Betriebsunfall. Obergutachten
des Geh. Med.«Rats Prof. Dr. Fttrbringer, erstattet auf Veranlassung des
Beiehs« Versicherungsamts. Amtl. Nachricht des R.«V.«A.: Beilage zu Nr. 12,1907.
Neben der bekannteren Aoußemng der Milzbrandinfektion*) unter der Forbi
des Milzbrandkarbnnkels wird in yerhäitnismäßig seltenen Fällen das Bild
efaier schweren akuten Allgemeininfektion beobaditet mit nnd ohne das ge«
nannte Örtliche Hautieiden. Besonders heryorgehoben zu werden yerdient, daß
in solchen Ausnahmefällen keineswegs immer eine Hantyerletzung nachweisbar
ist. Das darf um so weniger Wunder nehmen, als einmal ganz geringfügige
Hantyerletzungen (selbst Insektenstiche yermitteln die Infektion) schn^ spur«
los schwinden können, das andere mal neben der Infektion durch die Haut
eine solche durch den Magen oder durch die Atmungsorgane festgestellt ist.
Es darf also das Fehlen einer nachweisbaren Eingangspforte des Krankheits«
err^ers, d. i des MUzbrandbazUlus und seiner Sporen, nicht als gegen die
Krankheit sprechend verwertet werden.
Was die zweite wichtige Frage, das Krankheitsbild der letztgmiannten
Form selbst, anlangt, so zählt schweres Krankheitsgefühl im sogenannten
Vorläuferstadium, Atemnot und schneller Verfall bei yorhandenem oder fehlen«
dem Fieber zu den konstantesten Symptomen. Auffallende Magendarm« und
Lungenerscheinungen, wie sie zur Aufstellung eines Darm« bezw. Lungenmilz«
brandes (Hadernkrankheit) geführt haben, können fehlen. Es werden sogar
in der maßgebenden Literatur bedeutende Atembeschwerden ohne nachweisbare
Lungenerkraakung heryorgehoben, sowie, was für den yorliegenden Fall be«
sonders bemerkenswert erscheint, daß einige Male anhaltender Tetanus und
Trismus, d. i. Starrkrampf der Körper« und Kinnbackenmnskulatur, beobachtet
worden sind. Proi von Korünyi, der Direktor der medizinischen Klinik in
Budapest, dem wir die neueste ausführliche lehrbnehmäßige Darstellung des
menschlichen Milzbrandes yerdanken, und der desgleichen Muskelkrämpfe als
»manchmal“ zu beobachtende Krankheitserscheinnng erwähnt, macht mit Recht
darauf aufmerksam, daß die Verlaufsart der einzelnen Fälle sehr eindringlich
durch mannigfache Beteiligung des Gehirns nnd seiner Häute unter der Form
yon wässeriger Dnrchtränknng, Blntaustritten nnd dergleichen beeinflußt wird.
Je ,naeh der Oertlichkeit der Massenhafügkeit sowie der Schnelligkeit des
*) Ein yorher ganz gesunder Pferdeknecht, der bei der Sektion eines an
Milsbrand yerendeten Ochsens geholfen hatte, war unmittelbar darauf an einer
sdiwmen akuten Allgemeininfätion erkrankt nnd 13 Tage später gestorben.
284
Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeiteohriften.
Zasiandekoinmeiu dieser MiierkranknageB des ZentralBerrensysteinB treten
Tersehiedene funktionelle Storungen in die Erseheinnng.
Stellt man diese Erörterungen im Vergleiche zu den Bekundungen des
Sachrerständigen Dr. J. und der Witwe, so wüßte ich nicht, welche Wiüir-
nehmung die Annahme einer Milzbrandinfektion yerbieten soUte. Offenbar ist
dem Gutachter die anscheinend wenig bekannte Tatsache entgangen, dsS die
Krankheit in Ausnahmefällen auch das Bild des Wundstarrkrampfes, wie eres
S eschildert hat, darbieten kann. Jedenfalls liegt kein zwingender Grund Tor,
le Steifheit fast sämtlicher Muskeln, besonders im Bereiche des Gesichts, des
Nackens und Rückens unter erschwertem Sprechen und Schlinsen mit dem
Wundstarrkrampf im engeren Sinne, d. L einer Infektion durcm sogenannte
Tetanusbazillen, zu identifizieren.
Hierzu kommt, daß die Kontinuität der Erscheinungen nach dem Akten¬
materiale durchaus gewahrt erscheint — die Krankheit yerläuft nach einem
kurzen Stadidium der schlummernden Infektion in einigen Tagen bis Wochen
wohl in der Hälfte der Fälle tödlich — und daß Personen, die sich mit dem
Abdecken gerade mUzbrandkranker Binder oder dem Zerstückeln ihres Fleisches
befassen, zu den häufigsten Opfern der Krankheit zählen. Wenn auch die
Annahme der Witwe, daß der Verstorbene sich das tödliche Leiden durch
Einatmen des Dunstes bei der Oeffnung des Kadavers zugezogen habe, nicht
wohl zutreffen kann — die Longeninfektion geschieht durch Aufnahme
trockenen, stäubenden Krankheitsmaterials — so dürfte doch die Vorstellung
keinem Bedenken begegnen, daß H. sich entweder eine geringfügige ihm selbst
unbewußte Hautverletzung beigebracht oder daß er infektionsfähiges Material
ans Versehen vielleicbt mit dem Finger in den Mund gebracht hat.
Tod an UnterlelbstTphus Infolge des Genusses yenenehten Trink¬
wassers in der Grube — Betriebsunfall. Rekurs-Entscheidung des
Boichs-Versicberungsamts vom ßl.Noyember 1907.
Unstreitig ist, daß der Scblachthauer Th. am Unterleibstyphus gestorben
ist, und zwar infolge Genusses des von der Zechenverwaltung zur Schachtsohle
gelieferten verseuchten Trinkwassers. Streit besteht nur darüber, ob diese
Typhuserkrankung einen Unfall im Sinne des § 1 des Gewerbe>Unf.-Vers.-Ges.
darstellt, d. h. ob das schädigende Ereignis zeitlich bestimmbar nnd zeitlich
begrenzt gewesen ist, nnd ferner, ob dieser Unfall dem Betriebe zugerechaet
werden kann. Das Bekursgericht bat im Gegensätze zum Schiedsgericht beide
Fragen bejaht Da nach dem Gutachten des Kreisassistenzarztes Dr. B. vom
6. November 1906 die ersten Typhusfälle auf der Zeche Badbod, auf welcher
Th. arbeitete, am 16. Januar 1906 aufgetreten sind nnd Th. selbst am 29. Ji^
nnar 1906 erkrankt ist, so ist damit der Zeitraum gegeben, innerhalb dessen
die Aufnahme der Typhnsbazillen in den Körper des Th. erfolgt sein muß.
Ferner reicht nach ärztlicher Erfahrung die einmalige Einwirkung der Typhns-
erreger ans, um die Erkrankung herbeizofübren. Danach spricht die Wahr¬
scheinlichkeit dafür, daß Th. innerhalb jenes Zeitraums durch einen einmaligen
Genuß des verseuchten Trinkwassers, also durch ein in einen engbegrensten
Zeitraum eingeschlossenes Ereignis, erkrankt ist. Er ist somit einem Unfälle zum
Opfer gefallen. Dieser Unfall muß aber dem Betriebe zugerechnet werden,
wenn er auch seine unmittelbare Ursache in der Befriedigung eines leiblichen
Bedürfnisses gehabt hat Dtmn die Betriebsverhältnisse, unter welchen die
Befriedigung vor sich gehen mußte, waren ungewOhnlidie. Es galt, in mög¬
lichst kurzer Zeit zwei Schächte niederzubringen, nnd dazu bedurfte es der
ununterbrochenen nnd möglichst angespannten Tätigkeit der Arbeiter, die um
so anstrengender war, als eine außergewöhnliche Wärme herrschte. Unter
diesen Umständen bemächtigte sich der Arbeiter ein häufiges und starkes
Dnrstgefühl. Dem trug die Zechenverwaltung, um die behufs Stillung des
Dorstes erforderlichen Arbeitspausen zu vermeiden, durch Lieferung von Trink-
wasser für die Arbeiter Rechnung. Die Lieferung des Wassers geschah also
wesentlich im Betriebsinteresse. Damit wurden die Vorkehrungen zur Bereit¬
stellung des Wassers nnd dieses selbst zu einer Betriebseinrichtung. Da Th.
infolge der mangelhaften Beschaffenheit dieser Betriebseinrichtung erkrankt
und gestorben ist, so ist er einer Gefahr erlegen, die durch den Betrieb ver¬
anlaßt war. Sein Unfall steht daher in ursächlichem Zusammenhänge mit
dem Betriebe.
Kleinere Hitteilangen and Referate ans Zeitschriften.
285
Tanddiaimeruf einer LmiKMitaberknloee ale BetrlebsnnfUI« Re«
kars-Ent Scheidung des Rei eh s-V er sicher ungsamts Tom 22. No.
Tember 1907. Kompaß; 1908, Nr 6.
Der Kreisant Medizinairac Dr. R. und der Sanitätsrat Dr. fi. ia Essen
auf deesea Gutaehtea yom 29. Dezember 1906 das Schiedsgericht seine Ent-
eeheidnag stützt, sind der Ansicht, daß die Langentaberknloae, an der der Erb«
lasser der Kläger gestorben ist, durch das bchanptete Unfallereignis nicht
Temrsaeht sei, weii Lnngentnberbnlose dnrch Verheben überhaupt nicht ent«
sieben könne. Sie halten es aber für möglich, daß durch das Vorheben eine
bei R. schon iatent bestehende Tuberkulose durch Verursachung einer Lungen«
blutung wesentlich yerscblimmeit sei, nur bestehe die gleichwertige Möglichkeit,
daß siä die Tuberkulose ganz ans sich selbst weiterentwickelt und schließlich
zum Tode geführt hat und der Unfall nur die zufällige Gelegenheit geboten
hat, daß R. auf das bei ihm in der Entwicklnnff begriffene Leiden aufmerksam
geworden ist. Das R.«V.-Ä. hat es nun unter den besonderen Umständen des
yorliegenden Failes im Oegensau zu dem Schiedsgericht für ausreichend wahr«
scheiniich gehalten, daß der Unfall des N. das Langenleiden, wenn nicht yer«
nrsacht, so doch in erheblichem Maße ungünstig beeinfloßt hat.
Nach dem oben angeführten Gutachten und dem Gutachten des Dr. B.
yom 24. Noyember 1904 muß man dayon ausgeben, daß der Erblasser der
Kläger nie lungenkrank gewesen ist und auch nicht aus einer lungenkranken
Faii^ie stammt. Der Unfall Anfang August 1904 hat nun jedenfalls nicht
bloß in einem einfachen .Verheben“ bestanden. N. wollte mit zwei anderen
Arbeitern einen entgleisten Bergewagen auf die Schienen setzen. Während
die beiden Mitarbeiter den Wagen auf der einen Seite niederdrückten, yersuchte
N. allein auf der anderen Seite, ihn hochzuheben, glitt dabei aus und bekam
durch das plötzliche Nachlassen der Last einen solcbon Ruck, daß er sich mit
beiden Händen an das Kreuz faßte und sofort über Schmerzen im Kreuz klagte.
Der Vorgang war hiernach sehr geeignet, eine recht erhebliche Erschütterung
des Körpers, namentlich an Rücken und Brust heryorznrufen. Ein oder zwm
Tage darauf hat N. dann angefangen, Blut zu speien. Das Blntspeien dauerte
etwa 5 Tage, wurde dann seltener, bis N. am 80. Oktober 1904 wieder Blut
fa großer Menge aushustete. Er ist dann bis zu seinem am 26. Oktober 1906
erfolgten Tode in schnell fortschreitendem Grade andauernd lungenkrank ge¬
wesen. Bei diesem plötzlichen heftigen Auftreten des bisher jedenfalls nicht
bonerkbar gewesenen Lungenleidens im unmittelbar zeitlichen Anschluß an
den ziemlich schweren Unfall und seiner schnellen Entwicklnng hat das R.«V.«A.
nicht bloß die yon den Sachyerständigen angenommene Möglichkeit seiner Ver«
seÜimmerang durch den Unfall, sondern die hohe WahrschcdnllcUteit einer
solchen Verschlimmerung als hinreichend erwiesen angesehen. Demgemäß war
die Beklagte unter Aufhebung der Vorentscheidungen zu yerurtcdlen, die
Kläger aus Anlaß des Todes des N. zu entschädigen.
Entstellung des Aussehens rechtfertigt die Bewilligung einer Ent-
sehidlgung nicht. Rekursentscbeidung des Reichsyersicherungs«
amts yom 24* Oktober 1907. Kompaß; 1908, Nr. 4.
Der auf das Ergebnis der Augenacheineinnabme gestützten, mit der
ärztlichen Beurteilung in Uebercinstimmung sich befindenden Auffassung des
Schiedsgerichts stehen Bedenken nicht entgegen. Der Kläger mag Beschwer¬
den oder Unbequemlichkeiten beim Atmen während angestrengter Arbeit
empfinden; yon einer wirklichen Atemnot kann bei ihm aber keine Rede sein,
da die Atmung durch die Nase möglich ist. Ebensowenig wie die Verletzung
der Nase yermag diejenige an der Oberlippe die Erwerbsfähigkeit des Klägers
in meßbarem Grade zu beeinträchtigen. Er hat auch seit September 1906
wieder seine frühere Beschäftigung aufgenommen, arbeitet regelmäßig und ein
Lohnausfall nach dem Unfälle macht sich nicht bemerkbar.
Auch aus dem Gesichtspunkte der Entstellung des Aussehens des
Klägers läßt sich die Gewährung einer Unfallrente nicht rechtfertigen.
Denn der Kläger hat bisher aus diesem Grunde keine Schwierigkeit bei Er«
langung von Arbeit zu überwinden gehabt und wird sie als Bergmann oder
axd dem nach seinen Fähigkeiten für ihn in Betradit kommenden Arbeitsmarkt
in erheblichem Maße niemals finden.
2S6 Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften.
Das Verlangen nach GewShrang einer ünfallrente ist Uenadi nicht
g;erechifertigt nnd der Rekurs nnbegrüadet.
D. Bakteriologrle, Hygiene und dffentUolief Sftiüt&tsweeeB.
Tropenhygiene.
Die Chemie des Sehlangengiftes nnd Herstelinng ron Schlangengift'
sehntmernm. Von Dr. M. Krause. ArchiT Ittr Schiffs- o. Tropen-H}giene;
1908, Bd. 12, H. 1.
Die in den afrikanischen Schutsgebieten ziemlich häufigen Giftschlangen
haben während der letzten Feldzttge manche Opfer gekostet. Die Herstelinng
eines Immunsernins ist deshalb von großer pra^ischer Bedeutung.
Krause gelang es durch intravenöse Einverleibung von Nattern- nnd
Vipem^ft ein hochwertiges Eaninchenserum zu gewinnen, das gegen beide
Gitterten schützte. Dr. Dohrn-Hannover.
Die Malarlabekfimpfung in den deutschen Kolonien nnd in der
Kaiserlichen Marine seit dem Jahre 1901. Von Prot Dr. Beinhold Buge
in Kiel. Archiv ffir Schiffs- und Tropen- Hygiene; 1907, Bd. 11, H. 22.
Verfasser stellt folgende Schlußsätze anf:
1. Keines der in Kampf gegen die Malaria angewendeten Mittel gewährt
einen absolut sicheren Schutz.
2. Welche Art der Malariabekämpfnng im gegebenen Falle anzuwmiden
ist, hängt von den örtlichen Verhältnissen, in Sonderhdt von den zur Ver-
fttgnng stehenden Mitteln ab.
8. Vom praktischen Standpunkt ans empfiehlt es sich, die verschiedensten
Schntzmaßregeu in Kombination zu gebrauchen.
4. Die Ausrottung der Malaria nach dem Koch sehen Verfahren hat an
verschiedenen Plätzen recht gute Resultate gehabt. Doch lassen sich diese
Resultate nur dann dauernd erhalten, wenn ein Arzt «ad hoc“ mit dem nötigen
Personal zur Verfdgung steht, der ständig die nötigen Nachuntersuchungen
anstellen kann. Im Nebenamte können derartige umfangreiche Arbeiten von
' einem Arzte nicht ausgefhhrt werden.
5. Das einfachste und unter allen Verhältnissen anwendbare Schutz¬
mittel ist die Chininprophylaxe. Doch maß je nach der Infektionsgefahr und
der Chinintoleranz individualisiert werden.
a) C hinin 1,0 ist während der Fieberzeit unter den bekannten Vorsichta-
maßregmn an zwei aufeinander folgenden Tagen — 8. nnd 9. bis 5. nnd 6. Tag,
je nach der Infektionsgefahr, — oder jeden 4. Tag zu nehmen.
b) Das Chinin muß noch mindestens 2 Monate nsmh dem letzten Fieber¬
anfall in oben angegebener Weise genommen werden.
c) Eine gründliche Ausheilang eines jeden Fieberanfalls ist nötig, ehe
die Prophylaxe wieder anfgenommen wird.
d) Da Chinin in Gramdosen bei vielen Leuten höchst unangenehme Er¬
scheinungen hervorruft, so ist bei solchen das Chinin nach Nocht scher
Methode zu geben (5 mal 0,2 gr. Bef.).
e) Die Chininpropbylaxe kommt in den Kolonien namentlich für den ein¬
zelnen Europäer, für militärische Verhältnisse — marschierende und im Felde
stehende Trappen —, sowie an Bord von Schiffen in Betracht.
Sie bat in der Marine nnd bei den Schutztruppen namentlich insofern
recht gute Rcsoltate gehabt, als nicht nnr die Anzahl der Erkrankungen ganz
erheblich abgenommen, ganz besonders die Rückfälle —, sondern auch die
trotz der Prophylaxe aufgetretenen Erkrankungen sehr viel leichter verlaufen
und namentlich Schwarzwasserfieber nnr vereinzelt vorgekommen sind.
f) Zur Malariaprophylaxe gehört auch die Cbinisiernng der eingeborenen
Diener.
6. Mechanischer Schutz ist erst in letzter Zeit in den deutschen Kolo¬
nien angewendet worden. Wenn die zu schützenden Hätuer entsprechend
gebaut waren, der Drahtschatz mit den nötigen Vorsichtsmaßregeln angebracht
und in Stand gehalten wurde, so tat er gute Dienste. Bettmoskitonetze sind
bei den Earopäem allgemein im Gebrauch. Dr. Dohrn-Hannover.
Kleinere Mitteilnngen and Referate ane Zeltaehriften.
287
Ueber Halarlaproplijlaxe la «nlnltiTlerteii flefeaden« Yen Prof.
Dr. Ziemana ia Eamema. Mariae-Oberstabsarst and Medidnalreferenb.
ZeitacArUt f. inL FortbUdans; 1908, Nr. 5.
Die Methode, die Malariaparaeiten aneznrotten doch Bystematiaohe
Chininsiernng einer g^zen nalariainflzierten BevOlkemng (im Sinne B. Koche)
ist noT unter ganz bestimmten Voranesetznngen mOgUch und in Weetafiika
wegen der Flonnation der BerOlkerung nicht dnrchznftthren. Von praktischem
Wert ist dagegen die „eigentliche Chininprophylaxe*, welche bezweckt, die
erent. in den KOrper eingedmngenen Malariaparasiten gleich im Beginn der
Itotwicklnng abzntöten. Dabei muß eine gewisse IndiTidnalisierong beobachtet
werden. Ziemann gibt alle 4 Tage, je nachdem es Tertragen wird, 1,0 oder
0.5 Chinin oder je nachdem Enchinin. Die Methode wird des näheren ans*
etnandergesetzt, ttber eine Reihe vorzüglicher Erfolge wird berichtet.
Die Yernichtang der Malariamoskitos ia nnknltivierten Gegenden —
Yemichtnng der Eier, Larven and Nymphen — erfolt^ am besten durdi
Trockenlegiug der Sümpfe, Aufschütten von Petroleam oder Saprol etc. zwecks
Yernichtang der Bratstätten. Auch müßten noch weitere systematische Yer-
snche gemacht werden, durch Yerbmitung von Pflanzen, wie z. B. der Wasser¬
pest, die Larven and Nymphen der Anophelinen za ersticken. Der Einflaß des
Arztes bei der Kolonisation müßte großer werden. Zorn Schatze der Menschen
g egen Stiche kommt in erster Linie das Wohnen in moskitosicheren Häusern
1 Betracht. Einreibongen mit Salben and Gelen haben auf die Dauer nicht
den ^erinraten Erfolg. Di nnknltivierten Gegenden sollten Earopäer mindestens
s/4 bis 1 ^ entfernt von den malariainflzierten Eingeborenen wohnen.
Yor allem ist die Malariabekämpfang anch eine soziale Frage. Auf
die Emährang bezw. die ünterernährong der Neger ist bisher nicht genug
(Gewicht gelegt worden. Der Konsum an tierischem Eiweiß ist bei der farbigen
Basse oft noch viel zu gering, weil eine Fülle von Tierkrankheiten, speziell
die Trypanosomeninfektion, die Yiehbestände dezimiert.
Bei der Malariabekämpfang läßt sich nur durch Kombination der
erwähnten Methoden das erwünschte Ziel erreichen.
Dr. Lohmer-Cöln.
BUharziosis hei Earopäern ln Dentseh-OstafHka. Yon Dr. C. Mense-
CasseL Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene; 1907, Bd. 9, H. 24.
Eia 26 jähriger Pflanzer suchte wegen Fieber, Blasenbeschwerden und
Hämatarie die Behandlung des Verfassers auf. ln den Blutgerinns^ des
Urins fanden sieh große Mengen von Schistomum hämatobium-Eiern.
Besonderes Interesse beansprucht der Fall deshalb, weil er die Looßsche
Lehre von der Infektion des Körpers beim Baden stützt. Patient hatte in
einem Bassin sehr eifrig gebadet. Anch ein Genosse von ihm, der leider nicht
zur Stelle war, litt ebenfalls einige Zeit nach Beginn der Bäder an den
gleichen Beschwerden. Dr. Dohrn-Hannover.
Zar Aetleldgfe der Schlafkrankheit. Yoh Dr. Kudicke, Stabsarzt
der Schutztruppe. Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene; 1908, Bd. 12, Nr. 2.
Verfasser stellte bei einer Anzahl Frauen Schlafkrankheit fest, obwohl
diese sich in nicht verseuchten Gegenden aufgehalten hatten. Dagegen er¬
mittelte er, daß die Männer, mit denen die Frauen verkehrt hatten, an Schlaf¬
krankheit gelitten hatten. K. hält deshalb den verbreiteten Glauben für nicht
unbegründet, daß die Schlafkrankheit durch den Zeugungsakt auf die Frau
flbertnigen werden kOnne. Dr. Dohrn-Hannover.
Ist in heissen Gegenden die Ersengang etnes'''fflrTden Europäer
gflnstigeren KUmas der Wohn- und Arbeitsräame notwendig und technisch
mäglichf Yon Dr. C. E. Banke, München. Archiv für Schiffs- und Tropon-
Bygiene^ 1907, Bd. 11, Nr. 21.
Die klimatischen Gesundhoitssehädigungen des menschlichen Organismus
werden in der Hauptsache durch die Behinderung der Wärmeabgabe verursacht.
Während vorübergehenden Erhöhungen der Außentemperatur durch die Begu-
lationsmittel (Schweißsekretion) des Körpers begegnet werden kann, versagen
bei dauernder Einwirkong der Hitze diese Hilfsmittel, indem Herz and Nerven-
288
Kleinere Mitteilongen ond Referate aoa Zeitsobriften«
System der yermehrten Arbeit nicht mehr gerecht werden können und er¬
schlaffen. Der Organismus ist nnnmehr darauf angewiesen, dorch Einschrinknng
der Arbeitsleistung und Verminderung der Nahrungsaufnahme fllr einen Au^
gleich zu sorgen.
Will man den durch die Wärmestauung bedingten Folgeznst&nden, die
besonders in yerminderter Arbeitsfähigkeit bestehen, begegnen, so muß man
Mittel zur Vermehrung der Wärmeabgabe anwenden. Man muß fttr Zuftthmng
trockener und abgekliUter Luft sorgen. Hierzu bietet uns die moderne Kälta>
Industrie die Mittel. Mittels eines von B. angegebenen Apparates ist es mög¬
lich, bei jedem Außenklima in Wohnräumen ein zuträgliches Klima zu erzeugen.
Derartige Hilfsmittel werden der weißen Basse den Aufenthalt in den Tropen
ermöglichen. Dr. Dohrn-Hannoyer.
Die Schulen für Trepenmedizln ln England. Von Dr. Clans Schilling.
Ans dem KönigL Institut fttr Infektionskrankheiten in Berlin. Klinischen
Jahrbuch; 1907, Bd. 17, H. 8.
England hat sich erst relativ spät dazu entschlossen, den in die Kolonien
g ehenden Aerzten die Möglichkeit einer besonderen Ausbildung zu yerschaffen.
Irst im Jahre 1899 wurde eine Schule fttr Tropenmedizin in London und
später eine zweite io Liverpool gegründet.
Die Londoner Schule ist an die Universität angegliedert. Sie steht in
Verbindung mit dem Hospital und bezieht hieraus ein reiches Material. Den
Laboratoriumsarbeiten stehen die von der Antivirisektion erreichten, törichtmi
Vorschriften hinderlich entgegen, daß Versuchstiere nur in ganz genau yorge-
schriebener Anzahl gehalten werden dürfen. Wird diese Zahl ttberschritten,
so ist Entziehung der Erlaubnis die Folge.
Jährlich werden 8 Kurse yon dreimonatiger Dauer abgehalten. Zum
Schluß des Kursus kann man sich einem Examen unterziehen, das fttr die be¬
amteten Aerzte obligatorisch ist. Der Preis des Einzelkursns beträgt 886 M.
Das Institut in Liverpool ist durch reiche Zuwendungen seitens der
Kaufmannschaft besser ausgestattet als das Londoner. Es war in der Lage
bisher schon 15 Expeditionen in die Tropen ansznsenden. Auch eine Abteilung
fttr Veterinärmedizin steht mit der Schule in Verbindung. Die Arbeiten
in dem fttr 40 Plätze eingerichteten Laboratorium haben sehr unter dem
Kohlenstaub zu leiden.
Verfasser meint, daß das Hamburger Institut den Verglich mit den
englischen nicht zu scheuen brauche. Wünschenswert wäre es nur, wenn sich
unsere Institute einer ähnlichen Unterstützung wie die englischen erfreuen
würden. Dr. Dohrn-Hannoyer
Gewerbehygiene.
Ueber Lnftdmekerkrankungen beim Bau der Grttnen Brfteke tu
Königsberg 1. Pr.*) Von Privatdozent Dr. Klineberger. Aus der mediz.
Klinik zu Königsberg i. Pr. Hyg. Bundschau; 1907, Nr. 8.
Die Caissonfundierungen von Brückenpfeilern datieren erst seit 1898.
Seitdem kennen wir auch Caissonerkrankungcn. Bia heute sind 144 Todesfälle
und eine große Zahl von Erkrankungen anschließend an den Aufenthalt in
komprimierter Luft beschrieben worden. Als Folge der Kompression kommen
lediglich Ohrenerkrankungen durch den zu langsamen Druckausgleich zwischen
der äußern Preßluft und der im Mlttolrobr befindlichen Luft vor. Die Dekom-
pressionserkrankungen sind häufiger bei den Caissonarbeitem und den unter
ähnlichen Bedingungen arbeitenden Tauchern; sie sind akut verlaufende, durch
Beizungs- und Lähmungserscheinnngen charakterisierte Krankheiten. Jene
sbd durch Schmerzen und Parasthesien gekennzeichnet, diese treten als Herz-
nnd Lungenaffektionen (Irregularitas cordis, Asphyxie) oder als zerebrale und
»inale Symptomenkomplexe mit Krämpfen, Psychosen, Lähmungen, Mönbrischer
Trias usw. zu Tage. Die Erscheinungen treten sofort nach der Dekompressioa
auf, verschwinden bald oder bleiben dauernd. Am häufigsten ist die spastische
*) Nach einem Vortrag im Verein fttr wissenschaftliche Heilkunde in
Königsberg am 18. Februar 1907.
Kldnere IDtteilnogen and Beferate ans Zeitaehriitaiii
189
Paraplegie der unteren Eztremit&ten mit SenaibUititflstOrangea, Blasen* und
Mn^darmlihmung, die mdst durch Decubitus oder CystopyeliUs sum Tode führt.
Außerdem kommen noch infolge von Darchnüssang und ErkUtung
Katarrhe mit Emphysem und Herzerkrankongen vor.
Alle Erschwungen der Kompression werden bedingt durch das su rasche
Freiwerden der Im Blute unter Druck resorbierten Oase (hauptsachlieh Stick*
Stoff) und durch Gasembolien, welche — im Zentralnervensystem besonders
markant wirkende — isch&mische Nekrosen hervorrufen.
In Königsberg wurden zwei Caissons in über 20 m Tiefe unter der Pregel*
Oberfläche fundiert. Dabei erkrankten 56 Arbeiter, davon 16 an akuter
Tracheobronchitis, 6 an Ohrleiden, 88 an Dekompressionserkrankungen in leichter
und schwerer Form, von denen die leichteren Fälle als Muskel*, Qelenk*,
Gliederschmerzen, als Hautjucken, als ischiasäbnliche Schmerzkrisen verliefen
lud meist sehr hartnäckig waren. Solche Öfters als rheumatisch bezeichneten
Affektionen haben sich bei 84 Arbeitern feststellen lassen. Unter den 4
sdiweren Formen befand sich je eine wenige Tage anhaltende, hochgradige
motorische Parese der Arme und Beine und eine Erkrankung, die mit heftigen
Sdunerzen und Parästheslen einher ging und drei Wochen anhielt. Bei dem
dritten Fall handelte es sich um eine spastische Parese der Beine; daneben
besWden Hyperästhesie vom Nabel abwärts, Störungen der Blase und des
Mastdarms, Veränderungen der Sehnen* und Hautreflexe. Sämtliche Erschd-
nungen bcMerten sich während der Erankenhausbehandlung.
Bd dem vierten Kranken trat unter heftigen Schmerzen eine motorische
Schwäche der Extremitäten auf. Dazu kamen Fieber, Delirien, Cbeyne*
Stokessdies Atmen. Ferner ließen sich kleine Hautblutnngen, eine doppd*
sdtige Neuritis optica mit retinitischen Herden und einer kleinen Blutung, eine
starke Hyperästhesie und Blasen * HastdarmstOrnngen nachweüen. Der Kranke
wurde gesund. Die Zerebrospinalflüssigkeit war stets normal.
Die cWsonkrankheiten lassen sich durch entsprechende Maßnahmen
Teriiindem. In Anlehnung an das Begnlatlv von Sehr Otter, Mayer und
Heller wird als Einschleusungszeit 1 Minute, als Ausschleu*
sungszeit 2 Minuten für je 0,1 Atmosphäre (hier waren bd 17 m
Waasertiefe an Stelle von 8—10 Minuten 84 Minuten erforderlich gewesen),
Einbereehnung der Schleusenzeit in die Arbeitszeit, Nor*
mierung einer maximalen Schleusenzeit, etwa von 10 Stunden,
empfohlen. _Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Ctowerbliehe Bleivergiftung. yonE.Mo8ny und Ch. Laubry. La
Tribüne mOdicale; 1907, Nr. 86.
Die Schlußfolgerungen, welche die Verfasser ans ihrer Arbeit ziehen, sind:
I. Eine wirltoame Prophylaxe der gewerblichen Bleivergiftungen ver*
langt zuerst eine Kenntnis aller einschlägigen Fälle; sie beruht also auf ge*
aanester Statistik, welche alldn durch die Anzdgepflicht der gewerblichen
Bldvergiftungea ermöglicht wird.
IL Die daraus folgenden prophylaktischen Maßnahmen sind:
1. Ebe Beihe von besonderen Vorschriften, die in allen Fällen, wo dies
wirksam erscheint, gegeben werden und jeder Industrie, in der Blei und seine
Zusammensetzungen bearbdtet werden, angepaßt sind. Diese Vorschriften
müssen gemeinsam von Hygienikern und Tecbnikem aufgesteiit werden.
2. Oesetzgeberische Maßnahmen, falls diese Vorschriften nicht genügen
sollten; diese müssen das Verbot des Gebrauchs der gefährlichen Erzeugnbse
ent^teiL wenn die letzteren durch unschädliche und vom ökonomischen und
industriellen Standpunkt gleichwertige Substanzen ersetzt werden können.
IIL Die Durchführung dieser Maßregeln verlangt die Organisation eines
KoatroUdienstes, der gemeinsam von einem medizinischen und technischen In*
spdktor ansznüben ist. Sie verlangt ferner die Einrichtung einer Listenführung
Aber den Gesundheitszustand der in den einzelnen Betrieben beschäftigten
Arbeiter.
Als weitere Folgerung ergibt sich, daß die gewerblichen Bleivergiftungen
unter die Betriebsunfälle emgereiht und diesen gleich erachtet werden.
_ Dr. Solbrig*AUenBtein.
290
Kleinere lOtteilnngen nnd Referate ans ZeitBehriften.
EnelietniBf en setteiM der Ctonltalorgue bei des ArbetterliiBeM der
Bleibergwerke In Sardinien« Von Dr. Gilde Frongia. 11 Bamaaiini:
1907, Fasa. 9.
Verfasser stndierte die besonderen, hSchst ungünstigen Verhältnisse der
In den Bleibergwerken Sardiniens beschäftigten weiblichen Personen, die oft
schon in früher Kindheit mit ihrer nngesonden Arbeit begonnen haben. Seine
Beobachtungen beziehen sich anf 456 Arbeiterinnen. Die festgestellten beson*
deren Schädigungen infolge dieser Berufsarbeit beziehen sich 1) auf die Hen>
struätion, 2) auf die Schwangerschaft, 8) auf die Eindersterblidikeit.
I. Menstruation, a) Eintritt.
Die Menstruation trat ein
Zahl der Arbeiterinnen
rechtzeitig
(13.-16. Jahr)
bei:
verspätet
(16.-18. Jahr)
bei:
abnorm verspätet
(18.-26. Jahr)
bei:
466
44
123
289
b. Verlauf.
Zahl der Arbeiterinnen |
regelmäBig
unregelmäßig |
mit Hämorrhagien
466
63 1
289 1
1U4
c. Verlauf im Vergleich zu der Zeit, die die Arbeiterinnen in den Minen
gearbeitet haben.
Zeitdauer der Minenarbeit:
1—5 6—10 10-16 16-20 Jahr
36 26 2 0
98 164 24 8
29 62 23 1
Hiernach war die Menstruation nur bd 9,6 °/o sämtlicher Arbeiterinnen
normal eingetretea und bei 18,8 **/o in ihrem Verlaufe regelmäBig.
IL Gravidität.
regelmäßige
unr(
mit
\ Menstruation
Itoo^hiiei: Twbundei; J
Zahl der verheiiateten Arbeiterinnen
ohne Keeh*
kommentehftfk
mit Nachkommenschaft
sni8«
77
■
297
374
mit einmaliger { mit mehrfacher
Gravidität
23 1 274 !
Schwangerschaften mit
rechtzeitigem | vorzeitiger
Ende | ünterbrewung
der Gravidität
Schwangerst
rechtzeitigem
Ende
der Gr
idtalten mit
vorzeitiger
ünterbrechung
avidität
7 1
1 16 1
1193 1
266
Tot* ILebend*
geboren
Tot* ILebend*
geboren
Aborte
6 1 1
1 14 i 2 1 40 1 1164 1
1 205 61
Es waren sonach 20^1^ der Ehen unfruchtbar. Von 23 nur einmal Ge*
bärenden wird nur ein lebrädes Kind geboren. 20**/• aller Schwangerschaften
wurden vorzeitig unterbrochen; bei den I paren war */> der Schwangerschaften
vor dem rechtzeitigen Ende unterbrochen. Totgeboren waren bei den Prima*
paren 12 gegenüber 199 Lebendgeborenen (fast (6**/*), bei den Pluriparea 84
gegenüber 909 Lebendgeborenen (= 8,6 »/o).
m. Kindersterblichkeit.
Zahl der Lebend*
geborenen
der ersten
6 Monate
Davon starben während
vom 1 voml.—2.
6.-12. Monat | Jahre
vom 8.-8
Jahre
1166
1 1^3 i
73 j
68 1
42
Kl«inere Mitteilungen onA Referate ans Zeitsehriften.
291
Es siarben also wihiend der ersten 8 Jahre tob 1154 Lebendgeborenea
826 B 28 */q. (NB. Die Sterblichkeit des ersten Lebensjahres mit 1^7 "/o er¬
scheint hbrigens yerhUtnismüßig niedrig and bleibt hinter der Etndersterb*
keit Preofiens, die ihr 1906 mit 22,9 berechnet ist, sarttek. D. Bef.)
IV. Verhalten der Grayldität und Kindersterblichkeit
bei den Frauen, deren Männer in den Bleibergwerken beschäftigt waren.
Zahl der Fraaen
okii« Bohwan-
fmehMfl 1
mit Schwangerschaften
ZlUI.
11
46
56
1
Zahl der Schwangerschaften
zusammen
199
Kindersterblichkett
Es starben von 144 Lebend-
geborenen
ausgetragen
156
1
unterbrochen
durch
im
1. 1 2. 1 8.
Lebensjahre
frühreif
Tot- 1 Lebend'
geboren
12 1 144 1
1
37
6
1 '
1 81 28 i 28
i
26
Von 56 Ehen zwischen Minenarbeitem und Minenarbeiterinnen waren
11 (= 20*/o) steril, tob 199 Schwangerschaften 48 (b 22*/o) frAhselUg unter-
browen, Ton 144 Lebendgeborenen starben in den ersten 8 Lebensjahren oder
frühreil 108 (= 76»/o)l
Der yerderbliche Ebfluß dieser Bergwerksarbeit, bei der es sieh um
BleiTergiftung handelt, auf die Frauenwelt spricht sich deutlich aus solchen
Zahlen aus. Nicht ist in diesen Zahlen zum Ausdruck gekommen die weitere
Beobachtung des Verfassers, daB die Lebendgeborenen zu 90 "/o kaehekUseh
und degeneriert zur Welt kommen und, soweit sie nicht yorher zu Grande
gehen, W ihrer Gestellung zum Militär zu 90—95 "/• dienstuntauglich befunden
werden.
Verfasser ist nicht im Zweifel, daß alle die angeführten Erscheinungen
auf Bleiyergiftung zurttekzuftthren sind, um so mehr, als dergleichen bei
Arbeiterinnen anderer Betriebe in gleicher Hänfigkeit und Schwere nicht be¬
obachtet worden sind. Es ist mithin der Schlufi gerechtfertigt, daß „das
Blei eine schwere und tiefe Einwirkung auf die Genitalspparate der Arbeiterinnen
in den Bleiminen Sardiniens ausübt, die in MenstruationsstOrungen und Stürun-
S en der Gravidität bis zur völligen Sterilität besteht. Die ^flösse auf die
fravidität und die Nachkommenschhft sind um so schwerer, wenn beide Ehe¬
leute der Bleiintozikation ausgesetzt sind.* Ein gesetzliches Verbot der Kin¬
der- und Frauenarbeit in solchen Betrieben, von den Verfasser spricht, scheint
neuerdings in Italien ergangen zu sein. Dr. 8olbrig-Allenstein.
Beitrag zur Bedeutung des Glessflebers ln der GewerbebjgleBe. Von
Dr. Otto Graeve in Iserlohn. Vierteijahrsschrift für gerichtliche Medizin
und öffentliches Sanitätswesen; Jahrg. 1907, 2. H.
Verfasser berichtet über 2 von ihm beobachtete Fälle sogen. „Gieß-
flebers", von denen ein Fall tOtUch verlaufen ist. Das Gießfleber, wie es häufig
bei Messing- und Zinkgießern vorkommt, bietet im allgemeinen ein leichteres,
bald vorübergehendes Krankbeitsbild dar; die Arbeiter treten dem ihnen be¬
kannten Leiden durch den Genuß reichlicher Mengen heißer Milch wirksam
entgegen. Die beiden schweren, vom Verfasser beobachteten Fälle zeichneten
rieh durch das Vorhandensein einer vergrößerten Milz aus; weitere Nach-
Gießfiebers gehört.
Dr. Kraemer-Worbis.
Die Herstellung von Filz und seine GeCahren« Von Joseph E^anet.
Bevue d’hjgiöne et de police sanitaire; Bd. 29, Nr. 11, November 1907.
Die HersteUung des Filzes, die in einer Bearbeitung von Hasen- und
Kaninchenfellen besteht, beschäftigt in Europa ungefähr 300000 Arbeiter und
292
Kleinere Mitteilnngen ond Keferate ans 2MfseIuriften.
Arbeiterinnen. Schon die vorbereitende Bearbeitong der Felle Metet viele
gesnndheitliehe Oefahren. Die Lnft in den Arbeitsränmen ist dauernd mit
Staub and Haarpartikeln geschwängert and verarsacht bei den Arbeitern
Bronchiaikatarrbe and Beizzastände der Atmongsorgane. ln den IransOsischen
Fabriken, die Verfasser besichtigte, waren die Lüftangseinrichtangen nor an*
genügend oder überhaupt nicht vorhanden.
Noch angOnstiger wirkt das zweite Stadlam der Verarbeiton^, die Prä*
paration mit chemischen Mittel (^Secretage“), aal die Arbeiter. Hier werden
die Feile mit Säaren and Qaecksilberverbindangen bearbeitet. Die Arbeiter
b^ommen infolgedessen aofgesprongene oder stark rissige Hände, an denen
sieh zam Teil heftige Entzündangen einstellen. Ferner erkranken sie an
schweren Qaecksilbetvergiltangen durch das dauernde Einatmen der Dämpfe.
Die äußerst ungünstigen Oesundheitsyerhältnisse der Filzarbeiter be*
sehäftigten mehrfach die Behörden, ohne daß es jedoch zunächst gelang, die
zar Bearbeitong der Felle notwendigen Mittel darch ungefährliche za ersetzen.
Erst in letzter Zeit gelang es zwei gleichwertige ungefährliche Verfahren zu
finden, die auch bereits in einigen Fabriken mit Erfolg angewandt werden.
K verlangt, daß dieses Verfahren auch in anderen Fabriken, die sich unbe*
greiflicherweise gegen die Einführong sträuben, in Anwendung konunt, und
daß die Arbeiter durch Gesetz vor den schweren Schädigungen des Qaeck*
silberverbindangen geschützt werden. Dr. Dohrn*Hannover.
lieber die Elnwlrkaiig des berufsmisslgen Telephonlerens auf den
Organismiu mit besonderer BSchsicht auf dM GebSrorgnn. Von Dr. N.
Bh. Bieg rad, ehemaUger Assistent an der Ohren* und Halsklinik des Eopen-
hagener Kommanehospitals. Archiv für Ohrenheilkunde; Band 71 und 72.
Blegrad hat 540 Telephonistinnen untersacht; bei der Bespreohang
der Untersuchongsergebnisse wird die Literatur sorgfältig berücksichtigt. Der
Autor kommt zu foigenden Schlüssen:
1. Durch das berufsmäßige Telephonieren wird keine Herabsetzung des
HOrvermOgens bei Individuen mit gesunden Gehörorganen bewirkt, aber auch
keine Schärfung des Gehörs, wie dies häufig von Telephonistinnen behauptet
wird. Eine schädliche Wirkung auf Ohrenleiden ist nicht erwiesen, wohl aber
können Blitzschlag und plötzlich auftretende Schalleinwirkungen, wie sie im
Telephon Vorkommen, ein schon vorhandenes Leiden verschlimmern oder ein
Ohrenleiden verursachen. Dr. Budloff-Wiesbaden.
Kritlzeher und kliniseher Beitrag inm Studium des prefessieneUen
Nystagmus. Von Dr. G. Y. Giglioli*Florenz. li Bamazzini; Fasz., 10—11,
1007.
Auf Grund kritischer Besprechungen des in der Literatur über diesen
Gegenstand vorliegenden Materials und eigener Beobachtungen und Unter*
suiäungen gelegentlich einer Studienreise in England unterscheidet Verfasser
einen essentiellen und einen symptomatischen professionellen Ny*
stagmus.
Der erstere zeigt sich bei den Minenarbeitern in Kohlenbergwerken
(den Häuern) und bei andern Arbeitern, die in bezug auf Stellung und An*
strengung analoge Arbeit zu leisten haben. Zu seiner Entstehung tragen
nicht nur die besonderen Bedingungen des Lichtes in der Umgebung und der
Ermüdung der M. oculomotorii, sondern auch die speziellen Bedingungen des
unbeständigen Gleichgewichts der Augäpfel und des Körpers des Arbeiters
bei Dieser Nystagmus kann in bestimmten Fällen ein wirkiiehes eigenes
professioneiles Muskelzucken werden und unabhängig von dem primären Me*
chanismas seiner Entstehung dauernd bleiben.
Der symptomatische professionelle Nystagmus ist ein häufiges Symptom
der schweren Verletzungen des inneren Gehörapparates und des Labyrintha,
welche sich bei Arbeitern, die unter Bückstoß der Luft in das Ohr ansgesetzt
und die in komprimierter Luft beschäftigt sind, ansbilden können.
Dr. Solbrig*Allenstein.
Kleinere HlttefTnn^n and Referate ans Zeitschriften.
293
üaber den Eioflase dee Stelnpiilren für die Steiehaver* Von S.
SssakL l^paa'Eisdgakkwai'Zasshl; 6d. III, Holt 2—8.
Oer Verfasser hat einen Apparat konstroiert, welcher imstande ist,
Skeinpnlver ebenso zu aspirieren, wie die Steinhaner es bei ihren Arbeiten
aspirieren. Oiesor Apparat warde am Arbeitsplatse in Tätigkeit gesetzt. Naoh
einer bestimmten Zeit wurde die mittels dieses Apparates aufgelaagene Stein«
E * irmenge gewogen und hierbei festgestcllt, wieviel ein Arbeiter an einem
aapinert. Er ist der Meinung, daß die Einatmung dieser Menge des
pnlvers fftr die Steinhaner sehr schädlich sein mttßte.
Or. 0shida*Tokio z. Z. Berlin.
Die Stlgmat^ Terlndenugen und organischen Llalenen der Kopf«
Lasttrlgerlanenla Kalabrien« Von Or. Filippo Bepaci* Messina. 11 Bamaizinis
Faei.9,1907.
Die Lastträgerinnen Kalabriens, die bis 70 und SO kg, ausnahmsweise
100 kg Last auf ihrem Kopfe tragen — gegen den erbärmlichen Lohn von
etwa w Piff. fOr Ostttndiges Tragen von 60 kg — stellen nach den hier ge«
machten Schilderungen eine bedauerliche, menschennnwttrdige Ausnützung der
Mensehenkraft und noch dazu von Frauen dar, die abzuschaffen Pflicht sein
sollte! Mit 8—10 Jahren fangen die Mädchen in jenem Landstrich mit dem
Tragen allerlei Lasten auf dem Kopfe an, was bei den vorhandenen schlechten
Wegen in gebirgiger Gegend doppelt anstrengend ist; dasu kommen Witte«
rangseinflüsse, ungenügende Ernährung, schlechte Wohnungsverhältnisse, kurae
Art^tspansen und dergl. mehr.
Verfasser hat 20 solcher Lastirägerinnen genau untersucht Die Beob«
aehtungen sind als ein Beitrag zur Lehre von den Berufskrankheiten von Wert
Oie hauptsichlichsten Abweichungen in der Kürperbesehaffenheit waren ln
folgeadem zu Anden:
1. Kopf: Lichtung der Haare, vermehrte Konsistenz oder direkte Hyper¬
trophie der weichen Kopfbedeckungen mit Drnckempflndlichkeit und ver¬
minderter Sensibilität, Depressionen der Koplknochen und Versehiebungen an
danselbea.
2. Wirbelsäule: Deformationen der Halswirbel und Kyphosis dorsalia
bei älteren Personen, lumbale Euuattolnng (in allen Fällen), vereinzelt erheb¬
liche Verbiegung der Habwirbel nach vorn mit starker Beschränkung der Bo«
Wf^chkeit der Habwirbebänle.
8. Mnskelsystem: Durchweg Muskebebmerz im Nacken mit Neigung
qi Spasmen, offenbar direkten peripherbchen ürsprungs.
4. Nervensystem: Schmerzempflndlicbkeit un Gebiete des Plexus
cervicaL, brach, und suboccipital., namentlich bei den Anfängerinnen, bisweilen
aadh Sebnerzgefühl der Nerven der oberen Gliedmaßen bei Palpation — dies
ohne Stünugen der BewegUchkeit der Arme und bei normaler Sensibilität
oder hüehstens leichter Parästhesien — (ab Folge des Druckes auf die Nerven«
stfaame).
6. Hers und Gefäße: Begelmäßig Herzbypntrophie des linken Ven«
trikeb, Verbreitung des Spitzenstoßes (in 12 Fällen), selten (2 mal) Arterie«
skleroae bei über 60 Jahre alten Frauen, ohne daß Erblichkeit, Intoxikation,
Infektion und dergL vorlag, also offenbar aurachließliche Folge der schweren
Arbeit.
6. Bespirationsorgane: HäufigLungenemphysem, mebtder oberen
Langespartien (vielleieht im Znsammenhauge mit dem Typus der Bespiration
beim Weibe), ohne besondere respiratorbchs Störungen, wie Husten, Asthma
(letzteres nur in 2 Fällen).
7. Schilddrüse: Häufig eino deutliche Vergrößerung derselben (in
8 Fällen), und zwar bei jüngeren und älteren Personen, offenbar ohne Beziehung
auf das Alter und nur durch die Arbeit mit ihrer vermehrten Blutsufuhr be¬
dingt. (Besonders betont Verfasser, daß die fragliche Gegend nicht zu denen
gehört, wo der Kropf endemisch verbreitet ist.)
8. Uropoetische Organe: In 8 Fällen leichte Ektopie der rechten
Niere (bei Frauen, die geboren hatten).
9. Untere Gliedmaßen: Ziemlich häufig PlattfußbUdung, ohne
neuralgische oder fonktioBelle Störungen.
2^1 Kleinere flStteflnngen vnA Uefernte «os Zeftedofften.
Von dkMn ErscheiniiB|{«i ist Verteeier geneigt, die Befände na den
weichen Kopfbedeckungen and die SchmenempfindUchkeit der NerreaitiinBe
nia echte Stigmata profeemoaalia aainsehea; Toa den ttbrigea liad die StOrongM
den Henean and der Longra aia benondem beweinend für die Schidlichfot
der fragUchea Arbeit Ton Bedentong.
Yerfaaser endigt neiae bemerkenswerten Aasffthrongen mit folgendta
Worten;
«Diener Beraf ist dasu bestiiamt, dann einmal an Temehwiaden Aber alle
<}enet 2 e hbaos, die die Franea roa den mit onheilTollcm EiafloS aof die Oe*
schlechtsorgane and den gesamten Organinmos Terbandenea Arbeiten ans*
schließen, wenn sieh die traarigen bkonomischen and moralischen Verhiltainse
des Proletariats Terbessera werden. Mit Yerbessentng der Okonosüschea
Lage durch ErhOhnng der Lohne wird die Frau nicht mehr dem Lasttier
Konkorrens machen in einem Berofe, der die Aeethetik des weiblichen KOrpeia
schindet, der so Tiele StOrongen ln seinem xarten Orgnaismos herrorraft.
Dr. SoTbrig'AUensteiB.
Die PhTslopathologle der Nachtarbeit and die itallenisehe Oesetn*
gebang» Von Dr. Ambro^o Mori*Fioreaa. U. Ramaasiai; Fass. 10—11,1907.
Die Nachtarbeit, die mit kleiami Abweichungen in den Terschiedensn
Lindern die Zeit Ton abends 8—9 bis morgens 5—6 amfaOt, wobei hier and
da Dnterschiede zwischen dem Sommer- and Winterhalbjahr gemacht werden,
ist in Italien für alle weiblichen and die unter 15 Jahr alten minnlichen Per*
8<mea yerboten. Nichtsdestoweniger sind die Verletzangea gegen diese geseta*
liehen Bestimmongen an der Tagesordnang, namentlich in gewissen Betoiehea,
wie Spinnereien, Spitzenfabriken, Gießereien osw. Daß ue Nachtarbeit
für alle Menschen schädlich ist, darüber herrscht aof Grand der Irztliehem
Erfahrung and yielfachen Versuche nidit der geringste Zweifel; es ist hier
za erinnern an den wohltätigen Einfloß des Lichts auf der eines und die
schädlichen Einflüsse der Dunkelheit auf der andern Seite; nameatUch k<HaBBeB
in letzter Beziehung in Betracht: Disposition infolge Dunkelheit für dae
Entstehen ron Skrophulose, Tuberkolose, Bachitis, Skorbut, Eretinismns,
Alteration der Sinnesorgane infolge der Nachtarbeit, schließlich auch die sitt«
liehen Gefahren für die so beschäftigten Arbeiter. Vom hygienischen nad-
sozialen Standpunkt ist deshalb die Abschaffung der Nachtarbeit flberhaapt
dae wohlberechtigte Forderung, die streng durchzuftthrea aUmdiags im mo¬
dernen Leben bei der Entwicklung gewisser Industrien, die eine Unterbrechaag
der Arbeit nicht zulassea, and bei der Notwendigkeit, dea Öffentlichen Dienst
auch während der Nacht aafrecht zu erhalten, ummOglieh erscheint. la der
Praxis kommt es also darauf an, die Nachtarbeit auf das unamgiagliebe MsA
einzuschränken. Uebrigens sind unter andern nach die Ldter der Fabrikw
und riele Arbeitgeber schon mit Bücksieht auf die besondere Gefihrdiug der
mit Nachtarbeit beschäftigten Personen hinsichtlich der Betriebsnattlla
mdir und mehr zu der Einsicht gelangt, daß hier eine Einschränkung ge¬
boten ist.
Zn den Betrieben, in denen bisher die Nachtarbeit als etwas althar-
gebraebtes und deshalb wohl als etwas unyermeidlicbes gegoltea hat, gehören
die Bäckereien. Und gerade diese sind es, für die eOie Aenderongder he*
stehenden Verhältnisse besonders geboten erscheint und, wie in andern Lin¬
dem, so auch in Italien angebahnt ist; die Brotbereituag spielt sieh fast
immer (nicht nur in Intalien, sondern auch yielfaeh bei uns! d. Bef.) in
dunklen und lichtarmen Eellerräumen ab, die Wirkungen der Nachtarbeit bei.
den Bäckern machen sich in besonders herrortretenden Störungen des Ner-
yensystems, in frühzeitigem Alter, in hoher Mortalität geltend.
Bemerkenswert sind deshalb die Vorschläge, die im Mai 1907 y<m dem
Arbeitsamt in Italien der Kammer der Deputierten zur Abschaffüng der Nacht*
arbeit gemacht wurden. Diese Vorsdiläge eines Gesetzentwurfes besagen ik
Kürze foldendes:
Art. 1. Es ist yerboten, in der Nacht zu arbeiten and arbeiten aa
lassen bei der Fabrikation des Brotes. Die letztere umfaßt; Bereitong des
Sauerteigs, Kuchen, Anfertigung und Backen des Brotes.
Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften.
296
2. Die Nachtarbeit umiaBt die Stuudeu swisehen 7 nad 6 im Winter,
nwisdien 7 nnd 4 im Sommerhalbjahr.
8. Ansaahmen können gesetslich fttr besondere Oelegenheiten, wie
Ferte^ aettweilige Mensehenanh&nfnngen zngelassen werden..
4. Die Stadtrerwaltnng hat dem Miaisterinm fttr Handel nnd Gewerbe
Ton solchen Ansnahmen zn 8) Anzeige zn machen.
6. Die Ansftthrnng dieses Gesetzes wird Ton dem Xinisterinm für
Adcerban, Handel nnd Gewerbe Torgenommen, nnter Ueberwachnng dnrch be*
ermdere Indn8trie>Inspektoren mit Hilfe der Polizdorgane.
6. Strafbestimmungen (Erhöhung der Strafen bei wiederholten Yer»
stOEen).
7. Das Gesetz, Ton dessen Zustandekommen anch der oberste Gesund-
kdtsrat zu hOren ist, soll 10 Monate nach VerOffentlichnng in Kraft treten.
8. Anfliebnng aller dieser Bestimmungen znwidorlanfenden Yor-
sduiften.
Zn diesem Entwurf gibt Yerfasser kritische Bemerkungen. Er verlang
Ansdehnnng des Gesetzes anch auf Fastetenbfickereien, Anwendnng auf alle
eiazelaen Operationen der Brotbereitnng, Zusammenfassung der Nachtarbeit
eia fttr allemal auf die Stunden zwischen 9 nnd 4, besondere Festlegung der
Stunden ttber den Beginn der Anheiznng der Backofen, Beschränkung der
Ausa^men auf bestimmte Zeitabschnitte, Erhöhung der Strafe bd Ueber-
tretnngea fttr die Arbdtgeber um das Doppelte gegenttber den Arbdt-
ndimera n. a. m.
Mit einem sdchen Gesetz wttrde den Forderungen der Hygiene Bechauag
getragen werden. Es bleiben aber noch andere Kategorien von Nachtarbdtem,
fttr die zunächst wenigstens prophylaktische Maßnahmen bezfiKÜch der Dauer
dw Arbeit fttr ^e Alter^assea und die Geschlechter erforderlich sind.
Dr. Solbrig« Allenstein.
Arbett und Buhe. You Georg Hahn*Jena. Soziale Medizin nnd
Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 4.
In der Zeißschen Werkstätte in Jena ist sdt Jahren der Achtstunden¬
tag eiageftthrt, ohne daß deshalb die Leistungen der Fabrik znrfickgegangea
sind. Im Gegenteil, dnrch Herstellung eines naturgemäßen Gleichgemchtes
zwischen Arbeit nnd Bnhe hat die Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeiters
trotz der yerkttrzten Arbeitszeit noch angenommen. Die Arbeitsleistung ist eben
der Arbeitszeit nicht entsprechend. Anch in englischen Fabriken hat man die
rieiche Erfahrung gemacht, daß trotz Yerkttrznng der Arbeitszeit um eine
Stande die Tagesleistung zngenommen hat. Yoranssetznng fttr die Rentabilität
der yerkttrzten Arbeitszeit ist die, daß während der Arbeitsstunden anch un¬
unterbrochen gearbeitet wird. So sind auch in der Zeißschen Fabrik alle
üaterbrechaagen dnrch Schwatzen, Hernmstehea etc. yerboten. Anch die
Frfthstttckspanse kommt in Fortfall. Hiermit wird zugleich dem Alkoholkonsnm
and der nach der Frtthstttckszeit anftretenden Alkoholerschlaffnng begegnet.
Yerfasser ist der Ansicht, daß der Achtstundentag auch auf die meisten
andereren Berufe ausdehnbar ist. ,Aeht Stunden Fabrikarbeit — acht Stunden
Schlaf — acht Stunden Mensch sehil* Dr. Dohrn-Hannoyer.
üntenuchungen ther hemfllche Arbeitsleistung. Yon Professor Dr.
A. Imbert-Montpellier. Archiy fttr Yolkswohlfahrt; Jahrg. 1, Nr. 3.
Yerfasser ist der Ansicht, man konnte behufs Beilegung yon mancherlei
DUferensea nicht selten einen Nutzen stiften, wenn man in der Werkstelle, auf
dem Bauplatz oder in der Fabrik nnter Anwendnng der physiologischen La¬
boratoriumsmethoden die berufliche Arbeitsleistung einer direkten experimen¬
tellen Messung au unterziehen in der Lage wäre. Er illustriert dies an einem
BeispieL Mit Hilfe der Mareysehen Fußbekleidung nnd eines besonders
keastruierten Apparates hat er die ganze Arbeitsleistung eines mit einem
Bweirlderigen Handkarren schwere Lasten transportierenden Arbeiters zur
graphischen Begistriernng gebracht. Der Transport yon Getreidesäcken (60 kg)
auf einem wagerechten Zementboden während eines Arbeitstages yon 10 Stunden
ealapricht an Kraftyerbrauoh mindestens den 8 folgenden i^beiten:
1. efaiem senkrechten Aufstieg yon ca. 70 m;
296
Ueinere Mitteilnngen and Referate ans Zeitschriften.
2. einem Manch ron ca. 80 km gegen einen Wind Ton etwa 5 m in der
Sekunde;
8. einer Arbeiteleistong insgesamt Ton ca. 18000 kg, aosgefflkrt mit
der Armmnskolatar in Portionen ron je 80 kg. Dr. Woif-Maibarg.
Schulhygiene.
Kerrosltlt bei Sebulklndern und Erafehungsfragen* Ton Dr. 0. Paull~
Karlsruhe. Blitter f. Volksgesundheltspflege; Jahrg. VlI, Nr. 2 u. 8.
Der ente KardinalgrundsaU von der Lehre Ober die Nerrositit ist der,
daS sie nicht nur als im Einseileben erworben ansusehen ist, sondern als die
Summe dessen, was schon unsere Ahnen als NerTenschädigung erlitten haben.
Termehrt durch das, was im Einselleben des NerrSsen hinzugekommen ist. —
Kinder mit großer Schreckhaftigkeit sind mit großer Vorsicht su behandeln,
denn sie haben die Anlage zu späterer Nerrosität oder Neurasthenie in sieh.
Verfasser bespricht die yerschiedenen Erscheinungen bei nerrOsea Kindem
und geht dann zu der Erziehung solcher Kinder Ober. Das eigentliche Er>
■iehungsproblem ist die Verbesserung der seelischen Anlage, die EntLdtuag
seelischer Schönheit. Der Schlüssel aber zur Erkenntnis und zur Beeinflussung
der Kindesseele heifit Selbsterkenntnis und Selbsterziehung. Bei der Erziehung
wird die Geduld der Eltern und Erzieher, zu welcher wiederum die Selbst*
erziehung die notwendigste Verbindung ist, hier mehr leisten als der Stodt.
Verfasser geht schliefiUch noch aus^rlich auf Erziehungsfragen ein, dlü
im Rahmen eines Referates nicht erOrtert werden können.
_Dr. Wolf-Marburg.
Die Vorbeugung der Myopie. Von Kreisarzt Dr. Berger in Krefeld.
Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr 46.
Beim Aufenthalt an der See oder* im Gebirge glaubt man bekanntlich
besser zu sehen als yorber, wenn man kurzsichtig ist. Verfasser schidrte einen
Ji^en, dessen Sehschärfe an beiden Augen auf V* hemntergegangen war,
6 Wochen nach Borkum. Nach seiner Rückkehr stellte Verfasser */*
schärfe fest; der Junge bestätigte auch, daß es ihm in Borkum so yorgekommen
sei, als ob er besser sehe. Verfasser schließt aus dieser Beobachtung, daß die
im jugendlichen Alter einsetzende Myopie nicht irreparabel, sondern yerbesse-
rungsfählg ist. Die im labilen Gleichgewicht befindliche Lbse kommt offenbar
zuerst in eine Art Krampfzustand, der noch korrigierbar ist, der aber nicht
korrigiert zu dauernden Verhältnissen führt. Diese Art Prophylaxe sei allen
beteifigtea Kreisen, besonders den Schnlbygienikem empfohlen.
_ Dr. Waibel-Kempten.
Veberbiirdnng und wahlfreier Unterricht. Von Prot Dr. Keese*»
bitter. Gesunde Jugend; Jahrg. VII, H. 8 u. 4.
Verfasser ist der Ansicht, daß eine wirksame Entlastung erst durch
eine allgemeine Einführung des wahlfreien Unterrichts erreidbt werden wird,
derart, daß die Schüler entweder in die mathematische oder die ^rachabteilung
treten können. Am besten wäre eine allgemeine ministerielle Verfügung der
zwangsweisen Einführung des wahlfreien Unterrichts.
_ Dr. Wolf-Marburg.
Die Bedeutung des Handarbeitsunterrtehtes in der Hilfüsehule. Von
Direktor Dr. P ab st-Leipzig. Zeitschr. für die Erforschung des jugendL
Schwaohsinns; Bd. II, E. 1.
Nach den verschiedensten Richtungen ergeben sich wichtige Gesichts-
S enkte für den Wert des Eandarbeitsunterrichtes ia erziehlicher Hinsicht,
[ierzu kommt noch die praktische Bedeutung, die der Handarbeitsunterricht
dadurch hat, daß er die Berufswahl erleichtert und wesentlich dazu beiträgt,
die schwach begabten Kinder so wdt als möglich zu brauchbaren Gliedezn
der bürgerlichen Gesellschaft zu erziehen. Dr. W olf*Marburg.
Sehulbyc^ene. VoaIng.Zyka. Gesundheits-Ingenieur; 1907, Nr. 46
Verfasser sicht in den Vorschlägen, die yon seiten der Aerzte zur Be-
hämpfung der Lungentuberkulose gemacht werden, immer nur einseitige Forde-
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
297
magen. Dl« Schule müßte auch eine Behandlong der erknnhten Kinder rer«
eniMffWi Ferner empfiehlt er folgende hygienisde Maßnahmen :
1. Grüßte Reinlichkeit der Foßbüden.
2. Möglichkeit eines schnellen and grttndlicben Bdnigens derJ9<dialr&iune.
5. Binrichtong von Brausebädern, Wascbgelegenheiten.
4. Eraiehang sar Reinlichkeit
6. Binrichtong technisch gat durohgeftthrter Lüttongsanlagen.
6. Anstellung entsprechend ausgebildeter Schulärste.
Dr. W 0 1 f • Marburg.
Das Scbularstweseu ln Dresden* Von Schularst^Dr. R. Flachs iu
Dresden. Städte>Ztg.; Jahrg. 6, Mr. 8.
Die Untersuchungen der neu aufgenonunenen Schüler, trorläufig nur bei
den Besirksschalen durchgeftthrt, gestalten sich folgendermaßen:
1. Kurze Vornntersnehaag yon seiten des Direktors und des Klassen¬
lehrers. Ausscbeiduog von körperlich Schwachen mit Hinzuziehung des
Sehularstes.
2. Hauptontersuehung durch den Schularzt in der Zeit zwischen Pfingsten
und den großen Ferien. Die Eltern werden einige Tage Torher dayoa benach¬
richtigt und können der üntorsuchung beiwohnen. Die Kinder werden nackend
klassenweise untersucht.
8. Im zweiten Schalhalbjahr Prüfung yon Auge und Ohr durch den
Lehrer, welcher seinen Befand dem Schulärzte mitteilt
Während der Untersuchung werden die Befunde tom Sdiularzt notiert
und dann nach folgendem Schema zusammen gestellt: 1. Größe, 2. Gewicht
8. Körperzustand, 4. Blutarmut, 5. Skrofulöse, 6. Hautkrankheiten, 7. Knochen
yerrenkungen, 8. Zahnkraokheiten, 9. Krankheiten des Mundes und der Hase
10. Erkrankungen der Lunge, 11. Erkrankungen des Herzens, 12. Krankheiten
der Bauchorgane, 18. Krankheiten der Angen, 14. Krankheiten der Ohren,
16. SprachstOrungeo, 16. Geistige Gebrechen, 17. Sonstige Erkrankungen.
Diese Elementarontersurmungen haben sich außerordentlich bewährt
_ Dr. Wolf-Marburg.
MIe Arzt — hie Lehrer. Von Dr. Gron-Heidelberg. Zejtschr. f. d
Erforschung des jugendl. Schwachsinns; Bd. II, H. 1.
Verfasser möchte den Streit zwischen Lehrern und Aerzten in der
Schularatfrage beendet wissen und schlägt yor, Aerzte wie Lehrer gemeinsam
lAdagogisch-medizinische Akademien besuchen zu lassen, wo sie sich für ihren
Beruf yorbereiten können; denn erst wenn sie auf der Basis gleichartigen
Empfindens, Wissens und Bestrebens sieh zusammenfinden, wird die schulärztuch
durchdrungene Sdiule ihren Wert oder Unwert — wir hoffen ihren Wert — in
Wahrheit zu erweisen yermögen. _ Dr. Wolf-Marburg.
Einige Irztllehe Betrachtnngen nr Frage der geschlechtlichen
Anfkllrang der Jugend. Von Oberstabsarzt Dr. Neumann-Bromberg.
Gesunde Jugend; Jabrg. VII, H. 3 u. 4.
Einführung des hygienisch-biologischen Unterrichts an den Lehrerbildongs-
aastalten und höhere Schulen durch Aerzte, Anlklärung über die Gefahren
der Geschlechtskrankheiten, Hebung der allgemeinen Stittlichkoit,.hygienische
U^twacbung der Prostitution._Dr. Wolf-Marborg.
Mehilerspelsungen* Von F. Lorentz - Berlin. Blätter 1 Volksgesnnd-
hdtapflege; 1908, Nr. 1.
Daß die Einrichtung yon Sohfilerspeisungen, namentlich in den Städten,
eine sozial-hygienische Notwendigkeit is^ bedarf wohl keines besonderen Hin¬
weises mehr, da eine Unterernährung yieder Kinder durch die schulärztlichen
Berichte festgestellt ist. Auf dem Lande dürfte die Angliedornng an Koch-
und Haushaltungssehulen genügen, dagegen nicht in der Stadt. Der Armen-
pfl^e dürfte ^e Vornahme der Speisung nicht überlassen bleiben, denn da-
durmi, daß ^e ^hnle diese Einrichtung übernimmt, erhalten die Wohltaten
ein wesentlich anderes Gesicht. Es ist notwendig, daß freiwiilige Liebestfitig-
238
Tagcsnachriebten.
keit viid UatenttttnuffM toi leHen des Stute« vid der KoBnuei die
Eoiten mfbriBgei. ^eu uoh die elterliche Verutwortiig durch ebe
derirtiue Institntioi lunichit etwu gefibrdet encheint, «o dttnte lieh aber
^Ueu Oebhr durch elie umiehtige Hudhibuig umgehra Itnei.
_ Dr. Woll-liwhurg.
Die Sluberuiig der Sehilbaik. Von H. Suek>Berlfai. Blltter ihr
Volksgesundheitspflege; Jabrg. VIII, Nr. 8.
VerfuMr weist auf die Notwendigkeit einer sorgf<iuen Siuberung der
Sehulb&Dke hin, die nicht nur im tägliehen feuchten Abwischen bestehen darf,
smidera auch eine eingehende Beinignng unter Zuhilfenahme mechanisdi-
reibender und chemisch desinfizierender Mittel darstellen mnfi. Die« ist a^
nur mSglieh, wenn die Schulbank du Säuberungsproseß nach Möglichkeit er*
leichtert, wie w bei der J ahn sehen Mittelhohnbank der Fali ist.
_ Dr, Wolf* Marburg.
Sehulblder« Von Dr. F. E. Hopf*Dresdu. St&dte*Ztg.; 1907 Nr. d.
1. Die Sehnlb&der sind nach du ttbereinstimmudu Urteilen toi Aerz*
ton, Sehulm&uern und Schulbehördu ein ausgueichnetes Mittel zur Hebung
du leiblichen und geistigen Wohlbefindens der Schulkinder and fordern
ebuso Gesundheit wie LernrermOgu.
2. Es ist die Forderung zu erhebu, daß bei allu Vdkasehnlaeubautea
unbedingt Brausebäder eingerichtet werdu.
8. Da die Einftthrung des zwannweisen unentgeltlichu Sehwimmnnter-
rkhts in Deutschlands Schulen eine iiule Forderung der Vo]ksge8uadheits>
pflege darstellt, ist außerdem du Frage des Schwimmunterrichts seiteu der
SehidbehOrden erneute und Termehrte Aufmerksamkeit zuuwuden.
Dr. Wolf'Marbarg.
Heizung and LIftung einer Gruppe tou IffeitlldMa Sehulhluwm«
Von S. B. Lewis. Geenndheite-Inguier; 1908, Nr. 8.
Es hudelt sieh um die Gebäude einer Vorschule, Mittelschule und
eines Gymnasiums, die zu einem Block Tereinigt sind. Sie werdu Ton einer
Zutraiulage aus für Zwecke der Heizung mit Dampf Ton 0,8b Atm.*üeber*
druck mit VentUatorenbetrieb Tersorgt. Die Ventilatoru lieiern pro Person
mindestus 0,85 cbm pro Minute. Fttr Beleuchtung und Kraftsweeke wird
elektrischer Strom Terwandt. Platzgewinn in den Gebäuden, das NiehtTOr«
hudensein Ton Feuernngsulagu, die Vermeidung Ton Kesseln uter du
Sohulräumu, die Möglichkeit, biiligu Brennstoff zu Terwuden, die Vermeidnag
TU Schmutz und Staub sind die HanptTorteile einer solchu bMoaderoi
Kraftanlage unter den ugegebenea Verhiltnissu. Dr. W elf-Marburg.
Tagetnachrichtmi.
Der prmuMrtiohn Zrfmfltag ist geschlossen; kurz Torher hat du
Herrenhaus in seiner Siiznng Tom 8. d. M. du ({aellenscbutsgeMts in
der Tom Abgeordnetenhanse beschlossuu Fassung nuTerändert ugeummu.
Der Tom Herrn Minister bei der Etatsberatug ugekttndigte Gesetz-
Utwurf betreffend die Gebfihren der Kreisärzte ist niut nr Vorlage gelugt,
wie dies nadi Lage der Verhältnisse Ton Tomherein nicht uders zu erwartu war.
Die BauschTergfltnngen fttr die DirastrelMu der Krelsirzte sind jetzt
durch den in der heutigen Beilage (s. 8. 72) abgedmekten Ministerial-Erlafl
Tom 10. März 1908 geregelt. Bei der Besprechung des diesjährigen Medisinal-
etats ist Ton uns angenommen, daß der in den Etat dafftr eingestellte
Betrag tu 866000 Mark demjenigen des Etatsjahres 1906 entspricht, denn
damals utfielen auf jeden Kreisarzt 1700 Mark für Dienstreisu. Mtdem
dürfte die Zahl der Dienstreisen aber sicher nicht unerheblich gestiegen seb;
außerdem hat sieh der Herr Minister einen Betrag fttr besudere Fälle zurttek-
behaltu, so daß die jetzt zur Verteilug gelugte BanschTergtttnng nur */»
bis */« der Summe betragu dürfte, die Ton den Kieisärstu im letztu fitat^
jahr (1907) lignidiert werdu ist. Dieu Kttiauig um 1/4 bis >/« ntspikht
l^ftg««iMhrtehteiL
m
den ChwidBltseB bd d«r Fertseteiiog von BansohTergdtoiigM für Di«iutr«itea
da angenoBmea wird, daß sich die betreffeadea Beamtea dtreh fweekmlAige
ZmamaealegttBg der Beisen wieder eehadios haitea kOaaea. Daß dies bei den
Dieastreisea der Kxeisirxie weniger als bei anderen Lokalbeamten mBglieh ist,
haben wir bereits in Nr. 2 dieser Zeitschrift (s. S. 61) ansgeftthrt und hier anch
betont, daß die Kreis&rzte im Gegensatz zu Jenen Beamten nicht roUbesoldet
adea and demznlolge auch ein anderer Maßstab für die Bemessnag der Bansob«
Torgütong aagezdgt seL Dies ist jedoch nicht gesohehmi; nach in dem bo*
treffenden Ministerui-Eriafi ist unter den seitens der Begierungsprisidentmi
bd der Verteilung der BauschTer^tungen zu beachtenden GedclitspnakteB
die Frage der Voll* oder NicbtTolibesoldung unberücksichtUt geblieben. In*
folgedassea werden die an und für sich schon berorzugten ToUbesoldeten Kids*
bzte bd den Baaschrergütungen besser fahren, als ihre wesentlich ungünstiger
gestellten nicht Tolibesoldeten, aber ToUbesch&ftigtea Kollegen, deren. Beise*
titlgkdt trotzdem die gleiche wie bisher bleiben soll; denn der ihnen daraus
erwachsende Verlust in der irztlichen Privatprazis, der bisher durch einen um
33V* */• höheren Betrag für Dienstreisen wenigstens etwas ausgeglichen wurde,
wird künftighin ungedeckt bleiben. Anch die weitere Bestinmnnff, daß eine
Zulage für außergewöhnliche Beisetatigkeit erst dann gewährt wird, wenn die
tarifmäßigen Tagegelder und Beisekosten für die gesamte Beisetltigkeit den
Betrag der Banschrergütung um '/* überschritten haben, ist wohl ToUbesoldeten
Beamten gegenüber berechtigt, aber nicht solchen Beamten, die durch ihre
Bebetätigkeit pekuniäre Verluste in ihrer Einnahme ans der Priratpraxis er*
leiden, auf die sie infolge ihrer unzulänglichen Besoldung notwendigerweise an*
gewiesen sind. Hier bedürfen die jetzigen Vorschriften dringend der Aenderung;
eine solche würde anch den Wünschen des Landtages entsprechen, die in dieser
Beziehung bei der diesjährigen Etatsberatnng von verschiedenen Seiten zum
Ausdruck gebracht sind. Den Kreisärzten ist übrigens zu raten, daß sie nicht
blos ein Beisetagebuch nach dem vorgesäriebenen Muster führen,
sondern in diesem Tagebuch auch stets genau die Beisetage und die zurück*
gelegten KUometer — getrennt nach Eisenbahn und Landweg —, sowie die
Zu- und Abgänge vermerken, um vorkommendenfalls eine Erhöhung der
Bausdirergütung am Schluß des Jahres begründen zu kOnnen. Ebenso empfiehlt
sieh eine genaue Buchführung über die sanitäts* und medizinalpolizeilichen
AmtsgeschUte am Wohnorte der Medizinalbeamten, für die ihnen nach dem
Gesetz vom 9. März 1872 eine Fuhrkostenentschädigung zusteht, da diese nicht
unter die Banschrergütung fäUt. Derartige vervollständigte ^isetagebüdrer
sind in der Hofbuchdmckeri von J. C. C. Bruns in Minden zu erhalten.
Zum Schluß kOnnen wir nur von neuem auf die Notwendigkeit der Um¬
wandlung der nicht vollbesoldeten Kreisarztstellon in vollbesoldete hinweisen,
die durch die Einführung der Bauschvergütungen für Dienstreisen nodr
dringlicher geworden ist, wenn nicht die segensrei^e Tätigkeit der Kr^ärste
zum Schaden des Allgemeinwohls stagnieren solL
In Hamburg hat die Bürgerschaft jetzt die Vorlage betreffend die
Brrlübtnng eiaes Intllehen Ehrengerlehta abgelebnt.
Die SO. Tersamnüung Deutseher Natnrferseher und Aerzte wird, wie
bereits mitgeteUt ist, vom 20. bis 26. September d. J. in COln statt-
flndlmi. Die allgemeinen Sitzungen sollen Montag, den 21. und Frei¬
tag den 26. September, vormittags abgehalten werden. £s sind dafür bis jetzt
Vorträge in Anssicht genommen von den Herren ProL Dr. Heim-Zttridi:
Deekeobau der Alpen, Major von Parseval-Berlin: Motorballoss, ProL
Dr. Stadler-München: Albertus Magnus als Naturforscher, Geheimrat
ProLDr. Bubner-Berlin, Prof. Dr. Hassert-Coln: Kamerun.
Für Donnerstag, den 24. September, vormittags, ist eine Gesamt-
Sitzung der beiden wissenschaftlichen Hanptgruppen (Redner: Prof. Dr.
Wiemer-Leipzig: farbige Photographien; Prof. Dr. Dofleln-München:
^Trypanosomen) geplant; für den Nachmittag desselben Tages gemeinsame
Bmsungmi jeder der beiden Haaptgrnppen.
Die Abteilungssitsungen sollen am 21. naohmittags sowie am
28. und 28. vormittan und naehmittan abgehalten werden.
Vorträge für die Abteilung für gerichtliche Medizin sind bis
300
TagesnaehriehtetL
sam 10. Hai bei dem EiofOhfenden Begi* and Qeb. Med.«Bat Dr. Bnaak
(Deatadier Bing 7 b) anzameldeo.
Za dom I. Internationaleii Kongresi für Bettongsweien. der Tom
10.-14. jani d. J. in Frankfurt a. A. ntattflnden and mit einer Aossteliang
TOn Aatomobil«Ambalanzwagen, Krankenwagen, Bettongsgerftten aew. rer«
banden sein wird, sind bis jetzt nicht weniger als 109 Vortr&ge angemeldet,
davon 25 in der Abteilung: „Bettangswesen in den Städten*, 17 in der Ab«
teilang: „Bettangswesen in liergwerkan“, 12 in der Abteilang: .AosbÜdang
Ton Hichtärzten“, je 11 in den Abteilnngen: „Bettangswesen im Seererkebr^
„erste ärztliche Hilfe bei ünglhcksfälien“, “Bettongewesen fttr die Feaerwehr*,
und je 9 in den Abteilongcn: „Bettang^wesen anf Eisenbahnen*, auf dem
Lande, Indastriezentren and kleineren konunanalen Verbänden*.
Die diesjährige GeneralTersammlang des Zentmlkomiteen rar Be«
klmpftong der Taberknlose findet am 27. Mai d. J. in Berlin im Beichs«
tagsgebäade statt, wo am Tage zuvor der Ausschofi des Komitees ebenfalls
eine Sitzaag abhdten wird. Die diesjähre Aerzte«Taberkalo8e«Ter8ammlaBg
wird dagegen nicht wie bisher, im onmitteibaren Anschloß dieser Oeneral«
versammlong, sonuern in Mfineben am Ib. und 16. Jani d. J. abgehalten
werden.
Ehrung von 6eh.-Bat Prof. Dr. Koeh in Amerika. Am 12. d. M. hat
die Deutsche medizinische Qesellschaft za Kochs Ehren ein Bankett ge¬
geben, an dem hervorragende deatsebe und amerikanische Vertreter der
Wissenschaft teilnahmen. Der Präsident der GeseUschaft Dr. Beck verlas
ein Schreiben des Botschafters Freiherrn Speck von Sternbarg, in dem
dieser Carnegie den wärmsten Dank des Kaisers fllr die Spende von
500000 M. tlbermittelte. Carnegie feierte daran! Kochs Verdienste and
führte in längerer Bede ans, er hege das Vertrauen, daß Deutsche, Engländer
and Amerikaner, die alle Teutonen seien, stets Zusammenwirken werden bei
allen Werken, die den Weltfrieden und die Veredelung der Menschen be«
aweckt. Als Letzter sprach Geh. Bat Koch; er dankte Carnegie und den
Anwesenden; die seinen Namen tragende Stiftung sei berufen, große Ereig«
nisse auf dem Gebiete der Erlorscbnng der Tuberkulose zu zeitigen. Seine
Bede schloß mit einem Hoch anf Carnegie, dem hochherzigen Fürderer
wissenschaftlicher Bestrebangon.
Der Zolassong der fakaltativen Feuerbestattnug lu Prensseu schefait
die Begierong nach einer von den politischen Blättern gebrachten Meldoug
nicht mehr so ablehnend gegenüberzustehen wie bisher. Wenigstens soUeu
bereits seit geraumer Zeit zwischen den beteiligten Bessorts EIrwägungen und
Verbandlangen schweben, welche die EinfOhrung der fakultativen Feuer«
bestattong, wenn auch unter gewissen Kantelen, erwarten lassen. Za dieeeo
Kaatelen, die in erster Linie von der Justizbehörde gefordert werden, gehört
unter anderem die Bestimmung, daß eine Leiche nur dann eingeischert werden
darf, wenn sie von einem Arzte untersucht worden ist.
JbXlttell'VLxxgr«
Den Abnehmern des Kalendern fttr Medlsinolbeamte — and zwar
der Aasgabe A für die preußischen Medizinalbeamten — zur Kenntnis^ daß die
Deckblätter für die durch die Ministerial«Erlasse vom 6. September 1907
and 10. März 1908 bedingten Abänderungen der Dienstanweisung für
die Kreisärzte (§§ 14, 28, 31, 35, 87, 82 — 85, 95 und 118) fertig gestellt
und unentgeltlich von der Unterzeichneten Verlagsbachhandlang au Ver«
langen abgegeben werden.
Fluohuni mudlslnlsohu Vurlagühuolüutndliuig (K. Kornfeld),
Berlin W. 85, Ltttzowstraße 10.
Verantwortl. Redakteur: Dr.Rapmund, Beg.-n. Geh. Med.-Bat in Minden i. W.
J. 0. O. Brom, üerzoi^l S&clis a F. Sch.-IiL Ilofbaclidriicktroi ln Hlnilta.
2t. Jahrg.
1908.
Zeitschrift
Ittr
MEDIZINALBEAMTE.
ZMtnllitt Illr in gMante BasndMtsMtM,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Heratugegebea
▼on
Dr. OTTO RAPMÜND,
Es gi ernafs- «ad Geh. Xedialnalral la Xladaa.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fiseher's medk. Buehhandlg., H. Kornfeld,
n a n M y l Bayw. Bah «. IrdMnogL
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
lanwli aahaiea dii TMtefikABdluiff sowto aO« I nnanoga^Bicpadlttonia das ln«
and Aawaiides eatgeceii.
Nr. 9.
■Mekelmt mb S. ud M. J«den MoMts.
5. Mai.
Zur Aetiologie des Paratyphus B.
Tod Kreisarst Dr. Dreves in Walsrode.
Nach Kolle und Hetseh^) ist zwar ,der Paratyphnsbacfllns
im G-egensatz za dem Typhosbacillos fftr verschiedene Tierarten
aaßerordentUeh pathogen — ... Vögel sind jedoch völlig refrakt&r
.. . Der Paratyphns ist keine Tierkrankheit im eigentlichen Sinne.
Dafür spricht aach die Tatsache, daß eine Vermehmng der Ba¬
zillen im Blnt and in den Organen bei keiner Tierart, abgesehen
vom Meerschweinchen and der Maas, Kaninchen stattfindet*
Bei diesem Stande der heatigen Wissenschaft möchte folgende
Beobachtang vom allgemeinen Interesse sein:
Am 20. Janoar erkrankte der Pastor S. in £. an einer
Krankheit, die anfangs als Infiaenza, dann als Pneamonie ange¬
sehen werde and in der 3. Woche, als Darchfälle sich einstellten,
den Verdacht eines Typhös bei dem behandelndem Arzte erweckte.
Die Erhebongen ergaW völlig negative Besaitete. Einige Per-
aonen, die zom Besache im Hanse des Pastors S. geweilt hatten,
waren nach den angestellten Nachforschongen offenbar nicht die
Uribertrftger. Im l^chspiel E. ist in den 12 Jahren meiner
hiesigen Amtstätigkeit keine typhasähnliche Erkrankung zor An¬
zeige gekommen. Ich wollte bereits aach diesen Typhasfall za
den ätiologisch nicht aofgeklärten zählen, als ich aaf eine noch-
') Die experimentelle Bakteriologie and die Infektionskrankheiten.
BerUB and Wien 1906. Verlag ron Urban and Schwartzenbarg.
302
Dr. Dreves: Zni Aetiologie des Paratyphu B.
malige Frage, ob gar keine Erkrankungen im Hanse vorgefallen
seien, erfuhr, daß am Tage vor meinem Dortsein (7. Febr.) ein
als Weihnachtsgeschenk ins Hans gekommener grüner Papagei
gestorben sei, dessen Umtausch beim Ankauf Vorbehalten war, weil
das Gefieder nicht ganz tadellos gewesen sei, offenbar bereits eine
Erankheitserscheinnng. Der Papagei hatte seit Wochen an Durch¬
fall und Abmagerung gelitten. Der Erkrankte hatte den Vogel
in seinem Zimmer verpfiegt und oft „Kfißchen geben“ gemacht.
Die auf meiner Veranlassung im Medizinalnntersuehnngsamt in
Hannover vorgenommene Sektion des Papageis ergab nun folgen¬
den Befund:
«ln der BnisthOhle keine Begelwidrigkeiten. Das Herzblut war steriL
Im Bauche waren die Darmschlingen z. T. sehr lest Terwachsen untereinander
und z. T. an das Bauchlell. Die üntersuchung des dtlnnflttssigen Darminhaltee
ergab die Anwesenheit derselben Bakterien, welche bei Herrn Pastor 8. ge¬
funden wurden (Paratyphus B); sie wuchsen aul Drigalski-Nährboden me
ParatyphusbazUlen und wurden durch spezifisch agglutinierendes Paraty^us
B-8erum, bezogen Yom Eochschen Institut Ittr Infwtionskrankheiten in^r-
lin, sofort und stark agglutiniert.**
Die Nachforschungen bei der Vogelhandlung von D. J. in
Hannover ergaben weiterhin, daß die Verkäuferin, ohne an typhus-
ähnlichen Erkrankungen gelitten zu haben, Paralyphnsbazillen-
trägerin war. Der Papagei war kurz vor Weihnachten mit einem
Kakadu in einem Doppelbauer aus A. bezogen; weder der Kakadu,
noch sonstige VOgel zeigten Krankheitssymptome. Die Er¬
kundigungen in A. ergaben negative Resultate.
Darnach muß angenommen werden, daß der Papagei, der in
Hannover durch die Paratyphus-B.-Bazülenträgerin D. J. infiziert
nnd der Krankheit zum Opfer gefallen war, zweifellos die Infed:-
tionsquelle für die Erkrankung des Pastors S. gebildet hatte.
Zur Frage der Myiasis interna.
Von Dr. Tk. Sekarpff, firztL HQlfsarbeiter des MedizinalkollegiumB in Hamburg.
Unter Myiasis interna versteht man eine durch Eindringen
von Fliegenlarven in den Darmkanal hervorgerufene Krankheit.
Allgemeiner bekannt nnd häufiger beschrieben als die M. int. ist
die Myiasis externa. Brehms Tierleben beschäftigt sich mit
dieser Frage ziemlich ausführlich nnd erzählt unter anderem von
einem schrecklichen Todesfall, wo die Fliegenmaden ans ver¬
dorbenem Fleisch, das ein Bettler unter seinem Hemd auf der
bloßen Brust trug, in die Haut eingedmngen waren, diese voll¬
ständig unterminiert und so den Tod des Mannes herbeigeführt
hatten.
Westenhöfter (3) berichtet fiber den Tod einer jungen
Zigarrenarbeiterin an Sepsis. Diese Sepsis war hervorgernfen
von mit Fliegenmaden durchsetzten Geschwüren auf einem mit
Läusen und Läuseekzem vollkommen bedeckten Kopfe. Ferner
kennt man Beschreibungen von Myiasis des äußeren (^ehörganges,
der Naseneingänge, des Zahnfieisches und der Konjni^tiven..
Letztere wurde besonders in den Tropen öfters beobachtet.
Dr. Sohupif: Zar Frage der Myiasie interna.
808
Lallier (2) in Paris stellte im Jahre 1897 die bis dahin
yeröffentlichten Fälle Ton Myiasis interna zusammen. Er legte
dabei einen besonderen Wert anf die jedesmalige zoologische Be¬
stimmung der Fliegenart, deren Maden in den einzelnen FäUmji
gefunden worden waren. Jedoch ist die Arbeit auch in medi-
zuuscher Hinsicht äußerst wertvoll nnd interessant. Liefert sie
nns doch den klaren Beweis, daß die EinfShmng von Fliegen¬
larven nnd -maden (mit verdorbenen Nahmngsmitteln) in den
Dannkanal dnrchans nicht gleichgültig ist.
ln zeitlich geordneter Beihenfolge bespricht der Terfasser
88 Fälle, die in verschiedenen Ländern zur Beobachtung gekommen
sind, die jedoch nicht alle einer scharfen Kritik standhalten dürften.
Es ist daher für nns besonders wichtig, daß sich mit dieser Frage
auch deutsche Gelehrte wie Senator, G. Gerhardt,
Meschede, Krause,G. Joseph, Hildebrandt eingehend be¬
schäftigt haben.
Es dürfte von Interesse sein, die Berichte über ihre
Beobachtungen genauer zu hören:
Senator (4) erzählt von einem 28 jährigen Lithographen, der während
eines Zeitranine von l^/a Jahren in mehreren Attaquen menrere 100 lebende
Maden erbrach, nachdem er jahrelang an immer wiederkehrenden Schwäehe-
anlällen zu leiden gehabt hatte. Die Beetimmang ergab Maden unserer Stuben¬
fliege. Ob diese au Eier oder als Maden in den Magen gelangt waren, lieft
skh nicht linden.
In einem Fall von Meschede (6) handelte es sich um einen TjährlMn
Jungen, der tags zuvor wttrmerhaltigen Käse gegessen hatte. Er erkrankte
unter lieber, frequentem Puls, Delirien, Kopf- und Magenschmerzen, Durst,
Appetitlosigkeit. Auf ein ihm gereichtes Brechmittel erbrach er mit Schleim
untermengte Nahrungsmittelreste nnd eine große Anzahl von Maden, die der
Käsefliege (Piophila casei) angehbrt haben sollen.
C. Gerhardt behandelte eine Dame an einem ebenfalls durch Dipteren-
larven hervorgemfenen Magenkatarrh. Sie litt vier Tage lang an völliger
Appetitlosigkeit nnd während dreier Tage erbrach sie andauernd, hatte einen
schlechten Geschmack im Munde, heftigen Durst und Leibschmerzen. Auf ein
Gbu Buttermilch erbrach sie sofort, und das Erbrochene enthielt zahlreiche
Würmer. Bei einem 2. Falle Gerhardts handelte es sich um eine Frau, die
unter Durch^en Maden von Anthomya canicularis entleerte.
G. Joseph (5) veröffentlichte 1887 eine Arbeit in der * deutschen Medi-
zfamlzeitang über Fliegen als Schädlinge und Parasiten des Menschen.
Was nun die Deutung des Vorkommens von Fliegenlarven
im menschlichen Darm anbelangt, so wurde früher insbesondere
Ton französischen Autoren angenommen, daß es sieh hier um
einen wirklichen Parasitismus dieser Larven beim Menschen
handelte, so wie es von Gasterophilns equi (1) beim Pferde genauer
bekannt ist. Hier nimmt die aus einem an ein Pferdehaar gelegten
Ei entschlüpfte Made sofort ihren Weg nach dem Mund des
Pferdes, wird verschluckt und hält sich längere Zeit als Be¬
wohnerin des Pferdedarmes auf. Nachdem sie mit den Fäces
entleert ist, entwickelt sie sich bald zur Fliege, was ohne
den Aufenthalt im Pferdedarm nicht möglich sein soll. Schoch
wQl diese Made auch einmal bei einer Frau gesehen haben.
Heute weiß man, daß es sich bei der Myiasis int. nur um
einen zufälligen Parasitismus handeln kann, der sich znrückführen
läßt auf eine große Anpassungsfähigkeit der Fliegenmaden an die
804 Dr. Seharpff: Zar Frage der MjIuIb interna.
YerschiedenBten fiflssigen Medien, wie es durch Tierveranche er¬
härtet ist.
Lallier fütterte ErOtm and Meerschweinchen mit Maden
yerschiedener Fliegenarten nnd fand sie znm Teil noch nach
19 Standen lebend im Magen vor. Aach d. Bernard hatte
schon derartige Versnche an einem Magenflstelhiind angestellt Am
folgenden nnd am übernächsten Tag fimd man die intakten Larven
in den Fäces, aber sie waren tot.
Prnyot fütterte Batten and Früsche mit Larven von
Teichomyza fasca. Während die meisten Larven nach 2 and 8
Tagen tot entweder in den Fäces oder im Darmkanal gefanden
worden, fand man in einer Batte noch nach 8 Tagen 2 lebende
Larven vor.
Eidechsen die man mit Larven von Galliphora vomitoria ge¬
füttert hatte, gingen za drande; man fand bm der Obdoktion die
Magenwand von den Larven darchbohrt.
Westwood machte im jardin des plantes in Paris die
Beobachtang, daß Schlangen, d^e sehr gimig aof Mücken sind,
daran zogronde gegangen waren, daß lebende Fliegenlarven ihren
Magen vollkommen aasfüllten.
Die Larven von Teichomyza sind äoßerst resistent gegen
gegen Wasser, Olivenöl, Eochsalzlösong, Lösong von Gommi
arab. Nach Prnvot wird ihre änßere Hülle von chemischen
Agentien nicht angegriffen. Von Homalomygia ist sicher be¬
obachtet worden, daß ihre Larven anch in einem saoren Mediom
leben and wachsen können.
Der Aofenthalt and das Weiterleben der Maden in flüssigen
Medien ermöglicht sich dadarch, daß ihre Stigmata verschließbar
sind, so daß die in den Trachealverzweigongen vorhandene Loft
den Maden so lange zar Bespiration dienen kann.
Nach der Arbeit Lalliers hat man folgende Fliegenlarven
am häoflgsten beim Menschen beobachtet:
1. Sarcophaga carnaria, Galliphora yomitoiia and Mosca dömestica,
welche alle an rohem Fleisch au finden sind.
2 . Anthomya. Diese konunt vor aal Pflansen, besonders aof Glemflsen.
Je einmal hat man die Lanren aof geräacherten Fischen and in der HQch
gefanden.
8 . Drosophila (nach G. Joseph in sanrem Bahm).
4. PiophUa casei (die Made sitzt am Else).
6 . Eristalis and Simolia (in anreinem Wasser Torkommend).
6 . Teichomyza fasca (auf Aborten).
Was die Anzahl der darch Erbrechen oder dorch die Fäces
entleerten Maden anbelangt, so hat man in einzelnen Fällen bis
za einigen handelt gezählt; mehrmals waren sie dorch Schleim¬
massen za großen Klampen zasammengebacken (Teichomyza fasca).
Aas den zahlreichen Krankengeschichten geht hervor, daß
das Krankheitsbild der M. int. ein sehr wechs^des sein kann.
Häoflg hat man nar ganz vage Symptome, andere Male das Bild
einer akaten oder chronischen Gastritis: Erbrechen, Appetitlosig¬
keit, saores Aofstoßen, Brechreiz, Schmerzen im Epigastriom,
diffuse Schmerzen im Bücken and in den Seiten, Koliken, heftigen
Durst gesehen. Chichester beobachte in einem Fall 2 Jahre
Dt. Arnold: Vergleichende Annlyien yon Ereeolieilra nnw. 805
langes Blntbrechen durch Oestruslarven. Andere Male weisen die
Symptome mehr auf den Darm hin. Man sah einfaehe und auch
blutige DurchfiÜle oder Obstipation; ferner kehren wieder Fieber,
frequenter Puls, allgemein nerröse l^mptome.
Beflexepilepsie haben Krause und Blundell beobachtet,
herrorgerufen durch Laryen yon Musca dranestica.
Bobineau-Desyroidy beschreibt einen Todesfall bei einei^
Frau. Man fand als Ursache Larven einer Fliegenart, die der
Stubenfliege nahesteht.
Ln ganzen bekommt man indes den Eindruck, daß es zu
einem schweren Krankheitszustand inf(dge von M. int. nur selten
kommt. Die Beschwerden verschwinden meist sehr schnell, so*
bald man durch Brech- und Abführmittel eine Entleerung des
Magendarmkanales herbeigeiührt hat. Ausnahmsweise kann sich
aber die Krankheit, wie mehrmals berichtet, auch durch Iftngere
Zeit hinziehen und im menschlichen Organismus schwere Störun¬
gen hervormlen.
Daß somit madenhaltige Nahrungsmittel, insbesondere maden¬
haltiges Fleisch und Käse geeignet sind, durch Genuß die mensch¬
liche Gesundheit zu schädigen, dürfte nach diesen Ausführungen
feststehen.
Literatur:
1 . Br eh ms Tierleben (Insekten).
2. Lsllier P.: Etüde sur la Myase du tnbe digestive chez Thomme.
Inaug.-Dissertation: Paris 1897.
8 . WestennOlfer: Sitzungsberichte des Verdns ffir innere Medizin
in Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1906, 8. 987.
i. H. Senator: üeber lebende Fliegenlarven im |Magen und in der
Mundhöhle. Berl. klin. Wochenschrift; 1890, S. 141.
6 . Fr. Meschede: Ein Fall von Erkrankung, hervorgerofen durch ver¬
schluckte und lebend im Magen verweilende Maden. Virchows Archiv; Bd.
36, 8. 800.
6 . Dr. Q. Joseph: üeber Fliegen als Schädlinge und Parasiten des
Menschen. Deutsche Medizinalzeitung; 1887.
Vergleichende Analysen von Kresolseifen, hergestellt nach
der preuss. Minlsterialverordnung vom 19. Oktober 1907.
Von Prof. Dr. Carl Arnold in Hannover.
Bald nach dem Erscheinen der Verordnung für eine Kresol-
seife, welche nur Meta- und Parakresole enthalten soll, im Gegen¬
satz zu dem Liquor Oresoli saponatns, der auch Orthokresol ent¬
hält, suchte ich mir einen üeberblick über die Zusammensetzung
der in den Handel gebrachten Kresolseifen zu verschaflen.
Ich habe bei den betreffenden Analysen vorläufig die Frage,
ob nur ein Gemenge von Meta- und Parakresol oder ein Gemenge
aller drei E[resole oder ein Gemenge von Meta- und Orthokresole
zur Darstellung Verwendung fand, außer acht gelassen, will aber
betonen, daß die Tatsache, daß bei der Destillation von Kresol¬
seifen bereits viel von den Kresolen unterhalb 198® übergeht,
keinen Schluß auf die Anwesenheit von Orthokresol gestattet.
806 Dr. Arnold: Vergleieliende AnnlTaen Ton Kresolseifen, hergastellt
sowie, daß anderseits nor mit Orthokresol hergestellte Eresol*
seifen das Orthokresol znm Teil erst beim Erlützen Aber 199 *
abgeben können. Die Frage, ob die Eresole frei von Orthokresol
sind, ist mit Sicherheit nnr zn beantworten, wenn man die dnrdi
Destillation ans der Eresolseife abgeschiedenen Eresole einer
fraktionierten Destillation unterwirft; diese Destillation mnß aber
möglichst bald stattflnden, denn nach längerem Stehen enthält
jedes gelbbraun gewordene G-emenge von Eresolen bis zn einem
bestimmten Gleichgewichtsznstande Wasser, infolgedessen nun
das Gemenge bei 100° zn sieden beginnt und auch bereits zwischen
180—198° Eresole abgibt. Diesen Vorgang kann man immer
wieder so lange beobachten, als die Eresole beim Stehen noch
gelbbraun werden; erst nach 3—4 maliger Destillation gelingt
es, ein hellgelb bleibendes Destillat zn erhalten. Will man ans
dem Siedepunkt der dnrch Destillation ans den Eresolseifen ab¬
geschiedenen Eresole einen Schluß auf die Abwesenheit von
Orthokresol ziehen, so ist eine Eorrektnr der Quecksilbersäule
des Thermometers unerläßlich, da diese außerhalb des DestUla-
tionsgefäßes sonst um 3—4° zu niedrig abgelesen wird; hingegen
können dabei die Schwankungen des Luftdrucks außer acht ge¬
lassen werden. Nachstehend angeftthrte 17 Analysen sind tdle
unter den gleichen Bedingungen, aber ohne Eorrektnr der Thermo¬
metersäule ausgeftthrt worden; sie zeigen eine Verschiedenheit in
der Zusammensetzung der neuen Eresolseife, die geradezu als er¬
schreckend und fflr pharmazeutische Präparate in Deutsdüand als
noch nicht dagewesen zu bezeichnen ist. Ich habe fflr die ein-
zelnen Präparate nicht die Bezugsquellen angefflhrt, bin aber
bereit, sie auf private Anfragen zn nennen und die Präparate
behufs Nachprflfrng zur Verfflgung zu stellen.
L AnAl78on Ton 7 aus Fabriken besogenen Kreeolseifen:
Marke.
Spez. Gew.
Ereaole unter
199** siedend.
Eresole Aber
1990 siedend
Seife.
Wasser.
1. Sch. & M.
1,041
10,0 >
39 , 00/0
88 , 50/0
12 , 50/0
2. Er. & Sehr.
1,036
25,0 „
23,0 , .
24,0 .
28,0 ,
8. J. C. Sch.
1,026
21,0 ,
27,0 ,
38,0 ,
14,0 ,
4. Sch & G.
1,036
12,6 „
85,0 ,
36,0 ,
17,5 ,
ö. H. D. A.
1,027
21,0 „
83,0 ,
81,0 ,
15,0 „
6. L.
1,036
80,6 „
19,6 •
40,6 „
9,6 ,
7. E.
1,036
16,0,
28,0 ,
89,6 ,
16,6 „
II. Anal 7 aen Ton 8 aue Apotheken
besogenen Kreeolaeifen:
1. Ae.
1,065
22,0 o/o
35 , 00/0
18,0 */o
26,0*0/
Prell 260,0 = 90 Pf.
2. M.
1,025
14,0 ,
33,5 ,
86,5 ,
16,0 .
PreU 250,0 = 90 Pf.
3. E.
1,060
31,5 ,
26,0 .
18,0 ,
24,5 .
Preis 260,0 = 60 Pf.
4. A.
1,065
15,0 ,
29,5 ,
23.0 ,
32.5 ,
Preis 260,0 — 00 Pf.
6. Schl.
1,042
18,0 ,
26,5 ,
89,0 ,
16.6 ,
Preis 260,0 = 100 Pf.
6. St.
1,032
00
o
a
33,5 .
88,0 ,
15,5 .
PreU 250,0 = 100 Pf.
7. H.
1,032
32,0 ,
25,5 ,
34.5
8,0 ,
Preis 260,0 = 76 Pf.
8. L.
1,030
—
—
—
—
Preis 260,0 = 60 Pf.
nacli der preofi. HinisterialTerordaiug vom 19. Oktober 1907. 307
Nr. 1 und 3 iQet eich trflbe in destilliertem Wasser nnd nach dniger
Zeit scheiden sich freie Eresole ab.
Nr. 4 lOst sieh trttbe in destilliertem Wasser ohne Abseheidnng von
Kresolen.
Nr. 8 bestand ans Meta> nnd Parakresol ohne Seifensnsatz nnd war
daher in Wasser nahezn nnlSslioh.
m. JLnalTsen Ton selbsthergestellten Eresolsetfen:
Marke. Spes. Gew. Kresole nnter Eresole Uber Seife. Wasser.
199 siedend. 199** siedend.
1. 1,041 12,0 > 37,6 o/o 37,0 »/o 13,6 •/<>
2. 1,041 13,5 , 36,0 „ 36,6 , 15,0 ,
Die Torstehenden Analysen zeigten, daß die Verordnung vom
19. Oktober 1907 in den meisten FftUen kaum von Einflnß bei
der Darstellung gewesen sein kann und daß sich dementsprechend
auch eine große Verschiedenheit in der medizinischen Wirkung
zeigen muß. 3 ans Apotheken bezogene Präparate müßten infolge
der Abseheidnng von freien Kresolen beim Mischen mit Wasser
geradezu als gefährlich bezeichnet werden. Sämtliche Fabrik¬
präparate lösten sich in destilUertem Wasser mehr oder minder
klar auf.
Die angeführten Besultate liefern den Beweis, daß es nicht nur
nicht immer leicht, sondern auch nicht ratsam ist, an Stelle des Be¬
währten etwas Neues zu setzen, namentlich wenn sich die chemische
Kontrolle, wie bei den Kresolseifen, nur in beschränktem Maße
durchführbar erweist. Die Prüfung der Güte der verwendeten
Kresole durch ihren Siedepunkt ist nicht ausreichend und eine
Bestimmung des Metakresols als Trinitrokresolverbindung wird
sieh für düu pharmazeutisdie Laboratorium nicht als geeignet
erweisen.
Hierzu kommt noch, daß die angeblich höhere Desinfektions¬
kraft der Meta-Parakresolmischnng durch neuere Untersuchun¬
gen mindestens zweifelhaft erscheint, sowie daß das jetzt zur
Verwendung kommende Kresol mit etwa 60 M. pro 100 Kilo be¬
zahlt wird, während das zum Liquor Kresoli saponatus dienende
Trikresol pro 100 Kilo nur etwa 80 M. kostet. Aus allen diesen
Gründen sind wohl Zweifel darüber berechtigt, ob die Verordnung
vom 19. Oktober 1907 einen Fortschritt auf dem Gebiete der
Desinfektionsmittel bedeutet.
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
Bakterlologia, Hygiene nnd öffenfllohes Sanltätewesen.
Beftrsf nun Stndiem der Opsonine (ContribnUon & l’^tude des opso-
nines). Von J. G. Steeswijk-Leyde. Annales de rinsütut Fsstenr;
Bd. a, 8. 983.
Die Opsonine sind yon den Agglntininen yersehieden; im Semm des
Froeebes gehen (für Milzbrand) die ersteren durch halbstündiges Erhitzen auf
66—60" zugrunde, die letzteren nicht. Das Opsonin yerbindet sich mit dem
Baeterium und macht dies Idohter aufnahmeOUiig fttr die Leukozyten.
_ Dr. Hirschbruch-Metz.
Die Giftigkeit der Heilsera* Von Dr.Besredka. Annales de l’ln-
stitiit Pasteur; Bd. 21, 8. 777.
Die Giftigkeit der Heilsera kann durch intrazerebrale Injektion an Meer-
308
Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ans Zelteebrifien.
ediweindieo gemessea werden, die 12 Standen vorher durch eine Impfug^
sensibilisiert worden sind (also flberemplindlich sind). Der Grad der GSfUgkeit
ist abhSngig von der Herkanft des Serams and seinem Alter. Am Tage der
Blatentni^e ist das Serum ttberaos giftig; die Giftigkeit nimmt rasch bin
xnm zehnten Tage ab, um von dann langsam völlig zn ^winden. Jedes Heil«
sernm ist bis 2 Monaten nach der Blatentnahme us giftig za betrachten.
_ Dr. Hirschbrach-Metz.
üeber die Wirkung IntravenSser Kellorgollnjektlonen bei einigen
InfekttoBskrankhelten. von Dr. Arnold Lemberg. Zentralbl. f. inn. Med.;
1907, Nr. 48.
Auf Grand der vorliegenden Erfahrongen kann Verfasser das Kollargol
zur Anwendang nicht empfehlen, obwohl in einzelnen Fällen eine günstige
Beeinflassang des Erankheitsverlaofes nicht anwahrscheinlich erscheint. Jeden¬
falls kann eme intravenöse Eollargolinjektion nicht als ein harmloser Eingriff
angesehen werden, da in einzelnen Fällen bedenkliche Folgeerscheinungen nach
solchen Injektionen beobachtet werden. Ueberhsnpt sollte man dessen bei in¬
travenösen Injektionen eingedenk sein, dafi das Blat kein indifferentes Medium
ist and leicht eine Schä<ugang erfahren kann (was sich durch Temperatar¬
steigerang und Schüttelfrost ankündigen wird) and daß eine Blatalteration
gelegentlich zu ernsteren Störungen Anlaß geben kann, besonders bei Kraak-
heitsprozessen, welche bereits eine Blatdyskrasie verursacht haben, z. B. bei
Typhus. _ Dr. Wolf-Marburg.
Bericht über die Ergebnisse des Untersuehnngsamtes für austeekeiide
Krankheiten in Heidelberg vom Januar bis Dezember 1906. Von Professor
Dr. med. et phU. B. 0. Neumann. Aus dem hygienischen Institut der Uni¬
versität Heidelberg. Hygienische Eundschau; 1907, Nr. 7.
Die Zahl der Untersuchungen belief sich auf 2212, davon entfielen fast
*/t auf Tuberkulose, */• &^f Typhus, der Beat auf Diphtherie, Gonorrhoe, Me¬
ningitis etc. Von den Untersuchungen waren bei Tuberkulose 21,8**/o, bei
Typhus 26,9 *’/o, bei Diphtherie 81,1 "/ot bei Gonorrhoe 17,9“/,, bei Meningitia
78,8 ®/o positiv.
Das Ergebnis der Typhus Untersuchungen war folgendes: Widalreak-
tion positiv 84,6 o/„ 8tuhl nnd Urin auf Bazillen positiv 5,6 */o, Blut auf Ba¬
zillen positiv 7,8*/ot Wasser auf Bazillen (6 mal) positiv 0 **/o. Auf die Agglu-
tinationsprüfung des Blutes typhnsverdächtiger Kranker wird der größte
Wert gelegt. Die Versuche mit Hilfe von Gallenröhren (Conradi) T^hus-
b fcKill ftii aus dem Blute zu züchten, ergaben in zirka 16‘*/o der Fälle ein
positives Besultat.
Bei einer Gonorrhoe wurden sowohl grampositive, wie gramnegative
Kokken in den Eiterzellen gefunden; der Verfasser hält es für möglich, daß
es sich hier um grampositive und gramnegative Gonokokken handelte. Ein
anderer Fall von sicherer Gonorrhoe war auf gramnegative Stäbchen zurück-
zuführen. In einem dritten Falle wurde Strept. lanceolatus (Pneumonie
Fränkel) ermittelt.
Bei den Genickstarrefällen fand der Verfasser, abgesehen von dem
gewöhnlichen Befand der nicht nach Gram färbbaren, typischen Weich sei-
baumschen Micr. meningitis cerebrospinalis, in einem Falle in der Lumbal-
fiüssigkeit den Jägersehen grampositiven Coccus und ein andermal Mn gram¬
negatives, infiuenzaähnlicbes Stäbchen. Die Kokken ließen sich durch spezifisches
Serum im Verhältnis 1: 200 agglutinieren.
Zur Kultivierang von Strept. pyogenes, Strept. lanceolatus, Strept. mucosus
dienten neben gewöhnUchem Agar auch Blutagarplatten.
Zweimal gelang es Paratyphus A na<^aweisea, fernerhin in fünf
Fällen bei Malaria Tertiana. Der Verfasser weist darauf hin, daß durch
die in der dortigen Gegend vorkommenden Anopheles leicht einmal die Para¬
siten der malariakranken Italiener verschleppt werden können.
Bei der Delhibeule, die ein Arzt im asiatischen Baßland akquiriert
batte, konnten die spezifischen Parasiten, die denen bei Kalahazar ähndn,
gefunden werden. _ Dr. Kurpjuweit-Berlln.
Kleinere Mitteilnngen und Refemte ans Zeitechrillen. 809
Bericht ttber die Titigkelt des bakterioloflsehen Unterraehiugs-
■■tee raCIdttiBgeB im nrelten Jahre 1906/07. Von Dr. Albert Fromme.
Ans dem h^enuchen Inetitnt za Göttinnen. Hygien. Bondschaa; 1907, Nr. 15.
Die Zahl der ünterznehnngen stieg von 1627 im Vorjahre anl 8685.
Recht h&odg worden Typhosrekonyaleszenten entsprechend den gesetzlichen
Bestimmnngen anl Bazillenfreiheit ontersncht. Weit Aber die Hälfte der Unter-
snehongen betraf den Nachweis von Typhus. Unter den Widalproben wurde
18 mal Parat^hns B und Imal Paratyphos festgestellt. Bei Paratyphns B
imide die Diagnose durch die Züchtung meistens bestätigt.
Der Drigalski'Conradi-Agar hat sich bei der Züchtung gut be¬
währt, die Brauchbarkeit des Malachitgrünagars nach Lüffler, ferner nach
Lentz und Tietz schwankte. Die Typhuskolonien zeigten auf letzterem
neben der Gelbfärbung des Nährbodens eine Erustenbildnng. Zur Züchtung
des Paratyphos B eignet sich der Malachitgrünagar besonders gut.
Typhuszüchtungen aus größeren Blutmengen nach Anreicherung mit
Rindergalie gelangen in 50**/o Fälle; in den Blutgerinnseln der Widal¬
proben konnten sie nach der Vorschrift yon Conradi inSO**/« der Fälle
nachgewiesen werden.
Durch Nachuntersuchungen in der Rekonyaleszenz konnten 11 Typhus-
nnd 1 Paratyphos B-Träger überwiegend weiblichen Geschlechts festgestellt
werden. Einer yon diesen hatte einen sehr leichten Typhus mit zweitägigem
Fieber durcbgemacht. Von 35 Kranken einer Epidemie Uieben 4 Bazillenträger.
Eine Bazillenträgerin hatte vor 28 Jahren Typhus überstanden und
wiederholt Erkranknngen yeranlaßt. Eine Frau war nur 8olanp;e Trägerin, als
sie Gelegenheit hatte, sich yon einer anderen Kranken zu ufizieren. Eine
Erkrankung ist bei ihr nicht anfgetreten. Die Paratyphnsträgerin wurde ganz
zufäUig entdeckt und hat niemab Ansteckungen yerursacht.
Bei der Reinzüchtung yon Tuberkelbazillen hat sich die Glyzerinkar¬
toffel in yerdächtigem Material, das sonst steril war, in 5 Fällen gut bewährt,
wo mikroskopisch keine Tuberkelbazillen zu finden waren.
Bei den Diphtherie Untersuchungen konnte in '/■ ßc' Fälle schon allehi
auf Grund der Neißerfärbong des ersten Anstrichs die Diagnose .yerdächtig“
gestellt werden. Diphtherierekonyaleszenten wiesen noch 1 bis 8 Wochen nach
der Entfieberung noch Bazillen im Rachen aui — Bei einer Reihe von klini¬
schen Ruhrerkranknngen konnten keine Ruhrbazillen nachgewiesen werden.
— Beim Gonokokkennachweis gab die Methylgrünpyroninfärbung sehr
schöne üebersichtsbilder. — Die Weich sei bäum sehen Kokken wurden
lOmal'^aus der Spiralfiüssigkeit, 3mal aus dem Nasenschleim yon Genick¬
starre kranken und 2mid aus dem Nasenschleim von Gesunden gezüchtet.
Die Agglutination ergab bei der Diagnose Genickstarre keine gleichmäßigen
Besnltate. — ln einer Reihe yon Fällen konnten Milzbrandbazillen, ferner
auch Rhinoskerombazillen durch die Kultur erhalten werden. — Eine größere
Fleischyergiftungsepidemie war einmal auf Paratyphns B-BaziUen
zurttckzuführen, das andere Mal möglicherweise auf die Toi^e dieser Bazillen.
_ Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Bwleht über die Tätigkeit der Wutschutsabteilung des Instituts für
lufektteuBkraukbelten in Berlin ln der Zelt yom 1. Januar 1906 bis
8L März 1906. Von Dr. H. Töpfer. Klinisches Jahrbuch; 1907, £d. 18, H. 2.
Im Jahre 1905 wurden 584 Personen im Institut behandelt. Hieryon
starben 4; jedoch kommen hieryon 3 Personen in Fortfall, weil die Impfung
noch nicht beendet war, ehe der Tod erfolgte. Es hat sich also die regelrecht
durchgeftthrte Behandlung nur bei einer Person erfolglos erwiesen. (Von den
seit Bestehen des InsÜtuts aufgenommenen 2790 Personen starben 12 = 0,48 **/(,.)
Unter den Anfgenommenen befand sich wieder eine große Zahl Tier-
Arzte (18). Auch 3 Aerzte und sogar ein Naturheilkondiger ans Sachsen
suchten das Institut auf; der letztere entzog sich sehr bald der Behandlung und
starb zu Hanse unter toUwutyerdächtigen Erscheinungen.
Ob die Vemiditung des Giftstoffes durch die gewöhnlichen Mittel wie
Chlorkalk, Essig- und Sodalösnng gelingt, muß nach Untersuchungen des Ver-
tessers an Kaschen sehr zweifelhaft erscheinen. Das wichtigste ist und
bleibt, die sofortige Einleitung der spezifischen Behandlung. Für Zweifels-
310
Kleinere Mitteilnngen und Beferate au Zeitschriften.
fiUe hat sich die Feststellong der Negrisehen KOrper im TiergeUm als
wertroll erwiesen. Worden solche gefonden, ohne daß bisher eine Behaadlong
eingeleitet war, so fand eine telegraphische Benachrichtigong der Gebissenen
statt. Aol diese Weise hat eine Anzahl Verletzter noch reätzeitig zur Be*
handlang erscheinen können. Allerdings ist vorlftofig nor der positire Be¬
fand der Negrisehen Körperchen diagnostisch za rerwerten.
Du Behandlongsrerfahren worde gegen früher etwu getndert, am du
Eintreten des Jmpfschntzes za beschleunigen; hiermit hofft in den fon-
droyant rerlaafenden Fällen bessere Erfolge za ersielea.
Die meisten Patienten stammten auch dieses Jahr wieder au Schieden;
jedoch hat die Zahl der au der Bheinprorinz stammenden Gtobissenu derart
zagenommen, daß sie im Berichtsjahr der Zahl der Schlesier gleichkam. Aach
Sachsen stellte sehr viel mehr Gebissene als früher.
Die Bißyerletsongen waren in der Mehrzahl durch Hände beigobracht.
In einigen Fällen kamen Katzen, Kühe und auch Pferde in Betracht.
Dr. Dohrn-Hannoyer.
Bericht über die Tidgkeit der Wntschnteabteilanf am Hygienisehen
Institnt der Unlrersitlt Breslau rom 28. Juli 1906 bis 81* Min 1907. Von
Dr. Ostermann. Künisches Jahrbach; 1907, Bd. 18, H. 2.
Die Breslauer Watschatzabteilang ist mit Büclmcht auf die große Zahl
der in der Proyiu Schlesien und Posen vorkommenden Bißyerletzangen dorch
tollwütige Tiere gegründet worden. Da ein Teil der Verletzten bisher die
Unbequemlichkeiten einer Belse nach Berlin in die dortige Anstalt scheute und
dadorch dem rechtzeitigen Eingreifen entzogen worde, erschien die Einrichtang
einer bequem und ohne große Kosten erreichbaren Wutschutzabteilung notwendig.
Von den bisher behandelten 179 Kranken starben 2. Die Impfungen im
Institut erfolgten nach dem Berliner Schema. Der Nachweis der Negrisehen
Körper lieferte auch hier brauchbare Besultate.
Im allgemeinen koute die Anstalt ihren Zweck, den Verletzten schnell
Hilfe zu bringen, erfüllen. Nor in einigen Fällen ging durch die Verhandlangen
über die Tragung der Kosten wertvolle Zeit verloren. Eine einheitliche Bege-
lung ist hier notwendig. _ Dr. Dohrn-Hiumover.
Watsehutalmpfnng von der PeritonealhShle aas. Von P. Bemlinger.
Institut impörlal de bact6rioloflle ä Coutantinople). Comptes rmdu de la
80C. de biol.; LXIV., 1908, Nr. 4.
Bemlinger hatte 1905 darauf hingewiesen, daß bei Hund und Kanin¬
chen du Lyssa^t in der Bauchhöhle schnell zerstört wird. Schon nach einer
Stunde ist die Abschwächung deutlich, nach 6 Stunden bldbt die Hälfte der
durch Trepanation Inokulierten Tiere ungefährdet, nach 12 Standen ist der
Verlast der Viroleu absolut Er nntersuchte nun, ob diese so energische
rabizide Kraft der Peritonealflüssigkeit zur Immunisierung der Tiere fienen
könnte and fand:
1. Von rein wissenschaftlichem Standpunkt aas ist es IMcht, ein
Tier auf peritonealem Wege gegen die Wut zu immunisieren. Die so über¬
tragene Immunität zeichnet sich durch ihre Stärke und ihre Dauer ans.
2. Vom Standpunkte der Praxis der Tierimpfangen würde beimHnode
und wahrscheinlich auch bei den Herbivoren die grobe intraperitoneale Ein¬
führung eines Gehirns (oder selbst von zwei (lehimen in mehrtäpgem Zwischen-
raom) ein sehr einfaches and folglich sehr verführerisches Verfahren darstellaa.
Leider können Unschädlichkeit und Wirksamkeit nicht vollständig verbürgt
werden.
Bei Katze und Hund war der Verlauf nämlich folgender: Du gaoze
Kaninchenhim in bO—1(X) g Wauer emolgiert dann darem Maaselin flltriert,
wurde in die Bauchhöhle eingeführt. Die Tiere erliegen dem Eingriff nur
ausnahmsweise. Wurde nun nach einem Monat flzes Virus in die vordere
Angenkammer eingebracht, so blieben 70—80**/« der Tiere guund. — Von
6 Hunden, die 16 Tage nach dem ersten ein zweites Hirn intraperitoneal ^-
verleibt erhielten, blieb bei 6 die Intraolralare Probe negativ. — Von 6 aaderea
Händen, denen in die Vorderkammer virus fixe c^gemcht worde, blieben
4 gesund, die intraperitoneal mit dnem ganzen Ka^ohenhim nach 1 and
Kleinere Hitteilnnfen nnd Befemte nna Zeitschriften.
811
8 Tngen geimpft wurden. 2 Tiere, die erst nuch 5 Tagen geimpft wurdea,
erkrankten dagegen. _ Dr. ICayer-Simmem.
Zum bteloglseheu Studium des Milshraadbaelllus. Von Nonnotte
und Sartory. (Contribution & r6tnde biologiqae du Bacillus anthrads Da-
Taine.) Trayail du laboratoire de pathoiogie exp6rimentale et comparSe de la
facult^ de m^didne. Comptes rendus de la 80 d 6 t 6 de biol.; LXIV, 1908, Nr. 6.
So bekannt die biologischen Eigentfimlichkdten des Milzbrandbadllns
sind, so sind sdne Existenzbedingungen doch noch wenig erforscht.
Interessant sind die Ergebnisse der Verfasser an lebenden Milzbrand¬
barillen, die bd 36—88 ** in 5 proz. HamstoffiSsungen gegeben waren. Nach
84 Stunden bldbt die Flfissigkeit — Peptonwasserstoff mit Hamstoffiösnng —
klar nnd zeigt nur einige Flocken am Boden. In derselben Kette sieht tnaa
den nrimären Bacillus bd mikroskopischer Prüfung sehr gut nach Gram
gefirbt, während die jungen Bazillen ungefärbt sind. Nach mehreren Tagen
wird der Bodensatz dichter, schließlich pulTerförmig. Die Bazillen färben rieh
sehr schlecht nadi Gram. Nach 8 Wochen zeigt die genaueste chemische
Prüfung keine Zersetzung des Harnstoffs; die Flüssigkeit bldbt, wie die Kon-
trolUlüssigkdt neutraL _ Dr. Mayer-Simmem.
Ela Fall Toa Sekweiaerotlauf beim Menschen und dessen Heilung
durch SehwelnerotlauflBerum. Von Dr. A. Wetzel, Emmerich am Bheb.
Münchener med. Wochenschrift; 1907, Nr. 50.
Bekanntlich sind berdts mehrere Sehwdnerotlauf-Erkrankungen beim
Menschen bezw. bei Tierärzten konstatiert worden. Dabd üt es auffallend,
daß trotz täglichen Hantierens mit Schwdnerotlaufserum bisher nur ein Tier¬
arzt (Hennig) auf den Gedanken gekommen ist, die Wirkung einer Heildosis
besagten Serums an sich selbst zu erproben. Verfasser teilt einen ähnlichen
Fall mit, in wdchem der Heilerfolg der vor genommenen Seruminjektion bei
dem infirierten Kreistierarzt L. geradezu rerblüffte. Genannter verletzte sich bei
Injektion einer Beinkultur von Botlaufbazillen, worauf dch in der Folge ent¬
zündliche Bötung nnd Schwdlung am verletzten Daumen entwickdte. Bei
dem unzwdfdh^en Fortschreiten der Erkrankung auf Zeigefinger, Unterarm
und Oherarm entschloß man dch zu einer Injektion mit SV* ccm Botlanfserum
(Susserin-Hödist) unter den üblichen Kautelen in das Unterhantzdlgewebe
eines Oberschenkels nnd des Bauches. Am nächsten Tage waren berdts alle
wesentlidien Krankhdtserschdnungen verschwunden.
_ Dr. Waibel-Kempten.
Ein Fall von Hefetnfektlen (Saeeharomykose) der Meningen. Von
Privatdozent Dr. Wilh. T ü r k, k. k. Primararzt. Deutsches Archiv für klinische
Medizin; 90. Bd., 8. und 4. Heft, 1907.
Der spärlichen Kasuistik echter Hefeinfektionen bdm Menschen (es
ezistierea nach T. in der Literatur nur drd vollkommen dcher gestellte Fälle)
fügt der Autor einen von ihm beobachteten Fall hinzu. Eine 43 jährige Frau
in schlechtem Ernährungszustände erkrankte akut unter zerebrospinrien Er¬
scheinungen und starb nach sechsw&chentlichem Krankenlager im Zustand
äußerster Mades. Drd während der Erkrankung vorgenommene Lumbal¬
punktionen ergaben im Exsudat kolossale Mengen von typischen Hefepilzen,
auf deren morpholo^ches nnd kulturelles Verhaltea des nriieren dngegangen
wird. Die Sekdon Wtätigte die Diagnose: Meningitis durch Sproßpilze und
ernb — unabhängig davon — außerdem chronische Drüsen- nnd Lungentuber-
kuoee. Die Veränderungen an den Meningen waren gering; es banddte
sich makroskopisch nur um eine Odematüse Durchtränkung des Hirns und der
wdchen Hirnhäute mit einer Idchtgetrübten Flüssigkeit. Außer an den Me¬
ningen konnte in diesem Falle nur noch an der Mund- nnd Bachenhöhle eine
durch Hdeansieddung bedingte Krankheitserscheinung festgestellt werden.
T. nimmt an, daß von hier aus die Hefepilze in die Zirkulation gelangt seien
und skk in den einen besonders geeigneten Nährboden abgebenden Meningen
angesiedelt hätten. _ Dr. Lohmer-COln.
812 Kleinere Hitteilnngen und Befemte ane SEeitschriften.
Ueber das Afglmtlnatloii^liliieMn bei epldesdseber Geniekstarre«
Von Dr. Fr. Dittborn nnd Dr. W. Scbnlta. Ans dem hygienischen Institut
zn Posen. Bnndschan; 1907, Nr. 22.
Die Verfasser nntersnchten bei bakteriologisch sicher gestellten Fällen
Ton epidemischer Qenickstarre (Meningococcenmenin^tis) Semm, Vesikator-
fltkssigkeit, Tränensekret und Urin anf ihren Agglntiningehalt. Die Stänune,
welche sie zur Agglntinationsprobe benutzten, stammten ans der Zerebrospinal¬
flüssigkeit ihrer Kranken. Bei jedem Versuch wurde eine Oese 18—24stflndiger
Kultur auf LOff 1er-Serum in 1 ccm Flüssigkeit verrieben, ferner entsprechende
Kontrollen mit physiologischer Kochsalzlösung und mit sicher agglutinierendem
Semm angelegt. Die Proben wurden meist nach 24 Stunden kontrolliert. Das
Kranken-Serum agglutinierte in der Verdünnung 1 auf 80 bis 1 auf 1000, nur
einmal war das Besnltat negativ. Bei den Ag^utinationsversuchen mit Urin
wurden positive Resultate nur sehr selten nnd zwar bis zum schwächsten Ver-
dünnungsgrad 1:1 erzielt. Tränenflüssigkeit agglutinierte nicht. Vesikator-
flüssigkeit gab eine größere Zahl von positiven Resultaten, deren Titer bis
1: 70 reichte. Normale Vesikatorflüssigkeit agglutinierte zweimal bis 1:10.
Organeztrakte agglutinierten nicht. Bei der Verfütterung lebender Heningo-
kouen an ein Kaninchen entstanden keine Agglutinine im Serum.
Als besonders wichtig für die Praxis neben die Verfasser hervor, daß
außer dem Agglutinationsverfahren mit Blutserum bei kritischer Handhabung
auch die Agglutination mit Vesikatoriahalt in einer Reihe von Fällen brauch¬
bare Resultate zu liefern im stände ist. Dr. Kurp juweit-Berlin.
Erfahrungen mit Meningitis cerebrospinalis epidemica bei Kindern
in Berlin. Von San.-Bat Dr. Cassel. Deutsche medizinische Wochenscfai^:
1907, Nr. 44.
Die Mitteilung eines erfahrenen Praktikers über Erfahrungen, die sich
anf die verschiedensten Stadtteile Berlins beziehen, sollte recht zahlreiche
Nachfolge veranlassen. Neben klinischen und bakteriologischen berücksichtigt
sie auch epidemiologische Gesichtspunkte. Mit Recht fordert C. die praktischen
Aerzte auf, viel mehr als bisher des wichtigen diagnostischen Mittels der
Lumbalpunktion sich zu bedienen. Fast nie gelang es, die Fälle von Cerebro¬
spinalmeningitis epidemiologisch aufzuklären, was zweifellos in einer Millionen¬
stadt noch schwieriger ist, als an kleineren Orten. Vielfach gehörten die Väter
Berufsarten an, die besonders stark dem Verkehr mit breiten Volksschichten
ausgesetzt sind. Auf die Wichtigkeit der Bazillenträger wird hingewiesen,
wäluwnd die direkte Uebertragung durch kranke Individuen entsprechend all¬
gemeiner Erfahrung nur eine sehr geringe Rolle spielte.
Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Der Wert der systematischen Lumbalpunktion in der Behandiug
der Cerebrospinalmenlngitls. Von Prof. Dr. v.Bokay in Budapest. Deutsche
med. Wochenschrift; 1907, Nr. 47.
Ueber den therapeutischen Wert der Lumbalpunktion bei Cerebrospinal-
meningitis gehen die Ansichten der Kliniker noch auseinander. Verfasser stellt
sich anf Grund seiner Erfahrungen an einem allerdings nicht großen Material
anf die Seite derer, welche in konsequenten Punktionen ein wichtiges Mittel
zur Verbesserung der Heilerfolge sehen. Auch bei ganz kleinen Khidern kann
der Eingriff oft wiederholt werden; v. B. punktierte ein 8monatliches später
genesenes Kind 14 mal. Der Erfolg ist nicht nur eine Herabsetzung des Druckes,
sondern auch die Entfernung von Bakterien nnd Toxinen. Bei srmweren Fällen
soll man in kurzen Pausen von 1—8 Tagen punktieren. Mehr als 80 ccm
sollen anf einmal nicht entfernt werden. Dr. Liebetrau-Hagen L W.
Erfahrungen mit dem Meningokokkenbellserum bei Genickstarre-
kranken. Ans der inneren Abteilung des Stadtkrankenhanses ln Posen. Von
Dr. Werner Schulz. Berliner klin. Wochenschrift; 1907, Nr. 52.
Im städtischen Krankenhanse in Posen wurde vom i^rü 1906 bis AprU
1907 von 64 Genickstarrefällen 28 mit Serum behandelt Das Verhalten der
Körpertemperatur im Anschluß an die Injektionen war kein einheitliches, das
Fieber steigerte sich weiter am Tage der Injektion nnd am folgenden Tage,
Kleinere lOtteilnngen nnd Referate ans Zeitaohriften.
818
oder es sank ab, oder es blieb nnbeeialiafit Von den 28 mit Serum behandelten
Filloi starben 18, also 50,6**/, Mortalität Von den 41 ohne Serum Behandelten
starben 22, also 58^7’/« Mortalität Wir sind heute noch nicht in der Lage,
die epidemische Gienudutarre mit Eolle>Wassermannschem Serum genügend
nachteilig zu bekämpfen. _ Dr. Räuber•EOsUii.
Subkutane Injektionen reu KuhpeekenTukilae. Von Priratdozent
Dr. Knoepf elmacher-Wien. 2Seitschm für experimentelle Pathologie;
4. Band, 8. Heft
Die bei weitem große Mehrzahl der einmal Vakzinierten antwortet auf
die Injektion xon Vakzine, sie sei vimleat oder avimlent, mit lokaler Rea^on.
Diese tritt nicht nur nach überstandener Vak^atlon ein, sondern auch während
der Erkrankung, so daß sie yerwertbar ist für die Erkennung der ViJkzine-
krankheit _ Dr. Wolf-Marburg.
Ueber die agglntiniereude Wirkung das Serums bei mit Knkleoprotein
des Pestbaeillus immunisierten Tieren. Von Dr. A. Franchetti-florenz.
Lo Sperimentale, archirio di Biologin normale e patolorica; Fasz. VI, 1907.
Die im Institut für allgemeine Pathologie in l^renz yom Verfasser
Torgenommenen Versuche an Kaninchen und Meerschweinchen bezogen sich
auf Immunisierung mittelst des nach Lustig und Galeotti hergestellten
Fbctraktes aus den Pesterregem (Nukleoprotein) und mittelst abgetOteter Pest-
kulturen. Aus seinen Versuchen zieht Verfasser folgende Schlufolgerungen:
1. Die Immunisierung mit den aus den Pestbazillen nach der Methode
Ton Lnstig-Galeotti gewonnenen Nnlkeoprotein ist bei günstigen Ver-
suchsbedingungen imstande, dem Serum der behandelten Tiere aggln&derende
Eigenschaften gegenüber dem Pestbacillus zu yerleihen, die nicht von anderen
Inununisiemngsmethoden verschieden sind.
2. ln dem aus dem Pestbadllns gewonnenen Nukleoprotein müssen be¬
stimmte chemische Gruppen (a^glutinogene Substanzen) existieren, die fähig
«ind, in den tierischen Organismus die Erzeugung spezifischer Agglutinine
berrorzurufen. _ Dr. Solbrig-Allenstein.
Die Choleragefahr in St. Petersburg. Von Major z. D. Goebel-
Dflsseldorf. Zentralblatt für allgemeine Gesundheitspflege; 1907, 11. u. 12. H.
In den mangelhaften hygienischen Zuständen der russischen Hauptstadt
flieht Verfasser eine große Gefahr für den Fall einer Cholera-Epidemie, nach¬
dem im verflossenen Jahr die Seuche im Süden Rußlands schon 9000 Er¬
krankungen mit 5000 Todesfällen gebracht hat. Das mangelhaft filtrierte
Trinkwasser der Neva, das häufig genug mit unfiUriertem durchsetzt wird, die
unglaublichen Mißstände der Waschanstalten, der Schmutz der Droschken und
Tramwagen, der Volksspeisehänser und Teestuben, die drangvolle Enge der
Wohnungen des unteren Standes und nicht am wenigsten das sriderliche Eüssen
der za^osen Hdligenbilder in und um Petersburg, sdieint einer Seuche, srie
die Cholera, die günstigsten Bedingungen für ihre Verbreitung zu schaffen.
Der Sanitätskommission stehen nur 80 Aerzte zur Verfügung; unendlich
flchwer wird es sein, die stumpfe Gleichgültigkeit der Bevölkerung im Falle
des Nahens einer Epidemie zu geeigneten Maßnahmen aufzurütteln nnd die
Epidemie energisch zu bekämpfen. Dr. Solbrig-Allenstein.
Die Amßben-Enteritis und ihre Beziehungen zur Dysenterie. Von
Dr. Jürgens-Berlin. Zeitschrift für experimentelle Pathologie; 4. Bd., 8. H.
Die bei uns auftretende Ruhr ist eine bazilläre, aber bakteriologisch
sieht einheitliche Infektionskrankheit, die akut verläuft lud DarmstOmngen
im Gefolge hat^ die zwar symptomisch verschiedenartig auftreten können, aber
stets charakterisiert sind dar(m ihre Beziehungen zur Darmdiphtherie. Diese
epidemische Ruhr ist ebenfalls in außereuropäischen Ländern heimisch nnd
bietet überall kliniwf.h, ätiologisch nnd anatomisch dasselbe Bild. — Die AmObcm-
Dyasnterie hat dagegen keine Bcndehungen ziu Darmdiphtherie und unterscheidet
flieh von jeder Form der ulzerOsen Enteritis. In ihren reinen Formen wird sie
flflitea beobachtet. Sie ist leicht durch ihre klinischen Erscheinungen (chroni-
814
Kldnere Mitteilnngen and Beferata ans Zeitaoluriften.
sehe Form and Neigung zn Bezidiven) iestzaBtelien, zumal auch der Nachwds
der Amoeba histolyuca die Diagnose erleichtert Dr. Wolf-Harburg.
Ueber die Btteklhlltjphne-Epidemie in Kiew. Aus dem Alexander-
Erankeahaus zu Kiew. Von Dr. Marcus Babinowitsoh. Berliner Uiniacbe
Woebenzebrift; 1907, Nr. 44 und 45.
In Baßland ist der Bttckfalltyphus seit 1864 ttberbaupt nicht mehr ver-
Bcbwunden, erzeugte in einigen Städten wiederholt bis in die letzten Jahre
große Epidemien und bat viele Tausende von Opfern fortgerissen. Von Januar
1906 bis 1. Juni 1907 sind in 7 Krankenhäusern der Stadt Kiew (800000 Ein¬
wohnern) 4232 BttckfalltTphnskranke aufgenommen worden. Die grOßte Zahl
der Erkrankungen bezog sich auf das ^ter von 15—80 Jahren; Männer er¬
krankten 8^2 mal häufiger als Frauen. Gestorben sind ttber 108 Kranke.
Groß ist die Menge der in den Nachtasylen schlafenden armen Bevölkerung.
Es gibt in Kiew hunderte von Schlafstellen in dunklen, feuchten Kellern, deren
Wrade und Fußboden mit Schmutz und Schimmel bedeckt sind. In ihnen
schlafen dicht aneinander gedrängt so viele Männer und Frauen, wie der Baum
nur fassen kann. Diese schrecklichen hygienischen Verhältnisse stellten in
der letzten Eiewer Bttckfalltyphus-Epidemie das hauptsächlichste begttnstigende
Moment fttr die kolossale Ausbreitang der EranUieit dar. Die in solchen
Verhältnissen lebende BevOlkerang ist stark geschwächt and fttr die ver¬
schiedensten Krankheiten empfindlich geworden, gleichzeitig mit dem Bttckfall-
fieber traten in den letzten 10 Jahren auch Abdominaltyphus und Flecktyphus
in Gestalt von Epidemien auf (1898).
Die Uebertragusg des Bttchialltyphuserregers geschieht nicht, wie
Tislin annahm, durch Wanzen, wie die Versuche von Babinowitsoh mit
Wanzen, die reichlich spirochaetenhaltiges Blut aufgenommen hatten, ergaben.
Er nimmt vielmehr eine üebertragung per os an. Die Erkrankungen beginnen
oft mit Uebelkeit, Erbrechen und Diarrhoe. Dazu kommt, daß Bekurrens-
kranke häufig Epistaxis bekommen, und daß bei den Patienten, die während
des Anfalls Epistaxis bekommen, die Spirillen häufig im Speichel nachgewieeen
wurden. Die Kellerbewohner trinken aus denselben Eimern und essen aus
denselben Geschirren. Auch der blntige Stahl, in dem während des Aufenthalts
immer Spirillen gefunden wurden, kann aus denselben Grttnden in der ärmsten
BevOlkerang ein wichtiges Moment zur Verbreitong der Krankheit darstellen.
All dieses kann eine gewisse Erklärung dafttr limem, warum die Krankheit
hauptsächlich unter der ärmsten BevOlkerungskl^e mitsteht und sieh verbreitet.
Dr. Bänber-KOslin.
Zur bakteriologischen Diagnose des Abdominaltyphus. Von Dr. Fritz
Meyer. Ans der medizinischen Klinik der KOnigl. CharitO in Berlin. Zeit¬
schrift fttr klinische Medizin; 68 . Bd., 1907.
In jedem Typhnsfalle ist die bakteriologische Blutuntersuehung an erster
und wichtigster Stelle vorzunehmen und zwar nach Castellani oder Con-
radL In 23 von 24 Fällen lieferte dem Autor dies Verfahren absolut ein¬
wandfreie Besaitete, unter diesen zweimal bd solchen Fällen, welche eine
höchste Temperatur von ^,1 und keinerlei klinische Symptome mit Abdomlaal-
typhus daiboten. Aul das Eintreten einer eventuellen Widalschen Beaktion
darf nicht gewartet werden. Der Fornetsohen Prizipitatreaktion ist bin
jetzt eine praktische Bedeutung nicht zozuerkennen.
Dr. Lohmer-COln.
üebor Typhusfllle mit geringer und fehlender Agglutination und
typhnsUmllehe Fälle. Von Dr. Heinrich von HOsslin. Deutsches Archiv
fttr klinische Medizin; 1907, 91. Bd., 8 . und 4. Heft.
H. ftthrt zunächst aus der Literatur einige Fälle an, in denen bei bak¬
teriologisch sichergestellter Typhosdiagnose das Agglutinationsphänomen demals
beobachtet wurde. In einem von Kaiser beschriebenen Falle wurde dies auf
eine Mischinfektion mit Staphylokokken zurttckgeftthrt und durch entsprechend
angeordnete Tierversuche l^tätigt. H. selbst sah im Bezidiv eines sicheren
Typhus bei stattgehabter Sekundärinfektion mit Tetragenas dm Agglutinations¬
titer schnell bis Null sinken. Er beoba<^tete ferner zwei Fälle, ln denen ans
Kleinere IfltteUnngen nnd Befemte nne Zeitschriften. 816
dem Blnte Typhnsbasillen in Beinknltnr gecttchtet mirden, die Agglutination
aber danemd negatir aosflely ohne daß ein Gmnd iflr das Fehlen eines Phlao*
mens angegeben werden konnte. Auch der Pfeiffersche bakteriologische
Versuch — allerdings erst mehrere Monate nach der Heilung der Patienten
Torgenommen — fiel negativ aus.
H. berichtet weiter Aber zwei klinisch sichere TTphusfälle, bei denen
weder eine Agglutinatioa auf Tj^hus* oder Paratyphusst&mme eiatrat, noch
ans dem Blute oder den Fäces l^hns* oder verwandte Bazillen gezttchtet
werden konnten, auch der nachträglich gemachte Pfeiffersche Versuch
nicht gelang. _ Dr.Lohmer-Cöln.
Kllnlsehe und bakterlolegisehe Beebaehtungeu beim Abdomiaaltyphnsy
lubesondere bei TTphuskomplikatioueu« Von Dr. H. Ben necke ans der
mediziiiischen üniversitfitsklinik in Jena. Deutsches Archiv fttr klinische
Medizin; 1907, 92. Bd., 1. und 2. Heft.
Aus den vier Schlußfolgerungen der Arbeit interessieren hier folgende
beiden:
I. Es gibt nach Ablauf des Tjphns unregelmißige Temperatnrsteige*
mngen, die nicht als Rezidive — fttr die Diagnose eines richtigen Rezidivs
fordert B. außer den sonstigen pathologisch-anatomischen Veränderungen auch
ein erneutes Auftreten von Typhusbazillen im Blnte —, sondern als durch ^
Typhusgift oder durch umschrieben lokalisierte Typhnsbaiilienherde beding
Komplikationen aufzufassen sind, auch wenn sie klinisch unter dem Bilde des
Rezidivs verlaufen.
2. Der Typhusbadllns vermag als solcher echte Eiterungen hervorzumfen.
_ Dr. Lohmer-Cttln.
Weiteres über das Koffein-AureleheruiigsverflahreB zum Naehwelse
von Tjphnsbakterlen Im Stuhl und Wasser. Von Dr. C. Lnbenau. Ans
dem Laboratorium des Sanatoriums Beelitz nnd den hygienischen Instituten
der Universität Berlin. Hygienische Rundschau; 1907, Nr. 17.
Die Schwierigkeiten, die dem genannten Verfahren entgegentreten, be¬
stehen darin, daß ue Stuhl- und Wasserbakterien durch ihr ttppiges Wachstum,
ferner durch ihre Stoffwechselprodnkte und durch Veränderung der Zusammen¬
setzung nnd Reaktion des Nährbodens den Typhuserreger zu ersticken drohen.
Durch eine Reihe von Versuchen, die in einer Tabelle znsammengestellt
sind, wies der Verfasser nach, daß die Sänrebildnng verschiedener diarrhoischer
Stuhlgänge nnd Abwässersorten in Fickers Bouillon, Urinbonillon nnd Extrakt¬
bouillon sehr schwankt. Das wechselnde Verhalten der Bouillon in der Azidität
bedingt die schwankenden, bald positiven, bald negativen Resultate beim An-
reicherungsverfahren mit ein nnd demselben Typhussemm. Durch Nentrali-
siemng der Bouillon mit NormalsodalOsung gelingt es, die Sänrebildnng erheb¬
lich herabznsetzen.
ln weiteren zahlreichen Versuchen, die in den Tabellen 2 bis 7 registriert
sind, beschäftigte sich der Verfasser i^t der Frage, welchen Einfluß ver-
sehiMene Säuren, Natronlauge, Natronkarbonat und andere Salze, Koffein bei
verschiedener Reaktion, Koffein nnd Krystallviolett, die Stoffwechselprodnkte
von Coli-, Stuhl- and Abwasser bakterien auf Typhus-Stuhl und Abwasser¬
bakterien in Bouillon, Fickerbouillon haben. Er stellte dabei fest, daß die mit
NormalsodalOsung neutralisierte Anreichernngsbouillon, welcher noch 1 **/o Normal-
sodalOsnng nach dem Sterilisieren zugesetzt war, mit 0,8**/o Koffein- nnd
0,0007 **/o Kristallviolettznsatz fttr das Wachstum des Typbus sehr geeignet
war. Die Wasserkeime begannen sich erst nach 40 Stunden in ihr zu vermehren.
Mit Hilfe dieses Nährbodens konnte der Verfasser bei kttnsüich infiziertem
Typhuswasser gute Resultate erzielen, während bei der Untersuchung kttnst-
licher Typbnssttthle der Nachweis häufig mißglttckte.
Aul Grund seiner Versuche kommt der Verfasser zu dem Schluß, daß
dieses Verfahren zum Nachwcds von Typhus in keimreichen Wasser die zurzeit
brauchbarste Methode ist.
Betreffs der genaueren Ausftthrung der Methode wird auf die Zusammen¬
fassung am Schluß der Arbeit verwiesen. Dr. Knrpjuweit-Berlin.
816
Kleinere Mitteilungen md Referate ana Zeiteehriflea.
Ueber Terweadbarkeit ckemlaeh reiner HalaflhltgrBnfriiMrate ala
Nihrbodeniasati bei der üntersnehnag rea TTphuetlhlea. Von Dr. F. VlaL
Ans dem hygienieehen lostitnt der ünireraitSt ^lin. Hygienische Bundeehaa;
1907, Nr. 12.
Löf 11 er hat zuerst 1903 auf die Verwendbarkeit ron Malachitgrfln*
n&hrböden zur Typhusdiagnose hingewiesea. Ueber die günstigste Zusammen*
Setzung eines Malachitgrttnnihrbodens ist aber bisher noch keine Deberdn-
stimmnng erzielt (s. d. Arbeiten vonLentz und Tietz, Jörns, Elinger,
Nowacku.a.). Leuchs empfahl den von Löffler angegebenen und mit
1*4 Dtttrin Tersetzten Agar 1,6—1,8 ccm einer 0,1 proz. MtJachitgrflnlösung
(die Malachitgrüopräparate mehrerer Fabriken, meist Oxalate hatten sich ihm
in fast völlig gleicher Konzentration als brauchbar erwiesen) auf 100 ccm hinzu*
Zulagen. Nowack verwandte ebenfalls einen 1 */, Dextrin enthaltenden Agar
und „Malachitgrün 120* (über die Einzelheiten s. d. Originalarbeit; Archiv für
Hygiene; Bd. 54, S. 874).
Der Verfasser hat die beiden letzterwähnten Agarartos einer Mach*
prttfung unterzogen und faßt seine Erfahrungen folgendermaßen zusammen:
1. Als Nährbodenzusatz ist Malachitgrün nur in Form eines chemisch
reinen Präparats (Oxalat) zu verwenden; zur Abschwächung seiner Wirkung
auf Typhuskeime ist dem Nährboden 1*/, chemisch reinen Dextrins hinzu*
Busetzen.
2. Far Stuhluntersuchungen eignet sich der Löf Her sehe Agar bei einer
Konzentration von 1:40000 und der Nowacksche bei dner solchen von
1 : 70000.
8. Bd dner Aufschwemmung des Stuhls mit der 5—10 fachen Menge
sterilen Ldtungswasseis empfiehlt es dch, 0,2—0,8 ccm auf eine und 1 Tropfen
bis 0,1 ccm auf dne andere große Schale mit Malachitgrflni^ar auszustreichen
und mittels desselben Spatels eine Endo* oder Drigalski-Conradiplatte zu
beimpfen.
4. Auf den Malachitgrttnplatten keimen etwa 3Ö*/o der ansgesäten
Typhusbazillen ans, zdgen gegenüber den Fäceskeimen ein typisches Wachstum
und bd Anwendung eines wenig verdünnten (1:100), hochwirksamen Typhus*
immnnsernms keine Verminderung der Agglntinabilität.
_Dr. Kurpjnweit*Berlia.
Ueber den Wert der Oallenblatknltur neben der Hmber-Wldalseben
Reaktion für die Praxis bakterielogischer üntersnehnngsimter« Von
Dr. V e n e m a. Ana dem hygienischen Institut der Universität Halle. Hygi*
enisdie Rundschau; 1907, Nr. 23.
Die von Castellani, ferner die von Schottmflller angegebenen
Methoden, Krankheitserreger ans dem Blute zu isolieren, haben bd Typhus
ein glänzendes Resultat geliefert, ln die allgemeine Praxis haben sich diese
Methoden nicht einbttrgern können, da sie zu kompliziert sind. Gonradi ver^
wendete als erster zur Blntzüchtung die RindergsRe. Er fing einen Teil Blut
in zwei Teilen sterilisierter RbdergaBe auf. Das Gemisch kam etwa 16 Stunden
in den Brutschrank bd 87 * und wurde dann auf Lakmusmilcbzuckeragar über*
tragen. C. erzielte in über 50*/o positive Resultate mit diesem Verfahren,
namentlich in der ersten Krankheitswoche, wo die Serumreaktion noch nidit
positiv war. Er änderte späterhin noch sein Verfahren, indem er zu der Galle
10*/o Pepton und 10*/o Glyzerin hinzusetzte.
Hüller und Gräf versetzten Blut von Typhuskranken mit Blutegd*
extrakt, um die Gerinnung des Blutes aufzuhalten. Späterhin strichen de mit
S item Erfolge den Blutkuchen aus den Gruber*Widabchen Proben direkt auf
e Drigalski* Gonradi Platten ans. Eayser erhielt bei der Gallenzüchtnng
unter Kranken 62*/, positive Resultate. In der ersten Krankhdtswoche
waren 96*/, positiv. Bei einer zweiten Untersuchungsreihe erhidt K. ähnliche
Resultate. Andere Autoren konnten das auch bestätigen.
Der Verfasser prüfte das Verfahren an 115 Fällen. Das Material war
in den Galleröhrchen, die teils vom Institut angefertigt, teils von Merck*
Darmstadt bezogen waren, von Erankenhausärzten und praktischen Aerzten
eingesandt. 87mal handelte es sich nach dem Ausfall der Widalschen
Reaktion etc. um Typhus. Das Erankenhausmaterial ergab bessere Resultate
Kleinere Mitteilnngen und Refemte ans Zeiteehrlften.
817
tri den Blntettehtangen, als das von den praktiaohen Aerzten etammeade
MateziaL Dort gelaag die Zttehtong bei pMtiTem Widal in 82^%, bei
zweifelhaftem Widal in 28**/,; hier bei positivem Widal ln 9**/,, in den
übrigen F&ilen kein einziges MaL Insgesamt betragen die Besnltate mit ^si*
•tiver Züchtung noch nicht die H&ifte von den idt der Wi da lachen nobe
erhaltenen Besaiteten.
Becht hinflg fand der Verfasser in der BlatgaUenknltnr verunreinigende
Seime, diese hatten anscheinend auch die Typhös* resp. Paratyphnskeime über-
wadiert Das konnte einmal die ürsache der relativ schlechten Besnltate
sein. In einigen F&Uen spielte auch die zn geringe Blatmenge hierbei eine
Bolle. Eine zu späte Blatentnahme konnte keinen Einflaß darauf haben. In
der ersten Erankheitswoche erhielt der Verfasser in 50*/, der Fälle ein poai*
tivea Besnltat, während die Widalsche Beaktion bä 58,8**/, der Fälle
podtiv ansfieL
Becht hänflg wurde von den Aerzten das erbetene Material nicht ge-
> liefert. Der Verfasser glaubt, dafi im allgemeinen die Entnahme einer zur
Blutkultur erforderlichen Blatmenge in der ärztlichen Praxis auf ziemlich
erhebliche Schwierigkeiten stößt.
Für die üntersuchungsämter ist nach Ansicht des Veifassers die Gruber-
Widalsche Probe von bedeutend größerem Wert als die Gallenblutkultur.
Jedoch gelingt es durch diese die Besaitete noch zu verbessern, so daß,
wo Zeit und andere Verhältnisse es erlauben, die Gallenblatkaltur zur Dia*
gnose mit empfohlen werden kann. Es muß aber eine gehörige Blutmenge
unter anti* und aseptischen Kautelen entnommen werden.
Die von Fornet angegebene Methode, Blutkuchen ans den Widal*
sehen Proben ia Galle anzureichem, mit der dieser 75**/,, Conradi 50*/,,
v.L^hem 60*/, und Stühlern 75*/a positive Besnltate eizidte, lieferten
•dem T^rfasser bä der Nachprüfung keine guten Erfolge.
Dr. Knrpjuweit'Berlin.
Ueber den Nachweis der TyphusbaiUlen im Blute ndttels der Gallen«
4 Uireleherang. Von Dr. B. Gildemeister, Oberarzt aus dem hygienischen
Institut in Posen. Hygienische Bandschau; 1907, Nr. 7.
Die Aussicht, l^phasbaiUlen im Stuhl und Urin im Beginn der Er*
kranknng zu finden, ist sehr gering. Die Grub er* Widalsche Beaktion
versagt In der ersten Erankheitswoche auch meist. In manchen Fällen bilden
aidi die Agglutinine erst in sehr spätem Erankheitsstadium, mitunter aber
auch überhaupt nicht Lediglich der positive Widal ist bei genügender Be*
rüdmichtignng der Erankenvorgeschichte und des Erankheitsvermufs im Beglun
der Erkrankung zu verwerten. Die Milzpunktien ist zu gefährlich und die
Untersuchung der Boseoien zu umständlich; letzteres gilt auch für das Ver¬
fahren von Castellani und Schottmüller, welche mit großem Erfolge
Typhusbazillen aus dem zirkulierenden Blute züchten. Conradi verwandte
zur Züchtung Galleröhrchen, die nach den Untersuchungen von Eayser ein
glänzendes Besnltat lieferten; in 100*/, der Fälle fiel die Untersuchung in der
ersten Woche positiv aus. Der Verfasser prüfte das Verfahren gelegentlich
einer Typhusendemie in einer Irrenanstalt nach und kam ebenfalls zu einem
sehr günstigen Besnltat. 8—5 ccm Blut wurdep mit Hülfe einer klebten
Punktions* Kanüle aus der V. mediana direkt in ein 10 ccm sterile Bindergalle
eathalteades Böhrchen getan. Die Böhrchen blieben 24 resp. 48 Stunden im
Brutschrank bei 87 <>. Von der angereicherten Flüssigkeit wurde dann */t ccm
auf Drigalski-Platten ausgestrichen. Bei 27 Eranken ließen sich ia 15
Fällen Typhusbazillen im Blut nachweisen. Namentlich in den ersten Erank*
heitstagen, wo die Widalsche Beaktion negativ ausfiel, hatten die Blut*
uatersuchungen einen guten Erfolg. Nur eiunal konnten bei einem bereits
entfeberten Kranken ^phusbasillen im Blut nachgewiesen werden, im allge¬
meinen versagt das Verfahren nach der Entfieberung.
Zum Schluß erwähnt der Verfhsser die von Müller und Gräf an¬
gegebene Methode, weiche die Blutkuchen aus den Widalproben auf Milch*
. zuekeragarplattea verrieben und damit mehrfach positive Besnltate erhielten.
818
Kleinere Hitteilongen und Referate ans Zieiteohriflen.
Fornet hat das Verfahren TerbeBeert, indem er die Blntknehea in Galleröhr»
eben mit gntem Erfolg anreicberte nnd dann weiter nntemdite.
_Dr. Knrpjnweit'Berlin.
Ueber einen Fall Ton Chole cjstitls paratyphesn. Von Dr. Lorey,
Assistenzarzt im allgem. Krankenbans Hambnrg>£ppendort Hlinchener med.^
Wodienschrilt; 1908, Nr. 1.
Verfasser berichtet über einen Fall von Paratyphos, durch denen
Beobachtang mit Sicherheit der Beweis erbracht wurde, daß Bac. parat^^hosun
alnlilaciens (Paratyphus B) nach Ablauf eines Paratyphos gelegentlich ein
mal in der Gallenblase weiterwuchern und dadurch das betr. Individom zu
einem chronischen Bazillentrftger machen kann, so daß es ebenso wie nach
Typhus und Paratyphos A, auch nach Paratyphos B chronische Bazillen-
trfiger gibt.
Für die sanitätspolizeiliche Behandlung der Infektion mit Paratyphos-
bazillen ergibt sich daraus, daß sie sich in nichts von der bei T^hos flbüchen
zu unterscheiden hat und daß man bei ätiologisch unklaren Fällen auch dieser
Art sein Augenmerk auf etwaige Bazillenträger zu richten hat.
_ Dr. Waibel-Kempten.
BazUlentrlger bei Typhus. Klinischer Vortrag für Aerzte, gehalten
am 4. Februar 1908 von Prof. Dr. Forster-Straßburg.
Die frühere Annahme, daß bei den Typhusbazillenträgem die Bazillen
sich dadurch im KOrper erhielten, daß sie im Darme fortwucbem, ist nach dem
neueren Forschungen nicht mehr aufrecht zuerhalten. Während die Isolierung
des Bacillus aus dem Faeces meist erst in der zweiten Woche gelingt, kann
man nach der Methode von Conradi und Kayser denselben schon in der ersten
Woche aus dem Blute züchten. Nach dem Fornetschen Verfahren kann
man die Stoffwechselprodukte der Badllus sogar noch vor deren üebergange
in den Kreislauf nachweisen. Wir müssen also den Infektionsmodus uns
so Torstellen, daß die Bazillen zunächst mit der Nahrung durch den Hund in
den Darm gelangen. Manche Erscheinungen sprechen dafür, daß sie aus denz
Darme zunächst in die Mesenterial-Drflsen wandern, und von hier aus bereits
ihre Stoffwechselprodukte in die Blutbahn senden, um dann bald darauf selbst
in den Kreislauf überzugehen. Durch die Leber gelangen sie in die Gallen¬
blase, in welcher sie entzündliche Veränderungen herrormfen. VermSge der
hierdurch bedingten Zufuhr yon Bluteiweis sind sie imstande, der bakteriziden
Wirkung der Galle zu widerstehen, und sich sogar zu yermehren. Aus der
GsBenbmse treten die TyphnsbazUlen in den Darm über, und werden
mit den Faeces zusammen ansgescbieden, soweit sie nicht etwa yorher zu¬
grunde gegangen sind. Da demnach die Ausscheidung der Bazillen yon der
Entlehrung der Gallenblase abhängig ist, erfolgt sie schubweise. Die Bazillen
seltet sind dabei um so sicherer nadizuweisen, je reichlicher die in den Darm
ttbergetretene Gsllenmenge war, nnd je schneller die Passage durch den Darm
erfolgte.
Als zweite, aber weniger wichtige Vegetationsstätte sind die offene»
Darmgeschwüre anzusehen, aus denen sogar noch in der Genesung Bazillen
aosgeschieden werden können.
Die Absonderung der TyphnsbazUlen nach Ablauf des Typhus, kann
kürzere oder längere Zeit andauem, bis zu yielen Jahren. Demgemäß müssen
wir 2 Gruppen yon BazUlenträgem unterscheiden.
1. yorübergehende, bei denen die Ausscheidung der BazOlen teils ans der
Gallenblase, teils ans den Darmgeschwüren erfolgt;
2. chronische, bei denen es sich ledigUch um ein Fortwnchem der Ba¬
zillen in der Gallenblase handelt.
Gelegentlich können bei einzelnen Typhuskranken Bazillen auch in
Periostitiden, Abszessen n. a. yorkommen. Solche BazUlenträger sind aber
weniger gefUirlich, weU sie als Kranke behandelt werden, ^hte BudUen-
träger sind demgegenüber ganz gesund und bUden gerade deshalb eine so
große Ansteckungsgefahr für ihre Umgebung.
Bemerkenswert ist, daß unter sämtUchen Rekonyaleszenten nur 60o/o~
Frauen und 40 "/o Männer (darunter 86 V« Kinder) yorttbergehend TTphos-
Xleinere MitteiloDgen nnd Referate aiu Zeiteohriften. 319
VaiilleB aoBSoheiden, während unter den chronisohen Baiillenträgem der
Prosentsats der Frauen (80°/«) wesentlich hoher ist als der der Männer (80°/e).
Als Grund hierfür ist ylelleicht die unzweckmäßige Franenkleidung anzusehen^
welche leicht zu Stauungserscheinungen in dem Unterleibe Veranlassung geben
kann. Gesttttzt wird diese Vermutung dadurch, daß wir bei den an Gallen¬
stein Leidenden dieselben Verhältnisztüilen finden, indem hier auf einen ifaiiw
3—4 Frauen gerechnet werden.
Da nun 10°/o der chronischen Bazillenträger offenkundig gallenstein¬
leidend sind, und ebenso nur 10°/o aller Gallensteinleidenden klinische Krank-
heitssym^tome auf weisen, erscheint es logisch, das Vorhandensehi der Typhus-
bazillen in der Gallenblase mit dem Auftreten der Gallensteine, welche im
Anschluß an Typhus beobachtet werden, in ursächlichen Zusammenhang zu
bringen.
Die große Bedeutung der Bazillenträger in hygienischer Hinsicht ergibt
sich ans der Tatsache, daß im Durchschnitt etwa W°/o sämtlicher Typhus-
Erkrankungen auf sie zurttckzuftthren sind. Sie sind die Veranlassung fttr das
Auftreten •sporadischer* Typnserkrankungen, sowie ffir das Bestdien sogen.
•Typhus - Häuser*.
Die Erhaltung der Typhusbazillen in der Gallenblase der chronischen
Bazillenträger bildet demnach ehies der grOßesten Hhidemisse in dem
Bestreben, den Typhus ausznrotten. ün diesen Schädlichkeiten zu begegnen,
ist Tom hygienischen Standpunkte ans in erster Linie erforderlich, sämUidie
Bazillenträger aufzuspttren, was durch das Wi dal sehe Phänomen wesenUich
erleichtert wird. Das Augenmerk ist dabei besonders lauf Galleasteinleidende
zu richten. Zur Durchftlikrung der gesetzlichen Maßnahmen ist dabei eine
etwaige Entschädigung der gesunden Dauerträger nicht zu nngehen.
Demgegenttber ist die Aufgabe, die Ausscheidung der ^anlüieitskeime
zu unterdrfickea, wesentlich medizinischer Art. Bei allen Gallenleiden, welche
ohnehin etwa einen chirurgischen Eingj^ erfordern, kommt die Cholezystotomie
mit Durchspfilung, oder auch die ^tfemung der Gallenblase in Betracht.
Die Erfahrungen von Dehler u. a. sprechen durchaus zugunsten eines solchen
Vorgehens.
Bei der großen Zahl von Bazillenträgern, die keine, oder nur geringe
Symptome eines Gallenleidens aufweisen, dürfte sich demgegenttber ein opera-
tirer Eingriff auf nur seltene Fälle beschränken. Hier liegt eine wichtige
Aufgabe nlr die klinische Medizin yor. Zunächst müssen die Ursachen nadi
MOf^ohkeit erforscht werden, weshalb bei einzelnen Personen nach ttber-
standenem Typhus die Typhusbazillen in der Gallenblase fortwuchem. Dann
muß durch die Behandlung danach gestrebt werden, daß keine bleibenden
Gallenblasen-Erkraaknngen zu stände kommen. Hierbei dürfte etwa die Dar-
reichnng der Chlolaloga zu yersuchen sein.
Zur Heilung der Dauerträger wäre es yielleicht angezeigt, den Versuch
zu machen, durch yermehrte Uallensekretion die Keime allmählich aus der
Gallenblase auszunttlen, und durch die gleichzeitige Einführung yon Des-
inflzientien sie in ihrer Entwickdung zu hemmen oder abzutOten.
_ Hecker-Straßburg LBls.
üeber TyphusbaiUleuteiger iu den Inreaanstalteu. Von Dr. Grimme,
Abteilnngsarzt an der Proyinzial Heil- u. Pflegeanstalt in Güttingen. Münchener
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 1.
Wenn bisher in den Irrenanstalten besonders häufig Typhusbazillen-
träger gefunden waren, so beruht dies weniger auf einer Prädisposition der
Gtebtesnranken zum Zurückhalten der Typhusbazillen als darin, daß bisher
systematische Untersuchungen überhaupt nur in Drenanstalten mOglich
waren, welche meistens ein bakteriologis^es Untersuchnngsamt in leicht er¬
reichbarer Nähe haben oder selbst ein solches besitzen.
Durch die Entdeckung der Bazillenträger sind die Irrenanstalten yor ganz
neue Behandlungsaufgaben gestellt. Die dadurch gebotene Isolierung der
«hronischen und akuten Geisteskranken hat unter Umständen yiele Nwmteile
für den ganzen früher erreichten BehandlungserfoJ^.
Ferner kann auch die Entlassung der Bazillenträger gelegentlich
SchwierigkMten machen, wenn die zustänmgen Behürden yon dem Ausi^eiden
820
Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitsehriften.
der BaaUlea Kenntnis erhalten. Heber die Entlassung eines Bazillentrigers muß
jedesmal ganz individaell entschieden werden unter hauptsächlicher Berück*
sichtignng der Art und des Grades der Erkrankung sowie der sozialen Ver¬
hältnisse. E!s ist selbstyerständlich, daß man bei ehiem Patienten, der in ärm¬
lichen Verhältnissen lebt, nur eine enge Wohnung in einem grOMren Hiets-
hause bewohnt und i'ezwungen ist, durch Arbeit außerhalb des Hauses zum
Unterhalt der Familm beizutragen, sehr yiel vorsichtiger mit der Elntlassung
sein muß, als bei einem wohlhabenden und gebildeten Patienten, die in den
günstigen hygienischen Verhältnissen außerhalb der Anstalt leben und die
Forderungen der Beinlichkeit erfüllen können, die man an ihn
als Bazillenträger stellen muß.
Die Frage, wie den Bazillenträgern in der Anstalt geholfen werden
kann, wird dahin beantwortet werden müssen, daß alles geschehen muß, um
sie von ihren Bazillen zu befreien. Dabei muß vor allem nach einem bestehen¬
den oder früheren Gallensteinleiden geforscht werden, weiches eventuell durch
die zur Zeit noch etwas unsichere medikamentöse Therapie oder durch die
aussichtsvollere chirurgische Behandlung zu beseitigen wäre. Die Frage
nach der Zeit der Operation wird für die Irrenanstalten von dem Ein¬
flüsse entschieden werden müssen, den die Isolierung der Kranken
auf das psychische Befinden ausübt, vorausgesetzt, daß die Art
der Erkrankung eine Operation überhaupt gestattet. Bei verblödeten ELranken
wird man sie vielleicht nur in Rücksicht auf die allgemeinen hygienischen
Verhältniue der Anstalt vornehmen. Bei allen akuten Kranken aber, bei
denen eine Isolierung die Behandlung ganz illusorisch zu machen droht und
bei den chronischen Geisteskranken, die entweder die Isolierung als eia
bitteres Unrecht empfinden oder gleichfalls in ihrem Befinden durch sie beein¬
flußt werden, wird man sich leichter dazu entschließen.
Dr. Waibel-Kempten.
Zur Typhnsfrage ln Mfinchen« Von H. Mandelbaum-Münohen.
Münchner med. Wochenschrift; 1908, Nr. 1.
Obwohl statistisch nachgewiesen ist, daß die Typhnsgefährlichkeit in
München seit 1871 sich um das Siebenzigfache vermindert hat, kann München
noch nicht ab typhoslreie Stadt bezeichnet werden.
So tritt seit mindestens 7 Jahren der Typhus in dem Stadtbezirke,
dessen Grenzen ungefähr im Norden von der Bayerstraße, Im Osten durch die
Sonnenstraße bezw. Karbpbtz, im Süden durch die Pettenkoferstraße und im
Westen durch die Göthestraße gebildet werden, endembch auf; daß die Endemie
auf diesen verhältnumäßig kleinen Raum beschränkt, daß die übrige Stadt bei¬
nahe ganz verschont bleibt, verdankt München vor allem seber vorzüglichen
Kanalisation und Wasserleitung.
Die Untersuchung aoi den Krankheitserreger ließ in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle einen Bacillus bolleren, der sich vom Eberth-Gaffky«
sehen Typhusbacillus durch charakterbtbche Merkmale trennen läßt und vom
Verfasser ab Metatyphusbacillns bezeichnet wurde. Eb solch gehäuftes Vor-
kommed eber Erkrankung b demselben Bezbk, verursacht durdi den gleichen
Mikroorganismus, mußte wohl auf ebe gemebsame Ursache, auf dieselbe Infek-
tionsqueUe zurückzuführmi seb; diese Quelle wurde b infizierter MUch ge¬
funden, welche aus Frebisg b ^e größere Molkerei nach München geliefert,
von dieser an Zwbchenhändler weitsrgweben, die ihrerseite ihre Privat¬
kundschaft damit versorgten. Auf wel<be Weise die Milch b Freisbg bfizleit
war, ob durch „Wässerei“ mit typhusverseuchtem Wasser, ob durch rersonen,
die mit der Gbwinnung und mit dem Versand der MUch beschäftigt und di«
vielleicht Bazillenträger sbd, konnte nicht festgestellt werden.
So viel stand aber fest, daß mit der Sperrung der MilchUefemng ans
Freisbg der Typhus b dem Münchener „Typhusviertel“ verschwand.
wwöhnlich erfolgt das Verbot der MilchUefemng aus ebem solchen
Gehöft erst dann, wenn durch die betr. Milch bereits ebe große Anzahl von
Infektionen erfolgt bt. Für die Allgemeinheit wäre es von Nutzen, wenn
die maßgebenden Behörden sofort naä Kenntnbnahme ebes Typhu sf all e s in
ebem Anwesen, das MUch an weitere Konsumenten verabrebht, ue Lieferung
im rohen Zustande auf die Dauer von mindestens einem Jahre
KleiBere Mitteilnngen und Beferate ans Zcitsehriften.
821
utanagte, ud aaeh Ablauf dioser Frist nor dann die Abgabe dereelben er*
lanbea wlMe, wenn in der Zwlscbenadt kein neuer Typhuinall in diesem An¬
wesen mehr zur Anzeige kam.
Zum Schlüsse resümiert Yerlasser nochmals die Terschiedenen Beweise,
welche im vorliegenden Fall den ursächlichen Zusammenhang zwischen Typhus
und Oenufi von roher (infizierter) Milch in unzweifelhafter Weise dartnn.
_ Dr. Waibei-Kempten.
IMe Stellung des Paratyphus in der Typhusgruppe. Von Privatdozent
Or. Jftrgens. Berliner Klin. Wochenschrift; 1907, Nr. 87.
Trotz einheitlicher bakterieller Orsache sind die Paratyphusbazillen-
Infektionen klinisch-pathologisch nicht einheitlich anfzufassen. Manchmal macht
der Paratyphus einen typhösen Krankheitsprozefi, manchmal eine lokal ver¬
laufende Storung. Die Stellung des Paratyphus zum Abdominaltyphus mu8
daher verschieden beurteilt werden. Manche Erkrankungen gehören zum Typhus,
andere fallen ganz aufierhalb des Typhusbegrilfes (Fleischvergiftungen).
Dr. B & ub e r -EOslin.
Paratyphus und Nahrungsmlttellnfektlonen. Praktische Ergebnisse
aiu dem Gebiete der Bakteriologie. Von Stabsarzt Dr. Kutscher, komman¬
diert zum KOnigl. Institut ffir luektionskrankheiten zu Berlin. Beruner Klin.
Wochenschrift; 1907, Nr. 40.
Man kann drei Gruppen der bakteriellen Nahmngsmittelinfektionen
unterscheiden:
1. Botulismus, Intoxikation durch die vom BacUlus botulinus (van
Ermen gern) erzen^elBakterientoxine (Lähmungen der Schlund- und Angen-
mnsknlatur). Das Wachstum des Bac. bot. kommt nur unter strengstem Luft-
absehlnfi (im Innern von Wttrsten, Schinken, Konserven) zustande. Das Gift
wird durch Erhitzung der Nahrungsmittel auf 70** C. zerstOrt.
2. Durch Entwicklung von Fäulnisbakterien (Protensarten) in urrorfing-
lieh nicht gesundheitsschädlichen Nahrungsmitteln entsteht die zweite (irrape
T<» Nahrungsmittelvergiftungen unter dem Bilde schwerer Magen-Darm-Affek-
tienen mit nervOsen Symptomen, wie Benommenheit und Krämpfen.
8. Durch eine Klasse von Bakterien, welche in die sogenannte Typhus-
Coligmppe |;ehOrt, wird die dritte Gruppe von Nahrungsmittelvergiftungen
(gastrointestinale Form) hervorgernfen. Stttnnischer Beginn, meist hohes Fieber
Scbflttelfrost, heftiges, zuweilen unstillbares Erbrewen, heftiger Durchfall,
Wadenkrämpfe, starker Verfall der Kräfte. In selteneren Fällen ist der Ver-
Inuf ein milderer typhusähnlicher.
Nach Bollinger (1876) werden *lt aller Fleischvergiftungen durch den
Genuß von Fleisch septisch - pyämisch erkrankter, notgescUachteter Tiere her-
vorgemfen. ln Deutschland finden etwa 160 (XX) Notsohlachtungen (17o ßcs
gesamten Viehstandes) statt (Lydtin, Ostertag). Bei fast allen Not-
Schlachtungen handelt es sich um schwer erkrankte Tiere, deren Fleisch wegen
der Art der Erkrankung (meist septisch pyämische Formen) vom menschliciien
Genuß ausgeschlossen werden muß. Als Erreger dieser gastrointestinalen Form
der Fleischvergiftung wurde der Bacillus enteritis Gärtner angesehen, die
Gruppe des sogen. Gärtner-Bacillus ist aber keine einheitliche, vielmehr sind
zwei Untergruppen zu unterscheiden: a) Bakterien vom Typhus des eigentlichen
Gärtner-Bacillus; dieser ist nicht zu unterscheiden von einigen ftlr Batten
pathogenen Bakterien, dem sogen. Bac. Danysz und Bac. Issatschenko.
(Infektion des Scblaontviehs durch Batten?); b) Paratyphusbadllns Typ. B.
Dieser wurde bei zahlreichen Fleischvergiftnngsepidemien nachgewiesen, ferner
in der Milch zweier an Gastroenteritis erkrankter Kttbe, deren Genuß schwere
Vergiftungserscheinungen hervorgernfen hatte, bei Vergiftung durch eine Gries-
speise (mit infizierter Ifilch zubereitet ?), bei Vergiftung durch Bohnengemttse,
Im Vergiftung durch infiziertes Fischfieisch. (Die Bakterien sind von den
Fischen vielldcht mit vemnreioigtem Wasser aufgenommen, ähnlich wie es
s. B. bei den mit Typhnsbaziilen hifizierten Austern nacbgewiesen ist.
Bei der meist dureh den Genuß von Fleisch notgeschlachteter Tiere
kervorgemfenen Nahrungsmittelvergiftnngen handelt es sich nicht allein um
efae Vergiftung durch den Paratyphnsbacillns, sondern auch um eine Ver-
822
Kleinere Mitteilungen und Befemte us ZeitselulfteB.
giftnng mit den Giftstoffen dieser Bakterien, welche, in dem Fleisch der er¬
krankten Tiere aufgespeichert sbd and der Siedetemperatur lingere Zeit wider¬
stehen können. Daher geht sie mit stürmischen Symptomen einher: Fieber, Frost,
Benommenheit, Kr&nmfen, schnellem Verfall der Kräfte und akuter Gastro-
miteritis (unter dem Bilde der Cholera nostras). Nur wenn in dem frisch ge¬
nossenen Fleisch nur wenige ParatyphusbazUlen vorhanden sind, fehlt die
massenhafte Bildung der Giftstoffe, und es kommt lediglich zu einer In¬
fektion mit Paiatyphusbazillen. Der Verlauf ist weniger stürmisdb, aber auch
hier wie bei dem auf anderem Wege erworbenen Paratyphus findet man häufig
Herpes labialis et nasaUs und oft großfle<^ige Boseola. Im Gegensatz zum
Abdominaltyphus werden die lymphatischen Memento des Darmtraktus nicht
verändert gefunden; die selten vorkommenden Geschwüre sitzen meist im Dick¬
darm (nicht an dem Pey er sehen Plaques); es handelt sich um eine aus-
gesprowene oft hämorrhagische Enteritis. Die Bezeichnung „Paratyphus“ ist
unglücklich gewählt. Paratyphus-Nahrungsmittelvergiftung und gewöhnlicher
Paratvphus gehören zusammen. Man muß fordern, daß das Fleisch not¬
geschlachteter, überhaupt krankheitsverdächtiger Tiere vor der Freigabe einer
bakteriologischen Untersuchung unterworfen wird. Auf Abszesse m Fieiseh
ist besonders zu achten. Empfehlenswert ist es auch, bei jedem Tier vor der
Schlachtung die Körperwärme festzustellen. Vor dem Genuß rohen Hack¬
fleisches ist zu warnen. Schwierig ist die Verhütung der Paratyphus-Fieiseb-
verj^tung durch Wurstwaren usw. Hier muß man sich auf die Gewissen¬
haftigkeit des betreffenden Fleischers verlassen. Dr. Bäuber-Köslin.
Der Begrlir.Ktadbettflebei^ und Aber die damit zasammenhlngünde
Anzeigepflloht. Von Otto von Herfi Münchener medizin. Wochenschrift;
1907, Nr. 49.
Bekanntlich sprach Poten den Satz ans: „Unter Kindbettfieber im
Sinne des preußischen Landesseuchengesetzes vom 28. August 1905 sind ent¬
sprechend den medizinischen Traditionen und dem herrschenden Sprachgebrauch
nur die schweren Erkrankungsformen bei Wöchnerinnen zu verstehen.“
Gbgen diese Auffassung des Begriffes „Kindbettfieber* wendet sich nun
Verfasser und hebt hervor, daß das Kindbett fieber, wenn man will, eine Wund-
entzündung, eine Wundvergiftnng ist, die örtlich begrenzt sein kann, die aber
auch durch Uebertritt der Spaltpilze und deren Gifte in die Lymph- oder Blut-
bahnen zu schweren und schwersten AUgemeinerkrankungen führt, d. h. zur
Blutentzündnng = Bakteriämie, oder zur Blutvergiftung = Toxikämie. An
diese können sich wiederum sehr mannigfache Gewebs- und Organentzündungmi
nschließen. So gelangt Verfasser zur Begriffsbestimmung Kind bettfieber
werden die Keimerkrankungen aller jener Wunden, die unter
den Ge burts Vorgängen vomDammbis in die Gebär mntterhOhle
hinein entstanden sind, genannt.
Diese wissenschaftliche Erklärung umgrenzt alle möglich vorkommenden
Fälle, die leichtesten wie die schwersten Erkrankungen; sie deckt sich
allerdings nicht mit den Bedürfnissen der staatlichen Gesundheitsfürsorge,
sie ist für diese zu weit. Die Wirkung des Eingreifens der Gesundheits-
behörde ist verhältnismäßig selten eine direkt vorbeugende, ids weit
mehr im Grunde genommen eine belehrende und erzieherische — und das
ist vollkommen hinreichend. Hierzu genügt es, das Auftreten und die Zahl
der schweren Kindbettfieberfälle rechtzeitig und rasch kennen zu lernen. Der
Staat muß aber unbedingt angeben, was er unter schweren Fällen verstanden
wissen wül, um Klarheit in die AnzeigepÜcht zu bringen. Verfasser wandte
sich deshalb an die Sanitätsbehörde in Basel und erbat sich nähere Erläute¬
rung, was als Kindbettfleber zu meldoa sei. Die Antwort lautete, daß nur
die schweren Fälle anzuzeigen seien, vor allem die Bakteriämien und Toxikämiea
aller Art, schwerere örtliue Erkrmikangen mit Allgemeinerscheinungen, wie
Pelveocellulitis, Pelveoperitonitis, Peritonitis. Es entfällt daher die Anzeige
aller Wnndfleber (Besorptionsfieber), Wochenbettgeschwüre, örtlichen Entzün¬
dungen ohne AUgemeinerscheinnngen, z. B. leichtere Endometiiden, Thrombo¬
phlebitiden pp. Warum soll es anderswo nicht möglich sein, die gleiche oder eine
ähnlicheBichtschnur den Aerzten zu geben? Verfasser betont dies besondem
den Aerzten gegenüber; diese allein tragen die volle Verantwortlichkeit für dea
Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zeiteehriften. 323
tetreffenden Fall, de allein yerlfigen über die dazu nötigen Kenntnisse. Heb*
ammen sind dazu nicht im geringsten beffihigt und auch nicht dazu aasgebildet.
Han kann ihnen nur die I^cht Oberbttrden, bei jeder Fiebersteigeruug unbe*
dingt auf die Zuziehung eines Arztes zu dringen, gleichzeitig aber auch der
OemindheitsbehOrde eine Anzeige darüber zu erstatten. Hält das Fieber an,
so müßte die Hebamme dies in einer zweiten Anzeige melden, sofern ein Arzt
nicht zugezogen worden ist. Aul diese Weise ist der BehOrde die Möglichkeit
gegeben, den Fall im Auge zu behalten, gegebenenfalls bei dem zugezogenen
Aiit nähere Erkundigungen einzuziehen und das Notige zu yeranlassen.
Verfasser yerbreitet sich dann noch weiter über die Lasten, welche der
BehOrde durch eine solche Anzeigeverpflichtung erwachsen werden, und wie
man sich die Geschäfte yereinfacht; ferner betont er zum Schlosse noch, daß
er ein Gegner der längeren Schutzfrist bei Hebammen ist. Hag eine solche
noch so lange dauern, sie wird nicht im stände sein, die Zahl der Kindbett*
fieberfälle wesentlich einzuschränken und wird nur solange zu fordern sein,
bis der Amtsarzt die Quelle der Infektion gefunden und gegebenenfalls diese
unschädlich gemacht hat, was in der Regel in einem oder in zwei Tagen
dnxehführbar sein dürfte. _ Dr. Waibel*Eempten.
Angtna und septtsche Infektion. Von Prot Dr. R. Kretz*Wien.
Zeitsehr. 1 Heflkunde; 1907, H. 10.
Die anginOsen pyogenen Infektionen yerdanken manche charakteristische
Züge, die sie yon der &ekten Wundinfektion und.dem Puerperalprozesse
unterscheiden, den Veränderungen die die pathogenen Erreger |;leicher Art
durch ihre Passage des lymphatischen Gewebes bedingen. Die eindämmende
Rolle, die die Passage der Halalympfdrüsen unzweifelhaft hat, setzt sich aus
zwei Komponenten zusammen:
1. Abfangen und Zerstörung eines großen Ttiles der infektiösen Kokken
in den Filtern des Lymphsystems.
2. Die Zerstörung der Kokken in den Drüsen wird direkt oder indirekt
zur Quelle einer Immunität, die sich gerade gegen die hauptsächlichen Eiter*
erreger richtet.
Um die schweren Folgen einer Angina zu yerhüten, dürfte sich eine
körperliche Schonung und Ruhe empfehlen. Eine andere Möglichkeit liegt in
der yorsichtigen Anwendung einer aktiyen Immunisierung (Wright).
_ Dr. Wolf*Harburg.
Beltrl^re zur Kenntnis der Diphtherie als Volkssenehe. Von
Dr. Ed. Büsing. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 67,
Seite 248.
In der Arbeit, die aus der Praxis heryorgegangen ist, kommen die Er*
&hmngea und Anschauungen des Bremer bygienisäen Instituts zum Ausdruck.
Der virulente DiphtheriebacUlus ist nicht ubiquitär. Ayirulente Bazillen,
d. h. entweder solche echte Diphtheriebazillen, die ihre Virulenz yerloren
haben, oder sog. Pseudodiphtheriebasillen, kommen für die Verbreitung der
Diphtherie nicht in Betracht. Die durchgängige sichere Unterscheidung dieser
beiden Arten ayimlenter DiphtheriebazUlen ist zurzeit unmöglich. Die sichere
Diphtheriediagnose ist häufig erst durch die bakteriologische Untersuchung
mOglieh; jedow schließt ein einmaliges negatiyes Ergebnis die Diagnose nicht
mit Kcherheit aus. _ Dr.Hirschbruch*Hetz.
DiphtherlebaziUen auf flüssigem Lakmn8-Nntrose*Ntlirboden. Bin
Beitrag zur Diphtheriediagnose yon Stabsarzt Dr. ThieL Aus dem hygien.
Institut der Uniyersität Berlin. Hjgienische Rundschau; 1907, Nr. 21.
Der Verfasser benutzte zur Diphtheriediagnose den Barsiekowschen
Nährboden, der bisher nur zur Typhusdiagnose angewandt wurde. Der Nähr¬
boden enthält eine Zuckerart, die yon gewissen Bakterienarten unter Säure*
bfldung zerlegt wird, ferner Nutrose, ein Kaseinpräparatj welches durch Säue*
mng zur Koagulation gebnuAt wird, sowie als Säureindikator Lakmustinktur.
Diphtheriebazillen bilden in ^uillon ohne Zuckerznsatz langsam und
we^, in Traubenzuckerbonillon dagegen nach 24 Stunden kräftig Säure.
Andere Zuekerarten ergeben weniger SäurebUdung, Milchzucker keine. Diph*
824
Kleinere Mitteilnngen nnd Befernte au Zeitsehrifteni
therie&hnliolie BasUlea xerlegen weder Trauben- und MUchaiieker, noch Maanit
nnd Mainacker.
Der Verfauer modlilxierte den Bar ei eko wachen NShrbode^ Indem er
etwu mehr Pepton hiuuetzte and ihn atftrker alkaliaierte. Dareh Diphtherie-
baiillen wurde in diesem N&hrboden binnen 24 Standen eine starke Bötang
and Trübung hervorgerofen. Diphtherieähnliehe Basillen ließen den Nährboden
nnyerändert.
Versuche, die von anderer Seite ontemommen waren, ersahen du glmche
Beanltat Als Indikator wurde mit gutem Erfolg auch Ausarin verwandt,
welcher in alkaliseher Lteong rot, in suwach saarer gelb aassieht.
Dr. Eurpjaweit-Berlin.
Der Etgelbnihrboden als Ersats du Serams rar Knltnr Ton Diph¬
therie* und Tnberkelbaiillen. Von Dr. 0. Laben au. Au dem Laborato¬
rium du Sanatoriums Beelits und au den hysienischu Instituten der Uni¬
versität Berlin. Hygien. Bundschau; 1907, Nr. 24.
Du Hühnerei ist schon in mannigfa^er Weise su kulturellen Zwecken,
teils in rohem, teils in gekochtem Zutand,' teils nur du Eigelb, teils nur du
Eiweiß verwandt worden.
Nastinkoff benutste ein Eigelbkoagalum nnd einen Bigelbagar an-
stelie von Hämoglobinagar zur Kultur von Influeuabazilien. Ferner empfahl
Nastinkoff Fieischpeptonagar, gemischt mit einer 10 prozentigen EiselblOsung
als Nährboden für Influeua, (lonokokken, Bots nnd DiphtheriebazUlen. Der
Yerfuser stellte durch Nachprüfungen fut, daß diue NährbOdu für Diph¬
theriebazUlen wenig brauchbar sind.
Auch ein Mgelbagar von Capaldi, der au wenigen Oesen sterilen
Eidotters und Agar besteht, erwiu sich auch nicht als buonders geeignet
für die Kultur von DiphtheriebazUlen.
Bei den Vorversuchen, einen mögUchst biUigen und leicht buchaffbaren
Nährboden für die Kultivierung der DiphtheriebulUen zu schaffen, steUte der
Yerfuser zunächst lest, daß du Eiw^ nnd ein Gemisch von Eiweiß nnd
Eigelb hierzu nicht geeignet sind, daß dagegen ein Gemisch von Eigelb und
0,6 Kochsalzwuser zu gleichen TeUen suUi gut eignet. Am zweckiälßigston
eiwiu sich ihm rin Eigelbnährboden mit Fleischwauer resp. Extraktboömon
1% Traubeuncker. Die Diphtheriestämme bUdeten auf dem Nährboden
üalog wie auf LOfflers Serum zahlreiche metachromatische KOmchen;
ferner behielten sie bei der Fortzüchtung auf dem Eigelbnährboden ihre Yiru-
leu. Zur Kultivierung von Streptokoucen und Pneumokokken eignet sich
der Nährboden nicht.
Ein Gemisch au Eigelb nnd 8**/« GlyzerinbouUlon ^zn gleichen TeUen
Ueferte sehr gute Besaitete bei der Writerzüchtung von TuberkribazUlen;
und zwar bUdete die erste Ausut nur langsam sichtbare Kolonien, während
die zweite Kultur ein schneUu und üppiges Wachstum zeigte.
üeber die HersteUung des Eigelbnährbodens vergL die Originalarbeit.
_Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Ueber InflueiisabasUleu Im Brouehialbanm. Von Dr. Friedr. Wohl-
will-Hamburg. Münchener med. Wochenschrift; 1906, Nr. 6.
Nach den biologischen Eigeuchaften du InflueuabacUlu kOnnen wir
nicht annehmen, daß die spezifischen Keime an leblosem Material irgendwie-
nenneuwerte Zeit haften bleiben und die Tiere ebenfalls wegen ihrer Besistenz
gegen den InfiueuabacUlu für dessen Weiterverbreitung nicht in Betracht
kommen kOnnen. Es muß vielmehr notwendigerweise, wie auch bei anderen
Infektionskrankheiten, InflueuabaziUenträger geben, welche, ohne selbst Kruk-
heitesymptome zu bieten, durch ihren Auwurf etc. zum erneuten Auftreten
der Krankheit Yeranlauung geben.
Verfasser stellte nun diesbezügUche Untersuchungen bei 73 Phthisen, 26
akuten Infektionskrankheiten und 59 Krankheiten der verschiedeuten Art an.
ZuBammengenommen fand er bei diesen 158 Fällen 29 mal den BacUlu influeuae
nnd 5 mal influeuaähnUche Stäbchen.
Er steUte ferner fest, daß u gau bestimmte Kranke sind, die Inflneozn-
bazUlen ln ihren Bronchien beherbergen nnd zwar in erster Linie Phthisiker,
KIdnere Mitteilungen nnd Befente ans Zeitsehriften*
826
sodann die Kinder in den ersten Lebentjahren, namentlich bei Infektionskrank¬
heiten j^enehbnsten, Scharlach, Diphtherie, Masern nsw.).
Verfasser steht nicht an, in diesen Banken die Vermittler nnd Weiter-
Terbreiter der Inflaenaainfektion zn sehen. Inwieweit noch solche Personen
in Betracht kommen, die nur in den oberen Lnftwegen nnd in den Bachen-
organea laliaenzabazillen beherbergen, bleibt dnroh des Verfassers Unter-
snchnngen noch unentschieden. _ Dr. Waibel-Kempten.
Die Pleomorphle des TuberkelbaeUlus. Von Prir.-Doz. Dr. A. B. Weis-
mayr. Zeitschrift fOr klin. Medizin; 62. Bd.
Weismayr fand bei einer tnberknlOsen Patientin während aber im
ganzen dreijährigen Erankenbeobachtung, im Verlauf deren häuflg Tuberkel¬
bazillen im Sputum gefunden worden waren, das sonst immer gleichmäSlge
Sputumbild plötzlich 8 Tage lang durch das Auftreten ron einfachen und yer-
zweigten, kernhaltigen Fäden in ganz auffallender Weise verändert. Br sieht
diese Fäden als pleomorphle Tuberkelbazillen an. Möglicherweise handelte es
sieh um Ausstofiung eines verkästen Herdes bezw. der in diesem enthidtenen
und infolge der FhnäbmngsstOrungen zu Involutionsformen verwandelten
Tnberkelbazülen. Dr. Lohmer-COln.
Ueber die Wirkung der Tuberkelbazillen von der unverletzten
Haut ans. Von Prof. C. Fraenkel. Hygienische Bundschau; 1907, Nr. 15.
Manfred! nnd Frisco haben eine große Zahl Kaninchen und Meer¬
schweinchen auf der vorher rasierten Bbut des Bttckens oder des Bauches
mit Beinknltnren von Tuberkelbazillen eingerieben nnd nach mehreren Mo¬
naten den Tod an einer ausgedehnten Tuberkulose der inneren Teile ein-
treten sehen.
Der Verfasser infizierte die Tiere erst 10 Tage nach Entfernung der
Haare, um jede die Infektion begünstigende Verletzung zu umgehen, an der
Bauchhaut mit kleinen Mengen einer Tuberbelbazillenreiänltur. Alle infizierten
Tiere mit Ausnahme eines einzigen, welches mit einer abgeschwächten Kultur
geimpft war, gingen 2*/« bis 10 Monate nach der Impfung an einer Tuber¬
kulose der inneren Teile zugrunde. Oertliche Veränderungen an der Iiwfstdile
konnte der Verfasser nicht wahmehmen, während Manfred! und Frisco
recht häufig eine mehr oder minder ausgedehnte Geschwttrsbildung beobachtet
hatten.
Die Tnberkelbazülen treten auf dem Wege der Haarbälge und Talg¬
drüsen zunächst in die Lymphbahnen des ünterlmutzellgewebes nnd von hier
aas in die inneren Organe. Eine Tabdle gibt Auskunft über ^e 22 Meer-
schweinchenimpfnngen.
Der Verfasser hält es durch diese Versuche für erwiesen, daß der
TuberkelbaeUlus ein hochempfängliches Tier wie das Meerschweinchen, auch
von der unverletzten Haut ans zu infizieren und also die gleiche Bahn
einzuschlagen vermag, die beispielzweise der Pestbacillus, der Staphylococcns
anrens n. s. t gleichfalls mit bestem Erfolg wandern können.
Dr. Knrpjuweit-Berlin.
Zar Frage der Genese der tnberkulSsen Lnngenphthise. Von Dr.
Carl Hart, Prosektor am Augnsta-Viktoria-Krankenhaus in SchOneberg bei
Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 43.
Hart richtete seine Untersuchungen auf die Bedeutung der Bronchial-
lymphdrttsen für die Entstehung der Lungentuberkulose. Ihr Besultat gibt er
im vorliegenden teüweise polemisch gehaltenen Artikel wieder. Durdi Injek¬
tion fein aufgeschwemmter chinesischer Tusche unter das Fell junger Katzen
konnte festgMtellt werden, daß die Bronchiallymphdrüsen nicht in der beson¬
ders von Weleminsky behaupteten Weise mit dem gesamten Lymph-
gefißsystem des Körpers in Verbindung stehen, daß insbesondere der Transport
von der unteren KOrjperhälfte nicht durch die Bronchialdrfisen hindurch statt¬
findet, sondern daß diese erst sekundär von den Lungen her infiltriert werden.
Regelmäßig fand sich das injizierte Material in einer bezw. zwei kleinen
Drüsen im linken Angolas venosns an der Mündungsstelle des Ductus venosns,
826
Kleinere Hitteilnngen nnd Befemte ans Zeitschriften.
die nur auf retrogradem Wege gefftrbt sein konnten, da sie nicht dicht in
den Dnctns thoracicos eingeschaltet sind. Sie stehen o. a. mit den aofwärts
nach jenem ffthrenden Abflndwegen von den ^^tracheobronchialen“ Drtksen in
Yerbindong, die ihrerseits an der Färbung bisweilen beteiligt waren, während
ein Bocktransport nach den Bronchialdrüaen niemals beobaditet wurde. Auch
deren innige ^Ziehungen zu den HalslymphdrOsen, die von anderen Autoren
behauptet wurden, konnten nicht bestätigt werden. Als Folgerungen ans den
Besnltaten ergibt sich einmal die Auflassung, welche der neuerdings von
Aufrecht verfochtenen entgegensteht, dad die Infektion der Lungen mit Tuber¬
kulose von den Halsorganen, besonders den Tonsillen Ober die BronchialdrOsen
nicht erwiesen ist, ferner die andere, daß der intestinalen Aufnahme der
Tuberkelbazillen in die Lungen, abermals durch Vermittlung der BronchiiJ-
drOsen, bei weitem nicht die von v. Behring, Schlodmann, Engels be¬
hauptete Bedeutung zukommt, daß vielmehr fOr Erwachsene und z. T. auch fOr
Kinder die Inhalation der Erreger die wichtigste Bolle in der Aetiologie der
Phthise spielt. Dabei wird die intestinale Aufnahme der Bazillen und Infek¬
tion der Lungen auf lymphohämatogenem Weg& besonders für Kinder, nicht
in Abrede gestellt Dr. Liebe trau-Hagen i. W.
Zwei FlUe von Endometritis deeidnnUs tnhercnloM mit alleiniger
Betelllgnng der Deoldnn vera. Von P. Schrumpf. Zieglers Beiträge
zur path. Anat. u. allg. Pathol.; Bd. 42, Heft 2.
Da die beiden mitgeteilten Beobachtungen ein allgemein praktisches
Interesse haben, seien sie beide kurz skizziert: Beide Haie handdte es sich
um schwer phthisische Schwangere von 80 bezw. 28 Jahren; die erste stand im
7., die letztere im 4. Schwangerschaftsmonat. In beiden Fällen war die käsige
Tuberkulose nur auf die Decidua vera beschränkt; Placenta nnd Decldua
basalis waren frei. Sehr interessant ist der Befund an den Früchten: Die
Frucht des ersten Falles, in dem die Tuberkulose der Deddna hochgradiger
war, zeigte trotzdem keine Lokalisation der Tuberkulose in inneren Organen, nur
im Ausstrichpräparat des Herz- uud Lungenblutos waren Tuberkel¬
bazillen nachznweisen, was auf eine Einschwemmung sub finem schließen
läßt; im zweiten Fall waren die Impfversuche, die nach Blutorgananfschwemmun-
gen des 27 cm langen Foetus vorgenommen wurden, rosultatlos.
Privatdozent Dr. Herkel-Erlangen.
Laeslon der Nebennieren bei Tuberkulose. YonV. Babes. Bäunion
biologiqne de Bucarest. Comptes rendus de la soc. de biol.; 1908, LXIY.,
Nr. 4.
Der erfahrene Yerfasser kommt zu folgenden Ergehnissen:
1. Die wichtigste Lokalisation der Tuberkulose bei den von ihm
beobachteten Fällen Addisonseher Krankheit findet sich in den Nebennieren;
es handelt sich um eine besondere Form der Tuberkulose ohne Neigung zur
Oeneralisation.
2. Bei der akuten Miliartuberkulose, sei es daß sie primär, oder im
Gtofolge einer chronischen Form auftritt, sind die Nebennieren fast immer von
Tuberkulose betroffen; bei der chronischen Tuberkulose findet man dagegen
nur selten eine Tuberkulose der Nebennieren.
8. In der großen Mehrzahl der Fälle ist die Tuberkulose der Neben¬
nieren ohne anderweite Lokalisation.
4. In der großen Mehrzahl der Fälle ist die Tuberkulose der Neben¬
nieren wenig ausgesprochen nnd veranlaßt keinerlei (klinischen) Nebennioren-
symptome. _ Dr. Mayer-Simmem.
Eine neue Methode der Hantrenktion gegen Tuberkulin boini
Menschen. Yon B. Lautier. B6nnion biologiqne de Bordeaux. Comptes
rendus de la soc. de biol.; 1908, LXIY., Nr. 2.
Im Anschluß an die von Lign4res nnd Berger in der Acad6mie des
Sclenees gemachte Mitteilung Ober eine Beaktion der Haut der Tiere auf
Tuberkulin und ihre Anwendung in der Diagnose der Tuberkulose wandte
Yerfasser diese Methode beim Menschen ah. Er bediente sich folgender
Technik:
Kleinere lOtteilnngen and Referate ans Zeltechiiften.
827
Anf die infiere Haut des Annes legt man ein kleines Btnschchen
Watte, das mit 2 oder 8 Tropfen 1 % Taberkolinldsnag (ans Lille oder Paris)
getr&nkt ist; deokt die Watte mit Gnttaperchapapier und verbindet. Nach
§4 oder 48 Standen wird der Verband abgenommen. Zonächst findet man eine
diffose BOtnng der Haut; nach einigen Standen ist ^ese verschwanden and
man stellt bei tnberkalösen Individuen eine eigenarte Reaktion lest:
1. Es zmgt sich sehr bald eine unregelmäßige, rote, httgelige, sieh
trocken anltthlende Stelle, die mit kleinen, von farbloser Flttsslgkkeit an-
gefüllten Bläschen besetzt ist oder B. die Zahl der Bläschen auf gerötetem
Grande ist nor gering, oder 8. die Haut selbst ist verdickt; die Bläschen
stdten gmppenw&e gehäuft.
Der Reaktion belästigt den Kranken nicht und dauert 2 Tage bis
8 Wochen. Das Verfahren ut gefahrlos, anscheinend beweisend und bedarf
nur der Nachprüfung.
In der Diskussion machte Mongour-Bordeaux anf die Gefahren
der Koqjunktivalreaktion aufmerksam. Er natte mit Brandeis die Zytologie
der Eonjanktivalreaktion anf Tuberkolin studiert und auf die Gefahren dieser
Probe hingewiesen. Seitdem (Bulletin mOdical, 8. Novbr. 1907) haben zahl¬
reiche Beobachtungen die Liste der ünglückfälle durch die Ophthalmoreaktion
verlängert. Wenn die Lautiersche Methode konstante Ergebnisse liefere,
sei es vorteilhaft, die Augenprobe mit ihren Unannehmlichkeiten ganz auf-
augeben. _ Dr. Mayer-Simmem.
Die kutane TuberknUnprobe (v. Pirquet) im Kindesalter. Aus
der üniv.-EiDderklinik in Heidelberg. Von Prof. Dr. K F e e r, Direktor der An¬
stalt. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 1.
Das Wesentliche der Entdeckung v. Pirquets besteht bekanntlich in
dem Nachweise, daß bei Tuberkulosen nicht nur der kranke Herd auf Tuber¬
kulin reagiert, sondern auch die gesunde Haut, wahrscheinlich überhaupt alle
Gewebe, v. Pirquet fand, daß alle klinisch sicheren Fälle von Tuberkulose
bei Kindern reagieren, ausgenommen miliare und meningitische in den letzten
(ca. 10) Tagen; ebenso realeren schwer kachektische Individuen nicht.
Verfasser stellte sofort Nachprüfungen an; seine Erfahrungen dabei
führten Um, wie die meisten Beobachter zu dem Scmuß, daß die hervorragende
Bhitdeckung v. Pirquets berufen ist, sehr wertvoUe Dienste in der nicht
iuuner so leicht zustcdlenden Diagnose auf Tuberkulose zu leisten. Bei älteren
Minderen und Erwacbenen reagieren aUerdings auch viele Gesunde (d. h. Träger
von inaktiven Herden) positiv anf die kutane und konjunktivale Probe. Der
positive Ausfall hat darum hier nur einen beschränkten Wert und ist der
B^fative AusfaU mehr von Bedeutung. Bei jüngeren Kindern wird der positive
Ausfall um so seltener und wichtiger (und prognostisch ernster) je näher wir
dem Säuglingsalter kommen und steigt damit entsprechend die Wahrscheinlich¬
keit, daß die positive Reaktion auf eine vorhandene Affektion zu beziehen ist,
welche tuberkulös verdächtig ist. Vielversprechend scheint dem Verfasser die
Probe auch für die Aufklärung der Aetiologie und Pathogenese der kindUchen
Tuberkulose.
Bei systematischer jährlicher oder halbjährlicher Durchimpfung der
Kinder aas gesunden und tuberkulösen Familien müssen sich wertvolle Tat¬
sachen ergeben über den zeitlichen Eintritt der tuberkulösen Infektion und
über den Einfluß der Tuberkulose bei Familienmitoliedem und Wohnungs-
genossen. _ Dr. Waibel-Kempten.
Heber OphthuImorenktioB. Von A. Wolf-Eisnerin Berlin. Münchener
med.Wochenschrift; 1908, Nr. 2.
Die Arbeiten über Ophthalmoreaktion überstürzen sich derartig, daß es
dem Entdecker der Reaktion bisher nicht mOglich war, zu Worte zu kommen.
Verfasser bittet zunächst, an Stelle des Ausdrucks Ophthalmoreaktion
den Namen Konjunktival-Reaktion zu benutzen. Der Anschauung von
Mainini, daß ^e kutane Reaktion latente Herde anzeigt, die bei der Kon-
junktivalreaktion erst bei Wiederholung erkennbar werden, schließt sich Ver¬
fasser an.
Die Methode gibt häuflg bei manifest Tuberkulosen negative Resultate;
828
Kleinere lUtteQuigen und Befemte nu Zeitsehiilten.
eie itt kdne Methode, am manifeet^ klinisch leicht feststellbere Tnberknlose
feetznstellen. sondern eine Methode, me in Verbindong mit klinischer Diagnostik
ihre Tiiompne leiert. Sie zeirt ans das Bestehen von klinisch Terborgenen
Taberkolosen and erlanbt ans manifesten Taberkoloeen eine prognostische
Beorteilong, die mit klinischen Methoden allein so schwer zn errächen isü
Verfasser warnt beiAnwendong des Höchster Taberkalfaitest mit stärkeren
LOeonmn als 1 prozentig za arbeiten. Man yerwende eine 1 prozentige LOsang
Ton Alttaberkalin Koch in physiologischer steriler EochsalzlOsong; man wird
dabei gat fahren and sowohl nnangenehme Erfahrongm als Qeld spareiL
Dr. waibel'KempteiL
Ueber den Wert der Ophthalmoreaktion fttr die Dlngnose der Taber-
kolose* Von Dr. Blam, Asustent der med. Uniyersitäts-Elinik in StraSborg,
and Medizinalpraktikant Schlippe. Münchener med. Wochenschr.; 1908, Nr. 21.
Eine sichere- Entscheldong, wie weit sowohl die nemtiTen als positiTen
Beaktionsbefande mit dem tatsächlichen Bestehen efaier Taberkolose in Ein¬
klang zu bringen sind, wird erst eine größere Beihe yon sorgfUtigst ans-
neffl^en Sektionen bringen können. Aas diesem Grande stellen die Verfasser
bei jedem schwer Kranken die Aagenprobe an.
Von 7 Patienten, bei denen sämtlich die Beaktion aaf einmalige Ein-
träofelong negatiy geblieben war, ergab die Sektion yiermal keine Spor yon
Taberkolose, zweii^ alte Schwarten der Spitzen and einmal yerkallrte
Bronchiallymphdrüsen. Selbst wenn man die letzteren Befände sicher taber-
kolös ansioht, so wird man sie nnr als alte ausgoheilte Läsionen bezeichnen
können.
Die Verfasser schließen folgendermaßen: üeberblickt «an das zurzeit
über die Ophthalmoreaktion yorliegende Material, so muß man zngeben, daß
auffallend häufig eine Uebereinstimmni^ zwischen ihrem Ausfall und dem Be¬
tehen oder Fehlen einer tuberkulösen Erkrankung yorhanden ist. Ihr Fehlen¬
schließt eine Tuberkulose nicht aus; es ist möglich, daß sie auch bei Nicht¬
tuberkulösen unter gewissen Umständen und ausnahmsweise sich findet. Diea
würde den dia^ostischen Wert der Probe sehr beebträchtigen.
Weiterhin wird man bei Verwertung der Probe trüber sich klar sein
müssen, daß die Beaktion zwar die Anwesenheit einer tuberkulösen Erkrankung
anzdgt; damit ist aber noch nicht bewiesen, daß gerade eine bestimmte, derzeit
das Interesse auf sich ziehende Krankheit tuberkulöser Natur sei.
Dr. Waibei-Kempten.
Empflndllehkeit gegen die Ophthalmoreaktion lange Zelt nach Ent-
femnng tnberknlQser Herde. Von G. Etienne. B^union biologique de
Naney. Comptes rendus de la soc. de bioL; LXIV, 1908, Nr. 5.
Im Hospital St. Julien in Nancy befindet sich seit yielen Jahren ein
66 jähriger Inyalide, der yor 14 Jahren bei yöUiger Gesundheit yon einem
Maschinentreibriemen (courroie d’osine) ergriffen und komplizierte Frakturen
erlitten hatte. Hintereinander traten damtds Tumor albus des linken Ellbogen¬
gelenkes, des linken Ebies, ferner Fungus in dem Kleinfingergelenke auf, die
zu eitrigem Ergüsse führten. 1898 wurde der linke Arm amputiert, 1894 das
linke Hüftgelenk ezartikuliert, 1895 der kleine Finner entfernt. Sdtdem war
der Mann gesund. Ende November 190T wurde mm 1 Tropfen des Iproz.
Tuberkulintest in den Bindehautsack eingeträufelt. Nach 24 Stunden waren
Tränen, BOtung, fibrinöses Exsudat deutlich. Die Beaktion war also poritiv.
Nach 10 Tagen waren die Beizerscheinangen noch nicht ganz geschwunden.
Es liegt demnach entweder trotz völliger „klinischer“ Gesundheit now ein latenter
tuberkulöser Herd vor, der keinerlei Symptome macht oder der Orgaidsmos des
Kranken war trotz radikaler Entfernung dreier tuberkulöser Herde mit der
für das tuberkulöse Gift empfindlichen Substanz besonders gesätU^^
Erwähnenswert ist auch die positive Beaktion bei einer 88 jährigen Frau,
die im Alter yon 22 Jahren an Lnngenleiden erkrankt und Bluthasten gehabt
hatte, seitdem aber geheilt war. _ Dr. Mayer-Simmem.
Kleinere Mitteiliingen und Befemte noe Zeltsehriften.
829
üeber AtMentton des Taberknllns rem Ksstdurm ans. Von A.
Cnlmette und M. Breton. Inntitnt Paetear de LUle. Comptes rendu de
ln 80C. de bioL; LXIV, 1908, Nr. 4.
Die Verüuser emnlehlen die Anwendung Ton Tuberkolin rom Bektum
ans in eolehen FUlen, in denen dieDisnoee nui^berkoloseohneVorwissen
der Kranken gestellt werden soll. Ikre Versaehe nn Kranken wurden
f emeinsam mit dem Oberarzt der innern KHailr in LUle, J. Minet, angesteUt.
^aa Tuberkulin wurde als Klysma mit einer eUilachen Kautschnkbime in der
Dose von 1 egr in 60 g MUeh einverleibt. Bei 4 fleberlreien Lungenkranken
trat eine Temperatnrsteigerung um 1,8 bis 2,7 ** aul Bei dreien, bm denen die
Ophthalmoreaktion positir ausgelaUen war, trat diese, obwohl es sich
um einen Zwischenraum yon 8—88 Tagen handelte, wieder aul Die
^harakteristisehe BStung der Caruncnla und der Cmgunktiya mit leichtem
TrSnen 48 Stunden hindurch steUte sich ein.
Bektale Applikation des Tuberkulin in Dosen yon 1 cg (durch Alkohol
gelilltes TuberkuUn) ruft also beim Menschen eine Fieberreaktion heryor, die
nach Sobkutaninjektion beobachtet wird. Dieselbe intrarektale Tuberknlinan-
Wendung bei nicht tuberkulösen Indiyiduen, bei denen die Ophthalmoreaktion
negatiy ausgefallen war, löste keine Temperatursteigemng und keine Bötnng
der Bindehaut aul dem yorher geprüften Auge ans.
Anders yerl&uft die Bektaluiwendung bei gesunden Meerschweinchen
und Kaninchen. Eine einzige masaiye Dose oder kleine, geteUte G^berkulin-
dosen erzeugen hier eine langsame Yer^tung, die fast immer zum Tode führt.
Man findet auf Gekröse und Bauchspeicheldrüse Blutergüsse, BlntüberfüUnng
yon Leber und Nieren, haemorrhagische Infarkte der Lungen.
Bei kleben tuberkulösen Tieren wirü ^e btrarektale Tuberknlb*
ebfühmng rde die Snbkutanbjektion. Dr. Mayer-Simmem.
Ueber die Hlnflgkeit der Tuberkulose und die beiden Hanptzelt-
puukte der Ansteckung derselben Im Siuglingsalter. Yon Dr. 8ebuch
Assistenzarzt der üniy.*Kbderklinik b Bresbu. Münch, med. Wochenschrift;
1906, Nr. 6.
Yerfasser sichtete das einschlägige Material der Bresbuer Kbderklbik
und Poliklinik, wobei den Grundstock 171 durch Sektion im Bresbuer patho*
logischen Institut sichergestellte Fälle yon Tuberkulose der ersten Jahre und
zwar ans ebem Zeitraum yon genau 10 Jahren bildetmi. Yerfasser hält sich
auf Grund sdner ausführlichen und nach yerschiedenen-Bichtnngen hb yor*
genommenen Untersuchungen yorbehaltlich der Bestätigung an noch gröfierem
Material anderer Elliniken zu folgenden Schlußfolgerungen berechtigt:
1. Die Tuberkulosehäufigkeit im Sänglbgsalter mmmt nicht wie bisher
angenommen yon Monat zu Monat zu, yielmehr findet gegen Ende des ersten
und zweiten eb Bückgang statt.
2. Dem entspreäen zwei yorausgehende Hauptzeitpunkte der Infektion
und zwar:
a) Wi^einfektion im ersten Lebensyierteljahre;
b) Kri^-, oder Schmutz- oder Schmierinfektion um db Wende des ersten
Jahres.
Die Möglichkeit eber Ansteckung auch einmal zu anderer Zeit wird
•damit nicht ausgeschlossen.
8. Gbnz mlgemein genommen yerfsllen die künstlich genährten Kbder
der Tuberkulose am sehndbten; es blgeu die Teilbrustkbder, dann die eigent¬
lichen Bmstkbder.
4. ffieraus erhellt die große Schutzkraft der Frauenmilch (? des Fettes)
g;egeuüber der Tuberkulose. _ Dr. Waibel-Kempten.
üeber Behandlung und Unterbringung yon TuberknlSsen In den
-ungemeinen Krankenblnsem und dem neuen Puylllou für Lungenkranke
In der stidttecken Krunkenuastalt ln Kiel. Yon Prot Dr. G. Hoppe-
r. Yierteljahrsschr. für öffenti. Gesundheitspfi.; 1907, Bd. 89,
Die Sorge für die fortgeschrittenen Fälle yon Tuberkulose und die Yer-
jubdernng der yon ihnen ausgehenden Gefahren steht jetzt, nachdem die Heil-
380 Kleinere Mitteilangen and Keferate ans Zeitschriften.
st&ttenbehandliing der Heilongsaussichten bietenden TuberkolSsen in weitest¬
gehender Weise organisiert ist, im Vordergronde der Taberkolosebekimploiigs-
Bestrebongen. Die Bebandiong in Sonderabteilangen Ton a^emeinen Kranken-
b&nsern, wie sie als wtknschenswert im Qataehten der preafiiscben wissenschalt-
lichen Deputation Ittr das Medizinaiwesen Tom 17. Jali 1906 dargelegt ist,
endelt oft — allerdings bei hohen Kosten — noch erstaonliche Erfolge and
stellt einen wichtigen Schatz gegen Weiterrerbtttang der Krankheit dar. Das
^eler, unter Hoppe-Seilers Leitang stehende Krankenhaus hat neuerdings
einen mit allem Komfort aasgestatteten Pavillon fflr 90 Tuberkolose erhalten,
von dem Verfasser eine Beschreibang ribt. Die Kosten pro Bett ('einschL innerer
Einrichtong) beliefen sich aal 8260 IL. Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Zar Bekftmpftmg der Taberkulose. Von Dr. F. Jessen in Davos.
Mttnchener med. Wochenschrift; 1906, Nr. 6.
Verfasser verbreitet sich in längeren interessanten Ansffihmngen ftber
die ünzul&nglichkeit anserer bisherigen Maßnahmen gegen Taberkäose and
erklärt als wichtige Faktoren im Kampfe gegen die Tuberkulose:
1. Wesentliche Verbesserung der Ausbildung der Aerzte auf diesem
Gebiete.
2. Absolute Offenheit gegenüber der Tuberkulose.
8. Anmeldung jeder offenen Tuberkulose mit den daraus folgenden
Konsequenzen. _ Dr. Waibei-Kempten.
Erfahrungen mit der Wirksamkeit der obllgaterisehen Anzelgepflieht
der Sehwindsueht in Sidnej. Von W. Q. Armstrong, M. B., D. P. H.,
Medical officer of health, Sidney. Public health; XX, 19OT, Nr. 8.
In Konflikten zwischen den praktischen Aerzten und dem Magistrat ist
es in Sydney wegen der Anzeigepflicht bei Phthise nicht gekommen. Die
Aerzte sind im großen und ganzen mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit be¬
strebt gewesen, dem Gesetze zu entsprechen; nur in wenigen Fällen wurde
die Anzeige unterlassen. Auch von den Kruiken seihst säeint die Dureh-
fflhmng der Ausftthrungsbestimmungen nicht Unrecht oder Härte empfanden
worden zu sein.
ln 1906 starben an Scbwindsucht in Sidney 894; angezeigt wurden 168
Fälle.^) In 84 Fällen hatte der behandelnde Arzt angegeben, er wünsche
keine Besuche seines Patienten durch die Beamten des Öffentlichen Gesund¬
heitsamtes ; in den übrigen wurden die Besuche durch die Gehülfen des Autors
ausgeführt
Außer dem erziehlichen Einflüsse, der Möglichkeit der Aufklärung, hat
die Anzeigepflicht den Wert, daß den Behörden die lichtlosen Bäume über¬
mäßig besetzter, schmutziger Wohnungen der großen Städte besser bekannt
werden, so daß eine Abhülfe eher ermöglicht wir£ — Desinflziert wurden 1906
128 Häuser; 80 nach dem Tode der Knnken, 48 nach WohnungwechseL
Dr. Mayer-Simmem.
Ist eine Gonorrhoekontrolle mSgliehl Von Dr. Magnus Müller,
Oberarzt am Krankenhause St. GOran, 8to<^olm. Zeitschrift rar Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten; 1907, Bd. 6, Nr. 7.
Die Schwierigkeiten, die einer wirzsamen Untersuchung der Prostituierten
auf Gonorrhoe entgegenstehen, sind bekanntlich sehr groß. Aus dem klinischen
Bilde allein kann man kein Urteil gewinnen. Ein verdächtig aassehender Aus¬
fluß kann keine, und ein harmlos aassehender Ausfluß sehr viele Gonokokken
enthalten; deshalb ist die rein makroskopische Untersuchung völlig wirkungslos.
Die mikroskopische Untersuchung gibt zwar im allgemeinen sichere Auf¬
schlüsse, eine Sicherheit gegen Ansteckung liefert sie aber ebenso wenig. Eine
10 mal wiederholte Untersuchung führt oft zu einem positiven Besufimt, we
anfänglich nichts zu Anden war. Infolgedessen verfehlt auch die Krankenhans-
behandlung der Prostituierten ihren Zwedc, weil man gar nicht in der Lage
ist, feetzustellen, ob die Infektiosität beseit^ ist oder nicht.
’) Ob die übrigen ohne ärztliche Behandlung waren, ist nicht angegeben.
Kldnere Hitteilmigen nnd Bef «rate ans ZeitschrifteQ.
331
Der ehizige Natien, deo die Erankenliaiiebehandliug hat, ist der, daft
die Mfidehen während der grüßten Anetecknngelähigkeit vom Verkehr ans«
geschaltet sind. Dieser gerbge Natzen wird aber durch die schweren Nach¬
teile aalgewogen, die das ganze System der Kontrolle mit sich bringt. Es ist
deshalb za wttnsdien, daß die ganze, wirkiuigslose Qonorrboekontrolle beseitigt
wird, and an ihre Stelle Ma&iahmen zar Erhühong der persönlichen Prophy¬
laxe, besonders daroh Äofklärong, treten. Dr. Dohrn-Hannover.
Tenvehe sexneller Prophylaxe beim Heer im 17. Jahrhundert Mit>
S eteilt von Dr. Frh. r. Notthaflt in München. Zeitschrift für Bekämpfang
er Heschlechtskrankheiten; 1907, Bd. 6, H. 9.
Ein Merkblatt gegen die «Franzosenzacht", den Soldaten, Bittern nnd
Knechten gewidmet I Es schildert die Folgen nnd die Behandlung der bOsen
Krankheit mit einem der damaligen Zeit entsprechenden Zartgeftml: ,Thnst
du dan ein kalten Tronck, so fället dir das Zäpflein herab nn geschwillet dir
das maol wie einer Garten Grotte.* Die empfohlene Therapie läßt ans die
Verwüstungen erkennen, welche die schlecht behandelte Syphilis damals an-
richtete. . . «Man muß ^ch mit etze, brennen, schneiden — oder wol, wie gar
offt geschieht, die Bainer mit Eysen heraosstemmen, mit Beißzangen abzwicken,
oder mit Beinsägen, da dich Gott vor behüte, vom Leibe nehmen.*
Prophylaktisch wird auch die aoßergeschlechtliche XTebertragang der
Krankheit erwähnt. aAlso daß niemand bei dir am Beth ligen, niemandts mit
ddnem Lüffel fressen, niemand mit dir Baden, niemand nass deinem Glass oder
Becher sanfen wilL* Dr. Dohrn-Hannover.
CtoslBdeordnung und Gesehleohtskraukhelteii. Von Bechtsanwalt
Dr. Springer-Berlin. Zeitschrift für Bekämpfang der Geschlechtskrank¬
heiten; 1907, Bd. 6, Nr. 9.
Die Dienstmädchen stellen bekanntlich das Hanptkontingent der Pro-
stitaierten. Hieran sind die ungünstigen äußeren VerhUtnisse dieses Standes
schuld. Der Anreiz zum außereheUchen Verkehr ist für die vom Lande
kommenden, unerfahrenen Mädchen besonders groß. Von den Folgen werden
sie aber um so schwer betroffen, da sie nicht im stände sind, ihre unehelichen
Kinder durch ihren Lohn zu unterhalten. So bleibt vielen nichts anders übrig
als die Prostitution. Andere lassen ihre Kinder kläglich amkommen oder
bringen sie ums Leben, weil die bittere Not sie dazu swingt Zur Beseitigung aller
Mißstände fordert Verfasser die Beseitigung der auf veralteten Answauungen
fußenden Gesindeordnung. Sie gibt den Herrschaften unbillig weitgehende
Bechte, die besonders das Dienstpersonal in KrankheitsflUlen schwer betreffen
künnen. Ferner ist neben Besserung der sozialen Verhältnisse eine Einbeziehung
der Dienstboten in die Krankenve^eherung unbedingt notwendig.
Dr. D o h r n-Hannover.
Die HEuflgkelt und Prophylaxe der Syphilis. Von A. Benault.
Bevue d’Hygidne et de Police sanitäre; Februar 1^, Bd. 80, Nr. 2.
Benault gibt zu, daß es in Anbetracht der weitaaseinandergehenden
Zahlenangaben über die Häußgkeit der E^hilis unmöglich kt, ein genaues
Bild zu gewinnen. Er vermag nur soviel zu sagen, dal die Syphilis außer¬
ordentlich häufig ist, und daß der Arbeiterstand weniger durchseucht kt, ak
die besseren Stikde.
Unter den prophylaktischen Maßnahmen gegen die S^hük verwirft er
die Einreibungen des Gliedes nach dem Coitus mit Quecksilbersalben wegen
ihrer undcheren Wirkung und der Gefahr von Erythemen und Intoxikationen.
Die beste Sicherheit bietet immer noch der Condom.
Benault kt ein eifriger Verfechter der Begiementation. Ak Bewek
für deren Nutzen führt er an, daß in Deutschland, dem Lande der Beglemen-
tatlou auf 1000 Soldaten nur 5,7 Syphilitische konunen, während in den in¬
dischen Kolonien Englands, wo keine Begiementation optiert, der Promille-
satn bk auf 239 geht. Allerdings bedarf das jetzige System noch einiger
Abinderungen.
In der sieh anschließenden Dkknssion spricht sich Murtial ebenfalk
«nergiaeh gegen den Mißbrauch der Antkeptika aus, die schwere Lokal-
832
Kleinere Kitteilongen und Beferate ans Zdtschriften.
erseheinnngen herrormfen können, snmal da sie ans Furcht ror Ansteckung
mit grofler Energie angewandt werden. Er hUt eine weitgehende sexndle
Anfkiimng der heranwi^senden Jagend beiderlei Geschlechts Ihr wflnschmia-
wert. Wenn man dem jungen Hann klar macht, was er damit tut, wenn er
ein junges M&dchen defloriert, sie ansteckt, schwängert oder dem jungen
Mädchen die Gefahren des ersten Fehltritts eingehend schildert, so werden de
sich doch besinnen.
In der weiteren Disknsdon kamen die bekannten Einwände der Gegner
der Beglementation nur Besprechung. Dr. Dohrn-Hannorer.
Ueber Traehom und seine Behandlung. Yen Dr. Pick, Angenarst
in Königsberg i. Pr. Therapeutische Monatshefte; 1908, H. 2.
Solange der Erreger des Trachoms noch nicht gefunden ist — auch die
neuesten Fude von Greef etc. sind noch sehr ungewifl — hält Verfasser
daran fest, daß es zwei Terschiedene Arten von KOmerkrankheiten gibt: die
dne gutartig, nicht zur Narbenbildnng und sonstigen Veränderungen ten¬
dierend = der sog. FoUikolarkatarrh, die andere gefdirliche =: das Trachom.
Die diagnostischen Unterschiede bdder werden eingehend erOrtert Ob dn
rdn papilläres Trachom, ein Trachom ohne KOmerbiidung, das auch immer
kOmerfrd gewesen ist, verkommt, bezweifelt Verfasser. Die vorgeechlagenen
therapeutischen Maßen decken sich im großen und a^zen mit denen, die be-
rdts Kuh nt 1897 in seiner Arbdt: „Ueber die Therapie der Conjunctivitis
grannlosa* gweben hat; einige Abwdchnngen scheinen Beferenten keine
wesentlichen Verbesserungen zu sein. Dr. Klare-Haina (Bez. Casad).
Berloht über den ersten Tmebemkengress ln Palermo. Von Professor
B. Greeff und Dr. Clausen (Berlin). Klinisches Jahrbuch; 1907, Bd. 17, H.3.
Die Verhandlungen dieses Trachomkongresses haben bd den innigen
wirtschaftlichen Bedehnngen zwischen Italien und Deutschland für uns be¬
sonderes Interesse. Wenn wir hOren, daß die Zahl der Trachomkranken in
Italien auf 800000 Menschen (und darüber) geschätzt wird, daß ferner das
Traehom gerade in den Teilen Italiens besonders verbrdtet ist (Apulien, Sar¬
dinien, Sizilien), ans denen Deutschland einen großen Teil sdner Saisonarbdter
bedeht, so muß uns dies doch bedenklich stimmen.
Die noch immer von einigen Autoren bestrittene Infektiodtät des
Trachoms ist durch die Versuche Addarios bewiesen. Dieser impfte 8 Blinde
mit frischem Traehom. Nach 8 Tagen begann das geimpfte Auge dch zu¬
nehmend zu entzünden. Erst nach 2 Jahren war das Leiden geheilt.
Die Verbreitung des Trachoms ist in den Städten stärker als aufdem
Lande. Je geringer Kultur und Beinlichkeit um so häuflger das Trachom.
Gegen die Unwissenheit, den Schmutz und die Indolenz des Volkes und der
Benerung muß sich der Kampf in erster Hinsicht richten. Mit vollem Becht
weut Amerika trachombehaftete Einwohner zum Schutze des Landes zurück.
Bezüglich der Prophylaxe werden folgende Vorschläge gemacht:
1. Es soll ein Augenarzt als Inspektor für die Prophylaxe der Angen¬
krankheiten, insbesondere des Trachoms, beim Ministerium des Innern anmtellt
werden. 2. An Orten, wo Trachom herrscht, sind Ambulatorien auf Kosten
der Provinz und der Gemeinde zu errichten. 8. Für die Bezirke wird ein
Augenarzt als Inspektor zur Ueberwachung der angeordneten prophylaktischen
Maßnahmen ernannt, und zugleich ein Bezirkskrankenhaus für die schweren
und operativen Trachomfälle errichtet. Schließlich wird staatliche Beihilfe
hierzu und ferner werden Schulen für Trachomatbse und Prämien für populäre
Schriften über Angenhygiene verlangt.
Dr. Dohrn-Hannover.
Die Beklapfong der Malaria in Oesterreloh. Von Dr. L. Sofer.
ZentralbL 1 inn. Medidn; 1907, Nr. 45.
Die Malaria ist in Oesterreich in den Küstenländern (Istrien) und Dalma¬
tien endemisch. Die erste systematische Bekämpfung der Malaria in Oesterreich
erfolgte 1892 in Nona nach der Methode Grassis; aUe erwachsenen Personen
bekamen 80 Tage lang alle 8 Stunden 1 Pille (Bisleri). 1908 wurde in Dal-
Kldaere KitteUangw nnd Befente au ZeitacliiiftM.
SdS
matiu derselbe Versnob mit ebeuo gntem Erfolg dnrebgefttbrt and im folgen¬
den Jahr anf 44 ud 1905 anf 97 Ortschaften nnter der Leitnng dreier Amts*
Inte augedehat, welche die Kranken besnchten. In Istrien werden 8 Endemie-
besirke geschaffen nnd für jeden Bezirk 1 Endemiearzt besteiit. Das Hanpt-
gewicht werde anf die mögliche Auforschnng nnd Auheiinng der Malariakranken
bezw. die Chinisiernng der nnheiibaren Parasiteaträger während der Zeit Ton
Anfang Jnni bis Ende Oktober gelegt. — Ein sehr lug fortgesetzter Qebranch
Ton Chinin zog keinerlei StOrnngen nach sich. Hbgegen sind mehrere Arsenin*
toxikationen zn rerzeichnen. — Nach der Ansicht des Verfassers wird die
antimaiarische Aktion in diesen Gegenden niemals mit Anssicht anf danemden
Erfolg in Angriff genommen werden können, wenn man nicht eine obligatorische
Anza&epflicht nnd eine hygienische Landeszentrale einftthrt.
_ Dr. Wolf*Marbnrg.
Behandlnnf der experimentell herrorgemfenen Seblafkmnkhelt
(Traitemeat des infections expörimentales & Trypanosoma gambiense). Von
I*. Mesnil et M. Nicolle. Annales de ITnstitnt Pastenr. Bd.21, 8.946.
Von den Affen, die M. nnd N. mit Trypanosomen der Schlafkrankheit
krank gemacht hattü, haben sie 6 dnrch Atozyl allein geheilt, 4 dnrch ab¬
wechselnde Gaben von Atozyl nnd einem Benzidinstoff (Alridol-Violett der
Firma Bayer), 2 durch Behandlnng anfangs mit dem Farbkörper allein nnd
erst znm Schlnn mit 1 resp. 2 Atozyliqjektionen. nm die Behandlnng abzn-
kttrza. Die Tiere sind jetzt seit 11 Monaten ToUkommen geennd, so daft die
Annahme einer Danerheilnng berechtigt ist. Dr.Hirschbrnoh-Metz.
B. Sohiilltyglea«.
Vem Stottern* Von Prot Bnd. Dehnhardt, Besitzer der Sprach-
heüautalt in Eisenach. Dentsche Medizinalseitnng; 1906, Nr. 9.
Dehnhardt erwähnt die geistreichen, anch hente noch zntreffenden
Beobachtnngen des Er asm ns yon Rotterdam ttber die Stotterer. Dem
Stotterer mangelt, so sagt Dehnhardt weiter, die nnbefangene Znrersieht,
die dem 8pre<mgesnnden selbstverständlich ist nnd allen seinen Bewegungen
die mhige Sicherheit eines fast antomatischen Ablaufes gibt. Der Stotterer
stottert, weil ihm der Glanbe an sich sdbst entweder dauernd fehlt oder zeit¬
weilig versagt Es handelt sich bei ihm nm eine bestimmt umschriebene
seelische Störung, nm einen pathologischen Defekt des natürlichen nnd ge¬
sunden Selbstvertraneu. Dieser Defekt wächst meist empor au mehr oder
minder zufälligen Vorkonunnissen nnd zwar natürlich am Idchtesten anf
einem vorbereiteten Boden. Diese Vorbereitug ist zn suchen in erblicher
Veranlagung oder allgemeiner nervöser Disposition. Anf solchem Boden kann
der Defekt sich entwickeln bis zn der gefährlichen Macht dner du Denken
and den Willen i^z beherrschenden Wahnvorstellug.
Wer dem Stotterer, sei es anch nur für Minuten, beim Sprechen Selbst¬
vertrauen nnd Unbefangenheit znrückzngeben vermag, wer ihn durch ge¬
schickte Lenkung dahin bringen kann, dan er seiner Sprechfähigkeit, der nie
vmlorenen, sondern nnr verloren geglaubten, wieder bewußt wird, der bewirkt
sofort mit einem Schlage du Verschwinden aller Hernrnnnnen ud Verwir*
tnngen. Hieraus sollte mu lernen, daß der Stotterer sämüiue Bewegugen,
die znm korrekten Sprechen nötig sind, ohne Belehrug ud Uebug auto¬
matisch sicher auznführen inutude ist. Du A ud Q der Behudlug der
Stotterer ist eine psychische Einwirkug anf den Stotterer. Der Lehrer muß
du Seelenleben du Stotterers bis ln seine Verlrrugu hinein zu verstehen
nnd zu lenken befähigt sein. _ Dr. Hoffman-Berlin.
üeber Selbstmord nnd Selbstmerdversnehe uter den Sehllern der
muisehen mittleren Lehranstalten. Von Prof. Dr. Ohlopin-St Peters¬
bug. Zeitschrift für Schnlgesudheitspflege; 1907, Nr. 9 ud 10.
Verfauer hat du nuamte Material über Schülerselbstmorde ln Bnßland
von 1880—1904 duchgeuMtet; u umfaßt alle Kategorien von Lehrautalten.
Vorgekommen sind in diuen Zdtranm 887 Fälle von Selbstmord ud 96 Fälle
von Selbstmordversnchen. Die größte Zahl liefern die männlichen Mittel¬
schulen, nämlich 284, die kleinste Zahl die Volknchnlen, nämlich 2. Die Zahl
834
Kleiner« HHteilnngen onA Befente nni Zettsehriften.
der Selbstmorde ist, wie in eilen BeTOlkemngssehichten and in enderen Stenten,
im Zonehmen begriffen; die meisten jagendUcben SelbsmOrder stehen im Alter
Ton 16—16 Jebren. Als biofigste Uisecbe der Selbstmorde bet Yerfesser die
NerTen- and Qeisteskrenkbeiten gefanden, dann die sogenannten Scbolorsecben,
soletzt FemilienmotiTe. Hieraas ist der Scblafi zu sieben, daß eine Ver*
besserang der mediko-sanitären Aolsicbt aber die beranwacbsende Jagend and
eine Yerbessemng der körperlicben Erziebong nnamgänglicb notwendig ist,
yielleicbt sogar &e ümgestaltang des gesamten Scbolwesens anzostreben sd.
Yerlasser wttnscbt die «Organisation einer internationalen systematiscben
Begistratar der Selbstmorde nnter den 2i0glingen aller Lehranstalten, am an
der Hand dieses Haterials die natarwidrige Erscbeinnng des Selbstmordes
nnter den Sdifilem besser an erforschen. Dr. Solbrig-Alleastein.
IHe h^enlaehe Bedenting des flnlbtlndtgen Termlttagsuterrlohts.
Von Stadtschalarzt Dr. SteinbanS'Dortmand. Zeitschrift t Scholgesond*
beitspflege; 1907, Nr. 9 u. 10.
Die Torliegende Arbeit wurde aaf Erfordern der EOnigl. Begimong in
Arnsberg als Gatachten Aber die hygienische Bedeatonn des angeteilten
ünterrichts erstattet Wenn auch, wie Verfasser einleitend selbst sagt, das
Thema ärztlich and pädagogisch in den letzten Jahren yielfacb bdandelt
wurde, so daß neue Gesichtspankte kaam yorzabringen seien, so ist diese
Arbeit doch eine recht beachtenswerte, instroktiye Abhandlong Aber ein
zweifellos scholhygienisch and sozial wichtiges Thema, weswegen ein etwas
näheres Eingehen an dieser Stelle nicht AberaAssig sein dArfte.
Die GrAnde fAr die EinfAhrang des fAnfstAndigen Vor-
mittagsanterrichts k5nnen in medizinische, soziale und scholtechnische
geteilt werden, sind jedoch im Grande alle medizinischer Art and sind im
einzelnen folgende:
1. Die physiologische Tatsache, daß während der Verdannngstätigkeit
des menschlichen Körpers ein ZastrOmen des Blates zn den Verdaaon^
Organen and ein Abströmen von andern Organen, namentlich nach vom Gehirn
stattfindet, hat zor Folge, daß nach dem Mitta^sen neben eber physischen,
ErmAdang ünlast za geistiger Arbeit and Verminderong der psychischen
L^tangsfähigkeit eintritt
Die weitere Tatsache, daß bei geistiger Arbeit allmählich eine ErmAdang
der Großhirnrinde ebtritt, die sich naturgemäß bei Ebdern, deren Großhirn«
rbde noch b der Entwicklung begriffen ist, and während des ünterrichts be¬
sonders bemerkbar macht (Nachlassen der Aufmerksamkeit, Zerstreutheit,
Apathie o. dgl.), fAhrt dahb, daß das Ebd beim etwaigen Nachmittagsonter-
richt nicht die nötige psyclüsche Erholung Aber Mittag erlangt hat.
2. Der Nachweb der mit der Dauer des ünterridits zunehiuendmi Er¬
mAdang und abnehmenden Lebtongsfähigkeit bt dar<^ zahlreiche ErmAdang^-
messangen (Eraepelin, Griesbach o. a.) hbreichend gefAhrt. Die b
Frage kommenden Methoden sbd hauptsächlich:
a) Bestimmung der gebtigen Lebtongsfähigkeit eber Klasse darch
Losen yon einfachen Bechenaafgaben.
b) Messang der BerAhrangsempflndlichkeit der Haat mitteb des Aesthe-
siometers.
c) Messang der motorischen Lebtongsfähigkeit mitteb des Ergographen.
Im besonderen bt aas solchen Versuchen der gAnstige Ebflaß dn-
gehaltener Pansen aaf die Lebtangen der SchAler, aber auch das Fehlen
jeder Erholung bei Beginn des Nachmittagsunterrichts her-
yorgegangen. Versuche, die Verfasser an drei Dortmunder Volksschulen, yon
denen ebe bereite fAnfstAndiuen Vormittagsunterricht ebgefAhrt hat, die beiden
andern geteilten Unterricht haben, b ähnlicher Webe yomahm, worAber ans-
fAhrlich unter Wiedergabe zahlreicher Tabellen und Euryen berichtet wird,
stimmten im allgemeben mit den yon anderer Seite gemachten Erfahrungen
Abereb und sprachen zugunsten der Ausdehnung des Vormittags¬
unterrichts auf 6 Standen. Der auf die lAnfte Vormittagsstande aus¬
gedehnte Unterricht zeigte sich fAr den ebzeben SchAler ohne jeden nach¬
teiligen Ebflaß, während die SchAler im Nachmittagsunterricht sehr schnell
Kleber« Hittdlongen ond Referate ans ZeiUehriftea. 885
enafldetea oder znm grofien Teil ohne geistige Brholiuig zom ünterrieht
kamen.
8. Zahlreiche statbtiiche Angaben (namentlich Ton Schmidt-Monnard),
bestitigth durch eigene üntersnchongen des Verfassers liefern den Beweis, dan
die Kränklichkeit der Kbder an den Schalen mit Nachmittagsanterricht im
allgemeben eine größere bt, ids an den Schalen mit fibflBtttndigen Vormittags-
nnterricbt.
4. Zagonsten des fttnstttadigen Vormittagsonterrichb spricht der wich¬
tige hygieniswe Oesichtsponkt, daß nnr bei dessen Einltthrang ebe sorg¬
fältige and peinliche Reimgang der JB^lassenräome, wie sie erforderlich bt, siä
vornehmen läßt.
5. Alle bisher angeführten Giüode werden noch fibertroffen darch db
Forderung, die alleb schon ausschlaggebend bt, daß die Jugend zu körperlichen
Uebangen angehalten werden muß durch Ebffihrung von obligatorischen Spiel-
nachmittagen, gemeinsamen Spaziergängen usw., was sich alles nur erreichen
läßt, wenn der Nachmittag von dem eigentlichen wbsenscahftlichen Unterricht
frmgehalten wbd.
Diesen Vorteilen des ffinfstfindigen VormittagBanterricbts gegenüber
treten die Nachteile, die gegen dessen Ebftihrang bs Feld geführt werden,
vollkommen zurück. Es sbd b der Hauptsache folgende Ebwände erhoben:
1. Der lüobtündige Vormittagsunterricht stelle ebe zu große Zumutung
an die gebtige Lebtungsfäbigkeit des Kindes. Dieser Ebwand bt ungerecht-
lerti^ wie me zahlreichen ^perimente und die praktbche Erfahrung in den
Schuen, b denen die Forderung schon erfüllt bt, beweben.
2. Die Krimbalität des jugendlichen Alters zwbchen 12 und 18 Jahren
im Zunehmen und werde nach Ebffihrung des ffinfstfindigen Vormittags-
usterrichts weiter zunehmen. Dem gegenfiber bt zu sagen, daß die Steigerung
der Verbrechen im wesentlichen auf die schulentlassene Jagend entfällt, daß
außerdem die Pflege der Volks- und Jngendspiele und Femhaltung der schul¬
pflichtigen Jagend an den freien Nachmittagen von der Straße eb Vorbengungs-
mittel gegen die zunehmende Verrohung bedeutet
3. Das Familienleben soll durch die Ebffihrung des ffinbtündigen Vor*
mittagsunterrichts beebträchtigt werden. Dieser Ebwutd bt hbfällig, da
nach den Erfahrungen, die namentlich auch die Aerzte b der Prazb der ar¬
beitenden Bevölkerung täglich machen, das Mittagessen bei der Hast, mit der
es der Arbeiter ebnehmen muß. sofern er überhaupt nicht außerhalb des Hauses
SU essen genötigt bt, am wenigsten geeignet erschebt, den Familiensinn zu
fördern.
4. Der Ebwand, der pfarramtliche Religionsunterricht sei bei Eb-
führung des fünfstündigen Vormttagsunterrichb schwierig zu erteilen, kann
bei ei^ermaßen guten Willen der Beteiligten kaum ernstlich b Betracht
kommen*
Hiermit entfallen die sämtlichen Ebsprüche gegen die Ebrichtung des
ungeteilten Unterrichts. Nicht ernstlich genug kann aber betont werden, daß
diese Ebrichtung dem Nebensweck nicht dienen darf, daß die Schuljugend
dadurch b der gewerblichen Beschäftigung freieren Spielraum habe. Eine
solche Ausnutzung der Nachmittage würde den ganzen Nutzen, der erzielt
werden soll, zu nicht« machen!
Für die praktbche Durchführung dieser Art der Unterrichbdnteilung
kommen drei Cresichbpankte b Frage, die ab Forderung der Hygiene auit
BUSteUen sind:
1. Die Dauer der «bzeben Unterrichtsstunden bt auf 45 Mbuten
XU kürzen.
2. Zwischen Je zwei Stunden sbd Pansen einzuführen, deren Dauer mit
der Zahl der Unterrichtsstunden wachsen muß.
8. Der gymnastbche Unterricht bt nicht ab ebe Erholung anzusehen.
er Ist aus den wbsenschaftUchen Stundenplan anszumerzen.
Die Erfolge, die znm Besten der Schuljugend und auch des Staats-
organbmus aus den ungeteilten Unterricht entspringen, sbd kurz folgende :
Hebung des allgemeben Gesundheitszustandes und der körperlichen Ent¬
wicklung der Schuljugend, Hebung der Wehrkraft des Volks, Zunahme der
Widerstandsfähigkeit gegenüber der Tuberkulose und den Infektionskrank¬
heiten überhaupt. _ Dr. Solbrig-Alleinsteb.
886
Kleinere ICiiteUiuigea und Beierate au Zeiteehrtttea.
Zam Preblen der Sexnnlbelelinuif* Von Dr. D. Sarason-Berlin.
Zeitaohrilt fdr Sehnlgesandheitspflege; 1907, Nr. 12.
Nachdem auf dem letzten Kongreß der Denteehea Oeeellachaft zu Be>
kimpfang der Geschlechtskrankheiten seitens der preoßischen Begienugsrer-
teeter zu Frue der sexaeilen Jagendbelehrnng Eiklämngen in entgegen»
kommendem Sinne abgegeben worden sind und nachdem in jüngster Zeit der
S reußische ünturichtsi^ister sich zutimmend zu gesetzlichen Einfährug
es biologischen Scholonterrichts geäußert hat, ist Hoffnung yorhanden, der
LOsong des Problems der Sexoalbelehrong näher za kommen.
Om drei Fragen handelt es sich: 1) Welcher Zeitpunkt ist für die Be¬
lehrung zu wählen? 2) Wer nimmt die Belehrung am zweckmäßigsten yor?
8) In welcher Art hat die Belehrung zu erfolgen?
Zu 1) sollte, da es ja duauf ankommt, den Schäden yorzabeugea, die
au Unkenntnis und Irreleitung erwachsen, schon yom Beginn der Pubertäts-
entwicklung eine Aufklärung, und zwu eine elementare, sich zwanglos an den
natugeschichtlichen Unterricht auchließende erfolgu. Die Aufklärung über
den Geschlechtsyerkehr und seiner Gefahren ist jedoch yon dieser Elementar¬
belehrung zu trennen; sie ist einer späteren Zeit yorzubehalten und erst nach
der Entlusung au der Schale yorzunehmen.
Zu 2) &d die Eltern, wie yon manchen Seiten yorgeschlagen ist, nicht
Ä t für die Aufklärung, auch nicht der Arzt, yielmehr ist es der Lehrer,
) frühzeitige elemenUre Belehrung über den Smn und die biologische
Stellung des Sezuallebeu am besten zu übertragen ist. Die darüber hiiiaas-
gehenden hygienischen Aufkläruagen über die Gefahren des Geschlechtsyerkehrs
sind im Auchluß an Fortbildungskurse oder auf den Hoch- und Fachschulen
duch Aerzte zu erteilen. Kurse der letzteren Art will Verfasser yon Staats¬
wegen eingerichtet und mit gesetzlicher Pflicht zu TeUnahme für bestinunte
Altersklassen ausgestaltet wissen.
Zu 8) ist me Umgestaltung des natuwisseuchaftlichen Unterrichts in
den Schalen die Grundbedingung und die Forderung der gesetzlichen Ein¬
führung des biologischen Schulunterrichts, yon welchem die Sexualaafklärnng
einen integrierenden Teil darstellt, aufzutellen. Für einen gedeihlichen Unter¬
richt ist die Schaffung eines .Leitfaden für den biologischen Schuluntenicht*
nnuläßlich. Hierzu sollte edn Preisausschreiben der Behörden eingeleitet
werden. _ Dr. Solbrig-AUeutein.
Zw Sehnlnrztfhige. Von Dr. med. 0. Dornblüth in Frankfürt a.M.
Archiy flLr Volkswohlfahrt; 1907, Heft 1.
Für die Volksschulen darf in den meisten deutschen Staaten die Schnl-
arztfrage als gelöst gelten, während man bei den höheren Schalen eigentlich
noch yor dem Anfanu steht. Die Gründe dafür sind nach Auicht des Ver-
fusers in der Teilnabmlosigkeit zu suchen, mit der ein großer Teil der gebil¬
deten Menge der Gesundheitspflege gegenübersteht, und in der Agitation,
durch welche ein erheblicher Teil yon il^ durch die Naturheilyereine yon einu
yernttnftigen Gesundheitspflege abgelenkt, der Kurpfuscherei und diätetischen
Sonderlichkeiten zugeführt wird. So zei^ denn ein flüchtiger Bundblick in
den Klassen der höheren Schulen, daß dort ebenso, wie in den Volksschulen, eine
Menge kranker, mit chronischen Leiden behafteter Kinder sitzt, deren Zustand
nicht beobachtet, nicht erkannt wird und deshalb immer mehr einwurzelt.
Ein schlagender Beweis ist die geringe (60*‘/o) MilitärtaugUchkeit der aus den
höheren Schalen Heryorgehenden.
ln analoger Weise, wie man jetzt bei der militärischen Aushebung die
Lungenkranken den Heilstätten zuzuweisen in Begriff ist, könnte in den höheren
Schalen eine yiel größere Zahl beiderlei Geschlechts und auf früherer Ent¬
wicklungsstufe hinsichtlich der Gesundheit helfend beeinflußt werden. Es ist
kein Zweifel, daß die yon der Schale ausgehenden Gesundheitslehren alsdann
ihren Weg in die Familien Anden und hier tausendfachen Segen stiften würden.
Ohne Schularzt sind sie aber undenkbar.
Der Einwand, daß hygienisch gebildete Lehrer solche Belehrung er¬
teilen könnten, entkräftet Verfasser damit, daß zunächst solche gamicht yor-
lianden, und daß, wenn sie da wären, cdne solche laienhafte Kenntnis der
eaundhoitslehre nicht befähigen würde, den Unterricht in der Hygiene wirklich
Kldoore lOtteflaogen and Referate aas Zeltsclurlften.
887
fraehtbar and dorehgreifend sa sestalten, die krankhaften Zostlnde der
Sehmer sa erkennen and za beorteUen and den Weg za ihrer BeseitJgong sa
weisen. Das sind Dinge, die lediglich in der Fähigkeit des Arztes liegen.
Das richtige Mittei dnrch ^ftthrang der Hygiene in den Scholbetrieb
die Leistongsf&higkeit der Schttler za steigern and eine gesande Schaljagend
sa schaffen, die ^ wirkliche Blüte der Nation ins Leben hinaostritt, ist die
Einfühiang des Schnlarstes für die höheren Lehranstalten.
Dr. Kypke>Barchardi>Bitbarg.
Das englische ünterriehtsgesets tob 1907 (The chfldrens charter of
health). Von Dr. Arthar Newsholme, F. B. C. P., medical offleer of health
of Brighton. Pablie health; 1907, XX. Dezember.
Das Referat in dieser Zeitschrift 1906, S. 778 hatte mit den Worten
geschlossen: ,Die englische ZentralnnterrichtsbehOrde habe bisher das Hanpt-
hindemis für den wissenschaftlichen and rationellen Fortschritt der Erziehong
in den yergangenen 12 Jahren dargestellt. Im «Board of edacation* sollte daher
eine eigene medizinische Abteilang geschaffen werden, die über Inspektoren
sa yerfügen hätte, die aof dem Gebiete der Schalhygiene erfahren seien
V(m diesen würden dann die Schalärzte Leitang, ünterstützong and Mitarbeit
za erhoffen haben.*
Inzwischen ist diese Medizinalabteilang gebildet worden; an ihre Spitze
warde Dr. Newmann gestellt. Das erste Zeichen ihrer Tätigkeit ist die
YerOffentlichang der Aosführongsbestimmangen zom englischen Unterrichts*
gesetze yon 1907: Die Denkschrift über die ärztliche Besichtigong der
Önder in den Offenlichen Elementarschalen. In der Zentralinstanz wird das
Zosammenwirken zwischen der neaen Abteilang and dem Local Goyemment
Board zor Errichtong eines Reichsgesandheitsamtes führen; in der Lokal*
instans ist ein ähnliches einheitliches Zusammenwirken zwischen Schalarzt
and Medizinalleamten geboten. Die Verwaltongsmaßnahmen des neaen Gesetzes
sollen aaf der breiten Basis der Öffentlichen Gesondheitspflege bemhen; die
OrtUchen UnterrichtsbehOrden sollen in möglichst aasgedehntem Maße den
bereits jetzt schon bestehenden MechanLsmos der ärzUichen and sanitären
Yerwaltang benatzen, ihn entwickeln and ergänzen, anstatt ihn za ersetzen.
Vorbengong and Behandlung, aosschließlich auf die Schale gerichtet,
wird manchmal ebenso ungenügende Resultate ergeben, wie Tätigkeit des
Arztes, die nar Symptome behandelt ohne die Ursaäen einer Krankheit aas
dem Wege za räumen. Daher steht an der Spitze der Verwaltongsmaß*
nahmen aaf Grand des neuen Gesetzes die Besserung schädlicher, häuslicher
Verhältiüsse. In der Schulhygiene Ist die elterliche Wohnung der «point
d’appai*.
Von jetzt an wird selbst das hartnäckigste «Edacation Commitee* nicht
mehr imstande sein, daß auf gesetzlichen Grundlagen errichtete Gebäude
einer Schnlgesondbeitspflege zu erschüttern. Dr. Mayer*Sinunem.
Die Aosfflhrangsbestlmmangen des Board of edneatlon zum neuen
englischen Unterrichtsgesetze* (Memorandam on medical lnspektion of chil*
dren in pablie elementary schools. Under section 18 of the edneation [ad*
mioistratiye proyisions act] 1907). Von Robert L. Morant. Public health;
XX, Nr. 8. Dezember 1907.
Am 1. Januar 1908 ist der neue schulärztliche Dienst in England ein*
geführt worden. Durch den § 18 des Unterrichtsgesetzes yon 1907 ist allen
LokalanterrichtsbehOrden die P ficht aoferlegt worden, «für ärztliche Besieh*
tigang sämtlicher Volkschüler sowohl an bestimmten Terminen als za
solchen Zeiten za sorgen, die die Zentralbehörde angibt; weiterhin ist ihnen das
Recht yerUehen worden, sämtliche Anordnangen za trraen, die nach Billigang
dnrch die Zentralbehörde zom Schatze der Gesundheit und des körperlichen
Beflndens aller Kinder, die die Öffentlichen Elementarschulen besuchen, dienen
können*.
Bisher worden nur die kranken Kinder dort, wo schon Schalärzte waren,
in gelegentlichen Zwischenräumen besacht, und die hygienischen Verhältnisse
der Sdiole bei demselben Anlaß untersucht. Von jetzt an wird die Zentral*
instanz angeben, wie oft and in welcher Aasdehnong die Schalen besichtigt
388 Kleinere lOttdlnngen ud Befemte ans ZeÜsehriften.
werden sollen, sie wird den LokalonteniclitsbeliOrden mit BatschUgen an
die Hand gehen and ihre T&tigkeit ttberwaehen.
Die schnlirstliche Tätigkeit maß der direkten Anfsieht des medieal
offloer of health schon ans dem Grande nnterstehen, weil die Schnlgesond-
heitspflege ein Teil der Öffentlichen Gesnndlieitspflege ist and schon jetst dem
Medisiniubeamten die Pflicht obliegt, dem Lokal GoTemment Board Berichte
sn erstatten Aber die hygienischen Verhältnisse der Schale, Aber das, was die
GesnndheitsbehOrden fAr die Gesandheit der SchAler and sar Vorben*
gong des Aoftretens and der Weiterrerbreitang ansteckender Krankheiten
nnter ihnen geleistet haben. Der nahe Zasammenhaag swischen dem, was
nach dem neaen Gesetze den ünterrichtsbehOrden aal demselben Ge«
biete oblieg and den Aofgabcn der Örtlichen GesnndheitsbehOrden konnte
sonst za Kollisionen, ferner zar Verschwendang Öffentlicher Mittel lAhren
Untersteht aber dem medical offleer of health der schalärztliche Dienst, so
wird ihm Gelegenheit geboten, die Gesandheitsrerhäitnisse seines Bezirkes
anch in besag auf die frAhen Lebensjahre kennen za lernen; er wird dadurch
mit der persönlichen Hygiene der BeTOlkerong in engeren Konnex kommen.
Wenn in dnem Bezirke Emennangen za Schalärzten anf Grand des
(Gesetzes erfolgen mAssen, so sind Aerste and Aerztinnen yorzoziehen, die aal
dem Gebiete der Staatsarzneikonde aasgebildet sind oder das Diplom fAr
Öffentliche Gesondheitspflege erlangt haben, in Schulhygiene erfahren oder
mit Kinderkrankheiten besonders yertraat sind. Beim Vorhandensein der not«
wendigen persönlichen and ärztlichen Qaaliflkationen kOnnen die Schalars^
geschälte yersehen werden außer yom Medical offleer of health yom Armen«
arzt, yon einem tAchtigen Praktiker oder Spezialarst.
Alle Schalärzte, ob Medizinalbeamte oder nicht, unterstehen der Ober^
aulMcht des Graischaftsmedizinalbeamten. Sie mAssen mit den Gesundheitn«
behOrden der Grafschaft in enger FAhlang bleiben, und mAssen in bmmg anf
das Auftreten ansteckender Krankheiten in ihrem Schul«
bezirke auf dem Laufenden erhalten werden.
ln Städten ist die Stadtyerwaltung gleichzeitig LokalbehOrde fAr
Gesundheitswesen und fAr Unterricht. Die Oberaufliicht hat daher hier der
medical offleer of health der Stadt.
Von der UnterstAtzung durch die Lehrer hängt der Erfolg des Gesetzes
wesentlich ab. Ihr Mitwirken ist aber bedingt yom Verständnis fAr die Not«
Wendigkeit der Maßnahmen, ln ländlichen Bezirken sind ferner Pflegerinnen
und Gesundheitsbesueher bedeatongsyolle Glieder zwischen Hans und Schale
— sie alle mAssen der Aufsicht der medical authority unterstehen. Der Me«
dizinalbeamte hat in seinen Batschlägen der Kostenfrage sorgfältige Auf«
merksamkeit zu widmen.
Die Untersuchung aller Kinder in den Eflementarscholen, nicht bloß
der schwachen und mangelhaft entwickelten, ist der Zweck des § 18. Er yer«
folgt die Absicht, das Erziehangssystem den Anbrüchen und Fähigkeiten des
Kindes anzupassen, Mängel frAh zu entdecken, Krankheiten in ihrem Beginn
zu erkennen und sie zu yerhAten, and Tatsachen zu liefern, die die Schul«
behOrde in bezog auf körperliche and geistige Entwicklang der Kinder leisten
sollen. Die schalärztliche Tätigkeit wäre aber anyollständig, wenn nicht auch
dgs Leben des Kindes in seinem Heim unter systematische Kontrolle käme.
Die schulärztliche Besichtigung hat Bechenschaft zu geben:
1. Ueber yorausgegangene Krankheiten, insbesondere Infektionskrank«
hdten.
2. Die allgemeine KOrperbesehaffenheit des Kindes.
8. GhrOße, Gewicht, Ernährungszustand, Beinlichkeit, Kleidang.
4. Nase, Schlund, Sprechweise, Mundatmung; Aber Schnarchen, Stottern,
Zastand der Mandeln und LymphdrAsen, adenoide Vegetationen.
6. Angenkrankheiten und Sehschärfe.
6. Ohrenkrankheiten.
7. Zastand der Zähne.
8. Seelische Fähigkeiten, ob normal, wenig oder schlecht entwickelt.
9. Gegenwärtige Mängel oder Krankneiten. Mißbildangen, Lähmungen,
Bhachitis, Taberkalose, Krankheiten der Haat und LymphdrAsen, des Hnzens,
der Langen, Anämie, Epilepsie, Chorea, Hernien, Leiden der Wiibelsäale.
Elefai«re Hittefliiiig«B lud Beferat« ans ZeitsdirifteB.
Podtira Talsaohen können auch rom Lehrer oder der Schnlpflegerfai
erhoben werdw. — Um MiflrerstftBdnisse anssnsohaltea nnd nm Anskttnfke sn
erlangeiu empflehlt sich sn ersten üntersnchnng der Schnlnenlinge die Ein«
ladnng der Eltern. Die zweite Untersnohnng soil im 7., die dritte im 10. Le«
bensjabre oder bei der Entlassnng stattflnden. Die Besichtigungen sind in
den Scbnlstnnden nnd in den Schnlr&nmlichkeiten Torznnehmen. Sie sollen
möglichst wenig mit dem Unterricht in Kollision geraten. Die Üntersnchnng
jedes Kindes soll nur einige Minuten beanspruchen. Anf das Lehrpersonal
hat der Schnlarzt mit Takt Bflcksicht zn nemen. Die Untersnchnngsergeb-
nisse sind in ein Verzeichnis einzntrsgen, das in der Schnle rerbleibt; sie sind
Tertranlich zn behandeln. Beim Wechsel der Schnle sind sie dem Kinde mit«
zngeben. Jeder Schnlarzt hat der LokalnnterrichtsbehOrde über die Ton ihm
besichtigten Schulen nnd Kinder einen Jahresbericht zn erstatten. Dieser soll
f edmckt werden. Sonderabdrticke sind den MitgUedem der Behörde nnd an«
eren beteiligten Personen zn Obergeben. Die Behörde hat bald nach Jahres« .
Schluß dem Board of edncation 2 Abdrücke einznreichen. Als Berichtsjahr
gilt das Kalenderjahr, damit der Bericht sich dem Jahresbericht des medical
officer of health anpassen kann. Der Bericht hat sich anszolassen Ober die
Zahl der gepiOften Kinder, die Zahl jener, die unter besonderer bzUicher
Aufsicht stehen, die Art nnd Ergebnisse der Üntersnchnng, die Zahl der in
der Klasse gemachten Besuche, die Zahl nnd Art der in den einzelnen Jahr«
gingen anftretenden Krankheitsznstinde, ferner Ober Besonderheiten in bezug
anf blinde, taube, schwachsinnige nnd epileptische Kinder, Ober ärztliche Ba^
schB^'e in bezug anf die Vorbengunn nnhygienischer Zustände, schliefilidi
Ober Mittel gegen anfgedeckte Krankheitsznstände. Erwünscht sind —. ge¬
gebenenfalls erst in späteren Jahren — systematische Vergleiche yon Einzel«
und Sanunelmessungen der Kinder in jeder Schule, nm fwte Zahlen zn ge¬
winnen und für künftige Tätigkeit insbesondere auf anthropometrischem Ge¬
biete den Grund zn legen.
Der Nachweis der Unreinlichkeit, yon Mängeln oder Krankheiten legt
der LokalbehOrde die Pflicht zur Abnilfe anL Die Erriohtnng yon Schm«
kliniken zur weiteren Prüfung und s<Msialpolitisehen Behandlung wird sich
daher aus dem Gesetze ergeben.
In jedem Bezirke sollen die yon der Verwaltung sn treffendenden Haß«
nahmen sich den Örtlichen Verhältnissen, ihren Anforderungen nnd den be¬
stehenden Hilfsquellon anpassen.
Als Maßnahmen, die mit der Zeit getroffen werden müssen, kommen
in Betracht: außer Schulbädern, Zahnpflege:
Einrichtungen zur Pflege yon büppeln. Schwachsinnigen, yon blinden,
tanben, epileptisimen Kindern.
Ausbildung der Lehrer in der Hygiene.
Das Elementary education !(blind and deaf) act 1898 nnd das elemea«
tary edncation (defectiye and epileptic) act 1899’), ferner das edncation (pro-
yision of meals) act 1906 hat den OrtsgesundheitsbehOrden bereits so Viele
Fflichten anferlegt, daß das neue Unterrichtsgesetz nur eine weitere Aus¬
gestaltung berrits yorhandener Keime und Grundlagen bedeutet und nach
Ansicht der Zentralbehörde ohne Schwierigkeiten ins Leben treten kann.
_ Dr. Mayer-Simmem.
Wird durch Anwendung der stanbblndenden FnssbodenSle ln den
Sebnlen die Stanbanfwlrbelnng während des Unterrichts yermlndert.
Von Dr. Arnold Meyer, Abteilnngsyorsteher am hyg^en. Institut in Bremen.
Deutsche Vierteljahrschrift für Öffentliche Gesundheitspflege; 1907, Bd. 89,
Heft 8.
Es wurden Versuche in einer Volksschule und einer Bealschnle an¬
gestellt, in dem je 2 Zimmer mit Dnstleß-Oel, je 2 mit Westmmlt gestrichen
wurden nnd je zwei Kontrollklassen nngestrichen blieben. In 1,20 m Hohe
wurden Kulturplatten ausgesetzt, teils V’ Stunde yor bis */* Stunde nach dem
Unterricht, teils 1 Stunde yor bis 1 Stunde nach diesem nnd während des
t) VrgL Zeitschrift f. Medizinalbeamte; 1902, S. 682; ferner 1908, 8. 488.
*) Zeitschrift für Medizinalbeamte; 1906, S. 778.
840
Klebve IfitteUiuigen and Beiente «u ZettsolirlfteB.
BeinlgeBS. Die heaptBlcUieheteii Ergebnlne waren: Stanbbindaide Wlrkong
nnr während der BunignngjAbnahme der eUnbbindenden Kraft bis nun Er-
lOedhen nach hOohstene 8 Wochen. Fttr glatte einwandsfreie Faßböden ist
dUs Oelen siemUch swecklos, nur bei defekten rissigen Dielen leistet es ante
Dienste. Das beste Mittel gegen die gesnndheitsgeiährliche Staabentwieklong
ist häafiM fenchtes Aalwisehen des Bodens, der Sabsellien and der Winde
bis na E^fhOhe, an dessen kostspieliger Dnrcbftthrnng sieh die Torge-
sehlagene OrOndnng von ,8chnl - Behugungs - Institaten“ eowlehlen würde.
Ut. Liebetrau-Hagen LJW.
O. Armaa- and KraakaapflaK«. Kraakaaaaataltaa.
SoiUle AnHr«Btaltnng der Armenpflege. Von Stadtrat H. y. Franken-
berg. Arehir f. Volkswohlfahrt; Jahrg. I, Nr. 1.
Einen hervorragenden Anteil an der sosialen Ansgestaltnng der offenen
wie der geschlossenen Armenpflege haben neben den ehrenamtlich tätigen
Personen, den leitenden and helfenden Beamten die Aerste, and diese Auf¬
gabe wird von ihnen in einem wachsenden Umfange erkannt. Die Ftthlang
Bwischen ihnen and den Körperschaften, in deren Händen die ErfOllang der
Anfordemngen der hentigen Armenpflege and Wohltätigkeit roht, trägt
dara bei, Lflcken na ergänsen and Erfahnugen sa erweitern.
_ Dr. Wolf-Marbarg.
Krflppelflreorge and ihre Bedeatug fir Yelkawlrtseliaft. Archiv
für Volkswohlfüirt; Jahrg. 1, Nr. 1.
Eine Statistik des EgL Institos in Hflnchen hat nachgewiesen, daß von
den ehemaligen, innerhalb von 26 Jahren darch die Anstalt gegangenen and
technisch« gewerblich nnterrichteten Zöglingen 98**/« voUständig selbständig
erwerbsfähig waren. Veranschlagt man die Zahl der Krüppel in Deatschland
nar anf rand 800000, so würde die Prodoktirkraft einer großen Zahl Ein¬
wohner vermöge einer systematisch aasgebildeten Krüppelfürsorge gehoben.
Mit diesen Zofloß an prodaktiven ELräften würde eine Herabsetzong der öffent¬
lichen Armenlasten wie der Aafwendangen der privaten Wohltätigkeit Hand
In Hand gehen. Mithin dürfte die Lösung dieser Frage nicht nur von volks-
wirtschafuieher, sondern auch von sozialer und nationaler fiedeatang sein.
_ Dr. Wolf-Marbarg.
Fflnorge fflr KrflppeL Ein neaes Arbeitsgebiet der Yolksgesandheits-
pflege. Von Dr. Leoiüiard Bosenfeld-Nümberg. Deutsche VierteiJahr-
sehrift L öffentl. (Gesundheitspflege; 1907, Bd. 89, H. 8.
Der Verfasser, Spezialarzt für orthopädis^e Chirurgie, der schon seit
Jahren warm für systematische Krüppelfürsorge eingetreten ist, weist wiederom
an der Hand von Statistiken anf das s. Zt. noch bestehende große Elend der
Krüppel hin und fordert die Mitwirkang aller für Spezialhygiene interessierten
Kreise sor Verbesserong der Verhältnisse. Die jetzt bestehenden Anstalten
reichen bei weitem nicht für die große Zahl der Erüppel aas; allein von den
jagendlichen Krtopeln kann in Deatschland ungefähr nur der 60. (I) Teil ver¬
sorgt werden. Deshalb müssen die Anstalten stark vermehrt werden. Es
maß in ihnen für aasgiebige ärztliche und orthopädisch-chirurgische Behand¬
lung, allgemeine Erziehung (da die Kur oft jahrelang dauert), Ausbildung in
gewerblichen Fächern zwecks selbständiger Erwerbsfähigkeit gesorgt sein.
Für unheilbare Krüppel müssen ebenfalls Anstalten vorhanden sein, damit sie
nicht wie bisher meist ihrem Elend preisgegeben sind. Den nationalökono-
misehen Wert der ausgiebigen Versorgung der Krüppel illustriert Bosen¬
feld darch die Berechnung, daß allein 2(W Millionen Mark jährliche Einbuße
am deutschen Nationalvermögen durch dis jetzige mangelhafte Krüppelbehand-
Inng entstehen. Dr. Liebetrau-Hagen L W.
Ueber IrztUehe Flrsorge fflr Taubstumme nebst Tersebllgen iw
Beerganlsatlen des Tanbstnmmenbtldnngswesens. Von Prot Dr. Ost¬
mann-Marburg. Festschrift aus Anlaß des 70. Geburtstages des (Geh. Med-
Bats Prof. Dr. Schwartze-Halle. Archiv für Ohrenheilkunde 78 Bd.
Der Vorschlag besteht darin, daß anschließend m die Taubstummen-
Xleiaora llUteilMigMi vad Befento aw ZeltselirlfteB.
841
aaataltfB nach dem Berliner Vorbilde TanbetnmmeiiTorscbalen ebgeriebtek
werden. In dieaen Voredmlen werdw die Kinder Je nach ihrer geistigen
Begabung und ihrer HOrfdhigkeit in 8 Gruppen eingeteilt und swar in
schwach (1. Gn»pe), mittel (2. Gruppe), und gut (8. Gruppe) bildungdfählM
Kinder. Diese Gruppierung der Kinder entspridit eine Dreiteilung der Taub«
stummeaschulen je nach dem Lehrplan und der yorsugsweise angewandten
üaterrichtamethode. Aul die 2. und 8. Gruppe der Taubstummenschulen baut
sieh die Fortbildungsschule auf, welche m einen grOAeren Besirk an eia
oder zwei regionhr günstig gelegene Taubstummensehuea aagesehlossen wird.
Der Besuch der letzteren ist laku ltatir. Dr. Bndloff«Wiesbaden.
Bleiben die Erreger gewisser aasteckeader Kraakheltea ln Kranken«
rinmen Infektlonstflehtlg. Yen Prof. Lemoine. Berue d’£^gi4ne et de
Police saait&re; 1907, Bd. 29, Nr. 12.
Mehrere praktische Erlakmngen, die Verfasser in 4j&hriger Tttigkeit
an der InfektionsabteiluM des Militirlazareths madite, zwangen ihn zu der
Ueberzengung, daß die Keime ansteckender Krankheiten auflerhalb des Or¬
ganismus in den WohnrSumen nicht lange ansteckungsf&hig bleiben. Die mit
erheblichen Kosten und Onbequemlichkeiten auszufobrenden Desinfcktionsmafi«
regeln der Krankenzimmer haben nur einen sehr zweifelhaften Wert.
Als Beweise führt Verfasser zun&chst an, daß die Eritranknngea an
Scharlach und Masern trotz der Zimmerdesinfektion und trotz der Desinfektion
der Betten nicht abgenommen, sondern sogar zugenommen haben.
Ferner führt Verfasser eine Beihe interessanter Einselbeobachtungen an:
ln den Isolierzimmem des Hospitals mußten unter dem Zwange der
Not die yerschiedensten Infektionkranken (Scharlach, Masern, Mumps, Diph«
terle, Blattern usw.) untergebracht werden, ln 91 Fällen zog der Nenauf«
mmonunene noch an demselben Tage in das Zimmer ein, an welchem es sein
Vorginger yerlassen hatte. Niemals erfolgte eine Infektion, obwohl die Deo«
Inflation in der Mehrzahl nur in Entfernung des Bettzeugs und Abwaschen
der Gebrauchsgegenstinde mit kochendem Wasser bestand.
In einem Falle mußten die Scharlacbkranken wegen Baummangels
mit Mumpskranken den Saal tauschen. Später wurden sie wieder zurück-
verlegt. In den Saal der Scbarlachkranken zogen nach ebiger Zeit Masern«
kranke ein. Niemals, auch in weiteren Fällen yon Verlegung, erfolgte eine
TTebertragung, obwohl keine yollständige Desinfektion des Zimmers ansgeführt
wurde.
Eine sehr yiel wirksamere Maßnahme als die Zimmerdesinfektion ist
die Vermeidung direkter Uebertragnng yon Krankheitskeimen yon Person auf
Person oder «iroh Gebrauchsgegenstinde. Für den enteren Debertragnngs«
medus ist beeonden die Ermittlung leichter oder laryierter Fälle wichtig.
Dr. Dohrn-Hannoyer.
ErfaknugüB »it fugenleseu Fussbßden. Von Stadtbanrat Peters
in Magdeburg. Tecbn. GemeindebL; 1907, Nr. 17.
Die Bestrebungen, einen wirklich fugenlosen Fußboden zu erhalten, sind
sehr intensiy und hanen zur Herstellung einer Unmenge yon Stoffen geführt,
die aber zum großen Teil den Erwartungen nicht entsprochen haben. Der
wesentliche Bestandteil aller ist Magnesit, ein bei uns nur in Scblesien yor«
kommendes Gestein, das gemablen mit Cblormagnesinm, Sägemehi, Kieselgnhr
und dergL yersetzt wird. Es kommt auf peinliche Mischung und ferner auf
eine Menge technischer Feinheiten der Unterlage u. s. f. an. Deshalb ist bei
Auswahl des Materials große Vorsicht geboten. Jedoch glaubt Peters, daß
bereits Brauchbares auf dem auch hygienisch so wichtigen Gebiete geschaffen ist.
Dr. Liebetrau«Hagen L W.
D. Bekimpftuis des Alkoholismvs.
Der Alkekellsmms und die Insseren Tuberkulosen beim Erwachsenen
■ni beim Kinde« Von Beynier. Bnllitin Nr. 41 der Akademie der Medizin.
Paris 1907.
Nach Beynier begünstigt der Alkoholismus nicht nur das Entstehen
der Langentuberkalose, sondern ebnet auch den Boden für die äußere Tuber«
842
Kleinen lüttefliiiigaB and fiefente mm Zett8elizift«D.
knlose. «Wer trinkt oder getrunken hat, lieht frtther oder spiter seinen
Alkohol Bich ln Eiter Terwnndeln*. In seiner T&tigkeit mn Hospital Lari-
boisidre hat Beynier spesiell bd Uteren Patienten Ober 60, welche sonst
sehr rttstig und Tor allem in keiner Weise hereditär tuberkulös belastet waren,
aber yiel tranken, zahlreiche Fälle von äußerer Tuberkulose beobachtet:
tuberkulöse Gelenk* und Enochenentzttndungen, Spondylitis, Synovitis fun*
gosa, Orchitis und Epididymitis tubercnlosa. Bei diesen äußeren Tuberkulosen
im höheren Alter werden nur höchst selten Lungenaffektionen gefunden. Der
Alkohol bereitet den Boden vor, auf dem sich häufig im Anschluß an ein
Trauma die Tuberkulose entwickelt.
Diese Empfänglichkeit fttr äußere Tuberkulose vererbt sich auf die
Kinder der Trinker. Uaium Pottii, Coxitis, Tumor albus, Synovitis fungosa,
Lymphadenitis tnberculosa bei diesen Kindern sind anf den Alkobolismns der
Eitern zurückzuffibren. Ein einziger Sonntag in einer kleinen Stadt der von
Alters her wegen ihres Trinkens beittchtigten Bretagne überzeugt von dieser
Wiüirheic. Ein Blick auf die schwankenden, abgezehrten Gestalten der Männer
und anf die ihnen folgenden Scharen von buckligen und an Krücken sich
Bchieppenden Kindern läßt erkennen: Hier sank eine Nation durch den Alkohol
in Agonie. _ Dr. Paul Schenk-Berlin.
Der Kampf gegen den AlkohoUsmus (la lütte contre Talcoolisme).
Von Dr. L. Viand und H. A. Vasnier. Zusammenstellung zweier von der
Acadämle des Sciences morales et politiques gekrönten Preisschriften. Paris
bd Asselin et Houzeau. 198 Seiten. 8 Frcs.
Die auf dem Wege der Gährnng gewonnenen alkoholischen Flüssig*
keiten: Wein, Most, Bier sind nach den Verfassern ebenso wie der Kaffee hy*
gienische Getränke. Nur der Branntwein vermag den AlkohoUsmus her*
vorzurufen und ist ans diesem Grunde zu bekämpfen. Der Wein ist eines der
besten Gegenmittel gegen den AlkohoUsmus.
Das Buch zeigt deutUch, zu welcher erschreckenden nationalen Gefahr
für Frankreich die verschiedenen digestiven und aperitiven Liquere, in spede
der Absinth, und ferner auch der mit Branntwein gemischte Kaffee geworden
dnd. Es bringt hierüber fttr die verschiedenen Schichten der BevOlkemng:
Arbeiter, Soldaten, Seeleute, Landbewohner eine reiche FüUe von Daten.
Gleichzeitig lehren die Ausführungen der Verfasser wieder einmal, ein wie kom¬
pliziertes Problem die Alkoholfrag e darateUt . Dr. Paul Sehenk*BerUn.
Auskunfts- und FOrsorgostellen für Alkoholkrauke. Von Dr. J. Wald*
Schmidt. Mediz. Beform; 1907, Nr. 52.
In Herford, Harburg, Bielefed und neuerdings auch in Erfurt und Dort¬
mund ist der Kampf gegen den Alkoholismus von Seiten der Polizei oder der
Stadt planmäßig anfgenommen worden. Die in diesen Städten eingerichtete
Trinkerfürsorge führt Kontrolle über die einzelnen Alkoholisten und sucht
ihnen außer durch ProtokoUerung der einzelnen Fälle je nachdem durch ernstes
Zureden oder aber sie durch Entmündigung nach Möglichkeit unschädUch zu
machen. An SteUe dieser in den Händen der Polizeiorgane und sozialgesinnter
Laien ruhenden Trinkerfürsorge will Waldschmidt eine von ärztlichen
Gesichtspunkten ausgehende Speziallürsorge für Trinker ungefähr nach dem
Muster der Fürsorgestelien für Lungenkranke. Er ruft die Aerzteschaft von
Groß-Berlin zur tätigen Anteilnahme der Einrichtung derartiger Fürsorge-
steilen anf. _ Dr. Paul Schenk-Berlin.
Die Behandlung der Alkoholisten. Beferat, erstattet in der Sitzung
der Vereinigung für gerichtliche Psychologie und Psychiatrie im Großherzog¬
tum Hessen am 4. Mai 1901. Von Dr. med. Waldschmidt, Charlottenburg.
Juristisch-psychiatrische Grenzfragen; Band VI, Heft 2 u. 8.
Ein hoher Prozentsatz der Alkolisten ist erblich psychopathisch belastet.
Außer dem vererbten Alkoholismus kommen für die alkoholische Minderwertig¬
keit des Geistes auch Ernährungsstörungen, Infektionskrankheiten, Traumen
in Betracht. Nicht alle Alkoholkranke sind trunksüchtig. Zur Trunksucht
gehört der unwiderstehliche Zwang.
Waldschmidt will, daß in Zukunft mehr^Tmnksüchtige als bisher|
Kletaere MittelliwgttB und Beferate am ZdtBchriftra.
848
] zwaagBwdae Speaialanstalten Aber wiesen werden. Die Hoffirang, dafi die An* /
* dxolmng der ESntmttndignng voUe Trinkerlieilanstalten erwirken würde, hat*
sieh nicht erlttUt. Die yorhandenen Anstalten sind höchstens an be*
setst. Jetzt soll der Staatsanwalt das Becht erhalten, den Antrag anl Ent*
m&ndignng der Tronksttchtigen zu stellen. Außerdem soll in einem Trinker*
fftrsorgegesetz die Möglichkeit yorgesehen werden, Alkoholkranke gegen ihren
Willen ohne Entmtlndignng einer Spezialanstalt zoznweisen. Zunächst freilich
ist immer der Versnch za machen, den Alkoholkranken ditrch ernstliches Za*
reden zom freiwilligen Eintritt za bewegen.
In einer Trinkerheilatätte gibt es mehr za tan, als Moralpredigten za
halten oder lediglich die Abstinenz beizabringen. Daher maß zar Leitang der
Triakerheilstätte unter allen Umständen ein psychiatrisch gebildeter Arzt be*
rufen werden. Macht doch schon die sachyerständige Begatachtang der unter
den Pfleglingen zahlreich yertretenen Alkoholkranken, welche sich gegen das
Strafgesetz yergangen haben, die ärztliche Leitung der Anstalt notwendig.
Geradezu unerträglich ist der gegenwärtige Zustand, daß der Leiter der Heil*
Stätte in bezug auf die Dauer der Behandlung bei den .freiwillig* eintreten*
ten Kranken yon einem geistig nicht yollwertigen Menschen abhängig ist.
Gegen Schluß des ersten Vierteljahres der Heilstättenbehandlung pflegen die
Alkoholkranken ein euphorisches Stadium zu passieren, welches bald yon der
entsprechenden Depression abgelOst wird. In dem enphorischen Stadium
glauben die Kranken, der Anataltspflege nicht mehr zu bedtlrfen, da sie nach
Qirer Ansicht allen Anfechtungen gewachsen sind. Bier müßte der Arzt
das Becht haben, den Kranken in der Anstalt zurflckzuhalten. Die Korn*
bination offener und geschlossener Häuser, wie sie in Waldfrieden durch*
geftthrt ist, hält Waldschmidt fflr seu zweckmäßig.
_Dr. Paul Schenk-BerUn.
B. KArparpfleg«. Volkabadawasan und Bndaanstaltaa.
Beltrige zur hyglenlsohea Erziehung des Mensehengesahleehtes.
Von Oberstabsarzt Dr. Neumann. Blätter f. Volksgesundheitspflege; 1907,
Nr. 11.
Die Beinlichkeit ist die Grundlage aller Hygiene; sie spielt eine große
BoUe bei der Desinfektion, bei der sogenannten ersten Hilfe, in der operatiyen
Medizin, nicht zum mindesten aber bei der Verhfltung ansteckender Krank*
hdten. Sie muß sich namentlich auf die Hände erstrecken und eine sorgfältige
Nagelpflege einschließen. In diesem Punkte kann nicht weit genug gegangen
werden.
Wir setzen unsere hygienische Hoffnung der Zukunft auf die Kinder.
Wir setzen sie auf den hygienischen Schulunterricht, den der Arzt und der
hygienisch gebildete Lehrer erteilen soll. Es ist notwendig, daß in den Schul*
lehrerbildungsanstalten aller Art ein durch Aerzte zu etteilender hygienischer
Unterrichtskursus als ein wichtiger Teil der Pädagogik elngefttbrt werden muß.
Die belehrten und zur Hygiene erzogenen Lehrer sind daher imstande, anch
die Schüler zu erziehen. Man wende nicht ein, daß dadurch die Kurpfuscherei
gefördert würde, im Gegenteil: ein richtig geleiteter hygienischer Unterricht
ist das beste Mittel, der Knrpfuscherei entgegen zu arbeiten. Prcilich darf
hier eins nicht yergessen werden: Verhütung yon Krankheiten und Behandlung
yon erkrankten Menschen ist nicht dasselbe. An der ersten Aufgabe erzieherisch
mitzuarbeiten, ist jeder berufen; wenn er selbst eine zweckmäßige fach*
männische Belehrung durch den Arzt erhalten hat. Dann sind wir sicher, daß
gewisse hygienische Grundregeln, die der Wissenschaft entsprechen, in die
Lehrerschaft übergegangen sind. Die Behandlung erkrankter Menschen ist
lediglich Sache des Arztes. Von diesem Grundsätze können wir nicht ab*
weichen. Eine einzige Ausnahme macht der Unterricht in der ersten Hüte
bei Unglücksfallen. Auch hier aber zeigt der richtig geleitete Unterricht, wo
die Grenze liegt zwischen der Laienhilfe und der Behandlung Erkrankter durch
Aerzte. Dieses Gebiet grenzt ebenfalls lediglich ein guter Unterricht ab.
Wenn wir nun z. B. unsere Kinder yon klein auf an saubere Hände,
an reine Nägel systematisch gewöhnen, wenn wir ihnen durch hygienische
Erziehung die Unsauberkeit, den Schmutz abgewöhnen, so kommen wir anch in
der hygienischen Erziehung der Menschen einen großen Schritt weiter yorwärts.
344
EMaere MltteQiingaB nad Baferata aai Zaltaehiiftea.
Eltarahaas oad Schola wirken hier aintrlektig ztuammea. In dar Eindarerziakaac
ist die Erziehong zur Bainliehkeit obenan za stallen. Diese Erziehung man
eine grfindlicha sein. Im Eitemhaase ist der Grand za legen, in der Schale
ist die Erziehung fortzasetzen. Gerade auf die unbedingte Eörperreinlichkeit,
Tor allem Handreinlicbkeit, ist Wert za legen. Der Wert dieser byrienischen
Einderstabe wird dann auch später gespürt beim Erwachsenen, fländewaschen
and MuadspQlen yor dem Essen und nach dem Essen gehören gleichfalls hierher.
_ Dr. Wolf'Marburg.
Die Pflege der ESrperkaltar Im Jerdanpark za Krakau« Von Proi
Max Gatmann-Wien. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege; 1906, N. 1.
Vor 20 Jahren begrflndete der Philanthrop y. Jordan ans eigenen
Mitteln in Erakan die 10 ha umfassende Parkanlage mit Spiel- und Tarn-
plitzen zur Erholung and Eräftigang der gesamten BeyOlkerang, die noch
honte in Europa fast einzig dasteht. Daß große Mißtrauen, das £e Beyölke-
rang zonächst der Binrichtang entgegenbrachte, woßte der Stifter durch an-
ermttdiiche, selbstloseste Tätigkeit und durch yerschiedene Wohlfahrtseinrich«
tnngen, wie Bekleidang der ärmeren Binder und Lebrbarschen, Einffthrong yon
Sparbttchem, Brausebädern n. a. allmählich za überwinden, so daß in den günstigen
Monaten jetzt täglich etwa 1200 Kinder dort Erholung and Kräftigung Anden.
An den Sonntagen gehört der Park aosschließlich den Arbeitem, Gesellen and
Lehrlingen. Die Erfolge sind außerordentlich gute, nicht nur anf hygienischem
Gebiet, sondern yor allem auch anf ethischem. Jordan ist yorigen Sommer
gestor^n; sein Vermächtnis hat die Stadt Krakau angetreten, die jetzt,
am den Spielen der reiferen Jagend mehr Platz za gewähren, beabsichtigt,
einen 200 ha großen Wiesenplatz, der sieh an den Jordanpark anschließt, als
Spielplatz zngänglich za machen und nach englischem Master auch eine
Schwimmanstalt der Anlage znzafügen. Dr. Solbrig-Allenstdn.
Helsslaftbflder als Tolksblder. Von Ingenieor W. Granow«Altona.
GesnndheitS'Iogeniear; 1907, Nr. 61.
Solange den Minderbegüterten and haaptsächlich der arbeitenden Be-
yölkerongsklasse eine Badegelegenheit in der eigenen Wohnung nicht geboten
wird, miu der Staat oder die Eommone durch Errichtung yon Volksbädem
mit tunlichst niedrigen Preisen für das Volkswohl sorgen. Bei Auswahl der
f geeigneten Badearten wird man sich fragen müssen, ob nicht durch die An-
liederung yon Heißluftbädern an Volksbadeanstalten dieser Verpflichtunff am
esten entsprochen wird, indem dadurch diese Art der leichten und aabei
intensiyen körperlichen Beinigunff, yerbunden mit außerordentlicher Heilkraft,
den weitesten Kreisen der Beyölkerung zugänglich gemacht wird.
_ Dr. Wolf-Marburg.
Elalge TenchlBge bezflgUeh der EtnrichtuBg yon Badeaaztaltea«
Gesundheits-Ing.; 1908, Nr. 2.
Es wird hier das sogen. Umwälzungsflltrlersystem yorgeschlagen, um
folgende Vorteile zu erreichen:
1. Verminderung des Frischwasserrerbrauchs,
2. Verminderung des Wärmeyerlustes,
8. Verbesserung des Beinheitszustandes des Sebwimmbadwassers und
des Bassins,
4. Erhöhung der Ergiebigkeit der Kaskaden.
Das betreffende System erfordert nur die Einschaltung eines oder
mehrerer Filter in die Umwälzungsleitung. Die Filter brauchen nicht sehr
groß zu sein, weil nie große Fiitriergesenwindigkeit zulässig ist; als Filter-
materiid wird am besten Kies benutzt. Die Beinigang der Filter geschieht
am besten durdi Luftgebläse; eine Ozonisierung des Umwälzunffswasseri
würde zu kostspielig sein. Dr. Wolf-Marburg.
Ein neuer Sleherheits-Mlsehapparat für Badeanlagen« Von K. Kauff-
mann. Gesundheits-Ing.; 1908, Nr. 2.
Seit einiger Zeit hat sich ein neuer Sicherheitsmischapparat im Betriebe
praktisch bewährt, der infolge seiner Einfachheit und neuartigen Wlrkuaias-
Kl«here lüttdlugea ud Sefertte »us Zeltaelirifkeii.
845
weise Beaehtong Terdient und einen Fortschritt bedentet. Als weiterer Vor*
teil wird die Billigkeit erwähnt, so dafi man diesen Apparat anch in solchen
FiUen mH rerwendw kann, in denen man ans Sparsamkeitsgrttnden sonst Ton
einer Sicherheitsrorrichtang tiberhaapt absehen würde.
_ Dr. WoH-Marbnrg.
F. ▼•rkehrsliyFleA«.
Der Terkehr ind die TerkehrssebBden. Von Geh. Bat Prof. Dr.
Bahn er. Hygien. Bondschan; 1907, Nr. 18. (Festnnmmer sa Ehren des
XIV. Internationalen Kongresses für Hygiene und Demographie).
Unter dem flisenbahnpersonai erkranken die Zagbeamten häafiger als die
Stationsbeamten und Bahnwärter. Die ZagbefOrderangsbeamten werden mit
46 bis 50 Jahren, die Zagbegleitong mit 51 bis 55, die Stationsbeamten mit
56 bis 60, die Bahnbewacnong mit 60 bis 65 Jahren pensioniert. Becht händg
sind unter den ZagbefOrderangsbeamten NerTenkrannheiten, Krankheiten der
Verdaaangs- and Zirkalationsorgane. Der Großstädter ist aaf die verschie*
densten Verkehrmittel angewiesen; die Zahl der Fahiten ist von 42 pro Jahr
and Kopf im Jahre 1877, auf 190 im Jahre 1897 gestiegen; damit hänfen sich
auch die Unfälle. Der Verkehr bringt die verschiedensten Belästigongen
dnrch Baach and Boß der Stadtbabnlokomotiven, Bensingerach der Motor*
fährseoge osw. mit sich. Am schädlichsten ist der Straßenlärm, der eine
gewisse nervOse Anspannnng erseagt. Der Lärm rührt in seiner leisten Ur¬
sache von den Stoßen her, welche das Wagenmaterial treffen. Diese Stoße
and Bewegungen können manchen bei langen Fahrten sa einer Art Seekrank¬
heit bringen und bedingen die Anstrengung der Fahrt durch die fortwährenden
Aosgleieksbewegangen, die sie vom KOrper verlangen. Verfasser hat einen Sto߬
messer konstruiert, der die Stoße durch eine rotierende Trommel und drei schnell-
schwingende Pendel aufxeichnet. Es folgen verschiedene Abbildungen von
Kurven, die während einer Dampfschiffs-, Eisenbahn- und Omnibusfabrt auf-
genommen sind. Das Dampfboot ut last vollkommen stoßfreL Bei der Eisen¬
hahnfahrt entstehen sahireiche Stoße; wesentlich großer sind aber die Schwan¬
kungen bei einer Omnibusfahri. Für einen Kilometer Weg erhält man in der
Eisenbahn 180, in der Pferdebahn 7860, im Omnibus 115SD QuerstOße.
Durch deu Stoßzähler ist man in der Lage ganz objektiv die Verhält-
nisM eines Verkehrsmittels zu beurteilen.
Selbstverständlich wird auch für die Kontrolle des Betriebes auf Bahnen,
auf anderen Verkehrsmitteln, auf Seeschiffen und Kriegsschiffen durch weitere
Experimente und Beobachtungen manche wichtige Frage gelOst werden
können.
Ein Teil der großen Gefahren und Unbequemlichkeitea des Straßen¬
verkehrs wird in neuerer Zeit durch die unterirdische Anordnung der Ver¬
kehrsmittel vermieden. Aber auch dann wird es Aufgabe der Behörden
■ein, durch Kontrolle des Fahrmaterials zu einer Hebung und Besserung der
letzteren im Interesse der Beisenden wie der Fußgänger und Anwohner bei-
zutragen. _ Dr. Knrpjuweit-Berlin.
O. Oeflngntnhjrgiana.
Staatsgeflngnls ln Buenos-Ayres. Von Direktor Antonie BallvO-
Buenos-Ayres. Arcbivos de Psiquisatrie y Criminoiogia. Mai-Juni 1907.
Der Direktor des Nationalgeflngnisses in Buones-Ayres hielt über die
äußere und innere Einrichtung desselben einen Vortrag auf dem 8. Congiös
medico-latin-americain in Montevideo. Das 1000 Strafgefangene anfnehmende
Gefängnis wurde gebaut in den Jahren 1869—1877, wo sich die ersten huma¬
nitären Bestrebungen auch auf diesem Gebiete gelten machten. Die 704
Gefangenensellen Uegen an 5 langgestreckten Gebäuden, welche strahlenförmig
von einen gemeinsamen Mittelpunkt aasgehen, so daß die sämtlichen 5 Korri¬
dore von einer Stelle aus übersehen werden können. Umgeben sind
■ie von Gartenanlagen, in denen sich noch Einzelgebäude, wie Krankenhaus,
Fleischerei, Bäckerei u. s. w. befinden. Die ganze Anlage ist von einer 7 m
hohen Mauer umgeben. Die Zellen haben eine Große von 4:2,2. Die Ge¬
fangenen werden möglichst nach Gruppen eingeteilt, so daß die leichteren von
den schweren Gefangenen und vor allem die BückfäUlgen gesondert sind.
846
Klflinere MitteüiiBgeii and Beferate »ns ZettsehrilteB.
Bemerkenswert sind die aoßerordentlich homanen Prinsipien in der
Leitung, welche in der moralischen Wiederherstellung der Gefangenen das
Ideal sieht Die Disziplin ist streng und gerecht; ein absolutes Aufgeben
des eigenen Willens ist die Bedingung, die durch Bat und Ueberredung er«
reicht wird. Körperliche ZOchtigung ist absolut ausgeschlossen, einzige Strafe
ist Zellenhaft, die bis zu 14 Tagen verhängt werden darf, ev. mit Yerschär*
fung durch Beschränkung der Kost. Die oberen Beamten der Strafanstalt
bilden zusammen eine Art von Gerichtshof, welcher halbjährlich die Gefangenen
nach ihrer Führung in 6 Stufen einteUt nach den Aussagen der Wärter,
Lehrer und Arbeitsvorsteher. Jede dieser Stufen gewährt den Gefangenen
eine fortlaufende Beihe von Vorteilen, die in der Erlaubnis von Besuchen, Be«
nutzung des Turnplatzes an Sonntagen und anderen Freiheiten bestehen und
die in der jährlichen Verminderung des Strafinaßes gipfeln. Dies System der
selbst erworbenen Belohnungen hat bisher nur gute Erfolge erdelt. Das
Gebot des beständigen Schweigens ist als widernatürlich aufgegeben. Der Tag
des Gefangenen ist so eingeteilt, daß für Gesundheitspflege, Ern^rung und Buhe«
pausen 4, Arbeit 9, Schulunterricht 2, Schularbeit in den Zellen 1 und Schlaf
8 Stunden entfallen. Die gesundheitliche üeberwachnng ist sorgfältig geregdt,
so daß der Gesundheitszustand der letzten 7 Jahre ein guter gewesen ist.
Fälle von Irrsinn kamen in 2°/oot Selbstmord seit 1900 nur in einem Fall und
8 Versuchen bei einen jährlichen Mittel von 2976 Gefangenen vor.
Der Schulunterricht Ist für alle Gefangenen obligatorisch. Die Schule
verfügt über 12 Säle mit je 50 Schülern, über Bibliothekssaal und Museum;
an ihrer Spitze steht der Direktor mit 15 Lehrern. Das Schulprogramm um¬
faßt 8 Gruppen: 1> Lesen, Schreiben, Sittenlehre und Geschichte, 2) Bechnen,
Geographie und Naturwissenschaften, 3) Kalligrai^hie, künstlerisches Zeichnen,
Schreibmaschine, Gärtnerei und Gemüsesucht. Die Erfahrung lehrt, daß die
Gefangenen mit großem Eifer die Erweiterung ihrer Kenntnisse betreiben.
Der Besuch des Gottesdienstes ist freiwillig; die reliriöse Zeremonie wird
mit möglichster Feierlichkeit abgehaiten; die besten Prediger, den Gefangenen
fremd, werden um ihre Mitwirkung gebeten; Musik und Gesang begleitet den Akt.
Als Haupterziehungsmittel der Gefangenen botrachtet auch der Ver«
fasser die Arbeit und zwar verlangt er, daß die Gefangenen entweder ein
Handwerk lernen oder in ihrem Handwerk weiter ansgebildet werden, um im
späteren Leben ihr Fortkommen finden zu können. Die Arbeit muß produktiv
sein, nicht zwecklos wie ,the hard labour" der englischen Gefangenen, zu«
nächst um den Wert der Arbeit klar zu machen und um auch dem Staat die
materiellen Vorteile seiner Arbeit zu lassen. Eine unfruchtbare Arbeit ist
ebe verhaßte und drückende Last; die Liebe zur Arbeit kann nur durcJi pro¬
duktive Arbeit erreicht werden. Darum hat das Nationalgefännis 26 ver«
schiedene Werkstätten eingerichtet, von denen einige nur die Bedürfnisse der
Anstalt selbst arbeiten. Die wichtigsten unter bnen sind Buchdruckerei,
Seilerei, Schmiede, Tischlerei, mechanische Werkstatt und photographisches
AteUer. Alle sind mit sämtlichen Maschinen ansgestattet, so daß das Voll«
kommenste auf jeden Gebiet erreicht werden kann. In der Buchdruckerei
sind im Jahre 1907 76 verschiedene Bücher gedruckt; es werden sogar amt«
liehe Blätter herausgegeben.
Die Schubmacherwerkstätte hat im selben Jahr 9000 Paar Stiefel und
86000 Paar Schuhe für die Armen geliefert. Der Gesamtwert der verfertigten
Arbeiten betrug 1907 692765, der Beingewinn 72% dessen, was die Erhaltung
des Gefängnisses dem Staate kostet.
Die Gefangenen sind wegen ihrer guten Ausbildung am Ende ihrer
Strafzeit gesuchte Arbeiter.
Der Aufsatz, dessen etwas ausführlichere Besprechung für die Leser
dieser Zeitschrift nicht ungerechtfertigt sein dürfte, irt mit emer ^oßen Au«
zahl Abbildungen ans dem Gefängnis und seinen Werkstätten verswen.
_ Dr. Solbrig-Allenstdn.
B. Bestattimgzw6f0]i.
Die LelehenefnlschemDg vom soslalhyglenlzehen Standpnukto. Von
Dr. med. Moritz Fürst in Hamburg. Deutsche Vierteljahrschrin für OffentL
Gesundheitspflege; 1907, Bd. 89, H. 8.
Verfasser bekämpft die von verschiedenen Seiten gegen die Feuer«
Klfliaero MikteQiugeii and Beferato nos ZeitsohfUtnn.
847
bentattong erhobenen Einwände, hält den reserfierten beaw. ablehnenden
Standponkt einzelner Hygieniker nicht ftlr gereditfertigt and yertritt die An¬
sicht, daß die lakaltatiye Einffihrong der Leichenyerbrennang and ihre mOg-
lichtst große Verbieitang ein ökonomisches and sozialhygienisehes Postolat
ist. Aach ihr Preaßen, wo sich ein ganz besonders heftiger Widerstand
geltend macht, erhofft er die baldige Freigabe der Feaerbestattang. (Die
demnächst za erwartende Entscheidung des Preaß. Oberyerwaltangsgerichtes
in Sachen des Hagener Erematorioms dürfte eine Klärong der Verhältnisse
herbeUtthren. Bel) Dr. Liebetraa-Hagen L W.
ErwigwigeB bei der Erbavong and Etaurlehtang tob LelehoBhliueni.
Von Dr. Haberstolz in Weimar. Hygien. Bandschan; 1907, Nr. 9.
Der Neabaa des Leichenhaoses in Weimar gab za folgenden Ans-
ffthmngen Yeranlassong:
Der Leicbenaafbewahrongsraam wurde als ein oblonger Baum mit mitt¬
lerem Gang and nach beiden Seiten nebeneinanderliegenden, nisdhenfOrmigen,
yerschließbaren Leichenzellen angeordnet. Die Desinfizierong des benatzten
Baumes ist dadurch eine beschränktere und leichter za handhabende. Der
Leichengeruch bezw. die Fäalnisgase finden ihren Abweg durch das Ventila¬
tionssystem, welches ln jeder Zelle eingerichtet ist. Das Zellensystem ermög¬
licht einen möglichst hermetischen Absehlaß jeglicher Insekten.
Zar Größenbemessong der Leichenhalle wurde die Zahl der Beerdigten
seit SO Jahren, die Beydlkerongszunahme seit 100 Jahren einer Prflfang onter^
zogen and tabellarisch zasammengestellt; danach hatte sich die Beyölkerang
in 100 Jahren 4,5 mal and die Somme der Beerdigten in 80 Jahren 2,6 mal yei-
größert. Im allgemeinen war die Sterblichkeit in den letzten Jahren eine
geringere geworden.
Bei der Größenbemessong der Leichenhalle maß besonders auf die Zu¬
nahme der Belegung bei schweren Epidemien Bfloksicht genommen werdmi.
Bei einer Cholera- und zwei Infiaenzaepidemien hatte das alte Leichenhaos
in Weimar nicht aasgereicht. Unter Berficksichtigang aller Fakttwen kommt
der Verfasser za dem rechnerischen Schloß, daß f& ein Gemcdnwesen yon
80000 Einwohnern auf 100 Jahre rund 50 Zellen aasreichen. Die Bodenfiäche
der gesammten Leichenhalle muß einschließlich der Nebenräome rond 1025 qm
betragen. Zwecks leichterer Orientierang für kleinere and größere Gemeinden
fügt der Verfasser eine tabellarische Berechnung beL
Es folgen mehrere Abbildungen der ganzen Anlage, einzelner Teile und
dn Grundriß. Aus der Beschreibung ist folgendes heryorzaheben;
Die Leichenhalle hat ein Erd- und ein Kellergeschoß, die durch einen
Aufzug zam Transport der Leichen yerbanden sind. Ein großer Baam dient
als Aasstellangszimmer. Ferner ist eine Kapelle yorbanden. Die Zellen sind
hoch and licht, die Wände sind mit Oelfarbe gestrichen, der Faßboden mit
Terrazo gedeckt. Jede Zelle ist darch ein elektrisches Läutewerk mit der
Wohnung des Friedhpfsinspektors yerbanden und zwar wird jeder ebzelnen
Leiche der Drttcker der Leitung in die Hände gelegt. Ferner ist ein Sektions¬
raum, ein Arztzimmer und, was besonders für Seacbenzeiten wichtig ist, ein
Bade- und Desinfektionsraum yorhanden. Dieser Baum liegt im Kellergeschoß.
Dort befindet sich auch eine Zentralbeizungsanlage. Die Heizung tlbt auch
auf die Funktion des Ventilationssystems einen günstigen Einfiaß aus. Zur
Lüftang dienen drei Aspiratoren auf dem Dachfirst und Luftschächte, die mit
den Zellen in Verbindung stehen. In den Zellen wird der Deckel der Särge
abgenommen, so daß die Leiche offen und sichtbar darliegt. Hier findet auch
die tägliche üntersuchung und Beobachtung seitens des die offizielle Leichen¬
schau ausübenden Arztes statt.
In seinen Schlaßausfüfarungen bezeichnet der Verfasser es als dringend
wünschenswert, daß alle Gemeinwesen einwandsfreie Leichenhäuser errichten;
kleinere Gemeinwesen (Dörfer) sollten sich zur gemeinsamen Benutzung eines
Leichenhaoses zusammentun. In der Prophylaxe der Seuchen sind, wie der
Verfasser aaseinandersetzt, 1. die obligatorische Benutzanu der Leichenhäuser,
2. die möglichst baldige Ueberführung der Leichen dorthin mit nachfolgender
Desinfizierung der Sterberäume und 8. Aufbewahrung der Leichen in streng
^gienisch eingerichteten Leichenhäusem bis zur Beuetzung, die wichtigsten
Etappen, welche sum Ziele führen. Dr. Kur pj uw eit-Berlin.
348 Klaiaere Miitdloogeo und Bafentte ans Zaitsahzlftaii.
L HabaamenwaMB.
Wia sallan dia gabtlgen Fählgkeitaa dar HabammaaaapIraBtlBaaB
gaprtlft wardant Voa Dr. Bißmaan, Direktor der ProTiazial-Hebammaa«
Lekranstalt in Oanabrttck. Oynäkoiogische Bondechaa; 1908, Nr. 6.
Verlaeser fordert eine viei bessere Vorbildung Ittr den Ebtritt ln
die Hebammenscbule und bilt es nicht fttr die Aufgabe der Krebärsta, dia Heb*
ammenaspirantbnen auch b bezug auf ihre geistige Fähigkeit zu prüfen. Der
geistige Befahigungsnaohveb zum Besuche eber Hebammeaschub müsse Tiai*
mehr durch eb l^ubeugnb erbracht werden, wonach die Aspirantb aba
Tklassige Volksschule oder die entsprechende Klasse eber mittleren Schule
mit gutem Erfolge absolriert hat. Andernfalls müsse sieh diese vor dem Eb¬
tritt b die Answt nochmab eben solchen Elementarunterricht TerschafEea,
daß sb b eber yor Schulmännern, nicht yor Medizbem, abzulegenden Auf¬
nahmeprüfung eben kbrea Verstand und ebe gute Auffassungsgabe aach¬
auweben yermag. Biß mann hält es außerdem für nOtig, daß Ae Behörden,
denen Ae HebammeAehranstalten unterstelit sbd, auch Mnfluß auf Aa an dar
Ausbildung der Hebammen zu stelleaden Aufnahmebedbgungen ausübea kOnnan;
er wünscht deshalb ebe Verstaatlichung Aaser Anstalten. Bpd.
Dia Zahl dar Habammaa la den auropftlaehaa Staataa. Voa Dr.
Prinzing b Dim. SoziAe Medbb und Hygiene; 1906, Bd. 8, Nr. 1.
In ganz Deutschland gibt es unter Zngrundebgung der Zählung des
Jahres 1898 87 025 Hebammen. Anf 10000 Einwohner kommen 6,8 Hebammen;
auf ebe Hebamme durchschnittlich 56 Geburten. Die Östlichen Proybzen sbd
arhebilÄi schlechter yersorgt ab der Westen. Es kommen z. B. anf eba
Hebamme b Hessen 9,9 Quadratkilometer, b Ostpreußen dagegen 48,8 und
b Posen sogar 58,9 qkm. Keb Wunder, wenn eb großer Teil der Geburten
hier ohne Hebamme, unter Assbtenz yon Pfnscherbnen yarlänft Nur Aa
Hälfte der Hebammen hat eb Ebkommen yon über 400 Mark.
Es würde zu weit führen auf die b der Arbeit niedergeleg^ten Zahlaa-
angaben über Ae Verhältnbse b dem übrigen Deutschland und in den aüßer-
deutschen Staaten ebzngehen. Die übersbhtlich angeordnetaa 2SahlenaagabaB
müssen im OrigbA nachgesehen werden. Dr. Dohrn-Hannoyer.
Tom anglisehaa Hahnmmenwaaan^) (Notas on iha midwiyas act).
Public health Ö.; 1907, Nr. 8. Dezember.
Auf eine an Ae englbchen Hebammen ergangene Bundfraga antwortataa
2796 Hebammen. 928 lebten yon ihrem Hebammenberuf alleb, 1162 waren
yerheiratet, 706 hatten nebenbei eben anderen Beruf. Im Durchschnitt ant-
flelen anf ebe Hebamme im ganzen Lande 88 Geburten, in Städten 61,
auf dem flachen Lande 18; b London hatten einige Hebammen über 8(X) Ent-
bbdnngen im Jahr. Das Honarar schwankte zwbchen 8'/> oad 10‘/t sh. für
eben Pall; im Durchschnitt war es b London, außer in der Nachbarschaft
yon HebammenschAen, 10 sh. AA dem flachen Lande kann ebe Hebamme,
wenn sie anf ebe BeyOlkerung yon 80(X) Menschen angewiesen bt und yon
den 26 aA 1000 Menschen entfallenden Geburten 18 übernehmen kann, wenn
ferner ihre Einnahme wirklich 10 s. beträgt, bei 150 Jährlichen Entbbdungen
ebe Jahreseinnahme von 75 £ haben.
Von nicht geprüften Hebammen zogen sieh bfolge des neuen Gesetzes
bis zu 90^0 vom BerAe zurück; yon geprAten starben b England und
Wales b den letzten 8 Jahren 194; yon der Lbte gestrichen wurden b den
yergangenen 2 Jahren 41.
Wenn im Jahre 1910 ungeprAte Hebammen Acht mehr praktiziereB
dürfen, so wird Ae erste Folge sein, daß Ae HebammentätigkAt yon Aerzten
übernommen werden muß. Es bt aber fraglich, ob die Aerzte Ae genügende
Zeit und Fürsorge bren PflegebAoblenen werden widmen kOnnen. FA db
Gesundheit yon Mutter und Kind sbd besonders b armen Bezirken und in
der Eassenprazb Ae Hebammen yorzuziehen. Es em^eAt sich daher schon
jetzt, meA Hebammen auszubiiden, und Ae Kosten ^0—80 £) fA Ae ente
1) VergL Zeibchrift fA MedizinAbeamte, 1905, 8. 784; 1906, 8. 478;
1907, 8. 891.
Tagesnaohriehteii.
849
AoBbfldiiDg TOii mildtitigen Ghaellachaften oder den Fonds der LoknlTenrnltnng
gbemehmen zn lassen.
Wie schwer es ist, in NotfiUlen bei Geburten intliohe ffilfe sn er¬
lügen, lehrt eine jüngst in WanAsworth dnrdigeftthrte üntersnchnng.
Die Hebamme war der Ansiebt, das Kind habe eine Jtfißbildnng («mallormap
tion“) des Herzens und sandte den Vater nach einem Arzte. Zwei Aerzte
weigerten sieh, ohne Bezahlung zu kommen; der dritte war ^e ganze Nacht
ausw&rts gewesen. Als der Vater zurück kam, fand er das Kind tot. Die
Hebamme hatte eine grofie Kundschaft, und früher nie Schwierigkeiten gehabt,
irztliche Hilfe zu erlügen. Einer der Aerzte gab an, er erhalte, wenn er
nachts gerufen werde, gewöhnlich kein Honorar. Im Torliegenden Falle bitte
der Armenarzt gerufen werden sollen. Der Koroner legte dar, daft dnri^
den Sachverhalt ein Fehler im Hebammengesetze offenkundig werde; die
AimenbehOrde habe übrigens die Pflicht, in solchen Fällen das Honorar zu
bezahlen. _ Dr. Mayer-Simmem.
Syphilis der Hebammen und HebammenrenlehemBg. Von Dr.
A. Blaschko in Berlin. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung; 1907, Nr. 28.
Blaschko beschäftigt sich hauptsächlich mit den Schindlersehen
Vorschlägen, die Hebammen gegen den Schaden luetischer Infektion zn versichern
und ihnen auch durch Versicherung in denjenigen Fällen Unterstütxnngen zu
siehem, in denen sie wegen Kindbettfleber und anderen ansteckenden Krank¬
heiten pausieren müssen. Blaschko befürwortet die A^na^e der Heb¬
ammen ln die Arbeiter- (Kranken- oder Invaliditäts-) Versicherung und die
Verteilnng der Lasten auf Auftraggeber und Hebamme zu gleichen Teilen.
Auch für den Arzt bleibt das Ideal eine obligatorische staatliche Versicherung.
Dr. Lohmer-COln.
X. Knrpftuol&erelwMeii.
Die BekXmpfnng der KnrpfüschereL Von Dr. Siefart-Berlin.
Soziale Medizin und Hygiene; 1907, Bd. 2, Nr. 12.
Verfasser deflnieit den Begriff „Kurpfuscher** dahin, dafi es Leute sind,
die ohne Vorbildung und ohne Befähigungsnachweis mit dem teuersten Gut ihrer
Mitmenschen spielen. Der Schwerpn^ ihres Wesens liegt darin, daß sie ihre
TOtigkeit „gewerbsmäßig** betreiben, gleichviel in welcher Form sie sich ihre
Leistungen (mit Geschenken ?) bezahlen lassen. Dem Kurpfuscher von Profesdon
muß der gute Glaube von vornherein abgesprochen werden, denn er weiß,
daß er sich zu Unrecht und gegen die Moru bezahlen läßt.
Die Behauptung, daß die „natürlichen Heilfaktoren** erst von Prieß-
nitz und Kneipp gegenüber der Medizinalbehandlung zur Geltung gebradit
sind, ist irrig. Man hat diese Faktoren schon immer gekannt und in ver¬
nünftiger Weise angewandt.
Auch die Behauptung, daß die Naturheilkunde nur Luft, Sonne,
Wasser etc. und keine Arzneimittel verwendet, ist falsch. Jedermann weiß,
daß der Arzneischatz der sog. Natnrheilheilknnde ein recht beträchtlicher ist.
Dr. Dohrn-Hannover.
Tagesnachrichten.
Gehaltsverbesserung der Hedlzlnalbeamten ln Prenssen. Die Be¬
nachteiligung der Kreisärzte, die diese jetzt durch die Festsetzung von
Bauschvergütungen für Dienstreisen erlitten haben, wird, wie die politischen
Zeitungen berichten, bei der eigentlich schon für den 1. April d. J. in Aus¬
sicht genommenen und nunmehr im Herbst kommenden preußischen Besol-
dnngsvorlage voratusichtlich mehr als ausgeglichen werden. Einmal werden
bdde Arten von Kreisarztstellen, die voU besoldeten und die nicht voll
besoldeten, in ihren Gehaltsbezügen Zulagen erhalten; anderseits ist audi
für beide Beamtenkategorien eine Erhöhung der Dienstaofwandsentschädigung
in Aussicht genommen; desgleichen wird die Bemuneration der Kreisassi¬
stenzärzte erhöht werden. Schließlich soll auch die Pensionierung der nicht
voll besoldeten Kreisärzte in einer ihren Wünschen entsprechenden Form ver*
bessert werden.
860
TagesnMltfMiteiL
Der Tom Beidnemt des Innern «ugearbeitete Kitmurf elBM Weib»
gesetiee üt jetzt vom Beiduanseiger yerOffentlicht. Im guten zeigt er «In
bemerkenewertee Streben, den Interessen der Weinbuer wie der Händler ud
Eonsnmenten gleichmäßig za dienen. Außerdem sind die einzelnen Vorschriftm
ttbersichtlidier gefaßt and in bezug auf die Yerwendug Ton Zusatzstoffeil,
Zu(^erug des. Weins, Deklaration der Yerschnittweine, Schutz gegen Hifr'
brauch der Namen von bestimmten Weinbergslagen, sowie gegen yorhudene
Mißbränche in der Schanmwein> ud Eognakindastrie abgeändert; die Beetim-
mugen ttW die Buchftthiug, Kontrolle durch Sachyerständige, sowie die
Strafyorschriften sind erheblich verschärft. Die Bestimmug im § 1, wonach*
Wein das durch alkoholische Gärug au dem Safte der frischen Weintraube
hergestelite .Getränk ist, hat dieselbe Fassung wie bisher behalten. Im § 8
wird die Herstellug von Wein ans Erzeugnissen verschiedener Herkunft oder
Jahre (Yerschnitt) gestattet, jedoch ein Yerschnitt von Weißwein mit Sftd-,
Süßwein verboten, ^trefis der Zuckerug des Weines heißt es im § 8: Bei
ugenügender Beife der Trauben darf dem Traubenmost oder dem Wein, b«
Herstellug von Botwein auch der vollen Traubenmaische so viel Zucker oder
Zuckerwasser zugesetzt werden, als erforderlich ist, um Wein zu erzielen, der
dem au Trauben gleicher Art ud Herkuft in Jahren der Beife ohne Zusatz
erzielten Wein entspricht. Der Zusatz u Zuckerwasser darf jedoch in keinem
Falle mehr als ein Fünftel des in die Hischug ^elugenden Mostes oder
Weines betragen. Die Zuckerug darf nur in der Zeit vom Beginn der Wein¬
lese bis zum Schluß des Kalenderjahres ud nur innerhalb des Weinbaugebiete
vorgonommen werden, au dem die Trauben stammen, ln allen Fällen ist nur
Yorwendug von farblosem, technisch reinem Bohr-, Büben-, Invert- oderStärkn-
Zucker zulässig. Nach § 6 ist es verboten, gezuckerten Wein uter einer Bezeich-
nug feilzuhalten oder zu verkaufen, die au Beinheit oder auf besondere Sorgfalt
bei Gewinnug der Trauben des Weins hindeutet. Auch ist es verboten, in der
Benennug eines solchen Weins eine Traubensorte, einen Jahrgang, eine Wein-
bergslage uw. uzugeben, wenn nicht gleichzeitig der Wein tu gezuckert
bezeichnet wird. § 6 enthält Yorscbriften über die Verwendung geographischer
Bezeichnugen im Hudel mit Wein. § 7 verbietet du Nachmachen von
Wein; die Herstellug von dem Wein ähnlichen Getränken ans Pflanzensäften
^t jedoch nach § 8 nicht uter dieses Yerbot. Getränke, die nach den Yoi-
schriltu vom Yerkehr augeschlossen sind, dürfen nach § 13 zur Herstellung
von weinhaltigen Getränken, Schaumwein oder Kognak nicht verwendet werden;
desgleichen darf Trinkbruntwein, dessen Alkohol nicht auschließlich au
Wein gewonnen ist, nach § 16 nicht als Kognak bezeichnet werden. Erweitert
sind die Yorschriften über die Buchführug (§ 17), über die Kontrolle ud
Bestellug von Sachverständigen, die in den am Weinbau wesentlich betei¬
ligten Gegenden im Hauptamte angestellt werden sollen (§§ 19—23) ud über
die Strafen (§§ 24—27). Neben Geldstrafen bis 8000 Mark kun jetzt auch
auf Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten bei absichtlichen Yerfäkchugen,
wissentlioh falschen Elntragugen in die Bücher uw. erkannt werden.
Tagesordnung fßr den vom 26.—27. Jui d. J. In Duzig statl-
flndenden Aerztetag:
1. a) Beratug über die Leitsätze der Kommission für Schalguudheita-
pflege. Beferent: Geh. Hofrat Prof. Dr. KOnigshüfer -Stuttgart, b) Ueber
die schulärztlichen Organisationuysteme. Beferent: Stadtarzt Dr. Gastpar
in Stuttgart.
2. Anträge der Kommission zur Bekämpfug der Kurpfucherei zu dem
vorläufigen Entwürfe eines Gesetzes, betr. die Auübug der Heilkude durch
nichtapprobierte Personen ud den Geheimmittelverkehr. Beferent: Med.-Bat
Dr. Lindmann-Mannheim.
8. Begelung des Yerhältnisses du Deutschen Aerztevereiubudu zu
dem Yerbude Deutscher Lebensversicherugs-Guellschaften. Beferenten:
Prof. Dr. Kraft-GOrbersdorf ud Dr. Pfalz-DüuelderL
Die ordentllohe Hauptversammlung des niederrhelnisehen Yerelna
CHr ßffentllehe Gesudheltspflege findet am Donnerstag, den 28.Mai
(Himmelfahrtsfeiertag), vormittags 11 Uhr, in Barmen in der Qesellschalt
TigenftehrMitoiL
851
yOoneonlik* 'statt. Aal der Tl^« 80 tdIMÜlg: staheu aafisr «Gtsedtlftlföbs An«
gslefsnheitsn^ lolgeöde Vorträg«:
1. Ueber Femwarmwasserheixiing, insbeBoadore lär AastalteB. Ia|i;eiiienr
Bartb-Baimen; 2. Der städtiseb« WobaniigBiiispektor,' BcigMrdaiBter Dr.
Witdtfeld'Essea and Beigeordneter Stadtbaurat Qnekuck«SissSta.
Die IX. JabresTersanunlong des Dentsehen Vereins für Sebnlgesund-
heltspflege wird zu Pfingsten (7. and 8. Juni d. J.) in Darmstadt
stattdoden, auf der wiederum eine ganze B^e allgemein interessierender Fragen
aus dem (üeblete des Sebulwesens und der Sebulbygiene zur Verbandlang stehen.'
Ueber das Thema: „Die Hygiene der Höheren Mädchenschule“ wird lüs päda-
go^cher Beferent Direktor D^ Wöhrmann*Krefeld, als medizinisdie
Bmerenten die Aerztin Dr. med. Alice Prof6-Charloitenburg und Sanitätsrat
Dr. F. A. 8ehmidt*Bonn sprechen. Weiter wird sich die JahresTersammlung
mit den „Vorzügen und Nachteilen der Internate“ beschäftigen und hat
hierfür Studienrat Professor Dr. B o e s s e r - Karlsruhe, Seminaroberlehrer Dr.
Friedrich*Schneeberg als pädagogische Beferenten, sowie Med.-Bat Dr.
Erl er «Meißen als medizinischen Beferent gewonnen. Ferner werden Prof. Dr.
Qriesbach’Mtthlhausen i. Eis. über „die einheitliche Gestaltung des höheren
Unterrichts von hygienischen Gesichtspunkten aus“, Prof. Dr. med. Jessen-
Straßburg über „Zi^pflege und Schuie“ und Zahnarzt Sehr Oder-Kassel
über „Mundatmung der Schulkinder und ortopädische Behandlung der Schul-
zahnidinik“ sprechen. Den Schluß der Veranstaltung bildet eine Tagung der
Schularztyereinigung, für welche ein Vortrag über einheitlicheBegelung
des schulärztlichen Dienstes vorgesehen ist Das Beferat haben San.-Bat Dr.
Gun tz-Wiesbaden und Stabsarzt Dr. 0 ebb ecke-Breslau übernommen.
Während der mehrtägigen Verhandlung sollen eine Anzahl kOhere und mitüer«
Schulen, sowie verschiedene Heilanstalten und die Städtische Schulzahnklinik
bedchtigt werden. __
Auf Anregung des Prof. Dr. Sommer wird in Gießen vom 3.-6. August
1906 ein Kurs tther Famillenforsehnng und Vererbungslehre abgehalten
werden. Es soll dabei die angeborene Anlage und ihre Bedeutung für das
Gebiet der Psychologie, der Medizin im allgemeinen und der Psychia¬
trie im besonderen, ferner der Pädagogik mit Berücksichtigung des an¬
geborenen Schwachsinnes, sowie der Kriminalpsychologie dargestellt
werden.
Es werden vortragen: l.und2. Prof.Dr. Sommer und Prof.Dr.Danne-
mann in Gießen: Die angeborene Anlage im Gebiet der Psychologie, Psychia¬
trie, Pädagogik (in bezug auf den angeborenen Schwachsinn) und Kriminal¬
psychologie; 8. Dr. Kekuie von Stradonitz, Groß-Lichterfelde bei Berlin:
Grundbegriffe und Methoden der Genealogie; 4. Dr.Strahl, Professor der
Anatomie in Gießen: Die Keimzellen und ihre Entwicklung. 5. Dr. Hansen,
Professor der Botanik in Gießen: Ueber Variation, Vererbung und Artenbildung
bei den Pflanzen; 6. Dr. Martin, Professor der Veterinäranatomie in Gießen:
Die Entwicklung und Züchtung von Tienarten.
Vorläuflge Anmeldungen ohne bindende Verpflichtung kSnnen an Professor
Dr. Dannemann, Gießen, Klinik für psychiswe und nervOse Krankheiten,
gerichtet werden. Zur Deckung der Kosten, Vortragshonorare etc. wird eine
Gebühr von 20 Mark erhoben. _
Auf der am 27. Mai d. J. vormittags 10 Uhr im Plenar-Sitzungssaal
des Beichstagsgebäudes in Berlin stattfindenden XU. General-Versammi^
des Deutschen Zentral-Komitees zur BekfimpfUng der Tuberkulose sind
außer geschäftlichen Angelegenheiten folgende Vorträge auf die Tagesordnung
gestellt: 1. Welche gesetzUche Bestimmungen stehen den OffentUchen Ver¬
bänden und Gemeinden im Kampf gegen die Tuberkulose zur Seite? Bericht¬
erstatter: Privatdozent Dr. jnr. Neubecker und Prof. Dr, Kayserling in
Berlin. 2. Die Notwendigkeit der Lupusbekämpfung; Berichterstatter Geh.
Med.-Bat Prof. Dr. N eißer-Breslau.
Am Tage zuvor findet eine Sitzung des Ausschusses, vormittags
10 Uhr im Beiehstagsgebäude, Zimmer 28, statt, auf der folgende Gegenstände
852
Tagemaehrtehtea.
aor Verliaadliiiie gelaa|ra weiden: 1. Die Taberknlose in den Strafaiiatalten
and ihre BehandlaDg. Beriehtentatter: Med.-Bat Dr. Leppmann-Berlin.
2i Welche Beetimmangen sind awedkm&dig nur Verhfltiing der Taberkoloee*
Uebertiagnng in neu an erlaeeende Baaordanngen ;aBlaanehinen? Bericht
eistatter; Die Torbeieltende Kommission. 8. Die Taherkaloee in der Schale,
ihre Verhtttang and Bekimpfang. Berichterstatter: Geh. Ob.>Med.-Bat ProL
Dr. Kirchner in Berlin.
Mit dem latenattoBalen Taberkalese-Kengsren in Washington
(21.September —18. Oktober d. J.) soll eine im großen Style geplante Aas-
stellang yerbanden sein, welche ein ansehaaliches Bild der Taber]nilose*Be*
Umpfongin den einaelnen Ländern geben solL Die Aasstellangsgegenstände
müssen bereits am 1. Jali in Washington eintieffen and wird deshalb am möglichst
baldige Anmeldang an den Schriftführer des Dentschen National-Komitees
Prof. Dr. Nietn er (Generalsekretär des Deatschen Zentral-Komitees aar
Bekämpfang der Taberkalose), Berlin W. 9, Eichhomstraße 9, gebeten, anter
Angabe der Art and Zahl der Aasstellangsgegenstände, sowie des erforder*
liehen Baames an Tisch-, Wand- oder Bodenfläche. Die Aasstellangsgegen-
stände sind, soweit sie nicht yerkänflich sind, aoUfreL Die Kosten des Hin¬
transportes übernimmt die Kongreßleitang, der Bücktransport wird yon den
Aasstellem selbst beaahlt. Betreffs Tarilermäfiignngen sind Verhandlangen
dngdeitet. _
Ertanuütangeii and Todesfllle an ansteckenden Krankheiten ln
Prenssen. Nach dem Ministerialblatt für Mediainal- and mediainische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit yom 15. Mära bis 11. AprU 1908 er¬
krankt (gestorben) an: Aassats, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber,
Bückfallfieber,Pest and Tollwat: — (—); Pocken: 4 (1), — (—),
20 (8), — (—); Bißyerletaagen darch tollwatyerdichtige Tiere:
8 (-), 5 (-), 1 (-), 9 (-); Bota: - (-), - (-), - (-), 1 (-); Mila-
brand: 1 (-), 3 (1), 2 (-), 24 (-); Bahr: !(-), 4 (-), 9 (1), 5 (-);
Unterleibstyphas: 127 (19), 198(19), 158 (18), 155 (20); Diphtherie:
1805 (97), 1818 (102), 1240 (72), 1352(96); Scharlach: 1555(76), 1460(69),
1857 (85), 1386 (69); Genickstarre: 46 (22), 56 (21), 37 (15), 58 (26);
Kindbettfieber: 123(27), 139(40), 135(34), 113 (24); KOrnerkrankheit
(erkrankt): 251, 370, 291,321; Taberknlose (gestorben): 625, 623, 678, 729.
WUrttembergischer Medizinalbeamtenverein.
Die VIL JahresTersanunlimg des Wfirttemberglaolien Medl-
BlnalbeamtenTerelne wird am
Sonntag den 10. Hai 1908
naclunittags 8 Qhr in Stattgart im kleinen Saale des Oberen Maseams (Kanzlei*
Straße 11) abgehalten werden.
Tages-Ordnang;
1. Geschäftliches.
2. Bewilligang eines Beitrags aas der Yereinskasse für die Bobert
Koch-Stiftang znr Bekämpfang der Taberknlose.
3. Neawahl des Vorstandes gemäß § 5 der Satzungen.
4. Beratung des neuen Gesetzentwurfes des K. Ministeriams des Innern,
betreffend die Dienstverhältnisse der Oberamtsärzte.
Beferent: Medizinalrat Dr. Haag, Heiibronn.
Nach Schluß der Versammlung flndet eine zwanglose Vereinigung der
Vereinsmitglieder im Stadtgarten statt.
Der Vernlnswomtnnd:
Dr. KOstlin.
Verantwort!. Redakteur: Dr.Bapmnnd, Beg.-u. Geh. Med.-Bat in Minden t W
J. a O. Brans, HanoyL SSena ^ t. eck^L. Hofbnehdmckerel in Minisn.
2t J$krg,
1908.
Zeitsehrift
fttr
MEDIZINALBEAMTE.
7iiirinlMiitt flir <«t gnimti linifliitnmin
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Heraiuigegebda
Dr. OTTO’SAPMDND,
Baglnuc»- m*i 0tli. MOlriBalrttt la ]iUii«i.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Vfürttembergischen
Badischen und Mecklenburgischen Medizinatbeamtenvereins.
Verlag von Fiaeher's mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld,
Berlin W. 95, LOtsowstr. 10.
41m Teifafihaadlanf eowle alle ijwmego» Bap ed BUoa e« 4m la«
«ad Aadaadee
Nr. 10.
Biwehelat mm. B. vaA SA. JeAea Mi
20. MaL
Oie anatomische Diagnose des Todes durch Erstickung.
Von ProL Erut Zfemke-EieLi)
Wiederltolt h&be ich in meiner gerichtsärztlichen Pnuds die
Beobftchtnng gemacht, daß die GInmdsätze, nadi denen die
moderne gerichtliche Mediizin die Diagnose der gewaltsamen
Ersticknng zn stellen allein gestattet, von den Obdnzenten yiel-
lach nicht genflgend oder gar nicht beachtet werden. Es er*
scheint des^b angebracht, an dieser Stelle einmal näher anf die
anatomischen Befände beim Tode durch Ersticknng einzngehen
und die Gtesichtspnnkte zu beleuchten, die für die Feststellung
der gewaltsamen Erstickung an der Leiche in Betracht zu
ziehen sind.
Zunächst muß man sich klar machen, was unter dem
Begriff ^Erstickung* überhaupt zn verstf^en ist. Ersticknng
heißt bekanntlich £e mit dem Tode endende Aufhebung des
respiratorischen Gasaustansches, welche dann eintritt, wenn die
umgebende Luft nicht genug Sauerstoff enthält oder wenn die
Aufiiahme des Sauerstoifb in den Alveolen durch irgend eine
Störung der Atembewegungen nicht in genügendem Maße vor
«ich gehen kann. Ein Mensch kuin nun auf mancherlei Art er¬
sticken. Eine Grundbedingung für den regelmäßigen Ablauf des
respiratorischen Gasaustansches ist z. B. das Vorhandensein
*) Nach eliieni auf der Yenaminlaiig der MedidBalbeamteB m Schleswig
«m 22. Juuar 1908 gehaltenen Vortrag.
854
Dr. Ziemke.
einesrespirablen Mediums. Fehlt dieses oder ist es in
nngenfigender Menge vorhanden, so tritt Erstichnng ein. Der
Tod durch Ertrinken bildet für diese Art der Erstickn]^
ein klassisches Beispiel; bei ihm wird die Atemluft durch ein
irrespirables, flfissiges Medium, gewöhnlich Wasser, ersetzt. Ob¬
wohl hier alle Teile des Atmungsapparates unversehrt bleiben,
obwohl die Möglichkeit besteht, das umgebende Medium einzu¬
atmen, tritt doch der Tod ein, eben weil das aspirierte Medium
nicht so viel Sauerstoff enthält, wie es das Bedflrffiis unsere»
Körpers erfordert. Aehnliches geschieht bei der Erstickung im
Bauch oder in anderen schädlich wirkenden irrespi-
rablen Gasen.
In anderen Fällen ist es die Unfähigkeit, den in der
Atmnngslnft vorhandenen Sauerstoff in die Lungen anfzn-
nehmen, welche die Erstickung herbeiföhrt. Dies kann, wie
beim Erhängen, Erdrosseln, Erwttrgen, dadurch erfolgen
daß die zufährenden Luftwege durch Kompression des Halses
verschlossen werden. Oder es werden Nase und Mund so lange
zugedrflckt, bis der Tod eingetreten ist, ein VerffJiren, da»
schon mancher Kindesmörderin zur Tötung ihres neugeborenen
Kindes gedient hat. Andere Mütter führen den Abschluß der Luft¬
wege dadurch herbei, daß sie ihre Finger in die Kehle de»
Neugeborenen einfähren, bis die Erstickung eingetreten ist. In
ganz ähnlicher Weise wird der Ersticknngsvorgang ausgelöst,
wenn ein Mensch sich beim Essen nicht genug Zeit läßt, unge-
kaute Bissen zu hastig verschlingt, diese ihm die Kehle ver¬
stopfen und in wenigen Minuten seinen Tod herbeiführen.
Endlich muß dann Erstickung erfolgen, wenn der Brust¬
korb so stark zusammengedrückt wird, daß seine Atem-
ezknrsionen in erheblichem Grade behindert werden, oder wenn
die Lungen nicht fähig sind, den Bewegungen des Brustkörbe»
zu folgen. Dieser Fall tritt z. B. ein, wenn ein Grubenarbeiter
durch lockeres Erdreich verschüttet und wenn sein Brustkorb
dabei so fixiert wird, daß ein Heben der Hippen unmöglich ist.
Auch eine Verletzung, welche beide Brusthöhlen eröff¬
net, so daß sie mit der Außenlnft kommunizieren und die Luft den
Brustraum ansfüllen kann, hebt notwendigerweise die elastische
Spannung der Lungen auf, beraubt sie dadurch der Fähigkeit, die
Brustkorbezkursionen mitzumachen und macht somit den respi¬
ratorischen Gasaustansch, d. h. die Atmung ebenftills unmöglich.
Alle die bisher erwähnten Arten der Ersticdcung haben da»
Gemeinsame, daß bei ihnen die Aufhebung des respiratorischen
Gesamtaustausches, der Atemstillstand, durch gewaltsam»
Einwirkung von außen veranlaßt wurde.
In ganz analoger Weise kann Erstickung aber auch ein-
treten, wenn krankhafte Prozesse im Innern des Kör¬
pers die Unterbrechung des respiratorischen Gasaustausches be¬
wirken, und zwar lassen sich ^ alle Formen der Erstickung*
ans der Pathologie der inneren Organe zutreffende Bei¬
spiele anführen. Auch hier kann es sich zunächst, ganz wie
Die Miatomische Diagnose des Todes darch Enticknng. 855
l>eim Tode durch Ertrinken, wie bei der Ersticknng im Baach
am ein irreepirables Medinm handeln, welches, wieda8ein>
geatmete Wasser, einen großen Teil der Langen ansftiUt and so
den Gaswechsel in ihnen aofhebt. Am dentlichsten tritt die
Ärmlichkeit mit den Verhältnissen beim Ertrinkangstode wohl
bei jenen Erankheitsfolgen zn T^e, wo geplatzte Aorten-
anenrysmen oder Eiterherde in größere LoftrOhrenäste darch-
gebrochen sind and nnn große AbsiUtte der Langen mit Blat
^er Eiter überschwemmt werden. Wie beim Ertrinken tritt in
allerkürzester Zeit der Tod dnrch Ersücknng ein; man hat in
solchen Fällen deshalb mit Recht gesagt, die betreffenden Menschen
seien in ihrem eigenen Blnt oder Eiter «ertranken*, Aach bei den
entzündlichen Krankheiten des Lnngengewebes, wo als
Effekt der Entzündong eiweißreiche Flüssigkeiten in die Longen-
alveolen aasgeschieden werden, bilden diese Flüssigkeiten analog
dem eingeatmeten Wasser irrespirable Medien, welche den Tod
dnrch Ersticknng bewirken, wenn die respirierende Longenoberfläche
dnrch die ezsadativen and transsadativen Prodokte über das zor
Erhaltnng des Lebens notwendige Maß hinans eingeschränkt wird.
Bei der IbrinOsen Lnngenentzündnng ist es das fibrinOs-bln-
tige Ezsndat, das m die Longenalveolen abgesondert wird
and Erstickang bewirkt, wenn es sich über große Longenabschnitte
ergießt. Aehnlich verhält es sieh mit den Bronchitiden der
Kinder, wo die reichliche Schleimabsonderong, namentlich in den
feinsten Aesten des Bronchialbanmes oft ganz plötzlich Erstickang
herbeiführt.
Wie bei den verschiedenen Formen der Strangnlation kann
ein Verschloß der znführenden Lnftwege dnrch Kom¬
pression des Halses anch dnrch krankhafte Organver-
änderangen von außen veranlaßt werden, wenn z. B. Kropf-
bildangen oder andere Halsgeschwülste, Krebse n. ä. die
Luftwege an einer Stelle so stark znsammendrücken, daß ein
Einströmen genügender Mengen Sauerstoff in die Longen dadurch
verhindert wird.
Endlich kommt auch eine Behinderung der Atembe-
wegungen durch krankhafte Prozesse vor und kann Er¬
stickang zur Folge haben. Ich erinnere nur an die Ausscheidung
großer Flüssigkeitsmengen infolge von Pleuritis, die sich
zwischen Longenoberfläche ondBrustwand ansammeln und so er¬
heblich werden können, daß die Langen völlig zosammengedrückt
werden und die Exkursionen der Brustwand nicht mehr mitzomachen
vermögen, so daß schließlich Ersticknng eintritt. Ganz dasselbe
geschieht, wenn es infolge schwerer Longenerkrankongen zu dem
mit Recht so gefürchteten doppelseitigen Pneumothorax
kommt, wo der Eintritt von Luft in die Brusthöhlen die Entfal¬
tung der Langen unmöglich macht. Erstickang durch Behinderung
der Atembewegungen liegt auch vor, wenn die Nervenbahnen,
welche die Atmungsmuskeln versorgen, durch krankhafte
Prozesse, sei es im Zentrum, sei es in der Peripherie, zerstört
worden sind, wenn die Atmongsmuskeln selbst erkrankt
856
Dr. Ziemke.
od«r, wie oft bei «Uznfrflhzeitig geborenen Eindem, noch zn
sehweeh sind, nm den schweren Bmstkorb zn heben.
Noch eine Form der Erstickung ans innerer, krank-
hafter Ursache kennen wir, die daw eintritt, wenn Ver&n-
dernngen in der BlntTersorgnng die erforderliche Lflftnng
des Lnngenblntes nnmöglich machen. So mnß Erstickung sofort
eintreten, wenn ans irgend einem Gmnde die BlntTersorgnng
in den Lungen plötzlich stockt, wie dies z. B. geschieht,
wenn si^ ein Blntgerinnsel ans dem Venensystem loslöst und in
den Hanptast der Lnngenarterie hineingeschlendert wird, so daß
sieh deren Liehtnng yerstopft, oder wenn die feinsten Aestchen
der Lnngengefäße durch Lnft oder Fetttröpfchen in großer Menge
yersehlossen werden. In anderen F&Uen wird der Ersticknngs-
Torgang dadurch ansgelöst, daß infdge Ton Blntyerlnsten der
fflr den Sauerstoff erforderliche Anfnidimeapparat, nftmlich das in
den roten Blutkörperchen enthaltene Hämoglobin, zum großen Teil
yerloren gegangen ist, wie dies beim Tode durch Verblutung
der Fall ist. Oder die Erstickung erfolgt dadurch, daß der Blut¬
farbstoff durch Oifte, z. B. Kohlenozydgas, chemisch yer-
ändert wird und deswegen eine Bindung des Sauerstoffs an die
roten Blutkörperchen nicht mehr möglich ist
Aus dieser Parallele der Entstehnngsweise der
Erstickung durch gewaltsame Einwirkung yon anßmi und
der Erstickung aus innerer krankhafter Ursache, geht
klar herror, daß der Erstickungsrorgang bei den yerschiedenen
Formen beider Gruppen genau in der gleichen Weise zu Stande
kommen kann. Wir dürfen uns daher nicht wundem, wenn wir
auch in den anatomischen Ansdmcksformen der Erstickung, in
den Befunden an der Leiche, bei beiden Grappen im wesentlichmi
Uebereinstimmung zu erwarten haben.
Wenn wir gemeinhin yon Erstickung sprechen, wenn wir
hören, ein Mensch sei erstickt, so denken wir zunächst wohl
immer an den gewaltsamen Tod durch Luftabschluß in irgend¬
einer Form, an irgendeine Art der gewaltsamen Erstickung,
die durch Störungen im Mechanismus der äußeren Atmung herror-
gerafen wird. Namentlich der Laie yerbindet mit dem Wort
«Erstickung* leicht die Vorstellung einer gewaltsamen Tötung
durch fremde Hand. Dagegen fällt es Niemandem ein zn si^^,
ein Mensch sei z. B. an Erstickung infolge yon Lungenentzündung,
von Verblutung, Vergiftung usw. gestorben. Und doch handedt
es sich hier, wie die eben angeführten Beispiele zeigen, um den
gleichen Vorgang, wie bei der gewaltsamen Erstickung, nämlich
nm eine Beendigung des Lebens durch Unterbrechung des respira¬
torischen Gasaustansches. Während wir also in FäUen yon soge¬
nannter innerer, auf krankhafter Basis beruhender Erstickung als
Ursache des Todes nicht den Ersticknngsyorgang, sondern
die Krankheit, die pathologischen Gewebsyerändemngen zn nennen
pflegen, welche die Erstickung yeranlaßt haben, sprechen wir bei
der Erstickung durch äußere Gewalt oft eintiush yon «Tod durch
Sheticknng*, ohne die gewaltsamen Ursachen zu erwähnen, die
Die anatomische Diagnose des Todes duch Erstickuig.
367
ZUR ErsticknngByorgaDg: gefUhrt haben. Es wäre sicherlich von
Vorteil und würde weniger leicht zn Mißyerständnissen Anlaß
geben, wenn wir ans auch in der gerichtlichen Medizin
grnndsfttzlich daran gewöhnen wollten, als Todesarsache
anstelle des Ersticknngsyorganges immer nur die gewaltsame
Veranlassung, welche die Erstickung zur Folge gehabt hat,
anzugeben, im Gutachten also nicht zu sagen, der Tod ist durch
Erstickung infolge von Erdrosseln, Erwürgen, durch Erstickung
infolge von Verschloß des Mundes mit weichen Bedeckungen usw.
eingetreten, sondern einfkch, der Tod ist durch Erdrosseln, Er*
würgen, durch Verschloß des Mondes mit weichen Bedeckungen
erfolgt Wenn unser Gutachten nur sonst klar und verstftndSch
ist, ist es m. E. für den richterlichen Zweck keineswegs erfor¬
derlich, bei Erörterung der Todesarsache ausdrücklich anzutühren,
daß der Tod durch ^ErstiekoDg" eingetreten sei. Wir werden
im Gegenteil für den richterlichen Laien verstftndlicher sein und
uns in komplizierten Fällen selbst leichter zurecht finden, wenn
wir den Ausdruck „Erstickung*^ überbau^ ganz und gar
vermeiden. Man braucht nur an die Möglichkeit zu denken,
daß ein Mensch, der sich mit Morphium vergiften will, unmittel¬
bar nach der Einnahme des Giftes erbricht und durch Aspiration
des Erbrochenen in die Langen erstickt. Auch wenn dieser Mensch
nicht erbrochen hätte, sondern das einverleibte Gift zur vollen
Wirkung gekommen wäre, würde man mit vollem Becht von
einem Tode durch Erstickung sprechen können, da der Tod auch
bei der Morphiumvergiftung schließlich durch Lähmung des At-
mnngszentmms, d. h. durch Erstickung hervorgemfen wird. Ein
Dritter würde aber von den tatsäc^chen Vorgängen bei dem
Tode eine ganz falsche Vorstellang bekommen, wenn es im Gut¬
achten hieße, der Tod sei durch Erstickung infolge von Morphium-
vergiftung eingetreten. Eindeutig und für jedermann verständlich
ist es dagegen, wenn man sagt: „Der Tod ist durch Aspiration von
Erbrochenem eingetreten bei einem Versuch, sich durch Morphium
zu vergiften.**
Wenn man alle die erst erwähnten verschiedenen Todes¬
arten, die zum Teil recht wenig mit einander gemein haben, als
verschiedene Formen des Erstiäungstodes ansieht, so findet man
die Berechtigung darin, daß die Symptome, welche bei ihnen dem
Tode voraufgehen, und gewisse Erscheinungen an der Leiche, die
man als allgemeine Erstickungsbefunde bezeichnet hat, im wesentp
li^en die gleichen sind, wie man sie im Experiment bei der Er¬
stickung von Tieren beobachten kann. Unterbricht man bei einem
kurareeierten und am besten tracheotomierten Tiere künstlich die
Atmung, so sieht man regelmässig einen Komplex von bestimmten
Erscheinungen anftreten, der als Typus der Erstickungs¬
symptomatologie bekannt ist und aus vier Stadien
besteht. Nacheinander kommt es zu Atemnot — dem dyspnoi-
schen Stadium, zu Krämpfen — dem konvulsiven Sta^nm,
zu Bespirationsstillstand — dem Stadium der prätermü^n
Atempanse, schließlich zu einigen wenigen langsamen und tiefen
868
Dr. Zknike.
Inepirationen — dem Stadium der tjermiualen Atem*
bewegungen. Es ist aber nicht zu übersehen, worauf ich hier
nur kurz hinweiseu will, daß dieser Symptomenkomplez beim
Menschen nicht immer mit der gleichen Prft^anz, wie ün Tier*
Tersnch zn Tage tritt, sondern, daß Alter. Eräfteznstand, ^di-
▼idnalität nnd Krankheit hier eine erheblich modifizierende Bolle
spielen können.
Wenn man bei derartig erstickten Tieren sofort nach dem
Eintritt des Todes die Obduktion yomimmt, so fihdet man
ziemlich konstant eine Reihe von anatomischen Befunden,
welche durch die Erstickung im allgemeinen veranlaßt werden
nnd die man als sogenannte allgemeine Ersticknngs-
befnnde den durch bestimmte Erstickungsformen erzeugten be*
sonderen Befanden gegenflbergestellt hat, indem man seit alters*
her der Meinung war, daß sie charakteristisch genug seien, um
ans Urnen allein die Diagnose des gewaltsamen Erstickungstodes
auch am Menschen stellen zu können, wenn sich die spezielle
Veranlassung zur Erstickung ans dem Leichenbefunde ni(Ät fest*
stellen läßt.
Bereite bei der äußeren Besichtigung der Leichen Er¬
stickter hat man einige Befände als pathognomonisch für die Er¬
stickung zu verwerten gesucht, die bei manchen Formen der
gewaltsamen Erstickung mit einer gewissen Regelmäßigkeit zn
finden sind. Schon wlUirend der Agone des Erstickenden sieht
man ganz gewöhnlich eine Zyanose des Gesichts von ver¬
schiedener Intensität sich entwickeln, insbesondere bei etwas lang¬
samerem Verlauf der Erstickung, z. B. beim Tod durch Erhängen,
wenn die Schlingenlage ein atypische war, d. h. die großen Hals¬
gefäße nur einseitig komprimiert wurden. Wer einmä (einen Er*
sticknngsanfaU bei einem Menschen zu beobachten Gelegenheit
gehabt hat, wird sich gewiß der plötzlich auftretenden, stark
blauroten Färbung erinnern, die das Gesicht des Betreffenden
dabei annahm. selbst ist ein solcher VorfaU, wo sich ein
älterer Herr beim Abendbrot verschluckte, noch lebhaft in der
Erinnerung. Auch hier war das Gesicht plötzlich dunkelblaurot
gefärbt. Die gleiche Erscheinung sieht man aber an Kranken,
deren Krankheit schließlich ebenfaUs, nur langsamer, durch Er*
stickung zum Tode ffihrt. Ich erinnere hier nur an die plötz¬
lichen TodesfäUe bei Kindern, an den Thymustod, die kapilläre
Bronchitis und andere ähnliche Todesarten.
Das Verhalten der Leichenstarre, das Hervortreten
von Schaum aus der MundOffnung, den Gesichtsansdruck,
auf den neuerdings EtiOnne Martin bei Erhängten so ^ßen
Wert legt, daß er geradezu von einer „facies sympatique“
bei ihnen spricht, in der irrtümlichen Annriime, daß beim ih’-
hängen der Sympathicus durch das Strangwerkzeug gereizt und
dadurch ein charakteristischer Gesichtsansdruck ^häugter her¬
vorgerufen werde, alle diese Merkmale kann ich als dia^ostisch
vOlug bedeutungslos übergehen. Auch die Erweiterung der
Pupillen, die im AugenbUck des Todes vorhanden ist, aber
Die asatomieche Diagnoae des Todes durch Erstickung.
859
cpäter unter dem Einfluß der Leichenstarre wieder verschwindet,
wie Placzeks Untersnchnngen le^en, nnd du Hervortreten
der Augäpfel sind Erscheinongen, welche man gewöhnlich an
den Leichen Erstickter vermißt nnd welche, wenn sie vorhanden,
ttr die gewaltsame Erstieknng keineswegs charakteristisch
sind. Ebenso kommt anch die Einklemmung der Zunge
zwischen die Zähne, die man häufig bei Erhängten beobachtet
und die hier ein rein mechanisches Phänomen darstellt, das auf
die Baumbeengung im Munde durch das Emporziehen der Hals-
m-gane znrflckzufflhren ist, nicht allein bei Erhängten oder ge-
w^tsam Erstickten, sondern auch bei natttrlichen Todesarten vor.
Besonderes Gawicht wird unter den äußeren Befänden von
jeher noch der reichlichen Entwicklung nnd dunklen
Farbe der Totenflecke und den Hantblutungen beigelegt,
die sich oft in der Gesichtshaut nnd namentlich in den Lid-
und den Angenbindehäuten gewaltsam Erstickter finden. Aber
weder die große Ausdehnung, noch die dunkle Farbe der Toten-
flecke sind charakteristische Merkmale des gewaltsamen Er¬
stickungstodes. Beides findet sich anch noch bei vielen anderen
plötzlii^en Todesarten und zwar immer dann, wenn der Tod rasch
nnd ohne Blutverlust eintritt. Nur beim Erhängnngstod pflegt
die Lage der Totenflecke insofern von der gewöhiäichen Aus¬
breitung am Bücken abzuweichcn, als sich die Blutsenkung in der
unteren Eörperhälfte ausbildet und bei längerem Hängen der
Leiche hier auch in charakteristischer Weise dauernd erhält.
Auch die Hantblutungen, wenn sie nicht auf Gesicht
und Lid- oder Angenbindehäute beschränkt sind, sondern sich an der
ganzen Eörperoberfläche verbreitet finden, sind dem Erstickungs-
tode allein nicht eigmitümlich, sondern werden anch bei anderen
plötzlichen Todesarten, bei der akuten Herzlähmnng, bei Tod im
epileptischen Erampfitnfall, bei Keuchhusten beobachtet. Mit Vor¬
sicht sind solche Hantblutungen besonders dann zu verwerten,
wenn sie in den Totenflecken gelegen sind, weil wir aus zahl¬
reichen Experimenten und Beobachtungen wissen, daß sie sehr
häufig erst nach dem Tode lediglich durch Druck der hypostatischen
Blutsänle entstehen und daher nichts weiter als eine Leichen-
«rscheinnng darstellen. Dagegen können Hantblutungen im Gie-
sicht und in den Lid- nnd Angenbindehänten, wenn sie zusammen
mit einer Zyanose des Gesichts oder mit charakteristischen Blu¬
tungen in den Halsmuskeln gefunden werden und ihre Entstehung
durch Hypostase anszuschließen ist, für bestimmte Formen der ge¬
waltsamen Erstickung, so für die Diagnose des Strangnlations-
todes nnd des Todes durch Verschüttung, von großer Bedeutung
werden. Sie kommen in Fällen besonders starker Blutstauung
des Kopfes oder bei starken Erstickungskrämpfen dadurch zu-
etande, daß kleine Gefäße und Kapillaren bersten und deren Blut
in die Umgebung anstritt. Ihre Bedeutung liegt also darin, daß
eie, wenn sie einmal ausgebildet sind, auch an der Leiche nicht
wi^er, wie z. B. die Zyanose, verschwinden nnd daß sie, sofern
ihre Eatetehnng nach dem Tode ausgeschlossen ist, eine erheb-
360
Dr. Siiemke.
lidie, während des Lebens stattgehabte Blntstaning in den Qe>
fäßbezirken des Kopfes beweisen. Während die Ekdiymosen der
Giesichtshant und der Lid- and Angenbiadehäite beim Erhängen
nur selten gefanden werden, sind sie beim Erdrossehi and
Erwürgen ein ziemlieh häufiger B^and, der seine Ent¬
stehung der Ungleichmäßigkeit in der Kompression des Halsen
durch das Drosselwerkzeug bezw. durch die würgende Hand yer-
dankt. Findet man sie und kann außerdem noch Blutungen in
der Kehlkopfschleimhaut oder in den Halsweiehteilen an atypischen
Stellen nachweisen, so kann man, wenn noch die äußeren Um¬
stände des Falles dafür sprechen, m. E. so gut wie sicher eine
gewaltsame Erstickung durch Erdrosseln oder Erwürgen anneh¬
men, auch wenn verdächtige Befunde in der Halshaut nicht mehr
wahrzunehmen sind, ln (Uesem Sinne habe ich mich auch mit
dem Kollegen Bockendahl in dnem kürzlich in Kiel yerübten
Kapitalverbrechen ausgesprochen, wo sich bei einer Frau, die
zweifellos erst nach ihrem Tode mit Petroleum übergegossen und
angebrannt worden war, neben Blutaustritten in die Muskel-
scheiden beider Kopfnicker, in den linken Sinus pyriformis, in die
Schleimhaut der Epiglottis, in der subglottischen Uegend und der
oberen Hälfte der Luftröhre noch außerdem starke Glefäßffillang
in den Augenbindehäuten und zahlreiche Ekchymosen auf der
Innnenseite beider unteren Augenlider fanden. Die Haut den
Halses war bereits zum großen Teil durch Flammenwirkung ge¬
schwärzt, sodaß Würgsparen, sdbst wenn sie vorhanden gewesea *
wären, nicht mehr wahrzunehmen waren. Da die Leiche auf dem
Bücken gelegen hatte, war auch eine Entstehung der Lidekchy-
mosen durch Blutsenl^g nach dem Tode ausgeschlossen. Auch
beim Tode durch Bumpfkompression infolge von Verschütten, dem
bekanntlich neuerdings von den Chirurgen besondere Aufmerksam¬
keit geschenkt wird, kommen solche Hautblntungen neben stark
a^ebildeter Zyanose an Stellen, die nicht dem Druck, aber auch
nicht der Blutsenkung nach dem Tode ausgesetzt waren, in sa
ungeheurer Zahl vor, daß sie hierdurch für ^ese Todesart gleich¬
falls fast pathognomonisch sind.
Ich möchte unter den äußeren Erstickungsbefanden noch einen
erwähnen, dem man früher einen gewissen Wert für die Diagnose
des Erhängungstodes beizulegen geneigt war, dessen Vorkommen
aber später ganz und gar in Abrede gestellt und von Liman
für eine Fabel erklärt wurde. Ich meine die Erektion des
männnlichen Glliedes und die Ausstoßung von Spermn
bei Erhängten, Erscheinungen, die man neuerdings allgemein
als passive Vorgänge angesehen und durch den rigor mortis Ast
glatten Muskulatar der Samenblasen zu erklären versucht hat.
Es kann indessen nach den Erfahrungen anderer und nach mei¬
nen eigenen Beobachtungen keinem Zweifel unterliegen, daß es
sich hierbei nicht, zum mindesten nicht immer, nm einfache
Leichenerscheinungen handelt, sondern daß der fikhängungsyor-
gang bei ihrem Zustandekommmen eine ursädüiche Bolle spielt.
Ich selbst habe bei einem Sträfling 90 Minuten nach dem Sdbst-
Die anatomische Diagnose des Todes durch Erstickung.
361
erklif eiif wo Ton einom rigor mortii noeh keine Rede sein konnte,
ein beinahe ToUotändig erigiertes Glied und im Hemde ein be*
trächtüches Ejakulat mit lebenden Spermien gefunden und khn-
liriies ist von Pappe, Hansen u. a. beobachtet und von GOtz
bei den durch Erhängen hmgerichteten Eingeborenen in Ostairika
gesehen worden. Daß dmr Erhängungsakt mit einer WoUust-
empflndung verbanden sei, eine Annahme, die noch von Ißteren
Schriftstelleni, so von Klose, vertreten wird und die zu Erzih>
langen von einem sagenhaften Klub der Erhängten in London
geflUurt hat, ist natttrlich irrtttmlich und deswegen völlig ausge¬
schlossen, weil mit dem Augenblick der Suspension auch schon
Bewußtlosigkeit eintritt. Da Erektion und Spermaaustritt auch
bei anderen Todesarten, so bei Erschossenen, bei Abgestflrzten
und bei Vergiftung mit Blausäure beobachtet worden ist, so haben
diese Erscheinungen für die Diagnose des Erhängnngstodes eben¬
falls keinen pathognomonischen Wert und sind höchstens insofena
von Bedeutung, als sie bei suspekten Befanden am Halse und in
den Hrisweichteilen, etwa bei zweifelhaften Strangmarken mid
bei Brächen der Zangen- und Schildknorpelfortsätze, den Verdacht
der Strangulation um einen Grad zu erhöhen vermögen.
Unter den inneren Erstickungsbefunden haben von jeher
die dunkle Farbe und flüssige Beschaffenhet des
Blutes, die Blutttberfällung der inneren Organe,
qmziell der Lungen, und die subserösen Ekchymosen eine
besondere Bolle gespielt, ja man kann sagen, daß diese Trias der
Ersdieinnngen von den alten Autoren geradezu als klassische
Zeichen der Erstickung angesehen wurden.
Was die dunkle Farbe und flfissige Beschaffen¬
heit des Blutes angeht, so kann ich mich wohl kurz fhssen.
Dunkel ist das Blut zu der Zeit, wo wir die Obduktion machen,
in allen Leichen, selbst dann, wenn es, wie beim Tode durch
Herzlähmung, im Augenblick des Todes infolge größeren Sauer-
atoffgehaltee hellrot war, weil die Gewebe, wie die Versuche von
Hoppe-Seyler, Hoimann u. a. lehren, auch nach dem Eintritt
des Todes noch die Fähigkeit besitzen, dem Blute Sauerstoff zu
ratziehen. Freilich unmittelbar nach Eintritt des Todes werden
wir auch in der Leiche das Erstickangsblat sanerstoffärmer, also
dunkler finden, als beim Herztod, aber diese Differenz gleicht sich
schon in den ersten 24 Standen nach dem Tode, eben infolge der
Sauerstoffzehrung der Gewebe aus und ist bei Vornahme der Ob¬
duktion daher nicht mehr wahrzunehmen. Außerdem ist das
Blut, wenn nicht grade eine Eohlenozydvergiftnng oder ähnliches
verliert, nicht allein bei der gewaltsamen Erstickung, sondern
bei allen Formen der Erstickung dunkel gefärbt. Ebenso ist die
flüssige Beschaffenheit des Blutes allen Erstickungsarten gemein¬
sam und wird im allgemeinen bei allem plötzlichen Todesarten,
natürlichen, wie gewaltsamen beobachtet. Ja man findet mitunter
selbst bei der gewaltsamen Erstickung lockere, ausnahmsweise
sogar feste entfärbte Fibringerinnsel, so bei Menschra, die ge-
wadtsam und plötzlich im Verlaufe von fieberhaften, mit einer die
362
Dr. Ziemke.
Blatgerumnng befördeinden Lenkozytenzanahme einhergeiiaideii
Krankheit erstickt sind, z. B. bei Pnenmonikem, bei Tabe^olOsen,
die sieh im Fieberdelirinm erhängt haben.
Etwas genauer mnß ich wohl auf die Bedeutung der Blnt>
ttberfflllung der inneren Organe, namentlich der Lungen,
als sogenannte sichere Eennzei<^en der allgemeinen Erstickung
eingehen, weil, wie mich eine Bevisionsbemerkung des Medi-
zin^ollegiums lehrt, auch heute noch hier und da die irrtflmliche
Ansicht verbreitet ist, daß Hyperämie und Oedem der Lungen za
den gewöhnlichen und charakteristischen anatomischen Befunden
des Erstickungstodes gehören. Aber diese Befunde sind, darftber
kann nach den Ergebnissen der modernen gerichtlichen Medizin
kein Zweifel bestehen, weder für die Erstickimg chuokteristisdL,
noch sind sie konstant.
Zunächst vermißt man sie recht häufig bei der gewaltsamen
Erstickung und zwar grade bei den Formen, wo man nach der
Art des Ersticknngsvorganges eine Lnngenhyperämie am ersten
erwarten sollte. Donders nimmt bekanntlidi an — und seine
Ansicht ist durch Tierversuche als richtig erwiesen —, daß nach
Abschluß der oberen Luftwege von außen bei der nun folgenden
heftigen inspiratorischen Atemnot eine Luftdruckvermindemng der
in den Lungen eingeschlossenen Atemlnft entsteht, wodurch
der auf den Alveolargefäßen lastende Innendmck herabgesetzt
wird und infolge des erleichterten Znströmens des Blutes in die
Lungen eine Blutttberffillnng entstehen mnß. Das in den Lungen
durch Absperrung der oberen Luftwege erzeugte Minus an Luft
mnß durch ein Plus an Blut ersezt werden, da die bestehende
Luftdruckdifferenz in den Lungen unter allen Umständen ausge¬
glichen werden mnß. Nun findet man aber grade bei den Formen
der gewaltsamen Erstickung, wo die Absperrung der Atemlnft
am vollkommensten erreicht wird, wo also die Bedingungen fflr
die Ausbildung einer Lnngenhyperämie nach Donders am gün¬
stigsten sind, nämlich beim T^e durch Erhängen, keineswegs
inuner blutreiche, ja mitunter sogar blutarme und trockene Lun¬
gen. Wirklich blutreiche Lungen sieht man auch nach Hof-
mann, Benter u. a. bei Erhängten nur in einem geringen
Bruchteil der Fälle. Dieses wechselnde Verhalten der Lungen
ist darauf zurttckzufflhren, daß die Vorgänge, welche den Blnt-
gehalt der Organe bei der Erstickung beeinflussen, nicht in allen
Fällen die gleichen sind. Wie stark sich die Lungen im Augen¬
blick der Erstickung fflllen, hängt z. B. davon ab, in welchem
Teile der Bespirationsphase, ob nach einer Inspiration oder nach
einer Exspiration, der Abschluß der oberen Luftwege bewirkt
wird. Erfolgt er unmittelbar nach der Ezpiration, wo wenig Luft
in den Lungen ist, so mnß die Dmckvermindemng in den Lungen
bei der inspiratorischen Dyspnoe erheblich werden und eine gi^e
Menge Blut in sie hineinströmen. Erfolgt der Abschluß aber
gleiä nach der Inspiration, so ist die in den Lungen einge-
scUossene Lnftmenge größer, die Lnftdmckabnahme im BronchUl-
banm bei der Dyspnoe also geringer und die zum Ausgleich der
Die enatomiflche Diegaoge des Todes dorch Erstickoog.
868
Loftdraekdifferenz erforderliehe Meng^ Blot weniger betriditlieh.
Aneh wieviel Lnft vor Abschlaß der Luftwege mit dem letzten
Inspirationszuge eingeatmet wurde, ist f&r den Blutgehidt der
Lungen von Bedeutung. Wurde vorher sehr tief inspiriert, wird
also sehr viel Luft in den Lungen abgesperrt, so kommt es nieht
zu einer Verminderung, sondern zu einer Erhöhung des Luftdrucks
im Bronchialbaum; der auf den Alveolargefäßen lastende Druck
ist gegen die Norm vermehrt, zum Ausgleich der Luitdruck-
dif erenz muß daher nicht Blut in die Lungen angenommen, son¬
dern von ihnen an die ümj^bnng abgegeben werden, woraus
neben einer Lungenblähung ein geringerer Blutgehalt, eine Blut¬
leere der Lungen resultiert. In wieder anderen Fällen wird die
Ausbildung einer Lungenhyperämie dadurch verhindert, daß die
Druckvermindemng in der Brusthöhle durch Einziehung des
Bauches und Hochsteigen des Zwerchfells ausgeglichen wird.
Ebensowenig gehört das Lungenödem und die Blutftber-
fOllung der Lungen notwendigerweise zu dem anatomischen Bilde
der sogenannten inneren, durch krankhafte Organprozesse beding¬
ten Erstickung. Bei einem blutarmen Individuum ist eine aus¬
gesprochene Hyperämie der Lungen, wie der übrigen Organe,
überhaupt nicht denkbar, weil eben zur Ausbüdung einer soldien
nicht genug Blut vorhanden ist. Auch die vitale Energie, mit
der ein Mensch auf den Ersticknngsreiz reagiert, ist auf den
Grad der BlutfOllnng in den Lungen natürlich von bestimmendem
Einfluß. Bei einem altersschwachen oder durch Krankheit her¬
untergekommenen Menschen, bei dem die einzelnen Stadien der
Erstickung abgekürzt oder nur angedeutet verlaufen, wird daher
die Ausbildung einer Lungenhyperämie kaum erwartet werden
dürfen.
Selbst wenn man den Begriff der Erstickung im weitesten
Wiotsinne fsßt, sind Hyperämie und Oedem der Lungen keine
sicheren, dia^ostisch verwertbaren Zeichen des Erstickungstodes,
weil beide in gleich ausgesprochener Weise auch beim Tode
durch Herzlähmung Vorkommen können, wenn die Lähmung des
Herzens nicht plö^ch eintiitt, sondern wenn sich die Herzkraft,
wie bei vielooi chronischen Krankheiten, allmählieh unter Stauung
des Blutes in den Lungengefäßen erschöpft Lungenödem und
Lungenhyperämie sind ^so höchstens als ein Beweis für eine
Stauung des Blutes im Lungenkreislauf anzusehen; über die Ur¬
sache dieser Stauung, über die eigentliche Todesursache sagen
diese Befunde uns gamichts. In einer Bevisionsbemerkung die
das Medizinalkollegium zu einem von mir mit dem Kollegen Bocken¬
de hl gemeinsam verfaßten ObduktionsprotokoU gemacht hat, war
gesagt worden, daß ans dem Befiinde der Bmstorgane — Hyperämie
und Oedem der Lunge — auf Erstickung hätte geschlossen werden
müssen; hätten wir diesen nach meinen vorstehenden Ausführungen
unzulässigem Schluß tatsächlich gezogen und in unserem Gutachten
wklärt die betreffende Frau sei an Erstickung gestorben, was hätte
diese Fassung des Gutachtens dem Richter ^ einen Nutzen ge¬
bracht? M. E. gar keinen, denn für den Richter kam es in dem vor-
364
Dr. ZienÜM.
lief eBd«ii Fall nur darauf an zn erfahren^ ob tataädilidi ein etraf-
barer Veranch von Abtreibanf — es handelte sidi nm einen niecha*
nisehen, intranterinen Eingriff im 8. Monat — Torlag und ob hier*
durch diw Tod eingetreten war, nnd das war in unserem Gntachten
auch ohne den gewünschten Zusatz klar zum Ansdmck gebracht
worden. Ich muß offen bekennen, mir ist der Sinn der erwähn¬
ten Bevisionsbemerkong nicht recht klar geworden. Es hätte, so
Meß es, aus der Hyperämie nnd dem Oedem der Longen anf Er-
sückong gescMossen werden mfissen. Wenn damit gesagt wer¬
den soll, daß der Tod der Fran durch „gewaltsame* Erstickung
eingetreten sei, so feMt für diese Annalme in dem anatomischen
Befunde jede sichere Unterlage. Oder soll das Wort „Erstickung*
in weiterem Wortsinne Terstanden werden, soll damit ansgedrfi<±t
werden, es liege eine sogenannte innere Erstickung tot, bedingt
durch innere Krankheit? Dann ist diese Angabe ftberflflssig,
wmm nicht gleichzeitig gesagt werden kann, wodurdi die Er¬
stickung veranlaßt wurde, denn so wird mit ihr nichts anderes
gesagt, als daß die Fran tot ist. Die vom ICedizinalkollegium
gemachte Bevisionsbemerkong hat also fBr den Bichter gar keinen
Wert, ja sie kann ihn sogar verwirren, indem sie Um zu der
irrtflmlichen Annahme verleitet, es liege außer dem kriminellen
Eingriff an den GeschlechtsteUen noch eine gewaltsame Erstickung
vor, die Frau sei außerdem vielleicht no<ä erwfirgt, erdrosselt
oder sonst wie gewaltsam erstiekt worden. Die Annahm e, daß
die Frau durch Erstickung — im weiteren Sinne des Wortes ge¬
meint — gestorben sei, wie das Medizinalkollegium zn glauben
scheint, ist auch ganz gewiß unrichtig. Die Frau war nämlich
in dem Augenblick plötzlich gestorben, wo an ihr Essigwassmr-
einspritznngen in die Gebärmutter gemacht wurden. Da sich
irgend welche Verstopfungen der Lungengeflße mit Blutgerinnseln,
Fett oder Luft nicht fanden, ist der unerwartete Tod woM nur
durch Shok zu erklären, d. h. nicht durch Erstickung, sondern
durch akute Herzlähmnng, analog ähnlichen TodesfiUlen, die
wiederholt, so von Vibert, bei solchen Eingriffen beobachtet
worden sind.
üeber die Blntttberftllnng anderer innerer Organe, des
Gehirns nnd seiner Häute, der Eel^opf- und Loftröhrenschleimhant,
der Nieren u. a. als sichere Zeichen des Erstickungstodes brauche
ich wohl nicht viel Worte zn verlieren. Ihr Blntgehalt unterliegt
denselben Schwankungen, wie der Blntgehalt der Lungen. Audi
auf die Aenderung, welche die Blutverteilnng in den Organen
nachträglich durch die FänlMsvorgänge infolge von sogenannter
„posthumer Zirkulation* erleiden, anf die Möglichkeit, daß z. B.
durch die Vermehrung der Darmgase im Unterleib das Blut der
Bauchgefäße zum Teil in andere Gefäßgebiete verdrängt werden
kann, will ich nur kurz hinweisen.
Dagegen muß ich noch näher anf die smbserösen Ekchy-
mosen an Lumpen, Herz und anderen Organen eingehen, die
sidi schon zn Tardieus Zeiten besonderer Wertschätzung er¬
freuten. Aus ihrem Vorfcoimnen meinte Tardieu die Diagnose
Die aoetonrieche Diagaose des Todes durch Erstiokiuig. 865
4er gewaltsamen Erstickung mit Sicherheit stellen zn können nnd
diese Meinung hat sich bis in die neueste Zeit hinein bei vielen
Oerichtsirzten erhalten, obwohl schon Lim an ihr lebhaft wider*
sprechen hat. Wir wissen heute nach den Untersuchungen
Straßmanns u. a., daß diese Ekehymosen nidits path(^omo-
misches fttr die gewaltsame Eretickung haben, daß wir sie eben¬
so, wie bei allen Formen der gewaltsamen Erstickung, auch bei
den verschiedensten natürlichen Todesarten antreffen, bei denen
die Beendigung des Lebens durch Erstickung erfolgt. Ja selbst
bei Todesi&llen durch Herzlähmung sind sie gefunden worden,
was sich daraus erklärt, daß die Herzlähmung nicht immer in
einem Augenblick, sondern oft erst allmählich eintritt, so daß ge¬
nügend Zeit zur Ausbildung asphyktischer Erscheinungen übrig
bleibt. Erklärt wird ihre Entstehung bekanntlich in Anlehnung
an die Donderssche Theorie dadurch, daß die zarten Kapillar¬
wände der starken Blutdmckst^gemng, welche mit dem plötz¬
lichen Einströmen des Blutes in die unter Minusdmck befindlichen
Lungen verbunden ist, nicht gewachsen sind nnd durch Ruptur
zur Bildung von Eapillarhämorrhagien Anlaß geben. Da ^ese
Erklärung aber nur für die subserOsen Ekehymosen im Bezirke
der Druckverminderung, d. h. innerhalb der Brusthöhle zutreffen
kann, so erscheint eine andere von Hof mann gegebene Er¬
klärung plausibler, welche die Hauptrolle bei der Entstehung der
Ekch^osen dem auf der Höhe der Erstickung eintretenden vaso¬
motorischen Krampf und dem damit verbundenen stark erhöhten
Seitendruck auf die Gefäßwandungen zusohreibt. Bei Kindern
und Neugeborenen, wo ihre Ausbildung durch die Zartheit der
Gefäßwandungen besonders erleichtert wird, finden wir die sub-
serösen Ekehymosen mitunter in so großer Zahl, daß wir leicht
in Yersuchung kommen, sie diagnostisch für die Annahme einer
gewaltsamen Erstickung zu verwerten. Wir müssen uns aber
immer bewußt bleiben, daß wir hierzu nicht berechtigt sind.
Sind subseröse Ekehymosen neben ausgesprochenen Stauungs-
erscheinungen in reiehlieher Menge bei Neugeborenen vorhandmi,
so vermögen sie, wenn z. B. begründeter Verdacht vorliegt, daß
das Kind unter weichen Bedeckungen erstickt worden ist, nnd
wenn eine natürliche Ursache des Todes mit Sicherheit au^^e-
schloesen werdoi kann, höchstens diesen Verdacht zu unterstützen,
niemals aber eine gewaltsame Tötung zu beweisen. Denn wir
finden sie oft in ebenso großer Zahl bei plötzlichen natürlichen
Todesfällen, ich erinnere nur an den sogenannten Thymustod, wo
oft die ganze Thymus, Herz und Lungen mit Blutaustritten über¬
sät gefunden we^en.
Kurz will ich schließlich noch einiger Befunde gedenken,
auf die neuerdings aufmerksam gemacht worden ist. Das ist zu¬
nächst die von Reuter erwähnte Kontraktion nnd Anämie
der Milz, die sich namentlich bei Ertruidcenen, gelegentlich
auch bei Erhängten und in anderen FäUen von Erstickungstod
findet. Eine besondere diagnostto<die Bedeutung beansprucht
dieser Befhnd für sidi allmn nicht, denn anämische Milzen wer-
366 Dr. Ziemke: Die aBatomiscbe Diagnose des Todes durch Ersticknng.
den auch bei allen möglichen anderen Todesarten gefonden. Da»
gleiche trifft für ein interstitielles Emphysem der Lun¬
gen zn, daß durch Zerreißung Ton AlTeolanepten hauptsächlich
an den Bandpartien der Oberlappen sieh einstellt und dessen
häufiges Vorkommen bei der Ersticknng durch weiche Bedeckungen
Puppe heryorhebt und ans den imstrOsen Atembewegnngen ge¬
waltsam Erstickter zu eridären sucht Leers hat nachgewiesen^
daß dieses Bandemphysem der Lungen weder einer besonderen
Ersticknngsform eigentfimlich, noch für den gewaltsamen Er¬
stickungstod charakteristisch ist, sondern daß es ebenso bei an¬
deren Todesarten, bei akutem Herztod, Erfrierung, Eohlenozyd-
▼ergiftnng u. a. vorkommt Endlich hat Tor kurzem der Italiener
Modica Veränderungen der Blutkörperchen, Chroma-
tolyse und Quellung der Leukozytenkerne, weitgehende
ZerstOrnngserscheinungen am Zellplasma, wie an den
Kernen und meist auch eine Zunahme der weißen Blnt-
elemente beschriebmi, die er bei der Vornahme von Erstickungs-
▼ersnchen an Tieren beobachtete. Ob und inwieweit ^ese Ver¬
änderungen fftr die Diagnose der allgemeinen Ersticknng rer-
wertbar sind, kOnnen erst weitere üntersnchnngen zeigen.
Ueberblickt man noch einmal alle die besprochenen soge¬
nannten »allgemeinen'^ Zeichen der Ersticknng, so läßt sich ala
Ergebnis meiner AusfBhmngen feststellen, daß zwisdien den ana¬
tomischen Befunden bei der Ersticknng durch äußere Gewalt und
der sogenannten inneren, auf krankhaften Organverändernngen
beruhenden Erstickung gar kein charakteristischer UnterscMed
zu finden ist, und ferner, daß kein einziger dieser anatomischen
Befunde, auch nicht das Oedem und die Hyperämie der Lungen,
als pathognomonisch f&r die Erstickung anzusehen ist. Es hat
daher nur dann Sinn und fttr den Bichter Bedeutung, im Gut¬
achten als Ursache des Todes »Ersticknng* zu nennen*, wenn wir
in der Lage sind, die Veranlassung zur Ersticknng ans dem
Leichenbefunde anzngeben, bei der gewaltsamen Ersticknng ^e
gewaltsame Ursache, welche die Erstickung heryorgemfen hat,
bei der Ersticknng infolge krankhafter Orguyerändemngen die
Krankheit, welche zur Aufhebung des respiratorischen Gasans-
tansches geftthrt hat. Dieser Nachweis gelegt tatsächlich audi
in den meisten Fällen. Bei der gewaltsamen Erstickung sind es
die Spuren der äußeren Gewalteinwirkung, die, auch wenn sie
nur wenig ausgesprochen sind, sich nicht wegleugnen lassen und
unserem Gutachten den Weg weisen, bei der inneren Ersticknng
ans krankhafter Ursache geben uns die pathologischen Ver¬
änderungen an den Organen die sichere anatomische Grundlage
für unser Urteil. Nur eine Form der gewaltsamen Erstickung^
gibt es, bei der Spuren der Gewalteinwirknng regelmäßig yer-
mißt werden, das ist die gewaltsame Erstickung unter weichen
Bedeckungen. Ffir diese fehlt jeder charakteristische Befand
und ein yollkommener Irrtum wäre es, wollte man sie allein aus
dmi allgemeinen Ersticknngszeichen diagnostizieren, wenn dies»
auch noch so ausgesprochen und zahlreich yorhanden wären. Den^
Dt. Boiler: VeiunreioigiiDg der Stobeolnft mit Kohlenoxyd gas naw. 867
allgemeinen Entickiingszeiclien kann für die Annahme einer Er*
etickang immer nnr ein nnterstfltzender Wert anerkannt werden,
wenn der Verdacht einer derartigen Todesart Oberhaupt Torliegt
und eine andere Todesorsache ansznschließen ist Niemals ge*
nflgen sie allein fOr die Annahme einer bestimmten Form des Er¬
stickungstodes. Ohne den Nachweis der erstickenden Ursache^
das mOgen wir uns immer vor Augmi halten, keine Diagnose an!
Erstickung.
Soll ich das wesentliche meiner Ausführungen nochmala
kurz znsammenfiusen, so wftre es folgendes:
1. Am besten tun wir, den Ausdruck „Erstickung*
in unserem Gutachten Oberhaupt zu vermeiden. Er kann
fast immer durch die erstickende Ursache ersetzt wer*
den, ohne deren Angabe die AnffOhmng der Erstickung
als Todesursache wertlos ist und weiter nichts besagt^
als daß der Tod durch primären Atemstillstand einge-
getreten ist.
2. Alle besprochenen sogenannten allgemeinen ana¬
tomischen Erstickungsbefunde sind keine sicheren
Merkmale des Erstickungstodes, sondern haben fOr die Diagnose
nur einen gewissen unterstützenden Wert. Ans ihrer Ge¬
samtheit oder gar ans einem einzigen Befunde, etwa dem
Oedem und der Hyperämie der Lungen, die Diagnose „Er¬
stickung* stellen zu wollen, ist unzulässig.
Liteistur.
F. Strafimanii: Lehrbaeh der geriehtUchea Mediifai; 1805.
E. Ziemke: Tod durch Erstickong in Schmidtmenne Haadbacb
der gerichtlichen Medizin; 1907.
O. Pappe: „Erstickong* in Drasches Bibliothek der gesamten
Medizinischen Wissenschaften.
F. Beater: üeber die anatomischen Befände beim Tode dorch Er»
stickanjr. Wiener med. Wochenschr; 1908, Nr. 28.
H. Pfeiffer: Die Vorschole der gerichtlichen Medizin; 1907.
G. Pappe: Die IBagnose der gewaltsamen Erstiekonc dorch weiche
Bedeckongen. Vierteljahrsehrift für gerichtliche Medizin; Bd. aXXin, SnppL-
Heft im, 8. 171.
0. Mo di ca: Bioerche sol sangoe di animali asfittice. Arch. di faima*
coL sper. e sdenze affini; fase. 1/2.
Leers and Horoskiewlcz: Sind die beim Erstldrangstode grinn-^
denen Gewebszerreißanoen in der Longe charakteristisch fOr diese Todesart.
Aerztliche Sachyerst. • ^itong; 1906, Nr. 17 and IH Tagnng der deatsehen
Geselscbaft für gerichtliche Medizin in Dresden, September 1907.
Eine Beobachtung Ober Verunreinigung der Stubeniuft mü
Kohienoxydgae durch Ofenheizung.
Von Medizinal-Bat Dr. Boiler, Kreisarzt in Trier.
In einem durch einen grossen eisernen Eohlenofen geheizten
Zimmer wurde von den Insassen während des ganzen Winters ein<
eigentümlicher Geschmack auf der Zunge wahrgenommen. Es
stellten sich bei einzelnen Personen allgemeine Stürungen dea
Wohlbefindens ein, Uebelkeit und Kopfschmerz. Um die Er-
368 Dt. Boiler: Vexoareinigang der Stabeolnit mit Eohlenoxydgei osw.
sdiemangen anfroUftren, vorde ich beanftrasrt) eine OrtMche ünter-
siudiimE des Zimmers in gesondheitlioher Hinsicht Torznndhmen.
Ich stellte diese an einem Vormittage an, nachdem zwei Stunden
Ywher bei geschlossenen Fenstern geheizt worden war; einen
Geruch nach Kohlendanst konnte ich selbst in dem Zimmer nicht
wahrnehmen.
loh eatDshm an 10 rerschiedenen Stallen dee Zinunert, in einer HAe
yon 2 m und auch direkt über dem Foßboden^ in der Nähe dee Fenstere und
dee Ofens, mittelst, eines Gnmmiballons 6 Liter Loft und trieb sie langsam
durch mit destilliertem Wasser yerdflnntes frisches Menschenblnt (1:10), das
sich in einem Glaskolben befand, indem ich die Lnft ymn Boden dee Glas¬
kolbens her daroh ein einffesetztes Bohr langsam nach der Oberfläche steigen
ließ. Nach mehrmaligem lan^amen Schlitteln ontersnchte idi mehrere Proben
dieser so behandelten Blatflttssigkeit mit einem Spektralapparate. Das Ergebnis
war folgendes: Es erschienen die zwei für Blat charakteristischen Absorptions¬
linien in Gelb (D) and Grfln (Eb), aber nicht mit scharfem Bande, wie bei
nnyerändertem Blate, sondern mit yerwaschenen Bändern, wie beim Eohlenozjd-
blat. Nach Zusatz yon Schwefelammoniom trat keine Veränderung der Linien ein,
wUirend bei normalem Blute alsdann die zwei Linien sich zu einer yereinigen.
In der Lnft des Zimmers befand sich also Eohlenoiyd, als
dessen Quelle der Ofen angesehen werden mnßte. Beim Oeffinen
der Ofentflr schlag die Flamme ans dem Ofen in das Zimmer,
ein Beweis, daß der Abzng der Ranchgase nach dem Schorn¬
steine eine mangelhafte war. Es handelte sich nm einen großen
Dauerbrenner eines angesehenen Eisenwerkes. Ich ließ den
Ofen von einem Sachyerständigen nntersnchen. Es wurde fest¬
gestellt, daß die einzelnen Teile des Ofens nicht verkittet
waren, daß der Durchmesser des Ofenrohres um 2 cm geringer,
als der des Ofenstutzens war und daß das Rohr im ^minrohr
2 cm Luft hatte.
Es ist kaum anzunehmen, daß diese Beobachtung vereinzelt
dasteht, sondern es muß angenommen werden, daß viel
schädliche Verunreinigungen der Luft durch Oefen erfolgen. Es
ist deshalb beim Aufstellen eines Ofens die Vorsicht geboten, fest¬
stellen zu lassen, ob der Ofen technisch richtig aufgest^t ist
und ob er vollkommen richtig zieht. Es können sonst Schäden ein-
treten, deren Folgen man fflr die Gesundheit nicht berechnen kann.
Ich nehme hier Bezug auf meine Beobachtungen Uber Gaa-
öfmi in der Deutschen Vierteljahrsschrift fflr öffentliche Glesund-
heitspflege; 1880, S. 604.
Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitschriften.
A. OorlohtUoho Modlaln.
Zur Wirkug yerscliiedener Beduktionsmittel auf Tsrhindungen des
Himogloblns. Von Dr. Be int k er, 1. Assistent des bakteriologiscben Lnbo-
ratoriums der Stadt C0ln. Vierteljahrsschrift ftr geriehtliohe Medizin nsw^
8 . Folge, 35. Bd., 2. H., S. 262.
b^pfehlung des hydroschwefligsauien Natrons als ein dem Schwnfel-
aauKm und dem Weinsäuren Eisenozydul in ammoniakaliseher LSsnng geldeh-
weitigen Beduktionsmittels für Blut. Die VorzUge des Mittels sind, daß es die
Blutmen^e nicht bedeutend yermehrt, also das Blut nicht yerdflnnt, was bei
{ (anz geringen Mengen in Frage kommen konnte, und daß es dne klare farb-
ose Losung gibt. Zu etwa 10 ccm der BlutlOsnngen wurde etwa eine Messer¬
spitze des Salzes zugesetzt. Dr. P. Fraenekel-Berlin.
Klelnor« IDtteiloogen ond Ketiftmte aus ZettsohrifteiL
869
Die BadnkttoB des Oxyhaemsf leMas im Terlaiif der Ersttekeng and
•aeh Tersehiedeaea Todesarten. Von Jean Gautrelet ond Pierre Lande.
Ans dem Laboratoriom lür Physiologie nnd fflr gerichtliche Medizin. BSnnion
Uoiogiqae de Bordeanz. Comptee rendns de la soe. de bioL; LXIV, 1908, Nr 10.
Zar Bestimmnng dee Zeit, in welcher in arteriellem und renOsem Blute
Aes Tieres nach dem Tode Oxyhämoglobin reduziert wird, bedarf es zunächst
einer genauen Beetimmung des Momentes des Eintritts des Todes. Als
solchen sahen die Autoren die letzte Atembewegung an, so dafi z. B. bei der
Erstickung das Tier durch künstliche Atmung nicht mehr wiederbelebt
werden konnte. Der qualitative Nachweis von Oxyhämoglobin nnd von Hbno-
4 ^obin wurde ohne Verdünnung des Blutes mit Hilfe der Ouve hämatoscopique
vonH6nocque und mit SpektroskoMn ausgeführt.
Bei der Erstickung durch Kompression der LuftrOhre schwindet das
-Oxyhämoglobin sehr schnell — in weniMn Minuten — aus arteriellsm und
venüsem Blut. Sogar vor dem Tode des Tieres kann die Beduktion des Oxy¬
hämoglobins erreicht werden.
Beim Tode durch Ertränken ist das venöse Blut des Eaniaehea
-SVt Minuten nach dem Tode reduziert; das arterielle Blut zeigte noch
2*/i Standen nach dem Tode die Oxyhämoglobinstreifen. Diese Tatsache ist
der Verdünnung des Blutes suzuschreiben. Wird das Tier erst nach 19
oder 24 Standen aus dem Wasser gezogen, so hat inzwischen die Beduktieu
statigefunden nnd man findet in bmden Blutarten nur reduziertes Hämogolbin.
Beim Tode durch Verbluten ist ^e Beduktion des Hämoglobins eine
•rasche; 18 Minuten nach dem durch Durchschneiden der Jugularveaen erfolgten
Tode findet sich im venösen Blute reduziertes Hämoglobin, im arteriwen
■Oxyhämoglobin; nach der 20. Minute ist auch im arteriälen Kate das Hämo¬
globin reduziert.
Die Zeit der Beduktion des Hämoglobins war eine längere beim Tode
durch Erschießen. Den Tieren wurde in das Qehim eine Bevolverkugel
S eeehoasen, Blutung wurde soviel wie möglich vermieden. Das Hämoglobin
es arteriellen Blutes war erst nach 18 nnd 50 Minuten reduziert, das des
venösen nach 16 und 40 Minuten.
Die Zeit der Beduktion schwankt demnach nach der Todesart. Stroga«
Motf und Mac Mann hatten ähnliches bereits aachgewiesen, ohne indessen
den Zeitpunkt der Beduktion genau zu bestimmen. Dr. Mayer-Simmeru.
üeber Tordlnnuag des Blutes bei sehaelleni und langsamem Er-
'trinken. Von A. De Dominicis. Bisveglio medico, Landaao; 1908, Nr. 88.
De Dominicis führte Ertränlrangsversudie an Hunden, Kaninchen
und Meerschweinchen aus, um festzustellen, ob sich Unterschiede in der Ver¬
dünnung des Herz- und Organblutes ergeben, je nachdem der Ertrinkungsakt
rasch oder langsam verläuft. Einige Tiere wurden narkotisiert!; als Er-
trinkungsmedium diente warmes und kaltes Wasser.
Für kryoskopische Untersuchungen reichte die geringe Menge des aus
den Organen erhältlichen Blutes nicht aus. Vedasser benutzte statt dessen
die kolorimetrische Methode und bediente sich dee Oliver sehen Hämoglobino¬
meters. Die Hämoglobinbestimmung des Nierenblutes wurde durch Beimengang
von Fettropfen, die des Himbiutes durch Zumisohang von Oewebssaft ungenau.
Ergebniue: Die Verdünnung des Organblutes ist eine inkonstante. Die
Hämoglobinometerzahlen des rechten und linken Herzens differieren beim
raschen Ertränken mehr als beim langsamen. Trockene Lungenblähung scheint
auf langsames Ertrinken hinzuweisen. Dr. Bevenstorf-Hamburg.
Bestissmung des Stiekoxyduls Im Blut beim BegtBU der Narkose,
wlhrend der Narkose und im Moment des Todes. Von Maurice Niclous.
-Comptes rendns de la soc. de bioL; LXIV, 1908, Nr. 11.
Im Jahre 1868 haben Jolyet und Blanche im Blute narkotisierter
Hunde bereits den Gehalt an Stickoi^diü (NtO) bestimmt und in 100 ccm
Blnt Mengen von 20—80 ccm Gas nach weisen können. 1898 haben Oliver
und Garett ähnliche Zahlm gefunden, gleichzeitig aber große Mengen von
Stickstoff im Blute bei der Sticmoxydulnarkose aachgewiesen. Der Autor hat
•die Versuche wiederholt und nach einer neuen Methode folgendes gefunden:
370
Kleinere Mitteilnngen und Bafente ans Zefteohiiften«
Im Be^fiiw der Narkoee 90 cem NtO (in 100 g Blnt), im Moment der
anagesprochenen Narkoie 95 een, im. Moment dea Todee GiO oem. Yerfaner
konnte also die irttheren Ergebnieee beetitigen; nur die groien Stidmtoff»
zaUea, die die engUecken Autoren bei der LMigae-Narkoee fanden, Termißte
er atets. _ Dr. May er>8ifflmem.
üeker des Yerkeniinen einer bedeutenden Menge ren UroMIin Ina
Blute menseblidier Lelehwi. Von BiffL Polin klmatologica; 1907, TV,
Seite 588.
Bifli weiat auf die blaher nioht bekannte Tataaehe bin, daß im Blute
menaohlieher Leichen laat beatftndig (dne bedeutende Menge Ton Urobilin, bezw.
ürobilinogen Torkommt, welehea audi immer die Todeauraacbe gevreaen aeiia
mag. Von 96 FUlen, bei denen daa Herzblut geprüft wurde, war daa Beaultat
94mal podtiT. In den beiden negatiTen Fällen handelte ea 8i<^ um gewadt*^
aaanen Tod. Biffl Tennutet, daß die Gegenwart einer relativ großen Menge
von Urobilin im Zuaammenhang ateht mit der Tataaehe ehieo langaamen Todea.
Zugunsten dieaer Vermutung spricht auch der Umstand, daß das Urobilin sich
im Blute der Leiehe schon einige Stunden nach dem Tode rorßndet.
Technik dee Naohwelseo von UrobiUn und ürobUinogen: 2—8 cem Blut
werden durch Zufügen einer kldnen Menge von pulverisiertem Natrhunoxalat
ungerfambar gemacht, währmd zwei Minvten in dniem verschloaaenen Flisdichett
mit der doppdten Menge Chloroform geschüttelt und sofort auf ein acte durch«
läaaigea Futer gegossen. Das Blnt bleibt auf dem Filter. Das durdiflieBende
Chloroform ist sdbon bei Anw e e en heit geringer Mengen von INllrobin prächtig
goldgelb Mfbbt Zu einigen Eubikaentimetem des auf diese Weise erhaltenen.
Clorofomiblntextraktea fügt man einen halben Tropfen einer wäwexigen 8 pro*.
ZinkcbloridlOsnng und einen großen Tropfen konz. NH, hinzu. Klärung der
trübe gewordenen Mischnng durch Zusatz der nötigen Menge von absolutem
AlkohoL Bei Vorhandensein von UrobiUn beobachtet man die grüne Fluores¬
zenz und das charakteristisehe Spdetrum. Urebilinogen läßt die Ftnoresaenz
erst eintreten, wenn der Extrakt einige Minuten dem Licht ansgesetzt wirGL
Bei geringem Urobilingehalt Eindampfen des Extraktes auf V<~V» or«
sprüngUohen Volumens.
Die beachtenswerte Mitteilung bedarf noch d«r Nadiprüfhng an einem'
größeren gerlditsärstliohen MnteriaL Dr. Bevenstörf«Hamburg.
Ueher die Besthninnng des Alten ven nutfhsdMn« Von A. Lecha«'
Marno. Arch. gOn. de MOdieine; 1908, Nr. 8.
Tomellini hatte eine Farbenskala zur Bestimmung dOs Alters von
Kutflecken angegeben. Er ließ Blutstropfen, die teils venOsen, teils arteriellen
Geläßen entstammten, aus der Hohe von 10 cm auf weiße Lebwand fdlen
und BteUte die Farbe fest, welche die Fledce nach Stunden, Tagen nnd Monaten
aufwiesen. Lecha-Märze ermittelte nun nnnächst die Farbe der Tomellini«
sehen Skala, welche einem zu untersnchendmi Blutfleck glicht, nnd setzt an»
seiner Fingerbeere einen Blutstropfen auf den gleichen Stoff, wmcher den Fleck
trägt. D«r Tropfen wird dann unter den gleichen Bedingungen beobachtet,
unter w<rioheB sich der Stoff vorher befand, und der Zeitpunkt ermittelt, in
welchem die ursprüngliche Farbminüanee des in Untersuchung beflndlichen
Fleckes wiedererscheint.
Die ZeitbestimmuDg ist eine approximatiTe. ffie scheint, wenn es sich
um wenige Tage handelt und daa angetrocknete Blut dem diffusen Lieht ans«
gesetzt war, verwertbare Besultate zu liefern. Vor Lieht geschütztes Blut
verändert sich nur wenig. 10 ständige Bestrahlung mit Sonnenlicht ruft die
gleichen Veränderungen hervor, wie 6 tägige Einsrirknng des dlffhsen Lidites,
Dr. Bevenstorf-Hamburg.
Ein Fall von Herolnveigiftnng. Von Dr. med. Glasow, Bade«
direktionsarzt in Aalbeek. Deutsche Aerztezeitimg; 1908, Heft 5.
Eine 84 irrige Frau hatte am 15. Dezember abends 7 Uhr aus Ver¬
sehen 0,05 g Hersinnm genommen. Nach 20 Minuten stellte sich reicWcher
Sehweißansbmeh, verbunden mit starkem Hitzegefühl, lebhafte GesfehtsrOte,.
Schwindelgefühl nnd ,bleierae Schwere“ im Kopf ein. Nach weiteren 20 Minuten
Kleinefe IfittettnnKen ood Referate aas Zeitechiiften.
871
ward« PaCieatia eelr heiter and sogleich etwaa lagetUch, begsaa laak so
■iMea oad nh dea Anaea taktniflige Bewegoagea so «achea. Das Sehwitaea
Heft allmihMg aaob^ die Haut war Jetat trt^en oad kfiU, die Oedehtsfarbe
blaß« die Zunge trocken. Die stark yerengtea Papttlea reagiartea, Pols
100—110 p. M.; es bestand yOllige Oiieatiertheit, allgaaieiBe Hypisthesie und
Hypalgesie, kelM Ten^eratarerhOhiing. Dieser Zustand dauerte 2 Standen
an, dann lieft die motorische ünmhe nach; es setzte plötzlich ein Wein-
krwpf ein. Hierauf safi Patientin yOIIig apathisch bis zum Morgen da und
schlief erst gegen 7 Uhr Ibfih ein. New bstflndiger Buhe ffthlte sie sich
noch matt, sonst aber wieder wohl ; nach 2 Tagen war sie TölUg genesen.
Hr. Klare-Haina (Bes. Cassel).
Tergiftaag nrit Bakaljptasftl. Von Stadtarst Dr. Schröder in
Altona. AerztL 8aehyerst.-Ztg.; 1906, Nr. 8.
Das EttkalyptnsOl preisM einige Firmen in marktsehreieriseber Beklame
als ein Allheilmittel an. Ein D/*jihriger Knabe hatte mindestens 80 gr ge¬
trunken. Eine halbe Stunde iro&ter wwe er taumelig und konnte sich nieht
mehr auf den Fttften halten. Er bekam heitere Delirien, redete irre und wurde
dann topwös mit Aofstoften und Erbrechen. Dieser Zustand dauerte einige
Stunden. Dos Oesicbt war gerötet, die Pu^ea mittelweit, Atmung beschleu¬
nigt, Pols klein und schnelL kein Fieber. Die Erholung |^g so schnell yer
sich, daft der Knabe am anderen Tage yollstSndig wieder gesund war.
Das Oel besteht yorwaltend ans Ciaeol («ücalTptol) Ci« Hm 0 neben
Phellandren oder Eukalypten Cm Bi«» Die beobachteten Vergiltuagea siad
nodi Seltenheiten bis jetzt. _Dr. Troeger-Kempen L P.
B. BairehUMn.
Die FregiieM der pregresftlYeii Pnmlyte« Von Dr. A. Steyerthal-
Kleinen. AerztL 8achyerBt.^Ztg.; 1606, Nr. 7.
Der Autor resümiert: 1) ln der bstliehen Praxis ist mehr mit der
eix&eh dementen ab mit der klsssbchen, exponsiyen Form der progreniven
Paralyse zu rechnen.
2. Die Paralyse kann in jedem Stadium ihrer Entwicklung Halt machen
(mdimentire, intermittierende, stagnierende, stationftre Form der Paralyse).
8 ) Die Lues corebri kimn zuweilen Erankheltsbilder yortinschen, die
yon der Parade nicht zu unterscheiden sind, aber prognostisch ganz anders
bewertet werden mossea.
4) Die Irflher glUtige Anschauung, daft die Paralyse einen Zeltranm yon
2-8 Jahre nieht Oberdauere, darf miain unter heben UmstSadcn bei der
Pragnesestellung zugrunde gdegt werden. Dr. Troeger-Kempen i. P.
Angenbeftuide bei PamlyMkem» Von Dr. H. Dayids, Assistenzarzt
an der Königlichen Üniyersitits-A ugnsk lbik b Göttingen. Monatsschrift ftr
Psyohbttfo und Neurologie; Bd. XHil, 1906, Erginsaagshefk.
Db Erfahrungen, die Dayids bei der Unterauehnng der Augen yon
Paralytikem machte, sind folgende:
Störungen der Funktionen dor lider und ftnfteren Muskeb des Auges
wurden nicht beobachtet.
Der Konjunktiyalreflez war b wenigen Fillen, der Eemeyalreflex nur
b ebem Fall deutlich herabgesetzt.
Der Idehtreflez bt am hftuflgsten gestört, bei dea Kranken des Befe¬
renten b 92,80 Pros, der FiUe. Mit forbchreiteader Krankheit nimmt diese
Störung zu.
An zweiter Stelle steht die Ungleichheit der Pupillen. Sie wurde b
SAftl Pros, gefsnden. Audi sie zeigt &nahme mit forts^rdtender Allgemeb-
erkraakung; sie bleibt jedoch b ihrem Befunde nicht konstant, sondern wechselt.
Der Beflex bei der Akkomodation war b 67,69 Pros, der Fälle gestört.
Auch diese Störung nahm mit dem Fortschreiten der Allgemeinerkrankmsg su;
sodann fid bei ihr der besonders häufige Wechsel im Befunde auf.
Unr^dmäftigkdten der Gestalt der Pupille wurden b 46,16 Pros, der
Fälle beobaditet
Von Fnndusyerändemngen wurde b 16,08 Pros, die yon ühthoff be-
372
Kleinere Mitteilnngen and Referate ane Zeitaehriften.
achriebene Trttbong der Papille vnd Netahant gefondea. In einem Falle worden
anlfallead geadüingelte Venen, in einem anderen wurde eine alte Choiloiditia
diaaeminata beobaentet Im ganten worden nor in 28 Prot, der FiUe Ver>
indemngen dea Hintergmndea ieatgeatellt.
Daa SebreimOfl^ iat bei dea Paralytikem im allgemeinen bia nom Tode
normaL Daaadbe für dea Farbeaaina und fttr die Akkomodation.
Dr. T 0 b b e n • MOnater.
Terhniten dea Kdrpergewlehta bei ilrknllren und anderen Payehosen.
Von Dr. Otto PfOrringer, Aaaiateniant an der Heil> n. Pdegnana talt in
OKlttingen. Monataachrilt fflr Paychiatrie o. Neorologie; 1908, Bd.
Ergintnngaheft.
1. Bei einfacher Manie und aymptomatiaeher Manie in Begleitong anderer
Payehoaen sinkt die Qewichtakorre.
2. Die Stimmongskarre im tirkoUlren Irresein wird im grofien and ganten
Toa der Eörpergewichtakorre nach ihren poaitiTea and negiiiTen AoaachUgen
beiztet.
8. OeiatesstOrnngen mit herrortretendea Erachmnongen aof affektirem
Gebiete machen dea Verdacht aal Jogendixresein dringend, wenn das Körper¬
gewicht — ohne Beeinfloasong durch mechanische oder deprestiTe Stimmang
stetig anateigt. _ Dr. TObben-Mfinater.
Die forenslaehe Bedeotang der modernen Feraehongen In der Ana«
aagepsyehologle.:,Von Dr. Albert Moll-Berlin. AeistL SachTorst-Ztg.:
1906, Nr. 6 n. 6.
Die eingehende Arbeit kommt tunächst an dem Besoltat, daß die Ex¬
perimente anf dem Gebiete der modernen Ansaageforsehnng das Gate gehabt
haben, die Anfmerksamkeit anf die Anasagefemer hintnlmiken. Anderseits
maß aber sagegeben werden, daß die positiren Beaoltate dieser modernen
Forachnngen dcK^ yerhältnißm&ßig dflrf^ sind. Nach M. Erachten haben sie
weaentlicn Nones nicht gebracht, soweit es sich am gesicherte Ergebnisse
handelt, sondern nor bekannte Dinge best&tigt, was als Verdienst nicht so
onterschätsen ist.
Der Artikel ist hochintereaaaat and yerdient im Original nachgeleeen
so werden. Dr. Troeger-Kempen L P.
O. 8»oltwerst&ndlgr«ntfttlckelt in ITiillall- imd ZnwallditfttmMokea.
Nenritis.nnd UnfaU. Von Dr. Kort Mendel. Monatsschrift fflr Psy¬
chiatrie and Neorologie; Baad XXIII, April 1908, Heft 4.
1. Eine anfsteigende Neoritia nach Traama iat dn yerhUtnianüißig
selten ta beobachtendes Vorkommnis.
2. Wo sie yorhanden ist, hat entweder ein Eindringen yon Mikroror-
ganismen yon der Unfallwonde aas, dso eine septische Infektion, stattgefanden,
oder aber das betreffende Indiyidaam war darch anderweitige Momente nur
Neryenentzflndau dentlich prädisponiert, so daß daa Traama mehr als aos-
lOsendes, lokalisierendes Moment anzosehen ist.
8. Eine lokalisierte and lokalisiert bleibende, nicht asaendierende
Neoritis kann nach ohne Infektion oder Prädi^osition nach einem Traama
aaftreten, ist aber relatiy selten, meist ist nach hier Infektion oder Disposition
zor Erkrankang nachweisbar.
4. Ohne septische Infektion keine rein traamatische Polyneoxitis I
6. Ein UebergreUen des neoritisehen Prozesses aof das Bflckenmark
ist in keinem Fall beobachtet worden; das Fortschreiten der Entzflndang war
immer begrenzt and blieb stets aof die yerletzie Extremität beschränkt, ^g
nie darflber hinaas. Ein Weiterkriechen des Prozesses Aber das Spinalgaai^n
hinans Ist wohl nor bei Vorhandensein einer septischen Infektion denkbar.
6. Die Klinik stimmt in den wesentlichsten Pankten mit den experimen¬
tellen Forschangen flberein. Nor bei yorhandener Infdrtion kann cone rein
traamatische asaendierende Nearitis entstehen; fehlt erstere, so kann das
^nma höchstens als mitwirkende Ursache bei yorhandener Disposition zor
Erkrankang fangieren. _ Dr. TObben-Mflnster.
Kliere lütteiliingeii und Keferat« ans 2 telt 80 hriften. 878
Zar Frage der ArheltsbeluuidlnBg UBfUlaerreaknuiker la HeUfttttea*
Von Oberarat Dr. Worbs. Aentl. Sadirerst-Ztg.; 1906, Nr. 6.
Ans dem Material der HeUanstalt Iftr Nerrenbranke aHsns Sehonow*
xiebt Worbs znn&chst das Besoltat, daß im Gegensats an den angelernten
die gelernten Arbeiter, bei denen man eine bessere materielle Lage Toraas*
setzen kann, in der Mehrheit der Fälle eine Tendenz zor Besserung zeigten.
AnlfaUend war dagegen der gering Erfolg in der Behandlung der
Staatsbeamten und besonders der unteren Staatsbeamten. Ganz besonders
unfftnstig liegen die Verhältnisse bei den Beamten der StaatseisenbahnTer-
waltnng.
Aehnlich sind die Verhältnisse bei den Beamten anderer Verwaltungen.
Die Gründe für die geringen BehanÜungsresultate scheinen mit in gewissen
dimistlichen Verhältnissen, so in der aufreibenden Tätigkeit, vielleicht auch in.
dem Pensinnsmodus zu liegen.
Die Faktoren, die den schließlichen Ausgang der Neurose bestimmen,
sind so verschiedenartig und zahlreich (persönliche, wirtschaftliche, dienstliche
Verhältnisse), daß jeder Fall individuell zu beurteilen ist, um ^ Verständnis
ffir den schließlichen Ausgang zu gewinnen.
Die Erfolge für die Arbeitsbehandlung werden als recht günstige be>
zeichnet, ln 65,7 wurden eine dauernde Erhöhung der Arbeitsuhigkeit der
übwhaupt behandelten ünfallkrsnken durchschnittlidi um das Dreifache ge>
hoben. Selbst bei Berücksichtianuig des ümstandes, daß ünfallneurosen
schwerster Form nicht Gegenstand der Bdiandlung waren, ist der Erfolg im
Vers^eich mit den sonstigen ungünstigen BehancUunnresnltaten als ein zu¬
friedenstellender anzusehen. Jedenfalls geben die Eriolge der Arbeitsbehand-
lang eine Grundlage für die Bichtung, in der sich die Behandlung Unfall-
Nervenkranker mit Aussicht auf Erfo^ au bewegen hat.
Dr. Troeger-Eempen L P.
Heber tmnmntlsehe fhrembotiseh-emboliBeh bedingte Lungentnber'
knlese« Von Dr. Köhler-Werden a.Bohr. AerztL8aehverst.-Ztg.: 1908, Nr.8.
Sehr selten sind die Fälle, bei denen es auf weitem Umwege in folgender
Weise zu einer Lungentuberkulose kommt: Bei einer von dem Thorax ent¬
fernten Stelle, etwa an einer Extremität, wirkt eine Trauma ein und veranlaßt
hier Thrombosieraagen. Kommen nun die Thromben in Zirkulation, so kann
eine Thrombosierung gewisser Lungenabschnitte stattfinden, mit haemorrha-
ß ehern Infarkt, der sidi durch wiederkehrende Blutanuen kundgibt, und nun
m auf diesen geschädigten Lungenabschnitten si^ mne Lungentuberkulose
entwickda. Alsdann ist die Lungentuberkulose die Folge einer extrapnlmonalen,
auch extrathorakalen Verletzung, sie ist aber zweifellos als UniUlfolge im
Sinne des Gesetzes anfzufassen, so daß eine möglicherweise an sich harmlose
Extremitätenverletznng im individudlen Falle von weittragender Bedeutung
sein kann.
Im Falle Köhlers handelte es sich um eine Subkutanverletzung der
Wade, die durch Thromboderuns^ zu einem Lungeninfarkt führte, auf dessen
Boden sieh eine prognostisch seinr ungünstige Lungentuberkulose entwickelte.
Vor dem Unfall hatte zufällig ein Arzt die Lungen vollständig Mund befunden.
Die Blutungen aus den Infarkten kommen in soldten FäUen durch Bruch
der verstopften Gefäße zustande. Gleichzeitig können der notwendigen Er¬
nährung entzogenen Lungenpartien einea geeigneten Boden zur Ansiedlung der
Tnbermbazillen etc. geben. _Dr. Troeger-Kempen L P.
Heber die VerseblimmeruBg der Tnberkuleee dureh HnfblL Von
Dt. Leopold Feilohenfeld in ^rlin. Deutsche mediz. Woohouehrlft;
1906, Nr. 12.
Es werdm 87 Fälle mitgeteilt, ans denen in anschaulicher Weise die
Besiehnnffen von Unfällen zu tuberkulösen Erkrankung hervorgehen. Die
Erhebliclmeit des Unfalls roielt keine allzu große BoUe, dagegen kommt es
sehr auf die Lokalisation des Traumas an; ferner muß ein enger zeitlicher
Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bestehen. Die verschiedenen
Möglichkeiten sind: Offenbarwerden einer bisher latenten Tuberkulose, Auf¬
treten von Komplikationen, Nenaufflaekem alter Tuberkulose, direkte Unfall«
874
Kleinere Ifitteilnngen und Befeiate niu ZeiteekrUlfln.
fiHfflIw fBlstajuM« Idnlo
der YerMsug sw
)
Dr. Liebetrnn'Hncw L W.
BeTiiioas>EBteekeid»f dee
12. Deseaber 1907.
üafUl nd L aff t a b er kaleee.
Beiebs-VereiekermngenBte eoi
1908, Nr. 8.
Es ist der Beklngten dnrin beisatoetea, daß gnade bei tabetkalOsea
Langenerkraakangea die nisidiHche Bedeatong eines ünlaUs fdr dieses Tieidsa
aar dann anerkannt werden kann, wenn dnrch eine an Gewifiheit grennande
Wahrscheinlichkeit dargetaa ist. daß der Unfall tob wesentUAen Einflasse
fttr den Aasbrach oder die EntwickelaBg des Leldeaa gewesen ist; derart, daß
ohne den Unfall der V^aaf der Kn^heit sich wahtBeheinlioh wesentiieh
anders gestaltet h&tte. Diesen strengen Nachweis einer arsichUehen Besiehaag
swischen Unfall and Langentaberkalose za fotdnn. ist deshalb gereditferti^
weil die Lanimtaberkalose sidi erfahrangsgemiß hiaßg ohne Jede naehwdih
bare iaßere Ursache entwickelt and aa<m dann, wenn das Letdea eist nach
dem Unfall aaftritt, stets mit der M8|^iehkeit eines bloß safUligen seHUehen
Zasammentreffeas za rechnen ist. Dm B.«V.>A. hat aber im TOiUegenden
Falle den Beweis des arsidiliehea ZasamaMnhangs zwisehen Unfall and Lan»
gentaberkalose ab geffihrt erachtet.
Es ist erwiesen, daß der Eliger am 26. Norember 1905 zasamnen mit
dem Zeagen B. einen mit den yoiderridem aas dem Olebe gesprongenea,
bebdenen FOrderwagen sarfiekgehoben hat. Es wm immerUn ein Gewiut Toa
mehreren Zentnern, dm aof den beiden Personen lastete, dso ^e Arbeit, die
einen ganz erheblichen Kraftaafwand nOtig suchte. Sohon am niehsten
Arbeitstage hat der KUger seinen mtarbekem gegenüber über Brnstschmerzen
geklagt and du Zarttckheben des Wagens hienttr Terantwortlich gemacht.
Aach dem Enappschaftsarzte Dr. M. gegenüber hat er bereits bei dem ersten
Besnoh am 1. Dezember 1906 die Besohsresden in der linken Brast aof
die am 26. Nosember 1905 Teirichtete Arbeit zarüokgeführt. Wenn aoeh
Dr. M. nach seinem Qntaehten Tom 10 Febraar 1006 nichts Krankhaftes
gefanden hat and aneh der im Krankenhaase „Beramanastrest* erhobene Bn*
fand negatiT war, so ist doch — wm aaoh Prof. Dr. C. and Dr. 8t. betonen
— nicht za bezwetfeln, daß die ersten, kars nach dem Torgaage Tom Ü. No>
Tsmber 1905 aafgetretensn Besehwer^ aaf db Laagenerkrimkang bnogen
werden müssen. Aaoh daroh dM besonders seUeauge Fortsohieitea m
L eideM im Aaschlaß an den Vorgang Tom 25. NoTomlm 1905 nnteisdheidet
sieb der Verlauf dm Erkraakmig Sn Torliegenden Palle Ton der regelmifi%en
Entwiekelnng taberkaMser Ernankangen. Der zebliche Zasammeahang ist
also nirgends onterbroehm. Die ersten Anfinge der Erkraaknng sind Mler«
din^ Blökt daroh körperliehe AMtrengang Tom 25. Norember 1905 reraunekt.
Es ut rielmehr anzanehmen, daß der fflüger ror jener Zeit ein — allerdings im
Bnhestaad beßndliohM — taberkalOsM Leiden gehabt hat. Es kann sich also aar
darnm handeln, ob daroh den Vorgang rem 25. Norembrn 1905 dbsM bis da«
hin iahende LsMaa znm Aafflammen and PortschreiteB angeregt worden ist
Bei eiagebender Würdigang der sümtliehen in dem Venahren ersta t teten
irstttehen Qntaehten hat dM B.* V.«A. die Frage beijabt Für die große Wahr«
aeheintiohkeit einm arsichlichsn ZasammenhangM sprechen s^ die fünf
Ontaohter aas. Den arsichUehen ZasamnuBhang remeineB nai zwei Aerzle,
indem sie roa der darch die Beweisaafnahme nicht beotitigten Voraassetsang
aasgehen, daß m sich am eine rerhiltnismißig Idchte Arbeit gehandelt
hat Tatsiohlicb erforderte die Arbeit anter dsai gegebenen VerhiltnisseB
«hu poß« kBrperliohs Autrengang. Eise solche Anrtrengang ist non •>«-
wie Prot Dr. C. and Dr. St. anftthren — nicht nar mit erheblicher
Bteigeiang dM Blatdrucks, sondern ror allem mit starker Anspaenasg der
Atemmnakela and starker Neigang du Laftdracks im Isner« im Brast«
korbM Torbinde«. DisM Umsftlad« sisd aber geeigaet hleia Zerreißongen
an «teem bereits dareh den taberkalQsen Proseß gesehldigtea Longsn«
gaweb« herroraamfea, die aafge^eieherten TahmkelbasilUQii ln Bewegaag
za seikasn and in den S&fteatrom dm Körpers za treiben. Es Int
a n aaneh ms a , daß «ach beim Kläger iafolg« dm aMtreagendsn Hebens klebere
Zerreißangen dlMer Art stattgefonden naben. Da nnn — wie schon herror«
vKltliiere lOttolloikfen und Referate ans Zeiteehrtflea.
875
^(eliolMa — die Itr dM LnnfenleldeD eharaktariitisclien EraakheHsenoheiaaogen
ebfcald aadi den uhieeveB Hebea erkeoabar geworden elBd, die Erknnkang
ferner lieh mit bewmderw Beeehleonignng enteegen dem Mhleiehenden Verbiiu
eoniüger taberkolOser Erkrankongmi entwickdt hat, die Entwieklong endlich
aaeh dareh intUehe fieobachinng dehergeetellt ist, hält es das Bekmgericht
für dargetan, daß der Unfall ron wesentlichem Einflofl auf den Wiederaasbraeh
des alten taberkalOsen Leideni gewesen ist. Das Schiedsgotiebk hat hiernach
die Beklagte mit Recht rar Bntsehädigong des Unfälle Terarteilt.
9. Bafctarlalagta, lafektjonakrejilrhaltan «ad aadar« JEraakhadtam.
Die Bfiredmeta falUda and der Cyterrhjktes lals. Von Assistemi-
ant Dr. Jancke in Berlin; TheiapentiBche Monatshefte; 1906, H.8; and:
Bamarkaagea ra Dr* Jaaeket Die Spireehaeta palBda and der CyterrlijMeB
lala* Von X)r. C. T. Moeggerath in Berlin; Ebenda.
Jancke leogaet es eheaso wie Siegel, Saling and W. Schalze,
dad die ^irochaeta palBda der Erreger des G^hfUs sei. Er sieht in fiir
lediglich einen harmloaen Pils, einen Sramarotser, der hiafig, aber nicht Immer
hei STphilis and bisweilen nach bei anderen Krankheiten Torkomme. Dagegen
nimmt er fttr den ron Siegel angeblich gefandenen Cjtorrhyktea lau die
Bolle des Erregers der Syphilis in Ansprach. Noeggerath sacht alle diese
Behaoptangea in seinea «Bemerkangen“ ra widerl^n. Es wärde ra weit
führen, hier sämtlicAea Argamentea nachzag^en, die „für* and «gegen* die
Identität der «Glemsa** and «GHlberspiroohaste*, die Protozeennatar der Sphro-
«kaeta etc. Toa beiden Seftea yorgebracht werden; Referent maß rielmehr
bezüglich dieser Unnelheiten auf ^e Originalien yerweisea. Mam wird jeden*
falls nadi ihnr Lektüre mh N. der Meinang sein, daß yorläaflg kein Grand
yorliagt, die Aaffassang yon der ätiologischen RoBe der Spirochaeta palBda
für dte Lass aoganstea des Cytorrhyktes aotengebea, der nach Mühlens and
Hartmans mn großer Watersohefadichkeit als ein Zerfidlsprodakt aas nor*
malsm Biat aazasebea ist. Dr. Klare-Haiaa (Bei. Cassel).
üeker die ffllaflgkelt der CteseUeehtBkrankheltea. Von Kreisarzt
Dr. Dohrn*Hannoyer. Konkordia; 1908, Nr. A
Fassen wir die Resaltate der Zosaraneastelinng der preoMsehea Statistik,
der yon Schwiening and yon Dohrn karz sasammen, so haben wir ia der
preaßisehai Jagend ia der Jahresklasse yon 21—26 Jahren mit einem Prozent*
satie yea 0,78 Gescblechtakrankea ra rechnen. Die Mindestiahl der allen
Altersklassen aagehSrigea Geschlechtskraidiea ist aof Gkand der nw objektiven
Befände berücksichtigenden Statistiken aaf 2,8 bis 8,87« ^ Preaian za yer*
anscblagen. Einen Büokschlaß aas dieser Zahl der Ktaiuien anf die Händf^Eeit
der Geachleehtskrankheiten mßohte Verfasser aas den oben angeführten Gründen
nicht akhen. Selbst wena nma diese Zahlen aotwen^gerweise nach oben
korrigiert, so geht doch dacaas heryor, daß wir im Vergleiche za ftühesen
Zeiten om kn Veagleiehe n aakaltrasitea VBlkern der Jetztzeit relatfy
günstig dastellen. _ Dr. Wolf* Hatbarg.
Das 8Uavan^ satn Verhanmnen and aetna Dabnniling* Von Professor
Dr. Gerb er-Königsberg i. Pr. Therapeatische Monatshefte; 190T, H. 12.
Es ist notw^ig, Abwehnnaßregeln gegen das Sklerom m treffen wie
gegen die Lepra. Wurend diese aber efaie ateterbeade Krankhdt ist, stdit
daa Sklerom neck in der «Maleablüte seiner Sünden*. Wir haben berffts zwei
Heede Asses Leldeas in Deatscbland, efaun in Sdüesien and den anderen ta
Ost ps e aß e n (Kreise Lpvk and Marggvabowa). Eine Vorbedingnng rar Be-
käapiang der Kraßheit ist ihre genaoe Krastnls hmerhalb ^ Aerztewelt.
Ahgesehn von dem InMalstadiam in der NasmhOhle rfnd für die Diagnose
bssoniisffi wlditig Ae hoaaentrisoben Veränderaagen des Nasearaehearanou,
die nar hsim Sklerom yerkommen, ferner die mMst sabklottbches, Msweflen
aber aaeh rapsaglottischea lailtvate «nd Tamerea im Kditkopf. Daß wir es
kn SUesom mit Anar kontagiOsen Krankheit za tan haben, daran kann
nicht gesweifelt werden, wenn nach die Spesifltät des sogenannten Sklerom-
e r t agers bisher ateht erw iese n ist. Dir. Klare*HAaa (Bes.Cassel).
376
Kleinere Mitteilnngen und Referate aoi Zeitsehriften.
Zun üebertritt tos dnreh Helminfken n^teMnderton glfUgMi 8iib>
stnuen ln den Oi^anlfluu« (Skleroetemn, Oeeephagostoina, Ankyloetomn).
Von W einber g. Ana dem Lnboratorinm des Prof. Metaobnikof L Comptea
rendna de la aoo. bioL; 1908, LZIV, Nr. 1.
Der Anfaate lat fttr. die Lehre ronder Aakyloatomiaaia TMgrofier
Bedentnng.
Fttr du Skleroatoma hatte Anter nachgewleaeB, daS ea Sabataasen
abacheidet, die die roten BlntkSrperchea anflOeen, die Blntgerinnnng ver¬
hindern und bei Bertthrnng mit dem Serom einen Niederachlag geben. Von
Humolyainen and apeailiachen Praeaipitinen aind dieu KOrper verschieden.
Sie • ähneln dagegen dem Blntegelextra^ and den SitoeUonsprodnkten be¬
stimmter Organe des Verdaanngstraktns. So iSet auch die Qalle die roten
Blntkörperchen auf, so hat du Dttnndarmextrakt eine thermostabile Sabstana
von denselben Eigeuchalten anm Inhalt, und hindert du Paakieueztraitt die
Blutgerinnung.
Die Unterauchungea in vivo bestätigten die Versaohe in vitro. Bei
82 Pferden mit Sklerostomoaiasis fand sich, dafi die toxischen Substanaen in
den Ereialauf eindringen und dort die roten Blutkörperchen aeratören. Die
Zerfallsprodukte werden a. T. durch die Nieren ausgeschiede^ bleiben aun
andern Teil in Leber und MUa. — Aehnlichm fud sich bei 80 AKen mit
Ouophagostomiuis.
Auch beim Ankylostomum handelt u sich um einen Nematoden,
der mächtige Mittel nur Fixation >) hat und der sieh vom Blute seinM Wirtes
nährt. Die Untersuchungen von Calmette und Breton ttber die humoly-
sierende Wirkung des Ankylostomenextraktes, dievonLoeb und Smith ttber
den Einfluß desselben auf die Blutgerinnung die Ergebnisse von Daniels
ttber Pigmentierung verschieduer Orgue bei&uken, die der Ankylostomiasis
erlegen sind, und die üntersachnnuen des Verfauers Itthren au dem Schlosse,
dafi m sich auch bei dieser Erukneit um eine chronische Vergiftung du Or-
S anismus durch toxische, von den Helminthen abgeschiedene Substonaen handelt.
u den toxischen Wirkungen kommen hinan: intestinale Blutungen,
ferner infektiöse StOrnngu durch Msimpfung pathogener Mikroben in die
Darmwand mit HUfe jener Helminthen. Dr. Mayer-Simmern.
I
I
Das Auftreten der BUnddarmentiflndnng In Prenssen. Statistischo
Eorreepondena; 1906.
Die A^aben ttber die Häufigkeit der Blinddarmentattndu^ in den all¬
gemeinen Heilanstalten Preufiens sind bisher unter der Gruppe «Peri-
tonitis“ (Banchfellentattndung) geftthrt worden. Die Zahl der Behandelten
dieser Gruppe ist von 896 (w9 m., 497 w.) im Jahre 1877 auf 19171 (10009 m.,
9162 w.) im Jahre 1906 gestiegen. Während aber bis anm Jahre 1892 die
jährliche Zunahme kaum 100 betragen hat, wurden seitdem bis 1901 jährlich
rund 600 Personen dieser Eruikhdt mehr anfgenommen; in den folgenden
Jahren stieg die Zahl um mehr als 1000, 1908 bereits um 1700, 1904 um 2600,
1906 um 2910 und 1906 sogar um 8268. Die SterbUchkeit an dieser Eraak-
heit schwankte in den Ji^en 1876 bis 1886 awischen 24 und 88 v. H. und
sank dann fortdauernd bis auf 10 v. H. im Jahre 1906. Die Abnahme der
Sterblichkeit läßt sich durch die sunehmende Aufnahme in leichteren Erank-
heitsfällen erklären.
Mit Hilfe der Zählkartenmethode ist es mOglich geworden, au nnter-
suchen, ob die Blinddarmentattndnng das auffallende Anwachsen der
Erankheitsfälle, welche aur Gruppe „Bauchfellentattndang* gerechnet werden,
veranlaßt hat. ln der Tat ergibt sich auch, daß in den Jahren 1908, 1904,
1906 und 1906, in denen die größte Zunahme der Peritonitisfälle festgesteUt
ist, an Blinddsjrmentzttndunf (Perityphlitis, Appendidtis) 8412, 10793, 18714,
16781 an den 10689, 18008, 16918, 19171 Peritonitisfällen geaählt waren.
Die Sterblichkeit an der BUnddarmentsttndnng betrag nur 9,46 beaw. 944,
7,91 und 6,68 v. H., während de fttr die 2137 teaw. 2216, 2104 und
2390 ttbrig oleibenden PeritonitisfäUe sich auf 80, 84, M und 84 v. H. belief.
Verfolgt man die Zahl der Blinddarmentattndungen, je nadidem di»
0 VergL Zeitschrift fttr Medizinalbeamte; 1906, 8. 688.
Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeltsebriften.
877
Xmakenhinser der einzeben Begiernngsbesirke beteiligt waren, so
stallt sieb heraus, daß das Vorbandensdn von Anstalten wobl den Haupt*
dafloB auf die OrOfie der Zahl der Behandelten ansgettbt hat. So sind in
Berlin allein in den Jahren
1908: 1847 Erkrankte behandelt, daron gestorben 177 = 9,68 t. H.,
1904 : 2878 , , , „ 288 = 10,08 , .
1906 : 2818 . , , , 220 = 7,81 , ,
1906: 8817 « , , , 216 «= 6.61 „ ,
Welchen großen Wert diese Statistik beanspmohen kann, geht ans der
Tatsache heryor, daß Ton den überhaupt in Berlin in den drei Jahren 1904,
1906 nnd 1906 an Blinddarmentzttdnng destorbenen (282, 281 nnd 266) 84, 80
nnd 86 ▼. H. in den KrankenhSnsern gestorben sind. Ob aber die
Zahl der Behandelten einen Bttckscblnß anl die Zahl der Erkrankten über¬
haupt gestattet, die Frage ist nnr insoweit zn bdahen, als für die BevOlkernng
in großen Städten die Zahl der Fälle von Blinddarmentzündung b den
Era^enhänsern ab ebe Mindestzahl anznsehen bt, deren Größe mit Recht
db Öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Was das Geschlecht der Behandelten betrifft, so bt ermittelt, daß
das weibliche Geschlecht unter den Behandelten nicht weniger erheblich ver¬
treten ist, ab das männliche. Dies trifft auch für die einzelnen Altersklassen
zu bb a^ die erkrankten Ebder von 6 bb 16 Jahren, unter denen bedeutend
mehr Knaben ab Mädchen Hilfe b den Krankenhäusern suchen. Vergegen¬
wärtigt man sich, daß für Ebder verhältnißmäßig selten Hilfe b den Kranken¬
anstalten gesucht wird so erscheint die große Zahl b diesem Alter, die wegen
Blbddarmentzündung den Krankenhäusern überwiesen bt, recht auffallend.
Oh die körperlichen Anstrengungen bei der Ausübung des 8 ports für die
Jugend die Erkrankung an Blbddarmentzündung zu veranlassen vermögen,
bedarf noch ebgehender Untersuchung.
Für das Jahr 1906 bt auch bei der Todesursacbenstatbtik die Beteili¬
gung der Blbddarmentzündung für die ebzeben Altersklassen der Gbstorbenn
ermittelt worden. Von 1886 Todesfällen dieser Art im 8taate überhaupt
kamen auf männliche Personen 1098 ^ 68,01, anl weibliche 793 = 41,99 v. tL
Darunter befanden sich im Alter von über 1—16 Jahren insgesamt 476 =
26,24 V. H. (270 m. = 28,68, 206 w. = 26,01), von 16-80 Jahren 660 =
29,69 V. H. (864 m. = 82,66, 206 w. = 26,01).
Die nachfolgende Zusammenstellung vergleicht den Anteil der Cbstor-
heaen überhaupt und der an Blbddarmentzündung Gestorbenen nach
Altersklassen nnd Geschlecht. Daraus geht ebenfalb bervo^ daß beide Ge¬
schlechter im kräftigsten Lebensalter stärker von dieser Krankheit dahb-
gen^ werden, ab von allen anderen Krankheiten zusammen genommen.
Alter
An Blbddarment-
züadnng gestorbene
Personen
m. 1 w. 1 zus.
an I
zündni
m.
Es
Ubddar
Bg Gest
w.
starben
ment-
orbenen
zus.
von Je
ü
Qi
m.
100
iberhau]
»torbei
w. 1
pt
lea
808.
bb 1 Jahr
17
7
24
1,56
0,88
1,27
86,41
81,11
88,86
UDor
1 — 2 Jahr
10
6
16
6,18
6,86
6,28
2 — 8
n
8
8
16
HSl
2,11
2,26
2,18
8 — 6
9
80
80
60
2,74
8.79
8,18
2,29
2,48
2,88
6—10
9
97
82
179
8,87
9,49
2,44
2,77
2,69
10—16
n
126
80
205
11,48
1,28
1,48
16—20
n
186
89
226
12,48
11,24
11,98
1,96
1,89
1,93
20—26
n
129
68
192
11,79
7,96
2,27
2,26
2,27
26—80
89
64
148
8,13
6,82
7,68
2,19
2,60
2,84
80—40
148
109
267
18,63
18,76
18,68
4,96
4,83
4(K-60
9
104
77
181
9,61
9,72
6,44
6,17
6,88
60-60
96
64
169
8,68
8,48
8,82
6,96
7,66
60—70
n
69
77
146
6,81
9,72
7,74
11,16
10,70
70-80
Jahr
88
86
69
4,66
8,66
9,68
10,78
über 80
4
10
14
1,26
4,69
6,69
ubekaimt |
—
—
—
-1
—
-
0,04
zusammen . |
1 1094 1
1 792 1
1886 II 100,001100.001100,00
100,001 lW.OOl 000,00
878
Kleinor« Mitteilungen nnd Refemto «m Zalteehriften.
Aaeh die Feetetollang dee Benife der Gestorbenen UAt den SehloA n
dafi die jugendlichen Personen von 10—25 Jahren besonders gefihrdet er>
scheinen. So befanden sich unter 1904 an Blinddannentafladuug gestorbenen
minnlichen Personen 270 = 24,68 r. H. Gtehilfea, Gesellen und Lehrlinge,
die in der Industrie, ferner 81 = 7,40 ▼. EL, die im Handel und Verice&e
beschäftigt waren, und 122 = 114.5 t. H. Personen, die der Armee nnd
dem Beamtenstande angehSrten, w&hrend tmi den 852777 ttberhaupt gestorbenen
minnlichen Per8<men den angefOhrten Berufen nur 15,45, 2,88 uid 2,56 ▼. H.
sugesihlt waren.
■Demnach ist die BlinddarmeatiOadnag su denjenigen Krankheiten su
rechnen, welche Iftr die jugendliche BeuOlkernng gefihrlioh sind.
B. Penlafsktlow.
üeher die nnttseptlsehe Wirkung tou Thjmel und Tnnnetbjmol und
das Terk^ten einiger Substansen snr Sehwefelwasserstoffblldaag. Von
Dr. med. Herrn. Hildebrandt, Priyatdosent an der Unlrersitit Halle a.8.
Verfasser bediente sich bei der Untersuchung der antiseptischen Eigen¬
schaften von Thymol und Tannotbymol (Eondensationsprodukt ans Thjuiiü,
Tannin nnd Formaldehyd) der sog. Milch-Schwefel-Methode, die darauf beruht,
daß die Milchbakterien im stände sind, fein rerteilten, der Milch sngesetsten
Schwefel (Sulfur praecipitatum) in Schwefelwasserstoff umsnwandeln, der mittelst
Bleipapier nadiweisbar ist. ^ fand sich, daß es unter dem Einfluß der betr.
Substansen, die in wechselnden Mengen der Milch gleichfalls sngesetst wurden,
nur SU gans geringer H*8-Entwicklung kam; bei Znsats von 0,05 Thymol su
100 ccm Milch fenltea sie sogar yOUig. Verfasser weist sum Schluß noch
darauf hin, daß mit dieser Bildung yon Ha S ans Schwefel durch Bakterien
die schon Unger bekannte analoge Bildung yon HsS ans Schwefel durch 13-
weiß nichts su tun hat; letstere kann antm durch die sogenannte AntisepMca
nicht gehemmt werden. Dr. Klare-Hatea (Bes. Cassel).
Lysol und Kreaolseife« Von Prot Dr. M.Schottelins. Mflnchnner
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 6.
Bekanntlich ist im Königreich Preußen an Stelle des in dem prenflisehen
Hebammenlehrbnch seither yorgeschriebenen Lyaols eine neue Kresolseife
eingefflhrt.
Zahlreiche Untersnehnngen haben die Inkonstans des offlsinellen liq.
cresoli saponatns ergeben; jedenfalls ist die Wirkung desselben unsicher,
was nicht an yerwundem ist, da sowohl Kaliseife als auch das yorgesdirieboae
Oresolnm omdum, aus denen der Id^er uresoU sap o natn s hergestelH wird, in¬
konstante Großen sind. Aehnlieh yerhält es sich mit der neuen Kresolseife.
Für den Ersats des Lysois durch eine neue Kresolseife würden drei MOf^ch-
keiten als maßgebend in Betracht kommen, wenn eine Verbesserung erreicht
werden soll. Das neue Pr¶t müßte kriftiger wirksam (bakterisider),
für den Menschen weniger giftig und endlich billiger sein wie Lysol. Verfssser
führt die Gründe an, wel«jhe dartun, daß die Kmolseife weder sicherer und
stirker desinflsierend, noch auch, daß sie weniger giftig oder billiger ist als
I^rsoL Wenn der ßtaat die stündige Kontrolle ülw KnsoLwifenprIparate über-
nelunen würde, dann konnte gewiß auch für das Lysol unsere KoutroU-
prüfnng fortfaUen. So lange aber dies nicl^ der Fall ist, wird trots der Ein-
lühmng der neuen Kresolseife das Lysol als das suyerUssigBtennd wirksamste
KresolseMsaprtpaiat su beaeiehaea sein. Dr. Waibel-Kempteu.
Zur Hiudeiesinfektleu. Von Obeiaxut Dr. Leasmaan-Onisbwf-
ZeiMralhlatt f. Ofair.; 1268, Nr. A
Verlasset empflehk au dem Zweck eine Seifen nasse yon fblgeader Zn-
ssmmennetanng; Fommlia 5,0, Benäh 15,0, Dermosiml SQA Dieses IfittsI
besitst genügende Deshfektioaskraft, diin(^ h die ^efe der Bant eia und
sMat die Haut aüdM. Dis Methode ist folgendesmaßen: Mechanische Beinitung
dar Hiado im fthßendmu heißen Wasser mit steriler Bürste und Manasneifn
(5 Min.X Abreihen der H&ade ssit trockener steriler (Hse, krtftlges fihnftau
Kldnace JUtteilongen und B«feiata »«• Zeitsohiiftca.
m
dar genaantan Seileniaasse (9 Nfushbflntao ntt SaifeaqpUtiui (9
Abapflla« ia 1 ‘/m SablioiatlOsaag. Aoob sor Vorbereitoag das Oparatkns«
leldss kaaa bumi disse Seile beaatiea. Br. Wolf •Marburg.
Uaterfuehuagea tber y,FeetoferaS ela Forauüdehyd-Selfeapriparat.
Voa Br. E. Walter, Aeabtenc am bygieaisobea lastitut ia Greifswald. ljiaiig.r
Bissertatioa. Greifswald 1907, H. Adler.
Bas aeue Besialektioasmittel Festoform ist eiB aach PatentTorfahrea
(Cbemisehe Werke Beiheistieg, Hamburg) bergestelltes festes Formaldeivd*
Seifeapräparat. Es ist ia kaltem Wasser schwer, ia auf 60* erwirmtem nst
augeaDlieklich löslich. Bie LOsuagea reagierea aeutral und opalesderen, je
aaä dem Gehalte, mehr oder weniger stark. 1—2pros. Lösungen riechen
last gar nicht nach Formaldehyd und geben beim Schütteln einen seifen-
artigen Schaum. Bas Mittel ist in den gebr&uchlichen Verdttnaungen ungiftig.
Bie ersten Versuche mit dem neuen Präparate wurden von Symanski*)
Uagestellt, die in ihrea Ergebnissen, wie schon jetst bemerkt werden mag,
im wesentlichen mit denen Walters ttbereinstimmea. W. stellte sunächst
ebe Beihe sehr exakter rergleichender Untersuchungen an über die Bes-
^ektionakraft des Festoforms und des Formalins fai gleich starken Lösungen,
wobei er als Testmaterial Staphylokokken, Typhus*, Biphtherie*, Coli*, Mflz*
brandhasillen und MUsbrandsporen, ferner ^en sehr reaiateaten, sporenhaltigen
Eeubacttlusbenutste.
Biese Versuche zeigten, daß das Festoform im wesentlichen die
S leiche keimtötende Wirkung hat, wie das Formalin, daß es aber
I Tielen Fällen ^e Wirkung des Formalins noch ttbertrifft. So tötete eine
2pros. Festoform lös ung Biphtheriebazillen nach 10 Sekunden,
Typhusbazillen und Staphylokokken nach 60 Sekunden, Coli*
baZillen nach 1*/* Stunden ab, während die entsprechende Formalialösung
eine wesentlich längere Einwirkungsdauer beanspruchte. Eine Iproz. Feste*
formlösung xermochte Typhusbazillen in 1 Stunde, Staphylo*
kokken und Biphtheriebazillen in 2 Stunden abzutöten.
Walter konnte bei seiner ünterauehung ebenso wie Symanski fest*
stellea, daß sich die erwärmten Festof ormTösuBgen durdi besondere
desinliziereBde Kraft anszeiohnen.
Er prüfte sodann xergleieheBd die entwickluncshemmende
F&^keit im Festeioinns und £e des FomaliBs, wobei er ski eines für der*
artige Untersuchungen besonders geeigneten Verfahrens Ton Löffler be¬
dielt Es zeigte snk, daß das Festoform auch ln seiner entwich*
lungshemmenden Eigenschaft das Formalin deutlich über*
trifft, namentlich in schwächeren Lösungen.
Besonderes Interesse beaasprudieB die xon Walter eagestellten Ver*
eudie mit den «Festoform*Baumdesinfektoren*. Es sind dieskleiBe,
mit umlegbaren Füßen Tersdiene Blechbüchsen, die bis zur Hälfte mit Feste*
form gefult sbd und in ihrem Beckel die zur Verdampfung notwendige Menge
Afftspiritas enthaHen. Na^ den Angaben der Firma solneB 60 g Festeferm
zur Beshifektion von 60 cbm Baum — und zwar ohne gleichzeitige Vor*
dampfig Ton Wassw — ansreiebeB.
Walter führte nun mH dem Festoform eine Beihe xoa Smmer*
desinfehtioBsrersnehen durch, wobei er die tob Flügge gegebenen Vorschiifteu
bezüglich der Vorbereitung des Baumes (Abdichtung etc.) streng beobachtete.
Ik benutzte als Testobjmete Biphthede*, Typhnsp, Pyoeyaneus-, Milzbrand*
bazillen, Milzbcaadsporea und Stsphylokokkea (aureus), an Leiawandläppoheu
besw. Be^gläschen angetrodmet und als Agar* besw. Serumkultur in Böhr*
eben, um so das Eb^rmgen des Formaldehyds fai BHaen zu prüfen, feiner
mH ßts^yldcokkeneiter beschmutzte Verbaadgase.
Kd diesen Untenuohungmi konnte Walter zunichot feetsteliea, daß
ein betriedigender Erfolg yon der Festoformraumdesinfektioa ohne i^chzeitige
Entwicklung tob Wasserdampf nicht nu errdehea war.
Günstige Besuitate ergab dagegen die folgende Versuchs*
Geher „Festai<»m* als Bednßdens. Zdtschdfk für Mediaiaalheamte
lÜOß, Nr. 13.
880
Kleinere Mitteilungen nnd Referate ane Zeiteohrifteo.
anordnnng: In don 60 cbm enthaltenden Baume worden ea.400 g
Feitoform (Inhalt einer große Bttchae) ttber einen mehiflamnügen Spiritos-
breaner mit 1 Liter Wasser aor Yerdamplnng gebracht; nach 6 Stondea
wurde mit der Ammoniakentwicklong begonnen. Diesem Verfahren erlagen
simtliche Testbakterien, abgesehen von HUzbrandsporen und einem Staphylo-
coccos aoreus, der sich als sehr widerstandsfähig erwiesen hatte; indessen wird
dies auch bei dem Flügge sehen Verfahren beobachtet
Bei seinen Versuchen prüfte Walter auch nach dem hierfür besonders
S eeineten Titrationsverfahren von Bomyn den Formaldehydgehalt
er Luft des betr. Zimmers und fand einmal p. 1 cbm 0,875 g, ein zweiteii
Mal 0,46 g Formaldebyd, Werte, die denen beim Breslauer Verfahren ent¬
sprechen. Trotzdem mOchte er die Festoformraumdesinfektion nicht an die
Stelle des exakt ansgearbeiteten Breslauer Verfahrens setzen; er glaubt ea
aber für Improvisationszwecke, weil man nichts weiter benOtigt als
einen Kochtopf, ein Gestell und einen Spiritusbrenner, in erster Linie em^
fehlen zu können, zumal das Präparat nicht teuer ist (1 Oo Festoform: 1,20 M.).
Uebereinstimmend mit Symanski stellte Walter fernerhin fest, daß
das Festoform schon in kleinen Dosen ein hervorragendes Desodorierungs¬
mittel ist (für Aborte, Pissoirs, Ausgüsse nsw.)* Lr faßt das Gesamtresnltat
der von Ihm angestellten Versuche in feigenden Schlußsätzen znsamment
1 . Das Festoform besitzt in wässerigen Losungen zum mindesten
die gleiche keimtötende nnd entwicklungshemmende Eigenschaft
wie das Formalin. In vielen Fällen übertrifft die Wirksanäeit der
FestoformlOsnngen die gleich starke FormalinlOsungen um ein Geringes.
2. Durch Verdampfen des Festoforms zusammen mit Wasser
lassen sich ohne besondere Apparate nahezu die gleichen Wirkungen
erzielen wie mit dem besten der bisher bekannten Zimmerdesinfektionsverfahren,,
das von Flügge angegeben worden ist.
8 . Das Festoform eignet sich in gasförmigem Zustande nnd ln wässriger
Losung gut zur Beseitigung schlechter Gerüche.
Dr. D a s k e • Düsseldorf.
F. WohiMuigpaliyglaiia, BeaaitlgiinM Aar AbCallatoffa, StnuHMn-
hyglana, WassarveraorgiuiM*
Die Trockanstellung und Troekenerhaltung der Heinwohnungen»
Von ProL H. Chr. Nnßbaum-BLannover. Archiv L Volkswohllahrt; Jahr. I,
Nr. 2.
Verbtfser macht zur Erreichung dieser Forderung folgende VorscUl^:
1) Schutz der Wände gegen au&teigende Erdfeuchtigkeit und das hon-
dringen des Schlagregens.
2) Verwendung von Stark dnrchlissigea Steinen nnd MOrtelarten für
die Wandbildnng, z. B. der Gemenge von Zement nnd der besseren Arten des
Wasserkalks.
8 ) Anlage der für Kleinwohnungen bestimmten BauUOoke im Stadtplan
derart, daß ihre beiden Langseiten tunlichst viel Sonne erhalten, die herr-
si^enden Winde sie möglichst senkrecht treffen.
4) Bestimmung des Beziehens der Kleinwohnungen im Frühjahr.
6 ) Biehtige Aufstellung eines ausreichende Wärme abMbmiden Ofens
und einer Grude zum Kochen. _ Dr. Wolf-Marburg.
Bauordnungen und Wohnungsrefonn* Von Beg.-AB8essor Beohtel-
Darmstadt. Blätter für Volksgesnndheitspflege; Jahrg. VITE, Nr. 2.
Neben der Frage, ob nnd mit welchem Erfolg man sich der Staffelbau-
Ordnung im gegebenen Fiül zur Hebung des Wohnungswesens bedienen kann,
Üeibt noch eine Anzahl weiterer Pume zu erwägen, bezüglich deren die
Bauordnnnj^ vielfach hinter den zeitgemäßen Anforderungen zurückbleibon.
Dies betriA besonders Bestimmnngen, die sich mit der Lage nnd der bau¬
lichen Beschaffenheit der Wohnung näher beschäftigen.
Manche der unumgänglichen Reformen lassen sich bei gutem Willen
und bei verständnisvollem Zusammenwirken der maßgebenden Faktoren auch
bei weitgehender Bücksiebtnahme auf private Ltteressenwiderstäade nur Dnreh-
führuag bringen. Durchgreifende Verbesserungen unserer Wohnuagsverhilt-
Kleinere Mitteilnngen ond Referate ans Zeiteehriften.
881
niese werden allerdings erst dann sa erzielen sein, wenn die derzeitige aer«
mlitterte, Tiellach nddare and rftckst&ndige Rechtslage beseitigt, und unsere
Mugese^ebong, sei es darcb reicbs*, sei es darch landesgesetzliche Ma߬
nahmen rmormiert und mit den Anforderungen der Neuzeit in Einklang ge¬
bracht ist. Die Aufgaben aber, die durch &e zeitgem&ße Bau- und Woh-
nungsgesetzgebung der Losung entgegengeftthrt werden müssen, gipfeln
in Beseitigang des Mietskasemensystems, in Bereitstellung von Freiflächen
für Hsusgärten, Yolksparks, Kleingartenkolonien, damit auch die großstädtische
Bevölkerung den lebendigen Zusammenhang mit der Natur nicht verliert und
zieh gärtnerisch und landwirtschaftlich betätigen kann.
_ Dr. Wolf-Marburg.
Mittelbare Ckwheizuug. Von Obering. F. Schaefer-Oessau. Ge-
«undhmt-Lig.; 1906, Nr. 8.
Alle Unzuträglichkeiten und Schwierigkeiten der Gasheizung kommen in
Fortfall, wenn man das Gas außerhalb des zu beheizenden Raumes in einem
Warmwasser- oder Dampferzeuger verbrennt, die dabei freiwerdende Wärme
in einem KreislanfBjstem durch Warmwasser oder Dampf nach der Gebrauehs¬
stelle fortleitet und dort in Heizkörpern die bekannten Bauarten und Anord¬
nungen zur Wirkung kommen läßt, mit anderen Worten, wenn man eine
Biitti^are Gasheizmig anlegt, welche schon verschiedentlich ausgestaltet und
erprobt ist. Auf diese Weise ist das Anwendungsgebiet der gasförmigen Brenn-
ntoffe wieder um ein bedeutendes Stück erweitert worden.
Dr. Wolf-Marburg.
Ueber die Grundlagen teehniseher und gesetilleber Massnahmen
f egen Banehseblden. Von Prot G. Wislicenus-Tharandt. Verlag von
’. Parey-Berlin. 1908.
In Betracht kommen für die Entstehung der Rauchschäden 8 Haupt-
gruppen schädlicher Betriebe:
1) Die Steinkohlenfeuerungsanlagen.
2) Die gewerblichen und industriellen Anlagen mit besonders hoch¬
konzentrierten Schwefelsäureabgasen.
8 ) Die industriellen Betriebe mit besonderen, stark mineralsauren
Abgasen.
Um die Schädigungen zu verhüten, wird man zunächst einen bestimmten
Abstand der Rauchquelle verlangen, ferner aber vor allen Dingen eine zweck-
in^ge Verdünnung der Abgase mit Luft — wo nOtig nach vorausgegangener
Waschung (Entsäuerung) —; dies ist das einzige künstliche Mittel nach der
Ansicht des Verfassers, das ^e Rauchschäden aus der Welt zu schaffen ver¬
spricht. Es wird nOtig sein, die Schornsteine und sonstigen Abgasmündungen
wach weitesten hygienisdien Rücksichten zu vervollkommnen.
Außerdem bedarf es der Einführung eines Luftgesetzes, das 1. anpassungs-
fiUiig sein und 2. den Fortschritten der Technik und Wissenschaft genüge
tun muß. Dr. Wolf-Marburg.
Die Bauehplage lu den Grossstädten. Von Geheimrat Prof. Dr.
Rubner. Nach einem auf dem intemationalen Kongreß für Hygiene und
Demographie gehaltenen Vortrage. Archiv für Volkswohlfahrt 1907, H. 8.
Zu den Eigentümlichkeiten des Großstadtklimas gehOrt die trübe At¬
mosphäre die sich in der kalten Jahreszeit besonders geltend macht. Der
Himm el ist auch am den heitersten Tagen nicht rein blau, sondern grau-blau,
fahl. Eine Dunstschicht gleich ^er Kugelschale deckt die Stadt; sie wird
zur regelrechten Wolkenschicht, dann Hochnebel oder sinkt auf den Boden als
^nefnebel. Die Verbindung von Bauch und Nebel erzeugt den sogen. Erbsen-
suppennebeL Die trübe Atmosphäre ist auf das Zusammenwirken von Staub
und Rauch zurückzuführen; der letztere ist der eigenüiche Nebelbildner.
Unter den Erscheinungen, die Dxmst und Nebel in den Großstädten
Temrsachen, ist die Abblendung und Verdeckung der Sonne, der Mangel direkten
Sonnenscheines, die aufdringlimiste. Verfasser ist der Ansicht, daß die Gesamt¬
summe Sonnenlicht, das einer Großstadt mit stärkerer Rauchentwicklung ent¬
zogen wird, in rascherem Verhältnis abnimmt, tJs die Zahl der Sonnenschein-
882
Kleinere Kitteilnngen nnd Bef ernte ans Zeiteebriften.
stniideB. Es lillt in den leisten Jahren auf, daft sieh der Trttbheftsnad der
bedeckten Tage Termntlioh hi dem Sinne dner lortschreltendea Abnuune des
lichtes nnd euer Zonahme der Dunkelheit indert Die Dunst- Und Bauche
massen wenlen nicht nnr h&nliger, sondern auch dichter.
Bauch und Buß machen skh ferner auch durch biologbche Sehhdigungen
bemerkbar. Das schärfste Beagens auf den Bauch in der Luft sind die
Pflansen. Hole- nnd Holzkehlenrauch sind indifferent, dagegen schädigend auf
den Pflanzenwachstum zeigt sich der Stein- und Braunkohlenrauch, dann folgen
Industriegase, Btotgase von Pyritäfen, Säurefabriken, GlasfabiikeD, ZiegelSfmi
nsw. Nadi tntennchnngen der Forstwissenschaft ist es die langdauemde Ein-
Wirkung hochTerdtInnter Gase, die eine Benachteiligung des Wachstums
und schließlich Yernlchtung des Baumbestandes herbeilttbrt.
Auch die mit einer Abnahme der Phthisemortalität eiahergehende
Steigenuyg der Mortalität an entzündlichen Lnngenkrankheiten fuhrt Verfasser
Ml die Emwirkung von Bauchgasen zurück.
Der Bnuch M nichts Einheitliches. Wir haben zu unterscheiden zwischen
Gasen der Kohlensäure (COt), des giftigen Kohlmoxyds (COX schwefligen
Säure (SO*), Schwefelsäure (SO,), Salzsäure (HCl) uud zwisdien Dämpfen, die
etwa dem Teer gleich, und Asche und Kohlenpartikelchen, dem «Buß* im
engeren Sinne. Die Menge des Busses, welcher der Stadtluft beigemengt ist,
ist noch nie in sorgfältiger Weise bestimmt worden. Man kann sich über
sein Vorkraimen nach einem Tom Verfasser schon früher angegebenen
und benutzten Verfahren eine quaatitatite Vorstellung machen: MIttds Mnes
ca. 60 cm langen Glasrohres wird Luft abgesogen naui einer Metallkapsel, in
wdche gewOh^ches Filtrierpapier gelegt nnd fixiert ist. Nach der FUter-
folgt ein seitlich ansitzendes luuometer zur Messung des negatiTen
Dmdces behufs genauer Berechnung der Volumina, dann sine Gasuhr nnd eine
Wasserstrahlpumpe znmAnsangen der Luft Es genügen etwa 2—8 cbm Luft,
um (Ue kleinste Torkommende Bnßmenge anfzufiaden. Die benntztmi Papiere
zeigen mikroskropisch den durch die Imtration ansgeschiedeaen Baß aal der
Vorderseite. Im Mittel findet sich pro 1 cbm Stadtinft O^äO mg Buß bei
60*/* Steinkohle ss 0,084 mg Kohlenstoff.
Als mittlere Zunahme des CO* Wertes für Berliner Stadtinft nimmt
Verfasser 0,076*/,* m. Im Bauch stecken aber außer der (X)s auch noch fiüch-
dge Eohlenstoffrerbindungen. Zu ihrer Aufonchnng hat man sich yiellaoh
der dazu ungeeigneten PermanganatlOsnng bedient. Verfasser gibt ein anderes-
Verfahren an: Nach Absorption der Kohlensäure durch Barjtwasser wird die
Luft über glühendes Knpferozyd geleitet und der Terbreuüidie organische
Kohlenstoff bestimmt. Dieser macht 4,4*/, des in der präformieiten Kohlea-
sbure enthaltenen Kohlenstoffes ans = 0,016 */,*j auf den mitUermi Kohlen-
säaregehalt gerechnet. Im Gesamtdurchschnitt sind in 1 cbm Berliner Winter*
Inft 9 mg ^hlenstoff in Form yon Süchtigen KohleastoffTerbindungen, dazu-
kommen noch AL mg als (X)t in mazimo, berrührend aus Baucbgassn.
Der Nachweis der schwefligen Säure (SO*) ist ungemein schwierig.
Während Bnßbildnng, kohlenstoffhaltige Gase und Dämpfe nnd Kohlenozyd-
gehalt in eine Gruppe nrsäcbUcb miteinander yerknüpfter Substanzen znsammen-
gehören. ist die SO* nur von der Art der gebrannten Kohle abhängig. Der
schädlicne Schwefel der Steinkohlen wird aä 1—2*/* angegeben. Zum Nach¬
weis des SO* wird nach Volbard eine PermangMatlösnng in saurer LOsnng
mit Jodkalinm zersetzt und das frei gewordene Jod titriert. Oliyer hat bm
sdnen qualitativen Versuchen gefunden, daß Kohle auch schweflige Säure gut
absorbiert. Die Absorptionskrut steigt ganz außerordentlich, wenn man die
Luft durch Kokusnußkohle schiebt, welche annährend auf die Temperatur der
fittßigen Luft gebracht ist. Man kann dann durch Erwärmen die SO* aus--
treiben nnd, da kondensierte Schwefelsäure nicht flüchtig ist, durch Brom
zerlegen, absorbieren nnd als Schwefelsäuren Baryt wäg^ Die Werte be¬
wegten sich zwischen 1,6—2 mg SO* in 1 cbm Luft. Wenn man die Luft
durch stark gekühlte, d. b. in flüssiger Luft beflndliche BObren gehen läßt,
so zeigt das Kondenswasser eine sehr starke Beaktion durch salpetrige Säure
mit Si^nilsänre oder a-Naphthylamin oder mit Jodkalinmstärkekleister. Jod¬
kalium wird zerlegt, Jod titriert nnd so pro 1 cbm Luft, 1,77 mg NOsH
berechnet = 1,18 mg SO* gleichwertig. Ans der Bestimmung der NO*H in Kon-
denswasser läßt sich entnenmen, daß 1 cbm Luft 1,8—8 mg an NO*H und NOiH
Kleinere liitteUnngen und Beferate ans Zeitsebriften^
888
eathUi. Wenn nach die Menge des SOa nur auf 1—1,6 mg pro einn bewertet
wird, so ist diese Menge doch Tiel großer, als die in der Lnlt naduvweüMide
Bnßmenge, die nur Bmchteiie eines mg betrfigt. Die Banebsehwängemng ist
siobtbar, ue viel größere Schwtngemng mit SOa nnd den anderen Produkten,
wie NOaH nsw. dagegen nicht. Die vorUnflgni ScMtmmgen würden also
daraal hinanslanlen, daß die Vemnrein^nagsqnote mit Baachgasen im all»
gemeinen 1 —der Lnft betragen dimen, Werte, die in einsdnen Gr^
stiUten bereits erheblich überschritten sind. Die Banchgssschwingernng der
Lnlt ist demnach nach diesen Untersnehnnffea eine recht bedentsame.
Znm Schlosse weist Yerfssser daraal hin, daß die hyden. Vereine die
Agitation gegen BandibeUstigang aalnehmen konnten, nnd daß es Sache der
Polisei wfan, bei allen Neuorganisationen die Einrichtnng ranchschwacher
Feuemngen sn fordern. Wenn auch alle BaßaaflOsangen und Verbrennnngs»
gase Irä Ton auTerbranniem Kohlenstoff den Essen entströmten, würde
die SOa doch ebenso massig auftreten, aber, da kein Buß mehr herabfUh, dne
nmnhafte Quelle von SOa rerdegt sein, etwa */a oder m^. Als Ersats lür
Brennmaterial -- Kohle, Braunkohle — wird Brenngas und Motorengas Tor>
geschlagen. Dr. Kypke*Bnro.hardi*Bittbu3^.
Zur Miethedik der qunatttetlTen Staub, und Bimsbertinaniig. Von
ProL Dr. M. Hahn-München. Gesundhdts-Ing.; 1908, Nr. 11.
Der nach tielen gemeinmuaen Yasuehea Ton Ingenieur W. Seid-
beuer.München konstruierte Apparat besteht im wesentlichen aus einer
swdsylindrigen Pumpe mit Z&hlwerk, die durch einen Elektrmnolor mittels
Akkumulatoren betrieben wird. Nach den bisherigea Erfahrungen eignet sieh
dv Aspirator Tortrettich für
1) bakteriologisehe LuftuntersnehnagA
8 ) die Bestimmung des Staub* und Bnßgehaltes der Luit
8 ) die Bestimmungen gasförmiger Yerunreinigangen der Luit.
Yerfssser hat mit gutem Erfoi^ mit Kollodiumwdle gefüllte EUter an»
Durch diese M et hode, die nur für praktische Zwme bestimmt Ist,
sicbeflkfa für die gewerbehygieniseben Erfahrungen und für die Yer*
hfltuBg der Staubgeiahr eia grotier Yortdl su erwarten sein.
_ Dr. Wolf.Marbarg.
wild
Me Sfnubbelrimpftuig auf SteluseUagstrassca iu BrisM* Von
Leoahard.Karlsbad. Gesundhdt; Jahrg. 88, Nr. A
In Bristol hat man mit au^esdehaetem Erfolg die Straßenteemnff mit
dem Tarspraspemnragen Torgeaommea, der den Teer unter DraA in rainen
StraUcn auf m Pshrbahn ^rengt. Akoaia und Oaldumchlorid — bdde sind
geruchlos — sdgtea diesdbe Wirkung; nach der Kostenpunkt war dersdbe.
Ihre günstigen Wirkungen hladchtlieh der Staubnnterdrüänng erklftrea deh
dadurch, daß bdde die Fencbtigkdt der Luft gierig auffaagen, so daß die
mit Urnen besprengten StrafieafUdien lange leucht Udbea.
_ Dr. Wolf.Marbarg.
Strasseustaub. YonB. Welzel-DüssddorL Gesundhdt: Jahrg.88,Nr.6.
Verfasser beriditet über Versuche mit Geolin, Spesiaiol, Yionol und
Bustomit, Ton denen dch am besten Bustomit bew&hrte, das aber genauer
nachgeprüft werden muß, zumal auch in Beziehung auf den Einfluß auf die
Pflanzenwelt. YorlSuflg würde auch die Kostenlrage gegen eine allge¬
meine Einführung sprewen. Es wäre wünschenswert, wenn die Chemie ein
mOgUohst billiges unschKdlidies und staubbindendes Om Ton möglichst kleinem
Volumen auf den Markt br&chte. Bis dahin wird man sich mit der Straßen¬
sprengung mittels Wasser und dner sorg^tigen StraßenrdniOTng begnügen
mflSMn. Dr. Wo 11-Marburg.
BeltrSge zur Frage der MlUlbeseitlgnug. Von Dr. Thiesing-
Berlin. Archiv f. Yolkswohlfahrt; Jahrg. 1, Nr. 2.
Verfasser ist der Ansicht, daß eine Müllabfuhr, wenn de rasch, staub*
und ueruchlrd aasgeführt wird, den iuiforderungen der Hygiene gerecht wird
und beweist dies an Texschiedenen Beispielen. Auch die Besdtigung des
884 Kleinere Hlttellangen and Befente «ne Zeiteohriften.
Mfllle, die un einfacbsten dnrch Stapelung gesehieht, wie es frOher ttberhaupt
nur gebr&nchlieh war, ist nidit an beanetanden, wenn sie syetematisch and
rationell gebandbabt wird. Das beete Mittel, eolcbe Stapelpl&tze eo zu g^
etalten, daß sie nicht durch Staub- oder Oerucbsentwicldung lästig werden
ist rasches Besiedeln derselben mit Vegetation, und zwar in der Weise, daß
man znnächst nnr einen Teil des Platzes aulfOllt, ansät und liegen läßt, so
daß sich die Pflanzen auf ihm entwickeln können und ihr bodenreinigendes
Werk vollltthren kOnnen; dann wird der nächste Teil so behandelt. Han
erreicht auf diese Weise den dreifachen Vorteil, daß man das Mflll in sine
hygienisch und ästhetisch einwandfreie Masse verwandelt, daß man die in ihm
enuaitenen Pflanzennätotoffe ausnfltzt und schließlich dnmi schlechten Boden
verbessert. _ Dr. Wolf-Marburg.
Die Bedeutung des Trink- und debranohswassen In ehendseher und
bakteriologiseher Hinsicht flir die Entstehung von Krankheiten, beson¬
ders von Infektionskrankheiten. Von Kreisarzt Dr. Hillenberg-Springe.
Zentralblatt f. Stadt- und Landgemeinden; Jahrg. 2, Nr. 6.
Verfasser faßt seine Ausftthrungen folgendermaßen zusammen:
1 . Trink- und Gebranchswasser ist in der Praxis nicht zu trennen;
Anlagen, die lediglich ein Gebrauchswasser liefern sollen, sind demgemäß nicht
zuznUssen.
2.. Die natürlichen Wässer können gesundheitsschädlich wirken:
a) durch Beimengung von Stoffen chemischer Natur, von denen haupt¬
sächlich das Blei in Betracht kommt.
b) durch teils direkte, teils indirekte Verbreitung der Erreger von
ansteckenden Krankheiten, die in das Wasser hhieingelangt sind; vor allem
kommen hier die Erreger der Cholera, des Typhus und der Bohr in Fr^e.
8 . Teich- und ^brauchswasser, das in Bleirohren fortgefflhrt wird, ist
überall do^ wo vorwiegend das öffentliche Interesse eine Bolle spielt, von
Zeit zu Zeit auf seinen Bleigehalt zu untersuchen.
4. Trink- und Gebranchswasser darf nicht fans offenen Wässern oder
anderen diesen gleicbzuachtenden Wasserbezugsquellen, z. B. offen oder sonst¬
wie hygienisch mangelhaft beschaffenen Brunnen wegen der damit verbundenen
Infektionsgefahr entnommen werden. Dr. W olf-Marburg.
Zur Enthärtung des Wassers. Von Dr. Klut. Pharmaseutische Ztg.;
1907, Nr. 91.
Verfasser läßt hiermit seiner praktischen Anleitung zum Enteisenen von
Wasser (Pharmazeutische Zeitung; 1906, Nr.86) eine instruktive Abhandlung
über praktische, auch im kleinen ausführbare Methoden zur Enthärtung des
Wassers folgen. Zur Enthärtung des Wassers für häusliche und technische
Zwecke ist eine große Beihe von Mitteln bekannt; zu warnen ist besonders
vor den Geheimmitteln hierfür.
Bevor eine rationelle Enthärtung vorgenommen werden soll, ist die
chemische Zusammensetzung des Wassers genau festzustellen; und zwar genügt
in der Begel die Bestimmung von Kalk und Magnesia, sowie die Besti^ung
der Karbonathärte (vorübergehender Härte).
Am besten und vorteilhaftesten haben sich in praxi zum Enthärten
Aetzkalk und Soda bewährt. Die Kalbalze werden hierbei als Galciumkarbonat
und die Magnesiasalze als Hydroxyd niedergeschlagen. Die zum Weichmachen
eines Wassers erforderlichen chemischen Mengen berechnet man am einfachsten
nach der J. Pfeifferschen Formd. Bei Wässern, deren Mineralsänrehärte
(bleibende Härte) = 0 ist, fällt der Sodazusatz fort; bei Wässern mit Alkali¬
karbonatgehalt, die zuwmen beobachtet werden, wird ebenfalls nur Elalk zu-
gesetzt. Freie Kohlensäure erfordert einen entsprechenden Kalkzusatz.
Den Aetzkalk setzt man am besten in Form von gesättigtem Kalkwnsser
zu; die Soda verwendet man in Form einer 10 proz. Lösung. Das etwa im
Wasser vorhandene Eisen, welches besonders bei der Wäsche ungemein stört,
wird dadurch ebenfalls in unlöslicher Form abgeschieden. Mehr ^ die — wie
angegeben — chemisch zu berechnenden Zusätze zur Enthärtung sind nicht
zu verwenden, da sonst das Wasser eine schlüpfrige Beschaffenheit und aueh
mehr oder weniger schädliche Eigenschaften bekommt Bei Verwendung heißen
Wassers geht die Enthärtung ziemlich schnell von statten.
Kleinere Mitteilungen und Beferate ans Zeitschriften.
385
Weiter wird die genaue Aasffihrong der Enthärtung angegeben; das
Mreinigte Wasser ist mit Ammoniumozalat, Lackmuspapier'und Clark scher
SeilenlOsuog zu prüfen; es soll dann unter 5<* Härte haben.
Zu Trinkzwecken ist im allgemeinen ein künstlich mit Chemikalien ent¬
härtetes Wasser nicht zu empfehlen. Eint weist am Schluß noch auf das
neue künstliche Zeolithfilter nach Gans zur Enthärtung und Enteisenung des
Wassers hin. Dr. Eraemer*Worbis.
Wasserrersorgung und Entwässerung der Gemeinden. Von Zir.-Ing.
Geifiler-Großlicbterleide. Gesundheit; Jahrg. 33, Nr. 6.
Aus allen Einzelheiten der OertUchkeit, ans allen besonderen Verhält¬
nissen heraus ist festzustellen, nach welchem System die Entwässerung ein-
f erichtet sein soll, was mit den häuslichen Abwässern, den Fabrikwässern und
em Begenwasser geschehen muß, wenn die Entwässerung für diese Verhältnisse
und für die mögliche Entwickelung der Gemeinde passen soll. Dabei gibt es
kein starres Festbalten an Systemen. Im Innern eines Ortes sind nicht nur
manchmal, sondern fast immer ganz verschiedene Bedürfnisse, und ebenso
verschieden müssen die Einrichtungen sein, die diesen Bedürfnissen dienen;
z. B. wird man sehr oft das Regenwasser von Höfen auch dann mit in die
Kanalisation aufnebmen müssen, wenn sie sonst nach dem Trennsystem ein¬
gerichtet ist. In England und Amerika tut man das häufig. Für die Bear¬
beitung von Eotwässernngsprojekten genügt es nicht, wenn der Bearbeiter
Flächen, Rohrweiten und Gefälle berechnen kann, und mechanisch aufgenom¬
mene Kenntnisse von Entwässerungssystemen, Kläranlagen usw. hat. Ans
den Verhältnissen von hundert anderen Orten heraus muß bestimmt werden,
wag für die Gemeinde gut ist, auf die es gerade ankommt. So wenig, wie es
zwei gleiche Orte gibt, gibt es zwei Kanab'sationen, die sich gleich sein
dürften. Immer steht der Bearbeiter vor einer neuen Sachlage. — Aehnliches
gilt auch von der Wasserversorgung. Dr. Wolf-Marburg.
Beinignng von Abwässern durch Fischteiche. Von Dr. W. Corn
heim-Berlin. Gesundheits-Ing.; 1908, Nr. 8.
Verfasser glaubt mit seinen angestellten Versuchen bewiesen zu haben,
daß auch Sauerstoff bedürftige Fische (z. B. Forellen) einen Zusatz von Ab¬
wässern (z. B. 1 ^o) gut vertragen, während er früher schon festgestellt hatte,
daß weniger sauerstoffbedttrftige Fische, wie Karpfen und Schleie, selbst den
Zusatz großer Abwässermengen, die bis zu 10°[o der gesamten Wassermenge
betrugen, anstandlos vertrugen. Natürlich wird man nicht daran denken
können, die Abwässer eines großen Gemeinwesens nur auf diese Weise zu
reinigen, doch mag in bestimmten Fällen eine Reinigung durch Fischteiche,
besonders wenn es sich um nicht zu große Mengen handelt, den vorhandenen
Verfahren gleichberechtigt zur Seite treten. Die gute Rentabilität der Fisch¬
teiche wird dabei sicher angenehm empfanden werden.
Dr. Wolf-Marburg.
Betriebsergebnisse der Versnchsrelnlgungsanlage der Stadt Dresden.
Von Dr. Ing. Kusch-Berlin. Gesundheit; Jahrg. 33, Nr. 4.
In Nr. 22, der Gesundheit 1007 (s. Referat in Nr. 28 dieser Zeitschr., Jahrg.
1907) hatte Oberbaurat Klette erklärt, daß die Kremer - Apparate sich
nicht für die Dresdner Verhältnisse eignen. Verfasser weist nun nach, daß in
Dresden ein ganz besonderer Fall vorliegt, und daher ein Vergleich des Kremer¬
apparates mit der Rienschschen Separatorscheibe nur bedingungsweise gelten
dürfe. Er tritt für den Kremerapparat ein, der durch eine neue Konstruktion
des Schlammraumes noch vervollkommnet ist. Dr. Wolf-Marburg.
Besprechungen.
Hofrat Dr. Filedrloh Or&mar : Die Blnvlrkimg der Oennssmlttel aaf
den menaohllohen Organismus. Vorlesungen über Magen- und Darm¬
krankheiten; 8. Heft. I. Tabak, Kaffee und Tee und Verdauung. II. Alkohol
386
TageBnachrichteiL
and Verdaaang. Verlag von J. F. Lehmann, München. 190 Seiten.
Preis: 4 M.
Eine Fülle wertvoller Ergebnisse über die Einwirkang der gebräachlichen
Genaßmittel Alkohol, Kaffee, Tee and Tabak auf die Verdaaang vermittelt ans
die sorgfältige Arbeit. Der Alkohol steht dabei im Verhältnis au Tabak, Kaffee,
Tee vergleichsweise günstig da. Gramer ist vornehmlich dadurch za seinen
Stadien angeregt worden, daß er sich bei mäßigem Baachen (darchschnittlich
drei Stück Holländer Zigarren täglich) eine recht schwere Tabakvergiftong
zagezogen hatte.
Nach Crämers fester Ueberzeagang ist für Viele ein Liter Tee oder
ein Liter Kaffee täglich getrunken viel gefährlicher wie ein Liter Bier. Für
viele bringen mehrere Zigarren täglich mehr Beschwerden wie zwei Glas Bier
oder eine entsprechende Menge reinen Weins.
Gräm er referiert sehr sorgfältig über die bereits vorliegenden For>
Behängen über die Wirkung der Genußmittel auf die Magenverdaaang and
berichtet dann über seine eigenen im Brutschrank angesteliten Versuche and
seine zahlreichen Erfahrungen an Kranken.
Besonders wichtig ist die Tatsache, daß die alkoholfreien Getränke im
Brutschrank keineswegs besser verdauend wirken als die alkoholhaltigen. Nach
der Ansicht von G r ä m e r wird daher bei Magenaffektionen durch die Verordn
nung von alkoholfreien Getränken mehr geschadet als genutzt.
In bezug auf die sonstigen wichtigen Ergebnisse, zu denen Gramer
gelangt, maß auf das Original verwiesen werden. Niemand, der über die Frage
nach der Wirkung unserer Genußmittel Kaffee, Tee, Tabak, Alkohol aof den
Magen sich künftig gutachtlich zu äußern hat, wird an den Forschungen
Grämers Vorbeigehen dürfen. Dr. Paul Schenk-Berlin.
Dr. Ludwig Hopf: Ueber das speslfleoh Mensohllobe ln anatoml-
aoher, physiologlBOher und pathologleoher Beziehung. Eine
kritisch vergleichende Untersuchung. Mit 217 Teztbildern and 7 Tafeln.
Verlag von Felix Lehmann, Stattgart 1907.
ln diesem Werke ist versucht worden, die Besaltate der üntersuchongen
hervorragender Anthropologen, das Wesen des Menschen im Vergleich mit der
unter ihm stehenden Tierwelt za ergründen, zu einem Gesamtbilde za ver¬
einigen, das in anparteiischer Weise das dem Menschen spezifisch Eigentümliche
und das mit den Tieren Gemeinsame abzuwägen ver.sncht.
In der Einleitung spricht sich Verfasser über die Entstehung des Menschen,
über dis Einteilung des Menschengeschlechts, über die Vorfahren des Menschen
und vieles andere aus. Dann geht er in der zweiten Abteilung zur ver¬
gleichenden Anatomie und Histologie über; darauf läßt er die vergleichende
Physiologie und Psychologie folgen, um diesen Teil mit einer vergleichenden
Pathologie und pathologischen Anatomie za schließen.
ln dem folgenden Teile behandelt er in ausführlicher Weise die spe¬
zielle Pathologie und pathologischen Anatomie; den Schluß bildet ein Absch^tt
über vergleichenden Therapie.
Mit dieser kritischen and vergleichenden Behandlung eines so wichtigen
Gegenstandes ist es dem Verfasser in glänzender Weise gelangen, eine große
Lücke, die bisher noch in der so umfangreichen anthropologischen Literatur
herrschte, auszufüllen. Diesem lehrreichen, in so geschickter and leicht ver¬
ständlicher Weise geschriebenen Werke ist daher die weiteste Verbreitung
za wünschen. Dr. B. Thomalla-Waldenburg (Schl.).
Tagesnachrichten.
Die Klage der Stadt Hagen gegen das polizeiliche Verbot der Be-
natzang des dortigen Krematoriums zur Feuerbestattung bat das preußische
Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 15. Mai dieses Jahres abgewiesen
and das polizeiliche Verbot als zu Becht bestehend anerkannt. In dem Urteil
wird angeführt, daß gesetzliche Bestimmungen über die Feuerbestattung zur¬
zeit in Preußen allerdings nicht bestehen and daß die Feuerbestattung in
Tagesnaohriohten.
387
religiOaer Beziehung nicht als Öffentliches Aergernis anzosehen and deshalb za
rerbieten sei. Dagegen gefährde die Feaerbestattang das Interesse der Staats-
ordnang insofern, als sie ein wichtiges Mittel zur Feststellang schwerer Ver¬
brechen der Strafrechtspflege entziehe. Aach die Bestimmongen des Bürger¬
lichen Qesetzbaches über die Disposition minderjähriger and geschäftsunfähiger
Personen, sowie die des Personenstandgesetzes seien nicht ohne weiteres für
die Feaerbestattang anwendbar; desgleichen fehlen zurzeit Bestimmongen über
die Behandlnng der Aschenreste, über die Wahrung der Würde und Pietät
bei der Feuerbestattung. Alle diese Lücken der Gesetzgebung erlauben yor-
läufig nicht, die für die Erdbestattung bestehenden allgemeinen Staatsgrand-
Sätze auch auf die Feaerbestattang anzawenden; es müsse deshalb vor ihrer
Zalassang erst eine Begelang dieser Verhältnisse stattgefanden haben. So
lange dies nicht geschehen sei, würde ein Brach der bestehenden Bechts-
ordnung entstehen, der im Interesse der öffentlichen Ordnung nicht geduldet
werden könne. — Hoffentlich wird die preußische Begierung diese bestehende
Lücke der Gesetzgebung bald ansfüllen, um dadurch die Einführung der
fakultatiyen Feaerbestattang in Preußen ebenso wie in den meisten anderen
Bandesstaaten za ermöglichen, woza sie jetzt mehr als früher geneigt sein
soll (yergl. Nr. 8 dieser Zeitschrift, S. 300).
In Bayern sind durch eine Königliche Allerhöchste Verordnong unter
dom 26. April 1908 ebenfalls Apothekenkammern eingeführt.
Wie in Sachsen (Verordnung vom 18. Juli 1907, siehe Nr. 7, Jahrg. 1908
der Zeitschrifc), so hat jetzt auch in Baden die oberste Schalbehörde das
Tragen ron Korsetts während des Tarnanterrlchts an Mittelschalen ver¬
boten. Ein bestimmter Schnitt der Turnkleidor darf jedoch nicht verlangt
werden; sie müssen nar den Anforderungen der Gesandheit und des Anstandes
entsprechen. _
Am 11. und 12. d. Mts. hat die II. Konferenz der Zentralstelle für
Tolkswohlfahrt stattgefanden, in der über Förderung und Ansgestaltnng
des hauswirtschaftlichen Unterrichts verhandelt worden ist. Alle Befe¬
renten (Frau Kommerzienrat Heyl-Berlin, Geh. Mcd.-Bat Prof. Dr. Bahner-
Berlin, Stadtschulrat Dr. Kerschensteiner-München, Fräulein Martin,
Vorsteherin des Pestalozzi-Fröbelhauses U in Berlin, Fräulein Foerster,
Vorsteherin des Lohrerinnenseminars und der kaufmännischen Schale des
Frauenbildungsvereins in Cassel) sprachen sich übereinstimmend für die Not¬
wendigkeit einer solchen Förderung aus and wurde diese auch von der Kon¬
ferenz einstimmig anerkannt._
Auf der Tagesordnung der am 27. d. Mts. in Essen a. Bohr (städtischen
Saalbau) stattflndenden Haaptversammlang der Deutschen Gesellschaft
fär Volksbäder stehen außer zahlreichen zur Besprechung angemcldeten
Gegenstände (24) folgende Vorträge: 1. Die physiologischen Grundlagen
des Badens: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Brieger-Berlin. 2. Ein Beitrag
zur Bentabilitätsfrage von Volksbadeanstalten: Badeinspektor Nuß-Essen.
8. Wie kann der Badebetrieb rationell gestaltet werden: Ingenieur B.
Pöthe, Friedrichsort-Kiel. 4. Bäder und hygienische Kultur im Orient:
Prof. Dr. von Düring. 5. Der gegenwärtige Stand des Schüler-Schwimm¬
unterrichts in Bheinland und Westfalen: Bektor Lotz-Elberfeld.
Tagesordnung der General-Versammluug des Deutschen Vereins für
Volksbygiene in Stettin:
Donnerstag, den 28. Mai, abends 8 Uhr: Begrüßung im Preußen-
Hof. Freitag, den 29. Mai, vormittags 10 Uhr: Mitgliedcr-Versammlung
im Preußen-Hof, die sich hauptsächlich mit internen Vereinsangelegcnheiten
beschäftigen wird. Sonnabend, den 30. Mai, vormittags 10 Uhr: Oeffent-
liche Versamnüang im Preußen-Hof: 1. Frau Kommerzienrat Heyl: Zur
388
TasesnachriohteiL
Frage moderner, haoswirtschaftlicher Bildong. 2. Herr Geh. Ober-Med.-Bat
Prof. Dr. Kirchner: Hygienische Maßnahmen gegen die Einschleppang yon
Krankheiten auf dem Wasserwege. 8. Herr Chefarzt Dr. Schnitzer: Die
Verhütung der Geisteskrankheiten. Sonntag, den 81. Mai (bei genügender
Beteiligung): Dampferfahrt nach Heringsdorf.
DieVereinignngfttrSchulgesundheitspflege des Berliner
Lehreryereins hat einen Aufruf an sämtliche schulhygienische Vereine
ergehen lassen zwecks Zusammenschluss der Lehrerrerelntgangen für Schul¬
hygiene. Es soll erstrebt werden: 1. Förderung und Verbreitung der Schul¬
hygiene; 2. Wahrung des berechtigten Einflusses, der der Lehrerschaft in
schulhygienischen Fragen gebührt; 8. Anregung zu Versuchen über die Fragen
der Unterrichtsbygiene und Verwertung ihrer Ergebnisse; 4. Ausgestaltung des
Unterrichts in der Gesundheitspflege in allen Schulen; 5. Verbreitung ülgemein
hygienischer Kenntnisse unter den Mitgliedern. Die Gründung des Verbandes
ist auf der zu Pfingsten nächsten Jahres in Dortmund stattfindenden deutschen
Lehreryersammlnng geplant. _
Ferienkurse über Schulhygiene werden als besondere Abteilung der
jährlich in Jena stattfindenden Ferienkurse vom 5.—18. August stattfinden.
Folgende Themata sind in Aussicht genommen: 1. Allgemeine Schulhygiene:
Prot Dr. Gärtner; 2. Stimmbildung und Stimmpflege in der Schule: Privat-
dozent Dr. Gutzmann-Berlin; 8. Psychopathologie des Kindesalters: Privat-
dozent Dr. Strohmayer; 4. Das Auge, seine Erkrankungen und Pflege
während der Schulzeit; Prof. Dr. Hertel; 5. Hygiene des Mundes und der
Zähne: Dr. Hesse; 6. Kursus über Ohrenheilkunde. Nähere Angaben folgen.
Auskunft und kostenfreie üebersendung der aussührlichen Programme
vermittelt das Sekretariat der Ferienkurse, Fräulein Clara Biomeyer, Jena,
Gartenstraße 4.
Der soeben yon der Aktiengesellschaft J. D. Biedel-Berlin heraus¬
gegebene 52. Bericht — Biedels Mentor 1908 — bringt eine Zusammen¬
stellung der neueren Arzneimittel bezw. Spezialitäten die sich über tüle be¬
merkenswerten, während der letzten 20 Jahre in den Arzneisebatz eingefübrten
Präparate erstreckt und bei jedem der angeführten Mittel eine kurze Beschrei¬
bung über die Zusammensetzung, Eigenschaften und Anwendung bringt. Der
Sammelband ist daher ganz besonders dazu berufen, als ein praktisches Nach¬
schlagewerk zu dienen, das auch den Medizinalbeamten willkommen sein
dürfte. Soweit das Werk nicht von der J. D. Bi edel A.-G. Berlin N. 89,
kostenlos an die Interessanten abgegeben wird, ist es durch den Buchhandel
Anton Bernetti, Berlin N. 54.) gegen Nachnahme des Betrages yon M. 2
portofrei erhältlich.
Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 12. bis 25. April 1908 erkrankt
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Bückfallfieber und
Pest: — (—); Fleckfieber: 4 (— ), — (—); Pocken: 42 (—), 19 (4);
Tollwut: — (1), — (—); Bißyerletzungen durch tollwutver-
dächtige Tiere: 2 (—), 1 (—)(—); Botz: — (1), — (—); Milz¬
brand: 8 (—), 5 (1); Buhr: 22 (—), 5 (—); Unterleibstyphus: 149
(18), 198 (25); Diphtherie: 1067 (80), 1081 (78); Scharlach: 1195 (89),
1221 (75); Genickstarre: 65 (23), 64 (29); mndbettfieber: 124 (26),
123 (21); Körnerkrankheit (erkrankt): 313, 266; Tuberkulose (ge¬
storben): 608, 718.
Verantwort!. Bedaktenr: Dr.Bapmund, Keg.-n. Geh. Med.-Bat in Minden i.W
J. C. 0. Bnuu, HtrsogL SZeha o. V. 8chv-I- Hofbnohdmcksiyl in mns—.
1908.
2t Jahrg.
Zeitschrift
Iflr
MEDIZINALBEAMTK
Zminlklitt fir iu gsturte disnilMiitsMsm,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Hemugegebea
TOB
Dt. OTTO RAPMÜND,
BegloraBfo* und 0eh. MedlafaialrBt Ib XlBdoB«
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischeri, Bayerischen, WQrftembergischen,.
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fisohers media Buehhandlg., E Kornfeld,
BMSOaL Bof*«. BRbMIoaL «mmw—-— iiMimw-
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
iBaerale BekaieB die TcrUgthaadliug sowie alle ABBOBoeB-BzpedltioB#B des In«
nnd Auslandes entgegen.
Nr. 11.
BM€kel«t mm S. nd SO. Jeden Mensts.
5. Juni.
Nicht tödliche Schussverletiung der. Aorta.
Von Dr. Berg, Geriditsftrat in Danseldori
GfewChnlicli wirken gröbere Verletzungen der Aorta rsech
tödlich, gleichgttltig, welcher Abschnitt des Clefäßes getroffen ist. <
Im Anllangsteil fUirt die Herzbeuteltamponade, im Bmstteil die
Verblutong in die Nachbarhohlräume oder Erstickung durch
gleichzeitige Eröffnung der Luftröhre, im Bauchabschnitt die
innere Varblntung znm Tode. In allen von mir sezierten ein¬
schlägigen Fällen — meist handelte es sich nm Stich- nnd Schuß- ^
Terletzungen der Bmstschlagader — waren die Oetroffenen schnell
gestorben.
Tranmatische Bnptnren der Aorta ans anderen Ursachen
sind nach Eduard Hof mann selten; während Prellnngen der*
Intima durch vorbeifliegende Geschosse ziemlich häufig sein
sollen. Von Ansnahmefallen, in denen der Tod bei Aortenver-
letznngen nicht sofort eintrat, erwähnt dieser Autor in seinem
Lehrbndi einen Messerstich in den Arcns, an der Intima 1 mm'
lang, der den Tod erst am 16. Tage infolge von Pericarditis ver-
nrsachte. Er führt ferner den Emm ertsehen Fall an: Mann
nut Messerstich durch den 8. Brustwirbel in die Aorta (Klinge .
im Lumen bei der Leicheneröffnung gefunden) lebte 12 Stunden.
Insbesondere wirken Geschosse, weiche die Aortenwand
gank durchbohren, schnell tötend. Ich habe einen . einwands-.
890 Dr. JB«rg.
freien Aaenahmefall in der Literatnr nur bei P.^Wagner ge«
landen^):
W. K., 20 JAhr alt, hatte sich mit ebem 7 lam BerolTer eiaea Sohafi
ia die Hake Uatexbaachgegead beigebiacht. la den ersten Tagen fehlte jedes
Zeichen einer schweren inneren Verletsong. Am 8. Tage trat plOtalich beim
Ueraossteigea ans dem Bett der Tod eia unter den Symptomen einer inneren
Yerblutong. Die Leichenöffnung wies nach, daß die Brustschlagader sweimal In
einem Abstand ?on 1,6 cm durchbohrt war. Um beide Steilen hatte sich ^
sehr dttnnwandigee Aneurysma spurium gebildet, das 8 Tage gehalten hatte,
dann am 8. Tage bei der Anstrengung mit breitem Bitt geborsten war and tu
einer Verblutung in die rechte Pleura geführt hatte.
£m ftlmliehdr, aber komplizierterer Fall von Schnßverletziuig
der Baachaorta war in Dttseeldorf kürzlich Gegenstand einer ge¬
richtlichen Leichenöftnong. Ich halte ihn der Mltteüang für wert,
weil er intra vitam diagnostische Schwierigkeiten und einen höchst
seltsamen Sektionsbefand bot, ferner weil aach die Vorgeschichta
p^chologisch fesselnd ist:
Der 24Jihrigo Marineheiadr KL hatte ein LiobesTerh<nls mit der
SOjihrigen Einiegerm Christine M. Diese glaubte sich im Januar 1907 Ton
ihm geschwängert, weil ihre Hegel 1V* Monate ausgeblieben, dann aber in¬
folge eines heftigen Schreckes ttber einen Brief mit Trauerrand von KL
(solche Briefe werden als Sehers gern Ton den Soldaten Torschickt) sehr stark
eingetreten war. Weil sie somit von ihrem Qeiiebten Mutter gewesen, wollte
sie nicht mehr Ton ihm lassen, obgleich KL nach seiner Entlassung Tom
Militär sich Ton ihr iossagte. Am 1. Morember 1907 schrieb KL ihr einen
Abschiedsbrief und gab als Urund darin an, er hätte sich ein anderes Mädchen
angeschafft, well er sich nicht nbesähmen** könne. Christine M. hatte ihm
nämlich na^ seiner Bttckkehr die Beiwohnung nicht mehr gestatten wolian.
Uieichseiiig verlangte er sein Bild zurUck. Christine antwortete ihm am
2. Borember: Wenn er nicht zu feige wäre, solle er sich sein Bild am 3. selber
holen. Sie kaufte alsdann beim Althandler einen Bevoirer, einen klobigen alten
SchießprhgeL nebst 7 mm Patronen und setzte sich am Sonntag den b. in ihrer
Dachkammer an den Tisch, den Beroiver mit einer Zeitung bedeckt, vor sieh,
am den treulosen KL zu erwarten. Kaum war dieser mit einer höflichen An¬
rede eingetreten, da druckte sie auf einen Schritt Bntfernung mit den Worten:
„Da, du Biest* einen Schuß auf ihn ab. Den zweiten richtete sie gegen ihr«
eigene Brust. KL war sofort aus der Tür geeilt and suchte die Treppe su
gewinnen. Christine eilte ihm nach und schoß noch sweimal auf den Fliehenden,
„Er soll kaput gehen 1* rief sie den erschreckt zusammen laufenden Uaaz-
bewohnern au. KL kroch, mit den Armen am Treppengeländer hängend, auf
den Knieen die Treppen vollends hinab und wurde alsbald zusammen mit den
gietchlails verwundeten Christine in das Josefkrankenhaus gebracht.
Der leitende Chirurg, Dr. Fischer, fand den herkulisch gebauten
Mann fast pulslos, mit kaltem Schweiß bedecat vor. Er bekam von ihm noch
Angaben Uber den Vorfall. Mitten unter dem Schwertfortsau fand er den
Einschuß. Bin Ausschuß fehlte, ln der Bhckenmuskulatnr steckte ober¬
flächlich ein zweites Qeschoß (das dritte war fehigegangen). Sofortiger Bauck*
schnitt. Beim Anheben des linken Lederlappens stUrzte dem Operateur ein
solcher Blutstrom entgegen, wie er ihn noch nie gesehen hatte. Et beschränkte
sich aul die Tamponade, weil er mit Sicherheit den tödlichen Ausgang ia
wenigen Minuten erwartete. Aber wunderbarer Weise erholte sich iQ. Am
10 . Eovember konnte die Tamponade entfernt werden, KL war flebeifrei und
schien zu gesunden. Da bildete sich am Ende der zireiten Woche ein Anen-
rysma in der linken Leiste ans, es folgte Oangrän des linken Unterschenkels.
Am 15. Kovember schnitt Dr. Fischer, nachdem er die Einwilligung zur
Amputation erhalten hatte, auf die Arterie iiiaca sinistra ein, fand das Uefäß;
*) Ueber Schnßverletzungen im Frieden. D. Zeitschrllt für Chirurgie
1888, 28. Bd., 8. H., Seite 281.
Nidit tOdlielie.SehiiflTerlttiiag der AorU. >
891
ttMabMlnt, Mtee Weed «nl 9 om Lfaige eiOflbet imd duebea iwischen
Äiitti» ud y«M eia wohlerheliMee 7 mm Qesohoß Ireiliegen. Necli dieser
OperetioB Zoaehme der Gaagriii, DemerkeÜon ia der 8. Woche. Zar Absetnug
des Beiaei kam es jedoch alcht mehr, da eine allgemebe Sepsis eiatra^ der
KL am 1. Deaember erlag.
Dr. Fischer hatte die Sachlage so gedeutet, daß er annahm,
die Kugel sei in die Aorta eingediningen, innerhalb des Gleftß>
•chlanches bis zu der Stelle hinabgeglitten, die ihrem Umfang
entsprach, habe hier in der Iliaca externa das Gefäß allmählich
durchbohrt und thrombosiert So sei das Aneurysma und die
Gangrän zustande gekommen.
Durch die Leichenöffnung am 4. Dezember 1007 wurde
diese Deutung bestätigt Es wurde gefunden:
Sohr starke Abaehroag. Decabitos am Ereaabehi. Linker Unterschenkel
Iris 15 cm unter dem Knie nolett, in der Sohlenhaat schwane Flecken. Zwei
Operationswandea: 1) in der Hittelllinie des Bauches 84 cm lang. An ihrem
oberen Ende war noch deutUch der geechwänte Band des Einsdiasses 2 em
■aterhalb des Schwertfortsataes kenntlich. Die Wandränder waten aiit den
«wischen ihnen teilweise freiliegenden Tellen des Netaes und der Dünndarm«
achlingea yerklebt. 2) Die andere OperaUonswunde ia der linken Leistengegend
war miAbubig und stinkend, ln ihrem Grunde die thrombosierte Arterie iJiaea
■ai cruralis.
Der Schufikaaal war b der Leber gut au Übersehen; er begaaa 1 cm
links Tom TJgMiaMtiiwi Suspensorium und drang sagittal ln einem gallig ge«
lirbtea Hohlgaag auf die Vorderwaad der Baachaorta. Hier fand sich der
Eiaachafi, nur ron einem dünnen Häutchen yerschlossen, das bei dem Frei-
präparieren des Gefässes aerriß; 0,5 cm nach rechts tos der Abgangstelle der
Artetia eoeliaca, also gerade an der Stelle, wo die Aorta awisohen den Sehen*
kela des Zwerouells ln die Bauchhöhle tritt, 12,5 cm oberhalb der Teilung
der Schlagader ia die beiden Art iliacae. Das SchuAloch hatte nach außen
gswulstete Bänder, eine querorale Form mit 8 Zipfeln und klaffte 0,7 : 0,8 cm
weit Aa der dem Einschuß gegenüberliegenden Stelle der Aorta fand sich
eine dreistrahlige, 7 mm lange Prellwunde der Intima, keine Tollständige
Durehbohrung der Media. Sie lag nur 8 mm wagerecht Tom Bande der Ein-
aohußoffnung eatlernt Die Aorta war mithin nicht im größten Durchmesser,
sondera mehr nach dem rechten Bande su getroffen.
5 em nach abwärts Ton der Teilung der Aorta in die beides Art iliacae,
begaaa sIb fester, braunroter Thrombus, der nur bis sur Art cruralis hinab-
leiekte. Letstere hatte eine freie Lichtung, während die Veaa eruralis am
Obencheakel yOllig tluombosiert war.
Hach aufwärts yom Sehußloch neigte die Aorta außer einigen flachen
aklarotisehen Stellen der Intima nur eine Schwanfärbung der Adyentitia, her-
rUhmd yon dem eingedrungenen Blut aus der Verletsung.
Der Thrombus der Uiaca war an der Operationsteile nekrotisch ge-
wwrden. In seiner Nachbarschaft fanden sich in den flbrinOsoi Yerklebungen
der Daramehliagea nahlreiohe Absnesse, mit dickes^ gelbem Eiter gefüllt
Sjpärlieher faadw sich diese auch weiter entfernt im Baachraum xerstreut,
euer sogar xwischu Perikard und linker Pleura. Ferner fuden sich mehrere
broachopneumoaiaehe Herde im Unterlappu der rechten Lunge, midigne In¬
farkte der Miln, der Nieren, aebu parenchymatöser Degueration der Organe.
Alu das Biid der allgemeinu Blutyergiftung.
Offenbar batte eich der Vorgang ün Kßrper des Verletzten
■0 abgespielt, wie der behandelnde Arzt yermntet hatte. Das
Geschoß war tatsächlich in der Banchschlagader bis etwa znm
Idgamentnm Ponpartii hinabgeglitten, hatte hier das Gefäß throm-
botot nnd infiziert Von hier hatte sich die Infektion dem
Banchfell mitgeteilt nnd znr Septhämie geführt
8 d2
Br. Barg: Nicht tödliche SchoETerlatfiug dar AxaU.
Der Fall kam vor die GeBchwerenen. Die Angeklagte
Christine M. hatte sich, wie schon erwähnt, am 8. Noyember eben¬
falls angeschossen. Die Engel war durch den Metallverschlnß
des Schnttrleibes abgelenkt worden nnd war unter der Haut vom
Brustbein bis zur linken Brustdrüse gedrungen, wo sie leicht
heransgeschnitten werden konnte. Erwähnenswert ist, daß ihr
Haß gegen den ungetreuen Liebhaber durch ihre Eeyolyertat
noch nicht ausgeiöscht war. Im Vorraum des Operationszimmers,
wo sich die beiden auf ihren Tragbahren nochmals begegneten,
ballte sie noch die Faust gegen den Todwunden.
Auch in der Hauptverhandlung bewahrte das 20 jährige
Mädchen eine erstaunliche, stolze, reuelose Ruhe, sodaß man, wie
sie so hochaufgerichtet in ihrer durchschossenen roten Bluse yor
ihren Richtern dastand, über der Rächmrin ihrer zerbrochenen
Franenehre leicht die Mörderin des blühenden jungen Mannes
yergessen konnte. Sie kam denn auch mit der geringen Strafe
yon einem Jahr Gefängnis dayon; in Paris wäre sie wahrschein¬
lich ganz freigesprochen worden.
Der Verteidiger warf noch eine bemerkenswerte Frage auf:
Der yerstorbene j^. hatte yor Jahr und Tag einen Messerstieh
ebenfalls in die linke Leistengegend erhalten. Der Verteidiger
meinte nun, es wäre keineswegs ausgeschlossen, daß dayon noch
Krankheitskeime latent an der yernarbten Stichstelle zurück¬
geblieben wären, die zu der totbringenden Blutyergiftung Anlaß
gegeben hätten. Daran wäre Kl. gestorben, nicht an dsr Schu߬
wunde der Aorta; denn yon dieser an sich gewiß schweren
Verletzung wäre Kl. längst genesen, als die Sepsis ihren Aus¬
gang yon der linken Leistengegend genommen hätten. Er¬
fahrungsgemäß machen solche Einwände auf die Geschworenen
häufig mehr Eindruck als die Versicherung des Sachyerständigen,
daß ein solcher Zusammenhang ausgeschlossen sei. Auch
im yorliegenden Falle wurde nur Körperverletzung mit Todes¬
erfolg angenommen nnd mildernde Umstände zugebilli^ —
Es ist gut, wenn der ärztliche Sachyerständige auch mit sol¬
chen Nebendingen bekannt ist, deshalb bin ich auf de hier ein¬
gegangen.
Vielleicht wären die Geschworenen zu einer anderen Auf¬
fassung gekommen, wenn der ärztliche Sachyerständige hätte be¬
haupten können: Die an der Leiche ermittelte Schußverletzung.
war unter allen Umständen tödlich, nach den bisherigen Er¬
fahrungen ist jede schwere Schußverletzung der Aorta von
schneller oder langsamer eingetreteuem Tode gefolgt gewesen.
Unser Fall beweist die Unzulässigkeit solcher Behauptung. Er
ist gewiß eine seltene Ausnahme. Ich nehme an, daß nur die>
feste Lagerung der Aorta zwischen Wirbelsäule, Zwerchfell und
Leber das große Schußloch hat verschließen können. Ob beim
etwaigen Ausbleiben der Infektion nicht doch ein Aneurysnia
das Leben bald beendet hätte, lasse ich dahin gestellt. Jeden-,
falls war die Schußverletzung der Aorta an sich nicht direkt!
tödlich.
Zu dem Artikel: Nicht tödliche Schussverletzung der Aorta.
Dr. Toto: üebor den Soltotmord durch Verbrennung. 89d
Die beigegebene Abbildung stellt den Abschnitt der Aortn
mit der Verletzung dar. Das Q^efäßrohr ist an der Hinterseite anf-
gesdinitten, nach Härtung in Formel auf ein Brett gespannt und in
natftrlicher Große abgenommen. Etwa in der Mitte der Aortenintima
sieht man zu oberst die Abgangsstelle der Art. coeliaca, 1 cm darunter
die der Art. Mesenterica superior und zu unterst die beiden Nieren-
Bchlagadem. In der gleichen Hohe mit der Arteria coeliaca er*
blickt man die Schußverletzung; rechts Ton der Anstrittsstelle der
Arterie den Einschuß, ein dreizipfliges, qnergestelltes Loch; 1 cm
nach rechts davon die Stelle der Intima, wo das Geschoß die Hinter¬
wand der Aorta getrofien, aber nicht ganz durchbohrt hat. Diese
Stelle liegt gerade in der Linie der kleinen Arteriae intercostales.
Die 2. Abbildung stellt das untere Stück der Aorta und die Art. iliacae
dar, an der Vorderseite aufgeschnitten. Man sieht die Thrombus«
messen in der linken Art. iliaca bis auf 4 cm an das Ende der Bauch-
Bchlagader heranreichen._ . ,
7 lieber den Selbstmord durch Verbrennung.
Vm Dr. Camillo Toro in Turin.
Ans dem gerichtlich •medizinischen Institut yon Turin (Dir. Prof. Carrara).
Eine gewisse E., 29 Jahre alt, früher Prostituierte, lebte seit
einigen Ja^en in ehelichem Zustand mit einem jungen Arbeiter,
in welchen sie sehr verliebt war. Der junge Mann war jedoch seit
einigen Monaten des Verhältnisses müde und hatte sie verlassen;
trotz ihres wiederholten Bitten wollte er nicht mehr zu ihr zurück-
kdiren. Am 26. NovbrI 1907 um 9 Uhr abends begab sich die Frau,
die einen verzweifeltmi Entschluß gefaßt hatte, in die Wohnung
des jungen Mannes, der abwesend war. Um hineinzudringen, zer¬
brach sie die Scheibe einer Flügeltür und schlich sich unbemerkt
hinein. Dann befeuchtete sie ihre Kleider mit Spiritus, den sie zu
diesem Zwecke mitgebracht hatte, und zündete die Kleider an.
Der Schmerz der Verbrennungen entriß ihr einen heftigen Schrei,
der die Eltern des jungen Mannes herbeirief, die überrascht waren, in
dem Zimmer eine Unbekannte zu finden und sich beeilten, die Flam¬
men zu unterdrücken. Die Frau wurde gleich ins Krankenhans ge¬
bracht, wo sie am nächsten Tage um 4 Uhr, also 19 Stunden nach der
Tat, nachmittags starb, nachdem sie vorher gestanden hatte, daß sie
Selbstmord begangen habe, um sich an ihrem Geliebten zu rächen.
Der Leichnam wurde acht Tage später auf Veranlassung des
Gmchts im gerichtlich-medizinischen Institut seziert. Trotz der
Verspätung fand sich an der Leiche bei einer Außentemperatur von
8,2*0. als einziges Fäulniszeichen ein grünlich-grauer Flecken
an der Bauchwand. Die Obduktion ergab folgenden Befund:
Die Totenstarre ist noch in den unteren Gliedern vorhanden.
Die Kopfhaare sind größtenteils versengt, zerbrechlich, fast krans, wie
anch die Angenbranen, die Wimpern, and die Achselhaare; am Vennsberg
waren dagegen nnr die Spitzen von wenigen Haaren versengt. Bei der mikros-
koj^chen Frfifang zeigen sich in den Haaren die eharakteristischen Zeichen der
Versenirang, unter denen beim Querschnitt die Luftblasen sehr deutlioh waren.
Am Gesicht, am Hals, in den seitlichen oberen Teilen des Thorax sowie
ln der 'Achselhöhle finden sieb schwere und ausgedehnte Brandwunden von
versohiedenen Graden (siebe Figur); meistenteils sind es Brandblasen, die aufg»*
894
Or. Toto.
plfttit ifaid, 4 m (Aorlam bloUaaend, doi u moaehoB SteUoa Mtfookaok«
pergamentortig, rBtlIeli>gelb iit, ble and da tob tbTomblsiertoB GMueii dnnli*
zogen. An anderen Stellen ist dM Choriam stftrker Terlndert nnd il^
gr&oUeh’feaeht, fast kSmig ans. Diese Stellea sbid mit erhobeaeB Biadam
amgeben, an denen noch radge meistens yerkoblte Epidensisfetzea hingen.
Kleine, WMig ansgedebnte und oberfl&ehliche Verkohlangen befladoa sich na*
regelmiSig zerstrent im Clebiete der Brandwunden.
Aof den Vorderarmen, an den DanmenballeB, an der linken, seitUehea,
naterea Seite findet man pofle BlMen, deren ^^bide mdsteas dareh dM
Flatzen ersoblailt sind. An einigen Stellen sieht man dM lotgofirbte Cfiiotiam
bloß gelegt; sdne Oberfiiehe ist hier and dort mit dnem etWM trttben rot*
gdblichen Fldsdgkdtsschleim bededct. Aal der rechten Handoberlliehe Ist
ein rundlicher Schorf, 26 mm Dnrchmesser, mit rotem Band.
Auf der Thoraxoberfiiehe findet man hier nnd dort Udne Fliehen tob
gerSteter Haut, im Dnrchschnitt 6—12 mm brdt (Erytheme).
üm die NMenlOeher befindet deh dae bidihnliehe, ecMdmlge, dareh
zahlrdehe Bafitdle geschwirzte ICasM.
Baßspnren sind auch in der Nasenhöhle dchtbar.
In der Mundhöhle and Im Bachen haben keine pathologlsdiea Veriade*
rangen stattgefnnden. Die Kehlkopfschldmhaat ist gerOtet, mit wdA«gdlK
lidiem Schleim bedeckt, der auch in der Trachea sichtbar ist nad dch bis
in die mitUerea nnd kleinen Bronchien fortMtit; die Schleimhant ist ge*
schwollen, im allgemdnen schmatdg-rot, hie and da etwM rOtlidier. ^wohl
amkroskopisoh aä mikroskopisoh bemerkt man die 2SdebeB daer starken
Bronchitis).
Aal den Stimmbindem and im Morgagni-Sinns findet man einige BuA-
tdle mit Eiter Termens^ Auf den Schnittoberfitchen der Langen flieAea bd
Druck aas den Bronchloll Udne Tropfen einer ihaliehea Sabstaaz heraae.
(Bd der mikrokopisohea Prttfnag findet man Terdnzdte FettttuboUea ia den
Kapillargef&Äen).
Im Herzen sind zahlrdehe wdehe, schwarze Blatgerinnnngea; weder
die chemische, noch die spektroskopi|iche üaterinelinng dee Blatee ergibt
Sparen Ton CO.
In der linken IQere dnd die Binden- and MarkBubotaaz nidit deatUeh
za anterschdden und tob einer gleichfOrmigeB schmatdg-rot-grauen Fhibe;
in der rediten Niere ist die Binde sehmntzlg-rot, dM Mark dnnkdrot gefirbt.
(Bd der miskroskopischen Prüfung findet man Zdehen tob Epithd-desfinamatio
(post-mortem ?), Olomemlo-Hyperlmie. Verdieknng der Gefifiw&nde.
Im Dnodennm and am Anfang des Jejnnnms bieten deh die Zeichea daea
leichten Katarrhs, in den letzten Tdlen findet dch dae merkliche Hypettm^hle
dar Lymphknötchen im Peyerschen Haufen Tor.
An der Leber deht man eine strahlenförmige etwM dngezogeae Narbe
(wahrscheinlich Syphilis); dM Parenchym ist gleiehfOnnig rot-braun gefirbt,
die Lfippebensdehnnng wenig deutlich.
OMchlechtsorgane: Hypertrophie der g roeeea und Udaea flnhsadippeB,
Scheiden- nnd GebSrmatterkatarrh, Blasenkatarrh.
SchSdd: Kopfhaut unTersehrt, Verwachsung der mhte der Schidd-
wOlbnng, Qehimhyper&mie.
Der Selbstmord durch YerbreniiiinK ist sehr selten. *) In
Italien sind in den Jahren 1905 nnd 1906 (es war nnr mOglich,
die Daten bezüglich dieser Jahre zn sammeln) im ganzen nur
4 Selbstmorde dnreh Verbrennnng beobachtet: eine 68 alte Frau,
die sich in einen brennenden S&ohhanfen stürzte, ein 28 alter
1 ) Er war hKkfiger im Altertam; er wurde nach tob berühmtea
MSaaern aageweadet, oamater Amileare, Fddherrr der Karthager (tm
Diodorns Sienlns erwähnt), Onesierito, Zen ones Schüler (wie num ia
Lakianos .PetlgriBO* liest) nsw. Aach die alte Sitte, wodurch dch die
Witwen mit dem Ldchaam ihres Gemahls Terbrenaea lassoi, sd enrihat.
Ud>er dM Mbrtnofd dardi VerlnreiiBtug,
895
Mann, dar aidi in ainan brannandan Sehaiterbanfen atlnta; iwai
I^Dan, aine 29, die andere 60 alt, die ihre Eleidar anittndeten,
nachdem aie dieselben mit Petroleum angefenehtet hattmi.*)
Die in der Literatnr erwähnten Fälle sind sehr wenige.
Von den Antoren berichtet nur y. Ho fmann allein fther zwei Fälle
Yon Belodradsky*) nnd yier eigener Beobachtung: Dieersteran
beziehen sich anf zwei Arbeiter, die sich in einen Kessel von
siedendem Bier stürzten; die letzteren sind: eine 29 jährige wahn¬
sinnige Fran, eine junge Brant nnd ein 72jähriger Mann, die
äre mit Petroleum oder Spiritus besprengten Eleider anzündeten;
sowie ein Narr, der, nachdem er sieh zwei Messerstiche im Unter¬
leib yersetzt lutte, den Kopf auf die brennenden Kohlen eines
Ofcms legte.
Neugebauer*) erwähnt den Fall eines russischen Selbst¬
mörders, der in einen Backofen gekrochen war; zwei Drittel yom
KOrper waren yerkohlt.^)
Im allgemeinen beschränken sieh die Autoren darauf, das
selteue Vorkommen des Selbstmordes durch Verbrennung heryor-
zidieben und daß es meistens und fast ausschließlich bei Irr¬
sinnigen beobachtet wird. Wenn man auch über den geistigen
Zustand des Selbstmörders im Augenblick des Selbstmordes kein
richtiges Urteil geben kann, so ist anderseits doch als gewiß an-
zunelmen, daß in einigen dieser Fälle kein offenkundiger yorher-
gehender Irrsinn bestanden hat; yielmehr konnte man auf Grund
der wenigen gesammelten Fälle sagen, daß Irrsinn meist nicht
wahrgenommen ist.
Die yon Blumenstock in Maschkas Handbuch (I. Bd., S.478)
yertretene Ansicht; „Bei durch Einwirkung zu hoher Temperatur
umgekommenen Indiyiduen, deren Geisteszustand zuyor ein nor¬
maler gewesen, kann es sich nur um die Beantwortung der
Fnge handeln, ob diese durch Zufall oder durch die Schuld
eines Dritten zugrunde gingen P* muß deshalb dahin ergänzt
werden, daß der Verdacht auf Selbstmord in Erwägung zu
ziehen ist.
Ebenso wie bei anderen Selbstmordarten ist es auch bei dieser
unerklärUch, daß sie yon Personen" angewandt ist,* denen die
*) Auf dlesdba Webe brachte eich auch die berflhmte nuabche Bero-
lltieBiiiD Vietrowna im Jahre 1897 um.
*) Prager Zeltscbrift für HeQkunde; 1880.
*) Internat Monatsschrift für Hedisüi u. Nat. 1896. Besnmö in Annalea
d’Hji^ftne publique et H6dieine 16gale; Tome XXXV, 8. 177. 1896.
*) Auch einige mißlungene Selbstmordfalle durch Verbrennung sind
beobachtet, z. B. der von Moska beschriebene Fall, von y. Hofmann zitiert,
einer Frau, die im betrunkenem Zustand mit Branntwein die EQeider befeuchtete
und sieh dann ins Feuer setzte; Hendel (Im Eulenburgs Enzyklop&dle,
Bd. 16, 8. 186) idbt den Fall einer Helancholica an, die sich lebensgefährliche
Brandwunden am Kopfe zugefügt hatte. F&lle von Selbstverbrennung ßndet
man in Friedreichs BlXtter für gerichtL Medizin; Jahrg. 1860, V, 8; 1862,
IV, 57; 1868. IV, 86; 1868, I,'6'; 1871, I,'27s'neider »habe Ich diese'Nummern
uhAt ausüadig madien können.
896
Dr. Toto: üeboT den Selbttmoid dueb Yorbiemiiuig.
Mögliehkeit, rieh durch andere bequemere ICetheden vmznbrmgeii,
nicht benommen var.^)
Die geringe Zahl der gesammelten Fälle and die sie be¬
treffenden Daten erlauben jedoch nicht, besondere Fennzrichen fttr
den Selbstmord dnrch Verbrennnng festznlegen; nur h^othetisch
mbriite ich die Aufmerksamkeit anf einige Daten lenken, die rieh
aus den gesammelten Fällen ergeben.
Der Unterschied zwischen dem männlichen und dmn wrib-
lichen Geschleckte scheint nicht so bemerkenswert zu sein, wie
derjenige, der sonst bei tötUchen UnglftcksfftUen durch Verbren¬
nung vorkommt; in Italien entfielen z. B. im Jahre 1905 von
708 derartigen Todesfällen bei Personen über 15 Jriiren: 210 auf
Männer und 498 anf Frauen, also ein Verhältnis von 27,7:72,9
Von besonderem Interesse ist ^e Art der Selbstmorde dur<A Ver¬
brennnng: Entweder handelt es sich um eigenartige Formen,
z. B. sich in einen siedenden Kessel oder auf einen brennenden
Holzstoß stürzen, den Kopf in einen Ofen legen, oder, was haupt¬
sächlich bei den Frauen verkommt, die Kleider anzttnden, nach¬
dem man diese mit einer entzündbaren Flüssigkeit, gewöhnlich
Spiritus oder Petroleum, übergossen hat.
Die ünglücksfälle durch Verbrennung erfolg^ ^egen, wie
die tägliche Erfahrung lehrt, entweder durch Hineingeraten in
riedende Flüssigkeiten, oder, und das ist weit häufiger, durch zu¬
fälliges Anzünden der Kleider. Das Vorhandensein und der Gb-
brauch von besonderen entzündbaren Stoffen, deren Nachweis
durch chemische Untersuchung') oder dnrch die begleitenden
Umstände erbracht werden kann, lassen mit großer Wahrschein-
lidikeit auf Selbstmord') schließen. Auch ein anderer Umstand,
1) Siehe T. Hofmann betreffs des Selbstmordes dnrch Stichwunden —
Handbuch — Seite 881.
*) Bie betreffenden Personen verteilen sieh auf die einselnen Älteia-
klassen wie folgt:
16-30 Jahre: 63
M.,
80 Fr.
80—40
« 26
11
26
fl
40—60
, 17
n
86
9
60-60
» 29
n
88
N
60—70
» 66
ft
81
9
ttber 70
» 19
fl
239
II
810 M.,498 Fr.
Es fehlen die Zahlen fflr die juendiiohen Alterddassen unter 16 Jahren;
meines ^^Issens sind jedodi derartige Bdbamorde in diesem Alter nie beobachtet
worden.
') Siehe zu diesem Zweck Poppe: .üeber den Nachweis flflssiger
Brennmittel bei Brandstiftungen*. Zeitschrift ftlr Untersuchung der Nahmngs*
und Uenußmittel; Bd. 14, H. 1 u. 2.
Brauchbare Baten über die Brandwunden in bezug auf die Art der
Verbrennung findet man bei Schjerning: üeber den Tod ülolge von Ver¬
brennnng und Verbrühung (Vierteljahrschrift fttr gerichtl. Medizin; Bd. ELI,
1884, S. 67) und Seliger: Ber Tod durch Verbrennung vom gerichts&rzt-
lichen Standpunkt (ebenda; XLVII. Bd„ 1887, 8. 259).
üeber die Wirkungen der Verbrennung, je nach dem man Spiritus, Oel
oder Petroleum anwendet, siehe die Untersuchungen von Bescoust. Bobert,
Ogier in Annales d’Hy^öne publique et de Mddicine 16galej ,1894, S. 648.
Dr. Hon: Der Eefaliik.
897
den ieh sovolil in dem oben AngrefiUiri»n Falle, wie auch in einem
anderen, den ich vor einigen Jahran sah^), ist bemerkenswert: hRm-
lich die Lokalisation der Brandwnnden in den oberen Körperteilen
spricht fflr Selbstmord, da die Selbstmörder im allgemeinen daranf
bedacht sind, die den Oberkörper bedeckenden Kleider anzn-
zttnden, nm ^e wichtigsten nnd lebensfähigsten Organe zu treffen.
Ist dieser Umstand einfach znfäUig oder ist er in anderen Selbst¬
mordfällen YorgekommenP Leider fehlen in den wenigen Fällen,
die ich sammehi konnte, ausführliche Angaben darüber, aber es
wäre nicht ohne Interesse fflr den Oerichtsarzt, der Selbstmord¬
fälle durch Verbrennung zu untersuchen hat, seine Aufinerksam-
kelt auf diesen Umstand zu lenken.
Es ist sicherlich Ton Wichtigkeit, auf Omnd des festgestellten
Befundes den Nachweis führen zu kOnnen, ob der Tod durch Selbst¬
mord oder durch Unfall oder Mord erfolgt ist; denn wenn auch
der Verbrannte sehr häufig die Verbrennungen noch einige Zeit
ttberlebt und demzufolge die erforderlichen Angaben über äre Ur¬
sache machen kann, so kann es doch Fälle geben, in denen diese
Angaben verdächtig erscheinen. Vom zivilrechtlichen (z. B. mit
Bflcksicht auf die Unffdlversichernng), wie vom strafrechtlichen
Standpunkt (Verheimlichung von Verbrechen) ist es aber oft von
großer Bedeutung, über die begleitenden Umstände der Verbren¬
nung volle Klarheit zu schaffen. Deshalb sollte m. E. der Samm¬
lung von Selbstmordffdlen durch Verbrennung mehr Anfmerk-
■aiäeit als bisher gewidmet werden; diese EWägnng hat mich
mehr als die Seltenheit dieser Fälle veranlaßt, den obengenannten
Fäll hier mitznteilen.
Der Kefaluk.*)
Ein Apparat zum Fixieren des Kopfes bei der Sektion.^
Von Dr. Osear Honi in Kopenhagen.
Die postmortale Erflffnnng des Kraninms ist fflr den nicht
speziell ansgebildeten Arzt eine schwierige Prozedur nnd mit
etwas Gefahr, sich selbst zu verletzen, verbunden. Die Schwierigkeit
liegt teils darin, den Kopf ordentlich zu fixieren, teils darin, ihn
in solchen Stellungen zu lagern, daß man^Gelegenheii ringsum
zu sägen bekommt.
Die Apparate, die man bisher konstruiert hat, nm den Kopf
zu fixieren (Koda, Nyrop, Satterthwaite, Stille) haben
beinahe alle das gemein, daß schon die Anlegung insofern mit
*) Es handelte sich um ein jonges Zinunenn&dchen, das sich die Kleider
entzündete, nachdem sie diese mit Petroleum angefeuchtet hatte. Leider yer-
naehlissigte mau im Krankenhaus, wohin sie gebracht wurde und wo sie nach
einigen Stunden starb, die klinischen Daten zu ziehen.
*) Herr Dozent 1^. phil. 0. Sies by e ist so gütig gewesen, mir behilflich
zu sein mit der Bildung des obenstehenden Namens, der ans xstpotXyj = Kopf
und Ix» = ich halte fest, zusammengesetzt ist.
*) Demonstriert auf dem nordischen Chimrgenkongresse in Christiania
1907, auf der Versammlung des lülgemeinen dänischen Aerzteyereins in
Kopenhagen 1907 nnd auf dem Kongresse der deutschen pathologischen
OeseOschaft, Dresden^lOOT.
Dr. Hon.
Sehwierigkdteii Terbnnden iit ala lie an d«ii Kopf aiifeaehraabt
werden mftesen. Demnftchst fixieren eie nicht den Kopf in der
Weiset daß dieser fest liesrt. sondern sie dienen eiffentlieh nur
als eine Art Handhabe, mittels derer man dann selbirt den Kopf
feetanhalten versuchen mnß.
Um diesem Mani^el abznhelfen, habe ich in den letiten
Jahren daran (gearbeitet, ein Apparat zn konstmieren, der selbst
den Kopf fixiert h< Die Anfi^be zeigte sich indessen mit
einigen Schwierigkeiten verbunden, indem dabei verschiedene
Punkte berücksichtigt werden mußten. Ich verfahr deshalb syste¬
matisch, indem ich zuerst prüfte, welche Stellungen des Kopfes
für das Sftgen am besten seien und wie man am leichtestmi
den Kopf in diesen Stellungen fixieren könnte. Uanz naheliegend
und verlockend war der Uedanke. das Prinzip einer Hobelbank
zu benutzen, so daß man mittels einer Schraube zwei fixierende
Elemente gegen einander näherte. Der Versuch wurde gemacht
und in Nyrops Etablissement (Kopenhagen) eine solche modifi¬
zierte Hobelbank angefertigt, die ans einem Stück Eichenholz be¬
stand, auf dem zwei löffelförmige Eisenbranchen — ungeftlbr wie
die Dochleae einer Geburtszange — angebracht waren, die mittels
einer Schraube gegeneinander genähert werden konnten. Theo¬
retisch sah dies sehr schön aus, aber bei dem Gebrauch des
Apparates zeigte es sich, daß er zu unhandlich war und au^
nicht eine solche Fixierung des Kopfes ermöglichte, bei der das
Kranium rückwärts dnrehgesägt werden konnte. Danach versuchte
ich einen ungefähr sentrecht stehenden trichterförmigfen, aber
vom offenen Apparat. Der Kopf sollte sich dann heben und sich
in dem Trichter mittels des Zuges festklemmen, den der Körper
durch den Hals ausüben konnte. Das Kranium sollte dann in
einer ungefähr wagerechten Lbiie darchgesäirt werden. Aber
auch hier war es nicht möglich, den Kopf hinreichend zu fixieren;
dazu kam, daß das (ranze Verehren zu kompliziert wurde.
Endlich entschloß ich mich zn dem unten näher an¬
gegebenen mechanischen Prinzip, aber auch hierbei waren etliehe
Schwierigkeiten zu überwinden, z. B. wie viel der Kopf eleviert
bezw. flektiert und an welchen Teilen er von dem Apparat
im ganzen gefaßt werden sollte; man mußte also nicht allein die
vmuchiedene Größe und stark variirenden Form der Köpfe,
sondern auch die Dicke und Länge des Halses berüdcsichtigen.
Ich wurde deshalb genötigt, immer neue Modelle zu machen;
doch gelang es mir allmählich, ihre Zahl reduzieren zu können,
so daß ich zuletzt nur mit etwa 10 selbstgemachten Holzmodellen
und 6—7 Eisenmodellen arbeitete. Jedes einzelne von allen
diesen Modellen repräsentierte das Ergebnis einer Versuchsreihe
mit einem bestimmten Objekte. Bei jeder Sektion probierte idi
dann so lange, bis ich ein passendes Modell fand; diese Form
wurde jedesmal notiert, so daß ich schließlich eine Art Durdi-
schnittszahl bekam und genau angeben konnte, wie das endlii^e
Modell sein sollte.
Das Prinzip des Kefiduks ist, daß der Kopf sich
Dir Ktlklok. Vtm Appmt mm Ftzltrm dm Kopfm M der SckUos, 890
■ittalo lainaa Oawiehtt faotklammt Seine Eonetniktien
iet fiddrende (s. Fig. I):
Der Apparat besteht au zwd winkelgebogeam, mit eloander mittele
efaiee Chanders rerbudueD Eiambraneheo. Auf der einen Seite hat er ehe
gewisse Aehnlichkdt mit einer Oeburtssange, auf der andern Seite nihert er sieh
einem gewOhnliehea SIgeboek. Die Teile, die
den Kopf umfassen, sind Ihnlieh wie der Lbifd n ^
(Cochlea) einer Oeburtssange geformt; siebe- ## Vh
stehen au swd ungeflhr pa^el laufudu, If II
hogufbrmigen Costae (Hippen), die in der U M
Spitn mittels eines kleinen Quersttteks Ter-
^gt sind. Die über den grSfiten Badiu ge-
b<^(uen Costae shd indessen auf der Innm-
Seite mm Teil keOfBrmig gebildet, um in die
Furche iwischen Proc. mgom. ossis frontls
und ossis sjgomatioi m passen. Du
klefae querlaufende Verblsdugastftok oben
swischa den Spitsen der Costu ist exkariert,
um fhr Tub. ossis sygomatiei m passu.
Die nach einem kleineres Badiu gekrümmten KlS« I«
Ooetee hbu uter gewöhnlichen Verhlltnissen i>_ vma mi»!» mmi»»
kein« flxiermd« EbfluB aus, treten aber t«
in Tttigkeit, falls man d« Kopf in Seitenlage m leg« wtnseht Sie hab«
auSerdem eiu nicht uww«tliehe Bedentug, Indem sie als Hudhab« bdm
Anleg« d« Apparats dien«. Die switch« der Costee beflndlich« Fenster
sind M breit, m die Nase, w«n der Kopf in der Seitenlage liegt, hier m
mh« Termag, ohu beschidigt m werden. Die d« Kopf fnsscod« Teile
dnd au Bronse, damit sie nldit rosten.
Du Oharnier ist so angebracht, dafi « swei Drittel der Brdte der
Bruch« auf der betreffmd« Stelle einnimmt, wodvch erreieht wird, daS
mu noch ein Stflck nach ut« swisch« d« Brüchen sig« kau. Die
FuSgestelle sind nach ut« gebog«, um der S&ge möglichst ugehinderte
Bewegug« geben m kOnn«. Um die Hud wlhr«d d« Sägeu nicht m
mrletsen, sind die Bek« abgerudet, so dafi sie in dner «dem Linie Ueg«,
als in deijenigen, in der sich die Hud bewegt. Die senkrechte Linie, tos dem
nnch grOfites Badiu gebog«« Costae lUlt also bedmtend nach anfi« Ton
d« Stfltspnnktra d« Apparats. Mit Bttcksicht auf die Schultern der Leiche
findet rieh noch Torn auf dem Fnfigestelle eine kleinere Abplattug. Aufier
d« swei abgerudeten Kuten, auf dem der Kefalnk in Fig. lU ruht, sind die
Fnfigestelle abgMchnitten, so daß swei udere stttsude Kuten herrorkommen,
die dem Apparat rine schräge Stellug mit einem Winkel Ton ca. 46* geg«
die Unterlaß rinsuehm« erlaub«. Um die Bruch« in ihrer Stellug m
rinuder m fixieren, ist swisch« den FufigesteU« eine Zahnstange an¬
gebracht, weiohe u rin« Zapf« auf dem Gestell pafit Die Bewegung«
der Zahnstuge werd« t« swei Stopffedem modifisiert, die so eingmiohtet
iWl, daß sie teOs die Wiricsamkrit der Zahnstuge gus aufhebw, teils
aber uch die Stellug konsolidier« kOu«, w«n die Zahnstange mit dem
erwähnt« Zapf« in Kontakt gebracht ist. Alle bewegUch« Teile d« Ap¬
parats kOu« auetnuder g«omm« werd«.
Der Kefalnk faßt den Kopf in der Weise, daß du Charnier in
der Naek«geg«d ud die Cochleu u d« Wug« lieg«. Um sn errriehen,
dafi die na« dem größten Badiu gebogen« Costae in der Furche swisch«
Tub. ossis sygomatioi auf der ein« Seite ud Pros, sygom. om. frontis auf
der udern Seite m lieg« kommen, muß mu indus« wahrnehm«, dafi die
erwähnten Costae gus dicht geg« d« Hargo rapraerbitalis, also ttber dem
Auge Ubs liegen. Der am malten prominier«de Teil der Wug« (Tub.
ossb sygmnatiri) wird dau in d« Fenstern ruhen, oder — bei sehr grofi«
KBpf« — in dem konkaren, querlauf«d« YerUndugnttlcke swischen d«
SpRs« der Costae.
Eh« ieh daza übergehe, die Anwendiug des Kefhliika za
enrilmeii, erleabe ich mir einige Worte über die Dnreheehnei-
'400 •-
Dr. Horn.
* .i - 4 • ■ ,
dang der Kopfhaut anznfflhren. Gewöhnlich le^'man ja
einen vorderen and hinteren Lappen nieder. Wenn man den
Kefalnk anwendet, wird der vordere Lappen als Beschfitznng des
Gesichts dienen, indem der Kefalnk auße» auf dem nngestfllpten
Lappen angele^ .wird; deshalb wird der vordere Lappen am
besten so groß wie möglich gemacht (d. h. man führt den Hant>
schnitt von der Anheftung des äußeren Ohres über den am
meisten prominierenden Teil des Hinterkopfes, also etwa 5 cm
oberhalb der Protnberantia ossis occipitalis ext.)
Im Nacken mnß der Kefalnk indessen einen festen Angriffs-
Punkt haben, und daher unmittelbar an der Haut liegen, weshalb
wir zuerst keinen hinteren Lappen bilden. Man führt
demnach den erwähnten Schnitt in der Kopfhaut, stülpt aber
nur einen grossen vorderen Lappen nach unten über das Gesicht
und legt dann den Apparat an.
Die Anlegung des Apparates geht so vor (siehe
Figur n):
Man stellt sich an das Kopfende des Sektionstisches, faßt mit Tollet
Hand den Kefalnk in jeder der vorderen Costae, die nach einem
kleineren Badins als die hinteren gebogen sind, legt die Cochleae an jede
Seite des Kopfes (Fi^ U), macht darauf eine hebende Bewe-
gnng,*wodarchXdie Ftt.fie^des Apparates nach innen [ttber den
Kig. II
zeigt, wie idad den Kefalnk fasst, wenn er angelegt werden soll. Der vordere
Hautlappen Ut nach unten über das Gesicht gestülpt; ein Hlntcrlappen noch nicht
losgemacht.
Sektionstisch geführt werden and gleichzeitig .der Kopf
zwischen die Branchen eingleitet in der Weise, daß das
Charnier in der Nackengegend zn rnhen and die Cochleae
ringsum die Wangen za liegen kommen, kaudal vom Margo
sapraorbitalis.
Der Eelelok. Ein Apparat~zum fixieren dee Kopfes bei der Sektion. 401
Der Kopf wird sich jetzt von selbst festkleinmen, znm Teil mittels
seines eigenen Gewichts, znm Teil mittels des Znges, den der Bnmpf dvch
den Hftls ensfibt. Die Stellnng wird außerdem mittels der Zahnstange fixiert*
Jedenfalls liegt der Kopf
sehr bequem Ihr die
Durchs&gung des vor¬
deren Umfangs des
Kraniums (Fig. UI).
Um auch hinten sägen
zu können, stellt man den
Kefalnk in eine schräge
Stellung zu der Unter¬
lage : Man faßt ihn wieder
an den vorderen Costae
und biegt mit einer he¬
benden Bewegmig den
Apparat -{- Kopf nach
vorn, so daß er jetzt auf
den vorderen schrägabge-
schnittenen Kanten der
Fnßgestelle ruht. Der im
Kefaluk fixierte Kopf wird
dadurch fiektiert und eie-
viert. ln dieser Lage
sägt man dann den
hinteren Teil des
Rlg. III; Kraniums durch (Fig.
zeigt, wie^'der^Ropf bei dem Durchsagen dei Torde'ren Teili IV). DftS DlUChsäffeil
d«. Sebidau zu u«,rei> kommt. bedeutend erÄ-
tert, wenn man die hintere Sägelinie in einem stumpfen Winkel zur vorderen
fortftthrt; hierdurdi erreicht man auch den Vorteil, daß die Theca cranii hin¬
terher nicht so ge¬
neigt ist, nach hin¬
ten zu gleiten. Will
man lieber das Kra-
nium in einer Linie
durchsägen, so ist,
aber erst wenn der
Kefaluk angelegt
ist, die Haut ein
wenig im Nacken
loszumachen und so
ein kleiner Hihter-
lappen zu bilden, der
nadi unten über die
äußere Seite des
Kefaluk umgesttQpt
wird. Bei Verwen¬
dung der elektri¬
schen Rundsäge
wird die Prozedur
noch mehr verein¬
facht. Wünscht Klg. IV j
ma®, nach-beendeter' > lel^ den Kefaluk auf seinen vorderen StOtzkanten stehend. Van '
Sektion des Gehirns sieht, wie man von dieser Stellung aus den hinteren Teil des
Ata 'Rnflia ornnii Schädels beqeuni durchfägeii kann. £in hinterer Hantlappen ist Jetzt
• ^ 1 losgelöst und nach aussen über den Apparat nmgestülpt.
in einer o sni wwil*
linie (a. m. Harke) dnrcbzusägen, dann ist das Charnier in der Weise an-
ziüe^en, daß man zwischen die Branchen sägen kann. ,
Sollte der Sektionstisch sehr glatt sein, wie z. B. Porzellantische, so,'
kann man unter den Apparat ein angefeuchtetee Handtuch legen.
Wenn der Kefaluk den Kopf in der beschriebenen Weise faßt, dann ist
dieser tatsächlich vollständig fixiert. Doch muß bemerkt werden, daß bei
.. . 1 « • •••»*
402
Br. Becker.
KOj^ea mh eehr epUs soleBfeadem Untergeeieht ier Keblnk eb ud ai aaek
natca Ober das Qeneht gleiten kann, was dso dem »senkrecktea* AbgMtea
der Gebnrtssange entspricht (ein nWagereehtes* AbgieitM kann nkht statt-
Anden). Dieses Abgleiten kann man indessen dadoroh leicht Terhindem, dafi
man mit gekittaimtea fingern unter den Marge snpraorbitalis hineinfafltj and
anf diese Weise den Kopl dem Keütlok entsprechend Axiert. Sollte man Köpfe
mit anderen Delormititen antreffen, so kann man sie in der Begei dotch Aiui*
polstern mit einem Handtnche hinreichend Axieren. Will man endlich aas
irgendeinem Grande den Kopf w&hrend des Sigens in Seitenlage haben,
dum Ulhet man den Kefalak etwas, laßt mit der einen Hand das Untergedekt
der Leiche and dreht danach den Kopl so, daß die Nase in dem Fenster na
rahea kommt.
Für die Anlegung der Kinderkranien Ußt sich keine bestimmte
Begei geben, weil es olt wAhrend des Sigens Tiel praktischer sein wird, die
gante Leiche tu drehen, als die Stellung des Apparats an Terladera. Die
Kopie Ton Kindern unter 1 Jahr werden in der Bi^rel tu klein sein, am in
dem Kefalak Axiert sa werden; solche kleine Schidel öffnet man aaek am
besten mit einer Scheere.
Bei Gebraach des Kefalnke^) erreicht man alio
an/ leichte and echnelle Weise (d. h. wAhrend weniger Sekunden),
dass der Kopf, ohne dass er verletzt wird, YoUständig fixiert
vrird und zwar in Stellungen, in denen man den SchAdel im
ganzen Umkreise darchsfigen kann. Die Gefahr, dch selber zn
verletzen, wird hierbei auf das Mindeste beschränkt Die durch
das Anlegen des Apparats bewirkte gehobene und gebeugte
Stellung des Kopfes ist ferner zweckmässig und bequem fflr das
Herausnehmen des Gehirns; nach dessen l^tfemang erhält man
audi einen guten Ueberblick Uber die BaMs cranii, und kann
Ausmeisslung und ähnliches vornehmen. Als einen weiteren Vor¬
teil muss es erachtet werden, dass man in den Grenzen des Sek¬
tionstisches arbeitet und demzufolge der Fassboden nicht be¬
schmutzt wird; ausserdem ist man von keinem Assistenten abhängig.
Der Apparat ist geprüft und seine Brauchbarkeit festgestelit
von: ProL Dr. J. Fibiger, Prosektor beim »KgL Frederiks
Hospital** und Prof, der pathologischen Anatomie an der Univer¬
sität Kopenhagen, Privatdozent Dr. V. Scheel, Prosektmr am
yKommunehospital** und Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Schmorl, Pro¬
sektor am „Stadtkrankenhaus** in Dresden. Ausserdem habe ich
in Berlin (;ielegenheit gehabt, den Apparat dem Geh. Med.-Bat
Dr. J. Orth, Prof, der pathologischen Anatomie und dem (Hh.
Med.-Bat Dr. F. Strassmann, Prof, der gerichtlichen Medizin
daselbst zu demonstrieren mit dem Besaitete, dass jedes der be¬
treffenden Institute ein Exemplar angeschafft hat.
lieber Geeundbeitsichädigungen durch bletfarbenbaltige
Tapeten.
Yoa Med.-Bat Dr. Becker, Kxefaust fa HlMeekeiai.
Anf Ersuchen der Kfiniglichen Staatsanwaltschaft hatte icb
jungst ein Gutachten darüber zu erstatten, „ob ein Gehalt von
1,4 g Bleichromat auf ein Quadratmeter Tapetenfiäche die mensch-
*) Za bekoBuaea im »Medfaiaiseken Wareakaa»*, Akt-Gei., Beriia
NW. 6 , BAilsiiaße 81. Freii: bO Mark.
Ueb«r Q«nudlieitnchldigiuig«i dueli bleUwb«ii)i«ltiga Tapatea. 408
liehe Geeimdheit in irgendeiner Weise za schädigen geeignet seL*
Des Stadiom der Literator lehrte mich, daß diese in gewerbe¬
hygienischer Hinsicht nicht unwichtige ifrage bislang so gnt wie
gw nicht geklärt ist, so daß eine kurze Wiedergabe meiner Er¬
mittelungen tär den Medizinalbeamten von Interesse sein dttrlte.
Der Fall ist kurz folgender:
Am 8. Dexembar 1906 erkrankun der SijUuiga Wiuer Fiaai nad
aaina 85 Jahre alte Schwester Maria T. aoa nachdem bareitB mahraia
Tage lang Leibschmenen yoraosgegangen waren, mit Erbrechen, Stahlyerhal-
tong nnU heftigen Kopf* und Uliederschmerzen. äie worden anfangs yon ihrem
Uaosante und yem 8. Januar 1907 ab in einem Krankenhaose in T. be*
handelt. Beide Imtten einen deutlichen Bleisaum am Zahnfleische. Der Bruder
wurde nach 4, die Schwester nach 8 Tagen gebessert in die Heimat entlassen.
Auch der Vater hatte während der ganzen Zeit an Schwindel, Magen*
besohwerden und Appetitlosigkeit gelitten, brauchte sich aber nicht zu legen.
Alle drei blieben aber in den folgenden Wochen krank, ohne datt die Ursache
gefunden werden konnte. Besonders bei dem Sohne yerschllmmerte sich der
Zustand so, daß er wiederum das Krankenhaus aofsuchen mußte, wo er
bis lum 80. Januar blieb.
Daß CB sich in den vorliegenden Fällen nm eine chronische
Bleivergiftung handelte, konnte nach dem Urteile der Aerzte
nicht zweifelhaft sein, aber die Suche nach bleihaltigen Qe-
Bchirren und sonstigen Qebrauchsgegenständen blieb ergebnisk».
Schließlich erinnene man sich, daß Ende August oder Anfang
September 1906 das Wohnzimmer und die Schlafzimmer der
Familie Msch tapeziert und gestrichen waren. Es wurden daher
von einem gerichtlichen Chemiker Proben sämtlicher Tapeten,
des Anstriches und des Wassers aus dem eigenen Brunnen unter¬
sucht. Das Ergebnis war in bez^ auf Anstrich und Wasser
negativ. Dagegen wurden in zwei Tapetenproben beträchtliche
Mengen Bleichromat nachgewiesen, nämlich: aus dem Schlaf¬
zimmer des Sohnes Franz, mit einer beklebten Wandttäche von
28,71 qm auf einem Quadratmeter Fläche 0,8978 g Blei und
0,2713 g Chrom und aus dem gemeinschaftlichen Wohnzimmer
mit 11,46 qm beklebte Wandfläche auf dem Quadratmeter 0,7413 g
Blei und 0,12 g Chrom. Metallgifte wuruen dagegen vermißt
in den Tapeten auf dem Hausflur, dem Schlafzimmer des Vaters
und dengenigen der Tochter. Bezeichnend ist es, daß der Sohn,
dessen Schlafzimmertapete die größten Giftmengen enthielt, bei
weitem am heftigsten erkrankte, während Vater und Tochter, die
in Kammern mit giftfreien Tapeten schliefen und nur tagsflber
sich im Wohnzimmer mit bleihaltigen Tapeten aufhielten, weniger
heftig erkrankten. Auch ist zu berflc^ichtigen, daß ^e Leute
im Winttf häufig tagelang ihre Zimmer nicht verließen und den
Kaum nuteten.
Sämtliche Tapeten wurden nun entfernt und die Wände
sorgfältig abgekratzt und mit Kalk gestrichen. Damit trat in
der Folgezeit eine allmähliche Besserung in dem Befinden der
drei Personen ein, so daß sie Mitte Februar 1907 wieder als
vollständig geheilt anzusehen waren. Auch später aind keine
Krankheitserscheinungen wieder aufgetreten.
Von der Tapete, welche nachweislich ans einer Tapeten-
404 Dr. Becker.
fabrik der Firma X. in Y. bezc^en war, wurde eine ans dem
Schlafzimmer des Sohnes stammende Probe in der hiesigen land¬
wirtschaftlichen Versnehsstation untersucht mit folgendem Er¬
gebnisse:
Ein Qoadratmeter Tapete wog im Mittel yon drei Wftgangen b 82,6 g
und enthielt 0,896 g Blei und 0,2144 g Chrom. Oie Analyse stimmt also last
völlig genau mit der Irtlhem, an anderer Stelle vorgenommenen überein. Da¬
nach berechnet sich der Gehalt an Bleichromat (chromsaures Blei) aal ein
Quadratmeter Tapetenfläche auf rund 1,4 g. Nach einer Angabe der Firma X.'
waren zur Hersteliung von 100 Bollen der Iraglichen Tapete verbraucht:
6 kg Kreide, 1 kg Neapelgelb, 1 kg Chromgelb, 2 kg Seidengrfln, 0,6 kg
Schwarz; lerner als Bindemittel: 2,5 kg Kartoffelstärke und 5 Liter 40
ChlorkalziamlOsung.
Nach einer Irüheren chemischen Analyse stellte Neapelgelb eine Mischung
von Bleichromat und Bariumsullat mit einem Bleigehnlte von 9,92*/, (Pb) und
einem Chromgehalte von 2,61 **/o (Cr.), entsprechend rund 16 */o Bleichromat dar.
Chromgelb ist neutrales Bleichromat.
Sodann wurde auf meine Veranlassung noch folgendes fest¬
gestellt:
Das Bett des Frans T. stand hart an der Wand, enthielt wollene
Decken und Federbetten und wurde von seiner Schwester tAglich gemacht.
Seine Arbeitskleider bängte er zum Teil direkt an die Tapete und nicht in den
Kleidersehrank. Sämtli<£e Bäume haben eine Hohe von nur 2,14 m und be¬
sitzen keine Yentilatioiisvorrichtangen.
Mein G^utachten machte etwa folgende Ansffihmngen:
dfaromsaures Blei 0 kommt im Handel in drei verschiedenen
Arten vor: 1) als neutrales Bleichromat (sog. Chromgelb), 2) als
basisches Bleichromat (sog. Chromrot) und 3) als sog. Chromorange,
einem Gemenge der beiden ersteren Arten. Alle ^ei Farben sind
in Wasser unlOslich. Sie würden daher an sich — ganz ab¬
gesehen von ihrer Giftigkeit — gar nicht zur Tapetenfabrikation
vmrwandt werden können, sondern man muß fixierende Zusätze,
zumal Kartoffelstärke benutzen, damit die Farbe an dem Papier
haftet.
Durch die Liebenswürdigkeit des Besitzers einer der größten
Tapetenfabriken, Herrn Peine in Hildesheim, bin ich in die Lage
versetzt gewesen, einen Einblick in die Fabrikationsräume zu
tun, in dem Herr Peine mich durch seine ganze Anlage per¬
sönlich führte. Ohne auf die Einzelheiten des Betriebes näher
einzugehen, sei nur erwähnt, daß die Erdfarben von den Farben¬
fabriken in breiartig feuchtem Zustande in Fässern bezogen,
unter Zusatz erheblicher Mengen von Kreide in Wasser, dem
als Bindemittel Leim und Kartoffelstärke zugesetzt ist, aufgelöst
und in teils offenen, teils bedeckten Bottichen ordentiieh dureh-
gerührt werden. Die Menge des Bindemittels variert kaum,
wird allerdings nach Gutdünken von den Arbeitern zugesetzt.
Gifdge (blei- und chromhaltige) Farben werden dagegen von den
^) Heinserling: Hygiene der chemischen Groflindustriejn Tb. Weyla
Handbuch der Hygiene; YUI. Bd., S. 729. Jena 1897.
Panienski: Geber gewerbliche Bloivergiftung und die in deren* Yer-
bindung geeigneten -sanitätspolizeilichen Maßregeln. Ylerteljahrschiilt für
gerichtliche Medizin und Öffentliches Sanitätswesen; 1891, Dritte Fidge, L Bd.,
8eite 141.
üdber OwnndheteaBchidlgiuigWi dvroh U«Üarb«Bludtige Tapeteit 406
Tapetenfabriken im polTerfbrmigen Zustande in dichten Fiasem
beiogen nnd nur in geringen Mengen der Hanptmenge des Farben-
gemisehes zagesetzt Die Verwendung eines erheblicheren Qoan-
tiims verbietet sich schon durch den hohen Preis der Metall¬
farben. Der Prozeß der Farbenmischnng erfolgt also anf nassem,
nicht auf trockenem Wege. Es sind deshalb auch die Arbeiter
einer besonderen Ge&hr nicht ansgesetzt; denn es ist klar, daß
sie sich jedesmal, bevor sie irgend etwa anderes, znmal Lebens¬
mittel antassen, erst den dicken Farbschlamm grtlndlich von den
Händen abwaschen müssen. Die Versicherung der beklagten
Firma X., daß bei ihren Arbeitern, welche täglich mit der Zu¬
bereitung der Farbmischungen beschäftigt sind nnd direkt mit
den Farben in Berührung kommen, Gesnndheitsschädigungen
irrgend welcher Art in einer langen Reihe von Jahren nicht
beobachtet seien, entspricht demnach der allgemeinen Erfahnmg
nnd ist nach der Herstellnngsart durchaus verständlich. Dazu
kömmt daß für Fabrikbetriebe, in denen mit bleihaltigen Farben
gearbeitet wird, ganz besonders strenge Vorschriften^) erlassen
sind und die Arbeiter belehrt werden, wie sie sich am leichtesten
vor Bleivergiftung schützen können.
Wesentlich anders liegen dagegen die Verhältnisse in bezug
auf die Gtoftdir der Verstäubnng von bleihaltigen Substanzen;
denn darüber sind sieh alle Autoren*) einig, daß die längere
Zeit hindurch fortgesetzte Einführung selbst kleinster
Bleimengen vergiftend auf den Körper wirkt. Ob hierbei die Ein¬
verleibung durch Einatmen oder durch Aufnahme in den Magen
erfolg ist für den Endeffekt ziemlich gleichgültig. „Die Mög-
lickeit*', sagt Naunyn*) „daß in der Atemluit enthaltener Blei¬
staub auf diesem Wege einverleibt werden kann, ist selbstver¬
ständlich*. Weit häufiger scheint indessen die Einführung des
Giftes auf dem Verdauungswege stattzufinden. Nach Nannyn
spielt diese Art des Importes sogar die Hauptrolle, indem der in
dtf Luft suspendierte Bleistaub verschluckt wird und auf diese
Weise in Magen nnd Darm gelangt.
Wie gering die Mengen nur zu sein brauchen, um — wenn
sie längere Zeit hindurch verschluckt werden — Vergiftungs-
erscheinnngen beim Menschen hervorzubringen, hat man experi¬
mentell begreiflicherweise nicht feststellen können. Kob ert*)
steht indessen ganz auf dem Standpunkt von Bronardel, welcher
ansführt, daß schon die tägliche Zufuhr von nur einem
einzigen Milligramm Blei nach einigen Monaten krank
machen kann.
Es fragt sich daher, ob bezw. unter welchen näheren Be¬
dingungen Farbstanb sieh von Tapeten loslösen und — falls die
Farben giftig sind — die menschliche Gesundheit schädigen kann.
^) Bekanntinuchimg vom 27. Joui 1906. Bdchsgemtiblatt 8. 656.
*) Nannyn: Die ohroniaehe Bleivergiftung in ZiemsBens Handbach
der Bpeüdellen PaUudogie nnd Therapie; Xv. Bd., Seite 256. Leipiig 1880.
*) Nannyn: L o.; Seite 868.
*) Kobert: Lehrbuch der Intoxikationen. Stuttgart 1898, Seile 409.
Bai mainer Besicktigrnaj' dar hiaBigaB Tapatanlabrik wirdan mir
einige TapetenroUen gezeigt, die zum Versandt varpaekt wnrdaB.
Von ihnen konnte man unschwer beim Ueberstraichan mit dam
Finger geringe Farbstoffmengen abwischen. Bei Tapeten, die
bereits längere Zeit an der Wand unserer Wohnungen gesassan
haben, ist das in der Begel nicht möglich. Ob dieser üntarsckied
in einem verschieden großen Gehalt an Bindesnbstanz oder durch
die Verwendung solcher Farben, die (wie Chromgelb, Chromrot,
Chromorange) in Wasser unlöslich sind und daher leicht ver¬
stäuben, oder endlich dadurch bedingt ist, daß bereits beim An¬
kleben der Tapeten und später beim Abwischen mit Besen und
Tllchem der ftberschüssige Farbstoff entfernt wird, lasse ich
dahin gestellt. Tatsache ist, daß zumal von minderwertigen
Tapeten die Farbe sich loslOsen kann. Wenn nun die bdÜajg^
Firma X. zu ihrer Verteidigung vorbringt, daß die Verwendung
von Bleifarben in der Tapetenfabrikationsbranehe
ganz allgemein üblich sei und in den 50 Tapetenfabriken
Deutschlands jährlich etwa 100 Millionen Stück solcher Timten
hergestellt würden, daß insbesondere von dem betreffenden Muster
bereits 5000 Bollen verkauft seien, ohne daß bisher von irgend¬
einer Seite Beschwerden laut geworden seien, so kann das aller¬
dings auf dem ersten Blick auffällig sein. Erklärlich ist es
aber, wenn man bedenkt, daß die Erkennung der chronischen
Bleivergiftung überhaupt nicht leicht ist und in milde verlaufen¬
den Fällen von den Aerzten, sicherlich vielfach gar nicht er¬
kannt wird.
So habe ich denn auch bei der Durchsicht der Literatur
nur einen einzigen ganz analogen Fall gefunden:
Dr. Gnyot*) berichtete in der medüdniseben Oesellseheft sn Pnrie
ttber ein Mädchen vom Lande, dessen sämtliche Streckmoskeln an den GUed-
mafien gelähmt waren. Man dachte an Bleilähmnng, eine Annahme, welche
aber durch die Erwägung keine üntersttttzong fand, daß kein weiteree Mit¬
glied der Familie von ähnlichen Zufällen befallen war. Nach Ablauf ?on seehe
Monaten wurde das Mädchen ans dem Hospitale entlassen. Sie kehrte anfi
Land zurttck, nahm Wohnung ln ihrem früheren Zimmer und wurde nadi
einiger Zeit von neuem yon Lähmungen behtUen. Man yermutete wiedemi
Bieiyergiftung, aber die Untersuchung der Nahruagsmktel und Gebrauehs-
gegenstände ergab kein BleL Man nahm nun Yeraalassung. die Tapete den
bewohnten Zimmers zu untersuchen. Die üntersuchnng erMD einen {Sicht¬
lichen Qehalt — wie yiel, ist nicht angegeben — an Blei, so daß sage-*
nemmen wurde, daß die Krankheit durch Einatmung yon bleihaltigem Strab
entstanden seL
Auf welche Weise aber der Giftstoff der Tapete sich der
Zimmerloft mitteilte, geht auch ans diesem Falle nicht hervw.
Offenbar ist es auf die verschiedenste Art möglich. Es mag zua
Vergleiche daher gestattet sein, die in früherer Zeit häufiger vtnr-
gekommenen Arsenikvargiftungen durch arsenhaltige Tapeten
heranzuziehen. Elinen besonders lehrreichen Fall dieser Art er¬
zählt Nannyn*).
ln einem Gerichtslokale in Königsberg kamen unter den Beamten mehr-
faich Areenyergiftungen yor, die sich folgendermaßen anfklirten: Durch dna
Hinworfen yon Akten in ein Begal war der gdbe Wandanstrich hinter dem¬
selben allmählich abgestoßen und darunter sine grüne Tapete nun VoneheiB
gekommen. Diese grüne Tapete teilte sieh den Akten mit und wurde beim
üeber OMiudlMitMehidigingeii dinh bldlurbeakaltige 407
ümbUtten denelbea Tentfabt Die grüne Farbe erwiei aieb ab SohweinF
Inrter Grün (areeaig-eesigBaiirefl Kopferoxyd).
Man ersieht ans diesen beiden Fällen, daß der Nachweis des
ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Gesnndheitschädignng
nnd der schädigenden Ursache viellach erst nach langem Suchen
erbracht werden konnte; daß man aber, wenn das Erankheits-
bUd fftr Bleivergiftong typisch wu*, unbedenklich die bleifarben¬
haltigen Tapeten beschuldigt hat, auch wenn man die nähermi
Umstände nicht kannte, unter dcmen die Emanation des Giftes
erfolgte.
Im Torliegenden Falle ist in einem Quadratmeter Tapete
1,4 g Bleichromat festgestellt worden. Von dieser Tapete waren
22,71 qm in der Schla&ammer des Franz T. befestigt; die Wände
enthielten also insgesamt 81,794 g Bleichromat.
Wenn man non nach den Lel^n der Wissenschaft annehmen
muß, daß die tägliche Znfnhr Yon nnr einem einzigen Milligramm
Blei nach einigen Monaten Vergiftnngserscheinnngen hervormfen
kann, so mnß man zageben, daß in dem fraglichen Schlafzimmer,
welches eine 31794 mal so große Menge Blei in seiner Tapete
enthielt, die besten Vorbedingungen geschaffen waren. Ueberdies
handelte es sich um einen sehr niedrigen, nur 2,41 m hohen
Banm ohne Veatilationsyorrichtangen. Es bestand die Gewohn¬
heit, in den Wintermouaten wenig oder gar nicht zu lüften. Die
Arbeitskleider wurden direkt an die Tapete gehängt und konnten
folglich in trockenem nnd feuchtem Zustande Farbstoff in sich
anmehmen nnd tagsüber bei der Arbeit an den Träger abgeben.
Da das Bett an der Wand stand, so mußte mit der Möglichkeit
gerechnet werden, daß die Hände des Schlafenden die Tapete
berührten nnd abwischten und später ungewollt, bevor eine Beini-
gnng hatte vorgenommen werden können, die Lippen berührten.
Mit Federbett nnd Wolldecken konnte der Tapetenstanb ab¬
gewischt nnd in die Luft gewirbelt werden. Jedenfalls war der
Franz T. mehr als sein Vater nnd seine Schwester, welche in
Kammern mit bleifarbenfreien Tapeten schliefen, der Vergiftungs-
gefahr aasgesetzt Tatsächlich ist er auch am bedenklichsten
Ton allen cfteien erkrankt gewesen. Seine Schwester konnte sich
beim Machen seines Bettes und beim Aufenthalte im Wohnzimmer,
das ebenfaUs bleifarbene Tapeten trug, vergiften, der Vater, der
am leichtesten erkrankte, wohl nnr in letzterem. Die verschiedene
Schwere der Vergiftungserscheinangen bei den drei Personen geht
also Hand in Hand mit der Häufigkeit und Zeitdauer der Gift¬
einwirkung. Nach dem Gesagten ist es endlich einleuchtend, daß
die Vergiftungserscheinungen, obwohl die Tapeten bereits Ende
Angast oder Anfang September 1906 angeklebt waren, erst An-
ftuig Dezember eintreten konnten. Daß es tatsächlich sich um
Bldvergiftong bei der Familie T. gehandelt hat, kann ebenso-
*) GuTot in Viert^ahrachrift für gerichtliche Medfarin und Öffentliches
S—kHetwsen; Jahrg. 1894, Dritte Folge, VllL Bd., Seite 178.
*) Nnanyn: Die ArsenTergiftuog in Ziemssens Hnndbaeh der spe-
riellen Fntholog^ und Therapie. XV. Bd., Seite 847.
408 Dr. Becker: Ueber Oestndhdtesch&digongeB darob bleifarbenkalUge Tepetea
wenig zweifelhaft sein, wie die Tatsache, daß die Tapeten Sehnld
duan waren; denn sobald die Personen ans dem Zimmer entfernt
wurden and sich im Erankenhanse za T. befanden, fflhlten sie
sich wohl, erkrankten aber sofort wieder in der eigenen Behaa<
sang. Erst nach Beseitignng der Tapeten trat andaaerndes Wohl*
befinden aaf. Die Kette der Beweisglieder ist mithin geschlossen.
Ich gab daher mein Gutachten dahin ab, daß die von der
Firma X. in Y hergestellte Tapete mit einem Gehalte von 1,4 g
chromsaoren Blei aaf einem Quadratmeter geeignet sei, die
menschliche Gesundheit za schädigen. Im vorliegenden Falle
schienen allerdings, wie ich besonders hervorzaheben mich fflr
verpflichtet hielt, mehrere ongflnstige Momente — niedriger,
schlecht ventilierter Baum, direkte Berflhrong von Eleidong and
Stoff mit der Tapete — zosammen getroffen zu sein, am die
Wiiicang hervorzorofen.
Der Fall ist in mehr als einer Hinsicht beachtenswert.
Zunächst ist festgestellt worden, daß Bleifarben in der Tapeten*
indastrie eine ausgedehnte Verwendung finden. Dagegen läßt
sidi gesetzlich nichts machen; denn nur die Verwendang von
Arsei^rben ist bei der Herstellung von Tapeten auf Grand des
§ 7 des Gesetzes betr. die Verwendang gesundheitsschädlicher
Farben bei der Herstellung von Nahrangsmitteln und Gebrauchs-
gegenständen vom 5. Jali 1887 verboten, während Bleifarben
zulässig sind. Weyl sowohl wie Lehmann^) haben dagegen
die schwersten Bedenken erhoben and sich dahin ausgesprochen,
dass die Verwendang von Bleichromat znm Färben von Tapeten,
Möbelstoffen, Kleidern, Garnen und Lunten, wie in Frankreich,
so aach im Dentschen Reiche verboten werden müsste.
Trotzdem sind offenbar Bleivergiftungen durch Tapeten bis*
lang ausserordentlich selten zur Kenntnis gekommen; jedenfalls
fiudet sich in der Literatur bislang wie gesagt nur ein einziger
von Guyot beschriebener Fall. Wenn man aber bedenkt, daß
die chronische Bleivergiftung sicherlich häufig von den Aerzten
gar nicht erkannt wird, so wäre es denkbar, daß in der Folge*
zeit, nachdem erst einmal die Aufmerksamkeit auf diesen Puiät
gelenkt ist, zahlreiche Fälle mitgeteilt würden.
Im vorliegenden Falle wurde das ^Vorverfahren von der
Königlichen Staatsanwaltschaft eröffnet, und zwar auf Grund
der |§ 14 und 12 Ziffer 2 des Reichsgesetzes betr. den Verkehr
mit Nahrungsmitteln, Genaßmitteln und Gebrauchsgegenständen
vom 14. Mai 1879. Der § 12 lautet:
Mit Gefängnis.wird bestraft,.wer TorsäUUeh Be*
kleidangsgegenstände, Spielwaren, Tapeten, E6*, Trink*Kochgeschirr oder
Petroleam derart hersteUt, daß der bestimmongsgemäße oder ToranszosebeBde
Gebraach dieser Gegenstände die menschliche Gesundheit zu beschädigen ge*
eignet ist, ingleichen wer wissentlich solche Gegenstände Terkaoft, leilhäit
oder sonst in Verkehr bringt.
Im Gegensatz zu Weyl und Lehmann möchte ich daher
hervorheben, daß also das Nahrangsmittelgesetz die Handhabe
Zitiert nach Heinzerling; L c., Seite 780.
Dr. Heidenluüa: üeber Hilzbruid.
400
bietet, eyentaell die Verwendung von Bleifarben in der Tapeten-
indnetrie zn ahnden. In dem von mir mitgeteilten Falle wnMe
die angeschnldigte Firma X. in T. auf Antrag der Staatsanwalt*
sehaft allerdings ansser Verfolgnng gesetzt, da die weiteren Er-
mittelnngen ergaben, daß ihr eine Fahrlässigkeit nicht nachge¬
wiesen werden konnte, sondern angenommen werden mußte, daß
eie den Erfolg keineshdls bei Anfwendnog der gebotenen Anf-
merksamkeit hfttte voranssehen können.
Ueber Milzbrand.
Von Med.« Bat Dr. Heidenhain, Kreisarzt in Insterbarg.
In Heft 8 der Anweisungen des Ministers znr Ansftthmng
des Gesetzes, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krank¬
heiten, vom 26. August 1905 — Milzbrand (beim Menschen) —
werden nur drei verschiedene Formen der Krankheit angenommen,
und zwar: Karbunkel, Lungen- und Darmentzündungen. Es er¬
scheint jedoch eine vierte Form dieser schweren Infektionskrank¬
heit hervorgehoben werden zu müssen; ich mochte diese als
OdematOse Form des Milzbrandes bezeichnen. Unter die Rubrik
dieser Form kann ich vier Fälle eigener Beobachtung verzeichnen,
von denen der letzte vor knrzer Zeit von mir amtsärztlich festge¬
stellt wurde.
Die Infektionsstelle bei dieser Form kennzeichnet sich als
kleines Bläschen, oder — wenn wahrscheinlich das Bläschen be¬
reits durch B[ratzen usw. vernichtet war — als schwärzlicher,
etwas eingezogener und sich härtlich anfühlender und schneidender
Fleck von der Große eines Stecknadelknopfes. Die Infektion selbst
schien in allen diesen Fällen 8—4 Tage früher eingetreten zu sein,
bevor der Fall zu meiner Kenntnis kam. Es erscheint nach meiner
Beobachtung angenommen werden zu müssen, daß, sobald die In¬
fektionsstelle charakteristisch diagnostizierbar wird, die Allgemein¬
erkrankung — ähnlich wie beim ulc. dur. — bereits vorhanden
ist; in allen vier Fällen trat bereits der Tod ein 2—8 Tage
nachdem die Erkrankten in ärztliche Beobachtung gekommen waren.
In drei von den von mir beobachteten Fällen war die In¬
fektionsstelle im Gesicht, im vierten Falle am Unterarm; in den
drei ersten Fällen trat ein Oedem besonders der betreffenden Ge¬
sichts- und Kopfhälfte von bläulich - roter Farbe ein; im letzten
Fall schwoll der ganze KOrper stark OdematOs an und zeigte eine
dunkelblaue und blau-schwarze Verfärbung.
Das Oedem der Haut und des Bindegewebes entsteht durch
Verstopfung von Blutgefäßen mit enormen Mengen von Bazillen.
Dagegen werden in der Infektionsstelle und in dem daran liegenden
ödematösen Gewebe gewöhnlich keine Bazillen gefunden.
Werden in die tiefer liegenden Gewebe des Gesichts- und
Kopfes Einschnitte gemacht, so zeigen unter der ödematOs ge¬
schwollenen Haut die Glewebe eine merkwürdig trockene Be¬
schaffenheit und Blutleere; häufig sieht man trockene schwarze
SteUen; es sind das im nekrotischen Zerfall begriffene Gewebe,
410
Dr. FleUU: Ailb«wftkruf der Ijnphe kei Landielsea.
dMsen Nekrose diirck die VerstopAuig der betreffende! Bhitfe-
fiße mittelst Klnm^n Ton Bazillen bedingt ist.
Da der Tod in allen Fällen bei sehnell zunehmender Be-
wnßtlosigkeit nnd unter schweren Bflckenschmerzen eintritt, kt
mit Sicherheit anzonehmen, daß im Gehirn und ‘Bhckenmark
schwere Zirkulationsstörungen eintreten, verursacht durch Throm¬
bosen größerer Gefäß-Bezirke. Der Tod selbst erfolgt durch
Erstickung infolge von Verstopfung der Lungengeiäße mit enormen
Mengen von Bazillen. _
Aufbewahrung der Lymphe bei Landreieen.
Von Geh. Med.>Bat Dr. Flellti) Erebarst Is Halle a. 8.
Jeder vielbeschäftigte Imp&rzt macht alljährlich die unan-
gmehme Erfahrung, daß die tierische Lymphe bei längerem Trans¬
port an heißen Ta|:en leidet. Sie verliert einen Teil ihrer Wirk¬
samkeit um so leichter, je mehr der Arzt gezwungen kt, eine
Beihe kleinerer Impfstationen zu besorgen nnd infolgedessen das
Glas oder die Tube, in denen sich die Lymphe befindet, wiederholt
Offnen nnd schließen muß. Lymphe, welche zur Beserve mit-
geftUirt nnd nicht verwendet wurde, gibt häufig bei späterem
Ghebranche nur kttmmerliche Pusteln.
Diesem Uebelstande hilft in vollkommenster Weise ein kleiner
Apparat ab, welcher nach Angabe des Beg.- und MedizinabBats
Dr. Wo dtke-Merseburg gefertigt kt.
In einer sogen. Thermo8fi9;8che trägt der Kork einen Glas¬
zylinder (Beagenzglas) von 11 cm Länge nnd 1,8 cm lichter
Weite. Dieser Zylinder ist mit Gummistopfen verschlossen und
hängt an einem Nickelbfigel, welcher gleichzeitig ein Oeifiien
wältfend des Transportes verhütet. Ueber das untere Ende des
Zylinders ist zum Schutz gegen Berflhrnng mit der Flaschenwand
eine Gnmmikappe gezogen. Die mit Lymphe gefQllten Gläschen,
Böhrchen oder Tuben werden vor der Abreise zum Impftermin
aus dem Keller oder Eisschrank in den Zylinder gelegt, die
Thermosflasche wird mit kaltem Wasser gefüllt, wie es z. B. vom
Eisschranke abläuft, der Zylinder eingeschoben nnd der Kork fest
anfgedrückt. Die Flasche ist außerdem noch mit einem Nickel-
verschloß versehen.
Meine Versuche ergaben folgendes:
1. Die Flasche wurde der Sonne bei 28^ 3 Stunden ans-
geeetzt; die Wassertemperatur stieg von 5 auf 11*’.
2. Fahrt im offenen Wagen 5 Stunden. Lufttemperatur
25* im Schatten. Flasche zweimal geöffnet. Wassertemperatur
von 5 auf 5,5*.
8. Fahrzeit 6 Stunden, schwüle Gewitterluft Wasser¬
temperatur nach sechsmaligem Oeffnen von 5 auf 10* gestiegen.
4. Fahrzeit 7 Stunden bei 18* im Schatten. Wassertempe^
ratur nach zehnmaligem Oeffnen von 5 auf 11* gestiegen. Bei
1100 Impfungen kein Ausfall, sämtliche Pusteln gut entwickelt.
Diese Versuche zeigen, daß der einfache Apparat vollkommenen
‘Schutz gegen das Verderben der Lymphe bietet.
KIcinera MtMtoBgm nad Befwale M 0 ZeitieliilftWL
411
IMa Temperatar de« Watsen in der Fhwehe steigt um so
langsamer, je seltener der Lymphbehftlter heransgenommen und
je schneller er wieder mit dem Eorkverschloß eingesetzt wird.
£rwirmt sich der Zylinder nach längerem Heransnebmen, steigt
natftilich die Wassertemperatnr schneller. Bei weiten Beisen
dürfte in solchem Falle das gelegentliche Einschieben eines Eis*
Stückchens genügen.
Wünschenswert ist ein Beserrekork, um die Flasche nach
dem Heransziehen des Zylinders sofort Terschließen zn können.
Die Korke müssen bester Qualität nnd nicht zn weich sein, der
Zylinder ist von starkem Glase anznfertigen.
Ich kann den Eühlapparat allen Kollegen, welche Impfreisen
zn machen haben, warm empfehlen. Er ist znm Preise von 12 M.
kinflieh bei Jnlins Loth, Fabrik chimrgischer Instrumente in
EOalin.
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
»aktertöloyte, Infskttonskraaklieltea und andere Krankheiten.
A. Desinfektion.
Ueher HiadedesInfektioB mit Chlreseter. Voo Dr. O. Becker,
Awbtesmnt der Uniyersitlte'Frauenklinik in Halle a.8. Mflnchener Hed
Wooheasokrift; 1908, Nr. 11.
Dae Ton der Firma Krewel ln COln bergestellte Chiresoter stellt eine
Losung rerschiedener wachs» und balsamartiger Körper in Tetracblorkohlen*
Stoff dar. Der Preis ist billig und die Anwendongswelse sehr einfach, da die
hellgdbe, nicht feuergefihiliäe Flttssigkeit durch einen gewöhnlichen Qummi»
baUon aiH die Haut auigesprayt und fest eingerieben wird etc.
Verfosser berichtet nun des ntheren aber seine Yersuche mit dem Chiro*
soter und muß auf Qmnd derselben dem geburtshilflichen Praktiker entschieden
ahraten. Chiresoter auf der undeslnfisierten Hand su gebrauchen. In F&Uen,
in welenen rasdies Handeln nötig ist, kann man fast in derselben Zelt, die
Ae Herstellung der Ghirosoterendecke in Anspruch nimmt, Gummihandschuhe
mit Wasser und Seife (8 Min.) und Sublimat (2 Min.) absolut steril machen.
Yerfasser will die Bedeutung des Chirosoter zur Festleimung der nach toU*
stindiger Desfaifektion tief u der Haut zurückgebliebenen Keime nicht be»
sWeiten. Da aber sowohl seine Yersuche, als die von anderen Autoren über
Chiresoter ohne Toihergehende Desinfektion neben sehr günstigen Ergebnissen
direkte Yersager aufweisen, kann die Anwendung des Chirosoter
ohne Torhergehende Desinfektion bei Operationen am Men¬
schen nicht empfehlen werden. Dr. Waibel*Kempten.
Die HindedealnfektteB nur mit Alkohol. Yon Oeneraloberant
Dr. Sehumbnrg in Straftburg i. Eis. Deutsche Medizin. Wochenschrift:
1906, Nr. 8.
Schumburg wies schon frther nach, daß durch das übliche Bearbeiten
dev Hinde mit Seife und Bürste nur wenig Keime entfernt worden, während
aal der Haut Schmadea und Bisse eraeugt werden. Er empfahl deshalb ein-
faehee Abreibeii mittds Wattebinschchen in Alkohol-Aether getränkt. Jetzt
hat er dae Yerfahren modiiaiert, indem er die Hände mit Alkohol (rectißeatis«
sksum dos Araneibnches) oder Brennspiritns mit Zusatz von Salpetersäoce
oder 1 */, Formalia höchstens 8 Minuten lang abrribt. Das aweifelloe sehr
einfache Yerfahren würde sich besonders für die Kriegsdiimrgie, für die Land«
prasis nad Ihr den Gebraneh der Hebammen eignen (für letztere dürfte wohl
Boiae Yerwendung enri nadi wetterenj ansgedehnten^ Erfahrengen möglldh
sein. Bef.). Dr. Lieb et rau« Hagen L W.
412
Kleinere IDtMlnngen ond Referate nu ZeitMhriften.
UBtermieliuig«i Aber du DerinfektleuTennSgeM des AvtsMU Von
B. Gnlli-Valeiio. Aue dem hygienisch-parasitoloKischen Institut der üni*
Teisitit Lausanne. Therapeutis(^e Monatshefte; 1908, H. 8.
Zu den ünteisuehungen wurden Bonillonkutnren yon B. coli, M. pyogenes
aureus, B. subtitis benutzt. Verfasser kommt zu folgenden Schlüssen: 1. Du
Desinfektionsrerfahren mit Autan verdient Im praktischen Gebrauch zu bleibu
als einfaches und gefahrloses Mittel zur Desinfmetion der Zimmer unter folgenden
Bedingungen: a) alle Qegenst&nde, welche ln Dampfdesinfektionsapparatu oder
durch Auskodien zu sterilisieren sind, müssen entfernt werden, aa in sie du
Autan nur schwerlich eindringt; b) alle Oeflhnngen, Fenster etc. mflraen her¬
metisch geschlossen werden; c) man mufi größere Dosen Autan verwenden, als
die Fabrik anftibt. 2. Du Desinfektiouverfahren durch Auton kann zur Du
Infektion von Gegeut&nden, die in SchrSnken h&ngen, unter der Bedingung
verwandt weiden, daß man Pulver verwendet, da die Tabletten eine wenig
energische 'VVlrkung haben. Braucht man Tabletten, so muß mu eine 8—4mi3
größere Zahl verwenden, als die angegebene und sie währud einu 2—8 mal
Ibigeren Zeitraums wirken lauen, äs ugegeben ist, speziell, wenn u zieh
um sehr resistente Keime handelt. 8. Du Anton kann als ein ansgezeichnetu
Deso^rierungnnlttel gehrauoht werden. Dr. Klare-Haiu (Bu. Oassel).
8. S&ugllBgwtnrlitloliltolt.
Entwleklung und Tttigkeit der stldtlgehen SXngUngzfBrsorge in
Chnrlottenburg. Amtliche Nachrichten der Charlottenburger Armuverwaltung;
1907, Nr. 12.
Während im ersten Jahre von der Erölbinng am 16. Juni 1905 ab bis
zum 81. März 1906 nur 968 Kinder die Fflrsorgesbulen brauchten, stieg die
Zahl der E^der im Bechnnngsjahre 1906 auf nicht weniger als 2007, darunter
970 BrnstkiBder, 810 Brust- und Fluohenkinder und 727 Fluchenkinder.
Als besonders erfreulich darf es bezeichnet werden, daß die Zahl der
Brustkinder von 19,62’/o Jahre 1906 auf 48,83Vo bu Jahre 1906 g^
stiegen und demnach nahezu die Hälfte der die Fttrsorgratelle aufsuchuden
Kinder von den Müttern selbst gestillt worden ist, — ein Erfolg, zu dem
neben der unausgesetzten Propaganda für du Selbststillen (wobei auch die
städtischen Hebammen um ihre Mithilfe gebeten wurden) auch die neuein-
geführten StiUpiämien nicht unwesentlich beigetragen haben. Für die Tätig¬
keit der Fürsorgratellen besonders bedeutsam war der ümstond, daß nicht
woiiger als 86,92 **/« der E[inder schon im ersten Lebensmonat, also kurz nach
der Geburt, in die Fürsorge eintraten. Weitore 49,48 **/, kamen vor dem
6. Lebensmonat in Fürsorge. — Von den 2007 Kindern, die sich in Fürsorge
Wandu, waren 88,86 °/o ehelich und 16,14**/« unehelich. 1906 waren nur
16,84 **/« uneheliche Ünder in Fürsorge. Erfremicherweise besuchten nam ent
Ueh die Halte- und Pflegekinder in steigendem Maße die FürsorgwteUen.
Unter den ehelichen Kindern waren 68,80**/« Brustkinder, 16,28**/« Brust- und
Fluchenkindra und 80,42**/« FUschenkinder, unter den unehelichen Kindern
nur 22,68**/« Brustkinder, 11,11**/« Brust-und Flaschenkinder, dagegen 66,86 */e
Fluchenkinder.
Bei der Aufnahme in die Fürsorge waren 48,10**/« aller Kinder krank.
l^Uirend der Fürsorge haben sich 77,48 */o güutig, 9,67**/« ungüutig ent¬
wickelt, während 7,17^0 wegen zu kurzer Dauer der Beobachtung nicht zu
beurteilen waren. Gestorben sind von den in Fürsorge gewesenen Kindern
nur 5,88 */o (1906 8,47o)i während die allgemeine Sänglingssterbliohkeit in
Charlottenburg 1906 nodi immer 14,21 **/o betragen hat. Berücksichtigt man,
daß gerade die ärmsten und schwächsten Kinder in großer Zahl die Fürsorge¬
stellen aufsuchen, so darf man diese Ergebnisse als sehr günstig bezeiehnu.
1.80 Wo der Sterbefälle war auf Magen- und Darmkatarrh zurttckzuführen. Auf
100 l^der entflelen bei Brustkindern 2,89 o/o Sterbefälle, bei Brust- und Flaschen¬
kindern 8,66 o/o, bei Fluchenkindern aber 10,78 o/o Sterbefälle, — ein erneuter
Beweis für die Bedeutung der Brnsternährung.
Für die künstliche Ernährung wurde hauptsächlich puteuiisirte Klnder-
milch verwendet Es wurdu hiervon an alle vier Fürsorgestollu im Berl^to-
jahre 188626 1 abgegebu, und zwu 41278 1 unentgeltlidi und 97247 1 gegen
Zahlung von 18 Pfg. für du Litw, während der Stadt selbst du Liter von
Kliere rntteilangea imd Befento ftoi ZeitidiriftM.
418
dies« IDleli 28 Pfg. kostete. Die uentiteltlioh empfangeae lOleh s^t nioht
als Armenuaterstlttsiiiig. Fftr die ErnUinuig der dtronisek Darm*
kraakea and in der Entwicklung znrttekgebliebener S&nglinge wurde an^
andere, eTeatuell mit Zutaten Termisehte trinkfertige MOch yerwendet, welche
die Stadt in swei am 20. Juni 1906 erOffneten Milchkdehen unter ärztlicher
AuMeht hersteilen und verabfolgen liefi. Von dieser Milch wurden im Jahre
1906 11824 Portionen ausgegeben, und zwar 6718 Portionen unentgeltlich und
6611 gegen Bezahlung.
Als neuer Zweig der Fttrsorgestellen trat mit Beginn des Berichtsiahres
die Gewährung von Beihilfen an schwangere und an stillende Mfltter hinzu.
FlLr die Aushändigung der Beihilfen an Schwangere und deren Kontrolle diente
der Charlottenburger Hauspflegeverein als ausfOhrender Faktor. Als Dauer
diesor üntersttttzung sind vier Wochen vor der Entbindung und 10 Tage, in
denen die Pflege durch den Hauspflegeverein erfolgt, nach der Entbindung fest¬
gelegt worden. Als hSohster Satz waren 6 Mark wOchentlieh bewilligt. Im
Berichtsjahre wurden in dieser Weise 148 Schwangere mit zusammen 1486,26 M.,
durchsehnittUoh 10.04 M. unterstützt. Die Beihilfen an stillende Mfltter (Still¬
prämien) beliefen sich im Jahre 1906 auf 14474,48 Mark.
Die Kosten, die der Stadt Charlottenburg im Berichtsjahre durch die
vorstehend skizzierte Art der Säuglingspflege erwachsen sind, beliefen rieh mit
allen Verwaltungskosten, Mieten, Aerzte- und Schwestemhonoraren usw. auf
02683.60 M., wozu noch als einmalige Ausgaben für die Einrichtung der beiden
Mildikflehen 10197 M. kamen, so daß der Gesamtwert 72880,60 M. betrag. —
Fflr die weitere Pflege solcher Kinder, die stationärer Behandlung auf längere
Zeit bedürfen, wurde die Kindererholungsanstalt Westend des Vaterländischen
Frauenverrins mit üeberweisung von 10 Säuglingen brautst. Der Erfolg war
ausgezetehnet, so daß die Stadtverwaltung mit Hilfe eines besonderen Komitees
Aufang November 1907 eine Sänglingsklinik erOffnete, die allerdings zunächst
nur 12 Betten enthält. — Wenn man die überaus günstigen Erfolge dieser
planmäßig durchgeführten Säuglingsfürsorge sich vor Augen hält, so kann man
nur anderen Stadtverwaltungen empfehlen, das gleiche zu tun.
Bericht über das erste Jahr der Tätigkeit der Singlingsfflrsorge
in Weissenhorg i. B. Von Dr. Hans Doerfler hi Weissenburg i. B.
Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 2.
Verfasser mBcbte durch seinen Jahresbericht über die Tätigkeit der
Säuglingsfürsorge In W. den Beweis erbringen, daß und rrie in einer Stadt
von etwas über 6000 Einwohner die Säuglingsfürsorge in nahezu vollkommener
Wrise durohgeführt werden kann und zwar 1) durch Belehrung der Friseh-
entbundenen über den Wert des Stillens für Mutter und Kind (üeberreichung
eines Merkblattes an jede Frischentbundene), 2) dnreh Verteflung von StiQl-
S rämien an mittellose Entbundene, 81 durch Üeine Hebammenprämien (ä 60 Pf.
Ir den Nachweis 4wüehentliehen StUlens seitens der Matter), 4) durch eine
aDwSehentlich einmal von sämtlichen Aerzten in attemierendem Turnus ab-
suhaltende Säuglingsberatxmgsstunde in geeignetem Lokale, 6) durch das alle
14 Tage betätige Vorführen der Säuglinge zu dieser Beratnngs- und Kon-
trollstude, 6) durch Beschaffung von einwandsfreier Kindermilch in den ver¬
schiedenen Mischungsverhältnissen.
Verfasser geht in sehr interessanten Ausführungen auf obige Punkte
näher ein und faßt am Schlüsse das Besultat der einjährigen SäuglingsfÜr-
sorgearbeit in folgende Sätze zusammen:
1. Die Mortalität der im ersten Lebensjahre gestorbenen IQnder von
einem 10 jährigen Durchschnitt ist von 27 Prozent auf 12 Prozent zurück*
g^^angen.
2. Statt wie früher 29 Prozent haben im Berichtsjahre 60 Prozent der
Mütter ihre Kinder in einem für das Gedeihen der Kinder in Betracht kom-
mnaden Zutrauen gestillt.
8. In 62 Beratungsstanden sind insgesamt 689 Kinder^anr Beratung
gebracht worden.
A In einem Zritraum von l'Jahr sind 69861 Fläschchen Kindermlleh
abgegeben worden. _ Dr. Waibel-[Kempten.
414
Kleimn MKteHaDgMi nad Beferato ani Zeitadurlfifla.
Slaglbisiet«rbll«kkelt and KMtkladerwaaai ia Maailaafcatf-
Sahwerla* Yoa Privatdos. Dr. G. Brttaiag'Bostoek. Zdltadulft f. 8 iaf>
liagifanorge; 1908, Nr. 8 .
1) Die Oeaamtsaagliogaiterblichkeit ist eine müttere (Ib—80*/.), Jedoob
ist dieselbe in Wismar als &r aweltkleinstea Stadt adt 18,88*/« grOaer ids
den drei ttbrigen.
^ Fttr die ebelidien Gebarten gilt das gleiche; aach hier ibea*
trifft Wismar mit 17,34o/« den nächsthöheren Wert Bcetoeks mit 16,€4*/«
am 1,7*/«.
8 ) Die Mortalität der aaehelidien Sänglinge nimmt mH der GiöAe der
Stadt ab and schwankt awischea 81,84*/, bei GOstrow and 81,61*/« bei Boslorft
(Differena etwa 10*/« ! 1 ).
4) Das Prosentrerbältnis der ehelichea sa den anehelichea Todesfalka
bei Säaglingen nimmt mit der Abnahme der Einwohnersahl der Städte sa, so
daSBostock mit 1:1,88 am günstigsten, das 8 V* mal kleinere Güstrow mH
mH 1:2,19 am angttastigsten dasteht, aber, was herTorgehobea werden
mofl, die Haupt« and Besidenzstadt Schwerin mit 1:1,95 aar weaiff ttbertiül.
6 ) Aach die Zahl der aaehelichen Gebartea pro 1000 Einwohaer ist ia
der Beeideosstadt Schwerin mit 1,4 eine aaSerwdentUich geringe gegenüber
8,6 bei Wismar and Güstrow bezw. 4,8 bei Bostock (in letaterem mehr ak
8 mal so nofil).
6 ) Die Zahl der Lebendgebartoa and der SäagUagatodesfätte pro
10(X) Einwohner ist in den beiden Seestädten Wismar and Bostock am gräStea;
Schwerin steht auch in dieser Hinsicht am aBergünstigstoa mit 21 Gebartea
oad 8,0*/,« Todesfällen bei Säaglingen da.
7) Das Verhältnis der ehelichen sa den unehelichen Lebmidgebartea
ist wiederam in Schwerin am günstigsten mit 1:14, nimmt in Güstrow mit
1: 8 sine Mittelsteilang ein and beträgt in Bostock 1: 4,7, d. h. hier kommt
schon auf weniger als 5 Lebendgeborenen rin illegitimes Kind.
Was das Eostkinderwesen anbelangt, so ist die Organisation in Mecklea-
burg sehr reformbedürftig. _ Dr. Wolf-Marburg.
Bericht Iber die SäogHagsfllrBergesteUen der Schmidt-Gallkeh-
stlftnng ia Berlla. Voa Dr. G. Tagendreich. Zeitschrilt für Säugiiags-
fürsorge; Bd. 2, Nr. 2 .
ln Berlin bestanden im Berichtsjahr 1906 5 Fürsorgestellen, die über
dk ganze Stadt verteilt sind. Es wird in erster Linie dahin gewirkt, dk
Mütter zam Stillen zu veranlassen, nötigenfalls anter Gewährong voa Still*
S rämien (ca. 2—4 M. pro Woche). Im anderen Falle wird neben mr Berataag
> nach Erfordernis gute, ärztlich kontrollierte Milch za ermäftigtem oder
eriassenem Preise geliefert. Aafnahmebedingang ist vorhandene Bedürltigkrit,
dk durch Becherche der Fürsorgeschwester jedesmal festgestellt wird. Dk
Schwester soll ferner der Matter bei Befolgang der diätetischMi und hygieni*
sehen Vorschriften mit Bat and Tat aar Hand gehen und sieh, soweit es
möglich, von der strikten Innehaitang der ärztlichen Asordaungen überaengen.
Für den Betrieb der Fürsorgestellen sind 5—6 große Bäame and eke Milck*
kttche erforderlich. Das Personal setzt sich zusammen aas dem Iriteodea
Arzt, einen oder mehreren Assistenten, einer Oberschwester, übBcbea Hilfs¬
kräften und unteren Dienstpersonal. Dem Leiter obliegt außer dem ärztlichen
Dienst der Schriftverkehr, Bechnnngslegong usw. Er ist aaßerdem verpfliehtai,
zweimal im Jahre öffentlich Korse über Sriiglkgspflege abaobalten. Dk Er¬
folge sind bis jetzt ermutigend und beweisen, diä die Fürsorgeotellen auf dem
richtigen Wege skd. _ Dr. Wolf-Marburg.
O. 8 oli«]]ijgl«B 0 .
Beitebnngen zwischen Sebwaehslnn und SchwerhSrfgkelt. Voa
Dr. Franz Kobrak-Breslau. Zeitschrift für Scholgesondheitspflege; 1906, Nr.K
Auf dem Gebiete der Fürsorge für nicht normal veranlagte Ünder spleU
die Schwerhörigkeit eine hervorragende Bolle, ist es doch eme nicht sriteM
Beobachtung, daß schwache Befähigung, ja geradezu geistige Impotenz durch
hochg^radige Schwerhörigkeit vorgetäuscht werden kann. Belativ häufig kt,
was nicht wandernehmen kann, die Schwerhörigkeit in den Bilbklassea für
Tagesnaohriohtea.
416
Sebwaekbaflhij^ an iladen: Waaaai iaad oiiler 89 Kiadera dat Httadiener
HUlaUasBea 12, die Flttsteratimme nur aal weniger als 20cm liOrten; Hark*
maan onteraaehte 205 Kinder der Berliner Hilfsklaeaea aal ihr HörrermOgea
and stdlte 20 V, Schwerhörige fest, d. h. solche, die aal eine DistaBa tob
weniger ids 4 m Klttsterstimme hörten. Verfasser selbst stellte genaae Dnterw
sachangen an 677 Kindern der Breslaaer HUisklassea an and fand dabei S%
schlechte Hörer, als wdche er diejenigen bexeJchnet, die leise KonTcrsationa-
spraohe flberhaapt nicht aafnahmen. Gleichseitig worde bei den einselnmi
Kindern das Prädikat der Klassenleistongen (nach Ansabe der Lehrer) notiert.
Es ergab sich a. a. hierbei, daß onter den Schwerhörigen 8% ^>1^ guten
Leistungen waren; dies ist eigentlich ein Widerspruch, da die SchwerhOrigkdt
den Schwachsinn begOnstigt.
Nach der Qualität der Schalleistangen and den Grad der Schwerhörig¬
keit will Verfasser folgende drei Gruppen unterschieden wissen:
1. Kinder, die wegen hochgradiger Schwerhörigkeit Schlechtes leistea:
.tauhabn^e* Kinder;
2. ^der, die bei hochgradiger Schwerhörigkeit Schlechtes leistea:
atanh schwachsuin^^e'' Kinder;
8. Kinder, die trotu hochgradiger Schwerhörigkeit Gutes leisten: ataub-
intelligente* Kinder.
Praktisch ergibt sich hieraus folgendes: Alle Kinder mit stärkerer
Schwerhörigkeit, die für das Fortkommen im Unterricht hinderlich sein kann,
BÜid Tom S^ularst ausaamustem und nach einer speslellea Nachuntersuchung
in Tersehiedene Kategorien su ordnen unter Beiöcksichtigung der äntliehea
ud pädagogischen Gesichtspunkte.
Es werden die unheilbaren, besserungsfähigen und heilbaren Schwer-
hötigen bei dieser spesiellen Ohruntersuchung festsusteUen und danach in ebs
der drei Sehulsjsteme: Normalklasse, Schwerhörigenklasse, Hilbklasse, einau-
laagieren sein. Anfangs kommen alle Kinder in die Normalklasse, dann aber,
wenn die Leistungen hinter dem Durchsehnitt surttckhleiben, entweder in die
Sehwerhörigenklam oder, wenn auch hier kein Erfolg erzielt wird, in die
Hilfsklasse. _ Dr. Solbrig-AllensteiB.
Beitrag nr Lehre Iber den Jugendllehen 8<diwaehslnn an der Hand
rem IbteranehuBgen an Kindern der Göttinger Hllfssebule. Von Or. Karl
Viz, Aasisteaten der Poliklinik. Monatsschrift fOr Psychiatrie und Neurologie;
Band XKUI, 1908, Ergänsnngsheft.
Vorliegender Arbeit lieg^ die Untersuchungen zugrunde, welche im
Jahre 1906 an 51 Kindern der Göttinger Hilfsschule in der dorti^n PolikHaik
tHu psychische und Nenrenkrankheiten vorgenommen wurden.
Diese Untersuchungen hatten folgendes Ergebnis:
1. Bei den HUfsschölern besteht meistens eine auffällige Vorstellungs-
armut, wobei abstrakte Begriffe weniger gelänfig sind als konkrete.
2. Einen besonderen Platz nehmen hier die Defekte in den Farben-
Toratellungea ein.
8. Die Urteils- und Schlußbildung ist der am meisten gestörte Teil der
Verstandestätigkeit, so daß meisteBS eine erhebliche UrteUssdkwäehe resultiert.
4. Diese Urteilsschwäehe zeigt sieh besonders darin, daß Auswendig-
gelemtea kritiklos reproduziert wird.
5. Die hauptsächlichsten psychologischen Faktoren der schwaehen Be¬
gabung der Hilfsschttler sind Mangel an Auffassungsgabe, GedäcbtnissGhwäehe
und Anfmerksamkeitssehwäche.
6. Störungen des Cbftthlslebens fallen bei den HUfsschlUem bfolge der
Flttchtigkeit der kbdlichen Erregungen im allgemeben weniger ins Gewicht.
7. Der degeneraÜTe KörperbM deckt sich Tielfaeh mu den Störungen
der Intelligenz. _Dr. Többen-MOnster.
Tagesnachrtchten.
In der preußischen Gesetzsammluag sbd jetzt das preußische
Hnbammengebthreagesetz und das QueUsohutsgeaets Teröffent»
lieht. Wir werden beide Gesetze b der Beilage zur nächsten Nummer der
Zeitschrift bringem _
416
Ta^snachriehten.
Am 11. Jon! d. J, wird im Beiehsamt des lanein eiae Konfereas
stattdadea, der außer Kommissionea der beteil4rtea Bdehs- und prenßisehea
BehBrdea, sämtliche bei der geplaaten Beferm der retehsiirMetiliehea Arbeiter»
rerstehemag beteiligten Interessengruppen, also außer Vertretern der Kranken»
hassen auch Aerzte und zwar sowohl Vertreter der freien Aerztewahl, als
des Kassenarzt 83 rstem 8 teilnehmen werden. Auf der Tagesordnung steht
speziell die Begeluag der Bestehungen zwischen Krankenkassen und Aersfeen.
Von seiten der Aerzte wird bekanntlich die gesetzliehe Einführung der frdea
Aerztewahl und der Ausschluß aller nicht im Inlande approbierten Aerzte Toa
der Behandlung der Eassenmitglieder verlangt.
In Berlin hat im vorigen Monat unter Vorsits des Prlsideatea des
Bdehsversichemngsamts und unter Teilnahme eines Vertreters des K^erliehea
Gesundheitsamtes mit Vertretern der Lederindustrie »Berufsgenossensehaft dne
Beratung über die Bekämpfung der Hilsbrandgeflahr m Gerbereien and
Lederfabriken stattgefenden. Der Vorstand der Berufsgenossensehaft berichtete
über die Erfahrungen der letzten beiden Jahre und legte einen Entwurf von
Verhfttungsvorschiiften zur Bekämpfung der Milzbrandgefahr vor, der im
wesentlichen die Zustimmung der Versammlung fand; doch sollen nach 8 Jahren
die Vorschriften auf Grund neuen Materials erneut geprüft werden.
Das Kaiserliche Gesundheitsamt ist zurzeit mit üntersuchungen über
Betnignng der Abwässer einiger in den Main entwässernder ZeUnlosefiabriken
beschUtigt; sie bilden die Fortsetzung der im Jahre 1906 durch die Königliche
Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Ahwässerbeseitigung
bei einer Anzahl von Sulfit-Zellulosefabriken angestellten Untersuchungen.
Die Begierungen sind von den beteiligten Ministem angewiesen worden, an
der Hand eines sorgfältig ausgearbeiteten Fragebogens ülxur die Verhältnisse
innerhalb ihres Beärkes zu berichten.
Der dem Bayerischen Landtage vorgelegte Entwurf zu dnem am
1. Januar 1909 in Kraft tretenden Beamtengesets enthält auch wichtige Be»
stinunungen über die Versetzung ln den Bnhestand mit Buhegehalt und die
Fürsorge für die Hinterbliebenen der etatsmäßigen Beamten. Es soll nicht
mehr wie bisher bei erreichtem 70. Lebensjahr das volle Diensteinkommen,
sondern höchstens 76 Prozent desselben als Buhegehalt gewährt werden. Bo»
treffs der Medizinalbeamten, die erst im vorgerückten Alter zur Anstellung
kommen und infolgedessen in bezug auf Bdiegehalt und Versorgung der
EDnterbliebenen wesentlich ungünstiger als andere Beamte gestdlt sind, besteht
begründete Aussicht, daß durch eine entsprediende Berechnung der Dienst»
Jahre ein Ausgleich getroffen wird.
Nach dem den sächsischen Ständekammera angegangenen EgL Dekrete,
den Entwurf einer Besoldungsordnung betreffend, sind die Gehälter für die nach
dem Dienstalter aufrückenden Beamten wie folgt geordnet: a. Für die
1. Omppe 900—1200 Mk.: Pflegerinnen bei den Landesanstalten, Pfleger I. KL
bei den akadem. Lehranstalten der Universität, Oberin daselbst, Oberhebamme
bei den akadem. Lehranstalten der Universität. — 8. Gruppe 1200—1600 Mk.:
Küchenmeisterin, Wäscheverwalterin bei' der Frauenklinik, I. Oberin bei der
Universität. — 6. Gruppe 1200—1800 Mk.: Oberpfleger bei der Universität.
— 10. Gruppe 1600—2200 Mk.: Oberhebamme und Oberschwester bei der
Frauenklbik, Operationswärter daselbst. — 28. Gruppe 1800—4200 Mk.:
Wissenschaftlich gebildete Hilfsarbeiter bei der Zentralstelle für Öffentliche
Gesungheitspflege in Dresden. — 26. Gruppe 8800—4500 Mk. : Chemiker, Bak¬
teriologe bei den hygienischen Untersucbungsanstalten, Hausinspektor bei der
Frauenklinik, Apotheker bei den Landesanstalten. — 84. Groppe 8500— 6400 Mk.:
Arzt bei der Unversität. — 47. Gruppe 8600— 7200 Mk.: Aerzte bei den
Landesanstalten. — 49. Gruppe 4500—7500 Mk.: Bezirksärzte IL EL —
60. Gruppe 5400 — 7800 Mk.: Bezirksärzte I. El.; Direktor der Zentralstelle
für Öffentliche Gesundheitspflege zu Dresden (der Stelleninhaber rückt, so
lange er das Amt eines Medizinischen Bates beim Ministerium des Innern be¬
kleidet [für welches 4000 Hk. aufgeworfen sind — vergL unten] nur hie
TageiDMluiehteiL
417
6000 Mk. im Qehalte miO* — Gruppe 6000—8400 Mk.: Hedislaeliut beim
Leudeemedisiiiulkolleglnm; Badediiektor beim fUeterbede. — 67. Qmppe
7800—9600 Mk.: AcUt iJirektoren der Laodeeheil* und Pflegeeustelten (j*
400 Mk. penaionefibige SteUenxolage für vier). — 88. Qmppe 8400—10600 Mk.:
PrUdent des Leodeemediginelkollegtuma.
Yen doi nicht nach dem Dienetalter aaliflckenden Beamten sollen er-
kaUea u. a.: Unterhebammen bei der OniTersität 800—480 Mk.: Wirterinnen
dsMlbet 420-600 Mk.; Pflegerinnen II. KL 420-480 Mk.; Pfleger U. Kl.
660—900 Mk.; Hills* und Volontirirste nicht Uber 1000 Mk.; Pflegerinnen
L KL 900 Mk.; ApothekenreTisoren 2000 Mk.; Prosektoien 2100—8800 Mk.;
Poliseiarst 8000 Mk.; Direktoren, Dirigenten und Vorstände bei den akadem.
Lehranstalten der Universität nicht Aber 4500 Mk.; Medizinischer BAt beim
Ministerium des Innern 4000 Mk. (vergL oben 60. Qruppe); Direktor der Frauen¬
klinik 4200 Mk. Für die Medizinisohen Beiräte der Krefahauptmannschaften
sind wie bisher, im gansen 10000 Mk. ausgeworlen.
Die nweite Wflrttembergische Kammer hat in ihrer Sitsung am 20. Mai
d. J. den Antrag ihrer Kommission betreffs Uebertragung der reiohsgesetslichen
KrankenTersieliemng auf die land* und forstwirtschaftlichen Arbeiter
an^nommen und «in»timinig den Wunsch gebilligt, dafl in der dort Ittr
Heimarbeiter, Dienstboten usw. z. Z. bestehenden landesgesetzlichen Kranken*
pflegeversicherung ^e Zwi der Unteistfltzongspflicht nach dem Yorbilde der
Heichskrankenversicherung auf 26 Wochen ausgedehnt werde.
In den Sitzungen am 16. und 19. Mai beschäftigte sich die Kammer
mit der Begelnng des Apothekenwesens aus Anlafi einer Denkschrift der
konditionierenden Apotheker, in der u. a. eine zahlreichere Vergebung der
Personalkonzessionen, Pensions* und HinterbliebenenversorgunK verlangt wurde,
und der von den Abg. Dr. Lindemann (8oz.) und Dr. Eisele (Volksp.)
gestellten Anträge, in denen die Zulassung von Qemeindeapotheken bei
rcdclugesetzlicher ^gelung des Apothekenwesens gefordert wurde, ln der
Debatte prach sich die Mehrzahl der Bedner gegen die Verstaatlichung und
Kommunalisierung der Apotheken ans, ebenso wie der Minister des Innern
Dr. T. Pischeck, der jmoch bemerkte, daß ihm das hessische System, die
Verpachtung der Qemeindeapotheken, unter Umständen Zusagen kOnne. Die
betreffenden Anträge wurden demzufolge abgelehnt, dagegen ein von der
Kommission gestellter Antrag auf schnellere Vermehrung der Apotheken und
Zentralisierung des Verleihungsverfahrens im Ministerium des Innern last ein¬
stimmig angenommen. Damit war auch der oben erwähnten Denkschrift s. T.
Bechnung ^tragen; der in dieser ausgesprochene Wunsch betreffs obiigu*
torischer J^beziehung der Besitzer von Personalberechtigungen zu einer
Pensio&s* und HinterbUebenenversorsorgung und betreffs anderseiter Begelnng
der Dienstzeit wurde der Begiemng zur Berücksichtigung empfohlen.
In Württemberg ist nunmehr durch Ministerialverfttgung vom 6. Mai
1906 ebenfalls eine phurmaseutiBche Standesvertretnng nach Art der Ape*
tbekenkammem anderer Bundesstaaten geschaffen, indem die seit 1875 be¬
stehenden Vorschriften über den pharmazeutischen Landesverein entsprechend
abgelndert sind (s. Beiiage Bechtsprechung und Medizinalgeaetzgebung zur
heutigen Hummer, 8. 104). _
Am 19. Mai d. J.gelangte imLandtage des Herzogtums Braun-
sehweig ein von dem Abg. Med.-Bat u. Stadtarzt Dr. Both-Braunschweig
gestellter Antrag, dafl die Kosten der polizeilich angeordneten Schlnssdesln-
fektlouea in jedem Falle von der Staatskasse Übernommen werden sollen, zur
Verhandlung. Der Antrag war bereits in der Sitzung vom 26. März d. J.
gestellt und nach Begründung durch den Antragsteller der Kommission für
das Innere zur Vorprüfung und Berichterstattung überwiesen. Der Antrag-
steUer führte damals aus, dafl die im Limdesseuchengesetz geforderte Schlui^
deainfektion im Sffeatlichen Interesse geschehe, also nach Becht und Billigkeit auch
von der Allgemeinheit zu tragen seL Außerdem mache diese Maßregel nach
Tersehiedeaea Bichtungen hin Schwierigkeiten und werde gerade deshalb mOg-
418
lichit nrngugMi. Die dem Staate darau erwaohsendeo Eoaten aeiaa aaeh
akkt i^r erheblich, da sohoa jetit die HUfte der DesinfekUoeen auf OffeaUiehe
Kutea flbemommen werde; sie würden etwa 20000 Hark betragen. Der nw*
mehr nach Eommissiouberatiuig snr Verhandlung gekommene Aatn^ wurde
mit 2 Stimmen Minderheit abgelehnt. Im AUgemetaen wurde iwar die Zweck*
mifligkeit deiteiben anerkaant, die Mehrheit des LaadtMee meinte jedoch,
dafi dai LaudeneuchengeMts noch su neu <!*/> Jahre in S^t) sei, um leboa
jetat eine Aendemng Torxuehmea. Man solle erst noch abwarten, wie sidb
die Sache entwickle und noch mehr Erfahrungen sammeln. Dagegen wurde
ein Uaterantrag angenommei^ das Gesetz insoweit su Indem, „du die Kosten
für den Trauport ud für die Zeitrersinmnis der Desinfektoren auf die Staate*
hasse zu übernehmen seien.“ Man will damit die Ungidchheit der Kosten
augleichen, die zwischen den llndlicheu ud stidtischen Desiafektkmen herrscht,
die bei den enteren durch die längere Zeitbeaupruchug ud die Traasportaosteu
fast du Doppelte im Durchschnitt betragen. Gelangt dieser Antrag au
Dnrchführug, wu bei dem nicht ablehnenden Verhalten der Begierug zu
erwarten steht, so würde jedenfaUs ein wesentlicher Gewiu erreicht sdn, da
die Beteiligten dun nur noch die Materialkosten zu bezahlen hitten, also
den kleineru Teil der Kosten für die Schlußdesinfektion.
Am Mai d. J. ipt in Berlin eine Internationale Verelnigug für
Krebsforsehmg beg:^det. In der Festsitzug, der der ünterrlchtsmlnister
Holle mit den Spitzen der Behörde beiwohnte, und die von Exzellenz
Ton Leyden präsidiert wurde, sprachen Dr. Borrel (Paris) über du ätio¬
logische Problem des Krebses, ron Prof. Dr. Dollinger (Budapest) über
einige Ergebnisse der Krebsatatistik, von Prof. Dr. Jensen (Kopenhagen)
über einige Probleme der experimentellen Krebsforschung, Ton Prof. Dr. Pod*
wyssotzki (Moskau) Ober neue Ansichten der Beiztheorie des Krebses ud
der bösartigen Geschwülste. Die Internationale Vereinlgug für Krebsforschug
bezweckt die Förderung Ton Einrichtugen für die Erforschung ud die Be-
kämpfug der Krebskrukheit, die Einführug einer einheitlichen internatio¬
nalen Krebsstatistik ud die Bildug einer internationalen Aukuftsstelie für
alle die Krebsforschung betreftenden Fragen. Ferner soll eine internationale
ZMtschrift für Krebsforschug heraugegeben ud die zukünftigen internatio¬
nalen Krebskonferenzen Ton ihr yorbereitet werden. Dann soll ein Zentrum
gmhaffen werden, welches sich die Verbreitug der Kenntnbse über die
Krebskrukheit unter den Laien zur Aufgabe macht, damit diese in der
Lage sind, möglichst frühzeitig die Krankheitssymptome zu erkennen. Auch
8 <dien im Auchlnfi u die in Berlin begründete Ausknnfts- ud Fürsorgestelle
für Krebsrerdächtige und Krebskruke u zahlreichu uderen Ortu des In-
ud Auludes solche segensreidien Einrichtungen geschaffen werden. Die
Augaben der Vereinigung werden durch Beiträge der der Vereinigung u-
gehOrenden Länder ud durch besondere Zuwendugen aufgebracht. An Bei¬
trägen hat jede der Vereinigug ugehOrende Ludeszentralstelle für Krebs¬
forschung für jedes ihrer zur Internationalen Vereinigug delegierten ordut-
Uchen Mitglieder jährlich 100 Mk. zu entrichten. Soweit die Einnahmu au
den laufenden Beiträgen ud besonderen Zuwendungen zur Deckug der
Kosten nicht ausreichen, werden sie von dem deutschen Zentralkomitee
für Krebsforschung yorschufiweise bestritten werden. Zum ständigen Ebru-
rorsitzenden wurde Exzellenz y. Leyden-Berlin gewählt, zum Vorsitzendu
Czerny (Heidelberg), zu dessen Stellyertretera Pierre Marie (Paris),
Fibiger (Kopenhagen) und ein Vertreter der Vereinigten Stuten, dessu
Beoeraug dem heuuisdien Komitee überlassen bleibt, zum Schatzmeister
y. Hansemann (Berlin), zum Generalsekretär George M eyer (Berlin). Der
gesehäftsführude Ausschuß besteht außer den Genunten au Prof. y. Pod-
wyssotzki (St. Petersburg), y. Hochenegg (Wien) und Gelgi (Payia).
In der am 27. Mai d. J. in Berlin (Beichstagsgeblnde) abgehaltanu
IÜ[L Generalyenammlung des Deutsehen Zentral-Komltees zur Bekimpfnug
der Tnberkulue betonte der Vorsitzende, Staatssekretär des Innern, Dr.
y. Bethmann-Hollweg. In seiner Eröffnungsrede den großen Wert der
Auzlninlts- ud Fürsorgestellen für die Bekämpfung der Tuerkulose, deru
ZkU rieh bi Beviehbjahre b erfrevlicher Webe rermelurt kebeii üm eb m5g-
lidut gleichm&ßig über du gesamte Land n Terbreiten, habe du Prisidiom
ebu sjstematbche Propaguda namenUich in desjenigen Landesteilen bsgennea,
wo sie gegenwärtig noch fehlen. Auf diue Webe weide u hoffentUdi ge¬
lingen, nach auf dem platten Lande die Taberknlosebekämpfon^ wirksam na
gestaltu. Ebeuo habe du Präsidinm ebe besondere Kommission eingesetit,
um gegen eine der schrecklichsten Formen der Tabeikolose, den Lnpu, eine
qrstematbche Bekämpfnog za organbieren. Worte hoher Anerkennong
widmete der Vorsitzende dem lugjährigen bisherigen Vorsitzenden, Staats-
minbter Graf t. Posadowsky, der hierauf auf Antrag du Präsidioms eln-
sUminlg zom Ehrenmitgliede gewählt wurde.
Nach dem hiernach von dem Generabekretär, Prof. Dr. Nietner, er¬
statteten Geschäftsbericht bt die Mitgliederzahl auf 1689 gestiegmi;
278000 Mark sbd im Vorjahre für Tuberkuose • Einrichtungen augegeben.
Die zurzeit vorhudenen 99 VolksheUstätten verfttgen über 10589 Betten
(6000 fhr Männer und 4689 ffir Frauen. Außerdem stehen noch 86 Prirat-
nutalten mit 2176 Betten, 18 Ebderheibtätten mit 887 und 78 Autaltu fftr
skrophulOse ]Under mit 6848 Betten zur Verfügung. Im Bau begriffen sbd
8 VolksheUstätten mit 180 Betten. 176 Fürsorge- und Auakunftutellen sbd
neu ebgerichtet.
Zu der Bobert Koohstiftung, deren Fonds schon mehr ab ebe
MiHion betri^, wurden auf Vorschlag du Präsidiums 60000 Mark bewilligt.
Mach Zuwahl yon 4 Ausehußmitgliedem suchen Dr. Jur. Neubecker
und Pr^. Dr. Kayserling-Berlb über die Frage: Welche gesetn-
liehen Bestimmungen stehen den Off entliehen Verbänden und
Gemeinden imKampf gegen die Tuberkulose zur Seitef Hierzu
hatte du zweite Referent folgende Leibätze anf^teUt:
Die guetzUehen Butimmnagen der deubuen ArbeiteTrersiehernng und
du deubehen Armenrechts Uefem wirksame Handhaben für die Bekämpfung
du Tuberkulose b der Richtung der HeUbehandlung der Erwachsenen und
Kinder, sb yerragen bdu b dem wichtigsten Punzte der Tuberknluebo-
Umpfung, der Heim und Anstalbfürsorge für die unheilbar yorguchiittenen
FiOe. Da diese Fälle gerade die HauptqueUen für die Verbreitung der
menschlichen Tubericulose darsteUen, reichen die angeführten guetzlichen Bo-
■Ummungen nicht aus. Im Interuse du Forbenritb der Tuberkulraebe*
kimpfang eischebt eine Ergänzung der butehenden guetzlichen Butimmun-
gen dringend erforderlbh. Mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die Tuber*
kuloee durch bren Charaktu ober chronbehen über Jahre sich ansdehnenden
bfektbnskraakheit ebe Sonderstellung unter den übertragbaren Krankheiten
ebnimmt, erschebt die Regelung der Tuberkaluebekämpfang durch em be¬
sonderes Gesetz gerechtfertigt. Da die Tuberkulue b allen Tellen du
Reichu Ihre Opfer fördert, ist die Regelung der Taberkulosebekämpfnng durch
Reichsguetz au empfehlenswertuten. Die Schaffung ebu einheitlidien
Reichstuberkulose-Gesetzes ist als ebu der wichtigsten Erforderniue
du Tuberkaluebekämpfang der Gegenwart zu bezeichnen.
Db yon beiden Referenten gegebenen Anregungen wurden einu Kom-
mbaioa zur weiteren Beratung übugeben. Hierauf sprach Geh. Rat Prof. Dr.
Noißer aus Brubu über die Notwendigkeit der Lnpusbekämpfung. Lupus sei
ebe Tuberkulue du Haut, die sich durch langsamen, schleichenden Vubuf aus-
zeiehne. Db Infektion mit Tuberkelbazillen erfolge teUs yu bnu, teUs yon
außen durch zufällige Verletzungen, butehende Wanden und Hautkrankheitea.
Db meuten Krankheiten gehu yon der Nue aus, dahu findet sich auch
Lupus namentUch im Guicht. Der Verlauf sti anfangs harmlos; demzufolge
würde db Krankheit zunächst oft nicht beachtet, in den ersten Stadiw kOnne
abu der Lupus leicht operatiy entfernt werden; duhalb müßten besonders
yorgebildete Auzte die Schalen absuchu, da die Krankheit yorzuuwebe im
Kbdesaltu beginne. In Erkennung du Lupus sei das TubukuBn eb an-
trüglichu Mittel. Durch die moderne Licht- und Röntgenbehandlung konnten
selbst schwere Lupufälle geheilt werden. Da die Behandlung aber langwierig
sei, empfehle sich die Erriutnng yon Lupusheimen. Wenn die Kommission
jeist energisch mit der Gründung yon Lupusheimen yugehe, werde u gelbgen,
db Krankheit aus du Welt zu schaffen.
420
T^fenuMhilelitan.
Die Dentieke OeseUieheft fir Yelkeblder hat aal ihrer am 27. Maid. J.
niiter aahireicher BeteUigong in Essen abgehaitenen dieejährlgen fiaapt-
Tersammlnng einen Tom Berliner Verein tttr Volksbftder llberwiesenen Betrag
ton 20000 Mark aor Begrfindong einer 0. Lassarstiftang bestimmt
Auf dem yom 19. bis 21. Jnni d. J. in Kiel stattilndenden 9*De«t*
sehen Kongress f&r Volks- und Jagendsplele kommen folgende Themata znr
Verhandlong: 1. Die Notwendigkeit der vorbindiichen Spielnachmittage für die
städtische Yolksscholjagend. San.-Bat Prot Dr. F. A. Schmidt, Bonn, stell-
Tertretender Vorsitzender des Zentralaosschnsses. 2. Fortbildangsschalpflicht
nnd körperliche Ertüchtigung der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter. Direktor
Dr. Enörk, Berlin. 8. Der 2. September, ein Nationalfesttag der deutschen
Jugend. Prof. Dunk er, Beadsburg. 4. Zur Geschichte der deutschen Spiel¬
bewegung. Prof. Dr. Unzer, Kiel. Anmeldungen von Vertretern der Be?
hOrden nnd der Städte zum Kongreß sind an Hofrat Prof. Baydt in Leipzig,
LOhrstr. 8/5, Anfragen Über KongreOeinrichtungen an Prof. Peters in Kiel
nnd Besteilnngen wegen Sicherung des Unterkommens an den Kieler Ver-
kehrsrerein zu richten.
Ebenso wie in Essen a. B. ist jetzt auch in Erfurt ein Hochbau¬
techniker als Wohnnngslnspektor nnd ToUbesoldeter Gemeindebeamter an-
gestellt, nnd ihm die Wohnnngsanfiiicht übertragen. Er ist Hilfsorgan des
Wohnungsausschnsses (der unter Mitwirkung der Stadtverordneten eingesetzt
wird) und dem Magistratsdezernenten für das Wohnungswesen unmittelbar
unterstellt. Seine Aufgabe besteht hauptsächlich in der Beaufsichtigung aller
Wohn-, Schlafränme und Küdien, Wascüküchen, Aborte, Keller, Zugänge nnd
sonstigen Nebenräume zwecks Feststellung von Mißständen. Er hat ferner
Klagen nnd Beschwerden der Mieter und Aftermieter über Mängel nnd Mi^
stände in der Beschaffenheit der Wohnungen, sowie der Hauseigentümer über
unsachgemäßes, die Benutzung der Wohnung schädigendes Verhalten der
Mieter nnd Aftermieter entgegenznnehmen, auf alle sonstwie im städtischen
Wohnungswesen sich ergebenden gesundheitlichen oder sittlichen Mißstäade
und Gefahren, insbesondere infolge der DeberfüUnng von Wohnungen, acht-
zugeben, die Beseitigung der Vorgefundenen Mängel durch Erörterung mit den
Beteiligten, Belehrung, Mahnung nnd Warnung an Ort nnd Stelle ananstreben.
Zur Kontrolle nnd Unterstützung des Wohnnngsinspektors dient der Wohnung»-
ansschnß, der zur örtlichen Nachprüfung der Angaben des Wohnnngsinspektors
berechtigt ist und der namentlich dann einzngrcdlen hat, wenn erhebliche
Mängel vorliegen, Zweifel über zu treffende Maßnahmen bestehen, oder wenn
insbeeondere eine Wohnung überhaupt nicht mehr bewohnt werden solL Be¬
lästigungen der Beteiligten sollen möglichst ausgeschlossen bleiben.
Am 18. Mai d. J. Ist vor der Strafkammer des Landgerichts in Braun-
schweig ein Müller in Negenborn (Kreis Holzminden) an 6 Wodien Gefängnis
verurteilt, weil er die schadhaften Steine seiner Mühle mit Blei hatte aus¬
gießen lassen nnd dadurch zahlreiche Bleivergiftungen unter den Bewohnern
des Dorfes verschuldet hatte, ln der zweiten Hälfte des Jahres 1906 waren
von diesen annähernd 100 Personen erkrankt, ohne daß man anfangs Wesen
nnd Ursache der Krankheit erkannte. Eine von den Erkruikten wurde schlie߬
lich in das Krankenhaus zu Holzminden übergelührt und hier die sogenannte
«Negenborner Krankheit“ als Bleivergiftung lestgestellt. Bei der darauf an-
gesteilten Untersuchung ergab sich, daß die Erkrankten sämUich ihr Getreide
bei dem Angeklagten hatten mahlen lassen nnd in dessen Mühle die schad¬
haften Mühlsteine mit Blei ausgegossen waren. Auch die chemische Unter¬
suchung des betreffenden Mehles ergab einen Gehalt von BleL
Verantwortl. Redakteur: Dr.Bapmnnd, Reg.-n. Geh. Med.-Rat in Minden LW.
i.0.0. Bnus. HmmzL Bieha n. F. BAA*. Haftaeadmeksnt ln Mlnftn
2L Jahrg.
1908.
Zeitschrift
fSx
MEDIZINALBEAMTE
ZentnlUitt für iat gesaite (knmdktibntm,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
HeraiugegebeB
▼OB
Dr. OTTO RAPMUND,
Beftenuf^ «ad Ckk. MedlilBBlrol tat lOadeB«
Olfizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fiseher's medis. Buohliandlg., H. Kornfeld,
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
Taeerate aehaieB die Yerlagthaadlang sowie alle Anaoaoen-SzpedlUoaeo des In*
und Auslandes entgegen.
Nr. 12.
Braekelat mm 8. ud SO. Jedem Kemmts.
20. Juni.
Das heiratsfähige Alter und seine gesetzlichen Unterlagen.
Von Dr. Ahlfeld.
In den letzten Jahren habe ich Gelegenheit gehabt, yer-
hältniemäßig riele jugendlich Geschwängerte zn entbinden; die
Besnltate waren, soweit es sich nm Schwangerschaft und Ge*
burt handelte, nicht in Uebereinstimmnng mit den allgemeinen
Vorstellnngen über den Verlauf dieser Vorgänge bei unreifen
Personen.
Diese Beobachtungen erweckten in mir die Frage, ob bei
der gesetzlichen Festlegnng des heiratsfähigen Alters ärztliche
Momente, und in welchem Maße, herangezogen worden seien.
§ 1803 unseres bflrgerlichen Gesetzbuches lautet:
.län Mann darf nicht vor dem Eintritte der VoUjShrigkeit, eine Frau
darf nicht ror YoUendong des 16. Lebensjahrea eine Ehe eingehen.
Einer Frau kann Befreiung Ton dieser Vorschrift bewilligt werden.*
Danach darf also ein Mädchen, wenn sie 17 Jahr alt ge* ^
worden ist, sobald nicht andersartige Ehehindemisse vorliegen,
heiraten.
Die Altersgrenzen waren frfther andere und es war daher
zunächst festznstellen, warum sie in neuerer Zeit geändert
waren.
422
Dr. AhUeld.
In Hinschins Kommentar*) fand ich nnr eine knr 2 e Er-
klämng:
„Ehemttndigkeit. Der Entwarf (sc. für du BeichaeeeeU) hotte du
Alter der Ehemttndigkeit mit Bttckdcht anf den aUaemeinen m ganz Preußen
seit dem Gesetz Tom 21. Dezember 1872, G. 8. 1873, 8. 1 geltenden Ternda
auf du vollendete 18. rup. 14. Lebensjahr ohne Znlanong der Dispensation
festgesetzt and war damit auch noch ttber die in einzelnen Teilen Deutsch¬
lands, namentlich Bayerns, geltende rOmische kanonische Altersgrenze von
14 bezw. 12 Jahren binaosgegangen. Die ErhOhang des Termins aof 20 bezw.
16 Jahr and die Zolusung der Dispensation hat der Beichstag aof Grund
einu dahin lautenden Amendements der Abg. Dr. v. 8chalte, Dr. Mar-
quardsen und Genossen angenommen. 8tenogr. Bericht 8. lOllff.
Da auch das Strafgesetzbuch vor dem 16. Jahre ein Mäd¬
chen schätzt, indem der § 182 den Verf&hrer eines unbescholtenen
Mädchens auf Antrag der Eltern oder des Vormundes zur Unter¬
suchung, eveutl. Bestrafung bringt, § 176,3 die Personen, die mit
einem Kinde unter 14 Jahren unzfichtige Handlungen — worunter
auch der Akt der Begattung zu verstehen ist, ^ .vornehmen oder
dieselben zur Verfibung oder Duldung ungänstiger Handlungen
verleiten, mit einer Miudeststrafe von se^s Monat Gefängnis¬
strafe bedroht, so werden auch die Motive zu diesem Paragraphen
Aufklärung über die mir gestellten Fragen bringen kOnnen. Da¬
von weiter nnten.
Mit dem römischen Rechte ist auch der frtthe Heirats¬
termin in Deutsches Recht ttbergegangen. Vorschriften, die fElr
ein südliches Klima geeignet waren, sind in die nördlichere Zone
eingepflanzt worden, obwohl, wie wir aus Tacitus wissen, vorher
andere Bestimmungen unter den Germanen Sitte waren. Auch
Caesar (De bello Gail. lib. VI, cap. 21) berichtet: „intraannnm
vero vicesimum feminae notiam habuisse in turpissimis habent
rebus. Tacitus (Germaniae, cap. XX) meldet sogar, daß die
Frauen gegen Frähheiraten wirkten und schließt seinen Bericht
mit den Worten: robora parentum liberi referont.
Gegen die römische Ueberliefernng machte der Deutsche
Beichstag vom Jahre 1875 (Sitzung vom 15. Januar) Front. Ob¬
wohl die Regierungsvorlage ein früheres Lebensalter verschlug,
ging doch das 16. Jahr für das Mädchen ans der Abstimmung
hervor.
Abgeordneter Dr. Löwe, betonte gleicherweise die physiolo¬
gische, wie die soziale Seite:
Er führte aus, wie die physiologische Bntwieklung eines MIdcheas in
unseren Breitengraden in einem Alter zwisdien 14 und 16 Jahren nur selten
soweit gediehen sei, ndaß in der Tat häufig noch keine Vorstellung von der
Ehe stattfindet, weil die körperliche Entwicklung noch nicht soweit vorge¬
schritten ist." „Denn die Beurteilung dieses Vertrages (Ehe), seinem Wesen
und seiner Bedeutung nach, den sie eingeben soll, ist doch gänzlich abhängig
von der Entwicklung, d. h. von den Anschauungen und GeftÜden, die erst mit
der vollen Pubertät eintreten kOnnen." „Ich habe schwere Bedenken gegmi
die Dispositionsfähigkeit eines Mädchens von 14 Jahren für diesen das ganne
Lebensglück entscheidenden Akt."
*) Das Beichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes; 8. Aufl.,
.S. 101, Anm. 77.
Dts heiratsfihige Alter und seine gesetsllehen Unterlagen.
428
Um aber die Möglichkeit za belaesen, unter Umständen aneh
jOngeren Individuen das Heiraten zu gestatten, nahm der Reichs¬
tag das Amendement „Dispensation ist zulässig** an; in dieser
Form warde der Paragraph Iflr das Bürgerliche Gesetzbuch
perfekt
In wie weit haben beim Zustandekommen rein ärzüiche
Motive mitgewirkt P Soweit solche in der Motivierung des Abg.
Dr. Löwe zur Sprache gekommen sind, möchte ich antworten:
gar nicht; denn den Schluß Löwe’s, daß die Beurteilungsfähig-
keit eines Ehevertrags gänzlich abhängig sei von der Pubertäts-
entWicklung, halte ich fftr einen Trugschlaß. Aber es ist wohl
anzunehmen, daß stillschweigend die Mehrzahl der Abgeordneten
ein Mädchen vor dem abgelaufenen 16. Lebensjahre fär nicht
reif gehalten haben mag, um Matter werden und ein Kind er¬
nähren und sachgemäß aufziehen zu können.
üeberdies ist der Ausdruck „volle Entwickelung der Puber¬
tät* eine unbestimmte Größe, indem die einen von der Entwick¬
lung der Pubertät sprechen, sobald die Periode regelmäßig ein-
tritt, während die anderen außerdem die volle Eörperentwi^ung
dazu verlangen. Zwischen beiden Zeitpunkten liegen aber mehrere
Jahre. Wenn nun gar noch der Termin der Beurteilungsfähigkeit
des einzugehenden Vertrags mit der vollen Pubertätsentwick-
lung in Zusammenhang gebracht wird, dann werden zeitlich noch
andere Resultate herauskommen.
Hingegen sind fttr die Annahme des Amendements, „Dis¬
pensation ist zulässig*, medizinische Grttnde maßgebend gewesen,
wenn auch die Motive sich nicht darüber auslassen. Denn dieser
Zusatz hat vor allem den Zweck, Frflhgeschwängerten das Ein¬
gehen einer Ehe zu ermöglichen, fundiert also auf der Tatsache,
daß auch in unserem Klima schon vor dem 16. Jahre unter Um¬
ständen die Entwicklung eines Mädchens so vorgeschritten ist,
um Matter werden zu können. Ob sie damit eine Ehefrau wer¬
den kann, ist natürlich eine andere Frage.
Die strafrechtliche Verfolgung des Schwängerers eines Mäd¬
chens, das sein 16. Lebensjahr noch nicht beendet hat, setzt eine
Schädigung des Mädchens durch den vorgenommenen Akt und
seine Folgen voraus. Die Schädigung kann in einer physischen
und in einer ideellen Weise oder in beiden vor sich gehen. Von
der den Ruf nnd die Ehre, also die Zukunft des Mädchens be¬
treffenden Schädigung rede ich hier nicht, sondern gehe nur auf
die angeblichen körperlichen Schädigungen ein, soweit sie als
Folgestände von Schwangerschaft und Geburt anzusehen sind.
In dieser Beziehung enthalten die Motive zum Strafgesetz¬
buch*) folgende Andeutungen: In Anlage 8, Erörterungen straf-
*) Dm Strafeeeetzbuch, bearbeitet für den Norddentscben Bond, wurde
im Entwarle am 14. Februar 1870 dem Reichstage des Norddentscben Bandes
vorgelegt und am 81. Mai 1870 eingeführt- Am 1. Januar 1872 wurde es
Beichsgesets. Die dasu gehörigen Motive finden sich als Anlage zum Ent¬
wurf des Gesetzes fttr den Norddeutschen Bund.
424
Dr. Ahlleld.
rechtlicher Fragen ans dem Gebiete der gerichtlichen Medim'n,
findet sieh Seite 10 die Bemerkung:
nin den Vorarbeiten znm geg^enwärtig geltenden StrafgeseUbnohe wurde
auch das swölfte Lebensjahr als ünterscheidnngsjahr Torgcschlagen; and
die in dem § 144, Nr. 3 erfolgte Annahme des 14. Lebensjiäres erfolge in
der Erwignng, dafl erfahrnngsgem&ß mit snrttckgelegtem 12. Lebensjahre die
Entwickelong des weiblichen Qeschlechts noch lücht als Tollendet betrachtet
werden kOnne.“
Hierüber wurde die Königliche Wissenschaftliche Deputation
für das Medizinal wesen befragt; ihre Antwort (Seite 31) ist
entscheidend dafür geworden, das 14. Lebensjahr als das zu em¬
pfehlen, welches in § 144 des Strafgesetzbuches des Norddeut¬
schen Bandes (entsprechend § 176 des Strafgesetzbuches des Deut¬
schen Reichs) angenommen ist. Es heißt in diesem Gutachten:
„Im allgemeinen tritt in nnaerem Klima bei dem weiblichen Geschlecht
die Geschlechtsreife nicht vor dem 14. Lebensjahre ein, diejenigen Mäd^en
aber, welche in den mit Besng auf § 144, Nr. 3 geführten Verhandlongen eine
BoUe spielen, gehören meistens den ärmeren Klassen der BevOlkernng an and
die Brfahrnng seigt, daß selbst diejenigen unter ihnen, welche dem 14. Lebens¬
jahre bereits gans nahe stehen, in der Begel einen noch dorchans kindlidten
Habitus darbieten und in geschlechtlicher Bealehnng mehr oder weniger un¬
entwickelt sind.
Schon dieser Umstand scheint uns dagegen zu sprechen, daß man in der
betreffenden Strafbestimmung statt des 14. Lebensjahres einen ftUheren
Termin wähle.
Noch wichtiger indes dürfte die Berücksichtigung des geistigen Zu¬
standes der Mädchen oder Knaben sein. Früher als im Alter Ton 14 Jahren
dürfte ein Mädchen oder ein junger Mensch kaum die Urteilskraft besitzen,
um mit genügender Klarheit die nachteiligen Folgen ln ihrem ganzen Umfange
zu ermessen, welche ihnen daraus erwachsen, wenn sie sich unzüchtigen Hand¬
lungen Preis geben, zumal der Geschlechtstrieb die Ueberlegung beeinträchtigt
und die Willenskraft gegenüber geschlechtlichen Zumutungen schwächt.*
Gegenüber der ersten Ausgabe des Gesetzes erfuhr der uns
besonders interessierende § 176 später eine wesentliche Aendemng.
Während vorher selbst bei Mißbrauch von Kindern unter 14 Jahren
die Verfolgung des Verführers nur auf Antrag eintrat, fiel später
diese Bestimmung, so daß also nun in jedem Falle die Staats¬
anwaltschaft verpfiichtet ist, eine Untersuchung vorzunehmen,
während die Bestimmung für das Alter von 14—16 Jahren (§ 182
d. Str. Q. B.) erhalten geblieben ist.
Diese wichtige Aendemng ist aber, wie ich mich ans den
stenographischen Berichten des Deutschen Reichstags ^) überzeugt
habe, nur aus juristischen Bedenken gefallen, während m. E. in
gleicher Weise ans sozial-medizinischen Gründen die Schwängerung
eines Kindes unter 14 Jahren hätte für ein Verbrechen erklärt
werden müssen.
Von ärztlicher Seite sind bisher nur wenige Versuche gemacht
worden, eine bestimmte Grenze des heiratsfähigen Alters nach
unten festzusetzen. Derartige Versuche erscheinen, oberfiächlich
betrachtet, für die Praxis ziemlich zwecklos, da in kultivierten
Ländern das geschlechtliche Zusammenleben mit Eingehen der
Ehe zusammenfällt und die Zeit hierfür sich in der Hauptsache
>) Steoographiache Berichte 1876/76; Nr. 2, S. 801.
Du hdntsf&hige Alter und seine gesetzlichen Unterlagen.
425
nicht nach der Entwicklnngsstafe der beiden beteiligten Individuen
richtet, eondern nach sozialen Verhältnissen.
Und da zumeist (der junge Mann erst seiner Dienstpflicht
genügen und dann sich eine Existenz verschaffen muß, ehe er an
die Gründung eines Hausstandes denken kann, so verzögert sich
damit eo ipso auch für seine Auserwählte das Heiratsalter. Wir
dürfen also keineswegs aus dem großen statistischen Material,
das wir durch die Standesämter erhalten, einen berechtigten
Schluß auf das natürliche Heiratsalter machen und sagen:
Weil im Deutschen Reiche die meisten Ehen in einem Alter der
Frau von 24—25 Jahren geschlossen werden, deshalb sei das
24. Jahr dasjenige, in dem physiologischer Weise die Ehe einge¬
gangen werden sollte.
Je niedriger das Mädchen in wenig kultivierten Völkern be¬
wertet wird, desto früher wird es geschlechtlich benutzt. Außer
zur Befriedigung der Sinneslnst ist es dem Manne nicht viel mehr
wert als ein nützliches und notwendiges Haustier. Dieser mangel¬
hafte Eulturzustand fludet sich häufiger in den heißen Klimaten,
wo sowieso die körperliche Entwicklung des Mädchens frühzeitiger
eintritt
Teils die höhere Kultur, besonders auch strengere sittliche
Anschauungen, teils die größeren Schwierigkeiten, einen Haushalt
zu gründen und stetig zu erhalten, bringen es mit sich, daß die
zu erwählende Ehehälfte nicht nur nach ihrer körperlichen Seite,
sondern auch was geistige Entwicklung und Erfahrung anbetrifft,
Yorgeschritten, also auch älter sein muß. Der junge Mann wartet
daher nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Reife
des Mädchens bis zu einem gewissen Stadium ab.
Der Staat und die Gesetzgebung glaubte, bald mehr die
körperliche, bald mehr die geistige Reife berücksichtigen zu
müssen. Auch bei den Aerzten herrscht in dieser Beziehung
keine Einmütigkeit.
In neuerer Zeit hat sich Straßmann in dem v. Winckel-
schen Handbuche der Geburtshilfe (Band I, 1. Hälfte, S. 93)
über die Frage des heiratsfähigen Alters von ärztlichem Stand¬
punkte aus ausgesprochen.
Er verwendet zu seiner Beweisfährung drei Kriterien: die
Zeit des Eintritts der Menstruation, die Geburten in
früherem Alter und ihr Einfluß auf den Körper der
jungen Mutter und den Grad der Ausbildung des
ersten Schwangerschaftsprodukts im Verhältnis zum
Alter der Mutter.
Seine Ansicht zum ersten Punkte ist die:
„Die Grenze des Bttrgerlichen Gesetzbuches, das 16. Jahr, ist eher etwas
zu niedrig; denn es erheilt aus den Tabellen (se. Uber Eintritt der Menstma*
tion). dafi mit dem vollendeten 16. Jahre erst etwas ttber 60 “/o als geschlechts-
reil betrachtet werden dürfen.*
Ich kann es nicht für richtig halten, den Eintritt der Men¬
struation als Beweis für die Geschlechtsreife anzusehen. Wissen
wir doch, daß menstruelle Blutung und Ovulation nicht immer
426
Dr. Ahlleld.
zu gleicher Zeit eintreten, yielmehr die OTnlation der Meneimation
Yoranegeht.
Weiter wiesen wir, daß die Menstruation, also auch die
Ovulation in einem großen Prozentsätze auch in unserem Klima
zwischen dem 12. und 14. Jahre eintritt, also in einem Alter, wo
niemand das Mädchen — Ausnahmen mögen Vorkommen — tflr ge*
schlechtsreif erklären wird.
Man tut daher wohl besser, dies Beweismittel bei der Frage
nach der unteren Grenze des heiratsfiihigen Alters ganz wegzu¬
lassen.
üeber das zweite Beweismittel schreibt Straßmann:
,Q«biirten von Kindein, die erst in der ersten Hälfte des sweiten Jehi*
zehnte stehen, sind leider nichts allznseltenes. Han könnte hieraus schließen,
daß die Grenze des 14. Jahres zu hoch angesetzt ist. Aber erst der Toll aus-
gebildete Körper des Weibes ist in nationalökonomischem und ärztlichem Sinze
fortpflanznngsfähig. Denn von diesem ans mnß berücksichtigt werden, daß die
spätere Gesundheit es der Hutter gestattet, sich dem Au&ehen des Kindes
zu widmen, daß ihre geistige Ausbildung einen annähernden Grad von Ver*
ständnis für diese Aufgabe erreicht hat und daß der Körper fttr etwaige
^wangerschalt nicht durch die vorzeitige geschlechtliche Tätigkeit ge*
litten hat."
Sehen wir zunächst von der geistigen Ausbildung ab, Aber
die wohl alle darin ttbereinstimmen, daß sie vor dem 14. Jahre
kaum jemals einen Grad erreicht hat, der eine erfolgreiche Selbst¬
ständigkeit in der Aufziehung eines Kindes gewährleistet; aber
auch darüber herrscht wohl Einmütigkeit, daß dieser Grad geistiger
Ausbildung bei der Mehrzahl unserer „heiratsfähigen“ Töchter
mit dem 20. Jahre noch nicht erreicht ist. Treten wir der Frage
vom medizinischen Standpunkte näher, so vertritt Straßmann
die Ansicht, Geburten vor dem 20. Jahre zeigten für die Mutter,
„da der Körper noch nicht volle Beife und Ausbildung erlangt
hat“, größere Geßüiren.
Das halte ich für eine unbewiesene Behanptnng und werde
weiter unten meine nnd Anderer Beobachtungen Über Geburten
jugendlicher Erstgebärender bringen. Schon hier möchte ich aber
vorausschicken, daß Schwängerung nnd Heirat im fHihen Alter
fast ausschließlich Mädchen betrifft, die in Folge ihrer Körper¬
entwicklung ihrem Alter vorausgeeilt sind.
Mit einem dritten Beweismittel stützt sich Straßmann
auf Arbeiten Wernich’s, Issmer’s und v. Winckers: „Ja,
es scheint, als ob nach dem Gewicht der ersten Neugeborenen
das Optimum erst auf das 24. Jahr entfällt (Wernich)“. üeber
diese „Prädilektionsjahre“ haben anchlssmer nnd v. Win ekel
bemerkenswerte Publikationen gegeben. Fassen wir zunächst die
drei Publikationen zusammen:
Von dem Gedanken ausgehend, die Vollreife für das heirats¬
fähige Alter lasse sich daraus ersehen, in welchem Alter ein
Mädchen (eine Frau) als erstes Kind das bestentwickelte ge¬
bäre, haben Wernich^) nndlssmer’) (v. Winckel*) aus den
0 Beiträge zur Geburtsh. nnd Gynäk.; Bd. 1, 8. 11. Berlin 1872.
*) Archiv für Gynäkologie; Bd. 80, 8. 806 n. 808.
') Sammlung klinischer Vorträge; 1901, Nr. 292/98, 8. 181.
Das heiratsfUiige Alter and seine gesetslichen Unterlagen. 427
Journalen der M&nchener Entbindnngfsanstalt g:efanden, daß nach
Wern ich das 24. Lebensjahr die kräftigsten Erstgeborenen
liefere, während Issmer, nach gleicher Berechnnogsweise, das
28. Jahr fand, nach anderer Weise das 24. Jahr.
Wollte jemand ans dieser Tatsache den Schloß ziehen, das
23. Lebensja^ sei das Ton der Nator gegebene Heiratsjahr, so
würde dem mancherlei entgegenznhalten sein, vor allem, daß ge>
mäß unserer sozialen Verhältnisse der geschlechtliche Verkehr, der
außereheliche, wie eheliche, in eine spätere Zeit fällt, als wenn
rein natürliche Zustände den Ausschlag geben würden. In den
Journalen einer mitteleuropäischen Entbindungsanstalt fehlen
daher die früheren Jahrgänge oder sind nur in einer solchen
Minderzahl vorhanden, ^ß sie statistisch keine Bedeutung er¬
langen.
Im folgenden werden wir sehen, wie, wenn man nur mit
einer halbwegs hinreichenden Zahl von Geburten aus früherer
Zeit aufwarten kann, Zweifel an der Richtigkeit obiger Schloß-
lolgerung berechtigt sind, üeberdies handelt es sich in den bei¬
den Arbeiten nur um bayerische Verhältnisse. Auch in dieser
Beziehung sei man mit einer Verallgemeinerung vorsichtig, finde
ich doch z. B. aus dem Rheinlande ganz andere Resultate.
Die Geburten vor dem gesetzlichen Alter. Wie
Eingangs schon erwähnt, war ich in der Lage, eine nicht mehr
kleine Zahl Entbindongen von Mädchen zwischen dem 13. und
16. Lebensjahre zu beobachten. Grund hierfür ist das Bestehen
einer Anstalt in Marburg (Versorgungshaus), der seit einer Reihe
▼on Jahren frühzeitig geschwängerte Mädchen zur Unterbringung
und weiteren körperlichen und geistigen Pflege von den Behörden
fiberwiesen werden. So konnte ich 60 Entbindungen im besagten
Lebensalter beobachten.
Diese und eine Reihe von Gebnrtsberichten aus der Hallen¬
ser, Straßburger und Bonner Klinik, die in den Dissertationen
Ton Fuchs*), Nikes*) und Jacobs’) niedergelegt sind, so wie
noch einige einzelne in der Literatur befindliche Fälle, zosam-
men 153, habe ich benutzt, um mir ein Bild über Verlauf von
Geburt und Wochenbett dieser jugendlichen Mütter zu machen.
Es mag noch viel Material in den Journalen der Entbin¬
dungsanstalten niedergelegt sein, was für meinen Zweck ver¬
wendbar wäre. Auch sind eine Reihe von Dissertationen und
Aufsätze in Zeitschriften, die Geburten in den Entwicklongsjahren
betreffend, erschienen. Aber diese Arbeiten fassen die Geburten
bis zum 18. oder 20. Jahre zusammen und geben auch keine
einzelnen Geburtsgeschichten, so daß ich sie zu einer Zusammen¬
stellung nicht verwenden konnte. Hingegen werde ich mich mit
ihren Gesamtresnltaten nachher kurz befassen müssen.
0 Fuchs: Die Abhängigkeit des Qebartsgewichtes des Neageborenen
vom Stende und der Beschiftigong der Matter. Inaag.-Diss. Halie (Ltttsen)
1399 .
Nikes: Der.gleiche Titel liiaag.-Diss. StraBbarg 1902.
*) Jacobs: Statistik des Alters der Gebärenden an der UnlTersitäts*
Fraaenkiinik su Bonn, 1902—1908. Inang.-Diss. Bonn 1904.
428
Dr. AUfeld.
Die ganz seltenen FftUe von Schwängerung Ton Kindern
Tor dem 13. Jahre bertthre ich hier nicht.
Was die allgemeine Statistik anbelangt, so sind Geburten
vor dem 14. Jahre in Mitteleuropa selten. In Frankreich kamen
in 6 Jahren nur 3 Fälle von Geburten unter dem 14. Jahre Tor. *)
Während ich in den statistischen Arbeiten von Wernich
und yon Winckel aus der Mflnchener Frauenklinik keinen ein¬
zigen Fall von Eindsschwängemng finde, enthalten die Tabellen
der Jacobs sehen Dissertation ans der Bonner Klinik innerhalb
11 Jahren allein 45 Fälle, die hierher gehören. Man müßte die-
Verhältnisse genauer kennen, die diese großen Unterschiede her
beifflhren, ehe man yielleicbt die Leichtlebigkeit der Rhein-
beyölkemng dafür vm’antwortlich macht.
Hier in Marburg gehörten derartige Geburten vor dem
Jahre 1901 auch zu den Seltenheiten und wurden erst yon da ab,
ans dem oben angegebenen Grunde, häufiger.
In 115 dieser 153 Fälle sind Angaben Aber den Bau des
Beckens yorhanden und zwar wird dasselbe 94 mal als normal,
21 mal als yerengt — 20 mal als allgemein oder jugendlich yer-
engt, 1 mal platt yerengt — angegeben.
Wie zu erwarten, ist die ZaU der yerengten Becken größer,
als in einer allgemeinen Statistik. Immerhin werden wir sehen,
daß die Beckenyerengemng nur in sehr wenigen Fällen eine Ge-
bnrtserschwemng ergeben hat; denn der Gebnrtsyerlanf, der
in 122 Berichten angegeben ist, erfolgte in 114 Fällen ohne einen
Kingriff, angeblich sogar normal. Nur Imal machte sich die
Perforation (Nabelschnnryorfall beim einzigen platten Becken),
2 mal die Einleitung der künstlichen Frühgeburt und 3 mal die
Zange nötig. Eine Geburt wnrde durch Steißlage, eine durch
Fieber in der Geburt kompliziert. Im ganzen ist also der Ghe-
bnrtsakt selbst sehr günstig yerlanfen.
Größer als normal ist die Zahl der erheblicheren Damm¬
riße, läßt sich aber prozentisch nicht genau feststellen. Die
Biutmenge in der Nachgeburtsperiode ist in 59 Fällen
gewogen und betrug im Durchschnitt 514 gr, eine Menge, die bei
der größeren Zahl der Verletzungen nicht anffäUt und uns be¬
rechtigt, zu yermuten, die Muskeltätigkeit der üteruswand
(Wehentätigkeit) habe in besagter Periode ihre Schuldigkeit
getan.
Die Dnrchschnittsmenge des Blutyerlnstes stellt sich bei
Erstgebärenden im allgemeinen auf 444 gr (3526 benutzte Proto¬
kolle) und bei Kindern zwischen 2500—3500 gr Gewicht auf
434 gr. Danach überschreitet die yorhin gefundene Zahl yon
514 gr die Dnrchschnittsyerluste um nicht allznyiel.
Auch der Verlauf des Wochenbetts gibt keine ungün¬
stigen Resultate. In 126 Protokollen ist er berücksichtigt und
94 mal als normal bezeichnet. 32 mal bestand Fieber, yon denen
*)*Alilield: Lehrb. der Gebortih. 8. Anfl., 8. 1.
*) Heilkonde; 1898, 8. 449.
Om hcirstsf&hige Alter and seine gesetzlichen ünterlngen. 429
in 14 Fällen ein extri^enitaler Ansgangf wahrecheinlieh war
(9 Mastitiden, 3 mal G^stitis und Pyelitis, 2mal Masern). Keine
der 153 Wöchnerinnen ist gestorben, keine hat ein
schweres Eindbettfieber dnrchgemacht.
Wir können also als Gesamtresnltat yerzeichnen: Die Ge¬
burten und Wochenbetten dieser jugendlichen Mütter
Terliefen wider Erwarten günstig.
Wie ans dem folgenden zu ersehen, war nicht etwa eine
anfiallend geringe Entwicklung der Früchte Ursache dieses gün¬
stigen Gebortsverlaufes. 138 Kinder waren reif, 48 cm nnd
dariiber lang. Ihr Dnrchschnittgewicht betrug 3111 gr,
ihre Körperlänge 50,0 (genau 49,99) cm.
In 151 Protokollen ist das Geschlecht angegeben;
80 Knaben, 72 Mädchen (ein Paar Zwillinge) ergaben ein Ver¬
hältnis Yon 106 : 94, also ein üebergewicht der Enabengebnrten.
Beim Verzeichnen des günstigen Gesamtresultats sagte ich
,wider Erwarten**. In der Tat berichten die Mehrzahl der Ar¬
beiten über jugendliche Erstgebärende Yon weniger günstigen
Gebnrtsansgängen. Walthard^) hingegen setzt in die Natur
das Vertrauen, daß, wenn sie eine Konzeption zuläßt, auch
die Entwicklung nnd Tätigkeit der Genitalorgane schon ansreicht,
um ein gutes Besnltat zu ermöglichen. Er Yerweist auf das
Mauriceausche Wort: „Les femmes andessns de quinze ans
aeconchent d’autant plus facilement qn’elles sont jennes.**
Ich möchte bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß eine Vor-
ahne unseres großen Kanzlers Bismarck mit 15 Jahren gehei¬
ratet hat nnd im 17. Jahre den Urgroßyater Yon Bismark’s
Mutter gebar. Freilich kostete ihr diese Geburt das Leben. Sie
starb, wahrscheinlich am Kindbettfieber.’)
Die Befürchtung, daß die Kinder jngendlidier Mütter in
einem relaÜY großen Prozentsätze elend, Yerkrüppelt, mißbildet
geboren würden, bestätigt sich ans unserer Statistik nicht. Schon
Frank in seiner Medizinischen Polizei’) sagt Yon jugendlichen
Müttern: „Der Körper der Mutter muß der Frucht ]^nm geben
können, wenn er nicht Yor der Zeit nnd das Kind verkrüppeln
soll.** Auch Moritz Mayer (Simmem) erklärt neuerdings’) eine
Reihe von Mißbildungen eines Kindes als in Folge Raummangels
der Gebärmutter entstanden. „Infolge der großen Jugend der
Mutter — die Mutter war bei der Geburt des Kindes erst
17 Jahre alt nnd ist gesund — dürfte eine mangelnde Aus¬
dehnungsfähigkeit der Gebärmutter Vorgelegen haben.**
Diese Befürchtung halte ich für nicht berechtigt.
Ob die Mütter unserer Statistik nun auch ihren weiteren
Verpflichtungen genügen konnten, die Kinder nähren und
aufziehen, das läßt sich aus unseren Erfahrungen nidit fest-
*) Y. Winekers Handbach. 2. Band, 8. Teil, S. 2084.
*) Eekale von Stradonitz: Die Leipzigei Ahnen des Fürsten
Bismarck. Grenzboten; 1907, Nr. 49, S. 618.
•) Wien 1786. 8. Anfl., Bd. 1, 8. 280.
*) Vierteljahrssehr. f. gerichtL Medizin; 1907, 4. H., 8. 822.
480
Dr. AUfeld.
stolleiiy da, äußerer Verhältnuse halber, die meisten jngendlidieD
Mütter vom Kinde getrennt wurden. Doch läßt die Terhältnie-
mäßig große Zahl der Brustdrttsenentzflndungen darauf schließen,
daß es mit dem Stillgeschätt schlecht ausgesehen hat.
Komme ich nun nach diesen Vorbereitungen auf die Frage:
Welche Kriterien berechtigen von rein ärztlichem
Standpunkte aus den Termin des heiratsfähigen Al>
ters unter normalen Bedingungen zu bestimmen, so
muß als Resultat einer Ehe verlangt werden, daß die junge Frau
bei vemttnftiger Lebensweise, an der Seite eines gesunden Man¬
nes, Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ohne Schädigung
der Gesundheit ttberstehen and ihr Kind bis zum nennten Monate
nähren kann.
Da letztere Bedingung von der zur Ehe notwendigen Ge¬
schlechtsreife getrennt werden kann nnd leider oft getremt wer¬
den muß, so gehört die Beschaffenheit der Brttste nicht absolut
notwendig zu einem Kriterium der Geschlechtsreife.
Ich beginne mit einer Negation. In den meisten Publika¬
tionen, so auch in den Motiven fär unsere deutschen Gesetzbücher,
wird Geschlechtsreif e in der Regel identifiziert mit dem Be¬
ginne der geschlechtlichen Tätigkeit, mit Auftreten der
monatlichen Blutung und der damit zusammenhängenden
Eireifang nnd Eiausstoßung (Ovulation).
Nun ist es gar nichts seltenes, daß dieser Vorgang im
12., 13. Lebensjahre eintritt, also in einem Alter, wo, mit
ganz seltenen Ausnahmen, gar nicht daran gedacht werden kann,
ein solches Kind wäre körperlich den Anforderungen an Schwan¬
gerschaft, Gebart und Mutterpfiichten gewachsen.
Von vornherein lehnen wir also dieses Kriterium als zur
Bestimmung des heiratsfähigen Alters ungeeignet ab.
Auch die Hinneigung des Mädchens zum heran¬
reifenden Manne, soweit sie dem Backfischalter angehört,
dürfen wir noch nicht als einen Beweis vorhandener Gesclüechts-
reife auffassen. Hingegen wenn sie sich später mit geschlecht¬
lichem Triebe paart, so wäre dieser Zeitpunkt wohl geeignet,
ihn als einen Hinweis der Natur anfzufassen, jetzt sei die Ge¬
schlechtsreife soweit gesehen, um eine Vereinigung gestatten zn
können.
Leider hängt aber dieser Termin viel zu sehr von der Art
der Erziehung, von der Ausdehnung des Verkehrs mit dem männ¬
lichen Geschlechte, von der aufreizenden Lektüre usw. ab, als
daß man sein Erscheinen als einen natürlichen Beweis für einge¬
tretene Geschlechtsreife ansehen könne.
Eher schon würde die allgemeine Körperentwicklung,
die Summe der äußerlich und im Wesen bemerkbaren Reife¬
erscheinungen einen Anhalt gewähren, also der Zeitpunkt, in dem
das Mädchen von Seiten des männlichen Geschlechts als ge¬
schlechtlich begehrenswert angesehen wird.
Will man diesen Zeitpunkt bestimmen, so darf man selbst¬
verständlich nicht das durchschnittliche Heiratsalter einer Ge-
Du heiiatsffthige Alter md seine gesetslichen ünterUgen.
481
Minthdit zar ünterlag^e wählen^ das in Preußen auf daa 24. und
25. Lebensjahr fUlt,*) denn dieser Termin ist nicht von natttr-
liehen Verhältnissen, sondern von Gesetz, Sitte und sozialen Um¬
ständen abhängig.
Wohl aber können wir ihn annähernd ans der Zeit der
waten Schwängerung und Geburt außerhalb der Ehe erkennen.
Gerade unsere Entbindungsanstalten, die, soweit es sich um
Erstgebärende handelt, weitaus von unehelich Gleschwängerten
au^esucht werden, können uns mit ihrer Statistik einen Anhalte-
pnnkt geben, wenn wir feststellen, in welches Lebensalter die
größte Zahl der ersten Geburten gefallen ist
Ißmer*) fand bei einer Zahl Yon 12303 Neugeborenen
7612 Kinder, die er ihrer Länge halber als reife anspricht, die
er zu seiner Statistik benutzt. Danach fanden die meisten Ge¬
burten Erstgeschwängerter im 22. Lebensjahre statt; es würde
demgemäß das »Beifealter des Mädchens“ auf das 21. Jahr zu
Yerlegen sein.
Ich yerf^e aus den Journalen der Marburger Entbindungs¬
anstalt zur Zeit meines Direktoriats über ca. 8000 Notizen. Erst¬
geschwängerte sind darunter 4018. Die meisten Erstent¬
bindungen fielen in das 21. Jahr. Danadi würde das
20. Jahr als Beifejahr anzunehmen sein.
So geringe Zahlenunterlagen können aber diese Frage nicht
deflnitiY entscheiden. Vielmehr wäre es wünschenswert, aus dem
ganzen Deutschen Reiche oder wenigstens aus einem der größten
Bundesstaaten eine Statistik zu bekommen, aus der zu ersehen
wäre, in welchem Jahre die meisten außerehelichen Erstgeburten
stattgefhnden haben.
Eine solche Statistik habe ich nicht finden können.
Weiter könnte man zur Beantwortung unserer Frage ein
anatomisches Kriterium heranziehen, das Auf hören des Körper¬
wachstums, und daraus schließen, dann sei der Körper erst
fertig, also zu seinen Fortpfianzungsfonktionen reif.
Aber weder für die Ffianzenwelt noch für die Tierwelt
finden wir diesen Schloß gerechtfertigt, indem Pfianzen und Tiere,
ehe ihr Wachstum beendet ist, bereits mit Erfolg und ohne
eigenen Schaden Früchte hervorbringen, die als yoU reif und
weiter fortpfianzungsfähig anznseheu sind.
Bei Mensch und Säugetier würde sich gleich daran die
Frage knüpfen, ob das Längswachstnm oder das Wachstum
des für die Geburt wichtigsten Skeletteils, des Beckens, zur
Beantwortung heranzuziehen sei.
Die Anatomen yerlegen die Beendigung des Wachstums in
das 22.-25. Lebensjahr. SchwegeH) schreibt: „Sämtliche
Epiphysen yerschmelzen mit dem Körper des Hüftbeins im
22.-25. Jahre, am spätesten die Epiphyse am oberen Bande des
Darmbeins.“
*) StatistischM Jahrbuch fttr den Preußischen Staat. Berlin 1904: S. 29
>) L e.; 8. 801.
*) Entwicklungsgesehichte der Knochen; Seite 21.
483
Dr. AJiUeld.
Froriep ') bildet als „erwachsenes Weib‘ ein Weib von
25 Jahren ab, mit einer Hflftenbreite von 89 cm.
Zweifellos würde man za hoch greifen, wollte man dieses
Alter als das der eigentlichen natürlichen Geschlechtsreife ansehen;
denn die tägliche Beobachtang lehrt, daß schon vor dem 25. Jahre
ein Weib seine Matterpflichten vollständig erfüllen kann, ohne
ihrem Körper za schaden.
Und, was das Becken anbelangt, so wissen wir, daß
dieses, ehe es vollständig starr in seinen Verbindangen wird, nadi-
gibt, so daß eine Gebart in früherem Lebensalter nicht durch
Starrheit des Beckens behindert wird.
Ich habe in einer Dissertation diesen Punkt feststellen lassen,
indem ich unsere sehr genauen Beckenmessongen aas den Fällen
verwerten ließ, wo die Mädchen und Frauen wiederholt bei nns
niederkamen.
Dabei stellte sieh heraus, daß die Unterschiede der Becken*
maße von einer Gebart zur anderen um so größer sind, je jagend*
lieber die Person bei der voraasgegangenen Gebart war. Mit
dem 25. Jahre hörte die Erweiterung des Beckens auf.
Schließlich bleibt doch der physiologische Vorgang
von Schwangerschaft und Gebart mit seinen Folge*
Zuständen der sicherste Gradmesser für Beantwortung der ge*
stellten Frage. Wir werden daher prüfen müssen: Von welch em
Alter an ist das Weib imstande, eine kräftige, an die
Außenwelt gebracht, widerstandsfähige Frucht zu
bilden, sie ohne Schaden der Matter von sich zu geben
und das Neugeborene zu nähren?
Wie oben schon erwähnt, ist die erste Frage von einigen
Autoren in der Weise in Angriff genommen, daß man aus der
vollkommensten Entwickelung des Kindes auf das ge*
eignetste Lebensalter der Mutter schließen zu dürfen glaubte.
Den Gedankengang billige ich vollständig, flnde aber das
zu diesem Zwecke verwendete Material nicht genügend geeignet.
Vor allem fehlen in den Statistiken von Wernich, Issmer und
von Win ekel die frühen Jahrgänge der Mütter.
Wernich verfügte unter 6348 Gebartsfällen nur über
105 Fälle, in denen die Mutter 15—19 (inkl.) Jahr alt war, und
ein reifes Kind gebar. Aus Issmer’s Arbeit, der 12303 Fälle
benutzte, bei denen es sich 7612 mal um reife Kinder handelte,
ist nicht zu ersehen, wieviele jugendliche Mütter mitrechnen. Da
das Material aber aus der gleichen Anstalt stammt, ist wohl an*
zunehmen, daß es von dem von Issmer benutzten nicht allzasehr
abweicht.
So ist es auch erklärlich, daß beide Autoren auf hohe
Prädilektionsjahre kommen, Wernich auf das 24., Issmer
(v. Winckel) auf das 24. resp. 28.
Es kam mir nun besonders darauf an, diese in allen Be-
*) AMtomio fOr Kttostler. Lelpiig 1890. Tafel VIIL
*) Pretssch: Erweitert eich das Becken infolge voraosgegangener
Oebortenf Inang.'Dies. Marburg 1905.
Dm heiratsfähige Alter und seine gesetzlichen Unterlagen.
438
sprechnngen unseres Themas angezogenen und benutzten Resultate
am eigenen Materiale nachzuprfifen. Um die Angelegenheit
genau bis auf ihre Grundzahlen in die Hand zu nehmen, habe ich
mehrere Wochen geopfert und aus den von mir persönlich ange¬
legten Einzelprotokolien alle Erstgeschwängerten ansgezogen,
deren Kinder, auf Grundlage der Längenmessung, als reif anzn-
nehmen waren.
In Uebereinstimmnng mit Hecker, Wernich, Issmer
und von Winckel habe ich 48 cm Scheitel-Sohlenlänge als
untere Grenze angenommen und habe nicht, wie die ebengenannten
Autoren, allein das Gewicht bei der Berechnung des Prädilektions-
Jahres benutzt, sondern auch die Länge des Kndes.
Die Länge habe ich auf ganze cm nach unten zu abgerundet.
Das Gewicht ist bis auf 5 gr berechnet.
Unter 8100 Protokollen der Jahrgänge 1885—1907 fand ich
4018 Erstgeschwängerte und unter diesen wieder 8589, deren
Kinder eine Mindestlänge von 48 cm anfwiesen. Zwillingsgeburten
sind nicht mit benutzt.
Das Alter der Mtttter schwankt zwischen 13und 45 Jahren;
die jugendlichen Jahre, bis zum 19. inkl., von denen Wer¬
nich nur 150 Fälle benutzen konnte, sind in meiner Statistik
mit 673 Fällen vertreten.
Das Prädilektionsjahr habe ich zuerst in der Weise
berechnet, daß ich die Gewichts- und Längenangaben nach dem
Alter der Mutter zusammengestellt, addiert und die Durchschnitts-'
zahlen genommen habe.
In der folgenden Tabelle findet sich in der ersten Kolumne
das Alter der Matter bei der Gebart, in der zweiten die Zahl
der Erstgebärenden, die Kinder mit der Mindestlänge von 48 cm
geboren haben, in der dritten das Durchschnittsgewicht, in der
vierten die Durchschnittslänge.
Alter
der Ge¬
bären¬
den
Zahl der
beob¬
achteten
FäUe
Durch-
Bchnitts-
gewicht des
reifen Kindes
Länge
des
reifen
Kindes
Alter
der Ge¬
bären¬
den
Zahl der
beob¬
achteten
Fälle
Durch¬
schnitts¬
gewicht des
reifen Kindes
Länge
des
reifen
Kindes
13 Jahr
1
2970,0
49,0 cm
29 Jahr
60
3123,7
gr
50,65 cm
»
2
3333,3
Tn
51,0 ,
30
fl
67
3116,7
99
50,62 „
IB ,
12
2933,3
J!
49,3 „
31
fl
35
3033,4
fl
50,63 ,
16 ,
37
3158,7
Jt
60,2 .
32
fl
22
8071,4
fl
50,64 „
17 „
80
3187,25
J!
50,5 „
33
fl
23
3012,6
fl
50.74 „
18 ,
195
3116,3
Vl
50.38 ,
34
fl
15
3232,0
99
61,33 ,
19 »
846
8181,3
n
50,44 ,
35
n
18
3166,6
99
50,61 h
20 ,
450
3186,7
n
50,19 „
86
fl
17
8078,8
99
61,18 „
21 ,
512
3155,9
j>
50,46
37
fl
10
3226,0
99
50,7 ,
22 ,
458
8183,6
w
50,51 ,
38
fl
7
8307,1
99
52,14 „
23 ,
333
8167,3
50,68 „
89
fl
8
3256.0
99
50,76 „
24 „
261
3151,7
n
50,54 „
40
fl
3
3303,3
fl
61,33 „
26 ,
229
3179,3
D
60,65 „
41
n
5
2892,0
fl
49,8 ,
26 ,
175
3158,9
ji
60,58 „
42
n
1
8000,0
99
51,0 ,
27 ,
107
3136,2
fl
50,71 „
44
fl
1
2680,0
99
48,0 ,
28 „
98
8135,2
fl
50,67 „
45
91
1
2340,0
99
48,0 ,
Nach dieser Tabelle fallen die meisten Erstgeburten in das
434
Or. AkUeld.
21. Jahr. Wdlten wir also nach dieaem Eriteriiim allein das
heiratof&higfe Alter bestimmen, so wäre es das 20.
Die schwersten Kinder fallen in das 20. Jahr, wenn man die
Jahrgänge, in denen über 100 Fälle zar Beobachtung gekommen
sind, als ausschlaggebend berücksichtigt. Danach könnte man
schon das 19. Jahr als Prädilektionsjahr ansehen. Doch ist zu
bemerken, daß bereits das 17. Jahr mit der schon erheblichen
Zahl Yon 80 Geburten, das größte Eindesgewicht dieser Jahres¬
gruppe aufzuweisen hat.
Ordnen wir, nach dem Vorgänge von Ißmer, die Gewichts¬
resultate auf die Frage hin, in welchem Jahrgange der Mutter
das mittlere Gewicht eines jeden Jahrgangs am häufigsten ftbtt-
schritten wird, nehmen wir also ans jedem Jahrgange z. B. die
Kinder heraus, die 3500 gr und mehr gewogen haben, so erhalten
wir folgende Tabelle:
Alter
Zahl
der
FlUe
8500 gt
imd darüber
wogen
Pros.
Alter
Zahl
der
F&Ue
8500 gr
and darüber
wogen
Pros.
13 Jahr
1
0
0,0
25 Jahr
229
42
18,4
14 .
2
1
50,0
26
n
175
35
20,0
lö »
14
1
7,1
27
n
107
14
13,1
16 ,
37
6
16,3
28
ff
98
20
20,4
17 ,
80
15
18,7
29
60
13
21,7
18 ,
195
32
16,5
80
67
11
16,4
19 »
846
70
20,2
31
n
85
8
20,8
20 ,
450
91
20,2
82
ff
22
1
4,6
21 »
512
94
18,4
33
n
23
8
18,0
22 „
458
89
19.4
34
ff
15
5
88,3
28 ,
833
63
18,9
85
ft
18
4
22.2
24 ,
261
48
18.4
36
n
17
4
23,5
Läßt man die Anfangs- und Endreihen, ihrer geringen Zahl
halber, weg, die sich auch in den prozentischen Resultaten, ange¬
sichts deren Unregelmäßigkeit, als nicht verwertbar heranssti^en,
so sind das 19. und 20. Jahr die bevorzugten.
Und vergleichen wir die Doppeljahre vor und nach den
Jahren 19/20, soweit wir noch mit reichlichem Materiale rechnen
können, so erhalten wir folgende entscheidende Tabelle:
Alter
Zahl der Fälle
8600 gr and
darüber wogen
Pros.
17—18 Jahre
275
47
17,09
10-20 ,
796
161
20,28
21-22 ,
970
183
18,87
28—24 ,
594
113
19 03
25—26 ,
404
77
19,06
27-28 ,
205
34
16,59
Um dem Einwnrfe zu begegnen, indem ich 48 cm als Min¬
destmaß fflr reife Kinder meiner Berechnung zugrunde gelegt,
hätte ich eine Anzahl reifer Kinder aasgeschaltet, die nur 47 cm
Länge aufzaweisen hatten und vielleicht wären gerade die Kin¬
der jugendlicher Personen, obwohl reif, doch in der Länge gegen-
flber denen entwickelterer Erstgebärender zurflckgeblieben, und
Dm hdratailhlge Alter and seliie geMtilicheii ünterlegea. 486
bei positiver Beantwortnng dieser Fri^e würde sieh vielleicht
das Prädilektionsjahr doch etwas weiter nach unten hin ver-
sdiieben, habe ich noch alle Erstgreschwängerten ans meinen
Listen ansgfeschrieben, deren Kinder unter 48 cm lang waren.
Es sind dies, ZwUlingsgeborten nnd wenige Aborte abgerechnet,
426 F&lle.
Berechne ich nnn für die Gesamtzahl aller Erstgeburten
das Verhältnis zu denen, deren Kinder unter 48 cm lang waren,
so erhalte ich 10,6 ^/q.
Diese mittlere Durchschnittszahl wird tatsädüich von den
17 Jahr alten Müttern um ein erhebliches ttberschritten; denn
von 95 Erstgebärenden dieses Alters gebaren 15 Kinder unter
48 cm Länge, also 15,8 <^/o. Danach besteht die Möglichkeit, daß
Mütter dieses Alters einerseits wohl reife Kinder unter 48 cm
Länge hervorbringen, anderseits häufiger vor dem richtigen
Schwangerschaftsende niederkommen.
Gegen die erstere Annahme möchte ich die Tatsache hervor¬
heben, daß meine 47 16 jährigen Erstgebärenden nur 5 Kinder,
also 10,6 (Normaldurchschnitt) ’^/o, unter 48 cm geboren haben.
Die Länge des Kindes bringt für die Frage des Prädilektions-
jahres keinen Entscheid, ein Beweis für die Bichtigkeit der An¬
nahme, daß die Länge des Kindes ein sichereres Zeichen für das
Alter des Kindes abgibt, als sein Gewicht, wo wir hier nur aus¬
getragene Kinder ausgewählt haben.
Aus diesen Tabellen geht hervor, daß das Weib im Alter
von 19 bis 26 Jahren im Vollbesitze ihrer Fortpfianznngs-
ffihigkeit sich befindet, daß aber das 19. und 20. Jahr für
die Erstgeburt die bevorzugtesten sind, die wir
also als Prädilektionsjahre anzusehen haben.
Diese Tatsache gestattet uns den Schluß, das 18. nnd
19. Jahr als das Alter der Heiratsfähigkeit, soweit die körperliche
Beschaffenheit das Weib zur Matter geeignet macht, anzusehen.
Außerdem entnehmen wir noch aus den Tabellen, daß aus¬
nahmsweise schon in frühem und in späterem Alter Fälle ver¬
kommen, in denen eine ausgezeichnete Frnchtentwicklung zu
verzeichnen war. Wir werden nicht fehl gehen, hieraus den
Schluß zu machen, daß, wenn Männer mit sehr jugendlichen oder
im Alter schon vorgeschrittenen Personen außerehelich sieh
einließen, ganz besonders körperlich gut entwickelte Individuen
in Frage gekommen sind.
Haben wir nun gefunden, daß in diesem Doppeljahre die
Frucht sich für eine Erstgeschwängerte am besten entwickelt, so
muß nun weiter festgestellt werden, ob auch die Geburt
dieses Kindes im besagten Alter der Mutter ohne
größere Gefährdung als in einem anderen Alter vor
sieh gehen kann.
Diese Frage müssen wir mit einem positiven Ja beant¬
worten. Nach dem, was ich oben in dem Abschnitte über Gebur¬
ten jugendlicher Matter aus eigenen Erfahrungen referiert habe,
könnte sogar die Gebart in einem noch früheren Alter erfolgen;
486 Dr. AUfeld: Dm lielrfttslihlge Alter and seine gesetsUehen Dnterlsgen.
ich kann deshalb nnr die Worte von Manricean bestätige: .Les
femmes andesons de qninze ans acconchent d'antant facilement,
qn’elles sont jetmes*; wobei nattlrlich ebenfalls zn berficksichtigen
ist, was ich eben angedentet habe, dass jagendliche Individuen
nnr dann geschwängert zn werden pflegen, wenn sie ihrem Alter
Yorans entwickelt sind.
Die dritte Bedingung aber, ob mit dem Alter Yon
10/20 Jahren auch die Fähigkeit, das Geborene nn>
gefähr 9 Monate stillen zu können, gegeben sei, kannidi
ans meiner Anstaltspraxis nicht feststellen, da ich die Wöchnerinnen
nach wenigeh Wochen aus den Augen Yerliere. Das Yorliegende
Material ist zur Beantwortung der hier einschlägigen Fragen
nicht geeignet.
Hingegen möchte ich aus meinen Erfahrungen sonst auch
diesen Pnnkt positiY beantworten, wenn auch, wie bekannt, leider
in einem grossen Prozentsätze der Fälle, die Wöchnerinnen wegen
nngenflgender Ausbildung der Brflste Yom Stillen absehen mflssen.
Dieser Mangel ist aber einer, der allen Altersklassen gemeinsam
ist, nicht etwa für die 19—20jährigen Frauen als ein noch nidit
beendetes Entwicklnngsstadiom angesehen werden muss, ein
Mangel, der mit weiteren Jahren und weiterer EörperansbUdnng
sich ausgleichen wird.
Unsere Beweismittel haben uns, um nun ein Schlnssresultat
kurz zusammenzufassen, dahin geführt, dass in unserem Klima
unter normalen Verältnissen einMädchen Yon 18 und
10 Jahren zur Ehe geeignet ist und zu einer im 19.
oder 20. Jahre zu erwartenden ersten Gebart alle
Eigenschaften mitzubringen pflegt, die einen gedeih¬
lichen Ausgang für Matter und Kind erwarten lassen.
Somit hätten wir, Yon physiologisch-ärztlichem
Standpunkte ans, das 18. und 19. Jahr als das heirats¬
fähige Alter anznsehen.
Stimmen damit unsere gesetzlichen Vorschriften
flberein?
Im grossen nnd ganzen ist die Frage zu bejahen, nachdem
bei Aufstellung unseres Deutschen Bftrgerlichen Gesetzbuches im
Reichstage das heiratsfähige Alter auf das 16. Jahr hinaus-
geschoben worden ist und nachdem aus § 176,8 des Strafgesetz¬
buchs der dort trflher befindliche Zusatz, dass die Verfolgung des
Schwängerers nur auf Antrag geschehen könne, gefallen und damit
der Gebrauch eines Mädchens unter 14 Jahren unter die Yer-
brecherischen Handlungen einbezogen ist. Ich glaube, man hätte
auch ffir diesen Paragraphen das Alter auf das 15. Jahr hinans-
schieben können, zumal der Zusatz, dass mildernde Umstände be¬
willigt werden können, fftr die Fälle, wo ein Mädchen dieses
Alters ganz auffallend weit entwickelt ist, ein gelinderes Strsi-
mass gestattet.
Ich betone schliesslich noch einmal, dass ich bei der Fest¬
stellung des heiratsfähigen Alters einzig nnd allein die körper¬
liche Ausbildung im Auge gehabt habe. Doch darf ich w^l
Dt. Wegner: Hitwirkong der Hebemmeo bei der Säagliogapfiege osw. 487
annehmen, dass bei einer richtigen Erziebnnsf auch die g^eietig'en
Fähigkeiten mit 19 nnd 20 Jahren soweit vorgeschritten sein
können, nm die Pflichten einer Ehefrau, Hausfrau nnd später Er¬
zieherin des Kindes verstehen zu können.
Niemand wird verlangen, dass eine jnnge Mutter in letzterer
Beziehung vollkommen sein wird. Erst das Leben nnd die Er¬
fahrung vollenden die Ausbildung.
Dreijährige Erfahrungen über die Mitwirkung der Hebammen
bei der Säuglinge-Pflege und -Ernährung im Kreise Lieea.
Von Ctoh. Medieinalrat Dr. Wegner, Kreisarzt in Lissa.
üeber drei Jahre sind jetzt verflossen, seitdem ich angefangen
habe, die Hebammen bei der Pflege und der Ernährung der Säug¬
linge heranzuziehen. Ich will nun einen Rflckblick halten über
die Erfahrungen der Jahre 1905, 1906 nnd 1907 auf diesem Ge¬
biete. Im Anfang des Jahres 1905 hatte ich die Hebammen auf¬
gefordert, in ein kleines Böchelchen ihre Besuche bei den Säug¬
lingen einzntragen. Ferner hatte ich ihnen eingeschärft, daß sie
nun nicht mehr wie bisher nur 10 Tage nach der Entbindung,
sondern das ganze erste Jahr die Säuglinge überwachen und
die Augen aufmachen sollten, um etwaige Mißstände bei der Säug¬
lingspflege festzustellen. Sie sollten die Lagerstätte der Kinder
bis auf den Grund besichtigen, desgleichen £e Kinder selbst am
Körper wie in bezug auf ihre Kleider. Auch die Brüste der
Mütter sollten sie sich ansehen, den Müttern immer zum Selbststillen
nnd nur im Notfälle zum Gebrauche verdünnter Kuhmilch raten.
Bei künstlicher Ernährung sei die Milch, ihr Aufbewahrungsort,
die Milchflasche nnd der Pfropfen za kontrollieren, sowie besondere
Aufmerksamkeit auf etwaige Unsauberkeit usw. der Wohnungen
zu richten.
Als die Hebammen im Januar 1906 zur Zusammenstellung
ihrer Entbindungen, zum Abholen von Medikamenten, Gerätschaften
und Tagebüchern zu mir kamen, da hatten manche zwar ihre
Eintragungen in das zu diesem Zwecke angeschaffte Büchelchen
nicht richtig gemacht, aber alle waren erstaunt, was sie alles
beobachtet und zu sehen bekommen hatten. Ihre Berichte zeigten,
daß sie bemüht waren, ihrer neuen Aufgabe möglichst gerecht
zu werden, wenn es ihnen auch zunächst nicht überall gelungen
war. Ich belehrte sie von neuem und betonte, daß sie eine Art
Lehrerin sein sollten; denn es handele sich hier darum, alt ein¬
gewurzelte Vorurteile und Gewohnheiten, die nicht auf den ersten
Streich fallen, zu bekämpfen. Es komme gar nicht darauf au,
möglichst viel Kinder zu besuchen, sondern darauf, daß diese
dauernd besucht und gründlich beraten würden.
Die Hebammen haben meine Mahnungen und Belehrungen
beherzigt; sie haben sich jetzt in die neue Tätigkeit leicht hin-
e^efunden, üben sie bereitwillig und mit Neigung aus; auch
488 Dr. Wegaer: Mitwirkung der Hebammen bei der Säuglingspflege usw.
ist ihr Bat in allen Fällen gern angenommen. Die mir zu
Neojahr 1907 and 1008 vorgelegten Bflcher waren meist richtig
geführt.
Als Entgelt haben die Hebammen für diese Sängliogsffirsorge
jährlich je 10 Mark erhalten.
Der Beweis ist also gelangen, daß die Hebammen geeignete
Beraterinnen sind und daß anch die Mütter den nngeforderten
Bat gern annehmen. Dazu stimmt allerdings nicht, was Kollege
Lemke in der Medizinalbeamten-Versammlang za Liegnitz (si^e
Beilage zn Nr. 8 dieser Zeitschrift, Jahrg. 1908) sagt, daß der
halbberechtigte Bat der Hebammen eine unglückliche Bolle spiele,
und daß von ihnen oft in den ersten Wochen and Monaten den
Säaglingen Eindermehle and andere Zutaten verordnet würden.
Ich weiß nicht, ob das die Ansicht vieler Kollegen ist, das glaube
ich aber, daß meine Hebammen auch in schwierigen Fällen anf
Selbststillen der Mütter dringen. Wenn dies nicht geht, ver*
ordnen sie vorschriftsmäßig bereitete Milch und dringen auf Zu¬
ziehung des Arztes. Wenn die verkehrte Handlungsweise der
Hebammen, wie Lemke sie schildert, weiter verbreitet wäre,
dann wäre ja eine bessere Vorbildung der Hebammen und das
lange ersehnte Hebammengesetz das allerdringendste Bedürfiiis.
Es sind aber auch tatsächliche und zahlenmäßig nachweis¬
bare Erfolge in bezug auf die Verminderung der Säuglingssterb¬
lichkeit in den letzten drei Jahren im Kreise Lissa erzielt; wäh¬
rend nämlich hier vor drei Jahren von 100 lebendgeborenen Kin¬
dern jährlich durchschnittlich 20 im ersten Lebensjahre starben,
ist diese Ziffer auf 15 bis 16,5 in den Jahren 1906 und 1907 ge¬
sunken. Das bedeutet einen offenbaren Erfolg; denn wenn andi
der Zeitraum von drei Jahren nicht groß ist und Zufälligkeiten
dabei mitsprechen können, so sprechen die Zahlen doch deutlich
für den Erfolg des Verfahrens.
Wir sind mit der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit
wieder in eine Sackgasse geraten, üeberall schießen die Säug-
lingsmilchanstalten und die Säuglingsfürsorgestellen wie Pilze ans
der Erde, ohne daß sieh die Säuglingssterblichkeit verringert,
weil deren Bekämpfung keine Milchangelegenheit ist, sondern eine
soziale Frage bildet. Die Mütter müssen erst erzogen werden
für die Pflege und Ernährung der Säuglinge, dann werden sie
Milchküchen und Fürsorgestellen auch schätzen lernen und in
Anspruch nehmen. Für diese Erziehung sind die Hebammen, die
den Müttern schon in den Kindesnöten beigestanden haben, die
berufensten Personen. Dazu müssen die Hebammen aber kleinere
Bezirke, bessere Besoldung und eine bessere Vorbildung Imben.
Deshalb ist unbedingt ein Hebammengesetz erforderlich, das jenen
Anforderungen genügt und die Ausbildung und Mitwirkung der
Hebammen auch in der Pflege und Ernährung der Säuglinge
vorsieht.
SLl«inere ICitteilangen and Referate ans Zeitschriften.
439
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. Oeriohtllohe Medizin.
Aosseheldaiif des Stiekoxydols. Terteilong iwisolien BlatkSrperelieii
nd Plasaalm Mement der Narkose. Von Hanrice Nioloaz. TrareU da
laboratoire de physioL g6n4rale da mosäom d’histoire naturelle. Comptes
readoB de la soc. de biol.; LXIV., 1908, Nr. 12.
Stickozydal yerschwindet ans dem Blate außerordentlich rasch, sobald
die Tiere reine Luft einatmen. Nach dem Aafhdren der Anwendung des
NarkoUkuau tritt dementsprechend aach die Sensibilität sofort wieder ein.
Wie bei Chloroform (Tissot), Aether^) (Nicloux), Aethylchlorid*)
(L. Camus und Nicloux), yerschwindet auch bei Stickoxydalnarkose das
Mittel weniger rasch aus dem yenösen, als aus dem arteriellen Blute.
Das Plasma enthält bei der Narkose weniger Sti<±ozydal als die Blut*
kOrperehen. _ Dr. Uayer*Simmeni.
Heber die Bildung praeilpitlerender Substanzen bei Kaninchen,
denen Alenronat Intraperitoneal injislert wurde. Von J. Cantacnsäae.
Comptes rendus de la soc. de biol.; LXHl, 1907, Nr. 82.
Die Versuche sind fOr den Qerichtsarzt yon großem Interesse. Der
Autor legte sich die frage yor, ob es mOglich sei, bei normalen Kaninchen
durch einfache Einyerleibung yon Substanzen, die auf die
Leukozyten energische chemotaktische Wirkung austtben,
Antikörper zu bilden, die auf fremde Sera präzipitierend
wirken. In der Tat konnte er beim nicht yorbehandelten normalen Eaidnchen
dies durch intraperitoneale Injektion einer an Alenronat reichen Emulsion er*
zielen. Ans seinen Beobachtungen ergab sich:
a) Die Inoknlation einer chemotaktischen Substanz, wie Alenronat, ge*
attgt, bei hinreichender Größe der injizierten Menge, um in den lymphoidea
Orgaaen, insbesondere in der Milz, ferner in leukozytenreichen Exsudaten Anti*
kOrper auftreten zu lassen, die auf Pferdeserom präzipitierend wirken.
b) Diese Präzipitine sind im Gegensatz zn jenen, die nach Inokulation
yon Pferdeserom anftreten, nicht spezifisch. Bei Mischungen in gleidien
Meagenyerhältnissen fällen sie yerschiedene Sera (Pferd, Hammel, Meerschwein¬
chen, Hand — dieses letztere allerdings yiel weniger reichlich).
c) Diese nicht spezifischen Präzipitine treten schon nach Ablauf
yon 20 Standen auf und finden sich sogar manchmal um diese Zeit auch in
Spven im Blate. Zar Ausbildong spezifischer Präzipitine bedarf es da-
segen einer längeren Inkubationszeit. Solche treten erst 6 bis 8 Tage nach
oer Injektion im Blute aal _ Dr. Mayer-Simmem.
Sin Fall yon Tei^ftung nach Gebrauch yon Thloslhamln. Von Dr.
Faul Große-Leipzig. Mfinchener mediz. Wochenschrift; 1908, Nr. 17.
Bin 54jähriger Geschäftsmann erhielt wegen Schmerzhaftigkeit an der
linken und rechten Schulter zwischen den 29. Oktober 1907 und 16. Dezember
1907 im ganzen 6 Einspritzungen yon 0,2 Thlosinamin Merk. Die behandelnden
Aerzte bezeichneten die Injektion yom 16. Dezember als Ursache einer
schweren Erkrankung mit nachstehenden Vergifiungserscheinungen: Hers*
schwäche, Fieber, Anuie, Erbrechen, hochgradiger Verfidl der körperlichen
und geistigen Kräfte. Anffallenderweise traten (Qe Vergiftnngssymptome erst
■ach der 6. Injektion auf; die yorhergegangenen Injektionen mögen dis¬
ponierend mitgewirkt haben.
Bisher waren nur yereinzelt geringe Fiebererscheinungen und Mattig*
keitsgeftthl nach Gebrauch yon Tiüosinamin beobachtet worden. Der yor*
Beende Fall beweial daß auch bei diesem Mittel, wie bei so manchen andern
gsniUshst als ansehädlich angesehenen Medikament große Vorsicht am Platze ist.
_ Dr. Waibel*Kempten.
*) Zeitschrift f. Medizinalbeamte; 1907, S. 280.
*) Ebenda; 1908, S. 203.
440
Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften.
üeber Hon subita der Henkraaken. Von Prot Pr. H. Kisch in
Prag - Marienbad. Mttnchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 14.
Yeifasser bemühte sich schon seit Jahren an! Grandlage der Beohaehtongea
am eigenen Krankenmateriale wie anf Basis zahlreicher Obdnktionsbefande
bei plötzlich Verstorbenen den Verhältnissen näher za treten, anter denen bei
Personen mit Herzleiden Mors sabita inopinata za befürchten ist. Er sichtet
seine 166 Fälle nach 3 Haaptgesichtsponkten: 1. nach dem Alter des Herz¬
kranken, 2. nach der Beschaffenheit des Herzens and der Gefäße and 8. nach
den nnmittelbaren Anlässen der Mors sabita.
Za 1. Hiernach sind Herzkranke im Alter bis za 80 Jahren sehr wenig
disponiert, plötzlich za Grande za gehen. Bei sonst gat kompensierten Herz-
feUem in diesem Lebensalter ist der fhcitns sabitas fast so selten wie bei
herzgesonden Individaen. Häafiger schon ist Mors sabita and zwar mit den
Jahren progressiv steigend bei Personen von 80—50 Jahren. Im Alter von
über 50 Jahren maß bei Personen, die an Herz and Gefäßen erkrankt sind,
mit dem plötzlichen Exitos als einem Faktor gerechnet werden, welcher anter
gewissen Umständen bezw. pathologischen Verhältnissen eine große Wahr-
si^einlichkeit hat.
Za 2. Am häafi^ten tritt Mors sabita bei 2 Grappen von Personen
mit Herzbeschwerden ein: bei hochgradig lipomatösen Individaen and bei
Personen mit allgemeiner Arteriosklerose, noch häufiger bei Personen im Alter
von über 50 Jahren mit hochgradiger Lipomatosis and Arteriosklerose zagleich.
Dieselbe schlimme Prognose bietet sich beim Zasammentreffen der Insaffizienz
der Herzklappen gewöhnlich von Bikaspidalinsaffizicnz mit Endarteiitis and
Insaffizienz der Aorta, wenn dabei vorgeschrittene fettige Degeneration des
Myokards and starke Dilatation dos linken Ventrikels vorhanden ist.
In allen Fällen von hochgradigem Aortenanearysma maß der plötzliche
Exitos dorch Baptar des Aneorysma als ein za erwartendes Ereignis betnchtet
werden.
Za 8. Den anmittelbaren Anlaß zar Mors sabita geben häofig: körper¬
liche Anstrengang, Bergsteigen, reichliche Mahlzeiten, Genoß alkoholischer
Getränke, Vollziehang des Coitas, Hastenanfall, Absetzen des Stahlgangs, ein
Anfall von Darmkolik, Gallenstein- oder Nierenkolik etc. Anch Schwächezu-
stände in der Bekonvideszenz Herzkranker nach akaten Erkrankongen, beson¬
ders Pneamonie, Typhös osw. bilden nicht selten die Ursache von plötzlichem
Herzstillstände.
Schließlich erwähnt Verfasser noch, daß der plötzliche Tod der Herz¬
kranken zameist ein foodroyanter ist. Wie das Licht rasch aosgeblasen, so
erlischt das Leben dorch aogenblickliche Herzparalyse; der Betreffende sinkt
laatlos hin oder es tritt der Tod erst nach Standen an akotem Longenödem ein.
_ Dr. Waibel-Kempen.
Beitrag inr Kenntnis der spontanen Helinng der Herzwnnden. Von
Attilio Cevidalli, Assistent and Privatdozent am Institot für gerichtliche
Medizin za Florenz. Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin osw.; 8 F.,
85. Bd., 2. H., 8. 272.
Hystologische Untersnchong einer in Vemarbnng begriffenen Herzstich-
wonde, in deren Gefolge am 7. Tage der Tod dorch hinzagetretene Broacho-
pneomonie an Herzschwäche eintrat. Die reparatorischen Vorgänge entsprechen
f enaa den am Tierexperimenten gewonnenen Anschaoongen: keine Eiterong,
'ehlen der Maskelfasern in der Narbe, Karyokinese in den Maskelkernen, aber
keine Muskelneabildang, sondern Bindegewebswacherong (Fibroblasten). Diese
Wacherang bildet kleine warzenförmige Erhebongen im Grande des trichter¬
förmigen Defekts; sie geht anscheinend mehr vom sobepikar^alen als vom
interstitiellen Bindegewebe ans. Aach die Zeiten, in denen die einzelnen Be¬
fände zar Boobachtang gelangen, scheinen mit dem im Experiment ermlttelteB
za stimmen, so daß möglicherweise aas dem hystologischen Befand einer Herz-
narbe ein Bückschlaß aof die Zeit der Verwondang gezogen werden kaaa.
_Dr. P. Fraenkel-Berlin.
Zar Lehre von der Gehlmersehttttemag. Ein kasoistischer Beitrag.
Von Dr. Baller, Oberarzt an der Provinzial-Irrenanstalt Owiask. Viertel-
jahrsBchrift für gerichü. Medizin osw.; 8. F., 85. Bd., H. 2, 266 S.
Kleinere Mitteilungen und Referate aoa Zeitsohriften«
441
Ein Oeieteskranker erUelt von einem anderen mit der Schneide des
Spatens einen wnchtigen Schlag gegen den Unterkiefer. Er stürzte bewustlos
auf den locker aufgegrabenen Erdboden und war sofort tot. Der rechte Ast
des Unterkiefers war mit Weicbteilen und Zähnen bis zum Unterkicferwinkel
abgesprengt. Schädelkapsei intakt. Blutgerinnsel in der ganzen Arachnoidea,
unter dem Plexus chorioideus und im yierten Ventrikel. Der Dornfortsatz des 5.
Halswirbels war zur Hälfte, der 6. Dornfortsatz an der Basis abgebrochen,
die Halswirbelsäuie zwischen 2. und 6. Wirbel abnorm beweglich, dabei der
Bandapparat zwischen Atlas und Epistropheus unverletzt. Im Wirbelkanal war
eine massige Menge Blut, ln den Maschen der Arachnoidea und unter ihr
überail Blutkoagula. Der 6. Halswirbel war samt der Knorpelscheide vom
Körper des 5. Wirbels abgerissen.
Diese Veränderungen erklärt Verfasser durch eine unter der Wucht des
Hiebes zustande gekommene Ueberstreckung der Halswirbelsäule, die zuerst
die Frakturen und sekundär die Blutungen in den Kanal zur Folge hatte.
Die subarachnoidale Blutung wird auf eine Uebordehnung des Marks zurttck-
geführt, wobei an die nach Schulz eschen Schwingungen beobachteten
Bfickenmarksblutungen godacht wird. Todesursache war der Hirndruck durch
die Hirnblutung. Die diffuse Blutung in die weichen Hirnhäute ist durch die
Himerschütterung beim Schlage zu erklären; diese Erschütterung werde be*
günstigt durch die Beweglichkeit des Hirns im Arachnoidalsack, zumal, wenn
wie hier eine Atrophie des Hirns besteht. Dabei entstehen QefäJBzerreißungen.
Ueborhaupt habe man die Gehirnerschütterung als eine Quetschung des Gehirns
aufzufassen, die durch eine gewisse Bewegung desselben ln toto bewirkt wird.
Auch die leichtesten Fälle von Commotio seien hierauf zurttckzuführen, nicht
auf den aShock*. Dr. Fraenckel*Berlin.
lieber Lokalisation and kltnlsohe Symptome intrakranieller Blnt-
ergttsse Nengeborener. Von Privatdozent Dr. Seitz, Oberarzt der KönigL
Universitäts-Frauenklinik in München. Münchener Medizinische Wochenschrift;
1908, Nr. 12.
Verfasser berichtet über 28 an der oben genannten Klinik beobachtete
Fälle von während der Geburt bei Kindern entstandenen intrakraniellen
Blutungen, wobei er sein Hauptaugenmerk uuf die Lokalisation und auf
die klinischen Erscheinungen richtete.
Im Gegensatz zu dem Erwachsenen, bei dem die arteriellen Blutungen
llberwiegen, sind die während der Geburt entstehenden Blutungen fast aus¬
nahmsweise venös; sie sitzen fast immer subdural, zwischen Dura und Pia
gelegen, fast nie in der Gehirnsubstanz, selten in den Ventrikeln. Die zwischen
Dura und Knochen gelegenen Hämatome sind selten, wegen der starken Ad¬
härenz des Knochens wenig ausgedehnt und bewirken wohl nie Hirndruck-
Symptome.
Klinisch von größter Bedeutung ist, ob die Blutungen unterhalb des
Tentoriums über Üeinhlra und Medulla oblongata (infratentoriale
Blutungen) oder ob sie oberhalb desselben über dem Großhirn gelegen sind
(supratentoriale Blutungen).
Die infratentorialen Blutungen sind gefährlicher, als die supratentorialen
wegen des Druckes auf die Medulla oblongata und das Atemzentrum. Auch
ist die Menge des ergossenen Blutes bei den ersteren Blutungen meist gering,
während bei den letzteren Blutungen die Blutmenge meist groß ist, so daß
eine starke Druckwirkung auf die benachbarten Gehirnpartien ausgoübt wird.
Das Blut stammt aus den angerissenen Venen, die in den Sinus longitudinalis
einmttnden; ihr Platzen erfolgt teils durch Stauung bei aspbyktischen Zuständen,
teils durch Zerrung bei raschem und starkem Uebereinanderschicben der beiden
Scheitelbeine.
Mancher Arzt wird nach einer schweren operativen Entbindung mit
Bangen die Entwicklung der Hirndrucksymptome verfolgen. Auch das Publikum
ist geneigt, Schädigungen am Kopfe des Kindes stets der Zange zuzuschreiben
mit Unrecht; denn unter den 23 Fällen des Verfassers verlief die Geburt 6mal,
also mehr als spontan und leicht; in einem Falle handelte es sich
gm eine 16, Gebärende, bei der alle Geburten spontan erfolgten und alle Kinder
442
Kleinere Hitteilnngen and Referate atu Zeiteehriften.
lebend zur Welt kamen, und in einem anderen Falle am die Geburt des gleich
großen zweiten Zwillings einer Erstgebärenden; der erste Zwilling bUeb
yOlUg gesund. Diese Tatsachen sind auch in forensischer Be¬
ziehung von Wichtigkeit. Stirbt plötzlich ein anscheinend gesundes
Kind, so wird nicht selten der Verdacht einer beabsichtigten Tötung heiror-
gerufen. Findet sich bei der Sektion eine Blutung um die MeduUa oblongate,
so ist der Tod genttgend erklärt. Die Beurteiiang einer solchen Blutung
bedarf jedoch besonderer Vorsichtsmaßregeln. Blutungen über einer
Großhirnhemisphäre bei tot auf gefundenen Kindern brauchen
nicht durch eine äußere Gewalteinwirkung, sondern können
auch lediglich durch den Geburtsakt entstanden sein.
_ Dr. Waibei-Kempten.
Bigor mortis bei Totgeborenen. Von Parkinson. British medical
Journal; 1908, 8. Februar.
Parkinson teilt 4 Fälle (eine Abbildung) Ton Bigor mortis bei tot¬
geborenen Früchten mit und kommt zu folgenden Schlußsätzen. Die Toten¬
starre kann unter Umständen schon vor dem Beginn der Geburt eintreten und
ablauien. Tritt die Totenstarre erst während der Geburt ein, so kann sie die
Anstreibungsperiode yerzOgem. Die Siarre kann auch erst nach Beendigung
der Gebart mehr oder weniger vollkommen zur Ausbildung selangen. Die
Haltung, wdche totgeborene Kinder während der Starre einnehmen, ist eine
andere als die, welche die Muskelstarre sonst heryorbringt. Die Extremitäten
und der Bumpf nehmen die gleiche Lage ein, welche sie in utero haben. Die
Totenstarre als solche ist kein Zeichen des Gelebthabens. Dagegen läßt sich
ans der Art, wie die Starre in die Erscheinung tritt, ein Urteil über diesen
Punkt gewinnen. Bei einem totgeborenen Kinde werden die Glieder durch die
Starre an den Bumpf gezogen. Hat das Kind dagegen Gelegenheit gehabt,
seine Glieder außerhalb der Gebärmutter frei zu bewegen, d. h. gelebt, so
bleiben die ^remitäten während der Starre ansgestreckt.
Dr. Beyenstorf-Hamburg.
üeber die Entstehung des Geschleehtstriebes. (Sulla gened dell'
impulso sessuale). Aus dem Institut für gerichtliche Medizin der Uniyersität
Payia. Direktor Prof. Gioele Fiiomusi-Guelfi. Von Dr. Angelo De
Dominicis. Sep.-Abdr. ans Bisveglio Medico.; 1908, Nr. 41.
Zur Auslösung des Geschlechtstriebes bedarf es des Uebergann
wirksamer Substanzen yon Hoden, Prostata und Samenblasen in das Blut. Als
aktlye Grundlage des Brown-Sequardschen Versuches hat Poehl das
Spermin isoliert, das sowohl auf die Genitalsphaere wirkt, als auch ein allge¬
meines Tonikum ist. Der Autor hat mit Barberios Beaktion die Anwesen¬
heit yon Spermin im menschlichen Hoden, in größerem Maße in der Prostata
nachgewiesen. P o s n e r hat zwischen Impotenz bei Diabetes und Veränderun¬
gen der Prostata übrigens Beziehungen gesucht. Die Funktion der Prostata
kann durch Spermingebalt der übrigen Organe auch kompensiert werden.
Da die Auster (Ostrea edulk) und bestimmte Trttlfeiarten (Tuber-
magnatum und melanospermum) als Aphrodisiaca gelten, stellte der Verfasser
die Barberlösche Probe mit dem Rückstände des ammoniakalischen Alkohol-
eztraktes der Auster und mit weißen Trüffeln direkt an. Beide geben mit
Pikrinsäure die charakteristische Beaktion.
Der Autor glaubt, in der gerichtlich-medizinischen Praxis Fälle yor-
aussagen zu dürfen, in denen die Barber io sehe Beaktion zur Bestimmung
der Sexuidfanktion gute Dienste tun dürfte. Dr. Mayer-Simmem.
Drei Fälle yon Persistenz des Hymens nach der Terehellehnng und
Sehwangersohaft ln ein und derselben Familie. Bevue de th6rap. medic.
Chirurg.; 1. Dez. 1907. Von Dr. Marx, Spitalsarzt (St. Lasaire) in Paris.
AUg. W iener med. Zeitung; 1907 Nr. 62.
Der wesentliche Inhalt der Mitteilung ist in der Ueberschrift enthalten.
Es handelte sich um zwei Schwestern, bd denen der Verfasser gelegentlich
anderer Erkrankungen, einmal Pyämie und Meningitis, das andere mal Abortus,
Kleinere Mittellangen and Befemte »ne Zeiteehriften.
443
die Pereietens des Hymens feetetellen konnte. Zni&Uig erfahr er bei dieser
Gdegenheit, dafi die Matter der beiden Schwestern bei ihrer ersten Entbindang
noch im Besits der intakten Hymens gewesen war. Der damals hinzage*
»ogene Arzt maßte, um die Gebart zu yollenden, das Hymen mit dem Glüh»
eisea zerstören.
Der Verfasser zitiert aas der Literatar noch eine Beihe von F&Uen, bei
denen das Hymen trotz b&aflgen, geschlechtUohen Verkehrs, mitonter selbst
noch der Entbindang intakt geblieben war. Entweder handelte es sich hier
OB dehnbare Hymen oder cs kam ein yestibolirer Coitas in betracht, wie in
den beiden letzten Fällen des Verfassers. Dr. Karpjaweit-Berlin.
Zar Konserrlerang der Farbe anatomischer Priparate. Von Giaseppe
Fornario. (Institut Pasteur de LUle). Comptes rendus de la soc. de bioL;
LXIV., 1908.
Das Kayserling sehe Verfahren zur Konseryierung anatomischer
Priparate hat den Nachteil, daß es histologische Textur und die Beaktionen
gegenttber bestimmten Farbstoffen yerändert. Der starke Glyzeringehalt, der
daaa gehOrt, macht es ttberdies sehr teuer.
In Formol lange Zeit konseryierte Präparate, die ihre Farbe eingebftßt
hatten, wurden einige Angenblicke in Pikrinsäure-EssigsauielOsung gegeben
und nahmen dadurch ihre frische Farbe wieder an.
Der Autor empfiehlt daher: Einbringen in 4**/o Formol, nach 48 Standen
in 90* Alkohol, nach 14 Standen in frischen 90* Alkohol, dem auf das Liter
10 ccm folgender Ldsung zugesetzt sind: Gesättigte wässrige Pikrinsäure*
lOsuog 100 ccm, Eisessig 4 ccm. Die ursprüngliche Farbe tritt dann in
wenigen Minuter ein. Nach einigen Tauen nimmt man die Präparate heraus
und bringt sie endgültig in 90* Alkohol. Die Farbe wird dann nicht mehr
yerändert.
Bei großen Präparaten ist es ratsam, der Pikrinsäure-Essigsäurelüsung
ein kleine Menge Hämoglobin hinzuzuffigen.
Der Autor betont die Einfachheit der Methode und die Begelmäßigkeit
ihrer guten Ergebnisse. _ Dr. Hayer-Simmem.
B. QerlohtUolia Poyohlatrla.
Zar Klinik der arterlosklerotisehen SeelenstSningen. Von Prof.
Dr. Web er-Gottingen. Zeitschrift f. Psychiatrie a. Neurologie; Band XXIU,
1908, Ergänzun^sheft.
Die arteriosklerotischen SeelenstOrungen sind nach den Darlegungen des
auf klinischem wie anatomischem Gebiete gleich erfahrenen Verfassers Er¬
krankungen, die im 6. Lebensjahrzehnt oder etwas früher, jedenfalls im Prädi-
lektionsuter der Paralyse, akut beginnen und zwar mit expansiven GrOßenideen,
gehobener Stimmung, motorischer Unruhe und einigen organischen Symptomen.
Gegen die Diagnose „Paralyse* sprechen folgende Momente:
1. Die GrOßenideen werden mehr in den normalen Vorstellungskreis der
Persönlichkeit und ihrer Stellung eingeordnet; sie werden logisch zu begründen
yersneht und sind saggestiy weniger beeinfiuiSbar.
2. Auch in den Zeiten hougradiger Erregung bleibt die Besonnenheit
und das Bewußtsein der Persönlichkeit erhalten. Es treten keine traumhaften
Zustände und keine Verwirrtheit wie bei der Paralyse auf.
8. Der Intellekt bleibt lange erhalten; Gedächtnis und Merkfähigkeit
brauchen gar nicht gestOrt zu sein.
4. Vielfach stehen im Vordergrund des psychischen Bildes ethische
Defekte, die nicht nur wie bei der Paralyse die Vernachlässigung der äußeren
Haltung betreffen, sondern namentlich in einem Verschwinden alier altruisti¬
schen Begangen auch gegenüber den nächsten Angehörigen bestehen.
6. Die organischen Symptome sind wenigstens im Beginn nicht so
charakteristisch und nicht so konstant wie bei den meisten Paralysen. Artiku-
latorische Sprachstörung fehlt fast ganz. Dagegen finden sich Pupiliensymptom^
aber gewOnlich nicht die einfache Lichtstarre, sondern meist kombiniert mit
akkomodatiyer Lähmung und nicht yon konstanter Intensität und Lokalisation
aof demselben Auge. Erst nach sehr langer Krankheitsdauer kommen Herd¬
symptome yor.
444
Kleinere Hittellnngen und Referate ans Zeltaehriften.
6. Die Däner der Erkranknag ist dorehwog eine iäagere als bei den
Paralysen.
7. Der Verlauf ist sehr schwankend, ohne daS es au TOlligen BemissioneB
kommt.
8. Die Erankheitsbilder entstehen auf dem Boden einer angeborenen
degeneratiTen Anlage, die sich hauptsächlich in einer Terringerten Widerstands¬
fähigkeit des Oefäßsystems äußert.
9. Neben diesen endogenen Momenten sind als akzidentelle Krank¬
heitsursachen exogene Schädlichkeiten, namentlich Lues, Alkoholismus und
geistige Üeberarbeitnng nachznweisen.
10. Die anatomische Grundlage ist eine diffuse Erkrankung zahlreicher
kleiner Gefäßäste, die zunächst nur zu Störungen in der Blutzirknlation und
Himemährung, später zu dauernden Gewebsveränderungen in Gestüt von
Gtowebsödem, perivaskulärer Gliawucherung und Untergang nervöser Ele¬
mente fährt. Dr. Többen-Mänster.
Beitrag zur Kenntnis der Poliomyelitis anterior snbaenta adnltomm.
Von E. M e d e a - Mailand. In das Deutsche übertragen von Dr. Kurt Meyer.
Aus der psychiatrischen und Nervenklinik der König!. Charitö Berlin. Geheim-
Bat Prof. Dr. Ziehen.
1. Die subakute Poliomyelitis anterior der Erwachsenen ist eine klinische
Krankheitsform, die, wenn auch selten, doch das Recht auf selbständige Existenz
hat. Sie hat auch eine bestimmte anatomische Grundlage, die in vielen PÜlen
an die Veränderungen bei der akuten Poliomyelitis, wenigstens was die Vorder-
hömer betrifft, erinnert.
2. Die Sensibilitätsstörungen, die in einigen seltenen atypischen Fällen
bei der subakuten Poliomyelitis anterior beobachtet werden, können, wenn nicht
Veränderungen an den peripheren Nerven vorhanden sind, auf leichte Verände¬
rungen der Hinterstränge zuräckgeftthrt worden, die sich bei jenen seltenen
und atypischen Fällen von subakuter Poliomyelitis finden können.
8. Bisweilen kann man bei der subakuten Poliomyelitis anterior eine
mehr oder weniger bedeutende Veränderung der Vorderseitenstränge neben der
Haupterkrankung der Vorderhörner beobachten. Diese Veränderungen stehen
höchstwahrscheinlich mit der Erkrankung der Vorderhörner in Zusammenhang.
4. Wenngleich die typischen Formen der amyotrophischen Lateralsklerose
Und der subaknten Poliomyelitis anterior sich in klinischer wie anatomischer
Hinsicht als sehr weit voneinander entfernte Krankheiten darstellen, so können
sich doch zuweilen bei den atypischen Formen beider Erkrankungen klinische
und pathologisch-anatomische Befunde von großer Aehnlichkeit ergeben.
Dr. T ö b b e n -Münster.
Posttraumatlsche, transitorische Bewusstseinsstörungen. Von Dr. Carl
Wendenburg. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie; Band XXIIl,
Ergänznngsheft.
Für die posttraumatischen, transitorischen Bewußtseinsstörungen scheint
dne jähe Unterbrechung der Assoziationskette und hochgradige nachfolgende
Amnesie charakteristisch zu sein, während das Verhalten des Bewußtseins, die
Affektlage und die Ideenassoziation nicht immer gleichmäßig sind. Nach
Traumen können dipsomanische Attacken, eigentliche Dämmerzustände und
solche BewußtsebsVeränderungen anftreten, welche mehr einen somnambulen
Charakter tragen. Diese posttraumatischen Bewußtseinsstörungen können die
Ursache der Poriomanie sein, so daß wir Wanderungen außer bei Epilepsie,
Hysterie und in dysphorischen Zuständen degenerativ veranlagter Personen
auch noch bei traumatischen nervösen Erkrankungen, die nicht zur Epilepsie
oder Hysterie gehören, erwarten können. Wanderznstände sind demnach kein
Symptom einer bestimmten Krankheit. In den bis jetzt genauer untersuchten
Fällen waren sie nur der Ausfiuß eines psychischen oder nervösen Grundleidens;
sie dürfen solange nicht als pathogenetisch angesehen werden, als der Nach¬
weis einer solchen Krankheit nicht erbracht ist.
Bei der forensischen Beurteilung bleibt auch noch der Beweis zu führen,
daß ein Wandern im Zustande krankhafter Veränderung der Bewußtseinstätig-
Kliere Mitteilangen and Referate aas Zeitaohriflen.
445
keit Torliegt. Nor in dieeen Fällen könnte nach Ansicht den Yerlnssen der
L öi aal die während der Wanderung yorgenommenen Handlangen Anwendung
iden. Dr. Többen'Httnster.
Bin Fäll yen Dementia pesttraonuittca mit nagewöhnlichea Begleit*
ersehelnungen* Von Stabsarat Dr. Trespe in Httblhaosen L E. Münchener
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 18.
Ein 28 jähriger Masketier fahr in angotrankenem Zustande Karussel and
ntttrste beim Abspringen yon diesem, kara yor Beendigung der Fahrt, an Boden.
Et glaubte sich keinerlei Schaden getan aa haben und aechte dann weiter.
Nach seiner Rückkehr in die Kaserne warde er yon älteren Kameraden seiner
Stube dafür, daß er betranken so spät nach Hause kam, durcbgeprügelt. Hierbei
wurde er auch des öfteren mit dem Kopf gegen eine Spindtür und gegen eine
eiserne Bettstelle geworfen. Im Anschluß an diese — wahrscheinlich mehr*
fachen — Kopfyerletaungen trat ein etwa 14 Tage andauernder Zustand yon
hochgradiger Bewoßtseinsstöruag auf, aus dom er mit totaler Amnesie für die
S tnae Vergangenheit, mit hochgradigem Schwachsinn und einem isolierten
efekt des Lesens und Schreibens erwachte. Die DUgnose lantete auf: trau*
matischer Schwachsinn (Dementia tranmatica im Sinne Koeppens).
Das Kriegsgericht forderte ein Qntachten ein unter anderem darüber,
inwieweit der Stars yom Karussel aal den Kopf als Ursache für die Entwick¬
lung der Deistesstörung in Betracht kommen könne.
Verfasser gab unter Hinweis darauf, daß erfahrungsgemäß einerseits
gerade der trunkene Zustand eines Verletzten sehr wohl leichte, für einen
Laien nicht erkennbare Erscheinungen einer Qehirnerschütterung yerdecken
kann und anderseits recht häufig diese Erscheinungen erst nach Standen offen
zutage treten, sein Gutachten d^ahin ab, daß es zwar wenig wahrscheinlich,
aber dennoch nicht sicher auszuschließen sei, daß der Sturz yom Karussel im
Gehirn bereits Veränderungen heryorgerufen habe, infolge deren die spätere
Körper- und Schädelyerletzung durch die Kameraden so schwere Schädigungen
des Gehirns herbeigeftthrt habe. Dr. Waibei*Kempten.
Psjehnpathla sexnalis und Epilepsie* Von Dr. E. Andenino-Turih.
Archiyio di Psichiatria, Neuropatologia etc.; 1907, Fasz. VI.
Die 3 näher beschriebenen Fälle aus der psychiatrischen Klinik in Turin
sind insofern zusammengehörig, als es sich jedesmal um angeborene sexuelle
Psychiatrie — im ersten Fall 89 jähriger Arbeiter, seit früher Jagend Onanist,
CunnOingus usw., im zweiten Fall 16 jähriges Mädchen als Uranistin
zu bezeichnen, im dritten Fall 16 jähriges Mädchen* mit frühzeitiger
zexueller Betätigung — mit schweren psychischen Erscheinungen, die sich bei
genauerem Nachforschen ^ Epilepsie — teils als typische epileptische Anfälle,
teils daneben auch als substituierende heftige Wutausbrüche und dgl. —
deutlich feststellen ließen. Diese Vereinigung yon EpUepsie und sexuelle
Anomalie ist nach der Ansicht des Verfassers keine zufälligej yielmehr ist,
wie solche Fälle auch yon anderen Autoren beschrieben sind, die Epilepsie als
der Boden, auf dem die sexuelle Anomalie entstanden ist, anzusehen.
Alle 8 Personen wurden als geisteskrank der Irrenanstalt zngeführt,
aacbdem bei dem ersten eine Bestruung yorangegangen war und die zweite
Kranke ohne Nutzen in yerschiedenen Instituten nntergebracht gewesen war.
Dr. Solbrig-Allenstein.
O. BaohwarztAadigantAtigkalt ln Unfall- und InvalldltAtsanohen.
Paralysb ai^tans und Unfall. Von Dr. Kurt Mendel. Monatsschrift
i Psychiatrie und Neurologie; Bd. XXIIl, 1908, H. 5.
Ein Trauma ist sehr wohl imstande, die Erscheinungen der Schüttel¬
lähmung zum Ausbruch zu bringen. Immerhin kommt man auch in diesen
Fällen ohne die Annahme einer yorhandencn Prädisposition zur Erkrankung
ni^t aus. Zu dieser Prädispositionsanlage gesellt sich dann noch die For¬
derung eines gewissen Alters des Verletzten und eines zeitlichen Zusammen¬
hangs zwischen Beginn der Krankheit und Trauma als Bedingungsfaktoren
446
Kleinere MitteilnnKen and Referate ans ZeitBchrlften.
Ittr den Anebmch des Leidens nach dem ünfoll besw. fflr draen beiderseitigea
Zosammenbang binsn. _ Dr. TObben-Münster.
Znr Frage des nrslehllehen Znsammenhnngs ren Tabes nnd Tnrama.
Von Dr. Paal Koeppen-Berlin. Monatssebrilts für Unlallbeilkande and In*
Talidenwesen; Nr. 8.
Der Maarer T. batte drei Unf&Ue erlitten. Erst fiel ibm ein Hammer
aal den Kopf, beim zweiten bandelte es sieb am eine Kontosion der rechten
Brasteeite, beim dritten fiel er von einer kleinen Leiter berab anf den Kraf,
wobei ibm Kaik in beide Angon spritzte. Nachdem er nach dem letzten Da*
lall weiter gearbeitet hatte, erkrankte er später an Tabes and erblindete
anf beide Aagen. Die yersebiedenen Gatachten drehten sich haaptsicblieb
daram, ob die Erblindong infolge der jedenfalls yor dem Unfall bestandenen
Tabes oder infolge eines eyentaellen bei dem Unfall erfolgten Braches der
Schädelbasis entstanden sei. Letzteres*warde yerneint and der Verletzte mit
seinen Ansprüchen yom Beichsyersicberangsamt abgewiesen.
Dr. B. Tbomalia-Waldenbnrg (Sebles.).
Tmvmntlsche Aecessorlnslibmnng dnreb stampfe Gewall) Im Zi-
snmmenbang mit tranmattscher Lnngentaberkalose. Von Dr. Ernst Steinitz.
Monatsschrift für Unfallheilkande and InytJidenwesen; Nr. 1.
Das Zastandekonunen yon Verletzangen des Neryns accessorias, wenig*
stens In einem Teil seines Verlaafes, ist darch seine tiefe Lage erschwert. —
Bei Einwirkang Stampfer Gewalten werden meist nar Verletzangen des yon
diesen Neryen yersagten Mnscol. trapezias beobachtet. Verfasser schildert
einen Fall, in dem darch direkte stampfe Gewalteinwirkang eine Accessorias*
lähmang zostande kam, an der sowohl alle Abschnitte des Moscal. trapezias,
als aach des Stemocleidomastoideas beteiligt waren. Derselbe Unfall hatte
auch eine Erkrankang an Langentaberkolose zar Folge.
Dr. B. Thomalla* Waldenburg (Schles.).
Llhmang des Bamos UI trigeninl, des FaelaliS) Vagos, Aeeessorinsy
Glossopharjngens, HTpoglossaS) Sjmpnthiens and der N. thoraelci ante¬
riores nach Dolchstleh. Von Dr. Hans Hirsehfeld*Berlin. Monatsschrift
für Unfallheilkande and Inyalidenwcsen; Nr. 1.
Ein 25 jähriger Patient erhielt einen Dolchstofi, der dicht anterhalb des
rechten Jochbogens yor dem Kiefergelenk eindrang. Bei der Behandlong der
Wände soll ein Arzt dreimal die Gefäße anterbanden haben. Patient merkte
einige Zeit nach der Verletzang eine erschwerte Beweglichkeit der Zange,
SchlackstOrangen and fast absolute Unmöglichkeit za sprechen. Mit der Mt
yerschlechterte sich auch der Kräfte- und Ernäbrangszastand. Patient bekam
leichtes Herzklopfen and Atemnot. Beim Schlacken blieben ihm oft Bissen in
der rechten Seite des Halses stecken; es gelangten häufig Speisereste in die
Luftröhre. Die Zange konnte er nicht gerade, sondern nar schief nach rechts
heraosstrecken, der Geschmack an der rechten Zangenhälfte fehlte; in der
rechten Handhälfte herrschte eine größere Trockenheit als links. Gegenstände
konnte er mit dem rechten Arm ni^t bis zur Senkrechten erheben; der rechte
Stemocleidomastoideas wurde atrophisch. Verfasser gibt interessante Er*
klärangen über die Entstehang dieser Lähmangen sowie über ihren Zusam¬
menhang mit dem Dolchstich and eyentaeli mit Verletzangen, die bei der
Gefäßanterbindang heryorgerafen wurden.
Dr. B. Thomalla-Waldenbarg (Schics.).
Urslehlicher Zosammenbang yon Trachom and Unfall. Von Dr. Pani
Koeppen-Berlin. Monatszeitschrift für Unfallheilkande und Inyaliden-
wesen; Nr. 2.
Ein Zimmerer hatte sich am 6. Februar 1905 eine Verletzung des linken
Aages zagezogen and meldete dies am 10. Januar als Unfall an, nachdem er
während dieser Zeit an Trachom erkrankt war. Die Sachyerständigen waren
geteilter Ansicht, ob die Erkrankang mit dem Unfälle zasamme^ng oder
nicht. Prof. S. war der Ansicht, daß die Erkrankang an Trachom mit größter
Wahrscheinlichkeit durch die Verletzang herbeigeführt worden sei, indem
Xleineire lOtteihiogen und Referate ans Zeitsohrifteiu
447
dweh die rerletiie Stelle die Infektion durch Krankheitnkeime erleichtert
Prot Q. als Obergutachter sprach gegen dieses Urteil, indem er ans-
führte, daß das Trachom nnr durch direkte Ansteckung von Auge su Auge
erfolgCL nicht durch Vermittelung von trockenen Clegenst&nden. Der Unfall
^be also mit der eigentlichen Krankheit nichts zu tun.
Der Zimmerer wurde mit seinen Ansprüchen abgewiesen.
Dr. B. Themalla-Waldenburg (Schles.)
üeher Tendinitis osslflcans traumatica. Von Oberarzt Dr. F. Hoering-
Stuttgart. Mttnchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 18.
Die Ossifikation innerhalb der Mu^tkeln geht bekanntlich h&nfig auf
Sehnen und Bänder über. Im Qegensatz zu diesem sekundären Auftreten von
Knochenneubildung in Sehnen, ausgehend vom Muskel, beobachtete Verfasser
im Eatharinenhospital in Stuttgart einen Fall, in welchem diese Verknöcherung
primär und isoliert in der Sehne auftrat. Es handelte sich um einen
66jährigen Mann, welchem beim Herabtragen eines schweren Schreibtisches
ttber eine Treppe der letztere stark gegen die linke, schwächer gegen die
rechte Achillessehne anstiefi. Er spttrte sofort Schmerzen in der linken Sehne
und stetige Verschlimmerung innerhalb der nächsten Wochen. Der Verlauf
der Krankheit, die Untersuchung und der operative Eingriff ließen fiber die
Diagnose einer ossifizierten Sehne keinen ZweifeL Die histologische Unter¬
suchung des exstirpierten Sehnenstückes ergab, daß es sich um wirkliche
Knochenneubildung handelt, die teils durch Metaplasie direkt aus dem Binde¬
gewebe, teils indirekt mit Uebergang durch ein knorpeliges Vorstadium ent¬
standen war und spongiOse Kuochenspangen mit Knochenmark gebildet hatte.
_ Dr. Waibel-Kempten.
Erwerbsrermindemng bei Verlust des linken Armes. Bekursent-
scheidung des Beichsversicherungsamts vomSO. Januar 1908.
Kompaß; 1^, Nr. 9.
Die Auffassung des Schiedsgerichts, daß bei einem Arbeiter der Verlust
des linken Arms die Erwerbsfäblgkeit in höherem Grade als um 60*/o herab¬
setze, kann in dieser Allgemeinheit nicht gebilligt werden. Wie hoch der
Verlust des linken Armes zu bewerten ist, hängt von den besonderen Um¬
ständen des einzelnen Falles ab. Vorliegend handelt es sich um einen Ver¬
letzten in noch jugendlichem Alter, der offenbar die Fähigkeit besaß, den
Beruf eines Schreibers, Boten, Wächters und in gewissem Unuange auch eines
Aufsehers auszuttben. Nur mit Bttcksiebt darauf, daß ihm noä nicht hin¬
reichende Zeit gegeben war, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen
und sich ihm die etwa noch nicht genügend innewohnenden Fähigkeiten dazu
anzueignen, war ihm durch die Bekursentscheidung vom 21. Februar 1906
noch £e Bente von 60**/, gewährt worden. Die seitdem verfiossene Zeit von
mehr als zwei Jahren genügte aber vollkommen, um dem Kläger den Ueber¬
gang in einen anderen, für ihn geeigneten Beruf zu ermöglichen. Die vom
Kläger selbst nach eigener Angabe gefertigte Bekursgegenschrift läßt übrigens
auch nach der Ueberzeugung des Bekursgerichts erkennen, daß der Kläger
die zur Ausübung des Schreiberberufs erforderlichen Fähigkeiten in hinreichendem
Maße bereits besitzt. Wenn er noch keine Stellung trotz mehrfacher Be¬
mühungen gefunden hat, so bat die Beklagte für diesen Mangel an Arbeits¬
gelegenheit nicht aufzukommen; dieser Umstand ist nicht entscheidend für die
Bemessung des Grades der Erwerbsunfähigkeit des Klägers. Diese ist, nach¬
dem jetzt eine hinreichende Uebergangszeit verflossen ist, nicht höher als auf
60 **/o zu bemessen. Der Kläger ist ein rüstiger Mann, er hat den linken Arm
nicht völlig eingebüßt, sondern besitzt noch einen nicht völlig unbrauchbaren
Armstumpf (Oberarm); auch der ihm von der Beklagten gelieferte künstliche
Arm ist nicht ohne Wert.
Die Einholung ftratlicher Gutachten seitens der Bemfsgenossen-
sehaften von schledsgeriehtliehen Vertrauensärzten ist unzulässig. Ver¬
fügung des Beichsversicherungsamtes vom 21. Oktober 1907.
Die Unfallversicherungsgesetze verbieten es den Berufsgenossenschaften
zwar nldit ausdrücklich, die Vertrauensärzte der Schiedsgerichte mit der Er-
448
Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitschriften.
stattnng Ton Gutachten ftber ünfallverletate au beauftragen; es empfiehlt sicli
aber, dies tunlichst zu yermeiden. Einmal sind die Versicherten leicht geneigt,
der Unparteilichkeit des Arztes, der sie im Aufträge der Berufsgenossenschut
begutachtet, za mißtrauen. Damit dürfte, es Zusammenhängen, daß ein Arzt,
der zu einer Bernfsgenossenschaft in einem VertrauensTerhäitnisse steht, für
den Bereich des preußischen Staates nach der auf Grund des § 8 Abs. 2 des
Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallrersicherongsgesetze, erlassenen
AnweisuDg des Königlich Preußischen Ministers für Handel und Gewerbe vom
29. Dezember 1900, betreffend die Wahl der ärztlichen Sachrerständigen bei
den Schiedsgerichten für Arbeiteryorsicberung zum schiedsgerichtlichen Ver»
trauensarzte nicht wählbar ist. Aber auch ohne ein solches Vortrauensyer-
hältnis zur Bernfsgenossenschaft wird ein auch nur yereinzelt yoa Berufs-
genossensebaften mit der Begutachtung üafajlvcrletzter betrauter Arzt den
versicherten als schiedsgerichtlicher Vertrauensarzt leicht weniger yortranens-
würdig erscheinen. Es Uegt ferner auch nicht im Interesse der Schiedsgerichte
selbst, daß ihre Vertrauensärzte yon den Berufsgonossenschaften mit der Be-
rataebtung Unfallyorletzter betraut werden. Denn es wäre bedenklich, wenn
aas Schiedsgericht einen Arzt, der ln einer Streitsache schon für die beteiligte
Bernfsgenossenschaft ein Gutachten abgegeben hat, im Berafungsverfahren als
Gutachter zuziehen würde. Anderseits können für das Schiedsgericht durch
solche Beschränkung in der Auswahl des ärztlichen Sachverständigen Wei¬
terungen entstehen. Diese Erwägungen haben das Reichs-Versieherungsamt
schon mehrfach yeranlaßt, Vorstände yon Berufsgenossenschaften zu ersuchen,
die Vertrauensärzte der Schiedsgerichte — abgesehen yon besonderen Ans-
nahmefällen — nicht mehr mit der Erstattung yon Gutachten über ünfall-
yerletzte zu beauftragen. _
Anhfiriuig des behandelnden Arztes gemltos § 69^ Abs. 8 des G. U. 6.
Bescheid des Reichs-Versicherungsamts yom 27. Dezember 1907.
Es genügt, wenn der behandelnde Arzt, falls er neben dem Gutachten
eines anderen Arztes gehört wird, sich über seine Wahrnehmungen während
seiner Behandlung äußert. Er ist in diesem Falle bei seiner gerichtlichen
Vernehmung als sachverständiger Zeuge zu hören, seine Vernehmung als Sach-
yerständiger erfordert die Gesetzesbestimmung an sich nicht. Ob eine solche
zur Aufklärung des Sachyerhalts erforderlich ist, liegt unabhängig yon der
Vorschrift des g 69, Abs. 8 des G. ü. G. im pflichtmäßigen Ermessen des
Rentenfeststellungsorgans.
Inhalt des Iritllchen Gntaehtens Im Bentenstreltverflahren. Re-
yisions-Entscheidnng des Reichs-Versicherungsamts yom
18. März 1908.
Die Annahme des Schiedsgerichts, daß die Klägerin nicht erwerbsnnAhig
im Sinne des Inyalidenyersicherungsgesetzes sei, beruht auf dem Gutachten
des praktischen Arztes Dr. X. Dieses Gutachten entspricht jedoch nicht den
Anforderungen, welche an ärztliche Gutachten in Rentensachen gestellt werden
müssen. Danach sollen die Gutachten die subjektiven Beschwerden, den ob¬
jektiven Befand und die ärztliche Beurteilung scharf auseinanderhalten und
besonders den objektiven Befand eingehend darlegen. Die Darstellang des
objektiven Befundes muß so eingehend, bestimmt und anschaulich sein, daß
eine Nachprüfung möglich ist. Das Gutachten des Dr. X. beschränkt sich in¬
dessen auf folgende Angaben;
„Die Klägerin klage über Gliederschmerzen, besonders bei Witterungs¬
wechsel, und allgemeine Schwäche. Es bestehe Rheumatismus, auf den
die Gliederschmerzen zurückzubcziehen seien, ferner hochgradige Blut¬
armut, welche die allgemeine Schwäche und öfters Herzklopfen yernisache.
Der Befund an der Lunge und den übrigen Organen weise auf nichts
Krankhaftes hin. Die Erwerbsfäbigkeit sei dauernd um 50 Prozent beein¬
trächtigt. Die Krankheit — der Rheumatismus und die Blutarmut —
hätten sich in den letzten zwei Jahren aasgebildet, aller Wahrscheinlich¬
keit nach infolge schlechter Ernährung und Ueberanstrengung. Die
Klägerin sei noch nicht rentenberechtigt: es sei Besserung des Gesundheits¬
zustandes bei guter Pflege und vernünftiger Lebenswolse zu erwarten.*
BJeinere Mittcilnngen and Beferate ans Zeitschriften.
449
Das Oataehten läßt hiemaeh insbesondere eine aosreieliende Darstellmig
des objektiTen Befondes Termissen. Es fehlt die Angabe, welche objektireii
Ansdeben fttr Bbeamatismos yorliegen, ob es sich um Moskel* oder Odenk-
ihenmatismas handelt, wie weit der Bheomatismos Torgescbritten ist and in
welchem Umfange dadurch BewegangsstOrnngen heryorgerofen werden. Es
ist nicht ersichtlich, ob das Hersklopfen yon dem Sachyerständigen sdbst be¬
obachtet, ob das Herz yon ihm genau untersucht, ob der Puls au Schlagfolge
und Eigenschaften kontrolliert worden ist und ob ttberhaupt eine den r^ea-
sehaftlichen Anfordemngen entsprechende üntersuchung stattgefunden hat.
fehlt jede n&here Begrttndnng dafür, weshalb der Arzt die Beeinträchtigung
der Erwerbsfähigkeit gerade auf 50 yom Hundert schätzt, insbesondere ist
nicht angegeben, in welcher Art und in welchem Maße die Leiden der Klägerin
die Gebrauchsfähigkeit der Gliedmaßen und der KOrperkräfte überhaupt beein¬
trächtigen, und zu weldien Arbeiten sie noch fähig ist. Wenn der Sadi-
rerständlge die Erwerbsbeschränkung auf 76 anstatt auf 50 yom Hundert
geschätzt hätte, so würde auch diese Schätzung mit dem Inhalte des Gut¬
achtens yereinbar sein; tatsächlich sind nicht selten Gutachten, in denen auf
Grund eines ebenso allgemein gehaltenen Befundes wie hier die Inyalidität
anerkannt wurde, zur Kenntnis des Beichs-Versichernngsamts gekommen.
Wäre das Gutachten auch hier zu diesem Endergebnisse gekommen, so würde
die Versicherungsanstalt wahrscheinlich, und mit Becht, Anstand genommen
haben, daraufhin die Bente zu bewilligen, weil sie sich nicht überzeugt halten
künnte, daß dem Urteile des Sachyerständigen eine hinreichend genaue und
erschSpfende Erforschung der körperlichen Verhältnisse zugrunde liege. Ebenso
hrt aber umgekehrt der mitgeteilte Befand nicht ausreichend für die Fest-
steilang, daß die Klägerin nicht inyalide seL Unzweifelhaft kOnnen hoc^radige
Blutarmut und rheumatische Beschwerden auch in dem Alter der Eaägerai
unter Umständen Inyaliden heryorrufen, und daß die Umstände hier nicht so
liegen, bedarf der näheren Darlegung. Nach alledem gibt das Gutachten des
Dr. X. keine genügende Grundlage für die Prüfung, ob die Klägerin erwerbs¬
unfähig im Sinne des Inyalidenyersicberungsgesetzes ist Indem das Schiedsgericht
s^e Sitscheidung lediglich aUi dieses Gutachten stützte, yerletzte es seine Auf-
klirungspfllcht. Das Urteil war daher anfzuheben und die Sache zur ander¬
weiten Verhandlung und Entscheidung an das Schiedsgericht znrückzayerweisen.
Die Berufsgenossensehaften sind nicht zur Ahziehung des Porto¬
betrages bei Zusendung yon Gebühren für ürstliehe Gutachten usw. be¬
rechtigt. Bescheid des Beichs-Versicherungsamts yom 7. No-
Tcmber 1907.
Durch diesen Bescheid wird ein früherer Bescheid des Beichs-Versidie-
mngsamts abgeändert mit der Begründung, daß der Schuldner nach § 270 des
Bürgerlichen Gesetzbuches Geld im Zweifelsfalle aauf seine Kosten* dem
Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln hat.
B. Bakteriologie, Infektlonakraakhelten «ad aadere Kraakheltea.
Das Tuberkulin ln der Hand des praktbohen Arztes. Von Dr. H.
Weicker b Görbersdorf. Wiener Uedb. Wochenschrift; 1907, Nr. 47—51.
Nach ebem auf der 79. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte b
Dresden 1907 gehaltenen Vortrage.
Verfasser tritt warm für die Anwendung der Tuberkulbkur b der
ärztlichen Priyatprazb eb, da das Tuberkulb eb unbestreitbares Hilfsmittel
b der Hand des yorsichtigen Arztes gegen die Tuberkulose ist
Nachdem er die yerschiedenen Theorien über die Tuberkulbwirkung im
Organbmus und im erkrankten Gewebe erörtert hat, betont er, daß sich für
die Tuberkulbkur nicht eignen: Kranke im yorgeschrittenen Stadium, ferner
solche mit ausgesprochenem toxischen Charakter oder bei denen der KOrper-
sustand reduziert bt, sowie unzuverlässige Kranke; geeignet sbd dagegen
frisch Erkrankte, chronbehe, offene oder geschlossene Langentaberkulosen,
ferner Kranke mit Tuberkulose anderer Organe, darunter auch Larjnxtuber-
knlose im Begbn der Erkrankung. Genaue Körperwägungen und Temperaturen
sbd unentbehrlich. Lungenblutungen bilden kebe generelle Kontrabdlkation
für die Tuberkulbkur. Verfasser gibt dann wertvolle Winke für die Art der
Behandlung, und Dosierung des Trachoms. Jede Erhöhung der Temperatur
460
Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitechrlften.
um S bis 8 Teilstriche Aber die Norm ist als spesiflsehe Reaktion anfsnfassea,
ebenso leichte Störungen des Allgemeinbefindens. Die Temperatur mnß drei*
stfindlichy erent. auch nachts gemessen werden. Jede hone Reaktion mnfi
streng Tcrmieden werden. Bei den geringsten Anseichen einer Reaktion darf
bei der nächsten Injektion die Taberkolindosis nicht gesteigert werden; durch
vnsweckmäSige Dosierong der Taberkolininjektionen kOnnen schwere Schädi*
gangen, sogar der Tod, herbeigeftihrt werden. Ueber die maximale Enddosis
können keine allgemein gültigen Regeln anfgestellt werden; in einem Falle g^
iMgte der Verfasser bis za 1 cg reinen Alttaberkolins, mitnnter Termag
man jedoch ttber die erste kleine Dosis (1 mg) nicht hinaasgehen. BezfigUch
der Weiterbehandlang stehen eich zwei Ansichten gegenüber. Nach der einen
soU mit der erreichten Haximaldosis in Intervallen von 2 bis 4 Wochen, Monate,
ja, Jahre hindurch, die Behandlung fortgesetzt werden. Nach der anderen
Ansicht (Petraschky) beginnt man mit der Behandlung nach einigen Monaten
Ton neaem. Diese Etappenkuren werden ttber einen Zeitraum bis sa zwei
Jahren verteilt. Der Verfasser bevorzuf^ die erste Methode.
Die Fiebernden werden zweckmäßig in Heilanstalten einer Injdktionskar
unterzogen.
Bei den diagnostischen Tuber kalininjektionen soll man auch
mit kleinsten Dosen beginnen, z. B. ttnd lan^am steigern. Losen
diese dentliohe Temperatarsteigerungen von 2 bis 3 Teilstrichen ans, so mnß
der Kranke als tuberkulös angesprochen werden. Eine Tempeiatursteigemng
aof sehr niedrige Dosen spricht fttr eine frische Erkrankung. LOsen geStmgerte
Dosen erst Reaktion aus. so ist wahrscheinlich die Erkrankung schon eine
länger bestehende. Wird vorübergehend während der Reaktion die Stimme
belegt, so liegt der Verdacht einer submukOsen Larynztuberkulose nahe; findet
aidi Aibumen, so muß man an eine etwaige Nierentuberkulose denken.
Jeder der reagiert, kann als tuberkulös angesprochen werden, wenn sonst
die Diagnose wahrscheinlich ist.
Zum Schluß bespricht der Verfasser noch die Stellang der Kranken¬
kassen za den Tuberkulinkuren; danach liegen diese nicht außerhalb ihres
Fttrsorgegebiets, eine Verpflichtung dazu wird aber heute noch verneint werden
mttssen, da die Kassen die Tuberkulinkuren nicht zu den ärztlicherseits all¬
gemein anerkannten Behandlungsweisen rechnen. Einzelne Landesversicherangs-
anstalten haben die Tuberkulfainachbehandlung auf ihre Kosten ttbemommen.
ünfaUversicherte rät der Verfasser von der Behandlung als ungeeimet aos-
zoschließen. _Dr. Karpjaweit-Berlm.
Die Dosierung des Alt-Taberklins in diagnostischen Zwecken. Von
Dr.LOwenstein-Beelitz. Deutsche Aerzte-Zeitung.
Verfasser wendet sich gegen die Auffassung, daß zur Erzielung einer
Reaktion die Steigerung der Taberkolindosis unentbehrlich sei, da von kumu¬
lativer Wirkung keine Rede sein kOnne. Er hat deshalb zu diagnostischen
Zwecken von einer Steigerung der Dosis abgesehen und dieselbe niedrige Doris
von */io lüg viermal in Abständen von 3—4 Tagen injiziert. Er fand bei 800
Fällen, daß auf die erste Einspritzung 23,0’/o reagierten, auf die zweite 24,0*/«,
auf die dritte 85,7**/* und auf die vierte 17,0 */o. Auf Grund dieser Erfahrungen
empfiehlt Autor, seine Methode weiterhin zu prüfen und betont folgende Mo¬
mente: 1. Durch die Anwendung derselben Dosis, mag dieselbe Vi«, '/lo oder
1,0 mg betragen, kommt der qualitative Charakter der Reaktion
zum Ansdru^ der durch die Steigerung der Dosis bis zum Eintritt einer
Reaktion völlig verwischt wird. 2. Der diagnostische Wert der Reaktion wird
um so hoher angesehlagen, je kleiner die Dosis ist, durch welche sie hervor-
gerufen wird. Dr. Klare-Haina (Bez. Cassel).
Die frUiieitige Diagnose der Tuberkulose und die Ophthalmoreaktion.
Von Dr. Giovanni C o c c i - Florenz. Allg. Wiener med. Zeitung; 1908, Nr. 1—8.
(.La Clinica Modema“ 1907, Nr. 32).
ln einer Einleitung streift der Verfasser alle Methoden, die abgesehen
von den klinischen Ontersuchungsmethoden, angewandt werden, um die Dmgnose
Tuberkulose sicher zu stellen.
Neuerdi^ ist ebe neue Methode mitgeteilt worden, die Cutisreaktloa
T. Pirquet-Wien). Diese beruht darauf, daß bei tuberlralOsen Säuglbgen
Kleinere Mitteilungen und Befemte nnn Zeitaohriften
451
nnek einer Hnntimpfang mit verdlinntmn Tnberknlin an der Impfstelle eine
bald yersohwindende rosagef&rbte Papel ersoheint, bei gesunden dagegen nicht.
Zahlreiche Nachprüfungen haben nicht immer die gleichen Besultate ergeben.
Wolll Eisner modiflsierte die Methode, indem er in das Auge eines
tnberkulSsen Tieres einen Tropfen verdünnten Tuberkulins einbrachte. Nach
12—20 Stunden sidi er eine starke Conjunktivltis anftreten.
Calmette hat ^ese sogenannte Ophthalmoreaktion auf eine solide
Basis gestellt, indem er eine prizise Technik angab. Zahlreiche Nachprüfungen
haben ergeben, daß nur bei tuberkulösen Personen eine Beaktion erfolgt.
Zur Beaktion benutzt man eine Lösung von trockenem
TuberkuUn in sterilisiertem, destilliertem Wasser, wovon ein Tropfen in den
inneren Augenwinkel geträufelt wird. Die Beaktion tritt nach 6—18 Stunden
auf; je nach der Intensität der konjunktivalen Veränderungen unterscdieidet
man eine leichte, eine mittlere Form, die 24—86 Stunden anbalten, und eine
intensive Form, ue 6—6 Tage dauert. Ceratitis, Iritis und Entzündungen der
tieferen Angenhäute treten nie auf, sondern lediglich eine Entzündung der
C<Mi|unctiva bulbi et tarsi. Das Sekret besteht ans Schleim, nie aus Kbrin,
und im wesentlichen aus polynukleären Leukozyten.
Junge Individuen und Kinder reagieren frühzeitig und energisch. Kranke
mit veralteten Läsionen und mit scheinbarer Gesundheit können kräftig, wenn
auch spät reagieren. Alte, kachektische sowie sterbende Personen reagieren
schwach oder gar nicht Geheilte Tuberkulöse und Neugeborene realeren
gar nicht.
Gegenindikaiionen gegen die Anwendung der Methode sind Augen*
affektionen.
Auf die Pharynx* oder Genitalschleimhaut appliziert, ruft die Tuberkulin-
lOsnng keine Beaktion hervor.
Der Verfasser hat auf Veranlassung des Prof. Bruoi an dem Material
der chirurgischen Eiinik in Florenz die Methode an 66 Individuen nachgeprüft;
16 davon waren klinisch tuberkulös, 25 nicht tuberkulös und bei 14 war die
Diaraose zweifelhaft. Bei den Tuberkulösen erhielt er stets eine positive
Beaktion, bei den 14 zweifelhaften Fällen 7 mal positive, 7 mal negative und
und bei 25 Nichttuberkniösen 9 positive, 16 negative Beaktionen. Die Stärke
der Beaktion war vom Lebensalter nicht abhängig; intensive Beaktionen
konnte der Verfasser nicht beobachten. Die nichttuberkulösen Personen nüt
I tositiver Beaktion waren nach den anamnestischen Erhebungen z. T. tuberku*
Os belastet.
Der Verfasser kommt auf Grund seiner Beobachtungen zu folgendem
Schluß:
1. Die Methode ist ungefährlich.
2. Bleibt die Ophthalmoreaktion bei einem nicht kachektischen Individuum
negativ, so ist er sicher nicht tuberknlös.
8. Eine positive Ophthalmoreaktion bietet ein Kriterium für die Diagnose
Tuberkulose, ohne aber einen Anhaltspunkt weder für die Schwere der Er*
krankung noch für ihre Lokalisation zu geben.
Absolut spezifisch ist die Beaktion nicht, da auch bei nicht tuberkulösen
Erkrankungen mitunter eine positive Beaktion auftritt.
_ Dr. Eurpjuweit-Berlia.
Die Ophthalmoreaktion nach Calmette hei Kindern mit Berttcksleh*
tignng der llbvigen spezillsehen Beaktionen auf Tuberkulose. Von Assistenz¬
arzt Dr. Bayaerdin Aarau. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung; 1908, Nr.7.
Das feinste Beagens auf Tuberkulose, besonders für die Diagnostik der
laitialfälle, ist das Koch sehe Alttuberkulin. Zu diesem Zwecke kann es dem
zu Untersuchenden einverleibt werden: durch subkutane Injektion, nach Pir*
quet durch Vakzination zur Herbeiführung der Kutireaktion, nach Calmette
durch Eintropfen auf die Bindehaut des Auges. Jede der drei Anwendungn*
arten wird für sich eingehend besprochen und hinsichtlich ihrer Zuverlästigkdt
gewürdigt, die letztgenannte unter Zugrundelegung einer tabellarischen Ueber*
acht über die im Kinderspital in Zürich beobachteten Erfolge der Ophthi^o*
reaktion bei 94 Kindern im Alter von 8 Monaten bis 15 Jiüiren. Bei 44 klinisdt
sicheren TuberkulosefäUen erfolgte bei 4 Patienten keine Beaktion; unter
letzteren waren 2 Fälle als ansgeheilt zu betrachten; ein Anhaltspunkt, wes*
452
Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zeitaehriften.
halb die beiden anderen I^le nicht reagierten, konnte nicht gefonden werden.
Unter 46 klinisch nicht tnberkolOsen Patienten reagierte einer. Die in den
bisher erschienenen VerOffentiichnngen ttber die Ophthalmoreaktion bei Kindern
beschriebenen Resultate verhalten sich fast ebenso.
Sowohl die Ophthalmoreaktion, wie die Kutireaktion zeichnen sich ans
durch das Fehlen der Allgemeinreaktion, durch ihre Oefahrlosigkeit, ihre leichte
Ausführbarkeit und durch die Möglichkeit, auch bei Fiebernden angewendet
werden zu können. Verfasser meint, das Publikum würde der Methode der
Ophthalmoreaktion sympathischer gegenüberstehen, als der der Kutireaktion;
erstere würde sich besonders in der Kinderheilkunde rasch einbürgem. Viel«
leicht wird sich das Prinzip auch bei auderen Erkrankungen, deren Erreger
wir kennen, anwenden lassen. _ Dr. Lohmer-COln.
Yerglelehende üntersuehnngen mit der Koüjanktivalreaktlon nneh
Wolff-Elsner und der Salbenreaktion nach More. Von Dr.H. Heine«
mann-München. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 11.
Verfasser stellte Versuche über die Wirkung der Konjunktivalprobe nach
Wolf-Eisner und ttber die Salbenprobe nach Moro an und kam zu folgen¬
den Schlüssen:
1. Die Salbenprobe nach Moro kommt der Tnberknlosediagnostlk beim
Erwachsenen mindestens in dem Maße zu Hilfe, wie die Konjunktivalprobe
nach Wolff-Eisner.
2. Nach der Konjunktivalprobe sah Verfasser Konjunktivitiden auftreten.
die oft 14 Tage hindurch die Patienten belSstigten. Die Salbenreaktion verlief
stets harmlos und belästigte die Patienten in keiner Weise, worin Verfasser
einen bemerkenswerten praktischen Vorteil der Salbenreaktion vor der Kon-
jnnküvalreaktion erblickt. _ Dr. Waibel-Kemptmi.
Zur Frage nach dem Wert und den Gefahren der Ophthalmoreaktion*
Von Prof. A. Siegrist, Direktor der Üniv.-Angenkllnik in Bern. Therapeut»
Monatshefte; 1908, Heft 4.
Verfasser bespricht besonders die Gefahren der Ophthalmoreaktion auf
Tuberkulose: 1) Ein Augenleiden kann durch sie sehr heftige Verschlimmerung
erfahren; 2) auch ein gesundes Auge bleibt oft nicht inti^t. Mehrmals sah er
heftige phlyktänuläre Ophthalmie entstehen. Am meisten erregten aber seine
Aufmerksamkeit 4 Fälle, bei welchen außer der Conjnnctiva der Lider auch
die Conjonctiva bulbi sich ziemlich stark entzündete und nach 8—10 Tagen
mit kleinen Knötchen flbersät war, die sich mikroskopisch als Tuberkel er¬
wiesen. Dr. Klare-Heina (Bez. Cassel).
Die SteUnng des Augenarztes zur Ophthalmoreaktion* Von Dr. P.
Sobultz-Zehden in Berlin. Tharapentische Monatshefte; 1908, Heft 4.
Auf Grund seiner Erfahrungen, die er an 160 Fällen gewonnen hat,
steht Verfasser der Ophthalmoreaktion durchaus freundlich gegenüber. Er
sah selbst an kranken Augen keine besonderen Schädlichkeiten danadi anf-
treten. Nur an Augen mit frischen Verletzungen und frischen Homhant-
geschwttren resp. geplatzten Phlyktänen hat er sie bisher nicht geübt ans
Furcht, die in dem Tropfen Tuberkulinlösung befindlichen Tuberkelleiber
könnten eine tuberkulöse Wucherung verursachen. Den größten Wert legt
er darauf, daß allgemein ein einheitliches Präparat benutzt werden möge;
denn nur so werde man zu einem abschließenden Urteil ttber'den Wert und
die Gefahren der Ophthalmoreaktion, die er nicht als Spielerei oder diagnostische
Eselsbrücke benutzt haben will, gelangen. Dr. Klare-Haina (Bez. Cassel).
Ueber die Schwierigkeiten der Diagnose der zerebrospinalen Menlngl-
tiden* Von Dr. L. F. Dmitrenko. Ans dem Neuen städtischen Krankea-
hanse zu Odessa. Allgemeine Wiener Med. Zeitung; 1907, Nr. 60—62.
Der Verfasser weist auf einen namentlich von französischen Autoren
eingehend beschriebenen Symptomenkomplez hin, den man unter dem Namen
Meningismus (d. h. Pseudomeningitis) zusammenfaßt. Die Pseudomeningitidea
können sämtliche Symptome der echten Meningitis cerebrospiniüis aufwdbma.
Sie kommen vor bei fibrinöser Lungenentzündung, Influenza, Abdominaltyphns-
Kleinere Hitteilungen and Referate ans Zeitschriften.
453
Ziegenpeter, Tetanus, Darmeikrankungen und auch bei Hysterie. Hie ünter-
suchung der Zellen in der Lumbalfltissigkeit (Zyptoskopie) und die bakterio*
loräcbe Untersuchung haben bei der genauen Diagnose der Meningitis wert,
T<^e Aulschlttsse ergeben; namentlich letztere hat bei der Deutung des
Meningismus eine wichtige Rolle gespielt. Wenn die Untersuchung weder
Eiter noch Bakterien ergibt, so ist, wie zahlreiche Autoren annehmen, an die
Wirkung von Toxinen zu denken; für die Erkrankung schlägt der Verfasser
die Bezeichnung Intozikationsmenin^lis Tor. Mitunter sind aber in solchen
Fällen noch Bakterien in der Hirnsubstanz gefunden worden, z. B. Ton Seitz:
Eolibazillen.
Um die Schwierigkeiten der Dir^ose darzutun, erwähnt der Verfasser
einen Fall, bei dem deutliche Erscheinungen einer Meningitis oerebrospinalis
bestanden. Die einzelnen Symptome waren aber wenig stabil und gleichsam
launenhaft, gegen Schluß der Erkrankung traten zahlreiche Pusteln am ganzen
KOrper auf. Auf Grund dieser Erscheinung wurde die Diaraose Pyämie mit
mutmaßlicher pyämischer Meningitis gestellt. Die Lumbalpunktion war negatir
Terlaufen. Die Sektion bestätigte die Diagnose nur zum Teil, da am Gehirn
keine Veränderungen nachweisbar waren.
ln einem zweiten Falle mit ausgesprochenen Zeichen von Meningitis
eerebrospinalis, bei denen die Lumbalpunktion eine eitrige Flüssigkeit ergeben
hatte, fand man bei der Sektion eine yerrnkOse ulzerierende Endocarditis, die
Sur Thrombose der linken A. carotis und zirkumskripten hämorrhagischen
Encephalitis geführt hatte; Meningitiserscheinungen waren nicht vorhanden.
Bei einem dritten Patienten bestanden neben den Zeichen einer Nephritis,
meningitisohe Erscheinungen, die aber wenig ausgeprägt waren und, da Fieber
fehlte, mehr an Urämie denken ließen, zumal die Lumbalpunktion negativ
verlaufen war. Bei der Sektion fand man jedoch eine ansgebreitete Meningitis
cerebrospinalis, die durch Fränkelsche Diplokokken verursacht war; die
Nieren zeigten das Bild der chronischen Schrnmpfniere.
_Dr. Kurpjnweit'Berlin.
Erfahrungen mit Kelle •Wassermannschem Meningokokkenhellsemm.
Von Dr. E. Levy in Essen. Deutsche Med. Wochenschrift; 1908, Nr. 4.
Verfasser behandelte von April bis November 1907 in den städtischen
Baracken zu Essen 40 bakteriologisch sichergesteUte Genickstarre'Fälle.
Während außerhalb des Krankenhauses verpflegte Kranke zu 80°/o starben,
betrug die Mortalität ^ den Baracken insgesamt 42,6*’/o. Von den nicht mit
ChBaidostarre* Serum behandelten 14 Fällen starben 11 (= 78,5 **/o), dagegen von
den mit systematischer intralumbaler Serum - Injektion versehenen 17 Kranken
ging nur 1 (= 6,26**/o) ^1». Verwendet wurde das Kolle>Wassermann-
sche, im Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin hergestellte Heilserum,
und zwar in hohen Einzeldosen (20 ccm bei Kindern und leichteren Fällen
von Erwachsenen, 80—40 ccm bei schweren Fällen), die solange wiederholt,
wurden, bis eia dauernder deutlicher Erfolg verblieb. Die subkutane Injektion
versagte, nur die Einspritzung in den Duralsack scheint wirklichen Wert zu
haben. Die Wirkung auf Fieber und AUgemeinbeflnden war verschieden
Nebenwirkungen, abgesehen von einigen harmlosen Serum>Exanthemen, wurden
nicht beobachtet. Die Levy sehen Erfahrungen dürften zur weiteren aus¬
gedehnten Anwendung der Sernmbehandlung der Genickstarre ermutigen.
Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Uehor Meningitis cerebrospinalis epidemica Im hßheren Lebensalter.
Von Prof. Dr. Hermann Schlesinger in Wien. Wiener med. Wochenschr.;
1906, Nr. 14.
Vom 60. Lebensjahre ist die Zahl der Erkrankungen eine sehr kleine,
wenn auch epidemische Genickstarre selbst noch in hohem und höchsten
Lebensalter Vorkommen kann. Diesen Schluß konnte der Verfasser ans zafal-
reieben Statistiken ziehen; so entfallen nach Platten auf 2916 Erkrankungen
der schlesischen Epidemie vom Jahre 1906 nur 11 auf das 60.—60. und 6 auf
flas 60.-70. Lebensjahr; nur 2 Kranke waren älter als 70 Jahre.
Bisweilen weicht das Krankheitsbild bei den älteren Personen so er¬
heblich von dem bei den jugendlichen Personen ab, daß man, nach Ansicht des
VAvIftflflATfl wAfi AinATTi hAaAniiAi*An (rrMnlrhAit.fltTnnR. <lAm fiAnilAti Tvnnfi
464
Tagesnachriehten.
midemisehen MeningitiB sprecheB kaoB. Die BrkraBkiug begdaBt sehleieheBdf
KopfschmeraeB aad Erbrechea sind hinfig, dagegea ist die naekeasteifigkeity
was besoBders aaffaUead erscheint, nur wenig entwickelt. Bei aliea wmde
frühzeitig das Kernig sehe Symptom gefunden oder ihm ein gleichartiges
Symptom, n&mlich das Auftreten heftiger Schmerzen bei Beugung des ge*
streckten Beines im Hüftgelenk. Das Sensorium ist frühzeitig schwer getrübt
und zeigt Torübergehende Besserungen nach Spinalpunktionen. Die Puls¬
frequenz ist nicht herabgesetzt, semdern gesteigert. Anfallsweise tritt Cheyne-
Stockessches Atmen aul
Himlähmungen (Paresen des Facialis, des Abdneens) sind h&aftg und
transitorischer Art. Herpes wurde überall beobachtet Die Temperatur ist
subfebril, normal zeitweilig sogar snbnormal und nur selten aadauemd kodi.
Die bei jüngeren Individuen regelm&ßig auftretende starke Abmagerung madit
sieh nur selten bemerkbar,
Meningokokken (vom Typus Weichselbaum) wurden bei allen Spinal-
Punktionen gefunden, ln zwei Fällen hatten wiederholte Spinalpunktionen in¬
folge ausgedehnter Verklebungen der Meningen ein negatives Besultat. Wieder¬
holte Spinalpunktionen haben im idlgemeinen einen günstigen Einfluß auf den
Krankheisverlauf.
Eine sichere Diagnose ist nur durch die Spinalpunktion und bakterio¬
logische üntersersuchung der Spinalflüssigkeit mOglicb, zumal auch neben der
Meningitis epidemica die tuberkulöse Meningitis zu gleicher Zeit gehinft auf tritt.
Die pathologisch-anatomischen Veränderungen sind bei der senilen
Meningitis nicht andere als bei der jugendlichen.
Bei der Behandlung scheint sowohl das Jochmannsche als auch das
Buppelsche Serum zweckmäßig zu sein. Heiße Wicklungen des Bumpfb
und der Beine wirken schmerzlindernd. Die Prognose ist im ^Igemeiuea etee
ungünstigere als im jugendlichen Alter. Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Tagesnachrichten.
Das Ergebnis der am 11. und 12. d. Mts. im Beichsamt des Innern
stattgehabten Konferenz von Kommissaren der beteilgten Beichs- und
preußischen Behörden, Vertretern der Aerzte und v<m Krankenkassen usw.
auf der die bevorstehende Abänderung des Kranken •VersiGhernngsgeeetBee»
insbesondere die Begelung der Beziehungen zwischen Krankenkassen und
Aerzten zur Erörterung gelangt ist (s. Nr. 11 dieser Zeitschrift, S. 416), soll
nicht zugunsten einer gesetzlichen Einführung der freien Aerste-
wahl ausgefallen sein. Es soll jedoch angestrebt werden, das Verhältnis der
Aerzte zu den Krankenkassen zum Nutzen der Aerzte und ohne Schaden der
Kassen durch Einführung obligatorischer Schiedsgerichte und Einigungs-
kommissionen zu verbessern. Die seinerzeit von dem Krankenkassentag
stdlte Forderung des Knrierzwanges für die Kassenärzte wurde von aUMi
Aerzten abgelehnt.
Durch Gesetz vom 19. Mai ist die MedlzinalordnuBg der freien Haase-
staflt Bremen vom 2. Juni 1901 dahin abgeändert, daß für die Stadt ein
vollbesoldeterKreisarzt mit Untersagung der Privatprazis vorgesebmi ist.
Die übrigen Kreisärzte, sowie der Gerichtsarzt beziehen dagegen nach wie vor
nur ein Jahresgehalt, ohne Beamte im Sinne des Beamtengesetzes zu sein.
Das Gehalt des vollbesoldeten Kreisarztes beträgt 65(X) Mark, steigend von 6 zu
6 Jahren, zuerst um 1500 und dann 8 mal um je 1000 Mark bis au 10000 Mark.
Der Deutsebe Verein für Öffentliche Gesnndheitspflego hält seine
XXXni. Hauptversammlung vom 16 —19. September in Wiesbaden ab.
Folgende Tagesordnung ist festgesetzt:
Mittwoch, den 16. September: 1. Städtische Gesundheitsämter und Ihre
Aufgaben; Geb. Med.-Bat Dr. V. Es mar ch-Göttingon, 2. Wasserversorgung
in ländlichen Bezirken; Geh. Oberbanrat Schmieck-Darmstadt — Donnerstag,
den 17. Se^ember: 1. Die Ursachen der „Nervosität" und ihre Bekämpfung;
Geh. Med.-mt Prof. Dr. Kramer-Güttingen. 2. Die hygienischen Omndsätso
fftr "Ran WAn VAllraaAlinlAti • Rt’.aiifhtt.nrAf P. RAlilAti« MUtiAtiAti _ PpAlt m g»
Tagemaohrlehtaii.
466
4«b 18. 8ept«mb«r: Die hygieeieche Bedeatoog Btftdtiioher KarktheUea, ihte
EinrichtUDg and ihr Betrieb. Stadtbaoinspektor Dr. ing. Küster•Breelan.—
Samstag, den 19. September: Gemeinsamer Ansflag nach dem NiederwalddeakmaL
Auf dem inteniatleMleii Kongress für das Bettnagsweseny der Anfang
Joni U Frankfurt a. tf. tagte, wurde beschlossen, den Kongiw m ^er
danernden Einriohtnng unter den KongreSstaaten xn machen und alle 5 Jahre
einen solchen absahalten. Für 1918'wurde eine Einladnng der Stadt Wien
angenommen. Anßerdem wurde ein ständiges internationales Komitee für
Bettnngswesen gebildet
Die sSchsisehe zweite Kammer bewilligte 200000 Mark für die
1911 in Dresden stattflndende grosse IntemattonsSe Hygiene-Ansstellug)
die dadurch gesichert ist. _
Auf dem KIT* Deleglertentag der Yerelnignng Dentseker Hebammen
am 26. und 26. Mai d. J. in München stellte Prof. Dr. Stumpf •München
folgende Forderungen zur Beform des Hebammenwesens auf:
Jeder Hebamme soll ein bestimmter Bezirk zugewiesen nnd das freie
Praktizieren der Hebammen beseitigt werden. Den Bezirkshebammen soll ein
Mindesteinkommen von 700 Mark auf dem Lande nnd von 900 Mark in den
Städten garantiert werden; anfierdem sollen sie gegen Krankheit, Invalidität
nnd Alter sichergestellt werden.
Die Ausbildangszeit soll in ganz Deutschland gleichmäßig auf 10 Monaten
festgesetzt und in einen Vor- und Hanptkurs eingeteilt werden; den Hauptkurs
sollten nur solche Schülerinnen besuchen dürfen, die den Vorkurs erfolgrei^
absolviert haben; anderenfalls sollen diese nur als Wochenhettpflegerinnen
anerkannt werden.
Von den Schülerinnen soll ein besseres nnd umfassenderes Allgemein¬
wissen verlangt und bei der vor einer Kommission am Sitze der Begierung
absnlegenden Aufnahmeprüfung nachgewiesen werden.
Den Gemeinden soll das Vorschlagsrecht von Schülerinnen entzogen
werden. Die Ausbildung der Hebammen soll auf Kosten des Staates erfolgen.
Die Hebmnmenschulen sollen selbständig, von den üniversitäts-Frauen¬
kliniken unabhängig gemacht und der Staatsregiernng direkt unterstallt
werden.
Epidemisch auftretende Haarkrankheit, ln SchSneberg bei Berlin
herrscht seit einiger Zeit eine Haarkrankheit unter den Schülern einer dortigen
Schule, die durch einen besonderen Pilz, Mikrosporon Andonini, verursacht
wird. Auf der behaarten Kopfhaut treten mnde weiße Flecken auf, die Haare
brechen ab und fallen schließlich ans. Die Krankheit, die in früheren Jahren
bereits in Paris und Basel in größerem Umfange aufgetreten ist, ist zwar an
sich ungefährlich, aber sehr langwierig und vor allem sehr leicht übertragbar.
Die Berliner medizinische Gesellschafc hat sich in ihrer letzten Sitzung vor
Pflegsten bereits näher mit der Epidemie beschäftigt. Wie in der Sitzung von
mehreren Aerzten mitgeteilt wurde, hat die eigenartige Epidemie in SchOnebers
schon einen erheblichen Umfang angenommen; einige Fälle haben bereits An^
nähme in das dortige Auguste-Viktoria*Krankenhaus gefunden. Geh. Med.-
Bat Prof. Dr. His, der vor Jahren in Basel eine Epidemie von 200 Fällen
beobachtet und deren Bekämpfu^ dort geleitet hat, bestätigte die außer¬
ordentliche Uebertragbarkeit des Krankheitserregers. Er empfahl, bei Zeiten
gegen die SchOneberger Epidemie einzuschreiten, damit man nicht schließlich
zu so großen Aufwendungen gezwungen werde wie in Paris, wo man bereits
viele kosende für die Bekämpfung der epidemisch auftretenden Kranklmit
ansgegeben hat und zuletzt gar eine besondere Schule für die davon befallenden
Kinder einrichten mußte.
Der SchOneberger Magistrat ist in energische Bekämpfung der Krank¬
heit eingetreten und hat auf den Bat vom Geb. Med.*Bat Dr. His an-
^rdnet, daß alle Schüler der Oemeindeschulen, erforderlichenfalls auch der
hüheren Schulen, sofort ärztlich untersucht, etwaige erkrankte oder der
Krankheit verdächtige Schüler vom Schulbesuch ausgeschlossen und einem
466
SpreohsML
Knukeiüiftiise zur Behandlung bezw. Beobachtung ftberwiesen werden. Diener
ersten systematischen ärzUichen Untersnchong aller Schnlen sollen sieh
periodische Untersuchungen in kttrzeren Zeiträumen ansehlieBen.
Durch Fertigstellung des vier Bände umfassenden ofilzleUeu Kengrezs-
beriehtz sind die Arbeiten des XIY. internationalen Kongresses ftr H^ene
und Demographie Berlin 1907 beendet. Der Versand der beiden letzten
Bände an Mitglieder des Kongresses erfolgt noch im Laufe dieses Monats.
Der gesamte Bericht ist im Verlag August Hirschwald, Berlin, er«
schienen und zum Preise yon M. 60 im Buchhandel erhältlich. Auch weirden
die Bände einzeln zu folgenden Preisen abgegeben: Band I: 6 M., Band U:
14 M., Band XU 1. TeU: 10 M., Band IH 2. TeU: 10 M., Baad IV: 10 M.
Erkrankungen und Todesfälle an anzteekenden Krankheiten ln
Prenssen« Nach dem Ministerialblatt fftr Medizinal« und medizhiische Unter«
riehts« Angelegenheiten sind in der Zeit yom 26. April bis 28. Mai 1908 er«
krankt (gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber,
Bflckf allfieber und Pest: — (—); Pocken: 25 (7), 82 (5), 82 (4), 18 (2);
Tollwut: — (—), — (—), — (—), 1 (—); Bißyerletzungen durch
tollwntyerdächtlge Tiere: 6 (—), 6 (—), 8 (—), 12 (—); Botz: —
(-), - (-), 2 (-), 1 (l); Milzbrand: 6 (1), 4 (2), 6 (-), 8 (1); Buhr:
12(—), 8 (—), 4 (—), 4 (1); Unterleibstyphus: 164 (18), 170 (16), 16t
(19), 199 (lO); Diphtherie: 1128 (98), 1198 (86), 1206 (57), 1099 (65);
Scharlach: 1506 (94), 1418 (72), 1888 (65), 1227 (51); Genickstarre:
60 (18), 69 (21), 49 (21), 59 (27); Kindbettfieber: 120 (29), 104 (88), 89
16, iOO (29); Fleischyergiftung: 4 (—), 6 (1), — (1), — (—); Trichinose:
— (—), 6 (—), — (—), — (—); KOrnerkrankhelt (erkrankt): 876, 869,
281, 806; Tuberkulose (gestorben): 745, 679, 721, 677.
■praohnnaL
Anfrage des Kreisarztes Dr. L ln M.t 1. Sind sämtliche hom6o«
pathische Mittel (KSmer, Tropfen, Pulyer usw.) ohne weiteres dem freien
verkehr ttberlassen oder nicht P
Antwort: Auf die homöopathischen Arzneimittel finden die Be-
stinunnngen der Kaiserlichen Verordnung yom 22. Oktober 1901 Anwendung;
danach sind alle Zubereitungen wie Tropfen, Pulyer, Körner usw. dem frden
Verkehr nicht fiberlassen (s. Verzeichnis A 4, 6 und 9); desgldchen dttrfen de
von Kurpfuschern nicht abgegeben werden.
2. Kann nach den jetzt geltenden Bestimmungen nicht gegen Kur«
pfusch er yorgegangen werden, wenn sie lediglich auf eingeschlclrten Urin die
Diagnose stellen und dann homöopatische Körnchen abgeben P
Antwort: Nur wegen gesetzwidriger Abgabe yon nicht freigegebenea
Arzneimitteln (s. Antwort auf Frage 1).
Anfrage des Kretsarztes Dr. 8. in L«: Gibt es eine gesetzliche Vor«
Schrift, nach der ein Typhns*Bekonyaleszent bestraft werden kann, der aus
dem Krankenhanse entweicht, bevor seine Absonderung aufgehoben ist, d. h.
die yorgeschriebenen bakteriologischen Untersuchungen seiner Ausscheidungen
sich als frei yon Typhuskeimen ergeben haben P Die Strafyorschriftmi des
Preußischen Seuchengesetzes sehen diesen Fall nicht vor. Kann ein Strafyer«
fahren wegen Verletzung des § 327 Str.>G.*B. eing«fleitet werden P Sind sdbon
Entscheidungen der Gerichte in gleichen oder ähnlichen Fällen bekannt P
Würde eine Strafverfolgung Aussicht auf Erfolg haben P
Antwort: Falls die Absonderung von der zuständigen Polizeibehörde
angeordnet und diese Anordnung dem Kranken bekannt gegeben ist, handelt
es sich zweifellos um eine wissentliche Verletzung der angeordneten Absperrungs«
maßregeln, die nach § 827 Str.-G.>B. strafbar ist. Eine Strafverfolgung würde
donunfolge Aussicht auf Erfolg haben, wie sich aus dem Urteil des Beichs«
gerichts vom 8. März 1896 (s. Z. f. M., 1896; B eüage, 8. 127) ergibt.
Verantwort!. Redakteur: Dr. Rapmund, Reg.-n. Geb. Med.«Rat in Mindeni. W.
J r! f? läranu TTsiwwrkfrl n V _T I«
21 Jahrg.
1908.
Zeitschrift
ffl?
MEDIZINALBEAMTE.
Zmtnlblitt für das gesants fissundbeitswssn,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
HerauBgegebea
ron
Dr. OTTO RAPMÜND,
Regtoroiift- nnd Oeh. XediibialrAl In Minden«
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fisehers mediz. Buehhandlg., E Kornfeld,
HlnogL Bayw. HM- m. Bntwno^ Kammir - BnchMiUU w.
Berlin W. 35, Lützowstr. 10.
Inserate nehmen die Torlagshandlong sowie alle Annoncen-Expeditionen des In-
nnd Auslandes entgegen«
Nr. 13.
BMeheiiat mm S. and 90. Jeden Monate.
5. Juli.
Die gesundheitliche Beaufsichtignng der Bergwerksbetriebe
durch die Kreisärzte.
Von Ereisnrat Dr. Cnrtlag-GToßkamsdorf.
Im allgemeinen werden die gesundheitlichen Schädigfungen
der Bergwerksarbeit vom Publikum sehi* überschätzt, anderseits
aber auch von einzelnen Fachleuten in ein etwas zu rosiges Licht
gestellt. Wenngleich die allgemeine Mortalität der Bergleute
entsprechend derjenigen der übrigen Bevölkemng in den letzten
Jahren Dank der Verbessemng der sozialen und hygienischen
Verhältnisse nicht nnerheblich znrückgegangen, bei ein¬
zelnen besonders gefährdeten Gruppen von Bergleuten gegen
früher verhältnismäßig sogar noch stärker gesunken ist, so
überragt sie doch um ein allerdings geringes Maß die Mortalität
der übrigen gleichaltrigen männlichen Bevölkerung. Die allge¬
meine Regel, daß die Mortalität entsprechend der Bevölkernngs-
dichtigkeit wächst, hat anch hier Giltigkeit; es ist z. B.
die Sterblichkeit der Bergmannsbevölkernng in den westlichen,
dichtbevölkerten Indnstriezentren größer, als im Oberbergamts¬
bezirk Halle.
Bei der Benrteilnng der Sterblichkeitsverhältnisse der Berg¬
arbeiter zu der übrigen, gleichaltrigen männlichen Bevölkerung
ist jedoch zn berücksichtigen, daß den Bergleuten von Seiten der
Betriebe znm Teil ganz erhebliche Wohlfahrtseinrichtnngen
468
Dr. Cnrtiiu.
geboten werden, daß die ErwerbsverhältnisBe derBerglente
im allgemeinen recht gut sind nnd daß fOr den Bergmannsbemf
infolge der ärztlichen üntersnchnng meist nnr kräftige nnd
gesunde Leute zngelassen werden. Zn Zeiten der HochkoDjnnktnr
werden freilich in den Indnstriezentren vielfach anch schwäch¬
liche Leute in die Betriebe eiogestellt, da man bei genflgen-
dem Angebot von einheimischen Arbeitern sicherlich nicht noch
auf Ausländer nnd Sachsengänger zorttckgreifen würde.
Die Unfallstatistik dieser Bergarbeiter ergibt im all¬
gemeinen ein recht nngflnstiges Resultat Nach dem Durch¬
schnitt der Jahre 1900/02 wurde die Zahl der Unfälle nnr von
den Betrieben der Lagerei, Spedition, des Fuhrwesens nnd der
Steinbrttche flbertroffen; desgleichen sind die entschädigungs¬
pflichtigen Unfälle in stetig anfsteigender Linie von 6,59
auf 1000 versicherte Personen im Jahre 1886 auf 15,71 im Jahre
1906 gestiegen, wobei allerdings zu bertlcksichtigen ist, daß im
allgemeinen mehr Unfälle angezeigt werden, als früher.
Auch wird durch vermehrte Einstellung von Sachsengängern und
ausländischen Arbeitern die Zahl der Unfälle erhöht, weil bei den
an diese Arbeit nicht gewöhnten Leuten naturgemäß mehr Un¬
fälle Vorkommen, als bei Berufsbergleuten, i^derseits spricht
der Rückgang der tödlichen Unfälle von 2,13 auf 1000
Personen im Jahre 1886 auf 1,76 im Jahre 1906 für eine
beachtenswerte Leistung der Bergbehörden auf dem Gebiet
der Unfallverhütung. Die ziemlich konstant bleibende
Ziffer der tödlichen UnfUle in den letzten 5 Jahren scheint aber
darauf hinzudeuten, daß man an der Grenze des Erreichbaren
steht und daß man damit rechnen muß, daß in dieser Bemfs-
genossenschaft, von der Binnen- und Seeschiffahrt abgesehen,
prozentual die meisten tödlichen Unfälle Vorkommen. Im Durch¬
schnitt verhielt sich 1906 bei sämtlichen Enappschaften der Ab¬
gang durch tödlichen Unfall zu dem anderer Sterbefälle genau
wie 1: 8; dieser hohe Prozentsatz weist auf die Gefährlich¬
keit vieler Bergwerksbetriebe hin, da zu berücksichtigen ist,
daß z. B. im Oberbergamtsbezirk Halle diese Verhältniszedil nur
1 :5 beträgt.
Auch bezüglich der gesamten Dienstzeit nnd des
Eintritts der Invalidität ist der Bergmannsbemf in vielen
Gegenden, vornehmlich in den Industriezentren nicht günstig
gestellt. Eine erfreuliche Ausnahme macht auch hier wieder
der Oberbergamtsbezirk Halle, in dem im Durchschnitt die In¬
validität mit 54,4 Jahren eintritt nnd das Dienstalter 29,1 Jahre
beträgt; noch günstiger würden sich diese Zahlen stellen,
wenn sie nicht durch den Halberstädter und den Mannsfelder
Euappschaftsverein nachteilig beeinflußt würden. Aber auch im
Oberbergamtsbezirk Clausthal und Bonn, hier allerdings von ver¬
einzelten Enappschaftsvereinen abgesehen, kann man in dieser
Beziehung nicht von ungünstigen Verhältnissen sprechen. Be¬
denklicher sind hingegen diese Verhältnisse in den Oberberg¬
amtsbezirken Breslau nnd Dortmund, sowie im Saarbrückener
OoBiudheitliche BeanfBichtigong der Bergvrerksbetriebe dnrch die ErelB&rzte. 469
und Warmknappschaftsyerein. Die Ganzinyalidität trat hier im
Jahre 1906 bereits anfangs der vierziger Jahre ein; es
dauerte die dnrchschnittliche Dienstzeit z. B.
im Oberschlesischen Enappschaftsverein 17,3 Jahre,
n Wurm „ 19,8 ,
„ Allgemeinen „ 20,2 „
9 Saaarbrttckener „ 25,3 ,
Absichtlich sind hier größere Vereine gewählt, um Zufällig¬
keiten auszuschließen.
Der Eintritt der Oanzinvalidität beginnt in allen Oberberg¬
amtsbezirken fast von Jahr zu Jahr früher und betrug in den
Oberbergamtsbezirken:
1901
1903
1906
Bückgang
Breslau
48,6
47,6
44,7 =
4,1 Jahre
HaUe
54,9
54,0
54,4 =
0,5
Clausthal
52,0
51,3
50,9 =
1,1
9
Dortmund
45,2
41,3
41,8 =
3,4
9
Bonn
50,5
50,5
48,1 =
2,4
9
48,1
46,6
44,7
Zum besseren Verständnis dieser Statistik muß ich auf die
bei der Knappschaft anders gehandhabte und kompliziertere
Begelung der Invalidität eingehen, zumal auch in den meisten
Abhandlungen über diese Dinge eine gewisse Unklarheit
herrscht und die beiden Groppen der Invalidität nicht auseinander¬
gehalten werden. Bei den Bergleuten ist die Beruf sin Vali¬
dität streng von der allgemeinen Invalidität bei ’/s Erwerbsun¬
fähigkeit zu scheiden. Die erste tritt ein, sobald der Bergmann
bergfertig, daß heißt zur allgemeinen Berg- oder Werksarbeit
untauglich wird; diese Invalidenpension wird von den einzelnen
Vereinen ans den Enappschaftspensionskassen bezahlt. Auf den
zweiten Grad der luvalidenversorgnng im Sinne der Alters¬
und Invalidenversicherung, ich will sie zum Unterschiede „staat-
liche** nennen, hat der Bergmann auch Anspruch, aber erst dann,
wenn er */s erwerbsunfähig ist. Sie wird auch seit Inkrafttreten des
Beichsgesetzes, also vom 1. Januar 1891 gewährt, kam bisher
zur Hälfte, seit dem 1. Januar 1908 aber ganz zur Auszahlung
und zwar seitens größerer Verbände, in Erfurter Bezirk aus der
Norddeutschen Enappschaftspensionskasse. Da beide Eassenein-
richtnngen mit dem Namen Koappschaftspensionskassen bezeichnet
werden, so erklärt sich die vielfach hierbei auftretende Unklar¬
heit. In allen Statistiken, welche die Invalidität der Bergleute
behandeln, ist aber nur stets die Berufsinvalidität gemeint.
Aus den oben angegebenen Ziffern dürfen deshalb nicht
ohne weiteres Schlüsse dahin gezogen werden, daß die Bergarbeit
von Jahr zu Jahr gesundheitsschädlicher, anstrengender,
oder gefährlicher geworden wäre. Zum mindesten ist hierbei
noch zu berücksichtigen, daß die Bergleute, da sie aus den
Enappschaftspensionskassen in anbetracht der hohen Lohnsätze
*) Bei den DarchBchnittBzahlen Bbd die HelbinTaliden mitgesählt
460
Dr. CarÜtbi.
nnd sonstigen günstigen Pensionsbedingnngen ziemlich none
Renten erhalten, sich mdglichst bald in den Genuß dieser Be*
Züge setzen wollen nnd daß sie nach ihrer Bernisinyalidisimmng
in vielen Fällen in neu ergriffenen Beraten noch lange tätig sein
können. In dem instrnktiven nnd mit großem Verständnis für
diese nnd für hygienische Fragen geschriebenen Jahresbericht
des Saarbrückener Knappschafts Vereins für das Kalenderjahr 1906
ist diese Pensionsfrage anch noch ans einem anderen Ge*
sichtspnnkte, der nnn ohne weiteres klar ist, mit folgenden Worten
belenchtet:
„Der Tiefstand der Pensionierungen findet darin seine Erklftmng, daß
viele Bewerber in Erwartung der Erhöhung der Pensionss&tae ihre Wflnsche
einstweilen zurhckgestellt haben und es ist daher mit Sicherheit zu erwarten,
daß mit Inkrafttreten der neuen Satzung, die wesentlich höhere Pensionen
yorsieht, ein großer Andrang von Pensionsbewerbern eintreten wird.*
Die Morbidität ist in den verschiedenen Bezirken wech*
selnd and erreichte z. B. im Saarbrückener Knappschaftsverein
60,7, im Bochnmer 64,6 ®/o im Jahre 1906. Anf die hauptsächlich
in Betracht kommenden Krankheitsgmppen, speziell a^ die ty*
pischen Bergarbeiterkrankheiten wUl ich an anderer Stelle ein*
gehen.
Nach dieser allgemeinen üebersicht, die teilweise
anch znm Verständnis für die hier in Betracht kommenden Fragen
notwendig war, gehe ich nnnmehr anf die spezielle Be*
sprechnng der Gesandheitsschädignngen im Bergwerks¬
betriebe und deren Verhütung ein.
Da mir hierbei der wichtigste Punkt die Verderbnis
Lnft in den Bergwerken und ihr ausgiebiger Ersatz durch
möglichst gute, frische Luft zu sein scheint, will ich mit diesem
Kapitel beginnen. Die Ursachen zur Luftverschlechte*
rang sind äußerst mannigfach und nehmen mit der Tiefe
und Ausdehnung der Baue zu. Zunächst steigt im allgemeinen
die Gesteinstemperatur, nachdem sie annährend in einer Tief-
von 20 m konstant geworden ist und hier die mittlere Jahres*
temperatur erreicht hat, in rund 30 m um 1 Grad, falls nicht
durch besondere Einflüsse, wie heiße Quellen, Zersetzung
in den Verwaschbergen ein noch schnelleres Ansteigen eintrittO
Die Lufttemperatur entspricht dieser Gesteinstemperatur, ist aber
bis zu ca. 400 m gemeinhin höher, in tieferen Graben niedriger
als die Gesteinstemperatur. Gleichzeitig tritt bei Anwesenheit
von Wasser ein erhöhter Feuchtigkeitsgehalt auf. Durch die
Atmung und Ausdünstung von Menschen und Tieren, Brennen
der Lampen, Schießen, Zersetzung der Mineralien und des Graben*
holzes, sowie anderer Einwirkungen wird dann die Luft derartig
irrespirabel, daß die Zuführung frischer Luft im Ueberschuß
notwendig wird, um die schädlichen Gase zu verdünnen und zu
entfernen und den verbrauchten Sauerstoff zu ersetzen. Beide
Forderungen sind unbedingt notwendig, weil die Atmung in
sauerstoffarmer und durch sonstige Gase verdorbener LuR in
*) Diese Zahlen sind keineswegs fflr alle Orte konstant.
Gesnndlidtliche Beaafiichtigiug der Bergwerksbetriebe doreh die Kreis&rzte. 461
doppelter Hinsicht schädlich wirkt. Durch den Sanerstoff-
mangely insbesondere aber durch den Ueberschnß an Kohlensäure,
wird nicht nur ein rascheres Atmen und damit eine schnellere
Erwärmung und üeberladung der Luft mit Kohlensäure und
Wasserdämpfen veranlaßt, sondern auch die Schädigung des Or¬
ganismus durch die beschleunigte Aufnahme giftiger Gase be¬
fördert. Noch ungünstiger gestalten sich diese Verhältnisse,
wenn in dieser Luft eine anstrengende Arbeit geleistet werden
muß, die ihrerseits ebenfalls eine schnellere Atmung und Luft-
Verderbnis herbeifOhrt. Es besteht also ein förmlicher circnlns
vitiosus, der unter Umständen erhebliche Gesnndheitsschädigungen
reranlassen kann.
Bei der Wetterführung ist unbedingt darauf zu achten,
daß die zugeführte Luft möglichst rein ist. Jedenfalls muß ver¬
mieden werden, daß sie durch Banchgase der Schornsteine oder
durch Dampf verunreinigt ist. Dann empfiehlt es sich behufs
gleichmäßiger und besserer Fortführung des Wetterstroms, daß
die Kanäle (Lutten) tunlichst dicht, rund und glatt sind, nicht
in Winkeln, sondern in Bögen ihre Richtung ändern und daß
namentlich bei der Bewetterung durch Diffusion, sowie bei der
sonstigen Wetter Versorgung und Wetterführung stets auf die
genaue Einhaltung der diesbezüglichen bergpolizeilichen Bestim¬
mungen geachtet wird. Die bergpolizeilichen Verord¬
nungen über die Bewetterung sind je nach der Möglichkeit
1er Bildung von schlechten Wettern in den einzelnen Oberberg¬
amtsbezirken mehr oder weniger weitgehend und im Erfurter Be¬
zirk den meist günstigen Wetterverhältnissen angepaßt.
Der Gehalt der Luft an Kohlensäure darf l°/o nicht über¬
steigen; denn selbst geringe Mengen dieses Gases sind schon
unangenehm und auch schädlich, wenn dieses Gas nicht durch
Zersetzung von Mineralien, sondern vorwiegend durch Ausatmung
und Ausdünstung von Mensch und Tier herstammt. Stärkere
Konzentrationen wirken schon nach kürzerer Zeit direkt ge¬
sundheitsschädlich und rufen bei 3C/o rasch gefährliche Erkran¬
kungen hervor. Es ist deshalb sehr empfehlenswert, daß sich
der revidierende Medizinalbeamte nach den Analysen des anszie¬
henden Gesamtstroms erkundigt.
Auf die selten vorkommende Lnftverderbnis durch Schwefel¬
wasserstoffgas und die meist durch elementare Ereignisse auf¬
tretenden Kohlenoxydgasvergiftnngen will ich hier nicht eingehen.
Nur soviel sei erwähnt, daß das Kohlenozydgas schon bei einer
Konzentration, die wenig über O,2®/00 liegt, bald schädlich wirkt,
daß bei 0,5®/oo schon nach 1^/t Stunden die ersten Vergiftungs-
erscheinungen anftreten und daß bei 2—3°/oo rasch gefährliche
Erkrankungen eintreten.
Die hohen Temperaturen in den größeren Täufen wirken
weniger direkt als indirekt gesundheitsschädigend. Der
Hauptsache nach veranlassen oder vermitteln sie leichte Er¬
müdung, ein stärkeres Atmungs- und großes Durstbedürßiis,
Erkältungskrankheiten, eine größere Verletzungsgefahr des leicht
462
Dr. Oaitioi.
oder wenige bekleideten Körpers, die Neigron^ zn Fnrankelbildong,
sowie zn Ekzemen nnd last not least die Verbreitung des Qmben-
wnrms in doppelter Hinsicht. Es ist deshalb stets anf die Zn-
yerlässigkeit der Hrnbenthermometer nnd ani die Tem¬
peratur in den tieferen Gruben zn achten, zamal yon ihr die
Schichtdauer abhängt. Ob zu den in hochtemperierten Gruben
meist yorgeschriebenen Temperatnrmessnngen auch Mazimal-
und Minimalthermometer yerwendet werden, ist mir un¬
bekannt, empfehlenswert wären sie aber wohl, wenn ganz hohe
Temperaturen beobachtet werden, oder wenn die Frage akut
wird, ob infolge der höheren Temperatur (28—29®)^) die Sechs-
stnndenschicht einzufähren ist. Auch müßte stets danach ge¬
forscht werden, ob die höheren Temperaturen durch unyorher-
gesehene Einflüsse (Durchbruch heißer Qoellen, Oxydations-
yorgänge im Vorsatz etc.) entstanden sind und ob nicht der Ver¬
such gemacht ist, diese Einflüsse zu beseitigen oder die Tem¬
peratur durch yermehrte Wetterznfuhr herabzudrücken. Ob und
inwieweit es sich ermöglichen lassen wird, die Luft an den
Arbeitspunkten durch Erzeugung yon Verdnnstungskälte
mittelst flüssiger Luft abzukühlen, ist noch nicht erwiesen, doch
wären diesbezügliche Versuche wohl recht wünschenswert.
Die auskömmliche Versorgung mit einwandsfreiem
Trinkwasser oder sonstigem alkoholfreien Getränk ist in
sämtlichen Gruben unbedingt zu yerlangen. In mehreren Berg¬
polizeiverordnungen habe ich zu meiner Ueberraschung hierüber
keine Bestimmungen gefunden, doch mag es sehr wohl mög¬
lich sein, daß ich bei der Fülle des zu bewältigenden Materii^
Angaben darüber übersehen habe. Im ganzen habe ich den
Eindruck gewonnen, daß in den Bauen unter Tage die Trink¬
wasserversorgung häuflg besser ist, als in denen über Tage.
Namentlich geht dies aus den mir durch Vermittlung des Herrn
Beg.- nnd Med.-Bats Dr. Dütschke von der Begierung zu Cöln
und aus den seitens des Oberbergamts zu Bonn zur Einsichts-
nahme überlassenen Besichtigungsprotokollen der Kreisärzte her¬
vor, daß in den Braunkohlengruben jenes Bezirks die Wasser¬
versorgung früher zuweilen recht viel zu wünschen übrig ließ.
ln Anbetracht der verschiedenen Verhältnisse, sowie der
Schwierigkeiten nnd Kosten, welche die Wasserversorgung der
Belegschaft namentlich in ausgedehnten und warmen Bauen hat,
wird die Art der Wasserzuführung erheblich differieren;
die Aufsichtsbehörde wird daher bei ihren Anforderungen billiger
Weise anf die Eigenart der Betriebe Bücksicht nehmen müssen.
Beim Vorhandensein einer Wasserleitung wird es sich manch¬
mal empfehlen, den Füllort direkt an die Leitung anzuschließen,
um die Versorgung der großen Wassertransportgefäße zu verein¬
fachen, während wiederum in flachen Gruben mit mäßiger ^eg-
1) Nach der Allg. Berg-Pol.-Verordn. im Oberbergamtabesirk Halle ist
die Bstttndige Schicht erst bei 29**C. vorgeschrieben. Nach dem Berggeeets
hat ihr KoUengraben die 6 Stnndenschicht bei 28** einsntreteii.
(Jesaiidheitliche Beaafsiohtigiuig der Bergwerksbetriebe durch die Kreisinte. 468
sehaft einwandfreies Deckentranfwasser der Stollen an Ort
and Stelle in geeigneten Behältern anfgefangen nnd benntzt
werden kann.
In Brannkohlengrnben, in denen das dort gewonnene
Wasser häufig gennßantanglich ist, oder in tiefen Banen, in
denen es gewöhnlich gänzlich fehlt oder zn heiß ist, mnß das
Trinkwasser in Behältern an die Arbeitsstelle geschafft werden.
Von diesen Wasserbehältern ist zn verlangen, daß ihr
Inhalt vor Vernnreinignngen sicher geschützt nnd nnr durch
Zapfliähne entnommen werden kann. Dann ist es wünschens¬
wert, daß in Gmben mit hohen Temperaturen die hier meist
fahrbaren eisernen Wasserbehälter zur besseren Kühlhaltung des
Oetränks mit einer Isolierschicht versehen sind nnd daß in
Tagesbanen während der heissen Jahreszeit ein nach Bedarf
mehrmaliger Ersatz des Trinkwassers stattfindet, wenn es sich
nicht frisch hält. Um ein Trinken ans den Zapfhähnen zn ver¬
hüten, werden diese zweckmässig mit einem Schntzsiebe ver¬
sehen; hat die weitere Wasserverteilung mittelst dicht-
schÜessender Kannen oder in den eigenen Behältern der Bergleute
za geschehen. Die Wasserbehälter müssen schliesslich vor dem
Füllen vollkommen entleert, dnrchgespült nnd von Zeit zn Zeit
mit Dampf dnrchblasen werden, wenn sich dies ermöglichen
■lässt.
Von durststillenden Wasserznsätzen rate ich im
allgemeinen ab, da es m. £. für den Chemismus der Verdauung
nicht gleichgültig ist, wenn auf die Däner namentlich bei starkem
Wassergenuss in hochtemperierten Gruben reichliche Mengen von
Zitronensäure oder anderen Säuren zugefügt werden. Auch
ist nach Versuchen von Bruns die Zitronensäure, wie dies von
Goldmann behauptet wird, kein Vorbengnngsmittel gegen
die Wurmkrankheit.
Wegen ihrer Zweckmäßigkeit kann ich bezüglich der Ver¬
sorgung der Grubenarbeiter mit Trinkwasser eine Verfügung des
EOnigl. Oberbergamtes zu Freibnrg vom 30. März 1904 em¬
pfehlen. 0
Die künstlichen Lichtquellen in den Grnben sind
nicht selten ungenügend. Es empfiehlt sich deshalb bei den Be¬
sichtigungen stets darauf zu achten, daß zur Vermeidung von
UnfWen die Vorschriften über die Beleuchtung der in¬
folge des Betriebes besonders gefährdeten Punkte befolgt werden.
Wünschenswert wäre es auch, daß überall, wo ein Gebrauch von
Sicherheitslampen als Wetteranzeiger nicht erforderlich ist, an¬
stelle der rußenden nnd wenig leuchtenden Oelgrnbenlampen
solche mit dem viel helleren Azetylenlicht eingeführt werden,
zumal seit ihrer Benutzung nach mehrfachen Erfahrungen Unfälle
dnrch Firstbruch viel seltener Vorkommen, weil die iü'beiter das
0 Nach Entschdclang des BeiohsTenicherongsomts wurde der Tod eines
Arbeiters an ünterleibstyphns infolge des Genusses verseuchten Trinkwassers
aus einem Zechenbrunnen beim Scbachtabtäufen auf Zeche Badbod als Betriebs¬
unfall anerkannt.
464
Dr. Curtiiu.
lose Gestein an der First viel leichter wahmehmen und beseitigen
können. Auch haben sich diese Azetylenlampen in der hiesigen
Gegend als dnrchaas zuverlässig und widerstandsfähig erwiesen.
Die Ansichten über die Einwirkung der Verbrennnngsgase
des Azetylens auf die Luftbeschaffenheit sind noch geteilt, doch
wird die Eeinheit des Bohmaterials hier gewiß von wesentlichem
Einfluß sein.
Die Beseitigung der Abfallstoffe spielt in den Berg¬
werksanlagen über und unter Tage eine sehr wichtige Rolle,
erster Linie ist bei allen Untertagesbauen jede Verunreini¬
gung der Grube, welcher Art sie auch sei, nach Möglichkeit zn
vermeiden, weil hierdurch eine unerwünschte Verschlechterung
der Luft hervorgerufen wird. Alles Fortwerfen von Früh¬
stückspapier, üeberresten der Mahlzeit nsw. müßte auf das
Strengste verboten und alle fäulnisfähigen Stoffe ans der Gmbe
baldtnnlichst entfernt werden; insbesondere rechne ich hiemnter
auch die Exkremente der Pferde.
Seit der großen Wurmepidemie in den westlichen Gmben-
bezirken ist der Abortfrage eine ganz besondere Beachtnng
zuteil geworden und viel gegen früher verbessert. Im allge¬
meinen ist zu verlangen, daß die Abortgefässe trans¬
portabel, undurchlässig, gut verschliessbar sind und an geeig¬
neten Stellen, sowie in genügender Anzahl aufgestellt werden.
Holzgefässe eignen sich hierzu im allgemeinen nicht, weil sie
zn wenig widerstandsfähig und wegen des häuflgen Ersatzes zn
teuer sind. Ein grosses Gewicht ist auf einen guten Ver¬
schluss der Gefässe (Keilverschluss) zn legen, namentlich in
in den Gruben mit höherer Temperatur, weil hier die Zersetznngs-
vorgänge viel intensiver sind und der üble Gestank in den engen
Bäumen die Luft sehr verpestet.
Ferner ist es notwendig, dass der Eübelinhalt in einem
möglichst geruchlosen Zustand erhalten wird. In warmen
Graben erreicht man das wohl am besten durch Zusatz von Sa-
prol W, in denen mit mehr niedriger Temperatur durch Ein-
streuen von Sägespähnen oder Torfmull.
In den meisten Bergpolizei-Verordnungen, auch in der des
Oberbergamtsbezirks Halle ist auffallender Weise angeordnet, dass
dem Kübelinhalt ein Desinfektionsmittel zugesetzt wird;
mir scheint das für viele Fälle unzweckmässig zu sein, zumal
„ein mässiger Zusatzvon Desinfektionsmitteln dort, wo diese
Mittel notwendig sind, keinen Zweck hat. Viel sachgemässer
ist die Bestimmung der Dortmunder Polizeiverordnnng, nach der
nur beim Auftreten von Krankheiten, welche dui'ch menschliche
Ausscheidungen verbreitet werden können, die Kotgefässe auf
Anordnung der Bevierbeamten mit Desinfektionsmitteln zu
versehen und die Abortsitze beim Aaswechsel dieser Gefässe
unter Verwendung geeigneter Desinfektionsmittel zu reinigen
sind. Bei allen Kübeln unter Tage ist also Desodoration
stets, Desinfekion nur unter besonderen Verhältnissen zn
verlangen. Wenig schicklich scheint es mir auch zu sein, wenn
Oenudlieitliehe BeaafBiohtigiuig der Bergwerkebetzlebe durch die Ereiiftrzte. 466
die Abortplätze in Tielen Gruben jeden Ab sch ln es nach aussen
durch Vorhänge oder Vorschläge entbehren.
Dass die Eflbel rechtzeitig ansgeurechselt, ihre Um¬
gebung erforderlichenfalls gereinigt oder desinfiziert wird, dass
sie ferner über Tage in nndorchlässige Groben entleert werden,
zu säubern und eyentuell mit Dampf zu durchblasen sind, ist ein
weiteres Postulat. Ein Ausschütten des Inhalts auf die Halden,
wie dies auch empfohlen ist, halte ich für durchaus unzulässig
und unökonomisch.
Trotz Aufstellung Ton Abortgefässen in genügender Anzahl
und bequem zu erreichender Entfernung findet vielfach ein Ab-
setzen des Kotes in den Gruben leider garnicht selten
statt, namentlich in schwer passierbaren Teilen derselben. Es
kann deshalb nicht genug empfohlen werden, dass auch über
Tage namentlich für grössere Belegschaften in der Nähe der
Kaue oder an einem sonst geeigneten Platz eine, ich möchte
fast sagen einladende Abortvorrichtung vorhanden ist.
Auch wäre es erwägenswert, ob man nicht Bergleuten, die an
akuter Diarrhoe leiden, das Befahren der Grube während der
Dauer dieses Erankheitszustandes besser untersagte.
Eurz ist hier noch auf die Aborteinrichtung in Tages¬
bauen einzugehen. Nach den Beobachtungen der Kreisärzte im
Oberbergamtsbezirke Bonn finden sich auf den dortigen Braun¬
kohl engraben sogenannte wandernde Aborte, deren hölzerne
Zelle beim Vorschreiten des Baues oder sonst nach Bedarf dis¬
loziert wird, während die vielfach im Erdreich auf der Sohle der
Baue oder den Abraumplätzen ausgeworfenen Gruben früher zu-
geschfittet wurden. Aus hygienischen Gründen müssen auch hier
unbedingt Kübel verlangt werden.
Bei den Bergleuten kommen gerade so, wie bei andern
Berufsklassen, gewisse typische Krankheitsgruppen vor,
während andere eine mehr regionäre Ausbreitung haben. Da bei
den Elnappschaften außerordentlich genaue Erankheitsstatis-
tiken geführt werden, so kann ich nicht dringend genug em¬
pfehlen, diese vor jeder Revision einzusehen, oder bei den l^app-
schaftsärzten Erkundigungen einzuziehen, um ein Bild darüber
zu gewinnen, welche Erankheitszustände vorwiegend in den
einzelnen Belegschaften auftreten, und ob diese von dem ge¬
wöhnlichen Typus abweichen. Hierdurch kann der Medizinal¬
beamte unter Umständen einen wertvollen Aufschluß darüber er¬
halten, worauf er bei seinen Besichtigungen hauptsächlich zu
achten hat. Es wäre auch nur der ganzen Sache dienlich, wenn
diese Statistiken, wie dies z. B. bei dem Saarbrückener Enapp-
schaftsverein geschieht, von seiten der größeren Vereine oder
der Oberbergämter einer genauen Prüfung unterworfen würden,
um durch entsprechende Mitteilung an die Reviervorsteher und
Kreisärzte deren Aufmerksamkeit auf das gehäufte Auftreten von
gewissen Erankheitsznständen zu lenken, sie um Aufklärung des
ursächlichen Zusammenhangs und um Angabe von Vorbeugnngs-
maßregeln^zu ersuchen. Da ich diesem Punkt auch aus anderen
466
Dr. Cartiu.
Gründen eine besondere Wichtigkeit beimesse, werde ich später
noch kurz darauf znrttckkommen.
Unter allen Erkranknngen kommen bei den Bergleuten fast
flberall die Affektionen der Luftwege infolge der schroffen
TemperaturflbergftDge bei erhitztem Körper, der nngesnnden Luft,
des Dampfes nnd Staubes am häufigsten vor. Schwankend, aber
immerhin beträchtlich ist auch namentlich die Zahl der Lungen-
entzttndungen, die erfahrungsgemäß bei den Bergleuten r^tiv
häufig tödlich verlaufen. Auch akute Katarrhe des Kehlkopfes
sind gar nicht selten.
Von den chronischen Lungenerkranknngen möchte
ich nur bezflglich des Emphysems und der mit ihm in einem
Kansalnezus stehenden Kohlenlunge sagen, daß diese Krankheiten
infolge der Verbesserung der hygienischen Zustände, namentlich
infolge der besseren Wetter Versorgung und der Einführung der
Berieselung, in den Kohlengruben ganz wesentlich znrückgegangen
sind.
Im allgemeinen sei über die Entstehung von Lungenkrank¬
heiten nur noch angegeben, daß nach Prof. Haldane-Oxford
das Einathmen von harten Gesteinsstaub viel gefährlicher
ist, als das von weichem oder von Kohlenstaub. Zur Bewässe¬
rung sehr trockener nnd staubiger Arbeitspunkte in Erzgruben
können deshalb Spritzwasserleitnngen, ähnlich wie sie in
Kohlengruben zur Verhütung von Kohlenstaubexplosionen eingeÄhrt
sind, nicht genug empfohlen werden.
Die Verbreitung der Tuberkulose unter den Bergleuten
ist je nach der Art des entstehenden Gesteinsstaubes verschieden;
deshalb können aus den Statistiken der großen Knappschaftsvereine
keine allgemeinen Schlüsse Über die Gefährdung der Bergleute
in dieser Hinsicht gezogen werden. Ein Besultat läßt sich nur
erreichen, wenn man die Erkrankungsziffern der einzelnen Beleg¬
schaften unter einander nnd mit den gesamten Dorchschnittsziffem
vergleicht.
An zweiter Stelle stehen wohl die chronischen Magen¬
darmkatarrhe, die vielfach auf eine unregelmässige und nn-
zweckmässige Ernährung, Alkoholmissbrauch, übermässigen Wasser¬
genuss in den Gruben mit wärmeren Temperaturen, aber auch
auf das Arbeiten in ungewöhnlichen Stellungen und andere Ur¬
sachen zurückznführen sind.
Der mehrfach vertretenen Ansicht, dass rheumatische
Erkrankungen, inklusive Neuralgien, unter den Bergarbeitern
nicht so häufig sind, als gewöhnlich angenommen wird, kann ich
nicht beipflichten. Zweifellos gehören sie jedoch infolge des oft
sehr starken Wetterzuges, der starken Temperaturunterschiede, der
öfteren Durchnässung der Bekleidungsstücke in vielen Tages¬
und Untertagesbanen, der notwendigen täglichen Beinignngsbäder
namentlich in kalten Jahreszeiten zu den typischen und ver¬
breitetsten Bergarbeitererkranknngen.
Sehr zahlreich sind ferner Zellgewebsentzündungen,
OesoadlieiUiohe Beanldchtignng der Bergwerlrebetriebe dnrch die Kreiebzte. 467
nunentlich anch Bose, Fanmkel, diese besonders in warmen
Graben and im Salzbergbau, sowie Ekzeme.
Verbreitet sind ferner Angenkrankheiten in staubigen
Graben, Trachom in den Bezirken mit polnischer and tschechi¬
scher Arbeiterbevölkerung, sowie das Bollauge infolge der First¬
arbeit.
Bezüglich der Warmkrankheit, über deren Wesen and
Verbreitung eine im Kaiserlichen Gesondheitsamte unter Mitwir¬
kung von Löbker und Bruns bearbeitete Schrift alles Wissens¬
werte enthält, will ich nor angeben, dass eine Desinfektion der
Graben unausführbar ist und dass die üebertragung auch von
den Larven durch die Haut erfolgt. In prophylaktischer Be¬
ziehung kommen hauptsächlich in Frage: Verbot der Beschäf¬
tigung von solchen Personen unter Tage, in deren Ausleerungen
sich Warmeier befinden, strenge Befolgung der Vorschriften be¬
züglich der Abortanlagen, Berieselung mit 5 oder mebrprozentigem
salzhaltigen Wasser, falls solches zur Verfügung steht, Douchen
der Arbeiter nach der Schicht.
Für den Erfurter Bezirk ist noch die Reizung der Nasen-
schleimhäute durch feinverteilten Salzstaub zu erwähnen,
gegen die eine Anwendung der Nasendouche zu empfehlen ist.
Im übrigen wäi’e hier noch anzugeben, daß zur Beschäftigung
in Druckluft nur Arbeiter mit gesunden Brustorganen, in Gruben
mit trockenem Gesteinsstaub nur solche mit gesunden Lungen
zugelassen werden sollten. Anch empfiehlt sich zu § 176
der Allgemeinen Bergpolizei-Verordnung hinter dem Satz:
«Niemand darf innerhalb der Bergwerksanlagen sich
aufhalten oder geduldet werden, der betranken oder
mit einer Krankheit oder einem Gebrechen behaftet ist, welche
daselbst sein Leben gefährden kOnnen*, der Zusatz: «oder das
Anderer“. Ich möchte in dieser Beziehung nur auf Schwerhörige,
Schwachsichtige und Bazillenträger hinweisen, die gemeinhin be,
derartigen Betrieben der Umgebung viel gefährlicher werden
können, als sie selbst gefährdet sind.
Die erste Hilfe bei Unfällen unter Tage und das sonstige
Rettnngswesen im Bergbaubetriebe erfordern zum Teil ganz
eigenartige Vorkehrungen und Ausrüstungen, von denen nament-
li^ die letzteren so verschiedenartig und mannigfach sein müssen,
daß deren Besprechung nicht umgangen werden kann.
Zunächst ist zu berücksichtigen, daß der Transport in den
zuweilen sehr engen und niedrigen Strecken und bei den sehr
langen Wagen recht beschwerlich ist und deshalb für den Ver¬
letzten au^rordentlich qualvoll sein kann. Oft bleibt nichts
anders übrig, als diesen auf ein Brett festzubinden, ihn so in
den Strecken fortzubewegen und in der senkrecht aufgestellten
Bahre den Schacht hinaufzubeförden. Die Tragbahren sind des¬
halb zweckmäßig mit Achselriemen und sonstigen Garten
zu versehen, um ein Rutschen des Verletzten zu verhüten; beim
Bergau^ehen muß tunlichst das Kopfende, beim Bergabgehen
das Fußende vorn sein. Genügende Beleuchtung, Fort-
468
Dr. CortioB.
räumen von Hindeinissen und Hinweis anf Wegeschwierig''
keiten dnrch weitere Personen außer den eigentlichen Trans-
portören sind außerdem erforderlich. Die eigentliche Kran¬
kentrage kann meist erst anf den Hauptstrecken benutzt werden,
falls hier nicht Grubentransportwagen mit Federn oder federnde
Einhängevorrichtungen aus Drahtgeflecht zur Verfügung stehen.
Auch ^e Beförderung in den im Bau begriffenen Schächten ist
häufig sehr schwierig und zuweilen nur nnter Zuhilfenahme be¬
sonderer Vorkehrungen ausführbar. Das Lehrbuch des lang¬
jährigen Knappschaftsarztes, Geh. San.-Hat Dr. Vogel: »Die erste
Hilfe bei Unfällen*' beschäftigt sich näher mit diesem Transport
der Verletzten, ist speziell ^ die Verhältnisse im Bergbau be¬
arbeitet und kann allen, die sich mit dieser Frage beschäftigen
wollen, nur empfohlen werden.
Das plötzliche Auftreten irrespirabler Luftgemische macht
anf manchen Gruben, besonders auf Kohlenbergwerken, das Vor¬
handensein genügender Atmnngsapparate notwendig, die un¬
gefähr in einer Menge von 5 % der in einer Schicht beschäftigten
Arbeiter vorhanden und gebrauchsfertig sein müssen. Außerdem
muß ein genügender Vorrat von Sauerstoff, oder sonstigen
in chemischen Materialien (Pnenmatogen) zur Sanerstoffentwicklung
den Apparaten, Kalipatronen, Gummibentel und gelöschter K(ük
zur Kohlensäurebindung vorhanden sein. Ferner ist zu verlangen,
daß je nach Bedarf auf den Gruben Wetterleinen, Druckluft¬
pumpen, Schläuche, elektrische Grubenlampen, weil sie auch in
sauerstofffreier Luft brennen, Medikamente nsw. in ausreichenden
Mengen vorrätig sind.
Ich übergehe das sonstige stets in Bereitschaft zu haltende
Material zur Bekämpfung von großen Bränden, Absperren von
Grabenteilen und ähnliches, da die Kontrolle hierüber dem Medi¬
zinalbeamten nicht zusteht.
Eine auch für Massennnglficksfälle ausreichende Einrichtung
ist in den Bettungsstationen der grossen Graben, in denen
explosive oder irrespirable Luftgemische auftreten können, sowohl
über, als anch unter Tage erforderlich und muss das Personal
der Bettungswehren regelmässige Uebungen abhalten, weil
das Atmen mit dem Pnenmatophor, die Herrichtung der einzelnen
Bettangsapparate Buhe, Sicherheit und Geschicklichkeit erfordern.
Beachtenswert ist eine Einrichtung in England, wo man in
jüngster Zeit Bettungsschulen für Bergleute eingerichtet hat, in
denen die Bettangsmannschaften aasgebildet werden, Uebungen
und Bettangsarbeiten in künstlichen Stollen hei irrespirabeln
Gasgemischen vornehmen und in einer Zentrale zum Bedarf bei
grösseren Unglücksfällen kaserniert sind.
Einer besonderen Erwähnung bedürfen schliesslich noch die
Wohlfahrtseinricbtnngen da sie nicht nur innig mit der
Hygiene des Bergbaues Zusammenhängen, sondern me^fach sogar
ein wesentliches Glied derselben darstellen und vielfach unent¬
behrlich sind.
Am meisten gilt das wohl von den Badeeinrichtungen,
Oeaiudlieitliehe Beaolaiehtignng der Bergwerkebetriebe dnzch die EreisSrzte. 469
die fftr Steinkohlenbergwerke in den Oberbergamtsbezirken Bres*
lau, Dortmund and Bonn vorgeschrieben sind, während im Ober¬
bergamt Halle eine Braasebadeanlage nnr verlangt werden kann,
wenn die Arbeit mit Hitze und Staub verbanden ist. Im Halle¬
schen und Clausthaler Bezirk waren bisher verhältnismäßig am
wenigsten Bäderanlagen eingerichtet, doch hängt dies mit
von der Art der Betriebe ab. Stets ist eine genfigende Er¬
wärmung und • Sauberkeit der ganzen Anlage, ein besonderer
Ankleideraum, womöglich eine getrennte Abteilung fttr jugend¬
liche Personen und leichter Wasserabfluß von dem Fußboden des
Doncheraumes zu verlangen. Gemeinschaftliche Bassinbäder
müssen vom hygienischen Standpunkt ans beanstandet werden,
auch wenn Brauseeinrichtungen vorhanden sind; sie dürfen be¬
sonders in Gegenden, die warmverseucht sind, wegen der An¬
steckungsgefahr nicht geduldet werden.
Stets sind bei den Besichtigungen auch die Kauen zu
revidieren, unter denen man Aulenthaltsräume versteht, welche
von seiten der Grabenverwaltung fflr die Belegschaft errichtet
sind und den verschiedenartigsten Zwecken dienen. Die oben
erwähnten Badeeinrichtungen gehören als Waschkauen auch in
diese Gruppe von Räumen. Die Dortmunder Berg-Polizeiord¬
nung bestimmt über sie in sehr zweckmäßiger, kurzer und be¬
stimmter Weise, daß sie reinlich, gut gelüftet und der
Witterung entsprechend geheizt sein müssen, während im Ober¬
bergamtsbezirk Halle von diesen Bäumen nnr verlangt wird, daß
sie gesäubert, gelüftet und in der kalten Jahreszeit geheizt
werden müssen. Bestimmtere Vorschriften wären hier m. E.
wünschenswert.
üeber die Unterbringung der in gewerblichen oder
landwirtschaftlichen Betrieben, beim Bergbau oder bei Bauten
beschäftigten Arbeiter enthalten die Grnndzüge im Erlaß der
Minister für Handel und Gewerbe, der Medizinalangelegenheiten,
des Innern und für Landwirtschaft vom 19. Murz 1901 ausführ¬
liche Anweisungen. Wenngleich auf diesen Erlaß hin nicht über¬
all entsprechende Polizei-Verordnungen ergangen sind, so geben
diese Grandzüge doch bei den Revisionen, soweit nicht ander¬
weitige gültige Verordnungen bestehen, dem Medizinalbeamten
einen wertvollen Anhaltspunkt dafür, wieweit er in seinen An¬
forderungen gehen kann und in welchem Rahmen er eine Einigung
mit dem mitrevidierenden Bergrevierbeamten zu erzielen bestrebt
sein muß. Diese Unterkunftsräume sind, soweit Schlafräume in
Betracht kommen, namentlich dort einer eingehenden Besichtigung
zu unterziehen, wo viel Krätze herrscht, die nach den Be¬
obachtungen im Saarbrückener Knappschafsverein dort vielfach
eine starke Zunahme erfahren hat. Auch müssen, falls Granu¬
löse unter den Insassen vorkommt, die entsprechenden Anord¬
nungen getroffen und im allgemeinen nach dem Gesundheitszu¬
stände der ausländischen Arbeiter in diesen Schlafräumen
geforscht werden.
Falls der auswärtigen Belegschaft in diesen Kauen Speise
470
Or. Cartiiu.
and Getr&nke verabfolgt werden, oder hier den Arbeitern fttr
eigene Verwendung besondere Eoeheinrichtnngen zur Ver*
fflgung stehen, so wäre auch stets die Kflche zn besichtigen nnd
ai^ das Vorhandensein einer einwandsfreien, ausreichenden Wasser*
bezDgsstelle zu achten.
Im allgemeinen ist die Errichtung von derartigen ünter-
kunftsräumen anzustreben, wenn die Wohnstätten der Belegschaft
weit entfernt sind, passend gelegene Arbeitszfige fehlen und die
Graben kalt und naß sind. Lungenentzündungen und Erkältungs¬
krankheiten der Atmungsorgane, sowie rheumatische AffekUonen
lassen sich gerade darauf häufig zurflckführen, wenn die Leute
nach weitem anstrengendem Marsch mit erhitztem Eürper in die
Graben einfahren.
In vielen Gegenden, in denen die einheimische Arbeiter-
bevülkerung nicht ausreicht, haben die Verwaltungen teilweise
mit enormen Kosten den Bau von Arbeiterhäusern selbst in
die Hand genommen oder durch Gewährung von Darlehen und
Prämien den Arbeitern fiberlassen. So waren im Saarbrückener
Bezirk bis zum Jahre 1906 6466 Wohnungen mit Hilfe staatlicher
Darlehen und Prämien erbaut worden, auch ist in Bleicherode auf
diesem Gebiet bereits manches geschehen.
Neuerdings sind auch mehrfach an diese Arbeiterkolonien
eigene, gemeinschaftliche Waschhäuser und Waschanstalten an*
geschlossen, die den großen Vorteil haben, daß die Wohnhäuser
nicht durch Wasserdämpfe feucht werden und ein Sparen an
Heizmaterial sowie an Geräten ermfiglicht wird.
Zur Bekämpfung des unter vielen Bergarbeitern vorkommen¬
den Alkoholmißbrauches haben die oben erwähnten Ai>
beiterspeiseanspalten wesentlich beigetragen. Wünschenswert
wäre es aber, daß in dieser Beziehung noch mehr geschieht.
Besonders haben sich ffir diese Zwecke die Eaffeekttchen be¬
währt, von denen fttr Großbetriebe der Dampfkochapparat der
Fabrik pharmazeutischer und chemischer Apparate und Maschinen
von E. A. Lentz--Berlin empfohlen werden kann. Ferner
kommt die Abgabe von billigem Selters- und Limonaden¬
wasser in Betracht. Zweifellos wird auch manches durch Ver¬
teilung von Flug- und Merkblättern, sowie durch Strafbestim¬
mungen erreicht, doch bleibt es immer zweckmäßiger, dem Arbeiter
einen Ersatz fttr den Alkohol zu bieten, als ihn durch Be¬
lehrung und Bestrafung von dessen Genuß abzuhalten.
Die Erankenhausfrage ist in den einzelnen Oberberg¬
amtsbezirken von verschiedenen Gesichtspunkten aus geregelt.
Im Breslauer Bezirk besitzen die großen Enappschaftsvereine
eine ganze Reihe großer, geeignet verteilter, ausgezeichneter
Erankenhäuser, während im Dortmunder Bezirk mit den dort
reichlich zur Verfügung stehenden kommunalen Erankenhäusem
Abkommen zur Aufnabme kranker Bergleute getroffen sind; außer¬
dem hat der dortige Enappschaftsverein drei große eigene Elranken-
anstalten in Bochum, Gelsenkirchen und Recklinghausen. Im Be¬
reich des Oberbergamtes Halle existiert nur das allerdings sehr
Gesiuidheitliche BeanbiehÜgang der Bergwerkebetriebe durch die Ereie&rzte. 471
große Erankenliaas Bergmannstrost in Halle. Ob nnd inwieweit
lüerdoreh Nachteile dorch weiten Transport oder in sonstiger
Hinsicht entstanden sind, entzieht sich meiner Benrteilong; jeden¬
falls liegt die Einrichtung im Breslauer und im Dortmunder Be¬
zirk mehr im Interesse der Yerunglflickten.
Nur auf zwei wichtige Gebiete der mannigfachen Gmppen
der Wohlfahrtseinrichtungen mochte ich am Schluß dieses Ab¬
schnittes noch kurz eingehen, auf die Haushaltungsschulen nnd
und auf den Unterricht im Obst- und Gartenbau, weil ich die
großen Vorteile beider Bestrebungen aus eigener Beobachtung in
dieser Gegend kennen gelernt habe.
Unter der Industriebevölkernng ist die Ausbildung der
Mädchen im Fähren des Haushaltes ebenso ungenfigend,
wie dringend notwendig. Es wäre deshalb sehr zweckmäßig,
wenn die Bergmannstöchter im Alter von 14—16 Jahren tlberaU,
wo sich dasermöglichen läßt, inHanshaltungschulen unter¬
richtet worden, die sehr passend, soweit ein Eochunterricht
in Frage kommt, an die Arbeiterspeiseanstalten angeschlossen
werden könnten. Noch mehr empfiehlt sich vielleicht die in
Meiningen getroffene Einrichtung, wo man den Besuch der¬
artiger Haushaltungsschulen obligatorisch eingefflhrt nnd sie an
die bestehenden Volksschulen angegliedert hat.
Für den Unterricht im Obst- und Gartenbau hat die
Arbeiterbevölkemng ein ganz außerordentliches Interesse und
entfaltet in der praktischen Handhabung desselben eine große
Geschicklichkeit. Da zu den Arbeiterwohnungen meist kleine
Gärten gehören, so empfiehlt sich eine derartige Unterweisung
auch deshalb, weil die Bergarbeiter bei der gemeinhin geringen
Schichtdauer genfigend Zeit haben, sich dieser gesunden und
einträglichen Beschäftigung zu widmen.
Ans den vorstehenden AusfOhrungen geht hervor, daß es
keine leichte Arbeit fflr den beamteten Arzt ist, wenn er
seiner Aufgaben gerecht werden soll, als staatlicher Gesundheits¬
beamter an der hygienischen Ueberwachnng der Bergwerks¬
betriebe erfolgreich mitzuarbeiten. In erster Linie ist hierzu eine
eingehende Beschäftigung nicht nur mit diesem Spezial¬
gebiet der Hygiene, sondern auch eine genaue Kenntnis der in
den Bergpolizei-Verordnungen behandelten hygienischen Gesichts¬
punkte unbedingt erforderlich, zumal sich der Kreisarzt in seinen
Vorschlägen, von eventuell erforderlichen Ausnahmen abgesehen,
innerhalb des Bahmens dieser Bestimmungen zu halten hat. Aber
auch die hier sonst in Frage kommenden gesetzlichen Be¬
stimmungen und die Abgrenzung der Befugnisse der Berg-
nnd der allgemeinen Landespolizei müssen dem Kreisarzt genau
bekannt sein.
Ueber seine Hechte und Pflichten an der gesundheit¬
lichen Beaufsichtigung der Bergwerbsbetriebe nnd über sein amt¬
liches Verhältnis zu den Bergbehörden geben die §§21, 92, 93
der Dienstanweisung für die Kreisärzte, der Erlaß des Mi-
472
Dr. Cartins.
nisters fftr Handel and Gewerbe vom 29. Angast 1901, sowie die
auf Grand des § 21 Absatz 2 der Dienstanweisnng and des Er¬
lasses ergangenen gemeinschaftlichen Verfflgangen der Ober¬
bergämter und der Regiemngspräsidenten Aafschlnß. Da diese
Verfagungen in den einzelnen Bezirken in verschiedenen Pankten
von einander abweichen, kann im einzelnen auf sie nicht näher
eingegangen werden.^)
Die oben erwähnten Bergpolizei-Verordnnngen er¬
strecken sich, soweit sie für den Medizinalbeamten von Interesse
sind, auf die Sicherheit des Lebens and der Gesundheit der Ar¬
beiter und den Schatz gegen gemeinschädliche Einwirkungen des
Bergbaues. Teilweise passen sie sich in ihren hygienischen Be¬
stimmungen ganz modernen Anschauungen an, teilweise aber auch
veralteten. Wünschenswert wäre es deshalb, wenn die Oberberg¬
ämter vor dem Erlaß allgemeiner und spezieller Bergpolizei-
Verordnungen von ihrer Befugnis gemäß § 21 der Dienstanwei¬
sung für die Kreisärzte Gebrauch machen und den zuständigen Kreis¬
arzt bezüglich der hygienischen Bestimmungen zur gutachtlichen
Aeusserung auflordern würden. Auch bei den anderen Verwal-
tungsbehürden ist es Brauch, daß vor Erlaß von Verord¬
nungen und Gesetzen, soweit es sich in ihnen um sanitätspolizei¬
liche und hygienische Fragen handelt, das Urteil der auf diesem
Gebiet bewanderten Sachverständigen gehört und die Ausarbei¬
tung nicht allein juristischen und technischen Beamten über¬
lassen wird.
Die Ausführung von Vorschlägen des Kreisarztes im
Bahmen der Bergpolizei-Verordnungen kann der Bergrevierbeamte
sofort anordnen, da es zu seinen Obliegenheiten gehört, die Durch¬
führung der in den Bergpolizei-Verordnnngen enthaltenen Vor¬
schriften zu überwachen, üeber weitergehende Vorschläge, die
der Kreisarzt im gesundheitlichen Interesse der Arbeiter für nötig
hält, darf der Bergrevierbeamte jedoch nicht selbstständig eine
Entscheidung treffen, sondern nur das Oberbergamt auf Grund
von Berichten der Bergrevierbeamten und eventuell des Kreis¬
arztes, gegebenenfalls nach Anhörung des Gesundheitsbeirates.
Bezüglich des Ermittelungsverfahrens bei anstecken¬
den Krankheiten und bei der Anordnung von Vorbeugungsma߬
nahmen ist je nach dem Machtbereich die Berg- bezw. die all¬
gemeine Landespolizei in Anspruch zu nehmen. Da diese Verhält¬
nisse jedoch etwas verwickelt sind, möge noch kurz darauf einge¬
gangen werden. Zunächst besitzt hier der Kreisarzt bei dring¬
lichen Feststellungen das Zutrittsrecht zu Bergwerksanlagen
jeder Art, ohne sich vorher mit dem Bergrevierbeamten ins Ein¬
vernehmen setzen zu müssen. Das Befahren einer Grube wird
sich freilich wohl meist unnötig erweisen oder hinaus¬
schieben lassen. Doch könnte der Kreisarzt z. B. verlangen, daß
ein eingefahrener typhusverdächtiger Bergmann b^ufs Unter-
*) Aob Terschiedenen Gründen ist besonders beachtenswert die Arnsberg*
Dortmunder Verfügung vom 8. und 6. April 1906.
Qesnadheitliche Beanfsichtigmig d«r Bergwerksbetriebe darcb die Ereisirzte. 478
■aehnng ans den Graben geholt wird. Zar Anordnnng Ton
Sehntzmaßregeln gegen die Weitenrerbreitnng ansteckender
Krankheiten ist hier die allgemeine Landespolizei nar dann
anst&ndig, wenn diese Maßnahmen außerhalb des eigentlichen
Bereichs des Bergwerksbetriebes yorznnehmen sind; im anderen
Falle hat die Bergpolizei einzntreten, z. B. beim Verbot der Be*
nntznng Ton verdächtigem oder gesnndheitsschädlichem Trink¬
wasser innerhalb des Bereichs der Bergwerksbetriebe, bei Anord¬
nungen bezflglich des Desinfektion der Abortkflbel bei Krank¬
heiten der Bergleute, die durch menschliche Ausleerungen ver¬
breitet werden können, Sicherung gegen Verbreitung von Wnrm-
krankheiten, grappenweiser Verteilung der Belegschaft an ge¬
trennten Arbeitsstätten je nach dem Wohnsitz beim Auftreten von
Genickstarre und ähnlichem.
Wenn bei dem Vorliegen des Begriffs Gefahr im Verzüge
der Kreisarzt die zur Verhütung der Verbreitung der Krankheit
zunächst erforderlichen Maßregeln anordnet, so hat er diese
Anordnungen, soweit sie im Bereich des eigentlichen Bergwerks¬
betriebes vorznnehmen sind, dem Betriebsleiter schriftlich
zu geben und dieser den getroffenen Anordnungen Folge zu
leisten. Eine schriftliche Mitteilung von diesen Anordnungen
ist in entsprechender Weise der Bergpolizei und nicht der
allgemeinen Landespolizei zu machen. Glaubt der Kreisarzt nicht
entscheiden zu können, welche Polizeibehörde maßgebend ist,
oder nimmt er an, daß ein Interessengebiet beider berührt ^
wird, so empfiehlt sich eine Benachrichtigung von Berg- und
Landespolizei unter entsprechendem Hinweis.^)
Eine viel größere Bolle, als die akut auftretenden, an¬
steckenden Krankheiten, spielen bei den Bergarbeitern chro¬
nische Krankheitsznstände. Es ist deshalb erforderlich,
daß sich der Kreisarzt mit den eigenartigen Verhältnissen des
Bergbaues, ferner mit den gesundheitsschädlichen Einfiüssen des¬
selben und den vornehmlichsten Erkrankungsformen der Berg¬
leute vertraut macht, üm die in hygienischer Hinsicht sehr
s^ wichtige Frage, wie die Gesnndheitsverhältnisse der in
seinem Amtsbezirk wohnhaften Belegschaft sind, beurteilen zu
können, wäre es sehr zweckmäßig, wenn ihm die entsprechenden
Krankheitsstatistiken der Knappschaftsvereine zugänglich gemacht
würden. Bei auffallenden oder ungewöhnlich gehäuften Krank-
heitsznständen hätte er dann anzuregen, daß unter seiner Mit¬
wirkung nach den Ursachen dieser Erscheinungen geforscht und
sehie gutachtliche Aeußerung zur Anordnung von Schutzmaßregeln
«ngeholt wird. Wie wichtig diese Durchsicht der Krankheits-
*) Der AnMcht der Bergpolüei untersteheo nicht nur die Bergwerke,
sondem auch die AulbereitangS'- und lugehOrigen Betriebeanetalten: i. B. Best-,
QllUi*, Koksöfen, Poch-, Qaetsch- und Mablwerke, Brikettfabriken und die
Gradierwerke der Salinen. Dagegen nicht Hütten- und Walzwerke, Anlagen
mr Herstellang Ton Kalisalzen aas Karnalit, Bingofenziegeleien, Mineral-,
Del«, Paraffln- und Ammoniakfabriken und ähnliche Betriebe, in denen eine
weitere Verarboitang yon Nebenprodakten yorgenommen wird.
474
Dr. Cnrttm.
Statistiken der Enai^schaftsvereine ist, habe ich bereits bei der
Besprechung der Taberknlose kurz erwähnt. Aber auch die Zn*
nähme der Geschlechtskrankheiten unter der Belegschaft eines
Knappschafts Vereins, anf die in einem Jahresbericht jetzt aufmerk¬
sam gemacht ist, spricht für die Darchffthrung meines Yorschlages.
Mit dieser Dorchsicht der Krankheitsstatistiken die Knappschafts¬
ärzte zn betrauen, erscheint mir nicht empfehlenswert zu sein,
w^ der Kreisarzt bei seiner amtlichen unabhängigen
Stellung den Knappschaftsvereinen und Bergbehörden gegenäber
die hier eventuell notwendigen hygienischen Forderungen weit
besser geltend machen kann, als der von diesem Behörden imaeiv
hin abhängige KnappschaftBarzt.*)
In einer anderen Hinsicht jedoch möchte ich warm fttr die
Knappschaltsärzte und ftlr die Hebung ihrer Standsinteressen
eintreten. Ich bin überzeugt, daß viele Knappschafteärzte auf
diesem Spezialgebiet der Hygiene sehr beachtenswerte Kennt¬
nisse besitzen, die bisher der Allgemeinheit nicht nutzbar gemacht
sind. Es würde deshalb der Sache gewiß außerordentlich gedient
werden, wenn eine ähnliche Einrichtung, wie sie durch die
Eisenbahnverwaltung in den alljährlichen Yersammlunj^
der Bahnärzte eingeführt ist, auch seitens der Bergbehörden ins
Leben gerufen würde. Sie würde sicher den großen Vorteil
zeitigen, daß die Kenntnisse in diesem Spezialfach gerade
so gefördert und gesammelt werden könnten, wie die auf dem
Gebiet der Bergbankunde anf den allgemeinen Bergmannstagen.
^lerdings ist es hierbei eine Vorbedingung, daß alle Aerzte, weldm
die Hygiene des Bergbaues fördern wollen, häufiger Gruben be¬
fahren, damit sie um einen alten bergmännischen Ausdruck in
(Huem etwas andern Sinne zu gebrauchen, nicht bloß Berg¬
hygieniker von der Feder bleiben. Vielleicht ist die Scheu vor
dl^ Befahren der Gruben einer der Gründe, daß die Tätigkeit
der Bergbeamten bisher in hygienischer Hinsicht eine nm-
fassendere, durchgreifendere und erfolgreichere gewesen ist, als
die der Aerzte.
Trotz aller erreichten Erfolge auf dem Gebiet der Bergwerks¬
hygiene gibt es noch viele Fragen, die erst ihrer Lösung
hanen, und bedürfen hier manche hygienischen Einrichtungen
einer weiteren Vervollkommnung. Wenn auch gerade die deut¬
sche Bergbaukunde schon lange den hohen Ruhm für sich in An¬
spruch nehmen kann, die führende Stellung in der ganzen Welt
zn haben, so würde der Ruf des deutschen Bergwesens noch
weiter gefestigt werden, wenn man auch in wissenschaftlichm'
und praktischer Hinsicht die Bergwerkshygiene noch weiter
ausbaute. Diesem letzteren Ziel wird man, hofle ich, näher kommen,
wenn die Bergbehörden im höheren Maße, wie bisher, auch von
Hygienikern vom Fach und den staatlichen Gesindheitsbeamteii
*) Im OberbergamtabeEirk Dortmund hat man berdta fttr den Baraieh
des Begierongsbezirlu Arnsberg in nachahmenswerter Weite die |§ 84 und 86
der Dienstanweisung fttr die Kreisärzte auf die mir Zostindigkeit des Oberberg¬
amtes gehörenden Anlagen ausgedehnt^
OesandheiUiolie Beaafaichtigang der Bergwerksbetriebe darob die Xreisärzte. 476
eine größere Mitwirkang auf hygienischen Gebiet einränmten
nnd die weitere Fdrdemng und üeberwachnng dieser so wich¬
tigen Materie nicht so vorwiegend den technischen Bergbeamten
llbiarließen.
Leitsätze.
1. Die große wirtschaftliche Bedentnng der Bergwerks¬
betriebe, sowie die zahlreichen gesundheitlichen Schädigungen
nnd Betriebsunfälle der in den Bergwerken beschäftigten Arbeiter
machen es erforderlich, daß diesen Betrieben eine ständige
staatliche Aufsicht in hygienischer Hinsicht in wmt
höherem Maße zuteil wird, als dies bisher vielfach der Fall ge¬
wesen ist. Diese Aufsicht anszuttben, ist der Kreisarzt als
staatlicher Gesundheitsbeamter dank seiner allgemeinen ärztlichen
und speziellen hygienischen Vorbildung in erster Linie berufen.
2. Zur Durchführung dieser Maßnahmen empfiehlt sich be¬
sonders folgendes:
a) Eine eingehende Beschäftigung der Kreisärzte mit diesem
Spezialgebiet der Hygiene und eine regere Teilnahme an
den amtlichen Besichtigungen der Bergwerke.
b) Inanspruchnahme der Kreisärzte bei der Prüfung nnd Begut¬
achtung von Bergpolizeizerordnungen, soweit ihnmi von
gesundheitlichen Angelegenheiten die Bede ist.
c) Bei aufiallenden oder ungewöhnlich gehäuften Krankheits¬
zuständen einzelner Belegschaften sind unter Mitwirkung
des Kreisarztes die Ut sachen dieser Erscheinungen zu er¬
forschen nnd Vorschläge von Vorbeugungsmaßnahmen einzn-
fordern. Von den getroffenen Schutzmsßregeln ist dem
Kreisarzt Kenntnis zu geben.
d) Weitgehender Gebrauch der Oberbergämter von der Be¬
fugnis, in gesundheitlichen Angelegenheiten Ersuchen an
den Kreisarzt zu richten.
8. In wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht bedarf die
Bergwerkshygiene einer weiteren Vervollkommnung, die durch
Versuche in staatlichen Instituten sowie durch Vortiäge und
Diskussionen auf den Bergmannstagen und Aerzte-Kongressen an-
zostreben ist.
Litsratur.
1. Selbach: Illustriertes Handlexikon des Bergwesens.
2. Zeitschrift für das Berg-, Hatten- und Salinenwesen im preufl.
Staate.
8. Dr. Wejl: Hygiene der Berg-, Tunnel- und Hüttenarbeiter; aus
dem Handbuch der Hygiene.
4. Dr. W e y 1: Handbuch der Arbeiterkrankheiten.
6. Beg.-Bat Dr. Stegemann: Bauliche Anlagen für die Wohlfahrt
der Arbeiter; ans dem Handbach „Anlage von Fabriken*.
6. 22. Bericht über die Terwaltang der Knappschaftsberufsgenossen-
aohaftea für das Jahr 1906.
7. Dr. B. Laspeyres: Stat. üntersachungen über die Gesundheits-
Terhältnisse der Bergleute mit besonderer Berücksichtigung der in Steinkohlen¬
bergwerken beschäftigten Arbeiter. (Zentralblatt für allg. Qesundheitspllege;
26. Jahrg., 1. u. 2. Heft.
8. Dr. Hugo Goldmann: Die Hygiene des Bergmanns, seine Berufs¬
krankheiten, erste Hilfe und die Wurmkrankheit.
476
Kldnare MÜtenanfeii and Befente not Zdtfdurlllaa.
9. Dr. Elslsser: üeber die eogeuuuitea Bergmuneknakbeiten.
10. Dr. LObker and Dr. Brans: Ueber du Weeen der Yerbieitanf
der Wnrmkrenkheit.
11. Dr. Diemlnger-Merklinde: üeber die Erfolge der Abtnibnage*
koren bei Ankjlostomiesis. Klin. Jahrb.; Bd. XVn, H. 8.
12. Jahresbericht des NiederadilMischen EnappsehaftsrereiM fflr 1906.
18. Jahresbericht des Saarbrückener KnappscnaftaiTereins für 1906.
14. Berichte über Besichtigungen Ton Bergwerken seiteu der Ereie*
inte im Oberbergamtsbesirk Bonn.
16. Ueberricht über die Erankbeitsformen bei den intlich bebaadeUea
Bergleuten des Oberschlesischen Enappschaftsrerebu im Jahre 1906.
16. Die in den einzelnen Monaten dngetretenen ErankheitsfiUle nnd
deren ürsuhen im Jahre 1906 ans dem allgem. Enappsehaftsrerein Boehnm.
17. Dr. M. Vogel: Die erste Hilfe bei Unfulen.
18. Polizeirerordnnngen Tersehiedener Oberbersamtsbesirke.
19. Journale der Eassen&rzte des Haiberst. Enappschaftsrerds 1906.
20. Erebs- and Tnberknlose* Statistik des NiederschL Enappsehnfts-
yereiu 1906.
21. Dr. P. Stolper: Qeenndbeitsbaoh für den Steiakoblenbergban.
22. Der Eompafi; Jabrg. 28, Nr. 6.
28. Westhoff nnd Schlüter: Berggesetz.
Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitschriften.
D. BaktarloloEla, InfalctlonakrajiklialtaB uid MteiifllohaB
BanitAtawaaaii.
Ortshyglane.
a) Beinbaltung der Lnft, Beseitigung der Abfallstoffe.
Laftreinlgnag durch Ozea. Von Dr. O. Erlwein. Qesnndbdts«
Ingenieur; Jahrg. 81, Nr. 18.
Verfasser beschreibt die Ton der Firma Siemens ft Halske be>
sobriebenen Ozonisiernngseinrichtungen für Ventilationszweeke, welche für
rerschiedene Zwecke geeignet sind, wie z. B. zur Desodorisierung und Beinigung
der Luft Yon Theater-, Eonzert-, Bestauratiou- nnd Fabrikrinmen, Markt-
und Schlachthallen, Untergrundbahn-Tunnels, Euernen, Eirchen, Ton Schills-
r&umen, städtischen Asylen etc. Ferner sei noch darauf hingewiesen, daß bei
den beschriebenen Eonstraktionen eine Begulierung der Ozonmengen äußerst
bequem auf elektrischem Wege durch Aendeiung der Betriebsspannung oder
durch Zu- und Abschalten einzelner Ozonelemente möglich ist, so daß die Omm-
leitung der Apparate von Fall zu Fall dem jeweiligen Bedarf leicht angepaßt
werden kann. _ Dr. Wolf-Marburg,
Schutz der Schomstelue gegen die EtnflllBse der IHtteruag. Von
Prof. Naßbaum-Hunorer. Oesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 16.
Die Nachteile, welche die gewöhnliche Anlage der Schornsteine bietet,
lassen sich sämtlich mit einem Schlage aufheben, sobald wir die Schorutefae
oder ihre freistehenden Teile außen mit Eörpern bekleiden, die für Wasser
undurchlässig sind und ein besonders niedriges WärmdeitungsvermOgen besttzen,
während der Schornsteinkopf durch eine Haube gegen das Eündringen der
Niodersebläge (und nachteiligen Winddruck) gesichert wird. Als Schutzhüllmi
werden aus Eorkklein und Pech hergestellte Platten Yon einer Stärke YW
6 bis 8 cm empfohlen. _ Dr. Wolf-Marburg.
Bericht über die Erfolge der meehanlsekeU) ehemlacheu nd Mel^
glsohen Abwisserkllmng. Von Qeh. Ober-Med-Bat Prof. Dr. Schmidt-
mann. Vierteljahrsschr. t geriehtL Med. u. öffentL Suiitätswesea; 8. Folge.
XXXV. 2.
Verfasser gibt in diesem auf dem XIV. Intemationalea Eongreß für
Hygiene nnd Demographie gehaltenen Beferate eine kleine, knrzgefaßte und
übersichtliche Schilderung der Yorschiedenen Abwässer-BefadgangsYmlahrea,
Kleinere Mitteilongen and Referate ane Zeitsohriften.
477
M der er nicht nur ihre Nachteile und Vorteile, sondern auch die Anlase-
Betiiebskosten an! Oinnd seiner reichen Erfahningen sowie auf Gmod der W
bestehenden Anlagen gemachten Beohachtnngen berflcksichtigt. Seine vorsflg-
liehen AnsfOhrongen hat er in folgenden Schlnßsätsen snsanunengefaßt:
1. Khi für lüle Fälle passendes, allgemein befriedigendes and allgemein
anwendbares Verfahren der Abwasseralärug gibt es nicht.
Erfolge lassen sich in einer fhr die praktischen Erfordernisse ans-
reichenden Weise mit jeder Art der Abwasserklämng erdelen, wenn das
Verfahren nach den Verhältnissen des Einselfalles richtig gewählt, bei seiner
Sbrichtnng der Oertlichkeit angepaBt ist und unter sachkundiger Kontrolle
ordnnngsmäfiig betrieben wird. Die Ergebnisse der Kontrolle haben augleich
die Unterl^^en für die etwaige weitere Ansgestaltung des Verfahrens su geben.
2. Die Forderungen, weldie im Interesse der Allgemeinheit an den
Reinhdtsgrad der geklärten Abwässer su stellen sind, sind keine feststehenden,
aondera Ton Fall su Fall unter eingehender Prttfnng der Qesamtverhältnisse
festsnsetsen. In der Regel best! nunt sich das Höchst* bezw. Mindestmaß nach
den Forderungen, welche ün Interesse der Oesundheitspflege gestellt werden
mlsaen. Hit der Erfüllung der gesundheitlichen Forderungen wird zumeist
allen billigen Ansprüchen an eine Abwasserklärnng, die im hauswirtschaftlichen,
landwirtscbaftlichen, gewerblichen und fischereilichen Interesse su stellen sind,
Ton besonderen Fällen abgesehen, genügt.
3. Wenn der nach den gegebenen Verhältiüssen su fordernde Bebheits*
grad mit ebem einfachen Verfahren erreicht werden kann, so bt es unberechtigt,
ebe weitergehende und kostspieligere Klärung su fordern. Die zu stellende
Anlage muß aber b ihrer Art möglichst Tollkommen mit allen Mitteln der
Technik hergestellt werden. Vlde Mißerfolge erklären sich daraus, daß
Ton Tomhereb an den Herstellungskosten der Anlage zu sehr gespart
worden bt.
4. Den Terhältnbmäßlg sichersten Erfolg für die ebwandfreie Be¬
seitigung Ton Abwasser, insbesondere wenn es sidi um große Mengen handelt,
bi^t die Rebigung durch Verteilung auf ausreichenden Landflächen Ton
geeigneter Beschaffenheit (Berieselung, Eduardsfelder Verfahren, bter-
ndt^ende Bodenfiltration, Untergrundberieselung).
6. Die durch den natürlichen blologbchen Prozeß der Bodenbehandlung
SU erzielende Reinigungswbkung kann b ähnlicher Webe, abgesehen Ton der
Beebflussung der Infektionsstoffe, durch das künstliche biologische
Verfahren erreicht werden.
Je nach der Durchbildung der biologischen Anlage läßt sich eb
Rebignngserfolg erreichen, der emerseits dem der Rieselfelder nahezu gleich
kommt, anderseits b der Mitte stehen kann zwbchen ebem Rieselfeldabfinß
und dem Abfiuß einer mechanischen (Becken oder Bronnen) Anlage. Die
Ausbildung im ebseben, wie n. a. die Art der Vorklärnng und die der Nach-
klbung (für Tropfkörperabfiüsse wegen der darb enthaltenen Schwebestoffe),
hfcagt Ton den Verhälbbsen des Ebzelfalb, insbesondere Ton der Beschaffenheit
des Vorfiuters ab.
Das Ziel der biologischen Abwasserrebignng durch künstlich aufge-
sehichtetes Material (Füll- und Tropfkörper) muß die Schaffung ebes fäulnb-
uaflUiigen Abflusses seb.
Der Erfolg der blologbchen Reinigung hängt neben der richtigen
GrOßenbemessung, passender Vorbehandlung und erforderlichenfalb Nach-
bohandlung, zweckmäßiger Auswahl des Körpermateriab und der Verteilungs-
art des Abwassers über die Körper Tor allem Ton ebem sachgemäßen
Betrieb ab.
Zur Sicherstellung ebes sachgemäßen Betriebes bt neben der Anstellung
siues ansgebildeten Klärwärters die Führung ebes Betriebsbnehes nnd ebe
lOgdmäßige swedrentsprechende üntersuchung der Abflüsse zu fordern.
6. Die chemische Abwässerreinigung bt durch das biologbohe Ver¬
fahren und die bessere Ausbildung der mechanbehen Verfahren in neuerer Zeit
surflekgedrängt; doch bt in manchen Fällen, namentlich wenn gewerbliches
Abwasser b Frage kommt, die Anwendung Ton chembchen Fällungs- oder
Bbdnngsmitteb m sich alleb oder b Verbindung mit anderen KlärTerfabren
aneh heute noch wertToll und unter Umständen sogar unentbehrlich.
478
Kleinere Hitteilnngen and Keterate ans Zeitflchriften.
7. Die mechanischen Abwasserkl&rnng durch Becken, Brannen
oder Ttlirme hat sich namentlich in Deatschland bei gflnstigen VorllatTerh&it-
nissen and zweckmäßiger Darchbildong bisher bewährt Unerläßlich fflr einen
befriedigenden Erfolg ist die den gegebenen Yerbältnissen angepaßte richte
Einzeldarcbbildang der Becken oder Brannen, sowie ein sachgemäßer Betri^,
insbesondere die rechtzeitige Fürsorge für eine einwandfreie Beseitigung des
Schlamms. Letzteres gilt für alle mit Schlammablagerangen rechnenden ffl&r-
einriebtangen. Die in nenester Zeit angewendeten Verfahren, den Schlamm
in den Becken oder Brannen während des Betriebs von dem darchfließenden
Abwasser abzntrennen and aosfaalen za lassen (Hampton, Chemnitz, Essen,
Becklingbaosen) yerdienen Beachtang.
8. Um mit Bechenanlagon befriedigende Erfolge za erzielen, ist bei
ihrer Aasbildang vor allem za beachten, daß ein Zerreiben der angesefawemmten
Sehmatzstoffe tanlichst yermieden wird. Qat aasgebildete Bechenanlagen
können als alleinige, selbständige Elläreinricbtangen nnr bei ganz besonders
günstigen Vorflatyerhältnissen in Anwendung kommen..
9. Durch möglichste Aasschaltang der Handarbeit and weitgehende An»
wendang automatischer Betriebsweise kann bei Kläranlagen, wie die Erfahrongea
in Frankfart a. H. in sicherer Weise bewiesen haben, die Gesandheit der
Arbeiter in erheblichem Maße gefördert werden.
10. Oie Kosten der einzelnen Abwasserreinigongsyerfahren stehen im
allgemeinen annähernd im direkten Verhältnis za der jeweils dadarch za er¬
reichenden Beinigangswirkang. Ein zahlenmäßiger Vergleich der Beinigon^
wirkang der yerschiedenen Klärsysteme ist aaßerordentlich schwierig. Eb
lassen sich mit einiger Sicherheit nar die Unterarten innerhalb der einzelnen
Belnigangsmethoden miteinander yergleichen. So kann z. B. eine zweckent¬
sprechend aasgebildete Bechenanlage mit Sandfang in ihrer Leistang hinaicht-
llch der Aassebeidang angelöster Schmutzstoffe auf etwa */• hin */* ▼<>■> deso,
was Becken oder Brannen leisten, geschätzt werden.
11. Die ständige Verbindang der Desinfektion mit dem Betrieb
zentraler Kläranlagen empfiehlt sich nicht; sie ist auf Aosnahmefälle (Epide¬
mien) za beschränken. Die Vernichtung der Infektionsstoffe ist für gewOhnlk^
am Ort ihrer Entstehung darchzaführan, jedoch schon bei der Anlage zentraler
Klireinrichtangen ist die Möglichkeit einer etwa erforderlichen Desinfektion
des Gesamtabwassers yorzabereiten. Za diesem Zweck ist bei Becken- and
Bmnnenanlagen die Möglichkeit einer Eiintereinanderschaltang yorzosehen, bei
biologischen Tropfkörperanlagen sind die Nachklärbecken yerwertbar zar Des¬
infektion za gestalten. Wo baalich die Desinfektionsmöglicbkeit nicht sicher¬
gestellt werden kann, ist Land bei der Anlage bereit zu halten, auf dem ad hoo
Desinfektionsbecken hergerichtet werden können.
Die Desinfektion der Bobabwässer ist unsicher and kostspielig wegen
des großen Bedarfs an Chemikalien; es empfiehlt sich deshalb, die DeawektiOB
an den geklärten Abwässern auszoführen. Bei der Verwendung der Vor-
reinigangsanlagen für biologische Körper za Dosinfektionszwecken ist zu be¬
achten, daß die Körper in ihrer Wirkang nicht geschädigt werden.
12. Nar eine regelmäßige sachyerständige Untersachung
der Abflüsse der Kläranlage and des Vorflaters gibt ein richtiges Bild yon der
Wirkang der Anlage. Der Umfang and die Art der Untersachung richtet sich
nach dem jeweiligen Kläryerfabren.
18. Die bakteriologische Prttfang kann der Begel nach bei der
Kontrolle des aas irgendeiner Kläranlage abfließenden Abwassers entbehrt
werden; sie kommt jedoch in Betracht, wenn es sich um desinfiziertes
Abwasser handelt; alsdann ist festzastellen, ob die Abflüsse noch BazUlen aas
der Gruppe des Bacteriam coli enthalten.
lÄ Für die Beorteilang der Einwirkang gereinigter Abwässer
auf die Vorfiat ist neben der chemischen and bakteriologischen Unter-
sachang, welche die aogenblicklichen, zar Zeit der Prüfung be¬
stehenden Verhältnisse erkennen lassen and unter denen besonders im fischerei-
lieben Interesse die Bestimmang des Saaerstoffgehalts and der Saaerstoffzehrang
wichtig ist, auch die biologische Untersachang namentlich des fest-
sitzenden Materials (Schlamm, Boden, Uferbesatz) aaszaftthren, welche in der
Fauna and Flora ein yon der augenblicklichen Beschaffenheit des fiießenden
Wassers unabhängigeres Darchsebnittsbild yon dem Zustand des Flasses bietet.
- Epd.
Xklnere Mitteilungen and Befente aae Zeitsohrifteii.
479
KniaTerrernlehtaiif — KadATerrenrertiaig. Yen Ing. P. Naam ann-
BerUi. Oeenndheite-Ingenieur; 1908, Nr. 16.
Be wird znn&chst von einer der Neuzeit angepaßten Anlage rerlanrt
werden mttesen, daß eine Wiederinfektion des Fertigpr^nktes darch dae BoiE<
prodakt unter allen Umständen ausgeschlossen sein maß, daß ferner die Ab*
tOtung der im Bohprodakt stets Torhandenen Bakterien eine darchaus einwand*
freie ist und daß die ganze Anlage m&gliehat gerooblos arbeitet. Verfasser
beschreibt ausfUhrlich ein System, das von der Firma D. OroTe-Charlotten*
borg gebaut wird und rationell und zweckmäßig arbeiten soll
_ Ur. Wolf* Marburg.
b) WasserTersorgung.
Zlnkhalttge TrinkwSsser. Von A. Brttning in Düsseldorf. Zeit*
■ehrift für üntersachung der Nahrangs* und Genaßmittel; Bd. 14, H. 12, 8. 766.
Brüning weist nach, daß die in den Kreisen von Brannenmachem und
Wassertechnikern weit verbreitete Ansicht, daß verzinkte Eisenrohre für Trink¬
waeserleitangen hygienisch unbedenklich seien, zu Unrecht besteht. Verfasser
fand in einem Trinlcwasser, das darch ein derartiges Bohr geleitet war, er¬
hebliebe Mengen von Zink and zeigt, daß eine solche AaflOsnng von Zink in
Wasser die Hegel bei Verwendung derartigen Bohrmaterials ist. Nor bei
einer tadellos vollkommenen Verzinkung, wo an keiner Stelle das Eisen mit
Wasser in Berübrang kommt — in der Praxis kaum vorkommend — geht
kein Zink in LOsang, während sonst stets 2 Metalle (Zink and Eisen) in Be*
rührung mit einem Elektrolyten sind. Es bilden sich mithin 2 galvanische
Ketten, wobei das Metall mit der größeren Lösnngstension (Zink) in Lösung
geht. Aas dem Wasser läßt es sich zam Teil durch Kochen als kohlensaures
Zink abscheiden. Es geben also derartige Bohre so lange Zink ab, als über¬
haupt Verzinkung in ihnen vorhanden ist; eine analoge Bildung etwa von
Zinkkarbonat, wie sie z. B. bei Bieirohren die Begel ist, ist wegen der stän¬
digen Elektrolyse bei verzinkten Bohren ausgeschlossen. Ein geringerer oder
nüßerer Gehalt des Wassern an Kohlensäare ist für die Entstehung dieser
Vorgänge ohne wesentliche Bedeutung. Dr. Symanski-Mete.
Heber ein zinkhaltiges Trinkwasser. Von F. Schwarz. Mitteilung
aus dem chemischen Untersuchungsamte der Stadt Hannover. Zeitschrift für
üntersachung der Nahron^- und Genußmittel; Bd. 14, H. 7, S. 482.
Verfaser erhielt seiner Zeit eine Wasserprobe von einem Gute zur
Untersuchung auf Brauchbarkeit als Trinkwasser. Als Ursache der Unter*
snebung des Wassers wurde angegeben: ,KrystallflaEohen und Gläser er¬
halten von ungekochtem Wasser einen weißen Absatz, gekochtes Wasser hat
einen weißgrauen, flammigen Absatz, Fleisch kocht rot, und Gemüse, wie
Bohnen und Erbsen, grün.“ Die Vermatung, daß das Wasser etwa reichlich
Salpetersäure und ev. Kapfersalze enthalte, wurde durch die Untersuchong
nicht bestätigt. Dagegen zeigte sich, daß es Zink enthielt und zwar
82,4 mg Zinkozyd im Liter. Bei der Lokalinspektion stellte sich heraus, daß
der betreffende Bronnen, der zinkfreies Wasser enthielt, jedoch wenig Hydro-
karbonate sowie viel freie Kohlensäare und Saaerstoff anfwies, durch ein
mehrere 100 m langes verzinktes gußeisernes Bohr mit der Pampe in
Verbindung stand. Nunmehr war es klar, daß bei der Beschaffenheit des
Wassers (Vorhandensein von Sauerstoff und freier Kohlensäare bei Abwesen¬
heit von Hydrokarbonaten) das Zink des Bohres sich zu basichem Zinkkar¬
bonat amgewandelt und in dem kohlensäurebaltigen Wasser gelöst worden
war. Durch experimentelle Versuche ergab sieh überdies, daß auch die Grün-
Bttbung von Gemüsen beim Kochen auf das im Wasser gelöste Zink zurück*
zuführen war. Das Wasser war im übrigen weder zum Trinken tauglich, weil
eo bei verschiedenen Konsumenten Magenbeschwerden verursachte, noch andi
zum Kochen, da es bisher sich milchig trübte, und das ansgeschiedene Zink¬
ozyd sich niederschlug.
Als Erfahmngslehrsatz ergibt sich hieraus: Man hüte sich vor der
VOTwendnng von verzinkten Wasserleitungsrohren bei Wässern, die keine
Hydrokarbonate, dabei jedoch freie Kohlensäure und Saaerstoff enthalten.
(Nach iBrfalunagen von anderer Seite scheint das Vorhandensein lesp. Fehlen
480
Kldnere MitteUnngen and Befeisto an« ZdtaehriftMu
dlMor genaanton Stoffe nicht die Vorbedingnag sa der LOrang Ton Snk m
Müiy sondern etoe selche aal elektrolytischen vorgiagen sn hemhOBy die in
jedem rersiakten Eäsenrobr, wo an irgendeiner Stelle das Wasser n einer
sinklrelen Eisen «Stelle des Bohres Zutritt hat, anftreten. Der Bef.).
_ Dr. Symanski-Mets.
Eatetsennng and Wlederentelaennnf des Wassers. Yen O. Oesten-
Berlln. GestiDdheitS'lngenieor; 1908, Nr. 17.
Verfasser sieht aas seinen Aasftüirnngen die Schlnßfolgemng, dafi mit
einem Enteisenongsrerfahren ohne Aaslftftang der Koblensänre ans dem Wasser,
abgesehen yon der Scbidigang des Behmetses durch die Kohlensftare, ein
daaemder Erfolg in der Eateisenang des Wassers nicht sa etaielen, hiem
yielmehr eine derartige Darchlttftnng des Wassers unerläßlich ist, bei der
eine gründliche Entfernung der K o hlensäure aus dem Wasser surerlisaig
stattfindet. _ Dr. Wo 11 «Harburg.
Heber Bilekhalteberken. Yon Dr. ing. Th. Heyd«Darmstadt. Gesund«
heits« In genier; Jahrg. 81, Nr. 14.
BOckhaltebecken speichern als kleine Stanweiberanlagen die allsugrofien
Abflüsse bei heftigem Regen auf und dienen daher als Hilfsmittel, die Leistua^
fäbigkeit der Vorflater wirtschaftlich aussunutsen. Verfasser bespricht die
verschiedenen Arten dieser Anlage, sowie deren Abmessung; er besieht sich
namentlich auf die bereits ln Tätigkeit sich beflndenden Bückhaltebeckea ln
Darmstadt, Bemscheid und Pfungstadt LH. Dr. Woll«]iarbnrg.
Hjgiane dar Nahrongs« und QeaaasmlUeL
Fleisehyerglftung und Wldalsche Reaktion. Von Dr. H. Lief mann,
Priyatdosent und 1. Assistent am bygien. Institut der üniyersität Halle a. 8.
liflnohener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 4.
Verfasser berichtet dann über eine Fleischyergiftungs« Epidemie, wobd
binnen wenigen Tagen in einer Kaserne über 60 Soldaten unter sum T^ aiem«
lieh schweren Krankheitserscbeinangen erkrankten. Zn gleicher Zeit wurden
etwa 12 Insassen eines Versorgungsstiftes yon ähnlichen Kraiuheitserscheinnngen
Wallen. Han dachte sunächst an Inflaensa, dann an eine yermutliche Vergiftung
mit Nahrungsmitteln, an eine Infektion mit Milch, eine Vergiftung dnru
Kartoffeln, ohne daß man auf diesem Wege die Verbreitung der Erkrankunfl^
in der Kaserne hätte erklären können. Die weiteren Dntersuchungen ergaben
nun, daß der ütsprnng der Epidemie in einer bestimmten Metsgerei besw. in
einem yon dort bezogenen Hackfleisch (einem Gemisch yon Schweine- und Blad«
fleisch) zu suchen and zu finden war. Aus dieser Metzgerei bezogen auch die
in dem oben erwähnten Stift Erkrankten Hackfleisch.
Verfasser behandelt nun in längeren Ausführungen, unter Mitteilnng der
Versuche die Tatsachen, welche mit genügend großer Sicherheit den Säilnfl
ziehen ließen, daß als Ursache der Infektion der Bao. enteiitidis Gärtner an«
Zusehen war, der in dem Hackfleisch enthalten war.
Die Bemühungen, zu erfahren, ob das gelieferte Fleisch yon einem
kranken und notgeschlachteten Tiere berrührte, waren bei der Länge der yer«
schiedenen Zeit leider erfolglos.
Bekanntlich pflegt man bei Infektionen durch Nahrungsmittel mit Recht
zu fragen, ob die letzte Ursache in einem Menschen oder im
Tiere zu erblicken sei. Verfasser glaubt, daß bei der fraglichen Epi¬
demie die Erreger yon einem Tier aus ihre Verbreitung gefunden haben, um
so mehr als Infektionen mit dem Gärtner Bacillns beim Menschen überhaupt
doch ziemlich selten yorkommen, und auch die gewöhnliche Paratyphus«
erkrankung in der Gegend yon Halle eine ganz extrem sdtene ist. Diese
Wahrscheinlichkeit, daß in den meisten Fällen ein erkranktes Tier die Ursache
der Fleischyergiftung ist, muß notwendig dahin führen, die prophylaktischen
Bestrebungen mit einer Reform der Fleischkontrolle zu hegten.
Dadurch werden die Fälle, bei denen yon sichtlich erkrankten Tieren die ln«
fektion ausgeht, mit einiger Sicherheit yermieden werden. Ob in anderen
Fällen, in denen anscheinend gesunde Tiere die Erreger beherbergen, etwa
Xl«in«re IQtteUiingen and Beferate an« ZeitsohriAen» 481
tina bakteriologiBohe Prttfong dea Fldaehes oder Blutea eine DiagnoM em6g«
lichea wurden, liBt Verfaner daUn gestellt. Eine weitere ProabyUze wire
das Verbot oder wenigstens eine Wamang vor dem Genoß ronen oder an-
genflnend gekochten Fleisches. Wenn noch eine Torherige Abkochnng nicht
anbedingt vor Erkranknng schiltst (wegen der Hitzebestknoigkeit der Basillen),
BO roft doch das abgek^te Fleisch ln der Begel nor leichtere^ KrankheitB»
ersoheboagen herror.
Schließlich wire ebe ^aoere Kontrolle der Ton den Ifetsgem b den
Handel gebrachten Ware b oesng auf den Znsats von KonseiTiernngsmitteb
ebe wichtige Forderang, da solche Zositze nicht nur Uber die Gttte and das
Alter des Flebcbes hinwegtioschen, sondern nach direkt gesandheitsschidlioh
sbd. — Aas der gleichen Qaelle, d. h. aas der gleichen Metzgerei warde näm¬
lich b eber später entnommenen Probe Ton Hackfleisch eine ziemlich erheb¬
liche Menge Toa schwefliger Säore (anf 1(X> g : 0,01696 g 80 1 ) nachgewiesen.
_ Dr. Wal bei-Kempten.
Ueherleben ren pathegenen Bazillen ln dem Brod nach dem Bnek-
? resess. Von J. Bonssel'Parls. Annales d’hygihne pabli^ue etc.; 4. Särie,
ome Vin, norembre 1907.
Belm Backproseß steigt die Temperator b der Krame anf 101—108*,
b der Knute anf 126 bb IbO** Hierbei werden zwar die pathogenen Bak¬
terien abgetOtet, die Sporen b der Begd aber nor b der Kroate. Besondere
Versnche ergaben noch, daß der TaberkelbacUlos sebe Virnlens bewahrt. Es
ist demnach aosschließlich mechanische Brotberdtong za fordern, da eb einmal
Inizbrter Teig eb InfektiQses Brot liefert. P. Fraenckel-Berlln.
Ueber biologbehe HUebilfferenztemng. Von Dr. J. B a n e r, Assbtens-
ant an der akadembchen Klinik fflr KbderheiUcande za DOsseldorl Htbchener
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 16.
Verfasser teilt sebe Untersachongen mit, b welchen er das Komplement-
AUenkongsTerfahren zom Nachweb der Verfäbchang eber Milch mit der
Mileh eber anderen Art benatzte. Ab Sehlaßerp;ebnb fand er, daß sich mit
der Komplement-Ablenkongsmethode nicht allem die MilchTerfälschong ab
solche aachweben, sondern mit Hilfe ebes aastitrierten Serams noch die Menge
der b betrflgerbcher Absicht zagegossenen Milch annähernd bestimmen läßt.
_ Dr. Waibel-Kempten.
Ueber eine Temnreinlgnng der Milch dnreh Holz- nnd Zbntellehen«
Von Dr. F. Beiß. Zeitschrift fttr Untersnchong der Nahrongs- nnd Genoß-
mittel; Bd. 14, H. 9.
Bekanntlich werden b Milchverkaabwagen nicht selten viereckige, eben-
Tendnnte Milchkannen, die b verschlossenen der behördlichen Kontrolle nicht
zngängllchen Wagenfächem angebracht sbd, verwendet, die aoßerhalb mit
Mnem Zapfhahn and innerhalb mit frei beweglichen, die abgestampfte Spitze
nach oben gerichteten dorchTochten eisenver^nten Trichtern and darüber mit
einem Brett aas Pappelhob sog. Schwimmer, versehen sind. Diese an sich
innerlichen Einrichtongen, die eberseits eb Abrahmen darch Schütteb während
des Transports verhbdem, anderseits eb Ueberspritzen vermeiden, haben fol¬
gende Nai^teile: Darch die notwendige Beinigong werden die Schwimmer
nach einiger Zeit brüchig and geben Hobteilchen an die Milch ab, während
die hb- and herschaokebden Trichter durch Scheaem mit den Wänden bezw.
den Boden der Kannen Zinnteilchen abgeben, die sich b Form von mehr oder
weniger zahlreichen größeren blaagraaen Feldern b der Milch bemerkbar
machen. Der Nachweb dieser Veronrebigangen bt bei den Hobteilchen
naturgemäß ongemeb leicht; bei den ZbnteUchen bt folgendes Verfahren
erprobt: Die graabbaen Substanzen werden abgeschöpft, aof ebem Filter mit
Alkohol und Aether entfettet and entwässert, zasammen mit dem Filter b
eb BeMensglas gegeben, mit 25*/oiger Salzsäare heiß gelöst, and mit eb
wenig Ctoldäüoria dann die Beaktion aof Cassiusschen Goldpurpur aos-
f efünrt. Da das Beichsgesetz vom 6. JoU 1887 die Verwendung solcher
arbmi bei der Herstellang von Nahrangs- and (jbnafimitteb verbietet, die
482 Klelii«re Mitteilongmi imd Referate aue ZeltsohrUten.
a. a. aaeh Zinn enthaltea, ao ergibt sieh ia Biangeiiilfiei Andegnag anek die
ÜBznl&Migkeit des Gehaltes der Milch an Zinn in irgendwelcher Ferm.
Dr. Symanski-Mets.
Ueber Zlegenmlleh und ZIegenbntter. Von K. Fischer. Hitteflnng
ans dem chemischen Laboratorium der Anslandsfleischbeschanstelle Bentheim.
Zeitschrift fttr üntersacbnng der Nabrangs- und Gennßmittel; Bd. 16, H. 1, 8.1.
Da die stetig und in manchen Gegenden Deutschlands besonders fort«
schreitende Ziegenzucht vermuten lädt, daß auch die Nabrungnnittelkontrolle
in Zukunft mehr wie bisher sich mit der üntersacbnng von Ziegenmilch und
Ziegenbutter befassen wird, so hat Verfasser Ziegenmilch und Ziegenbutter
ans dem Indnstrieort Schttttorf, wo seit Jahren ein bltthender Ziegenzachb*
verein, einer Prüfnng unterzogen. Die Untersuchuugen erstreckten sich auf
Bestimmung des spezifischen Gewichtes der Milch und des Serums, Bestim¬
mung des Fettes und der Trockensabatanz. Die Fettbestimmung erfolgte nach
dem Ger berschen Verfahren, wobei sich bei sehr fetter Milch oft ein zwei¬
maliges Zentrifagieren als nötig erwies. Die Zusammeasetzung der Zlep^eamilcb,
insbesondere ihr Fett gebalt, schwankt ebenso wie bei der Kuhmilch in weites
Grenzen (2,03°/,—6,90%); im allgemeinen ist der Fettgehalt der Ziegenmilch
höher, im Mittel 8,47% gegenüber einem durchschnittlichen Fettgehalt von
8*/o bei den Kühen der dortigen Gegend. Das spezifische Gewicht des Serums
ist hoher wie das der Kubisch und schwankt zwischen 1,0861 bis 1,0386
(im Mittel = 1,0297).
Die Ziegenbutter zeigt, was eine Eägentümlichkeit derselben au sein
scheint, stets, unabhängig von Jahreszeit und Fütterung, eine rein wette
Farbe. Ihr Geschmack ist angenehm, nußäbnlich; allerdings scheint sie
leichter ranzig zu werden wie Knhbutter. Die Reich er t-Meißlsche Zahl
war stets ni^riger wie bei Kuhbutter, Verseifongs- und Fallenskesche
2Sahl höher als bei normaler Kuhbutter. Das Gesamtbild der vom Verfasser
erbrachten Analysen würde, worauf auch schon von anderer Seite hingewiesw
worden ist, bei allen Proben auf eine mit erheblichen Mengen Kokosfett ver¬
fälschte Knhbutter hinweisen, so daß in solchen Fällen schließlich nur mii
Hilfe der Phytosterinazetatprobe festgestellt werden kann, ob ein rdnea
Tierfett oder ein mit Kokosfett vermischtes Butterfett vorliegt.
_ Dr. Symanski-Meta.
Ueber Schaf- und ZIegenbntter. Von R. K. Dons in ‘KopenhMen.
Zeitschrift für Untersuchung der Nahrangs- und Gennßmittel; Bd. 16, H. 8,
Seite 78.
Verfasser erhielt seiner Zeit zur Untersuchung 6 Proben Butter von
Island, von denen 4 für reine Butter abnorm analytische Werte aufwiesen;
insbesondere war die Pollenskesche Zahl und die Kaprylsänrezahl so hoch,
daß Verfasser den Verdacht auf Kokosfettbeimischung hatte, die jedoch nur
auf 6 geschätzt werden konnte. Aus den verschiedensten anderen Grttndea
aber und von der Erwägung aus, daß eine Beimischung von nur 6°/o Kokos¬
fett sich kaum bezahlt maäen dürfte, vermutete Dons, daß bei der Her¬
stellung der Butter zu der Kuhmilch Schafmilch zugesetzt worden seL Veac^
fasser hatte Gelegenheit, Schafbutter zu untersuchen und hierbei festsustellea,
daß eine lUsohung von gleichen Mengen Kuh- und Schafbutter Zahlen gibt,
die den bei den isländischen Butterproben gefundenen sehr nahe liegeB|, es
sich also bei diesen Butterproben wohl um ein Milchprodukt aus 2 MÜch-
sorten gehandelt hatte. Auch Ziegenbutter ergab ziemlich ai^oge Zahlen
und Resultate. _ Dr. Symanski-Mets.
Ueber Eier-Konservierung. Von Dr. Prall in Bremen. 2Seitschrift
fttr Untersuchung der Nahrangs- und Genußmittel; Bd. 14, H. 7, S. 446.
Bei der Konservierung der Eier kommt es nicht nur darauf an, ihren
Inhalt vor dem Verderben zu schützen, sondern auch ihr gutes Aussehmi,
ihren normalen Geruch und Wohlgeschmack möglichst lange zu erhalten.
Diejenigen Fi^toren, welche eine Hauptrolle, bei der Veränderung des Eäes
bei längerer Aufbewahrung spielen, sind der Feuchtigkeitsgehalt und die
Temperatur der umgebenden Luft und gewisse Mikroorganismen. Fenier
kleinere Mitteilangvii und Referate ans Zeiteohriften«
483
ntssea Eier in möglichst gentohlosea BSamen aofbewabrt werdoiy da das Ei
'viel empfindlicher bexttglieh Anfiiahme von Riechstoffen ist, als viele andere
KahrongsmitteL Unter den Mikroorganismen, die das Ei verindern können,
sind Schimmelpilze and Bakterien beteiligt. — Prall hat nun die 8 Haapt*
konserviemngsverfahren fttr Eier, nämlidx trockene Anibesrabrnng in nnprig-
liiertem Zostande, trockene Aafbevrahrang nach vorhergegangener Umhttliang
oder Imprfigniernng und schließlich Aafbevrahrong in Flüssigkeiten ohne
oder mit Vorbehandlnng teils in einer großen Zahl, aber verschieden
modifizierter Versnche geprüft, teils anch die Besnltate von diesbezüglichen
Wettbewerbsversnchen in seiner Arbeit zosammengestellt and ist hiernach
za folgenden Schiaßergebnissen gekommen: 1) Frische, saaber gehaltene
Eier halten sich frei aafgestellt in kühlen, aber frostfreien nicht za feachten
B&amen mit gater Ventuation viele Monate lang ebensogat braacbbar als
in Packongsmaterial (Häcksel, Sand) eingebettete Eier. 2) Besonders günstig
sind die VerhUtnisse fttr die trockene Aafbewahrung von Eiern bei der Kalt*
lagerang in modernen Kühlhünsern, in denen die Eier auf etwa 0** abgekühlt
gehalten and mit frischer Laft von etwa 80**/o relativ Fenchtigkeit amspült
'Werden. 8) Von den Verfahren, hei welchen die Eier in Flüssigkeiten konser-
'Viert werden, ist das Einlegen in etwa lO^/oige Natriom-WasserglaslOsang
am mehten za empfehlen. Während das zweite Verfahren sich mehr für die
Anfbewahrnngsweise großer Niederlagen eignen dürfte, ist das letzgenannte
wohl das geeignetste für den Haashait. ln der Regel empfiehlt es sich za
1 Liter der Wasserglaslösang 10 Liter Wasser hinznzofügen, was fttr
140—löO Eier genügt. Die Flüssigkeit maß einige Zentimeter über den Eiern
stehen and müssen die Eier in einem kühlen Raam (am besten in laftdicht
schließenden Büchsen, am das Eindicken der Lösung za vermeiden, wodarch
Bisse in der gelatbiscben Masse entstehen, and Lnft za den Eiern gelangt)
aafbewahrt werden. So hatten sich beispielsweise in dieser Art konservierte
Eier 6 Monate lang gut gehalten, obwohl die Temperatar des Anfbewahrangs-
raames zeitweilig 25** betragen hatte. Empfehlenswert ist es, die Eier vor
dem Einlegen mit einer Vaselinschicbt za überziehen bezw. mit einer starkea
Lösung von Magnesium* und Ealciamsulfat za behandeln, um ein Eindringen
von Wasserglas in das Innere der Eier noch besser za vermeiden. Eier, die
i/t Stunde in konzentrierter Magnesium > EaldamsolfatlOsang gelegen hatten
und dann in Wa8Bergias>Lösang gebracht worden waren, hatten voue 10 Mo*
nate lang ihren frischen Geschmack behalten. Dr. Symanski'Metz.
Zar Beortellang des konservierten Eigelbs. Von A. Brüning in
Dflsseldorl Zeitschrift fttr Untersachang der Nahrangs* and Genaßmittel;
Bd. 16, H. 7, S. 414.
Dem Verfasser wurde von einer Nahrangsmittelfabrik die Frage vor*
gelegt, wie die in ihrer sonst tadellosen Ware seit einiger Zeit aaftretenden
gelben and dunklen Flecke za erklären seien, die etwa 2 Wochen nach
Fertigstcllong der Produkte und besonders an der Obeifiäche derselben za
bemerken waren. Die mikroskopische Prüfung ergab, daß diese Flecke aus
zahlreichen Pilzmyzelien bestanden, and als Quelle derselben die Verwendung
sog. „sterilisierten" chinesischen Eigelbs. Bei Untersachang des letzteren fiel
nur seine dunkle Farbe and seine dicke Konsistenz aaf; Konservierangsmittel
waren nicht nachweisbar. Die genauere bakteriologische Untersuchung (Zttch*
tang auf Berliner „Sökeland-Pumpernickel") ergab das Vorhandensein einer
ganzen Reihe von Schimmelpilzen, Bakterienarten und einer Hefe, und zwar
in ganz erheblichen Mengen. Da die unter den gefundenen Keimen vor*
handenen Danerformen auch ein Erhitzen auf 100** vertragen, so verlangt
Verfasser mit Recht, daß konserviertes Eigelb nur zur Herstellung solcher
Nahrungsmittel verwendet werden dürfe, die bei der Bereitung auf n^destens
120* erwärmt werden. _ Dr. Symanski-Metz.
EnrllOy ein neues Kaffeeenatzmlttel. Von A. Beitter in Göppingen,
Zeitschrift fttr Untersachang der Nahrangs* und Genaßmittel; Bd. 16, H. 1,
Sdte 21.
Die Untersachang dieses von der Firma Heinr. Franck Söhne in
Imdwigsbarg hergeetellten Kaffeeersatzmittels, das die Hersteller selbst als
484
Kleinere Mitteilungen und Referate ane Zeitaohrlften.
imsammeageeetst ane gerosteten WamelgewOohsen und inllndisoliett Halm-
•T! w lO fUijii* rm
gerosteten EOmern, in denen sich anscheinend Zerealien* and Zichorienwniael-
bestandteiie mikroskopisch naohweisen lassen. Der Gemeh des Absudes ist
aromatisch, kaffeeartfg, der Geschmack wflrsig, bitter und auch bei Mileh-
snsats angenehm; die Ansgiebigkeit selbst bei starkem Milchsnsats eine he*
triohtliehe. Koffein war nicht nachweisbar. Dr. Symanski-Mets.
Zieherle. Von Dr. Heinrich Zeller, Berlin •Wilmersdorf. Zentral¬
blatt Ihr allg. Gesnndheitspliege; 1908, 1. und 2. Heft.
Verfasser wOnscht eine rermehrte Aufmerksamkeit der Nahmngsmittel-
hygieniker auf die Zichorie xu lenken, dieses in unserem Volke weit Terbreitete
Ersatzmittel des Kaffees. Der Unwert der Zichorie ist oft genug festEestellt,
Terschiedene Forscher haben darin nachgewiesen: Torf, Erde, ZiMelmelu, 8&g^
sp&ne, Gerberlohe n. a. schOne Ingredienzien. Wenn auch diese Verf&lschnngen
seltener geworden sind, so ist es doch sicher, daß die Zichorie mit LOwensahn-
wnrseln, BankelrOben, Eicheln n. a. gemischt ist Die Wirkung der Zichorie
auf den Organismxu ist durchaus keine harmlose; sie übt eure nng&nstigu
Wirkung auf die Sehkraft (Buss), den Verdauungstraktus und die Nerrea
ans. Deshalb betrachtet Erismann es für ein nationales Ökonomisches Un-
glttck, dafi das Volk statt einer Mehl- oder Brotsuppe gemeines SpOl-
wasser“ zu sich nähme. — Lehrreich sind auch die Zahlen ttber die Ein- und
Ausfuhr der Zichorie; es wurden 1902 eingeftthrt 18184 Doppelzentner fertig«
Fabrikate, ausgefOhrt nur 7641. Das Ausland bedankt sich also daftir, nr
seine miserablen Erzeugnisse von Zichorie nennenswerte Mengen unserer
Fabrikate einzntauschen. Fast idle im Handel befindlichen Ersatzmittel des
Kaffees sind besser als die Zichorie, trotzdem das Kaiserliche GesundheitBamt
sagt: aJedenfalls mu6 man die Ersatzmittel des Kaffees, gleichgültig welchen
Namen sie ftthren, im wesentlichen als unter sieh gleichwertig betrauten.*
_Dr. Solbrig-Allenstein.
üeber alkohoUlrele Getrfinke. VonO. Mezger. Mitteilnng aus dem
obemischen Laboratorium der Stadt Stuttnurt. Zeitschrift für Untersuchung
der Nahrungs- und Genußmittel; Bd. 15, H. 1, S. 14.
Mezger hat 44 im Stuttgarter Handel befindliche alkoholfreie Ge¬
tränke analysiert. Bei seinen Untersuchungen, die bis zum Jahre 1898 zurück-
reichen, ging Verfasser im wesentlichen darauf aus, den Alkoholgehalt dieser
ja nie absolut alkoholfreien Getränke zu ermitteln. Nur 8 Ton den analy¬
sierten Getränken zeigten einen Gehidt von über 0,6 Gewichtsprozent Alkohä.
Jedenfalls hält Verfasser eine Beaufsichtigung der Fabrikation dieser Getränke
für sehr wünschenswert, da nicht immer trotz gründlicher Analyse im fertigen
Produkt eine stattgehabte Fälschung ermittelt werden kann. Außerdem würde
eine schärfere Kontrolle, wie beispielsweise die beim Wein eingelührte Keller¬
kontrolle, dem einheimischen Obst- und Beerenbau durchaus zugute kommen.
Für die Herstellung dieser Getrfinke existiert eine Beihe ron Patenten, nach
denen der Alkohol entweder im Vakuum durch einen Luft- oder Wassei-
dampfstrom yerjagt wird, oder sterile Flüssigkeiten mit gewissen Mikroorga¬
nismen beimpft werden, die Alkohol angeblich nicht erzeugen. Nach andern
Patenten wird in sterilen Getränken durch Leukonostokarten der Zucker in
Kohlensäure und Glykose gespalten; andere wieder pasteurisieren die Getrfinke;
jedoch macht sich bei den Getränken letzterer Art nicht seit» ein unan¬
genehmer Pasteurisieruagsgeschmack bemerkbar, der der weiteren Verbreitung
solcher Produkte dann leider hindernd Im Wege steht
_ Dr. Symanskl-Mets.
SohnUiyglene.
Die Etttwieklnng und Ziele der SchulhygleBe. Von Dr. W. Hanauer-
Frankfurt a. M. Das Schalhaus; 1908, Nr. 5.
Das große Gebiet der Schulgesnndheitspfiege zerfällt ln swd Gebiete:
die Hygiene des Schulgebäudes und des Unterrmts. Was die Hygiene des
Bcbul^bfiudes anbeluigt, so ist sdbstTersttndlich, dafi alle Errungmisohalten
Kl^en BfitteUnngeu iiiid Referate aof Zeltsohriften.
485
der Beahygleae aneli dea Sehnlhftaseni mgnte kommen mfltsen. Gibt ee be>
nfl^ek der Hygiene des Seholgebdudes wenig Streit, so differieren die
Mmnngen nm so mehr, wo es sieb nm den eigentuehen Unterricht und seinen
Einflnd ani die Gesnndheit bandelt. Hier stehen noch eine noBe Ansahl ?on
Fragen sor Diskussion: üeberbttrdong, Beginn der Schnlpflicht nnd des Unter¬
richts, Daner der Lehrstanden, der Pansen, des Vor* nnd Nachmittagsnnter*
riehts. Des weiteren hat die Schale daranf an achten, daß sie nicht anr
Verbreiterin ansteckender Krankhdten wird. Kit der Einsetanng Ton Schnl-
Kraten ist die Schnlbygiene in ihre letate and Terbeifiongsvollste Epoche ein-
getreten, sie wird neben dem direkten Nataen nach indirekt dea Vorteil
herbeiftthren, daß die Kinder Ifir die Fragen der Gesondheitspflege besseres
Verstindnls haben. _ Dr. Wolf*Harbnrg.
Ans der sehnlhygienisehen Praxis« Von Oberbealrksarat Dr. H.
Wolff. Gesnndheit; Jahrg. 88, Er. 7.
Verfasser besoh&ftigt sieh annlehst mit der Belenehtnng, rerlangt eine
ausreichende Hefacana (MantelOfea) nnd warnt Tor direkter Bestrahlnng Ton
selten des Ofens; daner empfiehlt er anr Verhfltnng hohe, Toraflnlich doppel¬
wandige (mit einer 2 cm starken Lnftschicht) Ofenschirme. Das Thermometer
mnfi an der dem Ofen gegenfiberliegenden Wand in etwa 1,60 m HOhe an¬
gebracht werden. In allen Pansen sind s&mtliche Fenster an fiffnen, desgleichen
nach Schnlschlnß. Die Garderobe darf nicht im Zimmer bleiben. Die Um-
gebnng des Sehnlbmnnens bedarf einer besonderen Beachtung. Die peinlichste
Beinhdtnng der Aborte mnfi den Kindern aneraogen werden. Jede rierklassige
Schale soll mindestens drei yerschiedene BankgrSfien haben, in mehrklassigen
Schulen sind bis 7 yerschiedene Großen yoransehen. Die Schalkinder sind an-
xnhalten, yor Eintritt in das Sehnlhans die Schuhe yon Schmnta an reinigm.
Die Beinigong (auch die Heiannff) der Sehnlrfinme soll einer anyerlfissigen,
gesnndoi (insbesondere nicht tnoerknlOsen) and körperlich leistnngsf&higen
Person fibertragen werden. Bin endgültiges Urteil über das StanbOl ist no^
nicht möglich. Alle hastenden Kinder sind an die Ecke der Schnlbinke an
Mtaen. d^t sie die mit Wasser geffillten Spneknäpfe benntaen kOnnen. Alle
geimpften Schalkinder sind 14 Tage yom Tornnnterricht an befreien.
_Dr. Wolf-Marburg.
Die kSrperliehe ZBehtigang der Schulkinder. Von Dr. Trangott
Pilf-Blankenburg a. Hara. Zeitschrift für Scholgesondheitspfiege; 1908, Nr. 4.
Einen ener^chen Appell gegen Prügelstrafe in Hans nnd Schule enthält
der Aafsata. Verfasser yerlanute yor allem, daß sich jeder Arat, besonders
Schnlarat, ein wohlüberlegtes dorchdacbtes Urteil über die körperliche Züch¬
tigung bildet and den Standpunkt der Lehrer darttber kennen za lernen sacht.
Aus cdgener Erfahrang berichtet er, daß der nTerprfigeltste* Jange einer Klasse
aldi au stark schwerhörig heraasstellte, was Lehrer und Schüler selbst nicht
geahnt hatten. An irgendeinem Erfolg durch Schlage beim Erziehangswerk
des Kindes glaabt Verfasser nicht, yielmehr sind die Prügel, unter denen die
Kinder hfta& gwng seelisch and körperlich leiden, meist nur ein Ausfioß des
2k>rae8, der Gereiztheit oder der schlechten Laone des Erziehers.
Wlu kMui der neryßseu Jugeud unserer hßheren Lehmnstulten ge-
helfeu werden! Von Bichard Fis eher-Glaachaa. Zeitschrift für Schiü-
gesundheitspfiege; 1908, Nr. 1—8.
Im ersten Teil seiner Arbeit bespricht Verfasser die leider feststehende
Tatsache, daß heatzutage sowohl in den überfüllten Klassen der VoUcsschole,
als in den swar schwieher besetzten, dafür aber höhere Anforderungen
stellenden höheren Schalen eine große Anzahl nervOser Kinder sich befinden.
Jeder scharf beobachtende Lehrer kennt die üaßeren Merkmale dieser Schüler:
die naehlissige Haitang, den müden, ängstlichen oder angespannten Aosdraok
des Gesichts, das onrohige Bewegen des Kopfes, das Blinzeln der Augen u. a.
Im Unterricht sind die Kinder meist zerstreut, oft yersUmmt, mürrisch
und durch mangelnde Willoiseaergie einem starken Stimmungswecl^ unter¬
worfen; oft aber finden sich gerade unter den neryOsen Kindern die ge-
486
Klefaiere Mitteilongeii and Referate ans Zeitsdiriftea.
aeheitestea E5pfe mit einem hohen Grad von DenkrermSgen, starkem Ehrfeis
und grofier Gewissenhaftigkeit. Daß unsere höheren Schnien mit ihrem Lehr-
^gramm und ihrer langen Unterrichtszeit auf solche nerrOs diraonierteu
lOnder einen unheilyolien Einfloß haben, darauf ist in dem letzten Jahrzehnt
unermttdlich hingewiesen. Der Fachunterricht verbietet ein Eingehen auf die
Eigenart des Kindes; aber gerade die Erziehung nerrOser Kinder erfordert ein
genaues Studium ihrer Eigenart und ein TersUndnisToUes Eingehen auf die¬
selbe. Die Erhaltung der Neryengesundheit muß zu den Tomehmsten Auf¬
gaben einer guten S^ulerziehung gehören, und so sehr man die Fortschritte
anerkennen muß, welche die äußere Gestaltung des SchuUebens zuspinsten einer
gesunderen Entwicklung der Sehuljugend genommen hat, so ist sie doch noeh
immer «nicht die richtige Erziehongsstätto für nerrOse Kinder". Verfasser
tritt nun im zweiten Teil dafür ein, daß der Staat sich der Notwendigkeit,
Sonderschulen für nervOse Kinder zu errichten, nicht mehr versohließen dürfe.
Nach dem Beispiel der schon bestehenden privaten Landerziehungsheime und
die richtige Folgerung ziehend aus der Tatsache, daß der Gesunriieitszastand
der Schüler kleineren Städten ein bedeutend besserer sei, als in den großes
Städten, seien diese Erziehungsstätten für NervOse ausschließlich in kleine oder
Mittelstädte zu verlegen, fern vom Getriebe der großen Stadt. Verfasser ent¬
wirft nun ein ideales Bild solcher Schule, die sowohl durch die Lage des Schul-
hanses, als durch seine äußere und innere Ausstattung jeden Gedanken an
Zwang und ünfreudigkeit verbanne, und durch schlichte einfache SchOnhdt
den Eindruck einer heiteren Lobensstinunung erwecke. Die Schüler, die
einer solchen Erziehnngsstätte ja ganz übergeben würden, sollen mit den
Lehrern und deren Familien eine gemeinsame große Familien bilden, um den
gleichmäßigen DrUl der Internate zu vermeiden. Die Erziehung fördere KOrp«
und Geist gleichmäßig, sie achte vor allem darauf, daß die Beschäftigung in
und mit der Natur der heilsamste Faktor für nervOse Sander ist. Die Aus¬
bildung und Uebnng der Sinnesorgane, die Beherrschung der Unlnstempfindungea
■ei Ziel der Erziehung. Der Unterricht gebe weniger Verstandeedressur und
mehr Herzensbildung und fordere Frohsinn und Heiterkeit. Dann wird sidi
die Liebe zu den Lehrern und die unbedingt notwendige Anerkennung ihr«
Autorität von selbst einstellen.
Wahrlich ein ideales Bild einer höheren Schule, die man nicht nur den
nervOsen, sondern allen Kindern wünschen mOchte. Das neu eröffnete staat¬
liche Arndt-Gymnasium in Dablen bei Berlin bedeutet vielleicht den ersten
Schritt auf diesem Wege. Dr. SoIbrig-Allenstein.
Die Organisation der Hilfsschule. Von Rektor Hens e- Frankfurt a. M.
Zeitschrift für die Erforschung des jugendlichen Schwachsinns; Bd. IL, H. 2.
Die Prüfung betr. Auswahl der Hilfsschulen ist unter Beteiligung einss
Arztes vorzunehmen, dessen Mitwirkung bei der Beobachtung der Kinder
während der ganzen Schulzeit nicht zu entbehren ist. Nicht inuner ist ein
zweijähriger Besuch der Normalschule vor der Ueberweisung notwendig, wenn
in gewissen Fällen schon früher kein Zweifel über die geistige Schwäche der
betr. Kinder besteht. Es empfiehlt sich, einen sorgfältig geführten Personal¬
bogen anzulegen und spezifizierte Zeugnisse zu geben. Die Einrichtung der
Hilfsschule richtet sich nach der Größe der betr. Siadt; in großen Gemeinden
werden 6-6 aufsteigende Klassen, in Städten mittlerer Größe 2—8 anfsteigendo
Klassen und in kleinen Städten eine Klasse mit mehreren Abteilungen notwendig
sein. Trennung nach Geschlechtern und Konfession ist nicht nötig. Die Klassea-
freqnenz soll nicht über 20 25 Schüler betragen. Der Stundenplan maß, was
Dauer, Zahl und Wechsel der Standen, Pausen anbelangt, den besüglichea
pädagogischen, psychologischen und hygienischen Anforderungen noch sorg¬
samer als sonst Beebnung tragen. Hier sei namentlich auf die Einführung des
einmaligen Schulbesuchs und eines Austausches von Kindern zwischen den ei^
zelnen Klassen bei bestimmten Fächern hingewiesen. Die Zahl der wöchent¬
lichen Unterrichtsstunden bewegt sich meist zwischen 20 bis 28. Als der
Hilfsschule eigentümliche Unterrichtsfächer treten namentlich der Artiku-
lationsnnterricht und der Handfertigkeitsunterricht für Knaben anl Beeonderz
bedeutungsvoll ist der ersieherische Einfluß, den die Hilfsschule ausflben solL —
TagetnaohriditeiL
487
Der TOlUge Amben der HiUnehnlmetliodik ist eine wkhtige nad der nichsteii
Zokonlt obliegende Aufgabe. _ Dr. Woll-Merbnrg.
Wesen, UnnelieB, Terbreitnng und Beklnmfang des AlkohelgeuBsses
ln den Telkssehnlen. Von Kurt W. F. B o a s. Zentralblatt fflr aUgemeine
Gesundheitspflege; 1908, 1. und 2. Heft.
Verfasser ^bt zun&chst eine Zusammenstellnng der wichtigsten neueren
Statistiken über den Alkoholgenofl der VolksschtUer, Ton denen nur eini^ hier
herrorgehoben seien. Der ülmer Schularzt stellt fest, dafi 84,7 */o der Under
gewohnhdtsm&flig alkoholische Qetr&nke zu sich nehmen; in einer ^hOneberger
Knabenschule tranken 66,2 regelmäßig Bier, nach den Befunden Berliner
Schulärzte nahmen täglich Bier zu sich 81,9'’/o der Mädchen und 84,4 **/• der
Knaben. Interessant sind die Erhebungen KOnigs Aber den Alkoholgenufi
der Schuljugend: An einem Montag stellte er fest, daß tags zuvor von 9405
Knaben und Mädchen 8868 Wein, 2864 Bier und 697 Branntwein getrunken
hatten; 2006 Sünder hatten an diesem Sonntag ein Wirtshaus besucht. Fr9h*
lieh in Wien berichtet, daß von 100000 Wiener Sündern unter 14 Jahren
72702 regelmäßig Bier und Wein und 6958 regelmäßig Branntwein genießen.
Die Verbrdtung des Alkoholgenusses in den Vo&sschulea ist &o ganz
erschreckend hoch, üeber seine Wirkungen auf die Schulleistungen hat Bayr
EmittlangeB angestelit, die alle ergeben haben, daß die trinkenden Schäler
weit schlechter fortkommen wie die abstinenten; die betreffenden Kinder sind
gcdbtig zerstreut, matt, wenig leistungsfähig, nehmen überwiegend die unteren
Plätze ein und zeigen nicht selten moralisme Minderwertigken.
Die Volksschule hat also die größte Verpflichtuon, aufklärend auf ihre
Schäler einzuwirken, um so mehr, & sie vom Eltemhause nicht nur keine
Untentätzung, sondern eher Widerstand zu erwarten hat. Als bestes Hilfs«
miüel in diesem Kampfe erscheinen dem Verfasser der verständig betriebene
^rt, Scbulamflttge unter Vermeidung jegUchen Alkohols und Volks* und
Ji^pendspiele. Dr. Sol b big* Allenstein.
Ueber die Erfolge eines versuchsweise elngefnhrten orthopSdlseh-
gjmnastisehen Splelknrsns fftr kranke und znrflekgebUebene Sehnlkinder
JBngeren Alters. Von Dr. Her bst* Barmen. Zentralblatt für aUgemeine
Qerändheitspflege; 1901, 1. und 2. H.
Um kranken und zurückgebliebenen Schulkindern jüngeren Alters, welche
von den Ferienkolonien nicht gern aulgenommen werden, eine gesundheitUche
Fürsorge zuteil werden zu lassen, hat Verfasser im Verein mit einem Lehrer
einen orthopädisch • ^mnastischen Spielkursus eingerichtet. Zn diesem wurden
80 Teilnehmer zngelassen im Alter von 7—9 Jahren, die an Skoliose, Skro*
f hulose, Blutarmut, Affektionen der Luftwege Utten. Der Kursus fand an
Nachmittagen der Woche zu je 2 Stunden auf einem freien Spielplatz statt.
Die üebungen bestanden im Marschieren mit Stäben, in Hantelübungen, Atem*
g rmnastik und Spielen. Am Ende erhielt jedes Kind Liter Milch und Brot.
ie Erfolge waren ausgezeichnet. Nach 6 Monaten betrug die Durchschnitts*
Gewichtszunahme 2,6 kg, die Umfangszunahme des Brustkastens durchschnitt*
lieh 8,1 cm; Skrofulöse und Blutarmut waren entweder ganz geschwunden oder
doch erheblich gebessert, die Muskulatur gekräftigt, die Skoliose fast ganz
zurückgegangen. Das Urteil der Lehrer über die Leistungen in der Sdule
lautete durchaus befriedigend, z. T. waren die Leistungen bessere geworden,
trotzdem sämtliche Kinder während der 6 monatlichen Dauer des Kursus vom
Nachmittagsunterricht ganz befreit waren.
Die Kosten betrugen pro Kind 21 M. unter Einrechnung des Gehalts
für den Lehrer, der die Spiele leitete, und der Anschaffung der nöti^n Geräte.
Derartige Kurse werden also einen guten Ersatz und eine Ergänzung
der Ferienkolonien bilden.
Der Arbeit sind Photographien von 5 Kindern im Anfang und nach
Schluß der Spielkurse beigegeben, welche die außerordentlich günstige Beein*
flussnng auf die körperliche Entwicklung der Kinder aufs deutlichste erkennen
lassen. Dr. Solbrig-Allenstein.
488
TBgeBiiMluriöht«ii.
SpeigefiMe !■ der Selrale« Von Dr. med. Fttrit-Hunlnug. Dm
afth nlrimm ar; Jehrg. 6, Nr. 2.
Dem stMtlichen Schnliwus entspricht die Terpilichtniig des StMtei,
die Schiiir&ame so anszostatten, dw sie die Eatstehnng und VerbreltiiBg Toa
Krankheiten nach HSglichkeit Terhindern. Neben der rationellen t&guchen
leachten Beinignng aller benutzten Scholr&nme gehört dazu die AnfsteUang
Ton Schnbpein&pfen. Han sollte in Schnlgebänden nnr solche ^nckn&pfe an*
bringen, welche in etwa 1 m Hohe ln einem Rahmen an der Wand buestigt
sind und etwas FlOssigkeit enthalten. Bei Neaanlaeen von Scholgebioden
wird man von romherein auf die AnbrioKiing von Spn(^ipfea in Klassen and
auf den Korridoren bedacht sein. Da smd es sich dann empfehlen, ron rorn-
herein Wandspnckbecken mit direkter WasserspOlong anzolegen, wie sie z. B.
Ton der Firma HOlsmann*Freibarg LB. geliefert werden. Han hat solche
Wandspackbecken in weißer Fayence ^t Za* and AbfloBstataen. Bei dießendeni
Wasser wird der Ans warf sofort Tcrdr≯ es bleibt stets gendgasd
sauberes Wasser im Yerscblaß. _ Dr. Wo 11*Marburg.
Statistik Aber Tolksschnl'Branseblder. Vonlngenieor W. Gruaow-
Altona. Blitter fflr Yolksgesondheitspflege; Jahrg. 8, Nr. 4.
Aof Qrund einer angestellten Band]mge weist Yerfasser nach, daß maa
neuerdings die Warmwasserbereitang mittels Niederdraokdampfnssd mit
Boiler uwendet. Nach seiner Ansicht wird man bei Yolks-Braosebidem T<m
der Einrichtung einzelner Zellen absehen, da die Trennungswinde
1. die Beaufnchtigung der Badenden,
2. die Reinigung des Baumes,
8. die LichtTerhältnisse im Baderaum nicht unwesentlich erschweren.
Er empfiehlt die Anlage zweier An* und Auskldderftnme und hilt die
Aufsicht während des Badens durch einen Lehrer resn. einer Ldirerin für not¬
wendig. Der Durchschnittspreis für eine technisch ToUkommene Schdbiausebad*
einrichtang beträgt in einer neu erbauten Yolksschule ca. 8600—4000 Mark
__ Dr. Wolf-Marburg.
Tagesnachrichten.
Der Ton der Medizinalabteilang des Kultusministeriums bearbeitete Be¬
richt ftber das Gesundheitswesen des Preussisehen Staates Ins Jahre 190(1
Ist soeben im Yerlage von Richard SchOtz (Berlin, Luisenstraße) etsdiieaen
und kostet bei direkter Bestellung für die KOnigL Behörden und Medlainal*
beamten: 8 Mark.
Am 14. Juni d. J. hat im Bokokosaale des Parkhotols Maximilian zu
Begensb-urg die 6. Landesrersammlnng des Bayerischen Hedlslnal*
heamten-Yereins unter zahlreicher Beteiligung der Mitglieder aus allen Gauen
des Königreichs stattgefunden. Der Vorsitzende dos Vereins, Herr Bezirksarst
Dr. Henkel*Mfincben, erOffnete die Versammlung, worauf der Begierungs*
und Kreismedizinalrat Herr Dr. Dorfmeister, namens des Herrn Begierungs*
Präsidenten der Oberpfalz Freiherrn von Aretin und in seinem eigenen Namen
die Versammlung in ttberaus warm empfundenen, herzlichen Worten, zugleich
nüt einem Bttckblick auf frühere Zeiten, begrüßte. Infolge Verhinderung des
Herrn Oberbürgermeisters brachte Herr Becätsrat Dr. Wild den Anwesenden
den herzlichsten Willkommensgraß der alten Batisbonia dar.
Von der Tagesordnung wurde der „Bericht der Vorstandschaft
über die Stellung des Vereins zu dem neuen Beamtengesetz
und GehaltsregulatiT* sowie „die Reform des Hebammenwesens*
in besonders gründlicher, übersichtlicher Weise Ton Bezirksarst Dr. Henkel,
als Referent, Torgetragen. Die Versammlung beteiligte sich daran mit lebhafter
Diskussion.
Nach dem offiziellen Teil Tereinigte noch ein gemeinsames Diner und
ungezwungenes, yon echt koll^alem Geiste getragenes Beisammensein die
Teilnehmer; man hatte den Eindruck, daß die Tagung in Begensburg allen
anwesenden Mitgliedern in bester, freudigster Erinnerung bldben wird.
Der ausführliche stenographische Bericht wird demnächst in dieser
Zeitschrift erscheinen.
Tagesnaehrichteo.
48»
Ana Baden« Der Ton der Großb. Begiernng der 2. Bad. Kammer tot*
^egte Entwarf za einem nenen Gehaltstarif Ittr die Staatsbeamten des
«ffoßberzogtams ist jetzt Ton dieser einstimmig angenommen, nadidem ihn die
■dt der Dorcbberatong betraate Kommission nicht nnwesentlich Terbessert hat.
^ neaen Gehaltstarif sind aacb die GehaltSTerh<nisse der Bezirksärzte
■ad damit aacb die Pensionsbezttge derselben and die HinterbliebenenTersorgnng
Terbessert. Bisher betrag das Anfangsgebalt der Bezirksärzte aosnahi^oa
1200 M. bis za einem Höchstgehalt Ton 8400 M., der aber selten erreicht worde,
da die Zolagelristen dreijährig waren and jeweils nar eine ErhOhong Ton.
250 H. brachten. Im neaen Gehaltstarif sind non zwei Klassen Ton Bezirks*
Irzten Torgesehen:
a. eine Klasse D mit einem Anfaagsgehalt Ton IdOOJM. steigend bis 4000 M.
and zweijährigen Zolagelristen mit je 800 M.;
b. eine Klasse mit Anfangsgehalt Ton 2500 H. and 2 jährigen Zolagefristea
Ton 850 M.
Fttr die Berechnong des pensionslähigen Einkommens werden in Klasse D
1400 M., für Klasse C. 2000 M. als wandelbare Gebühren hinzngerec^et«
AnOeidem erhalten die Bezirksärzte den vollen Wohnongsgeldzascboß, der
anun pensions^igen Einkommen zagerechnet wird.
Als Pension werden nach 10 Dienstjahren 85 Einkommens*
anscblages berechnet. Diese erhobt sich fttr jedes weitere Jahr am 1,6 % bis
■am HOchstbetrag von 75% des Gesamteinkommens.
In Klasse C sind die Bezirksärzte der wichtigeren Stellen — bis zu ^/a
aller Stellen — eingereiht.
Damit die Eiende nicht za groß werde, hat leider die Begiernng gleich*
zeitig einen Diätengesetz entwarf vorgelegt, bei dessen Anntmme die
Sezirksärzte besonders schlecht abschneiden. Während diese Beamten z. Z.
bei Dienstreisen bis za 4 Standen ^lo, bis za 9 Standen and nach
9 Standen die volle Diät mit 10 M. pro Tag erhalten, soll jetzt bei einem Zeit¬
aalwand nnter 8 Standen überhaopt keine Diät, bis za 9 Standen */i and erst
darüber eine ganze Diät in Ansatz gebracht werden dürfen. Dabei ist die
Yolldiät der Beziiksärzte Klasse D aaf 8 M. herabgediückt. Als Ersatz der
Fahlkosten sollen künftig nar die Baraaslagen ersetzt werden. Der Entwarf
sieht allerdings vor, daß für einzelne Beamtengiappen, die viel aaswärtigen
Dienst haben, eine andere Berecbnang Platz greifen kOnne. Letzteres wird
zweifelsohne bei den Bezirksärztcn, die vielfach eigenes Gefährt, Aatomobil
oder wenigstens ein Bad besitzen, eintreten müssen. Ob die Bezirksärzte bei
der nenen Berechnongsait Einbaße erleiden, steht nicht fest, ist aber leider za
fürchten.
Im ganzen ist jedoch nach dem nenen Tarif die Stellong der Bezirks*
irste Badens eine wesentlich verbesserte geworden.
Der Strafanstaltsarzt Dr. TSbben in Münster hat einen Lehraoftrag fttr
gerichtliche Psychiatrie an der Westfälischen Wilhelmsoniversität daselbst
erhalten.
Den Satznngen der Bobert Koch*Stiftung zur Bekämpfung der Tuber-^
kolose ist am 28. Mid d. J. die landesherrliche Genehmigung erteilt worden.
Der Zweck der Stiftnng ist, wissenschaftliche Forschungen zur Bekämpfung der
Taberkoloae zu unterstützen. (§ 2). Dem Vorstand liegt die Beschlaßfassong
über die zu bewilligenden ünterstützangen ob; hierbei sind Bobert Koch all¬
jährlich vorweg diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, welche nach seinem
freien Ermessen fttr die von ihm angeregten oder geleiteten Arbeiten in An-
ramch genommen werden sollen (§ 7). lO'^/o der jährlich aofkommenden
Zinsen des Stiftangskapitals müssen so lange zam Kapital geschlagen werden,
bis die Somme von 2 Millionen Mark erreicht ist (§ 8).
In der Sitzung vom 1. Juli genehmigte der Senat in Born einen Gesetz¬
entwurf über die Errichtung des durch die Konvention vom 9. Dezember 1907
beeehlossenen Internationalen Bnreans für die Sffentllche Hygiene«
490
ATasesnaehiiobteD.
Eine Sonderkonuaiesion des »Deateohen Amsohnsses Itr ge->
snndkeitliehe Einriehtangen in den Kur* und Badeorten*, din
am 21. Jnni in Misdroy tagte, stellte die Grandlage Ittr Sobaffang einer Zentral«
Clr balneeloglseber Fesehangea sowohl nach wissessohaftliober, wie nach dar
J raktist^a Seite hin feet. Die Aalgaben and die Organisation eines solchen
ostitots worden im allgemeinen festgelegt and als zweckmässig anerkannt,
daß es aal nentralem Boden, nicht in einem Kurort, aber in der Nähe
des Datschen Qaellzentram errichtet werden müsse. Ueber die weiter«
Ansgestaltnng and Errichtung dieser Zentralstelle soll in einer späteren
Sitzung im Herbst beraten und aieh die Finanziernng des Unternehmens dann
erörtert werden.
Aul dem vom 26. und 27. Juni d. J. in Danzig abgehaltenea XXXfl*
D entgehen Aentetag gelangte als erster Beratangsgegenstand das im
Vorjahre zurückgesteilte Beferat über Schalgesandheitspllege znr
Verhandlang. Zunächst referierte Dr. Stephan •Mannheim über die üntez-
treisnng nnd Erziehang der Schaljagend zur Gesandheits«
pflege. Nach einer längeren daran anschließenden Diskassion, in der aach
die Frage der sexuellen Aulklärong erörtert wurde, wurden lolgeade Leitsätze
des Beierenten angenommen:
nl. Die heranwachsende Schaljagend muß darch die Schale mit den
Hegeln der Gesundheitspflege yertraat gemacht werden. Ein richtiges Ver>
ständnis der Gesondheitspflege ist Yorbcdingong für eine zweckmäßige Ae>
wendang derselben. Diese führt zur Hebung der Volksgesandheit, der Volks*
wohüahrt and der Volkswehrkraft nnd mehrt dadurch den Volksrdchtum.
2. Bei der Ausbildong aller Lehrkräfte für Volks* and höhere Scholen
muß die Gesundheitspflege einen besonderen Gegenstand bilden. Zu diesem
Unterricht sind in erster Linie die Aerzte berufen, welche darch die Ausbildung
in ihrem Berufe die Gewähr bieten, daß dieser Unterricht ein zweckmäßiger ist.
8. Bei jedem geeigneten Unterrichtsstoffe sind die Schüler aal £e Ge-
eandheitspflege hlnzaweisen und zar dauernden Betätigung ihrer Hegeln anza*
halten. In die Lesebücher der Schalen sind geeignete lUpitel Uber di«
Gesondheitspflege aufzonchmen.
4. Ein besonderer Unterricht über Volksgesandheitspflege ist haapU
sächlich für ältere Schüler wünschenswert. An Schalen mit Fachlehnystem
ist der Unterricht in der Gesundheitspflege durch geeignete Fachlehrer, wo-
inögllch durch Aerzte zu erteilen.
5. Behufs zweckmäßiger Durchführung der Unterweisung und Erziehung
der Jagend ist die Mitwirkung der Aerzte in der Schulbehörde erforderlich.*
handlang yon Krankheiten nicht erteilen dürften, ferner, daß der Aerztetag
die Frage der Mitwirkung der Schule nn- der sexuellen Aufklärung der Schale
no^h nicht lü| spruchreif hielt. Ueber die schulärztliche Organi»
sationsbowegung sprach sodann Stadtarzt Dr. Gaspar-Stuttgart und
begründete in eb gehender Weise die nachstehenden Leitsätze der KommissioB
für Schulgesundheitspflege:
,1. Eis erschebt wünschenswert, dad überall dort, wo die Verhältnisse
es zulassen, also namentlich b den grcüSea Städtee, den yoUmntlidi angeetellteB
Sohuläreten der Vorzug gegeben wird.
2. Ebe Verbindung der Schularzt nnd Bezirksarztstellen ist nu s«*
lisidg, wenn dem Inhaber einer sobhen Stelle die Priyatpraxis untersagt isL
S. Ist ans irgendebem Grunde die Durchführung des unter 1 und 2 b«>
awiebieten Modus, welcher ab der ideale betrachtet werden muß, nsduroli-
führbar, so sbd Priyatärzte neben ihrer Praxb mit der Ausübung der Schul*
arzttütigkeit nu betrauen; aber nur dann, wenn yertragsmäßig les^elegt witd,
daß eb Uebergriff b die Priyatprsxb der Kollegen nicht erfolgen kan.
4. Im allgemeinen hängt db Leistung auf dem Gebbte der Schulhygiene
nicht yom Schularztsystem, sondern der Persönlichkeit des Sdhularztes, sowie
yom Ausbau der Itr das körpeiliehe Wohlbefinden des Scholkindsi get^ffenen
Maßnahmen ah.“
Nach lebhafter Dbkussiou Wü^dß aiaa Hesolutfon den WgUMIBini,
daß die Frage der Schulärzte im Haupt* und Nebenamt zurzeit noch nicht
Tageaaachrichtea,
401
4 q^V«elueil sei; die Entscheidong sei yoa der geforderten Arbeitsleistiuig
«ewie yoB lok^en und persdnlicben Yerhältaiasen abhlagig. län üebergrdfes
•dev Sdliüärste in die Frivatpraxis der Kollegen sei nicht statthaft.
Xlie darauf folgende Beratung ttber das Yerhältnls der Aerzte
.au den Yersicherungsgesellschaften ftthrte zur Annahme der vom
Yorstande nach Yerhandlong mit diesen G^ellschaften Torgeschlagene Staffelung
-der Honorare sowohl für Tertrauensärztliche, wie für haus&rztliche Zeugnisse
<<fftr eine Yersicherungssumme unter 5000 10 M., bis zu 19999 M. 16 If. und
«ber 20000 li. für die rertrauensärztUche, sowie 6, 7,50 und 10 für hausäizt*
liehe). AuSerdem wurde beschlossen, einen Yertrag nur auf 3 Jahre abzu»
schließen. G&igen die Gesellschaften darauf nicht ein, so sollen die weitere^
Verhandlungen dem wirtschaftlichen Verbände in Leipzig überlassen werden.
Bei der darauf verhandelten Erankenkassenfrage entspann sieh
■eine eingehende Debatte, nach der folgender Beschluß zur Annahme gelangte:
Der Aerztetag hält an dem Programm des Eönigsberger Aerztetages au/äi
In dem Punkt fest, daß Personen mit über 2000 H. Gesamteinkommen Eassm»
fl^glieder weder werden noch bleiben dürfen. Für den Fall der Ausdehnung
der Erahkenversichernng auf Personen mit einem Gesamteinkommen von über
'2000 M. ist jeder Yersueü eines Pauschalhonorars zurttckzuweisen. Für die neu
hinzugetretenen, besser gestellten Kategorien von EassenmitgUedern ist das
-Ortsübliche Honorar der Privatprazis zu zahlen.
Nachdem noch ein vom Bezirksverein Leipzig-Land gestellter Antrag
betreffs Einführung einheitlicher ärztlicher Gebührenordnung für das
Beichsgebiet angenommen war, referierte Dr. Lindeman -Mannheim über den
Gesetzentwurf betreffend die Bekämpfung der Kurpfuscherei. Der¬
selbe bedeute ein Fortschritt gegenüber dem bestehenden Zustande, wenn er auch
nicht das Verbot der Eurpfnscherei bringe, das nicht im Interesse der Aerzte,
■sondern dem der Allgemeinheit gefordert werden müsse. Beferent begründete
die Abänderungsanträge, die nach eingehender Diskussion die Zustimmung des
Aerztetages fanden, ebenso wie ein von Dr. C. Alex ander-Breslau gestellter An¬
trag: »Der Deutsche Aerztetag hält — unbeschadet seines grundsätzlichen Stand¬
punktes, daß ein völliges Enrpfaschereiverbot mit einem Verbot kurpfoscherischer
Beklame das erstrebenswerteste Ziel sei — im Hinblick auf die Wahrschein¬
lichkeit, unter den obwaltenden Verhältnissen dies Ziel zu erreichen, den vom
dos Innern unlängst veröffentlichten Entwurf eines Enrpfuscherei*
bekämpfungsgesetzes für zweckmäßig und geeignet zur Eindämmung des Heii-
Schwindels unter der Voraussetzung, daß die ärztlicher Seite vorgeschlagenen
Ergänzungen und Abänderungen darin aufgenommen werden.*
Ferner wurde eine EommisMon zur Abfassung einer Denkschrift bestellt;
auf Antrag Heselbarth-Berlin werden der Deutschen Gesellschaft für
Eurpfüscherei ein Zuschuß von 500 H. überwiesen.
Die IT. Typung der Denisehen Gesellschaft ^ gerichtllehe Hcdlzin
vrird vom 21. bis 28. September d. J. in Cöln bei Gelegenheit der Natttr-
ioischerversammlung stattfinden.
Als Diskussionsgegenstände hat der Vorstand folgende Themata
-auf die Tagesordnung zu setzen beschlossen: 1. Üeber den heutigen Stand
•der Lehre von der Magendarm-Schwimmprobe. Beferent: Geb. Med.-Bat Prof.
Dr. Ungar-Bonn. 2. Die Hysterie in ihrer Beziehung zur Erwerbsfähigkeit
im Sinne der Invalidmi-Versichernngs-Gesetzgebung. Beferenten: Med.-Bat
Kreisarzt Dr.Bockendahl-Kiel und Dr.FritzLeppmann -Berlin.
Ferner haben Vorträge angemeldet die Herren: 1. Fritsch-Bonn:
Veber die Berechtigung zum künstlichen Abort. — 2. Ipsen-Innsbruck: Zua<
'fennsischeo Gonokokkennachweis. — 8. Eenyeres-Elausenburg (Kolocsvar)
■Ungarn: a) Farbige Photographien aus dem Gebiete der gerichtlichen Madlri«
ndt Frojektionsbilden. b) Thema Vorbehalten. 4. Ko ekel-Leipzig: Dar
mikroskopische Bau der Vogelfedem und seine Bedeutung für die KriminftlMtiir.
— 6. Leers-Berün: Thema vorbehalteB. — ß. Liniger-Düsseldoif: Arzt«
uttest und Lohaauskunft. — 7. Lochte-Göttingen; Thema Vorbehalten, -r-
S. Molitoris-Innsbruck: Erfohrungen zur Frage des biologischen Blutnach-
wa i a oB . — 9. Plempel-Cöln: Zur Frage des GeistesBustandes der heimiidi'*
•Qehäfmiden. — Anmeldungen von weiteren Vorträgen und Demonstrathmeai
-werden an Hem Geheinpirat Busack-Cöln, Deutscher Bing 76, erbeten.
492
Tageanachricbten.
Nach eioer Nitteiiang an! dor yor karaem in Jena abgehalteoen Jahns»
Tenaaräüaag der devtaehea Chemiker beabsichtigea die Profeesoren der Phar»
maxie an den preußischen Unirersit&ten eine Eingabe an den preußischen Knltus--
minister, in der sum Schatze des reellen Anaeimittelrerkehrs dent
Kahrangsmittelgesetz entsprechende gesetzliche Bestinunangen gefordert werden-
Erkrankangen and Todesfllle an ansteckenden Krankheiten in
Pnassen* Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit Tom 24. Mai bis 18. Juni 1908 er¬
krankt (gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber,.
Bftckfallfieber, Tollwutund Pest: —(—); Pocken: 6(1), 8(—),9(1),
Bißyerletzungen durch tollwutverdächtige Tiere: 20 (—),
14 (—), 6 (—); Milzbrand: 4 (—), — (—), 1 (1); Buhr: 7 (1), 9 (—),.
15(1); Unterleibstyphus: 176 (18), 198 (22), 208 (17); Diphtherie:
1040(48), 1030 (68). 941 (4f*); Scharlach: 1222 (75), 1086(68), 1035(70);.
Genickstarre: 30 (11), 29 (12), 22 (12); Kind bettfieber: 68 (16), 90 (21),
70(16); Fleischvergiftung: 1 (—), — (—), 1 (—); Trichinose: 1 (—),.
— (—) — (—); Körn erkrank heit (erkrankt): 273, 217, 110; Tuber¬
kulose (gestorben): 590, 629, 617.
2L Jahrg.
1908.
Zeitschrift
ftti
MEDIZINALBEAMTE.
ZmtnlUatt Ur iu gNanti SniiikeitsiNttn,
fOr gerichtliche Medizin, Peychiatrie und Irrenweeen.
Heransgegebeii
▼on
Dr. OTTO RAPMÜND,
Boflenuiff- oad Oeh. Medtitaatrat tu Mindeii*
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WOrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fisoher 8 mediz. Buehhandlg., H. Kornfeld,
BmOQL Bdy Wf. Hiof- IL SntÜISO^ ge-mimn» -
Berlin W. 35, Lützowstr. 10.
ÜBteraie sehmen die Yerlagtbandlani: lowie alle AnnoDoen-Bxpedltioaea dea In-
ond Auslandea entgegen.
Nr. 14.
Eraehelnt am 5. und IBO. Jeden llonata«
20. Juli.
Simulation oder Geisteskrankheit?
Von Dr. Oerlaeb, Abteilaogsaizt an der Provinzial Heil* nnd Fflegeanatalt
za Hildesheim; staatsärztlich approbiert.
Der Matrosenartillerist E., geboren am 24. November 1885
■zxL B., wurde am 25. Oktober 1907 in die Anstalt zur Be*
obaehtong anf seinen Geiatesznstand aufgenommen, üeber sein
Vorleben ist aktenmäßig wenig bekannt. Er ist erblich anschei¬
nend nicht belastet, hat in der Schule ganz gut lernen können.
Nach seinen Angaben bekam er in der Jugend ihr alles, was
seine Geschwister getan hatten, die Prügel. Nach beendeter Lehr¬
zeit als Anstreicher ging er auf Wanderschaft nach der Schweiz,
Italien, Belgien etc., ohne es an einem Orte längere Zeit auszu¬
halten. Er selbst bezeichnet sein Wandern ,als Leidenschaft*.
Am 4. November 1905 wurde er zur Mariae ausgehoben und in die
ni. Matrosenartillerieabteilang eingestellt. Vor seiner Einstellung
unbestraft wurde er während der Dienstzeit sieben Mal weg^n
geringerer Vergehen (Trunkenheit, Trägheit, unerlaubter Ent¬
fernung etc.) mit leichteren Strafen, Strafexerzieren, Mittelarrest
belegt.
Am 11. August trieb er sich mit andern Kameraden laut
singend und schreiend auf der Straße umher. Einem Schutzmann,
der seine Personalien teststellen wollte, setzte er erheblichen
Widerstand entgegen nnd schlug schließlich derart mit Fäusten anf
494
Dr. GerUcli.
ihn ein, daß er Notsi^ale geben mußte. Mit Hülfe zweier Maaten
wurde er zor Polizeiwache gebrachL An! dem Wege hierhin be¬
leidigte er den Schutzmann mit groben Scbimpfwoiten, bedrohte
ihn and trat ihn mit Fußen. Auf dem Transport von der Wache
nach der Kaserne schimpfte er dauernd vor sich hin, ohne dem
wiederholten Befehl seiner Vorgesetzten, sich ruhig zu verhalten,
zn gehorchen. Vor Gericht gab er am 24. Angust 1907 zu, auf
der Straße gelärmt und auf den Schutzmann eingeschlagen za
haben. Daß er auf dem Transport nach der Kaserne gelärmt
habe, wisse er nicht. An den folgenden Tagen tat er seinen
Dienst, ohne besonders aofzufallen. Am 6. Oktober nachmittags
hatte er sich in der Kaserne betranken nnd meldete sich, als ihm
Ton seinem Feldwebel ein Befehl gegeben wurde, krank. Der
Revierarzt stellte Trunkenheit fest, hatte aber die Ueberzeugung,
daß E. sich betrunkener stellte, als er war. „Er roch*, wie es
im Militärkrankenblatte heißt, „ans dem Monde stark nach Al¬
kohol, blickte starr vor sich hin; seine Papillen waren erweitert,
wurden aber auf Lichteinfall enger. Der Pals war regelmäßig
nnd nicht beschleunigt. Die Temperatur betrag 86,8. E. ging
im Zimmer auf nnd ab, machte aber stets Kehrt, wenn er vor
einen Schrank oder ein sonstiges Hindernis kam.* Auf die War¬
nung des Revierarztes,* sich nicht betrunkener zu stellen, als er
war, reagierte er in keiner Weise; auch der Aufforderung,
sich zu Bett legen, kam er nicht nach. Daraufhin wurde er in
Arrest abgeführt. Am andern Morgen fand ihn der Revierarzt
in einer Ecke der Arrestzelle sitzen. Er stand auf Aufforderung
auf, gab aber auf Fragen keine Antwort. Zur Verrichtung seiner
No^nrft hatte er sich durch Schellen gemeldet. Nahrung hatte
er nicht zu sich genommen. „Der Revierarzt ist auch jetzt über¬
zeugt, daß E. simuliert*, heißt es in der Krankengeschichte.
Am 8. September fand E., der dasselbe Bild bot, Aufnahme im
Lazarett. Aus dem hier erhobenen Befunde sei das folgende
wörtlich wiedergegeben:
„Er blickt klar aas den Angen, and der körperliche Befand ist in jeder
Weise ein regelrechter. Er gibt anf Fragen nar selten, mit leisen abgerissenen
Worten Antwort, meist reagiert er aber ttberbanpt nicht darauf. Zam Urin*
lassen meldet er sich and läßt nicht unter sich. Der Bcvierarzt rät ihm hier
eindringlich, daß Simulieren anfzugoben, da er durchschaut sei und
seine Strafe nur höher würde, jo länger er simuliere; er reagiert hierauf in
keiner Welse."
Am 11. September wurde E. das Ergebnis der Ermittlungen
vor Gericht mitgeteilt. Er reagierte hier auf kein Frage,
stand stumpfsinnig da und war zu einer Unterschrift nicht zu
bewegen. Ins Lazarett zurückgeführt bot E. dasselbe Bild.
Unter dem 18. September steht im Krankenblatt vermerkt, der
Stuhlgang sei angehalten; die Empfindlichkeit der
Haut scheine herabgesetzt. Sämtliche Reflexe der Haut und
der Sehnen seien regelrecht. Der Za stand blieb weiter unver¬
ändert. E. gab auf Fragen keine Antwoit, ging aber sonst auf
Aufforderungen ein. Dem trägen Stuhlgang mußte stets nach¬
geholfen werden. Appetit und Schlaf waren regelrecht. Unter
Simulation oder Gefsteskrankheit.
486
dem 24. September steht im Erankenblatt: „Sein Zustand ist
noch immer wie vorher; an einer Simulation besteht gar
kein Z weifel.* Am 26. September bemerkte der San.-Feldwebel,
der nnvermntet das Zimmer betrat, daß E. ein Stftck Zeitnngs-
papier unter der Bettdecke verbarg, in dem er „offenbar vorher
gelesen hatte*. Am 28. September wurde E. die Anklageschrift
vorgelesen, er nnterzeichnete ein hierftber anfgenommenes Proto¬
koll. In der Sitzong des Gerichts, die 2 Tage später statttand,
gab E. weder auf die Verlesung des Nationale, noch auf Fragen
eine Antwort. Die beiden behandelnden Aerzte gaben anch Mer
an, sie hätten die Ueberzengnng, daß E. simnliere, da er
anfangs sich durch Zeichen bemerkbar machte, auf Fragen nickte,
später darauf nicht mehr reagierte, und da er als frflherer
Sanitätsgast wohl einige Erfahrungen gesammelt habe. Am
13. September wurde E. gefragt, ob er Anträge in bezug auf die
Beobachtung seines Geisteszustandes zu stellen habe; er ant¬
wortete hierauf nicht. „Er sah vor sich nieder und gab keiner¬
lei Zeichen des Verständnisses am Bekanntgegebenen von sich.*
Aus dem Erankenblatt sei noch erwähnt, daß E. am 9. Oktober
einen Obergasten zu sich winkte und ihn an seiner Krankentafel
auf die Buchstaben „g e t r ä n k* wies; als er nicht verstan¬
den wurde, machte er die Bewegung, als wenn er ein Getränk
znm Munde führte. Die Ernährung war gering, vom 11. Oktober
bis 18. Oktober nahm das Körpergewicht um 2,5 kg ab. Der
Stuhlgang war dauernd angehalten.
Am 25. Oktober wurde E. der Anstalt zngeftthrt. Ein Gut¬
achten sollte darüber abgegeben werden, „ob E. sich bei Be¬
gehung der Straftaten, bezw. nach Begehung derselben in einem
Zustande krankhafter Störung der Geistesfähigkeit befunden hat,
durch welchen seine freie Wiliensbestimmnng ausgeschlossen war*;
ferner „ob E. seinen obigen Zustand simuliert, damit eventuell
ein Strafverfahren dieserhalb gegen ihn anhängig gemacht wer¬
den kann.*
Bei der Aufnahme war E. völlig gehemmt; er starrte vor
sich hin, tat spontan garnichts und reagierte nicht auf Fragen.
Die Maßnahmen, wie sie bei der Aufnahme getroffen werden
(Baden etc.), ließ er widerstandslos über sich ergehen. Nahrung
nahm er nicht zu sich; die Zähne hielt er fest aufeinander ge¬
preßt, sodaß es nicht gelang, ihm die geringste Quantität einzn-
flößen. Zu Bett gelegt starrte er, lang ausgestreckt daliegend,
mit weit aufgeiissenen Augen auf einen und denselben Punkt,
ohne die geringste Teilnahme für seine Umgebung zu zeigen.
Während der Nacht verhielt er sich ruhig und schien zu schlafen.
Am andern Morgen bot er dasselbe Bild. Die NahrungsanfnaWe
war gut; er nahm die Speisen ohne Aufforderung, führte aber alle
Bewegungen sehr langsam ans.
Stataa: Großer Mann von grazilem KOrperbaa und sehr mSßigem
Ernihrungszastande (1,69 m, 54 kg). Farbe der Haut und der sichtbaren
Schleimhäute blaß. Muskulatur außerordentlich schlaff. Der Langschädel,
nach der Stirn zu sich aufbreitend, mißt im Umfang 54 cm; auf Druck und Be¬
klopfen keine Reaktion. Das Kopfhaar reicht bis tief in die Schläfen- und
496
Dr. Oerlaeb.
Stirogegend. Beide Ohrläppchen angewachsen. Augenbranen fiber der Naaen-
warzel zasammongewachsen. Lidspalten aallallend weit, Lidschlag selten.
Papillen gleichweit, reagieren etwas träge aal Lichteinlall. Prttlang aal Blick
in der Nähe nicht möglich. Linke Papille nicht ganz zentriert. Das Gesicht
ist beiderseits gleich, sehr schlaff innerTiert. Drack aal die V-pankte an¬
scheinend nicht empfindlich. Die Zange wird aal Aallorderang nicht herans-
gestreckt. Sobald man mit dem Spatel etwas zwischen die Zähne eingedrangen
ist, wird sie ein wenig yorgestreckt; sie ist grauweiß belegt, zittert sehr
stark fibrillär and weist an ihrem Bande zahlreiche tiele Zahneindrücke auf.
Zugleich läult Speichel aus dem Monde heraus. An Brast- und Baachoiganen
nichts besonderes za bemerken. Anscheinend keine Spinalirritation, keine Oyarie.
Deatliche idiomnskaläre Wülste beim Bekloplen der Brastmaskeln. Aasge-
sproebene Dermographie. Steigerung sämtlicher Sehnen-Beflexe, bes. der
Eniephänomene; keine Differenz aaf beiden Seiten. Kein Faßklonas, kein
Babinski. Eornealrefiex aaslösbar, Eonjanktiyalreflexe nicht anslösbar. Hanb-
sensibilität nicht za prüfen. Zangcnschleimhaat für Nadelstiche wenig empfind¬
lich ; tiefe Nadelstiche in die Bückonhaut ohne Bcaktion. Urin frei.
E. liegt mit angezogenen Beinen im Bett, den Eopf etwas nach yorn
gebeugt, die Augen starr aal einen Pankt gerichtet. Qesichtsaasdruck leer.
Einigen Aallordernngen, z. B. sich anfzarichten, kommt er nach geraumer
Zeit sehr langsam nach, andere wieder lUhrt er überhaupt nicht aas. Sprach¬
liche Aeafierangen sind nicht za erhalten. Aasgesprochene flexibilitas cerea.
Grobe passive Lageveränderangen läßt er ohne Beaktion mit sich yornehmen.
Appetit gut. Die Nahrang wird spontan mit langsamen, matten Bewegungen
eingenommen; Urin spontan gelassen. Dem stark angehaltenen Stahlgang
maß stets nacbgehollen werden. Schlaf nicht gestört.
Bis zam 11. Noyember keine Aenderang im Verhalten. An diesem Tage
gab er zum ersten Male die Hand, sah beim Groß einen Augenblick aä.
Zunahme des Eörpergewichts am 2 kg. An den folgenden Tagen wurde E.
freier, richtete sieü spontan aal, sah umher. Am 19. Noyember antwortete er
zum ersten Male aal einige Fragen mit einem leisen Ja“ und „nein“, gab
Namen and Qebartsjahr richtig an. Tag und Geburtsort wußte er angeblich
nicht. Die Sprache war leise, aphoniseb. E. behauptete, „den ganzen Hals
yoU Schleim za haben, den er nicht aashasten könne“, deshalb spräche er so.
Objektiy nichts nachweisbar, ln den nächsten Tagen trat die Hemmung
mmer mehr zurück. E. stand auf und ging in schlaffer, gebeugter Haltung
im Zimmer umher, fing auch nnaufgelordert an, den Wärtern bei ihren Ver¬
richtaugen za hellen. Aal Befragen zeigte er sich über Ort und Zeit orientiert
fer habe das yon den Wärtern erfahren), kannte auch Eranke mit Namen.
Sprache noch anyerändert. An den Transport nach hier konnte er sich er¬
innern; was unmittelbar nach seiner Ankunft mit ihm geschehen sei,
wußte er nicht. Er habe in der ersten Zeit keinen Ton hcransbringen können.
Ueber seine Vergangenheit machte er scheinbar ganz richtige Angaben, war
auch in seinem Berale als Maler ganz bewandert. Außer Schmerzen in Stim-
und Schläfengegend hatte er keine Beschwerden. In der Folgezeit zeigte er
bisweilen noch einen gewissen Grad yon psychischer Hemmung; so starrte er
bisweilen, wenn man ihn etwas gefragt hatte, längere Zeit yor sich hin. Aach
wenn man die Frage mehrfach wiederholte, erhielt man keine Antwort; dann
sah er wie erstaunt umher und antwortete. Die motorische Hemmung ging
rascher zurück. Die Haltung wardo gerader, straffer; der Gang energischer.
Auch die Gesichtszügo yerloren mehr und mehr den nichtssagenden Ansdraedr,
die Stimme wurde yon Tag zu Tag klangvjller. Das Eörpergewicht nahm
stetig bedeutend zn. Die Speichelansammlung im Munde war yerschwanden,
der Lidschlag wieder hänfigur. Zunge gereinigt, zitterte noch beim Heraas¬
strecken. Gaumen und Bachen ohne Veränderungen. Papillenreuktion prompt
aaf L. und A. Starker Tremor der gespreizten Finger. Boroberg nicht yor-
handen. Berührangs-und Schmorzcmpfindlichkeit ungestört Eeine hysterischen
Stigmata. Stahlgang geordnet. Intelligenz and Merkfähigkeit etwas herab¬
gesetzt. Ueber die Straftrat machte £. die gleichen Angaben wie yor Gericht:
In der Arrestzelle habe er nicht zur Buhe kommen können; er habe dort zwei
Nächte hindarch Gestalten an der Wand gesehen and sich darüber sehr ge-
ängstigt. Sie hätten ihn nicht bedroht; Stimmen habe er nicht gehört. Im
Simulation oder Geisteskrankheit.
497
Lazarett habe er keinen Bissen hemnterbringen kOnnen; er sei aber durstig
S ewesen, deshalb habe er auch einmal „Getränk* gezeigt. An die Einzelheiten
er ärztlichen Untersuchungen und der gerichtlichen Vernehmungen kann er
sich erinnern; weshalb er nicht geantwortet hat, weiß er nicht. Hier in der
Anstalt habe er keine Gestalten gesehen, auch niemals Angst gehabt. Bis zur
Eutlassung, die am 7. Dezember stattland, war eine wesentUche Aendemng
nicht eingetreten.
In dem Gutachten, das über diesen Mann erstattet werden
sollte, war auch die Frage zu beantworten, „ob er seinen obigen
Zustand simuliere*.
Kommen Fälle von reiner Simulation einer Geistes¬
krankheit vor, d. h. solche, bei denen nicht gleichzeitig noch
irgend welche Zeichen einer krankhaften Geistestätigkeit nach¬
weisbar sind? Unzweifelhaft; und zwar handelt es sich dabei
fast ausschließlich um Untersuchungsgefangene, die eine nicht
vorhandene Geisteskrankheit absichtlich Vortäuschen, um die
Straftat als in unzurechnungsfähigem Zustande begangen darzn-
stellen und straffrei auszugehen. Allein, was die Häufigkeit des
Vorkommens der Simulation anlangt, so weicht die heutige An¬
schauung von der früheren erheblich ab.
Ein alter, von Zacchias^) stammender Ausspruch lautet:
„Nullus morbus facilius et frequentius simulari solet, quam
insania.“ In diesem Satze wird eine Anschauung zum Aus¬
druck gebracht, die auch heutzutage noch in Laienkreisen ge¬
meinhin verbreitet ist. Die psychiatrische Erfahrung der letzten
Jfüirzeimte aber hat gelehrt, daß er nicht mehr zu Recht besteht,
ja daß man ihn geradezu umkehren darf.
.Um die Häufigkeit der Simulation voranzn8tellen,«so gehen
die statistischen Angaben hierüber nach dem Material weit aus¬
einander, je nachdem man nämlich nur die zur Anstaltsbeobachtnng
kommenden Fälle berücksichtigt oder auch die in den Gefäng¬
nissen beobachteten mitzählt. Siemerling*) hat auf diesen
Unterschied in einem Vortrage hinge wiesen und die Simulation
in den Gefängnissen als Tradition bezeichnet.
Gramer”) hob in der Diskussion diesen Unterschied noch
besonders hervor und fand damit die Differenz in den Zahlen
über die Häufigkeit der Simulation zum großen Teile aufgeklärt,
indem die auf Grund des § 81 Str.-Pr.-O. zur Beobachtung kom¬
menden Fälle als Auslese aufzufassen seien.
Siemerling*) fand unter 64 begutachteten Fällen 2 Simulanten;
Fritsch „ „ 200 „ »10
Binswanger „ „ 73 „ „21
Gramer”) unter weit über 100 „ „2
Gerstenberg unter 158 „ »0
andere wie Knecht keinen.
So verschieden diese Zahlangaben sind, das geht daraus
’) Fttrstner: üeber Simulation geistiger StSrungen. Aich. f. Psych.;
XIX. Bd., Berlin 1888.
*) Siemerling: Simulation und Geisteskrankheit bei Untersuchnngs-
gefangenen. Berliner Klin. Wochenschrift; 1905, Nr. 48 n. AUgem. Zeitschrift
fftr Psychiatrie; 63. Bd., Berlin 1906.
') Gramer: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; Bd. 63, 8. 135.
498
Or. Qerlaeh.
herTor, daß der Prozentsatz der Simulanten doch ein niedriger
ist, sodaß man hentzntage Fälle von reiner Simulation geradezn
als ,rarae aves“ bezeichnen darf. So warnt auch y. Erafft-
EbingO davor mit der Yermatnng der Simulation zu schnell
bei der Hand zn sein nnd empfiehlt, „wenn eine Praesnmption
überhaupt zulässig wäre, eher an wirkliche Krankheit, denn an
Simulation zu denken".
Dies heute seltene Vorkommen von Simulation einer Geistes¬
krankheit beruht wohl z. T. auch auf der schärferen Diagnostik
der modernen Psychiatrie und besonders der Grenzznstände, die
es uns ermöglicht, auf Grund des § 81 Str.-G.-B. zahlreiche
Fälle einer einwandsfreien Beobachtung in entsprechenden An¬
stalten zuznführen, in denen man früher nach der Untersuchung
im Gefängnis, da sie klar lagen, davon absehen zu können
glaubte.
Ist es ferner so leicht, eine nicht vorhandene Geisteskrank¬
heit vorzutänschen?
Wenn jemand auch Gelegenheit gehabt hat, Geisteskranke
in ihrem Verhalten nnd in ihren Aeußerungen zu beobachten, so
dürfte es ihm doch nur überaus selten gelingen, die Symptome
treu nnd konsequent wiederzugeben. Abgesehen davon, daß er
manche Symptome auf die Dauer Überhaupt nicht nachabmen kann,
wird er zumeist in den Fehler verfallen, daß er mehrere Efrank-
heitsbilder dnrcheinanderbringt nnd so eine Form darstellt, an der
durch die inneren Widertprüche einem geübten Beobachter das
Unwahrscheinliche bald auffällt. Nun darf eine gewisse Dishar¬
monie in den Erscheinungen nicht ohne weiteres für Simulation
sprechen, gibt es doch beispielsweise degenerative Erankheits-
bilder, besonders bei erblich Belasteten — zu diesen gehört ja ein
nicht geringer Teil der hier in Frage kommenden Individuen —,
die in ihrem Verlauf keiner Klassifikation sich beugen, ganz zn
schweigen von andern Formen, die nicht selten den Eindruck des
Gekünstelten machen. Aber dies trifft nur auf einen Mangel an
Uebereinstimmung in gewissem Sinne zu. Im allgemeinen wird
der Simulant in dem Bestreben, seine vorgetäuschten Symptome
dem Beobachter auch deutlich vorzuführen, zu starken Ueber-
treibungen neigen nnd ihm damit seine Aufgabe wesentlich
erleichtern. Hierzu kommt noch, daß viele der körperlichen
AUgemeioerscheinungen, deren Vorhandensein wir bei den meisten
Geisteskrankheiten voraussetzen, nicht vorgetäuscht werden
können.
Wie steht es mit der Simulation im vorliegenden
Falle?
Die Beobachtung in der Anstalt im Verein mit der Vorge¬
schichte führte zn dem Resultat, daß E. nicht simulierte,
sondern geisteskrank war. Simulation nnd Geisteskrankheit
schließen sichnicht aus; aber bei E. waren die angeführten Er-
') Krafft-Ebing: Lehrbuch der gerichlichen Psychopathologie.
3. Auflage; 1900.
Simalatioii oder Gdisteskrankheit.
499
sch^oDf^en, die zar Annahme der Simulation geführt hatten, die
ersten Zeichen der Erkrankung. Er litt an einem Zustand von
akutem Stupor, wohl ähnlich den Fällen, wie Siemerling^)
sie erwähnt hat. Das Entstehen dieses Zustandes denken wir
uns auch so, daß wir die Erregung über die Vernehmungen
und über die zu erwartende Strafe, vielleicht auch den vermehrten
Alkoholkonsum in der Zwischenzeit bei dem psychisch Minder¬
wertigen (Degenerationszeichen, Wandertrieb etc.) als Haupt-
Ursache annehmen. Daß in der Arrestzelle der Zustand sidi
wesentlich verschlimmerte, so daß sprachliche Aenßemngen nicht
mehr erhalten wurden, ferner daß hier Halluzinationen und Angst¬
zustände auftraten, spricht für diese Annahme.
Zu diesem Erankheitsbilde passen auch die Bemerkungen
des Lazaretts zu L., nach denen auf die wiederholte Warnung
des Arztes, von der Simulation abzulassen, keine Beaktion er¬
folgte, auch nicht im Sinne einer Uebertreibnng, also einer Zu¬
nahme der Symptome; nach denen weiter ein erheblicher Rück¬
gang des Körpergewichts, Abnahme der Hautsensibilität, sehr
angehaltener Stuhlgang festgestellt wurden. Hiermit stimmt ferner
überein das Verhalten des E. vor Gericht, wo er seine Namens-
unterschrift verweigerte und anf Fragen nach Nationale und
Unterbringung in einer Irrenanstalt nicht reagierte. In gewissem
Sinne anüällig war das Verhalten des E. im Lazarett, indem er
ein Blatt Zeitungspapier unter der Bettdecke verbarg, als unver¬
mutet ein Vorgesetzter das Zimmer betrat; ferner daß er einmal
anf die Buchstaben „g e t r ä n k“ an der Tafel wies und dabei
die Geberde des Trinkens machte. Diese Erscheinungen, die wohl
mit dazu beigetragen haben, die Ueberzengnng, E. simuliere, noch
zu verstärken, lassen sich durch Annahme einer vorübergehenden
Besolution des Stupors ungezwungen erklären. In dem 2. Falle
speziell bat E. vielleicht ein Gefühl von Trockenheit oder den
Schleim im Halse verspürt, der, wie er nach völliger Besolution
des Stupors angab, ihm das Sprechen unmöglich gemacht habe.
Gerade der Stupor ist das Erankheitsbild, das vorzutäuschen
noch die geringsten Schwierigkeiten bietet, und das nach Fürst-
ner‘) und Mendel”) bei der Simulation auch ganz besonders
in Betracht zu ziehen ist. Für die Annahme einer Simulation im
vorliegenden Falle ergab die Beobachtung in der Anstalt keinen
Anhaltspunkt. Die psychischen Symptome, die E. darbot, passen
sämtlich in das Erankheitsbild und waren z. T. derartig, daß sie
sich auf die Dauer nicht absichtlich hätten Vortäuschen lassen.
Auch die körperlichen Begleiterscheinungen waren vorhanden.
Der Versuch einer Uebertreibnng wurde nie gemacht.
In nnserm Fall verlief der Stupor in kurzer Zeit. Nachdem
er in der Anstalt noch fast 3 Wochen voll ausgeprägt bestanden,
ging er unter unsern Augen zuerst langsam, dann schneller zn-
») 1. c.
3) Fftrstner; 1. c.
B) Mendel, £.: Leitfaden der Psychiatrie. 1902.
500 Dr. Hillenberg: üeber die Bedentang der Schul', Leih- und
rfick, bis er nach Ablauf von weiteren 14 Tagen fast gänzlich
Terschwnnden war. Wie uns vom Marinelazarett zu L. unter
dem 7. Januar 1908 mitgeteilt wurde, sind dort bis jetzt «krank-
hafte Erscheinungen in dem Geisteszustände des E. nicht beob¬
achtet worden“.
Für die Zeit der Begehung der Tat kam bei E. die Geistes¬
krankheit nicht in Frage. Der Tenor des Gutachtens lautete
daher: E. war geisteskrank; er hat seinen jetzigen Zustand
nicht simuliert. Bei Begehung der Straftaten hat er sich
nicht in einem Zustande krankhafter Störung der Geisteskrankheit
befunden, durch welchen seine freie Willensbestimmnng ausge¬
schlossen war.
Im vorliegenden Falle machte es keine besonderen Schwierig¬
keiten, Simulation auszuschließen. Auch in schwierigen Fällen
wird es mit Hülfe einer möglichst ausführlichen Vorgeschichte,
aus der besonders der Beginn der Erkrankung zu ersehen ist,
durch sorgfältige Beobachtung der Ei'scheinnngen^ ihre genaue
Prüfung und Abwägung zugleich unter Berücksichtigung der
körperlichen Allgemeinerscheinungen in der Begel gelingen, das
Bestehen oder Nichtvorhandensein einer Simulation nachzuweisen.
Meinem verehrten Chef, Herrn Sanitätsrat Dr. Gersten¬
berg, sage ich für die Ueberlassung des Materials meinen ver-
bindUchsten Dank.
Nachtrag: E. wurde durch Urteil des Kriegsgerichts vom
25. Januar 1908 zu einer Gesamtstrafe von 1 Monat Gefängnis
verurteilt.
Ueber die Bedeutung der Schul-, Leih- und Yoiksbibllotheken
hineichtlich der Uebertragung ansteckender Krankheiten.
Von Kreisarzt Dr. Hillenberg-Springe.
In dem neuen Ministerial-Erlaß vom 9. Juli 1907 betreffend
Verhütung der Uebertragung ansteckender Krankheiten durch die
Schulen, in dem in kaum zu übertreffender Weise die Wege vorge¬
zeichnet sind, die von der Schule und allen sonstigen in Betracht
kommenden Faktoren beim Ausbruch einer Infektionskrankheit
zwecks Vermeidung ihrer Weiterverbreitung einzuschlagen sind,
erscheint mir nur ein Punkt übersehen worden zu sein, der meines
Erachtens eine gewisse Beachtung beanspruchen darf, das ist die
Rolle, die unter Umständen die Schülerbibliothek bei der
Verbreitung einer ansteckenden Krankheit zu spielen geeignet ist.
Dieser Verbreitungsweg hat namentlich seit der Auffindung der
chronischen Bazillenträger an Bedeutung gewonnen, da es nicht
von der Hand zu weisen ist, daß z. B. Schwer, die Diphtherie oder
Typhus überstanden haben und BazÜlenträger geworden sind,
irgendein Bibliothekbnch, das von ihnen während der Rekon¬
valeszenz gelesen wird, mit den entsprechenden Bakterien zu
infizieren imstande sind.
Die Resistenz der meisten Bakterien ist zwar eintreten-
Volksbibliotheken hinBiohtl. der Uebertragaog ansteckender Krankheiten. 501
der Aastrocknong gegenüber keine große, immerhin kann es
yorkommen, daß das betr. Bnch, das mit dem ersten Schnlbesnch
abgeliefert wird, bald daran! in andere Hände übergeht, ohne
daß sämtliche Bazillen abgestorben sind, und ein neuer Infektions¬
fall kann die Folge sein. Auch für die akuten Exantheme mag
dieser Verbreitungsmodus in Betracht kommen, da z. B. Scharlach
mit Sicherheit durch Briefe, Bücher, wie ich in meiner Praxis
selbst wiederholt erlebt habe, auch Wochen nach abgelanfener
Krankheit übertragen wird.
Jedenfalls darf ein Zweifel an der Tatsache, daß sich die
verschiedensten Krankheitserreger eine Zeitlang anch in Büchern
lebensfähig halten, nicht mehr bestehen, indem seit einer Reihe
von Jahren bald von diesem, bald von jenem Forscher von neuem
der Beweis für das Anhaften virulenter Krankheitskeime an den
Blättern und Einbänden von Büchern etc. erbracht worden ist.^)
Eingehende Ermittelungen sind allerdings nur über das
Vorkommen von Tuberkelbazillen von Mitulesen*) an zahl¬
reichen Büchern Berliner Leihbibliotheken angestellt worden;
dieselben zeitigten das interessante Resultat, daß von solchen
Büchern, die 3—6 Jahre sich im allgemeinen Verkehr befanden,
ein Drittel sich mit Tuberkulosekeimen behaftet erwies, d. h.
also, daß erst eine gewisse Schmutzschicht sich auf den Seiten der
Bücher, — meist sind es die Ränder — gebildet haben muß,
um die Tnberkelbazillen vor gänzlichem Anstrocknen zu bewahren
und so lebensfähig zu erhalten.
Für Schulbibliotheksbücher dürfte die Tuberkulose weniger
bedeutungsvoll sein, da einmal wohl nie ein solcher Grad von
Verschmutzung geduldet werden wii-d, wie bei den Büchern der
gewöhnlichen Leihbibliotheken, sodann Kinder mit offener Tuber¬
kulose dem Schulunterricht ja nicht mehr beiwohnen dürfen, anch
nicht anznnehmen ist, daß früher häufiger derartige Kinder die
Schule noch längere Zeit besucht haben. Versuche mit älteren
viel gelesenen Büchern würden diese Frage ja leicht lösen
können.
Die Uebertragnng der Krankheitserreger von den infizierten
Büchern aus auf den Menschen beruht im übrigen zur Hauptsache
auf der üblen Angewohnheit, die Finger vor dem Umblättern mit
Speichel anzufenchten; hierdurch werden jene von den Bnch-
r ändern, auf denen anscheinend ausschlieMch die betreffenden
Keime sich lebensfähig halten, da wenigstens z. B. Tnberkel¬
bazillen nur auf letzteren sich nachweisen ließen, dem Körper
zngeführt. Das Vorkommen von Diphtherie- und Typhuskeimen
an den Händen von Bazillenträgern kann einem Zweifel kaum
unterliegen; daß jedenfalls Hände und Finger von Tuberkulösen
häufig mit Tnberkelbazillen behaftet sind, ist von einzelnen Autoren
wiederholt ebenso nachgewiesen worden, wie die Tatsache, daß
*) H. Trautmann: üeber lofektion von Büchern nnd Schriftwerken
und ein aossichtsvollee Verfahren za ihre Desinfektion. Zeitschrift für Tuber-
kalose; 1907, 10. Bd.
*) Zeitschrift für Hygiene; 1903, Bd. 44.
502 Dr. Hilioaberg: Uober die Bedeataog der Schal', Leih- and
sie durch Händedruck (in 13 von 24 Fällen) auf andere über¬
tragbar sind.*)
Einwandfreie Fälle, in denen durch SchulbibliotheksbQcher
ansteckende Krankheiten auf Mitschüler übertragen worden, sind
allerdings meines Wissens bisher nicht bekannt geworden, was
wohl daher rühren mag, daß diesem Yerbreitungsweg nähere
Aufmerksamkeit bisher nicht geschenkt worden ist; er wird auch
nach wie vor gegenüber der großen Zahl der sonstigen Ver¬
breitungswege von Infektionski’ankheiten für die Schule stets nur
eine mehr untergeordnete Position beanspruchen dürfen; nichts¬
destoweniger erscheint es mir wichtig genug, auch dieser Müg-
lichkeit zu gedenken und nach Kräften ihre Vermeidung anzn-
streben. Beweisen doch auch die zahlreichen Versuche, die von
den verschiedensten Autoren angestellt sind, die Frage der so
schwierigen Bücherdesinfektion einer befriedigenden Lösung ent-
gegenzuftthren, welche Beachtung der von infizierten Büchern
ausgehenden Gefahr in der Praxis zukommt.
Was von den Schülerbibliotheken hier gesagt ist, gilt min¬
destens in dem gleichen, wenn nicht weit höherem Maße für die
sogenannten Leihbibliotheken. Man kann nur immer wieder
seine Verwunderung aussprechen, wie wenig Ekel das große
Publikum vor den gewöhnlichen Leihbibliotheken mit ihrem schon
hinsichtlich der Reinlichkeit oft mehr als fragwürdigen Material
empfindet; wie selbst Menschen von Rang, Bildung und Besitz
— meist sind es Angehörige des anderen Geschlechts — sich
nicht scheuen, zur Verkürzung ihrer vielen Mußestunden sich
aus irgendeiner Leihbibliothek ein Buch holen zu lassen, das
bereits durch wer weiß wie viele, nicht immer ganz tadellose
Hände gegangen nnd womöglich mit Infektionskeimen behaftet
ist. Die Gleichgültigkeit des Publikums in dieser Beziehung ist
oft geradezu unverständlich und läßt sich höchstens durch alte
Gewohnheit, Bequemlichkeit nnd eine sehr zu beklagende Ober¬
flächlichkeit erklären, wie sie heutzutage auf großen Schichten,
und zwar nicht nur den tieferstehenden, unseres Volkes lagert.
Würde von dem vielen Gelde, das jährlich von dem einzelnen
für Vergnügen nnd Sport allerlei Art, auch den unnützesten,
verausgabt wird, nur ein Bruchteil zur Erwerbung guter Bücher
benutzt, — für das Lesebedürfnis der Minderbemittelten wird
ja in großen Städten durch öffentliche Lesehallen mit gnten
Büchern immer ausgiebiger gesorgt — so würden viele von den
nach jeder Richtung hin höchst überflüssigen und verderblichen
Leihbibliotheken ihre Tore zum Heil des Publikums schließen
müssen.
Diesen privaten Leihbibliotheken gegenüber wird es nun
kaum angängig sein, besondere Desinfektionsmaßnahmen vorzn-
schreiben, so lange es nicht zuverlässige, bequem zu handhabende,
nicht zu kostspielige, dabei für das Material unschädliche Des¬
infektionsmethoden für Bücher gibt. Recht aussichtsreich für
') Nach einer Angabe bei Traatmann I. c.
VolksbiblioUieken binsicbtl. der Ucbertregong ansteckender Krankheiten. lO'S
die Praxis erscheint allerdings das von Kister und Trant-
mann beschriebene, von Dun bar auch fttr Bücher empfohlene
find erprobte Desinfektionsverfahren mit gesättigtem, niedrig tem¬
perierten (75—80®C.) Formaldehyd wasserdampf*), der unter Va-
knam strömt. Dasselbe entspricht nach Trautmann „hinsicht¬
lich seiner Einwirkung auf das äußere von Büchern und Schrift¬
werken allen berechtigten Anforderungen“; auch „betreffs der
Eeimtötnng dürfte kein berechtigter Zweifel bestehen, daß das
Verfahren, richtig gehandhabt, die uns bekannten menschlichen
Krankheitserreger einschließlich der Sporenbildner im Prinzip mit
Sicherheit vernichtet“. Bewährt sich das genannte Verfahren in
jeder Beziehung auch für Massendesinfektionen von Büchern, so
könnte allerdings behördlich verlangt werden, daß jährlich etwa
2 mal der gesamte Bücherbestand einer Leihbibliothek der amt¬
lichen Desinfektion unterworfen wird.
So lange eine bestimmte bewährte Methode sich nicht ein¬
gebürgert hat bezw. so lange und wo sie nicht von Amtswegen
vorgescbrieben werden kann, würde man sich auch den Leih¬
bibliotheken gegenüber auf Maßnahmen beschränken müssen,
wie sie Mitulescu für Volksbibliotheken, die unter behörd¬
licher Aufsicht oder Verwaltung stehen, vorgeschlagen hat: Aus¬
merzung beschmutzter Bücher und Anbringen von Plakaten in
den Bibliotheken, welche auf die mit dem Fingeranlecken ver¬
bundene Gefahr aufmerksam machen und das Waschen der Hände
nach dem Lesen anraten.
Wie weit hierdurch ein positiver Effekt erzielt werden
würde, bleibe dahingestellt; sehr belangreich dürfte er kaum
sein. Jedenfalls werden Arzt und Hygieniker versuchen müssen,
durch gelegentliche Besprechungen und Aufklärungen auf die
Gefahren für die Gesundheit hinzuweisen, die mit der Benutzung
alter Leihbibliotheksbücher verknüpft sind.
Aber nicht nur in den Städten spielt das Verlangen nach
Lektüre eine Rolle; auch auf dem Lande fühlt mancher Arbeiter,
dieser und jener Landmann das Bedürfnis, namentlich im Winter,
einen Teil seiner freien Zeit mit dem Lesen nützlicher Bücher
znzubringen. Demgemäß existieren in einer großen Zahl von Kreisen,
teilweise mit staatlicher Unterstützung, Volksbibliotheken, die
unter der Verwaltung von Geistlichen oder Lehrern stehen und
von den Kreiseingesessenen gern in Anspruch genommen werden.
„Es ist nun eine erfahrungsmäßige Tatsache“, schreibt mir ein
Pastor, der gleichzeitig Verwalter einer Volksbibliothek ist, „daß
die Bücher der Volksbibliothek vielfach von Kranken oder solchen,
die Kranke pflegen müssen, gelesen werden. Man könne daher
sehr im Zweifel sein, ob die Existenz einer Volksbibliothek sich
mit der öffentlichen Gesundheitspflege in Einklang bringen lasse.“
Wenn man streng objektiv, d. h. mit der Brille der Wissenschaft
die Frage betrachtet, so ist allerdings, wie oben auseinander¬
gesetzt, ein gewisser sanitärer Gegensatz zwischen beiden Fak-
*) Kister und Tr aut mann: Gcsandheitsingcnicar; 1906, Bd. 29, Nr. 6.
504 Dr. Hillenberg: Ueber die Bedeutung der Schul-, Leih* und
toren nicht zn erkennen; nur darf man dabei nicht vergessen, daß
unter diesem Gesichtspunkt sehr viele nicht beachtete hygienische
Gegensätze im Leben existieren, und daß die Furcht vor Bazillen
niemals so weit gehen darf, daß wir uns bei all unserm Tun erst
fragen: laufe ich hierbei auch Gefahr, mich mit diesem oder
jenem Bacillus zn infizieren? Immerhin dürfte es sich empfehlen,
auch unter ländlichen Verhältnissen dieser Frage seine Aufmerk¬
samkeit nicht zu versagen, zumal es gerade hier angängig ist,
mit einer gewissen nützlichen Prophylaxe der durch Volks¬
bibliotheksbücher drohenden Infektionsgefahr vorznbeugen. Mit
neuen Desinfektionsanordnungen, die schon an und für sich auf
dem Lande nicht immer sehr beliebt sind, darf man meines
Erachtens jedoch nicht kommen, zumal sie sich hier ja auch für
die genannten Zwecke gar nicht praktisch durchführen ließen. Auch
von belehrenden Plakaten u. ä. ist wohl nicht viel zu erwarten.
Dagegen möchte ich folgende einfache Maßnahmen empfehlen, die
ich in meinem Kreise dem Landrat sowohl für Schüler-, wie für
Volksbibliotheken vorgeschlagen habe und die wenigstens bis zu
einem gewissen Grade prophylaktisch wirken können:
1. Vor Abgabe eines Buches ist von dem Verwalter der
Bibliothek durch eingehendes Befragen festzustellen, ob z. Zt in
der betrefienden Familie eine ansteckende Krankheit herrscht;
bejahenden Falles hat die Abgabe zu unterbleiben.
2. Es ist bei der Abgabe jedes Mal ausdrücklich duauf
hinzuweisen, daß bei Ausbruch einer ansteckenden £[rankheit in
der Familie das Buch umgehend der Bibliothek zurttckzuliefem ist.
Um diese Forderungen den Entleihern wiederholt vor Augen
zu führen, empfiehlt es sich, vorn in jedes Buch einen gedruckten
Zettel einzukleben, der nachstehendes enthält:
1) Dieses Bach darf von einem an einer fieberhaften ansteckendes
Krankheit (Scharlach, Diphtherie, Pocken, Masern, Böteln, T^hos) Erkrankten
oder kürzlich erkrankt Gewesenen, sowie yon dessen Pflegerin nicht benntst
werden; bei Aasbrach einer der genannten Krankheiten in der Familie ist
dasselbe vielmehr sofort der Bibliothek znrückzaliefern. Zawider-
handelnde haben die Kosten der Neabescbaffang za tragen.
2) Der Leser wolle aas gcsondheitlichen Gründen strengstens vermeiden,
zum Umwenden der Blätter die Finger mit Speichel anzofeuchten, desgleichen
hei Hastenreiz in das Bach hineinzahusten, sondern sich stets abwenden and
womöglich ein Tach vor den Mund halten.
Bei strikter Durchführung dieser leicht zu handbabenden
Maßnahmen wird es möglich sein, jedenfalls durch Schüler-
bibliotheken, aber auch durch die einer behördlichen Kontrolle
unterstehenden ländlichen Volksbibliotheken die Verbreitung an¬
steckender Krankheiten zu verhüten. Bei Schul- und Ortsbe¬
sichtigungen könnten auch die Kreisärzte dieser Angelegenheit ihr
Interesse schenken und durch Rücksprache mit Lehrern und
Geistlichen auf die Nützlichkeit der Befolgung der genannten
Vorschläge hinweisen.
Es kann im Anschluß an obige Ausführungen noch die
Frage aufgeworfen werden, was etwa mit den Schulbüchern und
Heften von Kindern, die wegen einer Infektionskrankheit die
Schule haben versäumen müssen, zu geschehen habe, die ja auch
Volksbibllothekeii binsichtL der üebeitiagiuig ansteckender Krankbeiten. 60b
n. ü. einmal mit den betreffenden Krankheitserregern infiziert
sein können. Benda*) hat ffir diese eine Desinfektion vorge-
schlageu. Ich möchte annebmen, daß eine solche Forderung stets
nur auf dem Papier stehen bleibt und in Wirklichkeit nie ans-
geführt wird, also mindestens nutzlos ist. Die Gefahr einer Weiter-
verbreitung der betr. Krankheit auf diesem Wege erscheint mir
zudem minimal zu sein. Höchstens wäre zu verlangen, daß die
Hefte und BQcher einen neuen reinen Umschlag erhielten, der
jedoch auf dem Lande unter ärmlichen Verhältnissen manchmal
ebenso schwierig zu beschaffen sein dürfte, wie das Reinigen
bezw. Desinfizieren der Wäsche und Kleidung.
Um die Beachtung der besprochenen Frage wenigstens den
Sehnlen ans Herz zu legen, empfiehlt es sich vielleicht, als Schlu߬
satz des § 2 des Eingangs zitierten Erlasses anzuffigen: Schlie߬
lich ist beim Verleihen von Büchern ans den Schulbibliotheken
in geeigneter Weise darauf Bedacht zu nehmen, daß sich Bücher
nicht in Familien befinden, in denen eine übertragbare Krankheit
ausgebrochen ist. _
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. OeriohtUohe Medizin.
Untersnehong ron 100 Leichen ln Nnbien srn römischer Zelt hinge*
rlchteter Personen. (The ezaminatlon of the bodles of 100 loe men execnted
ln Nnbla Inroman tlmes). Von Wood Jones. The British medical
Joomal; 1908, 28. März.
Keine Grabfunde eignen sich für die vorliegenden Studien besser als die
Gr&ber in der Nähe des ersten Nilkataraktes, der Grenze des alten Aegyptens.
Die in Bede stehenden Untersuchungen betreffen Leichen, welche in den Gräben
einer alten römischen Festung auf dem östlichen Uler des Nils gefunden
wurden. Ein Grab enthielt 60, ein anderes 42 Kadaver in grober Leinwand
gehüllt. Alle Leichen schienen gleichzeitig beerdigt zu sein. Die Stricke,
welche Arme und Beine umschnürten, waren vor der Beerdigung nicht gelöst
worden. In einem Falie wurde sogar die Halsschnur in situ um den Hals
liegend gefunden, ln vielen anderen Fällen lagen festgeknOpfte Schlingen
um den Hals. Von großem Interesse ist eine charakteristische Scbädelver*
letzung, die durch den Strang, durch welchen die meisten anscheinend den Tod
gefunden hatten, während des Erhängungsaktes ziemlich regelmäßig bewirkt
worden war. Die Halswirbelsäule war ln allen Fällen unverletzt. Die Schädel*
Verletzung bestand in einer Lockerung bestimmter sagittal verlaufender Nähte,
die zur Folge hatte, daß ein Teil der Schädelkapscl, bestehend aus Hinter-
huuptknochen und dem einen Schläfenbein, klaffte und von dem übrigen Teil
des Schädels abrttckte. ln den meisten Fällen lief der Sprung von rechts
hinten nach links vorn, in wenigen Fällen von links hinten nach rechts vorn.
Die Schädelsprengung erklärt sich aus dem Mechanismus der Hinrichtnngs*
Prozedur. Die Ursache für den abweichenden Bichtungsverlanf der Basis¬
fraktur war vermutlich die verschiedene Lage des Strickes. Der Knoten lag
in der Regel auf der rechten Halsseite, in wenigen Fällen aber auf der linken.
Die Schädelbasis aller Erhängten trog als Zeichen vitaler Entstehung der
Verletzung eine ausgedehnte rötliche Knochenverfärbung. Der Basisbrnch
wird wegen seiner versteckten Lage leicht übersehen. Der Arbeit sind eine
Anzahl instruktiver Photogramme (auch anderer Knochenverletzungen) bei¬
gegeben. Dr. Bevonstorf-Hamburg.
*) Zur Frage der Desinfektion entliehener Bücher. Zeitschrift f. Schul*
gesundheitspflege; 1904, Nr. 2 n. 8.
50C
Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitschriften.
Blntspuren rltaler Entstehung avf Knochen. (The post-mortem staining
o( hone prodnced by antemortem shcdding of blood.) Von Wood Jones.
The British medical Jonrnal; 1908, 28. März.
Dr. Eliiot Smith, der im Jahre 1905 die Mnmien des Hnsenms in Kairo
nntersnchte, entdeckte an der Leiche Bamscs V. eine Schädelverletznng, in
deren Umgebnng der Knochen yerfärbt war. Wenngleich Blntreaktionen nicht
zn erhalten waren — der längste Zcitranm, während dessen Blntspnien dorch
die bekannten Reaktionen identifiziert werden können, sind etwa 250 Jahre —
blieb doch kein Zweifel, daß die Verfärbung yon Blnt herrührte. Wood Jones
batte später Gelegenheit mehrere Tansend Leichen zn nntersnehen, die aas
den Gräbern Nnbiens stammten and yielfach Wanden anfwiesen, die offenbar
den Tod der Verletzten herbeigeführt hatten. Wenige dieser Verletznngen
schienen yon Unfällen herzarühren; die meisten wiesen auf gewaltsame Tötung
durch ZertTÜDimernng des Schädels oder Erhängen. Die prämortaie Entstebnng
ließ sich teils aus der Beobachtung entnehmen, daß in den Gräbern yon Per¬
sonen, die gewaltsam ums Leben gekommen waren, Schmackgegenstände fehlten,
teils daraas, daß Haare, Knochcnstttckc und Gehirnmasse in Form fest anein¬
ander haftender Ballen innerhalb der Schädelhöble sich yorfanden. ln einem
Falle ergab sieb, daß die Knochenfragmente durch das Balsamicrungsmittel
wieder in ihre Lage gebracht waren. Bei yielen der yorgefundenen Ver¬
letzungen, insbesondere der Schädelbröche fanden sich nun ansgedehnte rötliche
^ochenyerfärbungen. Trotz ihres hohen Alters — Verfasser schätzt den yer-
flossenen Zeitraum in einigen Fallen auf über 5000 Jahre — hoben sich die
Flecken sehr lebhaft yon der Färbung der übrigen Knochenoberfläche ab.
Bei den post mortem entstandenen Verletzungen fehlte die rötliche Färbung
der Nachbarknochenfläche. Dr. Reyenstorf -Hamburg.
üeber den Nachweis yon Kohlenoxyd im Blute. Von 0. Schümm.
Medizinische Klinik; 1908, Nr, 23.
Verfasser hat genauere Versuche mit dem spektroskopisch - chemischen
Nachweis yon Kohlenoxyd im Blute angestellt und ferner die neuere chemische
yon Horoszkiewiez und Marx empfohlene Methode einer Prüfung unter¬
zogen. Er ist der Ansicht, daß die spektroskopische Untcrsuchungsmethode
yielfach nicht richtig gehandhabt wird und deshalb auch keine gute Resultate
gibt. Bei seinen auf das sorgfältigste angestelltcn Versuchen bediente er sich
8 yerschiedener Spektroskope und fand, daß die Empfiadlichkeitsgrenze dieser
Probe, die Kurpjuweit bei 15,75 “/o angibt, bei einem Gehalt yon IO*/«
Kohlenoxydblut liegt. Die beste der chemischen Proben, die Tanninprobe, hat
eine Empfindlichkeitsgrenzo yon 5—10°/o. Bei der yon Horoszkiewitz
and Marx empfohlenen neueren chemischen Probe‘) bat er kein befriedigendes
Resultat erzielen können.
Auf Grund seiner Untersuchungen kommt er zu dem Resultat:
1. Die neue, von Horoszkiewiez und Marx empfohlene Farbprobe
zum Nachweis yon Kohlenoxyd im Blute übertrifft die spektroskopisch-chemische
Probe weder an Sicherheit noch an Empfindlichkeit.
2. Die spektroskopisch-chemische Probe zum Nachweis yon Kohlenoxyd
im Bluto gelingt bei kunstgerechter Handhabung, wenn man gutes Schwetel-
ammonium anwendet, noch bei einem Verhältnis yon 1 Teil kohlenoxydge-
sättigten Blutes und 9 Teilen kohlenoxydfreien Blutes. Bei einem Gehalt
unter 10**/o wird sie unsicher.
3. Da die empfindlichste der gebräuchlicheren wie chemischen Proben
nach den Angaben yerschiedener Autoren ihre Empfindlichkeitsgrenze zwischen
5 und 10**/« hat, so wird die spektroskopisch-chemische Probe auch yon dieser
an Empfindlichkeit nicht wesentlich übertroffen.
4. Die spektroskopisch-chemische Probe hat den Vorzug, daß zu ihrer
Auslührung nur wenige Tropfen Blut erforderlich sind.
Aus den aasgeführten Gründen muß sie als eine der besten bezeichnet
werden. Rpd.
*) Mischung mit einer 8®/oigcn Lösung yon Chin. hydrochl. im Ver¬
hältnis 2 : 4; Erhitzen bis zum einmaligen Aufkochen, Zusatz von 2—3 Tropfen
ganz frischen Schwefclammoniums und kräftiges UmscbUtteln. Es soll dann
ein leuchtend roter Farbenton eintreten.
Kleinere Mitteilangen nnd Referate ans Zeitschriften.
607
Identlt&tenachirele bei Te^iftnng (Notes on seine pelsenlng eases).
VonBahadnr. The Indian medical Qazette; 1907, Oktober.
Bahadnr erwähnt in dem Bericht dos Gerichtscbemikers t. Bengalen
f&r das Jahr 1906 einen Fall von kombiniertem Mord durch Vergiftung und
Halsschnitt. Die Leiche wurde in einen Sack gesteckt und beseitigt. Die
Kleider des Ermordeten waren mit Blut beschmutzt, das Filarien (Filaria
nocturna) enthielt. Der gleiche Parasit wurde in den Blutflecken entdeckt,
die sich auf den Möbeln und der Türfüllung des Tatortes und an einem Korbe
fanden, in dem die Leiche fortgeschafft wurde.
Dr. Bevenstorl -Hamburg.
Die Wirkung der Flebertplstole nnd ihre gerlchtsflritllche Bedeninng.
Von C.A. Wolter. Inang.• Dissertation; Königsberg 1907.
Auf Grund eigener Versuche und dem Sektionsbefunde von drei tödlich
Terlaufenen Fällen nach Flobertpistolenschoß kommt Wolter zu folgenden
Ergebnissen: Die Einschußöffnung ist im allgemeinen rundlich, mit unregel*
mäßig geformtem, gekerbtem oder zerfetztem Bande. Die Einschußöffnung in
die Scbädelknochen stellt lochförroige Durchbohrungen mit glatten Bändern
dar. Auch kommt es bisweilen zu Sprüngen in den Scbädelknochen. Die Aus-
schußöffnnng ist manchmal mehr zerfetzt als der Einschuß.
Der Kontusionsring fehlt selten. Die Schwärzangpzone hat durchschnitt*
lieh einen Durchmesser von 1,6 cm und tritt oft in konzentrischen Bingen yon
wechselnder Intensität auf. Am äußeren Bande der inneren Schwärznngszone
findet sich am meisten metallischer Glanz, herrührend von einem Qaecksilber*
Spiegel. Dieser Befund beweist, daß die Zündmasse Knallquecksilber enthielt.
Metallisches Quecksilber in Kügelchen ist nicht immer nachweisbar. Bei 20 cm
Abstand bildet sich eine noch gerade erkennbare Schwärznngszone aus, bei
25 cm Abstand fehlt sie. Die Schwärzung des Schnßkanals bleibt schon bei
15 cm Abstand ans, bei 10 cm ist sie noch unter der Haut angedoutet. Die
Zertrümmerung der Umgebung des Schnßkanals ist schon bc|) 2 cm Abstand
gering, yon 5 cm ab fehlt sie. Bei Abstand bis zu 5 cm Entfernung können
die Haare der Haut nnd der Kleiderstoff in der Umgebung der Einschußöffnung
yersengt werden.
Die Flobertpistole muß als eine Waffe angesehen werden, die durchaus
geeignet ist, tödliche Verletzungen zu ycrursachen. Der Verkauf dieser Schu߬
waffe an jugendliche Personen sollte yerboten werden.
Dr. Beyenstorf-Hamhurg.
Uebor Rcsorzlnyerglftnng bei äusaeror Anwendung. Von Dr. Nöthen-
Cöln. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 24.
Verfasser beschreibt zwei Fälle, die in der Abteilung für Haut- und
Geschlechtskrankheiten der Krankenanstalten der Stadt yorgefallen sind. Es
bandelte sich um einen 19 jährigen Kaufmann, der wegen eines parasitären
Ekzems aufgenommen war. Zuerst Behandlung mit Ichtbjolzinkpaate und
dann Anwendung von 15‘*/»iger Besorzinschwefelzinksalbe. Während der Ein¬
reibung schon Gefühl yon Onbehagen nnd Schwindel; dann trat bald Bewußt¬
losigkeit auf. Der Kranke war yollkommen zyanotisch, die Haut an den
Extremitäten eiskalt, mit Schweiß bedeckt. Die Atmung war sehr schnell
und oberflächlich; der Puls fließend, die Papillen yöllig starr and yerengert.
Nach Entfernung der Salbe Erholung, die aber wieder einer tiefen Betäubung
wich, mit der der Kranke erst nach 4 Minuten erwachte. Keine Temperatur-
Steigerungen. Der Urin enthielt reichlich Blutfarbstoff. Der Kranke fühlte
sich in den nächsten Tagen noch unbehaglich, erholte sich aber schnell. Der
zweite Fall betraf ein 11 Tage altes Kind, das wegen Pemphigus neonatorum
eingeliefert war. Es wurde Abends mit einer 30°/oigen Besorzinsalbe yer-
bunden; nachts um 2 Uhr wurde es yon der Schwester tot aufgefunden.
Pleura und Perikard zeigten bei der Sektion dunkeigraugrünliche bis dunkel-
bräunlicho Farbe; die Ober- und Schnittflächen der Lungen, der yergrößerten
Milz, der Nieren, des Herzens und der Lymphdrtisen wiesen eine braunschwarze
Färbung auf; die Blutgefäße waren mit schwarzem Cruor ängefttllt. Der
Urin ergab yiolette Phcnolreaktion.
Aehnliche Fälle sind an der Klinik früher noch nie beobachtet worden
608
Kleinere Hitteilongen and Beferate ane Zeiteohriften.
and auch sonst beschreibt nur Kaiser eine Eesorzinintoxikation nach An-
wendnng von 50folget Pasta. Andere Antoren haben danach entstehimde
Schläfrigkeit and Müdigkeit beobachtet, die wohl als geringster Grand einer
Intoxikation anzosprechen ist. Verfasser ist nicht der Ansicht, daß man dieser
Fälle wegen aaf das Resorzin yerzicbten maß; man soll nar berflcksichtigeo,
daß das Mittel doch nicht ganz anschädlich ist. Bpd.
Anenwassergtoffrergiftang. (Arseniareted hydrogen poisoning.) Von
Wiley Jones. The Jonrnal of the American medical Assosiation; 1907, Nr. 18.
Seit der Einführang der Mac Arthar-Forest Methode zar Gold-
gewinnang aas Erz mittels einer verdünnten Zyankalinmlösong and Wieder-
gewinnang des gelosten Metalls aof dem Wege der Filtration darch Zinkspine,
sind dem Verfasser aas den Minendistrikten von Portland 6 Fälle von Arsen*
wasserstoffvergiftang (darunter zwei Todesfälle) bekannt geworden. Die
Krankheitserscheinnngen, welche im Gegensatz za der Wiikong der Aisen-
verbindangen recht spät aaftraten, begannen mit Schmerzen in der Nieren¬
gegend, Gelbsacht und Hämoglobinarie. Trotz der starken BlatkOrperchen-
aoüOsang fehlte Dyspnoe. Der Stahl war durch reichliche Gallenbeimengong
dunkel gefärbt. Die Veränderangen des einen obduzierten Falles bestsmden
in akater hämorrhagischer Nephritis, akuter Milzschwellang, submokOsen
Hämorrhagien der Magen- und Darmschleimhant. Keine nennenswerte fettige
Degeneration. Alle serOsen üeberzttge erwiesen sich als mehr oder weniger
ikterisch gefärbt. Der chemische Nachweis des Giftes worde nicht versagt.
Es pflegen sich Sparen von Arsen in Urin, Leber, Niere, Galle and Blai za
Anden. Dr. Bevenstorf-Hambarg.
Ueber eine Terglftnng mit Kaatabaeksaft. Von M. Arnold. Inang.-
Dissertation; Königsberg 1908.
Ein Gastwirt hatte sich schon wiederholt mit seinen Gästen den üblen
Scherz erlaabt, ihnen anstatt Schnaps verdünnten Kaatabaeksaft, den er von
der Firma erhielt, um den Kaataback von Zeit za Zeit etwas anzofeuchten,
als neuesten Magenbittern vorzusetzen. Die Personen, welche von dem Tabacks-
schnaps genossen hatten, waren an einem akaten, allerdings leicht ver*
laafenden Magendarmkatarrh erkrankt. Ein ca. 47 jähriger Arbeiter, dem der
Kaatabaeksaft vorgesetzt wurde, als er in angetrunkenem Zustande das Gast¬
haus betrat, erkrankte mit Erbrechen and Würgen and starb kurze Zeit nach
der Einverleibung des Giftes. Die Sektion ergab die Zeichen des chronischen
Alkoholismas, ütat mamellonO der Magenschleimhaat, chronische Nieren-
veränderang6a, Horzvorgrößerang, braane Pigmentierang der Herzmaskalatnr,
Sklerose der Kranzschlagader, wässerige Darchtränkang der weichen Hirnhaut.
Im Mageninhalt warde Nikotin in einer Menge von 0,0209 g nachgewiesen.
Die beschlagnahmte Flüssigkeit enthielt 0,0902 <>/„ eine später gefundene Flasche
0,0550'^/o und eine aas dem Tabacksgeschäft entnommene Probe 0,1217 */•
Nikotin. Ein Scbnappsgläschen würde somit 0,018, 0,011 oder 0,24 g Nikotin
enthalten haben. Es war anzanehmen, daß die Menge des genossenen Nikotins
hinreichte, den Tod des freilich darch chronischen Alkoholmißbrauch ge¬
schwächten Arbeiters herbeizaführen. Der Gastwirt wurde wegen fahrlässiger
Tötung za einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Dr. Bevenstorf-Hambarg.
Tei^lftang einer dreigliedrigen Familie durch ein Irrtflmlleh ge¬
nommenes Belladonnalnfas. Von Dr. K a 1 m a s, Landgerichtsarzt and Polisei-
arzt in Prag. Wiener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 6.
Im Anschluß an den Gcnnß von Hirschzangenkrauttee (FoL ScolraendrS)
war bei einem 18 Monate alten Kinde starke Unrabe, Bötang des Gesichts
and der Brast, ferner Palsbeschleanigang anfgetreten. Die Eltern des Kindes
hatten vorübergehend Ucbelkeit empfanden, die Matter außerdem Mattigkeit,
der Vater direkte Verwirrtheit gezeigt. Beide wiesen fernerhin ad manmum
erweiterte Papillen auf. Damit war die Diagnose Vergiftung durch ein Hj-
driatikam gegeben. Die Untersachang des Tees ergab sowohl makroskopisch,
als auch mikroskopisch den Befand von zerkleinerten Belladonnablättem.
Alle drei Kranken erholten sich bald; bei der Frau, die im 6. Monat
schwanger war, trat eine Frübgebart ein.
Kleinere Hltteihm|^ und Befbrate nne Zefteehriftea
500
Der Verftoser teilt eebe Beobaehtnng mit, nm die Drogisten nnd medi-
ainischen Anfsiehtebehdrden anf die MOgUehkeit einer irrtttmlichen Yerab-
reichnng gefährlicher Drogen an Stelle der honte allerdings nicht mehr offi-
ainellea, aber noch im Handrerkauf gangbaren Fol. SkolopendrU anfmerksam
za machen. _Dr. Knrpjaweit*Berlln.
Zastandekommen, Pathologie nnd Therapie der LangenTCrStrangen
and ein Yorschlag zn deren Terhfltnng. Von Dr. E. Preleitner. Zeit¬
schrift fftr Heilkunde; 1908, Sopplementheft.
Die Natronlange and das Aetznatron bilden eine eminente Qefahr ffir
Kinder and Erwachsene, wie die zahlreich vorhandenen schweren Yerätzangen
berweisen. Die Laagenessenz wird in den Haoshaltongen zam schnellen Beinigen
Ton Wäsche, Holzfaßboden and Holzgeschirr verwendet nnd kann durch Soda
und Seife vollwertig ersetzt werden. Für den Eonsomenten würde daher das
Verbot des Kleinverkanfs von Aetzlangen ohne Belang sein. Da die bei ans
gebränehUche Natronlauge ans Soda hergestellt wird, so würde das Verbot
des Kleinverkanfs der Aetzlauge auch die Produktion, da ja dann mehr Soda
Torkaoft wird, wirtschaftlich nicht schädigen. Dr. Wolf-Harbarg.
Ljsolverglftnng durch üterusspülnng* Von Dr. W. Piltz, Assistent
der Hniversitäts-Frauenklinik in Erlangen. Münchener med. Wochenschrift;
190S, Nr. 18.
Als wesentliche Vorzüge des seit 1889 als Desinfektionsmittel zur Ver-
wendang gelangenden Lysols worden dem Mittel eine starke keimtötende
Wirkung bei relativer Ungiftigkeit nachgerühmt. Die letztere Eigenschaft
des Lysols worde wie spätere Beobachtangen zeigten, anfänglich wesentlich
überschätzt. Die erste Lysolvergiftung mit tOtlichem Ausgang im Anschluß
an eine intrauterine Spülung wurde von Gramer 1898 berichtet. Einen
zweiten Fall, der ebenfalls totlich endigte, veröffentlichte Hammer 1903. ln
diesem sosde im ersten Falle war es während der Üterusspülnng au schweren
Kollaps gekommen und wie die Sektion ergab, zu schweren nephritischen Ver¬
änderungen. In dnem weiteren, von Boset mitgeteilten Falle trat nach
einer S^/oigen Lysolspülung des Uterus bei puerperaler Sepsis eine Nephritis
dn. Die Symptome schwanden nach Aussetzung des Mittels. Eine wdtere
schwere durch Üterusspülnng hervorgerufene Lysolvergiftung, welche unter
dem Bilde einer schweren hämorrhagischen Nephritis verlief, teilt Verfasser mit.
Wie alle Kresole wirkt das Lysol stark reizend auf die Nieren ein;
es sind daher bei den meisten der beschriebenen Fälle Nierenerschdnungen
beobachtet worden, von einfacher Albuminurie bis zu schwerer hämorrhagischer
Nephritis, wobd wohl eine wesentliche Bolle der Zustand der Nieren zur Zeit
der Aufnahme des Giftes in den Körper bilden dürfte, so daß ein völlig ge¬
sundes Organ weniger geschädigt wird als ein mehr oder weniger krankhaft
verändertes, wie es z. B. in der Schwangersdiaft bei vielen Frauen vorkonunt
(Schwangerschaftsniere).
Es wäre demnach in der Prophylaxe unsere wesentlichste Aufgabe zu
erblicken.
Bezüglich der Konzentration der LysollOsung gibt es schließlich doch
eine untere Grenze, wo die stark verdünnte Lösung eine nennenswerte Desin-
fektionskraft nicht mehr besitzt, wie es nach Schott elius bei Lysollösungen,
die schwächer als ‘/s Prozent sind, der Fall ist. Anderseits ist noch gar nicht
erwiesen, ob nicht auch von solchen verdünnten Lösungen soviel resorbiert
wird, daß eine Schädigung des Körpers hervor gerufen wird.
BaUoneller erscheint es, zur Spülung einer frisch puerperalen Uterus¬
höhle derartige Desinfizientien überhaupt nicht mehr zu verwenden, da sehr
verdünnte Lysollösungen nichts nützen, stärker konzentrierte Lösungen zu
schweren Gesundheitsschädigungen führen können und in der Begel zur Be¬
kämpfung von Blutungen aus der Uterusböhle und zur Entfernung gestauter
Sekretmassen aus dem Uterus genügend abgekocbtes Wasser oder sterilisierte
Kochsalzlösung (andi bei inflzieTten Fällen) genügen dürfte.
_ Dr. Waibei-Kempten.
610
Kl«hi«r« MitteUongen and Befeiato aas Zeitsshrlftsa.
Eta B«i.trag rar ▲«tislagie dar BlslrerftfUnf. Vm Dr. Bleyer.
ICedisiDucbe EUnüc; 1908, Nr.
Es bandelte sich mn einen Hann, der raerst anter der Dianoee Ilens
in die chirurgische Klinik in Prsg eingeliefert, bei dem aber Bldrer gif trag
festgestellt wurde. Die Anamnese ergab, daß Patient seit 10 Jahren bei der
Bahn angestelit war und während der letzten 5 Jahre beinahe täglich bis 20
Waggons mit Bleiplomben versehen und dieselben wieder abgenommen hatte.
Außerdem trug er die nötigen Plomben tagsüber in sdner Bocktasche, in die
er Öfters seine Hand steckte. Eine andere Aetiologle war nicht nachzuweisen.
Epd.
Zur Bleiverglftuag« (Fixation du plomb par les cestodes d’animau
satnrnins). Von E. Brumpt. Ans dem paradtolog. Laboratorium. Comptes
rendns de la coc. de biol.; 1903. Bd. LXIV, Nr. 19.
Unter dem Eioflusse metallischer Substanzen färben sich bdm Menschen
Eingeweidewürmer im Dünndarm häufig in auffälliger Weise. So kennt man
eine Schwarzfärbnng der im menschlichen Darm gefundenen Band¬
würmer bei Individuen, die eine Quecksilbereinreibnng durcbgemacht habem
eine solche durch Eisen, durch Wismuth. Für die Bleivergiftung sind
beim Menschen solche Daten noch nicht bekannt. — Bei bleikranken Hunden
und Katzen konnte Verfasser in Verbindung mit Maillard dagegen ähnliches
nachweisen. Schon die Farbe der Cestoden dieser Tiere ist ein besonderes
Schwarz. Die Würmer nehmen eben das Blei in ihren Kürzer ans dem Darm
des Trägers auf. Das Metall wird besonders an den männUchen (Geschlechts-
Produkten der Cestoden fixiert. Es scheint übrigens, als ob das Blei bei allen
Lebewesen eine besondere Affinität zu den Spermatozoen habe — ein Umstand,
der aueh beim Menschen einige dunkle Punkte der Bleivergiftung erklären
dürfte. _ Dr, Mayer-Simmem.
Inwiefern lisst sieh ans dem Bßntgenbilde ermitteln^ eb ein Nen-
geberener gelebt und geatmet hnti Von Vaillant. La Semaine medicale;
1908, Nr. 20.
Die radiographischen Untwsuchungen Vaillants ergeben, daß es in ge¬
wissen Grenzen möglich ist, Termittels des Boentgenogramms zu b»>
stimmen, ob und wie lange ein Neugeborenes gelebt hat. Ergibt die Durch¬
leuchtung ein massives Schattenbild ohne Detailzeichnung, so ^ anznnehmen,
daß das Kind nicht gelebt hat. Ist nur der Magen erkennbar, d. b. lufthalt^,
so darf geschlossen werden, daß das Kind einige Inspirationen ansgeführt hat.
Bei einem Kinde, das geatmet hat, sind Magen und Darmscblingen lufthaltig.
Hat das Kind einige Zeit gelebt, so lassen sich in dem Skiagramm Magen,
Darm, Lungen, Leber und Herz differenzieren. Hat das Kind nach der GelMUt
Nahrung zu sich genommen, so treten die Organgrenzen noch schärfer hervor.
Dr. Bevenstorf-Hambnrg.
Die Bedeutung der Lungenprobe. Von C. Schmoll. Ing. Diss.;
Marburg, 1908.
Auf Grund der zahlreichen Einwände hält Verfasser die Lungenscbwimm-
probe, die nur ein Teil der Lungenprobe ist, relativ als unzuverlässig und
erkennt ihr höchstens nebenher den Wert eines Beweismittels zu. Man sollte
stets außerdem noch andere Beweise des Gelebtbabens heranzieben, s. B. die
Magendarmprobe. In zweifelhaften Fällen ist stets die mikroskopische Unter¬
suchung angezeigt _ Dr. Wolf-Marburg.
Ueber die praktische Bedeutung der Barberloseheu Spermareaktteu*
Von Karl Fraenkel und Budolf Müller. Deutsche med. Wochenschrift;
1908, Nr. 16.
Die Verfasser prüften eingehend die 1905 von Barberio angegebene
Methode des Spermanachweises mittelst gesättigter PikriruanrelOsung, wobei
ein Niederschlag von kleinen gelben Kristallen entsteht nach. Gegenüber
den Angaben anderer Untersncher, die die Probe als spezifisdis B^enz für
menschliches Sperma ansehen, kamen sie zu Besnltaten, die den Wert des
Kleinere Mlttellnngen and Befen^ ans Zelteehilftea.
611
Verfahrens fOr forensische Zwecke erheblich einscbr&nken. 6^ wässerigen
Anssftgen ans Flecken versagt die Beaktion oft, selbst bei Anwendnng des
von Barberio angegebenen Konstgriffes der Verdnnstnng, abgesehen davon,
dafi unter diesen Umständen anch mit anderen eiweißhaltigen Stoffen Kristalle
von dnrchauB ähnlicher Art erhalten werden. Ferner sehen die Kristalle
gegenüber denen, welehe man bei der Florenoeschen Probe erhält, sehr
kümmerlich ans, anch bei Anwendung der verschiedenen bisher angegebenen
Modifikationen. TroU dieser Mängel hat das Verfahren insolem Wert, sfo
dne ansgesproohene schnell eintretende Beaktion als beweisend für menschliches
Sperma gelten kann; jedoch spricht negativer Ansfall nicht gegen dessen Vor-
handensMn. Dr. Liebe trän* Hagen i. W.
8. dürlehtliolM PayüUatrl«.
Beitrag snr Pathologie der Zwangsbewegnngen bei serebmlen Herd«
erkranknngen. Von W. A.Mnratow, Direktor der Landesirrenanstait im
Qonvemement Saratow. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Nenrologie; Bd. XXIII,
Juni 1908, Heft 6.
1. Die choreatischen resp. athetotischen Zwangsbewegnngen sind mit
einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von Läsionen innerhalb der
Bindearme abhän^g.
2. Die Existenz eines direkten sensiblen Bündels in der inneren Kapsel
(carrefonr sensitif Charcots) muß bezweifelt werden.
8. Die Lokalisation der choreatischen und athetotischen Zwangs«
bewegnngen in der Binde maß verworfen werden, da weder ehi anatomischer
Beweis für dieselbe erbracht werden kann, noch auch das klinische Bild der
wirklich kortikalen Krämpfe irgendwelche Verwandschaft mit der Athetose
nnd Chorea besitzt.
Zar Erklärang der Paresen bei Läsionen des Sehhügels kann man allen«
falls eine refiektorische Bückenwirknng aaf die Binde and die Pyramidenbahn
nach dem Typns der retrograden Degeneration heranziehen.
Dr. TObben«Münster.
Znr Kenntnis dos Zeltsinnes bei der Korsakoffeohen HelstesstSrnng.
Von Dr. Adalbert Qregor. Ans der psychiatrisch•nenrologischen Klinik des
Qeh. Bates Prof. Dr. Pani Flechsig za Leipzig. Monatsschrift für Psychi¬
atrie and Nenrologie; Bd.XXIIT, Jaä 1908, H. 6.
Bei einem Korsakoff-Patienten, welcher grobe Störungen des dnrch
Erinnerangsvorstellnngen vermittelten Zeitbewaßtseins anfwies, worden exakte
Zeitsinnversache angestellt nnd zam Teil an zwei pathologischen Individuen,
die keine derartigen Störungen aafwiesen, sowie an einem normalen ladividaam
wiederholt. Der Vergleich der Befände des Verfassers am Korsakoff-Patienten
mH den Befanden an den erwähnten Vergleichspersonen, sowie mit den in
Betracht kommenden Literatarangaben über Untersachangen am Normalen
er|^b nachstehendes Besnltat: Bei der Vergleichong von leeren Intervallen
zeigte der Patient für die nntersnchten Zeitstrecken von 1—16 Sekunden eine
Tendenz zar Ueberschätznng der voraosgehenden Normalzeit.
Versuche über die Vergleichung aasgefüllter und leerer Intervalle
ergaben Fehlschätzangen, die in der Bicätang der von Menmann beim Nor¬
malen festgestellten Verhältnisse liegen nnd kleiner sind als die Schätsnngs«
fehler der Vergleichspersonen des Verfassers.
Die üntersuchang des indirekten Zeitarteils an Schätzungen von Zei^
strecken nach dem Maß der zam Lesen von Woitreihen verwendeten Anf-
merksamkeitsenergie ergab zam Teil konstante Fehlschätzangen, die nach den
Erfahrangen über die Aaffassnng ansgefüllter Intervalle zu deuten waren.
Soweit nach den Vorliegenden Angaben ein Vergleich mit dem Normalen mög¬
lich Ht, überschreitet die Größe der Schätznngsfehler der Korsakoff-
Patlenten nicht das normale Maß. Dr. Többen-Münster.
Ueber die ünterbrlngnng gemeingefährllcber Geisteskranker. Von
Oberarzt Dr.HönkemOller in Hildesheim. Dentsche med. Wochenschrift;
1908, Nr. 19, 20, 21.
Die Yon^rfe gegen die Irrenärzte wegen der relativ hänfigen Ent-
Ö12
Kleinere mtteiliiDgvn md Kefemte nm Zdteehriflea.
Weichlingen yon gemeingef&hrlichen QeistesknnkMi sind grOStenteile vngereeht-
fertigt. Die verbrecherischen Elemente bereiten den Psychiatern viel Last
und legen ihnen eine große Verantwortang anf. Die ^esetslichen Handhaben
gegen jene sind nngoeignet. Der preußische Hinisterial« Erlaß vom 15. Juni
1901 ist nur ein Notbehelf. Vor allem aber machen die anf Gmnd des § 51
des Str. O. B. exknlpierten Bechtsbrecher Schwierigkeit. Besonders in den An«
staken, welche das Material der großen Städte anfnehmen, hänfen sich die
„geisteskranken Verbrecherund „verbrecherischen Geisteskranken* enorm an.
Die zurzeit viel diskntierte Frage ist die, ob solche Elemente in die Irren¬
anstalt gehören. Hier stören sie den psychiatrischen Betrieb zweifellos oft
erheblich. Anderseits haben Zentralanstalten für die psychisch kranken Ver¬
brecher wieder große Schattenseiten, wie denn auch die Erfahrnngen mit
solchen Sonderanstalten in Amerika wenig ermutigend zu sein scheinen, ln
Deutschland hat man jetzt vielfach feste Abteilungen in den Irrenanstalten
eingerichtet; auch sie sind keine ideale Einrichtung (teurer Betrieb, schlechter
Einfluß auf das Wartepersonal, häufige Komplotte und Ausbrüche). Das Ideal
sieht M. in psychiatrischen Adnexen an Strafanstalten, die aber nicht wie jetzt
nur bis zu 6 Monaten aufnehmen dürften. Mit ihrer Einrichtung zu längerem
Aufenthalt würde auch die Ungerechtigkeit beseitigt, daß die in Irrenanstaltem
verbrachte Zeit nicht auf die Strafzeit angerechnet wird. Sie müßten so be¬
schaffen sein, daß die Kranken zweckmäßig verteilt und beschäftigt werden
könnten; ihre Zahl müßte beträchtlich vermehrt werden. Wie immer auch
die Anstalten für die verbrecherischen Irren beschaffen sein mögen, so müssen
sie jedenfalls die Forderung erfüllen, die Allgemeinheit vor jenen zu schützen.
Anderseits maß durch immer weitergehende Heranziehung psychiatrisch durch¬
gebildeter Aerzte dafür gesorgt werden, daß die Geisteskrankheit Krimineller
möglichst bald erkannt wird, und diese dann einer Anstalt angeführt werden.
Besonders brennend ist die Frage der Versorgung der „Minderwertigen*, für
die Anstalten geschaffen werden sollten, wo sie in nntzbringender .^beit ein
ruhiges, die Allgemeinheit nicht bedrohendes Leben führen könnten (z. B. in
Ackerbankolonien). Dr. Liebetrau-Hagen L W.
Bericht über den I?. psychiatrischen Fortbildungskars in Ucht-
springe. Ton Kreisarzt Dr. Friedel-Werni^gerode.
In äußerst anregender, alle Teilnehmer voll befriedigender Form verlief
der diesjährige vierte vom 4.—16. Mai abgehaltene psychiatrische Fortbildungs¬
kurs in Uchtspringe. Den Höhepunkt der Darbietu^en bildeten die täglich
2— 3 Stunden einnehmenden klinischen Vorträge und Krankenvorstellungen des
Direktors der Anstalt, Prof. Alt. Bei dem überreichen Material der Anstalt —
zurzeit befinden sich hier 1400 Kranke, von denen etwa 120 zur Vorstellung
gelangten — war es möglich, jede Form geistiger Erkrankung in jedem
Stadium zur Anschauung zu bekommen. Frische eben eingelieferte Psychosen
wechselten in der Vorführung mit den auf der Höhe der Krankheit befindlichen,
um schließlich in abklingenden, der Gesundung oder Verblödung zustrebenden
Formen den Teilnehmern am Kursus in wenigen Stunden ein eindmcksvoUes
Bild vom Verlauf wohl aller charakteristischen geistigen Erkrankungen zu
bieten. Ganz besonders fesselnd verstand Prof. A 11 die Vorführung und Be¬
sprechung der zahlreichen wegen Straftaten der Anstalt zur Feststellung des
Geisteszustandes im Sinne des § 51 des St. G. B. zugeführten Personen zu ge¬
stalten. Den hohen Wert exakter Stoffwechseluntersuchnngen zeigten daige
vorzüglich beeinflußte Fälle von Morb. Basedow. Staunen erregten die bei
Kretinismus erreichten Erfolge n. s. m. Gleich interessant und lehrreich waren
die Darbietungen in ihrer Mannigfaltigkeit für den praktischen Arzt, den
Nervenspezialisten, den Militärarzt und vor allem den Kreis- und Gerichtsaist.
Die frei bleibenden Stunden füllten praktische Arbeiten im chemische
Laboratorium über Stoffwechseluntersuchungen, Vorlesungen über denselben
Gegenstand und über Anatomie des Zentralnervensystems, Teilnahme an den
Visiten anf den ausgedehnten, nach modern hygienischen Grundsätzen ein¬
gerichteten Krankonstationen, Besuche der Kranken bei ihrer Beschäftigung
in den einzelnen Werkstätten (Schuhmacherei, Korbflechterei, Bttrstenfabrikation,
Malerei, Küche, Feldarbeit usw.), Besuche der schwachsinnigen Kinder beim
Schulunterricht, Vorführung der vorzüglichen B^ntgeneinririitung und dergL
Kleinere Mttteilnngen and Referate ans Zeiteohriften.
513
Zar InfonnatioB über die Handbabong der FamUienpflege, in der 840
Kraake der Anstalt antergebracht aind, waide das nahe gelegene Oardeiegen
beaneht
Auch für Biholnng nach der anstrengenden Tätigkeit war gut gesorgt,
so dafi jeder der 2 6 T eilnehmer mit der Uelmrsengang von üchtspringe schied,
sein Wissen erheblich erweitert nnd bereichert and sich dabm gut erholt
vsa haben.
O. SmehventAi&dli^Bt&tlgkelt ia Unfall' und InwaUdltAtmaohen.
Basedowsehe Krankheit], Akromegalie, Epilepsie and Unfall. Von
Dr. Kart Mendel. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Neurologie; Sd. XXIU,
Juni 19Ö8, Heft 6.
a. Aal der Orandlage einer neoropathischen Disposition vermag ein
Unfall die ersten Symptome der Basedowschen Krankheit anszolösen. Ein
bis dahin anscheinend gesandes, völlig arbeitsfähiges, doch nenropathiach ver*
anlagtes Individaam kann im Anschlaß an einen Unfall durch die subjektiven
Basedow-Symptome derartig belästigt worden, daß seine Arbeitsfähigkeit
darunter im hohen Maße leidet.
b. Betrachtet man die Akromegalie als Ausdruck eines Hypo¬
physistumors, so kann für den Zusammenhang des letzteren mit einem Unfall
das unter „Hirntumor und Trauma" Aasgeführte Anwendung finden.
c. 1. Eine „toxische" oder „infektiöse" Epilepsie (Alkohol-, Syphilis-
usw. Epilepsie) kann durch ein Trauma und im Anschlaß an dasselbe zum
Ausbruch kommen.
2. Nach Verletzung peripherischer Nerven kommt es zuweilen zu epilep¬
tischen Anfällen; letztere sind aber von der genuinen Epilepsie au trennen
und als „Reflex-Epilepsie" zu bezeichnen. Zur Erklärung des Auftretens dieser
Reflex-Epilepsie erscheint die Annahme einer bestimmten Prädisposition des
Individuums zur Erkrankung berechtigt. Die Reflex-Epilepsie kann späterhin
in eine genuine Epilepsie übergehen.
8. Ein Trauma kann Hystero-Epilepsie hervorrufen und anslOsen.
4. In der Aetiolog;ie der genuinen Epilepsie spielt das Trauma eine
gewisse Bolle. Zumeist wirken allerdings neben dem Trauma noch andere
Momente, insbesondere hereditäre Belastung, Alkohol, Bleivergiftung usw. mit,
um die Epilepsie zu erzeugen. In diesen Fällen ist anzunehmen, daß das
Trauma lediglich deshalb die Epilepsie hervorzurufen imstande war, weil es
ein bereits geschädigtes invalides Gehirn traf; oder aber das Trauma kann
vmgdcehrt me Disposition zur Epilepsie schaffen, eine „epileptische Verände¬
rung* oder „Spasmophilie" des Gehirns erzeugen, welche alsdann bei Hinzu-
treten neuer schädigender Momente zur Explosion führt.
Es gibt nun aber auch Fälle, in denen das Trauma als alleinige
Ursache des Leidens dasteht. In diesen Ausnahmefällen kann sehr wohl das
Trauma an sich durch das Zwischenglied einer chronischen Meningitis oder
eines anderen, das Gehirn treffenden und seine Reizbarkeit dauernd steigernden
Reizes die Epilepsie hervorgernfen haben; für die übrigen, lediglich traumati-
sdien Fälle, wo dieses organische Zwischenglied fehlt, ist die Annahme einer
gewissen angeborenen abnormen Veranlagung des Gehirns ein Postnlat, ohne
w^hes wir vorläufig noch nicht auskommen und dessen wir zur Erklärung
des überaus seltenen Vorkommens von Fällen rein traumatischer Epilepsie im
Vergleiche zu der Häufigkeit der Schädelverletzungen bedürfen.
5. Bei schon bestehender Epilepsie kann ein Trauma direkt einen Anfall
ansISsen, es kann ferner die Epilepsie verschlimmern, indem es die Häufigkeit
der Anfälle und ihre Intensität vermehrt, es kann schließlich noch bereits
jahrelang anhaltendem Aussetzen der Anfälle ein Wiederaufflackem des Leidens
bedingen. _ Dr. Tübben-Münster.
Beiträge inr Hdhlenblldnng im Rflckenmark (Syringomyelie) nach
Unfall. Von Sanitätsrat Dr. La quer in Frankfurt a. M. Aerztliche Sach¬
verständigen-Zeitung; 1908, Nr. 12.
Den Vortrag liegen drei eigene Fälle zugrunde. Einmal bildete eine
Verbrennung des Ellenbogengelenks, einmal ein Schnitt in der Baachgegend,
einmal eine schwere Knochen- und (ielenkverlctzung den Ausgangspunkt.
514
Kleinere IfitteUangen md Befemte nne Zrfta^iiften.
Die gegenwärtige wiBseneehnftiiche Anflusnng zwiidiw Trenn nnd
Syringomyelie ist folgende: Nneh Schlesinger sind zwei GmppM sn trennent
1. solche, bei denen des Trnama eintmt, d. h. die Mednlln spinelis ÜTe o^
longntn getroffen hat; 2. solche, in denen es periphere Organe getroffen hat.
Die zentral wirkenden Verletzungen bedingen häuffg eine Haematomydie bezw-.
Emeichnngsberde, die eine langgestreckte Form haben nnd die den Zentral*
kaw al umschließende Vemarbangen hinterlassen. Diese Fälle sind weniger
progredient als die anderen Fälle. Klinisch zeichnen sie sich am Anfang der
spinalen Störung durch einmi akuten traumatischen Läbmnngsznstand aus, der
sofort nach dem Trauma entsteht nnd sich dann teilweise znrllckbiidet.
Die spezielle Pathogenese der sich an ein peripheres Trauma anschlieftee*
den Fälle ist viel umstritten und noch wenig geklärt. Zwei Theorien stehen
im Vordergrund:
1. Aktiyierung einer seit langen Jahren vielleicht angeborenen Qlioee
des Zentralkanals durch Entzttndungserreger.
2. Aufsteigende Neuritis von den verletzten Stellen ans.
Nach H. Curschmann kann man nicht annehmen, daß in dnem völlig
gesunden, nach keiner Bichtung hin disponierten Bfidcenmark eine derartig
exogene, wenn auch noch so schwere Schädigung das typische Bild der Oliose
nnd Syringomyelie herbeiführen kann. Es muß für die traumatische Syringo*
myelie ebe kongenitale Anlage, ebe Hemmungsbildung im Bückenmark vor*
ansgesetzt werden. Schlesinger hat in der Hälfte seber Fälle Mißbildungen
im Zentralkanal gefunden. Die objektive Möglichkeit der traumatischen ]&t>
stehnng bezw. Auslosung eber Syringomyelie muß zugestanden werden.
Dr.Troeger-Kempen LP.
Seharlaeh nnd Trauma. Von Dr. Bernstein*Sensburg. Aeratliche
Sachverständigen‘Zeitung; 1908, Nr. 12.
Den 23 b der Literatur bekannten Fällen fügt B. einen neuen Fall
hbzo. Für die Begutachtung ist nach B. weniger Wert auf die Inkubations*
zeit zu legen, ab auf den Nachweb bestehender Erschebungen, die Merkmale
des traumatischen Scharlachs seb sollen: 1. Ansgang des Scharbdiezaathenu
von der verletzten Stelle; 2. unmittelbarer Debergang des Scharlachexanthems
auf den übrigen EOrper; 8. Auftreten des Exanthems vor anderen Symptomen
des Scharlachs. Dr. Troeger*Kempen LP.
Sind sogenannte rheumntbehe Besehwerden der Sehultergelenket
die während der Uospitalbehnndlnng wegen Dnfallverletzungen anderer
KSrperteile entstanden sind, nach dem Belehsnnfallverslehemng^esetz sn
entsohädigen{ Von Oberarzt Dr. Lanenstein b Hamburg. Soziale Medizm
und Hygiene; Bd. 111, Nr. 6.
Es handelte sich um eben 60 jährigen Mann, dem, während er saßy ein
schwerer ebemsr Maschbenteil auf den rechten Oberschenkel gefallen war
nnd ihm eben Bruch des Knochens etwa 12 cm unter dem großen BoUhügeL
sowie eine klaffende Wunde rechts vom After am Gefäß verursacht hatte.
Außerdem hatte der Verletzte eine ganz unbedeutende Hautverletzung hbter
dem rechten Ohr. Nach ungefähr drei Wochen kbgte er über Schmerzen b
beiden Schultern, die ab „rheumatbche Beschwerden b beiden Schultergelenken*
in dem Krankenblatt notiert waren nnd die sich bb zu seber Entiassnng aus
dem Krankenhaus hinzogen. Es blieben davon ebe Verstan(bnng des Ibkei
Schnltergelenks und ebe Atrophie der ganzen Scbultermusknbtur zurück, die
von dem Verletzten ab Folge des Unfalb angesehen wurden und deretwegea
er ebe Entschädigung beanspruchte. Es habe sich um ebe Verrenkung g^
handelt, das Eisenstück hätte höchstwahrscheinlich die Schulter getroffen. Der
Spezialarzt der Krankenkasse war b sebem Gutachten der Ansicht, daß es
sich um eine direkte Unfallfolge handele, ebe rheumatische Affektion sei aus¬
geschlossen. Das Gutachten des Schiedsgerichts trat dieser Auffassung nicht
beL Seber Ansicht nach könne der Eisenblock die linke Schulter nicht ge*
troffen haben, sonst müsse auch der linke Oberschenkel mit b Mitleidenschaft
gezogen seb. Dann habe der Verletzte ja Schmerzen b beiden Sdiulter.
gelenken gehabt. Es handele sich zweifellos um Bheumatbmus. Verfasser
mußte nun bei dem vom Verletzten ebgelegten Bekurs beim Beichsversiche-
Kleinere Mlttettnngen and Keferate ans Zetteehriften.
615
rongMint ein Obergutachten abgeben. Er trat der Auffaseang des Gatachteni
des Sehiedsgerichts bei, daß es sich hier am eine rheamatisohe Affektion handele.
Das Eisenstflck habe die linke Schalter gar nicht getroffen. Die Haatwande
hinter dem linken Ohr sei dadarch entstanden, daß der Verletste im Moment
der Yerletzong mit dem Kopfe irgendwo gegengeschlagen wbe. Aaßerdem
setai die Beschwerden erst nach 23 Tagen aafgetreten. Aber es handele sieh
hier nm indirekte Unfalifolgen. Es sei bei der Stellang der Betten onTer-
meadlich, daß beim Oeffhen der Loitklappen zwecks Emenerang der Loft die
kilte, Ton aoßen eintretende Luft zan&chst aaf das Gebiet des Krankensaales
wirke, wo der Kranke mit Kopf and Schalter liege. Hierdorch kbnne aber
Bheumatismos heryorgerafen werden, zomal in der kälteren Jahreszeit, wo die
Hospitäler immer geheizt seien. Vorher sei der Verletzte immer gesond ge¬
wesen ; es müsse deshalb der Bheamatismos als Folge der an sich hygienischen
and notwendigen Lttftong angesehen werden, oira somit als in^ekte ün-
fallfolge. _ Bpd.
n. Bnkteriologi«, lafSskttonnltrnBkbaltnn onA ßffM&tUohM
SnaltAtswennii.
Bakteriologie, Infektionskrankheiten nnd andere Krankheiten.
Ueber die Typknsdiagnose mit Hilfe Ton Blataossaat anf Gallenngar.
Von Dr. Stefansky-Odessa. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 26.
Verfasser hat Versache mit dem seinerzeit zuerst Ton Conrad!
empfohlenen and dann von Schüfiner verbesserten Verfahren (Blataossaat
aaf Gallenagar) gemacht; dabei hat er das Verfahren in seinem Sinne noch
etwas vereinfacht. Das Bosaltat war ein sehr günstiges. Von 23 ontersachten
Fällen worden in 19, d. h. 82**/o, Typhoskultaren enthalten; je frühzeitiger
die Blatentnahme erfolgte, desto hoher war das Verhältnis der positiven
Besaltate. Die Mehrzahl der Fälle worden in der zweiten Krankheitswoche
nntersacht. Aaf Grand seiner üntersachnngen empfiehlt er das Verfahren.
Bpd.
Ein Fall von Cholangltli nnd Cholecysttsls typhosa bei einer ebre-
niseben Bnzlllentrigerln. Von Dr. Max Schüller. Aas der 11. mediz.
in Wien. Wiener mediz. Wochenschrift; 1908, Nr. 2.
Die Infektion des Gallenblaseinbalts mit Typhasbakteriea während des
Typhös ist aaßorordentlich häufig; sie ist aber, wie Dürr experimentell fest-
steilen konnte, mit so leichten und vorübergehenden katarrhalischen Ersckei-
nnngen verbunden, daß sie klinisch kaum zum Ausdruck kommen kann. Scl^
tener treten schwere Entzündungen nnd Steinbildung auf. Eine Beihe von
Autoren hat aas cholezystitisch and cholelithiatis^ veränderten Gallenblasen
Typhosbazillen züchten können. Dörr hat durch Experimente nachgewiesen,
daß die Gallenblase auf dem Blutwege infiziert wird; hier können sieh
die Typhasbakterien jahrelang ungeschwächt erhalten. Sie gelangen von der
Gallenblase aus stets aufs Neue in den Darm, oft auch wieder ins Blut, so
daß gleichsam eine fast ununterbrochene Kette von Typhusrezidiven entstehen
kann. Becht häufig bilden die Bazillenträger die Ursache von Epidemien.
Es ist daher wünschenswert, daß alle an Gallensteinkolik leidenden Patienten
anf etwaige Typhusbazillen untersucht werden. Bei der Typhosbekämpfong
fan Sttdwesten des Deutschen Beichs ist es bereits Frosch gelangen, in dem
Stahl derartiger Patienten Typhusbazillen nachzuweisen.
Der Verfasser konnte ebenfalls bei einer Patientin, die seit mehreren
Jahren an heftigen mit Ikterus verbundenen, fieberhaften Gallensteinkoliken
IBt, aus dem ftahl Typhusbazillen züchten. Ihr Blutserum agglatinierte
Typhusbazillen in höherer Verdünnung. Die Frau hatte Typhus niät daroh-
gemacht, jedoch waren in ihrer nächsten Umgebung vor einer Beihe von
Jahren Typhnsfälle vorgekommen.
Chiari-Straßbarg, Hirsch-Freibarg und Forster-Straßbarg haben
auf der Naturforscberversammlung in Dresden im Jahre 1907 als einziges
Mittel, die Kranken bakterienfrei za machen, die Cholezystektomie empfohlen.
Dem Verfasser gelang es daroh ElektrargoUnjektionen die Patienten be¬
schwerdefrei za machen; ferner konnten nach den Injektionen aas dem Stahl
516
Kldoere IDtteilangea nnd Beferate mm Zeitaduiften.
TjphoBbaaiUeB nicht gezüchtet weiden. Ein nbechliefiendee Urteil behüt eioh
der Yerluser ror. (Anm. des Bel: Die BasUlenniiMcheidang bei den Be-
zUientrigem ist mitonter eue periodisch^ so daß in gewissen Zeiten, nach
bei idederholter Untersacbnng keine Bazillen im Stahl resp. Drin gefondew
werden; fernerhin kommt es Tor, daß das eine mal sehr zahlreiche Bazille«
and ^ andere mal sehr spärliche Bazillen aosgeschiede« werden, ln letzterem
FaUe können sich die Bazillen dem Nachweis entziebee. Bei dem obenge¬
nannten Kranken maß daher an diese Möglichkeiten gedacht werden, zomal
nach alle bisherigen Yersnche, die Typhosbazillen absutrttben, keia mnwand-
freies Besoltat ergeben haben.) Dr. Karpjaweit-Berlin.
Ueber den Nachweis ren TTphubazlllen !■ der ZerebresplnallllBi^
keit bei Tjphnsabdomlnalls. Von Stabsarzt Dr.A.Mieter, kommandiert
zom hygien. Institat Halle a.S. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 19.
Verfasser teilt eine Beobachtang mit, derzofolge onter anderem Typhas-
bazillen nach in der Zerebrospinalflüssigkeit gefonden worden. Im Anachlaane
hieran berichtet er noch über weitere derartige Fälle ans der Literator and
spricht sich dahin aas, daß die darch die Qainckesche Ponktion des Bückea-
marks gewonnene Zerebrospinalflüssigkeit in diagnostischer Hinsicht ein überaos
wertToUes üntersachongsmaterial erhalten wird. Es ist dadarch möglich, nicht
nor Taberkelbazillen, Meningokokken, sondern aach Typhasbazillen festzostellen,
was in einzelnen zweifelhaften Fällen Ton großem diagnostischen and hygieni¬
schen Werte sein dürfte. _ Dr. Waibel-Kempten.
Abdeminaltyphna mit rerspStetem Eintritt der AgglatfnatlonBreaktioa
und abnorm langer Dauer der Äikterlünie« Von Charlotte Müller-Zürich.
Medizinische Klinik; 1908 Nr. 26.
Verfasserin behandelte einen Fall aas der medizinischen Unirersitätsklinik
za Zürich, bei dem die Fieberperiode 82 Tap;e anhielt, die Agglatinations-
reaktion erst nach dem 42. Ta^e aoftrat and sich noch am 64. Tage Typhas¬
bazillen im Blate nachweisen ließen. Der Fall rerlief unter ziemlich schweren
Erseheinangen; es traten Darmblatnngen mit peritonitischen Erschdnangen
aal Verfasserin ist der Ansicht, daß die 8chwere des Falles, die lange Daaer
der Fieberperiode mit den beiden anderen Erscbeinongen eng zosammmen
hänge; das Fieber werde eben dordi die Anwesenheit der Bazulen im Blate
bedüis^ und sei gleichsam der klinische Aosdrack der Bakteriämie. Das lange
Fehlen der Agglatinationsreaktion sei in der langsamen and mangelhafte
BUdung von agglatinierenden Substanzen seitens des infizierten Organismos zu
suchen; darin Hege die lange Danar der Bakteriämie, die ihrerseits wieder die
lange Fieberperiode beding habe. Verfasserin zieht daraas den Schloß,
daß frühzeitig und kräftig einsetzende Agglatinationsreaktion einen gün¬
stigeren und schnelleren Verlauf erwarten lasse, als verspätet einsetzende
Agglatination. Bpd.
Ueber das Verkommen ron Typhasbazillen Im Blnte von nicht
typhaskranken Personen. Von Med.-Bat Prot Dr. Otto Basse. Münchner
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 21.
Nach Beobachtungen des Verfassers, welche er im Verlaofe des letzten
Jahres in Posen gemacht hat, kann kein Zweifel bestehen, daß die Typhas¬
bazillen aach bei Kranken Vorkommen, die nicht an Typhös leiden. So wurdmi
Typhasbazillen gefunden bei 2 Fraaen, welche unter Typhosverdacht in das
Krankenhaos eingelicfert worden, bei denen infolge des kaltarellen Nachweises
von Typhasbazillen aas dem Blate die Diagnose »Typhös“ gesichert schien,
bei denen die Sektion aber hinterher eine Miliartaberkiüose als Haaptkruikheit
and Todesursache festgestellt hat. In einem dritten Falle wurde bei einer
seit Monaten in Anstalten behandelten Schwindsüchtigen, bei der auch nicht
der leiseste Typhosverdacht bestand and die auch wähmid der 7 Monate
sicher nicht an Typhus gelitten hat, andauernd im Blate kreisende Typhns-
baaillen gefunden. Ferner worden fast gleichzeitig Typhasbazillen aas dem
Blate eines an typischer gonainer Pneamonie erkrankten Mannes gezüchti^.
Die mitgeteilten and aasführlich beschriebenen vier Fälle haben das gemra-
Kleinere Mitteilnngen and Befemte aas Zeitsehriften.
517
BUM« dnB bei 4 u eohireren Infektionekrankbeiten, aber nicht an Tjpbns
dMominalie leidenden Kranken Tjphasbasillen im Blute enthalten und daraua
geatlchtet worden sind.
Dieae Fälle werden sicher nicht ▼ereinzelt bleiben. Ea ist gewiß in
vieler Beziehung bedauerlich, daß auch der Nachweis der Typhusbazillen im
Kute diese zunächst untrttglich erscheinende Methode zur Feststellung der
Diagnose die auf sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt, sondern sich auch
wie schon viele andere ab unzuverlässig erweist und gerade in schwierigen
Fällen im Stiche läßt, bezw. an Fehldiaraosen Veranlassung gibt. Sowohl der
Kliniker, der behandeinde Arzt am Krankenbette, ab auch ganz besonders der
zur Seuchenbekämpfung in erster Linie berufene Amtsarzt wird künftighin,
wenn er anders vor vielieicbt folgenschweren Irrtümern bewahrt bleiben will,
damit redmen müssen, daß bei bestehendem selbst dringendem Typhusverdacht
der Nachweb von T^husbazillen im Blute keine sichere Gewähr dafür bietet,
daß tatsäcUich ein Fall von Typhus abdominalb vorliegt.
_ Dr. Waibel-Kempten.
Ueber Mlachlnfektlonen bei Typhus nbdeminnlis. Von Dr. F. Port-
Oöttiagtt. Deutsche Med. Wochenschrift; 1908, Nr. 18.
P. stellt zunächst aus der Literatur die mit anderen Infektionen kompli-
aieiten Typhnsfälle zusammen Während hiernach Mbchinfektionen Verhältnis»
mäßig sdten zu sein scheinen, konnte Verfasser im Stadtkrankenhause su
Chemnitz unter 6 tödlich verlaufenen von 33 Typhusfällen 4 ab Mbchinfektionen
durch Blutkultur erweben. Er glaubt, daß bei größerer Aufmerksamkeit auf
die vorliegende Frage, die nicht nur wbsenschiStliches, sondern wegen der
zumebt scbiechten Prognose der komplizierten Fälle auch praktbches Interesse
beansprucht, noch häuffger Mbchinfektionen werden eruiert werden. Wegen
der bakteriziden Wirkung der Galle auf Diplococcus lanceolatus und Strepto*
eoccus mucosus hält er neben dem Anreicherungs-Verfahren noch Conradi-
Kaiser-Kultur auf Agarblutpbtten (nach Schottmüller) oder Anreiche¬
rung in Bouillon (nach Castellani) für notwendig, ln den vier Fällen
Ports fanden sich neben TyphnsbazUlon je einmal Diplokokken bezw. Coli-
bnsUlen, zweimal Stapbylococ^ pyogenes aureus
Dr. Liebetrau-Hagen L W.
Zur Hetntyphusfrage. Von Stabsarzt Dr. N i e t e r, früher kommandiert
zum Hygienbchen Institut in Halle a. S. Münchener me^zin. Wochenschrift;
1908, Nr. 17.
Bekanntlich hat Mandelbaum eine besondere Spezies der Typhus-
baaillea unter dem Namen Bacterium bezw. Bacillus metatyphi unterschieden.
Verfasser hat auf Anregung seines Cbeb, des Geh. Med.-Bats Prof.
Dr. C. Fraenkel, eine Nachprüfung der von Mandelbaum gemachten Be¬
obachtungen vorgenommen und faßt das Besultat seiner Untersuchungen dahin
xoBammen, daß die gefundenen Unterschiede zwbchen Typhus- und Metatyphus-
bazillen höchstwahrscheinlich durch eine Zersetzung des Glyzerins bedingt
sind. Dafür spricht, daß auf gewöhnlichen Blutagarplatten gar keine Unter¬
schiede sich bemerkbar machen, dagegen wohl aber mit Glyzerinznsatz sehr
deutlich zutage treten. Auch die übrigen von M. angegebenen Differenzen
der beiden Typhusbazillenarten waren stets nur auf den mit Glyzerin ver¬
setzten Nährböden zu beobachten. Ob diese Unterschiede in der Zersetzung
des Glyzerins und zu einer Trennung der Typhusbazillen im Sinne Mandel¬
baums berechtigen, scheint dem Verfasser vorderhand insbesondere nach dem
Ausfall der serodiagnostischen Versuche noch nicht mit Sicherheit zu erscheinen.
_ Dr. Waibel-Kempten.
Ueber eine bakteriologisch interessante Eigenschaft des Lezithins.
Vorläufige Mitteilung von Oberstabsarzt z. D. Dr. B. Bassenge-Berlin.
Deutsche Med. Wochenschrift; 1908, Nr. 4.
Verfasser konstatierte bei Versuchen mit Typhus-Toxin eine bakteriolyti-
sehe Wirkung von Lezithin-Emulsion auf TyphusbazUlen, die bei 1 prozentiger
Emulsion intensiv, bei l^/ooiger bedeutend geringer, aber noch deutlich war.
Es gelang aber nicht, mit diesen Emulsionen allein Tiere gegen Typhus zu
518 Kleinen Mitteilungen nnd Befernte ans Zeitsehriften.
immunbierea. D^egen wurde darch Abschwemmang ron 24 ständigen
Agar-Koltoren ein znr Immonisierong ron Meerschweinchen branchbaree Toxin
gewonnen. Weitere Versache sollen die praktische Verwendbaiheit des lieai-
thina xor Herstellong eines TTphostoxins feststellen.
Dr. Liebetraii-Hi^;en L W.
Schadenenatspflleht einer Stadtgemeinde in England beim Ansbmeh
einer Typhnsepidemie in einer Wasserheilanstalt nach Eintritt ren Ab-
wisser ln die Wasserleitung. Pablic bealth; XXl, Nr. 2, April 1906.
Der Prozeß, der sich vor dem englischen Hohen Gerichtshöfe *) im Januar
1908 abspielte, dauerte 11 Tage.
Das Wasser, auf welches die Typhnsepidemie, die im Frühjahr 1906 in
einer Wasserheilanstalt zu MalTem auf trat, zurOcbgeführt wurde, stammte aus
einer unbekannten Quelle der benachbarten Hügel, lief dann zu einem Brunnen
nnd wurde ron diesem in Böhren nach dem Eigentum des Klägers geleitet.
Der Brunnen, früher in Benutzung des Klägers und seiner Vorfahren, war ron
der Stadtbehörde erworben worden, die dann die Versorgung der Wasser*
heilanstalt mit diesem Wasser aufgehoben batte. Trotzdem war die Anstalt
von 1902 bis 1905 weiter damit versorgt worden. Am 6. Hai 1905, nachdem
19 Typhusfälle in der Anstalt aufgetreten waren, wurde der Nachweis der
Verunreinigung des Wassers durch Schmutzwässer geliefert. Der Wassergenuft
wurde verboten; neue Fälle treten nicht auf.
Aus der Beweisaufnahme ergab sich, daß die Anstalt sauber, daß Bäder,
Klosetts in gutem Zustande waren. Als Sachverständige waren Professor
W. B. Smith, Leiter des Instituts für öffentliche Gesundheitspflege in London,
Dr. J. Hc. Munn und Dr. Thresh, Grafschaftsmedizinalbeamter für Essex ge¬
laden. Sie sprachen sich über die Aetiologie des Typhus, über Wasscrinfektionen,
die Häufigkeit von Kanalgasinfektionen, das Vorkommen von Ptomainverg^tunges
und ihren Zusammenhang mit Typhus aus. Die Geschworenen gaben zu, daß
der Kläger weder Besitzer der in Frage stehenden Wasserversorgung, noch zu
ihrer Benutzung besonders ermächtigt sei, daß die Beklagten aber sich inso¬
fern der Nachlässigkeit schuldig gemacht hätten, als sie den Austritt
von Abwasser ans den städtischen Böhren duldeten, daß ferner der
Kläger nicht auch nachlässig gehandelt habe, daß schließlich die Epidemie
bloß auf dem Austritt der Abwässer beruhte und daß der Kläger prophy¬
laktisch nichts dagegen habe tun können. Die Stadt wurde zu £ 7500 Schaden¬
ersatz verurteilt. Dr. Mayer-Simmera.
Cholera- oder Pseudoeholeravibrionen ln den Austern nnd Hles-
mnseheln in Konstantinopel. Von 0. Bemlinger nnd Osman Nouri In¬
stitut imperial de baktöriologie ä Constantinople. Comptes rendns de la soc.
de biol.; LXIV, 1908, Nr. 12.
Bemlinger hat bereits 1902 auf die großen Gefahren hingewiesen,
die die am goldenen Horn und am Bosporus gesammelten Austern für die
Typhusverbreitung zur Folge haben können. Diese Arbeit hat ihm die
schwersten Unannehmlichkeiten zogezogon. Umgekehrt kam im Fanuar 1908
bei dar kleinen Choleraepidemie, die in Konstantinopel herrschte, die öffent¬
liche Meinung dahin, zu glauben, Austern nnd Miesmuscheln seien die Träger
der Keime. Die Autoren wurden offiziell mit der Prüfung der Frage beauf¬
tragt. Sie fanden: In Austern und Miesmuscheln können Keime enthalten
sein, die den Choleravibrionen aufs nächste verwandt sind. Sie sind wahr¬
scheinlich die Ursache der nach dem Genuß solcher Mollusken auftretenden
Choleradiarrhoen. Austern und Miesmuscheln wären auch gegebenenfalls vor¬
zügliche Träger für den Choleraerreger; daher die Gefahr ihres Genusses in
Bpidemiezeiten. Dr. Mayer-Simmem.
Ceber Pyozyanosebehandlnng der Diphtherie. Von Oberarzt Dr.
Bichard Mühsam-Berlin. Deutsche Med. Wochenschrift; 1908, Nr. 6.
Auf Grund seiner im städtischen Krankenhauso Moabit gesanunelten Er¬
fahrungen empfiehlt M. die zuerst von Emmerich und LOw aufgenommene
*) VergL Zeitschrift für Medizinalbeamte; 1905, S. 609.
Kleinere Mitteilnngen nnd Referate aue Zelteehriften.
519
Lokalbehaadloag der Diphtherie mit Pyozyaaose, dem in PyoeyaBetukoltniea
eathaitenen, anä auf Diphtheiiebaniliea bskteriologieeh wirkenden Enaym, das
V. a. Toa Zehie auch zor Anwendung bei Qenicketarrebazilientrigern empfohlen
wird, aber nur in Verbindong mit der bewährten Diphtherieserumbehandlong.
Dae Mittel, welohee in Dosen Ton 2 ccm häofiger in den Bachen bezw. in die
Haae eingeaprayt wird, scheint die Anflbsong der Belage zu beschleonigen und
ghnstig an! daa Aligemeinbefiaden za wirken.
Dr. Liebetraa>Hagen i. W.
Ueher Marpmanna Seharlaohaemm and aelae Aaweadnng. Von Prof.
Monti in Wien. Allgemeine Wiener med. Zeitung; 1908, Nr. 2.
Weifibeck fand im Blut von Scharlachrekonvaleszenten Schatzstoffe,
die bei andern Scharlachkranken angewendet, die Infektion gtknstig beeinfluSten.
Marpmann erhielt durch Injektionen mit Blut, mit einer Aufschwemmung
von Hautschuppen und mit Harn von Scharlaohkranken bd Tieren eine Er¬
krankung, die meistens zum Tode führte. Die wenigen überlebenden Tiere
wurden stets von heftigen Fieberanfällen befallen. Daa Serum der ge>
Btorbenen Tiere war wiederum toxisch für andere Tiere.
Marpmann infizierte dann mit geschwächtem Gift die Tiere, aodafi sie
am Leben blieben und nur schwache Fieberanfälle auftraten; er steigerte,
allmählich die Dosis. Ans dem Blut der Tiere gewann er dann ein Serum,
daa zu 8—10 Tropfen in Wasser drei mal am Tage resp. zweistündlich an die
Scharlachkranken verabreicht wird und zwar solange bis die Temperatur normal
ist und die Kinder keine Krankheitserscbeinungen darbieten. Nebenerschei^
nungen, wie Hautansschläge, Verdauangsstörungen etc. treten nicht auf. Das
Serum hält sieh bei kühler Aufbewahrung in einer braunen Flasche über
ein Jahr.
Im Gegensatz zu dem Moserschen Serum, welches ein Streptokokken-
serom ist und von zahlreiohen Autoren bezüglich seiner Wirksamkeit un¬
günstig beurteilt wird, hat der Verfasser mit dem Marpmann-Serum in
einer Reihe von Fällen gute Erfolge erzielt. Er wandte es bei 67 Fällen
von Scharlach an, hiervon genasen 62 nnd 6 endigten letaL
In 200 Beobachtungen wurde das Serum prophylaktisch angewendet;
von diesen Personen erkrankten nur zwei an Scharlacn.
Da die Anwendung des Serams unschädlich ist, empfiehlt der Verfasser
das Verfahren, zumal die bisherigen Erfahrungen günstig lauten. Ein sicheres
Urteil über den Wert des Serums ist aber, seiner Meinung nach, bei der
geringen Zahl der Erfahrungen nicht möglich.
Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Ueher eine sommerliche Jnekepldemle, bedingt durch Leptus autum-
ualis* Von Privatdozent Dr. Frh. v. Notthaft in München. Münchener
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 16.
Seit einigen Jahren tritt in den Vororten und an der Peripherie Münchens
im Sommer eine besondere Krankheit auf, welche geradezu epidemisch grassiert,
vor allem Kinder, aber auch gelegentlich Erwachsene befällt, sehr hartnäckig
ist, außerordentlich heftiges Jacken erzeugt, der gewöhnlichen Skabiee- und
Ekzemtherapie trotzt, in der Mehrzahl der Fälle aber im Winter und Herbst
von selbst heilt.
Verfasser hatte in den letzten Jahren reichlich Gelegenheit diese Krank¬
heit zu beobachten und fand als einheitliche Ursache die Anwesenheit eines
kleinen Insekts, des Leptus autumnalis, einer Larve von 0,25—0,3 mm Länge,
0,25 bis 0,2 mm Breite. Die Milbe sieht rötlich aus und einem Blutkrüstchen
täuschend ähnlich; sie wird hauptsächlich im Juli und August, vereinzelt auch
im Mai und Juni oder Oktober beobachtet.
Das erste, was die Milbe auf der Haut auslöst, ist ein starkes Jacken;
das Tier scheint in der Regel nicht lange auf dem Menschen zu bleiben und
sieh auch nicht in der Wäsche und in den Betten zu halten. Eine Ueber-
tragung von Person zu Person findet für gewöhnlich sicher nicht statt. Die
Tiere wohnen in großen Mengen auf Getreidearten und anderen Gräsern,
Stachelbeeren und Hollundersträucben, auf Leguminosen und auf der Erde
520
Kleinere Hitteilnngen and Befemte «ob Zeitsehiifteo.
(oft io gansen Klampen). Prophylaktisch empfiehlt sich deshalb das Mmden
yon Qarten and Feld, was aber aas hygienischen and somalen Grttnden on-
darchffihrbar erscheint. Es genttgt schon meistens, wenn man die Kiader ein
paar Tage zu Ehtase läßt. _ Dr. Waibel-Kempten.
Ueber trlehozephalische Enteritis. Ton Dr. Gh. Oarise, Assistenz¬
arzt in Lyon. Allg. Wiener med. Zeitang; 1908, Nr. 17 and 18. (Le Progräs
m6d.; 1908, Nr. 11).
Bisher sind, wie der Verfasser angibt, nur 17 Fälle yon Trichocephalos-
Enteritis yeröffentlicht, und zwar weil die mikroskopische Untersachang der
Fäkalien vernachlässigt wird, oder weil die Enteritis mit der gewöhnlich yor-
kommenden, z. B. mit der taoerkolösen Form, yerwechselt wird. Becht häafig
treten neben den Darchfällen aach Anämie and neryOse StOmngen aaf. Am
meisten werden Kinder yon der Erkrankung betrofien. Die Hanptsymptome
sind: Diarrhöe, Koliken, Erbrechen and Temperatarsteigerang. Häafig findet
man Blut in den Stttblen. Das wichtigste Kennzeichen der Diarrhoe Ist, daß
Opium und Wismut ganz yersagen. Die Diarrhoe hat ihre Ursache in der
Beizong der Schleimhant durch die Parasiten und in einer refiektorisch ge¬
steigerten Sekretion der Schleimhaut. Neben den an Intensität sehr wechseui-
den Koliken besteht eioe gewisse Schmerzhaftigkeit des Coecams. Dieser
Schmerz kann eine Appendicitis yortäuschen. Die Schmerzen sind wahrschein¬
lich durch eine peritoneale Beizung bedingt. Das Erbrechen ist scheinbar
reflekto^ch auf die Beizung der Darmschleimhaut durch den Trichocephalas
zorttc^uftthren. Im Erbrochenen ist oft Blut oder Qalle enthalten. Toa-
peratorsteigerungen erfolgen bis 40” C. und halten mitanter 2 bis 8 Tage
an; sie können auf peritonitische Beizungen, anf toxische Produkte der Para¬
siten oder andere Ursachen zurttckgeftthrt werden. Uitnnter treten Schwindel
and Delirien auf.
Die Enteritis kann Jahre lang dauern und in ihrer Intensität sehr
schwanken; mitunter schließt sich an die Krankheit ein Typhös oder eine
Appendicitis an.
Die Behandlung besteht in der Anwendong yon TbymoL Durch drei
Tage nimmt der Kraime bei nüchternem Magen in Zwischenpaosen yon einer
Stunde je 1 g yon pulyerisiertem Thymol. Es darf nichts anderes als Wasser
getranken werden. Alkohol, Chloroform und Aether bringen Thymol zur
Lösung und können eine Vergiftung herbeiführen.
Zum Schloß gibt der Verfasser eine kurze Uebersioht der bishm yer-
öffentlichten Fälle, welche seine Ausführungen ergänzen.
Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Anohylostomlasls. Von Dott. Calogero, Valenti. D. Bamazzini; 1907,
Fasbikel 12.
Verfasser berichtet zunächst aus seiner Beobachtung über einige Fälle
yon Warmkrankheit, die besonders durch schwere Neryensymptome gekenn¬
zeichnet waren (pseudo • epileptische Krämpfe, starke Nachtschweiße, Sprach¬
störungen, Tic nervosum der rechten Schulter). Daß es sich in allen Fällen
um wirkliche Folgeerscheinungen der Anchylostomiasis handelte, ging darau
heryor, daß schon nach der ersten Qabe yon Filix mas bei allen Kranken die
besprochenen Symptome schwanden.
Des weiteren bemerkt Verfasser, daß die Wannkranken nach seiner
Erfahrung höchst selten an Hämorrhagien leiden; er hat unter yielen Wurm¬
kranken nur drei solche Fälle beobachten können (blutiger Stuhl, Nasenblutra
oder Purpura hämorrhagica). Auch ist die Tatsache bemerkenswert, daß die
Kranken, sobald sie yon ihren Leiden befreit sind, schnell die alte Kraft wieder-
orlangen; man muß hieraus schließen, daß es nicht die Anämie ist, die die
Schwäche der Warmkranken yerursacbt, sondern die Toxine, die yon den
Würmern aasgeschieden werden.
Besonders hat Verfasser seine Aufmerksamkeit auf die Prädisposition
zur Wurmkrankhoit gelenkt, die nach seiner Ansicht erworben, nicht angeboren
ist. Die begünstigenden Momente für die Infektion sind hohe Temperatur,
verbanden mit Feuchtigkeit, Verunreinigung der Grubenluft durch CO COi,
H a SO 4, H a SO s und ungenügende Ernährung der Arbeiter. Alle die Personen,
BeRpreebnngen.
621
die BolebeB Sch&dlichkeiten besonders ansgesetzt sind, so die Häaer, erkranken,
wie die Beobacbtnngen ergeben, häufiger an Ancbylostomiasis als z. B. die
Karrenzieber, welche mehr Gelegenheit haben ans Tageslicht za kommen. Auch
ist niemals beobachtet, daß die an der Qrabenarbeit nicht beteiligten Mit¬
glieder der Familie eines wurmkranken Arbeiters, wiewohl die Gelegenheit zur
Oebertragung hinreichend gegeben ist, an Ancbylostomiasis erkranken. Schlie߬
lich spricht ittr die aufgestellte Behauptung die Tatsache, daß manche Wurm-
kranke, wenn sie in eine immune, hygienisch günstige andere Grube übergehen,
Ton ihrer Krankheit befreit werden, ohne dt^ irgendeine spezifische Kur ge¬
braucht wurde. Der Mensch ist der Infektionsträger also nur da, wo die
Bergwerke für die Entwicklung des Wurms geeignet sind.
Diese Beobachtungen führen zu den prophylaktischen Maßnahmen. In
erster Linie ist die Lüftung der Grube, in zweiter die Beseitigung des Wassers
aus den Gruben in Betracht zu ziehen. Der niüie liegende Gedanke der Gruben¬
desinfektion bat trotz aller Versuche eine praktische Bedeutung nicht ge¬
winnen können, da wirkliche Erfolge nicht zu erzielen gewesen sind und
höchstens eine oberflächliche Desinfektion stattfindet (am besten noch mit SOt).
Dagegen ist die Beseitigung der Fäkalien von größter Bedeutung; dem Verfasser
erscheint es am zwechmäßigsten, in der Grube Gräben aufzuwerfen, in die die
Fäces abgesetzt werden, um von Zeit zu Zeit mit Aetzkalk bestreut zu werden.
Dazu würde noch die Sorge für die Erziehung zur Beinlichkeit, Bereitstellung
guten Trink- und Waschwassers und dergl. kommen. Als letztes, nicht ge¬
ringstes Mittel, kommt die Behandlung der Kranken in Betracht, die nicht
nur eine rein ärztliche Maßnahme im Interesse der Kranken selbst, sondern
auch eine hygienische für das Gesamtwohl ist. Um aber solche verschiedenen
Maßnahmen zur Durchführung zu bringen und zu überwachen, sind Gesund-
heitsinspektoren unentbehrlich. _ Dr. 8olbrig-Allenstein.
Zur Kasuistik der Serambehandiung der Schlangenbisse. Von Dr.
Hermann Körbel, Stadt- und Spitalarzt in Bihac. Wiener mediz. Wochen¬
schrift; 1908, Nr. 8.
Von Calmette ist durch Immunisierung von Pferden mit Koldagist
ein antitozischer Serum hergestellt, welches der Verfasser bei Bissen von
Schlangen, die in Bosnien und Herzegowina recht häufig Vorkommen, regel¬
mäßig mit gutem Erfolg angewandt hat.
Der Verfasser gibt in Kürze 7 Beobachtungen wieder, bei allen waren
unmittelbar nach dem BIß Erbrechen, Unruhe, ausgedehnte Sugillatlonen und
Schwellungen oberhalb der Abbindungsstelle, Blasenbildungen an den Gliedern,
allgemeine Prostration lud Nekrosen aufgetreten. Es wurden jedes mal
10 ccm des Calmette sehen Serums injiziert und dadurch selbst noch
46 Stunden nach dem Biß die Giftwirkung aufgehoben. Ueble Folgen traten
auch den Injektionen nicht auf. Das Serum wird von dem Institut Pasteur
in Lille in kristallinischer Form geliefert und muß vor der Anwendung in
heißem Wasser gelöst werden. Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Besprechungen.
Ihr. J. Helsner- Berlin; Internationale Xlebernloht Aber Gewerbe-
hxglene nach den Berichten der Gewerbe-Inspektionen der
KnltnrlAnder. Nr. 1 der Bibliothek für soziale Medizin, Hygiene und
Medizinalstatistik und die Grenzgebiete von Volkswirtschaft, Medizin und
Technik. Herausgegeben von Dr. Lennhoff. Berlin 1907. Gr. 8", 852 S.
Preis: 10,50 Maik.
Verfasser hat das in den Berichten der Gewerbeinspektionen des Deut¬
schen Reiches, Oesterreichs, der Schweiz, Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens,
der Niederlande und Vereinigten Staaten von Nordamerika zerstreute Material
S Bsammelt und systematisch geordnet. Er bespricht zunächst die beobachteten
ewerbekrankheiten, die Häufigkeit ihres Vorkommens und die dagegen ge¬
troffenen Schatzmaßregeln; dann die sanitären Verhältnisse der Arbeite- und
Unterknnftsräume, ferner die Wohlfahrtseinrichtungen. Man gewinnt dadurch
522
BegprechangeiL
ebien kleinen Ueberblick ttber die auf dem Oebiete der Oewerbehygiene g»>
sammelten Erfabrnngen sowie Ober die gewerbebyglenischen Einricbtnngea
new. in anderen Ländern, die den meisten sonst nicht zagängÜoh sind. An der
Hand des Baches, dessen Wert als Nachschlagewerk durch ein sorgfältig
aasgearbeitetes Sachregister erhöht ist, können wir onsere eigenen MaßnaJunmi
kontrollieren and veroessem, and werden vielleicht auch auf Schädigongen,
die ans vorher nicht bekannt waren, aafmerksam gemacht. Bpd.
Prot S. Olur. NoMbaum, Hannover: Die Hygiene des Wohnongs-
vesens. Mit 20 Abbildongen. Leipzig 1907. (i. J. Göschen sehe Verlags¬
handlang. Taschenformat; 104 S. Preis: geh. 0,80 M.
Während im ersten Abschnitt die Bestrebungen, allgemeine Mängel des
Wehnwesens za beseitigen und zweckmäßige Wohnungen zu schaffen, zn-
sammengefaßt werden, enthalten die 4 folgenden Kapitel Verbesserungsvor-
Schläge för die Grundplangestaltungen and den Schatz des Hauses gegen
Feuchtigkeit, hohe und niedere Wärmegrade und Geräusch. Die beiden letzten
Abschnitte besprechen die Innengestaltung der Wohnungen nebst ihrem Komfort,
Lüftung, Heizung und Beleuchtung. Vornehmes, bürgerliches und bescheidenes
Haus werden in gleicher Weise berücksichtigt, überall in Anlehnung an die
Ansprüche der wissenschaftlichen Hygiene.
Fach- und Privatmann, Studierende des Baufachs und der Hygiene,
Medizinal- und Verwaltungsbeamte werden das Schriftchen mit Vorteil lesen.
Dr. Boepke-Melsangen.
Geh. Med.-Bat Dr. Kensgen, Kreisarzt in Siegen: Anleitung nnr Dee-
Infektion. Für den Unterricht der Mitglieder von Sanitätskolonnen.
Berlin 1908. Verlag von Bichard SchOtz.
Als einen Auszug seines bekannten Leitfadens für Desinfektoren bat
Hensgen zum Gebrauch für die als Desinfektoren auszabildenden Mitglieder
von Sanitätskolonnen eine neae Anleitung zur Desinfektion herausgegeben,
welche im allgemeinen Teil einen Ueberblick über die wichtigsten, Mensebea-
pathogenen Mikroorganismen und die Art und Weise, in welcher die gebräuch¬
lichen Desinfektionsmittel, trockene Hitze, Wasserdampf und chemische Dee-
infizientien wirken, und eine Anleitung zur Herstellung desinfizierender Lösungen,
im speziellen Teil genaue Anweisungen zur Körper- und Händedesinfektion,
sowie zur Desinfektion von Wohnräumen und Gebrauchsgegenst&nden enthält.
Ein besonderes Kapitel ist der Formalindesinfektion gewidmet. Die knappe,
aber doch erschöpfende Darstellung des Stoffes empfiehlt das Büchlein alz
wertvollen Ratgeber für Lehrer und Schüler der Desinfektionsmethoden.
Dr. Lentz-Berlin.
Dr. Frits Kimtnln, Kreisarzt des Stadtkreises Stettin-Ost und Vorsteher
des Königl. Medizinal-Untersuchungsamtes in Stettin: Deltfiaden für Dnn-
Infektoren ln Frage und Antwort. Vierte vollständig luageänderte
und vermehrte Auflage. Berlin 1908. Verlag von Julius Springer.
Die neue Auflage des bekannten Leitfadens Kirsteins ist durch die
Ausführungsbestimmungen vom 15. September 1906 zum preußischen Gesetz,
betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, und die Bekanntmachung
des Reichskanzlers, betreffend Desinfektionsanweisungen für gemeingefährliche
Krankheiten, vom 11. April 1907 veranlaßt worden, die in ihr weitestgehende
Berücksichtigung finden. Außerdem ist das Büchlein um ein neues Kapitel
über die fortlaufende Desinfektion am Krankenbett erweitert worden. In einem
Anhänge sind Anweisungen über Entnahme und Einsendung von typhus-, ruhr-
und tuberkulöse verdächtigem Material zur bakteriologischen Untersuchung, sowie
zur Entnahme von Wasserproben zur bakteriologischen und chemischen ünter-
suchung enthalten.
Im übrigen ist die altbewährte Form der Anordnung des behandelten
Stoffes die gleiche wie in den früheren Auflagen, denen sich die vorliegende
würdig anreiht Dr. L e n t z - Berlin.
Beeprechnngen.
688
Sr. Orlowskl* Berlin: Die Bebendlong der aonorrhoe des Meanee.
Wttrzbnrg 1908. A. Stabers Verlag, K. 8**, 112 S. Preis 2,50 AL
Qedrftagte, kritische Darstellung der Qonorrboebehandlang nach ihren
Grondlagen and der Aasttbang, die sich für den Praktiker am meisten empfiehlt.
_ Dr. Boepke-lCelsnngen.
Br. Orlowakl* Berlin: Die Gtosohleolitssolivftolie. Wttrsbarg 1908.
A. Stabers Verlag. K. 8% 85 8. Preis 0,90 M.
Das laienrerstindlich dargesteilte Schriftchen soll and wird, wofern es
in die rechten Hände kommt, Aofklärang nach der Bichtang bin rerbreiten,
daß die nnfflflcklichen Träger des Leidens nicht auf jede marktschreierische
Beklame and jede gewissenlose Ansnatzong hineinfallen.
_ Dr. B 0 e p k e - Helsangen.
Vro£ Dr. L. Jnllieii, Chirurg an Saint-Lazare: Seltene and weniger
bekennte Trlpperformen. Wien und Leipzig 1907. Verlag Ton Allred
Holder. Gr. 8**, 84 8. Preis 2,60 AI.
Die Ton Dr. G. Herzbach-Berlin übersetzte Schrift bietet in den
Kapiteln über abweichende — anorektale, baocale, nasale — Tripperformen,
Ober Gonorrhoe bei kleinen Knaben and Alädchen, über tripperähnliche Er«
krankongen und über tötlich yerlaafende Trippererkrankongen auch für den
Hedizinidbeamten, namentlich in seiner Eigenschaft als Gerichtsarst, manches
Interessante und Wissenswerte. Dr. Boepke>Melaangen.
Der Alkoholismon, sein« Wirkung und nelne BekAmpfuig. Heraus«
gegeben rom Zentralrerband zur fiekampfang des Alkoholismos. Vierter Teil
(neue Folge). Berlin 1908. Deatscher Verlag für Volks Wohlfahrt. 224 Seiten,
Preis: l,w Hark.
Die von dem Zentralyerband zur Bekämpfang des Alkobolismas seit
einigen Jahren an der Uniyersität Berlin yeranstalteten Vorlesungen werdmi
mit jedem Jahr zahlreicher besucht Manches der behandelten Themata dürfte
auch für den Medizinalbeamten yon Interesse sdn.
Der yorliegende yierte Teil enthält Ausfühmngen über die folgenden
Themata:
Das Schankkonzessionswesen in Preußen (Dr.y. Strauß u. Torney).
Zur Behandlung yon Alkoholkranken (Prof. Dr. C. Moeli). Künstlerische
Erziehung und Trinksitten (Prof. Dr. Weber). Der Alkohol als Volksgennß«
mittel (Dr. med. et polit. St ehr). Das Alkoholkapitel (Dr. jur. Eggers).
Alkohol in den Tropen (Dr. Pbilalethes Kuhn). Die moderne Antialkohol-
bewegung im Lichte der Geschichte (Lia Bolfls). Die Ersetzung des Alko«
hole durch den Sport Prof. Dr. Hoffa). Alkohol und Zurechnungsfähigkeit
(Prof. Dr. Puppe). Wohnungsnot und Alkoholismos (Damaschke). Die
yezschiedenen Formen der Alkoholyergiftung Dr. med. Co Ha). Schule und
Haus im Kampfe gegen den Alkoholismus 09chayyelmann). Psychologie
des Alkohols (ProL Dr. Kraepelin). Dr. Paul Schenk«Berlin.
Dr. Alllred Xubats: Zur Frage einer Alkoholkonsumstatistlk. 88 S.
München 1907. Verlag yon Ernst Beinhardt. Preis: 2 M.
Eine nach richtigen Grundsätzen aufgestellte Alkoholkonsumstatistik
wird nach Kubatz den Ausgangspunkt einer sozialpolitischen Behandlung
der Alkoholfrage bilden müssen. Zu unterscheiden ist nach W1 a s s a k zwischen
einem Not« und einem Behäbigkeits-Alkoholismos. Kubatz bringt 50 Hans«
haltnngsbudgets aus Stadt und Land als Material zu der Entscheidung der
Frage, in welcher Weise sich bei yeränderten wirtschaftlichen Verhältnissen
Qualität und Quantität des genossenen Alkohols ändert. Sozialpolitik für die
Not, direkte und indirekte Bekämpfung des Alkohols für die Behäbigkeit, ist
die Lehre, welche Kubatz aus der iUkoholstatistik zieht.
_ Dr. Paul Schenk«Berlia.
Dr. Jur. Fritz Boeekel: Alkohollsmua und Recht. Jena 1908. Verlag
yon Hermann Costenoble. 140 Seiten, 2 M.
Der Verfasser bespricht eingehend alle Beziehungen zwischen Alkoholis«
mnz und dem Straf« und Ziyilrecht. Seine Ausführungen gipfeln in der Forde«
624
Tagesnachriehten.
rang einer Reform des geltenden Rechte hanpteächlich in den folgenden drd
Punkten:
1. Eriaß einer geaetalichen Bestimmnng, daß nicht nur die Trankettchtigenf
sondern auch diejenigen Trinker, welche infolge ihrer pathologischen Ver-
aniagang daroh Alkoholgenaß gemeingefährlich werden, zwangsweise in Trinker-
heii* bezw. Trinkerbewahranstalten nntergebracht werden.
2. Diejenigen alkohoiischen Straftaten, welche bisher ids unter § 61
St. 6. B. fallend straffrei bleiben, sollen einer, allerdings geminderten Strafbar¬
keit unterliegen, etwa nach Maßgabe einer fahrlässigen Begehung.
8. Die Öffentlich auftretende, Aergernis erregende Trunkenheit ist an
bestrafen. Dr. Pam Schenk-Berlin.
Tagesnachriehten.
Der Staatssekretär des Innern hat dem Deutschen Apothekeryerein
gegenüber eine Besprechung wegen der Regelung des Terhältnisses twlschen
den Krankenkassen und den Apotheken für den Monat September in Aussicht
«stellt. Er hat sich rorbehalten, auch die Frage der Arzneiversorgung der
Krankenkassenmitglieder zum Gegenstände der Erörterung zu machen.
Die Feuerbestattung In Prenssen. Die Entscheidung des Ober-Ver-
waltungsgeiichts in dem bekannten Hagener Falle*) ist auch für die in¬
zwischen wieder anfgenommenen Erwägungen der Staatsregierang nach der
Richtung bestimmend gewesen, daß für die etwaige Zulassung der faknltatiTen
Feuerbestattung nunmehr nur noch der Weg der Gesetzgebung in Frage
kommt. Dazu wird offiziös aasgeführt: Bei der Beschlußfassung darüber, ob
dieser Weg zu beschreiten sei, waren die Gegengründe, welche ^ederholt zur
Ablehnung des freisinnigen Antrages auf Z^assung der Feaerbe6tattnn|; im
Abgeoidnetenhause geführt hatten, nach ihrem vollen Gewicht zu würdigen.
Man wird aber wohl in der Annahme nicht fehlgehen, daß bei der sorgsamstea
Abwägung der Gründe und Gegengründe diesen Bedenken das größere Gewicht
doch nicht zuerkannt, vielmehr den sachlichen Gründen, welche die konservative
Regierung und Landesvertretung des Königreichs Sachsen zur Zulassung der
fakultativen Feuerbestattung bewogen haben, in Verbindung mit den Rück¬
sichten allgemeinpolitischer Natur, welche für die Erfüllung dieses liberaloi
Wunsches sprechen, die größere Bedeutung beigemessen worden ist. Hiernach
erscheint begründete Hoffnung zu bestehe^ daß auch in Preußen in Sachen
der fakultativen Feuerbestattung in naher Zeit die Klinke der Gesetzgebung
ergriffen werden wird._
Yerleihung medizinischer Relsestlpendien in Bajrem. Durch Be¬
kanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom SO. Mai d. J. werden die
Bewerber um Verleihung medizinischer Reisestipendien aufgefordert, ihre Ge¬
suche bis zum 15. September d. J. bei der zuständigen Kreisregierang, Abteilung
des Innern, einzureichen. Dem Gesuche, in dem Ziel und Zweck der Reize
anzugeben sind, ist die ärztliche Approbation, ein Zeugnis über die Vermögcnz-
verhUtnisse und ein Leumundszeugnis neueren Datums beizufttgen. Die Reisen
sind bis Ende 1909 anzutreten.
Der 8. internationale Kongress für Irrenpllege findet vom 7.—13. Oktober
1908 in Wien statt. Der Kongreß soll sämtliche Fragen des praktischen Irren-
wesens, nicht nur reine ärztliche, umfassen. Als Verhandlungsg^genstiade
sind folgende in Aussicht genommen:
1. Zusammenfassender Bericht über den gegenwärtigen Stand des Irren-
wesens in den verschiedenen Ländern (Ref.: Oberarzt 1^. Bresler-Lublinitz).
2. Aerztliche Irrenpflege. 8. Irrenpflege und Technik. 4. Irrenpflege und Ver¬
waltung (Ref.: Dr. Gor6nyi-Wien). 6. Irrenpflege und Versichernngswesea.
*) Siehe Nr. 10 dieser Zeitschrift; S. 386.
TagesnacbtiöhtieiL
525
6. Irrengesetsgebani; in den Tenobiedenen Lftadern 7. FüisoTge (ttr Idioten,
Epileptilcer nnd geistig minderwertige (Bef.: Dr. Scbiner-Wien und Prof.
Dr. Weygandt'Wttrzbnrg). Bericht des internationalen Komitees ttber den
Vorschlag des Dr. Frank-Zttrich: „Qrttndnng eines internationalen Instituts
zum Stadium nnd zur Bek&mplung der Ursachen der Geisteskrankheiten*.
9. Irrenpflege bei den Armen. _
Der nehte Kirnnkenpflegekongress wird vom 6.-9. August d. J. in
München stattflnden. Der Kongreß wird über wichtige Fragen aus dem
Gebiete der beruflichen Krankenpflege beraten; nenbenbei wird eine Beihe
sacbUcber Vorträge gehalten werden.
Im September d. J. flndet in Genf der erste Internationale Kongress
zur Bek&mpfung der Nahmngs- und Arsnefmittellfllsehnngen statt, zu der
alle Kulturstaaten Vertreter entsenden. Deutschland wird auf dem Kongreß
durch den Direktor im Kaiserlichen Gesundheitsamt Geh. Beg.-Bat Professor
Dr. Kn 0 p, Geh. Beg.-Bat Prof. Dr. K 0 n i g - Münster und Prof. Dr. Juckenack-
Berlin vertreten.
Erkrankungen nnd TodesfUle an ansteckenden Krankheiten in
Preussen« Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- nnd medizinische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 14. bis 27. Juni 1908 erkrankt
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, Bück*
lallfieber, Tollwut und Pest: — (—); Pocken: 6 (—), 2(1); 1 (1); Bi 6-
yerletzungen durch tollwntverd&chtige Tiere: 4 (—), 1 (—);
Milzbrand: 3 (—); 6 (—); Buhr: 6 (—), 5 (—); Unterleibstyphus:
292 (8ö), 352 (35); Diphtherie: 891 (50), 1035 (50); Scharlach: 1824
(68), 1225 (71); Genickstarre: 80 (14), 22 (11); Kindbettfieber: 74 (18),
85 (19); Fleischyergiltung: 1 (—), 5 (—); KOrnerkrankheit (er-
krallt): 207, 221; Tuberkulose (gestorben): 671, 557.
MpraohsauL
Anfrage des Kreisarstes Dr. M. in Seh. t Hat der Kreisarzt, wenn er
auf private Aufforderung eine Untersuchung am Wohnort des Antragstellers
zur Ausstellung eines amtsärztlichen Attestes, z. B. zum Zweck der Pen¬
sionierung, einer Militär - Beklamation u. dgL vomimmt, nach der Gebühren¬
ordnung von 1896 oder nach dem Gesetz vom 9. März 1872 bezw. 17. Sep¬
tember 1876 zu liquidieren P
Antwort: Bei Ausstellang eines amtsärztlichen Zeunisses sind
die Gebühren stets nach dem Gesetze vom 9. März 1872 zu berechnen.
Anfragen des Kreisarztes Dr. Pf. in G.: 1. Stehen einem Medizinal¬
beamten Gebühren zu, wenn er als Zeuge aus Anlaß seines Amtes von dem
an seinem Wohnsitz beflndlichen Gericht vorgeladen wird?
2. Wenn der Kreisarzt vor Gericht ein mündliches Gutachten abgibt,
zu dem er vorher in seiner Wohnung eine Untersuchung hat vomehen müssen
(z. B. auf Virginität oder auf kurz vorher überstandenen Abort usw.), darf
er dann für ^ese Untersuchung noch besonders liquidieren und auf Grund
welcher Bestimmungen P
Antwort sn 1: Den nicht vollbesoldeten Kreisärzten steht in
solchem Falle nur eine Entschädigung für Zeitversänmnls bis zu 1 Mark für
jede angefangene Stunde zu gemäß § 2 der reicbsgesetzlichen Gebührenordnung
für Zeugen nnd Sachverständigen vom 80. November 1878; der voll-
besoidete Kreisarzt erhält dagegen eine solche Entschädigung nicht, da er
keinen Erwerbsverlust erleidet.
Antwort zu 2: Ja, und zwar 1,60 Mark für jede angefangene Stunde^
Urteil des Beicbsgerichts vom 6. Februar 1893 und Min.-Erlaß vom 12. Mai
bezw. 7. Juni 1898 (siehe Anm. 5 auf S. 17 des Beiheftes zum Kalender für
Medizinalbeamte).
52«
Tagesordnung der XXV. HauptTersammlung zur Feier
Preu88i8Cher Medizinalbeamtenverein.
XXY. HanptversammluDg
zur Feier des 25jälirigen Vereins-Jubiläums
am Dienstag und Mittwoch, den 29. und 30. September
Im Preansinclien Abgeordnetenhauee.
Xagesorclnu ng.
Montag, den 28. September:
8 XJliT abends: Qeselllge Vereinigung zur BegrQssung (mit Damen)
im Bestaurationsraume des Prenssisclien Abgeordnetenhauses.
Dienstag, den 20. September:
10 Ubr Tormittags: Fest-Sitzung im Festeaale des Preusslsohen
Abgeordnetenhauses') (Prinz Albrechtstraße).
1. Eröffnung der Yersanunlnng und Begrflssnng. Ueberwelsnng des
Stlftuogsfonds.
2. Gesehärts- und Kassenberleht; Wahl der Kassenrerlsoren.
a. Ueber die hygienische Kontrolle der zentralen Wasserleitungen.
Beferent: H. Qeh. Med.-Bat Prof. Dr. Flügge, Dir^tor des
hygienischen üniversitätsinstituts in Breslau.
4. YorlSuflger Entwurf des Reichsgesetzes, betreffend die Ans«
flbung der Heilhnnde durch nicht approbierte Personen und den
Geheimmittelrerkehr. Beferent: H.Beg.- n.Med.'BatDr.Dütschke
in Erfurt.
6 Ubr naobmittags: Festessen mit Damen im Hotel „Prinz Albrecht“
(Prinz Albrechtstraße).
9 Ubr abends: Qeselllge Vereinigung2)
Dienstag, den 80. September:
O'/a Ubr TOrxnlttags: Zweite Sitzung.
1. Der gegenwärtige Stand nnd Wert der Kriminalnnthropologie.
(Mit Demonstrationen). Beferent: H. Qerichtsarzt nnd Privatdozent
Dr. Strauch in Berlin.
2. Die Psychologie der Anssage. Beferent: H. Prot Dr. Lochte,
Direktor des gerichtsärztlichen Instituts und Kreisarzt in Göttiagen.
8. Torstandswahl; Bericht der KaBsenrerlsoren.
4. Mediainalbeamter und ärztliche Priratpraxls. Beferent: H. Kreis¬
arzt Dr. Gutknecht in Beigard.
Naob Soblnsa der Sitsong: Oemelnsohaftliohes Essen mit Damen
im Zoologischen Garten.*)
Abends: Beeuoh der Königlichen Theater; nach Schluß: Qeselllge
Vereinigung.
Die Versammlung des Deutschen HedlzinalbeamtenTerelns fällt mit
Biicksicht auf diese Versammlung, zu der alle Mitglieder des Deutschen
Medizinalbeamtenyeieins wie deren Damen freundlichst eingeladen
sind, aus.
Um recht zahlreiche Teilnahme wird gebeten.
Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins.
Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender.
Keg.« und Ge.b Med.-Rat in Minden.
*) Anzug für Festsitzung nnd Festessen: Frack und weiße Binde.
2) Das Nähere wird am Sitzungstage bekannt gegeben werden.
des 25j&hrigeii VereiS'Jabil&ums des Freuß. Medizinalbeamteii-Vereins. 527
Preussischer Medizinalbeamtenverein.
Festschrift zur Feier
des 25 jährigen Vereinsjubiläums.
Entsprechend dem Beschloß der letzten HaoptTersammlong hat der Vor¬
stand zur Feier des in diesem Jahre stattflndenden 26jährigen Jobilänms
des Vereins die Heraosgabe einer Festschrift veranlaßt, die, wie das nach¬
stehende Inhaltsverzeichnis zeigt, nicht nor eine kurze Geschichte des Verdns
and einen üeberblick ttber dessen Tätigkeit, Sondern auch eine ScÜlderung
der Entwicklung des preußischen Medizinal- und Gesundheitswesens, sowie der
fär die Medizinalbeamten hauptsächlich in Betracht kommenden Gebiete der
Hygiene (einschl. der Bakteriologie), der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie
imierhalb der letzten Ittnlundzwanzig Jahre in kurzen, ftkr sich abgefaßten
Abhandlungen bringen wird. Bei ihrer Ausarbeitung sind ausschließlich Mit¬
glieder des Vereins beteiligt gewesen, denen dafttr ein besonderer Dank des
Vereins gebührt. Die Festschrift wird mindestens 40 Druckbogen um-
H fassen; ihr Preis ist für die Mitglieder des Preußischen und Deutschen Vereins f
j auf 8 Mark (gebunden) festgesetzt; im Buchhandel wird der Preis später |
1 ' 16 Mark betragen. Die Festsetzung eines so niedrigen Preises für die Vereins-
mitglieder war nur in der sicheren Voraussetzung mOglich, daß wenigstens
jedes Mitglied des Preußischen Medizinalbeamtenvereins ein Exemplar bestellen
wird; der Vorstand hofft jedoch, daß auch die übrigen Mitglieder des Deut¬
schen Medizinalbeamtenvereins dasselbe tun werden. Jedenfalls ist bei Be¬
messung der Höhe der Auflage darauf Bttcksicht genommen.
Bestellungen nimmt schon jetzt die Expedition der Zeitschrift, Hof-
buchdruckerei von J. C. C. Bruns in Minden i. W., entgegen. I|
Minden, den 16. Juli 1908.
Der Vorstand des Deutschen Medizinaibeamten-Vereins.
Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender,
Beg.- a. Geh. Med.-B*t in Minden.
InhaltSTerselolmls der Festsohrlft.
Erster Abschnitt.
I. Geschichte und Tätigkeit des Vereins ln den Jahren 1888—1908.
H. Kreisarzt u. Geh. Med.-Bat Dr. Fielitz-Halle a. S.
IL Entwickelung des Preusslschen Medizinal- und Gesundheits¬
wesens während dieser Zelt unter besonderer Berücksichtigung der Stel¬
lung und Tätigkeit der Kreismedizlnalbeamten. H. Begierungs- u. Geh.
Med.-Bat Dr. Bapmund-Minden.
Zweiter Abschnitt.
Medizinal- und ßffentllehe Gesundheitspflege elnschllesslleh Hygiene
und Bakteriologie.
I. Ortshygiene.
a. Allgemeines und Wohnungshy giene. H. Beg.-u. Med.-
Bat Dr. Nesemann-Berlin.
b. Wasserversorgung. H. Geh. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr.
8 c h mi d t m an n-Berlin.
c. Beseitigung der Abwässer und Abfallstoffe; Bein¬
hai tu ng der Wasserläufe. H. Beg.- u. Geh. Med.-Bat Dr.
Salomon - Coblenz.
II. Verhütung und Bekämpftang von ansteckenden Krankheiten.
a. Fortschritte der Bakteriologie auf dem Gebiete der
Seuchenbekämpfung. H. Geh. Ob.-Med.-Bat Prot Dr. Gaffky
in Berlin und Dr. Lentz, Abteilungsvorsteher am Institut für
Infektionskrankheiten in Berlin.
b. Die Seuchenbekämpfung unter Berücksichtigung
der einschlägigen deutschen und preußischen Ge¬
setzgebung. H. Geh. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr. Kirchner -Berln.
528 Tagesordn. der XXV. HanptTereammliing des Preofi. Med.-Beamten*Vereins.
III. NahruBgemitteUiyfleAe; llkoholUimiis. H. Geh. Med.-Bat Dr. Ab e 1 -
Berlin.
IV. Gerrerbehjfiene. H. Heg.- o. Geh. Med.-Bat Dr. Both-Potsdam.
T. Hygiene des frühen Kindesalters, S&ngllngspflege und Halteklnder-
wesen. H. Beg.- n. Geh. Ob.-Med.-Bat Dr. Di et rieh-Berlin.
TIr Schulhygiene. H. Stadtarzt Dr. Oebbeoke-Breslad.
YII. Fürsorge fOr Kranke nnd Gebrechliche.
a. Fürsorge für Kranke and Gebrechliche im allge¬
meinen; Krankenanstalten. H. Beg.« and Geh. Med.-Bat
Dr. Basak-Cöln.
b. Die Fürsorge für psychische Kranke. H. Geh. Med.-Bat
Prof. Dr. Mo eil, Direktor der städtischen Heil- and Pflegeanstalt
Herzberge bei Berlin.
c. Krankentransport and Bettangs wes en. H. Kreisarzt
Dr. Fromm-Frankfart a. M.
YlII. Hellqnellen and Kurorte. H. Kreisarzt Dr. Friedei-Wernigerode.
IX. Oeffentliches Badewesen. H. Kreisarzt n.Med.-Bat Dr. Schafer-
Frankfart a. 0.
X Gefäiignlshyglene. H. Qerichtsarzt and Med.-Bat Dr. Hoffmann-
Berlin.
XI. Leioheaschan, Begrübnlswesen, LelchenTorbrennang. H. Kreisarzt
and Med.-Bat Dr. Mewias-Oppeln.
XII. HeilpersonaL
a. Aerzte (Aasbildang and Standesorganisation). H. Geh. San.-Bat
Dr. Aschenborn-Berlin.
b. Niederes HeilpersonaL H. Kreisarzta.Med.-BatDr.Elten-
Berlin.
c. Hebammenwesen. H. Dr. Köstlin, Direktor der Hebammen¬
lehranstalt in Danzig.
d. KarpfaschereL H. Beg.- and Geh. Med.-Bat Dr. Wehmer
and Kreisarzt Dr. Pflanz in Berlin.
XIII. Verkehr mit Arzneimitteln nsw. Innerhalb and ausserhalb der
Apotheken.
a. Apothekenwesen. H. Beg.- and Geh. Med.-Bat Dr. Born¬
träg e r - Düsseldorf.
b. Verkehr mit Arzneimitteln außerhalb der Apo¬
theken, sowie mit Geheimmitteln and Giften. Herr
Kreisarzt Dr. Meder- Cöln.
Dritter Abschnitt.
SachTerständlgentätlgkolt auf dem Gebiete der gerichtlichen Medizin,
Psychiatrie, Unfall- und InTalldenTerslcherang.
I. Gerichtliche Medizin and Psychiatrie.
a. Entwicklung der gerichtlichen Medizin und deren
Fortschritte innerhalb der letzten 26 Jahre. Herr
Geb. Med.-Bat Prof. Dr. Straßm ann-Berlin.
b. Gerichtlich-medizinische Unters achangsmethoden.
H. Med.-Bat Prof. Dr. Pappe-Königsberg.
c. Die gerichtliche Psychiatrie inbezug aufdieStraf-
gesetzgebang. H. Kreisarzt o. Med.-Bat Dr. Leppmann-
Berlin.
d. Die gerichtliche Psychiatrie in bezag aafdieZiril-
g'esetzgebang. H. Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Gramer, Direktor
der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt in Göttihgen.
II. Sachverständigentätigkeit auf dem Gebiete der Unfall- nnd In¬
validen Versicherung. H. Kreisarzt a. Med.-Bat Dr. Bockendahl-
Kiel.
Vcrantwortl. Bodakteur: Dr. Bapmnnd, Beg.-n. Geh. Med.-Rat in Minden t. W
J. C. C. Brun«, lIcfzoKl. SSeb«. o. F. 8ch.-L. BolbocbCraclMral ln
2t Jahrg.
1908.
Zeitschrift
ftti
MEDIZINALBEAMTE.
ZantralHitt für du gesanb llnnHdlMitsKun,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Henrasgegebeii
TOB
Dt. OTTO RAPMÜND,
RagleraBff- und Gelu ModlilBalrBl Ib IflBdoB.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Württembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fisehers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld,
HmogL Bajw. Bot -«. BnbmogL irMiiniir-Bndiitiand.!er.
Berlin W. 35, Lützowstr. 10.
iBseraie oebmeB die Torlagshandlang sowie alle Ajinonoen-Expedlllonen des In-
und Auslandes entgegen.
Nr. 15.
Ifineheiat mu S. nad SO. Jedes Heaete.
5. August.
Unsere Hebammen.
Von Dr. E. Angerer, k. Bezirksarzt in Mttncben.
Mit Entschließong vom 21. September vorigen Jahres hat das
K. Staatsministerinm des Innern Erhebnngen über die wirtschaft¬
lichen Verhältnisse der bayerischen Hebammen angeordnet, nm
eine Unterlage zar Würdigung der Frage zu gewinnen, ob ein
Bedürfnis zu einer Reform des bayerischen Eebammenwesens be¬
steht. Mit diesen Erhebungen wurde zweifellbs der wundeste
Pnnkt unseres heutigen Hebammenweseus angefaßt; es wird
konstatiert werden, daß die Hebammen für ihre doch so verant¬
wortungsvolle Dienstleistung ganz beschämend niedrig bezahlt
werden, daß das Einkommen fast aller Hebammen ein so geringes
ist, daß man sich nur darüber wundern muß, daß doch noch
immer eine so große Anzahl von Frauen sich zu diesem Berufe
meldet.
Um jedoch die Frage nach der Notwendigkeit einer Reform
des Hebammenwesens voll und ganz würdigen zu können, würde
68 eich empfehlen, Erhebnngen auch darüber anzustelien, ob die
heutige Hebamme hinsichtlich ihrer Berufstätigkeit den durch
das Fortschreiten der geburtshilflichen Wissenschaft bedingten
vermehrten Ansprüchen genügt. Hierüber könnten nicht nur die
Aerzte — insbesondere die Amtsärzte und die Lehrer an den
Hebammenschnlen —, sondern anch gebildete Franen am besten
530
Dr. K Angerer.
Anskimft geben. Und warn man eine diesbezügliche Umfrage
halten würde, dürfte eicherlich übereinstimmend zom Ansdroek
gebracht werden, daß unsere Hebammen diesen Termehrten An¬
sprüchen durchaus nicht mehr genügen.
Die Wahrnehmungen nach dieser Richtung gaben seit vielen
Jahren die Veranlassung, daß die Aerzte lüler Bundesstaaten
immer dringender eine Reform des Hebammenwesens verlangt
haben.
Die Ausbildung und die Bemfstüchtigkeit der Hebammen
muß dem jeweiligen Stande der geburtshilflichen Wissenschaft
entsprechen. Um nur das nächste zu berühren, muß bei der so
eminenten Bedeutung, welche der Asepsis und Antisepsis für den
krankheitsfreien Verlauf des Wochenbetts znkommt, zunächst ge¬
fordert werden, daß die Hebammen hierfür volles Verständig
besitzen. Um aber schon bei den Hebammenschülerinnen ein
solches Verständnis zu erreichen, bedarf es einer besseren Vor¬
bildung der zum Berufe sich meldenden als wie bisher. So lange
jedoch die Einkommensverhältnisse und die soziale Stellung der
Hebammen nicht besser werden, ist ein Zugang besser vorge¬
bildeter Elemente zum Berufe nicht zu erwarten. Um dies alles
erreichen und die Hebammen den modernen Fordernngen ent¬
sprechend heranbilden zu künnen, ist der Rnf der gesamten
Aerzteschaft nach einer Reform des Hebammen weeens gewiß
gerechtfertigt. Eine Reform des Hebammenwesens, die Anpassung
der Verhältnisse der Hebammen an die modernen Anfordernngen
bedeutet aber eine sehr schwierige Sache, weil diese Verhältnisse
eine große Verschiedenheit zeigen, je nachdem es sich um Heb-
bammen in der Stadt oder auf dem Lande, um dicht oder dünn
bevölkerte Gegenden handelt.
Es dürfte deshalb nur nutzbringend sein, wenn aus der
Praxis heraus Mitteilungen erfolgen würden, welche auf Grund
praktischer Erfahrung Anregungen geben, wie den verschiedenen
Verhältnissen des Hebammenstandes bei einer Neuregelung am
besten Rechnung getragen werden könnte.
Ans diesem Gesichtspunkt bitte ich auch die nachfolgenden
Zeilen beurteilen zu wollen, in denen ich meine Erfahrungen ans
einer fast 30 jährigen Tätigkeit mitteilen will, soweit £ese zu
einer Reform des Hebammenwesens in bezug gebracht werden
können.
Die beruflichen Verhältnisse der Hebammen in Bayern
werden bestimmt durch die E. A. V. vom 4. Juni 1899, zu der
eine Min.-Bek. vom 8. Juni 1899 die Ausftthrnngsbestimmnngen
in Form einer Dienstanweisung gibt. Es muß immerhin auffällig
erscheinen, daß eine Verordnung, die erst einige Jahre besteh^
schon so bald wieder reformbedürftig sein soll. Mit den nach¬
stehenden Ansführnngen möchte ich darauf hinweisen, daß die
Dienstanweisung der Hebammen, wie sie auf Grund A. V. vom
8. Juni 1899 heute noch in Geltung ist, einer Reform nicht
bedürftig erscheint. Reformbedürftig ist nur die A. V. vom
23 . April 1874, welche die Hebammenschulen und die PrüAing
ünaere Hebwmen.
581
der Hebammen, die Zalassung^Bbedingiinifen und die Art and den
Umfang des Hebammenanterrichts zum Gegenstand hat. Die
Bestimmnngen dieser letzteren Verordnung genügen durchaus
nicht mehr für die Anforderungen, wie sie die Dienstanw^ung
stellt. Werden diese beiden Verordnungen zu einander besser in
Einklang gebracht, wird auch die Tätigkeit der Amtsärzte, so
weit sie sich anf den Vollzug der angeführten Verordnungen zu
erstrecken hat, einer entsprechenden Revision unterstellt, dann
wird es sicher gelingen, das Hebammenwesen so zu gestalten,
daß es allen Anforderungen der Jetztzeit entsprechen wird.
Die Hebamme ist unentbehrlich und unersetzlich. Alle
Versuche, die schon an verschiedenen Orten gemacht wurden, die
Hebamme bei der Entbindung entbehrlich zu machen oder durch
andere Pflegepersonen bei ausschließlich ärztlicher Leitung der
Gebart zu ersetzen, haben sich nicht bewährt. Man ist sehr bald
wieder auf die Mithilfe der Hebamme zurüdcgekommen; dieser
Zustand wird und soll auch fortbestehen. Der Hebamme fällt
eine außerordentlich wichtige und verantwortungsvolle Tätigkeit
zu — eine Tätigkeit, die in geradezu bedenklichem Widersprach
zu ihrem allgemeinen Bildungsgrad steht. In der Regel aus den
untersten Volksschichten hervorgegangen, ausgerüstet mit den
oft mangelhaften Kenntnissen einer Elementarschule, und einem
diesen entsprechenden Urteilsvermögen, soll ein 5 monatiger
Ausbildungskurs die Hebamme in den Stand setzen, */io
Geburten vollständig allein zu leiten und zu Ende zu ft^en sowie
vollständig allein die Pflege und Ueberwachnng des Wochenbettes
und des Neugeborenen für die ersten 10 T^e seines Lebens zu
Übernehmen. Man vergleiche damit die Ausbildung des männlichen
niederärztlichen Personals — der Bader. Welche Zeit muß auf
die Ausbildung dieser verwendet werden, und wie geringfügig
und wenig verantwortungsvoll ist die Berufstätigkeit dieser im
Vergleich zu den Hebammen P Es muß nun allerdings zu¬
gegeben werden, daß es sich bei der Tätigkeit der Hebammen
zunächst um normal verlaufende Entbindung, normales Wochen¬
bett und um die Pflege eines gesunden Säuglings handelt. Man
muß jedoch bedenken, daß ein Unverständnis oder fehlerhaftes
Handeln der Hebammen den vorhandenen normalen Zustand so¬
fort in einen anormalen, krankhaften überführen kann. Welche
Kenntnisse, welches Urteil muß aber eine Hebamme besitzen,
wenn sie in ihrer Berufsansübnng, allein, ohne weiteren Beistand,
das Richtige für Mutter und Kind treffen soll? Wo in aller Welt
ist eine Berufsart, der bei einer solchen Vor- und Ausbildung
eine solche verantwortungsvolle Tätigkeit zu gewiesen istP
Diese Frage ist so recht erst in den Vordergrund getreten,
seitdem wir wissen, daß die gefährlichste Wochenbettkrankheit
— das Kindbettfleber — eine Wnndinfektionskrankheit ist, eine
Krankheit, die vermieden werden kann und auch vermieden
werden wird, wenn genau nach aseptischen und antiseptischen
Grundsätzen verfahren wird. Im Deutschen Reich sterben alle
Jahre 6000 Mütter an Kindbettfleber. Eine wohl ebenso große
632
Dr. E. Angerer.
Zahl von Fraaen geht infolge schlecht flberstandenen Wochen¬
bettes alle Jahre einem langen Siechtum entgegen. Da %
aller Gehörten von Hebammen allein geleitet werden, läßt sich be¬
rechnen, wie vielfach die Hebammen bei Aosübong ihrer Bemis-
tätigkeit fehlerhaft handeln. Der Kampf gegen diese forchtbaren
Wochenbettserkranknngen müßte von einem am so größeren
Erfolg begleitet sein, je tüchtiger and gesicherter der Hebammen¬
stand gestaltet werden könnte. Wie es heate keinen gewissen¬
haften Arzt mehr geben kann, der gegen die Antisepsis verstößt,
ebensowenig darf es eine Hebamme geben, die ihre Bernfs-
tätigkeit nicht streng nach diesen Grandsätzen ansübt. Diese
Grandsätze maß die Hebamme nicht bloß darch Aoswendiglemei
kennen, sie maß aach das Wesen derselben erfaßt haben; sie müssen
ihr geistiges Eigentum geworden and so in Fleisch and Blnt
flbergegangen sein, daß ein diesen Grundsätzen entgegenstehendes
Denken und Handeln ausgeschlossen ist.
Nun stelle man sich die Vorbildang der überwiegenden
Mehrzahl der heutigen Hebammen vor and vergleiche damit die
Anforderungen, die an ihren Verstand gestellt werden müssen,
wenn man ein volles Verständnis der Asepsis and Anti¬
sepsis — der Hauptsache der heutigen Hebammentätigkeit —
erreichen will. Denn darüber herrscht wohl kein Zweifel mehr,
daß nur das Verständnis der Antisepsis die Gewähr dafür bietet,
daß nach diesen Grundsätzen auch gehandelt wird; niemals wird
man dieses durch mechanischen Drill allein erreichen können. Es
soll zwar nicht behauptet werden, daß die Volksschalbildong als
solche nicht hinreichend wäre, um dem Unterricht über Asepsis
und Antisepsis mit Erfolg anwohnen za können. Es gibt zweifellos
eine ganz erhebliche Anzahl von Frauen and Mäddien, die, ob¬
wohl nar durch die Volksschule gegangen, geistig doch so vor¬
gebildet sind, daß sie den Hebammenlehrkurs mit Erfolg absol¬
vieren und tüchtige Hebammen werden können. Doch wird man
zageben müssen, daß solche Fraaen und Mädchen nicht in allzu
großer Anzahl vorhanden sind, daß sie sich insbesondere nicht
in den untersten Volksschichten vorflnden. Die Erfahrong, daß
das heutige Schülerinnenmaterial entsprechend den modernen An¬
forderungen zu tüchtigen Hebammen nicht mehr aasgebildet
werden kann, hat dazu geführt, im Louisenheim zu Mannheim im
Oktober v. J. eine Privathebammenlehranstalt zu eröffnen, die in
besonders eingerichteten Räumen nur Schülerinnen mit höherer
Töchterschalbildung oder einer dieser gleichwertigen Vorbildang
auf nimmt. Zum ersten Kurs hatten sich 81 Damen aus besseren
und besten Gesellschaftskreisen angemeldet, es wurden aber bloß
8 als befähigt zum Eintritt zngelassen. Diese Schülerinnen
werden jetzt in einem 9 Monate dauernden Unterrichtskurs bei
reichlich zu Gebote stehenden Unterrichtsmateriale zu Hebammen
aasgebildet. Bei solch vorgebildetem Schülerinnenmateral wird
es für ^e Lehrer der dortigen Schale nicht besonders schwierig^
sein, die Schülerinnen zu vorzüglichen und modernen Hebammen
auszubilden. Diese Hebammen werden sicherlich in ihrer späteren
üiwere Hebunmeo.
583
Berulstätigkiiit die in den staatlichen Schulen ansg^ebildeten
Hebammen weit znrttck in den Schatten stellen.
Und doch erscheint es sehr fraglich, ob man die Anforde-
mngen, welche die Mannheimer Schale stellt, verallgemeinern
darf, ob man künftighin die gleiche Vorbildnng, wie sie die
höhere Töchterschale gibt, von allen Hebammenschülerinnen ver¬
langen soll. Wenn man bedenkt, wo and unter welchen Ver¬
hältnissen Hebammen, besonders anf dem Lande, ihre Tätigkeit
aasüben müssen, dann wii'd man za der Ueberzeagung kommen,
daß man die Forderung nach höherer Töchterscholvorbildang
nicht verallgemeinern kann. Hebammen mit solcher Vorbildang
werden sich niemals in einem Baaemdorfe znrechtfinden können,
werden immer und bei jeder Entbindung für eine Reihe von
Hantierangen noch besondere Pflegepersonen beanspruchen, die
man ihnen nur in den seltensten Fällen wird zur Verfügung
stellen können. Wir brauchen aber nicht blos Hebammen für
die elegante Welt der Residenzstädte, sondern auch ebenso not¬
wendig Hebammen für die entlegenen Dörfer der Gebirgstäler.
Und hierin liegt schon eine der Hauptschwierigkeiten einer Re¬
form des Hebammenwesens. Gut vorgebildete, intelligente Damen
aus besseren Gesellschaftskreisen werden gewiß dem Unterrichte
verständnisvoller folgen und sich dadurch zu tüchtigeren Hebammen
aasbilden; deshalb ist der Zugang von solchen besseren Ele¬
menten nur zu begrüßen. Solche Hebammen werden in den
großen Städten auch sehr gesucht und begehrt sein, aber keine
von ihnen wird sich dazu herbeilassen, ihre Berufstätigkeit in
einem entlegenen Dorf bei einem mehr als bescheidenen Ein¬
kommen anszuüben. Hier den richtigen Ausweg zu finden, dürfte
sehr schwer sein. Und doch muß der Weg gefunden werden,
am allen Hebammen für alle Frauen und alle Orte die gleiche
Ausbildung, die gleiche Fachtüchtigkeit zu verschaffen; es muß
erreicht werden, daß auch der ärmsten Frau im entlegensten
Dorfe der volle, von der Wissenschaft gebotene Schatz für Leben
and Gesundheit während und nach der Entbindung gesichert wird.
Die Mannheimer Schale wird fortbestehen; denn die Nach¬
frage nach Hebammen, die neben vorzüglicher Fachausbildung auch
über bessere allgemeine Bildung und bessere gesellschaftliche
Formen verfügen, wird immer vorhanden sein. Die Hebammen,
die aus der Mannheimer Privatschale hervorgehen, werden voraus¬
sichtlich eine Zierde des Standes bilden und können nur dazu
beitragen, den ganzen Stand in seinem Ansehen zu erhöhen; sie
werden aber auch für die Zukunft den Maßstab abgeben, wieweit
die Hebamme in ihrer Fachausbildung gebracht werden muß.
Meines Erachtens liegt zwischen der Mannheimer Privat-
schnle and den heutigen staatlichen Anstalten das einzig Richtige
and Mögliche in der Mitte. Gewissenhafte Auswahl unter den
zom Lelnkurs sich Meldenden mit ausschließender Berücksichtigung
der ablolut Befähigten and Verlängerung der Unterrichtskurse
in der Weise, daß die jetzt vorgeschriebene Unterrichtszeit von
5 Monaten zur Erlemnng der rein hebammentechnischen Fertig-
534
Df. E. ÄageNT.
keiten verwendet wird, daß jedoch zur Erlernung und zum Ver¬
ständnis der Lehre Aber Krankheitsursachen und Erankheitsver-
hfttung im Wochenbette — Asepsis und Antisepsis —, sowie über
Säuglingspflege für die ersten 10 Tage der hierzu bestimmten
Hebammentätigkeit und eine genflgende Ausbildung in der
Krankenpflege eine weitere, entsprechende Unterrichtszeit an-
geffigt wird.
Verlängerung des ünterrichtsknrses ist die erste,
wichtigste und fundamentale Forderung zur Hebung und Besserung
des Hebammenberufes. Dies ist der notwendigste und wichtigste
Punkt, wo eine Reform einzusetzen hat. Wird diese Forderung
erfflllt, dann wii‘d sich der Hebammenstand von selbst reformieren
und den Forderungen der Neuzeit anpassen. Mit der Verlängerung
des Lehrkurses muß eine erhöhte Ausbildung Hand in Hand
gehen. Diese stellt größere Anforderungen an die Verstands¬
kräfte der Schülerinnen; in anbetracht dessen werden in Zu¬
kunft viel mehr Bewerberinnen als nnbefähigt zurückgewiesen
werden müssen. Die Auswahl muß nach strengeren Gesichts¬
punkten erfolgen, es muß nicht nur ausreichende Schulbildung,
sondern auch Bildungsfähigkeit, Charakter, Tüchtigkeit und Nei¬
gung zum Berufe gefordert werden. Sind diese Gesichtspunkte
bei der Auswahl maßgebend, dann wird der Stand intellektual
und sozial auf eine höhere Stufe gestellt werden; die Anforderungen
an Intelligenz, Vorbildung und Herkunft der Hebammenschülerinnen
stehen aber in direkter Wechselwirkung mit der Besserung
der pekuniären Lage der zukünftigen Hebammen. Kommen
bessere Elemente zum Hebammenbernfe, dann wird nicht bloß die
Berufstüchtigkeit eine bessere, auch das Einkommen wird ein
besseres werden; ist dieses besser geworden, dann wird auch der
weitere Zugang von besseren Elementen sich forterhalten. Es
bleibt dann nur noch die eine Sorge übrig, daß die Hebamme
auf der Höhe ihrer in der Schule erhaltenen Fachausbildung er¬
halten bleibt.
Was das Einkommen der Hebammen betrifft, so ist ihre
Bezahlung mit einigen Ausnahmen wohl überall eine sehr
schlechte, die durchaus nicht den Leistungen entspricht. Auf
dem Lande waren früher auch Naturalleistungen — Brod, Eier,
Butter und dgl. — vielfach als Entschädigung für die Hilfeleistun¬
gen der Hebammen in Gebrauch, was aber jetzt ziemlich abgekommen
ist. Die Leistungen der Hebammen werden mit geringen Aus¬
nahmen überall in der Stadt sowohl, als auf dem Lande durch¬
schnittlich mit 3—5 Mark für die Geburt entlohnt. Die Be¬
zahlung der Hebammen ist dort am geringsten, wo mehrere
Hebammen domizilieren; bessere Bezahlung findet sich nur da,
wo eine solvente Bevölkerung auf eine Hebamme angewiesen ist.
Zweifellos drückt die große Konkurrenz, die seit der Frei¬
zügigkeit der Hebammen geschaffen wurde, die Ansätze der Ent-
lo^nng immer mehr herab. Auffallend ist dabei, daß die Heb¬
ammen im allgemeinen über diese niedrige Entlohnung nicht
besonders Klage führen — ein Umstand, der darin seine Er-
Unsere Hebeminen.
535
klftmng fiadet, daß der Hebammenberni eben nur als Neben-
besehäftignng betrieben und dementsprechend auch von der Heb¬
amme selbst und dem Publikum bewertet und honoriert wird.
Nach der bestehenden Verordnung soll die Bezahlung der
Hebammen zunächst der Vereinbarung Vorbehalten bleiben. Wo
eine solche fehlt) — und das ist wohl überall der Fall — ist als
Norm die Gebührenordnung vorhanden, deren Ansätze der Tätig¬
keit vollkommen entsprechen. Würde die Hebamme nach dieser
Gebührenordnung ihre Liquidation einrichten, so müßte einer be¬
schäftigten Hebamme auch heute schon ein entsprechendes Ein¬
kommen gesichert sein. Nach dieser Gebührenordnung liquidiert
aber die Hebamme in der Regel nur bei Frauenspersonen, die
besonders einer auswärtigen Armenpflege zugehören. Hier ver¬
steht sie es mit Beträgen von 25 und 80 M. und darüber für
eine Hilfeleistung zu liquidieren und der revidierende Amtsarzt
muß eine solche Liquidation als nach der Gebührenordnung be¬
rechnet bestätigen. Die wohlhabende Bürgers- oder Bauersfrau
aus dem Orte erhält dagegen eine Liquidation von 3—5 M., weil
die Hebamme darauf rechnet, daß sie infolge ihrer Billigkeit bei
der Verwandtschaft und in dem Bekanntenkreise dieser Frau
weiter empfohlen wird. Das Bestreben, die Kundschaft zu ver¬
größern und die kärglichen Einnahmen zu erhöhen, führt vielfach
zu einer wüsten Konkurrenz, die oft mit den unlautersten Mitteln
betrieben wird, wie dies bei Personen, die auf einer immerhin
niedrigen Bildungsstufe stehen, nicht anders erwartet werden
kann; diese rücksichtslose Konkurrenz schafft auch allenthalben
höchst unwürdige, jede Beruftsfieudigkeit und Zuverlässigkeit
schwer schädigende Verhältnisse.
Um die Einkommensverhältnisse der Hebammen besser,
d. h. ihrer Tätigkeit angemessener zu gestalten, ist zweierlei er¬
forderlich :
1. Es sollte für jeden Bezirk unter Berücksichtigung der
Vermögensverhältnisse der Bewohner eine alle Hebammen bindende
Mindesttaxe eingeführt werden, unter welche die Hebamme bei
keiner Geburt herabgehen darf.
2. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Hebammen voll¬
beschäftigt sind, d. h. Se Hebammen sollten mit ihren Wohn¬
sitzen innerhalb des Bezirkes so verteilt sein, daß auf jede im
Laufe eines Jahres mindestens 50 Geburten kommen.
Beide Forderungen sind nur dann zu erreichen, wenn die
große Konkurrenz unter den Hebammen durch Verminderung ihrer
Anzahl beseitigt wird. Dies ist nur möglich, wenn die Nieder¬
lassung der Hebammen reguliert und beschränkt wird in der
Weise, daß für jeden Verw^tungsbezirk unter Berücksichtigung
der Einwohnerzahl, der Verkehrsverhältnisse, der Entfernung zum
nächsten Arzt und zur nächsten Hebamme jene Orte von der
Behörde bestimmt werden, in denen eine Hebamme sich nieder¬
lassen kann. Die seit Einführung der Gewerbeordnung ent¬
standene frei praktizierende Hebamme muß damit verschwinden;
es muß wieder zur Schaffung von Distriktshebammen
636
Dr. E. Aogerer.
and Hebammendistrikten kommen. Nach der Verordnnng
steht es ja den Gemeinden and Distrikten anch hente noch frei,
eigene Hebammen für bestimmte Bezirke anfznstellen, aber die
Bedentnng der früheren Distrikshebamme ging mit der Gewerbe¬
ordnung bezw. durch die hierdurch veranlaßte K. A. V. vom
4. Januar 1899, nach der die Niederlassung freipraktizierender
Hebammen neben den Distrikshebammen nicht ausgeschlossen
werden kann, vollständig verloren. Die Hebamme benötigt zu
ihrer Niederlassung bloß das Befähigungsattest einer bayerischen
Prüfungsbehörde; unter Vorlage dieses meldet sie sich beim
Bezirksamt und beim Bezirksarzt als Hebamme für irgendeinen
Ort des Bezirkes an. Auf Grund dieser Verhältnisse hat sich die
Zahl der Hebammen in gewissen Bezirken außerordentlich ver¬
mehrt; denn jede Gemeinde will nun selbst ihre eigene Hebamme
haben, während in besseren Orten mehrere ansässig geworden sind.
Was die Niederlassung betrifft, so kann diese jetzt schon dadurch
geregelt werden, daß zum Eintritt in die Hebammenschale die
Genehmigung der Ereisregierung erforderlich ist, die nur erteilt
wird, wenn die Bedürfnisfrage zur Niederlassung einer Hebamme
vom Bezirksamt und Bezirksarzt bejaht wurde oder wenn es sich
um Anstellung von Distrikshebammen für ganz arme und welt¬
verlassene Dörfer handelt; hier muß die Zulassung in erster
Linie berücksichtigt werden, der einzige Vorzug, auf den die
Distrikshebammen heute noch gesetzlichen Anspruch haben. Der
Zuzug bereits approbierter Hebammen in den Bezirk kann aber
nach den heutigen gesetzlichen Bestimmungen nicht anfgehalten
werden. Und doch ist es unbedingt erforderlich, daß auch der
Zuzug solcher Hebammen reguliert wird; dies kann jedoch nur
dnrch Aufhebung der freien Niederlassnngemöglichkeit geschehen,
also durch eine landesgesetzliche Bestimmung, daß zur Ausübung der
Hebammentätigkeit das Approbationszengnis allein nicht genügt,
sondern daß hierzu auch die behördliche Anstellung erforderlich
ist. Die Schaffung solcher Distrikte ist der einzige Weg, um die
Hebammen voll zu beschäftigen und finanziell entsprechend zu
stellen.
Die Einrichtung von Hebammendistrikten soll der Gewerbe¬
ordnung entgegenstehen; eie besteht aber in verschiedenen deut¬
schen Bundesstaaten, für welche doch ebenfalls die Gewerbe¬
ordnung gilt, so in Sachsen, Braunschweig, Altenburg, Anhalt,
Schwarzburg-Sondershausen, Beuß j. L. und Lübeck. Es würde
jedenfalls von seiten des Reiches kaum geduldet werden, daß in
diesen Staaten die auf die G. 0. sich stützende Freizügigkeit der
Hebammen eine Beschränkung erfahren darf, wenn es nicht doch
möglich wäre, daß die einzelnen Bundesstaaten durch eigene
Landesgesetze solche Ausnahmen von dem Reichsgesetze gesetz¬
lich festlegen können.
Wird bei der Schaffung von Hebammendistrikten darauf
Rücksicht genommen, daß benachbarte Hebammen einander ans-
helfen können, werden in großen Städten die Hebammen möglichst
gleichmäßig auf die Stadt verteilt, so wird es seitens der hilfe-
llBswe Hebammen.
537
snchenden Frauen zu keinen Klagten kommen, um so weniger, als
die angestellte Distriktshebamme znr Hilfeleistung in jedem Falle
yerpflichtet ist, was bei der freipraktizierenden Hebamme nicht
strikte durchgeffthrt werden kann.
Erfordern Lage und Verkehrsyerhältnisse die Niederlassung
einer Hebamme auch in einem kleinen Orte oder kleinen Distrikte,
dann sollte solchen Hebammen durch Kreis- oder Staatszuschttsse
eine Mindesteinnahme garantiert werden.
Die wirtschaftliche Besserstellung der Hebammen sollte in
Zukunft noch dadurch unterstützt werden, daß für Krankheit,
Alter und Invalididät eine Beihilfe gewahrt wird, um die Heb¬
ammen im Falle der Erwerbsunfähigkeit, yor Not und Sorge zu
schützen. Dies ließe sich erreichen, wenn die sämtlichen Heb¬
ammen des Königreichs in einer ünterstützungskasse yer-
einigt würden, der jede Hebamme ohne Ausnahme angehören muß.
Die Anmeldung zu dieser Kasse und die Zahlung der Aufnahme¬
gebühr sollte schon bei der Schlußprüfung des Unterrichtskurses
erfolgen. Aufnahmegebühren und Jahresbeiträge eventuell ein
zu bewilligender jährlicher Staatszuschuß würden zweifelsohne
genügend Mittel zur Verfügung stellen, ans denen die Hebamme
für den Krankheitsfall und wenn sie eine entsprechende Zeit
Mitglied war, auch für Alter und Invalidität einen Zuschuß er¬
halten könnte. Eine solche Kasse ist leicht zu gründen und
leistungsfähig zu gestalten, umsomehr, als die Bezirkseinteilung
und die Bezirksvorstandschaft in der Person des zuständigen
Amtsarztes schon gegeben ist.
Znr weiteren Fortbildung der im Berufe tätigen Heb¬
ammen ist nach der Verordnung der Bezirksarzt verpflichtet.
Dieser hat die Aufgabe, die Hebammen seines Bezirkes nicht nur
auf der Höhe der hi der Schule erworbenen Fachausbildung zu
erhalten, er muß sie auch mit allen neuen Vorschriften, und so¬
weit sie ihren Beruf und ihren Wirkungskreis betreffen, auch
mit den neuesten wissenschaftlichen Forschungen bekannt machen.
Zn diesem Zwecke haben sich die Hebammen alljährlich einer amts¬
ärztlichen Nachprüfung zu unterziehen. Diese Prüfung ist
nun für den gewissenhaften Amtsarzt eine harte und dabei wenig
erfolgreiche Arbeit. Die noch heute gütige Vorschrift ans dem
Jahre 1859 bestimmt, daß die Prüfung in einem mündlichen und
einem schriftlichen TeUe bestehen soll; schriftlich hauptsächlich
deshalb, damit die Hebamme das erlernte Schreiben nicht ganz
yemachlässigt. Es ist gewiß ein seltsamer Kontrast, wenn man
bei dieser Prüfung neben der wissenschaftlichen Seite auch noch
Schreibnnterricht geben soll. Tatsächlich kommt bei dieser
Prüfung auch heute noch nicht viel mehr heraus, als was in der
betreffendenden Verfügung vom Jahre 1859 als der Hauptzweck
bezeichnet wurde. Bei den heutigen intellektuellen Qualitäten
der Hebammen ist der Erfolg dieser amtsärztlichen Prüfung eben¬
so gering zu bewerten, als der Erfolg der seit einigen Jahren
eingefüh^n sog. Wiederholnngskurse; eine FortbUdnng ist
688
Dr. E. Aig«rer.
eben nur dann möglich, wenn eine Bildung schon ymrhanden ist.
Man soll mit den Hebammen Wissenschaft treiben nnd bat Personen
Yor sich, denen die elementarsten Begriffe noch nicht geläufig
sind. Ja, wenn man es mit gebildeten Hebammen zu tun hätte,
die ihre Dienstanweisung nicht bloß lesen können, sondern auch
verstehen, dann wäre die Tätigkeit der Amtsärzte nnd der
Bepetitoren eine schöne nnd auch erfolgreiche.
Das wird sich aber sofort ändern, wenn dem Hebamme-
Stande besser vorgebildete Elemente zugeführt werden, nnd wenn
dementsprechend die Hebammen intelligenter nnd besser unter¬
richtet ans der Schule kommen. Dies muß daher zuerst erreicht
werden; es ist, wie schon erwähnt, die erste und grundlegende
Forderung. Ist diese erst erfüllt, dann kommt noch als zweite
Forderung hinzu, daß man den Bezirksarzt auch in den Stand
setzt, auf die Verhältnisse der Hebammen erfolgreicher einwirken
zu können; dies wird man aber nur erreichen, wenn die Hebamme
bei Nichtbefolgnng der ihr gegebenen Vorschriften auch in Strafe
genommen werden kann; Büge oder Verweis sind nicht ansreichend.
Nach Art. 127 Abs. II P. Str. G. B. kann die Hebamme nur be¬
straft werden, wenn sie ihre Befugnisse überschreitet; wegen
Außerachtlassung positiver Verpflichtungen, wegen Unterlassungen
kann sie nur dann bestraft werden, wenn dadurch eine Schädi¬
gung der Gesundheit oder der Tod der ihr anveitrauten Frauens¬
person nachgewiesen werden kann, also wegen fahrlässiger Körper¬
verletzung oder Tötung. Man sollte nun meinen, daß bei den
heutigen Dnrchschnittsqualitäten der Hebamme solche Fälle öfter
Vorkommen müßten; dies müßte auch sicher der Fall sein, wenn
der Nachweis nicht so schwer zu führen wäre.
Ueberschreitnng der Befugnisse seitens der Hebammen
ist heute schon ziemlich selten. Sie wird noch seltener zur Beob¬
achtung kommen, wenn der Hebammenstand im ganzen erst aut ein
höheres Niveau gestellt worden ist. Häuflg sind dagegen die Unter¬
lassungen, die sich die Hebammen in bezug auf ihre Dienst¬
anweisung zuschulden kommen lassen. Würden die Hebammen
ihre Dienstanweisung in allen Punkten befolgen, dann wäre eine
Beform des Hebammenwesens durchaus unnötig. Die Dienst¬
anweisung für die Hebammen ist die mustergiltigste Vorschrift,
die es geben kann; sie wird durch eine bessere kaum ersetzt
werden können. Sie hat nur den einen Fehler, daß sie nicht für
die Fassungskraft der gegenwärtigen Hebammen paßt, sondern
hoffentlich für die der zukünftigen. Die Dienstanweisung kann
v<Mi der heutigen Hebamme mit ihrer Vorbildung, ihrer Aus¬
bildung, ihrer sozialen und wirtschaftlichen Stellung im Sinne
der Verordnung gar nicht befolgt werden. Aber anch hinsichtlich
der zukünftigen Hebammen ist es erforderlich, daß sie nicht nur
für Ueberschreitnng ihrer Befugnisse, sondern anch für die Anßer-
achüassnng positiver Verpflichtungen in Strafe genommen werden
können; deshalb sollte der Art. 127 P. Str.-G.-B. die Fassung be¬
kommen, daß Hebammen der Strafe unterliegen, wenn sie in
ÜBMre Hebamm«ii.
639
Ansfibmig ihres Berufes den Anordnungen der Behörde zuwider-
handeln.
Man hat als Bedingung zur Zulassung zum Hebammenbemf
die Eigenschaft der zu diesem Berofe nötigen Zuverlässigkeit
verlangt. Aber wie läßt sich der Besitz dieser Eigenschaft ans der
immerhin nur kurzen Vorpr&fang erkennen, und welche Gewähr
besteht dafür, daß sich diese Eigenschaft auch im Berufsleben
erhält. Verfehlt sich heute eine Hebamme fortgesetzt gegen
die Bestimmungen der Dienstanweisung, dann kann man sie
als nicht genügend zuverlässig für den Hebammenbemf er¬
klären und beantragen, daß einer solchen Hebamme das zur Aus¬
übung des Berufes berechtigende Prüfnngszeugnis im verwaltungs-
rechtlichen Verfahren entzogen werde. Solche Anträge werden
aber bis jetzt wohl nur ganz vereinzelt gestellt worden sein.
Eine Zurücknahme des Prüfungszeugnisses erfolgte bisher nur bei
hochgradiger Gebrechlichkeit, Taubheit oder nahezu vollständiger
Blin^eit, also nur wegen physischer Berufsbeschränkung. Und
auch in solchen Fällen hat der Bezirksarzt oft seine liebe Not,
um bei der Behörde seinen Antrag durchznsetzen, weil auch
hier der strickte Nachweis erbracht werden muß, daß nur durch
die Hebamme, d. h. ihre physischen Gebrechen eine Schädigung
hervorgerufen wurde. Und dann, wieviele der heutigen Land¬
hebammen würden noch im Besitze ihres Prüfungszeugnisses ver¬
bleiben, wenn man gegen alle mit dieser strengen Maßregel
vorgeben würde, die sich fortgesetzt durch Unterlassungen gegen
die Dienstanweisung verfehlen und daher als nicht vollständig
zuverlässig im Berufe bezeichnet werden müssen?
ln welcher Weise der Amtsarzt die Fortbildung der Hebam¬
men betätigt, darüber sollte man — vorausgesetzt, daß in Zukunft
nur besser vorgebildete Hebammen als bisher die Schule ver¬
lassen, — keine zu detaillierten Vorschriften erlassen. Es würde
vollständig genügen, wenn es hieße: „der Bezirksarzt ist ver¬
pflichtet, die Hebammen auf der Höhe der fachtechnischen Aus¬
bildung zu erhalten, auf der sie beim Austritt aus der Schule
gestanden sind; er ist weiterhin verpflichtet, sie in der Praxis
noch weiter auszubilden und in ihrer Berufstüchtigkeit zu vervoll-
kommen.“ Wie der Amtsarzt dies bewerkstelligt, sollte man
seinem Ermessen überlassen. Es bedarf darüber ebensowenig be-
smiderer Vorschriften, als z. B. über die Ausführung der Imp^g;
auch hier regelt der § 13 der Ausführungsbestimmungen zu der
K. A. V. vom 17. Dezember 1899 die Tätigkeit des Impfarztes
von selbst durch die ganz allgemein gehaltene Bestimmung. „Die
Impfung ist eine chirurgische Operation und so ausznführen, daß
Wnndinfektionskrankheiten ferngehalten werden.“ Diese allge¬
meine Bestimmung verpflichtet nicht bloß den Amtsarzt zur ge¬
eigneten Ausführung der Impfung, sie macht ihn auch dafür ver¬
antwortlich. In Beziehung auf die Hebammentätigkeit ließe sich
ebenfalls eine ähnliche Verfügung treffen. Die Hebammen kommen
entsprechend ansgebildet ans der Schule. Der zuständige Amtsarzt
hat die Verpflichtung und trägt dafür die Verantwortung, daß
540
Dr. E. Aiigerer.
die Hebamme so onterricbtet bleibt, daß ihre Tätigkeit jede
Schädi^ng der ihr anTertranten Fraaensperson and ihres Kindes
ansschließt.
Notwendig wäre nnr noch eine Einrichtnng, nm dem Bezirks¬
arzt einen besseren Einblick in die Bernfstätigkeit der Hebamme
zn rerschaffen. Der Bezirksarzt kennt — insofern er selbst ge-
bnrtshilfliche Praxis ansznfiben in der Lage ist, — nnr die ^t
der Bernfsansttbnng der Hebammen seines Praxisrayons; fiber
die Tätigkeit der übrigen Hebammen seines Bezirkes am Ereiß-
bette nnd in der Wochenbettspflege erfährt er aber soviel wie
gar nichts. Und gerade darüber sollte der Amtsarzt anfs genaneste
informiert sein.
Ich habe seit einer Reihe von Jahren die Aerzte meines Be¬
zirkes znr Mithilfe bei der Qualifikation der Hebammen ersncht
in der Weise, daß ich sie gebeten habe, alljährlich nach einem
einheitlichen Formular einen kurzen Bericht fiber die Bernfsans-
ttbnng derjenigen Hebammen zu liefern, mit denen sie gemein¬
schaftlich am Ereißbette beschäftigt waren. Diese Einrichtung
hat sich sehr gut bewährt; ich habe dadurch alljährlich wertvolle
Winke bekommen, in welcher Richtung ich bei der Prüfung auf
die einzelnen Hebammen einzuwirken hatte. Die Aerzte habe
immer reichlicheres und wichtigeres Material berichtet, je mehr
sie sich überzeugen konnten, daß ihre Mitteilungen in streng ver¬
traulicher, amtlicher Weise verwertet wurden.
Auf diese Weise wird der Bezirksarzt in die Lage versetzt,
jede Hebamme seines Bezirkes den tatsächlichen Verhältnissen
entsprechend zu qualifizieren. Wird diese Qualifikation dann noch
nachgeprüft in der Weise, daß jede Hebamme in gewissen
Zwischenräumen auf einige Tage in die Hebammenschale einbe¬
rufen wird, dann dürfte jede Gewähr geboten sein, um die Heb¬
ammen fachtüchtig zu erhalten.
Zum Schlüsse wäre noch die Aenderung einiger Vorschriften
zu begrüßen, die sich in der Praxis nicht bewährt haben.
Für Watte und Desinfektionsmittel darf die Hebamme,
falls diese Mittel nicht von der Gemeinde oder der Kundschaft
zur Verfügung gestellt werden, den Betrag von 1 M. in Anrech¬
nung bringen. Dieser Betrag sollte entsprechend erhöht werden.
Ich habe einen diesbezüglichen Antrag schon vor Jahren in der
oberbayrischen Aerztekammer gestellt; es ist unmöglich, für 1 M.
die erforderlichen Mengen dieser Materialien aus einer A^tbeke
zu beziehen. Außerdem sollte die Menge der Watte nicht so
knapp bemessen sein.
Lysol sollte zweckmäßig durch Lysoform ersetzt werden.
Dieses besitzt dieselbe desinfektorische Kraft, belästigt aber nicht
so sehr durch den Geruch. Ans dem gleichen Grande ist der
Brennspiritus zur Händedesinfektion durch absoluten Alkohol zn
ersetzen.
Weiterhin sollte angeordnet werden, daß die Hebammen zn
jeder Geburt die notwendigen Desinfektionsmittel nnd Watte frisch
Unsere Hebnmnien.
641
beziehen, nnd nicht, wie das jetzt all^^ein ftblich ist,
Wattereste von einer Geburt zu einer anderen mitndimen.
Ebenso ist es geradezu bedenklich und den aseptischen Grund*
Sätzen durchaus nicht entsprechend, Material zur Tamponade
jahrelang bis zur Verwendung in der Hebammentasche zu ver¬
wahren.
Die von mir im Jahre 1902 eingeftthrten Hebammendes-
infektionskästchen, welche alle nötigen Materialien (Watte, Lysol,
Alkohol, gläsernes Mntterrohr, Gnmmiflnger und Nabelband) zn
einer Geburt enthalten, haben sich sehr gut bewährt und ver¬
dienen allgemeine EinfOhrung. Die in jedem Kästchen entiialtene
Kontrollmarke muß bei jeder in der Monatstabelle gemeldeten
Geburtsanzeige eingeklebt werden und dient als Kontrolle der
Verwendung.
Eine gut unterrichtete Hebamme, wirtschaftlich unabhängig
nnd infolge besserer allgemeiner nnd genossener tttchtiger Fach¬
ausbildung, gesellschaftlich angesehen und geachtet, wird außer
einer segensreichen, beruflichen Tätigkeit noch weiter dazu be¬
rufen sein, besonders auf dem Lande eine Summe von hygienischer
Kleinarbeit zn leisten; insbesondere könnte ihre Mitwirkung in
der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit von größtem Nutzen
sein. Die Hebamme ist die erste Beraterin der jungen Mutter;
sie wird zunächst dazu berufen sein, — vorausgesetzt, daß sie
selbst durch entsprechende Erziehung nnd Unterricht zuerst davon
freigemacht worden ist, — alteingewnrzelte Vorurteile von den
Müttern zn nehmen und diese znm Selbststillen zn veranlassen.
Sie wird aber auch erfol|p*eichen Einfluß ansttben auf die Be¬
schaffenheit der Eindermilch; ihre gesundheitsgemäße Aufbe¬
wahrung im Haushalt und ihre Zubereitung zur Säuglingsnahrung,
eine Tätigkeit, die von großer Bedeutung für die Herabsetzung
der Säuglingssterblichkeit sein müßte. Es muß festgehalten wer¬
den, daß, auch wenn alle hierzu befähigten Mütter ihre Kinder
selbst stillen wollten, doch noch ein großer Prozentsatz von Kin¬
dern übrig bleibt, die auf künstliche Ernährung mit Kuhmilch
angewiesen bleiben. Die Beschaffenheit dieser Milch muß aber
hinsichtlich der Bestrebungen zur Herabsetzung der Säuglings¬
sterblichkeit ebenso bewertet werden, wie die Darreichung der
natürlichen Nahrung durch die Mutterbrust.
Daß eine gebildete Hebamme auch nach dieser Richtung
auf dem Lande segensreich wirken könnte, dürfte keinem Zweifel
unterliegen. Sie wird eine solche Tätigkeit mit sichtlichem Er¬
folge entfalten, wenn sie aufgeklärt und frei von allen Vorurteilen
und abergläubischen Ueberlieferungen neben einer besseren, allge¬
meinen Bildung nicht nur eine vorzügliche Fachausbildung, son¬
dern auch in Verbindung damit einen entsprechenden Unterricht
in den GrnndzOgen der Hygiene erhalten haben wird.
542
Dr. Beninde.
\
Ein bakteriologisch - chemischer Wasserkasten.
Von Kreisarzt Dr. Beninde in Liebenwerda.
Der Erlaß des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts*
and Medizinalangelegenheiten nnd des Herrn Ministers des Innern
yom 23. April 1907 mit seiner Anleitung für die Einrieh*
tnng, den Betrieb and die Ueberwachnng öffentlicher
Wasserversorgangsanlagen, welche nicht aasschließ*
lieh technischen Zwecken dienen, wird den Kreisarzt
▼oraossichtlieh mehr als bisher zur selbständigen bakteriologischoi
and chemischen Wassernntersachnng führen; denn wird ihm,
was za erhoffen and za erwarten steht, die in der genannten
Anleitang bezeichnete Bolle des hygienischen Beirats bei
der Mehrzahl der öffentlichen Wasseryersorgangsanlagen über*
tragen, so wird er sich nicht mit der bloßen Besichtignng der
An^e begnügen können. Wenn anch die hohe Bedentong dieser
Inaugenscheinnahme jedem praktischen Hygieniker klar ist, so
läßt es sich anderseits doch anch nicht yerkennen, daß die
mittel der bakteriologischen und chemischen Untersnehnng des
Wassers bei Neuanlagen überhaupt nicht entbehrt werden können
und für eine geordnete, regelmäßige Beaufsichtigung eines öffent¬
lichen Wasserwerkes durch einen Hygieniker als ein integrieren¬
der Bestand dieser werden angesehen werden müssen.
Bei der Besprechung des genannten Erlasses im Verein
der Medizinalbeamten des Begierungsbezirks Merseburg wurde
denn auch bald die Frage nach einer für die genannten Zwecke
braachbaren Zusammenstellung der Utensilien lür die bakteriolo¬
gische und chemischen Untersuchung laut. Es gibt yerschiedene
sogenannte Wasseruntersnehungskästen für die bakteriologische
und auch solche für die chemische Untersuchung; aber bisher
bestand — soweit ich das in Erfahrung bringen konnte — noch
kein Kasten, der in sich alles Notwendige sowohl für die bak¬
teriologische, als auch chemische Untersuchung beherbergte.
Für £e Handlichkeit und Billigkeit mußte aber ein sol^er
Kasten wesentliche Vorteile haben; denn es maßte der Gesamtpreis
für alles erforderliche ein wesentlich geringerer werden, da yer¬
schiedene Gegenstände sich für beide Untersuchnngsarten gleich¬
zeitig benutzen lassen. Es kostet z. B. der bakteriologische
Wasserkasten nach Geh. Bat Kirchner 220,00 M. und der che¬
mische nach Prof. Schreiber 60,00 M. Diese immerhin erheb¬
lichen Ausgaben berechtigten gewiß dazu, Ausschau nach etwas
Billigerem und dabei Ausreichendem zu halten.
Ich habe deshalb — auf Wunsch der Herren Kollegen des
hiesigen Bezirks — bei der Fii’ma F. u. M. Lautenschläger-
Berlin N 39, Chausseestraße 92 einen solchen bakteriologisch-
chemischen Wasserkasten zusammenstellen lassen, der dort für
den Preis yon 98,50 M. zu haben ist und alles Notwendige ent¬
hält. Der yerhältnismäßig sehr niedrige Preis ließ sich auch
noch besonders dadurch ermöglichen, daß alles nicht unbedingt
Erforderliche und alle teueren Materialien yermieden worden.
Ein bakteriologisch •chemischer Wasserkasten.
543
Schließlich wurde bei der Auswahl der ütensilien noch besonders
darauf Rücksicht genommen, daß die Sterilisierung lediglich mit
trockener Hitze sich erreichen läßt, wie sie jedem, der auch kein
Gas hat, in seinem Bratofen in genügender Höhe zur Verfügung
steht. 150*^ sind hier stets zu erhalten; Istttndiges Sterilisieren
bei dieser Temperatur genügt. Allerdings wird man jedesmal
die Temperatur genau kontrollieren müssen.
Der chemische Wasserkasten nach Prof. Schreiber mit
den Tabletten von Merck, der in der Nr. 1, Jahrgang 1908
der Zeitschrift für Medizinalbeamte eingehend beschrieben ist,
dürfte in seiner Art das Zweckmäßigste darstellen, daß wir für
unsere Zwecke für die chemische Untersuchung haben. Ich habe
deshalb für den chemischen Teil des Kastens die von Prof.
Schreiber in der genannten Nummer der Zeitschrift für Medi¬
zinalbeamte beschriebenen Tabletten nach E. Merck-Darmstadt
verwendet. Die Utensilien habe ich auch hier auf das Notwen¬
digste beschränkt und nur das ergänzt, was nicht bereits vom
bakteriologischen Teil zur Verfügung steht. Ich möchte hier
noch ausdrücklich betonen, daß es sich bei dem chemischen Teil
des WasseruntersQchangskastens um nichts weiter handelt, als
gewissermaßen um den genannten Schreiberschen chemischen
Wasserkasten, der mit einem bakteriologischen in einen einzigen
vereinigt ist. Zur chemischen Analyse wird demnach die An¬
leitung von Prof. Schreiber und Dr. Eint (E. Merck in
Darmstadt) benutzt werden müssen.
Der bakteriologische Teil des Kastens ist für 2 Unter¬
suchungen berechnet und enthält folgendes:
12 Böhrchen mit Gelatine and Gammikappen,
544
Kleinere Mitteilnngen ond Befente ans Zeiteohriften.
2 ErlenmeyerkSlbehen sn 100 g Ktr die WMaerentnahme,
1 IHefentnahmeapparat nach Bonx, mit einem Erg&nzongikOlbehen;
diene KOlbehen können Ton Lantenschliger jeweilig bezogen werden,
1 gnt TerecblieBbarer Spiritnebrenner mit DraUmetz and einem Rmaille-
tOpfohen,
1 Thermometer,
4 gradoierte Pipetten za 0,6 ccm, eingestellt in 10 Teile,
2 BlechbOcbsen mit Je 6 Petrischalen,
1 Handtach zam Kühlen der gegossenen Platten im Sonuner. Die
Platten werden aof das in kaltes Wasser getaochte and ansgehrdtete Hand«
tnch gestdlt Es entwickelt sich znr Erstarrong der Gelatine genügend KUte.
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. OnrlohtUoh« Mndlsiii.
Eine mene ehemische Blatprobe. Von DelOarde and A. Benoit.
Comptes rendos de la soc. de biol.; LXIV. 1008, Nr. 20.
Die Antoren empfehlen die Anwendung des Ton Meyer «München 19<M
angegebenen Beagens zur Prüfung auf Blot, das bereits vorher von Kastle
and Scheede zam Nachweis von Ozydgasen angewandt worden war.
In einem Erlenmeyersehen KOlbchen wird eine Mischung von 2 g
PhenolphtalOin, 20 g KiO, gelOst in 100 g destilliertem Wasser, and
10 g Zinkstaub zam Sieden gebracht. Die Hischang ist anfangs rot, entfirbt
sich allmählich anter dem Einflasse des darch die Einwirkong von Kalilaoge
auf Zinkstanb entstehenden naszierenden Wasserstoffs. Wenn die vollkommene
Entfärbong erzielt ist, filtriert man die siedende Flüssigkeit Die so erhaltene
alkalische LOsong von Phenolphtalin, die darch Bedoktion des Phenol-
S htalelns entstanden ist, stellt das Meyer sehe Beagens dar. Setzt man
em Fläschchen eine kleine Menge Zinkstanb hinza, so hält sich die LOsong lange.
Zar üntersachong aof Blat gibt man in ein Beagensglas 2 ccm der zu
untersachenden Flüssigkeit, 1 ccm des Beagens, and lügt 2 oder S Tropfen
frischen Wasserstoffsaperoz^ds hinza.
Bei Anwesenheit der geringsten Blatsparen nimmt die Flüssigkeit sofort
fachsinrote Färbung an, deren Stärke nach der Menge des in der nntersuohten
Flüssigkeit enthaltenen Blotes variiert. Gleichzeitig entsteht ein Schaum, der
sidb rosa färbt. — Durch die Zersetzong des Htöt durch das Hämoglobin
des Blutes geht die ungefärbte Verbindung von oxydiertem Phenolphtalin in
Phenolphtaleiu über und die alkalische Mischung nimmt ^e Botfärbung dieses
Körpers an. Das Blut spielt bei der Beaktion die Bolle eines indirdet oxy«
dierenden Fermentes, das unfähig ist, direkt den Sauerstoff zu fixieren und
gezwungen ist, diesen KOrper dem 0reichen H>Oi zu entnehmen.
Die zu untersuchende Flüssigkeit darf nicht etwa durch einen Gehalt
an Säure das Beagens neutralisieren; sie darf ferner nicht über 26* warm sein.
Die Beaktion muß sofort eintreten; jede Färbung, die erst nach einigen
Standen eintritt, ist ohne Wert, da sie nur beweist, daS die Mischang darch
die Luft oxydiert worden ist.
Das Beagens ist feiner als die Gaajaktinktor und Barbaloin;*) in der
Verdünnung 1 : 1 Million zeigt Blut noch eine Bosafärbung des Bei^^ens,
während spektroskopisch die charakteristischen Haemoglobinstreifen mit so
verdünntem Blut nicht erhalten werden.
Das Haemoglobin braucht nicht unverändert zu sein; alle Derivate des
Haemoglobins, das Methaeglobin, das salzsaure Hamnatin, das redozierte
Haemoglobin, getrocknetes oder gefaultes Blut verhalten sich dem Beagens
gegenüber, wie frisches Blut. Auch nach Kalzinierung des Blutes und Be¬
handlung der Asche mit dem Meyer sehen Beagens tritt sofort die charak¬
teristische Botfärbung ein. — Mit einem Schädel, der 26 Jahre lang im
Laboratorium für gerichtiche Medizin der Fakultät von Lille aalbewahrt war
und der Blutflecken zeigte, konnten die Verfasser eine eindentige Beaktion
erhalten. Dr. Mayer-Simmem.
*) Vergl. J. Moitessier: üeber die Bolle der Peroxydase beiden mit
dem Blute erhaltenes Farbenreaktionen. Zeitschr. f. Med.-Beamte; 1906, S. 45.
I
E^leinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften.
545
Ueber die ehemtgehe Prflfdngr avf Blat ln den organlgehen Sekreten.
Von Del6arde und Benoit. Comptes rendns de la soc. de biol.: 190B,
Bd. LXIV, Nr. 21.
Bei ünteisnchnng anl Blat in organischen Flttssigkeiten mittelst
des Meyer sehen Reagens kommt es darauf an, sich gegen eine Einwirkung
der yerschiedeneu organischen Fermente, die sie enthalten können, zu schtttzen.
Blutflecken: Boi gerichtlich medizinischen Untersuchungen auf Blut
nimmt man den verdächtigen Fieck mit destilliertem Wasser auf und wendet
die Meyersehe Reaktion in einem Reagensglase an. Eine direkte Unter«
Buchung des Blutes auf dem Substrat des Fleckes bietet dem Reagens eine
zu große Ozydationsfläche dar und empfiehlt sich daher nicht.
Harn: 2 ccm Harn, 1 ccm Reagens und 2—3 Tropfen HiOa werden
gemischt. Beim Auftreten einer Rosaiärbung darf man auf Biutgehalt schließen.
Holz, Tannin, Chlorophyle, Brot, Papier, verschiedene Gewebe, Erde sind
gegenüber dem Reagens indifferent.
Bei Untersuchung organischer Substanzen auf Blut — etwa Getreide«
mehl — empfehlen die Verfasser, vorher durch Erhitzen die organischen Fer«
mente zu zerstören, die auf das Reagens wirken können.
Eiweiß, Gallenpigmente, Urobilin, Glukose, Harnsäure, Urate, Phos«
phate, Indikan, Azeton, Eiter des Harns wirken auf das Reagens nicht,
ebensowenig Medikamente, die man im Harne finden kann, wie Salizylsäure,
Antipyrin, Jodide, Bromide. Dr. Mayer«Simmern.
Die Erkennung des Todes dureh Ertrinken mittels BlntkSrperehen«
ilhlnng. Von L. Vorderenu. Bevista de dencias medicas de Barcelona;
1908, Nr. 2.
Mit Hilfe der Blutkörperchenzählung läßt sich ermitteln, ob Tod durch
Ertrinken vorliegt oder nicht. Das linke Herz ertränkter Tiere enthält pro
Kubikzentimeter weniger Blutkörperchen als das rechte. Die hämolytische
Wirkung anisotoniacher Ertränknngsfliissigkeit stört die Verwertung des Unter«
snehungsergebnisses nicht, da die Verminderung der Blutkörperchenzahl in
jedem Falle von dem Uebertritt des Wassers in das Blut herrtlihrt. Nur muß
man sich gegenwärtig halten, daß die Verminderung der Blutkörperchenzahl
größer ist, als der Verdünnung des Blutes entspricht.
Verdereau experimentierte an 23 Hunden und Kaninchen, die teils in
Süß Wasser, teils in Meerwasser ertränkt wurden. Die Obduktion fand meist
sofort, in wenigen Fällen später (bis zu 30 Standen) statt. Das linke Herz
der in Sttßwasser ertränkten Tiere enthielt pro Kubikzentimeter 2 268(KX) bis
4 760 (XX), das rechte Herz 6320000 bis 112Ö0000 Biutkörper. Tiere, die in
Meerwasser ertränkt waren, zeigten keine so ausgesprochene Verminderung der
Blutzellen (linkes Herz 6 070 (XX) bis 6630000, rechtes Herz 7400000 bis
8160000). Verfasser nimmt an, daß die hämolytische Wirkung des Meer«
Wassers weniger kräftig ist, als die des Süßwassers, doch dürfte auch die
stärkere Transsudation von Serum aus den Kapillaren in die Alveolen, welche
das Eindringen von Meerwasser in die Luftwege zu begleiten pflegt und zu
starkem Lungenödem führt, in Betracht kommen. Auch in den Fällen, in
denen eine isotonisebe Flüssigkeit (Lockesche Flüssigkeit) als Ertränkungs«
medium diente, war der Blutkörperchengehalt des linken Herzens vermindert
(linkes Herz 6 360 (XX) bis 5900000, rechtes Herz 77200(X) bis 8020 (XX)).
Wurde das Wasser nicht auf dem Wege der Lungenkapillaren, sondern durch
Einspritzen in die V. Jugularis in die Blutbahn gebracht, so ergab sich bei der
Obduktion, daß im Gegensatz zum Ertriukaogsbeland das Blut des rechten
Herzens mehr verdünnt war. Durch bloßes Eintauchen der Leiche in Wasser
wurde eine Blatverdünnung nicht herbeigeführt. — Hinsichtlich der praktischen
Verwertung der Blutkörperchenzählung hat Referent a. a. 0. (Zeitschrift für
Medizinalbeamte; 1907, H. 10) darauf hingowiesen, daß nicht immer ganz zu«
verlässige Werte erhalten werden, da die postmortale Eindickung und Ge«
rinnselbudung mitunter große Unterschiede in der Zusammensetzung des Blutes
beider Herzhälften schafft. Dr. Revenstorf -Hamburg.
64«
Kleinere Kitteilnngen nnd Referate ans Zeiteohriften.
Nene Unteranehnngen Uber die Bednktien des Ozyhaemoglobins mwh
dem Tode. Von Jean Gantrelet nnd Pierre Lande. Bäonion biolo^qne
de Bordeanz. (Ans den Laboratorien für Physiologie nnd gerichtliche Med^in).
Oomptes rendns de la soc. de biol.; 1908, Bd. L^V, Nr. 21.
Die Versuche der Verfasser *) ergaben:
1. Die Zeit, innerhalb deren das Ozyhaemoglobin reduziert wird, schwankt
sehr. Das Verschwinden des Ozyhaemoglobins in einem beschränkten Zeitraum
darf daher nicht als sicheres Todeszeichen angesehen werden.
2. ln allen Fällen, in denen das Herz als nltimum moriens nach der
Atmung stille steht (Erstickungen, Vergiftung durch Strychnin, durch Blau>
säure), findet eine Verteilung im Kreislauf derart statt, daß im 1. und im
r. Herzen die Reduktion des Blutes etwa gleichzeitig vor sich geht.
8. Haematoskopisch lassen sich in bezug auf die Dauer der Reduktion
die Todesarten in 2 Gruppen teilen: die Asphyxien und die Nicht-Asphyzien.
4. Bei den letzteren zeigt sich das Reduktionsvermögen der toten Gewebe
gegenüber dem Blute erst innerhalb längerer Zeiträume.
Einige Versuche seien erwähnt: Strychninvergiftung beim Kaninchen.
Es treten Nackenstarre, allgemeiner Staarkrampf, Zuckungen ein. Tod nach
8 lünuten. Nach Eröffnung des Brustkorbs: Kontraktion der Arterien und der
Ventrikel, AUorhythmie. Nach 7 Minuten ist das Haemoglobin des Blutes im
rechten Herzen, nach 10 Minuten im linken Herzen ganz reduziert. — Ein
anderer Versuch: Tod durch Chloroforminhalation; bei Eröffnung des Thoraz
des Kaninchens einige fibrilläre Herzkontraktionen. Das venöse Blut ist in
85 Minuten, das arterielle erst nach 6 Stunden reduziert.
Tod durch Erfrieren innerhalb einer Stunde: Die Tiere sterben unter
dyspnoischen Erscheinungen. Das venöse Blut ist in 4 Stunden reduziert, das
arterielle noch nicht nadi 6 Stunden.
Der Tod eines Kaninchens in siedendem Wasser fand innerhalb
80 Sekunden statt — der Kopf war außerhalb der Flüssigkeit gehalten worden.
In weniger als 5 Minuten war arterielles und venöses Blut ganz reduziert.
_ Dr. Mayer*8immern.
Ueber einen Fall von Vei^ftung nach Formamlnttabletten. Von Dr.
Glaser-Lippehne. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 26.
Verfasser berichtet einen ähnlichen Fall, wie seiner Zeit R o t e r s. Nach
Genuß von 2 Formaminttabletten stellten sich nach ca. 4 Stunden zwei mark*
stückgroße Quaddeln am Halse ein, die heftiges Jucken verursachten. Es
bildeten sich dann während der Nacht noch mehr Quaddeln nnd am anderen
Tage traten Kopfschmerzen, Uebelkeit nnd Erbrechen hinzu. Patient bot dann
das BUd einer schweren Urticaria. Der ganze Körper, von Stirn und Augen*
Uder bis zu den Fußsohlen, war mit zahllosen Quaddeln bedeckt, die einen
unerträglichen Juckreiz austtbten. Außerdem bestanden heftige Kopfschmerzen,
Appetitlosigkeit und Erbrechen. Kein Fieber; Urin eiweißfrei. Der Zustand
dauerte acht Tage. Patient gab an, daß er 3 Wochen vorher nach Genuß nur
einer Formaninttablette auch vereinzelte juckende Quaddeln bekommen habe;
sonst hat er noch nie an Urticaria gelitten, so daß der oben goschUderte
Symptomenkomplez wohl auf eine tozische Wirkung der Formaminttabletten
zurückgeführt werden muß. _ Bpd.
Vergiftung oder Idiosynkrasie mit besonderer Berttckslcbtigung des
Formamints. Von San.-Rat Dr. Rosenberg*Berlin. Medizinische ERnik;
1908, Nr. 28.
Verfasser, der seinerzeit das Formamint in den deutschen Arzneischatz
eingeführt hat, wendet sich gegen den von Dr. Glaser-Lippehne in Nr. 25
der medizinischen Klinik veröffentlichten Fall von angeblicher Formamint*
Vergiftung, bei dem es sich doch um einen offensichtlichen Fall von Idio*
synkrasie handele. Das sei aber nie eine Vergiftung; das seien Erscheinungen,
dde lediglich Folgen einer individneUen abnormen Reaktion des Organismus
seien, aber nie Nebenerscheinungen des betreffenden Präparates. Wenn jemand
Verkanfsbesebränkungen bei einem Mittel verlange, von dem bei manchen
Vergl. Zeitschrift f. Med.*Beamte; 1908, S. 869.
E^leinere Mitteilangen and Kel'erate ans Zeitschriften.
647
Menschen solche IdiosTnkrasien hervorgerafen seien, so mflsse er auch ein
Verbot der freien Abgabe mancher Qenoßmittel, wie Erdbeeren, Krebse nsw.
verlangen. Er geht dann noch näher anf den indifferenten Charakter des
Formamints ein, der durch die Tierversnche wie daich Erfahrungen und Vor*
kommnisse in der Praxis deutlich erwiesen sei. Bpd.
Ueher den Tod durch Stun aus der Hdhe« Von Dr. Camillo Tovo
Assistent am Institut ftlr gerichtl. Medisin der Universität zu Turin (Prof
Carrara). Vierteijahrsschr. Ittr gerichtl. Medizin usw.; 8. F., KXXV, H. 2
Aul Grund der in der Literatur niedergelegten und mehrerer eigenen
Beobachtungen werden die in Betracht kommenden Verhältnisse und Ver¬
letzungen mit Bticksicht auf die Fragen abgehandelt: 1. Ist der Tod durch
Sturz aus der Hohe erfolgt? 2. Fand der Sturz vor oder nach dem Tode
statt? 3. Liegt Mord, Selbstmord oder Unfall vor?
Zn 1. hebt Verfasser die nahezu regelmäßigen zahlreichen Knochenver¬
letzungen hervor, die diese Todesart vor anderen, durch stumpfe Gewalt er¬
folgenden auszeichnen, ferner einige auf Muskelwirknng zurttckzuftthrende
Verletzungen.
Zu 2. sind außer den allgemeinen Kennzeichen vitaler oder postmortaler
VeHetzungen auch einige Erfa&utagen ttber die Häufigkeit, Form und Lokali¬
sation der Knochen- und Organverletzungen beim Sturz des Lebenden oder der
Leiche heranzuziehen.
Zu 3. wird besonders darauf aufmerksam gemacht, daß beim Selbstmord
gegenüber dem Unfall der Sturz auf die unteren Gliedmaßen überwiegen und
daß dadurch ein charakteristischer Komplex von Verletzungen entstehen soll.
Ferner sprechen indirekte Verletzungen der Knochen und Weichteile, die auf
Muskelzug beruhen, für Selbstmord.
Alle Einzelheiten sind Im Original einzusehen.
Dr. Fraenckel-Berlin.
Zwei Gutachten als Beitrag au der Frage Selbstmord oder Unfall.
Von Pref. Dr. E. Giese-Jena. 'Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin
uzw.; 3. F., XXXV., 2.
Ein auf der Jagd pldtzlich verstorbener Mann zeigte eine Nahschuß-
wunde an der linken Schläfe, deren Znstandekommen von den zwei Gutachtern,
dem Fachmann in Schießangelegenheiten, einem Oberförster, und dem Verfasser
als Gerichtsarzt. verschieden gedeutet wird. Während der erstere, wesentlich
auf Hypothesen und psychologische Setrachtnngen gestützt, einen Unfall an¬
nimmt, gelangt der Verfasser auf Grand des Tatsachenmaterials zu der Wahr¬
scheinlichkeit eines Selbstmordes. Diese Tatsachen sind: Lage der Einschuß-
üffnung in der Schläfengegend, die Bichtang des Schosses, eine Verletzung am
linken Daumen, ungefähr zwischen Grund- and Endglied, die durch den etwas
scharfrandigen Gewehrabzng leicht zu erklären ist, und schließlich der Um¬
stand, daß die Mütze hernntergefallen war, während bezeugt wurde, daß sie
kurz vorher fest über den Kopf gezogen war.
Nach dem Tode wurden in der Tat auch Verhältnisse dbs Verstorbenen
bekannt, die die bis dahin fehlenden Motive zum Selbstmord lieferten.
Dr. Fränkel-Berlin.
Zur Kenntnis der kongenitalen Hantdefekte am Kopfe des Neu¬
geborenen. Von Baimund Keller, Medizinalpraktikant. Aus dem patho¬
logischen Institute in Straßbarg. Direktor Prof. Dr. ChiarL Vierteljabrs-
Bchrift für gerichtl. Medizin usw.; 8. F., XXXV, H. 2.
Die nicht so ganz seltenen angeborenen Hantdefekte der Neugeborenen
bieten dem Gerichtsarzt die Aufgabe, sie von solchen zu unterscheiden, die
durdi kriminelle Eingriffe hervorgerufen werden. Die vorliegende Arbeit
bringt hierzu einen schätzenswerten Beitrag, indem sie alles bisher über diese
Erkrankungsform Bekannte zusammenstellt unter Wiedergabe aller bisher ver¬
öffentlichten Abbildungen. Ein Fall, den der Verfasser selbst untersuchen
konnte, betraf den 9 Monate alten Fötus einer 24 jährigen, an Endometritis
Iddenden Frau. Der Hautdefekt saß, wie in der Mehrzahl der Fälle auf dem
Scheitel, mitten über der Pfeilnaht nodi in die hintere Ecke der großen
648
Kleinere lUtteilnngen and Referate ans Zeitachiiften.
Fontanelle hineinreichend, war rundlich und einen qcm groß. Br war m
einem etwa 1—2 mm breitem Saum amgeben, der aarch eine scharfe Sinne
yon der amgebenden Haut getrennt war. Die ganze Stelle war bei makro¬
skopischer Betrachtung im Gegensatz zum übrigen Kopfe yoUkommen haarig
Die histologische üntersachang stellte yoUständiges Fehlen der Epidermis im
Bereich des Defektes fest, ebenso den Mangel yon Drüsen und yon subkatanem
Fettgewebe, wie dies der gewöhnliche Befand za sein pflegt. Ferner ergaben
sich Gefäßerweiterangen, Sandzelleninfiltration and Blutpigment führende
Wanderzellen. Am aaffälligsten war das bisher nie beobachtete Vorhandensein
gat entwickelter Haare, au denen sich jedoch niemals die Kerne and Zellen
der Warzelscheidon and Haarpapillcn nach weisen ließen. Auf Grand dieser
Befände erörtert der Verfasser die matmaßlicho Entstehung der Anomalie. Die
neaerdings überwiegende Anschauung führt sie aaf amniotische Verwachsungen
zurück, yon denen man frühzeitige, im Beginn der Schwangerschaft entstehende
und entzündliche, in jeder Graviditätsperiode mögliche, unterscheiden muß.
Hier könnte es sich wegen der gut entwickelten Haare nur um eine nach dem
4. Monat entstandene Verwachsung handeln, die mit der Endometritis zn er¬
klären wäre. Die zweite Möglichkeit, Entstehung durch Druck yom Uteros
her, kann aber nicht abgelehnt werden. Dagegen schließt Verfasser ein Trauma
yon außen (etwa kriminelle Absicht) aus, weil der Befand makroskopisch alle
Eigenschaften der angeborenen Defekte bat and die tieferen Verletzungen,
namentlich der Knochen, die man bei Traumen gewöhnlich sieht, fehlen. Die
mikroskopische Untersagung allein gestattet in diesem Falle keine sichere
Unterscheidong. Dr. P. Fraenckel-Berlin.
B. Oerlohtllolie PsyoU&trle.
Ueber einen Fall yon hysterischem Dämmerznstand mit retrograder
Anuesle. Von Dr. Math!cs. Aus der Irrenanstalt Dalldorf. Allgemeine
Zeitschrift für Psychiatrie; 65. Baud, 2. Heft.
Verfasser berichtet über eine am Ende des dritten Jahrzehnts stehende
Frau, die in yerworrenem Zustande in die Anstalt cingeliefert wurde, nachdem
sie zuvor vorsnebt hatte, sich das Leben zu nehmen, ln der Anstalt wurde
ein Dämmerzustand festgestellt. Hach Ablauf des Paroxysmus zeigte sieb,
daß sie sich nicht allein auf die Vorgänge, welche ihrer Aufnahme in die
Anstalt yoraufgingen, nicht besinnen konnte, sondern einen Erinnerangsdefekt
hatte, der sich fast auf ihre ganze Vergangenheit erstreckte. Da die Patienten
über ihre Persönlichkeit keine brauchbaren Angaben machen konnte, mußte
sie in Akten und Journalen als „unbekannte Frau“ geführt werden. Einzelne
Vorstellungen und Vorstellungskompleze aus früheren Zeiten ihres Lebens
waren yorhanden, die auch in der Folge ziemlich unverändert bestehen blieben.
Bei allen Explorationen und wiederholt vorgekommenen HypnoUsiorungen
kam man hinsichtlich der Feststellung von Namen und Herkunft nur bis za
einer gewissen Grenze; ihr Verhalten erweckte den Verdacht, daß Patientin
absichtlich bemüht wäre, ihre Personalien zu verheimlichen. Im Jahre 1903
wurde die Kranke in Familienpflege gegeben, und im Sommer y. J. unternahm
sie eine Reise nach Danzig, die insofern yon Erfolg begleitet war, als es
gelang, Persönlichkeiten ausfindig za machen, mit deren Hilfe sie dann schlie߬
lich identifiziert wurde. Patientin zog nun für einige Zeit za den bei Berlin
wohnenden Verwandten, und durch den ständigen Verkehr mit ihnen warde
die Erinnerung für die Vergangenheit zum großen Teil wieder wachgeroien.
Der im Verlauf der weiteren Anstaltsbehandlung konstant bleibende
Erinnerangsdefekt umfaßte im wesentlichen die Zeit vom Ende des Jahres 1901
bis zum 6. Juli 1902, jedoch waren auch ans früheren Jahren noch einzelne
Lücken vorhanden. Bei der Sensibiiitätsprüfung zeigte sich anhaltend Anästhesie
des ganzen linken Armes, außerdem der linken Brust- and Baachhälfte, wobei
die Grenze direkt in der Mittellinie verlief. Da an der hysterischen Katar
der fcstgestellten Symptome nicht zu zweifeln war, Patientin anderseits niemals
Zeichen einer organischen Hirnerkrankung geboten, niemals Krämpfe oder
Schwindelanfälle gezeigt hatte, mußte auch der damalige Dämmerzustand wie
die Amnesie als hysterisch auf gefaßt werden. Dr. Többen-Münster.
Kleinere Mitteilangen nnd Referate aus Zeitsohriften.
549
Die Erwartnn^nearose. Von Dr. Max Isaerlin, Assistent der
psychiatrischen Klinik in München. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 27.
Ans Erfahrung wissen wir, daß „die Erwartung irgendeines Ereignisses
eine allmählich wachsende innere Spannung erzeugt, die sich einmal in ge¬
wissen Trugwahrnchmungen, anderseits aber in allerlei Bewegungsantrieben
äußert. Ist das bevorstehende Ereignis ein unangenehmes, so können die Vor-
empftndungen äußerst peinigende und selbst schmerzhafte werden. Zugleich
wird die Sicherheit des Handelns auf das empöndlicbsto beeinträchtigt."
Ein ganz ähnliches, nur krankhaft vergrößertes und verzerrtes Bild, wie
diese schon im Bereiche des normalen Lebens anzutreffenden Phänomene bietet
nach Kraepelin die Erwartunganeurose. „Die krankhafte Entwicklung voll¬
zieht sich hier dadurch, daß die peinlichen Störungen nicht bei einem einmaligen,
besonderen Anlaß auftreten, sondern daß sie sich an Vorgänge heften, die sich
allmählich immer wieder vollziehen. Dadurch entsteht eine sich fortwährend
steigernde und so allmählich zu ganz außerordentlichen Graden anwachsende
Erwartungsangst, welche die gesamte Lebensführung in der nachhaltigsten
Weise beherrschen kann." Es folgen nun mehrere Beispiele.
Aetiologisch handelt es sich zweifellos um psychogene Störungen. Es
sind Vorstellungen und Erwartuogsbeängstiguogen, welche die krankhaften
Erscheinungen bedingen. Und der letzte Grund der Erkrankung liegt in einer
psychopathischen Veranlagung, welche bisweilen ganze Familien kennzeichnet.
Die Kranken sind meistens erblich belastete Persönlichkeiten, deren Wesen oft
durch übertriebene Aengstlichkeit und Zaghaftigkeit ausgezeichnet ist. Als
Veranlassungen lassen sich bestimmte Erlebnisse, welche die Störung irgend¬
einer Funktion mit sich brachten, häufig nachweisen..
Schließlich erörtert Verfasser noch die Beziehungen der Krankheit za
Hysterie, Neurasthenie, Phobien, Unfallhysterie etc., und betont, wie wichtig
die richtige Erfassung der Erkrankung für die Behandlung ist. Wird die
Natur der Krankheit verkannt, so bedeuten die Heilversuche gewöhnlich nur
Steigerung der Beschwerden, während planmäßige psychische Behandlung durch
Hypnose selbst in sehr schweren Fällen zum Ziele führt.
_ Dr. W a i b e 1 - Kempten.
Ueber psychische StSruigen im Kindesalter. Von Privatdozent Dr.
A. Schttller-Wien. Zeitschrift für die Erforschung des jugendlichen Schwach¬
sinns; Bd. II, H. 8.
Verfasser teilt 3 Fälle mit, die wegen ihrer Seltenheit von Interesse sind:
1. Ein Knabe, der seit seinem 1. Lebensjahr an einer rechtsseitigen
Hemiplegie litt, entwickelte sich geistig ziemlich gut. Im 10. Jahre traten
epileptische Insulte (petit mal) vom Charakter der Jacksonscheu Epilepsie
Seit dieser Zeit hat sich auch das Wesen des Kindes verändert; es handelt
sich um fiiguc-ähnliche Zustande. Es ist eine Heerderkrankung (vielleicht
eine porenkephaliscbe Cyste) der linken Großhirn-Hemisphäre vorhanden; im
Anschluß daran kam es zur Epilepsie.
2. Bei dem zweiten Kinde handelt es sich um ein sogenanntes „Fett-
kind", bei dem eine seit frühester Kindheit vorhandene abnorme Fettsucht,
mangelhafte Entwicklung des Genitale und infantile Psyche festgestellt wurden.
Scbilddrüsentherapie ohne Erfolg.
3. Ein etwas schwächlicher, 6*/i Jahre alter Knabe ohne körperliche
Anomalien — seit 1 Jahr erkrankt — zeigte eine eigentümliche Haltung,
lächelnden Gesichtsausdruck, tonlose Artikulationsbewegungen mit den Lippen,
flechtende Bewegungen mit den Händen; das Gehen bestand in einem eigen¬
tümlichen Hüpfen, absoluter Mutezismus, Unreinlicbkcit nnd Widerstand gegen
Nahrungsaufnahme. Einige Wochen später trat das Gegenteil ein; er wurde
sehr lebhaft, die Stimmung besserte sieb, die Sprache war noch etwas gestört.
Neuerdings ist eine erhebliche Besserung zu konstantieren. Verfasser hält die
fast 2 Jadtre dauernde Psychose für eine manische Depression.
_ Dr. Wolf-Marburg.
Die Ausbildung in der gertcbtlichen Psychiatrie. Von W. Weygandt.
Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 16.
Verfasser faßt seine höchst interessanten Ausführungen über die Aus¬
bildung in der gerichtlichen Psychiatrie in folgenden Leitsätze zusammen:
560
Kleinere Mittellnngen und Referate ans ZeitBehrifleo.
1. Die psychiatrische Prhfang mofi sich auch eingehend an! die ge¬
richtliche Psychiatrie erstrecken.
2. An jeder Üniversität müssen sowohl Vorlesungen, als auch praktische
Kurse über gerichtliche Psychiatrie gehalten werden.
3. Jeder Mediziner ist verpflichtet, Vorlesungen und Kurse über ge¬
richtliche Psychiatrie zu hören.
4. Jeder, der sich zur Physikatsprttfung und einem staatlichen Amt
meldet, mnß drei Monate in einer Irrenanstalt tätig gewesen sein.
5. Den Studierenden der Jurisprudenz ist der Besuch von Vorlesungen
und Kursen über gerichtliche Psychiatrie dringend zu empfehlen und mögli^t
zu erleichtern.
6. Die Ausbildung in der gerichtlichen Psychiatrie ist durch Fort¬
bildungskurse und durch kriminalistisch-psychiatrische Vereinigungen zu
fördern. Dr. Wa i b e 1-Kempten.
O. Saohwerzt&ndlg^ent&tlg^keit In Unfall- und Znvalldlt&tMaol&en.
Simulation einer Tastlflhmnng. Von Dr. Alb. Knapp, Privatdozent
in Döttingen. Deutsche mcd. Wochenschrift; 1908, Nr. 22.
Ein 63jähriger Mechaniker erlitt eine Fraktur des linken Scheitelbeins,
nach der sich eine kurzdauernde Sprachstörung, eine bald schwindende Parese
des rechten Armes und eine noch nach einem Jahre bestehende Störung des
Tastvermögens, ein gänzlicher Verlust des stereognostischen Sinnes in der
rechten Hand einstellte. Der Mann bezog daraufhin 60 % Rente. Nach weiteren
2 Jahren wollte der Mann die Rente erhöht haben und simnlierte zu diesem
Zwecke das Weiterbestehen der Tastempfiodungsstörung. In mühsamen häufigen
Untersuchungen konnte ihn En. der Simulation überführen, bei der jener z. B.
entgegen allgemeiner Erfahrung gar keinen Gebrauch von akustischen Ein¬
drücken (Klirren der zu begutachtenden Mctallstücke, Auffallen von Holz-
gegenstanden etc.) machte, bei der er aber vor allem trotz der anscheinend
großen Störung dos Raumsinnes eine Verkleinerung der Web ersehen Tast¬
kreise bei PrüSnng des jenem nächstverwandten Tastsinnes angab, während
eigentlich eine Vergrößerung der Tastkreise hätte bestehen müssen. Die
Kürzung der Rente auf 20—30**/« wurde empfohlen.
Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Ein Fall von Zerreissnng des Ductus thoraclous infolge von Brnst-
quetschnng. Von Dr. Oeken, Krankenhausarzt in Castrop i. W. Münchener
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 22.
Verfasser berichtet ausführlich über einen Fall, bei dem es sich um eine
durch Brustquetschung entstandene Verletzung des Ductus thoradcus and der
rechten Pleura ohne Nebenverletzungen des knöchernen Brustkorbes und der
übrigen Brustorgane handelte. Die Verletzung erfolgte bei dem 20jährigen
Bergmann dadurch, daß ihm aus geringer Höhe schwere Steinmassen auf den
Rücken fielen, wobei er derart verschüttet wurde, daß nur die obere Bmst-
partie, -^opf und Arme frei blieben. Der Verletzte starb 14 Tage nach dem
Unfälle*
Die Sektion ergab folgendes: Nach Eröffnung der Bauchhöhle sieht man
die re hte Zwerchfellhälfte den rechten Rippenbogen ca. 8 Querfinger breit
nach unten überragen, die Leber nach abwärts gedrängt und derart nach Hnln
verlagert, daß der sonst horizontal verlaufende untere Rand in vertikaler
Richtung die Mittellinie um 2 cm überragt. In der Bauchhöhle keine freie
Flüssigkeit. Die linke Zwerchfellkoppe steht in normaler Höbe. Ans der
eröffneten Brusthöhle bezw. aus dem rechten Brustfellraum werden ca. 6 Liter
einer milcbigschokoladcfarbigen Flüssigkeit entleert; die rechte Lunge ist bn
auf Faustgroße nach dem Hilus zu komprimiert. Rechts von der Wirbelsäule
und auf dem Zwerchfell mehrere Blutgerinnsel; nach Entfernung derselbm
sieht man direkt oberhalb des Zwerchfellansatzcs rechts von der Aorta in der
Pleura mediastinalis eine für einen dicken Bleistift durchgängige Oeffnnng, aus
der sich auf schiebenden Druck von unten her Milchsaft entleert. Rechts von
der Oeffnung verläuft die intakte Vena azygos. Der Ductus thoradcus ist von
Kleinere Mitteünngen nnd Referate ans Zeiteohriften.
651
der Oeffnang ans als einzelner Gang nicht anfznflnden, er besteht vielmehr
oberhalb nnd unterhalb derselben ans einem Geflecht feinster Lymphgefäße,
die schwer zn präparieren nnd zn isolieren sind. An den der Vorderflä^e der
Wirbel anliegenden Bändern nnd an den WirbelkOrpern selbst ist keine Spnr
einer Verletzung nachweisbar. Auch ist kein Eippenbrnch an Anden. Die
linke BrnstbSble enthält keinerlei Flüssigkeit. '
Bezüglich des Verletznngsmodns läßt sich vielleicht annehmen, daß die
ans geringer Höhe niedcrfallenden Steinmassen den Mann derart verschütteten,
daß Bauch nnd Brustkorb zusammengedrückt worden nnd derselbe nnr durch
stärkstes Hintttberbengen der Wirbelsäale atmen konnte; dadurch worden die
vor der Wirbelsäule liegenden Weichteile stark gespannt. Es kam hierzu die
durch CO s-Ansammlung angeregte, auf das stärkste angespannte Kontraktion
der Zwerchfellmnsknlatnr; durch letzteres erscheint der Eiß direkt oberhalb
des Zwerchfellansatzes einigermaßen plausibel, jedoch ganz klar nnr durch die
Annahme, daß an der zerrissenen Stelle eine nachher natürlich nicht mehr
nachweisbare abnorme Erweiterung (Cbylangiektasie) und Vorwölbnng des
Milchsaftganges bestand nnd demnach eine sog. pathologische Enptur vorläge.
_ Dr. Wai bei'Kempten.
Zwei Fälle von Lnngenerkranknng im Anschluss an einen Unfall«
Von Dr. Wilhelm Baumann in München nnd Dr. M. Groedel in Bad Nan«
heim. Deutsche med. Wochenschrift; 1908, Nr. 21.
Die Verfasser teilen zwei Fälle mit, die zwar selbst nicht Gegen¬
stand der Unfallbegutachtnng wurden, die aber für die Praxis derselben
recht lehrreich sind. Einmal handelte es sich um eine ausgedehnte rechts¬
seitige Pneumonie nach Sturz mit dem Eade beim gleichzeitigen Tragen
eines schweren Korbes auf dem Rücken; es trat sofort blutiges Sputum
unter starken Schmerzen auf. ln den ersten Tagen war der Verlauf sehr
stürmisch, jedoch ging die Krankheit in Genesung über. Im zweiten Falle
wurde ein kräftiger 20jäbriger Mann beim Eingen gegen die rechte
Brnstseite getroffen; er erkrankte sofort und zeigte das Bild einer rechts¬
seitigen Pneumonie. Nach 12 Tagen Exitus nach vorheriger heftiger HaemoptoS.
Die Autopsie bestätigte nicht die Pneumonie, sondern ergab neben Pleuritis
und Pericarditis eine Fraktur der rechten ersten Rippe mit epipleuralem, nach
abwärts nnd median verschobenem Haematom.
Dr. Liebetrau-Hagen L W.
Schenkelbrnch nnd Unfall. Entscheidung des Eeichsver
Sicherungsamts vom 2. März 1908. Kompaß; 1908, Nr. 14.
Nachprüfung des gesamten Sachverhalts hat das E.-V.-A. keinen Anlaß
gefunden, den Entscheidungen der Vorinstanzen entgegen zu treten. Auch die
Ausführungen des Klägers in der Eekursinstanz und das Ergebnis der Beweis¬
aufnahme konnten nicht zu einer abweichenden Stellungnahme führen, weil
dadurch die Gründe der Vorentscheidung in keiner Weise wiederlegt werden.
Dem vom Kläger beigebraebten Gutachten des Prof. Dr. Fi. insbesondere war
keine Bedeutung bcizulcgen, da die von diesem Arzte entwickelte Ansicht über
die Entstehung von Schenkelbrüchen mit der sonstigen wissenschaftlichen Er¬
fahrung, die von hervorragenden Aerzten, wie z. B. von dem Geheimen San.-
Bat Prof. Dr. Körte in Berlin in seinem in den Amtlichen Nachrichten des
B.-V.-A. 1903 Seite 616 veröffentlichten Gutachten bezeugt wird, in Wider¬
spruch steht. Nach der in der medizinischen Wissenschaft als richtig aner¬
kannten Erfahrung geht die Entstehung der Schenkelbrüche in der Regel ganz
allmählich vor sich, indem das Bauchfell an einer neben der Schenkelvene be¬
findlichen schwachen Stelle sich vorwölbt und so einen Brnchsack bildet, in
den dann Eingeweide eindringen. Die Entstehung eines Schenkelbruchs nach
Verletzung ist mit Rücksicht auf den anatomischen Bau des Schenkelkanals
noch sehr viel seltener als die traumatische Entstehung von Leistenbrüchen,
die bekanntermaßen ebenfalls zu den größten Seltenheiten gehört.
Im vorliegenden Falle war schon die Art der Verletzung nicht geeignet,
den in Rede stehenden Bruchschaden hervorzumfen. Nach der vom Zeugen
K. bestätigten Angabe des Klägers ist dieser ausgeglitten nnd auf die li^e
Hand nnd die linke Körperseite gefallen. Der Bruchschaden befindet sich
562
Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften.
dagegen auf der rechten vom Fall nicht betroffenen EOrperseite. Gegen die
Entstehung des Braches durch den Unfall spricht ferner, daß der Zenge K.
unmittelbar nach dem Falle des Klägers eine eigroße ErhQhong an der rechten
Eörperseite wahrgenommen hat. Würde das weiche Gewebe, welches für ge¬
wöhnlich die Lücke neben der Schenkelvene, den sogenannten Schenkelkanal
yerschließt, durch den Fall yerletzt und zerrissen worden sein, so bitte
im anmittelbaren Anschlaß an die Verletznng eine Heryorstülpnng des Baach¬
fells mit Nachdringen der Eingeweide nicht erfolgen können. Denn nach
wissenschaftlicher Erfabrang entwickelt sich diese Heryorwölbang des Baach¬
fells erst ganz allmählich, indem das Baachfeil, das an der betreffenden Stelle
seiner normalen Stütze beraubt ist, yorgedrängt wird and eine Art Sack
bildet, in den später Eingeweide eintreten. Das yom Zeugen E. sofort wahr¬
genommene Heryortreten des Braches spricht also gerade gegen die Entstehung
des Braches durch den Unfall. Dagegen spricht weiter, daß der Kläger, nach¬
dem er längere Zeit an der Arbeitsstelle antätig zagebracht hatte, imstande
gewesen ist, allein and ohne fremde Hilfe aas der Grube aaszufahren and in
die Behandlang des Dr. M. sich za begeben. Eine plötzliche gewaltsame
Entstehung des Braches würde mit schweren Krankheitserscheinungen, insbe¬
sondere nahezu anerträglichen Schmerzen und Entzündnngserscheinnngen yer-
banden gewesen sein, die dem Kläger jede körperliche Anstrengang unmöglich
gemacht und ihn auf die Inanspruchnahme fremder Unterstützung angewiesen
hätten, ln Uehercinstimmung hiermit steht die Tatsache, daß Dr. M. bei der
yon ihm noch am Unfalltagc yorgenommenen Untersachung des Klägers weder
Beiz- oder Entzundungserscheinungen, noch eine Geschwulst oder einen Brach
festgestellt hat. Dieses Fehlen jeglicher Geschwulst bei der ersten ärztlichen
Untersuchung erklärt sich yermutlich dadurch, daß der Kläger beim Aasfahren
aas der Grabe and beim Gehen die Hände gegen die schmerzende rechte
Körperseite gepreßt and dabei die von E. dort wahrgenommene Erhöhnng oder
Geschwulst, das heißt den Eingeweidebrueb in den Leib zurückgedrückt hat.
Das wäre dem Kläger nicht möglich gewesen, wenn es sich am einen plötzlich
darch gewaltsame Dehnung und Zerreißung des Bauchfells entstandenen Ein-
geweideaustritt gehandelt hätte. Bei der Aufnahme des Klägers in das
Enappschaftslazarett in Salzbach am Tage nach dem Unfälle fanden sich eben¬
falls keine Zeichen einer Verletzung an der rechten Bauchseite yor, wohl aber
zeigte sich dort der inzwischen wieder hervorgetretene Eingeweidebrach in
Gestalt einer etwa halbhühnereigroßen Anschwellung, über welcher die Haat
yöllig normale Beschaffenheit nnd Verschieblichkeit aufwies. Dr. J., in dessen
Behandlang der Kläger am 19. August 1906 trat, stellte ebenfalls einen
Schenkelbrach fest, welcher zwar Einklemmungserscheinungen erkennen ließ,
aber trotzdem yerhältnismäßig leicht sich zurttckbringen ließ.
Aaf Grund aller dieser Tatsachen and Erwägangen hat aach das
B.-V.-A. nicht die Ueberzeugung gewinnen können, daß der Unfall yom 10. Jali
1906 den rechtsseitigen Schenkolbruch des Klägers hervorgerufen hat, and daß
die yon Dr. J. am 19. August 1906 Vorgefundenen Einklemmangserscheinangen
mit jenem Fall des Klägers in ursächlichem Zusammenhang stehen. Das
B.-V.-A. ist vielmehr in Uehercinstimmung mit den Entscheidangen der Vor¬
instanzen der Auffassung, daß das Bruchleidcn des Klägers aas angeborener
oder anmerklich entstandener Anlage allmählich sich entwickelt hat and bei
dem Fall des Klägers am 10. Juli 1906 nach außen hin nur zufällig in die
Erscheinang getreten ist. Der Vorgang yom 10. Jali 1906 bildete somit nor
die Gelegenheit, nicht aber die Ursache für den Brachaastritt; er ist der
Anlaß nur für die Entdeckung, nicht für die Entstehung des Brachleidens
gewesen.
Verfahren nnd Kostenregelang bei Obduktion von Leichen Unfall¬
verletzter. Bescheid des Beichs-Versicherangsamtes vom
21. Mai 1908.
Maßgebend für das Vorgehen bei Leichenöffnungen gelegentlich einer
UnfaUontersachung ist im Königreiche Preaßen die Verfttgong der Minister
des Innern and für Handel and Gewerbe yom 3. Oktober 1903 —
(Ministerial-Blatt der ; Handels- and Gewerbeyerwaltang, Jahrgang 19C^,
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
653
S. 888).*) Nach dieser Verfttgnng haben die OrtspolizeibehOrden von Amts-
wegen die Frage nach der Notwendigkeit der Ansgrahnng und Oeffnnng der
Leiche eines Vemnglückten zu prüfen und erforderlichenfalls anf ihre Kosten
die Leichenöffnung herbeiznführen. Anf Ersuchen einer Berufsgenossenschaft
sind die Ortspolizeibehörden in jedem Falle verpflichtet, ohne weiteres die
Leichenöffnung in die Wege zu leiten; in diesem Falle hat die Berufsgenossen¬
schaft die entstandenen Kosten zu tragen. Im vorliegenden Falle hätte daher
allein die Frage zweifelhaft sein können, ob die Depesche der Bemfsgenossen-
sdiaft, in welcher die Leichenöffnung beantragt wnrde, als eine Anregung oder
ein Ersuchen anfznfassen war, d. h. ob die Kosten von der Ortspolizeibohörde
oder von der Berufsgenossenschaft zu tragen waren. Da die Berufsgenossen-
schaft ihre Kostenerstattungspfliebt jedoch anerkannt hat, so scheidet diese
Frage ans. Der Ortspolizeibehörde lag es ob, der Verfügung vom 3. Ok¬
tober 1903 entsprechend alles zu veranlassen, was zur ordnungsmäßigen Vor¬
nahme der Leichenöffnung erforderlich war. Insbesondere war von ihr der
E^reisarzt zu ersuchen, die Leichenöffnung vorznnehmen, ferner fcstznstellen,
ob die Unterbliebenen mit der Leichenöffnung einverstanden waren, endlich
ein Zeugnis des Kreisarztes darüber zu erfordern, ob der Ausgrabung sanitäts¬
polizeiliche Bedenken entgegenstanden. Die ihr dadurch erwachsenen Kosten
hatte sie von der Berufsgenossenschaft einzozieben.
Was die Gebührenberechn ung dos Kreisarztes anlangt, so kommt das
Gesetz vom 9. März 1872 und nicht die Preußische Gebührenordnung für
approbierte Aerzte und Zahnärzte vom 16. Mai 1896 zur Anwendung; denn
der Kreisarzt ist von der Ortspolizeibehörde mit der Leichenöffnung beauf¬
tragt. Für die Anwendung des § 3 des Gesetzes vom 9. März 1872 ist
nicht erforderlich, daß der Auftrag von der Vorgesetzten Dienstbehörde
erteilt ist; es genügt vielmehr jeder Auftrag eines Gerichts oder einer Behörde,
der das Recht auf Rechtshilfe zusteht.
Zweifelhaft könnte nur sein, ob man so weit gehen darf, anzuerkennen,
daß ein unmittelbares Ersuchen der Bernfsgeuossenschaft an den Kreisarzt
gleichfalls die Anwendung des Gesetzes vom 9. März 1872 bedingen würde.
Deim die Bernfsgenossenschaft ist keine eigentliche Behörde, wenn ihr auch
durch § 144 des Gewerbe-Unf.-Vers.-Ges. das Recht auf Rechtshilfe ver¬
liehen ist. Trotzdem wird man namentlich hinsichtlich der Gebühren für
Leichenöffnung die Frage bejahen müssen, da die Gebührenordnung vom
15. Mai 18% nur eine Gebühr für die Sektion einer Leiche „infolge Privat-
auftrags“ vorsieht, und die höhere Honorierung der privaten Leichenöffnung
ihren Grund darin hat, daß die im öffentlichen Interesse vorgenommene
Sektion einen Akt der Notwendigkeit, die private dagegen in der Regel einen
Akt des persönlichen Interesses von Privatpersonen darstellt. Die auf Grund
des Ersuchens einer Bernfsgenossenschaft vorzunehmende Leichenöffnung
bezweckt, Verhältnisse klar zu stellen, die im wesentlichen öffentlich-rechtlicher
Natur sind, und dient an sich nicht privaten Interessen.
Die Regelung der Kostenfrage kann unbedenklich in gleicher Weise wie
bisher erfolgen, wenn sich ans der unmittelbaren ZaMung der Kosten an die
Fordernngsberechtigten keine Zweifel ergeben. In Zweifelsfällen dagegen
empfiehlt es sich, die Kosten durch die Ortspolizeibehörde begleichen zu lassen
und dieser die verauslagten notwendigen Kosten zu erstatten.
D. Bakteriologie, Infekttonskrankheiten und fiffentliohee
Sanitätflweaen.
Bakteriologie, Infektionekrankhelten and andere Krankheiten.
Zur Dfagnose der Syphilis. Von Privatdozent Dr. Naegeli - Ackerblom
und Dr. Vernier. Therapeutische Monatshefte; 1908, Heft 4.
Die Verfasser weisen darauf hin, daß die Anwendung des Ultramikro-
skops (bei welchem der Ab besehe Kondensator durch das ultramikroskopische
Diapositiv ersetzt wird) eine schnelle Diagnose der Syphilis ermöglicht, im
Gegensatz zu den jetzt gebräuchlichen Methoden, die zum Nachweis der
*) Siehe Beilage za Nr. 22 der Zeitschrift, Jahrg. 1903, S. 286.
554
Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften.
Schandinnsehen Spiralen eine Terhältnismäßig lange Zeit erfordern. Bedient
man sich des Ed hl er sehen (bei Zeiß konstruierten) Mikroskopes fftr Ultra*
yiolettstrahlen, so kann man mit Leichtigkeit in den zu untersuchenden Flüssig*
keiten die Zusammensetzung der Filamente der Spir. pallida, die spindelförmigen
Zellen, die Stäbchen beobachten. Dr. Klare*Haina (Bez. Kassel).
Sind SjphlHs und FramhSsie rerschfedene Krankheiten. Von Prof. Dr.
Albert Neisscr. Archiv für Schiffs* und Tropenhygione; 1908, Bd. 12, Nr. 6.
N ei SS er hält Syphilis und Frambösie für vollkommen verschiedene
Krankheiten. Als beweisend führt N. seine Impfversuche an Affen an. Das
Bestehen der einen Krankheit schloß die Infektion mit der anderen nicht aus.
_ Dr. D o h r n - Hannover.
Vaceination against Plague. Von Prof. Dr. Strong*]fanilla. Archiv
für Schiffs* und Tropen • Hygiene; 1908, Bd. 12, H. 13.
Die Engländer haben gegen die Pest in Indien trotz aller Bemühungen
bisher nichts aasrichten können. Im Gegenteil brachte das letzte Jahr wieder
eine Epidemie, die die früheren an Umfang weit übertraf und über eine Million
Opfer an Menschenleben forderte. St. fordert, daß man mit den alten Systemen
der Pestbekämpfang aufhöre und mit Impfungen nach der von ihm angegebenen
Methode (mit abgeschwächten Kulturen) anfange. Die hierdurch bedingten
erheblichen Kosten würden durch den voraussichtlich günstigen Erfolg auf*
gewogen werden. Dr. D o h r n • Hannover.
Ekzema vacclnlcum. Von Dr. Paul Schenk, Berlin. Deutsche Medi*
zinalzeitung; 1908.
Seitdem Professor Blochmann sein eigenes ekzematöses Kind, auf das
Vaccine durch gelegentliche Berührung übertragen worden war, auf einem
Auge erblinden sah, hat man den ekzematösen ändern bei der Impfung größere
Aufmerksamkeit gewidmet. Voigt nimmt an, daß der Impfstoff, wenn er
auf Crusta lactea oder Ekzema madidans gelangt, größere Giftigkeit annimmt.
Bei Kindern, die vor der Impfung ein ausgedehntes Ekzem hatten, ist nach
der Impfung tödlicher Ausgang mehrfach beobachtet worden, und zwar stellte
sich eine allgemeine Postelbildong ein, oder dieselbe blieb auf die ekzema*
tösen Stellen beschränkt.
Wenn das Ekzem durch Deckverband geschützt und die Impfstellen
mit einem Schatzverband bedeckt werden, gelingt es, das Ekzema vacdnicum
zu verhüten. Trotzdem aber wird der Impfarzt gut tun, mit Ekzem behaftete
Kinder nicht zu impfen. Es entsprach einem dringenden Bedürfnis, daß der
Ministerial* Erlaß vom 2. November 1907 den Angehörigen der Erstimpflinge
entsprechende erweiterte Verhaltungsmaßregeln gab.
Dr. Holfmann*Berlin.
üeber die Behandlung der übertragbaren Genickstarre mit Menlnge«
kokkenhellsernm. Von Primarius Dr. V. Arnold*Lemberg. Zentralblatt
für innere Medizin; 1908, Nr. 17.
Verfasser teilt 8 Fälle von übertragbarer Genickstarre mit, die mit
Joch mann sehen Heilserum intralumbal behandelt worden waren; er ist der
Ansicht, daß diese Behandlung bei genügend hohen Dosen, die wiederholt ge*
geben werden müssen, auf den Verlauf der Erkrankung einen günstigen ^*
floß ausgeübt hat. Dr. Wolf* Marburg.
Uebor die Therapie der übertragbaren Genickstarre. Von Dr.
W. A r n 0 1 d * Lemberg. Zentralblatt für innere Medizin; 1908, Nr. 19.
Verfasser kommt zu folgenden Schlüssen;
1) Durch Verabreichung von Salzsäure ließ sich in einer Reihe von
Fällen das im Gefolge der Meningitis (besonders in protrahierten Fällen) auf*
tretende Erbrechen, welches jede Nahrungsaufnahme aufs äußerste erschwerte
oder vereitelte, sowie in leichteren Fällen die Appetitlosigkeit der Kranken
erfolgreich bekämpfen, während durch Morphium, welches die Entleerung des
Magens verzögert, dieses bedenkliche Symptom in den vom Verfasser beobach*
teten Fällen eher eine Verschlimmerung erfuhr.
Kleinere Hitteilnngen und Beferate aas Zeitschriften.
555
2) In mehreren FSUen von Übertragbarer Genickstarre wurde darch
Anwendung Ton Qusjakol binnen einigen Tagen Bttckgang des Fiebers und
der meningitischen Krankheitserscbeinungcn und binnen kurzer Zeit die
definitive Ausheilung der Krankheit erzielt. Gr. Wolf-Marburg.
Beitrag zur Infektion von Mutter auf Kind Im Wochenbett. Von
Dr. May er-Marburg. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 27.
Verfasser beschreibt zwei Fälle aus der Marbnrger Frauenklinik. Im
ersteren Falle handelte es sich um eine V. Gebärende, wo die Geburt spontan
in Abwesenheit der Hebamme erfolgt war. Am 7. Tage stellte sich Fieber ein;
der Tod erfolgte unter den Erscheinungen einer allgemeinen Sepsis,
die anscheinend von einem Eiß im inneren Muttermunde ausging. Das
Emd war bis zum 8. Tage völlig gesund, dann wurde es apathisch und starb
am 12. Tage. Die Sektion ergab eitrige Peritonitis durch Infektion von den
Nabelarterien ans. Es wurden bei Matter und Kind die gleichen langgliedrigen
Streptokokken gefunden. Die Matter selbst hatte das Kind nie aufgebunden,
aber wohl die erwachsene Tochter, die die Matter pfiegte. Auf diese Weise
könnte die Keimfibertragang, die hier zweifellos stattgefanden bat, geschehen
sein. Im zweiten Falle handelte es sich bei der Mutter um eine rechtsseitige
Mastitis. Das Kind wurde bei den ersten Ersebeinangen sofort abgosetzt und,
nachdem alles verheilt war, wieder angesetzt. Nach einiger Zeit bekam es
auf der linken Halsseite unterhalb des Kieferwinkels eine wallnußgroße, fink-
tuierende Geschwulst, die bei der vorgenommenen Punktion reichlich Eiter
entleerte, ln dem sowohl bei der Mutter, wie bei dem Kinde entleerten Eiter
wurden dieselben Gram > positiven Staphylokokken nachgewieson. Also auch
hier handelt es sich wohl um eine üebertragung von Matter auf Kind. Die
Keime haben wahrscheinlich ihren Weg durch makroskopisch nicht sichtbare
Verletzungen der Schleimhaut der Mundhöhle genommen. Es müssen in diesem
Falle demnach doch noch virnlente Keime in der Milch gewesen sein, auch
wenn keine entzündlichen Erscheinungen mehr vorhanden waren. Im Anschluß
an die Fälle weist Verfasser auf die so oft geforderte Notwendigkeit der
strengen Trennung der Pflege im Wochenbett bei fieberhafter Erkankung von
Mutter und Kind hin; wenigstens muß die sorgfältigste Desinfektion und
größte Vorsicht walten. Epd.
Die Anielgepflicht beim Klndbettfleber. Von Prof. Dr. Veit- Halle a.S.
1908; Bachdruckerei des Waisenhauses.
Verfasser beklagt die große Anzahl der Todesfälle an Kindbettfieber,
die in Deutschland noch immer 4—5000 betragen. Die durch die Seuchen¬
gesetzgebung vorgesehenen Maßnahmen genügen nicht, da die Anzeigepflicht
nur auf die sicheren Fälle beschränkt ist. Auch die Bestimmungen des
Hebammenlebrbuches sind nicht in der Lage, Abhilfe zu schaffen. Verfasser geht
dann genauer auf die Definition des Kindbettfiebers ein und legt klar, daß eine
bestimmte Krankheit damit nicht bezeichnet werden kann, sondern daß sowohl
die krankheitserregenden Keime wie die Erscheinungen sehr verschieden sind.
Er legt ferner klar, daß cs sich um eine Infektion von außen her handele, die
vermieden werden könne und müsse, und bespricht eingehend den Wert der
verschärften beaufsichtigten Desinfektion der Hebammen und der unbedingten
Anzeigep^cht auch der verdächtigen Fälle. Seine Forderungen faßt er zum
Schlüsse in folgenden Sätzen zusammen:
Die Ursache der häufigsten und besonders der schnell tödlich ver¬
laufenden Fälle von Kindbettfieber ist der virulente hämolytische Strepto¬
coccus. Er ist nachweisbar in den Sekreten des Genitalkanals und im Blute.
Nicht immer, wenn er in dem Genitalkanal gefunden wird, lebt er auch
im Blute; aber jedesmal wenn er im Blute lebt, findet man ihn auch in den
Lochien. Auch anderweite Keime können Kindbettfieber bedingen, so der
minder virulente Streptococcus, z. B. bei der puerperalen Pyämie, ferner der
Staphylococcns und andere. Manche der verschiedenen Keime können kulturell
im Blute gefunden werden; andere werden nur im Sekret gefunden. Eine
Üebertragung, insbesondere der hämolytischen Streptokokken, bedingt wieder
eine Streptokokkenerkrankung.
Die Anzeigepflicht beim Kindbettfieber ist aufrecht zu erhalten, nicht
556
Kleinere Mitteilongen und Referate ans Zeitschriften.
als eine Last and eine odiöse polizeiliche Maßregel^ sondern als eine freiwillig
anerkannte Maßregel, deren gewissenhafte freiwUlige Darchführang allein den
Erfolg verspricht.
Angezeigt müssen aach alle zweifelhaften Fälle werden. Die Grenze
der Temperatur, ob 38 oder 88,2, ist noch diskatabel.
Erfolgt eine Anzeige von einer Hebatntne, so hat diese die Behandlung
der erkrankten Wöchnerin aufzageben. Sie hat sich unter Aufsicht des Kreis*
arztes oder eines dafür verpilichtetcn Arztes sorgfältigst zu desinfizieren, ihre
Instrumente neu anszukochen und ihre Waschkleider, die sie bei dem Fall
trag, za desinfizieren oder wenigstens waschen za lassen.
Erfolgt eine Anzeige durch einen Arzt, so hat er den Namen der Heb*
amme dem Kreisarzt mitzutcilen and hinzuzofügen, daß er sich desinfiziert hat.
Damit ist der Anzeige genügt.
Häufen sich zweifelhafte Fälle in der Praxis einer Hebamme, so ist diese
za einem Nachkarsus einzaberafen. Bpd.
Desinfektion.
Ueber neuere Bestrebangen sar Terbesserang and Tereinfachang
der Uantdesinfektiou. Von Privatdozent Dr. M. v. Br an n, Assistenzarzt der
Tübinger Chirurg. Klinik. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 17.
Nach einem kurzen historischen Rückblick auf die verschiedenen Des*
infektionsmethoden berichtet Verfasser über die in jüngster Zeit vorgenommenen
Versuche, die Vorteile der einseitigen Desinfektion durch Verwendang des
reinen 96 proz. Alkohols als einzigen Desinfektionsmittels aaszunützen. Das
Prinzip, die Keime, welche man doch nicht sicher entfernen kann, für die Daaer
der Operation fostzalegen, hat sich in neuerer Zeit immer mehr Geltung
verschafft; man gelangt damit dazu, dio früher so nachdrücklich geforderte
mechanische Reinigung als etwas Schädliches zu verwerlen, die Bakterien
möglichst ruhig in ihren Schlupfwinkeln za belassen, sie
durch die schrumpfende Wirkung des Alkohols noch weiter
festzalegen and diese Alkoholwirkang möglichst lange za
erhalten.
Dreimonatliche Versuche mit der reinen Alkoholdesinfektion für Hände
und Operationsfeld lassen feststellen, daß diese Methode mindestens dasselbe,
wenn nicht besseres leistet, als die fast allgemein übliche Für bring er sehe
Methode. Ein Vergleich mit der Ahlfoldschen Methode ergibt eine Ueber*
legenheit der einfachsten Alkoholdesinfektion, was also wiederam
gegen den Wert der mechanischen Desinfektion und zugunsten der Festlegang
der Bakterien spricht.
Hält die Alkoholdesinfektion, was sie verspricht, so
haben wir damit ein ungeahnt einfach es Verfahren, mit dem
es durch einen einzigen Desinfektionsakt von 5 Minuten Dauer
gelingt, eine hinreichende Desinfektion zu bewirken. Voraus*
Setzung ist dabei selbstverständlich, daß die Hände des Chirurgen immer in
ganz ungewöhnlichem Grade rein sind und rein gehalten werden durch sorg*
fähigste Handpflege, Fernbaltung jeder Beschmutzung durch Verwendung von
Garamihandschnben bei nicht ganz einwandfreien Verbandwechseln, bei Unter*
Buchungen in Mund, Nase, Rektum und Vagina pp. Zu vermeiden ist nur
eine Aufweichung der Haut vor der eigentlichen Desinfektion.
„Bei der Alkoholdesinfektion reibt man die Haut der
Hände und des Operationsfeldes mittels eines in Gaze ein*
gehüllten, sterilen Wattebausches schonend ab.“ Dr. Waibel*Kempten.
Zur Frage der Formaldehjrddampfdesinfektlon. Von Oberstabsarzt
Prof. Dr. G. Bischoff* Berlin. Gesundheits * Ingenieur; 1908, Nr. 12.
Verfasser konnte kein befriedigendes Resultat bei seinen Versuchea
verzeichnen; er hält daher die Methode nicht für ein sicheres Desinfektions*
Vorfahren. Ob gerade der Formaldebyd sich als bester Zusatz zu dem Dampfe
herausstellen wird, darüber ist zurzeit noch kein Urteil möglich, wenn auch
die günstigen Erfolge, welche v. Esmarch erzielt hat, dafür sprechen. Sine
allgemeine Einführung von Apparaten, welche eine genügende Druckemiedrigung
ermöglichen, steht vor allem der hohe Preis dieser Apparate entgegen. Da
Kleinere Mitteilangen and Beferate aas Zeitschriften.
657
man dahin streben mnB, die Desinfektion möglichst ttherall zn ermöglichen, so
fällt eine derartige Preissteigerang ganz erheblidi ins Qewicht, zumal die älteren
Apparate nicht umgebaat werden können. Dr. Wolf- Marburg.
Ueher Baumdesinfektion mit dem neuen AutanprSparat (Packung B).
Von Oberarzt Dr. Fromme-Hamburg. Qesundheits-lngenieur; 1909, Nr. 21.
Eine unbedingte Zuverlässigkeit in der Wirkung kann dem Verfahren,
tJso auch in der jetzigen Form der Packung B, noch nicht zugesprochen
werden. Es steht jcdcnfalis in dieser Beziehang hinter der Breslaaer Methode
zurttck. Erhöht man die Desinfektion auf 7 Standen, so durfte unter günstigen
äußeren Verhältnissen der Desinfektionseffekt zunehmen. Die Hauptwirk^g
scheint zwischen den ersten 1—2 Standen zu erfolgen. Das Verfahren macht
außerdem ungefähr 6 mal bezw. 3 mal so viel Unkosten als das mit dem
Breslauer Apparat. Die Vorzüge sind
1) einfache Handhabung,
2) bequemer Transport,
3) üngefährlichkeit betreffs Feuersgefahr.
Die neue Packung würde besonders zur Verwendung auf Schiffen in
Betracht kommen. Dr. Wolf-Marburg.
Zur Antanfrage* Von Oberarzt Dr. Christian. Aus dem hydenischen
Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bühner.
Hygienische Bundschau; 1908, Nr. 7.
Die Verschiedenheit in der Benrteilung des neuen Desinfektionsverfahrens
durch die einzelnen Autoren ist eine große und steht im Gegensatz zu der
Einstimmigkeit in der Begutachtung der älteren Formalindesinfektionsmethoden
nach Flügge, Czaplewski, Proskauer, Lingner, Prausnitz n. a.
Eine Reihe von Autoren hat sich für das Autanverfahren, andere,
darunter auch der Verfasser, haben sich gegen das Autanverfahren nach der
Elberfelder Vorschrift erklärt.
Die Resultate der einzelnen Untersacher weichen wesentlich von einander
ab, da ihre Prüfungstechnik für Desinfektionsversnehe eine sehr verschiedene
ist. So ist das Testmaterial der einzelnen verschieden widerstandsfähig, die
Testobjekte werden nach nicht einheitlichen Grandsätzen aufgestellt n. a. m.
Der Verfasser verweist dann noch auf verschiedene Schwächen des
Verfahrens, so z. B. darauf, daß nngefähr eine doppelt so große Autanmenge,
als vorgeschrieben, zn einer wirksamen Desinfektion erforderlich ist, ferner
daß möglichst nicht zu flache und nicht zu breite, hölzerne Kübel für eine
gute Autanverdampfang gefordert werden. Ferner ist die Menge des aus dem
Autan in Gasform entwickelten Formaldebyds viel zu gerbg. Die Sättigung
der Luft mit Wasserdampf reicht auch nicht aus. Und schließlich ist eb
sorgfältiges Abdichten der Zimmer nicht überflüssig, sondern direkt notwendig.
Um offenbare Schwächen des Autanverfahrens ausznschalten, hat die
Elberfelder Fabrik eine nene Packnng des Autans angegeben. Der Unterschied
gegen die ältere Packnng besteht darin, daß die Reaktion durch einen
besonderen Zusatz verlangsamt wird, und ihr bhalt um 45 **/o Formaldehyd
liefernde Substanz vermehrt ist. Ferner werden die beiden anfeinander wir¬
kenden chemischen Körper des Pulvers getrennt voneinander anfbewahrt
zwecks größerer Haltbarkeit. Anf Grund eines orientierenden Versuchs glaubt
der Verfasser eb vorläufiges Urteil dahin abgeben zu können, daß mit den
Abänderungen ein Vorteil erreicht ist. Aber auch der neuen Packung steht
die Preisfrage hindernd im Wege. Dr. Kurpjuweit-Swbemünde.
Autan ln der Deslnfektlonspraxb. Von Kreisassistenzarzt Dr. Lan ger¬
mann in Gießen. Aus dem hygienischen Institut der Univertität Gießen.
Hygien. Rundschau; 1908, Nr. 11.
Der Verfasser hat umfangreiche Versuche mit der neuen Autan-
packnng angestellt. Diese enthält etwa 80 g Autan pro ebem bei ebem
Baumbhalt von über 40 cbm und etwa 35 g Autan pro cbm bei ebem Banm-
gehalt unter 40 cbm.
Die Beaktion nach dem Zuschütten von Wasser tritt auch nicht mehr
wie früher rasch und stürmisch, sondern erst nach wenigen Minuten eb, so
daß man Zeit zu ebem btensiven Umrtthren hat.
558
Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitachriften.
Diese neue Antanpackong wurde in einer Reihe von Fällen dranßen
in der Praxis benaut and die Wirksamkeit in den betr. Zimmern mit Hfllfe
yon Testproben festgestellt. Znm Vergleiche dienten Desinfektionen mit dem
Lingner sehen Formaldehjddesinfektionsapparat. Bei sorgfältiger Abdichtong
zeigten beide Verfahren keinen Unterschied in der Wirkung. Bei mangelnder
Abdichtong yersagte Antan im Gegensatz za dem Formaldehyddesinfeküonsyer*
fahren ganz.
Die Schlttsse des Verfassers ans den Versuchen, die aus der Praxis
fttr die Praxis yeranstaltetsind, wie aosdrflcklich heryorgehoben wird, sind
karz folgende:
Die im Baum entwickelte Feachtigkeitsmenge scheint eine genügende
zu sein. Eine Einwirkungsdauer yon 6 Standen ist am zweckmäßigsten. Ein
Abdichten der Bäume ist unerläßiieb, ebenso die Mitwirkung yon geschulten
Desinfektoren. Es ist überall die yorgeschriebene Autanmenge zu nehmen.
Eine bestimmte Temperatur in dem betreffenden Desinfektionsraum ist nicht
erforderlich. Die Wirkung erstreckt sich auch auf Ecken, Winkel und Neben*
räume. Eine Abtötang der Keime findet bei den in Betracht konunenden
Infektionskrankheiten in der größten Mehrzahl der Fälle statt. Bei Tuber¬
kulose, Wundrose, Pocken, Flecktyphus, Pest und Lepra müßte eine erhöhte
Autanmenge bei längerer Einwirkung yerwandt werden. Wo ein Abdichten
nicht möglich ist, zeigt sich das Formaldehydyerfahren dem Antan überlegen.
Zum Schluß bezeichnet der Verfasser es als wünschenswert, daß die
Technik yersuchen müßte, den im Antan zur Wirkung kommenden Formal-
debydgehalt noch zu yermehren, sowie die Entwickelung der Gase noch mehr
in die Länge ziehen. Dr. Kurpjuweit-Swinemünde.
Weitere Untersnehnngen über Antandeslnfektion. Von Priyatdozent
Dr. Selter. Aus dem hygienischen Institut der üniyersität Bonn. Hygieni¬
sche Rundschau; 1908, Nr. 12.
ln der Einleitung bespricht der Verfasser kurz die bisherigen An¬
schauungen über das Autanyerfahren. Dann wendet er sich gegen die abfällige
Kritik yon Christian und weist nach, daß seine eigenen Autanyersnehe
zweckmäßig und einwandsfrei aasgeführt sind.
Der Verfasser hat dann Versuche mit der neuen Autanpackung an-
gestellt, um die Tiefenwirkung des Autans festzustellen. Zum Vergleich
dienten Versuche mit dem neuen Lingnerschen Desinfektionsapparat. Hierbei
fand er (über die Untersuchungsaoordüiang s. d. Originalarbeit), daß das Autan-
yerfahren dem Lingnerschen Verfahren in seiner Desinfektionskraft gleich-
kommt. Die Tiefenwirkung ist eine ziemlich beträchtliche.
Seiner Meinung nach erfüllt das Autanyerfahren in seiner jetzigen
Packung mit Trennung des Paraforms und der Superoxyde alle Forderungen,
die wir an ein Wohnungsdesinfektionsmittel stellen dürfen. Bezüglich des
Prebes hat die Fabrik dem Verfasser mitgeteilt, daß sie eine bedeutende
Herabsetzung yorgenommen hat. Für Behörden, Verwaltungen, Kranken¬
anstalten etc. inkl. Ammoniakentwickler yon 20 cbm an kosten die Packungen
jetzt: für 10 cbm 1 M.; 20 cbm 2,05 M.; 40 cbm 8,50 M.; 00 cbm 5,05 IC.;
80 cbm 6,75 M.; 110 cbm 8,40 M.; 175 cbm 14 M.
Bemerkungen zu yorsteheuder Arbeit yon Oberarzt Dr. Christian
(Berlin): Die Bemerkungen sind lediglich kritisch-polemischer Art. Erwähnens¬
wert ist nur die Aeußerung, daß durch noch so große Mengen (yon Antan) das
Wesen des Formaldehydyerfahrens als einer Oberflächendesinfektion nicht ge¬
ändert wird, und andere Autoren mit noch größeren Autanmengen (als Selter)
gearbeitet haben, ohne Tiefenwirkung zu Anden.
Dr. Knrpjuweit-Swinemflnde.
W ohnungshyglene.
Die Aufgaben der Gemeinden bei der Ausgestaltung des Bebannngs-
planes ln Büokslcht auf das Kleinwohunngswesen. Von Beigeordnetem
Schilling in Trier. Techn. Gemeindeblatt; 1907, Nr. 23/24.
Der in der Hauptyersammlong des „Westfälischen Vereins sur Forderung
des Kleinwohnungswesen* zu Hagen am 18. Noyember 1907 gehaltenen Vortrag
Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitaohriften.
659
behaqdelt ein wichtiges Thema. Hat man doch gerade in schnell anfgeblflhten
Städten Tielfach nicht genttgend Rücksicht auf Schaffung hygienisch einwand¬
freier Kleinwohnungen (ron 1—8 Zimmern) genommen, obwohl diese 40 bis
60**/o und mehr ailer Wohnungen ausmachen. Der Bebauungsplan muß in
rasch anwachsenden Industriestädten besonderen Anforderungen entsprechen;
es muB eine Differenzierung in Qeschäfts* nnd Wobnzentren stattfindon. Dabei
muß eine Gemeinde mbgiichst Hand in Hand mit nahen Nachbargemeinden
arbeiten, damit nicht z. B. die eine das Wohnzentium der anderen durch ihre
FabrikTiertel beeinträchtigt. Bei der Auswahl der Wohnnngsviertel mnfi
natürlich auf die Boden gestaltnng Rücksicht genommen werden. Die Ton
manchen Seiten zwecks Vermeidung sozialer Gegensätze befürwortete Ver¬
einigung Ton größeren und kleineren Wohnungen in einem Ortsteil ist mög¬
lichst zu vermeiden, weil sie nur zur Trennung der verschiedenen Klassen in
teueren Vorderhäusern und hygienisch unzulänglichen Hinterhäusern führt.
Es sollen vielmehr für die „Arbeiter" möglichst eigene Ortsteile geschaffen
werden. Das Terrain hierfür muß möglichst groß, billig und nahe an den
Arbeitsstellen gelegen sein. Am besten tritt eine Trennung in Verkehrs- nnd
Wohnstraßen, eventuell mit Gartenanlagen, Vorgärten etc., ein. Die Straßen
sollen nicht zu breit, die Häuserblocks nicht zu tief und nicht schematisiert
sein. Streng zu vermeiden sind Mietkasernen. Als ideale Beispiele werden
die künstlerisch aufgebauten englischen Arbeiterdörfer Barnville nnd Sunlight
besprochen, ferner unter Beifügung zahlreicher Abbildungen die Kruppschen
Arbeiterwohnungs-Anlagen, die in ihren letzten Formen geradezu vollendet
erscheinen. Sehr segensreich hat bereits der „Rheinische Verein zur Förde¬
rung des Arbeiterwohnnngswesens" gewirkt, der Gemeinden bereitwillig berät
und auf die Schaffung hygienischer und ästhetischer Wohnungsanlagen ab¬
zielt. Die von England ausgehende Gartenstadtbewegung verdient große Be-
aditnng, soweit sie realisierbare Forderungen zeigt. Vielleicht wird später
eine noch weitergehende Trennung in Arbeite- und entfernt gelegene Wohn-
Zentralen eutreten, wozu eine hohe Vervollkommnung nnd VerbiUigmig der
verbindenden Verkehrsmittel nötig ist. Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Der Einfluss schlechter Wohnungen auf die Gesundheit der Menschen.
Von Dr. F. Lebram-Danzig. Gesundheit; Jahig. 33, Nr. 10.
Alle Schädlichkeiten, die der menschlichen Gesundheit innerhalb der
Wohnung erwachsen können, kann man von 2 Gesichtspunkten ans betrachten.
Es kommen in Frage:
1) unzweckmäßige Benutzung, dadurch daß man die Gebote der Reinlich¬
keit, Ventilation etc. vernachlässigt oder durch Ueberfüllnng der Wohnränme;
ferner ist hier der schädliche Einfluß der Hausindustrie zu erwähnen;
2) schlechte Beschaffenheit der Wohnung infolge baulicher Mängel,
a) Mangöl an Luft nnd Licht,
b) Mangel an genügendem S<^utz gegen Kälte und Wärme,
b) Mangel an Trockenheit_ Dr. Wolf-Marburg.
Ein Nachtrag zur Staubzersetzung auf HeizkSrpern. Von Prof. Dr.
Ghr. Nuß bäum. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 22.
Für die Heizkörper, deren Wärmgrade meist nicht über Oh*) C.
hinansgeht, dürfte ausschließiich 'der Staub zu nachteiligen Erscheinungen
führen, der tierische Abgänge enthält; der frühzeitigste Zersetzungsbeginn
trat bei Staub, der ans frischen, noch feuchten, festen Abgängen der Pferde
oder ans Gemenge mit ihrem Harn durch vorsichtiges Trocknen und Zerreiben
S gewonnen wurde. Der Straßenstanb wies eine wesentlich höhere Zersetzungs-
ähigkeit nach anhaltend trockener Witterung auf. Der in gut ge¬
haltenen, rings von der Straße durch Häuser getrennten Gärten gesammdte
Staub war viel weniger zersetznngsfähig. Für die Zersetzung des Staubes an
der Oberfläche von Heizkörpern ist hauptsächlich der Straßenstaub belangreich.
Die Sauberhaltung der Straßen nnd Säuberung des Schuhwerks kommen daher
nicht nur für die Staubfreiheit der Raumlnft, sondern auch für die Reinhaltung
der Luft geheizter Zimmer von lästigen Zersetzungserscheinnngen große Be¬
deutung zu. Für zentrale Lüftnngsanlagen ist die Luft nur ans gut gehaltenen
Gärten oder Schmnekhöfen zu entnehmen. Für Schulen, Wirtschaften nnd
660
Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften.
Öffentliche VerBammlongsr&ame sollen keinesfalls Heizonraartea Anwendug
finden, die eine hohe Oberfiächentemperatnr ihrer Heizkörper, onyeihttllte
Eohiteile innerhalb der Anfenthaltsränme o. dergl. zolassen.
_ Dr. Wolf •Harburg.
Qeverbehygleno.
Ueber den Einfluss der Berufsarbeit auf die HengrSsse. Von Ober*
arzt Dr. Schieffor, kommandiert zur Ellinik. Ans der med. Klinik in Giefien.
Deutsches Archiv für klin. Medizin; 92. Bd., 5. und 6. H. Geber den Elnflnss
des Militärdienstes auf die HerzgrOsse. Von demselben; ebendort.
Als Qesamtmaß der Herzgröße wurde der (planimetrisch aasgemessene)
Oberfiächonwert des in sagittaler Eichtang aufgenommenen Orthodiagramms
verwendet. Sch. berechnete nach den D i e 11 e n sehen Tabellen für erwachsene
Männer die Herzoberfläche 0 nach der Formel: g — 60 — 0, wobei g die
Körpergröße bedeutet. Bei seinen vergleichenden Dntersuchungen von Per¬
sonen mit leichten und schweren Berten fand Sch. im Durchschnitt aller
Fälle fflr das Herz bei einem schweren Beruf ein Plus von 8 qcm gegentlber
der Norm, bei einem leichteren nur ein solches von 0,9 qcm. Bei sämtlichen
83 Fällen mit schweren Berufen fand er 19 = 68*’/o auf seiten der größeren,
und 14 = 42**/o auf seiten der kleineren Herzen; umgekehrt von sämtlichen
28 Fällen mit leichteren Berufen 18 = 78 ä^f seiten der kleineren, und nur
6 = 22 "/o auf seiten der größeren Herzen.
Sen. machte die erste orthodiagraphische Aufnahme der Leute in den
ersten 6—8 Wochen ihrer Einstellung in den Militärdienst, die zweite
ungefähr nach Jahresfrist. Von seinen Schlußfolgerungen interessieren hier diese:
Das häufigere Vorkommnis ist unzweifelhaft eine gewisse Zunahme der
Herz^öße während des Militärdienstes. Eme von vornherein bestehende größere
Ausbildung des Herzens, die in Hinsicht auf die bis dahin bestehende völlige
Leistungsfähigkeit des Herzens vorwiegend auf Hypertrophie beruhen miu,
läßt in der Mehrzahl der Fälle weitere große Veränderungen beim Militärdienst
nicht zu. Umgekehrt zeigen die von vornherein kleineren Herzen erhebliche
Zunahmen. Es bleiben demnach, wo ein durch die Berufsanstrengung bedingtes
Training des Herzens vorhanden ist, größere Zunahmen meist aus und um¬
gekehrt. Ebenso wirkt das durch Radfahren bedingte Training des Herzens.
Dr. Lohmer-Cöln.
Ueber die Blutveränderungen bei den Seldensptnnerlnnen. Von
Dr. Vincenzo Co rrenti-Messina. U Ramazzini; 1907, Fasz. 12.
Die Arbeiterinnen in den italienischen Seidenspinnereien leben unter be¬
sonders ungünstigen und ungesunden Verhältnissen: Die Arbeitsräume sind
trotz ihrer Größe überfüllt, schlecht gelüftet und belichtet; die Arbeiterinnen
sind gezwungen bei der Arbeit viel ihre Hände in heißes Wasser zu stecken,
teils andauernd zu sitzen, teils permament zu stehen; die Arbeit selbst dauert
täglich 12 Standen; die Mehrzahl der Arbeiterinnen ist in jugendlichem Alter,
die Wohnungs- und Ernährungsverhältnisse sind meist recht dürftige, zumal
der Arbeitslohn ein minimaler ist. Was Wunder, wenn so jedem Besucher
einer Seidenspinnerei die bleiche, ungesunde Farbe und der schlechte Ernähruogs-
zustand der darin beschäftigten Arbeiterinnen auffäilt ?
Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Gesundheitszustand der
Seidenspinnerinnen zu studieren; er hat zu die.sem Zweck 20 derartige Arbeite¬
rinnen einer Seidenspinnerei in Gazzi, verschiedenen Alters und verschiedener
Arbeitskategorien, genau untersucht und dabei sein Hauptaugenmerk auf die
Blutveränderungen gerichtet. Jeder einzelne Fall wird anamnestisch und nach
den subjektiven und objektiven Erscheinungen besprochen. Die Hauptergebnisse
der Untersuchungen lassen sich kurz in folgendem zusammenfassen: Fast alle
Seidenspinnerinnen verlieren früh ihr gesundes Kolorit; nach einigen Jsihren
beginnt eine Hypertrophie der Schilddrüse sich bemerkbar zu machen; es treten
Kopfschmerz, Oedeme, Verdauungsstörungen, Menstruationsanomalien n. dergL
auf. Objektiv wird bei über bO^j» beginnender oder ausgebildeter Kropf, sme^
häufig auch eine Entzündung der Finger und Handfläche festgesteUt. Dan
kommen nicht selten Herzanomalien (Geräusche und Hypertropuen) und MU>-
vergrößerungon. Die wichtigsten Veränderungen zeigt die BIutbesehaffeBheit,
Kleinere Mitteilangen nnd Referate ane Zeitachriften.
661
indem der Himoglobingehalt and die Zahl der roten Blutkörperchen vermindert,
nach laweilen die Zahl der Leakozyten vermehrt üt. iilo diese Verände*
rangen sind aal die ungünstigen Arbeite- und Lebonsbedingangen der Seiden-
Spinnerinnen sarückzaführen und als eigentliche Qewerbekrankheit aufzufassen.
Dr. Solbrig-Allenstein.
Die Erhebnngen des Osterrelehlselien Arbeltsstatlstlsehea Amts über
Bleivergtftangcn. Von Dr. W. Henbner, Privatdozent in Straßbarg. Thera¬
peutische Monatshefte; 1908, Heft 3.
Die VerOffentlicbnngen des k. k. Arbeitsstatistischen Amtes über Blei-
vergiftnngen ln hüttenmännischen nnd gewerblichen Betrieben basieren auf
Erfahmngen, die von eigens dazu eingesetzten and aus Regiernngsvertretorn,
Gewerbeinspektoren and ärztlichen Sachverständigen (Bezirksärzten) bestehenden
Kommissionen auf ihren Inspektionsreisen gewonnen sind. Diese worden durch
mehrtägige Beratnngen an der Hand eines sorgfältig vorbereiteten Fragebogens
ergänzt, woran außer Qewerbebeamten, Mediziner and Ingenienre auch M^er-
nnd Anstreichermeister, Hüttenarbeiter, Lackierer etc. teilnahmcn. Von den
Ergebnissen dieser Arbeiten beansprnchen das meiste Interesse die Bestrebnngen,
die Bleigefabr mit der Wurzel auszurotten, d. h. die Bleifarben durch andere
Snbstanzen zn ersetzen. Sehr leicht ersetzbar sind nun die Bleiverbindnngen
als Pigmente, besonders Bleiweiß durch Zinkweiß, oder Mennige durch Eisen-
rot etc. Doch fehlt diesen Verbindungen leider das Vermögen, wie die Blei¬
farben gegen weitere Oxydation widerstandsfähige and in Wasser unlösliche
Seifen zu erzeugen; sie liefern daher schön aassehende Anstriche, zerfallen
aW an Flächen, die Licht nnd Fenchtigkeit aasgesetzt sind. Es besteht
jedoch die Aassicht, daß dnrch Zusatz basischer Aluminiamverbindangen zu
Zinkfarben das Ziel eines vollwertigen Ersatzes erreicht wird. Leicht ersetzbar
ist ferner die Bleiglätte bei ihrer Verwendung zn Firnisbereitung dnrch Mangan-
snperoxyd. Auch gelang es, dnrch bloßes anhaltendes Kochen des Leinöls
ohne jeden Metalloxydznsatz brauchbaren Firnis herzustellen, wenn anch mit
etwas höheren Kosten; ein gesetzliches Verbot könnte hier jeden Bleizusatz
ansschUeßen, ohne daß prinzipielle technische Schwierigkeiten geschaffen würden.
Keine völlige Einigkeit ließ sich unter den Sachverständigen Uber die Möglich¬
keit des Bleiersatzes in Lacken, Sikkativen and Kitten dnrch Mangan-
verbindangen erzielen; von allen Seiten wurde anerkannt, daß ein Ersatz
der Mennige als Eisenanstrich and Rostsuhutz zurzeit noch völlig undenkbar
ist. Vom hygienischen Standpunkt wäre es immerhin als enormer Fortschritt
zn bezeichnen, wenn die ganze Produktion nnd Verwendung von Bleifarben in
absehbarer Zeit auf die Mennige beschränkt werden könnte.
Dr. Klare- Haina (Bez. Cassel).
Hfimatologlsche nnd klinische Studien über den chronischen Phos-
phorlsmns. Von Prof. Dr. Ccsara Biondi-Cagliari. 11 Ramazzini; 1907,
Fascikel 12.
Den Untersnehnngen wurde die neuere Beobachtang zngrnnde gelegt,
daß sich im Blut von Tieren, die mit Arsen, Phosphor n. a. vergiftet wurden,
Leakozyten mit Grannlationen, von Fettröpfchen herrährend, landen (lencociti
sndanofili* genannt). Dieser Befand ist am der Ansdrnck eines degenerativen
Prozesses anfznfassen.
Verfasser untersuchte eine Anzahl Arbeiter ans mehreren Phosphorzünd-
hOlzeriabriken, im ganzen 46, wobei das Hauptaugenmerk auf das Vorkommen
jener Leakozyten im Blute gerichtet wurde; er stellte fest, daß solche bei
21 von 45 Untersuchten bis zur Höchstzahl von 21*’/o gefunden wurden. Dieser
Befand ist kein zufälliger, sondern auf die Inhalation von Phosphordämpfen
zurückzuführen, was n. a. daraus hervorgeht, daß in hygienisch einwandafreien
Fabriken dieser Befand bei keinem der Arbeiter erhoben wurde. Ein solcher
Befand ist wertvoll, da er schon, bevor andere charakteristische Erscheinungen
von Phosphorvergiftung vorliegcn, auf das Bestehen einer solchen Vergiftung
hinweist, und zwar steht die Zahl der fraglichen Leakozyten mit der Schwere
der Intoxikation in direktem Zusammenhang.
Im übrigen kommt Verfasser zu folgenden Schlußfolgerungen:
1. Bei den Arbeitern der Phosphorzündhölzer trifft man in etwa der
562
Kleinere Hittellnngen und Referate ans Zeitsehriflea.
Hälfte der Fälle somatische oder bämatologiscbe Zeichen tob chroniseber
Pbosphorvergiftong, welche jedoch nnr in einer beschränkten Zahl Ton Fällen
deutlich in die Erscheinung tritt.
2. Periostitis phosphorlca wurde hei 8,6*/, der untersuchten Arbeiter
angetroffen.
8. Bei denjenigen untersuchten Arbeitern, die in gelfifteter Umgebung
und nadi Methoden und mit Masi^inen arbeiteten, bei denen weniger Phosphor*
dämpfe entweichen, wurden keine nennenswerten Yergiftnngszeichen festgestellt.
Dr. Solbrig-AUensteb.
Angenerkrankung infolge Arbeit mit einem kÜBBtllehen Dilnfemlttel.
Von Dr. Maximilian Bon di in Iglau (Mähren). Münchener med. Wochenschrift;
1908, Nr. 15.
Verfasser teilte einen Fall ton schwerer Aetzung der Augen mit, als
deren Ursache unvorsichtiges Hantieren mit Kunstdünger, im vorliegenden
Falle mit Chilisalpeter anznsehen war.
Von den bekannten künstlichen Düngemitteln Kainit, sehwefelsanrem
Kalium, Chilisalpoter, schwefelsaurem Ammoniak, Superphosphat und Thomasmehl
scheint nach Beobachtungen von Augstein das Superphosphat als das hanpt*
sächlichste, vielleicht sogar allein schädigende Düngemittel anzusehen zu s^.
Verfasser mOchte die in landwirtschaftlichen Hegenden praktizierenden
Kollegen auf die Möglichkeit einer Angenerkrankung durch znfäiliges Ein*
streuen von Kunstdünger in die Augen aumerksam machen — UnfalimOglichkeit
_ Dr. Waibel-Kempten.
lielcbenBchau und Begr&bnlsweneii.
Die Leichenschanbestimmnngen in EbasB-Lothringen* Von Dr. med.
Albert Hamm, Assbtent an der üniversitäts*Frauenklinik zu Strafibnr^LE.
Straßburger medizinbche Zeitung, Juli 1908.
Als Ergänzung der im Oktober 1901 in dieser Zeitschrift erschienenen
Arbeit V. Böllens t er ns: „Zur Einführung der allgemdnen obligatorischen
Leichenschau im Deutschen Beich* seien aus der ausführlichen Abhandlung
hier lolgendo Punkte wiedergegeben:
Eine sämtlichen Anforderungen einer rationellen Leichenschau ent*
sprechende Einrichtung (allgemein obligatorische Leichensehau durch Aerate)
besteht bloß in 8 Gemeinden mit insgesamt 404623 (Volkszählung vom 1 De¬
zember 1906) Einwohnern und durchschnittlich (1904—1906) 7978 jährlichen
Todesfällen.
Eine beschränkt obligatorbche Leichenschau durch Aerzte gegen be¬
sondere Vergütung (bei Vermögenden durch die Familie des Verstorbenen, bei
Armen durch die Gemeinde) ist vorgesehen in 34 Gemeinden mit insgesamt
123123 Einwohnern und 2059 jährlichen Todesfällen.
Von einem Honorar bei beschränkt obligatorbcher Leichenschau ist nicht
die Bede in 17 Gemeinden des Bezirkes Lothringen mit 85285 Einwohnern und
1873 jährlichen Todesfällen.
Eine beschränkt obligatorische Leichenschau durch Laien ßndet sieh in
Gemeinden des Kreises Bappoltsweiler mit zusammen 6005 Einwohnern und
121 jährlichen Todesfällen.
Daraus ergibt sich, daß auf die 1814564 Einwohner Ebaß*Lothringens
mit jährlich ca. 36592 Todesfällen bei 1201583 Einwohnern mit durchschnitt¬
lich 25182 jährlichen Todesfällen eine Leichenschau überhaupt nicht ausgelibt
wird und daß Bestimmungen, die eine regelrechte allgemein obligatorische
Leichenschau durch Aerzte vorsehen, für 1409 941 Einwohner mit 28 614 jihr-
liehen Todesfällen fehlen; eine genügen de Leichenschau wird mtthiii
bloß bei 22°/o sämtlicher Todesfälle ausgeübt.
Dies ist um so bedauerlicher, als in mehreren Städten des Landes uiiie
allgemein obligatorische Leichenschau durch Aerzte schon seit der ersten HUfte
des vorigen Jahrhunderts (in Straßburg seit dem 22. Juni 1811) mit gutem
Erfolge durebgeführt wird.
Der Verfasser bringt folgenden Gesetzes-Entwurf zur Einführung
der allgemein obligatorischen ärztlichen Leichenschau in Elsaß-Lothrfaigen
ia Vorschlag:
Kleinere Mitteilongen nnd Keferata was Zeitschriften. 563
§ 1. Eb darf keine Beerdignng statlfladen, bevor dem ZivilsUtndeB*
beamten von dem Familienhaapte bezw. deaaen Stellvertreter oder vom Wohnnnga«
berm dne irstliche Beacbeinigang über das Ablel^n and die Uraacbe
dea Todeaeintritta vorgelegt iat.
§ 2. Ala Leicbenacbaner kann jeder approbierte Arzt fangieren.
§ 8. Die Koaten der Leicbeaaohaa fallen der Familie dea Veratorbenen
zur Last. Bei Unbemittelten ttbemimmt der Kantonalarzt die Leicbenaebao
entnreder nnentgeltlicb oder gegen ein von der Oemeinde beaw. dem Bezirke
za entrichtendea Honorar.
Im allgemeinen beträgt die Qebttbr für die Lelcbenacbaa bei Unbemittelten
M. 2; auf dem platten Lande werden anfierdem die dblicben Kilometergelder
in Anrechnnng gebracht. Ob die Tragung dieser Kosten der Gemeinde oder
dem Bezirke zofälltj iat dnrcb lokale Beatimmongen entsprechend festznaetzen.
§ 4. Der Leichenachanschein (vorgedracktea Formular) darf nicht frtlher
aoagestellt werden, als der dazu beraune Arzt durch Featatellung von
mindestena zwei dentlichen Todeszeichen sich persönlich von dem tatsäch¬
lichen Eintritt des Todes ttberzeugt hat.
Diese Besichtigung ist möglichst biüd, im allgemeinen bnerhalb 24 Standen,
nur auanahmsweise erat innerhalb 48 Stunden nach erfolgter Todesanzeige
vorzanehmen.
§5. Erregt die Untersachnng den Verdacht, daß eine nicht
natttrliehe Todesursache vorliegt, oder trägt der Verstorbene Sparen
von Gewalttätigkeit an sich, ao ist darüber der FomeibehOrde sofort Anzeige
za erstatten.
§ 6. Begegnen dem Leichensebaner Todesfälle, die nicht ärztlich be>
bandelt waren und die ihm von einer ansteckenden Krankheit herza-
rttbren scheinen, so hat er alsbald dem Kreisarzt, bei gemeingefährlichen
Krankheiten auch der zuständigen Polizeibehörde (Bürgermeister, Polizei¬
diener) darüber Mitteilung zu machen.“
Der schwierigste Punkt ist bei Durchführung der obligatorischen Leichen-
achaa entschieden die Begelung der Kostenfrage, besonders da je nach der
Bewertung des einen oder des anderen Zweckes der Leichenschau deren Nutzen
mehr auf Seite des Individuums oder des Allgemeinwohles verlegt wird.
Wernich ist zwar der Ansicht, daß durch die ausgesprochene Aufgabe
der Leichenschau, in der Öffentlichen Feststellung der Todesart das Mittel zu
erlangen, hygienische Ursachen nnd Wirkungen zu erkennen, die Notwendig¬
keit, die Totenschau durch Beichsmittel (Staatsmittel) zu regeln, eindringliä
gerechtfertigt sei; hiergegen vertritt Hamm die Ansicht, daß bei der immer
noch weit verbreiteten Furcht vor dem nDebendigbegrabenwerden“ wenigstens
für die Bemittelten eine Uebernahme der Kosten durch den Staat durchaus
nicht erforderlich erscheint. BLandelt es sich um Verstorbene, die in ärztlicher
Behandlung gestanden haben, so wird die Honorierung eines letzten durch die
Leichenschau erforderlichen Besuches, so gut wie in den Städten des Ober-
Blsasaes sich sicherlich auch sonst ohne Schwierigkeit einbürgetn; trat der Tod
ein, ohne daß bei Lebzeiten ärztliche Hille in Anspruch genommen war, so
dürfte gerade auf dem Lande, wo Aberglaube, üble Nachrede und phantastische
Gerüchte sich viel schwerer geltend machen als in der Stadt, den Angehörigen
des Verstorbenen eine sachverständige Feststellung des Todes, sowie der Todes¬
art von nicht zu unterschätzendem Werte sein.
Eine Belastung des Staates bezw. der Gemeinde würde somit voraus¬
sichtlich bloß für die Fälle in Frage kommen, wo es sich um die Totenschau
Unbemittelter bandelt. Nun gehört ja die unentgeltliche Behandlung Armer
sowieso zu den Obliegenheiten der Kantonalärzte, so daß bei diesen auch die
Verpflichtung zur unentgeltlichen Vornahme der Leichenschau a priori durch¬
aus gerechtfertigt erscheint. Immerhin ist zu bedenken, daß bei der Mehrzahl
der Gemeinden, in denen eine allgemeine oder beschränkte obligatorische
Leichenschau durchgeführt ist, für diesen Dienst auch eine besondere Ver¬
gütung (1 —2 M. pro Besichtigung) vorgesehen ist, daß also schon vom Stand¬
punkte des Gewohnheitsrechts aus eine Beibehaltung und allgemeine Einführung
einer derartigen Honorierung natürlich sehr erwünscht wäre.
Auch ist anzunehmen, daß die Gemeinden von 2000 und mehr Ein¬
wohnern eine derartige Mehrausgabe für die Leichenschau ihrer Ortsarmen
564
Bosprechangen.
leicht ttbernebmen könnten, da hier ein Honorar Ton M. 2 pro Beeicbtignng im
idlgemeinen genügen dürfte. Eine höhere Taxe müfite hingegen angeaetzt
werden für diejenigen Gemeinden, in denen infolge der weiten J^tfernnng der
Ortschaft Tom Arzt oder der abgelegenen Lage einzelner Gehöfte die Vor*
nähme der Leichcnschaa mit einer unTerhültnismäßig großen ZeitTersäamnis
Terknüpft ist. Hier wäre naturgemäß eine Vergütnng des Arztes unter An¬
rechnung Ton Kilometergeldern, ähnlich wie für die Wiederimpfungen Torzn-
sehen, eine Vergütung, die in den meisten Fällen dann nicht mehr der Ge¬
meinde, sondern dem Bezirke zur Last gelegt werden müßte.
Durch eine derartige Regelung der Eostenfrage, teils aus priraten, tefls
aus öffentlichen Mitteln, würde dem doppelten Charakter der Leichenschau
wohl am besten Rechnung getragen. Autoreferat.
Der moderne landsohaftUehe Zentralfrledhof ln den Gross- und
Indnstrlestftdten. Von Emil Gienaph in Hamburg. Technisches Gemeinde¬
blatt; 1907, Nr. 12.
ln Großstädten ist ans wirtschaftlichen, hygienischen und ästhetischen
Gründen die Anlage eines an der Peripherie gelegenen, mit allen Teilen der
Stadt durch Verkehrsmittel verbundenen, Zentralfriedhofs ein dringendes
Postulat, das schon in einer Reihe von Großstädten (z. B. für Hamburg in Ohls¬
dorf) erfüllt ist. Der Zentrallriedhof muß in würdigerWeise mit Anpflanzungen,
Blumen- und Wasseranlagcn versehen werden. Die Verwaltung muß nach ein¬
heitlichen Grundsätzen allein der Stadt zufallen unter Ausschaltung der kirch¬
lichen Einmischung. Mit der hygienisch so bedenklichen Unsitte, die Leichen bis
zur Beerdigung im Hause zu belassen, muß gebrochen werden. Aus wirtschaft¬
lichen Gründen muß eine Belegzeit (25—50 Jahre) festgelegt werden. Die
umfangreiche Anwendung der Leichenverbrennung würde eine Raumersparnis
bedingen, jedoch wird diese in absehbarer Zeit noch keine praktische Bedeutung
gewinnen. Dr. Liebetrau-Hagen i. W.
Besprechungen.
Dr. Wolfgang Wetohardt, Privatdozent in Erlangen: Jshresbexlolit über
die Ergebnisse der Immnntt&tefOTSohnng. II. Band: Bericht über
das Jahr 1906. Stuttgart 1908. Verlag von Ferdinand Enke. Gr. 8^ 448 8.
Preis geh.: 14 Mark.
Biologische Probleme beherrschen die medizinische und, man darf wohl
sagen, die ganze naturwissenschaftliche Forschung überhaupt. Ersteres beweist
der Umfang des verdienstlichen Weichardtschen Sammelwerkes. Es konnte
sich nicht mehr, wie der 1. Band, allein auf die Ergebnisse der Immunitäts-
forsebung erstrecken. Es hat die Grenzgebiete, soweit diese der Immuniiäts-
forschung bereits erschlossen sind, mit hineingezogen und durch besondere
zusaromenfassende Spozialbearbeitungen berücksichtigt, so die Ergebnisse der
Karzinomforschung (von Dr. Schöne am Institut für exp. Therapie in Frank¬
furt a. M.) und die Opsoninfrage (von Privatdozent Dr. Rosenthal am
hygienischen Institut in Göttingen). ,
Gerade die jenen Forschungsgebieten ferner stehenden Aerzte werden
dem Heransgebor für seinen Jahresbericht Dank wissen; ebenso für die »allge¬
meine Uebersicht“ über die Ergebnisse der Immunitätsforscbung, mit welcher
der Herausgeber ihn einleitet, und für die „Zusammenfassung'* und den »Aua-
blick“ am Ende des umfangreichen Werkes. Dem Spezialforscher ermöglicht der
Jahresbericht eine schnelle Orientierung über die wichtigsten Ergebn&e deut¬
scher und ausländischer Immunitätsarbeiten, insbesondere auch aus dem Gebiete
der Syphilis- und Tuberkuloseforschnng, aus dem Bereich der Veterinärmedizia
und chemischen Literatur. Ein ausführliches Sachregister ermöglicht das rasche
Aufflnden dor Referate, an deren Abfassung die maßgebensten Schulen und
Forscher selbst beteiligt sind.
ln dem Bericht steckt eine enorme Arbeit; möchte sie die verdiente Aner¬
kennung finden!
Dr. R 0 e p k e - Melsungen.
Tsgesnaohriohten.
566
S*ii.-Bat Dr. li. FArst • Berlin: Yademeonm der velbliohen Qe-
eundheltspflege. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. W&rsbarg
1908. A. Stabers Verlag. KL 8**. 106 8. Preis: 1,90 M.
Inhalt: Gesundheitspflege in den Entwicklangsjabren. — Das Aasbleiben
der Menstruation. — Eongestionsfragen. — üeber krankhafte Schleimflflsse. —
Zar Abortfrage. — Die Frau in Schwangerschaft and Wochenbett. — Die
Pflege der Brost. — Unregelmäßige, sicht menstraelle Blatangen. — Nervbse
Frauenleiden. Das kritische Alter. — Körper • Uebangen als Mittel der Ge-
sondheitspflege. — Verhältnis zwischen Gesundheit and Schönheit — Das sind
die so wichtigen Fragen der weiblichen Oesandheitspflege, die der Verfasser
mit wissenschaftlichem Ernst in leicht faßlicher und höchst dezenter Form
behandelt Möchte das Bach darch weiteste Verbreitang seinen Zweck erfüllen,
gesunde und moderne Anschauangen in alle beteiligten Kreise za tragen.
Möchte es insbesondere auch die Literatur verdrängen, die unter ähnlichen
Titeln auf die Sinnlichkeit und die Sacht des Pablikanu nach Pikantem
spekuliert. Dr. B o e p k e- Melsungen.
Tagesnachrichten.
Gehaltsregelung dei* Medizinalbeamten in Bayern. Das Beamten*
gesetz and die neoe Gebaltsordnang sind von der Kammer der Abgeordneten
erledigt worden. Der Versuch, die Bezüge der Landgerichtsärzte mit denen
dor Bezirksärzte za vereinheitlichen, ist nicht gelangen. Die Münchener
medizinische Wochenschrift gibt eine neae tabellarische üebersicht der Bezüge,
die wir hier folgen lassen;
Dienstjahre
mlSbMi
ES
10—12
13—16
V. 16.
V. 19.
Vortragende Bäte im Mini*
sterium.
8400
9000
9600
10200
10800
11400
Kreismedizinalräte, ordentL
Universitätsprofessoren .
6000
6500
7000
7600
8000
8400
Landgerichtsärzte, Profes¬
soren d. Hebammenschulen
4800
5300
6800
6300
6800
7200
Außerordentliche Universi¬
tätsprofessoren ....
3600
4100
4600
6100
6600
6000
Bezirksärzte, Hausärzte der
Strafanstalten, Zentral* j
impfarzt, Oberärzte der
Universitätskliniken . . |
3000
3500
4000
4600
5000
5500
6000
Im KSnIgreleh Bayern sind unter dem 7. Juli d. J. neue Vorschriften
fflr das Verfahren der Aerzte bei den gerichtlichen Untersnehnngen von
Leichen erlassen. Sie stimmen mit dem preußischen Obdaktions-Begolativ
fast wörtlich überein, nur an einzelnen Stellen sind sie etwas besser stilisiert.
Eine wesentliche Abweichung enthält § 12, wo die Anordnung getroffen
ist, daß bei einer etwa notwendigen Untersuchung der inneren weiblichen
Genitalien auf Spermatozoen diese Teile unter möglichster Schonung der
Vagina sofort an die zuständige Behörde zu senden sind. Im § 18 wird
weiterhin darauf aufmerksam gemacht, daß die Prüfung der Weite der Vorhof*
kammeröffnung erst bei der Untersuchung des heraasgeschnittenen
Herzens vorzunehmen ist; § 22 hat einen Zusatz betreffs Untersuchung
der Nachgeburt erhalten. Beigegeben sind den Vorschriften außer einem
Auszug aus der Str.*Pr.-0. noch die Bekanntmachung über die Vornahme
richterlicher Leichenschau, Leichenöffnung uaw. vom 20. Januar 1904, eine
Anweisung über Konservierung und Versendung von Organen oder Organteilen
zur mikroskopischen, bakteriologischen und chemischen Untersuchung sowie
eine Zusammenstellung der Durchsebnittsgowiebto und Maße von neugeborenen.
Kindern und der Durchschnittsgewichte der Organe normaler erwachsener
Menschen.
Sobald Württemberg und Baden dem Beispiel von Bayern und Sachsen
666
Tagesnaohriohten.
naehfolgeo, werdea wir einheitliche ObdoktioaB-Vonohriften im ganaea
DenUehen Beieh haben; denn in allen andern Bondeastaalen sind bereitn die
preußischen Vorschtiften elngefhhrt.
Die Aerntekammer der Provinz Posen hat zur Bewertung tob
Attesten nlehtbeamteter Aerzte seitens der SebulbehSrden maßgebende
Grundsätze aufgestellt und dafttr die Zustimmung der anderen preuischen
Aerztekammern angeregt. Die Grundsätze lauten: Im all^uieben soll das
Attest eines jeden, insbesondere des behandelnden Arztes ids ToUgttltig und
genügend angesehen werden; nur in besonders wichtigen Fällen darf unter
wirklich triftigen Gründen ein Attest des beamteten Arztes eingeiordert
werden; in diesen Fällen sollen die Kosten des Attestes von der Schue über¬
nommen werden. _
Der Landesrerein preußischer yolksschullehrerianen hat im Min d. J.
eine Eingabe, betreffend die sexuelle Belehrung ln der Yolksschule^ an den
Eultusmuiister gerichtet. In dieser wird zum Schluß folgende Bitte aus¬
gesprochen: Das Unterrichtsministerium wolle
1) mit der Ausarbeitung methodischer Grundlagen für sexuelle Belehrung
in den verschiedenen Lehrfächern der verschiedenen Lehranstalten Kommissionen
betrauen, in denen außer Aerzten auch solche Männer und Frauen mitarbeiten,
die schon in der Praxis sexueller Belehrung mitgewirkt haben;
2) anordnen, daß Lehrer- und Lchrerinnenseminare, sowohl die positiven
biologischen, als die pädagogisch - methodischen Vorkenntnisse zur Erteilung
sexueller Belehrung zu vermitteln haben, und daß demgemäß der naturkundliche
und pädagogische Unterricht der Seminare erweitert und ausgebant werde;
3) von Aerzten bezw. Aerztinnon oder von sachkundigen Pädagogen
Kurse abhalten lassen, die jetzt amtierenden Lehrkräfte beraten, in welchem
Maße und in welcher Art geschlechtliche Belehrung übermittelt werdea kann;
4) Anweisung geben, daß solche Lehrkräfte, welche bereits auf dem
Gebiete sexueller Belehrung mit Takt und Sachkenntnis praktisch gearbeitet
haben, in ihrem Wirken nicht durch behördliche Eingriffe gehemmt, sondern
gegen Angriffe geschützt werden.
Die Dentsehe Otologisehe Gesellsehaft hat bei ihrer diesjährigen
Tagung in Heidelberg am 6. und 7. Juni beschlossen, an die Gemeinaen
Deutschlands mit über 10000 Einwohnern folgende ErUärnng zu schicken:
Die Deutsche otologisehe Gesellschaft hält die Anstellung von Schulohren¬
ärzten an allen Volks- und höheren Schulen für erforderlich. Durch viele
Untersuchungen ist festgestellt, daß bei etwa der Hälfte der schwerhörigen
Schulkinder die dauernde Schwerhörigkeit durch frühzeitige Behandlung hätte
vermieden werden können. Da der Erfolg des Unterrichts vom Grade der
Schwerhörigkeit abhängig ist, liegt die Verhütung und Beseitigung der Schwer¬
hörigkeit [sowohl im Interessejfder Schule, als (auch dem der betreffenden Kinder.
Am Internationalen Tuberkulose-Kongress im September in
Washington wird als Führer der Delegierten für das Beich der Geheime
Ob.-Med.-Bat und vertragende Bat im Kultusministerium Prof. Dr. Kirchner
teilnehmen. Um eine Verständigung zwischen den deutschen Teilnehmern am
Kongreß herbeizuführen, ist es wünschenswert, daß alle, die nach Washington
gehen wollen, ihre Adresse dem Schriftführer des Deutschen National-Komitees,
Prof. Dr. Nietner, Berlin W. 9, Eichhornstraßee 9, mitteilen.
Die diesjährige Hauptversammlung des Deutschen Apothekervereins
findet vom 8. bis 11. September in Darmstadt statt. Auf der Tages¬
ordnung befindet sich u. a.: Beform des Krankenversicherungswesens, Entwurf
eines Beiebsapothekengesetzes, Vor- und Ausbildung, Deutsche Arzneitaxe,
Großindustrie und Apotheke, Bevision der Kaiserlichen Verordnung über den
Verkehr mit Arzneimitteln, Knrpfuschergesetz, Verkehr mit Mineralwässern,
Standesbezeichnung. Außerdem wird Geh. Hofrat Professor Dr. Staedel-
Darmstadt einen Vortrag über „die Umbildung fester Stoffe“ halten.
Tsgesnaehiiehten.
667
Im KSiilfreich Sachsen ist unter dem 6. Kal d. J. eine A.bSndeiaBg
der Hebammenordnaag und der Dienstanwelsnng fOr die Hebammen car
VerhOtong des Wochenbettfiebers erlassen, durch die 14 tägige Wiederholunn-
knrse Ittr alle angestellten Hebammen eingeltthit wmden, die einschließlich der
Veipflegong anent|;eltlieh sind. Außerdem ist durch die neue Anweisung
„Sublimat* als Desinfektionsmittel vorgeschrieben.
Der „Arbeiterfreund* hat eine Zueammenstellnng ttber die FSrsorge-
elnrlehtangen der dentsehen Arbeitgeber gemacht. Danach sind von diesen
in den Jahren 1898 bis 1905 nicht weniger als 551599686 M. aufgewendet
worden, und swar handelte es sich dabei um direkte freiwillige Fttrsorgen ffir
die Arbeiter und deren Angehörige. Im Jahre 1905 sind 92948592 hf. aus-
gegeben und swar fttr: Pensions- und Onterstütsungsfonds usw. 17 026 579 M.,
Prämien, Gratifikationen, Gewinnbeteiligung 10910688 H., Arbeite rwohlfahrts-
swecke, nicht spezialisiert 88244878 M., gemeinnätzige Zwecke im allgemeinen
2240512 H., Altenheime, Stifte 8621832 M., Kranken-, Verwundeten-, Ge¬
nesenden-Fflrsorge, Wöebnerinnenpflege 4864440 Mark, Wohnungsfttrsorge
9561185 M., Ersiebnngs- und Unterri^tsswecke 2188689 M., Bildungs- und
Vereinszwecke 2794775 M., Armenunterstütsung im allgemeinen 1545124 M
Im Deutschen Verlag ffir Volkswohlfahrt (Berlin W., NoUendorf-
Straße 29—30) erscheint seit dem 1. Juli eine neue Monatsschrift: ,)Deslnfek-
tlea% die ron Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Fittgge-Brealau, Geh. Ober-Med.-Bat
Prof. Dr. Gaffky, Baurat Herz borg, Geh. Ober-Med.-Bat Prof. Dr.
Kirchner, Geh. Beg.-Bat Prof. Dr. Proskauer, sämtlich zu Berlin, unter
Scbriftleitung yon Dr. med. Lentz und Dr. phil. Lockmann, Abteilungs-
Torsteher im Kgl. Institut fttr Infektionskrankheiten in Berlin, heransge^eben
wird. Sie will ein Zentralorgan fttr das Gesamtgebiot der Desinfektion,
Sterilisation und Konseryierung werden.
In Originalartikeln wissenschaftlicher Forscher wird sie an dem weiteren
Ausbau dieser Gebiete tätig sein, in Besprechungen, Literaturttbersichten,
Einzel- und Sammelreferaten wird sie dauernd einen zuyerlässigen Ueborblick
ftber den jeweiligen Stand der gesamten, hierher gehörigen Forschungsarbeit
darbieten.
Durch Gewinnung einer Beihe von tflehtigen Mitarbeitern ist die Zeit¬
schrift in der Lage, nicht nur aus der ganzen umfangreichen sowohl deutschen,
wie ausländischen wissenschaftlichen Literatur das einschlägige Material zu
sammeln, sondern auch patentamtliche Mitteilungen, statistische Angaben und
Berichte Aber gesetzliche und behördliche Bestimmungen zu bringen. Dabei
wird ttberall bis auf Januar d. J. zurttckgegriffen werden, so du die Zeit¬
schrift noch fttr das Jahr 1908 ein vollständiges Bepertorium bilden wird.
Ferner sind Beschreibungen bewährter oder neuer Dssinfcktionsanlagen yon
Krankenhäusern und anderen Anstalten in Aussicht genommen; auch bemerkens¬
werte Tagesereignisse werden kurz Berücksichtigung finden. Der Preis des
Jahresabonnements beträgt 10 Mark.
Als Organ der Gruppe „Krttppelfttrsorge der deutschen Zentrale fttr
Jugendfttrsorge und des Berlin-&andenburgischen Krflppel-Heil- und Fttrsorge-
Versins* erscheint vom 1. Juli d. J. ab als neues Fachblatt die „Zeitschrift
fflr KrBppelfBrsorge^ die unter Mitwirkung von Hilfsschuldirektor Delitsch-
Planen L V., Geh. Ober-Med.-Bat Dr. Dietrich und Stadtrat Dr. Mttnster-
berg-Berlin. Pastor D. Schäfer-Altona von Dr. Biosalski, leitenden
Arzt der Berlin - Brandenburgischen Krttppel • Heil - und Erziehungsanstalt im
Verlage von Leopold Voß, Hamburg und Leipzig, heransgegeben wird. In
der Zeitschrift soll über die Literatur der einzelnen Sondergebiete in ttbersicht-
lichen Sammelberlcbten referiert, Nachrichten aus den Krttppelheimen, den
Vereinen und Kongressen, besonders auch aus dem Ausland, kurz, ans der
praktischen Arbeit gebracht werden und in besonderen Aufsätzen nach und
nach jedes Sonderfach Gelegenheit finden, sich „den andern* bekannt zu
nsaehen, um einen organischen Zusammensdilnß aller an der Krfippelfttrsorge
beteiligten Sonderfächer zu erreichen. Preis: 12 Mark fttr jeden Band.
668
äprechsaal.
•pr«o]iMk«L
Anfrage des Kreisarztes Dr. M. N.: Wo beginnt im Sinne des § 66 a
der Qewerbeordnang sowie des Ministerial-Erlasses vom Januar 1903 das
Gebiet der Zahnheilkunde gegenüber derT&tigkeit als Zahn¬
techniker. Fallen insbesondere a) Zahnextraktion, b) Plombieren von Zihnen
unter die Zahnheilkunde P
Antwort: Ausziehen und Plombieren von Z&haen gehOrt zur Zahnheil-
künde und da gemäß § 66 a die Ausübung der Heilkunde allen Personen, die
nicht für diese approbiert sind, verboten ist, gilt dies Verbot auch für die
Zahntechniker, soweit sie nicht etwa als staatlich geprüfte Heilgehilfen die
Befähigung zum „Zahnziehen" besitzen. In diesem Falle werden sie Zahn-
eztraktionen, aber nicht Plombieren der Zähne im Umherziehen vornehmen
können.
Anfrage des Kreisarztes Vr* K. in St«: Ist das Attest zwecks Mel¬
dung zur Prüfung als Schwimmlehrerin in das Gebührenverzeichnis
dor vollbesoldeten Kreisärzte anfzunebmen oder nicht?
Antwort: Nein. Nach dem Ministerial-Erlaß vom 18. Dezember 1906
— U. 111 B. 4018 — können Meldungen zur Tum- und Scbwimmlebrerinnen-
prüfung nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie mit den in § 4 der
Prüfungsordnung vom 16. Mai 1894 vorgeschriebenen Schriftstücken ordnungs¬
mäßig versehen sind. In § 4 wird aber nur ein „ärztliches Gesundheitsattest"
und kein „amtsärztliches" verlangt.
Anfrage des Dr. B. in M.: 1. Ist es — z. vergL § 9 des Beichs-
impfgesetzes — zulässig oder dem Sinne des Gesetzes nach gültig, wenn
Impfstoff aus ausländischen Instituten verwendet wird?
2. Sind in bezug auf §§ 1, 2, 8, 10 n. a. dos B.-L-G. von ausländi¬
schen Aerzten vorgenommene Impfungen, besonders auch von
solchen ausgestellte Scheine und Zeugnisse gesetzlich gültig? Ist es nach
dem Impfgesetz gültig, wenn in Grenzgegenden ausländischen Aerzten Praxis
in irgendeiner Ausdehnung im deutschen Gebiete gestattet ist, daß diese
dann auch wie inländische Aerzte impfen und Scheine ausstellen können?
Antwort zu 1: Die Benutzung von Lymphe ans ausländischen Instituten
ist nach § 9 des Impfgesetzes in Verbindung mit den von allen Landes¬
regierungen erlassenen Beschlüssen des Buudcsrats vom 28. Juni 1899 nicht
zulässig; denn in Nr. 3 der Beschlüsse, betreffend die allgemeine Einführung
der Impfung mit Tierlymphe, heißt es, daß die Tierlymphe für alle Impfärzte
aus staatlichen oder ans uen einer staatlichen Kontrolle unterstehenden Privat-
Impfanstalten bezogen werden muß; unter den „staatlichen" sind aber im
Sinne der Beschlüsse nur inländische Anstalten zu verstehen.
Zu 2: Derartige Impfungen sind im allgemeinen nicht gültig, da nach
§ 8 des Impfgesetzes die Impfung von einem Arzt, d. b. einem in Deutschland
approbierten Arzt, ausgeführt werden muß. In den Grenzgebieten sind jedoch
nach dem Wortlaut der betreffenden Vereinbarungen die ausländischen Aerzte
zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit in gleichem Maße, wie ihnen dies in
der Heimat gestattet ist, befugt, also auch zur Vornahme von Impfungen. Die
Von ihnen ausgestellten Impfscheine sind daher gültig, vorausgesetzt, daß sie
der vorgeschriebenen Form entsprechen.
Anfrage des Kreisarztes Dr. M. in Z.: Wer hat die Uebersichten der
Impfungen und Wiederimpfungen ausznstellen ?
Antwort: Die Uebersichten der Impfungen und Wiederimpfungen sind
von der Ortspolizeibehörde bezw. vom Landrat (für den ganzen Kreis) anl-
zustellen. Die Impfärzte haben nur einen Impfbericht gemäß dem Erlaß vom
12. Juli 1883 anzufertigen, und der Kreisarzt hat dann auf Grund dieser Impf¬
berichte und der Impfiisten (§ 89 der D. A.) den Hauptimpfbericht zu er¬
statten. Zu ,den Listen gehören aber auch die Uebersichten.
Verantwort!. Redakteur; Dr.Rapmnnd, Reg.-u. Geh. Med.-Rat inIDndenL W.
J. O. C. Bnuu, PanofL Zieha a. F. ScIl-L. Hofl>neädrack«r«l tr Mtmi—
21. J>hrg.
Zeitschrift
1908.
Iftr
MEDIZINALBEÄMTE.
ZairtralMatt für das gnante Sasaailkeitswesan,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
HeransgegebeB
▼OB
Dr. OTTO BAPMUND,
Refienuigs- und Qeh. ModlilnAlrat 1b MiBdoB.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Wflrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinaibeamtenvereins.
Verlag von Fisehers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld,
HaraogL Bajraar* HM- b. BnBMBogL gMwnMir.BiMihhtoBiMP.
Berlin W. S5, Lützowstr. 10.
iBierBte Bohmea die YerlogtliAndliuig sowie alle ABBonoeB-SxpedllioBeB des Ib-
BBd AnslaBdes entgegen«
Nr. 16.
Brs«laeliit »at S. ud HO. Jeden Honnta.
20. August.
Schädelbruch durch Hundebiss.
(Hit swei AbbildoogeB.)
VoB Mediaiaalrat Dr. Pfleger, Gericbtsarzt dea Ereieee Nieder-Bamim luad
Dr. Marx, Gerichtaarzt dea Kreises Teltow.
Im April dieses Jahres hatten wir eine Obduktion yorzn-
nehmen, bei der wir eine interesssante Schädelyerletznng fest¬
stellen konnten; schon ihrer Seltenheit wegen erscheint sie uns
der Veröffentlichung wert:
Am 7. April d. Js. spielte das IVt Jahre alte Töchterchen
des M. in K. vor dem Hanse seiner Großeltern nnd kam dabei
dem Hofhunde, einen ziemlich großen Tiere, nah. Das Kind
streichelte den Hnnd, plötzlich schnappte das Tier zu nnd nahm
dabei den ganzen Kopf des Kindes ins Maul. Der hinzneilende
Vater mußte den Kopf des Kindes ans dem Manie des Hundes
befreien, dabei zeigte sich, daß das Kind tot war.
Am 11. April nahmen wir die Obdnktion der noch frischen
Leiche vor. Ans dem ObdoktiousprotokoU lassen wir die wesent¬
lichen Befände hier folgen:
A. Aensaere BezicbtigUBg.
Die Leiche des 1V» alten HSdchena ist 80 cm lang, zeigt legelm&fligeB
Edrperbao, guten Ernftbrangszoatand.
1 cm Aber dem linken Ohranaatz aitzt eine von Torn nach hinten Ter-
laofende Zuaammenliaagztrenaang der Weiobteile bia auf den Knochen gehend,
570 Dr. Pfleger und Dr. Marx: Sichfldelbruch durch äandebiß.
Yon 6 cm LSnge und bis 8 cm klaffend. In der Tiefe sieht man Knochen-
trflmmer und freiliegende Gehirnsubstanz.
2 cm oberhalb dieser Zusammenhangstrennung findet sich eine zweite
Zusammenhangstrennung, welche in einer Linge von 4 cm und 0,5 cm klaffend
gerade nach oben yerläuft.
An der Grenze zwischen Stirnbein und Scheitelbeinen verlfluft Yon rechts
nach links eine Zusammenhangstrennung der Weichteile bis auf den Knochen
gehend, in Länge Yon 3 cm und 1 cm klaffend.
6</i cm über dem rechten Ohransatz findet sich eine weitere Zusam-
menhangstrennnng, welche dicht hinter der Haargrenze beginnt und 9Vt cm
nach hinten Yerläuft. Sie klaffe bis 8 cm. Auch hier liegt der Knochen yoU-
kommen frei.
An der linken Ohrmuschel findet sich ein Biß, welches am oberen Band
beg^t und 1 cm nach abwärts geht. Die Bänder sind unregelmäßig, blutig,
eingetrocknet.
Auf der linken Wange sitzt eine Zusammenhangstrennung der Haut,
welche in Länge Yon 4 cm und bis 1 cm klaffend Yon oben nach unten Yor-
läuft und unten gabelförmig in 2 Zacken auslänft. Die Bänder sind unregel¬
mäßig, blutig. Dicht hinter dieser Zusammenhangstrennung Yerlaufen zwei
striemenartige, braunrote, 2 cm lange Hautabschürfungen, Yon oben nach unten.
Im rechten Ohreingang etwas angetrocknetes Blut, sonst in den natür¬
lichen Oeffnungen des Kopfes kein Fremdkörper.
B. Innere Besichtigung.
I. Kopfhohle. Die weichen Kopfbedeckungen sind fast in ganzer
Ausdehnung mehr oder weniger stark blutig durebtränkt.
Das Schädeldach ist regelmäßig gebaut Yon graurOtlieher Farbe; auf der
Sägefläche bis 0,15 cm stark. Die Eranznaht ist YoUständig auseinander¬
gesprengt und klafft bis zu 1 cm; das linke Scheitelbein ist in seinem unteren
Abschnitt yielfach zertrttnunert.
An beiden Scheitelbeinen finden sich insgesamt 6 LOcher Yon der Grüße
etwa einer Linse von dreieckiger, Yiereddger und länglicher Gestalt, welche
den Knochen YoUständig durcluetzen, derartig, daß die innere Tafel des
Schädelknochens dachfirstfOrmig nach innen gegen die Schädelhohle aufge-
richtet ist.
Die Bänder sämtlicher Enochenznsammenhangstrennungen sind unregel¬
mäßig, zackig, laicht blutig belegt.
Die harte Hirnhaut ist entsprechend der Zertrflmmung des linken
Scheitelbeins mehrfach zerrissen. Im übrigen ist sie unYorletzt, an der inneren
Fläche blaß, perlmutterglänzend; Gefäße und Längsblutleiter leer.
Zwischen harter und weicher Hirnhaut findet sich, das ganze Gehirn
überziehend, eine dünne, nicht meßbare Schicht locker geronnenen Blutes.
Die weiche Hirnhaut ist zart; ihre Gefäße nur sehr wenig gefüllt.
An der Stelle, wo der linke Schläfen-, Scheitel- und Stirniappen Zusam¬
menstößen, ist die Hirnsubstanz in Ausdehnung eines Fünfmarkstückes zer¬
trümmert, bis in eine Tiefe Yon 1 cm und blutig durchsetzt. Im Übrigen ist
das Gehirn regelmäßig gebaut und so weich, daß es bei der Herauanabrae zer-
fäUt und eine regelNchte Sektion der einzelnen Himteile nicht mOglich ist.
Nirgends finden sich in der Substanz Blutaustritte. Es treten fast gar keine
Blutpunkte auf.
Die harte Hirnhaut der Schädelgrundfläche ist glatt und glänzend
Querblutleiter leer.
Die Knochen der Schädelgrundfläche sind unYerletzt.
Naehdem das Schädeldach mazeriert war, zeigten sich die
schon im Obdnktionsprotokoll beschriebenen SchädelYerletznngen
am vieles deutlicher. Die beigegebenen Abbildungen (Photo¬
gramme) geben die charakteristischen Befunde sehr schön wieder.
Die Seltenheit des Falles beruht einmal in der Lokali¬
sation der durch die Hundebisse bewirkten Verletzungen, vor
allem aber in der durch die Gestalt der Hundezähne bedingten
Zu dem Artikel: Schädelbruch durch Hundebiss.
Dr. T. SuTj: PraktlBclie Drlalunuigak bei EoblenozydTergiftnngeii osw. 671
Form der Verletzangen. Wir haben him* den nicht alltägliehen
Fall des Vorkommens geformter Lochbrüche an einem Kinder«
Schädel vor nns. Wäre das Tier, von dem die tOtlichen Verlet-
znngen aasgingen, nicht bekannt gewesen, so hätte man sehr
wolü nach der Form der Schädelverletzangen den „schuldigen“
Hand an seinen Zähnen ausfindig machen können.
Aach an diesem kindlichen Schädel bewährt sich das be¬
kannte Gesetz, daß bei Lochbrüchen des Schädels der Aosbmch
an der der einwirkenden Gewalt abgekehrten Knochentafel größer
ist, als an der zagekehrten Tafel.
Die übrigen, nicht geformten Brüche dieses Schädeldaches
sind teils, wie der breite Einbrach des rechten Scheitelbeins,
durch das direkte Einwirken der Kieferränder des Hundes ent¬
standen, teils sind sie, wie die Anseinandersprengong des Schädel¬
daches in der Kranznaht, vielleicht durch Schlag mit der Pfote
entstanden.
Figur I zeigt das Schädeldach von der Außen-, Figur n
dasselbe von der Innenseite.
Praktische Erfahrungen hei Kohienoxydvergiftungen mit
Einschluss der Wachholz-Sieradzkischen Tanninprohe.
Ans dem gerichtlich>medizini8cbeii Institut der ünirersität Wien.
Von Dr. Kurt t* Sury (Basel), ehemaliger Assistent am Institut.
Im Laufe jeden Winters kommen stets eine ansehnliche
Zahl von Kohienoxydvergiftungen am Institut zur Sektion.
Reuter*) stellte für die Jahre 1896—1905 52 solcher Fälle
zusammen und im verfiossenen Wintersemester kamen 8 neue Fälle
dazu. Unter diesen letzteren selbst beobachteten Fällen präva-
lierten auffallend häufig Leuchtgasvergiftungen bei Dienstboten,
die entweder in der Küche selbst oder in mit dieser verbundenen
Räumen ihre Schlafstätten hatten. Die Intoxikationen sind so
zu Stande gekommen, daß wohl der Gashahn am Rechaud ge¬
schlossen, aber der Haupthahn und der Hahn an der Mauer, wo
der Schlauch ansetzt, offen gelassen war. Hat nun das
Gummirohr durch längeren Gebrauch seine Elastizität eingebflßt,
so gleitet dasselbe durch den in seinem Innern herrschenden
Druck vom Rechaud ab und das Gas strömt frei aus. Man kann
daher bei der Wiederholung des gleichen Geschehnisses nicht
genug warnen und zur Vorsicht mahnen. In erster Linie sollten
die zuständigen Behörden genaue Verordnungen über das
Schließen sämtlicher Hähne in der Nacht, besonders in
Schlafränmen, mit Strafandrohung bei leichtfertiger
Unterlassung der Vorschrift, erlassen. Unsere Pflicht
M Beut er: Vierteljahrecbr. f. gerichtl. Mediz.; 3. Folge, XXXT, 1906,
Seite 240.
672 Dr. T. Sarj: Praktbohe Erfahraagdo bei KoblenozydTergiftangea
ilt 68, diese Fälle za publizieren, am noch mehr wie bisher die
allgemeine Aufmerksamkeit auf sie za lenken.
Beispielsweise fielen auf diese Art 4 Mädchen miteinander
einer Leachtgasvergiitong zam Opfer; die eine wurde tot aaf-
gefanden, die 2. starb b^d darauf, die beiden anderen konnten
gerettet werden.
Bei einer dieser frischen Leichen demonstrierte sich die be¬
ginnende Erweichung an symmetrischen Teilen des
Globus pallidus entsprechend dem Knie der Capsula interna
sehr schön. Einen noch ausgesprocheneren Befand erhoben wir
im letzten Sommer bei einer 55jähr., an Myodegeneratio cordis
plötzlich verstorbenen Frau. Auch hier fanden sich an der er¬
wähnten Stelle symmetrisch ca. erbsengroße, von Narbengewebe
umgebene Zystchen. Die bei den Verwandten erhobene Anam¬
nese ergab eine vor 4 Jahren dorchgemachte Eohlenoxyil?ergif-
tung. Gleich verhalten sich auch die Befunde an mehreren
Sammlungspräparaten (Eohlenoxydvergiftungen); so beträgt die
Größe der symmetrischen Erweichungsherde bei dem einen Falle
1,7 : 1,1 cm, in dem andern 1,8 : 0,7 cm.
Auf das Vorkommen dieser symmetrischen Erweichungsherde
hat schon v. Hofmann^) an Hand eigener Beobachtungen hin¬
gewiesen und ihre diagnostische Bedeutung hervorgehoben.
Koch*) stellte außer 2 eigenen noch 14 Fälle aus der Literatur
zusammen; in 8 Fällen lagen die Erweichungsherde symmetrisch,
in 5 Fällen nur einseitig.
So können wir sagen, daß uns die symmetrisch in den
Zentralganglien, speziell im Globus pallidus am Knie
der inneren Kapsel gelegenen Encephalomalacien
einen sicheret Anhaltspunkt für eine stattgehabte
Eohlenoxydvergiftung ergeben.
Das ursächliche Moment dieser Erweichungsherde liegt in
der spezifischen Gefäßanordnung der Zentralganglien. Diese
Partien werden, wie schon Kolisko’) hervorhob, von Eudarterien
versorgt, die rechtwinklig aus den i^t. cerebralis ant., med. und
post, abgehen und keine Vasa vasorum besitzen. So kann schon
die durch die Eohlenoxydvergiftung bedingte Zirkulationsstörung
infolge des mangelhaften Sauerstoffgehaltes des Blutes, eine fettige
Degeneration der Gefäßintima hervorrufen mit nachfolgender
Thrombosierung, die ihrerseits in dem anastomosenlosen Ge¬
biete die schweren Veränderungen nach sich zieht. Eine Ver¬
kalkung der Gefäßwand, wie Poelchen^) annimmt, ist sicher
0 V. Hof mann: Lehrbnch der gerichtl. Medizin: VlI. Aofl., 8. 710
und 711.
*) Koch: Eozepbalomalazie nach CO vergiltongen. 1. D. Oreifswald,
1808 , Ijit.
*) Eoliako: Sammlung von Vorträgen der Wiener klin. Wochea-
achrilt; 189 L.
*) Poelehen: Virchows Archiv; CXU, 8. 26. Berliner kliniache
Woohenaehrift; 1882, Nr. 86 (Lit.).
mit Einschlnfi der Wacbhols • Sieradzkisobeii TMwioprobe.
578
nicht der Eoblenoxydeinwirknng zuziuchreiben. Das symmetrische
Bild der EDzephalomalazie findet seine ErUärang in dem beider»
seits genau gleichen anatomischen Verhalten der entsprechenden
Geiaßäste.
Trotzdem wir znr Erkennnng der Eohlenozydyergiftnng in
der spektroskopischen Probe, in derjenigen von Hoppe»
Seyler and Schnlz-Ennkel ausreichende Hilfsmittel besitzen,
werden wieder neuere Methoden^) in die forensische
Praxis eingeiflhrt. Es ist gewiß von größtem Werte, genau
wissenschaftlich eine sichere Diagnose stellen zu können; es ge»
nfigen aber dazu die erwähnten Proben, wie die Erfahrungen am
Wiener Institute alle die Jahre hindurch gelehrt haben, vollauf.
Eine neue, besonders ffir den Praktiker aasgearbeitete Methode
muß ebenso handlich sein und mindestens gleich gute, wenn
nicht bessere Resultate wie die der bisher gebräuchlichen er¬
geben. Im Speziellen haben sich Wachholz und Sieradzki**)
experimentell im Anschluß an Begutachtungen kronkreter Fälle
mit dem Verhalten und dem Nachweise des Kohlenoxyds im
menschlichen Blute beschäftigt und unter anderem eine emp¬
findlichere Modifikation der Eunke.lschen Tannin¬
probe empfohlen.
Ich habe nun mit dem Blute unserer Eohlenoxydleichen
vergleichende Untersuchungen inbezug auf die Wertig¬
keit der angeführten alten Methoden mit Einschluß der modifi¬
zierten Tanninprobe (Wachholz-Sieradzki) vorgenommen,
worüber hier kurz berichtet sei.
1) Leachtgasyergiftang: Spektroskopische Probe positiy;
HoppO'Seyler poaitiv; Kunkel positiy. Wachholz: COhaltige Portion
mattbraunrot, CO freie Portion graubräunlich.
2) Lenchtgasyergiltung (Doppelselbstmord?): Spektr. Probe
positiy; Hoppe-Seilor positiy; Kunkel positiy.
Wachholz: 1. Reduktion mit Scbwefelammon: CO haltige Portion
mattbraunrot, CO freie Portion schmutzig graubräunlich.
IL Bedukion mit Hydrazinhydrat: COhaltige Portion matthelibraunrot
etwas leuchtender wie bei I, CO freie Portion schmutzig graubraun mit einem
Stich ins Bdtliche.
8) Leuchtgasyergiftung: Spektr. Probe positiy; Hoppe-
Seyler positiy; Kunkel positiy.
Wachholz: I. Reduktion mit Schwefelammon: COhaltige Portion
mattbrannrot, CO freie Portion schmutzig graubraun.
II. Reduktion mit Hydrazinbydrat: COhältige Portion matthellbräun¬
lichrot, CO freie Portion schmutzig bräunlich mit einem Stich ins ROtUche.
4) Kohlendunstyergiftung: Spektr. Probe positiy; Hoppe-
Seyler positiv; Kunkel positiy.
Wachholz: I. Reduktion mit Schwefelammon: COhaltige Portion
hellziegelrot, CO freie Poition rotbraun.
') a. Wachholz-Sieradzki: Zeitschrift f. Medizinalbeamte; 1897,
Heft 8.
b. Puppe: Der beamtete Arzt (Rapmund); 1901, Lieferung III.,
Seite 256.
c. W achholz-Lemberger: Vierteljahrschrift f. gerichU. Medis.;
3, Folge, XXIII, 1902, S. 223.
d. Wachholz: ibid.; S. 231.
e. Straßmann-Schulz: Berlin, klin. Wochenschrift; 1904, Nr. 48.
f. Qrflnaweig-Pachonski: Zeitschrift für Medizinalbeamte; 1906.
574 Dr. T. Sary: Praktbche Erfahrongen b«i EohleBoxydrergiftiuigeB
IL Bednktioa mit Hydraziiihydrat: CO haltige Portion dnakelziegolrot,
CO freie Portion granbrann.
5) Leachtgasvergiftang: Spektr. Probe positiT; Hoppe*
Seyler positiv; Kunkel positiv.
Wachhois: 1. Beduktion mit Schwefelammon: CO haltige Portion
dunkelrotbraan, CO freie Portion graugelblieh.
II. Beduktion mit Hydrazinhydrat: CO haltige Portion graugelblichrot,
CO freie Portion hellbraungelblich.
6) Leuchtgasvergiftung: Spektr. Probe positiv; Hoppe*Seyler
positiv; Kunkel positiv.
Wachholz: CO haltige Portion hellbr&nnlichrot, COfreie Portion
brftnnliehgelb.
7) Leuchtgasvergiftung: Spektr. Probe positiv; Hoppe*Seyler
positiv; Kunkel positiv.
Wachholz: COhaltige Portion hellbräunlichrot, COfreie Portion
bräunlichgelb.
8) Kohlendunstvergiftnng: Spektr. Probe positiv; Hoppe«
Seyler positiv; Kunkel positiv.
Wachholz: COhaltige Portion dunkelziegelrot, COfreie Portion
schmutzig i^ünlichbraun.
9) Kindsmord, foetus praematurus, Mens. VIII, wurde von der
Mutter mit Petroleum ttbergossen und angezttndet. Verbrennungen bb HI. Qrades;
im Magen eine Luftblase, im Bachen blutiger Schleim mit Bufi.
Spektroskopbche Probe negativ, reduziert aber mit Hydrazinhydrat
langsamer wie das Kontrollblut. Hoppe«Seyler negativ; Kunkel negativ;
Wach holz negativ.
Diese VersachsreiheD lehren uns, daß in allen Fällen mit
Ansnahme von Nr. 9 die alten Proben sich bewährt haben. Hin¬
gegen ist Wachholz-Sieradzki nnr bei 4) und 8) positiv
ausgefallen, während im übrigen nie ein der Knnkelprobe
ähnliches schönrotes Gerinnsel erhalten wurde, worauf
Be nt er (1. c.) bei seinen Untersuchungen an 14 CO« Leichen
schon anfmerkMm gemacht hat. Wie ans der mitgeteilten
Tabelle ersichtlich ist, besitzen die Fällnngen meist einen bräun¬
lichen Ton, den wir bei Ennkel absolut nicht kennen. Auch
Straßmann und Schulz ei'hielten bei ihien experimentellen
Untersuchungen stets negative oder unsichere Resultate mit der
Wachholz sehen Probe (s. Berliner Klinische Wochenschrift;
1904, Nr. 48).
Wachho Iz will sogar mit dieser Modifikation noch 5—10%
Kohlenoxyd, Mengen, wo die spektroskopische Untersuchung ver¬
sagt, im Blute nachgewiesen haben (bestimmt nach seiner Farben¬
skala). Haben nun diese kleinen Mengen eine positive Probe
ergeben, so ist es sehr verwunderlich, warum die Probe nicht
auch bei meinen Untersuchungen mit dem viel größeren Kohlen¬
oxydgehalt des Blutes, welches das typische spektroskopische
Bild zeigte, positiv ausgefallen ist. Ein Versuchsfehler meiner¬
seits liegt sicher nicht vor, da ich mich in jeder Beziehung an
die Wachholzschen Angaben hielt und die Proben stets wieder¬
holt ausgeftthrt habe; es sei dabei noch ausdrücklich betont, dass
erstens das verwendete Schwefelammonium gut. reduzierte und
zweitens mit dem noch stärker reduzierenden Hydrazinhydrat die
gleichen negativen Resultate gewonnen wurden wie mit Schwefel¬
ammon.
I
mit EiMchlofl der Wsohhola-SieredskiBchen Tannisprebe. 675
Um dem Sachverhalt von einer andern Seite näher zn treten,
leitete ich in das indifferente Blnt einer großen An¬
zahl von Leichen Leuchtgas ein bis keine Redaktion auf
Zusatz von dem schon oben verwendeten Schwefelammon oder
Hydrazin mehr erfolgte and die beiden Absorptionssti’eifen deutlich
als solche erhalten blieben. Bei der nun angewandten modifizierten
Tanninprobe Wachholz erhielt ich beinahe immer ein ffir die
CO haltige Probe mattziegelrotes und für die CO freie Probe ein
m. w. schmutzig graubräunliches oder grttnlichbraunes Gerinnsel,
also Unterschiede, die wirklich eine sichere Diffe¬
renzierung gestatteten!
Worin liegt die Erklärung? Meines Erachtens in dem
vitalen Prozeß; durch die viel festere Bindung des Eofalen-
oiyds an das Hämoglobin der lebenden Blutzelle bei der Einat-
mnng des Gases bis zum Eintritt des Todes kann das Kohlen¬
oxyd nicht auf mechanischem Wege durch einfaches Umschtttteln
völlig entfernt werden. Von dem event. Gelingen dieses Vor¬
habens, z. B. bei den künstlich mit Kohlenoxyd versetzten
Blutproben, hängt dann natürlich auch das schließliche Re¬
sultat ab.
Der praktische Wert der Wachholz-Sieradzki-
schen modifizierten Tanninprobe ist also, wie jetzt
und schon früher von Reuter gezeigt wurde, fraglich,
da nicht einmal die mit Sicherheit Kohlenoxyd ent¬
haltenden Blutproben ein wie bei Kunkel gleich
schön gefärbtes Gerinnsel gegeben haben und im Ver¬
gleich zum Kontrollblute der Farbennnterschied
nicht scharf und deutlich genug hervortritt. Der nur
in 2 Fällen erhaltene positive Ausfall der Wachholzschen
Modifikation rechtfertigt diese ablehnende Stellung ebenfalls.
Der Methode haftet aber noch ein zweiter Mangel
an, die große Umständlichkeit und der Zeitverlust In einem
Institut mit all seinen Hilfskräften kann das Umschütteln der
Blutmischung 10—15 Minuten lang bei Untersuchungen, die
aus wissenschaftlichem Interesse geschehen, wobl ansgeführt
werden, trotzdem genügend Vergleichsblut zur Verfügung steht.
Draußen aber auf dem Lande, wo Kontrollblut vielleicht mangelt,
für welche Fälle Wach holz gerade seine Methode empfiehlt, da
macht der Sachverständige diese zeitraubende Arbeit voraussichtlich
nicht. In einschlägigen Fällen sollen zur Diagnose in erster Linie
der anatomische Befand an sich, dann das spektroskopische Ver¬
halten des Blutes und die erprobten chemischen Methoden genügen.
Vom beamteten Arzte, der eine solche Obduktion vorzunehmen
hat, darf man füglich verlangen, daß er die Leichenerscheinungen
und auch die zufälligen Befunde bei der CO Vergiftung kennt und
das Spektroskop richtig zu handhaben weiß, nicht aber daß er
Untersuchungen vomimmt, die selbst in zweifellosen Fällen keine
eindeutigen Resultate liefern.
676 Dr. KarpjiiweH: Saaititfpoliseiliebe MaBatkmM bei
Sanitätspolizeiliche Massnahmen bei nicht typhuskranken
Personen, die im Blute Typhusbazillen führen.
Von Dr. Knrpjnweit, Kreisarzt in Swinemttnde.
Vor knrzem erschien eine Arbeit in der Mflncbner Medizi¬
nischen Wochenschrift*) von Medizinalrat Prof. Dr. 0. Bnsse in
Posen: ^Ueber das Vorkommen von Typhnsbazillen im Blnte von
nicht typhnskranken Personen“, die ihr den Medizinalbeamten von
größtem Interesse ist, weil der Verfasser aof Gmnd seiner
Beobachtungen zn dem Schloß kommt, daß Typhnsbazillen im
Blnte auch bei Kranken Vorkommen, die nicht an Typhus leiden.
Es handelte sich in den Fällen nm drei weibliche Kranke
mit Miliartuberkulose, von denen zwei mit der Diagnose Typhns-
verdacht in das Krankenhans anfgenommen worden waren, und
nm einen Mann mit einer typischen Pnenmonie. Die drei Er¬
krankungen an Miliartaberknlose endeten tötlich. Bei der Sektion
worden nirgeods Erscheinnngen gefnnden, die iflr Typhös sprechen
konnten, dagegen waren toberkolöse Darmgeschwüre, tnberkolOse
Herde in den Langen und miliare Tuberkel in fast allen inneren
Organen nachweisbar. Bei allen Kranken war dagegen durch
die Blotontersochang intra vitam mit Hilfe der Gallenanreichemng
bei wiederholter Untersuchung die Anwesenheit von Bazillen fest¬
gestellt, die durch ihr ganzes biologisches Verhalten, Wachstum
in Lakmusmolke, Milch, Bouillon, Neutralrotagar, auf Gelatine,
Lakmusmilch-Zuckeragar, durch die hohen Agglotinationswerte
über 3000, sich als Typhusbazillen erwiesen. Einmal gelang der
Nachweis auch in den Blutgerinnseln und einmal an der Leiche
in der Galle. Die Widalsche Reaktion war auffallenderweise
fiberall negativ. In den Darmgeschwüren fand man reichlich
Tuberkelbazillen. Stuhl und Urin waren nur bei einem FaUe
von Miliartuberkulose auf Typhnsbazillen mit negativem Erfolg
untersucht worden.
Auf Grund dieses Befundes ließ es sich mit Bestimmt¬
heit verneinen, daß die Kranken zur Zeit, als sie Typhnsbazillen
im Blnt beherbergten, an Typhus erkrankt waren. Fernerhin ließ
sich kein Beweis dafür erbringen, daß sie vor nicht zu langer
Zeit einen Typhus dnrchgemacht hatten. Nach Ansicht des Ver¬
fassers blieb nur die Annahme übrig, daß die Kranken „soge¬
nannte Bazillenträger“ gewesen sind, und daß den Typhnsbazillen
durch Katarrhe — der Pneumonialkranke hatte auch vorübergehend
an Darmkatarrh gelitten — und ulzeröse Prozesse der Darmschleim-
haut Gelegenheit gegeben war, in die Gewebe nnd in das Blut
einzudringen.
Busse erwähnt dann noch eine Beobachtung von v. Krehl,
wo bei tödlich endender Miliartaberknlose intra vitam Typhns-
bazillen im Blut gefunden waren, fernerhin eine ähnliche
Beobachtung von Jürgens. J. fahrt außerdem Fälle an, die in
*) Nr. 21 Tom 26. ICai 1908; Beferat darüber io Nr. 14 dieser Zeit-
scbrift; 8. 616.
I
Dicht typhnskraDkeB PersoBeo, die im Blute TyphusbsBilleD ftkhreD. 677
den Darmentleerungren Typhnsbazillen anfwieeen und sich im
weiteren Verlanfe als Tuberkulose herausstellten.
Ans seinen Beobachtungen zieht Busse mit Recht folgende
Schlußfolgerungen:
„Zum Uotypbos wird eine DeraerkranbuBg einre BazilieDtrSgere euch
dann noch nicht, wenn die Bazillen in das Blut gelangen und hier kreisen.
Sowohl der Kliniker, der behandelnde Arzt am Krankenbett, als auch
besonders der zur Senchebekämpfang in erster Linie bernfene beamtete Arzt
wild kttnftigbin, wenn anders er vor Tielleicht folgenschweren Irrttlmem be>
wahrt bleiben will, damit rechnen mttssen, daß bei bestehendem, selbst dringen>
dem Typhnsverdacht der Nachweis von Typhnsbazillen im Blute keine sichere
Qewähr dafür bietet, daß tatsächlich ein Fall von Typhus abdominalis yorliegt"
Ebenso wie bei anderen überraschenden Befunden erscheint
es auch hier zunächst zweckmäßig, weitere Untersuchungen ab*
znwarten. Sollten diese zu dem gleichen Resultat kommen, so
stehen wir ‘vor Tatsachen, die für den Medizinalbeamten von
grosser Bedeutung sind. Wir wissen dann, daß Kranke,
die klinisch nicht typhnskrank sind, Typhnsbazillen in ihrem Blute
führen können. So interessant diese Tatsachen sind, so wenig
werden jedoch unsere sanitätspolizeilichen Maßnahmen dadurch be¬
einflußt: Ein Kranker, sei es ein Tuberkulöser, sei es ein Pneumonie-
kranker, der Typhnsbazillen im Blut führt, muß in sanitäts¬
polizeilicher Hinsicht als Typhnskranker anfgefaßt werden, da er
diese seine Nebenkrankheit, — als solche muß das Kursieren
der Typhnsbazillen im Blot anfgefaßt werden — teils mehr, teils
weniger leicht auf Andere übertragen kann.
Die Gefahr der üebertragung wird bei einer Pneumonie ja
nicht besonders groß sein. Immerhin kann das rostfarbene Sputum,
welches gewöhnlich zahlreiche Blntbestandteile, weiße und rote Blut-
kö^erchen, aufweist, Typhnsbazillen enthalten, wie wir ja auch
bei der Bronchitis von Typhnskranken gelegentlich Typhnsbazillen
im Sputum nachweisen können. Und durch das Sputum kann dann
beim Husten und unvorsichtigen Umgehen mit dem Speiglas, bei
mangelnder Desinfektion eine Üebertragung zustande kommen.
Eine weitere Möglichkeit der Infektion bestände auch noch beim
Setzen von blutigen Schröpfköpfen, beim Aderlaß, Maßnahmen,
die bei der Behandlung von Pneumonien wieder in Aufnahme
gekommen sind. In 1 ccm Blut sind bei Typhnskranken mitunter
mehrere Hunderte, ja Tausende von Typhnsbazillen enthalten.*)
Selbst wenn in einem solchen Falle die Zahl der Typhnsbazillen
im Blut eine wesentlich geringere ist, kann z. B. bei einer Blut¬
entnahme zur Wi dal sehen Reaktion oder bei einer größeren
Blutentziehnng, falls nicht mit der genügenden Vorsicht verfahren
wird, jeder Zeit Gelegenheit zu einer Infektion gegeben sein.
Weit gefährlicher als der Pneumoniekranke sind die Kranken
mit Miliartuberkulose, die in ihrem Blut Typhusbazillen führen.
Bei der Sektion der drei an Miliartuberkulose Verstorbenen sind
') Bei den ünteraaebangen „üeber den Nachweis von Typbasbazillen
in Blntgerinnseln* (VerOffentUchangen des Beiebsgesundheitsamts und Klin.
Jahrbnob 1907) habe ich ans einem Blatgerinnsel von 0,1—0,16 ccm Inhalt
ca. 1600 Paratyphos-B-Kolonien gezüchtet.
578
Dr. Helwes: Bek&mpfiuig der Taberkolose auf dem Luide
taberkolOse Danng:e8chwflre gefunden worden» Der Verfasser
nimmt nnn an, daß die Darmgeschwüre den Uebertritt der
Bakterien ans dem Darm in die Gewebe und in das Blnt erst
ermöglicht haben. Anf dieselbe Weise, wie die Bakterien ins
Blnt hineingekommen sind, können sie aber auch jeder Zeit
wieder heranskommen. Bei jeder Darmtnberknlose können plötz¬
lich Darmblntangen anftreten und damit massenhaft Typhnsbazillen
znr Ausscheidung gelangen. Und daß dann die Infektionsgefahr
eine sehr große ist, wenn alle Desinfektionsmaßnahmen fehlen,
steht außer Zweifel. Ich begnüge mich hier damit, nur einige
Möglichkeiten der Uebertragung kurz zu skizzieren, selbstrer-
ständlich kommen noch viele andere, z. B. bei Longenblutungen,
Nasenbluten n. s. w. in Betracht.
Für den Medizinalbeamten ist jedenfalls, um es nochmals
zn betonen, der Standpunkt dahin zu präzisieren, daß jeder
Kranke, auch der nicht Typhuskranke, welcher
Typhusbazillen im Blute führt, als Typhuskranker
zu behandeln ist, und daß demnach alle diejenigen Maßnahmen
zu treffen sind, die durch das Gesetz vom 28. August 1905, betr.
die Bekämpfung Übertragbarer Krankheiten, vorgeschrieben sind.
Die Beobachtungen von Busse, v. Krehl und Jürgens
stehen vorläufig noch vereinzelt da und bedürfen noch weiterer
Bestätigung. Man ist ja zunächst leicht geneigt, derartige Be¬
obachtungen, ebenso wie seiner Zeit die sogenannten Bazillen¬
träger, als Kuriositäten anfzufassen. Wie wir aber jetzt bei der
Aufklärung jeder Typhnserkranknng eifrig nach BaziUenträgem
forschen, so könnte einst die Entstehungsmöglichkeit von Typhus
durch Kranke, die nicht typhnskrank sind, aber Typhnsbazillen in
ihrem Blute führen, eine größere Bolle spielen, als wir jetzt zu
vermuten in der Lage sind.
Jedenfalls ist es wünschenswert, daß die erwähnten Be¬
obachtungen durch weitere Untersuchungen ergänzt und unter¬
stützt werden. Man müßte prinzipiell in der Umgebung von
Typhuskranken sowohl die Gesunden in Rücksicht anf die Bazillen¬
träger, als auch die Kranken, selbst wenn sie offensichtlich an
anderen inneren Krankheiten leiden, in Rücksicht darauf, daß sie
eventuell Typhnsbazillen im Blute führen, untersuchen. Derartigen
systematischen Untersuchungen, die anfangs zwecklos erscheinen,
verdanken wir mitunter Beobachtungen, die uns neue Wege bei
der epidemiologischen Aufklärung und Bekämpfung des T^hus
weisen.
Bekämpfung der Tuberkulose auf dem Lande mit Hülfe
der sogenannten Tuberkuloseausschüsse.
Von Kreisarzt Dr. Hel wes in Diepholz.
Die Auskünfte- und Fürsorgestellen für Tuberkulöse haben
sich, das ist jetzt wohl allgemein anerkannt, in städtischen Ver¬
hältnissen ausgezeichnet bewähit und bilden mit den B[eil8tätten
zusammen die wirksamste Waffe gegen die Tuberkuloee. Anf
mit Hälfe der sogenannten TaberkoloseaiisBchfisse.
679
dem Lande scheinen sie sich jedoch bis jetzt nnr wenig einzn*
bürgern. Wenn auch in manchen Kreisen (z. B. des Beg.-Bez.
Münster und Minden) mit ihnen gute Erfahrungen gemacht sind,
so konnten sie wiederum in anderen gar nicht aufkommen, so
auch im Kreise Diepholz.
Es dürfte nun von Wert sein, nach den Ursachen zu suchen,
welche der Einrichtung der Auskünfte* und Ffirsorgestellen auf
dem Limde im Wege stehen, damit man, falls diese nicht zu be*
seitigen sind, andere Wege der Bekämpfong einscblagen kann.
Zunächst seien die Verhältnisse im Kreise Diepholz kurz ge¬
schildert: Die Beteiligung des Kreises, der sehr große Entfernungen
hat (22000 Bewohner auf 632 qkm verteilt), ist allen Neuerungen
gegenüber mistrauisch und schwerfällig. Es sind im ganzen
4 Krankenschwestern vorhanden. Seit 6 Jahren werden von
den Aerzten des Kreises zunächst in 8, dann in 4 Ortschaften
12 mal im Jahre Tuberkulosesprechstunden abgehalten — für
Minderbemittelte umsonst —. In diesen Sprechstunden sollten
den Unbemittelten zugleich Spucknäpfe, Wäschebeutel, Desin¬
fektionsmittel, künstliche Nahrungsmittel usw. übermittelt werden
— kurz, es sollte der Anfang von Auskunfts- und Fürsorgestellen
sein. Aber die Einrichtung wurde nicht benutzt trotz genügender
Bekanntmachung und trotzdem die Aerzte im ersten Jahre zu
diesen Sprechstunden in die am meisten verseuchten Orte hin¬
kamen. Dabei ist die Tuberkulose im Kreise sehr verbreitet, es
Btirbt jährlich der 6. Teil aller Gestorbenen an Tuberkulose.
Als Hinderungsgrttnde für die Einrichtung der Auskunfts* und
Fürsorgestellen auf dem Lande dürften nach den hier gemachten
Erfahrwgen besonders in Frage kommen:
1. ^e (weiten) Entfernungen,
2. die Indolenz der Landbevölkerung,
8. der Mangel an Krankenpflegerinnen.
Mit Absicht ist das Vorhandensein eines Arztes am Orte
der Einrichtung nicht als notwendige Bedingung besonders nam¬
haft gemacht; denn wahrscheinlich würden bei der Einrichtung
von Auskunfts- und Fürsorgestellen auf dem Lande zunächst nur
Ortschaften mit Aerzten in Frage kommen. Sollte aber aus¬
nahmsweise eine solche anderswo geplant sein, so würde sich das
Hinkommen eines Arztes dorthin ebenso ermöglichen lassen, wie
es hier möglich war.
Die weitere Erfahrung auf diesem Gebiete wird gewiß bald
lehren, ob die genannten Hindernisse die einzigen für die länd¬
lichen Auskunfts* und Fürsorgestellen bilden. Sind sie es, dann
w^d die Einrichtung der letzteren um so leichter sein, je weniger
diese Hinderungsgründe vorhanden sind und je mehr sie sich be¬
seitigen lassen. Dabei sei noch kurz darauf hingewiesen, daß
m. E. weite Entfernungen den hauptsächlichsten Hinderungs*
gmnd für die Einrichtung abgeben.
Die Indolenz der Bevölkerung ist durch Aufklärung zu
bekämpfen. An dieser Aufklärungsarbeit sollen möglichst weite
Volkskreise beteiligt werden. Jeder, der Verständnis und Interesse
580 Dr. Helwei: Bekiopfoog der Taberknlose eof dem Leade nsw.
fflr die Taberkoloeebekämpfang bat, mOge daran teilnebmen. Als
besten Platz ifir gnte und kurze (eie können nicht kurz genug
sein!) Anfklftrangsblfttter sei auf die Wartezimmer der
Bahnhofe hingewiesen.
Dem Mangel an Erankenpflegepersonal wird in hoffent¬
lich nicht allzoferner Zeit abgeholfen werden. Was auf diesem
Gebiete in wenig Jahren geleistet werden kann, zeigen die Kreise
Isenhagen und Gronan.
Wo Krankenpflegerinnen noch fehlen, kann man ja auch,
wie das Öfters vorgeschlagen ist, die intelligenteren Hebammen
zn dem Dienste der Fürsorgeschwestem heranbilden.
Im ganzen läßt sich auf Grand dieser Betrachtungen jedoch
sagen, daß die Entfernungen und die Indolenz der Bevölkerung
auf dem Lande große Hindernisse für die Einrichtung der Aus¬
künfte- und Fürsorgestellen für Tuberkulose bilden werden, die
sich nur schwer beseitigen lassen, auch wenn die als FQrsorge-
schwestem nötigen Krankenpflegerinnen vorhanden sein sollten,
und daß man daher oft vorziehen muß, in ländlichen Verhältnissen
die Arbeit der Auskünfte- und Fflrsorgestellen einer anderen
Organisation zu übertragen.
In Baden, wo man in der Tuberkulosebekämpfung schon
sehr weit gekommen ist, hat man damit besondere Tuber-
knloseausschüsse beauftragt, bestehend ans Geistlichen,
Lehrern, Aerzten, Krankenschwestern und Mitgliedern der Vater¬
ländischen Frauenvereine. Daß man mit Hülfe der eben genannten
Personen, die in den meisten ländlichen Ortschaften vorhanden,
die genauesten Kenner der Örtlichen Verhältnisse sind und
auch meist das Vertrauen der Bevölkerung genießen, Vorgehen
muß, wenn man Erfolg haben will, steht für jeden Kenner der
Verhältnisse außer Frage. Man kann jedoch im Zweifel darüber
sein, ob man zu den Tuberkaloseansscbüssen, oder wie man sie
sonst nennen will, nur wenige oder viele Personen hinzuziehen
will. Je zahlreicher die Ausschüsse sind, desto mehr Personen
wird man für die Bekämpfung interessieren, desto besser wird
man über die Verhältnisse orientiert sein, desto schwerfälliger
wird jedoch auch der ganze Apparat. Auch erfordert das Vor¬
gehen der Ausschüsse, sollen sie etwas Brauchbares leisten,
zweifelsohne viel Takt. In Bücksicht darauf wird man besser
mit wenig als mit viel Mitglieder fahren; hat man einen Wohl¬
tätigkeitsverein, z. B. den Vaterländischen Frauenverein, zur
Verfügung, so wendet man sich am besten an diesen und veran¬
laßt ihn vielleicht, eine besondere Abteilung für Tuberkulosebe¬
kämpfung zu bilden; man versäume jedoch nie die oben genannten
Personen mit heranzuziehen.
Eine wichtige Frage darf hier auch nicht übergangen werden:
Wie soll man die Mitglieder der Vereine, welche in der Tuber¬
kulosebekämpfung tätig sein wollen, resp. die Mitglier der Tuber-
kuloseausschüsse mit den nötigen Kenntnissen versehen, damit
sie ihren Aufgaben in der richtigen Weise gerecht werden, d. h.
auf der einen Seite nicht eine übermäßige Bazillenfurcht hervor-
Dr. Deipser: Betrag zar Säaglingafftnorge. 581
rafen, anf der anderen Seite doch auch wieder die Angelegenheit
ernst genug and richtig darstellen P Sicherlich ist es nicht genügend,
wenn den Beteiligten ein oder zwei Vorträge gehalten werden,
sie müssen noch mit Merkblättern und kurzen Belehrungen über
Tuberkulose ausgerüstet sein. Außerdem erscheint es aber zweck*
mäßig, ihnen bei den gemeinsamen Zusammenküniten noch be¬
sondere Instraktionsblätter zu überweisen, wie es im Kreise
Diepholz geschehen ist, und wie ich ein solches hier folgen lasse.
Aufgaben der TabexbaloseauMobflese.
Zireek der AoBachllsse ist die Bek&mptaDg der Taberkulose (Longen«
sckwlndsocht) ond zor Erreiohong dieses Zieles die Verbesserong der Wob«
nongsverbältnisse.
Oberster Grondsats fttr die Mitglieder der AosscbUsse soll sein:
1. keinen za belästigen, der die Hülle der Aosschttsse rerweigert ond
2. aber die Verhandlangen in den 8itznngen nach aofien^ hin StiUschweigen
ZI beobachten.
Zor Bekämpfong der Sohwindsueht ist nOtig:
1. das Aaffinden der Kranken (Besprechong darüber in den Sitzongen der
Toberkoioseaasdchüsse ond Erkondigongen bei den Ae.zten, Kranken«
Schwestern ond in der BevOikerong);
2. die Aolklärong der Kranken ond ihrer Umgebong über die
Hoilong ond Yerhütong der Toberkolose (dorch Yerteilong von Schriften,
dorch Vorträge);
8. Die Vermittiong yon Beihülfen des Kreises ond des Vaterlän«
disehen Fraoenyereins für die Heilong der Erkrankten ond die Anmeldong
der Toberkolosetodosfälle beim Landratsamt (zwecks Desinfektion);
4. die Beobachtang der Kranken ond Genesenen; (wo sie bleiben,
wie sie sich verhalten, insbesondere, ob die Kinder genügend vor An«
steckang geschützt sind);
5. die Besserang der Wohnongsverhältnisse der Schwindsüchtigen
(Vermittiong einer anderen Wohnong, Verschaffen von Beihülfen des Kreises);
6. die Verbesserong der Wohnongsverhältnisse ttberhaopt,
denn je großer und luftiger die Wohn« ond besonders die Schlafzimmer
sind, desto weniger kann die Schwindsocht von einem Menschen aof den
anderen übertragen werden.
Beitrag zur SäuglingsfUrsorge.
Von San.« Bat Dr. Deipser, Physikos in Eisfeld.
In der neuesten Zeit wird in weiten Kreisen die Sänglings-
fürsorge erörtert. Die Absicht geht dahin, die grosse Sterblich¬
keit der Kinder im ersten Lebensjahre, wie sie sieh in einzelnen
Teilen Deutschlands und in grossen Siädten findet, zu bekämpfen.
Man sieht mit Eecht die Ursache der Uebersterblichkeit in nn-
zweckmässiger Ernährung. So sind z. B. im Kreise Nieder-
Bayern mit der höchsten Sterblichkeitszifier nur 24,1 °/o ^der
an der Brust gestillt worden nnd im Bezirksamte Friedberg 32<*/o.
^ Die zur Bekämpfung vorgeschlagenen Mittel lassen sich in
zwei grosse Gruppen bringen. Zur ersten Gruppe gehören die
Vorschläge, welche den Säuglingen die natürliche, d. h. die Brust-
nahrung noch mehr als seither ermöglichen sollen. D ahin gehört
die Empfehlung der Stillprämien, der Mutterschaftskassen, welche
eich als private Einrichtung in Frankreich nnd Italien finden.
,Es ist auch angeregt worden eine obligatorische Mntterschafts-
682
Dr. Deipaer.
versicherang im Anschlüsse an die staatliche Erankenyersicheniiig,
welche den arbeitenden M&ttem eine Rahezeit von sechs Wochen
vor und sechs Wochen nach der Entbindang bei Zahlung des
vollen Arbeitslohnes, freie Hebammendienste, freie Hanspflege nnd
Stillprämien gewähren soll“ (Dietrich-Berlin; Hyg. Kongress).
Die Vorschläge der zweiten Groppe Sachen nach bestem Ersatz
der Mattermilch nnd glauben das Ziel za erreichen durch Dar¬
reichang guter, sterilisierter Kahmilch; ihr Preis fflr arme
Familien soll verbilligt werden durch Inanspruchnahme der öffent¬
lichen Wohltätigkeit. Die Bestrebungen dieser zweiten Gruppe
stiften unbestreitbar grossen Nutzen und sind wohl geeignet, die
Sterblichkeitsziffer der Säuglinge herabzudrficken. Anderseits
darf nicht unberäcksichtigt bleiben, dass die Darreichung der
Bmstnahrung um so mehr zurttckgeht, je mehr den Müttern die
künstliche Ernährung der Kinder erleichtert wird. Unbestreitbar
ist der Satz: Für den Säugling ist die schlechteste
Mutternahrang besser als jede künstliche Ernährung.
Ich bin überrascht von den vielen Aufsätzen Über die zweck¬
mässige Ernährung der Säuglinge. In meinem kleinen Bezirke
von 20000 Bewohnern (Eisfeld in Sachsen-Meiningen) ist diese
Angelegenheit keine Frage. Ich muss vorausschicken, dass das
Herzogtum Sachsen-Meiningen nach der Statistik von 1905 die
niedrige Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahre von 14°/o
der Lebendgeborenen hat nnd nur von Oldenburg mit IS**/«,
Waldeck mit 8,7 °/o, Schaumburg-Lippe mit 9% und Lippe mit
ll,7®/o übertroffen wird gegenüber einer Sterblichkeit von 20,4
Deutschlands. Beim diesjährigen Impfgeschäfte habe ich, um eine
Unterlage zur allgemeinen Beurteilung zu beschaffen, bei jedem
Erstimpfiing festgestellt, ob und wie lange das Kind an der Brust
getrunken hat.
Mein Bezirk liegt am Südabhange des Thüringer Waldes
und kann nicht als wohlhabend bezeichnet werden. Die Höhen¬
lage schwankt zwischen 400— 750 Meter. Ein Städtchen von
4500 Einwohnern ist der grösste Ort. Abgesehen von wenigen
kleinen Ortschaften, die nur Landwirtschaft betreiben, ist die
grosse Mehrzahl der Bewohner mehr oder weniger von Haus¬
und anderer Industrie abhängig. Die Bevölkerung muss als
intelligent bezeichnet werden.
Im zweiten Quartale 1908 erledigte sich das Impfgeschäft.
Geimpft wurden 553 Erstimpfiinge; davon sind 10 abzuziehen,
weil über sie keine Auskunft über ihre Ernährungsweise erlangt
werden konnte. Von den 543 Kindern wurden 283, also 52<'/o
bis zum Impftermine an der Brust genährt. Diese Zahl an sich
will wenig besagen — kommen doch Kinder von 15 Monaten und
mehr bis herab zu 3 und 4 Monaten in Betracht —, weil sie uns
nichts sagt über Beginn und Ende des Stillgeschäftes; ihr ist nur
eine unterstützende Wirkung für die folgenden Zahlen beizumessen.
Gar nicht an die Brust gelegt wurden 14 Kinder, also 2,6 °/o. Von
diesen 14 Kindern litt eines an Hasenscharte, eines hatte die
Matter durch den Tod verloren. Bei Abzug dieser beiden Kinder
Mittag zur dKnlingslOrsorga.
688
sinkt der Prozentsatz anf 2,2 */o. Dieses Verhältnis wird als
hervorragend günstig gelten müssen.
Wenn es anch langweilig erscheint, einige Zahlen über die
Dauer des Stillgeschäftes mögen hier gleichwohl angegeben
werden. Es wurden gestillt:
10 Kinder V* Monat lang.
18 „ l‘/t
12 , 2
33 , 3
42 , 6
86 . 9
1 » 1 >
n fl
t» Jl
fl w
I» fl
50 Kinder 12 Monat
4 , 18 ,
6 « 14 „
6 , 16 ,
1 . 18 .
lang.
fl
Die verbleibenden Kinder verteilen sich auf die zwischen¬
liegenden Monate.
Wenn jüngst ein Arzt in der Presse seine Stimme erhoben
hat gegen zu langes Stillen, so luuß ich dem widersprechen, denn
für das Kind ist Muttermilch die beste Nahrung. Ich darf nicht
verschweigen, dass das festgestellte günstige Verhältnis der
Säuglingsemähmng meines Bezirkes jedenfalls abgeschwächt würde,
wenn ich die Ernährung und die Zahl derjenigen Kinder angeben
könnte, die in der Berichtszeit gestorben oder wegen KranUeit
nicht zum Impftermine gekommen sind. Ich glaube nicht, dass
die Abschwächung ansehnlich wäre. In einem Bezirke musste eine
Anzahl Kinder wegen Keuchhusten dem Termin fernbleiben, gewiss
ein unverdächtiger Grund, ferner konnte ich in meinem Impf¬
berichte angeben, dass ich bei keinem Kinde Skrophulose, Tuber¬
kulose oder Syphilis festgestellt habe. Der Fehler meiner Zu¬
sammenstellung bleibt bestehen, vielleicht schenkt man ihr als
Anregung einige Bedeutung, bei späteren ZusammensteUungen die
Fehlerquelle möglichst einzudämmen.
Für mich ist es ein reiner Genuss, die Schar von ein halb
Tausend zappelnder Kleinen zu impfen. Nicht weniger hoch wie
andere aesthetische Darbietungen einznschätzen ist der Anblick der
menschlichen Schönheit des kindlichen Körpers, und er wird mir
reichlich zu Teil. Ich wünschte den Genuss allen meinen Kollegen.
Es dürfte nicht ohne Interesse sein, den Ernährungszastand der
Kinder in etwas höherem Lebensalter zu kennen. Der schulärzt¬
liche Dienst ist im Herzogtum Sachsen-Meiningen für die Volks¬
schulen schon seit Jahren eingeführt. Mein Schularztbezirk ist
kleiner als mein Impfbezirk. Meine Untersuchungen um Pfingsten
1908 hatten folgendes Ergebnis:
ErnihningsziiBtand:
gut befried, mittelm.
AjifSuger (6 jähr.) 285 98 184 8
18 j&hr. Knaben 109 60 57 2
Die Zensuren sind subjektiv; aber ich bin zufrieden, und der
Volksfreund kann es mit mir sein.
Nach der Uebersicht des Heeresergänzungsgeschäftes für
1907 waren von den endgültig Abgefertigten meines Bezirkes
49,15 <*/o tauglich und 6,28 ^/o untauglich, ein günstiges Verhältnis.
584
ELleinere Hitteilangen und Referate ans Zeitaohrfften.
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. OoriolitUoh« Madlsin.
Ueber Clilorhlinin, Jodh&iniB und Bromhlmln. Von A. Lecba-Harao.
1. Sobre nuestros procedimientos para el diagaoetico medico-legal de
las mancbas de sangre. Berista Ibero • Americana de cienclas me^cas;
Madrid 1907.
2. Inflaeada de la edad y la pntrefaceion en la obtendon de los cristales
de sales de hematina. Protocollo medico‘lorense; 1907, Nr. 9.
8. Inflaenda de las temperatnras elevadas y de la los solar en la ob¬
tendon de los cristales de sales de hematina. Ciinica y Laboratorio; 1907, Nr. 7 n. 8.
4. Note experimentale sor les cristanx de bromo-h6matfaie. Le Coorrier
medical; 1907, Nr. 26.
5. Inflaenda de los agentes qaimicos en la obtencion de los cristales
de sales de hematina. Qaaeta Farmaxentica espagnola; 1907, Nr. 112.
Fügt man zu einem Blntflecken, der anf dem Objekttr&ger in 2proz.
w&sserige oder alkoholische Jodlösnng gebracht ist, nach vorherigem Erwärmen
Pyridin und eine geringe Menge Ammoninrnsnlfat, so treten momentan nadel-
lOrmige oder rhomboedrische, in Groppen liegende Krystalle von Jodhämin
aaf. Wird statt des Jods Chlorwasser als Lösungsmittel benutzt, so schießen
bei gleicher Behandlnng Krystalle von Chlorhämin anf. Die Anwendung
von Brom Wasser ergibt ßromhämin krystalle. Die Bromhäminkrystalle sind
den Krystallformen des Jodhämin ähnlich. Sie bilden teils charakterütische
Verzwdgongen, die an Neurogliazelien erinnern, teils rechteckige und rhombi¬
sche Täfelchen, die einzeln liegen oder fächer- und sternförmig angeordnet
sind. Ihre Größe beträgt 5—20 pi, ihre Farbe ist die des Brom. Nach Ent¬
fernung des UeberSchusses der zugefflgten Beagentien können die Krystalle
durch Umrandung des Deckglases mit Kanadabalsam konserviert werden.
Versuche mit Blutproben, die Tage, Wochen, Monate und Jahre alt
waren, ergaben, daß trotz vorgeschrittener Fäulnis und trotz Austrocknung
die Krystalle des Jod-, Chlor- und Bromhämins stets erhalten werden konnten.
Allerdings veränderte das Alter und die Zersetzung des Blutfarbstoffs manch¬
mal das Aussehen der Krystalle, die klein und unregelmäßig ausflelen. Sonnen¬
licht, das 10—100 Standen auf angelrocknetes Blut eingewirkt hat, schädigt
die Krystallbildung nicht. Ebenso wenig die Austrocknung allein. Ans flüssigem
und angetrocknetem Blute, das 20 Minuten lang auf 180—200 Grad erlützt
oder kurze 2jeit der Einwirkung einer offenen Flamme aasgesetzt wurde,
konnten wohl aasgebildete Krystalle erhalten werden. Auch verkohltes Blut
lieferte noch gute Krystalle von intensiv roter bis dunkelbrauner Farbe.
Chemische Beimengungen hemmen die Krystallbildung meist nicht*
Speziell schien die Anwesenheit von Fetten und Seifen, Zusatz von Ferrum
sesquichloratum, Schwefelsäure, Salzsäure, Salpetersäure, arsenige Säure, Oxal¬
säure, Ameisensäure, Gerbsäure, Phenol, Pottasche, Soda, Ammoniak, Chlor-
kalium, Sublimat und Kupfersulfat keinen störenden Einfluß auf die Krystall-
bildung aaszuüben. Dr. Bevenstorf -Hamburg.
Der Tod lässt sich bei der allgemeinen Paralyse durch Prflfong des
Blutdrucks Voraussagen* Von N. Vaschide und Baymond Meunier. (Aus
dem Lab. von A. Marie, öcole protique des hautes öiudes.) Comptes rendus
de la soc. de biol; 1908, Bd. LXIV, Nr. 21.
In 8 Fällen von allgemeiner Paralyse sank der Blutdruck einige Tage
vor dem Tode plötzlich und in typischer Form um etwa 80 mm Hg. Auch
bei mehr oder weniger flüchtigen apoplektiformen Anfällen flndet man ähn¬
liches ; der Blutdruck sinkt aber hier weniger intensiv und weniger anhaltend.
Die Autoren halten den niedrigen Druck für einen eindeutigen Vorläufer des
tödlichen Ausgangs.
Sie suchen die Erklärung in der Art und Weise des Sterbens der Para¬
lytiker, bei denen die Erregbarkeit des vasomotorischen Zentrums progressiv
aufgehoben wird. Dr. Mayer-Simmem.
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
586
Experimentelle Alkoholrergiftnng: YergrSsserong der Leber mit
Glykegenaneammivng. Von Ch. Aubertin und Pierre Höbert Comptet
rendos de la soc. de bioL; 1908, Bd. LXIV, Nr. 20.
Die Autoren reichten Kaninchen und Meerschweinchen verdllnnten
Absynth; einige Tiere Überlebten die Vergiftung mehr als 1 Jahr. Leber*
sirrhose wurde nur selten gefunden, fettige Entartung der Leber nur bei ab*
semagerten Tieren. Wenn die Tiere aber die Intoxikation gut ttberstanden
hatten und dann getötet wurden, so fanden die Verfasser weder Zirrhose noch
Fettentartung, sondern Volumrergrößorung der Leber mit starkem Glykogen*
gehalt (Hyperhöpatie glycogöoique).
Den ttbermäßigen Gebalt der Zelle an Glykogen sehen Aubertin und
Hubert als antitoxisches Mittel an. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich
um Reaktion auf Alkoholvergiftung Tom Munde aus; auch bei Quecksilber*
und Bleivergiftung kann man ähnliche Befunde treffen.
_ Dr. Hayer*Simmem.
üeber Mentholvergiftung dee Menschen. Von Prof. Dr. Schwenken¬
becher. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 28.
Verfasser beabsichtigte an awei Kollegen und an sich eine ,Oelknr*
anszufähren und bediente sich hierbei folgender Ebsteinschen Mischung:
OL oliv. 200,0, Menthol 10,6, Konak 80,0, VitelL ovi 11. Hiervon nahm
Verfasser innerhalb 2 Stunden ca. h. ca. 8 g Menthol ein, während die
beiden anderen Herren etwas mehr, d. h. ca. 9 g Menthol in der gleichen Zeit
zu sich nahmen.
Bereits während des Einnehmens trat lebhaft brennende Kälte im Mund
und Rachen auf, die bei jedem Riüttns sich in gesteigertem Grade wieder¬
holte. Auch auf der Nasonschlcimbaut trat „Mentbolempfindung“ auf. Als es
dem Verfasser nach 27> Stunden in leichtem Grade Übel war und er einen
Schluck Wein trank, erschien das Getränk ganz intensiv gekühlt, obwohl dies
nicht der Fall war. Etwas später getrunkener heißer Kaffee erschien lauwarm.
Nach zirka B’/t Stunden entwickelte sich ein leichter Rauschzustand, Ein¬
genommenheit des Kopfes, Müdigkeitsgefühl; daneben machten sich ganz
sonderbare Parästhesien in der ganzen Hautoberfläche bemerkbar, namentlich
in den Händen und Füßen. Jeder mit der Hand berührte Gegenstand, wie
z. B. Serviette, Brot etc., verursachte eine ganz intensive Kälteempfindung —
als ob alles auf Eis gelegen habe. Nach hubstündiger Bettruhe verschwanden
die Parästhesien und Raxucherscheinungen und nach einigen Stunden fühlte
sich Verfasser wieder wohl.
Die beiden anderen Kollegen hatten nur leichtes Unwohlsein, der eine
davon 18 Stunden nach dem Einnehmen starkes Erbrechen. Von Bausch* und
Parästhesie* Erscheinungen spürten sie nichts. Abgesehen davon, daß diese
Mentholintoxikation ein gewisses Interesse für den Sinnespbysiologen hat —
was Verfasser weiter ansführte —, dürfte es nach dieser Erfahrung angezeigt
sein, bei der innerlichen Darreichung des im allgemeinen recht harmlosen
Menthols doch nicht zu große Dosen (10 g) zu wäUen und zur Geschmacks-
Verbesserung sich eventuell mit 2 g Mentiiol zu begnügen. Die individuelle
Empfindlichkeit gegmiübor Menthol scheint sehr schwankend zu sein.
_• Dr. Wal bei* Kempten.
Der Tod durch Ertrinken. Von Martin E. La Province mädicale;
1908, Nr. 1.
Der Tod durch Ertrinken tritt beim Meerschweinchen etwa in 2Vt, beim
Hunde etwa in 4 Minuten ein. Der Hund vermag sich gegen das üntersinken
80 —40 Minuten zu wehren. Nicht der Glottisschluß vermndert das Eindringen
von Ertränknngsflüssigkeit in die Luftwege während des ersten und zweiten
Stadiums, sondern die Ruhigstellung des Thorax. Auch tracheotomierte Tiere
inspirieren das Wasser erst nach Ehitritt der Bewußtlosigkeit. — Die Tempe¬
ratur des Versuchstieres sinkt während des Ertrinkungsaktes um 2—8 Grad.
Das Körpergewicht nimmt zu; die Gewichtsvermehmng ist gleich der Menge
dee aspiriert Wassers. Beim langsamen Ertrinken wird mehr Wasser in £e
Lungen befördert, ab beim raschen Ertrinken. Das rechte Herz, die V. cava
und die Leber sind prall mit dunklem Blut gefüllt. Die Leber erfährt durch
586
Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitachriflcn.
den Ertrinkangsvorgang bei Meerschweinchen eine Qewichtsrcrmehmng um
ein Drittel. Die menschliche Leber wiegt statt 1500 g 2000 g und darftber.
Martin nimmt an, daß die Leber in Beziehung steht zur Oerinnongsfähigkeit
des Blntes und daß die Leberhyperämie der Ertrunkenen die Drsache ist für
das Flhssigbleiben des Blutes. Dr. Beyenstorf-Hamburg.
Heber den Tod durch ErwQrgen rom gerichtsärztlichen Standpunkt.
Von Dr. Losen er, Oberstabsarzt in Königsberg i. P. Aus dem Institut Ittr
f erichtliche Medizin in Königsberg. Vierteljahrsschrift für ger. Medizin usw.';
. Folge, 36. Bd., 1. H.
Im Anschlnß an eine eigene interessante Beobachtung gibt der Ver«
lasser eine systematische DarsteUung des Erwttrgangsproblems.
Die Wertlosigkeit der alten sogen. HErstickangszcichen* wird oft betont;
der Nachweis der Erwürgnug läßt sich nur durch die Fcststellnng der den
Luftabschluß bewirkenden gewaltsamen äußeren Ursachen sicher erbringen.
Spuren des Angriffs können fehlen, weil schon ein geringer Druck zur Herbei¬
führung eines wirksamen Abschlusses der Stimmritze genügen kann; aber audi
bei starkem Druck können jegliche Verletznngsspnren ausbleiben. Die be¬
sonders für Erwürgen charakteristischen Merkmale sind die Finger-und Nägel-
abdrttcke, Blutaustretungen an den verschiedensten Halsorganen, Brüche der
Kehlkopfs- oder Luftröhrenknorpel und des Zungenbeins, Zerreißungen oder
Blutungen in den Arterionwänden des Halses; aber sie erlangen nie selbst¬
ständig, sondern nur in Verbindung mit dem Ocsamtbefunde und allen Neben-
umständen Beweiskraft. Neben ihnen finden sich oft Verletzungen anderer
Körperteile, weil die Mörder versuchen, das Opfer zunächst zu betäuben.
Kombination mit anderen Tötungsarten ist häufig. Ob die Verletzungen vital
oder postmortal entstanden sind, ist vielfach nicht möglich festzustellen.
Fäulnis kann die Würgespnren vollständig verwischen. Der häufige Kinds¬
mord durch Erwürgen bietet einige Besonderheiten. Selbsthilfe bei der Ent¬
bindung ist schwer dnrehzuführen und man darf nur dann annehmen, daß
anscheinende Würgespnren durch sic entstanden sein können, wenn der Befund
an den mütterlichen Oeburtswegenj an der Eindesleiche mit den Aussagen der
Mutter, der Zeugen und den ermittelten Nebenumständen der Tat in Ueber-
einstimmung zu bringen ist Dr. P. Fränekel-Berlin.
Ein Beitrag zur Frage der Selbsterdrosselnng. Von Dr. Eurp-
juweit, Kreisassistenzarzt in Berlin. Vierteljahrsschrift für gerichtliche
Medizin usw.; 3. Folge, 36. Bd., H. 1.
Ein etwa dOjähriger, anscheinend geistig abnormer Landstreicher hat
sich durch seinen Hosenträger selbst erdrosselt. Nichts sprach für einen Mord.
Der Träger lag so fest um den Hals, daß an der Leiche kein Finger darunter
gdegt werden konnte. Sein hinterer Teil lag vorn an der rechten Seite des
Halses. Von diesem Verbindungsstück aus umschlang nach einer beigefügten
Zeichnung der eine Träger den Hals in der Richtung vorn — links — hinten —
vorn, sein Endstück lag an der linken Seite der Brust; der andere Träger lag
umgekehrt in der Richtung hinten — links — vorn, sein Endstück auf der
rechten Seite der Brust; vom war dieser Träger unter dem ersten durch-
gezogen, so daß also überall eine doppelte, vorn in der Mitte aber eine drei¬
fache Lage vorhanden war. Die Breite des Trägers, 5 cm, und die feste
Schlinge haben die Selbsterdrosselueg ermöglicht.
Dr. P. Fränckel-Berlin
Beitrag zur Kasuistik des Selbstmordes während der Geburt. Von
Dr. Kurt von Sury, Assistent am gerichtlich-medizinischen Institut zu Wien.
Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 29.
Verfasser berichtet über zwei während der Geburt ausgeführte Selbst¬
morde. In dem einen Fall handelte es sich um ein Mädchen, welches sich vom
zweiten Stocke in den Liebthof herabgestürzt hatte, in dem anderen Fidle
hatte sich ein Mädchen in einem See ertränkt.
Heber die letzten Motive des Suizids in diesen beiden Fällen konnte
keine Klarheit gewonnen werden.
Osiander, Hucklenbroich und Siegwart geben auf Grund ihrer
Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeiteohriften. 687
Beobachtungen Uber Saizidrersuche an, daß die betreffenden Frauen aus Schmerz
und Angst den Tod suchten. Diese Faktoren können bei sensiblen Naturen sicher«
lieh bis zur Selbstrernichtung führen; die Annahme einer verminderten Zu«
rechnun^fähigkeit ist aber dazu gewiß nicht notwendig. Fritsch gibt speziell
für Gebärende infolge der Angst, Schmerzen, Blutverlust, Erschöpfung etc.
eine Herabsetzung der Besonnenheit und Widerstandsfähigkeit zu, wodurch die
freie Willensbestimmung eioge.schränkt, bei psychopathischer Ver¬
anlagung sogar schwer beeinträchtigt und aufgehoben werden kann. v. Soelder
drückt sich zarückhaltender aus, da er meint, es sei nicht sicher erwiesen, «ob
der Zustand von Gebärenden ohne krankhafte Momente die Bedeutung einer
Sinnes Verwirrung erlangen könne“.
Diese Frage ist forensisch sehr wichtig; denn wenn für den Geburtsakt
selbst eine Sinnesverwirrung anzunehmen wäre, so würde eine solche auch für
die Zeit kurz nach der Gebart — Eindsmord — wohl erklärlich sein. Auf
Grund der reichlichen Erfahrungen am Institut zu Wien ist
aber in der großen Mehrzahl der Fälle von Eindsmord eine
Sinnesverwirrung durch den erschöpfenden Einfluß der Ge¬
burt auf das Gehirn oder durch gesteigerte Affekte bei
starken Wehen bei psychisch gesunden Frauen nicht zuzugeben.
Ganz ähnlich lauten die Resultate Bischoffs in seinen vergleichenden
Studien über die Geburten in Wien, wobei er zu dem Schlosse kommt, daß
Geisteskrankheiten und vorübergehend abnorme Geisteszustände bei Kreißenden
selten sind und vorwiegend bei Disponierten auftreten. Die durch den Geburts-
akt bedingte Erregbarkeit wird also im allgemeinen noch innerhalb der physio¬
logischen Grenzen fallen. _ Dr. Waihel-Kempten.
Wag bedeutet „Tollendnng der Geburt« Im Sinne des § 11 des
Bürgerlichen Gesetzbuches 1 Von Dr. Paul Fraenckel, 1. Assistenten der
Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikande der Universität Berlin. Vierteljahrs-
schrift für gerichtliche Medizin usw.; 3. F., 36. Bd., H. 1.
Das B. G. B. läßt den Beginn der Rechtsfähigkeit mit der Vollendung
der Gebart zusammenfallen, und überläßt ausdrücklich der medizinischen
Wissenschaft die Bestimmung dieses Zeitpunktes. Trotzdem ist erat 1906 eine
eingehendere medizinische Erörterung dieser Sachlage durch AhIfeld erfolgt.
Dieser verwirft überhaupt den Standpunkt des § 1 als antiquiert und verlangt
eine Rechtfäbigkeit auch des Fötus etwa von dem Zeitpunkt ab, wo seine
Existenz sicher nachweisbar ist. Die Durchführong des § 1 stößt in der Tat
auf große Schwierigkeiten. Der Endpunkt der Geburt ist allerdings einfach
durch die Vollendung der Ausstoßung des Kindes gegeben, ohne Rücksicht
auf Abnabelung, etwa anhaftende „Glückshaube“, Entbindung durch Kaiser¬
schnitt; der Körper des Kindes muß aber den Mutterleib völlig verlassen
haben, so daß ein mit dem Kopf geborenes, schreiendes und vor der völligen
Ausstoßung absterbendes Kind rechtlos bleiben muß. Bei der Feststellung des
Lebens darf, will man dem Gesetz und den naturwissenschaftlichen Tatsachen
nicht Gewalt antun, die Atmung nicht das entscheidende Merkmal sein, sondern
jedes sicher bezeugte Lebenszeichen muß genügen, weil es ein Leben ohne
Atmung g^bt und weil in den bei Erbstreitigkeiten in Betracht kommenden
Fällen, wo der Tod bald nach der Geburt eintritt, die etwaige Atmung keinen
größeren Wert als Beweismittel „selbständigen Daseins“ (Motive) besitzt, als
die übrigen Lebensäußerungen. Die großen Schwierigkeiten, die diese aus dem
Gesetze folgende Sachlage bringt, können nur im Einzelfalle jeweilig gelöst
werden; der Lebensbeweis wird zu einem Zeugenbeweis, so daß allerdings eine
Aenderung der Bestimmungen etwa im Ahlfe Id sehen Sinne, vom medizini¬
schen Standpunkt aus nicht als ganz unzweckmäßig bezeichnet werden muß.
Autoreferat.
Ueber die fraglichen Beziehungen der sog. Mors thymica zu den
plStzlIohen Todesfällen im Kindesalter. Von Dr. Kurt v. Sury, Assistent
am gerichtlich • medizinischen Institut in Wien. Vierteljahrsschrift für gerichtl.
Medizin usw.; 3. Folge, 36. Bd., 1. H.
Unter scharfer, kritischer Berücksichtigung der Literatur und sorg¬
fältiger Prüfung des Verhaltens der Tbymus bei 200 Kindersektionen, die das
588
Kleioere Mitteilungen nnd Referate auB Zeitschriften.
reiche Material dos Wiener Inatitnts in S'/i Monaten bot, gelangt der Vor*
lasser zu einer Reihe von wertToUen Scblnßfoigernngen. Keiner der bei Neu¬
geborenen beschriebenen Fälle von Mors tbymica ist einwandfrei nachgewiesen,
weil bei keinem der Lnngensalt anf eine die Asphyxie erklärende Aspiration
untersucht worden ist. Das Lumen der Trachea ist bei Neugeborenen an sich
qneroral nnd verschmälert sich bei der Härtung noch mehr; ans ihr darf daher
nicht anf Kompression geschlossen weiden. Ebenso entbehren die über der
Bifurkation (Arcus aortae) nnd an anderen Stellen der Trachea (Art. anonyme,
Art carotidea) konstatierten Abplattungen jeder pathologischen Bedeutung, weil
sie als Konfigurationen nnd Adaptationen der Blutgefäße an die LnftrOhre anf-
znfassen sind. Die Größe der Thymus entspricht in der Regel dem Ernährungs¬
zustände ihres Trägers. Sie wird fast stets überschätzt. Ein plötzlicher Tod
von Kindern kann auf mechanische Weise durch eine solche normal große
Thymus nicht erklärt werden. Es liegt stets eine natürliche Todesursache,
m^t eine Bronchitis oder eine Enteritij vor, die oft übersehen werden.
Chronische Atembeschwerden, andauernder Stridor und Erstickungsanfälle bei
kleinen Kfaidem werden durch teilweise oder gänzliche Entfemnng der Thymus
günstig beeinflnßt; die Erklärung dafür steht aber noch ans, weil nur einmal
(Reileston) die Sektion eine über 800 g schwere Thymus ergab. Eine
Druckwirkung der normal großen Thymus auf Blutgefäße und Nerven ist nicht
erwiesen nnd für gewöhnlich große Drüsen ganz nnwahrscheinlieh.
Dr. P. Fraenkel-Berlin.
D. Baktwrlologri«! Infekttonnkrankhelten nad öffentliehen
Sattlt&tsweaea.
Bakteriologie, Infektionskrankheiten und andere Krankheiten.
Malaria ohne Parasltenbefnnd und Parasitenbefund ohne Malaria.
Von Regiernngsarzt Dr. Külz-Duala. Archiv für Schiffs- nnd Tropen-Hygiene;
1908, Bd. 12, Nr. 8.
Für die Diagnose Malaria wird der Nachweis der Erreger im Blute
meist als unerläßlich hingestellt. Die Praxis lehrt aber, daß die Plasmodien
im Mripheren Blut sich gar nicht selten dom Nachweis entziehen, ohne daß
an der Diagnose Malaria ein Zweifel besteht. Derartige parasitenfreie Malaria¬
fälle sind häufig bei den erwachsenen Eingeborenen zu beobachten, ferner bei
chronischer Malaria, bei Europäern, die eine nur mangelhafte Prophylaxe ans¬
führen, nnd bei Eaemoglobinuiie. Jedenfalls schließt der negative Ausfall
der Blutuntersnchnng die Diagnose Malaria keineswegs aiu.
Umgekehrt ist es nicht angängig, nach Auf&den einiger Erreger im
Blute den Betreffenden als Malariakranken zu bezeichnen. Es gibt hier ebenso
Parasitenträger wie bei der Diphtherie nnd beim Typhus. Die mikroskopische
Feststellung darf keineswegs für die Diagnostik der Malaria allein ma߬
gebend sein. _ Dr. Dehrn-Hannover.
üeber das Wesen der Berlberikrankhelt anf Grund meiner epidemie-
logischen nnd bakteiiologisehen Untersnehnngen. Von Oberstabsarzt Dr.
F. Tsnznki. Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene; 1908, Bd. 12, Nr. 12.
T. hält die Beriberi für eine Infektionskrankheit, deren Erreger im
Kßrper starke Gifte produziert. Er hat darin Aehnlichkeit mit dem Dipthorie-
nnd dem TetanusbaciUns. Die Reisdiät schafft die Disposition zur Erkrankung,
ebenso wie der Sumpf die Disposition zur Malaria durch Entwicklung der
Anopheles bildet. Körperliche nnd geistige Anstrengung bilden die Qelegen-
heitsursache.
T. hat bezüglich der Richtigkeit der von ihm vertretenen Auffassung
interessante Beobaditungen bei einer Beriberiepidomie in der 12. japanischen
Division machen können. Die äußeren Bedingungen, unter denen die Mann¬
schaften dieser Division lebten, waren dieselben wie bei den übrigen Truppen.
Insbesondere war auch die Reisverpflegung dieselbe; sie erfolgte mit demselben
Material wie bei den beriborifreien Truppen. & konnte sich demnach nur
um eine Infektion handeln. Die Infektionsquelle waren aus dem Krieg zurück-
kehronde Kranke. An der Spezifität des von ihm gefundenen Brregers hält
T. fest. Dr. Dohrn-Hannover.
Kleinere Kitteilnngen nnd Befemte «u Zeiteohrlften.
589
Daa Aiftreten der Fest In Zuiilbnr im Jnkre 1907. Yen Dr. Fried-
richeen. Arehir ftir Schifle- and Tropenbyglene; 1908, Bd. 12, Nr. 18.
Alle Krankheitsf&Ue des Jahres 1907 kamen ln demselben Quartier und
aom Teil aach in denselben H&asem vor wie bei einer Pestepideide im Jahre
1905. Das betroffene Qaartier zeichnete sich tor den ftbrigen durch großen
Schmutz aus.
Von den sicher festgestellten Fällen starben alle. Eine Beihe weiterer
Fälle, die als höchst rerdächtig angesehen werden mußten, yerUef leicht
Die bakteriologische Feststellung machte ganz besondere Schwierigkeiten. Die
f efundenen Bazillen zeigten morpholoräcn und tinktoriedl ehi abweichendes
'erhalten. Auch die Empfänglichkeit der geimpften Batten und Ueerschwein-
eben war sehr gering.
Aus den gefährdeten Bezirken wurden annähernd 2000 Personen der
Schutzimpfung nach Haffkine unterzogen. Dr. Dohrn-HannoTer.
Beobaehtungen ttber Bahr in Tsingtau in den Jahren 1906—1908.
Von Marine-Oberstabsarzt Dr. T rem bar. Archiv fOr Schiffs- und Tropen-
Hjgieae; 1908. Bd. 12, H. 12.
Die Bohr kommt an der ostasiatischen Küste im Laufe des ganzen
Jahres vor; am häufigsten in den warmen Sommermonaten. Erreger der Er¬
krankung waren nicht nur die verschiedenen Bahrbazillen, sondern auch
Amöben, gelegentlich waren auch beide zusammen anzutreffen. Erwähnens¬
wert ist die Tatsache, daß die von Stampf gegen Cholera empfohlene Bolus
alba auch in einem Falle von Amöbenruhr sehr gute Dienste leistete.
Dr. Dobrn-Hannover.
Ueber einen unter dem Bilde des Tetanus verlaufenden Fall von In¬
fluenza Encephalitis. Von Prof.Dr. Berger. Medizinische Klinik; 1908, Nr.28.
£a handelte sich um eine 24jährige Landwirtsfran, die wegen schwerer
epileptischer Krampfanfälle mit nachfolgenden Dämmerzuständen der psychia¬
trischen Klinik in Jena zugefilhrt war. Keine erbliche Belastung, als Kind
Qehimerschätterung ohne Fo^en. Seit Ende Januar 1908 Influenza. Am
4. Februar plötzlich heftiger Krampfanfall; vom 7. Februar an gehäufte der¬
artige Anfälle bis 7mal am Tage; hinterher Verwirrtheitszustände. Die Unter-
Buchung in der Klinik ergab gesunde innere Organe, aber stark ausgeprägte
pathologische Erscheinungen des Nervensystems, die anf eine organische Er¬
krankung desselben hinwiesen (Patellarklonus, Babinski, Ptosis, aufgehobene
Sensibilität usw.). Dabei bestand starker Trismus; Patientin ist nicht imstande
sich verständlich zn machen. Bei jeder Berührung gerieten der linke Arm und
das linko Bein in tonische Spannung. Pupillen waren im Anfall erweitert und
reagierten nicht auf Lichteinfall. Spinalpnnktion ergab einen Druck von 90
bis 100 mm Wasser; die entleerte Flüssigkeit war klar; Untersuchungen auf
Tetanus waren negativ. Das Krankheitsbild änderte sich in den nächsten
Tagen nur wenig; der Trismns nahm zu, die Krampfanfälle steigerten sich.
Patientin war bei Bewußtsein, konnte sich aber nicht verständigen. Sie batte
heftige Schmerzen. Es gesellte sich Bronchopneumonie hinzu und am 19. Fe¬
bruar erfolgte der Tod. Die Sektion ergab eine leichte Pacbymeningitis hae-
morrhagica interna in der hinteren Schädolgrnbe, sonst am Gehirn und am
Bückenmark kein krankhafter Befund. Ferner fand sich eine beginnende
Bronchopnenmonie des rechten Unterlappens, ein leichter Darmkatarrh und
eine alte Verdickung eines Triknspidalsegels. Bei gonancrer Untersnehung
und Zerlegung des Gehirns fanden sich flohstichartige kleine Herde in dem
Marklager des Großhirns, in der Großhirnrinde und im Eirnstamm. Ein 8 mm
großer Herd befand sich in der rechten Brückenhälfte. Genauere mikroskopi¬
sche Untersuchungen ließen dieselben als kleine Blutaustritte erkennen und
zeigten deutlich, daß es sich im vorliegenden Falle um eine akute hämorrhagi¬
sche Encephalitis gehandelt hatte. Bpd.
Die Paratyphnsepldemle beim Feldartillerie-Beglmeut Nr. 76 Im
Jahre 1907. Von Oberstabsarzt Dr. Baehr-Mainz. Aus dem hygienischen
Institut der Universität Halle. Hygienische Bundschau; 1908, Nr. 9.
Innerhalb von 4 Tagen erkrankten bei dem Begiment 56 Kanoniere
590
Kleinere Hitteilangen and Referate ans ZeiUcbriften.
plötzlich mit Kopf- and Halsschmcrzeo, allgemeiner Mattigkeit, Brechneigntng,
Stohldrang, LeiiMchmcrzen und Darchfällen. Bei allen Erkrankten war eine
leichte Biötnng der Angenbindehant, Schwellang and stärkere Bötang der
Bacbenschleimbaat, dicke belegte Zange, bei einigen Kranken aoBerdem Giemen
and Schnarren Aber den Longen festzosteUen. Die Körpertemperatar stieg
bis anf 39,7 ** C. Nach 3—4 Tagen waren die Kranken entfiebert, and am 4. bis
6. Tage alle Krankheitserscbeinangen Terschwandcn. Die Mehrzahl der er¬
krankten Soldaten gab za, Hackfleisch oder SUlzwarst aas der Kantine gegessen
za haben, ln einem Altersheim, welches sein Fleisch aas derselben Schlä^terei
wie die Kantine bezog, waren za gleicher Zeit mehrere Personen, die das Fleisch
z. T. in solchem Zustande gegessen hatten, nnter den gleichen Ersebeinongen
wie die Soldaten erkrankt, fernerhin auch zwei Gesellen ans der betreffenden
Schlächterei. In dem Stahlgang mehrerer Personen wurden Paratyphns B-
Bazillen gefunden. Das Blatsernm zeigte für Typhasbazillen eine stärkere
Agglutination als für Paratypbas B-Bazillen. Durch diesen Befand wurde die
Mwenerkrankung als eine durch Enteritisbakterien herrorgerafene Form der
Fleischvergiftungen charakterisiert.
In seinen weiteren Ausführungen behandelt der Verfasser die ver¬
schiedenen Formen der Fleischvergiftung bezw. deren Erreger. Er hält es für
sehr wahrscheinlich, daß der gesetzlich nnzalässige Zusatz von Präseivesalz
zam Hackfleisch durch die im Körper sich entwickelnde schweflige Säure das
Eindringen der Paratyphusbazillcn in die Darmwand begünstigt, da schweflige
Säure <Ue Epitbelien deutlich schädigt.
In Hackfleisch läßt sich die schweflige Säure und ebenso beginnende
Fäulnis durch die Anwesenheit von Ammoniack mit Hilfe einfacher Proben
(s. d. Originalarbeit) nachweisen.
Die Paratyphusbazillen können in das Hackfleisch mit verseachtem
Wasser, durch Vermittlung von Bazillenträger oder auch von Batten hinein¬
gelangen.
Zum Schloß bespricht dor Verfasser noch die bakteriologische Diagnose
der Fieischvergiftnngen and die voibeagenden Maßnahmen. Er hält eine
strenge Nahrangsmittelkontrolle durch entsprechend geschalte Nahrungsmittel-
Chemiker oder Aerzte für erforderlich. Dr. Kurpjaweit-Swinemünde.
Zar Frage der Miscblnfektion mit Typhus und Paratyphns. Von
J. K. Beckers. Aus dem hygienischen Institut zu Kiel (Geh. Bat B.Fischer).
Mit 1 Photogramm. Hygien. Bundschaa; 1908, Nr. 6.
Dem Verfasser gelang es, was bisher noch nicht beobachtet war, aas
dem Blatkachen einer Blutprobe von einem Typhnskranken Typhnsbakterien
und Paratyphns B.-Bakterien zu züchten. Er beschäftigte sich weiterhin ex¬
perimentell mit der Frage, ob die Typhus- oder Paratypbasbakterien in Bouillon
und Galle eine größere Wachstamsenergic entwickeln. Er kam zu dem Besultat,
daß die Paratyphusbakterien die Typhnsbakterien bei gemeinsamer Einsaat
ttberdaaern. Im menschlichen Körper dagegen scheinen die Typhasbazillen
zahlreicher zu sein als die Paratyphnsbazillen und ein üeberwachern des einen
Bakteriums durch das andere nicht vorzukommen.
Aus dem Urin der erwähnten Patientin wurden nun Typhusbazillen ge¬
züchtet. Das Serum agglutinierte erst im weiteren Verlauf der Erkrankung,
and zwar Typhus 1: 200, Paratyphns B l: 60.
Nach Ansicht des Verfassers ist der Fall so zu erklären, daß ein Bak¬
terium zuerst im Darm saprophytisch gewuchert hat, und erst nachdem die
Infektion durch das andere Bakterium erzeugt war, auch in die Blutbahn ge¬
treten ist.
Der Verfasser erwähnt dann eine Reihe von Beobachtungen, bei denen
Typhus- and Paratyphusbakterien in den Entleerungen von Kranken oder
Bazillenträgern gleichzeitig festgestellt worden sind. Seiner Annahme nach
scheint die Anwesenheit des einen Erregers für das Eindringen des andern
den Weg zu ebnen.
Schließlich berichtete er noch über ein typhusähnliches Bakterium, welches
er aus dem Stuhl einer vorher bakteriologisch sicher festgestellten Typhas-
Beko.ivaleszentin isolieren konnte. Dr. Kurpjuweit -Berlin.
Kleinere Hitteilnngen and Referate aus Zeitschriften.
591
Ueber den dii^noBtleehen Wert der Ophthalmoreaktion hei TTphna
abdominalie. Von Dr. Oscar Orsz&g in Budapest. Deatscbe med. Wochen*
Schrift; 1908, Nr. 15.
Auf Grand seiner üntersnchongen an einem größeren Material der
T. Kor^nyischen Klinik kommt 0. zn dem Schloß, daß die Reaktion bei dem
Verfahren nach Chantemesse nach 24 Stunden bei Typhösen meist positir
anslällt, und daß negativer Ausfall nach dieser Zeit gegen Typhus spricht.
Allerdings wird auf der anderen Seite auch bei anderen Krankheiten bisweilen
positive Wirkung erzielt. Nach 6 Standen ist die Reaktion noch nicht fttr
^phus beweisend. Auch Rekonvaleszenten reagieren oft (in etwa der Hälfte
der FWe). Da wir noch kein beständiges Typhastoxin (analog dem Tuber*
kulin) haben, ist das Verfahren vorläufig für die allgemeine Praxis noch nicht
geeignet. Die Kutan*Reaktion ist für die Diagnose unbrauchbar.
Dr. LiebetraU'Hagen L W.
Ueber die Ophthalmoreaktlou bei Typhus abdominalis. Von Dr. Ama*
tore Meroni*Pavia. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 26.
Verfasser benutzte zu seinen Dntersachungen Material ans einem viru¬
lenten Typhasbakterienstamme aus der Sammlang des Instituts für spezielle
Pathologie der Universität Pavia und faßt am Ende seiner Arbeit die Resul¬
tate seiner Untersuchungen in folgende Sätze zusammen:
1. Die Ophthalmoreaktion bei Typhus abdominalis kann nach 6 Stunden
nicht nur bei Typhösen, sondern auch bei anders Erkrankten positiv ansfallen.
2. Nach 24 Standen ist die Reaktion positiv bei Typhösen; ein nega¬
tives Ergebnis spricht gegen Typhus abdominalis.
8. Bezüglich des positiven Ausfalls der Reaktion ist zn berücksichtigen,
daß Ausnahmen Vorkommen können, indem es, scheinbar sehr selten, über*
en^findlicho Konjanktiven gibt, welche auch für gewöhnlich gegenüber in¬
differenten Substanzen (Alkoholfällung von steriler Bouillon) stark reagieren.
4. Die Erwärmung auf 60 zerstört die Typhustoxine nicht.
6. Die Installation von Typhneextrakt führte in Versuchen nie za
schädlicheu Folgen.
6. Die Ophthalmoreaktion kann, ohne daß ihr ein absoluter diagnosti¬
scher Wert zukommt, praktischen Nutzen bieten. Dr. Waibel-Kempten.
Die Ergebnisse gleichzeitig angestellter kutaner, konjnnktivaler und
subkutaner Tnberknlinreaktionen bei vorgeschrittenen, Initialen und sus¬
pekten Formen der Lungentuberkulose. Von Chefarzt Dr. Roepke-
Melsungen. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose; 1908, Band IX.
Da trotz der Fülle der Veröffentlichungen über die „Cuti- und Ophthalmo¬
reaktion bei Tuberkulösen man sich noch kein abschließendes Urteil über ihre
praktische Brauchbarkeit machen kann, so hat Verfasser, um sich ein eigenes
ürteU bilden zu können, selbst an dem Material seiner Heilstätte eingehende
Untersuchungen angestellt. Er stellte im ganzen bei 191 Fällen Versuche an,
von denen 51 dritte, 48 zweite, 75 erste Stadien und suspekte Fälle waren,
ferner 15 mit Tuberkulin vorbehandelte Patienten aller 3 Stadien, 8 nicht-
tuberkulöse Lungenkranke und 4 Gesunde. Zuerst wurde den Kranken ein
Tropfen einer ‘/^ptozentigen Verdünnung des bekannten Kochseben Alt-
tuberkulins in ein Auge geträufelt und gleichzeitig die Kutanreaktion mit
einer 26prozentigen Lösang angestellt. Bei denjenigen, die nicht reagierten —
es war die Mehrzahl — wurde eine Einträufelung am gleichen Auge mit einer
2prozentigen Verdünnung wiederholt. Bei den dann noch nicht Reagierenden
wurde jetzt eine 4prozentige Verdünnung genommen und bei den noch übrig
bleibenden nochmal eine solche. Es wurde immer das gleiche An ge genommen.
Dies geschah, weil die abwechselnd rechts und links geübte Einträufelung
die Erkennung der leichten und leichtesten Grade positiver Roaktionsorschei-
nungen erschwert, und weil nach des Verfassers Erfahrungen viermalige Ein¬
träufelung an dem gleichen Auge alle ersten Stadien zur konjunktivalen Reak¬
tion bringt, während die viermalige abwechselnde Einträufelung nur 60**/o der ersten
Stadien zur Reaktion brachte. Da R. bei seinen Versuchen in den tatsächlichen
Beobachtangaergebnissen andere Resultate bekam wie z. B. Wolff-Eisner,
so stellte er noch weitere Versuche an, wobei er die Technik der Kutan-
692
Kleinere MitteUnngen and Befermte ans Zeitediriften.
renktion nnch t. Pirquet and die der KonJonktiTolrenktion genau unch den
Ton Wolll'Eisner angegebenen Anweisungen gebrauchte. Sdiließiich niodi*
Aderte er sein Verfahren noch, nahm eine stirkere Konsentration zur Ein¬
träufelung und trilufelte zunächst einen Tropfen ins rechte und bei negotiTem
Verholten ins linke Auge. In Tabellen, die olie einzeln eingehend erläutert
werden, bringt er die Ergebnisse seiner Versuche, die wesentlich anders sind
als die Ton Wolff-Eisner. Verfasser hat sieh nicht Ton dem dia>
f nostischen Wert sowohl der Kutan-, wie der Konjunktivolreoktion Aberzeura
Onnen und kommt auf Grund seiner Versuche schiiefllich zu folgendem lad-
resultat:
1. Die Ko eh sehe subkutane Tuberkulinmetbode ist auch heute noch
dos soureräne Diagnostikum fflr die Erkennung der initialen Lunsentuberkulose.
2. Will man ihr Anwendungsgebiet einschränken und die kutane und
konjunktirole Tuberkulinprflfung Torschalten, so sind die beiden Methoden
gleichzeitig nebeneinander onzustellen.
8. Der gleichzeitig negative Ausfall der einmol^en Kutonimpfung mit
unTerdflnntem Tuberkulin und der Tiermaligen KonjunktiTaiimpfung am glucken
Auge mit steigenden Tuberkulindosen (1—4**/o) beweist dos Fehlen eines
tulmrkalOsen Heerdos im KOrper des Impflinge während gleichzeitig Tor-
hondene Kutan- und KoujanktiTolreaktionen auf ^berkulose scbliefien lassen,
ohne Aber ihren Sitz und Charakter zu orientieren.
4. Weichen die Ergebnisse der Kutan- und Eonjunktiralimpfang von¬
einander ab, so entscheidet die suhkutone Methode endgAltig, ob wo Tuber¬
kulose vorliegt oder nicht. __ Bpd.
Opkthnlinereaktioii und AUergieprobe* Von Oberstabsorst Dr. Ham¬
mer Schmidt- Donziu. Medizinische EQinik; 1908, Nr. 28.
Verfasser hat Im Lazarett Danzig bei 600 Personen gleichzeitig die
Ophthalmoreaktion und die Allergieprobe angewandt und zwar nach den An¬
gaben von Citron resp. Petruschky. Die Mehrzahl der Versuchs¬
personen waren Gesunde. Bei 28 °/o Ael die Cutireaktion, bei 19,4 ”/o die
Ophthalmoreaktion positiv aus, und zwar war Aberall da, wo die Ophthalmo¬
reaktion positiv war, auch die Cutireaktion positiv. Die Beoktion erfolgte
stets in den Fällen, wo sie zu erwarten war resp. wo man sie vermuten
konnte. 6 erste Stadien der Lungentuberkulose reagierten prompt auf beide
Beaktionen, desgleichen Fälle von anderweitigen tuberkulösen Erkrankungen.
Auf Grund seiner Versuche ist Verfasser der Ansicht, daß ein negativer Aus¬
fall mit großer Warscheinlichkeit gegen, ein positiver aber mit noch größerer
Wahrscheinlichkeit lAr Tuberkulose spricht. Ophthalmoreaktion und AUerrie-
probe seien namentlich gleichzeitig angewandt recht geeignet, die probatorischen
Einspritzungen voll und ganz zu ersetzen. Bpd.
Zjtologisehe' Befunde bei der Konjunktivnlrenktion auf Tnberkulin.
Ophthnlmosjtodingnose. Von Dr. Budoif Dietschy-Bosel. MAnchener
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 24.
Es schien dem Verfasser von Interesse, einige Beobachtungsreihen mit
Tuberkulininstiliation unter spezieller BerAcksichtigung der mi¬
kroskopischen Verhältnisse des Augensekrets bei den Versuchs¬
personen onzustellen.
Die gewonnenen Besultate faßt er in folgende Schlußsätze zusammen:
1. Die mikroskopische Untersuchung des Augensekrets bei der Kon-
junktivoireaktion auf Tuberkulin ergibt eine Leukozytenformel, deren Schwon-
kungen im Verlauf der Beoktion typisch sind und mit den Befunden bei anderen
akuten Entzündungen ttbereinstimmen.
2. Auf das vereinzelte Vorkommen von polynukleären Leukozyten darf
kein Wert gelegt werden, da solche sich zuweilen auch im Konjunktivaisekret
des unbehandelten Auges vorflnden. An und für sich scheint dos Tnberkulin
keine chemotaktische Leukozytose hervorzurnfen.
8. Für die Praxis hoben die üntersuchungen die interessante Tatsache
zutage gefördert, daß das Konjunktivaisekret hinsichtlich seiner Zytologie die¬
selben Veränderungen bei manchem Tuberkulösen durchmachen kann, ouie daß
makroskopisch eine Beoktion zu konstatieren ist. Die Ophthalmozyto-
Kleinere Hitteilnngen and Befemte nne Zeiteehiiften. 693
dingnose dürfte aomit nie ein Mittel angesehen werden nur
Erhühnng des Wertes der bisher Ubliohen KonJanktiTal-
reaktion. Dr. Waibel*Kempten.
Ueber die Ophthalmoreaktion der Taberknlose ln Ihrer Beilehnng
anm Sektionsergebnis nnd tnr Tnberknllnlnjektlon. Yon Dr. O. Fehsen-
ield, Assistenzarzt am stödtischen Krankenhans in Kiel. Münchener med.
Wochenschrift; 1908, Nr. 26.
Yer&sser hat bei 168 TaberknlinelntrSofelnngen ln den Eon|anktiTalsack
in einer Anzahl yon Fällen die Sdctionsbelonde anfügen kOnneo, in einer
anderen Anzahl yon Fällen yergleichsweise die snbkntane ProbelDjektion yon
Alt-Taberknlln (Koch) yorgenommen und berichtet hierüber ausführlich.
Verfasser kommt zu dem Schlüsse, dafi die Ophthalmoreaktion als spezi¬
fisches diagnostisches Hilfsmittel zwar yon Wert ist, daß ihr aber eine
absolute Bedeutung nicht znkommt. Eine ganz sichere Diagnose
ergibt sich ans einer bei einem tuberkuloseyerdächtigen Indiyidunm positiy
yerlaufenden Ophthi^oreaktion noch nicht. Die Ophthalmoreaktion gehürt
also zu den Kriterien, deren Ausfall nur in Verbindung mit anderen Krank-
hdtserschdnungen verwertet werden nnd dann auch yon Bedeutung sein kann.
Dr. W a i b e 1 - Kempten.
Die kutane Tnberknllnlmpfling nach y. Pirquet bei Kindern des
ersten Lebensjahres. Von Stabsarzt Dr. Morgenroth-KOln. Münchener
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 26.
Vom August 1907 bis zum April 1908 worden im ganzen 200 Kinder
des ersten Lebensjahres nach y. Pirquets Methode geimpft. Das Ergebnis
dieser Impfangen läßt sich in folgende Schlußsätze znsammenfassen:
1. Durch die y. Pirquetsche Eatanimpfang ließ sich feststellen, daß
etwa 6 Prozent der in der Zeit yom August 1907 bis Ende März 1908 in der
akademischen Kinderklinik zu E9ln behandelten Säa^linge taberkalOs war.
2. Die kutane Taberkulinimpfung ist, ohne jede Vorbereitung in der
^rechstunde mit unverdünntem Alttnberknlin ansgeführt, zuverlässig, frei von
Nebenwirkungen, für den Säugling ganz irrelevant.
8. Sie sollte vom praktischen Arzte in jedem Falle angewandt werden,
wo offene Taberknlose der Umgebung des Säuglings yorkommt und eine tuber¬
kulöse Erkrankung des Kindes angenommen werden kann.
4. Die y. Pirquet sehe Kutanimpfung entscheidet über die Diagnose:
Tuberkulose im SäugUngsalter. Der umständlichen, nidit immer ganz unge¬
fährlichen nnd manchmal nicht zuvetlässigen snbkatanen Impfang bedarf es
nicht mehr.
5. Wo immer ein Säugling auf die kutane Impfung positiv reagiert,
ist die Untersuchung seiner Umgebung auf offene Tuberkulose nOtig; fast aus¬
nahmslos ließ sich eine solche offene Tuherknlose in der Umgebung nach-
weisen.
6. Da die tuberkulöse Infektion des Säuglings sehr häufig von der
offenen Tuberkulose der Umgebung herrührt, so können die Kinder des ersten
Lebensjahres nicht früh genug aus dieser gefahrbringenden Umgebung ent¬
fernt werden.
7. Die Säuglingstuberknlose ist meist eine Inhalationstuberkulose, ent¬
standen durch Ambahme menschlicher Tuberkelbazillen.
_ Dr. Wal b e 1 - Kempten.
Ueber die angeblichen Gefahren der KonjunktiTalreaktlon. Von
Dr. Teichmann-Berlin. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 26.
Gegenüber den zahlreichen Arbeiten, die über leichtere oder schwerere
Schädigungen des Auges infolge der Konjunktivalreaktion berichten, nimmt
Verfasser Stellung und teilt seine Erfahrungen übor 1500 Fälle aus dem städtischen
Krankenhaus Fiiedrichshain in Berlin mit. Außer vereinzelten intensiven
Beaktionen, die die Patienten etwas belästigen, im übrigen aber auf die Binde¬
haut beschränkt bleiben und nach 4—8 Tagen yerschwinden, hat er keine Schä¬
digungen beobachten können. Diese Entzündungserscheinungen gingen aber auf-
mehrmaliges Einträufeln einer Kokain- (2 **/,) Adrenalin- (1 "/o) LOsung zurück und
594 Kleinere Hitteilnngen dnd Referat« ans ZeitBchriften.
waren im übrigen nur bei klinisch manifest Taberkolösen za finden. Schwerere
Folgeerscheinungen hat er niemals beobachten können. Uoble ZofäUe (Horn-
haatgeschwäre, Iritiden uaw.) sind seiner Ansicht nach nnr der Wahl der
Taberkalinpraparate oder der Vernachlässigong von schon wiederholt betonten
Eontraindikationen (Skrolnlose, Erkrankangen des inneren Änges osw.) zoza*
schreiben. Anf Grund seiner Beobachtungen kommt er zu folgenden Schlu߬
sätzen :
1. Die angeblich durch Eonjunktiralreaktion hervorgerufenen, bisher
mitgeteilten Schädigungen beruhen ausnahmslos auf der Wahl ungenügender
Tuberkulinpräparate oder der Vemachlässigung wichtiger Kontraindikationen.
2. Solche sind: Installation bei kranken, vor allem tuberkulösen Augen.
Skrofulöse, Tiellcicbt überhaupt jugendliches Alter. Wiederholung in sraon
früher der Reaktion unterzogenen Augen, ganz besonders mit starken Lösungen.
8. Die Konjunktivalreaktion — vorgenommen mit frisch bereiteter 1 proz.
Tuberkulinlösung — ist absolut ungefährlich und nach unseren Erfahrungen
zurzeit das einfachste Mittel, einen den sonstigen klinischen üntersuchungs-
methoden nicht zugänglichen !]^borkuloseherd zu diagnostizieren. Bpd.
IstdiekonjuiiktiTaleTaberkallnreaktlonangeffilirlioht Von Assistenz¬
arzt Dr.Max Qöriieh zu Schwäbisch Gmünd. Münchener med. Wochenschrift;
1908, Nr. 26.
ln den Chor der Begeisterung für die theoretisch hochinteressante Kon-
junktiTalreaktion nach Wolff-Eisner mischen sich immer mehr warnende
Stimmen, weiche die Zuverlässigkeit der Reaktion in praxi bezweifeln und ihre
Anwendung durchaus nicht für angefährlich halten.
Trotz seiner schlechten Erfahrungen ist Verfasser kein prinzipieller
Gegner der konjunktivalen Reaktion. Es ist zweifellos gefährlich, sie mit den
üblichen 1 proz. Lösungen bei allen Kranken wahllos anzustellen. Verfasser
wird in Zukunft und noch schwächere Verdünnungen von Alt-Tuber¬
kulin verwenden und die Reaktion nnr in streng aasgewählten Fällen benutzen,
in denen sie nach Erschöpfung der bisher geübten diagnostischen Hilfsmittel
zur Erkennung der Tuborkuloso beitragen könnte. Zugleich beschränkt Ver¬
fasser die konjunktivalo Tuberkulinapplikation durch folgende Kontra¬
indikationen:
Niemals werde die Probe angewendet bei Angenerkrankungen oder bei
Neigung zu Reizzuständen des Auges. Weiterhin sind Säuglinge und
Skrofulöse aaszuscblieäsen. Bei entzündlichen Erkrankangen des Nasenrachen¬
raums ist Vorsicht geboten, ebenso bei Hysterischen und Hypochondern. Dem
praktischen Arzte ist die Probe noch nicht zu empfehlen.
Dr. W a i b e 1 - Kempten.
Die Tuberkulose im schulpflichtigen Alter. Von Ereisassistenzarzt
Dr. Ascher in Königsberg i. Pr. (Aus der Fürsorgestelle für Lungenkranke
und Tuberkulöse.) Hygienische Rundschau; 1908, Nr. 10.
Wie der Verfasser an der Hand einer Tabelle nachweist, fällt die
Sterblichkeitskurve sowohl bei allen Todesursachen, wie im besonderen bei
Tuberkulose vom Säoglingsaltcr und nach der Schulzeit (5—15 Jahren) ab und
steigt bei allen Todesursachen bis zum höchsten Alter an, bei der Tuberkulose
aber nur bis zum 60.—70. Jahre und zwar bei beiden Geschlechtern.
Die beiden Ge.schlechter unterscheiden sich insofern voneinander, als im
allgemeinen die Sterblichkeit an allen Todesart achen, ebenso wio die Tuber¬
kulose beim weiblichen Geschlecht eine niedrigere ist, mit Ausnahme des 3. bis
zum 20. Lebensjahre, wo die Tuberkulose beim weiblichen Geschlecht überwiegt.
Man kann daraus den Schluß ziehen, daß nnr wenige Tuberkulöse in
der Schulzeit und diese hauptsächlich beim weibUchen Geschlecht anzu-
treffen sind.
Diesbezügliche Erhebungen bestätigten diese Annahme; von rund 26000
Kindern waren in Königsberg nur 31 tuberkulös (davon 6 Knaben, 25 Mädchen).
Auch andere Autoren sind zu dem gleichen Resultat gekommen wie der
Verfasser.
Nach der zweiten Hälfte der Schulzeit (10.—15. Jahre) steigt die Sterb¬
lichkeit und zwar schneller bei der Tuberkulose als bei der Gesamtiterblichkeit.
I
Kloinero Mitteilangen ond Referate aas Zeitschriften.
695
Aas einer Statistik ttber Obdaktionen weist der Verfasser nach, dafi
die Zahl der obduzierten Leichen, welche Zeichen von Taberkolose aafweisen,
▼om 1. bis zam 15. Lebensjahre rasch zanimmt; daraus ergibt sich der Schluß,
daß die Infektion mit TuberkelbazUlen mit der Gelegenheit zur Infektion, also
mit dem Alter, steigt.
Auf eine Infektion muß aber nicht eine Erkrankung oder gar der Tod
erfolgen; dabei kommt die natttrliche Widerstandskraft des betreffenden In*
dlTiduums in Frage.
Im schulpflichtigen Alter ist diese natttrliche Widerstandskraft noch
größer als im Alter von 16—20 Jahren, so daß die Aussichten auf eine erfolg*
reiche Behandlung noch gttnstiger sein müssen.
Es empfiehlt sieb, diese infizierten, aber nicht offen erkrankten Schul*
kinder in Walderholangsstätten, in Erholungsheimen usw. nnterzubringen, wo
sie eventl. auch Schulunterricht erhalten können. Sehr wünschenswert wäre
es, wenn der Staat und die Provinz in dieser Hinsicht die Fürsorge ttber*
nehmen würden. _Dr. Earpjuweit*Berlin.
Zur Bekämpfung der Tuberkulose auf dem Lande. Von Kreisarzt
Dr. Hillenber g'Springe. Soziale Medizin und Hygiene; 1908, Bd. 8, Nr. 1.
Durch eine Umfrage bei den Aerzten des Kreises Springe (SlOOOEinw.)
stellte H. fest, daß die dort tätigen 10 Aerzto 55 Langen* bezw. Kehlkopf*
Tuberkulöse behandelten. Nur 15 Kranke hatten eine eigene Schlafkammer,
14 (25 ‘*/o) teilten ihr Bett mit einem anderen; in neun Fällen waren andere
Fan^enmitglieder augenscheinlich krank.
Die Bekämpfung der Tuberkulose findet auf dem Lande in der Indolenz
der fievölkerang das Haaptbindernis. Ferner macht sich der Mangel an Heil*
S ersonal als Hindernis geltend. H. schlägt vor, durch Heranziehung geeigneter
[ebammen hier Abhilfe zu schaffen. Für die Fürsorgestellen müßten im Falle
der Not auch geeignete Frauen aas dem Volke herangezogen werden.
Die Organisation der Bekämpfung denkt sich H. so, daß am Sitze des
Landratsamtes die aus Land rat, Kreisarzt und Lokalkomitee zusammengesetzte
Zentrale besteht. Dieso Zentrale steht mit den Unterstellen in Verbindung,
die am besten am Wohnsitze eines Arztes eingerichtet werden und aus dem
Arzt, Pastor, Gemeindevorsteher und sonstigen Interessenten bestehen. Dieser
Unterstelle steht als Helferin eine Schwester oder eventl. Hebamme zur Seite.
Zur Aufbringung der Kosten müßten die Landesversicherungsaustalt
und mit Hilfe des Landrats alle in Betracht kommende staatliche und private
Organisationen heran gezogen werden.
H. empfiehlt des weiteren die Einrichtung von Pflegostätten für vor*
geschrittene Kranke, am besten nach Master der norwegischen Anstalten mit
4—20 Betten. Schließlich ist auch eine Förderung der ländlichen Wohlfahrts¬
pflege mit besonderer Berücksichtigung des Kindesalters (Schulärzte) nötig.
Dr. D 0 h r n - Hannover.
Zur Frage der Heilstättenbohandlung und der Anzeichen für dieselbe.
Von Dr. A. Frankenburger, prakt. Arzt und Leiter der Auskonfts- und
Fürsorgestelle für Lungenkranke in Nürnberg. Münchener med. Wochenschrift;
1908, Nr. 17 n. 18.
Verfasser sucht auf Grund seiner Erfahrungen in der Privatprazis und
besonders auf Grund seiner Tätigkeit in der Fürsorgestelle in längeren intores*
ganten Ausführungen die Fragen zu erörtern: 1. Was leistet die Heilstätten*
behandlungP 2. Welchen Kranken leistet sie etwas? 3. Können diese Kranken
gleiches ohne Heilstättenbebandlung erreichen? 4. Können die bisher in der
Mehrzahl von der Heilstättenbebandlung ausgeschlossenen Fälle nicht mit
Nutzen ihr zugefübrt werden?
Zum Schlüsse seiner Arbeit faßt er seine Ausführungen in folgenden
Thesen zusammen:
1. Die Heilstätten sind und bleiben ein wichtiges Glied in der Kette
der Maßnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose.
2. Für die Aufnahme in die Heilstätten darf nicht dio Rücksicht auf
dio Erfolgstatistik maßgebend sein, sondern nur der für den ebzelnen Fall
zu erwartende Nutzen.
596
Besprechangen.
8. Die E[nuiken des 1. Stadiums, vor allem aber die Taberkaleserer*
dlchtigen and die Träger latenter Taberkalosen kOnnen der Heilstätten«
bebandlang zumeist entraten. Diesen kann bei ambulanter Behandlung durch
Aufenthalt in Tages* (Wald) Erholungstätten, durch Versckaifang hygienischer
Schlafgelegenheit in der Wohnung, durch sonstiges Eingreifen der fttrsorg^
tätigkeit gleicher Erfolg gebracht werden. Bei dem geringeren Kostenaufwand
fftr den einzelnen kann diese Hilfeleistung riel mehr Sedttrftigen geleistet
werden.
4. Die Heilstätten sind besonders den Kranken des 2. Stadiums zu*
gänglich zu machen.
6. Die Aufnahme in die Heilstätten soll nicht auf Grund eiamali|^
üntersuchung, sondern nach yorgängiger Beobachtung durch eine Zentralstwe
(Krankenhaus, Poliklinik, fürsorgestefie) erfolgen.
Dr. Wai bei'Kempten.
Besprechungen.
Dr. A. Oramar, Geh. Med.-Bat n. o. Professor und Direktor der üniyersitäts*
Klinik und Poliklinik fflr psychiatrische und Nerrenkraake in Göttingen:
QerlohtUolie Psjohlatrie. Ein Leitfaden für Mediziner und Juristen.
Vierte umgearbeitete und yermehrte Auflage. Jena 1908. Verlag yon
Gustay Fischer. Gr. 8**, 540 8. Preis: geh. 10,50 M., geb. 11,50 Mark.
Die neue Auflage des Leitfadens hat wieder eine ganz erhebliche Ver¬
mehrung erfahren, so daß sein Umfang um fast 160 Seiten zugenommen hat
Dieses war bei dem großen Fortschritt der psychiatrischen Forschung, bei der
zunehmenden Bedeutung und allgemeinen Beachtung, die gerade der forensi¬
schen Psychiatrie zuteil geworden ist gar nicht zu umgehen, falls sich das
Werk auf der Höhe der Zeit halten und seinen Aufgaben gerecht werden
wollte. So erforderten die einzelnen Kapitel, um die neueren wissenschaftlichen Er¬
fahrungen und die große Menge der Beachtung yerdienenden Veröffentlichungen
nach Möglichkeit zu berücksichtigen, zum Teil eine wesentliche Umarbeitung und
Umgestaltung. Die Vermehrung ist diesmal beiden Teilen, dem allgemeinen wie
dem speziellen zugute gekommen. In dem ersteren sind es wieder die Abschnitte
Uber die Beziehungen der Geisteskranken zur Straf- und Ziyilgesetzgebung
und über die ärztliche Sachverständigentätigkeit, die erhebliche Verbesserungen
erhielten, wobei besonders die neueren wissenschaftlichen Ergebnisse der
psychologischen Forschung und der Psychologie der Aussage Berttcksichtigung
fanden; im speziellen Teil ist hauptsächlich der Abschnitt Ober endogene Ner-
yosität und Ober Alkohoilntoxikationspsychosen, die genauer spezialisiert sind,
erweitert worden. Im übrigen ist aber die ganze Anordnung des Stoffes die
gleiche geblieben.
Der Wert des Werkes bat durch seine Umarbeitung erheblich gewonnen;
es wird seinen Aufgaben mehr als je gerecht. Sowohl dem Mediziner, wie dem
Juristen wird es wertvolle Anregungen und Fingerzeige geben und ihm gegebenen¬
falls als treuer Batgebcr zur Seite stehen. Was an dieser Stelle von den früheren
Auflagen gesagt ist, gilt in erhöhtem Maße yon der jetzigen. Und wenn wir
bei der letzten Auflage schon darauf hingewiesen haben, daß das Werk eigent¬
lich mehr die Bezeichnung „Lehrbuch“ wie „Leitfaden“ verdiene, so können
wir dies jetzt nur wiederholen. Es nimmt auf dem Gebiete der gerichtlichen
Psychiatrie mit die erste, wenn nicht gar dio erste Stelle ein. Wir können
daher nur wünschen, daß es ebenso, wie die früheren Auflagen, überall eine
seinem Werte entsprechende Aufnahme finden möge. Bpd.
Oeh. Ked.-B»t Prof. Dr. Bnlenbnrg-Berlin: Real-Bnnyklopftdle der
gesamten Heilkunde. Medizinisch - chirurgisches Handwörterbuch für
praktische Aerzte. Verlag von Urban und Schwarzenberg in Berlin
und Wien. IV. gänzlich um gearbeitete Auflage. Gr. 8^ Preis pro Band
28 Mark, yollstäi^ig in 15 Bänden.
In rascher Aufeinanderfolge sind jetzt die 4 ersten Bände (Buchstaben
A—F) der neuen Auflage von Eulonburgs Ecal - Enzyklopädie erschienen und
Besprechungen.
597
lusea erkennen, ds6 dai Werk das hält, was es yerspricht 128 der heryorragend-
sten Minner der Wissenschaft sind Mitarbeiter an diesem großen Werke; sie
verbürgen ein gutes Gelingen und geben die Gewähr, daß sein Inhaltmit den
gewaltigen Fortschritten der neuesten Forschungen der Wissenschaft in Ein¬
klang steht. Dabei ist der Herausgeber mit allen Kräften bemüht gewesen,
den Standpunkt, den die Enzyklopädie von ihrem ersten Erscheinen planmäßig
vertreten hat, auch jetzt wieder zu wahren, nämlich daß sie sich fest auf den
^den realer wissenschaftlicher Tatsachen stellt und eine Inventur des in
langjähriger Forschungsarbeit errungenen Gesamtbesitzes der wissenschaft¬
lichen Heilkunde unserer Zeit bildet. Diese Aufgabe haben er und seine Mit¬
arbeiter, soweit sich bis jetzt beurteilen läßt, auch dieses Mal vorzüglich
gelöst; überall ist, soweit als möglich, nur das, was als allgemein feststehend
anerkannt ist, berücksichtigt, während persönliche Ansichten, noch strittige
Fragen fortgolassen oder nur, falls es zum Verständnis notwendig erschien,
gestreift sind. Trotz der Fülle des Stoffes wird der ganze Umfang des
Werkes ein geringerer werden, statt 26 erscheinen nur 15, allerdings etwas
vergrößerte Bände; diese Kürzung gereicht dem Ganzen nur zum Vorteil,
denn bei einem an und für sich schon so umfangreichen Werke muß «dies
üeberflüssige, Veraltete und Unwichtige forlfallen, damit Baum genug bleibt
für die wichtigeren und wesentlicheren Abschnitte, an denen zu kürzen ein
Herabmindern des wissenschaftlichen Wertes bedeutet. Die alphabetische
Beihenfolge ist wie früher für die einzelnen Abhandlungen innegehalten. Bei
den wichtigeren Gegenständen ist die einschlägige Literatur kurz angeführt;
bd den übertragbaren Krankheiten (z. B. Abdominaltyphus, Diphtherie
UBW.) sind auch Prophylaxe, Bekämpfung usw. eingehend berücksichtigt.
Jedem Band ist ein ausführliches Inhaltsverzeichnis beigefü^. Die Aus¬
stattung des Werkes ist eine vorzügliche. Zahlreiche Abbildungen dienen
wesentlich dazu, den Inhalt zu erläutern, besonders ist die vorzügliche Aus¬
führung der farbigen Tafeln hervorzuheben (bei Tafel I und II zum Artikel
«Bakterien“ ist ein kleiner Druckfehler untergelaufen, in dem die Nummern der
flguren mit den Nummern der Erklärung nicht Übereinstimmen). Die ersten
4 Bände enthalten nicht weniger als 25 farbige und 4 schwarze Tafeln, sowie
562 Textabbildungen. Jedenfdls stellt die neue Auflage der Enzyklopädie ein
J anz hervorragendes, auch auf der Höhe der Wissenschaft stehendes Werk
ar, das für joden Arzt von unschätzbarem Wert sein und in dem er nie ver-
f eblich Bat suchen wird. Der an und für sich hohe Preis des Werkes muß
ei dem Umfange noch als gering bezeichnet weiden. Bpd.
Dr. Cbotjalm «nd Dr. Kriegal-Berlin: Jahreaberloht über aoslale
Hygiene, Demographie und Medlalnalntatlatih, sowie alle Zweige
des soalalen VersioherangBWesens. VII. Band: Bericht über das Jahr
1907. Jena 1908. Verlag von Gustav Fischer. 8**; 391 S. Preis 11,50 M.
Eine mit großem Fleiß zusammen gestellte, für jeden, der sich mit den
Aufgaben der sozialen Hygiene befassen muß, sehr brauchbare Arbeit. Der
Umfang des Werkes ist ungefähr der gleiche geblieben; die Anordnung des
Stoffes hat keine Aenderung erfahren. Möge auch dieser Bericht wie die vor¬
hergehenden anderen überau die verdiente Anerkennung Anden.
Bpd.
Dr. A. Wolff-Blmer, Berlin: Die Ophthalmo- und Kutan• Diagnose
der Tuberhnlose. Würzburg 1908. A. Stübers Verlag. Gr. 8 **,1978.
Preis geh.: 6 M., geb.: 7 M.
Die Wolf-Eisnersehe Monographie über die neuerschlossenen Gebiete
der Tuberknlosediagnostik ist als besonderes Heft der bekannten Br an ersehen
«Beiträge zur SLlinik der Tuberkulose“ erscÜenen. Das Verdienst Wolff-
Eisners an der Entdeckung der konjnnktivalen Tuberkulin-Boaktion steht
fest. Man vrird auch den Eifer, mit welchem der Verfasser die Führung auf
dem Nenlande der lokalen Tuberkulinproben zu übernehmen bestrebt ist, an¬
erkennen können. Und doch scheint es uns verfrüht, über einen noch gar
nicht genügend geklärten Stoff so viele Worte zu machen. Die Folge davon
598
Besprechungen.
ist, daß der Verfasser allsiiTiel mit Hypothesen operiert nnd es sogar unter¬
nimmt^ mit mindestens anbewiesenen Ansichten gegen besser and fester fan-
dierte Ansehaaangen in der Taberkalose-Prophylaze and -Therapie anznk&mpfen.
Es ist hier nicht der £aam, dies darch 8ticbproben za belegen. Jedenfalls
bietet die fleißige Arbeit Tiel mehr als der Titel besagt; aber das Viel ist
kdn Vorzag — wenigstens nicht für den Praktiker, der kaam geneigt sein
dürfte, sich die Information über eine noch schwebende diagnostische Frage
aas einem ad hoc geschriebenen, ziemlich dickleibigen Bach za holen. Aaßer-
dem ist das eigentliche Thema des Baches darch neaere Arbeiten überholt,
die in der Einsebätznng der Ophthalmo- and Katandiagnose einen recht kri¬
tischen Standpankt einnebmen.
An die taberkalindiagnostischen ErSrterangen schließt Wolff-Eisner
eine aosgiebige and in vieler Hinsicht interessante Schilderang der klini¬
schen frühdiagnostischen Methoden (Spatamantersnehang, Thermometrie,
Röntgen-Methode, Spitzenperkassion, Aaskaltation, Zytodiagnose, Inoskopie).
_Dr. Boepke-Melsangen.
Dr. Wilhelm Xttller, Tütrabäza: Kompendtum der Langentaber-
kulose. Wiesbaden 1908. Verlag von J. F. B e r g m a n n. 112 8. Preis: 2 M.
Das Eompendiam soll „A.erztea and Stndierenden als praktischer Weg¬
weiser in dem großen Labyrinth der Langentaberkniosefrago dienen“. Die
Absicht ist löblich, ihre Darchftihrang im Rahmen des Gebotenen aber nicht
gelangen. Inhaltlich weist das Eompendiam an recht vielen Stellen, nament¬
lich aach hinsichtlich der Diagnose and Therapie, viele and große Lücken aof,
während sich an anderen Stellen viel üeberflüssiges findet. So wirkt die „sympto¬
matische Behandlnng“ darch die aasfiihrlicbc Anfzählnng von Rezepten von der
^t: Tinct. (^i 20,0 D. 3mal tgl. 15—20 Tropfen; Tinct. Chin. comp., Tinct.
Ferri pomati ää osw. geradeza lang«veilig. Das Bach hätte kritischer, moderner
and — in einem besseren Dentsch aasfallcn müssen, wenn es seinen Zweck
als Wegweiser erfüllen and empfohlen werden soll.
_ Dr. Roepke-Melsangen.
Dr. mad. H. HUdebrandt, Privatdozent der Pharmakologie in Halle a/S.:
Neaere ArBneixnlttel. Leipzig 1907. Akademischo Verlagsanstalt.
Gr. 8«; 168 S.
Verfasser legt die Beziehangen zwischen der chemischen Eonstitation
and der pharmakologischen Wirkung der neueren, synthetisch hergestellten
Arzneimittel dar. Dos Bach ist für Chemiker, Pharmazeaten and Mediziner
geschrieben. Chemikern and Pharmazeaten wird es ein besonderes Interesse
dadurch bieten, daß es eine große Anzahl anderwärts noch nicht publizierter
Eigen-Beobachtangen über die Wirkung neuer chemischer Verbindungen ent¬
hält ; auch der Mediziner, der in Chemie noch sattelfest ist, wird an der Hand
des Baches einen Einblick gewinnen in die Pharmakologie, soweit sie in streng
wissenschaftlicher Weise an der Aoffindang neuer Arzneimittel beteiligt ist.
Hildebrandts Arbeit ist vom pharmakologischen Standpunkte aas
modern and verdienstlich, insofern sie dom ordinierenden Mediziner aas der
Synthese des Arzneimittels heraus seine pharmakologische Wirkung zu er¬
klären sacht. Diese Erkenntnis ist für den wissenschaftlichen Arzt auch not¬
wendig, wenn er das Rezeptschreiben nicht handwerksmäßig betreiben wilL
Wir möchten daher das Buch warm empfehlen. Dr. Roepke-Melsangen.
Helene Simon: Schale and Brot. Zweite erweiterte Aaflage. Verlag
von Leopold Voß in Hamburg, 1908.
Nicht zam mindesten unter dem starken Eindruck, den die im Vorjahr,
erschienene Schrift Helene Simons „Schale and Brot“ machte, ist die Frage
der Unterernährung der Schulkinder nnd der Schnlspeisangen in den Vorder¬
grund getreten. Sicherlich sind die Einwände derer, die eine Mindcmng der
elterlichen Verantwortlichkeit durch die Einführung von Schulspeisungen
fürchten, keineswegs anbegründet. Wir schleppen ohnedies genug Ballast
von schwachen, anbrauchbaren Elementen mit, welche die Starken in der Ent¬
faltung ihrer Eräfte hindern. Verfechter solcher Ansichten werden besonders
TsgesnachriclitoiL
699
die ncuzageffigton Kapitel interessieren. Im tibrigen kann man der neuen
Auflage der- interessanten Schrift nur eine ebenso freundliche Aufnahme
wünschen, wie die erste Auflage gefunden hat. Or. D ohrn>Hannoyer.
Tagesnachrlchten.
S. Maj. der Kaiser hat aus sebem Dispositionsfonds der Robert
Koeh-Stiftnng zur Bekämpfung der Tuberkulose 100000 M. bewilligt.
Ehrung. Der Kaiser von Japan bat S. Exz. Qeheimrat Prof. Dr. Koch
in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die medizinische Wissen¬
schaft auf dem Gebiete der Bakteriologie gelegentlich seines Besuches in Japan
eine silberne Schale mit dem KaiserUchen Wappen zum Geschenk gemacht.
Koch wird ttbrigens als Delegierter der Deutschen Regierung an dem inter¬
nationalen Tuberkulose - Kongreß io Washington teilnehmen.
Am 12. d; H. ist es dem Nestor der preußischen Medizinalbeamten,
H. Geh. Med.'Rat Dr. Meder in Altenkirchcn (Reg.-Bez. Koblenz) vergönnt
gewesen, sein äOjähriges Doktorjnbilänm zu feiern. 44 Jahre hat er unter
den schwierigsten Verhältnissen mit unermüdlicher Pflichttreue seine Tätigkeit
als Kreisphysikns bez w. Kreisarzt, wie als Landarzt ansgeübt und sich überall
eines ungewöhnlichen Ansehens und der größten Beliebtheit erfreut, was auch
durch die zahlreichen Glückwünsche zu seinem Jubiläum in vollstem Maße
zum Ausdruck kam. Auch der Vorstand dos preußischen Medizinalbeamten¬
vereins hat nicht verfehlt, seinem ältesten, jetzt 75 jährigen Mitglicde, der dem
Vereine von Anfang an angehört hat, die herzlichsten Glückwünsche zu über¬
senden. Möge ihm noch manches Jahr in gleicher körperlicher und geistiger
Frische vergönnt seinf _ _
Der diesjährigen Prfifung für den ärztlichen Staatsdienst in Bayern
haben sich 17 Aerzte unterzogen; 2 erhielten die Note I, 11 die Note II,
1 die Note Ul; 3 bestanden die Prüfung nicht. Gesuche um Zulassung zur
PrOfung für den ärztlichen Staatsdienst 1908/09 müssen bis spätestens zum
80. September d. J. bei der Kreisregierung, Kammer des Innern, eingereicht
werden, in deren Bezirke sich der augenblickliche Wohnsitz des Gesuohs-
stellers befindet; vorzulegen sind dabei die Originale des Approbationszeugnisses
und des Doktordiploma der medizinischen Fakultät einer Gniversität des Deut¬
schen Reiches. Ferner ist die Adresse für die seinerzeitige Zustellung des
Zulassungsdekretes genau anzugeben. Zu spät eingoreichto Gesuche finden
für das kommende Prüfungsjahr keine Berücksichtigung mehr.
Den badischen Landständen ist der Entwurf eines Gesetzes^
hetreffend die Irrenfärsorge» zugegangen, das sich im wesentlichen mit der
Unterbringung und Zurückhaltung Geisteskranker ohne oder gegen ihren
Willen befaßt. Zur Unterbringung des Kranken ohne oder gegen seinen Willen
in eine Anstalt ist ein amtsärztliches Zeugnis als notwendig vorgesehen, nur
in dringenden Fällen, wenn es die Heilung des Kranken oder die Vermeidung
von Gefahren notwendig macht, kann sofortige Aufnahme ohne ein solches er¬
folgen. Der Kranke ist dann 24 Stunden nach der Aufnahme vom Bezirksarzt
zu untersuchen. Zur Unterbringung in eine Privatirrenanstalt kann das bezirks¬
ärztliche Attest durch ein Attest eines Arztes der Privatirrenanstalt ersetzt
werden, sofern dieser dazu vom Ministerium des Innern besonders ermächtigt ist
Am 27. Juni d. J. hat der Kreistag zu Worms die Einrichtong einer
Wohnnngsinspektion und Anstellung einer Frau alsWohnungsinspek-
torin beschlossen, der rund 3400 Wohnungen mit über 7800 Bewohnern
unterstellt werden sollen. Es ist zu diesem Amte eine Frau gewählt worden,
weil man sie für besser geeignet hält, da sie als Frau zur Frau sprechend,
600
Tagdsnachriobten.
die Belehrung der Mieter beanstandeter Wohnungen leichter durehfttbren, dch
bei den Frauen Ittr ihre Batschl&ge leichter GehOr Terachalfein und durch
rtlhrige Tätigkeit erfolgreicher aur Nachahmung anregen kOnne. Die neue
Wohnungsinspektion soll aber nicht scharf Vorgehen, sondern in der denkbar
mildesten Form, durch Belehrung und Aufklärung der Mieter und Eigentümer
und durch Unterstützung mit Bat und Tat die Wohnungsfürsorge ansüben.
Die Bewohner sollen auf möglichst schonende Weise zur Ordnung und Bein*
lichkeit erzogen und gewohnt werden, die einfachsten Gesnndheltaregeln zu
beachten.
ln Württemberg ist unter dem 27. Juli d. Js. gleichfalls eine ministerielle
Verfügung, betreffend den Verkehr mit gebrauchten Verbaiidgtoffen ähnlich
der preußischen vom 4. Mai d. Js. (siehe Beilage zur Zeitschrift für Hedizinal-
Beamte, 1900, Nr. 10) erlassen worden. Desgleichen ist Sachsen vor kurier
Zeit dem Bei^iele Preußens gefolgt.
Die im Großherzogtnm Hessen durch die Ereisgesundheitsämter an*
gestellten Erhebungen über die Em&hmngsweise der Erstimpflinge haben
auch dort die gleichen Besnltate, wie in Bayern gehabt, nämlich di^ in Ge¬
bieten mit hoher Säuglingssterblichkeit die künstliche Ernährung vorherrscht,
in denen mit niederer Säuglingssterblichkeit diejenige durch die Mutterbrust.
Die Stadt Solingen beabsichtigt für die Zeit vom 18. bis 26. September
d. Js. eine Ausstellung für Säuglings- und Kinderpflege zu veranstalten.
Diese soll alle Klassen der Bevölkerung über die Sänglingsernährung, Pflege,
Wartung und Haltung in Privathäusern und Öffentlichen Anstalten aufklären
und die Mittel zeigen, wie zur Verminderung der Säuglingssterblichkeit bei-
getragen werden kann. Sie soll ferner über die wichtigsten Fragen der körper¬
lichen und seelischen Aufzucht des Kindes aufklären und so heuen, alle Kraise
dafür zu gewinnen, ihre geistigen und materiellen Er^te in den Dienst der
Säuglings- und Einderfürsorge und damit des Volksnachwnchses zu stellen.
Zur Ausstellung gelangen alle Gegenstände und Produkte, die der Sänglings-
und Kinderpflege und ^nährung uenen. Es sind nenn Abteilungen vorgesehen.
In Spanien besteht bekanntlich noch kein Impfzwang und die BevOlko>
rung verhält sich dem Impfen gegenüber sehr abhold. Der Bürgermeister von
Madrid ist nun auf einen eigenartigen Eänfall gekommen, um die Pookeu-
Impfung populärer zu machen. Er rechnet auf die Gewinnsucht und dem
Spielteufel der Bevölkerung und hat aus städtischen Geldern eine Lotterie ver¬
anstaltet, bei der diejenigen Leute, die nachweisen kOnnen, daß sie geimpft
sind, ein Los umsonst erhalten.
ln den Vororten von Magdeburg Groß-Ottersleben und Lendsdorf Ist
am 12. August eine Massenvergiftung durch verdorbenes PSekelflelsch auf«
getreten. Es bandelte sich dabei hauptsächlich um Fabrikarbeiter, die auf
dem Wege zur Fabrik von einem Lendsdorfer Schlachter POckelfl^ch zum
Frühstü(ä eingekauft hatten. Die Erkrankungen, deren Zahl sich auf 800
belief, waren zum Teil sehr schwerer Natur. Todesfälle sind jedoch noch
nicht zu verzeichnen gewesen. Proben des Fleisches sind zur genaueren Unter¬
suchung an das Beichsgesundheitsamt in Berlin geschickt worden.
Die Oholera breitet sich in Bußland immer mehr aus. Vom 8. bis
14. d. Mts. sind in den ergriffenen Bezirken 668 Erkrankungen und 270 Todes¬
fälle vorgekommen. Die Stadt Nishniwowgorod ist für cboleragefährlich und
die Wolga von dieser Stadt ab bis nach Bybinsk für cholerabedroht erklärt
worden. In Preußen sind deshalb schon die nötigen Vorkehrungen ge¬
troffen, um eine Einschleppung der Cholera aus Bußland, namentlich auf dem
Ta geanachrichten.
601
Wasserwege zu veraeides. üm auch die erforderliche Anzahl von Aerzten
im Bedürlcisfalle zur Verffignng zu haben, sind den BcgiernngspiSsidenten
dnrch Min.-Eri. vom 10. Angnst ersacht, diejenigen Medizinalbeamten und
Aerzte, insbesondere kreisärztlich geprüfte, festzustelJeo, die zur Yerwendnng
im Ueberwachnngsdienst gegen die übliche Entschädigung (reglementmäfiige
Reisekosten and Tagegelder für Hin* and Rückreise sowie wUrend der Tätig¬
keit Tagegelder (20 Mark für onrerheiratete and 24 Mark für verheiratete
Aerzte) bereit sind.
Tagesordnung der 80* Tersammlnng Deutscher Naturforscher und
Aerzte ln C91n a. Rh. vom 20.—26. September d. J*
Sonntag,den20. September, vormittags: Sitzung des Vorstandes.
Eröffnung der Ausstellung. Abends 8 Dhr: Begrüßung in der Bttrgergesellschaft.
Montag, den 21. September, Vormittags Dhr: Erste allgemeine
Versammlung (Gürzenich): 1. Begrüßungsansprachen. 2. Prof. Dr. Stadler-
München: Albertas Magnus von COln als Naturforscher und das Cölner Auto¬
gramm seiner Tiergeschichte. 3. Major von Parseval-Berlin: Motorballon
und Fln^aschine. — Nachmittags 3 Ohr: Konstituierung und erste Sitzungen
der Abteilungen. Abend 7 Uhr: Festessen im Gürzenich.
Mittwoch, den 23. September, vor- und nachmittags: Sitzungen
der Abteilungen. Abends 7 Uhr: Festrorstellnng in den städtischen Theatern:
Opernhaus und Schauspielhaus.
Donnerstag, den 24. September, vormittags 8V> ühr: Geschäfts-
sitzung der Gesellschaft. Vormittags: Sitzung der beiden Hauptgruppen
(Gürzenich). 1. Prof. Dr. Wien er-Leipzig: Die Entwicklung der Farben-
photographie. 2. Prof. Dr. Doflein -München: Die krankheitserregenden
Trypanosomen, ihre Bedeutung für Zoologie, Medizin nnd Kolonialpolitik.
Nachmittags 3—4 Uhr: Einzelsitzung der medizinischen Hanptgrnppe in der
Aula der Akademie für praktische Medizin im Krankenhause Lindenburg.
Prof. Dr. Einthoven-Leyden: Ueber das Elektrokardiogramm. Prof. Dr-
Wright-London: Ueber die Vaccine - Therapie und die Kontrolle der Be¬
handlung mittels opsonischen Indexes. Abends 8V2 Uhr: Empfang in den
Räumen des Gürzenichs, veranstaltet von der Stadtverwaltung.
, Freitag, den 26. September, vormittags 9’/« Uhr: Zweite all¬
gemeine Versammlung. 1. Prof. Dr. Rubner-Berlin: Kraft und Stoff im
Haushalt des Lebens. 2. Prof. Dr. He im-Zürich: Ueber den Deckenbau der
Alpen. Prof. Dr. Hasser t-Cöln: Vorläufige Ergebnisse einer landeskundigen
Forschungsezpedition ins Karner an gebirge nnd nach Nordwest-Kamerun. Nach¬
mittags: Besichtigungen oder Sitzungen der Abteilungen.
Sonnabend, den 26. September: Tagesausfiüge: 1. Rheinfahrt
nach dem Sieben gebirge, 2. Ausflug nach der Gemünder Talsperre, 3 Ausflug
nach Bad Neuenahr und ApoUinarisbrunnen (Einladung der Badedirektion).
Sitzungen der Abteilungen.
28. Abteilung: Qeriohtllohe Mediuln. (Zugleich Tagung der
Deutschen Gesellsckaft für gerichslichc Medizin.) Sitzungsranm: Königliche
Maschinenbauschule. Verpflegnngsstätte: Hotel EwigeLampe. Einführende:
Reg.- n. Geh. Med.-Rat Dr. Rnsak-Cöln a. Rh. und (leb. Med.-Rat Prof.
Dr. Ungar- Bonn. Schriftführer: Dr. L 0 h m e r - Cöln a. Rh. und
Med.-Rat Prof. Dr. Puppe-Königsberg i. Pr. Angemeldete Vorträge:
1. Plempel-Cöln: Zur Frage des Geitseszustandes der heimlich Gebärenden.
2. Bockendahl-Kiel und Leppmann-Berlin : Die Hysterie in ihrer Be¬
ziehung zur Erwerbsfähigkeit im Sinne der Invalidenversicherung. 3. Pollitz-
Düsseldorf: Stellung und Aufgabe des Strafanstaltsarztes. 4. Förster - Bonn:
Forensische Erfahrungen bei Dementia praecox. 5. Liniger-Düsseldorf:
Arztattest und Lohnauskunft. 6. Kenyeres-Kolocsvar (Ungarn): a) Farbige
Photographien aus dem Gebiet der gerichtlichen Medizin (mit Projektion),
b) Kurze Mitteilungen kasuistischer Fälle mit Demonstrationen. 7. C. Ipsen-
Innsbruck: Zum forensischen Gonokokkennachweis. 8. H. Molitoris-Inns¬
bruck: Erfahrungen zur Frage des biologischen Blutnachweises. 9. Kockel-
Leipzig: Der miikroskopisebe Bau der Vogelfedern nnd seine Bedeutung für
die Kriminalistik. 10. Fritsch-Bonn: Ueber die Berechtigung zum künst-
602 SprechsaaL /
liehen Abort. 11. Ungar^Bonn: Beferat fiber den bentigen Stand der Lehre
Ton der Magendarmprobe. 12. Lochte-Qöttiogen: Ueber Schoßverletziingen.
13. Leers'Berlin: BeiträKO sam forensischen Blatnachweis. 14. Marx-
Berlin: Demonstrationen. 15. P a p p e - Königsberg: Die gerichtsärztliche nnd
kriminalistische Bedeatong der Zasammensetzong zertrümmerter Schädel vor
der Haaptrerhandlang. 16. Weidanz-Berlin: Ueber die Technik and Me¬
thodik der biologischen EiareiSdifferenzierang. 17. Ziemke-Kiel: Zar Aeti-
ologie homosexaeller Handlangen. 18. Derselbe; üeber die diagnostische
Bedeatong der Carotis intima • Baptaron Itt» den Tod darch Strangalation.
29. Abteilang: Hjglene und Bakteriologie. Sitzangsraam: EgL Ma-
schinnnbaascbole. Verpflegongsstätte: Eestaaration Bajenbaas. Einführende:
Dr. Czaplewski-Cöln a. Bh.. Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Finkler-Bonn,
Prof. Dr. £ rase-Bonn, Geh. San.-Bat Dr. Lent-Cöln a. Bh., Kreisarzt Dr.
Meder-Cöln a. Bh. and Med.-Bat Dr. Schobert, Kreisarzt in Cöln a. Bh.
Schriftführer: Dr. Bernbach a.Dr.Göbel in Cölna.Bh. Gemeinschaft¬
liche Sitzang mit den Abteilungen 15, 16, 18 a. 22: WoIf-Eisner-Berlin:
Ueber die Konjanktivalreaktion. Hamburger-Wien: Katan- and Süchreaktion
mit Taberkalin; für Carl ▼. Pirqaet. Gemeinschaftliche Sitzang mit den
Abteilungen 19 and 20: Keller-Berlin and Beicher-Wien: Ueber die
Fürsorge für die anehelichen Kinder. Gemeinschaftliche Sitzang mit den
Abteilangen 19 a. 22: 1. Finkler-Bonn: Ueber die Mitwirkung der Aerzte
bei hygienischen Maßregeln. 2. Josef Wimmer- Wien: Ueber rorteilhafte kör¬
perliche Erziehang. 8. K. Beicher-Berlin: Ueber Lipolyse and Immanität.
4. Kronfeld-Wien: Wohnangslage and Infektionskrankheiten. 5. Praos-
nitz-Graz: Die Bearteilang von Wassefversorgen mit natürlicher Fil¬
tration. 6. Kruse and Bürgers-Bonn: Ueber Angriffsstoffe (Aggressine).
7. Krase und Bürgers-Bonn: Grandlagen der natürlichen Immanität.
8. Selter-Bonn: Ueber Genickstarre-Kokkenträger. 9. Lob'mer-Cöln:
Ueber Typhus in den letzten Jahren in Cöln. 10. Gustav Muskat-Berlin:
Probleme der Körperentwicklang. 11. Frau Lydia B ab in o witsch-Berlin:
Zar Frage der Milch-Streptokokken. 12. Schrammen-Cöln: Hygienische
Anforderungen an Flaßbadeanstalten. 13. W. Han.aaer-Frankfurt a. M.:
Die Säuglingssterblichkeit in Frankfurt a. M. 14. E. Kindberg-^nn:
Ueber eine neue Farbenreaktion zum Nachweise des Typhasbacillos und ver¬
wandte Arten und Plattenanstrich. 15. B. Nied er st ad t-Hamburg: Die
Untersuchang von Wässern und des Eibwassers bei Hamborg.
SpreohsaaL
Anfrage des Kreisarztes Dr. H. ln 6.: Darf ein Apotheker einen
Drogisten mit kaufmännischer Tätigkeit, Ordnung machen nsw. bescbäftigenP
Ist ein solcher als Personal im Sinne des § 48 der Apotheken-Betriebsordnang
anzusehen und bei dem Kreisarzt anzameldenf
Antwort: Nach dem Min.-Bescheid vom 30. Januar 1900 ,ist zwar das
Halten von Drogisten in einer Apotheke oder in der mit einer solchen in dem
gleichen Baam verbundenen Drogenabgabe anzalässig". Wenn dieser jedoch
nur mit einer rein kaufmännischen Tätigkeit beschäftigt wird, so dürften seiner
Verwendung keine Bedenken entgegen.stehcn, vorausgesetzt, daß jede Ver¬
wendung als pharmazeutisches Hilfspersonal aasgeschlossen bleibt. Unter
dieser Voraassetzung ist z. B. durch Min.-Erlaß vom 9. April 1894 die An¬
stellung eines besonderen Kassierers gestattet. Das „Ordnung machen* in
einer Apotheke gehört dagegen, soweit es nicht unter „Beinmachen* usw.
fällt, zu der dem pharmazeutischen Hilfspersonal obliegenden Tätigkeit und
darf demnach einem Drogisten nicht übertragen werden. Nur das pharma-
zeatische Personal ist nach § 48 der Apothekenordnang anmeldepflichtig; wird
also ein Drogist außerhalb des eigentlichen Apothekenbetriebes (Handverkaaf,
Bezeptar, Defektar usw.) mit rein kaafmännischen Arbeiten beschäftigt, so
ist er nicht anmeldepflichtig.
Anfrage des Kreisarztes Dr. H. ln H.: Ist die Ankflndigong als
ärztlich geprüfte Massöse* zulässig, auch wenn die betreffende Penon von
Tagesordn. der XX7. Haaptrersammlong des Freaß. Med.* Beamten-Vereins. 603
einer anderen Massöse einige Handgriffe erlernt nnd vor einem beliebigen Arzt
eine Prüfung bestanden hatP
Antwort: Ja! Nor die Bezeicbanng „staatlich geprüfte MassOse*
kann verboten werden.
XIV. HaDptTersammlnng
des
Preussischen Medizinalbeamten-Vereins
m feier des 25 jährigen Bestehens des Vereins
verbanden mit der
diesjälirigeii Rauptversammlniig
des
Deutschen Medizinalbeamten' Vereins.
am
Diensiag, dea ll Septenibfr and littvoeli, doa li Septeiaber 111$
in Berlin.
im Preussischen Abgeordnetenhause
Prioz Älbrechtstraße.
Tagesordnung.
Montag, den 28. September:
8 Uhr abends: Qeaelllge Vereinigung zur BegrQesung (mit Damen)
im Bestaarationsraume des Preabischen Abgeoidnctenbanses.
Dienstag, den 29. September:
10 Uhr TOzmlttaga: Fest-Sitzung im Feetsaale des Preueeiechen
Abgeordnetenhauses ') (Prinz Albrecbtstrabe).
Für die Damen der Teilnehmer sind Plätze freigebalten.
1. ErSffnnng der Yersanunlang nnd BegrUssnng. Ueberweisong des
Stlftnogsfonds.
2. Hesebftfts- nnd Kassenberloht; Wahl der Kassenrevlsoren.
8. Ueber die hygienische Kontrolle der zentralen Wasserleitungen«
Befercnt: E. Oeh. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge, Direktor des
hygienischen üniversitätsinstitnts in Breslan.
4. TorlSaflger Entwurf des Belchsgesetzes, betreffend die Ans-
Übung der Heilkunde dnreh nicht approbierte Personen nnd den
Cteheimmittelverkebr. Referent: H.Reg.- n. Med.-Rat Dr.Dütschke
in Erfurt.
6 Uhr nachmittags: Pastessen mit Damen im Hotel „Prinz Albrecht“
(Prinz Älbrechtstraße Nr. 9).*)
0 Uhr abends: Qoselllga Vereinigung im „W eihenstepban", Friedrich¬
straße 176/177.
*) Anng für Festsltsiug und Festessen: Frack and weiße Binde.
604 Tagesoidn. der XXV. Hauptversammliuig des Preoß. Hed.-Beamten •Vereins.
IKittwooh, den 30. September:
9V* nbr Tormlttaga: Zweite Sitzung.
1. Der gegenwärtige Stand nnd Wert der Krlmlnalantliropologle.
(Mit Demonstrationen). Beferent: H. Gerichtsarzt nnd Priratdozent
Dr. Strauch in Berlin.
2. Die Psychologie der Anssage* Beferent: H. Prof. Dr. Lochte,
Direktor des gerichtsärztlichen Instituts und Kreisarzt in GSttingen.
8. Vorstandswahl; Bericht der KassenreTisoren.
4. Hedttlnalbeamter nnd ärztliche PrlTatpraxia. Beferent: H. Kreis¬
arzt Dr. Gutknecht in Belgard.
Nach Sohluas der Sitaong (gegen 8 Dlir naohmittaga): Qemein-^
eohaftllehes zwangloses Essen mit Damen im Zoologischen
Garten.
Abends: Besuch der KSnIgllohen Theater; nach Schluß: Qeselliga
Vereinigung. *)
Der Vorstand des Preussischen und Deutschen Medizinalbeamten-Vereins.
Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender.
Be;.* nnd Oe.h Hed.-Ret in Minden.
2) Das Nähere wird am Sitzungstage bekannt gegeben werden.
Entsprechend dem Beschluß der letzten Hauptyersammlung hat der Vor¬
stand zur Feier des 25 j ährigen Vereins-Jubiläums die Herausgabe einer
veranlaßt, die, wie das in Nr. 14 dieser Zeitschrift (S. 527) aufgefährte Inhalts¬
verzeichnis zeigt, nicht nur eine kurze Geschichte des Vereins und einen
üeberblick über dessen Tätigkeit, sondern auch eine Schilderung der Ent¬
wicklung des preußischen Medizinal- und Gesundheitswesens, sowie der ffir
die Medizinalbeamten hauptsächlich in Betracht kommenden Gebiete der Hy¬
giene (einscbl. der Bakteriologie), der gerichtlichen Medizin nnd Psychiatrie
innerhalb der letzten lünfundzwanzig Jahre in kurzen, für sich abgefaßten
Abhandlungen bringen wird. Bei ihrer Ausarbeitung sind ausschließlich Mit¬
glieder des Vereins beteiligt gewesen, denen dalUr ein besonderer Dank des
Vereins gebührt. Die Festschrift wird mindestens 40 Druckbogen um¬
fassen; ihr Preis ist für die Mitglieder des Preußischen und Deutschen Vereins
auf 8 Mark (gebunden) festgesetzt; im Buchhandel wird der Preis später
16 Mark betragen. Die Festsetzung eines so niedrigen Preises für die Vereins¬
mitglieder war nur in der sicheren Voraussetzung mOglich, daß wenigstens
jedes Mitglied des Preußischen Mcdizinalbeamtenvcreins ein Exemplar bestellen
wird; der Vorstand hofft jedoch, daß auch die übrigen Mitglieder des Deut¬
schen Medizinalbeamtenvereins dasselbe tun worden. Jedenfalls ist bei Be¬
messung der Hübe der Auflage darauf Bücksicht genommen.
Bestellungen nimmt schon jetzt die Expedition der Zeitschrift, Hof-
buchdmekerei von J. C. C. Bruns in Minden i. W., entgegen.
Minden, den 15. Juli 1908.
Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins.
Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender,
Re;.- Q. Geh. Med«-Rfti ln MlBden«
1^
Verantwortl.Bedaktenr: Dr.Bapmnnd, Beg.-n. Geh. Med.-Sat inlOndeni. W.
J. C O. Bmaa, HarsogL Stcha xl F. ScIl-I. Hoftonehdraekar«! in im-irn
2 L Jahrg.
1908 .
Zeitschrift
fttr
MEDIZIN^BEAMTE.
ZMrtralMatt für du gaunti BenndlMitnnsm,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
HeransgegebeB
▼Oll
Dr. OTTO RAPHÜND,
Eogleruif»* und Gtb. Modlxtiialr«l In Mlndoo i. W«
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Württembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fiseher s medix. Buehhandlg., H. Kornfeld,
BmotfL Bivar. Hoa- v. BtsbanogL Sammer-BBaiiilaaiT.
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
iBseraie nohmea die YerUfthaiidlluBg sowie aUe AnDoneeii-lBxpedilloiien dies In-
ttnd Auslandes entgegen«
606 Dr.Bosenb&um: Auffälliger Sektioosbeiond bei Selbstmord durch Schufi nsw.
ist bis auf einen 6 Markstück großen Best der Herzspitze oberflächlich zerfetzt.
Die Fingerkuppe dringt an manchen Stellen bis zu 1 cm in die Tiefe, jedoch
nur an einer Stelle und zwar schräg nach rechts bis in das Herziunere und
zwar in die rechte Herzkammer. Domentsprccheod findet sich an der linken
Wand der Innenfläche der rechten Herzkammer, 1 cm unterhalb der Klappen
eine 1 cm große, runde, etwas zerfetzte Oeffnung, die zu der zertrümmerten
linken Herzoberfiäche führt. Die linke Herzkammer, die Vorkammer und
sämtliche Klappen sind unverletzt. Die Muskulatur fühlt sich derb an, ist
rechts 1 cm, links 2 cm stark.
Die Zertrümmerung der Herzoberfläche reicht bis an die Eintrittstelle
der großen Gefäße.
Der Befand ist meines Erachtens folgendermaßen zustande
gekommen:
Der Holzpfropf der Platzpatrone, der bekanntlich hohl und
sehr dünnwandig ist, hat die Haut glatt durchschlagen, ist bis in
die Mnsknlator der Brost gedrungen und hat sich dort vollständig
zersplittert. Die übrigen Veränderungen sind lediglich durch den
Gasdruck entstanden. Die Durchstanzung der Brustwand nnd die
Zerreißung des linken oberen Lungenlappens erklären sich hier¬
durch zwanglos. Daß nur das Gas und nicht andere Teile der
Patrone diese Verletzungen bewirkt haben können, geht daraus
hervor, daß unter der Oeffnung in der Brustwand sich der unver¬
letzte Herzbeutel befand. Feste Teile wären unbedingt in ihn
eingedrungen (ein Wasserschnß ist durch die Anamnese aus¬
geschlossen).
Vor allem bemerkenswert ist jedoch die eigenartige
Verletzung des Herzens bei unversehrtem Herzbeu^,
denn die kleine oberflächliche Abschürfung ist nicht zu rechnen.
Das Loch in der rechten Herzkammer erlUäre ich mir folgender¬
maßen:
Durch den überaus heftigen Stoß, der den Herzbeutel ge¬
troffen, hat derselbe nachgegeben, das mit Blut prall gefüllte
Herz ist dagegen rupturiert, genau wie ein Stück Eis in einem
Tuch durch einen Schlag zertrümmert wird, das Tuch jedoch un¬
versehrt bleibt.
Schwieriger ist die oberflächliche Zertrünunerung der Vorder¬
seite des linken Herzens ohne Herzbeutelverletzung und ohne
gleichzeitige Buptur der linken Kammer zu verstehen. Gewiß
kann bei der sehr heftigen Gewaltwirkung die Ifuskelmasse
oberflächlich zertrümmert werden, während der mehr elastische
Herzbeutel ganz bleibt; unverständlich bleibt dann jedoch, daß
bei der so heftigen Einwirkung nicht auch Buptur der linken
Kammer eintrat, die doch in erster Linie durch den Stoß getroffen
wurde, während die rechte mehr abgewandte und nur indirekt
getroffene Kammer zerrissen ist. Gegen die nahe liegende Annahme,
daß allein die dünnere Wandung des rechten Ventrikels die Ursache
sei, spricht der Verlauf der Buptur, die schräg nach links und
vorn durch die Wand des linken Ventrikels geht. Eher ver¬
ständlich wäre der ganze Vorgang, wenn man annimmt, daß im
Augenblick des Schusses der rechte Ventrikel noch voll, der
linke leer gewesen wäre, was aber der bisher gütigen Anschauung,
daß die Systole beider Kammern gleichzeitig erfolgt, widerspricht.
Dr. Liedig: Zur Eenotnia der kongenitalen Hantdefekte new.
607
Zur Kenntnis der kongenitalen Hautdefekte am Kopfe des
Neugeborenen.
Voa Kreisarzt Dr. Liedig in Lingen.
Die VeFÖffentlichnng von Keller in der Vierteljahrsschrift
für gerichtliche Medizin (3. F. XXXV. H. 2), über die in Nr. 15
d. Z. S. 547 referiert ist, möchte ich durch einen weiteren Fall
ergänzen, den ich ans diesem Gmnde 8 Monate post partnm nodi-
mais aufgesncht habe.
Anfang Dezember y. J. wurde ich zu einer verheirateten MehrgebSrenden
auf dem Lande gerufen wegen Oedem der Beine und besonders der Labien,
das seit der am frühen Morgen erfolgten Qebnrt anfgetreten war. Die
Frau sollte im Frühjahr an Nierenentzündung gelitten haben; meine Be¬
obachtung im weiteren Verlauf ließ diese Annahme zu, wenn auch das schnelle
Zurückgehen der schweren Harnveränderang — äußerst wenig, dick, faserig,
viel Harnsäure und Eiweiß — für Schwangerschaftsniere sprach; denn seit
Monaten hat die Frau gesunde Nieren bei nicht gerade zweckmäßigem Ver¬
halten; hielt sie doch nach 10 Tagen weitere Bettruhe usw., sowie ärztliche
Kontrolle für unnOtig.
Ich erwähne den Zustand der Mutter wegen der Frage der AeÜologie
des Befundes am Kinde. Dieses war völlig normal bis auf eine kreisrunde,
etwa 6 mm im Durchmesser haltende Stelle gerade auf dem
WirbeL Die normale, behaarte Haut bildete einen etwa 1 mm breiten,
sich gleichmäßig erhebenden Wall, der völlig glatt und
reaktionslos war und sich scharf absetzte gegen die wenig
vertiefte Stelle, auf der kleine Unebenheiten wie frische
Granulationen sichtbar waren. Sie waren mattrot, bluteten nicht bei
Ueberstreichen, Haare fehlten. Am Knochen war nichts Abnormes zu fühlen.
Das Kind war geboren vor Eintreffen der Hebamme; eine
Nachbarin war behilflich gewesen. Innere üntersnchong, Be-
rflhmng mit Fingernagel oder sonstigem Gegenstand worden ver¬
neint. Die Hebamme fand kein Blnt, keine Ernste. Nach Sach¬
lage und Befand war die Entstehung in utero nicht zweifelhaft;
der Befund allein hätte auch bei verdächtigen äußeren Umständen
nicht gut eine Entstehung intra oder post partum zagelassen,
wenn auch der Vergleich sich sofort aufdrängte: wie mit einem
Locheisen aasgestanzt. Die Stelle blieb während meiner Beobach¬
tung anverändert (wurde mit Borsalbe bedeckt). Nach einigen
Wochen soll sie überhäutet gewesen sein. Jetzt ist die kreis¬
runde Form verschwanden; die haarlose, weiße, leicht glänzende,
gegen den Knochen gut verschiebliche Hautstelle mißt ca.
1,5 cm; von Wall oder Narbenrand ist nichts zu sehen.
Zur Frage der Gesundheiteechädlichkeit zinkhaltiger
SaughUtchen.
Von Dr. med. Biehard Hndlleh, prakt. Arzt in Wdmar, staatsärztUch
approbiert.
Der § 2 Abs. 1 des Beichsgesetzes vom 25. Juni 1887,
betr. den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Giegenständen
(B.-G.-B1. S. 173) lautet:
„Zar Hersteliung von Mundstücken für Sangflaschen, Saugringen und
Warzenhtttchen darf blei- oder ziokhaliiger Kautschuk nicht verwendet sein.“
608
Dr. Richard Hadlich.
Es ist dies zweifellos ein durchaus berechtigrtes Verbot; das
Mißliche bei der Sache ist nnr das, daß seine Umgehung: sehr
leicht nnentdeckt bleiben kann. Denn, falls Gesnndheita-
Schädigungen eintreten, werden diese gewöhnlich Erscheinungen
machen, &e die Speziflzität des Erankheitsbildes nicht ohne
weiteres erkennen lassen, und wenn dem Arzt wirklich bei einem
an Verdauungsstörungen leidenden Säugling der Verdacht einer
Blei* oder Zinkyergiftung aufisteigen sollte, so ist der Nachweis
doch nnr unter gewissen Umständen möglich, sodaß er deshalb
wohl meist unterbleiben wird.
Um so mehr nehme ich Veranlassung, Ton einem hierher
gehörigen Fall Mitteilung zu machen, in dem ich mich berechtigt
glaube, eine Zinkvergiftng anzunehmen.
Anfang Januar d. J. wurde ich zu einem 6 Monate altem Kinde ge*
rufen, das nach angeblich zunächst normaler Entwicklung seit etwa 4—5
Wochen im Ernährungszustände erheblich zurttckgegangen war, nicht mehr den
frttheren Appetit zeigte, meist ziemlich hartleibig war und vor allem Tag und
Nacht fast unausgesetzt schrie. Es waren schon 2 Aerzte zu Rate
gezogen worden, ohne daß eine Besserung eingetreten wäre.
Ich fand ein hochgradig atrophisches Kind mit geradezu greisenhaften
Zttgen. Leib stark gespannt und bei Berührung offenbar schmerzend. Puls
kl^ und beschleunigt, Temperatur normaL Lunge, Mund und Rachen*
hohle ohne krankhaften Befund, ebenso die Extremitäten (kein Barlowl).
Ich war zunächst darauf bedacht, die Verdauungstätigkeit zu regeln;
auf die üblichen Kalomeldosen trat auch eine gewisse Erleichterung ein.
Doch nnr vorübergehend. Schon nach wenigen Tagen waren die Eltern ge*
nOtigt, wieder zu klystieren, wie seit Wochen, wenn auch auf den verordneten
Nahrungswechsel (Mufflers Kindernahrung) die Verdauung etwas besser von
statten ging. Ich verordnete daher noch Mannasaft, reine Butter, Pankreon*
Zucker, aber wenn schließlich auch die Hartleibigkeit sich besserte, das
Schreien wollte nicht aufhOren. Das machte mich dann doch stutzig; ich be¬
mühte mich, eine Erklärung für die Koliken, die doch wohl vorliegen mußt^
zu finden. Da der Vater iQs Maler arbeitete, dachte ich schließlich an eine
Bleivergiftung, etwa dadurch, daß er dem ^nd mit unsauberen Fingern in
den Mund gekommen war; doch ließ sich darüber nichts sicheres eruieren.
Schließlich fiel es mir aber auf, daß das Kind — zur Beruhigung natürlich —
stets einen „Nuckel“ im Munde stecken hatte, und zwar eines der gewöhn¬
lichen Gummisaughütchen, mit einem Kork verschlossen. Ich ließ mir mehrere
der in der letzten Zeit gebrauchten und noch nicht fortgeworfenen Exemplare
geben und beantragte auf der Polizei die chemische Untersuchung. Diese
wurde dann auch von dem Nahrungsmitteluntersuchungsamt in Jena (Prof.
Dr. Matth es) ausgeführt und dabei, wenn auch kein Blei, so doch Zink
gefunden. Daraufhin erhielt der schuldige Drogist ein Strafmandat von
ca. 20 M. Die Saughütchen — es waren solche aus rotem Gummi — wurden
B " ilich beschlagnahmt. Zugleich wurden auf meine Veranlassung hin
orschungen an den übrigen Verkaufsstellen angestellt
Schon ehe mir das Untersuchnngsergebnis bekannt geworden war, hatte
ich natürlich der Mutter auf alle Fälle verboten, dem Kinde wieder den
Nuckel zu geben. Es stellte sich jetzt alsbald eine fortschreitende Besserung
ein: das Schreien hOrte auf, und das Kind fing wieder an znzunehmen. In
der Woche nach Verbot des Nuckels konnte ich meine Besuche einstellen.
Zwar hatte die Mutter in der bekannten nachlässigen Art und Weise solcher
Leute inzwischen doch Öfters mal wieder den Nuckel gegeben, aber es waren
der Aussage des Drogisten nach sicher unschädliche, ans schwarzem Gummi.
Sie haben dem Kind dann auch weiter nicht geschadet; denn als ich nach
Monaten mal wieder hingemfen wurde — es handelte sich um eine leichte
Bronchitis — war es rund und dick geworden, hatte auch nie wieder der¬
artige Ersdieinungen gezeigt, wie früher.
Zar Frage der GeeandheitssdiidUehkeit zbkbaltiger Saagbfltebeo. 600
leh halte mich auf Gmnd des Sachverhalts fOr berechtiget,
im vorliegenden Fall eine Zinkvergiftneg anznnehmen. Ohne
Zweifel sind die beobachteten klinischen Symptome geeignet, diese
Annahme zn rechtfertigen: zunehmende Abmagernng, Schwäche,
Appetitlosigkeit, Verdannngsstörnngen, besonders in Gestalt heftiger
Leibschmerzen, anf deren Vorhandensein das unausgesetzte Schreimi
des Kindes schließen ließ, das sich beim Betasten der straff
geq>annten Banchdecken noch wesentlich steigerte.
Weiterhin stützt die Diagnose vor allen Dingen natürlich
der Nachweis des Zinks in den Sanghütchen und schließlich die
sofortige Bessernng nach Weglassen derselben — in der Hanpi-
Sache also Diagnose ex jnvantibns I Leider habe ich die Faeces nicht
anf Zinkgebalt untersuchen lassen.
Nehmen wir also die Richtigkeit der Diagnose an, so fragt
sich, wie man sich das Zustandekommen solcher Zinkvergiftnng
im einzelnen zn denken hat. Einige Fingerzeige ergeben sich
ans der leider nur sehr spärlich vorhandenen Literatur über dies
Thema. In der „Zeitschrift für die Staatsarzneiknnde* von 1861
findet sich die älteste mir bekannt gewordene Arbeit von Prof. Dr.
Sonnenkalb, Stadtbezirksarzt in Leipzig: „über vulkanisierte
Warzenhütchen und Sangstöpsel ans Kautschuk.* Die „Monats-
schritt für exakte Forschung auf dem Gebiete der Sanitätspolizei*
bringt 1862 zwei weitere kleine Arbeiten von Dr. Eulenberg:
„Die Kautschnck-Saughütchen betreffend* und „Ueber Zinkgehalt
des vulkanisierten Kautschuks.* Beide Autoren kommen zu ent¬
gegengesetzten Ergebnissen: '
Sonnenkalb experimentierte, indem er in kleine Stücke
geschnittene, zinkhaltige Warzenhütchen und Sangstöpsel:
1. 24 Stunden in warmem Wasser liegen ließ und fieißig nm-
rührte, 2. mit verdünnter HCl, 3. mit Milch in einer flachen
Schale, 4. mit Wasser, dem Magensaft zugesetzt war, behandelte.
Da sich bei sämtlichen 4 Proben im Filtrat kein Zink nach-
weisen ließ, glaubte Sonnenkalb, daß das Zinkoxyd mit dem
Gummi unlöslich verbanden sei und daher eine Gesundheitsschäd-
lichkeit der Saughütchen nicht angenommen werden dürfe.
Eulenberg dagegen gibt an, schon vor Sonnenkalb zu
einem anderen Resultate gelangt zu sein. Er legte die Proben in
schwach ammoniakalische Lösung 2 mal 24 Standen lang, bei
gleichzeitiger Digestionswärme, und konnte deutliche Reaktion anf
Zink-, bezw. Bleioxyd nachweisen, ebenso in sauren Lösungen
n Teil Salz- und 2 Teile Milchsäure). Allerdings trat die
Reaktion nicht immer gleichmäßig deutlich auf, was er sich damit
erklärte, daß die metallischen Bestandteile verschieden stark von
dem Kautschuk umhüllt sind. Aber selbst wenn man die Wirkung
des alkalischen Speichels oder der Milchsäure nicht anerkennen
will, bleibt noch die Möglichkeit, daß die Saughütchen nach und
nach mechanisch abgerieben werden und so die Vergiftung ent¬
steht. Eulenberg gibt gleichzeitig als Erkennungszeichen der
verfälschten Saughütchen an, daß sie in Wasser geworfen unter-
sinken, während der Apotheker Hirsch in Grünberg in demselben
eio
Dt. Bieliard Hadlicli.
Bande der genannten Monatsschrift anf Qmnd seiner Unter-
snchnngen mitteilt, daß dies Merkmal dnrchans nnzayerlässig sei
Er fand bei zinkhaltigem Gummi ein spez. Gev. von 0,989 bis
1,0859, bei zinkfreiem meist unter 1,0, aber doch auch bis zu
1,0676, sodaß das üntersinken nichts beweist. Auch kann die
Schwimmfähigkeit des Gummis durch eingescblossene Lnftbläs-
chen verursacht sein.
In der zweiten oben genannten Arbeit von Eulenberg
werden die üntersuchungsergebnisse von 3 Sorten Saughfitchen
mitgeteilt:
In der 1. Sorte — gelblich* weiß, hart, wenig elastisch, rissig — fanden
sich 20,85 <*/o Zinhoxyd, 4,98**/, Ideeelsaare Tonerde, Sporen Ton Eisen- and
Manganoxyd and Kalk. Die 2. Sorte — mehr gelblich • weiß und granblaa —
enthielt 19,65 **/, Zinkoxyd, 14,43 % Barytoollat, 8,32 **/, Kalkerdesolfat. Die
8. Sorte war elastischer, mehr bläolicfa, weicher; sie zei^e sich frei Ton frem¬
den Beimischangen.
Weiterhin berichtet Prof, von Patruban in Nr. 11 der
„Oesterr. Zeitschr. f. prakt. Heilkunde* vom Jahre 1861 über die
üntersuchungsergebnisse von Prof. Bapsky. Er selbst gibt an,
sich „zinkhaltiger Sanghtttchen ohne Nachteil bedient* zu haben.
Leider beschränkt sich meine literarische Ausbeute auf
dieses Wenige. In den bekannten Nachschlagewerken (Yirchow-
Hirsch, Schmidt) istgamichts zu finden. In den 60er Jahren
mttssen aber doch öfters VeröfTentlichungen Aber das Thema er¬
schienen sein, da es in einem der obengenannten Aufsätze heißt:
„Der Gegenstand wird jetzt viel besprochen.* Es wfirde sich
vielleicht verlohnen, darttber noch weitere Nachforschnogen anzu-
stellen, doch muß ich das anderen Kollegen Aberlassen, denen die
betr. Zeitschriften etc. leichter zugänglich sind, als mir hier in
Weimar.
Jedenfalls existieren neuere einschlägige Arbeiten bestimmt
nicht. Außer meinen vergeblichen Nachforschungen dArfte dafAr
wohl der Umstand sprechen, daß mir anf spezielle Anfrage bei
Prof. Dr. Straßmann nur die ausgefilhrten älteren yeröffentlichnn-
gen genannt werden konnten.
Nur eine Arbeit muß ich noch erwähnen, die sich zwar mit
den SanghAtchen Aberhaupt nicht befaßt, aber doch hierher ge¬
hört. Es ist eine kleine Studie des bekannten WArzburger
Hygienikers K. B. Lehmann,*) in der auf Grund des negativen
Obduktionsbefunds bei einer */, jährigen Dogge, die 11 Monate
lang mit Zinkkarbonat gef Attert war, die Gesundheitsschädlichkeit
des Zinks erheblich angezweifelt wird. Das Tier erhielt durdi-
schnittlich täglich 464 mg Zink in Form des nicht ätzenden
Karbonats, ohne daß sich irgendwelche schädliche Wirkung ge¬
zeigt hätte, bei Lebzeiten des Tieres ebensowenig wie bei der
Sektion. Wenn Verfasser auch sagt: „Ich enthalte mich weit¬
gehender SchlAsse aus diesen wenigen Versuchen,* so fährt er
doch gleich darauf fort:
') Einige Beiträge zar Bestimmung and hygienischen Bedeatang des
Zinks. Archiv für Hygiene; Bd. XXVIII, Hefe 4, 8. 291, 1897.
Zttr Frage der OesnodheiteaehSdlichkeit ziakhaltiger Sanghfltchen. 611
„Mil haben diese Versuche geaeigt, daß .... sogenannte akute Zink-
vergiftuogen des Haushalts .... höchstwahrscheinlich Ptomain« resp. sonstige
Vergiftuoeen, aber keine Metallvergiftungen sind;* und weiter: „Eine chronische
i^kvergiftang im Sinne einer Allgemeinschädigung des KOrpers konnte ich
trota der großen Dosen also nicht beobachten.“
Lehmann trägt demzufolge keine Bedenken, ohne weiteres
seine praktischen Folgemngen zn ziehen, nnd spricht sich Ober
seine Stellnngnahme zum Zinkgehalt der Nahrungsmittel, z. B.
der amerikanischen Ringäpfel, dahin ans, daß „ihr — oft recht
hoher — Zinkgehalt in der l^gel oder fast ausnahmslos weder
akut noch chronisch schädlich sei.* Wenn er auch, wie gesagt,
die zinkhaltigen Saughtttchen unbesprochen läßt, so ist doch
selbstverständlich, daß er sie ebensowenig als gesundheitsschäd¬
lich ansehen wird, wie die zinkhaltigen Ringäpfel. Es ist aber
mindestens sehr zweifelhalit, ob es richtig sein wird, auf die
Lehmann ’schen Versuche aÜzuviel zu geben. Sie beweisen doch
zunächst weiter nichts, als daß dem Hnndemagen selbst große
Mengen Zinkkarbonats nichts schaden. Es ist aber bedenklich,
das, was fftr den Hund seine Richtigkeit haben mag, ohne
weiteres auf den Menschen zn übertragen; wissen wir doch, daß
manche Tiere völlig unempfindlich gegen Gifte sind, die den
Menschen töten können. Und zudem ist der Verdanungsapparat
eines zarten Säuglings doch gewiß wesentlich empfindlicher als
der knochenverdanende Magen einer VsjfihniTOii Dogge.
Möglicherweise erklären sich Lehmanns Resultate auch
dadurch, daß er das schwerlösliehe Zinkkarbonat verwandt hat;
er tat es deshalb, weil es ihm darum zu tun war, „etwaige
Allgemeinwirkungen des Zinks zu entdecken*. An der Beob¬
achtung der Aetzwirkung der leicht löslichen Zinksalze war ihm
nichts gelegen. Ich weiß aber nicht, ob nicht gerade die feste
Bindung des Zinks als kohlensaures Salz eine Wirkung des
Metalls auf den Organismus unmöglich macht, daß eine Metall-
Vergiftung ansbleibt, trotz der „recht ansehnlichen Resorption*,
der längere Zeit eingeführte, schwer lösliche, nicht ätzende Zink¬
salze unterliegen. Jedenfalls scheinen mir die Lehmann’schen
Versuche doch nachgeprttft werden zu müssen und zwar zunächst
einmal bei ganz jungen Hunden, Katzen und anderen Tieren,
dann aber auch mit Verwendung von Zink in den Formen, die
für unsere Betrachtungen von Interesse sind, vor allem von Zink¬
oxyd, das sich sehr wohl dem Futter beimischen läßt. Wie wir
gleich sehen werden, kann man dabei doch noch zu anderen Er¬
gebnissen kommen. Aber selbst, wenn diese gleichfalls in nega¬
tivem Sinne ansfallen sollten, möchte ich entsprechend dem Oben¬
gesagten, noch nicht ohne weiteres die Nutzanwendung auf den
Menschen als zulässig erachten.
Wie groß die Dosis toxica des Zinks ist, ist immerhin
nicht leicht zu sagen, besonders bei solchen Fällen chronischer
Zink Vergiftung. Lewin hält Dosen von 0,05—0,1 g pro Liter
bei chronischer Zufuhr für schädlich. Die chronische Vergiftung
mit Zink schildert er als allgemeine Ernährungsstörung mit Er¬
brechen, Schwäche, Abmagerung, teilweisem Verlust der Sensibilität,
612
Dr. Fertig.
Albominiirie nnd G^lykosiuie) ZentSrong' roter und Zunahme weißer
Blntkörperchen. Pathologisch-anatomisch fitnd sich nach seiner
Angabe nach 10—15 Tagen bei Händen, die chronische Zink-
o:^dyergiftang hatten: Anämie und Yerfettnng in Leber, Nieren
nnd Pankreas, Schwellnng und Desorganisation des Epithels der
Glallengänge, Verändernngen am Zentralnervensystem (c. f. Leh-
mannl).
Der Zweck des Zink- wie auch des Bleiznsatzes ist, ab¬
gesehen von der betrügerischen Absicht, das Gewicht za erhüben,
der, die Elastizität za vermindern, um dem Gummi mehr Härte
and Widerstandsfähigkeit gegen Temperatareinflflsse za verleihen.
Früher nahm man za dem Zweck Schwefelblamen mit and ohne
Magnesia, Ealk, Ereide, kohlen- and Schwefelsäure Magnesia,
Asphalt, Gommilack osw. Seit 1852 kam dann unterschweflig-
saares Zink, bezw. Blei zur Verwendung; danach fand man es
als das zweckmäßigste, weil billigere Verfahren, dem Eaatsehak
einfach nur Zinkoxyd zazosetzen, and zwar fanden sich bei einer
Analyse 44,7 Zn and 3,8 CaS.
Zam Nachweis des Zinks in Faeces, Urin oder inneren
Organen werden die Proben mit Salzsäure und Ealiumchlorat
versetzt behufs Zerstörung der organischen Substanz, das freie Chlor
and die Säure durch Erwärmen verjagt; durch Ammoniak und
Schwefelammoniam findet sich dann Zink als Schwefelzink (L e win).
Es sollte mich freuen, wenn meine Veröffentlichung einem
anderen EoUegen die Anregung bieten sollte, das Thema noch
weiterhin za bearbeiten.
Desinfektionspraxis in der Stadt und dem
Landkreise Worms.
Von (leb. tfed.-Bat Dr. Fertig, Ereiearzt in Woims.
Für beide Bezirke ist je ein Desinfektor in dem hygienischen
Institut zn Giessen aasgebildet worden. Als man non von den
günstigen Besaltaten der Desinfektion mit Autan vernahm, ging
man gleichzeitig auch wegen der vielfachen seitherigen Unan¬
nehmlichkeiten, Fenersgefahr, Defekte der Apparate und wegen
des mühsamen Transports etc. zu diesem Mittel über. Einer der
Herren Chemiker der Elberfelder Fabrik Bayer, weicher zufällig
hier anwesend war, instruierte die beiden Desinfektoren; außer¬
dem nahm in dem bakteriologischen Institut des städtischen Eran-
kenhauses Herr Chemiker Schmitt die Untersuchung über den
Desinfektionswert des Autans vor und kam za demselben günstigen
Besaitete wie neuerdings Herr Dr. Langermann in Giessen.^
Als Testobjekte dienten Bakterien von Typhus, Diphtherie
und auch der Stophyloc. aureus. Die Proben waren ver^t auf
dem Fußboden, in der halben Höhe des Zimmers und unter der
Decke. Nach 7Va Standen waren sämtliche Eoltoren abgetötet.
*) Siehe Referat darüber in Nr. 15 d. Zeitschr.; S. 557, Jahrg. 1906.
DesiiifektioBsprtxi« io der Stodt und dem Ludkreise Worms. 618
Üm nnn aneh die Tiefenwirkniig: za prüfen, imrden die
Proben teils in Rocktaschen gesteckt, teils in Fließpapier einge-
wickelt. Auch hier erfolgte AbtOtong aller Kulturen.
Derselbe Herr machte auch Versuche in bezug auf die Des*
infektion des Erankentransportwagens, den man seither wegen der
Feuersgefahr nie gründlich desinfizieren konnte. Das Resultat
war ebenso günstig wie bei den früheren Versuchen, ausserdem
stellte sich dabei heraus, das auch bei niedriger Temperatur, da
man den Wagen doch im Winter nicht erwärmen kann, die
Wirkung des Autans eine gleich gute war. Zu demselben Resultate
gelangte auch Herr Kollege Langermann. Nach seinen Vei>
suchen liegt das Temperaturoptimum zwar bei etwa 15^ G., jedoch
ist es in praxi nicht möglich, dasselbe immer herznstellen. Auch
haben seine Versuche die Notwendigkeit einer bestimmten Tem¬
peratur nicht ergeben.
Von unseren beiden Desinfektoren wird das Verfahren mit
Autan seiner Zweckmässigkeit und Einfachheit halber sehr ge¬
rühmt. Nach ihren Berichten sind Beschwerden über die Zeit¬
dauer der Desinfektion seitens der Beteiligten niemals ein¬
gelaufen.
Es wurden vom 1. April 1907 bis 1. April 1908 in dem
Landkreise Worms 865 und in der Stadt 527 Desinfektionen vor-
genommen. Die Kosten betrugen, einschliesslich der Ammoniak-
entwickelnng und der Gebühren, für den Landkreis 2184 M. und
für die Stadt 2899 M. 70 Pf.,^ also durchschnittlich 6,0 bezw.
5,70 Mk. für jede Desinfektion.
Nach der Polizeiverordnung für die Stadt Worms ist „die
Schlnssdesinfektion nach ansteckenden Krankheiten, einerlei ob
dieselbe von Privaten begehrt oder von der Polizeiverwaltnng an¬
geordnet wurde, unentgeltlich für diejenigen Einwohner, welche
mit weniger als 2600 M. zur Einkommensteuer zngezogen sind.
Einwohnern, welche ein grösseres Einkommen haben, kann auf
ihren Antrag die Zahlung der Gebühren und Auslagen ebenfalls
erlassen werden. ** — Für den Landkreis ist Erlass und Er-
mässignng nur bis zu 1500 M. Einkommen vorgesehen, allein das
GrossL Kreisgesundheitsamt hat einen weiteren Antrag gestellt,
nach dem alle Desinfektionen auf Kosten des Kreises vorge¬
nommen werden sollen. Auch ist ja jetzt durch Min.-Erl. vom
20. Mai 1908*) für das Königreich Preussen das Autan den
übrigen Desinfektionsmitteln gleichgestellt, seine Zuverlässigkeit
bestätigt und auch zur Desinfektion von Droschken und kleineren
Gegenständen, Büchern und Akten empfohlen. Die Angabe, dass
ein Nachteil in der grösseren Kostspieligkeit bestehe, können
wir, wie wir oben gesehen haben, nicht beistimmen. Beim Bezug
im Grossen wird dieser Nachteil außerdem verschwinden.
*) Ebenda; Beilage au Nr. 10.
614
Klrinere Mittailaacea and Bafente «ns ZeftMhriftea.
Kleinere Mitteilungen und Referate tue Zeitechriften.
A. Oarlelittleh« M«4lsla.
Zar patitalarlsehea laatomle der Atexjlreirlftaaf. Voa A. Birch«
Hirschfeld and G. K9ster. Fortschritte der Medizin; 1908, Nr.22.
Im Anschlad an zwei Fälle Ton schwerer Atozjlrergiftnnir, deren
Haaptsymptome Opticosatropbie mit Tölligcr Erblindang bei erhaltener Pnpillea-
reaktion, sowie Blasen- and Mastdannstörongen waren, haben Verfasser Ver-
sache mit Händen and Kaninchen angestellt. Neben den gleichfalls aoftretendea
Aogenstbrangen zeigten beide Tierspezies in den letzten Lebenstagen resp.
•Wochen einen immer ansicherer werdenden Gang, der besonders die hinterea
Extremitäten betraf. Dabei traten Incontinentia arinae, Abnahme der Fred*
last, Darchfalle and schließlich eine terminale Lähmong aller vier Extremitätea
aal. Die Sehnenreflexe waren trotz Ataxie and Parese der Extremitäten ge¬
steigert. Bei den bisher zar anatomischen üntersachang gelangten zwei Händen
zeigte die Netzhaut einen hochgradigen Zerfall der Ganglienzellen Ton Chro-
matolyse and VakaolenbUdang beginnend, bis za Kemschrompfong and Tölliger
Anflbsong der Zelle fortschreitend. Aach die innere Eömerschicht bot das
Bild des 2^rfalis. Am NerTos opticas war ein diffaser, über den ganzen Qaer*
schnitt gleichmäßig verteilter, weitgehender Markscheidenzerfall za erkennen;
desgleichen zeigte sich Markscheidenzerfall an den Nervenfasern des Gehirns
and Böckenmarkes sowie an den aas dem Ettckenmark aostretenden Worzela,
besonders den hinteren. Ferner fand sich fettige Degeneration der Gehirn¬
zellen, Fettansammlong in der Arachnoidea and Pia; zahlreiche Gehimgefäße
waren durch Fettembolie verstopft. Von den inneren Organen zeigten Leber
and Nieren Veränderangen; die Leber bot das Bild hochgradiger Verfettong;
die Nieren ließen außer der fettigen Degeneration ihres Epithels, Verstopfang
der Harnkanäle mit zahlreichen Fettkßmchenzylindern and ausgedehnte
Hämorrhagien erkennen. Biä.
Zar Kenntnis der chemischen Verginge bei der Pk^hervcrglltnng.
VonO. Pirges und K Pribram-Wien. Archiv für experiment. Pathologie
und Pharmakologie; 59. Bd., 1. Heft.
Die Verfasser ziehen aas ihren Ergebnissen folgende Schlfisse:
1. Die Verarmung der Phosphorleber an Hexonbasea ist größer, als daß
sie durch bloße Eiweißrerarmang der Leber bedingt sein kennte.
2. Die Eiweißspaltang and die Bildung von mit Salzsäure abspaltbarem
N. aas mit Salzsäure nicht abspaltbarem N. bei der Antolyse wird nicht von
den gleichen Fermenten besorgt, denn nar der erstere Vorgang wird bei
Phosphorvergiftang gesteigert, der zweite bleibt nnbecinfloßt.
3. Die Bildang von mit Salzsäure abspaltbarcm N. ans mit Salzsäore
nicht abspaltbarem N. bei der Antolyse zwingt nicht zur Annahme eines Amide«
säare spaltenden Fermentes, kann vielmehr aal die Wirkung der Arginase bezw.
Adenaso and Gaanase bezogen werden. Dr. Wolf-Marburg.
Zar Kasaistik der sogenauntea Flelflchverglftangen. Von Professor
Wach holz-Krakau. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 32.
Verfasser berichtet über 5 Fälle mit tödlichem Aasgang. Im ersten and
zweiten Fall hatte ein Mann den Kadaver einer zugrunde gegangenen Koh,
der auf Befehl des Bczirkstierarztes verscharrt war, wieder aasgegraben und
einen Teil des Fleisches nach Hanne gebracht, wo es seine Matter kochte.
Von den 4 Familienmitgliedern, die davon aßen, erkrankten dieser Mann selbst
and sein 12 jähriger Sohn; beide starben karz darauf and das Sektionsergebnis
ergab Milzbrand. Aaffallend war es, daß die anderen mit heiler Haut davon
kamen, während der Sohn, der nar ein ganz kleines Stück gegessen batte, gestor¬
ben war. Im dritten Falle handelte es sich am einen 89 jährigen Schastergesellen,
der nach Genoß von Fischen an Erbrechen and Diarrhoe erkra^te und nach 2 Tagen
starb. Nach 6 Tagen erfolgte die Sektion, war aber völlig negativ. Im vierten
Fall handelte es sich am einen 39jährigen Steinpflasterer, der nach Genoß von
'^elchwaist an Erbrechen, Durchfall, Magenschmerzen erkrankte and nach
i Standen starb. Nach 2 Tagen Sektion; das Bild ähnelte einer Arsenik-
Kleinere Iflttellnngen imd Befrante «u ZeiteolurifteiL
615
▼ergiftong, jedock fiel die ehemieche ÜBterenehaag des Mageninhalte negaUr
ans. In den beechlagnahmten Waretatticken konnten keine geeandkeitsBäid-
lichen Sabstaneen oder Keime feetgestellt weiden. Auch die bakteriologische
Unteraachang der Leickenteile war negativ. Im fünften Fall erkrankte ein
89 jähriger Qrofigrandbesitzer nach Genuß von Lachemajonaise and reiBtaib
nach 6 Tagen. Er war nach Krakau gekommmen, um eich dort der Schute-
impfung gegen Tollwut zu unterziehen, da er nachweislich von einem toll*
wtmgen Hunde gebissen war. Das Kraokheitsbild entsprach dem durch den
Bac. botulinue heryorgerufenen; einige Erscheinungen deuteten aber auch auf
Lyssa hin. Der Tierversuch bestätigten den Verdacht auf Lyssa nicht; aber
auch für Fleischvergiftun^i durch B. botulinus ergab die 24 Standen nach dem
Tode vorgenommene Sektion keinen Anhaltspunkt; denn die bakteriologische
Untersuchung der Leichenteile war negativ. Hieran knüpft Verfasser die Be-
mer^ng, dsB der Sektionsbefand in allen Fällen von Fleischvergiftung kein
Besultat habe. Die bakteriologische Untersuchung müsse die Diagnose sichern;
sie böte aber nur Aussicht auf Erfolg, wenn sie bald nach dem Tode ausge*
führt werde. Leider ginge das nicht, weil der Instanzenweg ebe gewisse Zeit er¬
heische, und es vorher nicht gestattet sei, die Leiche zwecks bucteriologischer
üntersuchung zu öffnen. Auä die Beschlagnahme der betreffenden Nahrungs-
mittelreste werde meistens zu spät angeordnet, so daß sie meist schon be¬
seitigt seien; anderseits könnten sie auch in Fällen von echtem Botulismus
unscbädlick sein, indem eben nur der genossene Teil giftig war. Epd.
Experimentelle Untennchungen fiber Ersttekiuig durch Quetsokuog
des Thorax. Von G. Brun. Bevue de Hödidne lögale; 1908, Nr. 2.
Die Versuche wurden an Meerschweinchen und Kaninchen angestellt,
der Erstickungstod durch langsame oder brüske Kompression des Brustkorbes
herbeigeführt. Die äußere Gewalteinwirkung bestand entweder in dner late¬
nten Kompression des Thorax oder in einer Buhigstellung des Brustkorbs
durch Umschnürung oder in einer gleichzdtigen Belastung der vorderen Brust-
und Baachwand.
Unter den äußeren Läsionen ergab sich nur Exopktalmus als konstanter
Befand. Nach brüsker Thoraxkompression war das Unterhautzellgewebe und
die Muskulatur Sitz von Saffusionen. Deformation des Thorax blieb aus.
Zweimal unter 30 Versuchen wurden Bippenbrüche festgestellt. Die wichtigste
Veränderung betraf die Langen, die je nach der Dauer und Intensität der
Thoraxkompression im wechselnden Grade blutreich und emphysematös waren.
Subpleurale Ekchymosen fehlten nur in zwei Fällen. Herzbeutelblutungen
waren selten. Das Herz enthielt dunkles, flüssiges Blut. Die Baachorgane
waren in leichtem Grade byperämiseb. Wurde die Kompression dos Brust¬
korbes vor Eintritt des Herzstillstandes unterbrochen, so erholte sich das an¬
scheinend im Sterben liegende Tier ungemein rasch. Immobilisierung des
Zwerchfells in Exspirationsstellang beschleunigt den Todeseintritt.
Dr. Bevenstorf-Hamburg.
Die Barberiosche Untersnehnngsmethode zur gerlchtlich-medlzliil-
sehen Feststellung von Sperma. Von A. Lecha-Marzo. Bevista do chimica
pura e applicada; 1907, Nr. 9 und 11.
Die mikrochemische Pikrinsäurereaktion Barberios auf Sperma über¬
trifft die Florencesche Beaktiou an Wert. Die Krystalle, welche aus dem
Pikiophosphat des Spermin bestehen, treten in größerer Zahl auf, wenn das
Untersuchungsobjekt einer Vorbehandlang mit Chloroform unterzogen wird.
Dr. Bevenstorf-Hamburg.
Ueber die Ursaehen des Gesehlechtstriebes. Von A. de Dominicis.
Bisveglio medico; 1908, III, Nr. 41.
De Dominicis nimmt an, daß die Funktion dor Prostata und die
Menge des gebildeten Spermins in naher Beziehung zu der Stärke des Ge-
sohlechtstriebes steht. Es gelang ihm aus einigen Nahrungsmitteln, die als
Aphrodisiaca gelten, mit Hilfa der Pikrinsäurereaktion Barberios einen
Körper nachzuweisen, der dem Spermin nahesteht. Wenn sich die Hypothese
61 «
Kldnere Mitteilungen nnd Refermte «u Zeitaohriftea.
des Verfsbrens bestttigt, so ist sa erwarten, dafl in fferiebtlicb>mediiiniseber
Besiebnng ans der SpermareiJition anob binsicbtlieb der Feststellung der
Funktion der Geschlecbtsdittsen Nutzen gesogen werden kann.
Dr. Berenstorf•Hamburg.
B. OnriohtUobe Psyohiatrln.
Seltene Fille tob sexueller Frlibretfe. Von Q. Boasenda. Arcbiyio
di Psichiatria, Neuropatologia etc.; 1908, Fase. I—II.
Es werden aus der Literatur einige interessante derartige Fille be>
sproeben, wie sie meist nur bei Degenerierten und Verbrechern Vorkommen,
im ganzen aber zu den großen Seltenheiten geboren. So bat Lombroso ein
Mädchen, einer Ehe eines Edelmanns mit einer perversen Ballerina entsprossen,
beschrieben, das wenige Jahre alt allerlei Untugenden nnd Bobheiten zeigte
und mit 6 Jahren seinen eigenen Erzieher verführte (1). Bei einem anderen
Mädchen entwickelte sich im Anschluß an eine Kopfverletzung im fünften
Lebensjahre eine Obszoenität, verbunden mit Lügenhaftigkeit und dgl.
Von weiteren Fällen derart erzählt Andenino, so von einem 4jährigen
Mädchen, das nicht nur masturbierte, sondern den Coitus mittels eines Holz*
Stückes bei seinen Schwestern naebzuahmen versuchte und schon im frühesten
Alter mit ihrem eigenen Großvater sexuell verkehrte; dann von einem anderen
Mädchen, das nach einer Meningitis mit 6 Jahren sich der Onanie hingab und
erklärte, Prostituierte werden zu wollen.
Blas io kannte eine zehnjährige, vollständig entwickelte Prostituierte,
die die Tochter ebes Spitzbuben war. Nach euer Statistik dieses Autors
konnten 62 männliche Verbrecher mit entwickelter Pubertät unter 18 Jahres,
166 solche zwischen 13 nnd 14 Jahren gezählt werden, während unter den
Mädchen sogar schon 8 derartige unter 9 Jahren befindliche (davon 2 Prostituierte)
nnd im Alter von 9—12 Jahren deren 226 (davon 86 Prostituierte) waren.
Die Pubertät tritt danach erheblich früher beim weiblichen Geschlecht eb.
Was die Kriminalität bezw. Degeneration dieser frühreifen Personen betrifft,
so überwiegen bei dem weiblichen Geschlecht Prostituierte und Diebe, beim
männlichen Geschlecht die Taschendiebe.
S t e i n - Königsberg hat neuerdings eb Mädchen beschrieben, das mit
8*1$ Jahren geschlechtlich entwickelt war. regelmäßig menstruierte nnd zu
Onanie nnd Ezbibitionismns neigte. Die hier beigegebene Photographie läßt
die Frühreife des Körpers nnd Qesichtsansdmcks deutlich erkennen.
Dr. Solbrig'Allensteb.
Ein Fall von femininer Homosexualität. Von Dr. G. L. Gasparini-
Genua. Arcbivlo di Psychiatria, Neuropatologb etc.; 1908, Fasz. 1—2.
Dergleichen Fälle sbd selten, mindestens kommen sie nur selten zu
ärztlichen Beobachtung, da naturgemäß das Streben solcher Individuen dahin
geht, im verborgenen zu bleiben, was beim weiblichen Geschlecht leichter ist
ab beim männlichen.
Der Fall betrifft ein 19jährige8 Mädchen, Tochter ebes Gastwirts,^ das
dem elterlichen Hanse nach vorangegangenen Auftritten aus Anlaß ihrer
glühenden Leidenschaft für eine junge Dame in männlichen Kleidern entflohen
nnd nach 3 Tagen, ab es im Begriffe war, sich als Kellner zu vermieten, der
Irrenanstalt zugeiührt war. Anamnestisch ließ sich ermitteln, daß die Mutter
Alkoholistin war nnd alle 7 Geschwister im zarten Alter gestorben waren.
Mit 9 Jahren, ab das Mädchen in einer religiösen Erziehungsanstalt unter*
gebracht war, fing es an, abweichende Chartüctereigenschaiten zu zeigen; es
trat eine starke Abneigung gegen alle weiblichen Arbeiten und eine Vorliebe
für männliche Beschäftigung ein; wiederholt wurde das Mädchen b der Ab*
teilung der mit Handwerkerarbeiten beschäftigten Knaben betroffen. Die An*
staltsleitung sah in diesem Gebahren eine moraUsche Untugend nnd sorgte für
strenge Ueherwachnng des Kbdes. Trotzdem gelang es dem letzteren, mit
eber um einige Jahre älteren Schulgenossin, an die sie sich in bnigster
Freundschaft angeschlossen hatte, heimlich Na^ts zu entweiehn. Die Wieder*
ergreifung dauerte aber nicht lange, nnd nun wurde das Mädchen ids nnvei^
Klconere lOtteilangen and Referate ans Zeiteehriften.
617
besseilieh in die Familie xnr&ckgeiichickt. Mehrfache Versnehe, es in anderen
Familien zn bewem, scheiterten immer daran, daß das Mädchen lediglich
an männlichen Arbeiten, auch schwererer Art, wie Besorgen der Pferde,
Schmiede» and Tischlerarbeiten, Befriedigung fand. Schließlich kam dss
Mädchen in die Familie znrttck. Anfänglich schien es jetzt, als ob eine
Gharakteränderong eintrete, bald begann sich jedoch immer stärker eine
Vorliebe fttr das weibliche Qeschlecht bemerkbar zu machen; es kam zn
Liebeleien zwischen dem Mädchen und anderen Mädchen. Ais es 17 Jahre alt
war, entwickelte sich ein Liebesroman zwischen ihm and einer 20 jährigen
Dame ans guter Familie. Es kam za einer regelrechten Liebeserklärong and
dem Wonswe, eine „religiöse Ehe“ mit der der Geliebten eiozogehen. Allem
weiteren wurde durch die Verlobung der Dame ein Ende beratet. Darauf
erfolgte eine Flucht des Mädchens, wie oben bemerkt wurde.
Aus dem in der Irrenanstalt erhobenen Befund ist folgendes bemerkens«
wert: Die P. zeigte körperlich keine besondere Abweichungen, doch wurde die
tiefe Stimme, der Haarwuchs an Armen, Beinen und in der Linea alba, die
sdiwach entwickelten Brttste, verbunden mit starker Muskelkraft als Zeichen
des männlichen Typus erkannt, während Becken und Geschlechtsorgane (Hy*
men intactus) vollständig dem weiblichen Typus entsprachen. Die Gesichts*
büdung entbehrte nicht einer gewissen Feinheit; das Gesicht und das starre
kurzgetragene Kopfhaar liessen jedoch nach der beigegebenen Photographie
eher auf einen Jüngling denn ein Mädchen schließen. Psychisch war die P.
Ird von besonderen Anomalien, abgesehen von einem leichten Depressions*
Zustand mit zeitweise aufgehobenen Bewustsein und der glühenden Leidenschaft
für die oben genannte Dame, der sie trotz der Trennung Treue bewahren zu
wollen angab. üeber ihre Vorliebe für das eigene Geschlecht sprach sie sich
offen ans, wies aber mit Entrüstung die Vermutung, daß dabei nicht rein
platonische Gefühle im Spiele seien, zurück. Trotz des ziemlich negativen
Pfundes kommt Verfasser aut Grund der Anamnese — AlkohoUsmus der
Matter und Abstammung aus neuropatischer Familie, Gnbändigkeit der P. von
früher Jagend, Art von Dämmerzustand während der letzten Flacht — und
der festgestellten leichten körperlichen Abweichungen, wie Asymmetrie des
Chwichts, Einschränkung des Gesichtsfeldes und der, wenn auch nur kurzen
Bewußtseinstrübung zu der Ueberzeugung, daß es sich um eine latente
epileptische Neurose handelt. Die Homosexualität findet auf dieser
Basis leicht eine Erklärung Der vorliegende Fall würde am ehesten nach
der Krafft*Ebing8chen Theorie den Inversionen, nicht den Perversionen
zuzurechnen sein. Dr. 8 olbrig* Allenstein.
üeber GebtezstSmiigeii bei Gehirnzyphllis. Von Dr. Hugo Birn*
bäum*Conradstein. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 66. Bd., 8. H.
Die von Birnbaum geschilderten Fälle erhalten sämtlich, abgesehen
von einem einzigen Patienten, der nach voraufgegangener Depression die Er*
seheinungen des Stupors darbot, dadurch ein gemeinsames Gepräge, daß als
endgültiges Erankheitssymptom eine geistige Schwäche resultiert, die nach
voraufgogangenen Insulten, teils primär, teils sekundär im Anschluß an Ver*
wirrtheits- und Erregungszustände hervortritt. Es handelt sich in diesen
Fällen nicht um eine vollständige Demenz, sondern vielmehr um eine geistige
Schwächej, die sich durch gemütliche Stumpfheit und Gleichgültigkeit, durch
Gedächtnisschwäche und Verlast der Merkfähigkeit dokumentiert. Größen*
ideen traten nicht in die Erscheinung und überall bestand ausgeprägtes Krank*
heitsbewußtsein. Am häufigsten waren EUagen Uber Kopfschmerzen, zu denen
sich ein mannigfaches wechselreiches Bild von körperlich nervösen Störungen
gesellte. Erbliche Belastung war in keinem Falle vorhanden, übermäßiger
Alkoholgenaß auszuschließen und als alleinige Krankheitsursache Lues in Be¬
tracht zu ziehen. Auffallend erschien das verhältnismäßig jugendliche Alter
der Erkrankten und das frühzeitige Auftreten von arteriosklerotischen Gefäß-
veräaderungen, die mit Sicherheit als syphilitische Erkrankungen aufgefaßt
werden konnten. Dr. Többen*Münster.
618
Kleinere Mitteilongen and Referate ans Zdteehrillaa.
üeber kenjagale PandyM mad ParalyBe* Tabes. Yoa Dr. PanlJanias
nnd Dr. Max Arndt. Monatsschrift fdr Psychiatrie and Neurologie; Bd. XXIY,
Heft L
Die Verfasser berichten Uber 81 Ehepaare mit Paralyse beider Gatten
and Ober 7 Ehepaare mit Paralyse des einen and Tabes des anderen Gatten, ins*
gesamt also über 38 parsüytische oder paralytisch-tabische Ehepaare. Aafler
diesen 38 Ehepaaren, Ton denen mindestens einer von den Gatten in Dalldorf
behandelt worden war, worden noch 16 weitere Fälle gesammelt, bei denen
das Vorliegcn Ton Paralyse oder Tabes bei dem zweiten Ehepaar zwar wahr¬
scheinlich war, aber sich nicht mit yoUer Sicherheit erweisen liefi.
Auf eine Babrizierang der Fälle, je nachdem die Syphilis bei den beiden
Gatten fest gestellt werden konnte, mähte yerzichtet werden, da die Art des
Nachweises bei den einzelnen Paaren eine za yerschiedene ist. Hier tritt yor
allem die Schwierigkeit hindernd in den Weg, bei Fraaen die Laes anam¬
nestisch za emieren, obwohl ihr in der Aetiologie der koojagalen Paralyse da
orhebUebes Uebergcwicht Ober die anderen in Frage kommenden ätiologischen
Faktoren, anter denen Traamen, Kammer and Sorgen, sowie der Alkoholismas
genannt seien, zozuerkennen ist Nor einmal waren beide Gatten erblich be-
Uutet, and in 12 Fällen fand sieh eine mehr oder weniger erhebliche nearo-
psychopatbisebe Belastang des einen der beiden Gatten. Dagegen lag bd
20 Ehepaaren Oberbaapt keine erbliche Belastong, sd es des ^en oder des
anderen Gatten yor; in den Obrigen Fällen waren keine genOgenden An-
haltsponkte fOr die Heredität yorhanden.
Dr. Többen-Mfinster.
Zar Prsgnosestellang bei der Denaentla proeeex» Von Marie Emma
Zablocka. Allgemeine Zeitschrift fOr Psychiatrie and psychisch-gerichtliche
Medizin; 66. Bd., HL H.
1. Zirka 60*/« aller prognostisch yerwertbaren Fälle der Dementia
praecox sind nach dem ersten Anfall leicht, zirka 18°/o mittel- and drka 22*/,
schwer dement.
2. Ein gewisser Einflaß aaf den Aasgang des ersten Schabes bd der
Dementia praecox mafi der Krankheitsform zngeschrieben werden, nnd zwar
zeigt bd den Männern die Katatonie den schwersten Aasgang, die parandde
Form den leichtesten, während die Hebephrenie in der Mitte steht. Bd dea
Fraaen erscheint die Katatonie nicht so schlimm.
8. Die Bcziehangen zwischen dem Grade der YerblOdong nach dem
ersten Schabe and der Art des Beginnes der Krankhdt sind deutlich aos-
geprägt, indem die chronischen Fälle die schlechteste Prognose zdgen, während
die akuten, nachdem der akute Schab abgelaofen ist, bk auf den Status qao
ante zarOckgehen können. Dieser Satz güt natOrlich nur fOr die in die An¬
stalten kommenden Kranken.
4. Ein Einflah des Erkrankangsalters auf die Prognose läßt dch nicht
deutlich nachweisen, man kann nur yermaten, daß die Erkrankungen yor der
Pubertät and diejenigen zwischen 85 —45 Jahren eine schlechtere Prognose
zeigen.
5. Ein stärkerer Einflaß der katatonen Symptome flberhaupt auf
den Ausgang des ersten Schabes der Dementia praecox ist nur bei den Männern
nachgewieseu. Sie yerschlechtern die Prognose, aber nicht hochgradig; während
ein gewisser Zasammenhang zwischen einzelnen katatonen Symptomen and der
Prognose möglich ist; Negativismas und Stereotypien trüben die Prognose;
Fälle mit erhöhter Beeinflaßbarkeit and besonders diejenigen mit Katalepsie
zeigen dagegen weniger stärkere Formen der Demenz im Ansgange.
6. Von den Papillenstörangen scheint nur die Anisokorie die Prognose
ein wenig za yerschlechtern.
7. Der frühere körperliche Zustand hat keine aasschlaggebende Be¬
deutung für den Aasgang, während ein gewissser Zusammenhang zwischen
der allgemeinen geistigen Disposition yor der Erkrankung und dem Aus¬
gange sich nachweisen läßt. Die als „yerscblossene Charaktere* yor der Er¬
krankung rubrizierten Fälle zeigten einen schlimmeren Aasgang als die nor¬
malen. Es läßt sich aach ein yerhältnismäßig guter Aosgang bei dmi yorher
ffleinere Mitteilungen und Referate ans Zeiteohriften.
619
NerrOson nachweisen. Der Grad der Intelligenz yor der Erkrankung beein*
floßt nur ganz onweeentlich den Ansgang.
Die veranlassenden Ursachen, wie wir sie jetzt rnbrizieren, sind von
keinem erw&hnenswerten Binflnß auf den Ansgang.
Dr. T 0 b b e n • Mflnster.
Znr pernlelSs verlanfenden Melaneholle. Yen Dr. DSblln in £nch
(städtische Irrenanstalt). Allgemeine Zeitschrift fflr Psychiatrie nnd psychisch*
gerichtliche Medizin; Bd. 65, H. III.
Döblin berichtet Uber 2 Fälle, in denen ein Erankheitsbild yorliegt,
das znnächst dnrchans von der Angst beherrscht wird, welche die hohen Grade
der Melancholia activa erreicht, nnd Beziehnngsideen, Versttndigungsideen,
phantastischen Bedrohnngswahn, sowie Phoneme darbietet. Yorttbergehend
treten nnn affektflache Znstände anf mit Sprech* nnd Bewegnngsdrang, Inko*
härenz, Ziellosigkeit nnd letalem Ansgang ohne befriedigende lokale Ursache.
Die Znstände als aSteigernng“, „Wellengipfel“ der Angst im Sinne Wernickes
anfznfassen, geht nicht an; sie erheben sich nicht anf den Gipfel der Angst,
lassen diesen Affekt nicht in ihrem Ablauf hinreichend erkennen, erscheinen
im ganzen andersartig, keinem Ausdruck des Affekts dienend. In den Krank*
heitsverlanf dürfte nur mit Zwang eine psychologische Einheit hineinkonstrniert
werden können. Ob der perniziöse Yerlanf etwa nur anf Kosten der Schwere
der Angsterregang zusammen mit komplizierenden Faktoren (Alter der Patien*
tinnen, leichte Arteriosklerose nsw.) zu sehen ist, bleibt dahingestellt; der
Kräftokonsnm war bei der kontrollierten Ernährung jedenfalls anch nach Fort*
fall der Erregung im ersten Fall progressiv. Das klinische Bild ist recht
eigenartig und erinnert an die gleichfalls schwer rnbrifizlerbaren katatonoiden
senilen Formen, die in Schwachsinn übergehen. Dr. Többen«Münster.
Myasthenia gravis und Mnskelatrophte. Yen Dr. Ch. De Montet
nnd Dr. W. Skop. Monatsschrift für Psychiatrie nnd Neurologie; Jnli 1907,
Bd. 28. H. 1.
Der Yerfasser berichtet über einen sehr interessanten Fall von Hy*
asthenia gravis, der in der Kant. Irrenanstalt Münsterlingen (Thurgau) znr
Beobachtung kam. Der Beginn vor 28 Jahren am Ende des dritten Dezenniums
mit Diplopie, das zeitweise alternierende Auftreten von Ptosis, dann wieder
das totale Anssetzen aller Symptome, ferner das aknte Einsetzen der Er*
scheinnngen in den unteren Extremitäten, die lebhafte Beteiligung der Kan*
nnd Atemmnsknlatnr nnd anch wieder temporär völlige Bestitntion, endlich
die lange Daner ergaben eine Anamnese für Myasthenie, wie man sie
sprechender nicht wünschen kann. Der gegenwärtige objektive Znstand bot
ebenfalls das reine klinische BUd der Myasthenie. Die ganz im Yordergrnnd
stehende anßerordentliche Erschöpfbarkeit der gesamten Körpermnski^tnr,
die jeden Moment die Atmnngsmnsknlatnr zu befallen drohte, die Tatsache,
daß ein heute scheinbar vollkommen gelähmter Mnskel morgen wieder normal
operierte, das absolute Fehlen von definitiven Lähmungen, von Spasmen, sen*
slblen Störungen, Yerändemngen der Reflexe, das deutliche Yorhandensein
myasthenischer Reaktion sprachen eindeutig für die gestellte Diagnose.
Dr. Többen*Münster.
Ein Fall von Bromismus. Yon Dr. Hank ein in Königsberg. All¬
gemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 65. Bd., 8. H.
Han kein berichtet über eine Kranke, bei der nach jahrzehntelanger
Pause im Sommer vorigen Jahres wieder vereinzelte epileptische AnfUle nnd
andere nervöse Störungen auftraten, die zum Gebrauch von Bromkalium führten,
von dem in kurzer Zeit sehr große Mengen genommen wurden. Bald nach
Beginn der Bromkur wurden Störungen der Sprache und der Schrift bemerkt,
die Kranke wurde verwirrt, schlaflos, aß wenig und hatte viel Gesichtshalln*
zinationen. Sie war sehr gehenunt und ließ eine hochgradige Störung der
Merkfähigkeit erkennen. In körperlicher Beziehung zeigten sich träge Reaktion
der PnpiUen, Absehwächung des Konjunktival-, Korneal* nnd Rachenreflexes,
erhebliche Steigerung der Patellarreflexe und starker Gehalt des Urins an
Brom. Nach Aussetsen des Broms konnte man ein allmähliches Znrflckgehen
630
Kleinere Mitteilungen nnd ICefemte mu Zeitechxiften.
der KrnnklieitsencbeinaBgen fesUtellen. Von der Derrdchiuig größerer Koeli*
salzdoeen warde Abstnnd genommen, weil eine Indikation hieran nicht Torl^.
Da der Bromismne im großen and ganzen eine seltene Etkranknng ist,
dürfte der erwähnte Fall geeignet sein, beim Verordnen von Bromkalinm n
besonderer Voraicht anfzofordern, anderseits soll er aber keineswegs die irat-
lichen Praktiker reranlassen, ins Extreme za rerlallen und ein Heilmittel
preiszageben, dessen überaas günstige Wirkung darch jahrzehntelange Beob¬
achtung an Tausenden Ton Kranken sicbergestellt ist.
Dr. T 0 b b e n - Münster.
Die Art der Delikte bei den einzelnen krankhaften eebteKnstladen
Ueeresangehdriger. Von Stabsarzt Dr. Benaecke-Dresdea. Klinik für
psjehische und nervOse Krankheiten; Bd. 1^ H. 2.
Verfasser hat auf Qrund seiner langjäMgen Erfahrungen rersucht, eia
Bild Ton der Art der Kriminalität geisteskranker Soldaten zu mitwezfen,
welches sich natürlich hinsichtlich der einzelnen meist spezifisch rnilh*
tärischen Delikte von der sogenannten bürgerlichen Kriminalität unterscheidet,
aber doch zam Aosdruck bringt, daß im großen und ganzen die gleichen
Krankheitsformen und -Symptome zu Gesetzesübertretangen Anlaß geben.
Von 281 beobachteten Fällen gerieten 164 in Konfiikt, 110 gerichtlich, 64 nur
disziplinarisch. Vor dem Diensteintritt waren Torbestraft 41.
_ Dr. Wolf-Marburg.
Uober das Sjniptoai des Gedaakenslehtbarwerdens. Von Dr. Kurt
Halbey, Oberarzt. Allgemeine Zeitschiift für Psychiatrie nnd psyi&iseh-
gerichtUche Medizin; fö. Bd., 3. H.
Halbey hat in der Prorinzialheilanstalt bei üeckermünde eine dgen-
artige hallazinatorische Erscheinung beobachtet, bei der unmittelbar im Aa-
schlaß an Vorsteilangen oder an gedachte Worte nicht nar Qehörstäaschnngen
plötzlich in die Erscheinang treten, sondern auch optische Hallozinationen, bei
denen die gedachten Worte and Vorstellongen vor dem Kranken geschrieben
erscheinen, und zwar einerseits in .deutschen Schriftzeichen" oder anderseits
auch in .Gabelsberger Stenographie". Dieses Symptom möchte der Verfasser
analog dem yon Gramer bMchriebenen .Gedankenlautwerden* als das
Symptom des a^sdankensichtbarwerdens" benennen.
Dr. Többen-Münster.
Ueber Zureehuuiigsfihlgkeit* Von Prof. Friedenreioh in Kopen¬
hagen. Monatsschrift für Psycmatrie und Neurolo^; Bd. XXIV, H. 1.
Zurechnungsfähigkeit and Unzorechnongsfähigkeit sind spekolatiye und
metaphysische Begriffe, mit denen in der Medizin ab einer Erfahrangs- und
Naturwissenschaft nichts anzafangen bt. Verschiedene Aerzte haben si^ dafür
ausgesprochen, daß die Mediziner diese Entscheidang den Juristen überlassen
sollen, jedoch mit Unrecht, da die Beurteilang yon gebtig abnormen DeUn-
qaenten haaptsäohlich durch den Psychiater geschieht, der allein imstande ist,
die krankhaiiten Momente des psychbchen Zastandee aafznfinden und za be¬
urteilen. ln praxi spricht sich erfabrangsgemäß der Sachyerständige immer
über die Zurecbnongsiähigkeit aus, obwohl es bekannt bt, daß alle Versuche,
ein sabjektives Kriteriam für sie aufzastellen, bbher gescheitert sind, da wir
eben in Wirklichkeit nicht wbsen, was unter Zarecmiangsfähigkeit za yer-
stehen bt. Die Aasdrücke Willensbestimmang", aEinsicht in die Be-
deatang der Handlang", .identitö personelle" and aSimilitude sociale* sbd
b dem üblichen Zasammenhange alle onbraachbar, da die Normalität auf der
eben, die krankhafte Störung der Gebtestätigkeit auf der anderen Seite yiel
zu amfassend sind and zahlreiche Störangen der Gebtestätigkeit sich finden,
die nicht genügen, um den Täter anzar^nongsfähig za machen.
Sobald man aber den Boden der Anschauung yerläßt, welche die Strafe
ab Sühne und Baße für die yerletzten Sittlichkeitsgebote aoffaßt, wird ledig¬
lich das Utilitätsprbzip Berücksichtigang finden und die Beantwortung der
Frage zum leitenden Gedanken werden: «Was bt für die Gesamtheit das
Nützlichste und glebhzeitig gegenüber dem Verbrecher das human zu Ver¬
wertende?" Den letzteren Qezlwtspunkt macht sidi der Verfasser zu eigen
Kldnere MitteUang«n und Referate aus Zelteohriftea.
621
and Terracht, ihn auf diejenigen Zast&nde nn ezempUfisieren, bei denen die
Zarechnoogsfähigkeit gewöhnlich in Frage kommt. Seine beacbtenawerten
ErOrterongen, die sich an einem kurzen Referate nicht eignen, nehmen auf zwei
große Gruppen Bezug, die Geisteskrankheiten im gewöhnlichen Sinne und die
angeborenen und erworbenen Defektzustände. Dr. TObben^Mflnster.
O. Buohwarnt&ndlgantfttlg^kalt ln Unfall- nnd Znwalldlt&tMaohen.
Untersnehnngen Uber Sinialatlon bei Unfallnerrenkranken. Von
Stabsarzt Or. Th. Becker-Gießen. Klinik ftlr psychische und nervOse Krank¬
heiten; Bd. III, H. 2.
Verfasser bespricht einige KrankheitsfSlle, die der Klinik Ittr psychische
Kranke zur Oberbegutachtung tiberwiesen nnd dort mittels der auf der Klinik
ansgebildeten graphiscben Methoden untersucht worden waren; er erOrtert dann
an der Hand der angestellten Simulationsversnche die gefundenen Unterschiede
nnd charakteristischen Merkmale. In 3 Fällen, die vorher als Simulanten
bezeichnet waren, zeigten sich keine auf Simulation oder ausgesprochene Ag-
f ravation verdächtigen Erscheinungen, während in drei anderen Fällen die
Krankheit an sich zwar nicht simuliert, wohl aber der Grad der Erwerbs-
nnfllbigkeit von dem Rentenempfänger übertrieben wurde. Schließlich wird
noch ein Fall mitgeteilt, der sich dadurch auszeichnet, daß die Simulation
und speziell die Art der Simulation, deutlich für eine vorliegende ürteils-
schwäche sprach. — Verfasser hält es nicht für richtig, alle nach Unfällen auf¬
tretenden Neurosen nnd Nenropsychosen als Schreckneurosen aufzufassen; nur ein
Teil bietet die hierlür charakteristische Aetiologie nnd Symptomatologie. Die
Psychoneurosen nach Vorletznngen entstehen im wesentlichen auf psychischem
Wege. Um ihre Genese, ihre Symptomatologie zu verstehen, ist Kenntnis
S lyrischer Krankheitsbilder, insbesondere der Hysterie, Neurasthenie und
ypochondrie unerläßlich. Im Hinblick auf diese Krankheitsbilder von nicht-
traumatischer Entstehung wird auch das nicht zu seltene Symptom des Vor¬
täuschens und Uebertreibens dem Verständnis nahegebracht nnd erklärt. Vor
allem ist nSiig, daß man eine genaue neuroiogisch-psychiatrische Unter¬
suchung des sweinbar oder wirklltmen simulierten Symptoms dnrchffihrt.
_ Dr. Wolf-Marburg.
Hysterische Lähmung durch einen Schuss. Von Oberstabsarzt
Dr. Hammersohmidt. Monatsschrift für Unfallheilknnde und Invaliden¬
wesen; 1908, Nr. 4.
Ein Grenadier, der beim Scharfschießen dicht neben liegenden Schützen
stand, will bereits nach dem ersten Schuß in seinem HOrvermOgen auf dem
reehten Ohr beeinträchtigt worden sein. Die Schwerhörigkeit nahm zu, im
Lazarett fand ein Spezialarzt eine Lähmung des rechten Gehörnerven infolge
Labyrintherschtttterung. Das Trommelfell war unverletzt. Es traten dann
Taubheitsgeffihl in der rechten Gesichtshälfte, später rechtsseitige Hemianästhesie
und eine schlaüe Lähmung der ganzen Seite auf. Verfasser ist der Ansicht, daß
zweifellos ein hysterischer Status in der Anlage bei den Verletzten schon be¬
standen habe, die Merkmale desselben seien aber so gering gewesen, daß
sie der Umgebung der Kranken entgangen seien.
Dr. & Th 0 malla- Waldenburg (SchL).
Traumatische Isellerte periphere Lähmung des Obersehnlterblatt-
nerven (Nerrus suprascapnlarls). Von Dr. Kähne, Kottbus. Mit einer
’ Abbildung. Monatsschrift für Unfallheilknnde und Invalidenwesen; 1908, Nr. 4.
Verfasser erwähnt, daß im ganzen 16 Fälle von isolierter peripherer
Lähmung des Oberschulterblattnerven in der Literatur niedergelegt seien.
Hiervon bleiben als traumatisch im gesetzlichen Siiue entstandene Nerven¬
lähmungen, d. h. Lähmungen, hervorgerufen durch eine innerhalb eines kurzen
Zeitabschnittes einwirkende Gewalt, nur fünf. Diesen Fällen fügt Verfasser
einen sechsten hinzu, bei dem es keinem Zweifel unterliegt, daß der Verletzte
an einer Lähmung des rechten Oberschulterblattnerven leidet, wie es sich ans
der genauen Beschreibung des Falles nnd der beigefügten Abbildung ergibt.
Dr. R. Thomalia, Waldenburg (S^).
622
Kleinere Mitteflongen and Referate aoa Zeitschriften.
Beitrag rar Kerreaehlrargle aaeh UnfUlea. Von Dr. Hebrkh Mohr.
Moaatsichrift f&r UnfaUheilkonde and InTaUdenweeen; 1908, Nr. 6.
L Rezidivierendes Ampatationanenrom desNeiros mediaans als Ua*
iallfolge.
Infolge euer Schaittwonde am Onteram war eine Verletzong des N. laed.
entstanden. Heilang der Wände ohne Naht. Bildang eines bohnengroden,
draekempfindlichen Fibroms bezw. Ampatationaneoroms du N. mediaaas. Erst
schwanden die Folgen der Nervenverietzang, später kehrten sie wieder; die
Schmerzhaftigkeit worde immer größer, das Nearom wachs bis Haselnoßgröße;
es traten Lähmongserscheinongen aaf. Darch Operation wurde die Qeschwolst
entfernt and Nervennaht angelegt Die Lähmongserscheinongen schwanden,
aber es bildete sieh an der Operationssteile eine erbsengroße drackempllndliche
Qeschwolst Eine nochmalige Operation wurde verweigert, obgleich mehrere
nachteilige Folgeerscheinongen sich wieder eingestellt hatten.
2. Operativ mit Erfolg behandelte Badiaslähmang nach Armbracb.
Die Lähmang war wahrscheinlich eine sekundäre, hervorgerufen darch
feste Verlötang des Nerven mit dem Kallas and Kompression des Nerven durch
das amlie^'ende Narbengewebe, das ihn fest gegen den Knochmi drückte.
— Operativ wurde der Nerv aas dem Narbengewebe aasgelöst and zwischen
normale Moskelschichten gel^. Es erfolgte rascher Bücägaag der Lähmang
nach Massage und Elektrizität
Dr. R. Thomalla-Waldenborg ^chL).
Dareh Traaiia hervorgerafeae SteaoM des PalmoaaloatinBM. Von
Dr. Bruno Leick, Chefarzt in Witten. Münchner medizinische Woehasdnift;
1906, Nr. 29.
Ein Ißjähriger Mensch, der bis dabin völlig gesund und arbeitsfähig
gewesen war, erlitt ein schweres Traoma, indem er von einem gußeisernen
Rahmen, der von einer Polierscheibe absprang, mit voller Wacht gegen die
Brost getroffen worde, so daß er za Boden stürzte and längere Zeit bewoßt-
los war. Nach Jahren worden zum ersten Male HerzveränderanM
festgestellt, die sich im Laufe der nächsten Jahre zu dem typischen Bude
der Polmonalstenose aasbildeten. Im Alter von 22 Jahren ging der Kranke
an einer hinzatretenden Longentaberkulose za Grande. Die Sektion ergab
hoebnadige Stenose des Polmonalostiams ohne sonstige BildangsanomaUen
des Herzens. Bei dieser Sachlage kann man nach Verfassers Ansicht nicht
lunhin, den Herzklappenfehler mit größter Wahrscheinlichkeit als durch den
Unfall bedingt anzusehen. Durch den plötzlichen heftigen Schlag gegen die
Brost maß es zu einer starken Dracksteigerang im Thorax gekommen sein;
darch die Erfahrungen bei Unfallverletzten wissen wir aber, daß eine derartige
Dracksteigerang nicht so selten zu Zerreißungen, Einrissen oder doch za
Blatangen an den Herzklappen führt. Derartige ^appenverletzongen geben
dann einen günstigen Boden für die Ausbildong endokarditischer Prozesse,
als deren Endresoltat im vorliegenden Falle die Stenose der Paimonalklappen
anzusehen ist. Dr. Waibel-Kempten.
Kohlenoxyd Vergiftung und Diabetes mellitus. Von Dr. med. H. Zieschd.
Monatsschrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesen; 1908, Nr. 6.
Verfasser führt eine große Reihe Autoren an, welche darauf hingewiesen
haben, daß nach der Kohlenozydvergiftung Zocker im Urin aasgeschieden
werde; er bespricht dabei die Ursachen der Zackeraasscheidang. Alle Be*
obachtangen über die Glykosorie stimmen aber darin überein, daß es sich nor
um eine vorübergehende Zackeraasscheidang handelt. Fälle von bleibender
Diabetes nach der Vergiftung sind no„ii nicht mitgeteilt, doch müssen sie nach
Angabe früherer Autoren schon vorgekommen sein. Verfasser führt non einen
Fall von Diabetes mellitos schwerster Form an, der sich die Krankh eit durch
etne mäßig schwere Kohlenozydgasver^tang zagezogen haben sollte. Die
Gutachter waren üW die Entstehang der Zackerkrankheit aneinig. Verfasser
gibt die einzelnen Oatachten aasführlich wieder und kommt selbst za dem
Schloß, daß der schwere Diabetes des Verletzten, der außer der Vergiftung
darch Kohlenoxyd noch eine starke Kontusion bei dem Unfälle davon getragen
Kltiinere Mitteilungen nnd Befente ans Zeitschriften.
623
halte, awar nicht mit ahsolnter Gewißheit, aber doch mit überwiegender Wahr¬
scheinlichkeit orsüchlich mit dem erlittenen Unfälle aosammenhängt.
Dr. ILThomalla - Waldenburg (Schl.).
Die frihseitlge Radiographie der Frakturen lur DlagnosensteUnng
bet BetriehsnnflUleu. Von Dott. A. Bienfait-Liegi. La medlcina degU
infortnni del lavoro e delle malatie profesaionali; 1908, Nr. 8.
Bei der Behandlnng der Frakturen, selbst wenn letztere klinisch sich als
gann einfache Fälle darstellen, sollte die Böntgenanfnahme niemals fortgelassen
werden; denn hinter anscheinend dentlichen Knochenbrüchen können sich an«
bedentende Absprengnngen kleiner Knochenstttcke and umgekehrt hinter an¬
scheinend nur Kontusionen Frakturen mit oder ohne Luxationen verbergen.
Zur Ulustration solcher Vorkommnisse wurden 7 BOntgenbilder gegeben, die
nach Konsolidation von Frakturen aufgenommen sind und lum Teil recht er¬
hebliche Deviationen der Fragmente erkennen lassen. Deshalb geht die Mahnung
des Verfassers dahin, einmu alsbald nach dem Vorkommen einer als Fraktur
anzusprechenden Verletzung eine Böntgenaufnahme zu machen, damit die
genaue Diagnose gestellt werde, dann aber alsbald nach Anlegung des immo-
blUderenden Verbandes eine weitere Aufnahme folgen zu lassen, um sich zu
gewissem, ob die Fragmente in der richtigen Stellung zueinander sich befinden.
_ Dr. Solbrig-AUensteia.
D. Bukturlologl«, Infektlonskruiiklieituii nnd öffentllohuu
BanltAtuweuen.
BaRterlologrle, Infektionskrankheiten nnd andere Krankheiten.
Mitteilougeu ans dem Jahresbericht des chemischen Dntersuchnugs-
amtes am Hygienischen Institut der Unlversitdt Halle a« H. (Direktor
Prof. Dr. C. Frankel). Von Dr. phil. Max Klostermann. Hygienische
Rundschau; 1908, Nr. 10.
In der Einleitung erläutert der Verfasser die allgemeinen (dienstlichen pu.)
Verhältnisse der Ansmt. Diese übt die staatliche Nahrungsmittelkontrolle
für einen Teil des Bezirks Merseburg aus.
Im ganzen wurden rund 4500 üntersucbungen, die sich hauptsächlich
auf Nahrangs-, Qenußmittel und Gebrauchsgegenstände erstreckten, ausgeführt.
Beanstandung von Fleisch und Fleischwaren erfolgten wegen Geblütes an
unerlaubten Konservierungsmitteln, die namentlich beim Hackfleisch in
größerem Umfange in Form von Präservesalz (schweflige Säure und ihrer
Salze) angetroffen wurden.
In einer Beihe von Fleischvergiftungen gelang es einen zur Para-
typhnsgruppe gehörenden Erreger zu isolieren.
Bezttgliim ihres Fettgehutes mußten lö**/, aller untersuchten Milch-
prohen beanstandet werden. Ein Vergleich mit der Zahl der Beanstandungen
in früheren Jahren ergab, daß die Einführung einer geregelten Kontrolle durch
eine Polizeiverordnung eine plötzliche Besserung veranlaßt hatte. Bezüglich
der Beschaffung einwandsfreier Säuglingsmilch ääert sich der Verfasser daUn,
daß alle Vorschriften, die sich auf Stallungen und Gewinnung der Milch er¬
strecken, sich in der Praxis schwer oder gar nicht durchführen lassen.
In Batterproben konnte man Margarine resp. Kokosnußfett nachweisen.
Nach Meinung des Verfassers wäre es wünschenswert (durch gesetzliche Bege-
lung) bezüglich des Wassergehalts an Margarine nündostens die gleichen An¬
forderungen zu stellen wie an Butter.
Beis und Graupen waren mehrfach mit Talkum überzogen, Eiergraupeu,
Eier- und Wasseraudeln enthielten fast niemals Eier, wohl aber einen gelben
Farbstoff.
In Trinkbranntwein konnte mit Hilfe einer besonderen Probe denatu¬
rierter Spiritus nachgewiesen werden.
Eine große Zahl von Untersuchungen erstreckte sich auf Wasser und
Abwässer. Für gerichtliche Zwecke wurde einmal festgestellt, daß Chlor-
magnesium wie Kochsalz ln ganz erheblichen Mengen dem Wasser zugesetzt
werden können, ohne daß sie geschmeckt werden. In den geklärten Abwässern
einer Lungenheilstätte konnte man TuborkelbazUlen nachweisen.
Bei den Untersuchungen von Watteproben aus einem Kohlenbergwerk,
624 Kleiaere Mitteiloiigai und Beferate ans Zeftaehitftca.
ia dem mehrere tödliche Vergiftaagea Torgekommm wara, &ad ama eiae
stirkere Schwefeliraaserstoffatwicklaiig.
Eßlöffel oad Spielwarea waren anr anm Teil bleilreL
Haarfarben bestanden gewöhnlich aas Höllenstein mit Pyrogallnminrfc
4 Fflanzenpalver, die xor Abtreibang, aber ohne Erfolg, Terwandt
waren, bestanden aas Flor. Tanacet c. foL (Warmkraat).
8 Fairer bestanden aas Heroinam mariat 0,6 g, wodurch äne Ver*
giftnng mit tödlichem Aosgang reranlaßt war. ln den Leichenteilen fand
sich kein Heroin mehr vor; es war unter Aufspaltong in Morphin and Esa^*
siare flbergeitthrt worden, ron denen das Morphin im Darminhalt and im
Blnt naehgewiesM wurde.
Bei Tersochtem Giftmord bestand das Gift einmal aas KaL hiozalk.
_ Dr.Karpjaweit-Berlin.
Jahresberieht Iber die Ergeboisse der DntenaebingstJUigfcatt des
byfteniscb>bakterielegiscben Institats der Staift Dertmaad aof dem Ge*
biete der ansteckenden Krankheiten fir des Jahr 1907. Von Dr. C. Stade.
Hygienische Bandschaa; 1906, Nr. 9.
Die Gesamtziffer der Dntersacbongen stieg Ton 889 (1906) aof 8908 in*
folge Termehrten Aoftretens der Meningitis epidemica.
ln 2 Fällen Ton Meningitis, daron einmal an der Leiche, gelang der
Nachweis der Meningokokken im Blat. Bei dieser Leiche gelug es auch, den
Meningococcos als alleinigen Erreger einer lobulären Pneamonie nachzaweisen.
Von 166 Spinalpanktaten waren 68 positiT. ln einer Beihe Ton Fällen keimten
noch Diplococcas pneamoniae, Strepto- and Staphylokokken nacbgewiesen
werden, ln dickeitrigen Panktaten maßte man häofig bei der mikroskopischen
Unteranchong der Aasstrichpräparate lange nach typischen Meningokokken*
bildern Sachen, während wiederum Spinalflttssigkeiten mit geringem Bodensatz
Bilder darboten, die an eine frische Gonorrhöe erinnerten. An der Leiche mißli^
häofig der l^tarelle Nachweis, ln den Panktaten Ton Lebenden hielten s^
die Meningokokken mitunter tagelang, ln 707 Bachenabstrichen, die zameist
aus der (Tmgebng der Erkrankten stammten, wurden 89 mal Meningokokken
kulturell gefanden. Hier waren sie fast in Beinkultur Torhanden. E& gleich¬
zeitig bestehender Bachenkatarrh schdnt die Ansiedlung der Meningokokken
za MgUnstigen.
Eine große Zahl Ton Untersuchungen betraf Typhus, Diphtherie,
Taherkulo8e and andere Krankheiten. Erwähnenswert ist noch, daß einmal
dne Lehrerin nach einer Diphtherieerkrankong und in einem Waisenhaos
gelegentlich einer Diphtherieerkrankung 8 gesunde Kinder als Bazilleatriger
ermittelt worden. Dr.Karpjaweit*Berlin.
Jahresbericht Uber die Tltlgkeit des Untersnehongsamtez des hygl«
enlseben Instituts in Freibarg L B. Tom 1. Januar 1907 bis 1. Januar 190$.
Von PriTatdozent Dr. E. K ft s t e r. Hygienische Bundschau; 1908, Nr. 7.
Aus dem Bericht, der zahlreiche Angaben Aber den Versand der Proben,
Untersuchungsmethoden usw. enthält, sind folgende Punkte bemerkenswert.
Am häufi^ten waren die Untersuchungen auf Tuberkulose, dann die
auf Diphtherie. Die mikroskopbche, direkte Untersuchung des Diphtherie*
materials hält der Verfasser nicht für empfehlenswert. Die sofortige Diagnose
hat, seiner Meinung nach, keine sehr große Bedeutung, da jede klinisch schwere
diphtherieTerdächtige Angina sofort mit Heilserum behandelt werden sollte,
ohne erst das Besaltat einer bakteriologischen Untersuchung abrawarten.
Die bakteriologische Diphtherieuntersachung ist Tor allem ffir die Hand¬
habung der Diphtherieprophylaze entscheidend, namentlich bei Diphtherie-
rekonTaleszenten.
Bei den Typhus Untersuchungen, deren dort gettbte Methode der Ver*
fasser eingehend beschreibt, konnten einmal im Eiter ans einem Abszeß bei
Epididymius Faratyphus B.-Bazillen isoliert werden. Es handelte sich um
einen Patienten mit chronischer Gonorrhoe, der kurz Torher anscheinend eine
leichte Paratyphnserkranknng durchgemacht hatte. Ebenso wurden zweimal
bei Mastoiditis und bei einem Cholesteatom Terbunden mit Abszeß des rechten
'^chläfenlappens Faratyphus B. - Bazillen gefanden. Weiterhin beobachtete der
Kleinere MitteHongen and Befemte nne Zeiteehriften.
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Verfnuer eine Pnrntyphae-HaiuepideBle in dem dortigen UinJaohen Hoepital,
deren Elrnnkheitebild dem einer schweren GastroenteritiB entsprach. Von
19 Personen, die im Laote Ton 24 Standen erkrankten, starb eine.
Bei den üntersnchangen ron Meningitis konnten im Nasenschleim der
Eltern eines meningitiskranken Kindes Meningokokken nacbgewiesen werden.
Diese Beobachtung ist zor Beleuchtung der sozialen Seite der Genickstarre*
bekimpfung von gewissem Interesse, da es sich um eine B&drerfamilie handelte.
Im allgemeinen hat die Zahl der Untersuchungen im Berichtsjahre
zugenommen. _ Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Bericht über die Ergebnisse des Untersnebnngsamtes fBr ansteekende
Krankheiten ln Heidelberg Tom Januar bis Dezember 1967. Von Professor
Dr. med. et phil. R.O. Neumann. Hygien. Bandschau; 1908, Nr. 8.
Aus einer Tabelle ttber die Verteilung der Untersuchungen auf die ein*
seinen Monate in den letzten 8 Jahren geht herror, daß die Monate Mai
und Juni die grOßte Zahl von Untersuchungen aufweisen, während die Monate
Norembor, Dezember and Februar „gesttnder* zu sein scheinen. Am gtinstigsten
stellt sich der September.
Eine Tabelle gibt weiterhin Auskunft ttber die Zahl und den positiTcn
oder negatiren Ausfall der Untersuchungen bei den einzelnen Krankheiten.
Auffällig konstant sind in den letzten Jahren diese Zahlen bei Tuberkuloee,
Typhus und Diphtherie geblieben.
Im allgemeinen hat die Einsendung von Material bei Typhus verdacht
zugenommen; hierauf ist auch das Absinken der poslÜTen Ergebnisse bei den
Untersuchungen zurttckznftthren. Der Verfasser weist von neuem darauf hin,
daß bei Typhus die Einsendung von Blutproben der Einsendung von Stuhl Und
Urin weit vorzuziehen ist, da die Agglutinationsprobe verläßlicher ist, und dem
Arzt auch schneller das Besultat mitgeteilt werden kann.
ln 8 Fällen von Meningitis verdacht wurden 6 mal Streptokokken ver¬
schiedener Art, je Imal ein influenzaähnliches Stäbchen, Bact. pneumoniae
Friedländer und ein koliähnliches Stäbchen gefunden. Dies beweist die
alte Erfahrungstatsache, das ein meningitisähnliches Bild Öfters auch von anderen
pathogenen Erregern hervorgebracbt werden kann. Bei Meningitis hat sich,
wie der Verfasser erwähnt, die Agglutination der Meningokokken nicht immer
als ganz verläßlich erwiesen.
fiüne große Zahl von Untersuchungen erstreckte sich auf die ver¬
schiedenartigsten Krankheiten, z. B. Pneumonie, Dysenterie, Syphilis, Milz¬
brand usw. Erwähnenswert ist, daß einmal der Nachweis von Milzbrandbazillen
aus dem Kehrichtstaub einer Haarspinnerei gelang. Ferner konnte einmal ans
dem Stuhl von Cholera nostras Paratyphus B., bei Bhinitis zweimal Diphtherie¬
bazillen und aus Konserven (Kohlrabi) Bact. pneumoniae Friedländer isoliert
werden. _ Dr. Kurpjuweit-Berlin.
Tropenbyglene.
Weitere Beobachtungen Aber Atoxylfestlgkelt der Trypanosomen.
Von A. Breinl und M. Nierenstein in Idverpool. Deutsche medizinische
Wochenschrift; 1908, Nr. 27.
Im Anschluß an Ehrlichs Feststellung, daß es gelingt, atozylfeste
Ti^panosomen zu zflchten, konnten die Verfasser durch Versuche mit Nagana-
Stämmen nachweiscn, daß deren erworbene Resistenz gegen Atozyl nur fttr
die betreffende Tierspezies besteht, in der die Trypanosomen gezttchtet sind,
daß die Arzneifcstigkeit aber aufhOrt, wenn die Stämme auf andere Tierarten
ttberimpft werden. Am Schluß ihrer Arbeit weisen Br. und N. auf eine vom
therapeutischen Standpunkte aus sich ergebende Gefahr hin, daß nämlich eventuell
durch ungenügende Arscnikbehandlung Schlafkranker atozylfeste Stämme von
Trypanosoma gambiense (das sie bereits in Meerschweinchen resistenzfäUg
macnen konnten) kttnstlleh gezttchtet werden. Dr. Liebetrau-Hagen L'V^
Zum WlrkungsmecluuilfmuB des Atoxyls bei der Trypuosemlasls.
Von 0. Levaditi und T. YamanouchL Aus dem Laboratorium des Prof.
Metschnikoff im Institut Pasteur. Comptes rendus de la soc. de biol.;
LXV, 1908, Nr. 24.
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Kleinere Mitteilungen and Befeiate aoe ZeltedirlfteL
Ehrlich hatte in der dentaehen dmaatologischen Oeeellsehaft die
Mitteilnng gemocht, er Termnte, dofi Atoxjl nnter dem EinflnB der rcdn*
zierenden Kraft der Organe Verindernngen erldde. Die Autoren hatten dann
nachgewieeen, daß, wenn Atoxyl im Orgi^muB sich in einen Kfirper yerwandelt,
der £e Trypanosomen und bestimmte pathogene Spirochaeten zu zerstören im>
Stande ist, dieser Körper 24 Standen nach Einführung des Medikaments im
Serum nicht wiedergefunden werden kann. Sie legten sich daher die Fri^
ror, ob diese Umbildung nicht bei direktem Kontakt mit den Zellen yor sich
S ehe und zur Bildung einer parasitiziden Substanz führen könne, die im Moment
er Entstehung wirksam sei und rasch eliminiert werde. Sie fand«, daß die
Leber das Atoxyl in eine trypanolytische Substanz yerwandelt, das Trypano-
toxyl, das die Trypanosomen in einer Konzentration yon 1 : 1000 Ato^l in
2stündiger Berührung tötet. Auch Muskeln und Langen wirken ähnlich, wie die
Leber. Auf der reduzierenden Eigenschaft dieser Organe beruht die Um¬
wandlung yon Atoxyl in TrypanotoxyL Entnimmt man sofort nach dem Tode
des Tieres ein Fragment der Leber und wirft es in siedendes Wasser, so er¬
weist es sich ebenso aktir, wie frische Leber; nicht wirksam erweist sich dagegen
das alkoholische Extrakt.
Die prophylaktische und heilende Wirkung des Atoxyls
beruht also auf der direkten Einwirkung des Trypauotoxyls,
eines Beduktionsprodnktes des Atoxyls auf die Trypanosomen.
Dr. Mayer-Suuuem.
DealnfektloB.
Ueher die bakterizide Wirkung des Olyierius. Von Prof. Dr. K Leyy
und Dr. E. Krencker. Aus dem hygienischen Institut der Uniyersität und
der med. Abteilung U des Bürgerspitals zu Straßbarg L Eis. Hygienische
Bandschau; 1903, Nr.6.
Wegen seiner antipatriden Eigenschaften hat man Glyzerin lange Zeit
in der Chirurgie und in der Ohrenheilkunde yerwandt. Weiterhin gelang es
Pockenlymphe, ferner bei der Toliwatschutzimpfang Babiesmednllen durch Zu¬
satz yon Glyzerin zu konseryicren.
Zahlreiche Autoren haben nacbgewiesen, daß Glyzerin die widerstands¬
fähigsten Begleitbakterien der Lymphe, die Staphylokokken, zum Verschwinden
bringt. Auch auf Cholerayibrionen, Stapbylococcus pyogenes aureus und das
Bacterium coli wirkt Glyzerin nach den Untersuchungen eines Autors bak¬
terizid ein. Durch Abtötung der Bakterien yermag man ferner Antigene und
Virus darzustellen, da die Lcibessubstanz der Bakterien und ihre Stoffwechsd-
produkte nicht tiefgehend yerändert werden.
Die Verfasser prüften eingehend die bakteriziden Eigenschaften des
Mittels nach yerschieden langer Einwirkungsdaner und bei yerschiedenen
Temperaturen, indem sie die Konzentration der Glyzerinlösungen yariierten.
Ihre Versuche ergaben folgendes: Die Entwickelung yon SchimmelpUzen wird
durch eine GlyzerinlOsung yon 30—35°/o yerhindert. Tuberkelbazillen yom
Menschen sowohl, wie yom Bind in SOproz. Glyzerin bei 37** gebracht, erwiesen
sich in 49 Standen als yollkommen abgetötet. Das Vakzineyims wird durch
das Glyzerin abgeschwäcbt und schließlich abgetötet. Durch Aufbewahrung
bei 12** mit Glyzerin wird es nach 7 Monaten oder noch später wirkungslos.
In 10 proz. Glyzerinlösungen wurden bei 37** Staphylokokken am 12. Tage,
Typhusbazillen am 13. Tage, Diphtheriebazillen am 3. Tage abgetötet. Je
höher die Glyzerinkonzentration, desto rascher erfolgte das Absterben (eine
umfangreiche Tabelle gibt über die zahlreichen Versuche mit den yerschiedensten
Bakterienarten Auskunft).
Praktisch wichtig sind die Untersuchungen in folgender Hinsicht. Falls
es darauf ankommt, möglichst schnell Eubpockenlymphe herzustellen, bringt
man die Lympheglyzerinmischung für 20—24 Standen in den Brutofen bei 87*,
wodurch die Entzündungserreger, die in jeder frischen Lymphe yorhanden sind
und die frühzeitige Verwendung hindern, yerringert und in ihrer Virulenz ab¬
geschwächt werden.
Bei der Einwirkung des Glyzerins handelt es sieh um keinen chemischen
Prozeß, sondern um einen solchen, der in Analogie zu setzen ist mit der Ein-
wirkung yon Lösungen mit hohem osmotischen Druck auf gequollene Körper.
_Dr. Kurpjuweit-Berlin.
KleiBere Httteiliingen and B«ferste aas Zdtsohriften.
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üntersaeliiBgeii Aber 41« bakterliideii WirkiufeB de« Hyfi«««]*.
Von Dr. 0. Blasius. Ans dem hygienischen Institut der Onirersität H^e s.H.
(Geh. Med.-Bat Prof. Dr. C. Fränkel). Hygien. Bundschau; 1908, Nr. 5.
Das von der chemischen Fabrik Vahrenwald bei Hannover in den
Handel gebrachte Hygienol ist eine Verbindung von Eresol und schwefliger
Säure. Die Spros. LOsung besitzt ziemlich beträchtliche desodorierende Eigen¬
schaften.
Enltnranfschwemmungen von Staphylococcus pyogenes, Streptococcus
pyogenes, Pyocyaneus, Diphtherie und Cholera wurden durch eine 2prozentige
Losung in einer Minute sicher abgetOtet. Das Mittel versagte aber bei Mil« ,
brandsporen, die an Seidenfäden angetrocknet waren. Die desinfizierende
Wirkung zeigte sich hier erst so spät oder bei so starker Eonzentration, daß
dadurch die praktische Verwendbarkeit des Hy^enols dort, wo es sich um
Milzbrand handelt, sehr erheblich eingeschränkt wird.
Dr. Eurp juweit-Berlin.
üeber den Deslnfektienswert der drei KresoMsomeren in Gemiseken
mit Seife. Von Dr. H. Schneider. Archiv für Hygiene; Bd. LXVIT. Sonder-
Abdruck.
Auf Grund des preußischen Ministerialerlasses vom 19. Oktober 1907,
durch den fOr die Hebammen eine Eresolseife vorgeschrieben wurde, die an
Stelle des früher verwendeten Trikresols eine nur aus meta- und para-Eresol
bestehende Eresolmischung enthält, während ortho-Eresol wegen Minder¬
wertigkeit ausgesohieden war, hat Verfasser Veranlassung genommen, den Des¬
infektionswert der drei Eresol-lsomeren genau zu prüfen, zumal ihm der Wert
der neuen Eresolseife nicht genügend geprüft zu sein schien. Auf Grund
seiner Versuche kommt er zu folgendem Ergebnis:
1. Die von Herzog und Emde vertretene Anschauung der Minder¬
wertigkeit von ortho-Eresol gegenüber para-Eresol läßt sich bei eingehender
objektiver Prüfung der vorhandenen Literatur nicht aufrecht erhalten.
2. Untersuchungen über den Desinfektionswert der drei isomeren reinen
Eresole, und von Eresolgemiscben aus reinen Eresolen, bei Gegenwart einer
fettsäurereichen LeinOlseife, haben gezeigt, daß Unterschiede von praktischer
Bedeutung zwischen den einzelnen Eresolen hinsichtlich ihrer bakteriziden
Wirksamkeit nicht bestehen, und daß Gemische der Eresolisomeren gleich¬
mäßiger und etwas besser als die einzelnen Erosoie wirken.
3. Technisches Trikresol von gleicher Qualität, wie es im Lysol ent¬
halten ist, wies stärker desinfizierende Eigenst^aften auf, als ein ähnlich zu¬
sammengesetztes Trikresolgemisch.
4. Auf Grund der vorliegenden Untersuchungen erscheinen die Voraus¬
setzungen, die zur Einführung der neuen Eresolseife des Erlasses vom 19. Ok¬
tober 1907 Veranlassung gegeben haben, hinfällig.
ß. Durch ausführliche Untersuchungen wurde erneut festgestellt, daß
Lysol der neuen Eresolseife des Erlasses vom 19. Oktober 1907 überlegen ist,
im Gegensatz zu den Angaben des betreffenden Erlasses. Bpd.
Desinfektion der Hände und der Haut mittels Jodtetraehlorkohlen-
stoff und Dermagummlt» Von Dr. Wederhake in Düsseldorf. Medizinische
Elinik; 1908, Nr. 34.
Eingehende Versuche über die Desinfektion mit Jodtetrachlorkohlenstoff
ergaben eine Eeimvermindernnu um 95<^/o, ein sehr zufriedenstellendes Besnltat,
was diesem Desinfektionsmittd den Vorzug vor anderen ^bt, zumal es autii
nicht feuergefährlich ist. Um eine vollständige Eeimfreiheit der Hände zu
bekommen, ging Verfasser noch weiter und es gelang ihm eine Eautschuklösnng
(Dermagummit) herzustellen, die der Haut so fest anhaftet, daß sie durch
keinen mechanischen Insult, wie eine Operation ihn mit sich bringt, von der
Haut entfernt werden kann. Er löst 4 g Parakautschnk in 100 g Tetrachlor¬
kohlenstoff auf und fügt hierzu 100 g Jodtetrachlorkohlenstoff (Jod. pur. 0,4,
Tetrachlorkohlenstoff 100). Die Desinfektion geht folgendermaßen vor sich: 1)
3 Minuten langes gründliches Beiben oder Bürsten mit Jodtetrachlorkohienston
(1,0:1000,0); 2) Uebergießen der Hände mit steriler Dermagummitlösnng und
gründliches Verreiben derselben. 3) Ev. Elbpudem mit Talk- oder Eaolin-
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Kleinere Mitteiliibgen ond Referate ane Zeitschriflen.
polrer. Vetlueer hat hiermit die besten Erfolge erzielt sowohl bei seinen
LalNnratoriiunsTersiiehen, als aneh bei zahlreichen Operationen. Nach 62 Ope¬
rationen hat er zu Versachszwecken einen sterilen Sddenfaden mehrmals darai
die Hand gezogen, mittels desselben Kulturen auf Agarplatten angelegt und
diese 5—6 Tage bebrttten lassen. Die höchste Zahl der aufge^Mgenoi Kulturen
betrug 88, wobei es sich größtenteils um Luftkeime handelte, die bei der
Operation unTormeidlich sud. Bpd.
Tersueho ttber die Desinfektion mit Antan*] Von Dr. A. Lleoy Morera,
Direktor del Laboriatorio Mlcrobiologico 7 de AndUsis del Hospital de Ninos
Pobres de Barcelona. Anais de Medicina, Barcelona, 1908, Nr. 6.
Um sich nach Einsicht der zahlreichen, teilweise sich günstig und teil¬
weise ungünstig äußernden Literatur über Autan ein eigenes Urteil über dessen
bakterizide Eigenschaft zu bilden, hat Verfasser unter Benutzung von Staphylo-
coccus pyogen, aureus, Kolibazilien, TyphusbaziHen, Pyocyaneus und Anthrax,
sowie Sputum als Testobjekte in einem Operationssaale von 93 cbm Versuche
angestelit. Bei Benutzung von einem die vorsdiriftsmäßige Menge um über¬
schreitenden Autanquantums wurde folgendes Besultat nach einer Entwicklungs-
dauer von 7 Stunden erzielt:
Sämtliche Teste mit Ausnahme des ^utums wurden nach einer Beob-
achtungszeit von 6 Tagen steril befunden. ^ dem Sputum konnte in einmn
Fall nach drei Tagen, in einem anderen nach vier Tagen Wachstum be¬
obachtet werden, während in Wattepfropfen aufgesaugtes eitriges Wundsekret
nickt sterilisiert wurde.
Verfasser kommt zum Schluß, daß mit Autan eine sehr gute Ober-
flächendesbfektion erreicht wird, wohingegen die Tiefenwirkung wie bei all«
Formaldebydverfahren nur gering ist; auch ist die Wirkung in den oberen
Teilen d« Raum« energischer als am Boden. Dr. A. Döll-Vokwinkel.
Zwei elnfaehe Deslnfektlonsverfahren durch Formaldebyd.i) (Autan-
und Permanganat-Formalin). Travail fait au Laboratoii de bactäriologie du
Bureau de salubritö. Von Dr. FrödöricBilliet. Bevue medicale de la
Suisse romande; 1908.
Verfasser vergleicht an Hand einiger praktischer Versuche das Autan-
verfahren und das Evans- und Busselsche Permanganat-Formalin-Ver¬
fahren in seiner Modifizierung nach Dörr und Baubitschek miteinander.
Ans einer vergleichenden Tabelle über die Entwicklung von Formal¬
dehyd bei Anwendung des Breslauer und der beiden genannten Verfahr«
geht hervor, daß mit Autan die größte Menge Formäldehyd pro Kubikeinheit
erzielt wird, dagegen die Menge des entwickelten Wasserdampfes geg«über
sämtlichen anderen Verfahren zurückbleibt.
Aus den angegebenen Versuchen schließt Verfasser, daß das Permanganat-
verfahren wirksamer sei, als die Autanmethode und in Anbetracht d« billiger«
Preises ersterem der Vorzug zu geben sei. Es ist hierbei jedoch zu berück¬
sichtigen, daß sämtliche Versuche in einem Baum ansgeführt wnrd«, welcher
keine besondere Abdichtung erfahren hat und daß die dem Autan zugesetzte
Wassermenge in keinem Falle der Vorschrift (80**/o) entsprach.
Bei dem ersten Versuch, bei dem 23 g Autan pro Kubikmeter mit un¬
gefähr der gleichen Menge Wasser übergossen wurde, war das Besultat ein
wesentlich besseres als bei den übrigen, in denen zwar bis zu 60 g Autan pro
Kubikmeter zur Verwendung kamen, dieselben jedoch mit der exorbitanten Menge
von bis zu 120**/o Wasser behandelt wurden. Aus der in der Einleitung ans¬
geführten Bemerkung, daß augenblicklich die Autankomponenten in der n««
Packung voneinander getrennt erhältlich seien, geht mit Berücksichtigung der
Versuchsanordnung hervor, daß die Arbeit selbst nicht mit dem heute noch
allein im Handel befindlichen neuen Autan ausgeführt wurde.
Dr. A. D öll-VohwinkeL
>) Siehe Beilage zu Nr. 17 d. Zeitschr., S. 166.
Kleinere Hitteilengen and Befente «ae Zeltsohrlften.
620
Ortehjglmie. Wnseerreraorgimg und AbvteeerboMliignng.
Die WehnnngsrerMltnlifle In Fmnkreieli mit kesenderer Berlek«
•lehtlgang der Stidte* Die Notwendigkeit^ billige Wohnnngen rlelkdpflgen
Fmlllen la llberlusen. Von Dr. Jaqaee Bertillon. Borne d* Hygiene
et de Police saoitaire; Bd. 80, Nr. 6.
Die Wühnnngarerh<niese der Stadt Paris sind nach Bertilion’s Ans-
fttbrnngen erheblich besser als die anderer eorop&ischer Orofist&dte. Han kennt
dort weder Eellerwohnnngen noch Schiafstelienweaen. Immerbia wohnt ein
grofier Teil der BerOlkernng in nogenftgenden Wohnnngen. In dem flbrigen
Frankreich sind die WohnnngsrerhUtnisse nicht so günstig wie in Paris. Am
besten sind sie in den mittleren Städten zwischen 50—100000 Einwohnern.
Kinderreiche Familien haben besonders Schwierigkeiten angemessene
Wohnnngen zn finden. Bertilion schlägt vor, die reichen Mittel prirater
Wohltätigkeit (Bothschild hatte allein 10 Millionen iür Arbeiterwohnnngen
gestiftet) nnr solchen Familien zu Gute kommen za lasse^ die mehr als
8 Kinder haben. Dr. Dehrn •Hannover.
DieBowton Honsesln London. VonG. Albreoht>Leipzig. Gesnndheits*
Ingenienr; 1908, Nr. 27.
Bis heute bat die Gesellschaft „Bowton Honses London* 6 Männerheime
als »Poor Men's Hotels* errichtet; das erste wnrde 1892 eröffnet and verfügt
über 484 Bettränme. Im letzten Jahre gewährt die Gesellschaft jede Nacht
durchschnittlich 4000 Männern Scblafstätte, Speisung und Erholung; Baum ist
für ca. 6000 vorhanden. Die Gesamtziffer der 1^6 vermieteten Betten betrug
1500000. Dr. Wolf*Marbarg,
Gartenstadt nnd Gesnndhelt. Von Dr. A. Fisch er•Karlsmhe. Verlag
von Baedeker and MOllor>Berlin.
Von dem Verlag wird eine Monographiensammlnng (Vorortsbibliothek)
heransgegeben, die das Ziel bat, die einzelnen Fragen des Vorortlebens zn
wOrtern nnd anf den verschiedenen Gebieten die Erfahmngen von Fachleuten
nutzbar an machen. Die vorliegende Abhandlung beschätigt sich zunächst
damit, die Entwicklung der Gartenstadtbewegnng zu schildern nnd namentlich
die Brfolge in England klarzulegen. Wenn aucm in Deutschland andere Ver*
hUtnisse sind, so ist Verfasser d^och der sicheren Hoffnung, daß auch hier in
den nächsten Jahren Gartenstädte, besonders aber Gartenvorstädte entstehen
werden; in Karlsruhe ist die Bewegung bereits im Gange. Um diese aber
zu unterstützen, stellt Verfasser von sozialhygienischem Standpunkte aus die
Forderung, die Gartenstadtgenossenscbaft möge auch die Mietskaserne in ihrer
Sieddung zulassen. _ Dr. Wolf-Marburg.
Voranschlag zur Abfindemng der ln Landesbanordnnngen bisher
ttblleben Grnndsfttze über die Bebaubarkeit des Gmnd nnd Bodens. Von
Prof. Ewald Genzmerin Danzig. Technisches Gcmeindeblatt; 1908, Nr. 5.
G. woist mit Becht darauf hin, daß die bisherigen Landcsbau-
Ordnungen In den Vorschriften betreffend unbebaut zu lassende Freifläche, zu¬
lässige Geschoßzahl und erforderliche Abstände an dem schweren Fehler kranken,
daß die Verhältnisse der größeren Städte mit den naturgemäß geringsten An¬
forderungen an die Hygiene auf die kleineren Orte übertragen werden, und
daß auch in diesen einer ungesunden Bauspekulation freier Spielraum gegeben
wird. „Sie setzen das Minimum der Bedeutung in der baulichen Ausnutzbarkeit
des Grund und Bodens fest,'* die Hoffnung aber, daß die örtlichen Bauordnungen
ans freiem Antriebe schärfer gestaltet werden, ist trügerisch. Deshalb
fordert G., es sollen die LandesbaupoUzeirorschriften vielmehr „das Maximum
der Beschränkungen allgemein festsetzen nnd erlauben, daß Erleichterungen
getroffen werden können.** Dem Unfug der Mietskasernen soll möglichst
gesteuert nnd der Bau von Einfamilienhäusern gefördert werden.
Dr. Liebetran-Hagen L .W.
Die Genebmlgnng von Entwttrfen für Stadtgesondheltswerke. Von
Privatdozent Max Knauff in Charlottenburg. Technisches Gemeindeblatt;
1906, Nr. 6.
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Kleinere MitteUangen nnd Beferate nne Zeltsehrlllen.
K n a n f f fahrt heftige Klage darüber, daß durch den veralteten Instanzen*
weg viellaoh die Ctenehniignng kommunaler hygienischer Anlagen (Kanalisation,
Wasser Werksanlagen etc.) eine unnötige und kostspielige Verzögerung erfi^e;
er fordert Einrichtung einer Zentralstelle (unter dem Minister des Innern
oder einem besonderen Gesundheitsministerinm), die hauptsächlich mit Ingenieuren
und Chemikern besetzt werden soll, während Aerzte nur eine Nebenrolle spielen
sollen, nnd an die sogleich vom Begiernngspräsidenten die Entwürfe unter
Innehaltnng bestimmter Fristen zum Endentscheid gehen sollen. (Die geringe
Beteiligung des ärztlichen Elementes an einer solchen zentralen Behörde dürfte
wohl verkehrt sein. Bef.) Dr. Liebetran*Hagen L W.
Ctofthrllehe Anordnung des Ueherlauflrohres eines Trinkwasser*
behSlters mit Schwimmkngelhahn» Von Ingenieur H. Goodson*Berlin.
Qesundheits • Ingenieur; 1908, Heft 29.
Verfasser teilt einen Fall mit, in welchem der Ueberlanf des Heißwasser-
rohrreserroirs an den dicht dabei liegenden Küchenabflußstrang angeschlossen
war. Dieser war balbverstopft, so daß er nur kleine Mengen Wasser auf einmal
abführen konnte. Infolgedessen trat die Flüssigkeit, sobald sie in der oberen
Etage in größerer Menge in das Ausgußbecken der Küche geschüttet wnrde,
dnrä das Deberlaufrohr in das Beservoir, wo sich bereits eine 10 cm hohe
Schlammmasse angesammelt hatte. Da das Heißwasser zum Spülen des Ge¬
schirrs etc. verwandt wurde, so kann man wohl verstehen, welche Folgen diesor
Mißstand hatte. Daher rät Verfasser, bei allen Anlagen derartige Fehler zu
vermeiden. Dr. Wolf*Marburg.
Eine neue Tauehelektrode. von Dr. Pleißner. Arbeiten ans dem
Kaiserlichen Gesundheitsamt; Band XXVUI, Heft 2. Berlin 1906^ Verlag
von Jnlins Springer.
Verfasser beschreibt eine neue Tauehelektrode, die zur Bestimmung des
elektrischen Leitvermögens des Wassers gebraucht werden soll, da die von
Kohlrausch nnd Ostwald angegebenen nicht genug Widerstandsfähigkeit
gegen Stoß nnd Erschütterung zeigen nnd auch nicht die Möglichkeit leichter
Beinhaltung bieten. Sie besteht ans einer weiten, unten offenen nnd oben mit
einem Eautscbukslopfen verschlossenen Glasröhre, in die eine zweite engere
Glasröhre so eingesetzt ist, daß von ihr ein Hohlranm abgetrennt wird und
sie selbst mit ihrem zu geschmolzenen Teil, der zwecks Beschwerung und sicherer
Stellung beim Eintauchen mit SchrotkOrnern angefUUt ist, frei in den Hoblraum
zu hängen kommt. Beim Eintauchen füllt sich der Hoblraum mit der zu unter¬
suchenden Flüssigkeit, wobei die Luft durch zwei SeitenlOcher entweicht.
Als Elektroden sind ungefähr in halber Höhe des Hohlraums an der Innen¬
wand des äußeren und der Außenwand des inneren Glasrohres zwei Zylinder
ans feinmaschigem Platindrahtnctz ein geschmolzen, die durch starke Platin*
drähte mit mehrdrähtigen Leitungsschnüren verbunden sind. Die Drähte gehen
ans dem Hohlraum durch die Wandungen der Glasröhren, mit denen sie ver*
schmolzen sind, zu den Bohrungen des Kantschukstopfens hinaus. Der Apparat
ist unabhängig von dem Volumen des ihn umgebenden Mediums; er gestattet
Messungen in einem kleinen Becher glas, wie in einem großen Faß. Er gestattet
auch Messungen in der Tiefe. Die Stellung der Tauehelektrode in dem zu
messenden Medium soll nach den gemachten Versuchen ohne Einfluß auf das
Besultat der Messung des elektrischen Leitvermögens sein. Angefeitigt wird
die Elektrode bei der Firma Blechmann nnd Burger; Berlin Nr. 24,
Auguststraße 3 a. _ Bpd.
Die Abwasserbeseitignng In den modernen Kadaver •Terniehtnngn-
und Verwertongsanstalten. Von Prof. Dr. T h i e s i n g. Arbeiten der Deutschen
Landwirtschaftsgesellschaft; Berlin 1908. Heft 139, S. 71.
Verfasser hat gelegentlich eines Preisausschreibens durch die Deutsche
Landwirtschaftsgescllscbaft für Apparate zur zweckmäßigen Verwertung nnd
Vernichtung von Tierkadavern nnd Abdeckereiabiällen die in Betracht
kommenden sechs Systeme der Kadaver*Vernichtangs- bezw. Verwertungs*
anstaltcu, Podewils, Greve, Venuleth und Ellenberger, Dr. Otte
und Co., Forschepiepe, Voigt geprüft und ist nach den Untersuchungs-
Kleinere WiteUnngen nnd Befente rae Zeitecfarifken.
681
ergebniesen zn dem Besaitete gekommen, daß, wenn man die in nngünstigem
Sirae beeinflasaenden Crtliehen Verb<nlsse berttcksicbtigt, im aUgemeinen die
Systeme den rem sanitären and technischen Standpunkte gestellten Anforderungen
genflgen. Wo dieses nicht der Fall war, wie bei den Systemen Dr. Otte a. Co.
and Forschepiepe lag der Fehler weniger bei den Systemen, wie bei den
nnzalänglichen Einrichtangen der Abdeckereien. Die Leistungen der Systeme
waren aber eben wegen der rerschiedenen ongUnstigen Verhältnisse keine
genügenden; nur da konnte ron einer ünschädlichmachang der Abwässer die
Bede sein, wo sie in die jeweilige Kanalisation entlassen wurden. Da aber
die im landwirtschaftlichen Interesse, also in ländlichen Gemeinden errichteten
Abdeckereien fast nie mit einer Kanalisation rechnen kOnnen, sondern vielfach
sogar eine äufierst wasserarme Vorflnt haben, so ist dies auch keine befriedigende
Lteung der Frage der Abwässerbeseitigung ans den Abdeckereien. Verfasser
geht dann auf die einzelnen Punkte, die zu fordern sind, ein und
macht zweckentsprechende Vorschläge. Fflr die richtige Wahl des Systems
kommen in erster Linie die Menge und die Beschaffenheit der Abwässer der
Vorflut in Betracht. Ihre Menge müßte durch Messungen festgestellt werden.
V<ni den Verfahren selbt seien die besten die biologischen, sowohl die natürliche
Berieselung, wie die künstlichen biologischen Verfahren, das Faulverfahren
und das Ozydationsverfahren. Bei der Berieselung müsse die Beschaffenheit
in Betracht gezogen; auch müßten gröbere Bestandteile vorher abgefangen
werden. Von den künstlichen biologischen Verfahren hält er das Faulverfahren
für das zweckmäßigere; dem Faulraum müßten aber Fettfänger vorgeschaltet
werden. Bei der hohen Konzentration der Abdeckereiwässer müßten die Ab¬
messungen der Beinigungsanlagen groß genug gewählt werden, und die ganze
AnlaM müßte so eingerichtet sein, daß sie in allen ihren Teilen ohne
Schinerigkeit erweitert werden könne. Bpd.
Gutaebten des Belchs-Gesundheitsrates über die Ableitung sjan-
baltlger Abwässer der Znekerrafflnerie su Dessau lu die Elbe. Bericht¬
erstatter: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bubner und Geh. Ober-Bcg.-Bat Prof.
Dr. V. Bnchka-Berlin. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Beiebsgesundheitsamt;
Baad XXVIil, Heft 2, 1908. Verlag von Julius Springer.
Ende Juni 1903 hatte sich in der Elbe ein plötzlichen Sterben von
Fischen gezeigt, weshalb die Fiscbcreiberechtigten eine Beschwerde gegen die
Zuckerraffinerio Dessau wegen Flußvernnreinigung durch Abwässer erhoben.
Es wurde auch in den Abwässern der Fabrik das Vorkommen von Zyanver-
bindungen festgestellt; das Herzoglich Anbaltische Ministerium veranlaßte daher
eine Begutachtung durch den Beichs-Gesundheitsrat. Durch genaue Untersuchun¬
gen und Ortbesichtigungen wurde festgeatellt, daß tatsächlich im Sommer 1908
ein Fiachaterben stattgefunden hatte, was höchstwahrscheinlich auf die giftigen
Abwässer zurückgelührt werden mußte, in denen in dem Jahre 1903 und 1904
häufig giftige Zyanverbindungen nachgewiesen waren. Die Fabrik war aber
laut Konzesaionsbedingungen verpfiiebtet, die Abwässer frei von schädiiehen
Bestandteilen abzuleiten. Auf Veranlassung der Aufsichtsbehörde hat dann
die Fabrik ein Verfahren zur Beinigung der Abwässer angewandt, das als
ausreichend bezeichnet werden mußte, denn seit April 1905 konnten
weder giftige noch ungiftige Zyanverbindungen mehr nachgewiesen werden.
Auf die Fragen der Begierung über die Schädlichkeit 1. von ganz geringen
Mengen von Zyan, 2. von Zyanwasserstoff und Alkalizyaniden, 3. von Zyan-Doppel-
Verbindungen, insbesondere Eisenzyanverbindungen, mußte geantwortet werden,
daß diese sämtlich von den Abwässern ferngeh^len werden müßten. Das gelbe
Blutlaugensalz gelte allerdings in geringen Mengen als ungiftig, aber es liege
doch die Mögliäkeit der Umbildung in giftige Zyanverbindungen vor. Die
Konzesaionsbedingungen wären also sinngemäß dahin zu ändern, daß „alle
Einzel • Abwässer, welche irgendwie Zyan enthalten können, nur nach vorheriger
Beinigung nnd bis auf Spuren frei von giftigen nnd ungiftigen Zyanverbindungen
abgeleitet werden dürfen“. Die augenblicklichen Einrichtungen der Fabrik
genügten, sofern keine Aenderung eintrete; es sei jedoch ständige Ueberwachung
am Platze. Die Fabrik müsse fortlaufende Untersuchungen machen, die in ein
dem Aufsichtsbeamten vorzulegendes Kontrollbuch eingetragen werden müßten.
Mindestens 2 mal monatlich sei eine unvermutete behördliche Untersuchung
notwendig. _ Bpd.
682
Kldnere lUttelliingwi imd Befente aiu Zdtsehriften.
GntMliteB d6f Belohs • GMui4h«litrmt6ty betreffeid die Teria>
refaüfMiif der Orla ud Kdtseha« direh fewerbllehe Abwlseer. Beriehi*
ersUtter: Qeh. Ober>Beg.«Bat Prof. Dr. t. Basohka*Berlin and Gtoh.
Med.«Bat Ministerialrat Prot Dr. Benk-Dresden. Arbeiten ans dem Kaiser*
liehen Gesundheitsamt: Band XXVni, Heft 2. 1908. Verlag yon Jolhu
Springer. Preis 4,40 Mark.
Schon seit langem bestehen ünanträgliohkeiten wegen Vemntelnigongen
der Floßlinfe der Orla nnd EOtsehan durch gewerbliche Abwisser, die in
yerschiedentlichen Beschwerden ftihrten. Bereits im Jahre 1888 nnd dann 1897
hatte sich der Beichsgesundheitsrat dazu gutachtlich geäußert nnd Vorschläge
sur Abstellung der Mißstände gemacht, die aber nnberhcksichtigt blieben. Da
auch die mit Anordnung der beteiligten Begierungen (S^sen-Weimar,
•Meiningen, >Altenbnrg) getroffenen Einrichtungen keinen Erfolg hatten, wurde
der Beichs-Qesnndheitsrat erneut um ein Gutachten gebeten. Er stellte fest,
daß besonders die Abwässer der Tuchfabriken und Gerbereien von Pflsneck
nnd Neustadt, dann auch die häuslichen Abwässer dieser Städte die Schuld
an der Verunreinigung yon KOtschau und Orla tragen. Es sei notwendig, in
beiden Städten die Abwässer zusammenzufassen nnd gemeinsam in geschlossenen
Kanälen nach unterhalb der Städte anznlogenden lUäranlagen zu leiten. Es
mflsse zunächst eine Versuchsanlage eingerichtet werden, um zu sehen, wie
die Abwässer nach ihrer Vermischung sich gegenseitig beinflnssen würden.
Falls die sofortige Ausführung der gesamten Anlage auf Schwierigkeiten stoße,
könne im Bahmen des Gesamtplanes eine schrittweise Ausführung zugestandea
werden, jedoch so, daß die Uär* und Beinigungsanlagen jeweUs der Menge
und Zusammensetzung der zu behandelnden Abwässer angepaßt sein müss^
Unter allen Umständen bedürfe der Betrieb der EJäranlagen einer fortlaufenden
sachverständigen Ueberwachung. Die Abwässer beider Städte müssen soweit
gereinigt sein, daß die Mischung yon Abwasser mit der Vorflut selbst bei
größter Schmutzwassermenge weder faule noch faulende Stoffe mitbringe
oder ausscheide. Das durch das Wasser der Orla yerschuldete gelegenüiwe
Auftreten yon Milzbrand ließe sich nur durch weitgehende Beinigung der
Abwässer durch Bodenfiltration yerhüten. Unabhängig yon diesen Vorsclüägen
müßten sofort Maßnahmen getroffen werden, die geeignet seien, die yorhandenen
Mißstände zu beseitigen, wie Verbot des Einweichens der Felle in der Orla
und KOtschau, sorgfältiger Betrieb und genaue Beaufsichtigung der bereits
yorhandenen fänzelklärnngen. periodische und nach einem unter den beteiligten
Begiemngen yereinbarten Plane auszuführende Beinigungen des Flußbettes.
_ Bpd.
Neue Erfahrungen auf dem Gebiete der MiUlbeseitlfung. Von ProL
Dr. Thiesing'Berlin. Gesundheits•Ingenieur; 1908, Nr. 80.
1. Der bislang üblichen Methode der Mttllaufsammlnng, dem sogenannten
Mischsystem, ist die getrennte Aufbewahrung nach dem Dreiteilnngsqmtem
hygienisch überlegen.
2. Das Dreiteilungssystem ermöglicht auch eine wirtschaftlich ratioadle
Beseitigung der Abfälle,
8. f^r die zweckmäßige Durchführung des Dreiteilungssystems empfiehlt
sich am meisten das Schema:
1. Asche,
2. Nahrungsabfälle,
8. sonstige Abfälle.
4. Die Einrichtung des Dreiteilungssystems setzt Erfahrung yorans,
nnd es erscheint deshalb zweckmäßig, sie nach dem Vorbilde Charlottoaburgs
unter gleichzeitiger Verstadtiiehong der Abfuhr einem leistungsfähigen Unter¬
nehmer zu übertragen mit dem Vorbehalt, daß das Unternehmen nach efaier
gewissen Frist unter bestimmten Bedingungen an die Gemeinde übergehen kann.
_ Dr. Wolf-Marburg.
Der Kampf gegen die Stechmücken. Von Fr. Begensberg-Stuttgart
Blätter für Volksgesnndheitspflcge; 1908, Nr. 6.
Die häufigste Art ist die gemeine Stechmücke (Culex pipiens L.); ferner
kommt noch yor die geringelte Stechmücke (C. annnlatns Senrk). Die Laryea
Xlein«n Mittetlongeii and Referate ans Zeitsehrifteo.
6S8
dieser beiden beimischen Arten leben xn Millionen in stehenden and ruhenden
CiewSssem. Die Bekimpfnng mnfi sich am rationellsten gegen die Eier and
Larven richten. Allgemeine fieschtong verdient das systematische Vorgehen
der Breslauer stEdtischen Behörden, das erireuUcherweise auch bereits an
andern Orten nachgeahmt ist. Hauptsache ist die Vernichtung der in Tttmpeb,
Regentonnen, Bassins usw. sich entwickelnden Larven und Pappen (Larvidd,
rohes Petroleum, Saprol oder Venol). Ferner müssen Tümpel, Sümpfe und
Oriben mit stehendem Wasser aasgetrocknet oder xngeschüttet werden, eventl.
sind sie so miteinander xn verbinden, dafi ein Abflufi stattfinden kann. Nach
lertiggestellter Anlage sollen die im Herbst, Winter und Frühjahr sich mit
Wasser füllenden Tümpel etc. mit Wasserpflanxen versehen, und außerdem
Fische und andere Mückenfeinde eingesetxt werden. Es wäre wünschenswert,
wenn die Behörden durch Belehrung des Publikums und finanxieUe Beihilfe
sich an der Bek&mpfung beteiligten. Dr. Wolf •Marburg.
H 7 |fl«ne der NaliriuigB* uad OenuesmlUeL
Ist der teuernde Ziehorlengenuss sleher absolut unsehldlieht Von
Dr. L. HorwitZ’Nümberg. Zeitschrift für neuere pbysikaL Medixin; 1908,
Nr. 10.
Die Autoren (Chemiker, Hygieniker, Aerxte etc.) sprechen sich seit der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis heute fast einstimmig in meist außer«
f ewöhnlich scharfen Worten gegen die Verwendung des Zichorienabsudes aus.
>ie früher enorm häufigen Verfälschungen sind auch heute noch lange nicht
verschwanden. Verfasser zitiert eine Anzahl neuerer absprechender Urteile
und widerlegt dann die wenigen Autoren, die hiermit nicht übereinstimmen.
Wenn der Zichorie auch die Herz und Nerven anregenden — und demgemäß
auch diese Organe eventuell schädigenden — Substaiuen vollkommen fehlen,
müssen doch, zamal nach Boruttaus experimentellen Arbeiten, die reichlich
vorhandenen und dem Körper in einfach gelöstem, elektrolytisch dlssoziertem
Zustande zageführten Kalisalze als das Herz schädigend angesehen werden.
Verfasser hat selbst bei ausgedehnten Versuchen sein Augenmerk hanpt-
sächlich auf die Verdauungsorgane gerichtet und gefunden, daß Zichorien¬
xusatz zum Kaffee besonders bei nervösen Magenstörungen aller Art, bei
Störungen, die mit Superazidität einhergehen, bei Magengeschwüren, Magen-
katarrhen mit verschiedenerlei Sekretionsverhältnissen, endlich akuten und
chronischen Darmkatarrhen verschiedener Art schlecht vertragen wird. Die
durch Zichorie hervorgerufenen Beschwerden (Magendrücken, Sodbrennen,
saurer Geschmack im Munde, selbst Uebelkeit und Brechneigung, sowie selbst
Durchfall) verschwanden mit Weglassung der Zichorie, um umgekehrt wieder
nufzutreten. Dazu kommt ,die Wertlosigkeit des Zicnorienabsudes in bezug
auf Anregung und Nährstoffgehalt, endlich der ... unangenehme... Geschmack
und Gerach“, die den Vorzug der Zichorie, ein wohlsdmeckendes, dunkleres
Getränk zu liefern, hundertfach anfwiegen. H. resümiert, daß mindestens
bei den recht zahlreichen Individuen, deren Magen- und Darmkanal eia
wenig reizbar ist, der dauernde Zichoriengenuß ebie erhöhte Reizbarkeit
leiqht hervorrnfen kann, die allmählich auch ihrerseits Beschwerden macht.
(Autoreferat).
Die Bewegung für reine Milch ln den Vereinigten Staaten. Von
Dr.Emst Schnitze in Hamburg-Großborstel. Archiv für Volkswohlfahrt;
Heft 8, 1908.
Die Vereinigten Staaten, namentlich Neuyork und die östlichen Staaten,
haben jetzt eine Bewegung aufznwelsen, die die größte Reinlichkeit in der
Nahrungsmittel-Versorgung verfolgt, nämlich die Bewegung für die Lieferung
reiner Milch. Früher wurde die Much einfach in offenen Kannen geliefert, die
auf dem Wege vom Kuhstall zum Verkäufer soviel Bakterien aumehmen und
entwickeln mochten, als sie wollten. Heute wird Me in Neuyork in dicht ver¬
schlossenen Flaschen geliefert und durch 800 städtische Beamte kontrolliert
und untersucht.
Im Städtchen Rochester trat man zuerst der Frage der Versorgung
der Stadt mit guter und reiner Milch näher; man begann mit der Pss^-
risiemng, setzte dann aber an Stelle dieses Verfahms die Rdnhaltnng
684
Kleinere Hitteilangen and Referate aus Zeitschriften.
und Ktthlbaltong von Anfang an. Der Erfolg war ein Sinken der Kinderstetb*
liohkeit um weni^tene 40in knizer Zeit.
Dem Beispiel Bochesters folgte Nenyork; jedoch ist hier ein heftiger
Kampf entbrannt zwischen den Anhängern der Pasteorisiernng and der der
anderen Methoden. Erstere behanpten, daß mit der Pasteorisiernng sehr gute
Erfolge erzielt seien nnd führen die von Mr. Nathan Strauß in Nenyork ins
Leben gernfenen Milchverkanfsstellon als Beweis an. Die Gegner behaopten
anderseits, daß diese Miichverkaafsstellen gewiß viel Gates getan, daß dies
aber hauptsächlich durch die Methode der Beinlichkeit, die nicht eine Eigen*
tttmlichkeit nur des Pastearisierungsverfahrens allein sei, erzielt worden lei
und dadurch, daß man den Mttttern auf ihren Wunseh Anweisnng zur Be*
handlang der Milch gegeben habe. Der Nenyorker Milchausschnß hat sieh
ebenfalls in diesem Sinne ausgesprochen und gleichzeitig die Forderung auf*
gestellt, an Stelle der Pasteurisierung lieber die Deberwachung der eingeUmeitea
Milch und der Milchkühe durch städtische Inspektoren zu verstärken, gleieh*
zeitig aber auch die der Straufischen MilohVerkaufsstellen zu vermehren.
Bis jetzt beschäftigt die Stadt SO städtische Inspektoren, von denen
die eine Hälfte die Behandlung und den Verkauf der Milch in den Läden und
Straßen Überwachte, und deren Tätigkeit bereits aut den vier großen Bahn*
hofen beginnt. Die andere Hälfte hat die Aufgabe, den Zustand der Meiereien,
welche den Milchbedarf der Biesenstadt decken, ständig zu kontrollieren. Auch
deren Tätigkeit ist keine leichte, wenn man bedenkt, daß die Milch nnd Sahne
ans einer Entfernung von 600 km und noch weiter (aus Kanada) per Eisenbahn
nach Nenyork transportiert wird. Es wird noch hervorgehoben, daß sie an
die Meiereibesitzer Anweisungen verteilen, die diesen zeigen soUen, wie eb
Kuhstall gehalten werden müsse, daß das Milchvieh, die Milch und das mit
derselben hantierende Personal sich der grSßten Beinlichkeit zu befleißigen
habe und die möglichste Kühlhaltung der Milch unbedingt gefordert werae,
will nicht der Besiuer Gefahr laufen, daß seine Milch bei der Einlieferung in
Nenyork zurttckgewiesen werde.
Man beabsichtigt ein Bandes-MUchgesetz einzubringen. das für das
ganze Gebiet der Union nicht nur die Verdünnnnu der Milcn mit Wasser,
sondern auch ihre Verunreinigung infolge mangelnder Sorgfalt unter Strafe
stellen will. Dr. Kypke*Barcharai-Bitbarg.
Untenuchnugsergehniss Uber die tu Montevideo elngefdhrte Milch.
Von H. van deVenne. Bevisla de la SeccionApronomdadelaUniversidad
de Montevideo; Nr. II, Dezember 1907, S. 160—194.
Verfasser hat 100 Milebproben, die er teils aus den MUchniederlasoi
in der Stadt, teils von den mit einem Wägelchen oder Pferde herumziehenden
Milchhändler in Montevidio, teils gleich auf dem Bahnhof bei der Ankunft des
vom Lande hergelieferten Anteils entnommen und auf Bakteriengehalt, Sänr^
grad, Fettgehalt and Genußbrauchbarkeit untersucht Keine einzige Probe
war vor dem Verkauf einer Sterilisation, Pasteurisierung oder Durchkochuag
unterzogen, dagegen fand sich bei einzelnen (6) ein Säuregrad, der mit der
geringen Bakterienzahl in solchem MinderverhÜtnIs stand, daß Hinzufttgüig
eines Desinfektionsmittels anzunehmen war.
Der Fettgehalt war im allgemeinen gering, was darauf zurttekzu-
ftthren ist, daß es in Uruguay landesüblich ist, die Kälber nicht abznsetzo,
und die Kühe nur zum Teil auszumelken, sodaß gerade die fettreichere Portitw
gegen Ende der Euterentlehrung für das Kalb zurttdcbleibt. Prozentgebalts
von 2,2 **/o Fett sind daher auch als normal zu betrachten und erst darunter
beginnt der Verdacht an Verdünnung. — Der Bakteriengehalt schwankte
in weiten Grenzen; von 88 Proben waren 2 verflüssigt, 15 enthielten weniger
als 500000 Keime pro ccm, 30 je 1—10 Millionen, 21 je 10—160 Millionen,
21 sogar noch mehr. Die im höheren Sommer entnommenen Proben hatten die
höheren Zahlen, wobei der prozentische Anteil der peptonisierenden Baktnnn
besonders groß war.
Bei der Bestimmung der Säuregrade wurde vergleichswetse die
Untersuchung auf Gerinnung bei Vermischung mit 50 **/• Alkohu nach Grosse*
Bohle vorgenommen. Die von diesem Autor vorgenommene Gruppierung hat
sich nicht ganz stichhaltig erwiesen. Die begneme Ermittelung hochgradig
Kleioero Mitteibogen and Beferate ans Zdtachrilten.
685
Teraäaerier Milch (Aber 11 S&nregrade) miUela Znaatz des halben Volumens
50 ‘/* Alkohol läfit aber dieses Verfahren nodi praktisch brauchbar erscheinen.
Soldie Milch kann also sofort ganz ungeeignet bezeichnet werden.
Insgesamt masten Ton 87 genau untersuchten Proben 82,2 ’/o als durch*
ans ungeeignet zu menschlichem Genuß bezeichnet werden, und nur 50,6 **/»
konnten, mit geringen Schwankungen der Werte, als geeignet gelten, wenn auch
nur Ittr Erwachsene; der Best war verdtinnt oder sonst bedenklich.
Dr. P. Speiser-Sierakowitz.
SAnglingspflege.
Die Pnsteurlslenug der Sängilngsmilelu Von Dr. A. Luerssen*
Berlin. Blätter fttr Volksgesundheitspflege; 1908, Mr. 7.
Die Erfolge, welche N. Strauß-Neuyork mit der Pasteurisierung
der Sänglingsmilch gehabt hat, sind derart, daß eine Einführung dieses Ver*
fahrens wünschenswert erscheint. Es wird folgendermaßen gehandhabt: Die
beste Bohmildi, die jeweilig an dem betreffenden Orte zu haben ist, wird sofort
nach Empfang (früh morgens) ftltriett und auf einem Weliblechkübler auf
etwa 2—8** C. abgekühlt. Sodann werden in besonderen Behäitern und unter
Zuhilfenahme besonderer Maschinen (Separator, Schleimkocher) die Mischungen
nach bewährten Bezepten amerikanischer Aerzte hergestellt; es kann jedoch
jeder Arzt Milch nach seinem Bezept für seine Paüenten herstellen lassen.
Die Milch oder die Milchmischungen werden in den Behälter des Füllapparates
gegossen. Unter diesen wird ein Korb .mit Fiaschen bis zu 886 Stück geschoben,
die sich auf einen Hebeldrnck automatisch bis zu der gewünschten Marke
füllen. Die Fiaschen sind so groß, daß sie je nur eine Mahlzeit enthalten.
Nach dem Füllen werden die Flaschen leicht gekorkt. Der Stopfen trägt bis
zur halben Höhe eine Bille, durch die während der Pasteurisierung Luft und
Dämpfe entweichen können. Behufs Pasteurisierung kommen die Flaschen in
einen einfachen Wärmeschrank, werden darin bis auf 70’ C. erhitzt und dann
20 Minuten in dieser Temperatur belassen. Zur Kontrolle steckt in einem der
Fläschchen ein Thermometer; darauf werden die Fiaschen sofort mit dem
ScUägei fest zugekorkt, rasch bis auf 6 oder 6’ C. abgektthlt und schließlich
in einen Eisschrank getan.
Bei der Abgiure einer Tagesmenge wird jedesmal ein Stück Eis zur
Kühlung mitgegeben. Familien, die keine Etthlrorrichtung besitzen, können
einen einfachen Eiskühlkasten entleihen. Die gebrauchten Flaschen werden
Torgebürstet, sterilisiert und nachgespült in Apparaten, die es gestatten, mit
einer großen Menge gleichzeitig zu arbeiten. Die Pasteurisiernngsanlage
arbeitet so schnell, daß in etwa einer Stunde bis zu 2000 Flaschen Milch
fertiggestelit werden können. Die Mischung und Pasteurisierung der Milch
ist im großen auch nicht teuer; die fertige Milch kostet etwa 20 bis 25 Pfennig,
wenn die Bobmilch 16 bis 18 Pfennig kostet. Für die Pasteurisierung in
einem einzelnen Haushalt ist ein Pasteurisiertopf bestimmt. Neben der Sänglings¬
milch geben die Strauß sehen Anstalten auch pasteurisierte Vollmilch in
Flaschen und Gläsern ab; auch Butter wird ans pasteurisierter Milch hergestellt.
__ Dr. Wolf-Marburg.
Kefirmileh als Slngllngsnahrnng. Von Dr. Dresler-EieL Medi*
rinisehe Klinik; 1908, Nr. 27.
Bei den günstigen Erfahrungen, die Ton den meisten Autoren mit Kefir
als Nähr- und Heilmittel bei den yerschiedensten Erkrankungen gemacht sind,
hat sich Verfasser veranlaßt gefühlt, es auf seine Fähigkeiten zur Verwendung
als Sänglingsnabrung zu prüfen, worüber bis Jetzt nur sehr wenige Versuche
angestellt sind. Während Monti, der einzige, der größere Versuche an-
gestelit hat, über sehr gute Erfolge berichtet, widerraten andere, wie Leyy und
Metschnikoff besonders wegen des Alkoholgehaltes des Kefirs von 0,5—1,6 ’/o.
Verfasser hat nun zur Herstellung der Kefirimch, die er zu seinen Versuchen
brauchte, ein besonderes Verfahren angewendet, das sehr einfach war und
Kefir von nur 0,1’/o Alkohol lieferte, das aber alle guten Eigenschaften, die
verlangt wurden, besaß. Inbezug auf die Einzelheiten der Herstellungsweise
verweise ich auf den Artikel selbst. Der Kefir wurde vorzüglich vertragen;
erkrankte Kinder zeigten eine schnelle Besserung, die Gewi<mtssunahme war
636
Kldaere Hitteflongen and Bofente nas Zeltsebriftea.
eine sehr rate. Nach seiner Ansicht hat er durch Eefinniloh manches Kind
gerettet, das bei der sozialen Lage der Eltern zugrande gegangen wlre.
Seine Erfahrongen faßt er in folgenden Sätzen zasammen:
1. Die Kefirmilch ist wegen der Billigkeit, Zarerlässigkeit and Einfach¬
heit ihrer Einrichtong allen Saaermilchpräparaten Torzuziehen.
2. Die Kefirmilch stellt ein vorzügliches Nahrungsmittel für gesunde
und kranke Säuglinge dar.
8. Die Kefirmilch ist wegen ihrer Billigkeit die Säuglingsnahrung der
armen Familien.
4. Die Kefirmilch ist berufen, bei Bekämpfung der Säuglinnsterblich-
keit hervorragende Dienste zu leisten. Bpd.
Dns Siuglingslielm lu Bannen. Von Dr. Th. Hoffa. Zeitschrift
t Säuglingsfürsorge; 1908, Nr. 6—6.
Das neue Säuglingsheim in Barmen ist am 1. Mai 1^07 eiOifhet und
seiner Bestimmung übergeben worden. Die neue Anstalt ist wohl die erste,
die in Deutschland in einem eigens zu diesem Zweck errichteten Gebäude unter-
gebracht ist.*) Sie hat infolg^essen vielseitiges Interesse erweckt und schon
jetzt recht zahlreiche Besuäer herbeigeftthrt. Das Erdgeschoß dient den
Zwecken der Krippe. Hier werden Kinder tagsüber verpflegt, und zwar so¬
wohl Säuglinge, die größtenteils von ihren Müttern teilweise (morgens, mit¬
tags und abends) gestillt werden, als auch ältere Kinder von 1—8 Jahren.
Im 1. Stockwerk ist das eigentliche Säuglinraheim untergebracht, das Säug¬
linge zu dauernder Verpflegung für Tag und Nacht aufnimmt. Um die Ein¬
schleppung ansteckender Krankheiten nach MOglchkeit zu verhüten, werden
die neu zugebenden Säuglinge zunächst in sogen. Beobachtungsränme, den 8
wesentlichen Bäumen an der Südseite, untergebracht. Die üebersicht über
diese 8 kleinen Bäume ist dadurch sehr erleichtert, daß die Zwischenwände zu
einem großen Teil aus Glas bestehen. Erst nach 14 Tagen bis 8 Wochen
werden sie dann in die beiden größeren Säle verlegt. Das Kinderbett ist das
von Schloßmann modifizierte Baginskische Bett. Unter jedem Bett
hängt die Badewanne, in der Badetuch, Badethermometer und Seife auf-
bewahrt werden. Unter jedem Bett liegt ferner in aufgerolltem Zustand die
Billrothbattist-Unterlage, die dann benutzt wird, wenn das Kind auf der
Wickelkommode untersucht oder (nach dem Bad) abgetrocknet und bekleidet
wird. Im allgemeinen werden die Säuglinge im Bett trocken gelegt, weil
dabei die Infektionsgefahr am geringsten ist. Im übrigen ist die Ausstattung
der Bäume, die seit Schloßmann übliche (Uhr, Wage, Windeleimer, Vor*
bandstoffeimer usw.).
Im Anschluß daran wird über den Betrieb und die Diätetik berichtet;
außerdem werden die Bestimmungen mitgeteilt betr. Aufaiahme von Kindera
sowie von Mädchen zur Aasbildung. Dr. Wolf-Marburg.
Ueber die stßrenden Einwirkungen von Brotsuppen (Abkeehangen von
Brot ln Wasser) auf die Ernährung und Entwicklung Junger Organismen.
Von G. Variot und P. Lassabliäre. Comptes rendus de la soc. bioL;
LXV, 1908, Nr. 24.
Bei Kindern, die ausschließlich mit Brotsuppen ernährt werden, findet
man oft beträchtliche Erweiterung von Magen und Darm, dicken Lmb, Ver¬
zögerung im Wachstum, Anschwellung der Epiphysen, rachitischen Bosenkranz,
Fersistieren der Fontanelle.
Den Autoren gelang es nun, durch ausschließliche Brotsuppenfütterung
— junge Tiere wurden bloß mit Brot ernährt, das in Wasser anfgeweidit und
gekocht war — an Hunden dieselben Bilder zu erzeugen, wie sie bei Kindern
Vorkommen. Bei den Tieren, die im Laufe solcher Unternährung starbms,
fanden sie überdies Bronchopneumonien, Erweiterung des Magendarmkanals,
Verrinrarura der Skelettentwicklung, beträchtliche Deminerallsation der Knochen.
Die Untersuchungen bestätigten aufs Nene, daß die bei Armen in der
*) Inzwischen ist ein weiteres in München eröffnet worden. (Anm. der
Bedaktion.)
- Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften.
687
Kinderemähmng so hSnfig angewandten Brotsuppen ein fttr die Entwiokelong
und die Qesondheit junger Organismen unzureichendes Nahrungsmittel darstellen.
_ Dr. Mayer-Simmern.
Die stXdtisehe Sftnglingsflirsorge ln Berlin. Von Dr. Qust. Tugend*
reich*Berlin. Archir für Volkswohllahrt; 1908, Heft 9.
Während der Erwachsene eine Zeitlang sich unzureichend oder unzweck*
mäßig ernähren und unter unhygienischen Verhältnissen leben kann, ohne
dauernde Schädigung seiner Gesundheit, setzt bei dem Säugling aui^ eine
Tortibergehende, unzweckmäßige Ernährung, eine unhygienische Pflege gewOhn*
Uch Schädigungen, die nicht mehr zu beheben sind. Damm ist fttr den Säug*
ling die Prophylaxe von allergrößter Bedeutung, die im wesentlichen auf der
Stetigkeit in zweckmäßiger Ernährung und Pflege beruht. Man schätzt fttr
Berlin die in diesem Sinne fürsorgebedarftigen Säuglinge auf 25—80000.
Fttr die der öffentlichen Armen- und Krankenpflege unterstehenden
Säuglinge sind das Kinderasyl und die Säuglingsstation des Bummelsberger
Waisenhauses zur Verfttgung gestellt. Sobald die erkrankt gewesenen Säug¬
linge sich in der Rekonvaleszenz befinden, gibt sie die Stadt in Außenpflege
an Haltefrauen gegen monatliches Entgelt von 20—30 Mark. Diese Halte¬
frauen werden von 8 städtischen Aerzten bezirksweise monatlich ehimal kon¬
trolliert. Hierin werden sie untersttttzt von 10 städtischen Aufsichtsdamen
(„ W aisenhelferinnen“ ).
Außer diesen von der Stadt untergebrachten Kindern gibt es noch eine
viel größere Menge Kinder, die von ihren Müttern direkt an Haltefrauen ab¬
gegeben werden und über diese ttbt die Polizei die Aufsicht aus durch die
&ei8ärzte und polizeiliche Aufsichtsdamen.
Fttr die ungleich größere Schaar fürsorgebedttrftiger Säuglinge von
solchen Eltern, die nicht so arm sind, daiß sie überhaupt nichts zur Pflege
beisteuern könnten (Arbeiter, kleine Beamte und Geschäftsleute) können
seitens der Kommune nur Beihilfen gewährt werden. Zu diesem Zwecke sind
seit 1905 7 Säuglingsfürsorgesteilen errichtet worden, in denen Eanderspezial-
ärzte täglich Sprechstunden abhalten und in erster Linie darauf hinwirken
sollen, daß die Mütter ihre EÜnder selbst stillen. Daneben wird den künst¬
lich ernährten Kindern gute, ärztlich kontrollierte Milch zu ermäßigten
Preisen geliefert.
Die Tätigkeit dieser Fttrsorgestellen gestaltet sich folgendermaßen:
Zunächst gelangen die Säuglinge aus dem Wartezimmer in das Wiegezimmer,
von hier in das ärztliche Ordinationszimmer, wo sie untersucht, die Mutter
aufs genaueste über Ernährung und Pflege instruiert, und gleichzeitig über eine
zu gewährende Unterstützung entschieden wird. Diese besteht fttr stUlende
Matter in Gewährung einer „Stillprämie*^ (Geld oder Naturalien); die Flaschen¬
kinder erhalten gute Kindermilch zu 20 Pfg. pro Liter.
Neben dieser Anstaltstätigkeit entfalten die Fttrsorgestellen noch eine
rege Außentätigkeit, die von Recherchedamen versehen wird. Diese sollen
niät ausschließlich die Bedürftigkeit ermitteln, sondern sich auch von der
Befolgung der ärztlichen Ratschläge überzeugen und, wo nötig, die Pflege
und Zubereitung der Nahrung für den Säugling demonstrieren.
Ein abschließendes Urteil läßt sich im Hinblick auf die kurze Zeit des
Bestehens noch nicht abgeben. Dr. Kypke-Burchardi-Bitburg.
SohoUiyglene.
fNiruitennehnng bei Sehnlkindem. Von Prof. Dr. Preysing-Cöln.
Zentralblatt fttr allgemeine Gesundheitspflege; 5. und 6. Heft, 1^8.
In der Schule wird leider noch wenig Wert auf eine regelmäßige und
grttndliche Untersuchung der Obren gelegt, obwohl letztere durchaus notwendig
tot, wie daraus hervorgeht, daß durchschnittlich etwa 80 *>/o Volksschulkinder
schwerhörig sind, darunter 2 "/o mit schwerem Ohrleiden, wie mannigfache
Statistiken dartun, und daß etwa die Hälfte aller dieser seWerhörigen Kinder
durch ärztliche Behandlung geheilt oder gebessert werden kann. Auch die
pädagogische Seite ist besonders beachtenswert; denn der Nachteil der
Schwerhörigkeit fttr den Unterricht liegt auf der Hand. Schließlich verdient
hervorgehoben zu werden, daß etwa 1 "/o der Gestellungspflichtigen militär-
638
Kleinere Mitteilungen nnd Referate aas Zeitschriften. •
dienstmitauglich gefunden werden wegen Erkranknng der Ohren und dafl ein
Teil dieser ontanglichen bei frühzeitiger Beanfsichtignsg nnd Behandlung Tor
den schwereren Ohrerkrankongen hätte geschützt werden können.
Die Wichtigkeit der Ohrnntersachnngen der Schulkinder ist ärztlicherseits
l&ngst erkannt; praktisch ist bei uns in dieser Beziehung noch nicht viel
geschehen. Es wirft sich die Frage auf, wer die Untersuchung Tomehmen
soU, der Schularzt oder der Ohrenarzt, oder beide. Nor für große
Gemeinwesen wird die Anstellung eines Schnlarztes angängig sein. Jedenfalls
muß die technische Ausführung der Untersuchung gleichmäßig nnd einheitlich
sein. Zu beachten ist die kleine Schrift der deutschen Otologischen GesellschaR:
.Methode der Ohr Untersuchung bei Schulkindern“. Wenn der Schularzt hiernach
die Voruntersuchung (Qehörprüfang mit Flüstersprache) ausführt, so sind alle
sshlechthürenden, d. h. solche, die Flüstersprache unter 2 m hören, ohren¬
ärztlich nachzunntersuchen. Kinder mit kranken und bebandlungsbedttrftigea
Ohren sollen durch den Schulleiter ihren Eitern bezeichnet werden. Wichtig
ist, daß die Lehrer in richtiger Weise interessiert werden. Arzt nnd Lehrer
müssen bestimmen, welche von den schwerhörigen Kindern im Unterricht in
der Nähe des Lehrers sitzen sollen, welche einer Schwerhörigen-Klasse, einer
Taubstummenanstalt, einer Klasse für zurückgebliebene Kinder oder einem
Idiotenheim überwiesen werden müssen, ln München und Berlin sind probe¬
weise Schwerhörigen-Klassen eingerichtet, die sich gut bewährt hab^; es
kommen dabei auf jeden Lehrer 2 Abteilungen zu 5 Kindern.
Wenn man bedenkt, daß in Deutschland im Jahre 1880 Ton den Taub-
stommen nur 42,6 ^/o erwerbsfähig waren nnd diese Zahl im Jahre 1900 sich
auf 70,2 °/o gehoben bat, so kann man daraus schließen, welche Erfolge auf
dem Gebiete der Ohrkrankheiten zu erzielen sind.
_Dr. Solbrig-Allenstein.
Kurzsiehtlgkeft und Ihre Terhtttung. Von Prof. Dr. Best in Breslau.
Münchener Wochenschrift; 1908, Nr. 29 und 30.
Verfasser beschäftigt sich in längeren, äußerst interessanten Ausführungen
mit der Theorie der Karzsichtigkeitsentstehung nnd stellt als Quintessenz des
praktischen Teiles der Abhandlung fest: Nor die Nahearbeit, Lesen und
Schreiben und teilweise Handarbeit, macht das wachsende Auge unseres Kindes
kurzsichtig. Vielwesentlicher als dieSorgefürguteBelenchtung
istdieEinschränkung des Lesens nnd Schreibens (Abschaffung
des deutschen Alphabets) und die Verbreitung dieser Kennt¬
nis in allen Bevölkcrungskreisen. Dr. Waibei-Kempten.
Die Schulzahnpflege. Gesundheit; Jabrg. 83, Nr. 10.
Die Schulzahnflcge gehört ohne Zweifel zu den Fragen, die gegenwärtig
nicht nur die medizinischen Fachkreise, sondern auch die Laienkreise im weit¬
gehendsten Maße beschäftigt. Es ist unbedingt nötig, daß von seiten der
Schule, also der Gemeinde bezw. des Staates, diesen Punkten die Aufmerksam¬
keit geschenkt wird, die sie verdient. Die Verbreitung der von dem Verein
hessischer Zahnärzte heraasgegebenen Aufsätze betr. Belehrung über Zahn-
gieno der Schuljugend ist wünschenswert. Die Behandlung der Zähne muß
aber auch in der Fortbildungsschule und Armee Eingang finden. Die Frage:
Schulzahnklinik oder ein Ersatz dafür? ist Us jetzt noch nicht geklärt.
_ Dr. Woll-Maxbuig.
Die freiere Gestaltung der Oberklassen der bßberen Schuleu vom
Standpunkt der Hygiene. Von Sanitätsrat Dr. Benda-ßerlia. Zeitschrift
für Scbnlgesnndheitspflege; 1908, Nr. 5.
Verfasser wünscht, daß die hygienische Bedeutung der Frage eber
freieren Qestaltnog der Oberstufe der höheren Lehranstalten bei den Sdbul-
bygenikern mehr Beachtung finde. Die geistige Ueberanstrengong der Schttleir
kommt nach Ansicht des Verfassers hanptsächlich dadurch zu Stande, daß die
iadividBrllen Anlagen der Schüler, ihre Neigungen nnd Interessen gar kehm
BerUckaichtigong finden; gerade aber in der Beschäftigung mit einem au^e-
Klnnwe HitleUoBgeii and Referate ans Zeiteeh rift a n .
489
■ Oegenotaad liegt eine grofie AnipoaiiaBg 4 m GMsteo, die noch
dasn Ton Jünglingen verlangt wird, deren „psychische und ptaysiache Um*
bildong noch nicht vollendet ist, and bei denen Störaugen des seelischen
Gleichgewichts häufig aoltreten“. Verfasser verlangt daram eine Entlastong
der Oberstafe in dem Sinne, daß den Schülern die größtmöglichste Freiheit
io der Wahl der Lehrgegenslände gewährt wird, and daß bei dem Abitarienten-
examen auch gute Leistungen in Nebenfächern für angenügende Leistung in
einem Hauptfach zam Ausgleich dienen können, ln der Frima des Gymnasiums
za Straßbarg i. P. ist dazu ein praktischer Versuch gemacht durch die Spaltung
der Schüler in eine mehr philologische und eine mehr mathematische Groppe;
bemerkenswert ist, daß von 29 Schülern 24 sich der ersteren, nur ö der
letzteren Grappe zugewandt haben. Beide Groppen geben aber in ihren Zielen
nach Ansicht des Verfassers viel za weit and bedeuten mehr eine Be- als eine
Entlastung. Verfasser verlangt für die Oberstafe auch andere Schulgesetze
and andere Unterrichtsmaximen als für die Sextaner, da das Gefühl der Un¬
freiheit and des Druckes in uuerfroalichster Weise auf die Gemütsstimmang
der jungen Leute ein wirke. Dr. Solbrig-AUeostein.
Die Fflrsorge für die gchalentlassene Jagend. Von Geh. Admiralitäts-
Eat Dr. Feilsch. Deutsche Aerzte-Zeitung; 1908, H. 8 und 4.
Als ganz besonders geeignetes Hilfspersonal bei der Fürsorge für die
schalentlassene Jagend empfiehlt Verfasser das Pflegersystem, waches das
Grundprinzip des Berliner „Freiwilligen Erzichungsbeirats für schulentlassene
Waisen*^ ist. Dieser Verein bringt 1500 bis 1600 Waisenkinder in jedem Jahre
unter und behält sie dann noch 4 Jahre in Pflegschaft; er beschäftigt za diesem
Zweck ebensoviel Pfleger und Pflegerinnen, laßt durch 150 Veretnsärzte os-
entgeltlich die Pfleglinge untersucheu und bebandelo, sowie ihnen durch hundert
fachmännische Beistände Bat und Belehrung für die einzelnen Zweige der ver¬
schiedenen Berufe gewahren. Uoborhaupt ist es von der größten Wichtigkeit,
Aaß das Ergreifen eines falschen Berufs vermieden wird; deshalb soll neben
der ärztlichen Untersuchung auf die körperliche Geeignetheit eine Belehrung
über die Berufsgefabren etc. rechtzeitig eintreton. Dafür zu sorgen, wäre die
Pflicht solcher Pfleger, die sich in den Dienst der schulentlassenen Jugend
stellen wollen. Aach für die Beschaffung einer geeigneten Lehr-, Dienst- oder
Arbeitsstelle müßten die Pfleger sorgen, event. mit Hilfe fachmännischen Bei¬
standes. Ist das geschehen, so hätte sich eine liebevolle Beratung für die
nächsten 4 Jahre anzuschUeßen, damit der Pflegling in guten Beziehungen mit
seinem Lehrherrn bleibt und eine geordnete Ausbildung erfährt. Daneben
sollen die weiteren großen Bestrebungen sozialer Art gehen: die Wohnange-
fürsorge, welche für die schulentlassono Jugend die besondere Gestalt der
Lehrlingsbeime, der Fabrikpensionate, der Mädchenheime, der Arbeiterheime etc.
annimmt; die Verbesserung der Volksbildung; die Weckung des Sparsinns und
Verbesserung der Spargelegenhciteu; die Förderong der Mäßigkeitsbestrebungen
etc. etc. Verfasser ist überzeugt, daß sich bei gutem Willen alle diese Be
strebongen selbst in läudiiehen Yerbältnissen durchführen lassen würden.
Dr. Elare-Hoina (Bez. Cassel).
Anleitong zar hygienischen Erziehang. Von Frau Dr. Wilfa. Geißler,
Waldheim bei Luzern, Zeitschrift für Schnlgesnndheitspflege; 1908, Nr. 4.
Eine bessere hygienisch« Erziehang für unsere Jugend durch die Schule,
verlangt Verfasserin, uud zwar nicht nur die Verbreitung theoretischer Kenntnisse
sondern das Erreichen hygienisch vernünftigen Bouehmens. In ihrem Erziehungs-
Institut bedient sie sich hierzu einer eigenen Methode: Indem sie auf die
Neigung des Kindes baut, gute Lehren an andere Kinder weiterzugeben, ernennt
sie in den Klassen verständigere Kinder als Augen wart, als Trink- und Eßwart,
als Beinlichkeitswart, die unier ihren Genossinnen auf Befolgung der betreffenden
hygienischen Begeln zu achten haben. Natürlich sind diese Kinder erst selbst
darin unterwiesen; das Amt soll außerdem wechseln, damit die Kinder sich um so
mehr daran gewöhnen. „Die frühe Gewohnheit ist das Beste und Richtigste;
die spätere Belehrung soll sich daran auschiießen und findet an der vernünftigen
Gewohnheit die beste Stütze“. Dr. Solbrig-AUenstein.
640
BUeinere Mitteilangen and Referate aoe Zeitschriften.
Wormser Erholugshelm für krXnkliehey sehwielillehe SohalkiBdor.
YonG. Bttttner -Worms. Zeitschrift für Scholgesandheitspflege; 1608, Nr. 6.
Ycrfasser gibt einen üebcrblick ttber die Mittel and Wege, die der
„Verein Ittr Gesundheitspflege armer, kränklicher Schulkinder“ in Worms gefundmi
hat, um im Laufe von 4 Jahren ein Erholungsheim einznrichten, das etwa
600 erholunesbedttrftigcn Kindern im Laufe des Jahres Aufnahme gewähren
soU. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 75000 Mark, die Betriebskosten
werden, unter Hinzurechnung von Verzinsung und Amortisation, auf 1,09 Mark
pro Tag und Kind angenommen. An die Kurdauer, die in 4 wöchentlichem
Turnus, eventl. länger, stattfinden soli, wird sich in geeigneten Fällen eine
Nachpflege durch Milch, Bäder u. a. anscbließen. Eine neugebildete Wohnun^-
inspektion wird mit dem Verein gemeinsam arbeiten. — Das Erholungsheim
wird im Laufe des nächsten Jahres eröffnet. Dr. Solbrig*Allenstein.
Sehnllrztllehe Erfahmngeii* Von Dr. med. Bayerthal, Nervenarzt
und Schularzt der städtischen Hilfsschule in Worms. Psychiatrisch • Neuro¬
logische Wochenschrift; IX, 43/44.
Aus dem reichen Schatze seiner schulärztlichen Erfahrungen teilt Bayer¬
thal einiges Wissens-und Beachtenswerte mit. In Abschnitt A, „Zur Aetiologie
und Prophylaxe der Imbezillität“ wird der Alkoholismus in Überzeugender
Weise für den Schwachsinn der Kinder verantwortlich gemacht und der Einfluß
der Infektionskrankheiten, der Ehachitis und der verschiedenen nervösen Be¬
lastungen in begründeter und sacblichor Art zurückgewiesen. Es erscheint
dem Verfasser auffallend, daß so außerordentlich selten schwachsinnige Kinder
„jüdischen Glaubens“ (es hieße wohi richtiger jüdischer „Easso“ oder „4b-
stammung“) angetroffen werden; er erklärt dies durch den geringen Aikohol-
genuß der Juden; eine Erklärung, die trotz ihrer Einseitigkeit sehr viel
Wahres enthält.
In dem zweiten Abschnitte „üeber die Zalässigkeit kOrperUcher
Züchtigung bei abnorm veranlagten Schulkindern“ spricht sich Verfasser be¬
dauernd darüber aus, daß auch von seiten der Eltern schwachsinnige Kinder
häufig in zweckloser Weise gezüchtigt würden. Die Frage der körperlichen
Züchtigung zum Zwecke der Strafe und Besserung ist ja noch lange nicht
gelöst (Eef. hat selbst kürzlich in der Zeitschrift für Schulgcsundheitspflege,
XXL Jahrg., 1908, ein kleines Teil dazu beizutragen versncht); Bayer¬
thal führt eine Eeihe klangvoller Namen an, die sich für oder gegen die
PrUgelerziehung anssprechen. Im allgemeinen hat man aber doch den Ein¬
druck und das Gefühl, als ob ethisch höher stehende Menschen mit durch¬
gebildetem Charakter und planvoller Selbstbeherrschung sich gegen das Prügeln
anssprächen.
Für die gute Wirkung der Elektrizität bei schwachsinnigen ELindem,
als Straf- und Erziehungsmittel, werden mehrere Beispiele angeführt, durch die
dieses Mittel immerhin beachtenswert gemacht wird. Im übrigen sind die An¬
sichten, die über das Züchtignngsrecht der Lehrer in den Hilfsschulen aus¬
gesprochen werden, recht verständig und verdienen allgemeine Beherzigung,
besonders auch von den Lehrern selbst.
Im dritten Abschnitte, „Kopfomfang und Intelligenz im schulpflichtigen
Alter“ beschäftigt sich Bayerthal auf Grund der von Möbius aufgestellten
Behauptung, daß der Umfang des annähernd normal geformten Kopfes im
allgemeinen mit den geistigen Kräften wächst, mit der Frage des Schädel¬
umfanges der Schnlkinder. Er kommt durch etwa 8000 Messungen zu dem
Ergebnis, daß die Möbius sehen Ansichten im wesentlichen richtig sind. Ein
abschließendes Urteil will er jedoch vorsichtigerweise noch nicht aassprechen,
ehe er nicht über den Prozentsatz der Aasnahmen genaue Angaben machen kann.
Es kann den Medizinalbeamten und Schulärzten dringend empfohlen
werden, die Bayer thal sehen Beobachtungen zu beachten und weitere
eigene Erfahrungen nach Möglichkeit zu sammeln und zu veröffentlichen.
Dr. Pi If-Wiesbaden.
Der Kampf gegen den Stanb ln den Schulen. Von Stadtbauinspektor
Ublig-Dortmund. Technisches Qemeindeblatt; 1908, Nr. 7.
Verfasser spricht sich anerkennend Uber die guten Erfahrungen nflt
Fußbodenöl, um den Staub festzuhalten, aus, ist aber der Ansicht, daß es viel
Ti^esnachrichten.
641
wiebtiger ist des Stsnb ttberhsnpt sss der Schnle fehizobslten, wie ihn am
Boden festznkleben, was schliefiiich nur bei HolzfnßbOdon mOglich sei. Die
einmaligen Aaslagen Ittr die Anlagen gegen die Einschleppnng des Staabes
würden ja wohl beträchtlich sein, aber aaf die Dauer ktoe das Tiermalige
jährliche Oelen doch bedeatend teuerer. Bei der Bekämpfung müßte man
die Tersebiedenen Arten, wie der Staub hineingetragen würde, berücksichtigen;
man müsse mindestens gepflasterte Eingänge haben; dann müsse die Umgebong
der Schulen staubfrei, das Faßbodenmaterial ein gutes sein, daß es nicht
so leicht abgenutzt würde, und schiießiieh müßten genügende und ausreichende
Anlagen zur Beinigung des Schuhwerks vorhanden sein. U. beschreibt die Ton
ihm angegebenen Fußabstreicher, die er lür sehr praktisch hält und die auch
mit großem Erfolg in Dortmund gebraucht werden. Bpd.
Pftrnorge fttr Kranke; Krankenanstalten usw.
Deslnfektlonganlagen für Abwässer aus SrankenanstalteD. Von Dr.
A. Wolfs holz •Berlin. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 20.
Verfasser beschreibt die Ausführung, welche in dem Lazarettneubau in
Myslowitz getroffen ist. Während die Eegenwässer durch eine besondere
Bohrleitung dem Straßenkanal zugeführt werden, werden sämtliche andere
Abwässer in einer Schmutzwasserlcitung einer Grabenanlage zugeführt, die in
mehrere Teile zerfällt. Zunächst gelangt das Abwasser in die als Faulraum
dienende Kammer, die geneigte Bodenanordnung und an der tiefsten Boden¬
stelle einen herausnehmbaren Schlammeimer erhält. Eine Ueberfall- und Tauch¬
wand unterstützen die Sedimentierung der Sinkstoffe und die Bildumg einer
Schwimmdecke zur Aufnahme der Schwebestoffe. Einlauf und Ablauf liegen
unter der Höhe des Wasserstandes, damit das Wasserbett nicht aufgerührt
wird. Die Größenbemessung dieses Verfaulraums erfolgt mit der Maßgabe,
daß der Fassungsraum der Abwassermenge eines Tages entspricht. Die Faul¬
kammer hat 2 Zwecke zu erfüllen:
1) Zurückhaltung aller im Abwasser enthaltenen gröberen Teile,
2) Zersetzung dieser Stoffe durch den Faulprozeß.
Nach längerem Aufenthalt tritt nun das Abwasser unterhalb der
Schwimmdecke aus der Faulkammer auf das Eoksfllter, das in der Zumisch-
kammer oberhalb des Wasserspiegels untergebracht ist. Das Filter hat den
Zweck, etwa noch mitgerissene gröbere Teile zurückzuhalten. Durch ein
genau beschriebenes und patentanitlich geschütztes Verfahren wird dann in
einer 3. Kammer eine selbsttätige und dauernde zuverlässige Abwasserdesinfl-
zierung mittels jeden Morgen frisch bereiteter Chlorkalklösung an geschlossen;
hier findet auch die Abscheidung der in Emulsion im Abwasser enthaltenen
Schmutzteilchen (z. B. Fette, Seifenlauge etc.) dgreh die sedimentierende
Wirkung des Fällmittels statt.
Alle Kammern können leicht gereinigt werden. Die Ausführnngs-,
Unterhaltungs- und Betriebskosten einer derartigen Anlage sind verhältnismäßig
niedrig und kommen bei dem zweifellosen Nutzen kaum in Betracht. Durch
eine derartige Anlage wird nicht nur den hygienischen, sondern auch den
sozialen Forderungen genügt; die obligatorische Anwendung sollte nicht nur
bei Krankenhäusern, sondern auch für andere Betriebe, z. B. Scblachthöfe
verlangt werden. Dr. Wolf-Marburg.
Tagesnachrichten.
Ernennung. Auf Grund Allerhöchster Ermächtigung Seiner Majestät
des Kaisers und Königs vom 15. August dieses Jahres ist Geh. Med.-Bat
Dr. Salomon, bisher Bcg. u. Med.-Bat in Coblenz zum Honorarprofessor in
der Abteilung für Bau-Ingenieurwesen der Technischen Hochschule zu Berlin
ernannt worden; jedenfalls der erste Medizinalbeamte, der in eine solche Stellung
berufen ist. Wir dürfen wohl annchmen, daß diese Berufung den Wünschen des
Kollegen Dr. Salomon, der sich um die Frage der Abwässerbeseitigung
durch sein vorzügliches Werk „die Städtische Abwässerbeseitigung in Deutsch¬
land“ hochverdient gemacht hat, entspricht und verfehlen nicht, ihm unsere
Glückwünsche aaszusprechen.
TageBnaohrichten.
M2
Eade September \>der Anfang Oktober soll im Beicbsamt des Innern
in Berlin die seit längerer Zeit beabsichtigte Konferenz, nur Beratong
Arsneirenorgang der Krankenkassenmltgileder unter Zaziehnng von Ver¬
tretern der beteiligten Kreise staitfinden.
Die von der Aerztekammer Berlin-Brandenburg angeregte Errichtung
einer Zentmlprfifongsstelle fttr Arzneien nnd Gebelmmlttel findet auch bei
anderen Aerztekammera Unterstützung. Die schlesische Aerztekammer hat
folgende Anträge einstimmig angenommen: 1. der Ausschuß der Aerztekammer
welle an zuständiger Stelle die Einrichtung einer Zentralprüfungsstello zur
Untersuchung von Arzneien, Gehcimmitteln nnd ähnlichen zur Behandlung für
Kranke bestimmten Stofl'en und Apparaten im Anschluß an ein pharmazeutisches
Institut oder beim Kaiserlichen Gesundheitsamt an regen. 2. der Aerztekammer-
ausschuß wolle bei derselbon zuständigen Stelle die Erwägung darüber anregen,
ob es nicht geboten scheine, die Herstellung und den Vertrieb der eben-
genannten Arzueien, Stoffe nnd Apparate unter dauernde staatliche Kontrolle
za stellen.
In Bayern ist jetzt die neueingerichtete Stelle eines Laades-Gewerbe-
arztes, der die Gcwerbeaufsichtsbeamten als hygienischer Fachmann beratmi
und seinen Amtssitz in München haben soll, ausgeschrieben. Er muß mit der
wissenschaftlichen Methodik, sowohl der statistischen, als der ezpofimentellen
.vertraut nnd für hygienisch-ätiologische Untersuchnagen durch entsprechende
Schulung in der klinischen, physikalisch - chumischen- und bakteriologisch-
hygienischen Methodik vorgebildct suin.
Der Landesgewerbearzt ist den K. Gewerberäten koordiniert. Anfangsg
gebalt 4800 M., alle 3 Jahre um 600 M. bis zu 7200 M. steigend, eventaell
Boreauentsebädigung; bei Dienstreisen Beisekostenersatz und Tagegeld voa
It M. Ausübung von Privatpraxisistausgesublossen, Bewerbungsgesuebe
sind mit den geeigneten Belegen über Vorbildang und etwaige bisherige wissen¬
schaftliche Arbeiten bis zum 15. Oktober d. J. beim Staatsministerium des
Innern in München einzureichen.
Behufs besserer Ausgestaltung des DestzfektioBSWMeiis sbd in
Bayern nach Bekanntmachung des Min. d. Inn. vom 16. JaU d. J. an den
hygienischen Instituten der drei Landesaniversitäten in München (für Oberbayem,
Niederbayem und Schwaben), Würzburg (für Pfalz, Oberfranken und Unter-
franken), nnd Erlangen (für Oberpfalz und Mittelfranken) Knrse zur Unter¬
weisung der Amtsärzte und zur Ausbildung von Desinfek¬
toren eingerichtet. Durch die Kurse für die Amtsärzte sollen
diese zu einer gleichmäßigen Beaufsichtigung und Unterweisung der aus-
gebildeten Desinfektoren befähigt werden. Der Unterricht wird von den
Vorständen der betreffenden hygienischen Institute erteilt werden; die
Dauer der Kurse ist auf 3 Tage, die Zahl der Teilnehmer auf höchstens 20
festgesetzt; in erster Linie sollen diejenigen Amtsärzte einbernfen werden, ia
deren Bezirken sich bereits aiisgebildete Desinfektoren befinden. Die nicht
am Sitze der hygienischen Inslit ute wohnenden Amtsärzte erhalten die verord-
nnngsmäßigen Tagegelder und Ersatz der Beisekosten.
Die Kurse zur Ausbildung von Desinfektoren werden zum
ersten Male vom 19.—26. Oktober d. J. io München, vom 12. —19. Oktober in
Erlangen und vom 23.—31. Oktober in Würzburg abgehulten worden. Die
Knrse sind unentgeltlich (für Bedienung 2 Mark); in einem Kursus sollen
in der Begel nicht mehr als 20 Desinfektoren ausgebitdet werden. Gesuche
um Zulassung sind mit den erforderlichen Belegen 2 Monate vor Beginn des
Kursus bei den Distriktsbehörden einzureichen. Unbemittelte Teilnehmer er¬
halten event. Unterstützungen ans öffentlichen Mitteln. Am Ende des Kurses
findet eine Prüfung statt, über deren Erfolg ein Zeugnis ausgestellt wird.
Die Cholera hat in Bnßland leider eine immer größere VerhroHang
genommen und sich schon bis Moskuu, von wo eine Erkrankung gemeldet wird,
ausgedehnt. Nach den amtlichen Nachrichten erkrankten in der Woche vom
Sprecbsaa).
648
14.—20. Aagast 1145 Peiaonen mit 517 TodesfäUen and 21.—28. Angast 1199
mit 578 Todesfällen. Seit dem Aasbrncli der Cholera am 21. Joli sind bis zam
28. Aogost 8141 Erkrankungen mit 1505 Todesfällen yorgekommen.
Erkiaakiuigdii uid TodesfBUe aa anateckenden Erankk^ten ba
PravSMn. Nadi dem Ministerialblatt für Medizinal* and mediziniBche ünter*^
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 28. Joni bis 1. Aagast 1908
erkrankt (gestorben) an: Aassatz, Cholera, Gelbfieber, and Pest:
— (—); Pocken: 8 (1), 8 (1), 4 (1), 4 (2), 2 (—); Bhckfallfieber:
— (—). 1 (—), — (—), — (—). — (—); Pieckfieber: — (—), — (—),
2 (-), - (-), - (-); Milzbrand: 5 (2), 1 (1), 6 (-), 4 (1), 3 (1);
Tollwat: — (—), — (—), — (—), 2 (1), — (—); Biliverletzangen
durch tollwutverdächtige Tiere: 1 (—), 4 (—), 4 (—), 4 (—),
2 (—); Bahr: 41 (8), 20 (1), 19 (1), 16 (3), 22 (1); Unterleibstyphus:
816 (18), 317 (23), 356 (28), 352 (35), 351 (84); Diphtherie: 945 (49),
929 (62), 911 (56), 837 (44), 847 (55); Schariach: 1004 (46), 1223 (70),
1168 (69), 1016 (67), 1079 (70); Genickstarre: 27 (11), 17 (8), 20 (9),
19 (12), 9 (6); Kindbettfieber: 87 (16), 72 (22), 69 (17), 84 (19), 85 (28);
Fleisch- and Wurstvergiftang: 1 (—), 6 (—), 1 (—), 61 (1), 2 (—);
KSrnerkrankheit (erkra^t): 184, 311, 405, 128, 99; Tuberkalose
(gestorben): 530, 606, 570, 669, 516.
Anfragen des Krelarztes Dr. B. In W.: Fallen Dienstreisen im Aaf-
trage des Landrats a) behufs Feststellang etwaiger Gesundheitsschädi-
gungen darch gewerbliche Betriebe (Lärm, Baach osw.) oder b) be-
hnfs üntersachongeiner Wasserentnahmes tellefttr eine anzalegende
Wasserleitung unter das „Paascfaale* oder kann der Kreisarzt dafür
liquidieren?
Antwort: Nach § 1, Abaw 6 des Kreisarztgesetzes fallen die Kosten
aller Beisen, die der Kreisarzt im Aufträge des Begierangspräsidenten oder
des Landrats aasführt, der Staatskasse znr Last, also jetzt unter das Beise-
paoschale. Durch diese, erst auf Beschloß des Abgeordnetenhauses zo dem
Gesetz hinzugefügte Bestimmung ist zum Ausdruck gebracht, daß in allen
Fällen, in denen der Kreisarzt als technischer Berater des Landrats oder von
Amtswegen, z. B. auf Grund seiner Dienstanweisung, Beisen macht, die Kosten’
dafür der Staat zu tragen hat. In den unter a angeführten Fällen ist die
Tätigkeit des Eireisarztes jedenfalls von dem Landrat io Anspruch genommen,
um auf Grund des Gutachtens seines technischen Beraters eine Entscheidung
treffen zu können. Die Dienstreise fällt demnach unter das Pauschale, auch wenn
ein ortspolizeiliches oder Privatinteresse dabei außerdem in Frage kommesi
sollte. Dasselbe gilt betreffs des unter b genaunten FaUes; denn die Begutachtniui
einer Wasserentnahmeatelle für Wasserleitungen, liegt dem Kreisarzt nach
§ 74 seiner Dienstanweisung und den Min.-Erlaßen vom 25. Februar und 25. Sep*
tember 1902 von Amtswegen ob. Die Gesuche um seine Mitwirkung sollen
noßerdom in solchen Fällen nicht unmittelbar an ihn von den Ortspolizeibe*
hOrden gerichtet werden, sondern durch den Landrat erfolgen, der dann gemäß
§ 1 Ahs. 6 des Kreisarztgesetzes den Auftrag erteilt (Min.*Eil. vom 23. März
1907, Z. f. M. 1907, Beilage zu Nr, 9. S. 69).
Anfrage des Krelsantes Dr. G. ln M.: Hat ein Kreisarzt Anspruch
auf Gebühren für Ausfüllung der Fragen 1—12 des Fragebogens für die &ub*
Stummenstatistik ?
Antwort: Nein. Nach den Ministerialerlaßen vom 18. Dezember 1902 und
20. Mai 1903 gehört diese Tätigkeit zu den Dienstobliegenheiten des Kreisarztes
im allgemeinen staatlichen Interesse; deshalb werden auch die Kosten für die
etwa aus diesem Anlaß entstehenden Beisen vom Staate getragen. — Jetzt
fallen sie unter die Beisepauschate.
I
Tagesnacbriohten.
644
XXV. Hanptversammlnng
des
Prsussischen Medizinalbeamten-Vireins
zur feier des 25iäbrigen Bestehens des Vereius
verbunden mit der
diesjährigen Hanptversammlimg
des
Deotschen HedizinaUieamten'Vereins.
am
liensUf, den 29. September and littioeh, dea Sl. Septeaiber INS
in Berlin.
im Prenssischen Abgeordnetenhanse
Prinz Albrechtstrafie.
, Xagesordnung.
Montag, den 28. September:
8 Uhr abende: Qeselllge Vereinigung zur BegrQesung (mit Damen)
im Bestaurationsraume des Preußischen Abgeordnelenbauses.
Dienstag, den 20. September:
10 Uhr Tormlttags: Fest - Sitzung *) im Festsaale des Preueeisohen
Abgeordnetenhauses (Prinz Albrechtstraße).
Für die Damen der Teilnehmer sind Plätze freigehalten.
(Betreffs der Tagesordnung siehe Nr. 15 u. 16.)
6 Uhr naohmlttage: Festessen*) mit Damen im Hotel „Prinz Albrecht“
(Prinz Albrechtstraße Nr. 9); Preis des Gedeckes 6 Mark).
9 Uhr abends: Qeselllge Vereinigung im „W eihenstepkan*, Friedrich*
Straße 176/177.
Mlttweeta, den 30. September:
9*/t Ubr Tormlttage: Zweite Sitzung.
IVaoh Soblnes der Sitaong (gegen 8 Uhr naohmlttage): Qemein*
sohaftllches zwangloees Essen mit Damen im Zoologischen
Garten.
Abends: Besueh der KSnlgiiohen Theater; nach Schluß: Qeselllge
Vereinigung.
Die Yereinsmitglieder werden nm recht zahlreiche Teil¬
nahme sowie am Anmeldung derselben unter Benntznng der
anliegenden Postkarte gebeten.
Dar Vorstand des Preussischen und Deutschen Medizinalbeainten-Vereins.
Im Auftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender.
Reg.- and Qeh. Hed.-Rst iu Mmden.
*) Anzug fttr Festsitzung und Festessen: Frack und weiße Weste,
yerantwortl. Redakteur: Dr.Rapmund, Reg.-n. Geh. Med.-Rat in Minden i. W
J. C. O. Bmns, UsrsogL Sächs. a. F. 6 c1l-L. HofbDchdmckvoi Ia jUn dom.
2t Jaiütg,
1908.
Zeitschrift
für
MEDIZINALBEAMTE.
ZMrtnlMatt für üs gesanti BesmOeibmsn,
fOr gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Heniugegeben
Ton
Dr. OTTO aAPHUND,
ud Oah. lf«dl>liulr«t in Minden I. W.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Württembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fisoher's medis. Buohhandlg., E Kornfeld,
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
Inserate nehmen die Torlagshandlang sowie alle Annoncen-ExpedlUoaen des In-
nnd Auslandes entgegen.
Nr. 18.
KmekelMt K. uid 90. Jeden Monate.
20. Septbr.
Zum Jnbilänm des Preussischen
Hedizinalbeamten'Vereins.
Fünfundzwanzig Jahre sind verflossen, seit der
Preussische Medizinalbeamten-Verein durch Beschluss einer
bei Gelegenheit der Berliner Hygiene-Ausstellung abge¬
haltenen Vorversammlung am 22. Juni 1883 ins Leben
gerufen ist und seit dem am 28. und 29. September 1883
seine erste Hauptversammlung in Berlin stattgefunden hat.
Mit freudigem und dankbarem Gefühl kann der
Verein auf die ersten 25 Jahre seines Bestehens zurück¬
blicken; sind während dieser Zeit doch viele der zahl¬
reichen bei seiner Gründung gehegten Hoffnungen und
Wünsche der Medizinalbeamten in Erfüllung gegangen;
und dass die Tätigkeit des Vereins nicht zum kleinsten
646
Zam JubilSam des t^renßischen ItediziMlbeamteaTerebs.
Teil mit zu dieser Erfüllung beigetragen hat, muss ihn
mit besonderer Genugtuung erfüllen.
Fünfundzwanzig Jahre ist eine verhältnismässig kurze
Zeitspanne. Noch niemals hat aber die Wissenschaft
auf den für die amtliche Tätigkeit des Medizinalbeamten
in Betracht kommenden Gebieten der gerichtlichen
Medizin und Psychiatrie, sowie vor allem der
Hygiene so grosse Fortschritte aufzuweisen, und noch
niemals sind die wissenschaftlichen Errungenschaften auf
hygienischem Gebiete von den staatlichen und kom¬
munalen Behörden in so umfassender Weise zum besten
der öffentlichen Gesundheitspflege nutzbar gemacht, wie
in dem jetzt verflossenen Vierteljahrhundert. Vor allem
hat es aber noch keine Zeitepoche gegeben, in der das
Medizinal- und Gesundheitswesen des Preussi-
schen Staates eine so ausserordentliche Umgestaltung
und Förderung erfahren hat, wie in den letzten zehn
Jahren; denn wenn auch noch manche Wünsche in dieser
Hinsicht unerfüllt geblieben sind, so ist doch eine feste
und brauchbare Grundlage geschaffen, auf der mit bestem
Erfolge weitergebaut werden kann.
Und wenn wir nun heute fragen, ist der Preussische
Medizinalbeamten-Verein den sich bei seiner Gründung
gestellten Aufgaben gerecht geworden, so dürfen wir diese
Frage aus voller Ueberzeugung bejahenl Der Verein
hat aber nicht nur seinen Mitgliedern, er hat durch seine
Tätigkeit auch der Wissenschaft und dem Vaterlande ge¬
dient. Möge die kommende Generation die Bestre¬
bungen des Vereins in der bisherigen Weise fördern,
seine Fahne hochhalten und seinen Grundsätzen treu
bleiben!
Der Herausgeber.
l)r.'Bihler': Sechsfacher Kindermerd dttrchlEbstechen einer Hutnadel nsw. 647
Sechsfacher Kindermord durch Einetechen einer^ Hutnadel
in den Kopf.
Von Dr. E. Blhler in Httnchen.
Großes Aufsehen erregte es in der Oeffentlichkeit, als im
Oktober 1907 die Mitteilung durch die Tagespresse ging, in der
Umgegend Mflnchens habe ein 14 jähriges Kindermädchen 6 kleine
Kinder umgebracht. Es ist nicht Zweck der folgenden Zeilen,
den traurigen Fall in seinen Einzelheiten zu beschreiben; es möge
hier genügen, anzufflhren, daß das Mädchen eingestanden hat, die
6 Kinder durch Stiche in den Kopf mit einer Hutnadel getötet
zu haben; die 6 Kinder, die schon vor 14 Tagen bis über 1 Jahr
begraben waren, wurden exhumiert; der Sektionsbefund, väta
großem wissenschaftlichen Interesse, gibt wohl an anderer Stelle
besondere Veranlassung zur Besprechung.
Einem Wunsche der verehrl. Redaktion entsprechend sei hier
aus dem Protokoll über die Sektion des zuerst exhumierten Kindes,
des IV4 jährigen Georg Bichl er, 14 Tage p. m., folgendes kurz
angeführt:
..am behaarten Kopf auf der Scheitelhöhe zwei bräunliche, (zu*
eammen) erbsengroße Blutunterlaalangen, von denen die kleinere als nur ober«
flächlich auf die Oberhaut beschränkt sich erweist, die zweite größere in der
Tiefe der Lederhant über der Beinhaut des Schädels eine dunkelrote, nicht
abwischbare Unterlaufung zeigt, ln der Umgebung der Verfärbung sind die
Haare an der Wurzel bräunlich verfärbt.
.... an der erwähnten Stelle an der Innenseite der hinteren Weichteil«
kappe eine dnnkelrote Verfärbung, welcher eine für eine feine Sonde
durchgängige Oeffnung durch die Haut entspricht. Die Knochen«
haut ist hier in StecknadelkopfgrOße verletzt, dunkelrot; man fühlt mit der
Sonde eine Einsenkung des Knochens. Nach fhitblößung von der Beinhaut
zeigt sich an dieser Stelle eine durch den Knochen gehende, runde, für
eine Nadel durchgängige Oeffnung. Auffallend ist die dnnkelrote
Färbung der in der Nähe dieser Oeffnung befindlichen Hinterhaupts« und Pfeil¬
naht, welche mit Ausnahme einer etwa erbsengroßen Stelle an der großen
Fontanelle vollständig verknöchert sind.
Schädeldach vollständig verknöchert; die vordere Fontanelle durch«
scheinend und noch etwas dünn.
An der Oeffnung in der Innenfiäche des Schädeldaches dunkelrote Ver«
färbung; die bnere Platte des Schädeldaches ist ebenfalls durchlöchert, für eine
didre Borste durchgängig.
Die harte Hirnhaut hier dunkelrot und blutig verfärbt; das Blut haftet
fest auf der harten Hirnhaut. In derselben ein 2 mm langer Biß in der oberen
Sdricht bis in den Längsblutleiter; die Umgebung des letzteren in Ausdehnung
eines 5 Mark «Stückes dunkelrot verfärbt.
Das Oehim an dieser Stelle gleichfalls dunkelrot verfärbt und mit
flüssigem Blut aufgelagert, im allgemeinen aber durch Fäulnis schon stark
erweicht; außer der groben Struktur ist nichts mehr erkennbar, eine Verletzung
ddier nicht mehr nacbzuweisen."
Die Beschuldigte, der die deutlich sichtbare, scharf ab«
gegrenzte Verletzung im Schädeldach vorgezeigt wurde, leugnete,
dem Kinde etwas getan zu haben, gestand aber dann dem sie
abführenden Gensdarm die Tat zu.
Bei den 5 anderen exhumierten Kindern, die schon bis zu
IV4 Jahren begraben waren, war wegen yorgeschrittener Ver«
wesnng nichts mehr nachzuweisen. Einzelne noch bemerkbare
Defekte in den Schädelknocben der durchgehende in den ersten
Lebensmonaten verstorbenen Kinder konnten nicht mit Sicherheit
als Verletznngen angesprochen werden, vor allem bestand bei der
vorauszasetzenden !^einheit der Verletzung die Schwierigkeit in
der Unterscheidung einer solchen von den zahlreich vorhandenen
Emissaria Santorini, ein Punkt, der eben auch die Entdeckung
des Verbrechens erschwert.
Der Fall ist juristisch dadurch erledigt, daß das noch nicht
14 Jahre alte Mädchen nach Beobachtung in der Irrenanstalt fttr
unzurechnungsfähig erklärt wurde; aber es dürfte vielleicht zweck¬
mäßig sein, einige allgemeine Bemerkungen an das ziemlich ver¬
einzelt dastehende Vorkommnis zu knüpfen.
^ Jetzt, nachdem die Aufmerksamkeit darauf gelenkt ist, m*-
scheint das Verfahren, kleine Kinder in den ersten Lebensmonaten
auf diese Weise ans der Welt zu schaffen, äußerst einfach, sicher
und unauffällig. Um sich davon ein BUd zu machen, braucht
man sich bloß die Darstellung vor Augen zu halten, die die Eltern
des letzten Opfers gegeben haben:
Das Mädchen war bei Gtttlersienten in der Nähe von Dachau zur Auf>
sicht des in diesem Fall schon I 7 « Jahre alten Kindes in Dienst; als die
Eltern eines Mittags yon der Feldarbeit nach Hause harnen, fanden sie das
Kind sehr unruhig; eine Nachbarin gab an, sie hätte das S^d am Vormittag
besonders auffällig schreien hären; am Nachmittag wurde es ruhiger, ver¬
weigerte aber die Nahrung; am andern Morgen um 4 Uhr äußerten die Mtero,
ehe sie in die Arbeit gingen, wenn es bis Mittag nicht besser wttrde, mOsse
man den Arzt holen; als sie mittags nach dem Kind fragten, sagte das Mäd¬
chen: draußen in der Kammer liegt e& und beim Nachsehen fanden sie das
Kind tot im Bett liegen. Irgendein Verdacht bestand nicht; dem Leichen-
schaner wurde gesagt, das Kind habe offenbar die „Fraisen* gehabt, und das
Kind wurde beerdigt.
Die „Fraisen“ sind eine so allgemein bekannte und häufig vor¬
kommende Krankheit, daß eine Erkrankung und ein Todesfall daran
als ganz gewöhnlich angesehen wird; die Leute, besonders auf dem
Lande, holen meist dabei keinen Arzt; die kleine Verletzung in der
Kopfhaut, die keine äussere Blutung verursacht, wird nicht bemerkt,
ist am anderen Tage überhaupt verheilt; der Leichenschauer wird,
selbst wenn er das Kind vorher besichtigt, hinter einer kleinen
Blutkruste am Kopfe nichts besonderes finden, wenn man bedenkt,
dass die Kinder oft unrein sind, mit Schuppen und Kratzeffekten,
ekzematösen Stellen behaftet sind, und wenn man berücksichtigt,
dass es zu den alltäglichen Vorkonunnissen gehört, dass er zu
Kindern, die ohne ärztliche Behandlung wirklich an Krämpfen
gestorben sind, geholt wird. Tatsächlich haben im vorliegenden
Fall die 6 Kinderleichen die Leichenschau passiert, ohne dass
etwas Auffälliges bemerkt worden wäre. Man kann auch meiner
Anschauung nach .den Leichenschauem deshalb keinen Vorwurf
machen; denn an eine solche Todesursache hat natürlich niemand
gedacht, und selbst wenn einer der Leichenschauer die kleine
Stelle gesehen hätte — im eben erwähnten Fall fanden wir bei
der Sektion, nach Abrasieren der Haare, zwei braunrote zirka
hirsekorngrosse Hautvertrocknungen — würde er wohl mit keiner
Gedankenkombination der Wirklichkeit nahe gekommen sein.
Ist also die nachträgliche Aufdeckung des Verbrechens —
reibst unter Umständen durch eine Sektion — äusserst erschwert
Sechsfacher Kindermord durch Einstechen einer Hutnadel in den Kopf. 649
nnd je nachdem unmöglich, so ist anderseits die Ansftlhmng eine
sehr leichte, rasche nnd sichere Anssicht auf Erfolg gewährende.
Da liegt denn die Annahme sehr nahe, dass diese Art von
Eindstötnng eine häufig geübte sein müsste. Merkwürdigerweise
ist jedoch die Ansbeate in der wissenschaftlichen Literatnr
eine sehr geringe und zwar auffallenderweise gerade in der neueren.
Bei Richter (G^erichtsärztl. Diagnostik und Technik, 1905),
in den Handbüchern der gerichtlichen Medizin von y. Hofmann,
Oasper-Liman, Maschka, in der Vierteljahrsschrift für
gerichtliche Medizin yon 1852 bis jetzt findet sich nichts über
einen ähnlichen Fall erwähnt; auch in den chirurgischen Hand-
nnd Lehrbüchern ist nichts Spezielleres darüber yerzeichnet.
Bei Dr. J. Maier: Gerichtlich-medizinische Kasuistik der
Körperyerletzungen und Tötungen, Ingolstadt 1881, heisst es wohl
bei den Kopf Verletzungen (S. 35): „Stichwunden können durch die
Orbita, durch die Nasen- und Mundhöhle, durch das zerbrochene
Siebbein in die Schädelhöhle eindringen“, yon den Fontanellen
erwähnt er aber nichts und sagt bloss später (S. 124):
„Die versteckte Lage des Oehims und die Unempfindiiekkeit seiner
Oberfläche bewirkt, daß manche Verletzungen während des Lebens nicht leicht
oder erst spät erkannt werden; 2. steht bei Kopfverietzungen die äußere
sichtbare Verletzung häufig nicht in entsprechendem Verhältnis mit der statt-
gefondenen Verletzung der inneren Organe, sondern die letztere ist nicht selten
um BO bedeutender, je geringfügiger die äußere ist und umgekehrt.
Dagegen lässt sich Dr. Schürmeyer, Professor in Heidel¬
berg (Theoretisch-praktisches Lehrbuch der gerichtlichen Medizin,
1850) im § 450 yernehmen:
„Auf absichtliche Zufügung von Kopfverletzungen läßt sich schließen,
wenn es Schnitt- oder Stichwunden sind. Zn letzterem werden gerne Nägel,
Nadeln, Scheeren, kleine Taschenmesser verwendet (bei Nengeborenen)'^.
Und Adolf Henke (Lehrbuch der gerichtl. Medizin, Berlin
1841, 10. Aufl.) sagt im § 363:
„Am gefährlichsten und meistens notwendig tödlich sind aber solche
Stichwunden am Kopfe, welche durch die natürlichen Oeffnungen des Schädels,
z. B. die Augenhöhlen) und bei zarten Kindern durch die Fonta¬
nellen oder an schwächeren Stellen desselben (z. B. an den Schlafbeinen) bis
in das Gehirn eindringen und dasselbe verletzen, da weder kunstmäßige
Untersuchung noch Behandlung dabei möglich ist.** nnd weiter § 585:
..Neugeborene können durch Niederdrücken der Fontanelle, wodurch
Sugillation entsteht, durch Einstechen von Nadeln in die Fontanelle,
Ohren, Nasenlöcher nnd den Bachen getötet werden.“
Endlich lesen wir in dem „Kurzgefaßten System der gericht¬
lichen Arzneiwissenschaft durch J. D. Metzger, Königl. Leibarzt
nnd Professor der Arzneiwissenschaft, Königsberg 1793* bei der
Besprechung der Kopfverletzungen im § 100:
„Stichwunden am Kopf.können auch entweder durch natüriiehe
Lflcken dos Hirnschädels a) oder an dünneren Stellen desselben bis in das
Hirn durchdringen und dasseibe mehr oder minder tief verwunden. Das Un¬
vermögen der Kunst, die Tiefe der Wunde selbst zu erforschen nnd ihre
Heilmittel anzuwenden, macht, daß solche Wunden mehrenteils an sich oder
wohl gar absolut-tötlich ausfallen.
a) Z. B. durch eine Augenhöhle etc.oder durch die
Fontanelle. So tötete eine Hutter aus Lebensüberdruß ihr
eigen ein und einhalbjähriges Kind.“
Diese letztere Angabe ist zitiert aus „Michael Alberti:
660
Dt. Bihler.
Systema JnriBpradentiae Medicae, Halle 1725, Tom. I, Tg. 187“;
das Werk ist leider in der hiesig^en Staatsbibliothek nicht yorhanden.
Ans dieser kurzen Literatnrznsammenstellnng geht heryor,
daß den älteren Antoren ähnliche Fälle noch eher bekannt waren,
während in der neueren Zeit die Anhnerksamkeit auf derartige
yerbrecherische Handlungen offenbar nicht mehr gelenkt wurde
und solche nicht mehr zur Glerichtskenntnis gelangten.
Im Gegensatz zu diesem dürftigen Ergebnis der Fachliteratur
ist es um so auffallender, daß, wie man ans Bemerkungen ge¬
legentlich der Zeitungsnotizen über das Ereignis entnehmen konnte,
in Laienkreisen diese Tötungsart als etwas ganz Bekanntes
und Naheliegendes angesehen wurde und in der Belletristik
findet man wiederholt ähnliche Vorkommnisse geschildert.
In dem bekannten Roman: Götz Erafft yon Edward Stil-
gebauer, 1. Bd., heisst es bei der Schilderung der Episode der
Hebamme und Engelmacherin Bouchon:
„Erschreckende Einzelheiten brachte nan die ärztliche üntersnchong des
toten Knaben an den Tag. Die Wanden and Beolen, die der Bflcken des
Kindes zeigte, waren nicht daza imstande gewesen, den Tod herbeizoltthren,
sie waren nar eine Täaschang, die im Falle der Entdeckong die Anklage auf
Mord in eine solche aaf körperliche Mißhandlang mit tödlichem Arugange am*
wandeln sollte. Aber das jeder Spar nacbgehende Messer des Arztes förderte
Fürchterlicheres an den Tag. An der einen Schläfe des Knaben zeigte sich
eine kleine, kaam mit dem bloßen Aage erkennbare Wunde. Durch die zarten
Knochen war Ton hier aas eine lange Nadel, wie sie die Frauen znm
Feststecken der Hüte gebrauchen, in das Gehirn gebohrt worden.
In ihrem Geständnis yor dem Schwurgericht sagt die
Bonchon:
Da der Bezug von Morphium Verdacht auf sie lenkte, war sie gezwungen,
za anderen Mitteln za greifen. „Aber auch der Stich ins Gehirn ist
fast schmerzlos.*
Und dann kommt noch die Bemerkung:
„Es klinert unglaublich, daß die yerbrecherischen Machenschaften des
entmenschten Weibes den Behörden so lange verborgen bleiben konnten.*
Herr Dr. Stilgebauer, der Verfasser des Romans, hatte
die Freundlichkeit, auf meine Anfrage, „ob er yielleicht auf Grund
eines tatsächlichen Ereignisses zu der erwähnten Schilderung ver¬
anlaßt wurde, mir mitzuteilen, daß
„gelegentliche Mitteilangen von befreundeten Medizinern and der Unter*
riebt über den Bau des Schädels wohl seine Schilderung beeinflußt hätten;
gibt doch schon die Tatsache der ungeschlossenen Fontanellen ein derartiges
Vorgehen an die Hand.*
Er verweist auch auf Schillers Kabale und Liebe, V, 1,
wo Miller zu seiner Tochter Luise sagt:
„Ich kann Dir die Messer nehmen. Du kannst Dich mit einer Strick*
nadel töten.*
Offenbar denkt Schiller hier an das Einstechen einer Nadel
durch eine zugängliche Stelle ins Gehirn, wenn es auch keinen
Bezug auf einen Kindesmord hat.
Aus der Mitteilung des Herrn Dr. Stilgebauer geht jeden*
falls hervor, daß ihm die Idee zu seiner Schilderung eben aus
der auch dem Laien naheliegenden Möglichkeit einer solchen
Tötungsart gekommen ist.
Am bekanntesten ist aber die letztere aus der Sage von de r
Sechsfacher Kindermord durch Einstechen einer Hutnadel in den Kopf. 651
weißen Fran, jenem deepenet, das in einzelnen brandenbnrgischen
Schlossern umgeht nnd immer erscheint, wenn ein trauriges Er¬
eignis bevorsteht. Diese Sage wird eingehend geschildert von
L. Eranssolt: Die weiße Frau und der orlamftndische Einder-
mord, Archiv für Oberfranken 1869, 1. Er schöpft dabei aus
Minntoli, Monographie ttber Friedrich I, Enriflrsten von Branden¬
barg 1850 und Bayer. Zeitung, 1866, Nr. 162. Es heißt da:
„Eine orlsmttndische Gr&fln, die junge Witwe eines Grafen Otto yon
Orlamünde auf Plassenburg habe sich ei^t, es war am Ende des 13. und zu
Anfang des 14. Jahrhunderts, in den Burggrafen Albrecht den Schönen yon
Nürnberg yerliebt. Der Burggraf sei auch gegen die junge Witwe nicht
gleichgültig gewesen, äußerte aber gegen einen seiner Vertrauten, daß er
wohl geneigt sei, die Gräfin zu ehelichen, wenn nur yier Augen nicht wären.
Nun hatte die Gräfin zwei Kinder unter 2 Jahren ans ihrer Ehe mit dem
Grafen Otto. Mag nun Albrecht wirklich bei seinem Ausspruch an die Kinder
der Gräfin oder wie andere meinten, an seine noch lebenden beiden Eitern
gedacht haben, gmiug, die Gräfin erfährt diese Bede, bezieht sie auf ihre
Kinder nnd sofort war auch der Entschlnfi gefaßt, dieselben ans dem Wege
zu sdiaffen.
Sie nahm eine goldene Nadel, stieß sie den Kindern durch
den Kopf in das Gehirn und gab yor, sie seien plötzlich er¬
krankt nnd gestorben.
Niemand zweifelte an der Wahrheit dieser Aussage, nie¬
mand ahnte etwas yon der geschehenen Untat und so wurden die Kindlein in
das yon ihrem Ahnherrn gestiftete Kloster Himmelskron beigesetzt.
Später wurde die Sache ruchbar. Die Mutter pilgerte nach Born, stiftete
das Kloster Himmelsthron bei Nümbe^, soll als Aebtissin dort gestorben,
nach anderer Version yon Albrecht in Hof lebenslänglich eingekerkert
worden sein.*
Die älteste Nachricht von der Sache stammt von Brn-
schino: ChronoloKia Monasteriomm Chermaniae präcipnomm vom
Jahre 1532. Es heißt hier:
„. . . . es ruhen in dem Tempel dieses Kosters auch zwei Kindlein, ein
Knabe und ein Mädchen, yon ihrer eigenen Mutter yor ungefähr 200 Jahren,
kaum 2 Jahre alt, auf grausame und jämmerliche Weise ermordet.
.als diese Aeußerung der yon heißer Liebe entbrannten Frau zu
Ohren kam, tötete sie alsbald in ihrem Liebeswahnsinn mit eigener Hand ihre
Kinder, indem sie ihnen eine Nadel in den Kopf stieß, damit diese
mütterliche Untat nicht so leicht erkannt nnd sie desto leichter
die Meinung yerbreiten konnte, die Kinder seien yon einer
Krankheit plötzlich hingerafft worden.
Diese unschuldigen Märtyrer habe ich mit meinen Augen gesehen nnd
mit meinen Händen betastet. Das Mädchen war noch ganz nnyersehrt, als sei
sie erat yor einem Jahre yerblichen, so gar nicht war an ihm zu bemerken,
was einer Asche ähnlich war; dagegen begann des Knäblein Brust yon der
Feuchtigkeit nnd dem Wasser, das zur Winterszeit von der schwitzenden
Mauer auf den zunächst anstoßenden Sarkophag herabfloß, einigermaßen in
Asche sich aufznlösen, der Kopf aber nnd die Scbnltern und Schenkel waren
noch nnyersehrt und. ohne die geringste Aendernng. So hat die göttliche
Majestät in wunderbarer Weise gezeigt, wie unschuldig diese Kindlein sind. . .*
So gnt erhalten waren nun allerdings unsere exhumierten
Eipderleichen nicht, obwohl sie ja auch unschuldige Opfer waren.
Eine weitere Beschreibung findet sich in einem das Eloster
Himmelskron verherrlichenden Gedicht des Pfarres Löer von
Melkendorf aus dem Jahr 1559:
. . Hier liegen auch zwei Kindlein klein.
Bin Knäblein nnd ein Mägdelein,
Gebohren yon hohen Stamm sie sind,
Ihr Vater dn Graf yon Orlamünd,
662 Dr. Bihler: Secbafucher KiDdesmord durch Einstechoi einer Hutnadel new.
Ihr Hutter die war von Heran
Eine Hertzoginne wohlgethan.
Beyd Kinder grausam vor langen Jahren
Ermordet und erwürget waren,
Als Ihr keines noch zwegr Jahr war alt. ....
Sie dacht: die Kinder die sie hätt,
Werden gewiß die vier Augen seyn.
Die mich berauben des Buhlen mein,
ünd wurd das Weib so gar bethört,
Daß Sie Ihre eigene Kinder ermördt
ünd jämmerlich Ihres Lebens beraubt.
Daß Sie es mit Nadeln in Ihr Haupt
Stach in Ihre Hirenschall,
Die weich und zart war überall.
Wodurch Sie Ihre Bosheit wollt
Verbergen, daß Niemand merken sollt.
Dieweil Sie röhrten gar kein Blut,
Sollt man gedenken in seinem Huth,
Der gewöhnlich Todt hätt Ihrem Leben
Natürlich seinen Best gegeben.*
Ich habe diese Schildernngen eingehender and im Wortlant
hier aoKeftthrt, weil sie im G^egensatz zn den dürftigen Angaben
in der Fachliteratnr, sowohl in den mittelalterlichen üeberliefe-
mngen, wie im modernen Roman mit grosser Naturtrene and
stellenweise mit der Genauigkeit eines amtlichen Protokolls alle
einschlägigen Verhältnisse zar Anschanang bringen und weil sie
übereinstimmend das besonders betonen, worauf es auch mir
hauptsächlich anzukommen scheint, auf die Leichtigkeit der Aus¬
führung und die Schwierigkeit der Entdeckung.
Wie der poetische Pfarrer Löer die Verschleiernngsabsicht
der grausamen Gräfin richtig schildert, so war auch in unserem
konbeten Fall der Ida Schnell 6 mal die Absicht gelangen, keinen
Verdacht zu erwecken, wie die verschiedenen Eltern überein¬
stimmend angaben. Erst die auffallende Tatsache, daß überall,
wo das Mädchen bedienstet war, die Kinder so schnell starben,
veranlaßte das Gerücht, daß das nicht mit rechten Dingen zugehen
könne, wobei aber niemand an ein derartiges Vorgehen dachte.
Erst „das jeder Spur nachgehende Messer des Arztes“ (nachdem
wir zuerst mangels jeden Anhaltspunktes eine „Giftsektion“
machen wollten) förderte den wirklichen Tatbestand zutage“, wenn
es uns bei aller Ueberraschung auch nicht erging, wie dem alten
Gerichtsarzt im „Götz Erafft“, dem bei dieser Entdeckung trotz
des jahrzehntelang gewohnten Berufes alles Blut aus dem Gesichte
wich und der klirrend das Seziermesser zu Boden fallen ließ.
Die Spärlichkeit in den Angaben in der Fachliteratur kann
nun daher kommen, daß solche Verbrechen überhaupt sehr selten
sind; es könnte aber auch seinen Grund darin haben,
daß sie nicht leicht entdeckt werden, daß eine solche
Methode weniger den Behörden, wohl aber in Volks¬
kreisen bekannt ist und geübt wird. Dafür spricht die
Verwertung im Roman und besonders die Erhaltung in der Sage,
und darauf aufmerksam zu machen, war der Zweck dieser Zeilen.
Ich möchte zum Schluß nur noch beifügen, daß aus der
jugendlichen Mörderin nicht herauszubringen war, wie sie gerade
Dt. Federschmidt: Zar Kasuistik der Benziarergiltaogen.
653
aaf diese Art der Tötung kam. Sie hat nur, offenbar in Iflgne-
rischer Weise angegeben, sie hätte es anf der Straße von zwei
ihr Yoransgehenden unbekannten Frauen gehört.
Zur Kasuistik der Benzinvergiftungen.
Von Dr. Federsohmidt, EOnigl. Bezirksarzt ia DiokelsbtthL
Am 10. Dezember 1907, Yormittags ^1^10 Uhr, trank die
Flaschnersehefrau J., 45 Jahre alt, wegen ehelicher Zwistigkeiten
in der Verzweiflung in selbstmörderischer Absicht aus einer
Benzinflascdie eine größere Menge Benzin, ihrer Angabe nach
zirka V« Liter. Der Sohn Überraschte seine Mutter bei diesem
SelbstmordYersuche und holte sofort ärztliche Hilfe. Der Arzt,
um 10 Uhr, also nach Vs Stunde, bei der Patientin angelangt,
nahm sofort eine Magenausspttlnng mit mehreren Litern lauwarmen
Wassers Yor. Die entleerte Flüssigkeit roch intensiY nach Benzin.
Abgesehen Yon profusen Diarrhoen, die mehrere Tage an*
hielten, und abgesehen Yon mehrtägiger Appetitlosigkeit erlitt
Patientin keinerlei Gesundheitsschädignng.
Einen ähnlichen Fall schildert Zoernlaib in Nr. 8 des
Jahrganges 1806 der Wiener medizinischen Wochenschrift. Ein
20 jähriges Mädchen nahm in selbstmörderischer Absicht ca. 100 g
Benzin, wurde durch Emeticnm und Magenausspfllnngen bald
wieder Yöllig hergestellt.
Auf Grund dieser beiden Fälle können wir bei BenziuYer*
giftungen Erwachsener, auch wenn größere Mengen Benzin dem
Körper einYerleibt werden, die Prognose wohl fast immer günstig
stellen, Yoransgesetzt, daß ärztliche Hilfe rechtzeitig in Anspruch
genommen wird.
Im Gegensätze zu dem günstigen Verlaufe der BenzinYer*
giftungen Erwachsener, Yerlanfen, wie die Kasuistik lehrt, die
BenziuYergiftungen im zarten Kindesalter fast immer tödlich.
ln Nr. 24 des Jahrganges 1906 der Zeitschrift Ittr Medizinalbeamte teilt
Both einen Fall mit, bei dem ein IV«jähriger Knabe 1 Stande nach dem
Genosse einer ganz geringen Menge Benzin starb.
In der Uttnchener med. Wochenschrift 1906, Nr. 9, berichtet Borgl Uber
die tödliche Vergiftnng eines !>/« jährigen Kindes, das 30—40 g Benzin ge*
tranken hatte und ca. 4 Standen danach starb.
In der Wiener med. Wochenschrift, 1906, Nr. 8, teilt Zoernlaib mit,
dafi zwei zweijährige Knaben, die aas Unyorsichtigkeit ca. 80 g Benzin ge*
tnmken hatten, V* bezw. 1 Stande nach dem Genosse starben.
Nach alledem werden wir bei Benzinvergiftungen Erwachsener
fast immer eine günstige Prognose stellen können, bei Benzin-
Yorgiftungen kleiner Kinder aber wird unsere Voraussage stets
eine ungünstige sein müssen, wenn anch nur ein ganz kleines
Quantum Benzin einYerleibt wurde.
Daß Benzinvergiftungen bei Kindern so ungemein rasch zum
Tode führen, rührt jedenfalls davon her, daß im zarten Kindes*
alter die Magenschleimhant die Kohlenwasserstoffe viel schneller
resorbiert und dem Blnte znführt, als es bei Erwachsenen der
Fall ist. Bei der Sektion des oben erwähnten IVs jährigen
Knaben, der 1 Stunde nach dem Genüsse von Benzin gestorben
654
Df. Wesgler.
war, ließ eich, wie Roth mitteilt, weder im Magen noch im
Darm bei der chemischen üntersnchnng Benzin nachweieen, wohl
aber in den Organen. _
Das Kreis-Krankenhaus auf dem Lande.
Von Kreisarzt Dr. Wen gier in Alsfeld.
Das Ereiskrankenhans ani dem Lande soll eine bestehende
Lftcke in der Behandlung der Minderbemittelten bei Erankheits-
i&Uen ausfdllen. In einem Ereise mit ländlicher Bevölkerung von
mäßigem Wohlstand kommen eine Menge akuter und chronischer
EranUeitsfälle vor, welche in den beschränkten häuslichen Ver¬
hältnissen der Erkrankten die entsprechende Behandlung oft nicht
finden können. Als Beispiel führe ich an von akuten Erankheiten
das ganze Heer der Erkältungskrankheiten, die fieberhaften, bei
geeigneter Behandlung rasch vorübergehenden Erkrankungen der
Luftröhre und Lunge, die rheumatischen Anfälle der dienenden
Bevölkerung nsw. Von chronischen Erankheiten erwähne ich das
chronische Unterschenkelgeschwür, die skrophulösen Affektionen
der Einder, die vorübergehenden Rezidive der durch Heilstätten-
behandlung gebesserten Phthisiker, die chronischen Verdaunngs-
und Stoffwechselstörnngen, manche Formen von inoperabelem Erebs,
gewisse Arten von Unfallfolgen.
Alle die Fälle, an welche ich hier denke, werden in die im
wesentlichen wissenschaftlichen Zwecken dienenden klinischen
Institute entweder nicht aufgenommen, oder sie werden doch bald
wieder entlassen. Für das Siechenhaus sind derartige Fälle noch
nicht reif, da sie durch Erankenhausbehandlung bald insoweit
gebessert werden, daß die betreffenden Franken wieder für längere
Zeit erwerbsfilhig sind.
In der Ergänzung der heilsamen Wirkung von Elinik und
Siechenhaus liegt also die Hauptaufgabe des Ereis-Erankenhauses.
An die Hauptaufgabe schließen sich noch eine ganze Reihe
hochwichtiger Nebenanfgaben: Der Schutz des Publikums bei dem
Auftreten von Infektionskrankheiten durch Absonderung der Er¬
krankten, die Erleichterung der Tätigkeit der Erankenkassen
durch Beobachtung und Entlarvung der Drückeberger und Simu¬
lanten, die sofortige Aufnahme und Unterbringung von Geistes¬
kranken bis zu ihrer Einweisung in die entsprechenden Anstalten.
Soll das Ereiskrankenhans den genannten Aufgaben genügen,
dann darf es nicht über den Rahmen, welcher ihm durch seine
Bestimmung gesteckt ist, hinausgehen. Es hat weder die Auf¬
gabe, den Arzt durch Anwendung neuer, kühner Heilmethoden,
durch gewagte Operationen, durch Ausbau eines Spezialgebieten
berühmt zu machen, noch hat es die Aufgabe, in der dauernden
Verpflegung körperlich oder geistig siecher Personen seine Kräfte
zu verzetteln. Für die Erforschung neuer therapeutischer Bahnen
ist die Elinik da, für die Pflege der dauernd Lebensinvaliden das
Siechenhaus.
Sehr wichtig für die gedeihliche, zweckentsprechende Wirk-
Dm Kreis •EraBkenhanB auf dem Lande.
665
samkeit eines E^reiskrankenbanses sind im wesentlichen noch
folgende drei Punkte: Die Art der Belegung, die Qoalit&t des
Erankenhansarztes und die Grüße der Anstalt.
Bei der Belegung ist za berücksichtigen, daß das Kreis-
Krankenhaus nicht für den besonderen Bezirk bestimmt ist, in
welchem es steht, sondern für den ganzen Kreis. Es ereignet
sich sehr oft, daß ein ans den Mitteln des ganzen Kreises unter¬
haltenes Kreis-Krankenhaus zum Bezirks • Krankenhaus für seine
direkte Umgebung oder gar zum Privat-Krankenhaus eines viel¬
beschäftigten ärztlichen Praktikers wird. In solchen Fällen geht
natürlich der größere Teil des £[reises der Vorteile des Kreis-
Krankenhauses verlustig. Für die meisten Kreisangehörigen
liegen dann die Verhältnisse nicht anders, als wenn gar kein
Kreis-Krankenhaus bestände. Es ist daher nötig, daß der
leitende Arzt des Kreis-Krankenhauses von der Privatpraxis
völlig losgelöst ist und Hand in Hand mit dem Kreisarzt arbeitet.
Auch in ärmeren Kreisen wird sich die Anstellung eines un¬
parteiischen, von der Privatpraxis losgelösten Krankenhausarztes
ermöglichen lassen, wenn man ihn noch mit anderen hygienischen
Aufgaben betraut, z. B. mit der schulärztlichen Tätigkeit im
Kreise. Der Kreis-Krankenhansarzt wird so auch auf die aller¬
einfachste Weise einen Einblick in die Gesundheitsverhältnisse
der Kreisbevölkerung gewinnen können.
Bezüglich der Vorbildung des Kreiskrankenhausarztes ist
darauf Wert zu legen, daß er sich in Chirurgie spezialistisch vor¬
bereitet hat. Wie wir gesehen haben, ist es zwar nicht die Aufgabe
des Kreis-Krankenhauses, den chirurgischen Kliniken das Material
abzunehmen. Das Kreis-Krankenhaus auf dem Lande wird sich
ja auch nie die komplizierte Einrichtung der chirurgischen Klinik
gestatten können, welche die Vorbedingung des guten Gelingens
der großen Operationen ist. Allein die Behandlung bei plötzlichen
UnglücksiäUen, welche eine unerläßliche Aufgabe des Kreis-
Krankenhauses ist, setzt die gescMckte Hand eines erfahrenen
Chirurgen voraus.
Was nun schließlich die Größe des Kreis-Krankenhauses
anlangt, so ist selbst für einen kleinen Kreis eine Bettenzahl von
mindestens 40 Erfordernis. Es muß vor allen Dingen aufnahme¬
fähig sein; auch lohnen sich die Betriebskosten eines modernen
Krankenhauses kaum für eine geringere Bettenzahl.
Beim Bau ist zu berücksichtigen, daß einerseits Männer
und Frauen, anderseits die an inneren Krankheiten Leidenden
und die an äußeren Krankheiten Leidenden getrennt untergebracht
werden können. Es sind also 4 gesonderte Abteilungen vorzu-
sehen am besten jede mit eigenem Zubehör (Abort, Bad, Wasch-
einrichtung usw.). Unbedingtes Erfordernis sind auch 1—2 Räume
zur vorläufigen Unterbringung von Geisteskranken und ein von
dem Hauptbau vollständig getrenntes Isoliergebände für die Auf¬
nahme der von ansteckenden Krankheiten Befallenen.
656
Leitsätze sor Tageeordaiug für die
zur Tagesordnung fQr die XXV. Hauptversammlung des
Preussischen Medizinalbeamtenvereins.
I. Za Nr. 4 der Tagesordnaog des ersten Sitzongstages:
„Vorlänfiger Entwurf eines Gesetzes, betr. die Ansttbnna
der Heilkunde durch nicht approbierte Personen und den
Oeheimmittelyerkehr."
Beferent: Begiemngs- und Mediziiizl'Bat Dr. DBt8ehke>£rfart
§ 1 .
Personen, welche sich gewerbsmäßig mit der Behandlung
von Krankheiten, Leiden oder KOrperschäden an Menschen oder
Tieren befassen, ohne die entsprechende staatliche Anerkennung
(Prttfungszeu^is, Approbation) erbracht zu haben, sind verpfliditet,
spätestens mit dem Beginn des Gewerbebetriebes der Polizei*
behörde f ihres Wohnortes unter Angabe ihrer Wohnung und Ge¬
schäftsräume schriftlich Anzeige zu erstatten.
Die Anzeige ist von Personen, die das Gewerbe bei dem
Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits betreiben, spätestens inner¬
halb vierzehn Tagen zu erlassen.
f Eine Veränderung des Wohnortes, der Wohnung oder der
Geschäftsräume, desgleichen die Aufgabe oder Einstellung des
Betriebes ist in gleicher Weise, spätestens binnen vierzehn Tagen
anzuzeigen.
§ 2 .
Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art sind
verpflichtet,t der Polizeibehörde ihres Wohnortes Aber ihre per¬
sönlichen Verhältnisse, soweit sie mit dem Gewerbebetriebe im
Zusammenhang stehen, insbesondere über ihre Vorbildung und
ihre seitherige Tätigkeit auf Erfordern Auskunft zu erteilen.
Sie sind ferner verpflichtet, Geschäftsbücher zu ftthren,t
die der Polizeibehörde f auf Verlangen vorzulegen sind.
In welcher Weise die Geschäftsbücher zu führen und wie
lange sie aufzubewahren sind, bestimmt der Bundesratf
HaaptTorBunmlang dea PreofllBchen Hediainalbeamten •Vereins. 657
Abänderung STOrscbläge.
Zar Ueberschrift: ^Heilgewerbe“ statt „Heilknnde“.
Zu § 1.
Za Abs. 1. t* * • Polizeibehörde des Betriebsortes
and dem dort zaständigen beamteten Arzt bezw. Tier¬
arzt ... za erstatten.
Za Abs. 3. fEine Veränderong des Betriebsortes ist
binnen einerWoche bei der Polizeibehörde des alten
and des nenen Betriebsortes, die Aenderang der Wohnong
oder der Geschäftsräume, sowie die Aafgabe oder Einstellnng des
Betriebes binnen 14 Tagen bei der Polizeibehörde des alten
Betriebsortes anzazeigen.
Zasatz: Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬
treibenden ist es verboten, ans dieser erfolgten Anmeldnng die
Berechtigong herzaleiten, sich als „staatlich, polizeilich oder be¬
hördlich nsw. gemeldet* oder „zagelassen* za bezeichnen.
Aasgenommen von den Bestimmangen des § 1 bleiben die
nach den Konventionen zwischen dem Deutschen Reich and den
angrenzenden nicht deutschen Staaten zur Austtbang des Heil¬
gewerbes in den Grenzbezirken zngelassenen, nicht inländisch
approbierten Medizinalpersonen.
§ 2 .
Za Abs. 1. ... f sind verpflichtet, der Polizeibehörde des
Betriebsortes and dem zuständigen beamteten Arzt bezw.
Tierarzt über ihre Yorbildnng und seitherige Tätigkeit Aus¬
kunft zu erteilen („auf Erfordern* fällt weg, desgl. „soweit sie
mit dem Gewerbebetriebe in Zasammenhang stehen*).
Za Abs. 2. . . . fdie der Polizeibehörde des Betriebsortes,
bezw. dem zuständigen beamteten Arzt oder Tierarzt
alljährlich zn einem von der Polizeibehehörde zu
bestimmenden Termin, sonst jederzeit auf Verlangen vor-
zolegen sind.
fZusatz za Abs. 3: Behufs Dorchfflhrang einer wirksamen
Kontrolle ist es erwflnscht, vorzuschreiben, daß in die Geschäfts-
bficher außer den Personalien der behandelten Personen auch
deren Angaben Aber ihr Leiden, die Bezeichnung der Krankheits¬
erscheinungen, Beginn and Dauer der Behandlung, Behand-
lungsweise und die erhaltene Vergütung einzutragen sind. Die
Zahl der Seiten der Geschäftsbücher ist von der Polizeibehörde
des Betriebsortes bei der Anmeldnng unter Beidrflckong des
Amtssiegels in dem Geschäftsbnche zu vermerken.
«58
Leitsttxe zar TageBordaung fflr die
§ 3.
Den im § 1 Abs. 1 bezeicbnetan Personen ist bei der Ans-
flbnng ihres Ghewerbebetriebes verboten:
an Menschen nnd Tieren:
a) eine Behandlnng, die nicht anf Grund eigener Untersuchung
der zu Behandehiden erfolgt (Fembehandlnng);
an Menschen:
b) die Behandlung von Tripper, Schanker, Syphilis,
c) die Behandlung unter Anwendung von Betäubungsmitteln,
die Aber den Ort der Anwendung hinauswirken;
d) die Behandlung mittels Hypnose.
e) die Behandlung mittels mystischer Verfahren.
Durch Beschloß des Bnndesrats kann die Anwendung der
unter c bis e genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die
Anwendung anderer als der unter c bis e genannten Verfahren
bei Menschen nnd Tieren untersagt werden.
Behandelt einer der im § 1, Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬
treibenden eine Person an einer gemeingefährlichen Krankheit
(Reichsgesetz, betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krank¬
heiten vom 30. Juni 1900 — R.-G.-B1. S. 306 —) oder an einer
solchen flbertragbaren Krankheit, bezfiglich deren durch Landes¬
recht eine Anzeigepflicht eingeftthrt ist, oder ein Tier an einer
der Anzeigepflicht nnterli^enden übertragbaren Seuche, so kann
die Polizeibehörde die weitere Behandlung untersagen.t
§ 4-t
Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Personen ist der Gewerbe¬
betrieb zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die
Annahme begründen, daß durch die Ausübung des Gewerbes das
Leben der behandelten Menschen oder Tiere gefährdet oder deren
Gesundheit geschädigt wird, oder daß Kunden schwindelhaft ans¬
gebeutet werden.f
Der Betrieb kann untersagt werden, wenn der Gewerbe¬
treibende wegen einer strafbaren Handlung, die mit der Ausübung
des Gewerbes in Verbindung steht, rechtskräftig verurteilt ist,
bei Uebertretnng jedoch nur im Falle wiederholter Verurteilung.
Der Betriebt kann auch dann untersagt werden, wenn dem
Gewerbetreibenden wegen eines nicht unter Abs. 2 fallenden Ver¬
brechens oder Vergehens die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt
sind. Jedoch nicht über die Dauer des Ehrverlustes hinaus.
XX.V. Haaptrersammlang des Prenfllicbea Hedisfaialbeainten -Vereins. 669
§ 3.
Za Abs. 1: a) wie im Entwarf.
an Menschen:
b) die Behandlnng von Tripper, Schanker, Syphilis andderen
Folgezaständen;
c) die Behandlung yon Frauenkrankheiten;
d) die Behandlung an einer gemeingefährlichen
Krankheit (Reichsgesetz betr. die Bekämpfung gemeingefähr¬
licher Kranheiten vom 80. Juni 1900. Reichsgesetzbl. S. 806)
oder an einer solchen fibertragbaren Krankheit, be-
zfiglich deren durch Landesrecht eine Anzeigepflicht
eingeffihrt ist;
e) die Behandlung unter Anwendung von Betäubungsmitteln,
die fiber den Ort der Anwendung hinanswirken;
f) die Behandlung mittels Hypnose, Suggestion und der¬
gleichen Verfahren;
g) die Behandlung mittels mystischer Verfahren.
Durch Beschluß des Bandesrates kann die Anwendung der
unter e—g genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die An¬
wendung anderer, als der unter e—g genannten Verfahren bei
Menschen und Tieren untersagt werden.
Behandelt einer der im § 1, Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬
treibenden ein Tier an einer der Anzeigepflicht unterliegenden
fibertragbaren Seuche, so kann die Polizeibehörde nach zuvoriger
Anhörung des beamteten Tierarztes die weitere Behandlung unter¬
sagen; sie muß es, falls der beamtete Tierarzt es ffir nötig
erachtet.
Zusätze zu § 8. Die Abgabe yon Mitteln oder Gegen¬
ständen, die zur Verhfitung, Linderung oder Heilung yon Krank¬
heiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere dienen
sollen, ist den im § 1 bezeichneten Personen yerboten.
Ebenso ist ihnen das Ankfindigen oder Ankfindigenlassen
yon Sprechstunden außerhalb ihres der Polizeibehörde ge¬
meldeten Betriebsortes untersagt.
§ 4.
f Zusatz zu §4: Angabe, welche Behörde den Gewerbe¬
betrieb zu untersagen hat.
Zusatz zu Abs. 1: f Die Untersagung des Gewerbebetriebes
erfolgt nach Anhörung des zuständigen beamteten Arztes oder
Tierarztes, der auch berechtigt ist, einen Antrag anf Untersagung
des Betriebes zu stellen.
Zu Abs. 3: f Der Betrieb ist ferner dann zu untersagen,
wenn . . . (anstatt „kann auch untersagt werden").
660
Leitsitze zur Tagesordnung fttr die
flst die üntersagangf erfolgt, so kann die Landes-Zentral¬
behörde oder eine andere Yon ilu* zu bestimmende Behörde die
Wiederaufnahme des Gewerbebetriebes gestatten, sofern seit der
Untersagung mindestens ein Jahr verflossen ist.
Der Bescheid, der die Untersagung ansspricht, kann im
Wege des Rekurses gemäß §§ 20, 21 der Gewerbeordnung an-
gefochten werden.
Die Landesregierungen können bestimmen, daß die Anfechtung
im Verwaltungsstreitverfahren zu erfolgen hat. Die Einlegung
von Rechtsmitteln hat keine anfschiebende Wirkung.
§ 5 .
Durch Beschluß des Bnndesrats kann der Verkehr mit ein¬
zelnen Mitteln oder Gegenständen, die zur Verhütung, Linderung
oder Heilung von Krankheiten, Leiden oder Eörperschäden der
Menschen oder Tiere dienen sollen,f) beschränkt oder untersagt
werden, wenn von deren Anwendung eine Schädigung der Ge¬
sundheit zu befürchten ist, oder wenn sie in einer auf Täuschung
oder Ausbeutung der Abnehmer abzielenden Weise vertrieben
werden.
Soweit der Bundesrat den Verkehr mit einzelnen Gegen¬
ständen oder Mitteln untersagt hat (Abs. 1), ist deren Einfuhr
verboten.
Zur Mitwirkung bei Ausübung der dem Bundesrate nach
Abs. 1 zustehenden Befugnis wird bei dem Kaiserlichen Gtosund-
heitsamte eine Kommission gebildet. Die Kommission besteht aus
Beamten, welche die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren
Verwaltungsdienste besitzen, und aus Sachverständigen ans dem
Gebiete der Medizin, der Tierheilkunde und der Pharmazie. Die
Mitglieder werden vom Reichskanzler ernannt. Dieser ernennt
auch den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter aus der Zahl der
Mitglieder. Die Ernennung der Sachverständigen erfolgt auf die
Dauer von fünf Jahren.
Vor der Beschlußfassung des Bundesrats hat die Kommission
sich gutachtlich darüber zu äußern, ob eine Beschränkung oder
Untersagung des Verkehrs geboten sei. Die Kommission beschließt
in der Zusammensetzung von fünf Mitgliedern, unter denen min¬
destens drei Sachverständige sein müssen.
Die Kommission hat dem Verfertiger oder andere Beteiligte,
soweit dies ausführbar ist, zur Wahrung ihrer Interessen Gielegen-
heit zu geben.
Im übrigen wird die Einrichtung der Kommission und das
Verfahren vor derselben durch den Bundesrat geregelt.
§ 6 .
Mit Gefängnis f bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis
zu dreitausend Mark oder mit einer von diesen Strafen wird be¬
straft, wer in öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen,
welche die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten,
Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere zum Gf^en-
stande haben, wissentlich unwahre Angaben macht f, die geeignet
XXV. HaaptyenftmmliiBg des PrenfliBOhen Medizhiklbeamteii*Vereiiu. 661
Za Abs. 4: flst die Untersagang wegen wiederholter
Uebertretnngen erfolgt, so kann die Landes*Zentralbehörde
oder nsw.
Abs. 5 nnd 6. Wie im Entwarf.
§ 5 .
Zosatz im Abs. 1: sollen ,and angepriesen wer¬
den,* beschränkt . . .
§ 6 .
f Mit G-efängnis von ... bis za einem Jahr und mit Geld¬
strafe Ton ... bis za dreitaasend Mark.
Das Wort f„wissentlieh* ist za streichen and dafür der
Zosatz za machen f.oder mit seinem Wissen machen läßt,*
die geeignet sind nsw.
662
Leitsätze zor^Tzgesordniuig für die
sind, Tänschaugen ftber den Wert oder Erfolg der angekflndigten
oder angepriesenen Mittel, G-egenstände oder Verfahren hervor-
znrnfen. Dasselbe gilt, wenn solche wissentlichf nnwahre Angaben
gemacht werden in bezng anf die Person des Verfertigers oder
Urhebers oder über die die Veröffentlichnng yeranlassende Person
oder Aber die Erfolge einer dieser Personen.
• § 7 .
Mit Gefängnis f bis zn sechs Monaten und mit Geldstrafe
bis zn eintansendfiinfhnndert Mark oder mit einer dieser Strafen
wird bestraft
1 . wer sich in öffentlichen Ankttndignngen oder Anpreisungen
znr Fernbehandlnngf (§ 8, lit. a) erbietet;
2 . wer öffentlich ankttndigt oder anpreist Mittel, Gegenstände
oder Verfahren, die znr Verhütung, Linderung oder Heilung
von Geschlechtskrankheiten t znr Behebung geschlecht¬
licher Schwäche oder zur Hervorrnfnng geschlechtlicher
Erregung, sowie zur Verhütung der Empfängnis oder
zur Beseitigungt der Schwangerschaft dienen sollen;
3. wer öffentlich ankündigt oder anpreist Mittel, Gegenstände
oder Verfahren, die znr Verhütung, Linderung oder Heilung
von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen
oder Tiere dienen sollen, sofern die Bestandteile oder die
Gewichtsmengen der Gegenstände oder Mittel oder die
wesentliche Art des Verfahrens bei der Ankündigung oder
Anpreisung geheim gehalten oder verschleiert werden.
Die Vorschriften unter Nr. 2 nnd 3 finden keine Anwendung,
soweit die Ankündigung oder Anpreisung in ärztlichen, tierärzt¬
lichen oder pharmazeutischen Fachschriften erfolgt.
§ 8
Mit der gleichen Strafe (§ 7) werden bestraft Gewerbe¬
treibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, die
1 . vorsätzlich den Vorschriften des § 3, Abs. 1 f odor einer
gemäß § 3, Abs. 2, 3 oder § 4 ergangenen Untwsagnng
zuwider handeln;
2 . vorsätzlich sich zu den nachf § 3, Abs. 1 unter b, c, d
nnd e oder nach § 3, Abs. 2 verbotenen Handlungen in
öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen erbieten.
Ist eine der unter 1 bezeichneten Handlungen ans Fahr¬
lässigkeit begangen, so tritt Gefängnisstrafe f bis zn drei Monaten
nnd Geldstrafe bis zn sechshundert Mark oder eine dieser
Strafen ein.
§ 9 .
Mit Geldstrafe f bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit
Haft wird bestraft, wer gegen Entgelt Menschen ^er Tiere wegen
einer Krankheit, eines Leidens oder eines Körperschadens be¬
handelt, ohne dazu staatlich anerkannt zu sein und ohne eine
entsprechende Anzeige nach § 1 erstattet zu haben.
Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Be¬
handlung wegen Gefahr im Verzüge übernommen nnd nur so lange
XXV. HtnptTersammlaiig des Preußischen Medishialbeamten-VereiDB. 668
Daa Wort f *wiBsentlich* ist zu streichen.
§ 7 .
fMit Gefängnis von . . . bis zn sechs Monaten nnd mit
Geldstrafe von ... bis zn eintansendfttnfhnndert Mark oder . . .
Zusatz zn Ziffer 1: Fembehandlnng erbietet, oder fFern-
behandlnng vermittelt oder veranlaßt.
Zusätze zn Ziffer 2: f Geschlechtskrankheiten nnd Frauen¬
krankheiten.
fBeseitignng von Menstrnationsstörnngen nnd Schwan¬
gerschaft dienen sollen.
Ziffer 3 fällt weg (vergl. § 6).
§ 8 .
Zn Abs. 1, Zifif. 1 f § 3 Abs. 1 und 4 statt Abs. 1.
Zu Abs. 1, Ziff. 2: f§ 3 Abs. 1 b—g statt Abs. 1 unter b,
c, d nnd e.
t Gefängnisstrafe von . . .bis zn drei Monaten und Geld¬
strafe von . . . bis zn sechshundert Mark oder . . .
§ 9 .
fMit Geldstrafe von . .. bis zu (höherer Satz, als im Ent¬
wurf angegeben).
664
Lettsltie zur Tzgemrdniug Ittr di«
fortgeffthrt worden ist, bis Hilfe Yon einer staatlich anerkannten
Person geleistet werden konnte.
Ist die Behandlung eine solche, die den im § 1, Abs. 1 be-
zeichneten Gewerbetreibenden nach § 3 verboten ist, so kann
neben der Strafe auf Einziehung der zur Behandlung gebrauchten
oder dazu bestimmten Gegenstände erkannt werden, sofern sie
dem Täter oder einem Teihiehmer gehören.
§ 10 .
Mit Geldstrafet bis zu einhundertundfdnfzi^ Mark oder mit
Haft wird bestraft, wer Mittel oder Gegenstände, die vom Bnndesrat
gemäß § 5 dem Verkehr entzogen oder Verkehrsbeschränkungen
unterworfen worden sind, entgegen diesen Anordnungen einffihrt,
feilhält, zum Verkaufe vorrätig hält oder verkauft oder sonst an
andere Uberläßt oder Öffentlich ankOndigt oder anpreistf
Neben der Strafe kann auf Einziehung der verbotswidrig
eingefUhrten, feilgehaltenen, zum Verkauf vorrätig gehaltenen
Mittel oder Gegenstände erkannt werden, sofern sie dem Täter
oder einem Teilnehmer gehören.
§ 11 .
Ist in den Fällen §§ 9 und 10 die Verfolgung oder die Ver¬
urteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf
die Einziehung selbständig erkannt werden.
§ 12 .
Der Öffentlichen Ankündigung oder Anpreisung im Sinne
dieses Gesetzes wird die Verbreitung von Empfehlungen, Erfolg¬
bestätigungen, gutachtlichen Aeußerungen, Danksagungen und
ähnlichen Mitteilungen in einem großen ]&eise von Personenf
gleichgeachtet.
§ 13.
Mit Geldstrafe f bis zu einhundertundfUnfzig Mark oder mit
Haft werden bestraft Gewerbetreibende der im § 1, Abs. 1 be-
zeichneten Art, die
1 . die im § 1 vorgeschriebene Anzeige nicht rechtzeitig
erstatten oder die gemäß § 2, Abs. 1 von ihnen geforderte
Auskunft über ihre persOnli^en Verhältnisse verweigern
oder unrichtig erteilen ;t
2 . die Geschäftsbücher, deren Führung oder Aufbewahrung
ihnen obliegt, nicht oder nicht in der vom Bandesrate
vorgeschriebenen Weise oder unrichtig führen oder ver¬
heimlichen oder vernichten oder der zuständigen Behörde
auf deren Verlangen f nicht vorlegen.
§ 14.
Welche Behörde in jedem Bundesstaat unter der Bezeichnung
Polizeibehörde zu verstehen ist, wird von der Zentralbehörde des
Bundesstaates bekannt gemacht.
XXy. Haaptremamliug dw FreiiKsehea üadisiBalbeuntmTerdDS. 665
§ 10 .
tMit Geldstrafe von ... bis za
Zusatz zu Abs. 1: fMit der gleichen Strafe wird bestraft,
wer die öffentliche Ankündigung in periodischen Druckschriften,
Volkskalendem und an ähnlichen Reklameorten znläßt oder ver¬
mittelt, desgleichen, wer Bücher, Schriften und Zeitschriften
öffentlich anpreist und anpreisen läßt, in denen zur Verletzung
gesetzlicher Bestimmungen angereizt wird, die zur Verhütung der
Verbreitung ansteckender Krankheiten getroffen worden sind
(Reissig).
Wie im Entwurf.
§ 11 .
§ 12 .
Zusatz: Vor das Schlußwort ^gleichgeachtet“ ist noch ein-
zufügen ,sowie der öffentliche Hinweis auf Bücher und
Schriften, in denen die durch dieses Gesetz betroffenen
Mittel, Gegenstände oder Verfahren empfohlen werden**.
§ 13.
f Mit Geldstrafe von ... bis einhundertfünfzig Mark (höhere
Strafe, als im Entwurf vorgesehen').
Zu Ziffer 1. Zusatz hinter ^erteilen**:
foder gegen die Bestimmung des § 1 Abs. 4 und des § 3 Abs. 5
(Abänderungsvorschläge) verstoßen.
Ziffer 2. Zusatz hinter »deren Verlangen**:
toder zu den vorgeschriebenen Terminen nicht vorlegen.
§ 14.
Wie im Entwurf.
666
Leita&tie zur Tagesoidmuig Ittr die
§ 15.
Die landesrechtlichen Voi Schriften, welche die Aasttbnng der
Heilkunde t durch nicht approbierte Personen, sowie die Anl^di-
gungf und Anpreisung von Mitteln, Gegenstftnden und Verfahroi
der in diesem Gesetze bezeichneten ^t betreffen, werden auf¬
gehoben, f
§ 16.
Dieses Gesetz tritt am ... .
in Kraft.
Leitsätze zum Referat:
Die Psychologie der Aussage.
Eeferent: Prof. Dr. Lochte, Ereiszrzt in GOttingen.
1 . Die experimentelle Psychologie hat nachgewiesen, daß,
abgesehen von der bewußten Falschaussage ein breites Gebiet
normalpsychologischer Auffassnngs-, Erinnernngs- und Aussage¬
fälschungen besteht, mit. dem bei jeder Zeugenvernehmung ge¬
rechnet werden muß. Auch der Eid bietet keine Gewälif ffir
Fehlerlosigkeit der Aussage (Stern). Diese Feststellung bean¬
sprucht in der Praxis fftr die Fälle Bedentung, in denen nur ein
oder wenige — ungenügend anssagende Zeugen vorhanden sind.
Der Cramer-Web ersehe Versuch lehrt anderseits, daß es
bei Vernehmung einer größeren Reihe von Zeugen sehr wohl ge¬
lingt, ein annähernd richtiges Bild des Vorganges zu rekonstruieren.
2. Der Forderung eines Aussage-Unterrichts in der Schule
kann nicht beigestimmt werden, noch weniger der Bestellung von
Gerichtspsychologen.
3. Beachtenswert ist der Vorschlag, in geeigneten Fällen
die Fragen des vernehmenden Richters und die Aussagen des
Zeugen stenographisch zu protokoUieren.
4. Sowohl durch körperliche, wie durch seelische Er¬
krankungen kann die Aussage störend beeinflußt werden.
Unter den körperlichen Erkrankungen spielen die Kopf¬
verletzungen (Amnesie und Sprachstörungen), die Infektionskrank¬
heiten (z. B. Typhus) und Intoxikationen eine Rolle.
Vor, während und nach Ablauf einer Seelenstömng werden
gelegentlich krankhaft beeinflnßte Aussagen produziert, die die
Behörden irreführen können.
5. Der Zeugenaussage eines Geisteskranken kann nur dann
ein Wert beigemessen werden, wenn es nachgewiesen ist, daß sie
unbeeinflußt von krankhaften Momenten abgegeben sind (Cramer).
6 . Die im Entwurf zur Strafprozeßordnung vorgesehene all¬
gemeine Einschränkung der Eide kommt den Wünschen der Psycho¬
logen, wie der Irrenärzte entgegen.
XXV. HaaptTersammluDg des Preußischen Medizin albeamteuTereins. 667
§ 16 .
f Anstatt AoB&biiDg „der Heilkunde“ Ansflbnng „des Heil-
gewerbes“.
Znsatz als 2. Absatz.
f Unberührt hiervon bleiben die landesrechtlichen Sonder-
bestimmnngen fttr die Apotheker, die diesen die Ansftbong der
Heilkonst untersagen.
Leitsätze znm Referat:
Medizinalbeamter und ärztliche Praxis.
Beferent: Kreisarzt Dr. Gutkneeht in Belgard.
1 . Die Voranssetznngen, die bei dem Erlaß nnd bei der
Darehftthmng des Ereisarztgesetzes als maßgebend angesehen
sind, haben sich in der Folgezeit namentlich in bezug anf den
Umfang der amtlichen Tätigkeit des Kreisarztes nnd in bezng
anf die ihm belassene Befagnis, ärztliche Privatpraxis ansznttben,
als nnzntreffend erwiesen.
2 . Es ist eine irrtümliche Ansicht, daß für die amtliche
Tätigkeit des Kreisarztes die gleichzeitige Ansübnng ärztlicher
Privatpraxis unerläßlich sei; im Gegenteil, eine solche ist nicht
bloß überflüssig, sondern direkt hinderlich für die Dienstobliegen¬
heiten; außerdem gefährdet sie die für seine amtliche Stellung
unbedingt erforderliche Unabhängigkeit.
8 . In größeren und mittleren Kreisen haben sich die Amts¬
geschäfte des Kreisarztes derart gehäuft, daß ihm keine Zeit und
Möglichkeit zur Ausübung ärztlicher Privatpraxis verbleibt.
Es besteht demnach hier die einzig dastehende Anomalie, daß
der Staat die volle Tätigkeit eines Beamten in Anspruch nimmt,
ohne ihn voll zu besolden.
Eine schleunige Abstellung dieses Mißstandes ist nicht bloß
im Interesse der Medizinalbeamlen, sondern auch im öflentlichen
Interesse geboten.
668
Beipreohnsgeii.
Besprechungen.
Sntsoheidiuigen 4 m PreoMisolian Bjufayrtohtih ofM fttr ArnnU,
Im Anltrsge des Ebrengerichtshofes heraosgegeben. Berlin 1908. L Band.
Verlag yon B. Scho et s. Gr. 12**; 251 S. Preis geh. 4,80 K., geh. 5,50 U.
Der vorliegende I. Band der Entscheidungen des prenßischen EShrw«
gerichtshofes enthält diejenigen ürteUe und Bescblttsse aus den Jahren 1900—1907
ln teils wörtlicher teils auszugsweiser Wiedergabe, die von aUgemelner und
rechtsgrundsätzllcher Bedeutung sind. Sie enthalten einen Abschnitt tibtt
Entscheidungen von vorwiegend materieller Bedeutung (Verhalten in der Praxis,
im Verkehr mit Kollegen, Behörden, Krankenkassen, Kurpfuschern nsw.), einen
weiteren Abschnitt über Strafzumessung und Strafausschließung und einen
dritten ttber Entscheidungen von vorwiegend prozessueller Bedeutung (Bechts-
gttltigkeit des Ebrengerichtsgesetzes, Zuständigkeit, Verwaltungsverfahren,
Gang der Untersuchung usw.). Am Schluß findet sich ein Verzeichnis der
Entscheidungen nach der Zeitfolge, und den betreffenden Gesetsesstellen sowie
ein Schlagwortregister, das den Gebrauch des Buches wesentlich erleichtert.
Bpd.
Dm OMundhoitswesen 4en Pr«iiMlaolum StMtM im Jabr« 1004.
Im Aufträge Seiner Exzelenz des Herrn Ministers der Oeistlichen,
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten bearbeitet von der Medizinal-
Abteilung des Ministernms. Verlag von Bicbard Schoetz In Berlin, Gr. So.
510 Seiten und 48 Seiten Tabellen. Preis fttr Königl. Behörden und Medizinal¬
beamte 8 Mk. (Ministerial-Erlaß vom 19. Juni 1908).
Der diesjährige Bericht, der in regelmäßiger Folge mit seinen Vorgängen
erschienen ist, bietet eine ganze Anzahl bemerkenswerter Tatsachen. Er schließt
sich in der Form unter Berttcksichtigung möglichst vieler statistischer Nach-
weisangen den früheren Jahrgängen an, ist aber besonders geeignet, die Fort¬
schritte auf dem Gebiete des Gesundheitswesens, und die sitm stetig steigernde
Besserung der allgemeinen Gcsundheitsverhältnisse des Staates erkennen zu
lassen. Bemerkenswert ist, daß die allgemeine Sterblichkeit bedeutend günstiger
war als in den vorausgebenden Jahren, zum Teil auch die Säuglingssterblichkeit,
so daß die Abnahme der Sterbeziffer im verein mit der Steigung der Geburten¬
ziffer eine Bevolkorungszunahme des Staates von einer Höhe, lieferte, wie sie
bisher nicht erreicht worden war, nämlich um fast 600 (XK) Köpfe.
Das zur Durchführung gelangte preußische Seuchengesetz rechtfertigte
die auf seine Wirkungen gesetzten Hoffnungen. Die meisten Infektions¬
krankheiten forderten weniger Opfer als im Vorjahre. Die Zahl der an Tuber¬
kulose Gestorbenen war um fast 6(K)0 geringer als im Jahre 1905, geringer
als in allen Jahren zuvor. Auch auf den übrigen Gebieten des Sanitätowesens
wurden Fortschritte verzeichnet. Das reicihaltige Werk wird auch in diesem
Jahre den beteiligten Kreisen willkommen sein. Dr. Biuber-Köelin.
Dr. med. H. Deiohert, prakt. Arzt in Hannover: GMohlohte dM
Medizinalwesens im Gebiet des ehemaligen KOnlgxelohe Hanno¬
ver. Hahn’dche Buchhandlung Hannover nnd Leipzig 1908. Preis 7 Mk.
Die Bedeutung des vorliegenden Werkes greift weit über das Gebiet des
ehemaligen Königreichs Hannover hinaus. Es ist eine interessante Lektttre
nicht nur für alle Ortseingesessenen Aerzte, sondern für alle Aerite, die sich
für deutsche Kulturgeschichte interessieren.
Den Medizinalbeamten werden besonders die Elapitel über Hebammea-
wesen, Kurpfuschertum, Seuchen nnd öffentliche Gesnndheitspfiege interessiereB.
In mancher Hinsicht wird er seine Freude haben beim Vergleich zwischea
einst und jetzt. So z. B. wird ihn die Tatsache, daß noch 1796 von Hebammea
berichtet wird, die nngeborenen Kindern die Arme mit Stricken abrissen and
den Best mit Schlächterhaken oder krummen Nägeln heranszogen oder scharfe
Haken in den Kopf des Kindes einschlugen, gleichgiltig, ob es tot war oder
lobte, doch die Fortschritte auf dem Gebiet des Hebammenwesens besser wttrdigea
lassen. Anderseits muß man der trefflichen Organisation des Hedisfatalweseas
mancher Städte des Mittelalters alle Achtung zollen.
BesprechnDgen.
669
Dm mit b«wiudeniiw«rtaii Eleifi nsammeiigetnffeae Materiid wird ab
Qnmdlage Itti wdtere ArbeiteD aal dem Gebiet dee MedudaalweaeM mit Erfolg
bMiitit werdea kdaaea. _Dr. Dohra-HaiiaoYer.
Dr. Pfallliar, lieg.* n. Geb. Med.-Bat ia T^eebadea: XXIII. JahTaaberloht
Aber die Forteohrltte und Lelatnngen auf dem Gebiete der
Bjglene. Jahrgang 1905. Sapplement snr Dentecben Vierteljahrsacbrift
fttr öffentlicho GeBondheitspflege; Bd. XXXVIIL Braanschweig 1908. Verlag
▼oa Vieweg & Sohn. Gr. 8*, 598 8.
Die Einteilang des gewaltigen Stoffes bt bti dem Torzüglichen Jahres*
bericht die gleiche wie in den Irttheren Jahren geblieben, aach die langjährigen
bewährten Mitarbeiter haben nnr in bezng auf Epizootien, Schlachthaosbetrieb
and Abdeckerei (Beg.-Bat Dr. Wehrle*Berlin statt Veterinärrat Dr. Arndt*
Berlii^, Infektionskrankheiten (8tabBarzt Dr. Hollmann*Berlin statt Stabs¬
arzt Dr. Bisohofl'Berlin) and ansteckende Angenkrankheiten (Aagenarzt
Dr. G e n t h • Wiesbaden statt Dr. Brandenburg* Trier) gewechselt. AUe Ver*
lasser haben sich mit großem Fleiß bemüht, einen Ueberblick über die hygi*
enbchen Fortschritte und Leistangen während des Berichtsjahres speziell im
Deutschen Belche zu geben; ihre Zusammenstellaogen lassen erlreulicherwelse
überall ein Vorwärts und keinen Stillstand erkennen. Jedem, der sich schncdl
über diese Fortschritte und Leistungen unterrii^ten wolle, kann der Jahres*
bericht warm empfohlen weiden. Es wird ihm als Nachschlagebuch viel Arbeit
und Mühe ersparen. _ Bpd.
Dr. A. PoUataohek- Karlsbad und Dr. H. VAdor*Märamaro8sziget: Dia
tbarapaatisolien Iielntongen des Jahres 1007. Wiesbaden 1908. Ver*
lag von J. F. Bergmann. Gr. 8", 362 S. Preis 8,60 M.
Auch das vorliegende „Jahrbu«^" gibt gleich seinen bekannten Vor*
gingern einen guten Ueberblick über den gegenwärtigen Stand der wissen*
schalüichen Therapie und ihrer theoretischen Voraassetzungen. Allgemebe
Therapie, Pharmakologie und die Ergebnisse der neueren bakterioloj^sehen
Forschungen, soweit sie die Therapie beeinflussen, Anden wir berücksichtigt
und in Kürze und übersichtlich angeordnet. Ein ausführliches Inhaltsverzeichi^
Autoren* und Sachregister erleichtern die Orientierung über die therapeutischen
Publikationen des Jahres 1907, die durch den Ausbau der Chirurgie, der
physikalischen Heilmethoden, der Ernährungstherapie und Diätetik, der Serum*
theraple und der medikamentüsen Behandlung so außerordentlich zugenommen
haben. _ Dr. Boepke-Melsungen.
Dr. Q. Xrftniar, Oberarzt an der Großherzogi. Sächsischen Landes - Irrenanstalt
ln Blankenheim: KarBgeßaeater praktiaoher Ratgeber fQr Irren*
Arate und aolobe die ea werden wollen. Wiesbaden 1908. Verlag
von J. Bergmann. Gr. 8**; 88 S. Preis 1 M.
Vorliegende Schrift enthält kurz zusammengedrängt die wichtigsten
Verhaltungsmaßregeln für den psychiatrischen Heuling. Er fladet darin neben
wichtigen therapeutischen Winken auch Angaben über Krankenaulnahme und
Untersuchung, über den dienstlichen Schriftverkehr usw. sowie recht viele
wertvolle Fingerzeige, die ihm seine Tätigkeit im Anfang erleichtern werden.
Mit Bücksicht auf den praktischen Gebrauch dürfte sich ein etwas handlicheres
Format empfehlen. _ Bpd.
Max Bnbnor, Geh. Med.-Bat, o. ö. Professor u. Direktor des hygienischen
Instituts in Berlin: Daa Problem der liebenadaner und aeine
Beatlehnngen bu Waobatnm und BmAhrung. München u. Berlin
1908. Verlag von B. Oldenbourg. Gr. 8**, 208 8. Preis 6 M. geh.
Bahn er s Buch läßt sich im Bahmen einer kurzen Besprechung nicht
würdigen. Man muß es studieren, um zu erkennen, wie sich aus Experiment
und logischer Vergleichs* und Schlußfolgerung Wahrheiten vor uns aufbauen,
die ernährungsphysiologisch und biologisch gleich bedeutungsvoll sind.
Der erste Teil behandelt die Theorie der Ernährung des aus*
gewachsenen Organismus. B. kommt zu dem Schluß, daß der Nutz*
670
BesprechmigeB.
•fekt fliBtt Ntltfug Uoiiehtlieh des N-Aantsee bei weehseladea EiweiS-
gehalt SB bestes ist »Mui darf sagen, wenn es aneh paradox künij^ — es ist
nie so.wenig Eiweifi ftlr den Ansatx yorhanden, als bei reiner Eiweifikest*
Der sweite Teil entwickelt die ErnährnngRyorginge beim Waeks«
tum des Kindes. Eiweißansats und echtes Wachstum sind streng aurfn-
ander za halten. ,Die Fraaenmilch besitzt so wenig Eiweifi, da sich mit ihr
trotzdem das physiologische maximale Wachstum erzielen läßt*
Der dritte Abschnitt betrachtet das Wachstamproblem und die
Lebensdaner des Menschen and einiger S&agetiere yom
energetischen Standpunkt aas und führt au wichtigstes Ergebnis den
Maehwaia großzügiger Wachstumgesetze bei den Säugern, die das extrauterine
und intrauterine Leben umfassen und deren Endprobleme auf die Qrundfrage
organisehen Geschehens, aaf Wachtumsdauer und Lebensdauer eia ungeahntes
Streiflieht werfen. Und die lebende Substanz des Menschen xeigt, daß sie weit
mehr Energieamsatz aus Nahrungstoffen za gewinnen rermag, als andere
tierische Zellen. Der Mensch steht also in diesen Lebtangea andermi Warm¬
blütern weit voran. — Das sind Stichproben; mOgen sie zor Lektüre der geist-
rollen Bubnerschen Schrift anregen.
Dr. Boepke-Melsungen.
Dr. Hnx Rnbner, Geh. Med.-Bat, o. 0. Professor u. Direktor des hygienisehen
Instituts in Berlin: Volksern&hmaifsfrageii. Leipzig 19^ Aka¬
demische YerlagsgeecUschaft m. b. H.
Babner f^t in der vorliegenden Boschüre seine beiden von ihm vor
dem XIV. internationalen Kongreß für Hy^ene und Demographie erstatten
Beferate über die Frage des kleinsten Eiweißbedarfs des Menschen* und ,die
volkswirtscbaftlidien Wirkungen der Armonkost* zusammen. Mit schicer
Kritik bespricht er im ersten Kapitel die Anforderungen, welche sieh ans dou
Volkswohlstand, sowie aus den Sitten und Gewohnheit eines Volkes, ferner ans
der individuellen Geschmacksrichtung und der beruflichen und außerbemflichen
Tätigkeit des Individuums an eine vernunftgemäße Zusammensetzung der-
Volksnahrung ergeben und beleuchtet nachdrücklich die hohe volkswirtschaft¬
liche und sozialpolitische Bedeatung einer zweckentsprechenden Volksemähmng
und ihren Einfluß auf Morbidität und Mortalität im zweiten KapiteL Be¬
sondere Abschnitte sind dabei der Armen- und Gefängniskost gewidmet.
Damit dio wichtigen Fragen der Volksemährung, ähimch wie dies in
der Frage der Ernährung der landwirtschaftlichen Haustiere bereits geschehen,
einem gründlichen Studium unterzogen werden, fordert Bubner die Gründung
eines staatlichen Zentralnahrangsamtes, in welchem alle einschlägigen Fr^en,
wie Ernäbrangsweiso in den verschiedenen Teilen des Landes, N^rangsmitteL
wesen, Prüfung von Konservierungsmitteln, Nahrangsmittelverkehr und Prds-
bildung, Nahrungsmittel- und Speisenbereitung, Ernährung in üffentlichen
Speisehäusem, Kranken-, Gefängniskost, Kinderernährung u. ä. wissenschaftlich
zu bearbeiten sein würden. Dr. Lentz-Barlin.
Dr. mad. at phil. Haan Iiongwlts-Berlin: StolfvaolinelTeranolia
Aber den Blweisebedarf des Kindes. Halle a. 8. 1908. Carl Mar-
hold. Kl. 8«, 82 S. Preis 1,20 M.
Daß wir alle, die Aerzte nicht ausgenommen, das Eiweiß als Nähr¬
stoff überschätzen, unterliegt wohl keinem Zweifel. Den wissenschaftlichen
Nachweis hierfür hinsichtlich des Kindesalters erbringt L. durch seine im
Laboratorium der Kinderklinik der Cölner Akademie angestellten Stoffweohsd^
versuche. Die Ergebnisse beweisen, daß die S i e g e r t sehen Zahlen, die einen
Gehalt der Nahrung an Eiweiß von 10 "/o der Gesamtkalorien gegenüber den
bisher üblichen 17°/o fordern, nicht nur ein gutes Gedeihen des kindlichen
Organismus garantieren, sondern sogar zu Eiweißansatz führen. Da die Er-
nährungsfragen, abgesehen von der medizinischen Seite, eine große'!sosial-
hygienische und ökonomische Bedeutung haben, kann die Lektüre der kicken,
interessant und flott geschriebenen Schrift sehr empfohlen werden.
Dr. Boepke-Melsungen,
Besprechoiigon.
671
ProH Dr. Adolf Solmldt- Halle a. S.: Die Fuaktloaeprflfaag dee
Daxmeo mlUelat der Pxobekoet. Wiesbaden 1908. Yerli^ tob
J. F. Bergmann. 98*. 81 8. Preis 8 M.
Die in II. Termehrter nnd rerbesserter Auflage Torliegende Schrift
Schmidts mochte ich jedem Erankenhaasarsty auch dem Leiter des
kleinsten Stadt- oder Ereiskrsnkenbanses, dringend zur Anschaffang empfehlen.
Schmidt macht ans mit einer Methodik, nuttels der Probekost die Darm*
fonktionen zu prüfen and daraas diagnostische and tberapeatische Schlüsse zu
ziehen, bekannt, die tatsächlich einfach and leicht aasführbar ist.
_ Dr. Boepke-Melsongen.
Bflrgormelntor Twistel-Mewe (Westpr.). Yolksbad und Sobulbad für
kleine Stldte und das flaobe Land. Im SelbstTerlage des Verfassers.
1908, 69 S.
Verfasser tritt aofs wärmste für die Errichtang Öffentlicher Badegelegen¬
heiten gerade in kleineren Städten ein; er berichtet Über die Anlage mes
Scholbades and eines Volksbraosebades in dem kleinen westpreoßischen Städt¬
chen Mewe, deren Kosten die Stadt dorchaos nicht stark belasten, and fordert,
daß die kleine Stadt für die sie amgebende ländliche BeTOlkemng ^der Pionier
in der Volksbäderfrage" werde! _ Dr. Solbrig-AUensteiB.
Prlwatdoient Dr. Uoltaiaan- Halle a. S.: Heber die Ranob- and
Bussfrage insbesondere ron» gesnndbeitlloben Standpunkte und
eine Methode des Bussnacbveises ln der Luft. Mit 8 Abildangen.
Braonschweig 1908. Verlag Ton Vieweg and Sohn. 8*;90S. Preis 8,50 hL
Bei den großen Fortschritten aof dem gesamten Gebiete der Hygiene
ist auch die Baach- and Baßfrage aktuell geworden; man hat ihre Wichtigkeit
besonders für Großstädte erkannt and sinnt auf Abhilfe, die bei der i^er
größeren Ausdehnung, die unsere Indostrie nimmt dringend notwendig ist.
Mit Becht betont der Verfasser, daß, wenn hierbei auch dem Techniker das
erste Wort gebühre, so müsse doch aaf diesem wie aof anderen Gebieten der
l^giene Arzt and Ingenieur zusammen wirken. Nach einer Einleitung über
die lokale Baachbelästigang und diffose Baachplage gibt er zuerst einen
üeberblick über die gesundheitliche Bedeutung des Bauches und Basses, erOrtert
dann seine verschiedenen chemischen Bestandteile sowie den Einflaß, den er
auf die Atmosphäre wie auf den menschlichen Organismus hat Darauf bespricht
er die Zukunft der Bauch- und Baßplage, unter Berücksichtigang der verschiedonen
Feaerangsarten, der schon getroffenen Verbesserungen und der einschlägigen
Gesetzgebung. Im letzten Abschnitt gibt er eine Methode an zar quantitativen
Bestimmung des Basses in der Luft und zwar ein kolorimetrisches Verfahren,
auf dessen Einzelheiten wir hier nicht näher cingehen können und über dessen
Wert erst eingehende Versuche Sicheres sagen können. Die Arbeit enthält
kurz zasammengedrängt und in flotter, übersichtlicher Weise geschrieben das,
was für den Arzt speziell für den Hygieniker über diese Frage wissenswert
ist; es wird aber auch dem Techniker und den Juristen manche Anregung bieten.
_ Bpd.
Dr. J. Bambounek, Privatdozent und Bezirksarzt in Prag: Heber die
Yerbtltimg der Bleigefabr. Wien 1908. Verlag von Hartleben.
8*; 79 8. Preis 3 M.
Nach einer kurzen Einleitung, in der Verfasser darauf'aafmerksam macht,
daß trotz der ständigen Verbesserung der sanitären Einrichtongea auf gewerb¬
lichen Gebiete ihr Erfolg doch kein durchgreifender ist, erOrtert er im ersten
Teil seiner Abhandlung die Pathologie der Bleivergiftung. Er kommt zu
dem Ergebnis, daß die Erscheinungen der Bleivergiftoug sich auf Erkran-
kangen des Blates and des Gef^systems zarückftthren lassen and daß
Heberarbeitang oder eine durch Erkrankung herbeigeführte Schwächang
der Organe daza disponiert. Im Magen werde das Blei resorbiert, der Darm
scheide es aas. BleisaUid sei relativ ungiftig, weil es im M^en and Darm¬
saft nicht lOslich sei. Im zweiten Teil werden die praktischen Schlüsse
672
BeBprechangen.
MH dktom Ergelnis lur BdAmpfong der Bleigefakr geiogea. VerbHeer wtaaeht
möglichste Verwendiing der Bl^alflds, Verwendlaiig von Bldrttokstiiide ia Blei*
si^d nsw.; ferner will er jede Ueberanstrengong der Arbeiter Tennleden ind
diejenigen, die mit irgendeiner disponierenden Krankheit (Taberknloee, Epilepsie,
Hydrosephalas, Qrayidität) behaltet sind, aosgeschloasen wissen.
£me fleißige and interessante Arbeit, ue weiterer Verbreitnng würdig
ist and deren Vorschl&ge eingehende Prftfang yerdienen. Bpd.
Frledrloh DesMiier, Ingeoiear in Aschaffenbarg: Bellend« Strehlen.
Wflrzbarg 1908. A. Stabers Verlag. Qr. 99 8. Preis brosch. 2,60 B.,
geb. 8,20 M.
Die yorliegenden ^gesammelten Aafsatze* Dessaaers bilden die Fort*
setzong des yor 8 Jahren erschienenen ^rOntgenologischen Hillbaches*, da*
s. Z. aach in dieser Zeitschrift (Jahrgang 1905 Nr. 13) besprochen worden ist
Sie sind der therapeutischen Verwertung der Strahlangsenergien —
X'Strahiang, Lichtstrablang and Badioaktiyilät — gewidmet, besprechen ihre
oft flberschätzten Gefahren and die Höglichkeiten ihres weiteren Aasbaas.
Wenn man aach darüber geteilter Ansicht sein kann, ob der Nicht¬
ara t überall den nar darch ärztliche Sachkenntnis onj Kritik za regulieren¬
den richtigen therapeutischen Einschlag yerrät, so wird man doch
dem Ingenieur für die physikalischen Belehrungen in der BOnigentechnik,
über den Schutz des Arztes and des Patienten gegen Schädigangen darch
BOntgen- und Badiamstrahlang dankbar sein. Gerade dieses Kapitel ist in
unserer Zeit der Haftpflicht und Haftbarmachang für jeden Arzt, der sich
diagnostisch und therapeatisch mit BOntgenstrahlong befaßt, äaßerst wichtig.
Der Anfang «Vom Geiste des Helfens* liest sich ganz nett; er k<mnte aber
ebensogat fortbleiben. Dr. Bo ep ke-Melsangen.
Prot Dr. Lenhaxts and Baarat Rappel in Hamborg: Der moderne
Krenkenhaasban yom hyglenleohen und vlztsobnftlloli - teok-
nlnoben Standpankte. Mit 60 Abbildangen. Braanschweig 1908. Verlag
yon Vieweg & Sohn. Gr. 8**, 72 S., Preis: 2,40 M.
Die Schrift enthält die bereits in dieser Zeitschrift (Berichtsbeilage za
Nr. 24, Jahrg. 1903) besprochenen, auf der yor jährigen Versammlang des Deut¬
schen Vereins für öffentliche Gesandheit^flege in Bremen gehaltenen Vorträn
der beiden Verfasser über den modernen Krankenhausbaa, wobei der hygienisme
Standpankt yon Prof. Lenhartz, and der wirtschaftlich-technische Standpunkt
yon Baarat Bappel yertreten wird. Ersterer weist aal den großen Auf-
schwang, den der Krankenhausbaa gemacht hat, hin; die Zahl der Kranken-
häaser im Deatscben Boich ist yon 1822 im Jahre 1877 aof 8603 im Jahre 1904
und die der Krankenbetten yon 72219 auf 205117 gestiegen. Nach seiner
Ansicht müssen Aerzte und Architekten einmütig zasammen wirken, damit
mustergültige Anstalten geschaffen werden, jedoch müßten die hygienischen
Forderangon aasschlaggebcnd sein. Die Wahl des Systems hänge yon der
Größe und der Aufgabe der Anstalt, den örtlichen Bedingungen und den klini¬
schen Verhältnissen ab. Das Payillonsystem yerdiene bei großen Anlagen den
Vorzag; Aagcn-, Obren-, Halskranke, Bheamatiker, Nierenkranke, Ddiranten
seien aber besser in den Korridorhäasezn untergebracht. Je größer die An¬
stalten seien, desto größer wären auch die Schwierigkeiten und desto sorg-
ältiger müßte der Generalplan angelegt werden. Besonders erfordere die
Qrnppierang sämtlicher NebengebSade große Aafmerksamkeit. Baarat Bu ppel
hält die Gesamtgrappiernng für die wichtigste und schwierigste Aufgabe; er
fordert möglichste Trennang aller für den eigentlichen Krankendienst be¬
stimmten Gebäude and Bäame yon allen übrigen Bäamen and Nebenbetrieben,
scharfe Trennang der Infektionskranken yon den allgemeinen &ankmi,
möglichste Scheidang der Kranken nach Geschlecht, Krankheitsgattang,
Alter osw. Beide Verfasser besprechen die an den beiden einzelnen Anlagen
zu stellenden Forderungen, ihre Vor- und Nachteile and erläutern ihre Aus-
führongen durch die Baupläne der bekanntesten und modernsten
Tagesnaohrichten.
673
bantea der Jetitaeit. Wer sich in irgendeiner Weise mit Krankenhaosban zu
beeebSitigen bat, dem werden die jetzt in erweiterter Form Torliegenden Vor*
trige der Verianer sehr willkommen sein. Bpd.
Tagesnachrichten.
Aul der dieejäkrlgen Verzammlnng des Devtsehen Apotheker*Terelns
wurde von dem Apotheker Dr. Clasz-Landahnt L SchL ein ron ihm gestellter
Antrag, betreffs Aendemng der Bestimmung ttber die Apotheken*Naeh>
besichtignng (§ 28 der Anweisung), wonach dem Apotheker die Kosten
dafür zur Last fallen, damit begründet, daß durch die jetzige Bestimmung
jeder getroffen werde, der nicht völlig den Anordnungen des medizinischen
Kommissars nachkomme. Eine Besserung lasse sich nxu dadurch erreichen,
daß die Bevisionea von Fach* und Standesgenossen ansgeführt würden. Die
Unzutr&glichkeiten wurden im wesentlichen durch die mangelnde Fihig*
keit des medizinischen Kommissars hervorgernfen. Die gegen ue
medizinischen Kommissare erhobenen Angriffe wurden von dem Med.-Bat
Fr Ohl ich-Berlin als durchaus unberechtigt bezeichnet und mit aller Schärfe
znrttckgewiesen, worauf der Antragsteller seinen Antrag, gegen den sich auch
der Vorstand durch seinen Beferenteu ausgesprochen hatte, zurücksog, jeden¬
falls das Beste was er tun konnte; denn solche völlig unbegründeten Vorwürfe
können nur dazu beitragen, zwischen den Medizinalbeamten und Apothekern
MUlstimmungen hervorzurufen, die nicht gerade im Interesse des Apotheker¬
standes liegen.
Ueber den ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Gesetzentwurf,
betreffend die Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte
Personen und den Geheimmittelverkehr, lag ein ausführliches
gedrucktes Beferat des Berichterstatters, Apothekers Dr. Beda 11-München,
vor. Die Versammlung erkannte die Notwendigkeit der in dem Gesetzentwurf
beabsichtigten einheitlichen reichsgesetzlichen Begelnng der Materie an und
erklärte sich auch mit deren Zusammenfassung in einem einzigen Gesetze, sowie
mit der Tendenz und dem Wortlaut des vorliegenden Eatwons im allgemeinen
einverstanden, wünschte aber, daß die von Beferenten vorgesodagenen
Abänderungen Berttckcdehtigung finden.
Vorlivflges Programm zum UL Intemationnlen Kongress für Irren«
pflege ln Wien vom 7. bis 11. Oktober 1908.
L Zusammenfassender Bericht ttber den gegenwärtigen
Stand des Irrenwesens in den verschiedenen Ländern. Beferent:
Oberarzt Dr. Bresler (Lublinitz). Dr. Buchholtz: ,Einiges ans derham-
bnrgischen Irrenfürsorge.* J. Deventer (Amsterdam): «Pflege der gefähr¬
lichen und schädlichen Geisteskranken.“ M. Le mos und J. Mattos (Porto):
«L’assistance des aliOnOs en PortugaL“ J. Moreira (Bio de Janeiro): «Sur
le type le plus convenable d’assistance ponr les ali^a^s des pays chands.“
Starlinger (Maner-Oehling), Direktor: «Streifzttge durch das Budget der
n.-Q. Landes-Heil-und Pflegeanstalten.* Bizen (Breslau), leitender juztder
Irrenabteilung im Strafgefängnis: «Fürsorge für geisteskranke Strafgefangene.*
Kreuser (Winnental): «Bestrebungen und Erfolge der IrrenhUfsvereine.*
Matthies (Dalldorf): «Ueber Berliner FamBienpflege.* v. Nießl (Leipzig):
«E'ttraorge entlassener Geisteskranker.* Mich elf (lUinois): «Developement of
the modern methods of the care of the insane in the HUnois Generai hospital
for the insane.“ Ferrari (Imola-Bologna): «Les rapports entre les soddtds
de patronage pour aliön^s et Tassistance familiale.“ st ein (Nagy-Szeben):
«Bemerkungen zur Frage der Familienpflege.* Esposito (Maoerata):
«L’institution del’assistance 6t£ro-famili^e ä l’atile provlnciale de Macerata*.
U. Aerztliche Irrenpflege. Vos (Amsterdam): «Ueber Arbeits-
entlohnung.“ A. Pilcz (Wien): «Moderne psychiatrische Heilbestrebungen.*
Holub (Wien): Thema Vorbehalten. Scholz (Obrawalde): «Die Ausbildung
deo Pflegepersonals.“ Kauffmann (Halle a. d. Saale): «Die Bedeutung der
pbysiologi^en Chemie für die Irrenpflege.* Anton (Halle a. d. Saale):
674
Tagesnachiiehteii.
,Zar BehMdlnng lud xar Klaariflziemag der fipflepeie.* Peetere (CHieel);
„La dßmeiice eona^catire daiie raesistance lamiliale.* Hfifler (Cheouiitz):
„Behandiang der Kranken im Stadtasyl.*
UI. Irrenfleee and Technik. Beferent: k. k. Sektionschef Berger
(Wien). Thema Vorbehalten. Direktor Dr. Herting (Galkhaneen): „Bau*
Uehe Portent «ricklang der Anstalteo Ittr Oeisteekruske* (mit Photogrammen).
IV. Irrenpflege and Verwaltung. Beferent: Oerdnyi (Wien).
SehSlael (Breelaa): „Irrenpflege and Verwaltung in PreoBen.* Fischer
(Wiesloch): „Einheitliehe Gestaltung der Jahresberichte*.
V. Irrenpflege und Versicherungswesen. „Die Bedeutung
der Irrenfttrsorge fOr die Arbeiterverslcherung und insbesondere ^e Inv^den-
▼ersicherung der Arbeiter.* Beferenten: Begiernngsrat Dr. KO gl er (Wien),
Privatdosent Dr. A. Fuchs (Wien).
VL Irrengesetsgebung in den verschied. Lindern. Befe¬
renten Mongeri und Anfosso (Mailand): „La If^gislation Italienne sur
rhospitalisation des ali£a6s.* „PsycÜatriache Sachverständigen-Tätigkeit und
Geschworenengericht.* Beferenten: Aschaffenburg (Cöln), Stransky
(Wien). Friedländer (Hobe Harkt i. T.): „Ueber die Bewertung der
Imbesillität und der sogenannten Moral insanity in praktischer und forensischer
Besiehung.* Fischer (Pozsony): „Geber die Sachverständigen-Tätigkeit bei
sweifelhaften Geisteszuständen.* Nioladoni (Lüz): „Beform der Irrengesetz¬
gebung in Oesterreich.* Dr. J. M. Bhödes ' (Manchester): „The criminal
mentally defective.*
VU. Fflrsorffe fftr Idioten, Epileptiker und geistig Min¬
derwertige. Beierenten: Schiner (Wien), Weygandt (Wilrsburg).
Krenberger (Wien): „Organisation der Anstalten fttr Schwachsinnige.*
Heß (Görlits): „Pädagogische Therapie bei jugendlichen Nerven- n. Geistes¬
kranken.* Sioli (Frankfurt a. M.): „Aufgaben der Irrenasyle bei der Be¬
urteilung und Behandlung abnormaler Jugendlicher.* Heller (Wien): „Für¬
sorgeerziehung und Hellpädagogik.*
VIIL Bericht des internationalen Komitees über den Vorschlag des
Dr. Frank (Zürich) „Gründung eines internationalen Institutes
zum Studium und der Bekämpfung der Ursachen der Geistes-
kr ankheiten.* Beferent: Tamburini (Born).
IX. Irrenpflege bei den Armeen. Beferent: Stabsarzt Dr. Dra-
stich (Wien). „Vorsorge bezüglich der Geisteskranken im Kriege.* Zuzak
(Tjrnau): „Die Irrenanstalt des k. k. Heeres.*
Vom 28. bis 80. September findet in Luzern die fünfte General-
Versammlung des Komitees der internationalen Vereinigung für gesetilichen
Arbeiterschatz statt. Zur Beratung gelangen folgende Fragen: Das Arbdts-
amt und seine Aufgaben; Finanzielle Lage des Amtes und der Vereinigung;
Pro^amm der Vereinigung; Bleifrage; industrielle Gifte; Kinderarbeit; Heim¬
arbeit; Mazimalarbeitstag; Vollzug der Arbeiterschatzgesetze; Versicherung
ausländischer Arbeiter. In einer Plenarsitzung soll speziell ue Nachtarbeit
Jugendlicher besprochen werden. _
Die Chelem in Russland, die am 24. Juli in Astrachan aufgetreten ist,
hat seitdem eine große räumliche Ausbreitung erfahren. Sie drang zunächst im
Gebiet der^Wolga stromaufwärts vor und zog die Gouvernements Astrachan,
Saratow, Samara, Simbirsk, Kasan, Nowgorod, Kostroma und Twer, dann im Osten
die Kirgisensteppe und die Gouvernements Ufa und Perm in Mitleidenschaft, griff
dann nach Westen in das Stromgebiet des Don, das Gebiet der Donsäen
Kosaken und das Gouvernement Charkow über; dann trat sie nördlich und
südlich des Kaukasus im Kubangebiet und in Transkaukasien aul In den
letzten Wochen ist sie nach Westen im Stromgebiet des Dnjepr bis Kiew vor-
gedrungen und auch in Moskau und in Petersburg aufgetreten, während
sie gleichzeitig von Baku aus nach Transkaspien versdile^t worden, und in
Sibirien im Stromgebiet des Jenissei aufgetreten ist. Trotz der enormen
'ntgeanaohriohton.
676
rlnmUehea Yerbraltiiog ist die Zahl der ErkrankaiigeB in Bnfllaad bis jetst
in m&fiigen Grenzen geblieben; sie betrag bis znm 16. September 6747 mit
8180 Todesfällen. Eine Aasnahme davon macht nar Petersburg; die Gesamt¬
zahl der Erkrankongen und Todesfälle beträgt hier bis znm 16. September
960 (27^, davon entfielen jedoch auf die drei letzten Tagen 180 (80), 240 (61),
805 (115), also ein ständiges Wachsen.
Seitens der dentschen und preußischen Behörden wird die
Cholera in Baßland mit der größten Aofmerksamkeit verfolgt. Am 6. Sep¬
tember hat im Knltusministeriam unter Beteiligong von Eommiasaren
der ressortmäßig beteiligten Beichsämter and preußischen Ministerien eine Be¬
ratung stattgefwden, in welcher üebereinstimmnng darüber bestand, daß alle
erforderlichen Vorkehrungen getroffen sind, um einen eventuellen
Einbruch der Cholera in die östlichen Provinzen mit Nachdruck entgegentreten
zu können. — Nach einer Bekanntmachung des Beichskanzlers sind die ans
den Häfen von St Petersburg und Kronstadt, sowie die aus den russischen
Häfen des Schwarzen und des Asowschen Meeres nach einem deutschen Hafen
konunenden Schiff e und ihre Insassen bis auf weiteres vor der Zulassung
znm freien Verkehr ärztlich zu untersuchen.
XXV. HaaptTersammlnng
des
Preussiscben Medizinalbeamten-Vereins
Txx feier des 25jäiirigea Bestehens des Vereins
verbanden mit der
diesjährigen Hanptversammlnng
des
Dentsehen Medizinalbeamten-Vereins
am
Bieutaf, iti 21. Septeiber ud lidioeb, dei M. Septeiber INS
in Bezrllxi.
im Prenssischen Abgeordnetenhause
Prinz Albrechtstraße.
Xagesorclnu ng.
Koatag, den 98. September:
8 Uhr abends: Oeeellige Verelnloung zur BegrOeeung (mit Damen)
im Beatanratlonnranme des Preußischen Abgeordnetenbaases.
(Das Burean ist von 7 Uhr abends geöffnet.)
Dienstag, den 29. September:
10 XJbr TormlUags: Fest - Sitzung') im Feetsaale des Preuseleohen
Abgeordnetenhauses (Priuz Albrechtstraße).
Für die Damen der Teilnehmer sind Plätze freigehalten.
1. Eröffnang der Yersammlnng und Begrflssnng. Ueberwelsnng des
Stiftnngsfonds.
2. Gesehlfts- und Knssenberleht; Wohl der Kassenrevfsorea.
‘) Anrag fir Festsitzung und Festessen: Frack und weiße Binde.
676 Tag«Mrda. der XX7. Hanptyerwfinlnig des PreuA. Med.>Beei>teB«yereiis.
t. Ueber die byfteaieehe KeetreDe der eemtrelee WanerlelUuigeB.
Beferent: H. Qeh. Med.-Bet Prol Dr. Flttgge, Direkter dee
hygieniscbeii üniTersititdiistitate ia Breelao.
4» Terlloflger Entwarf des Belebsgesetses, betreffend die Am-
ttbimg der HeiUninde dveb nicht npprebierte Persenen ud den
Gehelmmlttelrerkelir. Beferent: H. Beg.* n. Med.>Bat Dr. Dtttsekke
in Erfurt.
6 TThr anohinittags: Feeteeeen mit Dunen im Hotel ,Prins Albreekt*
(Priax Aibrechtstmfie Nr. 9); Preis des Gedeckes 6 lürir).
DUbrnbeiida: Oeeelllge Vereinlouna im .Weihenstepban*, Friedikho
Straße 176/177.
■ittwooh, den 30. ffeptember:
OV* Dlir Tormlttngn: Zweite Sitzung»
Naoh Sohliise der Sitsimg (gegen 8 Uhr nachmittags): ttemeln-
nohaftllehee zwanglosen Besen mit Damen im Zoologischen
Garten.')
1. Der gegenwirtige Stand md Wert der Krimlnalanttrepelegie«
(lÜt Demonstrationen). Beferent: H. Gerkhtswzt and Prhratdozent
Dr. Strauch in Berlin.
8. Die Psychologie der Anssage. Beferent: H. Prol Dr. Lochte,
Diräktor des gerichtsärztlichen Instituts and Kreiswzt in GOtiingen.
8. Torstandswnhl; Bericht der KassenreTisorui.
4. Medlzlnalbeamter and Irztllehe Prlratpraxls. Beferent: H. Kreis*
uzt Dr. Gntknecht in Beigud.
Ahends: Besueh der Kßnigllehen Theater; nach Schloß: Oesslllge
Vereinigung.
Dir lirttiiD in Preonisehio uni Dwtscliei IbfiZMalhiaitN lii«^
Im Anftr.: Dr. Bapmund, Vorsitzender.
Eo;.- and Oeh. Med.-BAt in lOnden.
') Das Nähere wird am Sitznngstage bekannt gegeben wwden.
Die Mitglieder dee Deuteohen and Preoßsieolion
Medisinalbeamtenvereine werden gebeten, ihre Teilnahme an
der diesjährigen Haaptvenammlnng und Jabilänmifeier
schon vorher anzamelden and daza die der vorigen Nammer der
Zeitschrift (Nr. 17) beigeffigte Postkarte za benatzen.
Der ITorstand.
Verantwortl. Redakteur: Dr. Rap mund, Reg.- n. Geb. Med.-Bat in Minden i. W
J. C. O. Brniu, HorsogL S&chib u, F. Selk-L. Hofboc]idnick<hrai is MindüL
21. Jahrg.
190d.
Zeitschrift
Ittr
MEDIZINALBEAMTE.
Zentralblatt für das gesante Besundheitswesen,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Heraasgegeben
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. OTTO RAPMÜND,
Rogierungs- und Hedizinalrat in Minden i. W,
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Wörttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fischers mediz. Buohhandlg., H. Kornfeld,
BanogL Bayer. Hor> n. BnbenogL Kammer
Berlin W. 35, Lützowstr. 10.
Inserats nehmen <lle Torlagshandlung sowie alle Annoncen-Expeditionen des In-
nnd Auslandes entgegen.
Nr. 19.
Krscheint am 5. nnd Jedeu Monats.
5.
Oktbr.
Der Unterleibstyphus in Berlin.
Nach einem in Berlin gehaltenen Vortrage von Dr. Nesemann, Begierangs- and
Medizinalrat in Berlin.
Die verschiedenen Krankheitsformen, die man mit dem Namen
Typhus bezeichnet hat, der Fiecktyphus, der Rückfalltyphus oder
das Rückfallfieber, der Unterleibstyphus und neuerdings anch eine
bakteriologisch vom Unterleibstyphus getrennte Form, der Para¬
typhus, sind sämtlich in Berlin in mehr oder minder starker Ver¬
breitung aufgetreten; der Paratyphus ist allerdings bisher nur
unter dem Bilde der Fleischvergiftung zur Beobachtung gelangt.^)
Der Flecktyphus, der nach Griesinger und Hirsch*) vom
Anfang des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die ständige
Typhus-Form für alle Länder Europas war und während der
großen Kriege im Anfänge des 19. Jahrhunderts seine größte
Verbreitung erreichte, hat auch Berlin in verschiedenen größeren
Epidemien heimgesneht.
Von diesen ist die bekannteste die der Jahre 1757 and 1758, die sich
während des siebenjährigen Krieges namentlich in Schlesien aasgebreitet hatte,
später nach Berlin eingeschleppt wurde and auch Friedrich dem Großen bei
*) Stabsarzt Dr. Kätscher: Eine Fleischvergiftongs-Epidcmie in Berlin
infolge Infektion mit dem Bact. Paratypbi B. Zeitschrift für Hygiene; 1906,
Band 55.
*) Med.-Bat Dr. J acobson: Lehrbacb der speziellen Pathologie and
Therapie. Von Dr. Felix v. Niemeyer. Berlin 1871. Verlag von August
Hirachwald. Achte vermehrte and verbesserte Auflage; Bd. II, S. 361.
678
Br. Nesemann.
der Ergänzung seines Heeres große Schwierigkeiten bereitete.*) Hach all¬
gemeiner Mißernte suchte eine neue Epidemie Berlin in den Jahren 1770 und
1771 heim.
Eine größere Epidemie herrschte noch in der Stadt in den Jahren
1812 und 1818, wahrscheinlich durch die ans Bußland fliehenden Franzosen
eingeschleppt.*)
Lange Jahre ist dann nichts über das Auftreten der Seuche
in Berlin bekannt. Erst ans dem Jahre 1863 erwähnt Zuelzer’)
drei aus Oberschlesien eingeschleppte Fälle, die er in der Fre-
rieh sehen Klinik in Berlin sab. Größere Ausdehnung — Znelzer
erwähnt 92 Fälle — erlangte sie wieder, als sie im Jahre 1866
in Berlin eingeschleppt war, in diesem und dem folgenden Jahre.
Eine weitere größere Ausbreitung — 62 Fälle — erreichte die
Eirankheit ferner in den Jahren 1880 nnd 1881; einzelne
Fälle kamen noch in den Jahren 1882, 1883 und 1884 vor. Seit
dieser Zeit sind bis zum Jahre 1893 nur ganz vereinzelt ein*
geschleppte Fälle vorgekommen.
Seitdem blieb Berlin gänzlich vom Flecktyphus verschont.
Außer dem Flecktyphus herrschte früher die auch als
Bückfall-Typhus bezeichnete Febris recurrens in Berlin.
Nach den Angaben Znelzers (1. c.) scheint die Krankheit,
die in Rußland weit verbreitet gewesen sein soll, in Berlin schon
im Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt gewesen zu sein, eine
größere Verbreitung aber erst im Jahre 1867, zu welcher Zeit
sie mit Flecktyphus zusammen auftrat, erreicht zu haben.
Von ihrem Auftreten in den Jahren 1879 und 1880, in denen 335 bezw.
627 Fälle polizeilich gemeldet wurden, gibt der Generalbericht für diese Jahre
Kunde.*) Im Jahre 1881 kamen noch 3 Fälle zur Anzeige, seitdem finden sich
keine Angaben mehr über das Auftreten der Krankheit in Berlin. Seit vielen
Jahren ist notorisch kein Fall der Krankheit mit Ausnahme eines im Jahre
1906 in einem hiesigen Krankenhause beobachteten Falles in Afrika akq^uirierter
afrikanischer Bekurrens in Berlin vorgekommen.
Während der Flecktyphus und das Rückfallfieber stets nur
auf dem Wege der Einschleppung nach Berlin gelangten, ist
eine dritte als Typhus bezeichnete Krankheit seit langer Zeit bei
uns heimisch. Es ist dieses die T^husform, die wir wegen der
krankhaften Veränderungen, die sie im Darm verursacht, wohl
noch allgemein als Unterleibstyphus bezeichnen, wenn ihr
dieser Name, den sie so lange Zeit mit guter Berechtigung zu
führen glaubte, auch neuerdings durch die bakteriologischen
Forschungen, die nachgewiesen haben, daß der Krankheitsprozeß
im Blute verläuft, wohl wird streitig gemacht werden.*)
*) Fi4d6ric. IL: Hist, de la guerre de sept ans. Berl., Ed. 1847, L, p. 181.
*) Ueber das Vorkommen von Fleckfieber und Bekurrens in Breslau.
Von Dr. med. Max Leonhardt in Breslau. Zeitschrift für Hygiene und In¬
fektionskrankheiten ;■ Bd. XXIV, S. 24.
3) Beiträge zur Aetiologie und Pathologie der typhoiden Krankheiten I.
Die Verbreitung der Ileo- und Flecktyphus in Berlin in den Jahren 1863—1867.
Von Dr. W. Suelzer, Privatdozent an der Universität in Berlin. Berlin 1870.
Verlag von Aug. Hirschwald.
*) Qeneralbericht über das Medizinal- und Sanitätswesen der Stadt Berlin
in den Jahren 1879 und 1880, erstattet von Prof. Dr. C. Skrzeczka, Beg.-
und Geh. Med.-Bat. Berlin 18S2.
Dr. Lontz: Aetiologie und Prophylaxe des Typhus und Paratyphns.
Hygienische Bundschau; 1907, Nr. 6. Beilage.
Der Unterleibstyphoi in Berlin.
679
In den Berliner Todtcnscheinen der 60 er Jahre wird die Krankheit als
Darmtyphos, Unterleibstyphus, Nervenfieber, gastrisch • neivbses Fieber be¬
zeichnet, auch wurde sie wohl hitziges Fieber oder lenteszierendes Herbstfieber
genannt, mit ihrem wissenschaftlichen Namen aber als Heo-Typhus und Ab¬
dominal-Typhus aufgeftthrt.
Soviel ans der Literatur ersichtlich ist, scheint man frtther
Flecktyphus und Unterleibstyphus vielfach zusammengeworfen und
als verschiedene Formen ein und derselben Krankheit angesehen
zu haben, wenn man auch klinisch und pathologisch-anatomisch
beide Krankheiten zu trennen gelernt hatte.
Zuelzer (L c.) hebt noch im Jahre 1870 hervor, daß man gelegentlich
der Erkrankungen mehrerer Unterbeamten der Charit6 an Unterleibstyphus,
die zu einer Zeit erfolgten, als Flecktyphus-Erkrankungen in der Charit6 be¬
handelt wurden, noch die Möglichkeit erwog, ob nicht Flecktyphus durch
Uebertragung auch gelegentlich Unterleibstyphus hervorbringen könne. Und
auch Felix v. Niemeyer (1. c.) hält es noch in der 1871 erschienenen Auflage
seines Lehrbuches für nötig, sich gegen die Ansicht zu wenden, daß der Fleck¬
typhus die einfache, der Onterleibstyphus die kompliziertere Form derselben
Grundkrankheit sei, oder gar daß der Unterleibstyphus den höheren Grad, der
Flecktyphus den niederen Grad der Infektion mit Typhusgift darstelle.
Eine völlige Klärung der Entstehung der Krankheit und ihrer Ver¬
breitungsweise trat erst ein, als der Krankheitserreger, dessen Vorhandensein
man wohl schon geahnt hatte, von Eberth und Gaffky im Anfang der
80 er Jahre gefunden war und seine Lebensbedingungen festgestellt wurden.
Schon in Anbetracht der früheren mangelhaften Unter¬
scheidung des Unterleibstyphus und Flecktyphus dürften die von
Formey^) aus den Jahren 1784—89 angeführten Zahlen über
Sterbefälle an hitzigem Fieber und Nervenfieber nicht brauchbar
sein. Aus demselben Grunde dürften auch die von Wollheim
aus den Totenlisten der Jahre 1834—1841 entnommenen Zahlen,
die in Tabelle 1 mit anfgenommen sind, wie auch Zuelzer hervor¬
hebt, der Zuverlässigkeit entbehren, wenn auch bereits seit dem
Jahre 1824^) ärztliche Totenschau in Berlin eingeführt ist und
seit dem Jahre 1835 keine Leiche beerdigt werden darf, ohne
daß zuvor von einem Arzt auf Grund der vorgenommenen Leichen¬
schau der vorgeschriebene Totenschein ausgestellt ist.
Zuelzer, dessen Arbeit sich auf die Jahre 1863—1867
erstreckt, erkennt erst den aus den ärztlichen Totenscheinen dieser
Jahre entnommenen Zahlen über die Sterbefälle an Typhus größeren
Wert zu, da er wohl annimmt, daß zu dieser Zeit die Aerzte im
allgemeinen die einzelnen Typhusformen zu unterscheiden ver¬
mochten.
Die am Schluss (s. S. 691) mitgeteilten Zahlen über die in
Berlin vorgekommenen Sterbefälle an Unterleibstyphus in der
Tabelle I sind für die Jahre 1863—1866 der Zuelz ersehen
Abhandlung, die weiteren bis zum Jahre 1894 den Generalbe¬
richten über das Medizinal- und Sanitätswesen der Stadt Berlin,
*) Formey: Versuch einer medizinischen Topographie von Berlin. Berlin
1796; nach Zuelzer (L c.).
*) Wollheim: Versuch einer medizinischen Topographie und Statistik
von Berlin. 1844.
') Die Unterlagen der Todesursachenstatistik von Prof. Dr. med. Albert
Gttttstadt, Geh. Med.-Bat und Mitglied des Königlich Preußischen Statisti¬
schen Landesamts. Vortrag in der Sektion VIII des Kongresses für Demo¬
graphie und Hygiene in Berlin, September 1907.
680
Dr. Nesemann.
die späteren dem dritten Verwaltungsbericht des Königlichen
Polizeipräsidiums von Berlin iür die Jahre 1891 bis 1900, den
Akten der Sanitätskommission in Berlin und den Veröffent-
lichnngen des Statistischen Amts der Stadt Berlin entnommen.
Bl der Tabelle I zeigen die Zahlen über die Sterbeiälle in
den Jahren 1863 bis etwa 1877, welche unheilvolle Rolle der
Unterleibstyphns früher in Berlin gespielt hat.
Nach dem Skrzeczkasehen Bericht (1. c.) betrug in den
Jahren von 1867 bis 1877 das jährliche Mittel der Typhns-Sterbe-
fäUe im Verhältnis zum Tauseud der Gesamtsterblichkeit 28, im
Jahre 1872 mit seinen 1208 Sterbefällen an Typhus sogar 45,4
pro mille der Glesamtsterblichkeit.
Legt man die Einwohnerzahl zugrunde, so starben, wie ans
Tabelle I ersichtlich ist, von 10000 Einwohnern im Jahre 1867,
als Berlin ungefähr 702000 Einwohner hatte, 7,3, im Jahre 1871
(ca. 826000 Einw.) gar 14,5 an Unterleibstyphus!
Noch in der Mitte der 70 er Jahre des vorigen Jahrhunderts
bildeten, wie sich mit dem Verfasser wohl die älteren Kollegen
entsinnen werden, die Typhuskranken einen großen Prozentsatz
der in den Berliner Ki-ankenhäusern behandelten Kranken.
Auch in den achtziger Jahi en war die Zahl der Typhusfälle
in Berlin eine recht beträchtliche, wie sich aus den in Tabelle II
(s. S. 692) enthaltenen Uebersichten über die in den einzelnen
Jahren seit 1878 polizeilich gemeldeten Fälle ergibt.
Die früheren hohen Typhuszahlen erscheinen erklärlich, wenn
man die damaligen hygienischen Verhältnisse Berlins berücksichtigt,
die besonders anschaulich von Skrzeczka geschildert werden:
Die Regen- und Schmutzwässer und meist auch die Abwässer
der Gewerbebetriebe flössen in offenen, undurchlässigen und nicht
mit genügendem Gefälle versehenen Rinnsteinen den öffentlichen
Wasserläufen zu. Die Fäkalien wurden in die auf jedem Hofe
beflndlichen gemauerten Senkgruben direkt aus den Hofabtritten
entleert, und in dieselben Senkgruben wurden die etwa in den
Häusern aufgestellten Nachtstuhl - Eimer geschüttet. Der Inhalt
der Grube wurde meistens nur zwei- bis dreimal im Jahre ab¬
gefahren, desgleichen der Inhalt des für Müll- usw. dienenden
Sammelbehälters. Auch die Abfuhr der Gruben, die vielfach von
kleinen Unternehmern besorgt wurden und meist in ganz primi¬
tiver Weise durch Abschöpfen erfolgte, hatte Verunreinigungen
aller Art im Gefolge.
Nach der im Jahre 1852 erfolgten Versorgung der Hänser
mit fließendem Wasser waren zahlreiche Wasserklosetts angeleg^t
worden, deren Wässer sich nun teils in den vorhandenen Kanälen
und Tonröhren, teils aber auch in offenen Rinnsteinen in die öffent¬
lichen Wasserläufe ergossen. Daß diese sich infolgedessen inner¬
halb des Weichbildes von Berlin in einem Zustande nngehenerei
Verschmutzung befanden, war natüidich.
Im Jahre 1874 war zwar die Kanalisation von Berlin und
deren sofortige Ausführung in einem Teile der Stadt beschlossen
worden, doch vergingen noch Jahre, ehe ein erheblicher Teil der
Stadt kanalisiert war.
Der ünterleibslyphas in Berlin.
681
Auch die Wasserversorgung von Berlin war bis zu Anfang
der 70 er Jahre ein sehr mangelhafter.
Seit dem Jahre 1852 bestand allerdings, wie oben erwähnt,
ein Wasserwerk, das an der Oberspree dicht oberhalb der Stadt be<
legene sogenannte Stralauer Wasserwerk, das auf Veranlassung
des Polizeipräsidenten von englischen Unternehmern angelegt
worden war.
Das aus der Spree entnommene Wasser wurde zwar schon
damals durch Sandülter filtriert, doch war die Filtration keine
ausreichende und keine kontrollierte. Auch hatte die Gesellschaft
kontraktlich nur die Verpflichtung, die Straßen und Plätze in
einer bestimmten Länge mit Wasserrohren zu versehen, so daß
ein großer Teil der Stadt unversorgt blieb. Zu Ausgang des
Jahres 1873 waren erst ca. 51 o/o der bebauten Grundstücke mit
Wasserleitung versehen; es blieb daher etwa die Hälfte der Stadt
auf die Wasserversorgung durch Brunnen angewiesen. Diese
waren bis zum Jahre 1873 fast ausschließlich Kesselbrnnnen von
nur geringer Tiefe, und daher bei der infolge der oben geschilderten
Verhältnisse unausbleiblichen Verunreinigung des Bodens und der
Gewässer jeglicher Verunreinigung ausgesetzt.
Im Jahre 1873 entschloß sich die Stadtverwaltung, das
Stralauer Wasserwerk selbst zu übernehmen, stand aber, offenbar
mit Rücksicht darauf, daß das Ufergelände der Oberspree in der
Nähe und oberhalb des Wasserwerks immer mehr bebaut würde,
davon ab, das Stralauer Wasserwerk zu’erweitern, und beschloß,
ein neues Wasserwerk am Tegeler See zu errichten, das ans
Grundwasserbrunnen gespeist werden sollte, aber erst im Jahre
1877 zum Teil und 1878 voll in Betrieb genommen werden konnte.
Die so augenfällige Häufigkeit der Typhus-Erkrankungen in
Berlin bis zum Ende der 70 er Jahre hatte natürlicherweise auch
zu Nachforschungen über deren Ursache angeregt, wie sich auch
bei Zuelzer hierüber Angaben befinden.
Diese konnten jedoch zu einem brauchbaren Resultate nicht
führen, so lange mau als Ursache der Ausbreitung der Krankheit
die Anhäufung putrider Stoße im Erdboden, die Verseuchung der
Brunnen von den Kü’chhöfen aus und die Höhe des Grundwasser¬
standes ansah.
Die ersten Angaben über Erhebungen, die von seiten der
Gesundheitspolizei in betreff der mutmaßlichen Ausbreitungsweise
der Krankheit vorgenommen worden sind, finden sich in dem schon
erwähnten Generalbericht von Skrzeezka über die Jahre 1879
und 1880. Dieser sowohl, wie seine Nachfolger Pistor^), *, ®)_und
*) Dritter Generalbericht'' über das Medizinal-' und Sanitätswesen der
StadtiBerlin im Jahre 1882. Erstattet von Dr. Pistor, Reg.- und Med.-Rat.
BerlinJ1884. Druck von A. W. Hayns’s Erben.
*) Das öffentliche Gesundheitswesen und seine'üeberwachung in der
Stadt Berlin während der Jahre 1883, 1884 und 1885. Vierter Generalbericht,
erstattet von. Dr. Pistor, Reg.- und Geh. Med.-Rat. Berlin 1887. Verlag
von Gustin.
*) Dasselbe für die Jahre 1886, 1887, 1888. Fünfter Generalbericht.
Berlin 1890. Verlag von Gustin.
682
Dr. Nesemann.
Wernich^) haben sich die Nachforschnngfen, die sich besonders
auf Verbreitung: der Krankheit in einzelnen, unter besonderen
Verhältnissen befindlichen Stadtteilen erstreckten, sehr angrelegen
sein lassen. Als solche wurden einmal die an den öffentlichen
Wasserläufen, yon denen einzelne, wie der Luisenstädtische Kanal,
der Königsgraben, der im Sommer fast immer Morast bildete, und
die Parke arg durch unreine Abwässer aller Art verunreinigt
waren, belegenen Straßen, dann aber auch die in der Nähe der
Kirchhöfe und der Abladestellen für den städtischen Kehricht in
Betracht gezogen.
Es ließ sich indessen in keinem Stadtteil ein anf dessen
besondere Verhältnisse zu beziehendes Hervortreten der Krank¬
heit feststellen, wie sie überhaupt ohne erkennbare Ursachen bald
diesen, bald jenen Stadtteil mehr oder minder befiel, bald sich
mehr gleichmäßig über die ganze Stadt ausbreitete.
Auch die Schwankungen des Grundwassers wurden längere
Zeit hindurch sorgfältig beobachtet; es zeigte sich jedoch bald,
daß sie ohne erkennbaren Einfiuß anf die Typhnsfrequenz waren.
Als das große Kanalisations-Werk in Angriff genommen
war, lag es nahe, zu prüfen, ob sich etwa ein Unterschied im
Befallenseinder nichtkanalisierten und der kanalisierten
Grundstücke zeigte. Es sind auch in dieser Richtung von den
oben genannten drei Berichterstattern in den General-Sanitäts¬
berichten sehr interessante Erhebungen erwähnt worden, die das
Ergebnis hatten, daß tatsächlich die kanalisierten Grundstücke
nicht unerheblich weniger von Typhus heimgesucht wurden,
als die nicht kanalisierten.
Aber schon zu Ende des achten Jahrzehnts ließ sich fest¬
stellen, daß mit dem weiteren Ausbau der Kanalisation dieser
Unterschied immer mehr schwand.
Schon längst hatte zwar die Ueberzeugnng bestanden, daß
der Unterleibstyphus durch den Genuß verunreinigten
Wassers entstehen könne, und auch in Berlin hatte man ver¬
schiedene Gruppen von Typhus-Erkrankungen anf bestimmte
Brunnen beziehen können. Aber erst mit der Entdeckung des
Typhusbacillus kam die Erkenntnis, daß Typhuserkrankungen nur
von einem solchen Wasser ansgehen können, in das Typhns-
bazillen von außen gelangt sind.
Im Besitz dieser Erkenntnis fing man an, auch die zentralen
Wasserversorgnngsanlagen mit ganz anderen kritischen Augen zn
mustern als früher und daraufhin zu prüfen, ob etwa eine auf¬
fallende Steigerung der Typhusfrequenz mit der Wasserversorgung
zusammenhing. Es war daher nur natürlich, daß man dem alten
Stralauer Wasserwerk, wenn es auch mit Filter-Anlagen ver¬
sehen war, zu mißtrauen anfing.
Das Wasser der Oberspree hatte mit der zunehmenden Be¬
bauung, namentlich nach der Anlage zahlreicher Fabriken, deren
*) Sechster Gesamtbericht ttber das Sanitätswesen in der Stadt Berlin
während der Jahre 1889, 1890 nnd 1891. Erstattet von Dr. A. Wernich,
Reg.- und Med.-Bat und Dr. B. Wehm er, Med.>Assessor. Berlin 1893.
Der ünterleibstypbos in Berlin.
683
Abwässer in den Flnßlanf gelangen, ohnehin auch ihr das Be¬
wußtsein des Laien sein Unschnldskleid in Hinsicht auf seine
Verwendung des Trinkwassers verloren.
Dr Hygieniker hatte aber noch anderen Anlaß, es mit
großer Besorgnis zn betrachten.
Der immer mehr zunehmende Schiffahrtsverkehr, die Tat¬
sache, daß unter der Schifferbevölkerung der Typhus heimisch¬
war, und die Eerfahrung, daß die Schiffer, unter denen Typhus
Erkrankungen bekanntermaßen sehr häufig sind, ihre Dejektionen
dem Flusse anzuvertrauen pfiegen, ferner der Umstand, daß auch
Zufiiiase von Rieselfeldern oberhalb der Entnahme - Stelle in die
Spree gelangten, legte die Befürchtung nahe, daß das Wasser an
der Entnahme •' Stelle unter Umsänden verseucht werden und daß
trotz der Filtration auch einet Verseuchnng der Wasserleitung
eintreten könne.
Die Tatsachen haben diese Befürchtung gerechtfertigt.
Nach Fraenkel nnd Piefke^) stieg im Jahre 1889 im
Februar die Zahl der polizeilich gemeldeten T^husfälle, die im
Januar 64 betragen hatte, im Febmar plötzlich auf 271 (nach
den Quellen des Verfassers sogar auf 347), betrug im März 258
und sank dann im April auf 95.
Es konnte festgestellt werden, daß an dieser explosiven
Zunahme der Fälle in auffallender Weise und in scharfer
Abgrenzung die Stadtteile betroffen waren, die allein von
dem Stralauer Werk mit Wasser versorgt wurden, die¬
jenigen Stadtteile, die nur von dem Tegeler Werk versorgt wurden,
fast gar nicht und eine dritte Gruppe von Stadtteilen, die Misch-
Wasser von beiden Wasserwerken erhielt, zwar mehr als die letzt¬
genannte, aber weniger als die erstgenannte befallen war.
Diese Tatsachen waren äußerst gravierend für das
Stralauer Wasserwerk.
Nach den Untersuchungen von Proskauer*) war auch die
Keimzahl des Stralauer Wasserwerks, während die der Tegeler
Werke nur selten wenig mehr als 150 Keime im Kubikzentimeter
betragen hatte, schon im Jahre 1888 teilweise eine auffallend
hohe gewesen, am 15. März 1888 hatten sich 8600 Keime im
Kubikzentimeter gefunden und in der kritischen Zeit des Jahres
1889 betrugen die im Kubikzentimeter enthaltenen Keime am
1. Februar: 1730, am 15. Februar: 1600, am 4. März: 2400 und am
15. März: 4800.
Eine zweite sehr auffällige Steigerung der Fälle kam
dann noch im November vor, als diese plötzlich von 96 im Oktober
auf 271 stiegen, um dann im Dezember wieder auf 99 abzufallen.
*) Versuche ttber die Leistungen der Sandfiltration. Von Dr. Carl
Fraenkel, PriTatdozenten und Assistenten am hygienischen Institut zu Berlin,
nnd C. Piefke, Betriebsingeniour des städtischen Wasserwerks zn Berlin.
Zeitschrift für Hygiene; Bd. VUi, H. 1.
üeber die Beschaffenheit des Berliner Leitnngswassers in der Zeit
vom April 1836 bis März 1889. Von B. Proskaner. Zsitschrift für Hygiene;
Bd. 9, Heft 1.
684
Dr. Nesemaim.
Noch zu einer anderen Zeit trat die Beteiligung des
StralanerWasserwerks an der plötzlich steigenden Typhus-
Frequenz deutlich zutage. Nach dem Generalbericht für die
Jahre 1892—1894*) wurde, als infolge der in Berlin im Jahre
1892 auftretenden Cholera - Erkrankungen die Wasserentnahme-
Stelle des Stralauer Werkes gefährdet erschien, auf Grund eines
Ministerial - Erlasses eine besonders sorgfältige Filtration des
Fluß Wassers und bakteriologische üeberwachung der Keimzahl
des filtrierten Wassers eingeföhrt, die auch zunächst im Jahre
1892 guten Erfolg zu haben schien, wie aus den Typhus-Zahlen
für das Jahr 1902 in Tabelle II hervorgeht.
Im Jahre 1893 nahmen die Typhnserkranknngen
jedoch sehr zu und erreichten im September, plötzlich ansteigend,
die sehr hohe Zahl von 231.
Wie der Jahresbericht hervorhebt, betraf die Mehrzahl dieser
Fälle wieder einen Stadtteil, der ausschließlich durch das Stra¬
lauer Werk mit Trinkwasser versorgt wurde. Von 359
Erkrankungen des Spätherbstes fielen 203 auf den betreffenden
Stadtteil. Daß die hohe Typhus - Frequenz fast ausschließlich
durch das Wasser des Stralauer Wasserwerks bedingt war, ergab
sich aus folgender Tatsache.
Als im November 1893 das alte Stralauer Werk geschlossen
und das Werk am Müggelsee zum Teil eröffnet wurde, trat mit
einem Schlage — wie aus Tabelle II ersichtlich ist — ein
plötzlicher Abfall der Typhus-Erkrankungen ein.
Diese auffallende Tatsache gab dem Verfasser Veranlassung,
die zu Gebote stehenden Zahlen der Typhus-Sterbefälle und
Typhus-Erkrankungen auf ihren etwaigen Zusammenhang mit
der Wasserversorgung zu prüfen.
Die Tabelle I, in der die Todesfälle an Typhus in den Jahren
1863—1907 enthalten sind, zeigt zunächst eine wie ungeheuere
Bedeutung der Unterleibstyphus noch vor gar nicht zu langer
Zeit für Berlin hatte, wie aber die Mortalitäts-Zahlen allmählich
immer mehr zurückgehen, bis sie zurzeit so weit gesunken sind,
daß die Typhus-Mortalität im Verhältnis zu den anderen in Berlin
heimischen^nfektions-Krankheiten kaum eine Rolle spielt.
Im Jahre 1907 starben an Unterleibstyphus 53 Personen, während allein
an Kindbettfieber 122 Frauen zaccrunde ginp'en, an Scharlach 163, an Diph¬
therie 474 und an Langen- und Kehlkopf-Tuberkulose 1934 Personen starben.
Auch unter den deutschen Städten und im Verhältnis zur Typhus-
Mortalität des ganzen Staates steht Berlin sehr günstig da.
Der Unterschied zwischen früheren Jahrzehnten und heute wird noch
auffallender, wenn wir die früheren und jetzigen Bevölkerungsziffem berück¬
sichtigen.
Im Jahre 1867 starben von 10000 lebenden Berlinern 7,3 an Unterleibs¬
typhus, im Jahre 1872 gar 14,5. Wir sehen dann die Zahlen immer mehr
heruntergehen; im Jahre 1907 ist die Mortalität gar auf 0,28 gesunken, d. h.
Siebenter Qesamtbcricht über das Sanitäts- und Medizhialwesen in
den Städten Berlin und Charlottenbnrg während der Jahre 1892, 1893 und
1894; erstattet von Dr. A. Wernich, Beg.- und Med.-Bat, und Dr. Spring¬
feld, Med.-Assessor im Königlichen Polizeipräsidium zu Berlin. Berlin 18^.
Verlag von Bichard Scho etz.
Der ünterleibstyphiu in Berlin.
685
es starben von 10000 Personen nnr 3 an ünterleibstyphas, während im Jabre
1867 73 nnd im Jahre 1872 145 starben.
Aach aas den Ziffern der in Tabelle II enthaltenen polizei¬
lich gemeldeten Typhös • Erkrankungen ergibt sich deutlich das
stetige Zurückgehen der Typhus-Fälle in Berlin.
Bei genauerer Betrachtung der Zahlen der Typhus-Mortalität
in Tabelle I ergibt sich jedoch, daß die Abnahme der Todes¬
fälle im allgemeinen zwar allmählich, zweimal jedoch, in den
Jahren 1878 und 1894, rapide erfolgte. Im Jahre 1878 fiel
die Mortalität von 612 im Vorjahre auf 326, im Jahre 1894 von
143 Fällen im Vorjahre auf 67.*)
Ein derartiges sturzweises Abfallen der Mortalitätsziffern
muß aber unsere Aufmerksamkeit um so mehr erregen, als es mit
einschneidenden Aenderungen der Wasserversorgung
Berlins zusammenfiel. Im Jahre 1876 war nämlich das neue
aus Grundwasser-Brunnen gespeiste Wasserwerk für
Berlin in Tegel in Betrieb genommen worden. Im Jahre 1877
lieferte es nur etwa den 10. Teil des von den Stralauer Werken
gelieferten Wasserquantums, im Jahre 1878, also dem Jahre, in
dem die rapide Abnahme der Todesfälle erfolgte, fast das Doppelte
des von den Stralauer Werken gelieferten. Ein zwar geringerer,
aber doch deutlich erkennbarer Abfall der Todesfälle war übrigens
schon in den Jahren 1876 und 1877, also in den Jahren, in denen
die Tegeler Werke zu funktionieren anfiogen und der Verbrauch
des Stralauer Wasser damit eingeschränkt wurde, eingetreten.
Der zweite rapide Abfall der Mortalität fällt in das Jahr
1894; wie wir sehen, waren aber im November des Vorjahres die
Stralauer Werke endgültig geschlossen und nun die
Wasserversorgung Berlins allein durch die Werke am Müggelsee
uud die Tegeler Werke erfolgte.
Es trat also einmal ein großer Abfall ein, als die Wasser-
lieferung der Stralauer Werke wesentlich eingeschränkt
wurde, ein anderes Mal, als sie ganz aasgeschaltet wurde.
Diese Tatsachen allein dürfen dafür beweisend sein, einen
wie großen Einfiaß die Art der Wasserversorgung in Berlin und
speziell die Wasserversorgung mit filtriertem Spreewasser auf
die Typhusfrequenz ausgeübt hat.
Wenn nun danach anzunehmen ist, daß die große Aus¬
breitung des Unterleibstyphus in Berlin wesentlich auf eine Ver¬
seuchung des Stralauer Wasserwerks zurückzufübren ist, so ist
das doch nicht in der Weise zu verstehen, daß die Spree und
weiter das Stralauer Werk fortwährend verseucht gewesen sei.
In der Tabelle II*) sehen wir, wie in einzelnen Monaten
der verschiedenen Jabre die Zahl der Fälle plötzlich auffallend
ansteigt, um dann mehr oder minder allmählich wieder abzufallen.
Derartiges plötzliches Ansteigen deutet immer auf eine Massen¬
infektion ans einer gemeinsamen Infektionsquelle, die für Berlin
damals in seiner Spreewasser-Versorgung gegeben war. An die
‘) Die betreffenden Zahlen sind in Tab. I und II (s. S. 691 n. 692) fett
gedruckt.
686
Dr. Nesemann.
Massenerkrankangen schloß sich dann eine Anzahl neuer Fälle.
Auf diese Weise entstand dann die hohe Typhus-Frequenz in solchen
Jahren.
Je mehr die Wasserversorgung immer einwands-
freier wird, also etwa vom Jahre 1894 an, desto mehr ver¬
schwinden auch die plötzlich hochansteigenden Ziffern
einzelner Monate; es bildet sich dann eine Typhus-Eurve in der
Art ans, daß die Erkrankungen im Frühjahr allmählich ansteigen,
im August oder September ihre Höhe erreichen, zum Winter all¬
mählich abfallen und etwa zum Minimum herabsinken.
Ein derartiger, gewissermaßen regelmäßiger Verlauf der
Typhnsknrve ist schon von Hirsch^) gefunden und u. A. auch
vom Verfasser *) bestätigt worden, ohne daß sich wohl mit irgend¬
welcher Sicherheit angeben ließe, worauf ein solcher Verlauf der
Kurve, den der Verfasser den normalen Verlauf nennen möchte,
beruht. Jedenfalls scheint ein auffälliges Abweichen von dieser
Kurve mit Häufung der Fälle zu ungewöhnlicher Zeit stets
darauf hinzudenten, daß eine besondere Infektions-Quelle
vorhanden ist.
Wenn nunmehr in Berlin sieh die Typhus-Frequenz schon
seit geraumer Zeit in normalen Kurven bewegt, in den letzten
Jahren die Todesfälle an Typhus durchschnittlich bis auf 64 ge¬
sunken sind nnd die polizeilich gemeldeten Erkrankungen im
Durchschnitt nur etwa 370 betragen haben, so liegt doch immer
noch ein Interesse var, die Herkunft auch dieser Fälle auf¬
zuklären.
Schon seit dem Jahre 1896 finden regelmäßig durch^ die
beamteten Aerzte, jetzt also durch die Kreisärzte, in jedem zur
Anzeige gelangten Falle von Unterleibstyphus Nachforschungen
in betreff seines Ursprungs statt.
Der Erfolg ist allerdings kein großer gewesen.
Zunächst ist hervorzuheben, daß, wie von dem unmittelbaren
Amtsvorgänger*) des Verfassers sowie von diesem selbst fest¬
gestellt worden ist, die Verbreitung des Unterleibstyphus zurzeit
unter Berücksichtigung der Bevölkerungsziffer der einzelnen
Stadtteile in Berlin eine ziemlich gleichmäßige ist, wenn auch
hierjund da die Zahl der Fälle in einzelnen Stadtgegenden eine
etwas größere ist als in anderen.
Bei etwa 7 */o der Erkrankten ließ eich als sicher annehmen,
daß sie sich in Sommerfrischen, auf Reisen und sonst auswärts
infiziert hatten.
Etwa 2*/(, der Erkrankten hatten zu der für die Infektion
in Betracht kommenden Zeit in Flußbade-Anstalten inner-
*) Graadriß der Hygiene. Von Dr. Carl Flttgge, Professor nnd
Direktor des hygienischen Instituts in Breslau. 6. Ablage. Leipzig 1902,
V eit & Co.
2) üeber Ausbreitungsweise des Unterleibstyphus in ländlichen und
großstädtischen Verhältnissen. Von Dr. Franz Nesemann, Beg.-und Med.-
Bat in Berlin. Vierteljahrschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches
Sanitätswcsen; 3. Folge, XXIX.
*) Geh. Med. • Bat Dr. Abel, Vortragender Bat im Eultnsministeriuiii.
Der ünterleibstyphns in Berlin.
687
halb der Stadt gebadet. Dazu kommt noch alljährlich eine An¬
zahl zur SchiffsbeYölkernng gehöriger Personen. Fast all¬
jährlich erkrankten sodann Personen des Pflegepersonals der
Krankenanstalten, oft aber infolge direkter Ansteckung durch
ihre Pflegebetohlenen, an Unterleibstyphus. Im Jahre 1906 betrug
beispielsweise deren Zahl 8, im Jahre 1907 sogar 131
Die bei weitem größteZahl der Fälle bleibt indessen mit
bezog auf ihre Aetiologie unaufgeklärt.
Dieses ungünstige Resultat kann wohl kaum etwas Ueber-
raschendes haben, wenn man die ungeheuren Schwierigkeiten in
Rechnung zieht, die sich den Nachforschungen bei den vielfach
verschlungenen Verkehrsbeziehungen eines Gemeinwesens von
über 2 Millionen Einwohnern zu den mit ihm mehr oder minder
eng zusammenhängenden Nachbargemeinden, der Provinz, dem
Reiche und dem Anslande und wieder bei den Verkehrbeziehnngen
des einzelnen selbst in einem so großen Gemeinwesen entgegen¬
stellen.
Diese Schwierigkeiten hat auch Doenitz^), der im Jahre
1902 im Einvernehmen mit den Kreisärzten Nachforschungen
über den Ursprung der Typhusfälle in Berlin anstellte, bestätigt.
Ans den gleichmäßigen, durch keine jähen Steigungen unter¬
brochenen Verlauf der Morbiditäts - Kurven seit dem Jahre 1894
muß man die Ueberzeugnng gewinnen, daß ein explosionsartiges
Anschwellen der Krankheit seitdem nicht stattgefunden hat, daß
also Masseninfektionen mittels verseuchten Wassers oder
auch verseuchter Milch, durch die schon vielfach größere Epi¬
demien hervorgernfen worden sind*), auszuschließen sind.
Es käme weiter die etwaige Verbreitung der Krankheit
durch mehr oder minder direkten Kontakt, einer Ubertragungs¬
weise, die ja unter ländlichen Verhältnissen vielfach eine große
Rolle spielt, in Betracht.
Noch in den achtziger Jahren war es nach den-Jahres¬
berichten nichts seltenes, daß in einem Haushalte und in ein und
demselben Hanse mehrere Fälle hintereinander vorkamen.
In der letzten Zeit blieben jedoch, soweit zuverlässige Nach¬
richten vorliegen, die Fälle in der überwiegenden Mehrzahl
vereinzelt.
Nur in einem geringen Bruchteil von Haushaltungen kam
später noch ein zweiter, in einigen noch ein weiterer Fall vor,
ganz ausnahmsweise traten in verschiedenen Haushaltungen des¬
selben Hauses vereinzelte Fälle auf.
Die geringe Tendenz des Typhus, sich in Berlin durch
Kontakt auszubreiten, dürfte unschwer ihre Erklärung finden.
*) Ueber die Qaellen der Anateckang mit Typhus, nach Berliner Beob¬
achtungen. Von Qeh. Med.-Bat Prof. Dr. W. Doenitz, Vorsteher der
der Erankenabtcilnng des Institns für Infektionskrankheiten.
Abdruck aus Festschrift zum 60. Geburtstage von Bobert Koch-Jena.
1903. Verlag von Gustav Fischer.
*) Die Sammolmolkerci als Typhus-Verbreiter. Von Med.-Bat Dr. Bob.
Behla. Klinisches Jahrbuch; Bd. X. Jena 1902. Verlag von Gustav
Fischer.
688
Dr. Nesemann.
Zanächet wird ein großer Teil der Typhnskranken in die
Erankenhänser gebracht und damit die Anstecknngsgefahr fdr
die Anßenwelt beseitigt. Im Jahre 1907 befanden sich von 247 ge¬
meldeten Fällen 172, also ca. 70*’/o(!) in den Krankenanstalten.
Die Personen, die in den Krankenhäusern Aufnahme finden, kamen
naturgemäß ans solchen Haushaltungen, in denen eine Absondernng
gar nicht oder nur ungenügend zu erzielen ist, in denen also
gerade die größte Gefahr einer Weiter Verbreitung vorliegt.
Auch dort, wo der Kranke in der Familie verbleibt und
nicht die Möglichkeit besteht, ihn in völliger Absondernng von
der Familie zu halten und durch besonderes Pflegepersonal ver¬
pflegen zu lassen, ist die Gefahr der Weiterverbreitung in Berlin
keine so große, wie in ländlichen Verhältnissen. Der Umstand,
daß jeder Haushaltung die Wasserleitung zu Gebote steht, er¬
möglicht in bequemer Weise stete Reinigung und Reinlichkeit,
während durch die Kanalisation wieder die infektiösen Abgänge
unschädlich entfernt werden.
Die Verschleppung der Krankheit von einem Haushalt in
den andern dürfte wesentlich dadui'ch hintenan gehalten werden,
daß ein derartig enges Zusammenleben und gegenseitiges Besuchen
der Bevölkerung, vrie es unter ländlichen Verhältnissen häufig
stattfindet, in den großstädtischen Verhältnissen sich meist von
selbst verbietet.
Eine nicht zu verschweigende Möglichkeit der üeber-
tragung des Typhus wie anderer übertragbarer Krank¬
heiten von einem Haushalt in den anderen gewähren aller¬
dings die nach der Baupolizeiverordnung .leider zulässigen, für
mehrere Haushaltungen gemeinschaftlichen Klosetts.
Ans den dargelegten Verhältnissen läßt sich nun wohl der
Schluß ziehen, daß in Berlin ein einheimischer Typhus
d. h. eine sich wie eine Kette aneinander schließende Krank¬
heitsweise kaum noch besteht.
Man könnte freilich einwenden, daß diese Kette doch durch
die Bazillenträger hergestellt werden kann. Dafür, daß hier und
da in einzelnen Haushaltungen die Krankheit durch Bazillenträger
verbreitet wird, spricht die Tatsache, daß vereinzelt in einer
Haushaltung, in der früher ein Typhusfall vorgekommen war,
erst nach mehreren Monaten eintzweiter auftrat.
Es ist indessen doch nicht auzunehmen,; daß einzelne Ba¬
zillenträger in Berlin nmhergehen und nun bald hier bald da
ihre Bazillen ausstreuen und so die Kette der Erkrankungen
herstellen.
Ein weiterer _ Einwand gegen die Annahme, in Berlin be¬
stehe zurzeit kein einheimischer Typhus, könnte {sich darauf
stützen, daß, wie^^schon früher von Pi stör, dann von Doenitz
hervorgehoben ist und wie sich auchj für die jetzige Zeit aus der
im Verhältnis zur Zahl der polizeilich gemeldeten Fälle teilweise
unnatürlich hohe Mortalität ergibt, nicht alle Typhusfälle ge¬
meldet werden. Es könnte danach die Möglichkeit bestehen,
daß eine größere Anzahl nicht zur Anzeige gelangter Fälle
Der Unterleibstyphns in Berlin. 689
wie ein verborgener Brand fortglimmt nnd stets neue Fälle her-
vorruft.
Wenn anch erfahrnngsgemäß znzngegeben ist, daß hier nnd
da leichtere Krankheitsfälle, sei es, weil sie nicht als Typlins
erkannt worden, sei es ans bedauerlicher Konnivenz gegen
die betreffende Familie nicht znr Anzeige gelangen, so kann es
sich doch nicht nm irgendeine ins Gewicht fallende größere Zahl
handeln, wie sich schon ans den völlig zuverlässigen Zahlen der
Todersfälle ergibt. Wo etwa nicht gemeldete Fälle der Aus¬
gangspunkt für andere Fälle sein sollten, da könnten doch die
weiteren Fälle nicht verborgen bleiben, und die deswegen an-
gestellten Ermittelungen würden anch die voransgegangenen
nicht gemeldeten Fälle ans Tageslicht bringen.
Es ist daher nicht anzunehmen, daß die vielen Typhus-
Erkrankungen in Berlin, deren Aetiologie sich nicht feststellen
läßt, auf frühere, verborgen gebliebene Fälle znrückznführen sind.
Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß die Anstecknngs-
Qnellen der meisten dieser Fälle außerhalb Berlins liegen.
Die Beziehungen der Stadt zu der näheren nnd weiteren Um¬
gebung sind infolge des ausgebreiteten Privatverkehrs und der
ungeheuren Völkerwanderung, die an schönen Tagen, namentlich
an den Sonntagen aus Berlin stattfindet, unzählige nnd nicht zu
kontrollierende.
Die Wahrscheinlichkeit, daß ans ländlichen Orten des Begiemngshezirks
Potsdam, in denen viel Typhns vorznkommen pflegt, nicht selten die Krankheit
nach Berlin eingeschleppt wird, ist Ton dem Verfasser schon an anderer
Stelle betont worden.
Diese Annahme findet ihre Bestätigung in einem Aufsätze yon Behla*),
der die Verhältnisse des Begieinngsbezirlu Potsdam genau kennt.
Er führt aus, daß yom Jahre 1903 jeder Fall von Typhus ortsweise in
eine Karte eingetragen wurde, und fährt dann fort:
„Was Nesemann in seiner Arbeit betreffs der Typhus-Erkrankungen
in den Großstädten in bezug auf Berlin voraussetzte, daß der Typhns ans ge¬
wissen Herden der Vororte und weiteren Umgebung immer wieder nach Berlin
eingeschieppt wird, wurde durch diese Typhus-Karte tatsächlich bewiesen.“
Es liegt doch nahe, anzunehmen, daß auf diesem Wege
mancher sich mit Typhus infiziert, zumal da namentlich die
ländlichen Orte nicht frei von Typhus zu sein pflegen.
Auch dui’ch den riesigen Zuzug aus allen Provinzen
Preußens, aus dem Reich und dem Auslande sowie den großen
Fremdenverkehr werden gewiß T^hus-Keime importiert
werden.
Namentlich unter der großen Zahl des Dienstpersonals nnd
der in Berlin Arbeit suchenden Bevölkerung mag wohl mancher
Bazillenträger sein, und ohne selbst als gefahrbringend erkannt zu
werden, einen oder den anderen seiner Hausgenossen infizieren.
Diese Personen mögen anch manchmal infizierte Sachen bei sich
führen und durch diese dann sich selbst oder Personen ihrer Um¬
gebung infizieren.
*) Die geographisch - Btatistiscbe Forschungsmethode vom ätiologischen
nnd seuchenbekämpfenden Standpunkt. Von Beg.- n. Med.-Bat Dr. Behla-
Stralsiuid. Medizinische Knnik 1906, Nr. 26.
690
Dt.’ Nesemann.
Eine weitere aoßerlialb Berlins liegende Infektionsquelle ist
in dem Nahrangsmittelbezug gegeben, der bekanntermaßen
zum Teil aus weiter Ferne erfolgt.
Hauptsächlich kommt hier das Gemüse in Betracht, das
teils aus der näheren und weiteren Umgegend, teils aber auch
aus Italien, Frankreich, Algier usw. bezogen wird. Daß mit dem
Gemüse aber Typhuskeime importiert werden können, ist bekannt
und für Hamburg^) auch von Beinke nachgewiesen.
Mehr noch als der sonstige Nahrungsmittelbezug ist für
Berlin ^der Milchbezug zu berücksichtigen, der ebenfalls aus
der näheren und weiteren Umgebung von Berlin, aus den nöra-
liehen und östlichen Provinzen, aus Mecklenburg und neuerdings
sogar aus Dänemark erfolgt.’)
Daß gelegentlich auch typhusverseuchte Milch nach Berlin
eingeführt wird, ist sehr wahrscheinlich, wenn sich eine solche
Tatsache auch nur äußerst selten wird nachweisen lassen, zumal
die Milchhändler die Milch aus verschiedenen Bezugsquellen zu
mischen pflegen.
Im Jahre 1907 kamen za gleicher Zeit 2 Fälle bei Personen yerschiedenei
Haashaltangen vor, die Ton ihnen roh genossene Milch von demselben Milch*
händler bezogen hatten. Der Milchhändler hatte die Milch aas einem Oe*
höite im Luebbener Kreise, in dem nach Mitteilang des Kreisarztes tat¬
sächlich Typhus Torgekommen war, bezogen.
Kleinere Gruppen von Typhuserkrankungen ließen sich zu
verschiedenen Zeiten mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Milch¬
infektion zurückzufuhren; dahin gehörte auch eine Anzahl der
von Doenitz (1. c.) erwähnten Fälle im Jahre 1903.
Wenn im ganzen nicht häufiger zahlreiche Erkrankungen
nach dem Genuß von Milch in Berlin beobachtet wurden, so düdte
dies dem Umstande zu verdanken sein, daß die Berliner Bevöl¬
kerung die Gewohnheit hat, die Milch abgekocht zu genießen.
Infektionen durch den Genuß von Butter sind in Berlin
nie beobachtet worden, sie dürften auch, wie vom Verfasser an
anderer Stelle hervorgehoben worden ist, auch sonst kaum ernst¬
lich zu fürchten sein.
Zum Schluß möge noch ein Umstand Erwähnung finden:
Das Wasserwerk am Müggelsee bei Friedrichsbagen entnahm oisprünglich
sein Wasser aas dem See and unterwarf es dann der Sandflltration. Das Werk
ist allmählich za Grandwasserentnahme ttbergegangen. Da aber das Qrand*
Wasser führende Becken sich nicht als wasserreich genug erweist, Terwendet das
Werk etwa noch ein Teil Seewasser, das nach Filtration dem ans den
Tiefbrunnen entnommenen Wsser beigemengt wird.
Den ziemlich großen See passieren, wenn auch in einiger Entfernang
Ton der Entnahme-Stelle, Schiffer* Fahrzeuge; es liegt somit eine gewisse
Möglichkeit, daß Typhus-Keime in die Entnahme-Stelle and aof die Filter ge¬
langen, wohl Tor.
Wenn auch, zumal bei der Torsorglichen Filtration des Wassers, kein
Anlaß zu der Annahme besteht, daß durch diese Verhältnisse irgendwie die
Typhus-Frequenz Ton Berlin beeinflußt wird, so wäre es doch immerhin in-
*) Zur Epidemiologie des Typhus in Hamburg und Altona. Von Dt.
J. J. Beinke. Nach einem Vortrage im Hamburger ärztlichen Verein Tom
2. Juli 1896. Deutsche Vierteljahrschrift für öffentliches Qesundheitspflege;
XXVIII. Bd., 1896.
Berliner Statistik, herausgegeben yom Statistischen Amt der Stadt
Berlin. 1. Heft. A. Der Milchyerbrauch in Berlin.
Der Unterleibstyphus in Berlin.
691
teressant, festzustellen, ob bei völliger Grandwasserversorgung der Stadt die
Typus-Frequenz noch weiter sinkt.
Ans den vorstehenden Abhandlungen dürfte sich folgendes
ergeben:
Die überaus hohe Typhus-Morbidität und Mortalität in
Berlin fiel in eine Zeit, als große Insalnbrität dort herrschte, der
Untergrund und die Wasserläufe verunreinigt, die Brunnen allen
Verunreinigungen preisgegeben waren, die zentrale Wasserver¬
sorgung eine hygienisch äußerst bedenkliche, die Beseitigung der
Fäkalien eine mangelhafte, teilweise sogar in gesundheitlicher
Beziehung direkt geföhrliche war. Mit der allmählichen Besserung
dieser Verhältnisse nahmen allmählich auch die Typhus - Erkran¬
kungen ab; namentlich war zunächst ein Zurückgehen der Fälle
in den kanalisierten Straßen bemerkbar, wahrscheinlich, da dort
mit der Kanalisation die Verseuchung des Untergrundes und
weiter die der Brunnen aufhörte.
Ein gewaltiger und plötzlicher Abfall der Typhus-Sterblich¬
keit und der Typhus-Erkrankungen knüpfte sich unmittelbar ein¬
mal an die teilweise Ansschaltang einer aufs höchste zu bean¬
standenden Finß-Wasser-Leitung, ein anderes Mal an ihre völlige
Beseitigung.
Füi* die vorwiegende Abhängigkeit der Typhus-Fre¬
quenz einer Stadt von ihrer Wasserversorgung gegenüber
allen anderen in Betracht kommenden Faktoren, namentlich auch
der Kanalisation, düi'fte das Verhalten des Typhus in Berlin
ein markantes und lehrreiches Beispiel sein.
Tabelle I.
Todesfälle an Unterleibstyphus in den Jahren 1834—1907.
£s starben
Es starben
Jahr
Todesfälle
Einwohner¬
mithin von
Jahr
Todesfälle
Einwohner¬
mithin von
1834
1835
437i
339
ö
cT
«•-
zahl
lOOOO Einw.
an Typhus
1882
1883
347
239
zahl
10000 Elnw.
an Typhus
1836
280
22
1884
245
lb37
438
1885
219
1838
315
c
1886
212
1839
511
1887
191
1840
513
1888
207
1841
397
dq*
1889
281
1863
572
1890
133
1864
478
1891
138
1578000
0,8
1865
784
1892
132
1866
503
1893
143
1867
638
702 041
7,3
1894
67
1868
804
1895
84
1869
613
1896
62
1870
594
1897
58
1871
739
825 957
9,0
1898
59
1872
1208
ca. 830 000
14,5
1899
55
1873
859
1900
81
1 880 000
0,44
1874
696
1901
70
1875
939
1902
66
1876
623
1903
41
1877
612
1904
63
1878
826
1905
65 ca.
2 000000
0,32
1879
261
1906
86
1880
431
1600000
2,9
1907
53
1881
837
692
Vorläufiger Bericht Uber
Tabelle II.
Polizeilich in Berlin während des Jahres 1879—1907
187 9
1880
1881
1882
1883
1884
1885
1886
'1887
1888
1889
1890
Januar
57
49
116
77
90
44
43
67
202
198
65
92
Februar
56
45
59
44
74
47
42
22
175
49
847
62
März
84
82
56
67
48
57
63
42
73
45
153
38
AprU
39
38
69
49
53
53
63
36
54
57
95
51
Mai
33
96
83
74
56
56
61
66
47
44
104
58
Juni
49
99
95
125
91
71
70
66
49
68
90
55
Juli
99
189
202
157
203
149
123
87
82
107
190
78
Angnat
162
245
482
808
210
816
233
190
151
81
184
114
September
182
427
885
472
187
306
165
201
111
101
102
157
Oktober
198
886
149
245
163
224
174
141
83
77
96
71
November
106
867
122
808
68
98
65
85
49
72
271
43
Dezember
63
188
67
79
66
66
74
67
69
49
99
40
1 968i21ö811785|
1895112991147711136il070|ll46| 94b|l7961 869
Die Jubiläumsfeier des Preussischen Medizinalbeamten-
Vereins am 29. und 30. September d. J. in Berlin.
In den letzten Jahren ist davon abgesehen, einen vorlänfigen
Bericht über die HauptversammluDgen des Deutschen und Preußi¬
schen Medizinalbeamtenvereins zu bringen. Wenn wir diesmal
davon eine Ausnahme machen, so erscheint dies mit Rücksicht anf
die mit der Hauptversammlung des Preußischen Medizinalbeamten-
Vereins verbundene Feier des 25 jährigen Bestehens berechtigt,
da wir wohl annehmen können, daß trotz der inzwischen in der
politischen Presse erschienenen kurzen Berichte die Vereinsmit¬
glieder Wert darauf legen, einen vorläufigen authentischen Bericht
zu erhalten. Wir wollen uns jedoch heute im wesentlichen auf
eine Schilderung der eigentlichen Festfeier beschränken; alles
übrige möge dem offiziellen Bericht, dessen Herausgabe tunlichst
beschleunigt werden wird, Vorbehalten bleiben.
Es war eine Feier, wie sie schöner und ^oßartiger nicht
gedacht werden konnte! Vom ersten Augenblick an herrschte
echte Feststimmung, die sich im weiteren Verlauf immer mehr
steigerte, bei dem Festessen zwar ihren Höhepunkt erreichte, aber
bis zu Ende ohne jeden Mißton anhielt. Noch niemals ist eine
Hauptversammlung des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins so
glänzend verlaufen, noch niemals die Beteiligung der Vereins¬
mitglieder eine so zahlreiche gewesen, noch niemals hat der Verein
aber auch durch die Gegenwart der für ihn in Betracht kommenden
höchsten Staatsbehörden, von zahlreichen Vertretern anderer deut¬
schen Bundesregierungen und der übrigen deutschen Medizinal¬
beamtenvereine eine so hohe und außergewöhnliche Ehrung als
diesmal erfahren! So ist er in das neue Vierteljahrhundert seines
Bestehens unter den günstigsten Auspizien getreten; mögen alle
die Wünsche und Hoffnungen, die seine Vereinsmitglieder für
die kommenden Jahre hegen, recht bald in Erfüllung gehen!
Die dem Verein von dem Herrn Präsidenten des Preußischen
Abgeordnetenhauses in liebenswürdiger Weise zur Verfügung
die Jabilänmsfeier des PrevAiechen Ifedlzinalbeamten-yereins. 698
gemeldeten Typhusfälle nach den einzelnen Monaten.
1891
1892
1893
00
1895
1896
1897
1898
1899
1900
1901
1902
1903
1904
1905
1906
1907
40
34
32
17
24
34
10
17
17
18
22
14
7
7
4
12
13
61
46
23
20
13
18
17
15
26
23
14
11
11
13
10
12
9
62
26
25
14
12
16
21
13
10
17
18
10
12
9
12
8
12
33
30
45
18
7
13
11
22
12
20
25
12
8
23
6
13
12
36
29
44
22
39
21
15
20
9
25
44
16
18
15
14
12
10
85
43
30
18
45
19
34
25
27
26
53
9
18
22
14
13
19
139
43
63
29
52
55
45
29
41
60
52
21
35
30
46
28
27
118
81
96
49
91
64
98
53
80
76
104
27
80
42
106
49
42
166
137
2311
56
83
40
59
66
82
103
118
31
48
60
107
93
34
165
62
53
24
54
40
20
40
43
67
50
32
59
18
47
46
23
63
49
36
31
40
27
31
30
27
62
41
12
45
15
29
25
24
63
42
18
27
35
12
32
20
19
48
19
17
22
16
12
22
21
961|622|6B6|8 25|ö0ö| 849189 3|349|3»9|ö44|ö6U{212|ä63|270|407|333|246
gestellten Räume waren so recht ffir die Festfeier geeignet. Dies
machte sich schon am Begrüßungsabend bemerkbar, zu dem
eine grosse Anzahl von Mitgliedern mit ihren Damen erschienen
war, zu deren Empfang sich die verschiedenen Restaurations*
räume des Abgeordnetenhauses als völlig ausreichend erwiesen.
Zn der am 29. September in dem prachtvollen Festsaal des
Abgeordnetenhauses abgehaltenen Festsitzung waren die Herren
Kultusminister Dr. Holle, Exzellenz, Unterstaatssekretär Dr.
Wewer, Exzellenz, Ministerialdirektor Dr. Förster, Geh. Ober-
Med.-Räte Prof. Dr. Schmidtmann, Prof. Dr. Kirchner, Dr.
Dietrich, sowie Geh. Med.-Rat Dr. Abel, Geh. San.-Rat Dr.
Aschenborn, Geh. Ober-Reg.-Rat Dr. Bumm, Präsident des
Reichsgesnndheitsamts, Ministerialrat Strös senreuther-München
Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. v. Gussmann-Stuttgart, Ober-Med.-Rat
Dr. Haus er-Darmstadt, Med.-Rat Prof. Dr. Gnmprecht-Weimar,
Med.-Rat Dr. Roggenbau-Strelitz, Geh. Med.-Rat Dr. Engel¬
brecht-Braunschweig, Ob.-Med.-Rat und Geh. Reg.-Rat Dr.
Philipp-Gotha, Reg.- und Geh. Med.-Rat Dr. Richter-Anhalt,
Med.-!^t Dr. Osswald-Arnstadt (Sondershausen), Med.-Rat
Prof. Dr. Nocht, Reg.- und Med.-Rat Dr. Hecker-Straß-
burg als Vertreter der betreffenden deutschen Bundesregie¬
rungen, Med.-Rat Dr. Flinzer-Plauen und Bezirksarzt Dr.
d’All-Armi-München als Vertreter des Deutschen Medizinal¬
beamten-Vereins, Ob.-Med.-Rat Dr. Erler-Meissen als Ver¬
treter des Medizinalbeamten-Vereins im Königreich Sachsen, Med.-
Rat Dr. Köstlin - Stuttgart n. Med.- Rat Dr. K r a u s s - Kirchheim a. |
Teck als Vertreter des Württembergischen Medizinalbeamten Vereins,
Med.-Rat Dr. Becker-Offenburg als Vertreter des Badischen
Medizinalbeamten-Vereins und Dr. Paul, Direktor der Staats¬
impfanstalt in Wien, Präsident des neugebildeten Reichsverbandes
der österreichischen Amtsärzte, als Ehrengäste und nicht weniger
als 211 Vereinsmitglieder, darunter 187 preußische, erschienen,
davon etwa ein Drittel mit ihren Damen, die ebenfalls an der
Festsitzung in großer Zahl teilnahmen, so daß der große Festsaal
694
Vorläufiger Bericht über
bis aaf den letzten Platz gefüllt war. Der Vorsitzende, Geh.
Med.-Rat Dr. Bapmnnd, eröffnete nm lOV« Uhr vormittags
die Festsitznng.
Er hieß zonächst die Versammlong herzlich wUlkommen and drückte seine
Freude über den sehr zahlreichen Besuch aus, in dem er ein günstiges Zeichen für
das weitere Gedeihen des Vereins sicht, der heute sein 25jährigc8 Bestehen feiere.
Er gab sodann einen kurzen geschichtlichen Ueberblick über die Entwickelung
des Vereins, der aus Terhältnismäßig kleinen Anfängen hervorgegangen ist
und in diesem Jahre die höchste Mitgliederzahl (917) seit seiner Gründung
im Jahre 1883 erreicht habe; last sämtliche preußische Mcdizinalbcamte ge¬
hörten ihm als Mitglieder an. Er dankte den Stiftern des Vereins, von denen
noch 55 Mitglieder des Vereins sind und 20 an der heutigen Festsitzung teil-
nahmen. Desgleichen wies er darauf hin, daß der Verein auch den Medizinal*
beamten in den anderen deutschen Bundesstaaten als Vorbild gedient und die
Bildung ähnlicher Landesvereine veranlaßt, sowie den Zusammenschluß aller
dieser Vereine zu einem Deutschen Medizinalbeamlcnverein heibeigefüLrt habe.
Die Frage, ob der Verein die bei seiner Gründung gehegten HoÖ'nungen
und Wünsche erfüllt habe und den sich gestellten Aufgaben gerecht gewor¬
den sei, müsse bejaht werden. Noch niemals habe die Wissenschait auf den
für die amtliche Tätigkeit der Medizinalbeamtcn in Betracht kommenden Ge¬
bieten der gerichtlichen Medizin und Psychiatric sowie vor allem auf dem
der Hygiene so große Fortschritte aufzuweisen, als in dem letzten Viertel¬
jahrhundert und die Medizinalbeamten müssten stolz darauf sein, daß es
einer aus ihrer Mitte, Robert Koch, gewesen sei, der durch seine Epoche
machenden Entdeckungen ganz neue Bahnen erschlossen habe, auf denen
der Kampf gegen die schlimmsten Feinde der Volksgesundheit, die über¬
tragbaren Krankheiten, nunmehr weit sicherer, sachgemäßer und erfolg¬
reicher als früher durchgeführt werden könne. Der Medizinalbeamtenverein
habe sich durch die Verhandlungen seiner Hauptversammlungen sowie das
von ihm ins Leben gerufene Vereinsorgan, die Zeitschrift für Medizinalbeamte,
nach besten Kräften bemüht, diese außerordentlichen Fortschritte und Errun-
gensekaften für das Allgemeinwohl nutzbar zu machen. Vor allem habe er
aber immer wieder von neuem auf die Notwendigkeit einer gründlichen, den
Anforderungen der öflentlichen Gesundheitspflege entsprechenden Umgestaltung
der völlig unzulänglichen Stellung der früheren Kreisphysiker hingewiesen
und wenn diese Reform schließlich in den letzten Jahren durch das Kreisarzt¬
gesetz erreicht sei und das Medizinal- und Gesundheitswesen des Preußischen
Staates durch das zielbewußte Vorgehen der Königlichan Staatsregierung, ins¬
besondere des Herrn Medizinalministers, eine so große Förderung und eine so
gedeihliche Entwicklung erfahren habe, wie nie zuvor, so dürfe sich auch der
Preußische Medizinalbcamtenverein ein kleines Verdienst hieran durch seine
fortgesetzten Anregungen zurechnen. Das Kreisarztgesetz entspreche zwar
noch nicht allen berechtigten Wünschen der Mcdizinalbeamten, deren Erfül¬
lung auch im öffentlichen Interesse geboten sei, es stelle aber eine feste und
brauchbare Grundlage dar, auf der mit bestem Erfolg weiter gebaut werden könne.
Mit freudigem und dankbarem Gefühl, sowie mit besonderer Genug¬
tuung könne deshalb der Verein auf seine 2öjährige Tätigkeit zurückblicken.
Möge die kommende Generation die Bestrebungen und Ziele des Vereins in
der gleichen Weise wie bisher fördern, seine Fahne hochhalten and seinen
Grundsätzen treu bleiben!
Se. Exzellenz der Herr Enltusminister Dr. Holle begrüßte
hieranf die Versammlnng durch eine Ansprache, in der etwa fol¬
gendes ausfühi'te:
Ich danke zunächst für die freundlichen Worte, die der Vorredner der
Medizinalabteilung des preußischen Kultusministeriums gewidmet hat, und für
das Vertrauen, das Sie zu der Medizinalabteilnng haben. Ich spreche heute
zum ersten Male in dem Kreise der mir neu unterstellten preußischen Medi-
zinalbcamtcn. Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß ich mir Ihr Wohl herz¬
lich angelegen sein lassen werde, und daß ich Ihnen immer das größte Ent¬
gegenkommen zeigen werde. Wenn nicht alle Wünsche gleich erf&t werden,
so müssen Sie bedenken, daß manche Hindernisse zu beseitigen sind. Als Ver-
die Jabiläomsfeier des PrenßischeD Medizinalbeamten-Vereins.
695
treter der preußischen Medizinalableilong danke ich Ihnen herzlich für Ihr
erfolgreiches Wirken in der Vergangenheit, and ich hoffe, daß es aach in Za-
kanft weiter so der Fall sein wird. Ihr Verein hat den Schwerpunkt seiner
Arbeit in die Vervollkommnung der Volksbygiene gelegt. Auf diesem Gebiete
hat er Großes geleistet. Hoffentlich wird er zum Wohle des Volkes auch
weiterhin in dieser Hichtung tätig sein. Die Gesetzgebung hat die Dienst¬
stellung des Kreisarztes gehoben; sie hat den Medizinalbeamten neue Tätig¬
keitsfelder geschaffen. Fleißig und unablässig sind Sie auf diesem Gebiete
tätig gewesen. Sie haben die Erfolge der Wissenschaft auf die Praxis über¬
tragen und bemerkenswerte Verbesserungen herbeigeführt. Diese trefflichen
Leistungen haben Ihren Stand in der öffentlichen Schätzung erheblich gehoben,
und Sie haben bewiesen, daß durch Pflichttreue und unermüdliche Arbeit die
Medizinalbeamten scheinbar unüberwindliche Hindernisse bewältigen können.
Die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung haben Sie verbreitet, Erfahrungen
haben Sie ausgetauscht, neue Anregungen haben Sie entgegengenommen und
auf ihre Durchführbarkeit geprüft. Sie haben das Verständnis für die den
Medizinalbeamtcn gestellten Aufgaben gehoben und vertieft. Ich danke Ihrem
Verein und besonders Ihrem Vorsitzenden für diese in 25 Jahren unermüdlicher
treuer Arbeit geleisteten Dienste. Möge der Verein auch weiterhin unter der
bewährten Führung seines Vorsitzenden blähen und gedeihen und dieselbe
erfolgreiche und für das Volkswohl so gedeihliche Tätigkeit in harmonischem
Zusammenwirken mit der zentralen Medizinalverwaltung Weiterarbeiten wie
bisher 1
Die Begrüssungsworte des Herrn Ministers fanden den leb¬
haftesten Beifall der Versammlnng. Der Vorsitzende dankte
für die aaßerordentliche Anerkennung, mit welcher der Herr Mi¬
nister der Tätigkeit des Vereins gedacht habe, sowie für das große
Wohlwollen, das Se. Exzellenz dem ferneren Gedeihen des Vereins
und den Wünschen der Medizinalbeamten entgegenbringe. Diese
Anerkennung werde für alle Medizinalbeamten ein Sporn sein,
auch künttighin danach zu streben, sich die volle Zufriedenheit
ihrer Vorgesetzten Behörden zu erhalten. Hoffentlich sei es mög¬
lich, ihre Wünsche in absehbarer Zeit zu erfüllen, damit sich auch
die lebende Generation dieser Erfüllung noch erfreuen könne!
Es folgten hierauf waimherzige Begrüßungen von Seiten des
Vertreters der Egl. Bayerischen Staatsregierung, Herrn Ministerial¬
rat Strössenreuther, der Vertreter der Großh. Hessischen und
Kgl. Württembergischen Kegierungen, der Hen-en Ober-Medizinal-
Bäten Dr. Haus er-Darmstadt und Dr. v. Guss mann-Württem¬
berg; die Glückwünsche des Deutschen Medizinalbeamtenvereins
und der verschiedenen Landesvereine überbrachte H. Bezirksarzt
Dr. d’All-Armi-München, diejenigen des Reichsverbandes der
Oesterreichischen Amtsärzte H. Dr. Paul, Direktor der Staats¬
impfanstalt in Wien.
Nachdem der Vorsitzende im Namen des Vereins für alle
diese Glückwünsche gedankt hatte, überreichte H. Geh. Med.-Rat
Kreisarzt Di;. Schlüter im Namen des Ausschusses den unter
den Vereinsmitgliedern zur Feier des Jubiläums gesammelten
Stiftungsfonds, der die erfreuliche Höhe von 17 405 Mark
erreicht hat. Von 917 Mitgliedern haben 466, also etwas über
die Hälfte beigesteuert. Der Fonds wurde von der Versammlnng
mit großem Dank angenommen und am nächsten Sitzungstage,
wie hier gleich bemerkt sein möge, der Vorstand beauftragt, über
696
VorlSofiger Bericht ttber
seine Verwendangf nsw. satzongsgemäße Bestimmungen im Vermn
mit dem bisherigen Ausschuß zu entwerfen und diese der nächst-
jftluigen Versammlung zur Beschlußfassung vorzulegen.
Auf Vorschlag des Vorstandes wurde hierauf Robert Koch
in Anerkennung seiner unvergänglichen Verdienste auf dem Gebiete
der Öffentlichen Gesundheitspflege unter allseitigem lebhaften Bei-
fliU zum Ehrenmitgliede ernannt; nicht minder großen Beifall
fand dann der von Geh. Rat Prof. Dr. Strassmann gemachte
Vorschlag, auch dem jetzigen langjährigen Vorsitzenden die
gleiche Ehrung zuteil werden zu lassen.
Der Vorsitzende dankte hierauf mit bewegten Worten
fflr diese ihm zuteil gewordene außerordentliche Ehrung; er
knüpfte daran die herzliche Bitte, ihm auch künftighin das gleiche
Vertrauen und dieselbe Freundschaft entgegenzubringen wie bisher.
Er sprach hierauf noch dem Ortsausschuß für die vorzügliche
Ausführung der mannigfachen Vorbereitungen zu der Jubiläums¬
feier, sowie allen Mitarbeitern der Festschrift, insbesondere
dem Redaktionsausschuß den herzlichsten Dank des Vereins aus.
Ohne diese opferwillige Mitarbeit wäre die rechtzeitige Fertig¬
stellung der Festschrift nicht möglich gewesen!
Der Schriftfühler, H. Geh. Med.-Rat Dr. Fielitz-Halle a. S.,
erstattete sodann den Geschäfts- und Kassenbericht. An
Stelle des im Vorjahre in den Vorstand gewählten Geh. Med.-Rats
Dr. Barnick-Frankfuit a. 0., der die Wahl abgelehnt hat, ist vom
Vorstande satzungsgemäß Reg.- u. Med.-Rat Dr. v. Hake-Marien-
werder kooptiert. Die Mitgliederzahl des Vereins ist auf 917
gestiegen; 23 Mitglieder sind seit der letzten Hauptversammlung
ausgetreten, 22 verstorben und 63 neu eingetreten. Der Vorschlag
des Schriftführers, daß jedem Mitgliede ein Exemplar der Fest¬
schrift des Preuss. Med.-Beamten-Vereins zugeschickt werden soll,
flndet allgemeine Zustimmung^); bei dem außerordentlich billigen
Preis derselben und dem gebotenen Inhalt darf wohl mit Be¬
stimmtheit darauf gerechnet werden, daß es auch von jedem Mit¬
gliede gern behalten werden wird.
Es schlossen sich hieran die hochinteressanten Vorträge von
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge-Berlin über die „hygienische
Kontrolle der zentralen Wasserleitungen“, und von Reg.- u. Med.-Rat
Dr. Dütschke über „den Entwurf eines Kurpfuschereigesetzes*.
Die von diesem Referenten zu dem Gesetzentwurf gemachten Ab¬
änderungsvorschläge fanden die Zustimmung der Versammlung,
gleichzeitig wurde dem Vorstande die Berücksichtigung der in
der Diskussion sonst gemachten Vorschläge und zutage getretenen
Gesichtspunkte überlassen. •
Den Höhepunkt der Jubiläumsfeier bildete jedenfalls das
Festessen am Abend des ersten Sitznngstages. Nicht weniger,
als 240 Teilnehmer hatten sich in den Festsälen des Prinz
Albrechts-Hotels eingefunden; von allem Anfang an und bis
zum Schluß herrschte eine so gehobene Stimmung, wie sicher¬
lich noch bei keinem derartigen Festessen des Vereii». Sein
i\ r\z^ t:i _i._
\ _ ■
.1_
die JubQ&iunflfeier des PNeflischeB Hedisiaelbeeinteii-Vereins. 697
Vwlanf war demzufolge ein wahrhaft glänzender. Außer
Se. Exzellenz, dem Herrn Eultnsminieter Dr. Holle, hatte der
Verein die Ehre, Herrn ünterstaatssekretär Exzelleuz Wewer
und Herrn Ministerialdirektor Förster, sämtliche vertragenden
medizinisch-technischen Bäte der Medizinal-Abteilung sowie iatt
alle vorhergenannten Vertreter der Bundesregierungen und Medi-
zinalbeamtenvereine, auch hier in seiner Mitte begrüßen zu können.
Daß es außer dem Toast auf Se. Majestät dem Kaiser und
König, der von Se. Exzellenz dem Herrn Kultusminister ausge-
bracht wurde, nicht an manchen Festreden gefehlt hat, braucht
wohl nicht erst versichert zu werden; die sich daran anschliessenden
Hochs — auf die Gäste, insbesondere auf Se. Exzellenz deih Herrn
Kultusminister (Vorsitzender), auf den Prenssischen Memzinal-
beamten-Verein (Med.-Rat Dr. Köstlin-Stuttgart und später
nochmals der Senior der Anwesenden Geh.-San.-RatDr.Wallichs-
Altona), auf den Vorsitzenden (Geh. Med.-Rat Dr. Fielitz), auf
die übrigen Vorstandsmitglieder und die Stifter (Vorsitzender),
auf die Damen (Med.-Rat Dr. Leppmann) — fanden alle be¬
geisterten Wiederhall. Nicht minder grossen Beifall fand eine
von dem Kollegen Gerichtsarzt Dr. Marx-Berlin verfasste
humoristische „Nene Zeitschrift für Medizinalbeamte: M. Z. am
Abend“ mit einer lyrischen Beilage, deren Austeilung mit einem
Prolog erfolgte, gesprochen von der als Zeitungsfräulein aus
Minden sich einführenden Tochter eines Berliner Kollegen. Die
Festnnmmer enthält übrigens ein wohlgelungenes Gruppenbild von
sämtlichen Vorstandsmitgliedern, das der demnächst zur Ver¬
sendung kommenden Festschrift beigefögt werden wird. Nach
dem Festessen liess sich Se. Exzellenz, der Herr Kultusminister,
die Vertreter ans den einzelnen Bundesstaaten durch den Vor¬
sitzenden vorstellen und unterhielt sich mit jedem einzelnen in
der liebenswürdigsten Weise.
Den Schluss des Tages bildete ein frohbewegtes Zusammen¬
sein im Weiheustephan.
Der zweite Sitzungstag war mehr als der erste der
Arbeit gewidmet. Die Vorträge der Herren Referenten Gerichts¬
arzt Dr. Strauch - Berlin: „Ueber den gegenwärtigen Stand und
Wert der Kriminalanthropologie“; Prof. Dr. Lochte-Göttingen:
„Die Psychologie der Aussage“; Kreisarzt Dr. Gutknecht-
Belgard: „Medizinalbeamter und ärztliche Privatpraxis“ fesselten
die zahlreich erschienenen Teilnehmer in hohem Grade. Allseitige
Zustimmung fanden die vorzüglichen Ausführungen des letzten
Referenten; die von ihm aufgestellten Leitsätze wurden ohne
Diskussion einstimmig angenommen.
Nach Schluss der Sitzung vereinigten sich die noch in Berlin
verbleibenden Mitglieder mit ihren Damen zu einem gemein¬
schaftlichen Mittagessen im Weinrestaurant des Zoologischen
Gartens. Für den Abend hatte der Herr Generalintendant des
Königlichen Schauspiel -undOpernhauses in liebenswürdiger
Weise eine große Anzahl von Billets dem Verein unentgeltlich
zur Verfügung gestellt; nach Schloss des Theaters trafen sich
die Kollegen mit ihi*en Damen wiederum im Weihenstephan.
698
Kleinere Mitteiinngon nnd Referate ans Zeitschriften.
Ebenso wie der Verein mit Stolz nnd Genngtnnng anf das
erste Vierteljahrhundert seiner Tätigkeit znrttckblicken kann, so
werden anch sicherlich alle Festteilnehmer mit besonderer Freude
sich der so schön verlaufenden Festfeier erinnern! Möge diese
Erinnerung niemals erlöschen; dann wird es auch für alle Zu¬
kunft mit dem Preussisehen Medizinalbeamten-Verein gut be¬
stellt sein! _____ _
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. OorlohtUohe Medizin.
Zar Technik der Sektion ron Fällen ron Wlrbelfraktnr. Von Prof-
H. Chiari in StraBbarg. Vorgetragen in der Sitzang des Unterelässichen
Aerztevcreins am 30. Mai 1908. Straßburger medizio. Zeitung; 1908, Heft 8.
Bei der gewöhnlichen Technik: Bioslegung der Wiibelaänre in ihrer
Kontinuität und Aufsagung derselben mittels des Laer sehen Kbachiotoms,
entgehen sehr leicht Einzelheiten der Verloizang, zamal im Bereiche der
Bogenteile, der Quer- und Gelenk- Fortsätze, da diese Wirbelteile bei
der Präparation der Wirbelsäule in ihrer Kontinuität nur sehr schwer in ge¬
nügender Weise freigolegt werden können. Vortragender empfiehlt desh^b
ein Verfahren, welches zwar etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt, dafür aber
genaue Resultate liefert.
Zuerst wird die Stelle der Verletzung an der Wirbelsäule in Eontinoität
Ton hinten nnd vorne bloßgclcgt. Dann folgt aber nicht sofort die Er¬
öffnung des Wirbelkanals mit dem Rbaebiotom, sondern es werden die für
die Verletzung in Betracht kommenden zwei bis drei Wirbel von der Wirbel¬
säule darüber und darunter mit gleichzeitiger rein querer Dnrchschneidnng
des Rückenmarkes losgelöst, so daß sie mit dem in ihnen enthaltenen Stücke
des Rückenmarkes für sich des weiteren untersucht werden können. Die übrige
Wirbelsäule wird hierauf — wie gewöhnlich — geöffnet und das Rückenmark
über und unter der Verlctzungsstclle hcrausgenommen. Die Entfernung des
in den separierten Wirbeln enthaltenen kurzen Stückes des Rückenmarkes ge¬
lingt sehr leicht mittels eines langen schmalen Messers, indem man von oben
und nnten her die betreffenden spinalen Nervenworzeln dorebsebneidet. Nun
kann das ganze Rückenmark wieder zusammengesetzt und in der üblichen
Weise sammt seinen Meningen untersucht werden, wobei sehr zu empfehlen
ist, die Durchschnitte durch die Substanz des Rückenmarkes nicht sofort bei
der Sektion, sondern erst am nächsten Tage, nach Erhärtung des Rückenmarks
10'*/o wässriger Formalinlösung, anzulegen.
Die abgetrennten Wirbel werden hierauf mit eifriger Benatzong des
Knochenschabers sorgfältig präpariert, wobei an ihnen, in stetem Verreiche
mit entsprechenden mazerierten normalen Wirbeln, alle Einzelheiten der Ver¬
letzung erhoben werden können.
Vortragender berichtet dann über zwei Fälle, in denen diese Technik
mit gutem Erfolge geübt worden war, während ohne sie die feineren Ver¬
letzungen sehr leicht der Beobachtung hätten entgehen können.
Dr. Heck er-Straßbarg i. Eis.
Panoptfsohe Unirersalfärbang fftr Blatpräparate. Von A. Pappen-
beim. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 32.
Verfasser empfiehlt hier sein seit mehreren Jahren angewandtes Ver¬
fahren, das im Prinzip anf einer panoptiachen Bomanowskyfärbong beruht, mit
guter Darstellung aller azuropbilen Substanz, auch des Protozoenchromata,
aber mit gleichzeitiger tadelloser Färbung des Hämoglobins, der eosinophylen
und neutrophilen Granulationen. Er verwendet dabei sowohl die May-Grün-
wa Id sehe, wie die Giemsasche Färbungsmethode. Die erhaltenen Bilder
sollen längst nicht so grobklexig wie die nach Romanowsky gefärbten sein,
sondern die zweite Strukturzeichnung und die färberischen Kontraste des Hay-
präparates mit den qualitativen Vorzügen (Azurrot, Eemstraktionen) des
Giemsapräparates vereinigen. Das gewonnene Verfahren ist folgendes:
Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften.
699
1. Fixation des lichttrockenen Deckgläschens (in Comettpinzette) durch
May<Qrünwaldlösang etwa 3 Minuten.
2. Durch Zufügung von 2—5 Tropfen Aq. dest. Einleitung der May*
färhung, die zuerst den rein rosafarbenen Untergrund der eesingefärbten Ery¬
throzyten liefert. Färbnngsdauer 3—4 Minuten.
3. Bloßes Abgießen der Maylösung nnd Zufügung einer konzentrierten
Giemsalösung (etwa 3 Tropfen Stammlüsung auf 2—3 ccm Aq. dest.). Fär-
bungsdauer 4—5 Minuten.
4. Kräftiges Abspülen in Aq. dest. (nicht über der Flamme I); Einbetten.
_ Epd.
üeber die Abstossnng der Nabelschnur. Von Dr. Otto Leers.
Aus der ünterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde in Berlin (Geh.-Bat
Dr. Straßmann). Aorztl. Sachy. Zeitung; Nr. 16, 1908.
Der derzeitiger Standpunkt der Wissenschaft ist folgender: Normaler¬
weise setzt die Abnabelung erst nach der Ausstoßung des Kindes ein, wenn
der Blutkreislauf durch den Nabel stockt. Es kommt zur Stose in den Nabel-
gefäßen, zur Auswanderung von Leukozyten, zur Infiltration und Demarkation
an der Grenze des nekrotisierenden Straugrestes.
Der Vorgang setzt um so prompter ein und verläuft um so normaler,
je reifer das Kind ist. Fehlt es beim lebendgeborenen Kind, so handelt es
sich um eine unreife Frucht oder um ein nur kurzes Leben. Dies ist von allen
Autoren bestätigt worden.
Umgekehrt kann bei einem völlig aasgereiften Kinde, wenn durch
protahierte Gebart oder andere Ursachen (Druck auf die Nabelschnur, Um¬
schlingung) vorzeitig, d. b. vor der Aussoßung der Frucht, eine Störung in
den Nabelgefäßcn zustande kommt, diese gerade so intrauterin den Anreiz
zur Entnabelung geben, als wenn das Kind schon geboren wäre.
Hiermit steht im Einklang die Aeußerung von Fritsch, daß ein Demar¬
kationsring zuweilen auch bei intrauterin abgestorbenen Kindern gefunden
werde, und der Befand einer typischen Infiltration bei mazerierten Kindern,
den Cobliner mitteilt.
Daß die Entnabelung intrauterin niemals vollendet werden kann, ist
klar. Mit zunehmender Stockung des Nabelblutkreislaufes stirbt das Kind ab,
und mit dem Absterben hört der Demarkationsprozeß auf.
Dr. Tr06ger-Kempen i. F.
Röntgendurchleuchtung von Neugeborenen. Von Bordas,Boncha-
court, Vaillant. Ann. d’hyg. publ. et de m6d. lig.; 4. Serie, Tome IX,
joillet 1908.
Die Böntgendurchlcnchtung von Kinderleichen ergibt folgende regel¬
mäßige Befunde: 1. Bei Kindern, die nicht gelebt haben, ist kein Organ zu
erkennen. 2. Bei Kindern, die ein paar Atemzüge getan haben, ist zuerst der
Magen an einer Aufhellung erkennbar, danach folgt der Darm. 3. Bei Kindern,
die einige Zeit ohne Nahrung gelebt haben, sicht man Magen, Därme, Langen,
Leber und Herz. 4. Sind die Kinder genährt worden, so sind alle Organe viel
deutlicher zu unterscheiden. Das Mekonium stört die Untersuchung in keiner
Weise (Vaillant). — Luft, die bei Wiederbelebungsversuchen ein geblasen
wird, erreicht nicht die Lungenspitzen, so daß diese dunkel bleiben; sie führt
aber ebenfalls zu einer AufhcUung des Magens. Außerdem veranlassen bei
Leichen, die älter als 48 Stunden sind, auch die Darmgase ein Sichtbarwerden
des Magens und der Därme (Bouchacourt).
Diesen Ergebnissen hüt Bor das mit Recht entgegen, daß es längst
feststeht, daß gewöhnlich die Luft zuerst in die Lunge und nur nach Maßgabe
der Atmungsdauer in den Magen und weiter abwärts hingelangt; die fehlerhafte
Technik habe das Resultat gefälscht. Er verwirft auch, entgegen den beiden
anderen Autoren, die Radiographie als Lebensprobe, die die Obduktion über¬
flüssig mache, wie es Bouchacourt amtlich vorschlägt. Sie hat nur den
Vorteil, dem Sachverständigen durch das Radiogramm einen objektiven Beweis
für den Richter zu liefern, kann aber die Lungenschwimmprobe nimmer
verdrängen. P. Fraenckel-Berlin.
700
Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitecbxlften.
üeber die Inwendnng der htotologtoehea Untersaehiiafeiiietliode
beim Studium der pnimonaien Atelektasie der Nengebereneiiy die extrai-
terin geiebt haben. Von Dott. Franc. Leoncini-Florenz. Archirio di
Faichiatria, Nenropatologia etc.; 1908, Fase. I—II.
Verfasser bereichert znnächst die Literatnr über Atelektase der Langen
Neugeborener trotz vorangegangenen Atmens darch Beschreibang von zwei
im Florenzer Institut für gerichtliche Medizin unter allen Kautelen unter¬
suchten Fällen. Beide Male war die Qcbort unter einwandsfreien Zeugen vor
si<^ gegangen und war nachgewiesen, daß das Neugeborene nach der Geburt
24 bezw. 4 Standen gelebt hatte. Allerdings handelte es sich in beiden Fällen
um sehr frühzeitig geborene Kinder von 7 bezw. 8 Monaten. Die Lungen
ergaben sich bei der Obduktion als völlig atelektatiscb, von hepatischem Aus¬
sehen, bei Schwimmversuchen ganz und in Stücken völlig zu Boden sinkend
Dann spricht Verfasser über die neue histologische Untersuchungsmethode
der Lungen Neugeborener, welche im Einzelfalle zur Sicherung der Tatsache,
ob die Atelektase der Langen sekundärer Art ist, herangezogen wird. Diese
Methode beruht auf folgender Feststellung: In den Langen, die geatmet haben,
verwandelt sich das ursprüngliche kernhaltige kubische Epistel der Alveolen
in kernloses Plattenepistel. Der Uebergang geht nicht plötzlich, sondern all¬
mählich vor sich. Daher kann man in derartigen Fällen neben rein fötalen
Alveolen solche mit verändertem Epithel finden. Diese wertvolle Probe wird
ergänzt durch eine zweite, die darauf beruht, daß die elastischen Fasern des
Lungengewebes, die beim Fötus in der zweiten Hälfte des Intrauterinlebens
sich bilden, bei den Langen, die geatmet haben, kräftiger und stärker färbbar
sind, als bei denjenigen, die noch nicht geatmet haben, daß außerdem die
Alveolen im ersteren Falle eine größere, regelmäßigere und fast runde Form
besitzen, während sie im zweiten Falle kleiner, oval oder polygonal geformt
erscheinen. Diese Methode ist bereits von einigen Forschern mit Erfolg an¬
gewandt. Auch Verfasser bediente sich derselben in seinen beiden Fällen und
zwar mit dem Ergebnis, daß im ersten Falle beide Proben positiv aasfielen,
d. h. für stattgehabtes Atmen sprachen, während im zweiten Fall die Proben
im Stich ließen. Der Grund hierfür war offenbar der, daß in diesem Falle das
eztrauterine Leben nur kurze Zeit gedauert hatte.
Alles in allem will Verfasser diese histologische Untersuchungsmethode
in zweifelhaften Fällen nicht entbehrt wissen, da sie geeignet ist, wertvolle
Aufschlüsse zu gehen, wenn die Schwimmprobe nicht aasreicht.
_ Dr. 8 0 1 b r i g - Allenstein.
B. Oeriohtllohe PsyoUatrle.
Die forensische Redeutung der Dementia praecox. Von Dr. med.
Richard Sarto rins-Aplerbeck, früher Frankfurt a. M. Allg. Zeitschrift für
Psycchiatrie; 65. Bd., 4. Heft.
Bei den von Sartorius beobachteten kriminell gewordenen Fällen von
Dementia praecox war das am meisten vorkommeude Delikt öffentliches
Aergernis. Dann folgten in allmählicher Abstufung, Diebstahl, Bettelei, Körper¬
verletzung, Betrag, Unterschlagung, Fahnenflucht, Sittlichkeitsverbrechen und
Zechprellerei, sowie endlich Mord und Prostitution. Sartorius sucht den
Nachweis zu führen, daß der Dementia praecox vom forensischen Standpunkte
aus eine eminente, immer mehr wachsende Bedeutung zukommt, welche die
der meisten anderen Geisteskrankheiten überragt. Auf die Schwierigkeit der
Erkennung dieser Psychose, namentlich der einfach dementen Form, wird be¬
sonders hingewiesen. Dr. T ö b b e n - Münster.
Ueber die phantastische Form des degenerativen Irreseins (Psen-
dologla plmntastica). Von Dr. Beruh. Risch, Oberarzt auf dem Eichberg.
Allg. Zeitschrift für Psychiatrie; 65. Bd., 4. Heft.
Risch berichtet über sechs sehr eingehend beobnehtete Krankheits¬
fälle, die dadurch ein ebenso eigenartiges wie gemeinsames r} mptomatologiscbes
Gepräge erhalten, daß bei ihnen allen in der Erscheinungen Flucht als
charakteristisches Grundphänomen die „pathologische Lüge*^ hervortritt. Das
Krankheitsbild zeigt ausgesprochene Züge der Entartung und hat mit der
Hysterie nur das psychogene Moment gemeinsam. Von den übrigen Eint-
Kleinere llitteihingen and Befemte nm Zeitsebxiften.
701
nrtange^cbosea ontersoheidet sioh die „phantastische Form des degenerativen
Irrseins" dorch ihre darchaos angttnstlge Prognose.
Dr. T 0 b b 0 n - Münster.
Kasnlstlseher Beitrag ra den tranmattsehen Bindendefekten der
Stirn* nnd Zentralwindnngen. Von Dr. Voll and. Aas dor Anstalt für
Epileptische za Bethel bei Bielefeld. Archiv für Psychiatrie and Nerven*
krankheiten; 44. Bd., 2. Heft.
Der VerfsBser beobachtete bei einem Patienten mit traamatischem
linksseitigem Himdefekt, der ca. ein Drittel vom Foße der dritten Stirn-
windang und über die Hälfte des daran anstoßenden Teiles der vorderen
Zentralwindong amfaßte, andaaemde aphasische and zentral • anarthriscbe
SprechstOrangen, die anmittelbar nach epileptischen Anfällen am stärksten
waren. Es bestand Storeagnosis der rechten Hand, bedingt durch Aafhebang
der isolierten and der Zweckbewegangen der Finger reebterseits.
Dr. T ö b b e n - Münster.
Der pathologlsehe Baasoh. Von Dr. Kätner* Breslau. Medizinische
Klinik; 1908, Nr. 36.
Der pathologische Bausch entwickelt sich fast ausnahmslos auf dem
Boden angeborener (Imbezillität, Epilepsie usw.) und erworbener (Paralyse,
Lues cerebri, chronischer Alkoholismos osw.) Psychopathie. Oft treten noch vor¬
übergehende Schädigungen wie Hanger, körperliche Anstrengung, sexuelle
Exzesse als fördernd hinzu. Irgend ein Affekt bildet dann das aaslösende
Moment. Die Menge des Alkohols braucht garnicht groß zu sein; gerade die
oft aufschwellonde geringe Menge ist ein Beweis für den pathologischen Zu¬
stand. Besonders verhängnisvoll ist, wenn ungewohnte Arten von Alkohol zu
mch genommen werden. Der pathologische Bausch setzt meist akut ein und
verläuft unter den mannigfaltigsten Erscheinungen. Besonders hervorstechend
ist eine Stimmungsanomalie. Es zeigt sich eine Angst von dem einfachsten
Grade der Beklommenheit bis zu der höchsten Verzweiflung gesteigert, ferner
Htdiuzinationen, Wahnvorstellungen. Ihr Verhalten ist ängstlich scheu, ab¬
lehnend bis zu verzweifelten Wüten und Selbstmordversuchen. Grober Un¬
fug, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Beamtenbeleidignng ist häufig
die Folge. Auch melancholische, wie maniakalischo Formen werden beobachtet.
Die gewöhnlichen Erscheinungen der Trunkenheit (bammelnder Gang, lallende
Spraäe usw.) fehlen vielfach; man findet dagegen häufiger eine Lichtstarre
oder träge Beaktion der Papillen, die noch stundenlang hinterher anhält;
ferner sind die Patellarrefiexe oft abgeschwächt oder fehlen ganz. Die
Dauer des Zustandes ist gewöhnlich kurz. Wird der Kranke zu Bett ge¬
bracht, BO verfällt er nicht, wie der gewöhnliche Betrunkene, sofort in tiefen
Schlaf, sondern der Zustand hält noch eine ganze Weile an nnd steigert sich
sogar häufig. Ebenso rufen plötzlich eintretende Ereignisse keine Ernüchterung
hervor, sondern sie wirken nur noch verstärkend auf die Erscheinungen. Die
Schwere der Nachwehen steht gewöhnlich garnicht im Verhältnis zu der ge¬
ringen Menge des genossenen Alkohols. Eine vollständige, kleine Bück-
erinnerung kommt kaum vor. Die beste Therapie ist Aufnahme in eine
Anstalt und völlige Entziehung des Alkohols. Verfasser weist dann noch auf
die forensische Bedeutung des pathologischen Bausches hin und auf die
Schwierigkeit für den gerichtlichen Sachverständigen, der den Angeklagten
erst nach einigen Tagen sieht und lediglich auf Zeugenaussagen angewiesen
ist, wobei meistens die Zeugen auch mehr oder weniger trunken gewesen sind.
Hier spielt die Vorgeschichte des Betreffenden eine wichtige Rollo, ferner das
Mißverhältnis zwischen der geringen Menge des Alkohols und der Schwere
der Erscheinungen, schließlich noch die Art seines Verhaltens während der
Verhaftung usw. Ein genaues Erforschen der einzelnen Umstände ist unbe¬
dingt erforderlich. Bpd.
Einweisung, Festhaltnng und Entlassung von gemeingefährlichen
beiw. naeh § 51 8t.-G.-B. freigesprochenen Geisteskranken ln Anstalten.
Beferat erstattet von Dr. Stoltenhoff - Kortau und Dr. Puppe- Königsberg auf
der Versammlung des nordorstdeutschen Vereins für Psychiatrie und Neurologie
zu Danzig am 29. Juni 1908. Allg. Zeitschrift für Psychiatrie; 65. Bd., 4. H.
702
Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften«'
Die Referenten haben folgende von der Versammlong genehmigte
Thesen auf gestellt:
1. Gemeingefährlichkeit kann nur unter Berttcksichtigang aller Einzel*
heiten des Falles als vorliegend anerkannt werden. Eine fttr alle Fälle
passende Definition za liefern ist unmöglich.
2. Die Einweisung von Personen, bei welchen auf Grund des § 203
St.-P.*0. das Verfahren eingestellt ist, oder die auf Grund des § 61 St.-G.*B.
freigesprochen sind, sowie auch solcher, bei denen das Hauptverfabren wegen
Geisteskrankheit gemäß §§ 196, 202 St.-P.-0. garnicht eröffnet ist, sondern
die außer Verfolgung gesetzt wurden, in öffentliche Irrenanstalten, bedarf unter
gleichzeitiger Prüfung der Tatfrage gesetzlicher Regelung.
3. Das die Einstellung oder Freisprechnng anordnende Gericht hat unter
Zuziehung des psychiatrisch vorgebildeten Sachverständigen in jedem Falle
zu prüfen, ob eine Einweisung stattzufinden bat.
4. Eine Zeitdauer der Einweisang und Verwahrung ist nicht auszn-
sprechen.
5. Es bedarf jedesmal eines Gerichtsbeschlusses, daß Gemeinfährlichkeit
nicht mehr vorliegt.
6. Boi jeder Entscheidung des erkennenden Gerichts, daß Gemeingefähr*
lichkeit vorliegt, bezw. nicht, bezw. nicht mehr vorliegt, ist eine Beschwerde
an eine höhere Instanz zulässig.
7. Geisteskrank gewordenen Verbrechern kann die in Irrenanstalten ver*
brachte Zeit auf die Strafzeit angerechnet werden.
8. Grnndsätzlich ist die Forderung aufzustellen, daß der Staat die Sorge
für die gemeingefährlich erklärten kriminellen Geisteskranken übernimmt und
dieselben zunächst in besonderen Anstalten nnterbring^; in geeigneten Fällen
empfiehlt sich aber die spätere ünterbringung in einer ordentlichen Irrenanstalt
(Provinzialanstalt und dergl.), zumal wenn eine Entlassung des Betreffenden
in Frage kommen soll.
Es wurde beschlossen, diese Thesen den in Frage kommenden Staat*
liehen Ministerialbchörden einzusenden. Dr. Többen*Münater.
0. Saohverntändlgentätlgkelt in ünfall* und Invalldlt&taaoheii.
Blutvergiftung Infolge einer vielleleht im Betriebe erlittenen ge¬
ringen Uautverletzung als Betriebsunfall. Rekurs-Entscheidung
des Reichsversicherungsamts vom 12. März 1908.
Unstreitig ist der Ziegeleiarbeiter K. an Blutvergiftnng verstorben, die
im Anschluß an eine, wenn auch nur geringe Hautverletzung des rediten
Armes sich herausgcbildet hat. Eine anderweite Entstehung der zum Tode
führendenden Blutvergiftung, als dadurch, daß die Krankheitskeime durch
eine Hautverletzung in den Körper des Verstorbenen gelangt sind, ist nach
dem ärztlichen Gutachten nicht anzunehmen. Es handelt sich daher lediglich
um die Frage, ob der Zicgeleiarbeiter K. entweder diese Hautverletzung sich
bei dem Betriebe zugezogen hat, oder das Ebdringen der Krankheitserreger
bei der Betriebsarbeit erfolgt ist. In ebem jeden dieser beiden Fälle ist die
znm Tode führende körperliche Schädigung als ein Betriebsunfall anzusehen.
Dafür aber, daß die eine oder die andere, wenn nicht etwa beide Voraus¬
setzungen im vorliegenden Falle bei der Betriebsarbeit des Versicherten ob¬
getreten sind, sprechen nach Ansicht des erkennenden Senats ausreichende
Wahrscheinlichkeitsgründe. Dann nach der eidlichen Aussage des
Arbeiters Sch. hat dieser 3 oder 4 Tage vor dem Tode des K. dessen
rechten Daumen verbunden gesehen und auf seine Frage, was er an dem
Finger habe, von ihm die Antwort erhalten, daß er sich beim Ziegelsortieren,
der ständigen Arbeit des K., an einem Ziegelsteine gerbsen habe. Nach der
weiteren Aussage des Zeugen kommen derartige geringe Hautverletzungen,
die meist von den Betroffenen gar nicht beachtet werden und ernstere Folgen
gewöhnlich nicht nach sich ziehen, häufig bei dieser Arbeit vor. Schon am
nächsten oder übernächsten Tage nach dieser Unterredung blieb der Ver¬
storbene von seiner Arbeit fort und starb nach einigen Tagen. Der ärztliche
Sachverständige Dr. J., dem schon am 7. Februar 1907 gerüchtwebe zu Ohren
gekommen war, daß K. sich beim Ziegelsortieren die rechte Hand gerissen
habe, stellte die Anzeichen der Blutvergiftung b dem rechten Arme fest.
Kleinere Mitteilungen nnd Referate aas Zeitschriften.
703
Nach seiner Mitteilung an die Beklagte vom 7. Febraar 1907 bestand bei dem
Sachverständigen kein Zweifel darüber, daß K. an den Folgen einer bösartigen
Zellgewebsentzündnng des rechten Armes, za der sich die Erscheinangen einer
allgemeinen Blutvergiftung gesellten, verstorben sei. Gegen die Annahme
eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Schädigung bei der Betriebs¬
arbeit nnd dem Tude des E. kann auch, wie der ärztliche Sachverständige
annimmt, nicht als erheblich ins Gewicht fallen, daß der stark fiebernde
Kranke und dessen geistig etwas beschränkte Ehefrau dem Arzte von der
Verletzung des Daumens bei dem Ziegcisortiercn nichts gesagt haben, zumal
beiden damals jedenfalls ein Zusammenhang zwischen der Verletzung des
Daumens und der Blutvergiftung noch nicht zum Bewußsein gekommen war.
Bei diesem Sachverhalt hat das Rekursgericht den Tod des K. als die Folge
eines Betriebsunfalls im Sinne des § 1 des Gcwcrbe-Ünfallversicberongsgesetzes
anerkannt.
Eine Versohlimmerung schon bestehender Unfallfolgen ist als eine
erst später bemerkbar gewordene Folge des Unfalls im Sinne des § 72,
Abs. 2 des GewrerbO'Uiifaliversicherangsge.setzes dann anznsehen, wenn es
sich um ein nach Erschoinuiigsform, Art oder Natur wesentlich neues
Krankheitsbild liaudelt, sei es auch an der Stelle, an welcher schon Un«
fallfolgen bemerkbar waren. Dagegen kann eine in ganz allmählicher,
glelchmässiger Entwicklung des Leidens auftretendc Versohlimmerung
nicht als eine Dnfallfolge im Sinne des § 72, Abs. 2 des Gesetzes gelten.
Rekurs-EntschciduQg des Reichs-Versicheiungsamts vom
6. Juni 1908.
D. Bakteriologie, Infaktlonskrankhelten und öffentliohos
Saniiätsweaen.
Bakteriologie. Infektionskrankheiten nnd andere Krankheiten.
Ueber den Wert der Conradischen Gallenblntknltnr ln der Tjphns«
diagnostik. Von Dr. Buchholz-Bcrlin. MedizinLsche Klinik; 1908, Nr.36
Die vom Verfasser im hygienischen Institut zu Bremen bei Typhus und
Paratyphus angestcllten Versuche hatten sehr günstige Resultate. Er ver¬
wendete lediglich nach den Angaben von Fornct die Blutgerinnsel aus den
für die Widalproben gebrauchten kleinen Blntmengen und konnte z. B. 59®/„
positiver Erfolge bei solchen Typhusfällen erzielen, die durch die Widalprohe
nicht identifiziert werden konnten. Im ganzen hatte er bei 130 Typhus- und
41 Paratyphnsfälleu 42,3®/o resp. 19,6% positive Erfolge. Verfasser ist der
Ansicht, daß das Conradisehe Verfahren bei seiner Einfachheit und seiner
Brauchbarkeit eine große Bereicherung unserer diognostifchen Hilfsmittel bei
typhösen Infektionen ist und die Widalreaktion in vielen Fällen in wirksamer
und ausschlaggebender Weise ergänzt. Rpd.
Die experimoutelle Herabsetzung der Agglutiuierbarkeit beim
Typlinsbacillus durch die Stoffwechselprodukte des Pyocyauensbacillas.
Von Dr. Hirschbrach, Assistent an der bakieriologischen Anstalt zu Metz.
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt; 1903, Band XXVIII, Heft 2.
Verlag von Julius Springer.
Anschließend an seine früheren Untersuchungen über die Ursachen der
Herabsetzung der Agglutiuierbarkeit beim Typhusbacillus hat Verfasser jetzt
Versuche über die Wirkung der Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen
auf die Typbusbazillen angestellt und dazu dun klassischen Produzenten von
JBakterienstoffwecbsclprodukten, den Bacillus pyocyaneus gewählt. Er kam
zu folgendem Resultat:
1. Die Stoffwechselprodukte von Pyocyaneusbazillen aus Bouillon- oder
von Agarkultarea sind imstande, bei Zusatz zu Agar die auf dem Mischnähr-
'boden wachsenden Typhusbazillcn schlechter agglutinabel zu machen, als es
der Normalstamm ist.
2. Jo größer der Zusatz von sterilisierter Pyocyaneuskultur zum Agar
iBt, desto geringer wird auch die Agglutinierbarkeit der auf diesem Mischagar
wachsenden Typhusbazillen.
704
Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitsdiriften.
8. Die BchlechteTe AKglatinlerbarkeit der Typhnsbazfllen, die auf mit
Pyocyanensstoffwechselprodnkten versetztem Agar gewachsen sind, ist bedingt
durch ihre geringere Bezeptorenzahl fttr Agglntinine.
4. Die geringere Bezeptorenzahl ist dadurch verursacht, daß der Typhns-
bacillus auf dem verschlechterten Nährboden weniger Bezeptoren bUdet.
6. Die Stoffwechselprodukte des Pyocyaneusbacilius sind imstande, bei
längerer Einwirkungszeit in ganz geringem Maße Agglutinine unwirksam zu
machen; aber nur in den starken Verdünnungen des Serums.
6. Die Stoffwechselprodukte des Pyocyaneus, welche die Agglntinierbar-
keit der auf ihnen wachsenden TyphusbazUlen herabsetzen, sind in hohem
Maße bitzebeständig. _ Bpd.
BazUlentrSger nnd Typhiuverbreitang. Von Stabsarzt Dr. £ a u m a n n.
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte. Bd. XXVllI, H. 2, 1908.
Verlag von Julius Springer.
Verfasser berichtet über eine im Bereich der bakteriologischen Anstalt
zu Metz beobachtete kleine Typhusepidemie, die von einem Bazillenträger ans¬
ging. Es handelte sich um einen 66 jährigen Landwirt, der niemals Typhus
oder typhusäbnliche Erkrankungen durchgemacht haben wollte, aber seit
mehreren Jahren an Gallensteinkoliken litt. Es gelang, ihn durch die bakterio¬
logische Untersuchung als Bazillenträger zu ermitteln. Die Ermittelungen
erwiesen sich als ziemlich schwierig; es wurden aber schließlich 16 Typhusfälle
nachgewiesen, die mit ziemlicher Sicherheit unmittelbar oder mittelbar auf den
gesunden Bazillenträger zurttckzuführen waren. Er wurde angewiesen, ständig
seinen Stuhl, Urin, Leib- und Bettwäsche usw. zu desinfizieren. Im Anschluß
daran weist Verfasser auf die Notwendigkeit von Maßregeln hin, die geeignet
sind, eine derartige Verbreitung zu verhindern. Bpd.
Die Grelzer Tj^hnsepldemie. Von Physikns Dr. Seheube-Greiz.
Qreizer Neueste Nachrichten vom 29. Juli 1908.
Um die in der Stadt über die Ursachen der Epidemie herumschwirrenden
Gerüchte richtig zu stellen, ergreift Verfasser das Wort, ln den letzten Jahr¬
zehnten sei nur einmal im Jahre 1888 ein gehäuftes Auftreten von Typhus
(50 Fälle) in Greiz vorgekommen. In diesem Jahre seien erst im Mai 2 ver¬
einzelte Fälle aufgetreten, bis dann von Mitte Juni an eine Epidemie eingesetzt
habe; es seien bis jetzt 163 Fälle gemeldet. Bei dem plötzlichen explosions¬
artigen Ausbruch der Krankheit mußte eine gemeinsame Ursache vorhanden
sein nnd, da alle Altersklassen, Stände und Berufsarten gemeinsam befallen
waren, der Verdacht auf das Trinkwasser gelenkt werden. Hier konnten
drei Quellcngebiete in Frage kommen, von denen jedoch zwei ausscheiden, da
aus dem einen der Wasserleitung kein Wasser zugeführt wurde, während durch
das andere der hochgelegene Teil der Stadt versorgt wurde, der von der
Krankheit auffallend verschont blieb; denn von 163 Fällen entfielen auf diesen
Stadtteil nur 12. Bei den Nachforschungen im Scbönfelder (dritten) Quellen¬
gebiet wurde dagegen festgestcllt, daß in einem Hanse, das 85 m von der
Wasserwiese entfernt lag, in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten 5 typhus-
verdächtige Erkranknngsfälle vorgekommen waren. Eine nachträglich im
hygienischen Institut in Jena vorgenommene bakteriologische Blutuntersuchung
hat den Verdacht bestätigt. Zu diesem Hause gehörte nun eine in ihrem
unteren Teile zwar gemauerte, in ihrem oberen aber völlig durchlässige Abort-
grube, in die die Ausleerungen der Kranken undesinfiziert oder ungenügend
desinfiziert geschüttet waren. Diese Grube stand mit dem Grundwasser in
Verbindung, so daß höchstwahrscheinlich Typbusbazillen aus der Grube
in das Grundwasser, dem das Wasser der Brunnen der Wasserleitung ent¬
stammt, hineingelangt sind. Diese Annahme wurde noch unterstützt durch
Erkrankung einer Gutsbesitzerin, auf derem Gut das Wasser eines neben der
Wasser wiese gelegenen Teiches zum Spülen der Eß- und Trinkgeräte, wie der
Milchgefäßebenutzt war. Diese Erkrankung war den Greizer Fällen 1—2 Wochen
voraasgegangen. Vielleicht sind auch vereinzelte Fälle auf den von dem Gut
betriebenen beschränkten Milchhandel zurückzufuhren. Wenn es nun auch nicht
gelungen ist, TyphusbazUlen in der Schönfelder Wasserleitung selbst naehzu—
weisen, so spricht neben den erwähnten Tatsachen dodi der Umstand für di«e
Kleinere Mitteilongen and Beferate ana Zeitschriften. 705
Aetiologie, daß 2 Wochen nach dem auf seine Veianlassong geschehenen Schloß
der Wasserleitong ein Bhckgang der Epidemie zo verzeiclmen war. Eerner
spricht dafür, daß auf dem oberen Schloß, das eine besondere Wasserleitong
besitzt ond aoi dem 80 Personen wohnen, kein einziger Pall yon Typhös vor-
gekommen ist. Verfasser wendet sich dann noch gegen verschiedene andere
Behaoptongen ond Einwendongen, die aber nnr lokales Interesse haben.
_ Bpd.
Epldemleloglzelie Beobaehtoiigen bei Typhu abdominalis und Para*
typhös B in der Pfalz während der Jahre 1908—1906* Von Oberarzt
Dr. Otto Mayer. Münchener med. Wochenschrift 1908 Nr. 34.
Verfasser hatte reichlich Gelegenheit eine Anzahl epidemiologischer
Beobachtangen über Typhosabdominalis zo machen, welche sämtlich geeignet
sind, als Beispiele im Sinne der Koch 'sehen Ansebaoong verwendet zo werden,
nämlich daß der Typhös abdominalis außer dorch infiziertes Trinkwasser dorch
direkten oder indirekten Kontakt bezw. dorch Infektion von Nahmngs- ond
Qenoßmitteln von einem Typhösbazillen aosscheidenden Menschen aos verbreitet
wird. Aoßer Kranken kommen bekanntlich aach Qesonde als Ansteckongs-
qoellen bei Typhös abdominidis in Betracht ond man onterscheidet sonach
Infektionen, aasgehend von:
1. Schwerkranken,
2. Leicbtkranken inkl. solcher, welche wegen leichter Erkrankong nnter
gewöhnlichen Verhältnissen nicht in ärztliche Behandlong kommen;
8. Typhosgesonden, also echten Typhosträgern mit vorübergehender
Aosscheidong,
4. Daaeraosscheidern, meist nach Ueborstehen emer mehr oder minder
schweren Erkrankong (einmal nach 23 Jahren nach überstandenem Typhös,
beobachtet). Unter den Daoeraossebeidem finden sich sowohl solche, welche
mit jedem Stahlgang TyphasbazUlen aasscheiden, als aoeh solche, welche nor
periodisch aasscheiden. Verfasser führt mehrere äoßerst interessante Bei¬
spiele an, welche die vielfach verschlongenen Wege veianschaalichen, aof
denen der Typhös sich vom Menschen aos fortpflanzt.
Um über das zweifellos vorhandene ond schon mehrfach beobachtete
jahreszeitlich verschiedene Aoftreten des Typhus Aofklärong zo bekommen,
fertigte Verfasser entsprechende Zosammenstellongen, aos denen mitSicheiheit
hervorgeht, daß die Typhosverbreitang nicht das ganze Jahr hindurch die
gleiche ist, sondern daß in den Monaten August und September weitaus der
höchste Stand von Typhuserkrankungen zu sein pflegt, in den Monaten Februar,
März und Aphl der niedrigste. Der Einfluß der erhöhten Außentemperator
verbunden mit Trockenheit auf die rasche Zonabme der Typhusfälle kann
begründet sein in der erhöhten Disposition, zo erkranken (bei veränderten
Lebensgewohnheiten in der Hitze, Trinken von großen Quantitäten Wassers,
Herabsetzung der Wiederstandsfähigkeit durch Uebermüdong, verminderte
Beinlichkeit etc.) ond dann auch in der Uebertragong des Infektionsstoffes
durch Fliegen.
Verfasser faßt seine Aosführongen über das Aufflackern des Typhus
nach längerem freiem Intervall mit beginnender Erhöhung der Außentemperatur
dahin zusammen, daß in endemischen Gegenden haoptsächlich die
Daoeraosscheider den Infektionsstoff für die Zunahme der
Erkrankungen imSommer liefern und zwar einmal direkt durch
Kontakt, anderseits indiiektbesonders dorch Nahrangsmitte 1*
Infektionen, im letzteren Falle wohl haoptsächlich unter
Mitwirkung der Fliegen als Zwischenträger.
Sind wieder eine größere Zahl neuer Erkrankungen vorhanden, so ver¬
vielfältigen sich diese rasch aof dem gleichen Wege des direkten and
indirekten Kontaktes, dorch etwaige Nahrungsmittel- und Wasserinfektionen
and so kommt es dann zo dem hohen Anstieg der Typhaskurven im September.
Als praktische Konsequenz ergibt sich hieraus, daß besonders zu Beginn der
heißen Jahreszeit jeder Darmkatarrh als verdächtig angesehen und wenn möglich
der bakteriologischen Untersochong zugänglich gemacht werden sollte. Es müssen
ferner die Daoeraosscheider ond die Nahrangsmittel entsprechend überwacht
and behandelt werden. Eine entscheidende Wendung in der Typhosbekämpfong
706
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
würde dann eintreten, wenn entweder die Wissenschaft ein Mittel fände, um
die Typhosbazillen ans dem Körper der Daueransscheider zn entfernen oder
eine zwangsweise Krankenhansbehandlung aller jener Kranken stattfände, bei
denen eine wirksame Isoliernng nnd sorgfältige Behandlnng bis zar bakterio¬
logischen Genesang in der eigenen Wohnang nicht garantiert ist event. eine
rcichsgesetzliche Regelung für daaernde Unschädlicbmachang der Daaeraos-
scheider sorgte. Dr. Waibei-Kempten.
1. Ueber das Yorkommen von Bakterien der Paratjphns B- Groppe
ln der Aussenwelt. Von Stabsarzt Dr. Hüben er, kommandiert zam Kaiser¬
lichen Gesandheitsamt. Deatscho mediz. Wochenschrift; 1908, Nr. 24.
2. Zur Frage der Yerbreitung der Bazillen aas der Paratjphos-
grnppe. Von Dr. W. Bimpaa, Leiter der bakteriologischen Untersuchungs-
Anstalt in Hagenau i. £. Ebenda.
Die beiden Arbeiten sind, wie Hüb euer hervorhebt, in klinischer,
sanitätspolizeilicber und forensischer Beziehung wichtig. H. gelang es aus
einer größeren Zahl von Wurstproben (ICO) in mehreren Fällen (6) Bakterien
zu züchten, dio weder kulturell noch serologisch von den Bazillen der Para-
typhus B-Gruppe, zu der u. a. Hogcholcra und Schweinepest, Mäusciyphus und
bestimmte Arten von Wurstvergiftung gehören, zu differenzieren waren. Die
Würste wurden ohne Gesundheitsstörung genossen und waren meist von ein¬
wandfreier Beschaffenheit. Früher hatte Uhlenhuth schon auf das häufige
Vorkommen dieser Bazillen im Darm gesunder ächweine hingewiesen, von wo
sie leicht in Wasserversorgungsanlagen nnd weiter in den menschlichen Körper
gelangen können. Während nun Untersuchungen an ISO gesunden Leuten auf
diese Vertreter der Paratyphus B • Gruppe im Kaiserlichen Gesandheitsamt
negativ aasfielen, konnte Rimpau im Gebiet der systematischen Typhus-
bekämpfung innerhalb kurzer Zeit (8 Monaten) 26 gelegentliche Paratyphus B-
Ausscheider feststellen, unter denen sich 10 Typhus - Kranke bezw. -Rekonvales¬
zenten, 5 Typhusbazillenträger und 11 Gesunde befanden. Meist war der
Befand nur ein einmaliger; vielfach konnten die Bazillen gleichzeitig aus
dem Blut gezüchtet werden; mehrfach traten sie in Stuhl und Urin, öfter nur
im Urin auf. Unter 50 gesunden Schulkindern einer Klasse wurden 3 Para¬
typhus B.-Ausscheider gefunden. Auch R. konnte in einer einwandfreien
Lebeiwurst die Bazillen konstatieren. Die Frage der Pathogenität dieser
Bazillen, ihre Rolle für die Epidemiologie des Paratyphus ist noch völlig un¬
geklärt. Jedenfalls mahnt R. mit Recht zur Vorsicht bei der bakteriologischen
Diagnose nP^i'^^lyphus“ ohne typische klinische Symptome und ohne positiven
Widal für Paratyphus. (Für den Medizinalbcamtcn bedeutet die Feststellung
der weiten Verbreitung der Bakterien ans der Paratyphus - Gruppe mit der
Unsicherheit der Pathogenitäts-Verhältnisse eine große Erschwerung seiner
Maßnahmen, besonders bezüglich der Desinfektion. Jedenfalls kann er nur
dringend eine baldige weitere wissenschaftliche Erforschung der wichtigen
Frage wünschen, im übrigen aber Rimpau beistimmen, wenn er in den ]^-
fanden eine Mahnung zur allgemeinen Hebung der Hygiene, Verbesserung der
Fäkalienbeseitigung, der Trinkwasserversorgung und des Nahrungsmittel¬
verkehrs, sowie zur hygienischen Erziehung des Volkes sieht. Ref.).
Dr. Liebetrau -Hagen i. W.
Beitrag zur Klinik and Bakteriologie des Paratyphus. Von Oberarzt
Dr. Wolf Bingel-Frankfarta.M. Münchenermed.Wochenschrift; 1908,Nr.83.
Verfasser gibt zuerst einen historischen Rückblick auf die Aetiologie
des Paratyphusbacillus, skizziert das Krankheitsbild, das durch die Infektion
des Organismus mit dem Bac. paratyph. hervorgerufen wird, um dann teilweise
mit Krankengeschichten auf die FäUe im einzelnen und bei Massenerkrankungen
näher einzugehen.
Das Ergebnis seiner Beobachtungen an Paratyphusinfektion faßt
Verfasser in folgenden Schlußsätzen zusammen:
Die Infektion des Organismus mit dem Bacterium paratyphi kann das
klinische Bild des Typhus abdominalis hervorrufen. Sehr häufig jedoch verläuft
sie unter einem anderen, ziemlich scharf zu umgrenzenden Krankheitsbild.
Dieses Krankheitsbild zeigt mit dem Bilde des Typhus abdominalis meist nar
wenia eemeiiisame Znec: es eleicbt. vielmehr dem Bilde der alten Gastroenteritis.
Tagesnachriohten.
707
Die Erkrankong ist daher nicht als eine Abart des Typhns aofzafassen, sondern
als eine Gastroenteritis, welche darch den Befand eines besonderen wohlcharak¬
terisierten Bakteriams sich aus der großen Gruppe der Gastroenteritis heraoshebt.
Dr. W a i b e 1 - Kempten.
Tagesnachrichten.
Massregeln gegen die Einsohleppong der Cholera ans Russland. Am
Montag, den 28. t. M., hat im preußischen Kultusministerium unter Beteiligung
von Kommissaren der beteiligten Beichsämter und preußischen Ministerien, eine
Beratung stattgefunden, in der Uebereinstimmung darüber bestand, daß die
Cholera in Rußland in letzter Zeit trotz ihrer räumlichen Ausbreitung zu einem
verhältnismäßigen Stillstand gekommen zu sein und auch in Petersburg den
Höhepunkt überschritten zu haben scheint. Gleichwohl wurde zu größerer
Sicherheit gegen eine Einschleppung der Seuche nach Deutschland beschlossen,
daß an denjenigen Stellen, wo die Memel Weichsel und Warte ans Rußland
nach Preußen Übertritt, die gesundheitliche Ueberwachung des Schiffahrts¬
and Fiößerciverkehrs eingeftthrt, das Zugpersonal auf den aus Rußland
kommenden Bahnzügen zur Beobachtung des Gesundheitszustandrs der Reisen¬
den ungehalten und für die aus Rußland in deutsche Orte znreisenden Per¬
sonen die Verpflichtung vorgeschrieben wird, sich innerhalb 24 Stunden polizeilich
anzumelden. ln Preußen sind infolgedessen die Regierungspräsidenten
durch Erlaß vom 30. September 1908 ersucht, sofort auf Grund der §§ 12 und 13
des Reichssouchengesetzes durch Polizeiverordnung die Meldepflicht und Beob¬
achtung aller aus choleraverseuchten Gegenden Rußlands zugereisten Personen
anzuordnen.
Hoffentlich erweist sich die Annahme, daß die Seuche in Rußland ihren
Höhepunkt bereits übertroffen und infolge der vorgeschrittenen Jahreszeit ihren
bedrohlichen Charakter verloren hat, als zutreffend. Bis zum 8. Oktober
waren im ganzen 19612 Personen an der Cholera erkrankt und 8947 gestor¬
ben ; auf Petersburg entfielen bis dahin 6214 (2435); in den letzten Wochen des
vorigen Monats schwebte die tägliche Durchschnittsziffer der Erkrankungen
und Todesfälle zwischen 3 —400 bezw. 110—150; sie ist in den ersten Tagen
des Oktobers auf 160—170 bezw. 84—85 gefallen. Angeblich sollen von der
bakteriologischen Abteilung des städtischen Laboratoriums in Petersburg cho¬
leraartige Bazillen im Mewawasser festgesteUt sein. Auch Riga, Dorpat und
Warschau sind für Cholera bedroht erklärt worden.
Im Anschluß an die diesjährige Versammlung des Deutschen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege in Wiesbaden hat sich auf Veranlassung des
Stadtarztes San.-Rat Dr. König in Frankfurt a. M. und des Stadtrats San.-
Bat Dr. Gottstein-Charlottenburg eine zwanglose Vereinigung der im
städtischen Dienste als Magistrats - Dezernenten^ Stadtfirzte, Direktoren
an Untersuchungsämtern tätigen Aerzte gebildet, die alljährlich im
Anschluß an die Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesund¬
heitspflege zusammentreten will, um die Erfahrungen über die in den Städten
bestehenden gesundheitlichen Einrichtungen auszutauschen. Die Führung der
laafenden Geschäfte hat Stadtarzt Dr. König-Frankfurt a. M. übernommen.
Anläßlich der Jabllfiumsversamnilang des Deutschen Vereins gegen
den Mlssbraueh geistiger Getränke^ welche vom 14.—17. September in Cassel
abgehalten wurde, ist der Vorsitzende dieses Vereins, Wirkl. Geh. Ober-
Begierungsrat Dr. jur. von Str.auß und Torney, von der medizinischen
Fakultät der Universität Tübingen zum Ehrendoktor ernannt worden.
Die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte bat in ihrer
Oeschäftssitzung vom 24. v. Mts. in Cöln für das Jahr 1909 Geh. Med.-Kat
I*rof. Dr. Rubn er-Berlin zum Vorsitzenden und den Prof. Dr. Wiek und
X)r. V. Frey-Würzburg zu stellvertretenden Vorsitzenden gewäMt. Die
nächstjährige Versammlung wird in Salzburg stattfinden. Die Kölner Ver-
708
Tagesnachrichtes.
Sammlung war verhältnismäßig gnt besucht (2500 Teilnehmer) und hat einea
in jeder Weise befriedigenden Verlauf genommen. Ein ausführlicher Bericht
darüber wird in der Beilage zur nächsten Nuuuner der Zmtschrift gebracht werden.
Internationaler Tuberknlosekonferenz ln Washington. In der Sitzung
vom 30. V. M. sprach Wirkl. Geh.-Hat Prof. Dr. Bobert Koch über die Be¬
ziehungen zwischen der menschlichen Tuberkulose und der Rindertuberkulose. Er
wiederholte seine auf dem Londoner Kongreß geäußerte Ansicht, daß die Rinder¬
tuberkulose auf Menschen unübertragbar sei. Die Untersuchungen hätten bis zur
Gegenwart diese Ansicht bekräftigt. Seine Ausführungen wurden jedoch von eiaer
Anzahl amerikanischer und englischer Aerzte lebhaft bekämpft und im Gegen¬
satz dazu die Gleichartigkeit der Menschen- und Rindertuberkulose be¬
hauptet. In der Schlußsitzung vom 3. d. Mts. wurde auch eine Resolution
angenommen, in der die Fortsetzung der Vorsichtsmaßregeln gegen die Rinder-
tuberkulöse als notwendig erklärt wurde.
Die Internationale Tnberkulosemedaille, die höchste Anerkennung
für efrolgreiche Arbeit auf dem Gebiete der Tuberkulosebekämpfung, ist in Gold
dem Wirkl. Geb.-Rat Exz. Dr. Alt hoff-Berlin, dem Begründer der Inter¬
nationalen Tuberkulosevereinigung, und Henry Phipps, dem Stifter des
Henry Phipps - Tuberkuloseinstitnts in Philadelphia verliehen; in Silber: dem
Geh. Med.-Rat, Prot Dr. Bernhard Fränkel-Berlin, Prof. Landouzy,
dem Präsidenten der französischen Tuberkulosegesellscbaft, Dr. Theodore
Williams-London und Coni-Bueuos Aires.
Auf der diesjährigen, vom 16.—20. September in Wiesbaden abge¬
haltenen XXXIII. Yersammlang des Deutschen Vereins fttr Sffentlfehe
Gesundheitspflege fand der Beschluß des Ausschusses, daß an die Städte, in
denen die Versammlungen des Vereins tagen, fortab, ebenso wie bereits in
diesem Jahre geschehen ist, daß Ersuchen gerichtet werden soll, von Be¬
wirtungen jeder Art Abstand zu nehmen, und daß auch vom Festessen und von
sonstigen prunkvollen Veranstaltungen abgesehen werden soll, ungeteilte Zu¬
stimmung. Hoffentlich findet dieser Beschluß auch bei anderen Vereinen Nach¬
ahmung ; der Preußische und Deutsche Medizinaibeamtenverein haben bekannt¬
lich von jeher an diesem Grundsatz festgehalten und den Städten gegenüber,
in denen sie getagt haben, stets von vornherein zum Ausdruck gebradit, daß
ihrerseits auf irgendwelche Bewirtungen oder festliche Veranstaltungen nicht
gerechnet werde.
Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 2. Ang. bis 12. Sept 1908 erkrankt
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Rückfallfieber, Fleckfieber,
Gelbfieber, und Pest: — (—); Pocken: 4 (—), 6 (1), 4 (1), 7 (—),
4 (1), 1 (-), Milzbrand: 6(2), 4 (-), 1 (1), 3 (-), 3 (1), 1 (-); Toll¬
wut: — (—), — (—), 1 (1), — (—), — (—), — (—), Bißverletznngen
durch tollwntverdächtige Tiere: — (—), — (—), 12 (—), 6 (—),
6 (—), 4 (—); Ruhr: 25 (3), 27 (2), 52 (2), 37 (4), 27 (1). 41 (4); Unter¬
leibstyphus: 390 (24), 381 (82), 481 (44), 622 (36), 583 (61), 612 (46);
Diphtherie: 900 (55), 985 (50), 1149 (66), 1229 (65), 1199 (71), 1266 (80);
Scharlach: 1164 (106), 942 (78), 1241 (81), 1493 (103), 1578 (93), 1549 (86);
Genickstarre: 22 (7), 17 (8), 4 (4), 17 (4), 10 (8), 12 (2); Kindbett¬
fieber: 74 (17), 72 (14), 83 (26), 102 (19), 74 (2(D, 96 (20), Körnerkrank-
heit (erkrankt): 107, 119, 415, 386, 366, 267; Tuberkulose (gestorben):
541, 516, 537, 468, 470, 483.
Infolge der mir dnroli Yerlellinng den Pzftdikats bIb
„Profeesoz** zvl Teil gewordenen Ansnelohnnng habe loh so saalil-
reiche Qlückwünsche von den Kollegen erhalten, dass es zn.lr
nicht möglich lat, jedem einzelnen zu danken! Ich gestatte mix
deshalb auf diesem Wege meinen herzlichsten Dank ausnaia-
aprechen._Der Heransgrf)ex._
Verantw. Redakteur Prof. Dr. Rapmund, Reg.- n. Geh. Med.-Rat in Minden i. W-
J. C. 0. Brun*, Herxogl. Süchi, n. F. Sch.-L. Hofbnchdruckerel ln Minden.
21. Jahrg.
Zeitschrift
1908.
fttr
MEDIZINALBEAMTE.
Zentralklatt für Au gMonte lesnndlMiibmsffl,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
Herausgegebea •
Ton
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. OTTO RAPHUND,
Regierungs- und Medizinalrat in Minden i. W.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fischers mediz. Buehhandlg., H. Kornfeld,
HtnogL Bayw. BW> n. BnliMiogl. ‘-■■«tKtiaiMii—,
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
Inserate nehmen die Yorlagshandlnng sowie alle Annoncen-Expeditionen des In-
nnd Aaslandes entgegen.
Nr. 20.
Brsehelnt am E» and SO. Jeden Monate.
20. Oktbr.
Tod eines Schulkindes durch Alkoholvergiftung.
Von Kreiaarzt Dr. Tollmer-Simmern.
Anf der Jabiläoms-Hauptversammlung des Deutschen Vereins
gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, die am 15. September
dieses Jahres zu Cassel abgehalten wurde, hat Terbrüggen-
Hamm betont, daß die Schule ihrer Pflicht, anfklärend über die
Gefahren des Alkoholismus und über die Giftkraft des Alkohols
zu wirken, nicht in vollem Umfange entspräche. Freilich ist
zu sagen, daß Warnungen von Seiten der Schule nnr dann voll
wirksam zn sein pflegen, wenn sie anch dorch die Lehren and
Beispiele der Eitern in jeder Richtung unterstützt werden. Aber
es mnß doch zagegeben werden, daß in der Schale mancherlei
Gelegenheit ist, zu betonen, wie schädlich der Alkoholgenaß für
die Erwachsenen werden kann und wie er für die Jagend geradezu
ein Gift ist. Der größte Schaden wird durch den chronischen,
gewohnheitsmäßigen Genuß bewirkt und plötzliche, akute Ver¬
giftungen, besonders solche, die znm Tode führen, kommen selten
vor nnd werden zumeist gelegentlich in den Zeitungen mitgeteilt,
wenn infolge einer unsinnigen Wette ein leichtsinniger Mensch
bei unmäßigem Schnapsgenuß zugrunde geht.
Daß aber auch Kinder durch Alkoholgenuß amkommen,
wurde in der medizinischen Klinik neulich berichtet.
Eine Leichenschaa in Manchester hat bei einem fünfjährigen Elinde akute
Alkoholvergiftung festgestellt. Wie in der ärztlichen Sachverständigen-Zeitung
(Nr. 18, Seite 892) mitgeteilt wird, hatte sich das Kind krank gefühlt; seine
708 Dr. Vollmer: Tod eines Schalkindes darch AlkoholTergiftang.
Matter hatte ftlr Sixpence (50 Pf^) Whisky gekaaft and ihm davon zwei
TheelOffel voll eingegeben. Den Best hatte sie aal einem Tische
neben dem Bette des Kindes in erreichbarer Nihe desselben
stehen lassen. Am Morgen fand sie, daß der Whisky verschwanden war
and das Kind bewaßtlos im Bette lag. Man nahm an, daß das Kind Schmerzen
gehabt, aafgestanden sei and den ganzen Best Whisky ansgetronken habe.
Das Kind starb 24 Standen später, ohne wieder zam Bewaßtsein gekonunen
za sein, trotz ärztlicher Behandlang. Das ärztliche Qatachten kam za
dem Schloß, daß der Tod darch akate Alkoholvergiftang herbeigefflhrt and
das genossene Qaantom Whisky eine Ittr ein fünfjähriges Kind tödliche
Dosis war.
Dieser Fall ist eine Parallele zn einer bei einem Schnl-
jnngen von 6^2 Jahren von mir beobachteten, tödlich verlaufenen
Eognakvergiftung, an die ich durch die Lektttre des Falles von
W&kyvergiftung erinnert wurde.
Der Fall ist kurz folgender: Wilhelm Sch., Sohn eines Eisen*
bahnbeamten, geb. 25. November 1900, ffthlte sich am Dienstag
den 8. Mai 1907 unwohl. Da dieser Zustand sich nicht bessern
wollte, gab ihm seine Matter am Mittwoch, den 9. Mai, morgens
8 Uhr ein halbes Glas Kognak und ließ die halbvolle Liter*
flasche auf dem Nachttisch neben dem Bette des
Kindes stehen. Dann verließ sie das Zimmer und fand die
Flasche nur noch Vi ^oll, als sie zu dem Jungen zurückkehrte.
Derselbe saß im Bette, stotterte schon halb tranken ,ich will noch
Kognak“ und legte sich dann zar Seite, am za schlafen, ein Schlaf,
ans dem er nicht mehr erwachte. Er starb trotz aller ärztlicher
Bemühongen — der Arzt war allerdings erst mittags requiriert
worden, als die Atmung immer lauter und röchelnder wurde —
am 10. Mai, morgens 1 Uhr.
Die Aehnlichkeit beider Fälle ist auffallend — in beiden waren
die unglückselige Ueberzeugung, die Beschwerden des Kindes mit
Alkohol heilen za können, und die große Unvorsichtigkeit und
Nachlässigkeit, den Alkohol nicht ans dem Bereiche der Kinder
zu stellen, Grund za dem Tode.
Was die Wirkung des Alkohols angeht, so zerfällt ja
die Alkoholintoxikation nach Symptom und Verlauf, die wieder
große Mannigfaltigkeit je nach der Alkoholgabe und der Getränke*
form, unter der er gereicht wird, auf weisen können, in die akute
und chronische Vergiftung. Letztere erscheint als Delirium tremens
und als chronischer Alkoholismus. Erstere, die akute Vergiftung,
um die es sich in den beiden Fällen mit tödlichem Ausgang
handelt, erscheint als Trunkenheit in der allgemein bekannten,
leichteren Form. Deren gefährlichste Steigerung ist die schwere
Vergiftung, wo in kurzer Zeit oder auf einmal große Mengen
starken Alkohols dem Organismus einverleibt werden. Hier fehlt
das Exzitationsstadium völlig, besonders bei Kindern. Die Ver¬
giftung zeigt sich in der tiefen allgemeinen Depression aller
Funktionen. Das Krankheitsbild ist ähnlich dem bei Vergiftungen
mit korrosiven Stoffen. Man findet, wie auch in unseren Fällen,
die Vergifteten in der Regel in völlig bewußtlosem Zustande,
in allgemeiner Anaesthesie mit röchelnder Atmung, mit kleinem,
frequentem Puls und dilatierten, reaktionslosen Papillen. Die Haut
Dr. Thomalla; Aether als Schlaf* nnd^Bethabnngsmittel.
709
des G^esichtes ist gedunsen nnd gerötet, oft anch zyanotisch; die
Haut des Rumpfes und der Extremitäten kühl und mit Schweiß
bedeckt. Bei jungen Individuen, wie in den beiden zitierten
Fällen, kann in wenigen Stunden der Exitus letalis eintreten.
Jedenfalls beweisen solche Vorkommnisse, wie notwendig die
immer wieder durch Artikel in der Tagespresse oder durch popu¬
läre Vorträge mögliche öffentliche Warnung ist, Kindern keinen
Alkohol zu geben, sie vielmehr vom Alkoholgenuß in jeder Form
ausznschließen, da dieser für den jugendlichen Organismus ein
noch größeres Gift darstellt, als für den erwachsenen, nnd da ein
in kindlicher Unwissenheit vorgenommener, übermäßiger Alkohol-
gennß mit dem Tode bezahlt werden kann.
Aether als Schlaf- und Betäubungsmittel.
Von Dr. B. Thomalla, AreiaassiBtenzarzt in Waldenburg.
Am 8. September er., morgens, wurde ein Lehrling einer
hiesigen Drogenhandlung tot in seinem Bett aufgefunden. Der
hinzngerufene Arzt konnte nur den Tod konstatieren, ohne in der
Lage zu sein, eine Todesursache anzugeben. Er zog aus der Nase
des Toten ein Stück Watte, die angeblich auf ihren Geruch nicht
geprüft wurde. Später fand man neben der Leiche noch ein
Fläschchen, das teilweise mit Aether gefüllt war. — Der Lehrling
war am Abend vorher noch munter und gesund, er hatte angeb¬
lich unheimlich viel zum Abendbrot gegessen, darauf noch viel
Obst genossen und Wasser getrunken. Ungefähr zwei Stunden
nach dem Abendbrot war er zu Bett gegangen. Einige Zeit
darauf hatte sein Stnbengenosse, der gerade im Einschlafen war,
ihn noch röcheln gehört. Da er selbst aber müde war und das
Röcheln bald nachließ, gab er nichts darauf und schlief bald
darauf ein. — Am 9. September wurde die gerichtliche Obduktion
ausgefflhrt, zu der ausser mir noch Dr. Richter hier zugezogen
wurde.
Außer vielen Ekchymosen in Schleimhänten nnd üeberfailang vieler
Organe mit dnnklem, flüssigem Blut, die auf Tod dorch Erstif^nng hindenteten,
landen wir Erbrochenes im Monde der Leiche, das sauer reagierte, aber keinen
a eziflschen Gernch ausströmte, ferner einen stark gefüllten und geblähten
agen, der bei Eröffnung des Unterleibes sich über die anderen Eingeweide
lagerte. Die Lungen, besonders die rechte stark ödematös, nur am Bande
knisternd. Kehlkopf, Luftröhre, die größeren nnd kleineren Verzweigungen
derselben, besonders wiederum die auf der rechten Seite, waren mit weichem
Speisebrei reichlich ungefüllt. Der Magen enthielt etwa 350 g von demselben
Speisebrei; ein spezifischer Geruch war auch hier nicht wahrnehmbar. — Bei
Eröffnung der Schädelhöhle entströmte ein deutlicher Aethergernch.
Der Vorgang war, aus den Erzählungen des Lehrherrn und
der anderen Angestellten zu schließen, jedenfalls folgender:
Nach den unheimlich großen Quantitäten, die der Lehrling zum Abend¬
brot genossen, nach dem Obst nnd Wasser, das er nachher noch zu sich ge¬
nommen, hatte er allem Anschein nach Leibschmerzen verspürt. Die ein¬
schläfernde Wirkung des Aethers war ihm, wie ich in Erfahrung brachte,
bekannt. Er begoß Watte mit Aether, steckte sie in die Nase, zog sich einen
Aetherransch zu, die Leibschmerzen beruhigten sich, er schlief ein. Der Aether
reizte aber bei dem vollen Magen sofort zum Brechen, doch war der Lehrling
710 Dr. Tqomalla: Aether als Schlaf* und Bettnbnogsmittel.
infolge des Aetherransches nicht imstande, das Erbrochene Tollkommen herans-
zawerfen, vieles davon kam in Eohlkopf, Luftröhre nsw. and Itlhrte den Er*
sticknngstod herbei. — Die an der ganzen rechten Eörperseite vorhandene Hypo¬
stase zeigt an, daß der Lehrling eine znm Entfernen der erbrochenen Massen
an sich gttnstige Lage eingenommen hatte.
Frägt man sich nnn, woher der Junge Aether als Betäubungs¬
mittel kannte, so ist darauf zu antworten, daß diese Kenntnis im
Volke bereits eine recht yerbreitete ist. Je mehr die Chloroform¬
narkose in der Medizin durch die Aethemarkose verdrängt wird,
desto bekannter wird auch das Publikum mit dem Gebrauch des
Aethers als Betäubungsmittel. Viel mag hierzu beitragen die
irrige, aber weitverbreitete Ansicht, daß die Aethemarkose voll¬
kommen ungefährlich sei. Auch Schmidtmann stellt in seinem
Handbuch der gerichtlichen Medizin die Aethemarkose als weit
weniger gefährlich hin, als die Chloroformnarkose, wobei er aber
bemerkt, daß üble Zwischenfälle und Tod ebenfalls verkommen.
Ich möchte dem weit weniger gefährlich nicht znstimmen,
wenigstens in denjenigen Fällen nicht, wo — z. B. bei plötzlichen
Unglttcksfällen — ol^e Rücksicht auf den mehr oder weniger
gefüllten Magen narkotisiert werden muß; denn der Brechreiz
wird, wie ich bei mehr als tausend Aethemarkosen in den letzten
4 Jahren zu beobachten Gelegenheit hatte, durch die Aether-
narkose in viel höherem Grade hervorgerufen wie durch Chloro-
fommarkose. — Welche Gefahren durch das Erbrechen Narkoti¬
sierter entstehen können, auch wenn die Narkose durch einen
geübten und erfahrenen Arzt geleitet wird, ist bekannt.
Nnn ist Aether dem Handverkauf und jedem Kaufladen über¬
lassen. Jedes Kind kann sich Aether kaufen. Bekanntlich er¬
gingen im Jahre 1899 für sechs ostpreußische Kreise und am
2. April 1903 für den Beg.-Bez. Bromberg Polizei Verordnungen,
welche die Abgabe von reinem oder mit anderen Stoffen ver¬
mischten Schwefeläther verboten. Die Abgabe war nur gegen
ärztliches Rezept oder gegen eine polizeiliche Bescheinigung, daß
der Aether nicht zu Genußz wecken, sondern in dem Gewerbebetrieb
des Empfängers Anwendung finden solle, gestattet Die betreffenden
Polizeiverorduungen wurden aber von dem Kammergericht unter
dem 25. September 1905 für ungültig erklärt, weil sie mit der
Kaiserlichen Verordnung vom 22. Oktober 1901 im Widerspruch
stehen, die Aetherweingeist dem freien Verkehr überlassen hat.
Ein Verbot des Handverkaufs ist somit vorläufig nicht durch*
führbar; zu Selbstmordzwecken und zu jedem anderen Verbrechen
kann Aether in beliebiger Menge gekauft werden. Eine Ein¬
schränkung in der Abgabe wäre aber vielleicht möglich, oder es
wäre wenigstens zu erstreben, daß außer der Aufschrift ,Feuer-
gefährlich** noch eine Warnung bezüglich des Gebrauchs als Be¬
täubungsmittel an der Flasche anzubringen wäre, z. B. „Vorsicht,
wirkt lebensgefährlich beim Einatmen."
Wenn mau bedenkt, daß selbst ein Aetherrausch von kaum
einer halben Minute beim beginnenden Erwachen einen starken
Brechreiz zur Folge hat, so wäre eine größere Vorsicht beim
Dr. Heidenhain: Zar Wohnongsnot armer Leute.
711
Verkauf diingend anznraten. Vor allem aber wird der Weiter-
verbreitang des Märchens von der üngefährlichkeit der Aether-
narkose entgegenzntreten sein.
Zur Wohnungs-Frage armer Leute.
Von Med.-Bat Dr. Heidenhain, Kreisarzt in Insterbarg.
In der letzten Sitzung der Gesnndheits-Kommission brachte
ich folgenden Antrag ein:
«Eine einzelne Stube, in der nicht nur gewohnt und ge¬
schlafen, sondern auch gekocht und gewaschen werden muß,
darf nicht an eine Familie, sondern nur an 1—2 unYerheiratete
Männer vermietet werden.“
Dieser Antrag wurde angenommen. Als Begutachter von
Wohnungen in der Stadt halte ich nunmehr an diesem Grundsätze
fest. Im März d. J. gab ich z. B. über eine von einem Ehepaar
mit drei Kindern bewohnte Wohnung nach zuvoriger Anschauung
ein Gutachten dahin ab, daß in der Stube große Nässe herrsche,
daß das Wasser von den Wänden laufe und die verschimmelten
Tapeten von den Wänden herabfallen; die Wohnung müsse daher
für ungesund und für von einer Familie unbewohnbar erklärt
werden. Als die Sache dann zur Entscheidung des Richters kam,
bezeugte der als Sachverständige vorgeladene Tapezierer, daß er
dem Ehepaar im Oktober neue Matratzen geliefert habe; dieselben
seien infolge der in dem Zimmer herrschenden Nässe teilweise —
besonders an den der Wand zngekehrten Seiten — verfault, so
daß er eine eingreifende und teuere Erneuerung habe vornehmen
müssen.
Auf eine weitere Frage des Richters sagte ich ans, daß die
Wohnung nicht durch Nässe litte, die von außen nach innen ein¬
dringe, sondern durch die Nässe, die durch Anwesenheit von fünf
Menschen, Kochen und Waschen in ein und demselben Zimmer
erzeugt würde; die Leute seien durch die Kinder verhindert, in
der kalten Jahreszeit so zu lüften, daß eine andauernde und mehr¬
mals täglich notwendige Luftveränderung eintrete. Der andauernde
Aufenthalt in einer Stube mit so nasser Luft sei gesundheits¬
schädlich; die Stube müßte daher als für eine Familie un¬
brauchbar und gesundheitsschädlich erklärt werden. Die betreffende
Kommission des hiesigen Hausbesitzer-Vereins hatte diese Stube,
nachdem sie — wahrscheinlich durch andauerndes Lüften, Heizen,
Tapezieren usw. — in einen wohnlichen Zustand versetzt war,
besichtigt, sie für gesund erklärt und ein dementsprechendes Gut¬
achten zu den Akten eingereicht; der Richter nahm jedoch von
diesen Gutachten nicht die von dem Verein erhoffte Notiz.
Welche Anforderungen muß nun der beamtete Arzt an eine
Wohnung stellen, um sie für gesund erklären zu können und
welche gesetzlichen Bestimmungen sind in dieser Hinsicht er¬
forderlich?
Die gewöhnlichen Forderungen erstrecken sich auf Luft und
712
Kleinere Mitteilangen und Referate ans Zeitschriften.
Licht in quantitativer Beziehnng; diese Frage ist jedoch ge*
setzlich ansreichend geregelt. Weit wichtiger ist die Luft in
qualitativer Einsicht; eine gut ventilierte Stube ist mir, auch
wenn sie nicht den erforderlichen Luftraum hat, lieber, als eine große
Stube, die nur durch Aufreißen von Tür und Fenstern ventiliert
werden kann; denn dies tun namentlich arme Leute, zumal wenn
sie Kinder haben, in der kalten Jahreszeit gar nicht und sonst
auch nur sehr selten, oder ebenfalls gar nicht.
Daß eine fortwährend mit Wasserdampf geschwängerte Luft
fflr die Atmung ungesund ist, bedarf keiner weiteren Auseinander¬
setzung; wenn dieses besonders fttr Kinder und Frau gilt, so ist
bei dem Familienvater hervorzuheben, dass er, den Tag fiber an
anderer Luft gewöhnt, von Widerwillen erfasst wird, wenn er
abends die Stube betritt.
Dass der Nachtschlaf in einer solchen Stube nicht gesund-
einwirkt, ist fraglos, und dass der Ehemann abends gerne wieder
eine solche Stube verlässt, ist natürlich.
Soll nun der Nutzen der Hausbesitzer — die Miete für eine
solche Stube beträgt durchschnittlich 120 Mark jährlich — über-
wiegen, oder die Gesundheit armer Leute? Nur durch unnach¬
sichtige Beurteilung solcher Wohnungen durch den beamteten
Arzt, Wohnungsinspektor usw. werden sich die Hausbesitzer ge¬
zwungen sehen, eine Küche ausserhalb der Wohnstube anznlegen
und zwar so, dass die eine Wand des Ofens die Wohnstnbe mög¬
lichst mitheizt.
Mit dem bisherigen Schlendrian, oder sagen wir mit der
bisherigen Nachsicht auf die Hausbesitzer wird man niemals er¬
reichen, dass das ganze Niveau der Wohnungen armer Leute in
einer den notwendigsten Anforderungen der öffentlichen Gesund¬
heitspflege entsprechenden Weise gehoben wird. Luft und Licht
muss den armen Leuten auch in einer kleinen Wohnnng in der
gesetzlichen Weise gesund und genügend erhalten werden.
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. QerlohtUohe Medizin.
Ceber PbotODiethämoglobin. Von Dr. Otto Leers. Biochemische Zeit¬
schrift; 1908, XII., Heft 4.
Stellt man aas 1—4°/o filtrieiter Lösung frischen Biates durch Zusatz
einiger nicht verwitterter Erystalle von Ferrizyankali, Schütteln, Abgießen
und mehrfacher Wiederholung dieser Manipulation eine Methämoglobinlösung
her und setzt man diese Lösung in etwa 8 mm dicker Schicht dem direkten
Sonnenlicht aus, so sieht man schon nach wenigen Standen die sepiabrauae
Farbe der Lösung schwinden, die durch eine braunrote und schließiich durch
eine tiefrote — Photomethämoglobin — ersetzt wird.
Im Spektrum des Photomethämoglobin ist der für Methämoglobin charak*
teristische Absorptionsstreifen im Orangerot verschwunden und statt dessen
ein breites Band zwischen D und b, den Wellenlängen 583—522 entsprechend,
aufgetreten.
Leers untersuchte nun die Umwandlungsfabigkeit verschiedener
Methämoglobinlösungen in Photomethämoglobin. Alle Methämoglobinbildner,
soweit^er sie prüfte, erwiesen sich auch bei tagelanger Einwirkung intensiTen
Sonnenlichtes für die Umwandlung des Methämoglobins in Photomethämoglobin
Kleinere Mitteilnngen and Referate ans Zeitschriften.
713
angeeignet mit Aosnahme des Ferri> and Ferrozyankaliam. Er schließt daraos,
daß Pbotomethämoglobin nur in Lösnngen entsteht, welche Zyanwasserstoff-
B&are enthalten. Die Aehnlichkeit der Spektra and andere gemeinsame Zttge
berechtigen za dem Schlosse, daß Photomethämoglobin and ZyaD(met)hämo*
globin identische Modifikationen des Blatfarbstoffes sind.
Dr. Beyenstorl'Hamborg.
Ueber Yerglftang darch Phosphoroxyehlorld. Von Prof. Dr. Bampf-
Bonn. Medizmische Klinik; 1907, Nr. 86.
Es handelte sich am 5 Arbeiter einer chemischen Fabrik in Bonn. Nach
ihren Angaben war am 30. Aagast 1906 einem Schmelzkessel infolge Verstel-
lang des Abdracksrohres ein bläalicher Dampf entstrOmt. Sofort hätten sich
Brustschmerzen and starke Atemnot eingestellt, danach Hasten and schanmiger
AoBWorf, BO daß sie den Baam schlennigst hätten verlassen milssen. In der
Nacht stellten sich dann heftige Atembeschwerden ein. Der eine der Abeiter
kam am 26. Jali 1907 in Behandlang des Verfassers. Er wollte seit der Zeit
an Atemnot, Blathosten leiden and anfähig zur Arbeit sein. Die ärztliche
üntersachong nach dem Onfall hatte Emphysem der Langen, Bronchitis,
Herzdilatation and Unregelmäßigkeit des Palses ergeben. Verfasser stellte
geringe Bronchitis, Vergrößerung der Herzdämpfnng besonders nach links,
Vergrößerong der Leberdämpfang, Herabmindernng des Hämoglobingehaltes
des Blates aaf 85 °/o and Eiweiß im Urin fest. Gelbfärbang der Haat bestand
nicht, soll auch nicht bestanden haben. Besserung trat nar sehr langsam ein.
Im Januar 1908 war die Herzdämpfnng etwas kleiner geworden, desgleichen
die Leberdämpfang, der Urin war frei von Eiweiß und Zocker. Verfasser
nahm darauf Veranlassung, auch die beiden anderen Arbeiter zu untersuchen
(im August 1907). Der eine hatte 6 Monate feiern müssen; vom Arzt wurde
ein Nierenleiden konstatiert. Es fanden sich jetzt noch geringe Verbreiterung
der Herzdämpfung nach rechts, Vergrößerung der Leber und Herabsetzung des
Hämoglobingebaltes des Blates auf 6ö**/o. Der Urin war frei von Eiweiß.
Der dritte Arbeiter hatte erst vor kurzem die Arbeit wieder aufgenommen. Bei
ihm fand sich eine tuberkulöse Affektion der linken Lungenspitze; die Herz-
dämpfong war regelrecht, über allen Etappen waren aber systolische Geräusche
zu hören. Die Leber war vergrößert, der Hämoglobingehalt des Blates betrag
45°/o. Kein Eiweiß im Urin. Verfasser ist der Ansicht, daß es sich sich hier
zweifellos um die Folgen einer Vergiftung durch das ausgeströmte Gas (Phos*
phorozychlorid) handelt und daß wir in diesem ein ganz neues giftiges Gas
kennen lernen. Die Wirkung auf Leber and Nieren schiebt er aiu das Phos*
phor, die auf Herz und Longen aaf das Chlor. Bpd.
Beitrag zur Kenntnis der plßtzllchen Todesfälle. VonA. AscarellL
BoUetino della societä Lancisiana degli ospedali di Borna; 1907, Fasz. 1.
Ascarelli berichtet über 50 Fälle von plötzlichem Tod aus inneren
Ursachen. Die anatomischen Veränderungen betrafen in 36 Fällen das Herz
and Gefäßsystem, in 9 Fällen die Lange. In je einem Falle lag Glottis oedem
and perforiertes Magengeschwür vor. In 3 Fällen fehlten pathologisch¬
anatomische Veränderungen.
Verfasser bestätigt die Angabe Brouardels, daß Nierenveränderung
bei plötzlichem Tode häufig sind. Sie fanden sich in 18 Fällen und waren in
11 Fällen von mehr oder weniger hochgradiger Arteriosklerose der Aorta be¬
gleitet. Arteriosklerose lag im ganzen in 34 Fällen vor, d. b. in 68 °/,. Unter
13 Fällen fand sie sich 10 mal bei Personen unter 40 Jahren. Bei einem
24jährigen und einem 29jährigen Manne bestanden schwerste Gefäßveränderungen.
Unter 10 jugendlichen Arteriosklerotikern konnte 8 mal Alkoholismus und
4mal Syphilis, unter der Gesamtzahl von 50 Fällen 7 mal Alkoholismus und 6 mal
Syphilis mit Sicherheit nachgewiesen werden. Die Mehrzahl der plötzlichen
Todesfälle wurde im Winter beobachtet. Dr. Bevenstorf-Hamburg.
Fettembolie als Todesnrsaehe. Von G. S. Graham. The Journal of
medical Besearch; 1908, Februar.
Bei einem 18 jährigen jungen Manne, der einen rechtseitigen Schienbein¬
brach erlitten hatte und am fünften Krankheitstage seiner Verletzung erlag.
714
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeiteohrifteo.
fand sich ausgedehnte Fettembolie in Herz, Lunge, Mieren, Milz, Pankreas und
Gehirn neben sekundären Veränderungen in Herz und Gehirn. Auf Grund Ton
Tieryersuchen kommt G. dann zu folgenden Schlufifolgerungen: Die Fett¬
embolie kann in zwiefacher Weise Todesursache werden, entweder durch Ver¬
stopfung einer großen Zahl von Lnngengeiäßen in Verbindung mit der
Blockierung einer kleineren Zahl von Herz versorgenden Arterien oder durch
eine weitverbreitete Verstopfung der feinsten Arterien des großen Kreislaufs.
Die Schädigung der Lunge steht im zweiten Falle hinter den Läsionen
von Herz, Niere und Zentralnervensystem zurück. Im ersten Falle tritt der
Tod an Asphyxie sehr bald nach dem Trauma ein; im zweiten Falle vergehen
8—8 Tage, ehe Herz und Gehirnveränderungen den Exitus veranlassen. Der
Todeseintritt ist nicht abhängig von einer bestimmten Fettmenge; individuelle
Disposition scheint vielmehr eine wichtige Rolle zu spielen. Die gleiche Fett¬
menge, welche bei plötzlichem Eintritt in die Blutbahn ausreicht, den Tod
herbeizuführen, ruft keinerlei Symptome hervor, wenn sie im Laufe einiger
Tage einverleibt wird. Das injizierte Fett wird von den weißen Blutkörpem
phagozytiert und durch die Nieren ausgeschieden. Neben der Herzveränderung
besteht oft fett^e Entartung des Zwerchfells, während die Skelettmuskulatur
unverändert bleibt. Dieser Schädigung des wichtigsten Atemmuskels mag die
stets beobachtete Respiiationsstörnng zur Last zu legen sein.
Dr. Eevenstorf-Hamburg.
Ueber 8 Fälle von Zerreissung der Vena coronarla cordis. Von
Dott. Alb. Pepere-Pisa. Archivio di Psichiatria, Neuropathologia etc.
Fasz. I—11, 19(fe.
ln allen 8 Fällen handelt es sich um tödliche Zerreißungen der Vena
coronaria bei älteren Frauen (zwischen 69 und 79 Jahren) ans unerklärt ge¬
bliebener Ursache und bei geringfügigen oder überhaupt fehlenden pathologisch¬
anatomischen Veränderungen des Gefäßsystems und der inneren Organe.
Fall 1 betraf eine wegen leichter nervöser Störungen im äankenhaus
befindlichen Frau mit gutem Allgemeinbefinden, die plötzlich von heftigster
Atemnot befallen wurde und alsbiüd starb.
In den beiden anderen Fällen fehlen klinische Angaben.
Pathologisch-anatomisch wurde jedesmal eine Zerreißung der Vena
coronaria, deren Sitz in 2 Fällen am Bande des rechten Ventrikels, im dritten
Falle hinten war, gefunden. Im übrigen ergab die Sektion nur im Falle I
leichte Arteriosklerose, während in den beiden anderen Fällen diese fehlte,
auch im übrigen krankhafte Organveränderungen nicht nachzuweisen waren.
Aetiologisch war in allen 8 Fällen jedes Trauma oder jede Zirkulations¬
störung auszuschließen, auch fehlte jeder Anhalt für eine septische oder toxi¬
sche Ursache; man könnte an eine Störung der trophischen Zentren denken,
die zu degenerativen Veränderungen der Gefäßwände geführt hätten, doch bei
der Lokalisation der Läsion scheint auch diese Annahme wenig wahrscheinlich,
so daß die eigentliche Ursache im Dunkeln bleibt
Dr. SoIbrig-Alleostein.
Ueber die Fäulnis der quergestreiften Mnsknlatur. Von A. Asca-
relli. Archivio di Psychiatria, Medicina legale ed Antropologia criminale;
1907, XXVIU., Fasz. 1—2, Sonderabdruck 42 Seiten, 1 TafeL
Die Fäulnis des quergestreiften Muskelgewebes verläuft in der an der
Luft bei einer mittleren Temperatur von 18” liegenden Leiche derart langsam,
daß am 60. Tage noch Fragmente von Muskelöbrillen mit deutlicher Quer¬
streifung gefunden werden. — Die Fäulnis der Skelettmuskulatur schreitet
langsamer vorwärts als der Zerfall dos Herzmuskels. — Je weiter der Fäulnis-
prozeß gediehen ist, um so mehr verliert das Gewebe seine Färbbarkeit
Während des letzten Fäulnisstadiums wirken die Farblösungen nicht mehr auf
dem Wege chemischer Bindung, sondern durch Imbibition. — Die Fäulnis
durchläuft verschiedene Phasen: Das Muskelgewebe wird zunächt oedematös,
verliert dann sein Kernfärbuogsvermögen und zerfällt allmählich in zahlreiche
Teile, bis nur noch kleinste Körnchen sichtbar sind. Die aufeinander folgen¬
den Veränderungen des Gewebes sind: Fäulnisoedem, Dissoziation der Fibiiuen,
Nekrose, Sarkorexis und Sarkolyse. — Die Zerstörung der Muskelfibrille durch
Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften.
715
F&olnis verlänft unter dem gleichen Bilde wie die regressive Metamorphose
wlUirend des Lebens. Sie unterscheidet sich aber von einem pathologischen
Prozeß durch die fehlende Qieichartigkeit der Veränderungen, durch die Ab*
Wesenheit von Reaktionserscheinungen, durch das üebergreifen des Zerfalls auf
Bindegewebe, Blutgefäße und Nerven nnd durch das Auftreten unregelmäßig
zerstreuter Bakterienhaufen im Gewebe. — Aus den mikroskopischen Fäulnis-
änderungen läßt sich der Zeitpunkt des Todes nur approximativ ermitteln. —
Die Todesart hat nur während der ersten Tage Einfluß auf den Fäulnisverlanl.
Der schnellste Zerfall der Muskelfasern tritt nach Phosphorvergiftung ein.
Dr. Revenstorf'Hamburg.
Ueber hflmolytische Erscheinungen an der Leiche. Von Prof.
Schlagenhanf er-Wien. Zontralbl. fflr Pathologie; 1908, Nr. 14.
Die frühzeitige Imbibition mit Blutfarbstoff in einer septischen Leiche
kann durch die hämolytische Wirkung des die Septikämie bedingenden Strepto¬
kokkus herbeigeführt sein. Daher ist es verständlich, warum gerade septische
Leichen so schnell der Fäulnis verfallen; dies gilt namentlich bei puerperalen
Prozessen, die ad ezitum kommen. Man sollte daher beim Anblick einer star¬
ken, durch äußere Umstände nicht motivierten, frühzeitig faulen Leiche zu der
Vermutungsdiagnose „Septikämie" kommen nnd infolgedessen die Sektion von
vornherein zu einer sog. bakteriologischen gestalten. — Auch für den Ge¬
richtsarzt kann diese Kenntnis von Wichtigkeit sein, insofern er aus den an¬
scheinend vorhandenen Fäulniserschcinungen auf eine kürzere oder längere
Zeit seit Eintritt des Todes schließen kann. Unter den Begriff der htoo-
lytischen Leiche sollte man eine Leiche verstehen, in der durch postmortale
Veränderungen des hämolytische Eigenschaften besitzenden Krankheitserregers
eine rasche Hämolyse des Leichenblutes herbeigeführt wird. Diese scheinbar
faulen Leichen brauchen aber nicht faul zu sein. Dr. Wolf-Marburg.
Der Blntgehalt der Leber und der Lunge alz Zeichen des Er¬
stickungstodes. Von A. Ascarelli. Archivio die Farmacologia sped-
mentale e Scienze affini; 1907, VI., Fasz. 4.
Verfasser bestimmte die Blutmenge der Organe bei Hunden, die auf
verschiedene Weise getötet waren. Je nach der Todesart ergaben sich sowohl
Unterschiede in dem Blutgehalt jedes einzelnen Organs, wie in der Blutver-
teilung auf verschiedene Organe.
Die Leber war bei jeder Form des Ersickungstodes kongestioniert, ihr
Blntgehalt betrug 52—56 *’/o, während er bei Tieren, äe mittels Dorchschneidnng
des verlängerten Markes getötet waren, im Durchschnitt nur 420/o erreichte.
Unabhängig von der Todesart war der Blutgehalt um so höher, je länger die
Agone währte.
Der Lungenbefnnd Ertrunkener unterscheidet sich sehr wesentlich
sowohl von dem Lungenbefand anderer Erstickongsarten, wie auch von dem
Lungenbefund Nicbterstickter. Die Blutmenge der Lungen Ertrunkener be¬
trägt 10—18*/o während die Lungen bei anderen Ersickungsformen 55—75"/«
nnd die Lungen Nichterstickter 28—45"/o Blut enthalten. Diesem Befunde
entsprechend sind die Lungen bei Ertrunkenen anämisch, bei anderen Formen
der Erstickung hyperämisch.
Beim Tode durch MeduUarstich ist der Blntgehalt der Leber fast der
gleiche wie der der Lunge, beim Erstickangstode der Blutgehalt der Leber
bedeutend höher als der Blutgehalt der Lunge (56 */o : 11 "/o). Bei den übrigen
Erstickungsformen enthält die Leber im Durchschnitt 16 "/o Blut weniger als
die Lunge. Teilt man den Wert des Blutgehalts der Lunge durch den Wert
des Blutgehalts der Leber, so erhält man einen Quotienten, der beim Er¬
trinkungstode etwa 0,19 beträgt, bei den übrigen Erstickungsformen nahe an
1 (0,90) und bei Nichterstickten durchschnittlich bei 1,24 liegt.
Die Vergesellschaftung von Leberhyperämie mit Lungenanämie
ist ein diagnostisch wichtiger, für Ertrinken charakteristischer Leichenbefund.
Der geringe Blutgehalt der Ertrinkungslunge erklärt sich teils ans der
Verdünnung des Blutes durch resorbiertes Wasser, teils aus dem Blähnngs-
zustand der Langen und dem Druck, den die eingescblossene Luft auf die
Alveolarwandangen und die Kapillaren austtbt. Der Blutreichtum der Leber
716
Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften.
ist teils die Folge einer Gefäßparalyse, nun anderen Teile ddifte sie dorch
die erhebliche, bald nach dem Tode eindringende Eindickong des Pfortader-
blates infolge postmortaler Wasseranfnahme seitens der Gewebe erklärt wer¬
den. Mit dieser Aufnahme stimmt überein, daß im Gegensatz zn der Behauptong
Martins eine Gewichtsrermehrong nicht zn den regelmäßigen Yeränderongen
der Leber Ertrunkener gehört. Dagegen übertriffc die Ertrinkongslnnge das
Gewicht der gewöhnlichen Erstickongslonge infolge ihres Wassergchaliea fast
um das doppelte. Dr. BeTenstorf-Hamborg.
Ueber die akute Brnstkorberweitenuig Ertrankener. Von A. M. Cen-
ciarini. ArchiTio di Farmacologia sperimentale e Scienze afEui; 1906, V.,
Fase 10-11.
Cenciarini weist auf einen bisher wenig beachteten diagnostiseh
wichtigen Befand bei Ertrunkenen hin: die akute Thorazeiweiterong. Er er¬
mittelte diesen Befand durch genane Messung des Tboraxumfanges und durch
Anwendung des Pneumographen im Tierversuch. Die Brustkorberweiterung
bleibt aus, wenn dem Tiere vor dem Ertränken beide Vagi durchschnitten
werden. Das Phänomen ist unabhängig von der Kohlensäureüberladung des
Blates, verdankt seine Entstehung vielmehr einer Reflezwirkung, die gleich¬
zeitig mit dem Eindringen des Wassers in die Luftwege durch den Reiz der
Nervenendigungen des Vagus aasgelöst wird. Werden die Vagi erst nach
Eintritt der Thorazerweiterung durchschnitten, eo kehrt der Brustkorb im
Moment der Durchschneidung in seine gewöhnliche Lage zurück. Einführung
von Quecksilber in die Luftwege ruft ebenfalls eine leichte Thorazerweiteruag
hervor, doch wird das Metali alsbald mit großer Kraft wieder ansgehustet.
Die abnorme Ausdehnung des Brustkorbs Ertrankener ist eine Begleiterschei*
nung der Hyperaerie. — Nach den Untersuchungen, welche Herr Dr. L. Schwarz
kürzlich im Hafenkrankenhause in Hamburg aasführte, ist das Röntgenver-
fahren ein vorzügliches Mittel, die „Thorazblähang“ im Bilde zur Ansemauung
zu bringen. Dr. Revenstorf-Hamburg.
Ueber den Lungenbefund bei Ertrunkenen. Von de DominicisA.
Volumen, publicato in onore del prof. G. Ziino. Messina 1907.
De Dominicis unterscheidet drei Typen des Hypervolumens der
Langen Ertrunkener: Hyperhydrie, Hyperaerohydrie und Hyperaerie. Die
Hyperhydrie deckt sich mit dem von Brouardel aufgestellten Begriff des
Oedema aquosum, die Hyperaerie mit dem Begriff der trockenen Lungenblähnng
nach Strassmann. Die Hyperaerohydrie ist eine Zwischenfonn zwischen
diesen beiden.
De Dominicis beobachtete bei Tieren, die nach forzierter Ezspiration
(brüske, manuelle Brustkorbkompression), ohne wieder an die Oberfläche zu
kommen, ertranken, Hypervolnmen der Lunge mit starker Durchfeuchtung des
Gewebes (Hyperhydrie). Wurde das Versuchstier nach tiefster Inspiration, die
man reflektorisch durch die Applikation eines Kältereizes erzielte, rasch er¬
tränkt, BO fand sich die Lunge gleichfalls stark gebläht, aber die aspirierte
Wassermenge war beträchtlich geringer. Hyperaerie endlich fand sich bei
langsamem Ertrinken und Untersinken nach forzierter Inspiration.
Diese Versuchsergebnisse bestätigen die Angabe vonMargulies, daß der
Lungenbefund abhängig ist von der Luftmenge, welche der Ertrinkende unter
die Wasseroberfläche mit sich nimmt. Die trockene Lungenblähnng bei Tieren,
welche nach einer tiefen Inspiration untersinken, erklärt sich daraus, daß in
die mit Luft vollgefttllte Lunge nicht mehr viel Wasser einzudringen vermag.
Das spezifische Gewicht der Lunge beträgt
bei Hyperhydrie .... 0,80—0,87
bei Hyperaerohydrie . . . 0,68—0,72
bei Hyperaerie.0,36—0,48
Das spezifische Gewicht der Langen von Tieren, die durch Nackenschlag
getötet wurden, schwankt zwischen 0,74 und 0,88.
Wird der Ertrinkungsvorgang in der Weise unterbrochen, daß das Ver¬
suchstier während der vierten Phase ans dem Wasser genommen und in einen
Behälter mit gefärbter Flüssigkeit getaucht wird, so beobachtet man, daß stets,
wenn Hyperaerie vorliegt, auffallend wenig Wasser aspiriert wird.
_ Dr. Revenstorf-Hamburg.
Kleinere Mitteilangen and Keferate ans Zeitschriften.
717
TerletnuigeB und TentammelongeB ron Leichen im Wasser. Von
KThoinot, Professor der gerichtlichen Medizin in Paris. Annales d’hygiöne
pabliqne et de m6decine legale; 4. Serie, Tome IX, joillet 1908.
Nach Beschreibung von drei forensischen Beobachtungen yon im Wasser
durch grofie Gewalten verletzten Leichen, die zum Teil den Verdacht auf Ver¬
brechen geweckt hatten, werden die überhaupt durch Schiffe, Treidelketten,
Bagger, Mtthlenflügel, Schleusentüren usw. entstehenden Leichenverstümme-
lungen besprochen. Der Mangel von Blutergüssen ist hOchst auffällig und
mufi die Diagnose richtig leiten, obwohl die Auswässerung zu berücksichtigen
ist. Ferner kommen so gewaltige Weichteil- und Knocäenzertrttmmerungen
durch Menschenhand nicht vor; auch ihre B,egellosigkeit, die jeden Plan ver¬
missen läßt, gestattet, eine beabsichtigte Leichenzerstückelung ausznschließen.
Es ist meist nicht möglich zu erkennen, wodurch die Verletzungen ent¬
standen sind. Dr. Fr aenkel-Berlu.
Ueher Fmchtabtrelbnng. Von E. Stockis. Annales de la Seci4t6
de M6decine I6gale de Belgique; 1908, Sonderabdruck.
Stockis berichtet Uber einen Fall, in welchem die Punktion der Ei-
häute und der Abfluß des Fruchtwassers die Schwangersduift nicht unterbramh
und über einen zweiten Fall, in welchem der Uterus seinen Inhalt erst am
12. Tage nach Anwendung verschiedener Mittel ausstieß. Bei der 42 jährigen
im ö. Monat schwangeren, an vorgeschrittener Lungentuberkulose leidenden
und sehr hinfälligen Frau wurde zunächst die Cervixdilatation und der Blasen¬
stich angewendet. Trotz Abfluß des Fruchtwassers hatte sich der Muttermund
am folgenden Tage wieder geschlossen. Es wurden keine Scbeidenspülnngen
verordnet, am 7. Tage ein Laminariastift eingelegt, am 9. Tage eine hmße
intrauterine Injektion ansgeführt. Erst 12 Tage nach dem Blasenstich traten
ütemskontraktionen auf, durch die eia 22 cm langer Foetns ausgeatoßen
wurde. Dr. Bevenstorf-Eambnrg.
Beiträge mr Kenntnis der Azoospermie. Von Hans L. Po an er.
Inaug.-Dissertation. Berlin 1908.
P 0 8 n e r berichtet über 18 neue Fälle, in denen die diagnostische Hoden¬
punktion zur Ermittelung der erloschenen oder noch bestehenden Spermato-
genese ansgeführt wurde. In 16 Fällen wurden wohlausgebildete Spermatozoon
gefunden, in zwei Fällen fehlten dieselben. Punktionen an Gesunden (auch
an der Leiche) hatten stets schon beim ersten Versuch ein positives Ergebnis.
Zur Punktion verwendet man sterile dünnste Kanülen und sog. Bi er¬
sehe Spritzen. Bei einseitiger Epididymitis wird die erkrankte Seite punktiert.
Blutung tritt dabei nicht auf.
Die Spermien im Hoden sind bewegungslos. Sie erhalten ihre Beweg¬
lichkeit erst unter dem Einfluß des Prostata- und Samenblasensekrets. Auä
das mikrochemische Verhalten der Punktionsflüssigkeit weicht von dem des
Ejakulats ab. Sie gibt weder die Florencesche noch die Barberiosche
Beaktion.
Im Gegensatz zu der großen Zahl der positiven Befunde bei Azoospermie
infolge Obliteration der samenleitcnden Wege steht das Besultat einer Statistik
von 7 Fällen, bei denen Gonorrhoe und Nebenhodenentzündung in der Aetiologie
nicht zu ermitteln waren. Unter diesen 7 Fällen wurden nur in einem Falle
Samenfäden gefunden. Die Ursache der Azoospermie war in diesen Fällen
nicht Verschluß der Samenkanälchen des Nebenhodens, sondern Schwund des
funktionierenden Hodenparencbyms. Dr. Bevenstorf -Hamburg.
B. GerlohtUohe Payohlatrle.
Okulistlsche Beiträge zur Wertung der Degeneratlonszelehen. Von
Dr. Walter Albrand in Sachsenberg. Aus der Anstalt Sachsenberg in
Mekl.-Schwerin, Direktion Obermedizinalrat Dr. Matusch. Archiv für
Psychiatrie; Band 44, Heft 1.
Der Verfasser erstattet einen umfassenden Bericht über das Besultat
16jähriger üntersnehungen, die sich auf die Stigmata degenerationis des Auges
beziehen. Er kommt zu dem Ergebnis, daß diese Bildungsanomalien für die
718
Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ans Zeitsehriften.
klinische Diagnose im Einzelfalle nicht ernstlich in Frage kommen können, so
interessant sie dem Theoretiker auch für die Degenerationslehre erscheinen
mögen. Dagegen sind die okulären Stigmen in anthropometrischer Beziehang,
insbesondere zar Ergänzung und Vorvollständigung der Bertillonage berufen,
eine praktisch sehr wichtige Bolle zu spielen. Bei der Anthropometrie kommt
namentlich die Tatsache in Betracht, daü das Ange ein mit za^eichen kleinen
charakteristischen Abweichungen yersehenes Organ ist and z. B. in der indi*
yidnellen Konfigaration der Netzhautgeläße innerhalb der normalen Breite
manche Besonderheiten darbietet. Dr. Többen^Mflnster.
Nene Eintellnng der Yerbrecher. Von Dr. Josö Ingegnieros,
Professor an der ünirersität zn Buenos Aires. Bemo Sandron, 1907, 8. 77.
Verfasser geht davon aus, daß im Gegensatz zu der klassischen Schule
des Strafrechts, welche das Delikt als eine einfache rechtbrecherische Tatsache
ansieht, die moderne Eriminalogie die Aufgabe hat, das Delikt als eine krank*
hafte Erscheinung des sozialen Individiums anzusehen und zu nntersudien,
nicht anders, als der wahre Arzt nicht die Krankheit, sondern den Kranken
behandelt. Bei einer neuen methodischen Einteilung der Kriminalogie folgt
er der Pathologie, indem 8 Hauptgruppen unterschieden werden: Aetiologie,
Klinik und Therapie des Verbrechers. Aetiologie gliedert sich in 2 Faktoren:
a) endogene, biologische, der Person des Verbrechers, b) exogene, der Um¬
gebung des Verbrechers eigentümliche. Es müssen beide Faktoren Zusammen¬
wirken, um die Aetiologie des Verbrechens zu erklären. Dabei kommen be¬
züglich der quantitativen Kombination beider Faktoren mannigfache Varia¬
tionen vor; es kann z. B. ein Individinm zahlreiche endogene Momente
(Degenerationen) auf weisen nnd nur in geringfügigem Maße durch seine soMale
Umgebung geschädigt sein oder umgekehrt usw.
Die kriminelle Anthropologie, d. h. der Zweig, der sich mit der Erfor¬
schung des Individiums selbst befaßt, wird eingeteilt in: a) Morphologie,
b) Psychopathologie. Die Anomalien des Verbrechers sind solche der Moral,
des Intellektes und des Willens; sie können angeboren, erworben oder vor¬
übergehend sein. Hiernach lassen sich die Verbrecher in bestimmte Klassen
teilen (geborene, moralisch irre, Qelegenheits-, impulsive, epileptische, alkoholische
usw. Verbrecher).
Was die Therapie der Verbrecher betrifft, so muß nach den neueren
wissenschaftlichen Ergebnissen, namentlich der italienischen Schale, die Prophy¬
laxe in den Vordergrund gestellt werden, dazu kommen reparatorische Mittel
(Entschädigung der Opfer der Verbrechen), repressive Mittel (der Individualität
des Verbrechers angepaßto Strafen) und schließlich eliminatorische Maßnahmen,
die darauf hinausgehen, Rezidive zu verhindern (Todesstrafe, Deportation,
' dauernde Einschließung in den besonderen Verhältnissen des Verbrechers ange-
I paßten Anstalten).
Als praktische Folgerung aus dieser Zergliederung der Kriminalogie
gibt Verfasser eine Einteilung der Verbrecher in 3 Klassen, wobei die Schwere
der klinischen Erscheinungen mit der Strenge der Bepressivmaßregeln in Ein¬
klang gesetzt wird. Dr. Solbzig-Allenstein.
Der Schädel-Gesichts-Typus bei 800 Mördern. Von Dr. Attfl.
Ascarelli -Born. Archivio di Psichiatria, Nonropatologiaetc.; Fasz. UI, 1908.
Es werden die Photographien von 800 Mördern ans verschiedenen
italienischen Provinzen zum Gegenstand einer genauen anthropologischen
Untersuchung bezüglich der Kopf- und Gesichtsbildung gemacht. Das Ergeb¬
nis ist eingehend unter Einreichung der Befunde in mehrfache Tabellen nieder¬
gelegt. ^ Hauptgruppen werden unterschieden:
1. Der Typus communis, bei dem besondere Anomalien nicht oder nur
in verschwindender Zahl gefunden werden. Er findet sich zu 40 y« unter den
800 Fällen.
2. Der Typus anomales, als welcher der angesehen wird (Lombroso),
bei dem sich mehr als 8 verschiedene Anomalien zugleich finden. Er ist zu
60 “/o vertreten.
Verfasser unterscheidet bei diesem Typus mehrere Arten, nämlich den
Typus rogreesivus inferior, der durch besondere physische Inferiorität charak-
Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitachriften.
719
teriaiert ist, den Typus asymmetrlciis, bei dem einzelne Abschnitte des Schfi-
dels oder Gesichts entweder stärker oder schwächer herrortreten, den Typus
antienrythmicos, bei dem der Schädel in anffallender Weise gegenüber dem
QMicht entwickelt ist oder umgekehrt, und illostriert einige der Typen durch
treffliche Photographien.
8. Der Typus criminalls, der weniger durch Anomalien gekennzeichnet
ist, als Tielmehr als der Ausdruck allgemeiner Roheit (ferocia) im Gesicht sich
wiederspiegelt. Dieser Typus wird häufiger bei dem Typus communis als bei
dem Typus anom^us gefunden (11,3 '*/o gegenüber 6,8
Was die einzeben Anomalien selbst betrifft, so sind die häufigsten:
stark hervortretende Augenbögen, Plagioprosopie, starkes Hervortreten der
BÜimbacken und der pars naso-zygomatico-auricularis des Gesichts, Anomalien
der Ohren usw. Dr. Solbrig-Allensteb.
Das Terbreehen bei den Jugendlichen. Von Dr. Franc. Agosti.
Archivio di Psichbtria, Neuropatologia etc., Fasz. I—ü, 1908.
Verfasser untersuchte 40 Fürsorge und Eorrektionszöglbge im Alter
von 9—18 Jahren b ebem piemontesischen Institut b genauester Weise hb-
sichtlich des körperlichen und psychischen Befundes. Ohne auf die Einzel¬
heiten der üntersuchungsergebnisse hier ebzugehen, wollen wir nur kurz
einiges allgemeine bteressante daraus hervorheben. Alle 40 zeigten eben
anormalen Typus, bsofern jeder ebzelne Zögling mehr als 8 körperliche oder
geistige Anomalien aufwies. Die Untersuchten wurden eingeteilt b Gelegen¬
heitsverbrecher: 27, Mangelhafte (deficienti): 3, geborene Verbrecher: 5, Epilep¬
tiker: 6. Eine verderbliche Rolle spielt bei diesen jugendlichen Verwahrlosten
der Alkohol, denn unter den 40 Untersuchten zählt Verfasser eb Dutzend, die
schon mit 10—12 Jahren angefangen hatten sich zu betrinken; dazu kommt
der übermäßige und frühe Tabakgenuß, denn auch die kleinsten unter den
Zöglingen waren schon an das Rauchen gewöhnt, so zwar, daß sie, man^b
sonstiger Gelegenheit ihrem Genuß zu fröhnen jeden Zigarrenstummel auf Hof
und Straße auflasen, um sich mit Hilfe von Zeitungs- oder sonstigem Papier
unbeschreibliche Zigaretten zu verfertigen. Auch die Spielsucht, wenn auch
nur in primitiver Weise durch Werfen von Kupfermünzen ausgeübt, und
schließlich vor allem die sexuellen Verfehlungen — Onanie im frühen Alter
bei allen, vielfach b stark gesteigerter Weise, geschlechtlicher Verlust schon
bei zwölfjährigen Knaben, Päderastie — tragen dazu bei, Körper und Gbist
zu zerrütten. Dr. Solbrig-Allensteb.
Spiegelschrift bei einem normalen Knaben. Von Dr. Anselm. Sacer-
dote. Archivio di Paichiatria, Neuropatologia etc.; Fase. HI, 1908.
Dieser Typus der Schrift, von Vogt die „normale Schrift für die linke
Hand“ genannt, ist an sich kein seltenes Vorkommnis auch bei Gesunden,
waren doch nach Eiders Statistik unter 451 untersuchten normalen Individuen
b”/« imstande, auf Aufforderung in Spiegelschrift zu schreiben. Der hier be¬
schriebene Fall weist einige Besonderheiten auf, weswegen er der Erwähnung
wert ut. Es handelt sich um einen 9 jährigen Knaben, der bezüglich des
Nervensystems erblich nicht belastet ist, selbst körperlich und geistig keine
wesentlichen Besonderheiten darbietet, aber von frühester Kindheit an iinks-
hän^ war. Aufgefordert, etwas zu schreiben, nimmt der Knabe die Feder
in die linke Hand und schreibt in Spiegelschrift; ebenso ist er gewöhnt, für
sich, namentlich auch dasjenige, was er vor anderen Augen verborgen halten
will, in Spiegelschrift zu schreiben. Dabei ist er so geübt, daß er anscheinend
keine größere Schwierigkeit zu überwinden hat, als wenn er mit der rechten
Hand in der üblichen Schrift schreibt. Auch ist der Knabe ohne weiteres im¬
stande, rechts Spiegelschrift und links gewöhnliche Schrift zu schreiben. Von
diesen 4 Arten von Schrift (in dem Artikel in photographischer Wiedergabe
beigefügt) ähneln sich sehr die beiden Schriftarten mit der linken Hand und
die Spiegelschrift mit der rechten, während die gewöhnliche Schrift mit der
rechten Hand andere Züge aufweist. Besonders auffällig aber ist die Tatsache,
daß die Spiegelschrift weniger orthographische Fehler und kalligraphischer ist,
als die gewöhnliche Schrift.
720
Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zeitschriften.
Durch diese habitaelle Spiegelschrift, die der Knabe bei sonst normalen
Verhalten zeigte, zeichnet sich der beschriebene Fall aas, da bei yollkommen
normalen Menschen dergleichen recht selten beobachtet worden ist.
_ Dr. Solbrig-Allenstein.
O. Baolivnrst&ndigentfttlg^kelt ln Unfkll' nnd Zavalldltätnaolien.
Deber atTplsch rerlanfende Ps jehosen nach Unfall. Von Dr. Hasche-
Klflndner. Ans dem allgemeinen Krankenhanse Hamborg Eppendorf nnd ans
der Irrenanstalt Friedrichsberg. Archiy fttr Psychiatrie nnd Neryenkraak-
heiten; 44. Bd., 2. Heft, 1908.
Nach leichteren and schweren Kopftranmen and nach nach anderen
körperlichen Verletznngen können gelegentlich Geistesstörnngen der yerschie-
densten Art anftreten. Diese Psychosen haben yielfach einen so wechsd-
yollen and atypischen Verlauf, daO es oft schwer ist, derartige ünfallkranke
gerecht zn bearteilen and richtig za begutachten. Noch schwerer ist es, die
sich allmählich entwickelnde Geisteskrankheit schon im Beginn festzastellen,
sowie den ursächlichen Zasammenhang mit dem Trauma nachzuweisen. Das
Atypische kommt bei einigen Fällen in ihrer Entwicklung zum Ausdruck, b-
dem nach einem Unfall eine Neurose entsteht, die erst nach yielen Jahren
allmählich oder plötzlich in Geistesstörung Übergeht. Andere Psychosen er¬
halten das Gepräge des Atypischen durch den Umstand, daß bei ein und der¬
selben Geistesstörung durchaus yerschiedene Krankheitsbilder anftreten, die
selbst nach jahrelanger Beobachtung nicht in ein bestimmtes Schema einge*
ordnet werden können.
ln der sehr lesenswerten Arbeit werden 8 Fälle yon chronischen
Psychosen nach Unfall und 2 Fälle yon akut yerlaufenden posttraumatischen
Geistesstörungen mitgeteilt. Da bei den chronischen Unfallpsychosen in der
Aetiologie der Kampf um die Rente eine Hauptrolle spielt, wird eine Aenderung
des Uiiallgesetzes durch Einführung einer Abfindungssumme prophylaktisch
empfohlen. _ Dr. Többen*Münster.
Ueber Diabetes meUtns nach psychischem Trannuu Von Dr. B o e p ke-
Melsungen. Aerztliche Sachyerständigen-Zeitung; 1908, Nr. 17.
Boepke glaubt in seinem Gutachten überzeugend nachgewiesen zu
haben, daß dnrdi ein rein psychisch wirkendes Trauma — Schreck und
hochgradige seelische Erregung — Diabetes meUtus ursächlich bedingt war.
_ Dr. Troeger-Neidenburg.
Traumatlsehe Erkrankung oder Mnskeldefekt. Von Dr. A.Zweig,
Assistent an der psychischen Klinik in Königsberg. Aerzüiche Sachyerständigen-
Zeitung; 1908, Nr. 18.
Im Anschluß an einen Fall yon einem beladenen Henwagen hatten sich
bei einer 40jährigen Frau motorische Störungen einer Seite entwickelt, die
ein Begutachter auf einen drei Wochen post trauma erfolgenden Schlaganfall,
ein anderer wegen sich findender Differenzen im Umfang der beiderseitigen
Muskeln auf ein Bückenmarksleiden, ein dritter ohne Berücksichtigung des
Muskelbefundes auf eine funktionelle Neryenerkrankung bezogen hatte.
In der Klinik stellte man die Diagnose traumatische Hysterie, kombiniert
mit Mnskeldefekt.
Zum Schloß wird betont, daß man mit der Diagnose einer organischen
Neryenerkrankung aof dem Boden eines Unfalls yorsichtig sein muß, und daß
die Begutachtung besonders yon Nervenkranken ohne längere Beobachtungs-
nnd öftere eingehende u. a. elektrische Untersuchungsmöglichkeit sehr schwierig
ist Deshalb ist die klinische Begutachtung in alien zweifelhaften Fällen ner¬
vöser Erkrankung möglichst bald zu erstreben, da sie allen Teilen nur
nützen kann. _ Dr. Troeger-Neidenbnrg.
Zwei Beobachtungen Plrogoffs Ober traumatlsehe Insufflslenz der
Mitralklappen. In seinem in Dresden auf der III. Tagung der Deutschen
Gesellschaft für gerichtliche Medizin gehaltenen Vortrage: „Beiträge zum
Tode durch Herzyerletzungen sagt Prof. Ziemke:^)
Vierteljahresschrift für gerichtL Medizin; 81., 86. Bd., SuppL 1908.
Kleinere Mitteilangen nnd Referate ans Zeiteohriften.
721
„üebrigeas sind auch derartige Zerreißiugen der Herzklappensegel and
namentlich solche der Trikospidalis durch äußere Gewalten recht seltene Er¬
eignisse, wenn es auch, wie Straß mann bemerkt, von Torherein durchaus
plausibel erscheint, daß bei ausgedehnten Herzzerreißungen der E^appenapparat
mit verletzt werden kann. Für die Möglichkeit einer traumatischen Ent¬
stehung von Herzklappenfehlem, fttr den Nachweis, daß völlig gesunde Herz¬
klappen infolge von äußeren Gewalteinwirkungen zerreißen können, sind solche
mit anderen Herzverletzungen kombinierte Zerreißangen der Üappensegel
daher von geringerer Bedeutung, als isolierte Elappenzerrelßungen, welche
höchst selten aber sicher, so von Weiß nnd neuerdings von E. Fränkel nach
Trauma beobachtet worden sind.“
Nun berichtet N. Pirogoff’)in seinen Grundstlgen der allgemeinen
Eriegschirurgie ttber folgende Beobachtungen: „Bei starken Bmstkommotionen
Namentlich nach einem Sturze), wenn der Patient ttber ein eigentttmliches
Geftthl im Herzen, „als ob ihm da etwas abgerissen wäre,“ klagt nnd beson¬
ders, wenn die Auskultation einige Anomalien in Herztönen nachweist, muß
man ihn nicht aus den Augen lassen. Bei zwei dergleichen Patienten — und
bei beiden Soldaten nach einem Falle von einer bedeutenden Höhe herab —
bestätigte ich, nachdem sie ttber dieses Geftthl geklagt hatten, später (nach
8 Jahren) die Insuffizienz der Mitndklappe. Bei beiden fand ich nach der
Sektion dne deutliche Narbe in einem Sebnenbttndel der Klappe.“
Da M. B. Schmidt (Mttnch. med. Wochenschr. 1902, S. 1565) sagt,
die bis 1902 vorliegende Kasuistik weise keine ganz reine, unzweifelhafte Be¬
obachtungen ttber Fälle von Herzklappenerkranknngen auf, bei denen die
klhiische Geschidite auf einen Zusammenhang mit einem Tage oder Wochen
vorhergegangenen Trauma, namentlich einem Sturze, hinweise, schien mir die
Erwähnung der Pi rogo ff sehen Beobachtungen angezeigt, umsomehr als auch
B. Bernstein (Vierteljahresschr. fttr gerichtL Med.; 31., 80. Bd., 1905, S. 65)
in seiner reichhaltigen Kasuistik ihrer nicht gedenkt.
_ Dr. Mayer-Simmern.
üeber Appendleitis naeh Trauma. Von Spezialarzt Dr. F. Brttning-
Freiburg L B. Archiv fttr Klin. Chirurgie; 66. Bd, 4. J.
Zwischen einer nachweisbaren Verletzung, direkten nnd indirekten, nnd
einer akuten oder chronischen Appendleitis ist dann ein ursächlicher Zusammen¬
hang anzuerkennen, wenn sich im unmittelbaren Zusammenhang an die Ver¬
letzung Erssheinungen einstellen, die auf einer Erkrankung des Wurmfort¬
satzes hindeuten und diese auch andauern, bis die Appendicitis manifest ge¬
worden ist. Ein Wurmfortsatz kann nur dann als gesund augesehen werden,
wenn er bis zur Verletzung seinen Träger niemals die geringsten, auf eine Er¬
krankung des Wurmfortsatzes hinweisenden Erscheinungen gemacht hat, nnd
auch bei der Operation oder Sektion keine dem widersprechenden Befunde er¬
hoben werden. __ Dr. Wolf-Marburg.
Beitr^e zur Begutachtung der WirbelsftulenTerletsnngen. Von
Dr.A. Zweig, Assistenzart an der psych. Kiinik in Königsberg. Aerztliche
Sachverständigen - Zeitung; 1908, Nr. 15.
Autor faßt die Resultate seiner Arbeit kurz in folgende Sätze zusammen:
1. Jeder Unfall, der bezttglich seiner Lokalisation und der subjektiven
Klagen auf die Gegend der Lendenwbbelsäule hinweist, erfordert wiederholte
Böntgenuntersuchung des Kranken.
2. Die sogenannte traumatische Neurose ist in nicht wenigen Fällen
nur ein fttr einen Beizzustand des Nervensystems sprechender Symptomen-
komplez.
8. Hinter diesem Symptomenbilde der traumatischen Neurose verbirgt
sich oft eine schwere körperliche Erkrankung, in den Fällen der Königlichen
Klinik eine Schädigung der Wirbelsäule. Dr. Troeger-Neidenburg.
*) Leipzig 1864; F. C. W. Vogel, S. 85.
722
Kleinere Mitteilangen and Keferate ans Zeitschriften.
Ueber Indirekte Mittelftugbrflehe. Von Oberarzt Dr. Na st-Kalb«
Stuttgart. Münchner med. Wochenschrift; Nr. 85, 1908.
Die militärische Faß* oder Marschgeschwalst ist seit Anwendung der
Büntgenstrahlen als mindestens in zwei Drittel der Fälle durch die Fraktur
eines Metatarsalknochens verursacht, erkannt worden. Im Zivilleben ist die
bidirekte Fraktur eines Mittelfaßknochens als etwas ziemlich seltenes aufge-
fflhrt. Verfasser beobachtete kurz hintereinander zwei Fälle indir^er Mit^-
lußfraktur bei zwei Dienstmädchen. Es handelte sich bei den Patientinnen um
eine indirekte, durch kein nennenswertes Trauma verursachte Infraktion des
dritten bezw. zweiten Metatarsns.
Als prädisponierend ist wohl das jugendliche Alter anzusehen, als Ur*
Sache die Ermüdung der an die Arbeit und an das harte Pflaster der Gro߬
stadt nicht gewohnten jugendlichen Muskalatur, dadurch ein Nachgeben des
Fußgewölbes und seiner muskulären Spannung und die Abkni<£ung des
Metatarsns über eine Unebenheit, Treppenstufe oder Trottoirkante. Bei ge¬
nauerer Beobachtung wird diese in^rekte Metatarsalfraktur, die sog. militärisäe
Fußgeschwulst, auch bei Zivilisten besonders bei jugendlichen Individuen nicht
so selten gefunden werden, wenn Patienten mit mäßiger Schwellung des Fuß-
rückens, geringen Schmerzen beim Geben, mehr oder weniger starker Diuck-
empfindlidikeit über den Metatarsalknochen zur Behandlung kommen.
_ Dr. Waibel-Kempten.
Ein neues Verfahren) FnssabdrOeke zu gewinnen. Von KStockis.
Le Scalpel et Li^ge MOdical; 1908, August.
Das Verfahren, dessen sich Verfasser insbesondere bei der üntersnchnng
von Unfailkranken zur Herstellnng von Fußabdrücken bedient, besteht darin,
daß der auf dem Papier befindliche, von Schweiß und Fett gebildete, unsicht¬
bare Fußabdruck durch Auf streuen eines Pulvers sichtbar gemacht wird. Das
Pulver enthält 10 Teile Scharlach (Grübler), die mit 100 Teilen Lycopodinm
im MOrser trocken verrieben werden. Zur Konservierung der Abdrücke wird
das Papier mit einer dünnen Schicht Gummi arabicum überzogen. Es empflehlt
sich jedesmal vier Abdrücke anzufertigen: je einen während des Gehens und
des Stehens und je einen bei supiniertem und bei proniertem Fuß.
Dr. Bevenstorf-Hamburg.
Eine Herabminderung der anerkannt sehr reichlich bemessenen
Rente ist bei unverändertem objektivem Beftinde nicht begründet« Recht¬
sprechung des Beichsversicherungsamts vom 2 6. Februar 1908.
Es kann der Beklagten zugegeben werden, daß eine Bente von 70*/«
für die Verminderung des Sehvermögens des linken Auges des Verletzten in¬
folge des Unfalls vom 30. April 1896 weit über das Maß derjenigen Ent¬
schädigung hinausgeht, welche als angemessener Ausgleich für die durch die
Unfallfolgen bedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Verletzten
anzusehen sein würde. Die Beklagte hat aber den vom Gesetz als Voraus¬
setzung einer Bentenminderung geforderten Eintritt einer wesentlichen B^erung
im Zustande des Verletzten seit der Entscheidung des Schiedsgerichts vom
28. Juli 1900, durch welche ihm eine Bente von 70 ^/o zugebilligt worden ist,
nicht erbracht. Sowohl der Kreisarzt Dr. K. wie der Augenarzt Dr. V. stellen
fest, daß der objektive Zustand des linken Auges des Verletzten sich nicht
verändert hat, der letztgenannnte Spezialarzt hält sogar durch die Zunahme
der Trübungen der Linse eine gewisse Verschlechterung für vorliegend. Ist
dies aber, wenn auch nur in geringem Grade, vorliegend, so versagt auch das
Moment der Gewöhnung und Anpassung des Verletzten an den Zustand seines
Auges, welches sonst den Antrag der Beklagten zu begründen geeignet ge¬
wesen wäre.
Unerheblich ist es, daß die genannten Aerzte den Grad der Erwerbs-
beeinträchtigung des Verletzten bei unveränderten Unfallfolgen anders schätzen
wie dies früher der Fall gewesen ist, denn eine solche Schätzung allein,
selbst wenn sie zutreffend wäre, vermag eine Bentenminderung nicht zu be¬
gründen.
Kleinere Hitteiinngen und Referate ans Zeitschriften.
728
H8he der debBhren fdr Bratllohe Gataehteiu Inanepmeluulime
der Oeriehte seitens der Berafsgenosseasehaften behnfs Yemebmnng ron
Aersten* Schreiben des BeichsTersichernngsamts vom 8. Juli
1908.
Die Gebtthr von 8 H. fflr ärztliche Qntachten wird, wie der Vorstand
der Sektion 111 der Nordöstlichen Baagewerks-Bernfsgenossenschaft berichtet
hat, regelmäßig nnr dann gewährt, wenn es sich mn eine karze Aeoßernng
handelt, welche von dem Arzt anf Qrnnd der vorhandenen Anfzeichnnngen
ohne besondere Htthewaltang abgeben werden kann. Der Sektionsvorstand
hat jedoch anf Anregong des B.*V.>A. bereits seit einiger Zeit in den For-
miüaren den Zusatz anfgenommen, daß andi eine höhere Gebtlhr dann znge*
biiiigt würde, wenn diese Voraossetznng nicht zntrifft, und wird ferner
erwägen, ob nicht der die Gebühren betreffende Vordrnck in den Formnlaren
ganz in Wegfaii zu bringen, und die Gebühren erst nach Eingang der gnt-
achtlichen AenBernng festzosetzen sein mochten. Da znr Entscheidung über
die Hohe der Gebühren allein das ordentliche Gericht berufen ist, muß das
B.*V.-A. davon Abstand nehmen, allgemein im Aofsichtswege Anordnungen
üW die Hohe der Gebühren zu erlassen. Es ist aber immer bereit, wenn es
bei einer Meinungsverschiedenheit angerufen wird, zwischen dom Arzt und der
Bernfsgenossenschaft zu vermitteln.
Was sodann die Inanspruchnahme der Gerichte behnfs Vernehmung der
Aerzte betrifft, welche die Erstattung der gutachtlichen Aenßemng verwe^em,
so kann die Berechtigung der Beruf^^genossenschaften dazu nicht zweifelhaft
sein. Die gerichtliche Vernehmung des Arztes soll aber nur ein Notbehelf
sein, wenn auf anderem Wege die Beschaffung des erforderlichen Gutachtens
nicht zu erreichen ist. Der ßektionsvorstand hat erklärt, daß er grundsätzlich
dementsprechend verfahre; er wird künftig vor der Anrufung des Gerichts
zunächst den Arzt über die Sach- und Rechtslage belehren und erst dann,
wenn dieser trotzdem anf seine Weigerung beharrt, die gerichtliche Ver¬
nehmung beantragen. Das B.-V.-A. steht in dieser Beziehung nach wie vor
auf dem grundsätzlichen Standpunkte, daß durch den Streit über die Hohe der
Gebühren die Erledigung der durchweg eiibedürftigcn ünfalisachen auf keinen
Fall verzögert werden darf. Der ersuchte Arzt muß daher davon absehen,
die Erstattung des Gutachtens von einer vorgängigen Vereinbarung über die
Hohe der Gebühren abhängig zu machen. Seine Rechte werden dadurch in
keiner Weise gefährdet, da er jederzeit, falls er mit dem ihm zngebilligten
Honorar nicht einverstanden sein sollte, die Vermittelung des B.-y.-A. und
erforderlichenfalls das ordentliche Gericht anrufen kann.
D. Bnkterlologle, Infekttonnkrankhelten und Affentllohen
SanltAtnweseii.
Bnkterlologle, Infektionskrankheiten nnd andere Krankheiten
Varizellen bei Erwachsenen. Vom KaiserL Bat Dr. Trip old-Abbazia
Medizinische Klinik; 1908, Nr. 88.
Verfasser veröffentlicht einen Fall typischer Varizellen bei einer 85jährigen
Frau. Gleichzeitig weist er auf andere Veröffentlichungen hin, die gleichfalls
das Vorkommen von Windpocken bei Erwachsenen bestätigen, darunter eine
Statistik über die in den letzten 10 Jahren vorgekommenen Fälle in Triest.
Unter 660 Erkrankten waren 86 Erwachsene. Verfasser will damit die irrigen
Angaben einzelner hervorragender Lehrbücher (Jürgensen, Buienberg)
rich^ stellen. Referent kann übrigens das Vorkommen von Varizellen bd
Erwachsenen ans seiner eigenen Praxis nnr bestätigen. Bpd.
Ueber die Wirkungsweise und die Wertbestimmnng des Genickstarre-
serums. Von Begiernngsrat Prof. Dr. Nenfeld -Berlin. Medizinische Klinik;
1908, Nr. 80.
Verfasser weist auf die verschiedenen Methoden der Wertbestimmnng
des Genickstarreserums hin, die aber noch zu keinem befriedigenden Resultat
f eführt haben. Nach allgemeiner Anschauung kommen im Genickstarreserum
rei Arten von Antikörpern, die an der Schutz- nnd Heilwirkung spezifischer
Sera beteiligt sein können, vor, nämlich Antitoxine bezw. Antiendotoxine,
spezifische Ambozeptoren nnd phagozytosebefOrdernde Antistoffe. Das ist bei
724
Kleinere Mitteilnngen and Beferate ans Zeitschriften.
den yenchiedenen Methoden berficksichtigt. Nun hat sich bei Yersnchen,
die nach der bekannten Technik des Pbagozytoseversachs in vitro ausgeftthrt
sind, eine spezifisch phagozjtosebefOrdernde Wirkang der Immnnsera ergubenf
die anf thermostabilen, von der Mitwirkung eines Komplements unabhängigen
Stoffen, also aaf bakteriotropen Antikörpern beruht. Die Tatsache, daß das
Meniogokokkenserum bakteriotrop wirkt, ist schon von verschiedenen Forschern
festgesteilt. Verfasser hat sich bemüht, anf Grund der gemachten Erfahrungen
über den Gehalt der Meningokokkensera an pbagozytosebefördernden Stoffen
näheren Aufschluß zu erhallen. Seine Versuche ergaben, daß sich die bakterio*
trope Wirkang des Meningokokkenserums konstant nachweisen läßt, daß sie
nocn in starken Serumveidünnungen eintritt, und daß man auf diese Weise
den Gehalt verschiedener Semmproben an phagozytären Schatzstoffen ver*
gleichend feststellen kann. Verfasser hat bisher nar eine geringe Anzahl von
Semmproben antersachen können, von denen eine Probe des von den Höchster
Farbwerken bezogenen Heilserams sich als sehr schwach bakteriotrop erwies,
während die anderen von Wassermann, von Merk und vom Schweizer
Sernminstitut in Bern nar geringe Differenzen zeigten. Bpd.
Ueber Komplikationen und Serunitberaple bei Meningitis eerebro«
splnalts epidemica. Von Dr. Stephanie Weiss-Eder in Wien. Medizinische
1908, Nr. 85.
Bei 48 im Karolinen-Einderhospital in Wien beobachteten Fällen,
die fast aosschließlich Kinder unter 10 Jahren, etwa 22 im ersten Lebensjahre
betrafen, fiel es anf, daß meist blühend aasschende, kräftig entwickelte und
vorwiegend an der Bmst genährte Säuglinge erkrankten. Im allgemeinen
boten die Fälle das typische bekannte Bild; auffallend wenig (8 mal) wurde nar
Herpes beobachtet. Einige seltene Komplikationen kamen vor. So bei einem
2jahrigem Kind eine Meningokokkenseptikämie; bei der Obduktion wurde neben
eitriger Meningitis eine beiderseitige serofibrinöse Piearitis und eitrige Pericar'
^tis gefunden, ln dem Exsudat von Pleura und Perikard wurden Meningo¬
kokken naebgewiesen. ln einem anderen Fall fand sich eine Meningokokken-
endokarditis, in einem dritten, der in Heilung überging, eine halbseitige
spastische Parese, die wahrscheinlich auf einen enzephaiitischen Herd zurück-
zuführen war. In einem 4. Fall endlich konnte man eine ausgesprochene
Akkomodationsparese beobachten, die nach 6 Wochen verschwand. 23 Er¬
krankungen wurden mit Meningokokkenserum behandelt und zwar sechs mit
dem von Merk hergestellten Jochmann’schen Serum und 17 mit Seram ans
dem Wiener serotherapeutischen Institut. Außer Sernmezantbemen zeigten sich
keine Nebenwirkungen. Von den nicht mit Serum behandelten 20 Erkrankungen
wurden 3 völlig geheilt, 12 starben im akuten oder subakuten Stadium und bei
5 bildete sich unter Heilung der Menineitis ein Hydrocephalus aus, der nach
einiger Zeit den Tod der Kinder zur Folge hatte. Von den 23 mit Serum
behandelten Fällen wurden 7 völlig geheilt, 3 starben im akuten oder subakuten
Stadium und bei 13 bildete sich unter Heilung der Meningitis ein Hydro-
cephaluB aus. Von diesen starben nachträglich 6; 4 wurden völlig geheilt,
8 blieben ungeheilt. Die Mortalität dieser Kranken war also eine erheblich
geringere geworden und ist mit ziemlicher Sicherheit als Folge der Serum-
behandlung anzusehen. _ Bpd.
Ueber Cerebrosplnalmentngitls. Von Dr. Leo Cohn, Assistenzarzt am
Stadtkrankenhause in Posen. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 83.
Verfasser berichtet über seine Erfahrungen bei 80 Fällen, die er auf
der inneren Abteilung des Stadtkrankenhauscs zu Posen zu beobachten Ge¬
legenheit gehabt hat. Im wesentlichen bestätigen seine Beobachtungen die m
der letzten Zeit gemachten Erfahrungen. Als bemerkenswert wird hervor¬
gehoben, daß in einer Wohnung seiten mehr wie 1—2 Insassen erkrankten,
trotzdem bei den übrigen zum großen Teil Meningokokken im Bachenschleim
nachgewiesen werden konnten. Das K e r n i g’sche Symptom war nur bei einem
Drittel der Fälle positiv. In zwei Fällen trat noch sehr spät der Exitus ein,
und zwar nach 102 resp. 118 Krankheitstagen. Der Nachweis der Meningokokken,
in der Lumbalflüssigkeit gelang fast stets, wenn diese innerhalb der ersten
8—14 Tagen untersucht wurde. Von 20 untersuchten Blutproben war bei 16
Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeitschriften.
726
die Meningokokkenaggiatination positiv; bei den 5 negativen war die Biat*
entnähme schon vor dem 12. Tage gemacht. Einmai ergab ein Bintsernm
schon am 7. Tage der Erkrankang positiven Ansfaii der Aggintination.
Therapeutisch worden mit dem Koiie* Wasser man n’schen Serom keine
Erfoige erzielt. Am wirksamsten erwies sieh systematische Anwendung der
Lambeipnnktion znm Zwecke der Entleernug größerer Flüssigkeitsmengen.
Zorn Schloß bemängelt Verfasser, daß in dem preußischen Seochengesetz die
Unschädlichmachung des Meningokokkenträgers nicht vorgesehen ist. Schul¬
pflichtigen Kindern eines Hanses, wo Oerebrospinalmeningitis herrsche, dürfe
der Schulbesuch nicht eher gestattet werden, bis nicht mehrmalige üntersochung
des Bachennasenschleimes ergeben hätte, daß sie keine Meningokokken be¬
herbergten. Desgleichen müßten im öffentlichen Verkehr stehende Personen,
wie Eisenbahn- und Straßenbahnbeamte, unter Umständen vom Dienst fern-
gehalten werden. _ Bpd.
Ueber das Toxin und das Antitoxin der Dysenteriebazillen. Von
Dr. Schottelius. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 32.
Verfasser hat im bakteriologischen Institute der Farbwerke zu Höchst a. M.
Versuche angestellt, ob sich mit Dysenteriebazillen oder ihren Giften ein kon¬
stantes Krankheitsbild am Tier erzeugen lasse und ob zutreffendenfalls diese
experimentelle Dysenterie durch ein spezifisches bakterizides oder antitoxisches
Serum zu beeinflussen sei Er verfolgte dabei den Zweck, die von Bosen¬
thai gemachte Entdeckung eines spezifischen Dysenterietoxins einer genauen
Prüfung zu unterziehen. Er kam dabei zu dem Besultat, daß die Dysenterie-
bazUlen vom Typus Sbiga-Kruse in schwach alkalischen BouUlonnährböden
ein spezifisches lösliches Toxin bilden, Flexner-Kulturen dagegen nicht. Das
Dysenterietoxin wirkt bei Kaninchen intravenös oder subkutan injiziert in
Mengen von 0,005—0,01 tödlich. Die Versuchstiere starben unter fortschreiten¬
den Lähmungen in 1 bis 3 Tagen. Das Gift wird durch die Gefäße verbreitet
und veranlaßt im Bückenmark stets, in anderen Organen — Darm, Leber,
Niere — seltener Hämorrhagien, Nekrosen und Verfettung. Durch Behandlung
von Pferden mit Dysenteriegift gelingt es ein spezifisches Antitoxin zu erhalten
das, am Kaninchen geprüft, in 0,0005 ccm imstande ist, die Wirkung der mehr¬
fach tödiichen Giftdosis aufzuheben. Bpd.
Zur Differenzierung der Bohrbakterien mittels dei: Agglutination)
der Komplementablenknng und der bakteriotropen Immunsemmwlrknng.
Von Stabsarzt Dr. Haendel-Berlin. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Reichs-
Gesundheitsamt; 1908, Bd. XXVIII, H. 2. Verlag von Julius Springer.
Die von Martini undLentz mit Hilfe der Agglutination aufgestellte
Einteilung und Trennung der Bohrbakterien in die beiden Groppen von Typus
Shiga-Kruse und von Typus Flexner wird jetzt ziemlich allgemein an¬
erkannt. Später wurde dann von verschiedenen Seiten berichtet, daß mit
Shiga-Kruse-Kulturen hergestellte Pferdesera auch Flexner-Stämme und
umgekehrt Flexner-lmmunsera auch Shiga - Kulturen sich mitagglutiaierten.
Dieses veranlaßte Verfasser zu erneuten Versuchen, zu denen er außer den
beiden oben erwähnten noch 3 aus Südwestafriha stammende Buhrstämme und
eine Y-Bnhrkultur benutzte. Er stellte fest, daß normale Eselsera in erheb¬
lichen Mengen Agglutinin für Flexner-BazUlen, weniger für Shiga enthielten.
Bei Immunisierung von Eseln mit Shiga-Kruse-Stämmen trat manchmal eine
solch beträchtliche Mitagglutination von Flexner und Y-Kulturen ein, daß der
Titer des Serums für diese Gruppe den für Shiga um das Mehrfache überstieg.
Eselimmunsera eigneten sich also zu einer Differenzierung der beiden Buhr-
typen nicht, dagegen wohl Kaninchen; hier tritt so gut wie gar keine Mit¬
agglutination a^. Bei der Prüfung mit der Bordetschen Komplement¬
ablenkungsmethode zeigte es sich, daß die mit Shiga-Kruse-Kulturen
hergestellten Eselimmunsera stärker ablenkten, ihr Gehalt an Bordetschen
Antikörpern also größer war, wie für die Sera von Flexner-Stämmen.
Kaninchensera erwiesen sich auf dem Wege der Komplementablenkung als
nicht brauchbar zur Differenzierung. Bei den weiteren Verfahren auf Prüfung
der bakteriotropen Wirkung konnte solche sowohl bei dem Esel-, wie bei den
Kaninchen-Ruhr-Immunseris deutlich fcstgestellt werden, und zwar beeinflußte
726
Klefnore Mittelltiiigeii and Bnfento noa Zniteehrift«!.
nach hier das Sbiga^ESselseram aaeh Flezner* and T>Basilleo, aber nicht M
stark wie die Sbiga>Stämme. Dagegen Obte das Sbiga-Kantncbenseram keiaen
bakteriotropen Einflaß anf Flexner- Bazillen aas and amgekehrt. Zam Schloß
spricht Verfasser die Ansicht ans, daß die starke bakteriotrope Wirkung des
Bahrserams bei der Schatz* and Heilwirkang eine wichtige Bolle spiele. Bei
künftigen Untersachangen dürfe jedenfalls auch die bakteriotrope Wirkong
nicht yemachläsiigt werden. _ Bpd.
Ueber Parndjsenterie and glelehnrtfge Erkmnknngen des Kindes-
nlters. Von Dr. Enoepfelmacher in Wien. Mediz. Klinik; 1908, Nr. 34.
Genauere Untersachangen über die als Enteritis follicolaris bezeichneten
und seiner Zeit von Niderhofer yortrefflich beschriebenen akuten Da^
katarrhe der Kinder haben ergeben, daß es sich hier am eine dysenterieartige
Erkrankung handelt. Von Dr. Lein er sind in den Entleerungen Stäbchen
nachgewiesen worden, die sich in sehr yielen Fällen mit dem Flexner scheu
Dysenteriebacillos identisch erwiesen, in anderen Fällen geringe Varietätea
zeigten. Verfasser hält den Flexnerbacillns ttberbaapt für den Bepräsentantea
einer ganzen, yerschiedene Variiäten zeigenden Groppe yon Bakterien. I^r
Bacillus Shiga-Krase konnte nie nachgewiesen werden. Daraas ernbt sieh
nach Ansicht des Verfassers die Notwendigkeit, daß jedes Kind, das schleimig»
eitrig • blatige Entleerangen hat, streng isoliert wird and dieselben Versnehs»
maßregeln getroffen werden, als wenn es sich am eine echte Dysenterie handelt.
Bezüglich der Therapie hat die Anwendung yon Seram keinen Zweck, da dieses
nur die Shiga^Krase-Dysenterie beeinflußt, weil die Flexner-Groppe
keine Toxine ilbdet. _ Bpd.
Ela Dysenterie•BasillentrBger. Von Priyatdozent Dr. Küster,
Assistent am üntersacbangsamt des hygien. Institats der üniyersität Frei*
barg i. B. Münchener med. Wochenschrift; Nr. 35, 1908.
Verfasser hatte im Laufe des letzten Jahres Gelegenheit, einen Dysenterie*
bazilienträger za beobachten and berichtet unter Mitteilung der Kranken¬
geschichte über das Ergebnis seiner Untersachangen, welche mit den Unter*
sachuogsresaltaten Bofingers ttbereinstimmen, dem es gelang, aas den
meisten Stühlen der Bahrkranken Bahrbazillen za isolieren, ^e morphologisch,
koltarell und serologisch als als Typus Shiga bezeichnet werden müssen.
BofInger hält es für bewiesen, daß Bahrkranke nach der Genesang noch
monatelang die spezifischen Bazillen bei sich tragen können, hält aber eine
monateiange Isolierang aas praktischen Gründen nicht möglich. Während
bisher immer nar eine spezifische Bazillenaasscheidang festgestellt wurde, die
sich höchstens über einige Monate erstreckte, dürfte durch Verfasser zum
erstenmale der strikte Beweis für eine mehrjährige Aasscheidang yon
Dysenteriebazillen durch einen gesunden Menschen erbracht sein.
Dr. W a i be 1 • Kempten.
Ueber die Bezlehnng der Bhlnitls ehren« atropblen rar Diphtherie.
Terench der therapeatlschen Verwendbarkeit der Pyozyanoae bei Ozaena.
Von Dr. Wolf-Frankfurt a. M. Medizinische Klinik; 19u8, Nr. 88.
Bei einem chronischen Fall von Keilbeinhöbleneiterang mit atrophischer
Schleimhaat, der zur Operatien kommen sollte, worden im Nasensekret echte
Diphtheriebazillen nachgewiesen. Dieser Befand gab Verfasser Veranlassung,
weitere 16 Fälle yon Bbinitis atropbica aal Diphtheriebazillen untersachen
za lassen; bei sämtlichen konnten diese nachgewiesen werden. Im Nasensekret
anderer Fälle yon akater und chronischer, nicht atrophischer Bbinitis war deren
Befand stets negatiy. Während Verfasser mit diesen Untersachangen beschäftigt
war, las er über die Anwendang der Pyozyanose bei Diphtherie; er stellte
deshalb damit Versache an and erreichte aach sehr gate Besaltate, aber
sowie das Mittel aasgesetzt warde, yerschwand aach die Besserung. Etwas
bessere Wirkang erzielte er, wenn während and nach der Pyozyanoseanwendong
Aasspülangen mit laawarmer Salzlösung gemacht worden; yon einer länger
dauernden Besserang oder Heilung konnte jedoch nicht gesprt^en werden. Die
Diphtheriebazillen yerschwanden durch dieses Verfahren nicht. Bpd.
Kleinere Hitteilongen und Referate ans Zeitschriften.
727
Scharlach nnd Serodiagnosik anf Schills. Von Dr. H e i e r, Assistent
am Institnt fttr Infektionskrankheiten za Berlin, liedizinische Klbik; 1908, Nr. 86.
Die Besnltate der Ton Much nnd Eichelberg gemachten Unter»
snchnngen, wonach diese die Wassermann’sche Reaktion anch bei Scharlach
aachgewiesen haben wollen, hat Verfasser einer eingehenden Nacbprafnng
nnterzogen und erstattet karz darttber Bericht. Die Ergebnisse waren folgende:
1. Von 62 nntersnchten Scharlachseris, welche teils dem fieberhaften
Stadinm, teils der BekonTaleszenz entstammten, gab mit dem, an mehreren
hnnderten yon Inetischen nnd normalen Seris aasgeprobten wässerigen Elztrakte
ans der Leber eines Inetischen FOtos kein einziges die Wassermann'sche
Reaktion.
2. Es hinterläfit also nach den Befanden der Skarlatinainfektion im
menschlichen Organismas keine Stofte, welche die Seroreaktion der Syphilis
geben, wobei natürlich Voranssetzong ist, dafi der Dntersncher die Methodik
beherrscht nnd sich genan an die yon den nrsprttnglichen Autoren nnd ihren
Mitarbeitern (Citron, O. Meier nnd M. Wassermann) für die Lnes*
Serodiagnostik mitgeteMten Vorschriften nnd Kontrollen hält.
8. Demzafolge gibt das Ueberstehen einer Skarlatina keinen Anlafi zn
einer serodiagnostischen Fehldiagnose anf Laes, nnd die klinische Zayerlässigkeit
der W assermann’scben Reaktion wird durch die Mnch’schen Veröffent»
lichangen in keiner Weise berührt. Rpd.
Die Bedentnng der Serodlagnoatik der Syphilis für die Praxis. Von
Dr. Blaschko*Berlin. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 81.
Nach den Erfahrnngen des Verfassers ist die Wassermannsche Re*
aktion nicht nur zweifellos für Syphilis charakteristisch, sondern sie scheint
andi anzageben, daß in dem Körper des üntersncbten zarzeit sich noch aktiyes
Vims befindet. Dafür spricht die Erscheinung, daß es in nicht wenigen Fällen
gelangen ist, durch Behandlung die positire Reaktion in eine negative nm-
zngestalten. In der Praxis kann nun die Serodiagnostik nach der Ansicht des
Verfassers zur Entscheidung dreier Fragen angewendet werden: 1. für die
Frage, ob in einem gegebenen Falle überhaupt Syphilis yorliegt; 2. fttr die
Frage, ob in einem Falle eine Behandlang notwendig ist und 8. für die Frage,
wie die Prognose im Einzelfalle za beurteilen ist. Za 1. meint Verfasser, daß
es beim Fehlen jeglicher anderer Anzeichen nur auf Qrund deutlich aas»
gesprochener positiver Reaktion gerechtfertigt sei, Syphilis anzanebmen; negative
Reaktion schließe aber Laes nicht aus. Frage 2 läßt er noch ziemlich offen;
er erklärt sich nicht gegen die Behandlnng, aber aach nicht dafür. Ob eine
Behandlung eingeleitet werden müsse, dürfe im weiteren Verlauf der Krankheit
nicht von der positiven Reaktion abhängig gemacht werden, sondern man
müsse den ganzen bisherigen Verlauf des Falles, die Zahl der bisher gemachten
Karen, den momentanen Allgemeiozustand des Kranken, sein psychisches Ver¬
halten, ja oft rein äußerliche Umstände mit in Betracht ziehen. Za Frage 8
meint er, daß sich darüber heute noch nichts Bestimmtes sagen lasse. Viel¬
leicht sei die Annahme berechtigt, daß negative Reaktion günstiger für den
Kranken sei als positive, und daß eine danemde positive Reaktion in pro¬
gnostischer Bedentnng ungünstig sei. Schließlich wendet er sich noch gegen
den Vorschlag, die Serodiagnostik bei Lebensversicherangs- and Heiratskandi¬
daten, bei Ammen nnd Prostituierten za verwenden. Bei den Prostituierten
und Ammen interessiere bloß die Frage der Kontagiosität and über die besage
die Serodiagnostik nichts. Man könnte höchstens eine latente Syphilis fest¬
stellen ; ob hieran die Lebensversicherangen ein Interesse hätten, erscheine ihm
sehr fraglich. Bei den Heiratskandidaten versetze einen ein positiver Befand
erst recht in eine unangenehme Lage. Er ist der Ansicht, daß die Ausbeute
für die Praxis daher noch sehr gering ist. Erst nach mehrjährigen Erfahrnngen
werde man in der Lage sein za sagen, was denn nun eigentlich die Wasser¬
mann-Reaktion fttr den Patienten wirklich bedeatet, wodurch die Reaktion
bedingt werde und in welchem Verhältnis sie zu den einzelnen Phasen nnd
Prozessen des Krankheitsvorganges stehe. Rpd.
728
Kleinere Mitteilangen and Beferate ans Zeitschriften.
Welche Bedenting hat die Senmdlagaostlk des Syphilis Im gegem-
wlrtlgen Stadlnm für den Praktikert Von Dr. Goldstein^Marienbad.
Prager medizinische Wochenschrift; 1908, Nr. 32.
So sehr Verfasser den Wert der Scrodisgnostik n schätzen weiB, so
warnt er doch davor, anf Grand positiver resp. negativer Beaktion weitgehende
prognostische Schlüsse aalzabaaen and für die Existenz eines Kranken ein¬
schneidende Verfügangcn za geben. Er hält es ebenso verfehlt aaf Grand
positiver Beaktion den Ehekonscns zu verweigern, wie aof Grand negativer
den Patienten von einer antiluctischen Kar freizasprechen. Er empfiehlt bis
aal weiteres, gegebenen Falls die von Wasserman n, Neisserand Brach
angegebene Komplimontbindangsreaktion heranzaziehen, wobei der Organextrakt
laetiscber Foeten darch normalen, sdkoholischen ersetzt werden kann, dagegen
den anderen Methoden gegenüber ein abweichendes Verhalten za beobachten.
Verwertet dürfen nar solche Bcsoltate werden, die von einem mit der Beaktion
vollkommen Vertraaten aasgefübrt and vollkommen eindeatig sind. Die klinische
ebenso wie die mikroskopische Dntorsaebang müßten dabei volle Berücksichtigong
finden. Nar einwandfrei positive Befände können für Diagnose and Differential¬
diagnose herangezogen werden. Eine negative Beaktion beweisen nichts and
darf den Arzt nach keiner Bichtang hin beeinflassen. Selbst ans wiederholten
gleichlaatenden Beaktionsergebnissen irgendwelche prognostische Schlüsse za
ziehen, ist noch nicht statthaft. Im allgemeinen wird man jedoch, wenn
nicht Gegenanzeigen vorliegen and die Karen gat vertragen werden, dahin
streben müssen, darch eine fortgesetzte, möglichst energische und den experi¬
mentellen Forsebnngen Bechnong tragende Behandlong positive Beaktion in
negative amzawandeln. Bpd.
Der serologische Laesnachwels mit der Bäuerischen ModlflkatlM
der Wassermann’schen Beaktion. VonDr. Hinrichs-Düssoldorl Me¬
dizinische Klinik; 1908, Nr. 35.
Die vom Verfasser mit der Bau er'sehen Modefikation der Wasser¬
mann’schen Beaktion angestellten Versache haben einen bedeatend besseren
Prozentsatz von positiven Besaltaten bei zweifellos laetiscben Individuen
ergeben. So waren im seknndären Stadium am Ende der Behandlung nach
Wassermann 41,7 **/o, nach Bauer 70,6 ‘’/o; im Latenzstadiam (Infektion
vor 5 Jahren) am Ende der Sicherheitskaren nach Wassermann 50 ^/o, nach
Baaer 66 "/o, bei Spätsyphilis ohne Erscheinangen nach Wassermann
50 "/«i nach Baaer 72,7 <’/a positiv. Die Ban er'sehe Modifikation zeigte
sich überall da, wo wahrscheinlich die luetischen Stoffe nar in geringer Menge
im Blut vorhanden waren, überlegen. 57 Kontrollfälle, bei denen weder
anamnestisch noch klinisch Zeichen von SyphiUs vorhanden waren, ergaben
bei beiden CJntersachangsmethoden negative Besoltatc, während alle Fälle mit
deatlicben syphilitischen Erscheinangen positiv reagierten. Nar im Stadium
des Primäreffektes tritt die Wassermann’scbe Beaktion erst sehr spät aaf.
Bpd.
Prostltation und Staat. Von Otto Münsterberg-Danzig. Vortrag
in der Ortsgruppe Berlin der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge¬
schlechtskrankheiten am 8. November 1907. Heft 9 der Flugschriften. Leipzig
1908. Verlag von J.A. Barth. Kl. S", 30 S., Preis: 30 Pfg.
Verfasser beleuchtet in kurzen Zügen die Schäden der Prostltation, die
angesanden sozialen Verhältnisse, durch die ein großer Teil der Fraaen syste¬
matisch der Prostitution in die Arme geführt würden, die schlechte und on-
gesando Moral der Männer, die zum großen Teile den besseren Ständen an¬
gehörten, und die Fehler und Mängel nnserer Gesetzgebung, wie der jetzigen
polizeilichen Maßregeln. Er bespricht die verschiedenen Abänderangsvorsebläge,
die von allen Seiten gemacht würden, die aber noch nicht za greifbaren
Besoltaten geführt hallen. M. ist Anhänger der Aufhebung der Beglemen-
tierung und Gegner jeden Bordellwesens. Gesetzliclicr Schatz für die Jagend,
anentgcltliche Behandlung der Geschlecblskraukcn, Hebung des sittlichen und
moralischen Gefühls, eine durchgreifende Wohnungsgesetzgebung, das sind die
Vorschläge, die er macht. Ausrotten lasse sich die Prostitution nicht und
besonders nicht durch polizeiliche Kontrolle. Ihre Aaswüchse müsse man
Kleinere Mitteilnngen ond Referate ans Zeitsohriften.
729
eindSmmen und die Franen sittlich und moralisch za heben sochen, besonderi
ihnen schtttzead zar Seite stehen, bevor sie auf diese Bahn gedrängt wttrden.
Die Schrilc enthält eine Falle erwägangswerte Gedanken; sie ist geeignet, im
Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten segensreich zu wirken. Bpd.
Geschleohfskrankheiten and Hellscbwlndel. Von Dr.K. Alexander*
Breslao. Dritte gründlich amgearbeitete Aailage. Flugschriften der üeatschen
Gesellschaft zar Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Heft 1. Leipzig 1908.
Verlag von J. A. B a r t b. Kl. 8 **, 80 S., Preis: 30 Pfg.
Verfasser wendet sich in seiner Schrift gegen die Karpfnscher, die
gerade auf dem Gebiete der Geschlechtskrankheiten, durch die Leichtgläubig*
keit des Pablikams untersttttzt, ungehearen Schaden anriebten and jähriidi
eine große Anzahl besonders junger Leate anglücklich machen. Er bespricht
genau die Art und Weise, wie sie es verstehen, das leichtgläubige Publikum
durch falsche Versprechungen, prahlerische Annoncen, durch wissentlich falsche
Diagnosen anzulocken und für ihren Vorteil anszubeuten. Ein besonderer Trick
sei, sämtliche Erkrankungen für schwere Syphilis zu erklären und sich dann
eines angeblich großen Erfolges zu rühmen. Man kann dem Büchlein nur die
weiteste Verbreitung wünschen; beim vernünftigen Publikum wird es seine
Wirkung nicht verfehlen. _ Bpd.
Die Bekämpfung der Malaria In Italien. Oesterreichische Sanitäts*
wesen; 1908, Nr. 23—25.
In den Jahren 1902—05 angestellte statistische Erhebungen führten zu
dem Resultat, daß nur 11 Provinzen von der Krankheit verschont, 12 mäßig
infiziert und 46 mehr oder weniger stark heimgesucht sind. Die Sterblichkeit
betrag bis 1895 jährlich über 15000 Menschen, von 1896—1901 ca. 18000,
wobei noch berücksichtigt werden muß, daß in den Malariagegenden auch die
idlgemeine Sterblichkeit eine bedeutend höhere ist. üeber die Morbidität sind
genaue Zahlen nicht anzugeben; bis zum Jahre 1901 wird sie auf 1—2 Millionen
jährlich geschätzt. Welche Wirkung die Krankheit auf die körperliche Ent*
Wickelung hat, ergibt sich daraus, daß in manchen Gegenden bis zu 85 "/o der
Stellungspflichtigen zum Militärdienst untanglich befanden wurden.
Das Ziel, das bis Anfang dieses Jahrhunderts im Kampfe gegen die
Malaria sowohl vom Staat, wie von Privaten verfolgt wurde, war „Trocken*
legung“ der Sümpfe. Bis Ende 1903 hat der Staat insgesamt 201 Milionen
Lire für Bodenassanierung aasgegeben und noch weitere 292 Millionen sind
in Aussicht genommen. Die neueren Entdrekungen über die Krankheitserreger
und die Moskitotheorie haben aber die Einseitigkeit der in diesem Kampfe
vertretenen Anschauung klargelegt. Heute genügen viel geringere Mittel, um
die Malaria wirksam zu bekämpfen: das Chinin und der mechanische Schatz
vor den Mückenstichen bilden eine aasreichende Prophylaxe der Krankheit.
Bei den AssanierungHarbeiten treten unter den Arbeitern häufig selbst so zahl*
reiche Erkrankungsfälle auf, daß die Arbeiten unterbrochen werden maßten.
Außerdem hat die hydrotechnische Assanierung nur dann einen wesentlichen
Erfolg, wenn ihr unmittelbar die wirtschaftliche Assanierung folgt, d. h. inten*
sive Bebauung des vom stehenden Wasser befrt'iten Bodens.
Je mehr sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Krankheit
lenkte, desto wertvollere Erfahrungen wurden gemacht und im allgemeinen
Interesse verwertet. So wurde unter anderem festgestellt, daß nicht allein
Malariker und Anopheliker für die Verbreitung der Krankheit von Ein*
fiuß sind, sondern auch gewisse biologische, psychische und soziale Faktoren
eine Bolle mitspielen, deren Wesen und Bedeutung aber noch der Aufklärung
bedarf. Die Fortschritte auf dem Gebiete der Epidemiologie und die hervor*
ragenden Erfolge des Chinins haben dazu geführt, daß dieses das erste Kampf¬
mittel geworden ist und noch heute ist und zwar besonders als Vorbeugungs*
mittel. Es wird als solches in Tagesgaben von 0,3—0,4 g für Erwachsene
und 0,2 g für Kinder gegeben; der regelmäßige Gebrauch kann ohne üble
Folgen auf fünf bis sechs Monate ausgedehnt werden. Als weiteres Mittel
kommt die Ausrottung der Krankheitsvermittler in Betrecht; damit wurden
aber nur in wenigen Fällen unter ganz besonders günstigen ümsiänden Er*
folge erzielt. Sehr wirksam erwies sich dagegen der mechanische Schatz gegen
730
Kleinere Mitteilungen nnd Beferste nne Zeitschriften.
die Stiche der Insekten; besonders bei den Eisenbahnbediensteten; er soll dsJier
demnächst auf allen Eisenbahnen nnd in den Kasernen der Zollbeamten naw.
eingeftthrt werden. Allgemein einbttrgem wird er sich jedoch kannif weil er
einerseits mit hohen Kosten verbanden ist and anderseits das Tragen von
(Gazeschleiern and Lederbandschnhen onangenehm ist and schließlich, weil er
dem viel einfacheren Cbininschatz gegenüber sozosagen Loxosmaßregel ist.
Eine geregelte Bekämpfang konnte aber erst darch legislative Haft¬
nahmen erfolgen; die erste derselben bildet das (Gesetz 28. Dezember 1900 über
den Chininverschleiß aaf Bechnang des Staates. Dem folgten dann bald weitere
and zwar das Gesetz vom 2. November 1901, betreffend die anentgeltliche
Verabfolgung von staatlichem Chinin an Arbeiter jeder Kategorie zam Zwecke
der Malariabebandlnng darch die Gemeindeärzte auf Kosten ihrer Arbeitgeber,
ferner das Gesetz vom 22. Jani 1902, betreffend die Abgabe des staatuchea
Chinins za ermäßigten Preisen an Gemeinden, Wohltäiigkeitsvereine and
sonstige Faktoren, welche die anentgeltliche Abgabe von Chinin an ihre Unter¬
gebenen freiwillig übernommen haben oder za derselben verpflichtet sind, dann
das Gesetz vom 25. Februar 1903, betreffend die unentgeltliche Chininabgabe
an Gemeindearme seitens der Gemeinden oder Wohltätigkeitsvereine, endlich
das Gesetz vom 19. Mai 1904, betreffend die unentgeltliche Abgabe von Chinin
an Arbeiter jeder Kategorie zar prophylaktischen Behandlung. Auf Grand
dieser Gesetze sind unter dem 21. Febraar 1907 neue Aosführangsbestim-
mangen behafs Eindämmang der die Malaria fordernden Ursachen and Begcdong
des staatlichen Chininverk<^hr8 erlassen worden, von denen einige der wichtigsten
erwähnt sein mögen. Hiernach werden bestimmte Gegenden als Malariagebiet
erklärt, in denen der Provinzialarzt Ermittelangen anzasteUen hat,die dann an
den Provinzialsanitätsrat and von da an den obersten Sanitätsrat weitergehen
(Art. 1—6). Nicht bloß Arbeiter, auch ihre Familienmitglieder erhalten un¬
entgeltlich Chinin, das durch die Wohltätigkeitsanstalten ansgegeben wird,
denen die Gemeinden helfend zur Seite za stehen haben (Art. 6—9). Es Mnd
genaae Listen von den za Leistungen verpflichteten Grandbesitzem, Indastridlea
asw. aafgestellt. Die Gemeindeärzte haben die Kranken za ermitteln, sie der
Behandlung zazaführen, die Präventiybehandlang der Gesunden einzoleiten,
monatliche Berichte über die Zahl der Kranken nnd über die erforderlidie
Menge des Chinins vorzatragen (Art. 10—15). Die Pächter von Arbeiten in
Malariagebieten sind za den weitgehendsten Maßregeln zam Schatze der
Arbeiter gezwungen; empflndlicbe Geldstrafen sind für Nichtbefolgang der
Vorschriften festgesetzt (Art. 20—25). Jeder Todesfall von Malaria perniciosa
ist dem Gemeindesicberbeitsamte anzazeigen. In zweifelhaften Fällen ist die
Diagnose darch die Obduktion sicherzostellen (Art. 26). Das vom Staate in
Verkehr gebrachte Chinin wird nach der Vorschrift der offlziellen italienischen
Pharmakopoen in einem staatlich pbarmazeatischen Institute hergestellt. Den
Preis bestimmt das Finanzministeriam; die im Gesetze vorgesehenen Behörden
asw. können cs za ermäßigten Preisen beziehen. Die Verkaafsstätten sind
mit der Inschrift: »Hier wird staatliches Chinin verkauft“ zu versehen
(Art. 40—49). Das Chinin gelangt in äaßerlicb genau bezeichneten, luftdicht
verschlossenen Glasröhrchen, enthaltend 10 Tabletten 4 20 cg um den Preis
von 40 Centessimi für das salzsaure and doppeltsalzsaure and 82 Centessiml für
das Schwefelsäure and doppeltschwefelsaure Chinin zum Vertrieb. Eine hohe
moralische and soziale Bedeatang gewinnt die Gesetzgebung dadurch, daß
die Malaria als ein im landwirtscbaftb’chen Betriebe eingetretener Unfall
betrachtet wird and dem Arbeitgeber die Pflicht aaferlegt ist, die nachteiligen
Folgen za verhüten oder die eingetretene Gesandheitsschädigang wieder zu
beheben. Den Hinterbliebenen der bei öffentlichen Arbeiten beschäftigten, an
Malaria perniciosa gestorbenen Arbeiter erhalten Entscbädigangsgelder. Für
Kinder wird Chinin mit Chokoladeüberzag za billigen Preisen abgegeben. Der
Beinertrag aas dem staatlichen Chininvertrieb and die Strafgelder fließen in
einen Fonds, der lediglich zar Malariabekämpfang verwandt wird. Gates
Chinin ist seihst in den kleinsten Orten erhältlich.
Für den Erfolg dieser rationellen Bekämpfang sprechen die Zahlen.
Der jährliche Verbraach von staatlichem Chinin stieg binnen 4 Jahren von
2000 kg auf 18000 kg, die Zahl der Malariatodesfälle sank von 15000 aof
8000. Trotz der großen Entwicklung der staatlichen Chininerzeagung bringt
Kleinere Mitteilungen nnd Beferste nns ZeitBcbriflen.
781
doch die Priratindnstrie dieselbe Menge von Chinin znr Einfuhr wie Tor dem
Jahre 1902, ein Beweis dafür, daß die Wohltat der neuen Qesetse in erster
Linie den armen Volksschichten zugute kommt.
Im übrigen sind trotz der neuen Bichtung der Malariabek&mpfnng
durch die Chininbebandluog und die mechanischen Schutzvorrichtungen gegen
tUe Stechmücken die alten Gesetze über die Assanierung des Bodens noch zu
Becht bestehen geblieben.
In ausgedehntem Maße ist endlich die VolksanfkläruDg gefordert
durch Verbreitung von gedruckten Instruktionen zur Verhütung der Krankheit,
in denen die Bevölkerung insbesondere auch über den medikamentösen Qebraudi
des Chinins belehrt wird. _ Bpd.
Eine Prftifslonssaugvorrlehtnng für Messpfpetten. Von Oberarzt
Dr. Woitke. Arbeiten ans dem Kaiserlichen Gesundheitsamt. Bd. XXVUI,
1908, H. 2. Verlag von Julius Springer.
Verfasser empfiehlt beim Arbeiten mit Meßpipetten eine von ihm kon«
struierte Sangvorrichtnng, bestehend aus einer etwa 6—7 cm fassenden Spritze
mit U'fOrmigem Ansatzrohr und seitlich an der Fassung der Spritze ange¬
brachten federnden Haltern. Die Vorrichtung ist zerleg- nnd sterilisierbar.
Es soll dadurch das nicht ungefährliche Anfsangen mit dem Munde vermieden
werden. Angefertigt wird sie von der Firma Alt mann, Berlin NW. Bpd.
Ein neuer Filtratlonsapparat. Von Kreisarzt Dr. Hilgermann-
Coblenz. Klinisches Jahrbuch; 1908, Bd. XIX.
Da die bis jetzt gebräuchliche Agsrfiltrationstechnik sehr zeitraubend
und verständlich ist, hat Verfasser durch eingehende Versuche einen Filtrations¬
apparat hergestellt, der eine dauernde planmäßige Filtration gestattet. Das
Prinzip dieses Filtrationsapparates beruht darauf, daß durch die Ummantelung
mit schlechten Wärmeleitern kochendes Wasser lange Zeit heiß bleibt, wodurch
in einem von dem kochenden Wasser umspülten Baum hohe Temperaturen
erhalten werden. Der Apparat besteht im wesentUchen ans zwei Zylindern,
einem Innenzylinder, der zur Aufnahme der zu filtrierenden Losungen dient
nnd umgeben ist von einem zweiten Zylinder, der zur Aufnahme des kochenden
Wassers dient. Der zweite Zylinder ist von einer 1 cm starken Isolierschicht
umgeben. Der Apparat, der nicht nur für bakteriologische, sondern auch für
chemische Laboratorien bestimmt ist, bat nach Angabe des Verfassers folgende
Vorzüge: 1. Keine Aonderung der Zusammensetzung oder Erstarrungsfäbigkeit
der zu filtrierenden Losungen; 2. ununterbrochene FiltrationsmOglichkeit;
8. Filtration auch während der Nachtzeit; 4. Wegfall der Ueberwachung der
DampftOpfe, Verminderung der Arbeitsleistung und Arbeitnkräfte; 6. Ersparnis
von Nährsubstänzen; 6. kein Gasverbrauch; 7. keine Hitzeentwickelnng. — Er
wird von der Firma Lautenschläger in Berlin hergestellt. Bpd.
Orgnnlaatton des Transportes ansteckender Kranker nnd Epidemie¬
dienst in grossen Städten. Von Stadtphysikus Dr. BOhm-Wien. Das Oester-
reichische Sanitätswesen; 1908, Nr. 81 nnd 82.
Verfasser gibt hier einen Vortrag wieder, den er auf dem internationalen
Kongreß für Bettungswesen zu Frankfurt a. M. gehalten hat. Er kommt in
seinen Ausführungen zu dem Besultat, daß der Transport Infektionskranker
von anderen Krankentransport vollkommen zu trennen ist. Am besten würde
die Transportstation einer Desinfektionsanstalt angeschlossen. Für die Organi¬
sation des Transportes Sorge zu tragen, sei Pfiicbt der Behörden, nnd zwar
müsse der Transport kostenlos geschehen. Es müßten hierzu besondere In¬
fektionswagen angeschafft werden; seien andere Transportmittel benutzt, so
müßten diese durch behördliche Organe desinfiziert werden. Eine anch für
event. Epidemien genügende Anzahl von praktisch eingerichteten Transport¬
mitteln sei vorrätig zu halten. An der Spitze der Organisation des Trans¬
portes Infektionskranker müsse ein Arzt stehen und dieser ein geschultes Personal
unter sich haben. Oie Transportstationen würden am zweckmäßigsten mit den Po-
lizeiwacbtstnben telephonisch verbunden, damit von dort aus eine Benachrich¬
tigung erfolgen kOnne; am besten sei die Schaffung einer Zentralstelle, die für
782
Kleinere Mitteilnngen ond Beferate ans Zeiteohriften.
Epidemien unerläßlich wäre. Zur Verhütung der Einschleppung ansteckender
Krankheiten durch Transporte von außerhalb müßten für das ganxe Land gültige
behördliche VerfOgangen getroffen werden. Bpd.
Deslnfektloii.
Karbolsinretabletten (Dlphenyloxalsäurerester), ein neues Des¬
infektionsmittel* Von Dr. phil. nat. F. Croner und Dt. med. Q. Schindler-
Berlin. Desinfektion; Jahrg. 1, Nr. 2.
Die von der Firma Schülke & Mayr-Hamburg hergestellten Karbol-
säuretabletten haben sich sowohl gegenüber Staphylokokken und Typhna-
bazillen als Desinfektionsmittel gut bewährt; auch vermögen sie auf die Dauer-
formen der Milzbrand- und Eartoffelbazillen eine deutlich stärkere Wirkung
als Phenol in gleicher Konzentration anszuttben. Zar Händedeainfektion em¬
pfehlen die Verfasser im Gegensatz zu den Angaben des Prospektes eine
l*/4— Vja^lo Lösnng. Den Vorteilen (Tablettenform, leichte Dosierbarkeit, ver-
hUtnismäßig geringer Karbolgehalt) stehen gegenüber:
1. der hohe Preis (1 Liter 1 "/o LOsung kostet 60 Pf.),
2. die zugesetzte Farbe haftet an den Fingernägeln fest,
8. ein eigentümlich pappiges, unangenehmes Gefühl bleibt längere Zeit an
den Händen zurück. _ Dr. Wolf-Hamburg.
Ueber 2 neue Folmaldehydseifenpräparate. Von Dr. E. Seligmann-
Berlin. Desinfektion; J. 1, Nr. 1.
Die 2 Präparate — Morbizid und Morbizid G — sind in ihrer bakteriziden
Wirkung fast gleichwertig und ttbertreffen die doppelprozentigen Lysoform-
lOsungen an Totungskraft. Sie sind daher geeignet für die Einführung in die
allgemeine Desinfektionsprazis. Dr. Wolf-Marburg.
Das Helssluftximmer) ein grosser Troekensterllisator. Von Privat-
Dozenten Dr. 0. B. v. Wunscheim in Berlin - Innsbruck. Desinfektion;
Jahrg. 1, Nr. 2.
Zur Aufnahme von größeren Haustieren z. B. Hunden, Schweinen hat
Verfasser einen Behälter konstruiert, der eine wirksame Desinfektion gestattet,
sich als ein Heißluftsterilisator von 6—10 qm Bodenfläche bei 2 m Hohe dar¬
stellt und von der Firma Lautens chläger-Berlin vertrieben wird.
Dr. Wolf-Marburg.
Zur Sterilisation und Verwendung von Gummihandschuhen* Von
Dr. A. Fießler und Dr. Y. Iwase. Aus den Universitäta-Frauenkliniken in
Tübingen und München. Münchner med. Wochenschrift; Nr. 33, 1908.
Die Verfasser berichten in eingehenden Ausführungen über ihre Unter¬
suchungen bezüglich der zweckmäßigsten Dampfstcrilisation und darauf fol¬
genden Trockenbehandlung der Gummihandschuhe, ln einem Nachtrag zu den
betreffenden Ausführungen zieht Prof. Dr. Doederlein die von den Verfassern
geübte Behandlnngsweise der Gummihandschuhe den anderen bisherigen
Methoden vor. Es ist nicht nur die aus den bakteriologischen Untersuchungen
sich ergebende, beruhigende Sicherheit der zuverlässigen DesinfekiionsWir¬
kung, die sowohl die Außen-, wie die Innenfläche der Handschuhe betrifft,
sondern es ist auch der Umstand, daß die Handschuhe bei der Präparation
sowohl, wie beim An- und Ausziehen mehr geschont werden, so daß deren
Verbrauch ein geringerer wird. Endlich bat der Operateur die Annehmlich¬
keit, trockene Hände zu haben, wodurch die Bildung des gefürchteten Hand-
schuhsaftes vermieden wird. Näheres mit Abbildung der benötigten’Dampf-
und Trockenapparate im Original. Dr. Waibel-Kempten.
Erster Jahresbericht der Desinfektionsgenossenschaft der Gemeinden
des Kreises IMedenbofen Ost* Von Dr. Giß, Kreisarzt. Straßburger med.
Zeitung; 1908, Heft 2.
Verfasser berichtet über die einjährige Tätigkeit der im Frühjahre 1907
gegründeten „Desiofektionsgenossenschaft des Kreises Didenhofen Ost", welche
bezweckt, für die Gemeinden, welche ihr angeboren, die bei der Bekämpfung
ansteckender oder gemeingefährlicher Krankheiten entstehenden Kosten für
Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften.
788
Desinfektions- and sonstige Maßregeln zu bestreiten, und fttr die Beschaffung
und ünterhaltnng der zar Bekämpfang an Epidemien nOUgen Oesinlektions*
Apparate und der Ansrüstnngsgegenstände fttr Desinfektoren pp. zn sorgen.
Zar leichteren Darchfttbrnng der Desinfektionsmaßregeln wurde der
Kreis in 5 Desinfektionsbezirke eingeteilt, und fttr jeden Bezirk ein im Dm*
infektionswesen grttndlich aasgebildeter Kantonaldesinfektor angestellt. Die¬
selben, möglichst gleichmäßig ttber den ganzen Kreis yerteilt, haben sich
nötigenfalls gegenseitig za vertreten and aaszahelfen. Alle diese Dminfektoren
sind auf Kosten der Genossenschaft mit einem besonderen Dminfektionsanznge
nnd der daza nötigen Aasrttstang versehen.
Aaßerdem ist noch ein kleiner fahrbarer, zweirädriger Dampfdminfektions-
apparat beschafft worden.
Sobald ein Desinfektor in Tätigkeit treten soll, stellt der Kreisarzt hei
dem Kreisdirektor — aaf Formaler den Antrag, woranf dem Dminfektor um¬
gehend der entsprechende Auftrag erteilt wird.
Nach beendeter Arbeit legt der Desinfektor seine mit dem Kontroll-
vermerke dm Bürgermeisters nnd Kreisarztes versehene, auf Formular ansge¬
stellte, Bechnang dem Kreisdirektor vor, welcher den Betrag sofort vorschnft*
weise anweist.
Am Schlosse des Jahrm werden dann die Gesamtaaslagen der Ge¬
nossenschaft, anf sämtliche dem Syndikate angehörenden Gemeinden dm Kreises
im Verhältnisse ihrer Stenerprinzipale verteilt; diese Kosten betragen im
laufenden Jahre nur 1,33 pro mille der Stenerprinzipale. Die durchschnitt¬
lichen Kosten einer Schiaßdesinfektion betragen 10 Mark (einschließlich Beise,
Tagegelder and Desinfektionsmittel). Dazu kommen noch die Kosten fttr den
Transport des Desinfektionsapparat mit 85 Pfg. jttr jeden Kilometer.
^ Zar Erleichterung der Darchftthrang der laufenden Desinfektion worden
sämtliche im Kreise verstreut wohnenden 10 Krankenschwestern, so 10 andere,
in geschlossenen Krankenanstalten tätige Krankenschwestern in dem bakteriolo¬
gischen Institats za Diedenhofen einer gründlichen entsprechenden Aasbildnng
, unterworfen. Fr. Hecker-Straßbnrg L £.
Ortshyglene. WaMerrersorgnxig und Abwftsserbeseitlgnng.
Wohnnngsmangel und Kleinwobnnngsban. Von Dr. A. Fischer*
Karlsruhe. Gesundheit; 1908, Nr. 17.
Verfasser sacht naebzaweisen, daß der Sozialhygieniker fttr die Arbeiter-
wohnangen als Baasystem Häuserblocks mit Wohnhäasein, die aas dem Erd-
gmehoß und 2—3 Obergeschossen bestehen, fordern muß, vorausgesetzt daß
diese Wohnhäuser von einer gemeinnützigen Gesellschaft errrichtet, auf
billigem Boden erbaut sind und allen Anforderungen bezüglich des Kubik-
metergebaltes pro Kopf der Bewohner, Trennang von Schlaf- and Kttchen-
ranmen, Wasscrieitang, Entwässerangsystems usw. genügen. Solche Mnster-
hänser mit Kleinwohnungen gibt es schon eine ganze Anzahl (Frankfurt a. M.,
München). Auch die Gartenstadt muß das große Mietshaus zulassen.
Dr. Wolf-Marburg.
Ueber das Schlafburschennnwesen nnd ttber Ledigenheime vom
Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege. Von Dr. Wandel-Kiel.
Deutsche Vierteljahrsscbrift für öffentliche Gesundheitspflege; 1908, XL. B., H. 3.
Schon im alten Bom waren durch das Zusammenströmen der Arbeiter¬
massen schreckliche Mißtitände in den Arbeiterquartieren hervorgerufen, die
die Behörden zum Eingreifen veranlaßten. In neuerer Zeit treten bei dem
ungeheuren Aufschwung der Industrie und bei dem rapiden Anwachsen der
Arbeiterbevölkerung in den Industriezentren die Erscheinungen der Wohnungs¬
not aufs neue und sehr kraß zutage. Die wenigen vorhandenen Wohnungen
genügen nicht; die Mietpreise steigen andauernd. Um sie zu erschwingen,
werden die Arbeiterfamilien gezwungen, sich auf das allernotwecdigste an Baum
zu beschränken und jeden nur eben freien Platz an Scblafgänger zu vermieten.
Es werden häufig Wohnungen von nur einem Zimmer gefunden, im dem außer
der zahlreichen Familie noch Scblafleuto beiderlei Geschlechts hausen. Wie
hier in Deutschland, so ist es auch in anderen Ländern. Durch ein gehende
Erhebungen hervorragender Sozialpolitiker sind die gesundheitlichen und
734
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
Bittliehen Gefahren dieses Schlafgäagerwesens eingehend beleuchtet, und hSufiger
verherend auftretende Epidemien ansteckender Krankheiten haben nur au dent>
lieh die Wahrheit ihrer Worte bewiesen. Be.sonders das immer größere Dmsieh*
greifen der Tuberkulose muß zum großen Teil hierauf bezogen werden. Von
wen Seiten werden jetzt Stimmen laut, die Maßregeln gegen die Wohnungsnot
fordern und die Vorschläge zur Besserung machen. Der Verein für öffentliche
Gesundheitspflege beschäftigte sich schon auf der Generalversammlung im Jahre
1879 eingehend mit dieser Frage. Zuerst haben nun die größeren gewerblichen
Betriebe angefangen, menschenwürdige Arboiterwohnnngen zu bauen; auch die
Kommunen haben nsich dafür interessiert; immer mehr Schlaf-, Logierbäuser,
Ledigenheime u. dergL sind erbaut. An erster Stelle stehen hier die Einrichtungen
von Krupp, ferner die 829 Vereinshäuser der katholischen Arbeitervereine n.a.
Auch für die Arbeiterinnen wurde gesorgt und eine ganze Anzahl Mädchen*
heime wurde errichtet. Am weitesten ist in dieser Beziehung England vor¬
geschritten, wo die Einrichtungen speziell der Stadt Glasgow geradezu muster¬
gültig sind. Besonders sind von den dortigen Einrichtungen die Bowtonbanser
zu erwähnen; sie sind auch für manche Ledigenheime in Deutschland ma߬
gebend gewesen. Leider fehlt in Deutschland dem Arbeiter noch das richtige
Verständnis für die gesundheitlichen Einrichtungen, resp. für die durch eine
scbiechte Schlafstelle drohenden gesundheitlichen Schädigungen. Hier bietet
sieh für die zweckentsprechende Belehrung noch ein großes Feld. Aber die
Errichtung von Ledigenheime und ähnlicher Anstalten allein kann die WobnnngB-
frage nicht lösen; es bedarf einer eingehenden Wobnungsreform. Den Arbeiter¬
familien müssen zu annehmbaren Preisen gesunde Wohnungen in ausreichendem
Maße zur Verfügung stehen, so daß sie nicht genötigt sind, durch Schlafburschen
Nebenverdienst zu suchen. Hier muß vor allem eine zweckmäßige Bodenpolitik
dem Bodenwucher Einhalt tun. __ Epd.
Zentrale Ent- und Belftftnng bei Niederdmekdampfheliung. Von
Ing. E. Ritt in Baden-Baden. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 86.
üm die Nachteile der heutigen Niederdruckdampfheiznng-systeme, die
keiner Luftablaßbähne und keiner selbsttätigen Entlüfter bedürfen, zu ver¬
meiden, schlägt Verfasser vor, mehrere Luftleitungen von genügend großem
Querschnitt sowie eine reichliche Dimensioniernng der horizontalen, längermi
Kondensleitungen in Anbetracht des durchfließenden Wassers sowie der Luft
anzubringen. _ Dr. Wolf-Marburg.
Die Heizung und Lüftung von Restaurationen und Kafäs. Von
Ingenieur G. Roose. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 36.
Am besten versieht man nicht nur die Znluftanlage, sondern auch die
obere Abluftanlage mit Ventilatorbetrieb, und zwar wählt man für die Abluft-
anlagen zweckmäßig etwas kleinere Ventilatoren als für die Znluftanlage, so
daß Deberdruck unter allen Umständen im Lokale aufrecht erhalten wird.
Für die Bestimmung der Größo des Luftwechsels legt man die Fnßbodenfläche
des Lokals oder auch die maximale Anzahl der Gäste zugrunde. Für die Be¬
heizung von Restaurationen ist die Niederdruckdampfheizung am zweck¬
mäßigsten, weil sie sowohl einer zentraien, als auch einer lokalen Regelung
si^neli Folge leistet. Bei der Verteilung der lokalen Heizfläche ist Rüdmicht
auf die Garderobe der Gäste zu nehmen. Dr. Woif-Marburg.
Ueber die ‘Trinkwasserversorgung der Städte vom ehemischeu
Standpunkt. Von Geh.-Rat Prof. W. Hempel. Städte-Zeit.; Jahrg. 6, Nr. 22.
Verfasser verlangt, daß den Städten außer einem guten, weichen Nntz-
wasser auch ein einwandfreies Trink- und Kochwasser geliefert wird, das aber
nur der Tiefe entnommen werden darf. Es fragt sich nun, wie das ansgefübrt
werden könnte. Ein radikales Mittel wäre es, wenn man in den Städten zwei
Wasserleitungen baute. Das würde jedoch sehr kostspielig sein und außerdem
noch andere Bedenken haben. Glücklicherweise kann man aber die Frage
viel einfacher lösen, indem man neben der großen Hanptwasserleitung, die das
Nntzwasser liefert in der Bescbafi'enbeit, wie es heute allgemein gebräuchlich
ist, noch in der ganzen Stadt verteilt eine Anztüil von Pumpen oder artesischen
Brunnen hat. Man muß dann die Menschen so erziehen, daß sie sich dort ihr
Kleln«re Hittellongen und Sofente ans Zeitiohriften. 786
Trink* und Eoehwasser holen. In unseren großen St&dten besteht jetzt die
Gefahr, daß im Falle einmal die Wasserleitnng versagt, eine ganze Stadt
plötzlich an dieser notwendigen Himmelsgabe Mangel leiden würde. Bei dem
Gelüste eines Teiles der gesamten Arbeiterbevülkerong, durch Generalstreik
einen enormen Druck austtben zu wollen, ist diese Möglichkeit keineswegs
ein bloßes Hirngespinst. Daher wäre es auch ans diesem Grunde gut, wenn
die Städte auch eine ganze Anzahl von untadelhaften Brunnen hätten. Für
die Gewinnung von Trinkwasser kommt aber einzig Gruodwasser in Betracht.
Dr. Wo 11*Marburg.
Beinigong des Trinkwassers vo n Mang an durch AlnmloatsUikate.
Von Dr. G. Noll, Ge8ündhoitff^fenleun~1908, Nr. 8*;-
Verfasser hat in seinen Versuchen nachgewiesen, daß das nach der Vor¬
schrift von Gans von der Firma J. D. Biedel-Berlin hergeatellte Alumin-
Silikat (Permutit) wegen seiner Reaktionsfähigkeit für die Beseitigung des
Mangans aus dem Wasser sehr geeignet ist. Die Nachteile, die Löslichkeit
des Permutits im Wasser, sowie seine Umsetzung durch Kohlendioxyd und der
daraus entstehende Material verlast dürften kaum imstande sein, seine Ver¬
wendbarkeit für die Technik auszuscfaließen. Es ist aber notwendig, daß bei
den jeweiligen Wässern vor der Verwendung immer erst Laboratoriumsversuche
angesteilt werden. Auch die Eostenfrage dürfte der Verwendung des Permu-
tits kaum ein Hindernis sein. Dr. Wolf-Marburg.
Die Schwankungen der Gmndwasserstände ln München. Von
Chr. Mezger-Metz. Gesundheits Ingenieur; 1908, Nr. 88.
Aul Grund der in München gemachten Beobachtungen kommt Verfasser
zu folgenden Schlüssen:
1. Das Grund Wasser steigt:
a. nach ausgiebigen BegenfaUen,
b. bei einem plötzlichen ümschl^ von Frost in Tauwetter, wenn dabei der
Boden gefroren und schneefrei ist,
c. bei starker Temperaturzunahme, auch wenn kein Frost vorherging,
d. bei lebhaften südöstlichen bis südwestlichen Winden.
2. Das Grundwasser fällt:
a. bei anhaltender Trockenheit,
b. bei Frostwetter, wenn dabei der Boden gefroren und schneefrei oder die
etwa vorhandene Schneedecke gleichfalls gefroren ist.
c. bei starker Temperaturabnahme, auch wenn kein Frost eintritt,
d. bei lebhaften nordwestlichen bis nordöstlichen Winden.
8. Der Grandwasserstand bleibt unverändert:
a. nach Begen von mäßiger Stärke und verhältnismäßig niedriger Temperatur,
b. nach der Bildung einer Schneedecke, solange diese nicht gefriert,
e. nach Ansammlung von Wasser über einer gefrorenen Bodenschicht,
d. nach dem Eindringen von Schmelzwasser in den Boden.
Dr. Wolf-Marburg.
Die Sehwanknngen der Grnndwasserstünde und der Quellenansflüsse.
Von Chr. Mezger-Meiz, Gesundheits - Ingeneur; 1908, Nr. 82.
Verfasser gelangt zu dem Schluß, daß die Witterangsvorgänge in der
äußeren Atmosphäre die unterirdischen Wasseransammlungen in dem Alluvium
des Moseltales im gleichen Sinne, wenn auch vielleicht nicht in gleichem Maße
beeinflussen, wie in dem zerklüfteten Gestein der Juraschichten, daß also weder
die Struktur des Grandwasserträgers noch die Tiefeolage des Grundwasser¬
spiegels einen wesentlichen Unterschied in dieser Hinsicht bedingen. Die besten
Aufschlüsse über diese Einflüsse wird man aber von den in verhältnismäßig
geringer Tiefe und sehr langsam sich bewegenden Grundwasserströmen der
Flußniederungen zu erwarten haben, da hier das Grandwasser unmittelbar an
der Stelle beobachtet werden kann, an der es entsteht.
_ Dr. Wolf-Marburg.
788
Kleinere Ifittellnngen and Beferate noe Zeitschriften.
Em^oher-Brnnnen* Von Oberinerenienr Pani Eorgefi. Zentralblatt
ftlr Wasserbau und Wasserwirtschaft; 1908, Nr. 25.
Der Emscherbrunnen stellt eine Kombination des reinen AbsitsTerfahrens
mit dem Faulverfahren dar, durch welche die Nachteile beider in glttcklicher
Weise vermieden und ihre Vorteile vereinigt werden.
1. Es wird nur frisches, von den Schlammteilen nach Möglichkeit ge¬
reinigtes Wasser abgciührt.
2. Der Schlamm braucht erst nach Monaten entfernt zu werden, nachdem
er eine große Konsistenz angenommen hat, schnell trocknet und keine GerueW-
belästigung mit sich führt.
8. Das Volumen des Schlamms wird durch Ausfaulung und Konzen¬
trierung äußerst vermindert; derselbe enthält nur 80**/o Wassergehalt, wie
der Schlamm ans Faulranmanlagen anderer Konstruktion.
4. Der Grunderwoib für diese Anlagen ist sehr gering, weil für die
Schlammplätze keine großen Flächen erforderlich werden.
6. Während des Betriebes der Becken, die mit geringen Kosten voll¬
ständig abgedeckt werden können, sind Geruchsbelästignngen durch aufsteigende
stinkende Gase fast ausgeschlossen, ebenso ist der ausgefaulte Schlamm fast
fast geruchlos.
6. Die Betriebskosten der Anlage sind äußerst gering, bei kleineren
Anlagen ist nur zeitweilig eine Bedienung erforderlich.
7. Das Gefälle, welches durch Einschaltung einer solchen Anlage in
den Scblußkanal verloren geht, beträgt nur wenige Zentimeter, daher wird
eine künstliche Hebung des Wassers, soweit die Kläranlage in Betracht kommt,
entbehrlich.
8. Der ausgefaulte Schlamm ist in stichfestem Zustande mit sehr ge¬
ringem Zusatz von Kohle oder Müll in gewöhnlichen Verbrennungsöfen ver¬
brennbar (z. B. System Custodis.).
Die Baukosten des Emscher Brunnens sind gegenüber anderen mecha¬
nischen Anlagen durchgehend geringer. Noch wichtiger aber sind die Erspar¬
nisse im Betriebe; denn
1) es ist jeglicher Maschinenbetrieb vermieden,
2) die Anlagen bedürfen keiner ständigen Bedienung und
8) die Schlammplage ist beseitigt.
Es darf natürlich nicht behauptet werden, daß etwa der Emscherbrunnen
für alle Verhältnisse das einzig richtige sein werde. Er wird biologische An¬
lagen oder Rieselfelder, wo solche mangels eines Aufnehmers notwendig
werden, niemals vollkommen ersetzen können, dahingegen wird er sie in vielen
Fällen entbehrlich machen, wo nur Wert darruf gelegt wird, daß unter allen
Umständen nicht ein in Fäulnis übcrgegangencs Wasser in den Aufnehmer
gelangen darf und im übrigen die Entfernung der Schwimm- und Schwebe¬
stoffe genügt. Dr. Wolf-Harburg.
Die Sehlammbeseitigung aus mechanischeu Kläranlagen. Von
Dr. ing. Kusch-Wilmersdorf, Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 16.
1. Gewöhnliche Klärbecken: Großes Schlammvolumen, ungeeignete Be¬
schaffenheit, starke Geruchsbelästigung, Betriebsunterbrechung.
2. Klärbrunnen: Großes Schlammvolnmen, ungeeignete Beschaffenheit,
Geruchsbelästigung, keine Betriebsunterbrechung.
8. Faulkammer: Geringes Schlammvolumen, teilweise geeignete Be¬
schaffenheit, Geruchsbelästigung je nach Betrieb, Betriebsunterbrechung.
4. Emscherbrunnen oder andere zweckmäßige Konstruktionen nach
gleichem Hauptgrundsätzen: Geringes Schlammvolumen, teilweise geeignete
Beschaffenheit, Geruchsbelästigung je nach Betrieb, keine Betriebsunter-
brediung.
5. Kremerapparat oder dementsprechende andere Einrichtungen: Ge¬
ringes Schlammvolnmen, geeignete Beschaffenheit, geringe Geruchsbelästigung,
keine Betriebsunterbrechung. Dr. Wolf-Marburg.
Kleinere Mitteiliuigen and Beferate ans Zeitsohriftea.
737
Hygiene der Nahrunga- und Qennaamlttel.
Die Fleiechverglftungen daroh da« Fleisch kranker Tiere nnd ihre
Terh&tnng. Von Dr. Mann-Chariottenbarg. Vierteijahrsschrift für gericht¬
liche Medizin n. Offentl. Sanitätswesen; 1908, Bd. XXXV, Heft 2.
Hetrorgernfen werden die Fleisch Vergiftungen durch den von Gärtner
nacbgewiesenen FieischvergiltungsbacUlns von Frankenbausen und den von
de Nobele nachgewiesenen Fieischvergiftnngsbacillus von Airtryck. Es
sind lebhaft bewegliche Stäbchen mit 6—12 Geißeln, nach Gram nicht
färbbar. Sie selbst und besonders ihre Tuztne sind äußerst hitzebeständig.
Sie rufen Krankheitserscheinungen hervor, die entweder unter dem Bilde eines
akuten, schweren Magenkatarrhs oder unter dem Bilde des Typbus abdominalis
verlaufen. Die Erkrankungen werden durchweg durch Fleisch notgeschlach¬
teter Tiere verursacht, weshalb im öffentlichen Interesse vorgeschlagen Ist,
solches Fleisch nicht zum Verkaufe zuzulassen. Das läßt sich aber in Anbe¬
tracht der Tatsache, daß in Deutschland jährlich ungefähr 160000 Notschlach¬
tungen aus den verschiedenartigsten Gründen ausgefUhrt werden, nicht durch-
ftthren; dagegen ist die Forderung berechtigt, daß die Fleischbeschau notge¬
schlachteter Tiere nur von geschulten Tierärzten vorgenommen wird. Die Art
der Erkrankungen der Tiere, die zu Fleischvergiftungen Anlaß geben, sind
vorwiegend septische und pyämische; diese aber nacbzuweisen, ist sehr häufig
selbst dem erfabrendsten Tierarzt unmöglch. Eine bakteriologische Untersuchung
läßt sich nur in großen Schlachthäusern mit einem gut eingerichteten Labora¬
torium usw. ausfuhren, wird jedoch unter Umständen zu lange Zeit in Anspruch
nehmen. Verfasser bat sich nun bemüht, eine bakteriologische Methode heranszu-
ffnden, die innerhalb 24 Stunden auch dem bakteriologisch nicht gescholten Tier¬
arzt Anfsebloß gibt, und glaubt, eine solche gefunden zu haben. Er benutzt
dazu Diigalski-Conradi-Agarplatten, aal die Untersuchungsmaterial ver¬
strichen wird. Die Platten kommen bei 37° in den Brutschrank; späte¬
stens in 24 Stunden hat man sicheren Aufschluß. Wachsen auf dem Agar
blaue, durchscheinende Kolonien, so ist das Fleisch zu vernichten, wachsen
nur rote Kolonien oder bleibt der Agar steril, so kann das Fleisch verkauft
werden. Bpd.
UntersnehuDg Aber Wurstzubereitnug und Wurstvergiftung. Von
William G. S a V a g e - Culchester. The Medical Press. August 1908.
Verfasser, für den die Wurst eine geheimnisvolle Zusammensetzung aller
Arten von Substanzen ist, hat die Bestandteile nnd die Zubereitung der Würste
häufig geprüft. Als Präservativmittel fand er bis zu 30 g Borsäure auf ein
Pfund Wurst verwendet, häufig auch Salizylsäure, BenzoSsäure. Er verlangt
das Verbot der Präservativmittel überhaupt; denn Würste sollen bald naä
ihrer Herstellung verkauft nnd verbraucht werden. Bei der bakteriologischen
Untersuchung verschiedenster, meist frischer Würste fand er in 92°/o des unter¬
suchten Materials in 1 g Wursifleisch mehr als 100 B. coli (in 5 Fällen von
12 mehr als 1000), was ihm ein Beweis für unzureichende Sauberkeit ist.
Große Aufmerksamkeit verdienen die zur Füllung verwandten Därme, in denen
sich bei unzureichender Behandlung stets B. coli nachweisen ließen.
Die Wurstvergiftungen führt Verfasser auf drei verschiedene Ur¬
sachen zurück:
1. Aul Toxine, hervorgerufen durch die gewöhnlichen Bakterien. Er¬
krankungen verlaufen leicht.
2. Auf Infektion mit Bakterien der Gärtner-Gruppe (B. enteritidis),
deren Toxine erst durch eine Temperatur von 60—70° 0. zerstört werden;
lebende Bazillen gelangen darum in den Verdauungstraktus und veranlassen
ernste Erkrankungen. Der B. enteritidis wird auf cUe Wurst meist durch un¬
genügend gereinigte Schweinedärme übertragen.
8. Auf die Infektion mit B. botulinus, die häufig auf den Genuß von
ungenügend gekochten Blut- und Leberwürsten zurückzäühren ist und darum
in England selten beobachtet wird.
Verfasser verlangt für die Wurstbereitung eine ständige bakteriologische,
chemische und mikroskopische Untersuchung. Dr. SoIbrig-Allenstein.
788
Kleinere HitteUiingen nnd Belerate ans Zeletchrlften.
üeber den dymanogenen Wert dee. Zackers. Von Dr. CaearinL
Qiornale di HediciBa militare; 1908, Bd. 2.
Wae die Kohle fdr die Dampfmaschine, ist der Zocker für die Moekeln.
Die ausgedehnten Versuche mit Zackerernährung bei forzierten KOrperanetren«
gungen haben sowohl in der deutschen, als auch in fremden Armeen gute
Besultate gehabt. Auch bei den unkultivierten Völkern soll der GrauS
grofier Zuckermengen vor anstrengenden Märschen usw. viellach ttblich sein
und zu schweren körperlichen Leistungen befähigen. Allerdings stehen den
Angaben Aber die günstige Wirkung auch gegenteilige Ansichten gegenüber.
Verfasser hat nun in einer Keihe von Versuchen die Leistungsfähigkeit
der Arm> nnd Beinmuskulatur von Soldaten ohne vorhergehenden Zuckergennfi
untersucht. Oie Hubkraft der Muskeln wurde nach freiwilliger oder luifrei'
williger (durch den elektrischen Strom ausgelöster) Kontraktion der Muskeln
mit dem Ergographen registriert.
Es zeigte sich, dab unter Einwirkung des Zuckers nicht nur die Hub*
kraft der Muskeln stärker war, sondern auch die Ermüdungserscheinungen
langsamer eintraten. Die vermehrte Widerstandsfähigkeit der Muskeln gegen¬
über den Ermüdungserscheinungen trat an der Beinmnskulatur stärker hervor,
als an den Armen, eine für die Marschfähigkeit der Truppe sehr wicshtige
Tatsache. Der Zucker verdient deshalb in der Kost des Soldaten ernste ^
rücksichtigung. Dr. Dohrn-Hannover.
Zicherie* Von Dr. H. Zellner-Wilmersdorl Zentralblatt für alL
gemeine Gesundheitspflege; 1908, 7. und 8. Heft.
Zn seinem in dieser Zeitschrift, Nr. 18 vom Jahre 1908 (S. 484) be¬
sprochenen Artikel bringt Verfasser eine kurze Mitteilung, in der er auf Grund
einer großen Zahl ihm zugegangener Gutachten von Aerzten nnd CUemikem
seine erste Ansicht von der Schädlichkeit der Zichorie znrücknimmt. Auflor-
dem erklärt Verfasser, daß er Einblick in die Fabrikation von Zichorie ge¬
nommen und dabei eines Besseren belehrt worden sei Dem Wunsche des Ver¬
fassers, von dieser Berichtigung Notiz zu nehmen, muß entsprochen werden.
Ob aber eine genaue Prüfung nnd Einsichtnahme in die Fabrikation des
beliebten Kaffeeersatzes oder Zusatzes nicht vor Veröffentlichung der ersten
Arbeit geraten gewesen wäre?! _ Dr. Solbrlg-Allenstein.
Geheime Bleivergiftungen. Gesundheit; 1908, Nr. 16.
Es wird auf die trotz aller Vorschriften immer noch vorkommenden Ver¬
giftungen mit Blei durch bleihaltige Wasserleiiungsrohre, durch Steingut (blei¬
haltige Glasur), Bleifolie, Bierglasdeckel, Abziehbilder etc. hingewiesen. Das
Blei wirkt fast in jeder Form, auch in den geringsten Mengen schon hi tau¬
sendsten Teilen eines Grammes, wenn es längere Zeit dem Körper zugefühxt
wird, giftig und führt zu Störungen der Gesundheit. Angesichts der viel¬
fältigen Menge metallener Gebranchsgegenstände, mit denen wir umgehen,
die von Nahrungsmitteln berührt werden, und angesichts des Umstandes,
daß trotz der Gesetze immer wieder das Blei in unzulässiger Menge auftritt,
sollte man bei Krankheitsfällen, die sich anders nicht zwingend klar erkennen
lassen, immer auch die Frage aufstellen: Lieget nicht irgendwie die Möglich¬
keit einer Bleivergiftung vor? _ Dr. Wolf-Marburg.
Säuglingspflege.
Die Entwleklung der SängllngsfOrsorge nnd deren Stand Ende 1907*
Von Beg.-nnd Med.-Bat Dr. Nesemann in Berlin. Deutsche Vierteljahrs-
si^ift lür öffentliche Gesundheitspflege; 1908, XL. Bd., H. 8.
Verfasser gibt zuerst einen üeberblick über die Gründe, die zu dieser Be¬
wegung geführt haben, wie sich allmählich bei der erschreckend hohen Sterbe¬
ziffer der Kinder in den ersten Lebensjahren — in Deutschland betrug sie in den
Jahren 1891—1895 im Durchschnitt 24**/, nnd erreichte in einzelnen Städten
(Ingolstadt) sogar die Höhe von 40,9 *'/o — immer mehr die Erkenntnis Bahn
S ebrochen hat, daß hier unbedingt eingegriffen werden mußte. Es wurden genaue
irhebnngen über die Ursachen und das Wesen der Sterblichkeit angosteUt, die
V. ^ ^ ^ U Vi
Klaiaer« HitteUaagen und Befcrate ans Zeiticliriften.
739
•rgaban, daS baaonders die kanitlich ernährtea Kinder daranter za leiden
hatten, bei denen die Sterblichkeit z. B. in Berlin sechsmal so groß war. Ferner
wnrde festgestellt, daß dort nnr noch 33*’/, der Kinder mit Mnttermilch
ernährt wurden, ln anderen Ländern, wie z. B. Norwegen, Schweden, Eng¬
land osw., wo die Kinder fast ausschließlich mit der Brust genährt werden,
war die Sterblichkeit eine erheblich geringere.
Bahnbrechend auf dem Gebiete der Säuglingafärsorge war Frank¬
reich ; hier wnrde der Kampf am frühesten und in ausgedehntestem Maße anf-
genommen und hat, wie Verfasser darlegt, schon sehr gute Erfolge erzielt.
Die hauptsächUchsten Einrichtungen sind dort die Secours d'ailletement,
Gonttes de lait and Consultations dos nourrissons. Auch Amerika, Dänemark,
Ungarn n. a. haben auf dem Gebiete vorzügliche Einrichtungen und Erfolge
Torznweisen. In Deutschland gebührt in erster Linie dem Verein für öffent¬
liche Gesundheitspflege das Verdienst, hier durch Wort und Tat bahnbrechend
gewirkt zu haben. Anfang dieses Jahrhunderts begann er den Kampf in der
energischsten Weise and bald griff die Bewegung immer weiter um sich, so
daß im Jahre 1905 schon eine ganze Beihe Städte Milchverteilungsanstalten,
Säuglingsfürsorgestellen und dergl. eingerichtet hatten. Vor allem ist Char¬
lottenburg zu nennen, das, wie so häufig in hygienischer Beziehung, auch hier
an der Spitze marschierte. Wesentlich gefördert wurden die Bestrebungen durch
Ihre Majestät die Kaiserin, die den Vaterländischen Frauenverein anwies, sich
der Säuglingsfürsorgo anzunehmen, und durch die Unterstützungen, die von
seiten der Behörden der Angelegenheit zuteil wurden, so daß jetzt der Kampf
im ganzen Deutschen Reiche im großen Umfange aufgenommen ist. ln erster
Linie wird durch Belehrungen, Gewährung von Stillprämion, Einrichtung von
Stillzimmern für die in gewerblichen Anlagen beschäftigten Mütter usw. darauf
hingewirkt, die Mütter zu veranlassen, ihre Kinder selbst zu nähren. Dann
sind zahlreiche Fürsorgestellen errichtet, wo einwandsfreie Kindermilch zu
billigen Preisen abgegeben wird; jetzt bestehen sie wohl in jeder größeren
Stadt. Die Mütter erhalten dort auch Rat; in einzelnen Fürsorgestellen werden
unentgeltlich ärztliche Sprechstunden abgehalten. Ferner sind verschiedene
Säuglingsheime errichtet worden und weitere im Bau begriffen. Besonders ist in
dieser Hinsicht die in Charlottenbnrgim Ban befindliche Kaiserin Augusta-Viktoria-
Anstalt zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, die eine Zentrale für die ganze
Bewegung bilden soll, zu nennen. So steht jetzt auch Deutschland nicht mehr
gegen die anderen Länder auf dem Gebiete der Säuglingspflege zurück. Rpd.
Städtische Säuglingspflege in Bixdorf. Von Dr. M. Cohn. Zeitschr.
1 Säuglingsfürsorge; 1908, Nr. 9.
Bei dem kurzen Bestehen der Säuglingsfürsorgo in Bixdorf und dem
begrenzten Umfange ihrer bisherigen Wirksamkeit ist es natürlich nicht an¬
gängig, hier bereits von weittragenden Ergebnissen und Erfolg zu sprechen.
Durch Gewährung eines größeren Etats ist es jedoch nunmehr möglich geworden,
die ärztlichen Beratungsstunden dreimal wöchentlich abzuhalten, eine Schwester
anzusteUen und die Unterstützungen für notleidende Mütter, insbesondere an
Stillende, an die jetzt neben Milch im Bedarfsfälle auch andere Lebensmittel,
wie Reis, Gries, Mehl, Zucker abgegeben werden, zu vermehren.
Dr. Wolf- Marburg.
Sängllngsstarbltchkelt in Kiel* Von Dr. med. Spiegel. Zeitschrift
1 Säuglingbfürsorge; 1908, Nr. 9.
Im Jahre 1906 betrug die Säuglingssterblichkeit in Kiel 18,5’/o. Die
Verteilung der Todesfälle auf die einzelnen Monate des Jahres zeigt, daß
der sog. Sommerzipfel, der den Einfluß der akuten Ernäbrnogsstörungen kenn¬
zeichnet, für Kiel in die Monate August uud September fällt. Die Sicrblich-
keitsziffer bei den ehelichen Säuglingen zeigt genau eine Abstufong der wirt¬
schaftlichen Lage entsprechend bei den Arbeitern 19,9 "lo, beim Mittelstände
11,9 °/o, bei den höheren Ständen 6^o. Mithin ist die Saaulingssterblichkeit
abhängig von der sozialen L>ge der Erzeuger. Die Sierblichkeitsziffer der
unehelichen Kinder ist um 12*/o höher als die der ehelichen. Ferner ist die
SäuglingHsterblicbkeit in ihrer Höbe immer abhängig von der Ernährung und
den Ernährungsstörungen, namentlich bei den unehelichen und armen Kindern.
740
feinere IfitteUaageii und Eeferate aiulZeitscliriftsiu
Die HaoptsteTblichheit findet sich in den ersten 2 Tagen (ca. */io ftller Sterbe-
lälle). Erfrenlicherweise herrscht an den berufenen Stellen der Stadtverwaluing
Tolles Verständnis fttr diese Frage; seit Beginn dieses Jahres ist die 5e>
rufsTormundschaft eingeftthrt; städtische Pflegerinnen kontrollieren alle in
Aufienpflege gegebenen Kinder. Dr. Wolf-Marburg.
Sohulhygiene.
Die Einriehtnng der hSheren Sebulen. Von Prof. A. Fisch er-Ham-
borg. Gesunde Jugend; Jahrg. 8, H. 4.
Verfasser tritt fttr eine besonders gründliche Ventilation der Schul-
räume ein; als Heizsystem empfiehlt er die Niederdruckdampfheizung. Die
Treppen liegen am besten eut<reder in der Mitte oder an beiden Enden des
Gebäudes. Es muß fttr ausreicbeade Einrichtungen zum Beinigen der Fttße
f esorgt werden. Es ist gut, wenn der Turnplatz fttr Qebungen im Freien Tom
pielplatz fttr die Pansen getrennt ist, damit der Unterricht nicht gestört wird.
Wenn der Spielplatz an einer Seite ein Schutzdach erhält, können sich dort
bei schlechtem Wetter die Schüler in den Pansen anfhalten; sonst müssen die
Flure breit genug angelegt werden. Neben dem Konferenzzimmer sollte noch
em Arbeitszimmer Torhanden sein. Ueber die Fragen, ob auch fttr höhere
Schulen besondere Schulärzte notwendig sind, und ob geschlechtliche Fragen
im Unterricht oder auch beim Abgang Ton der Schule erörtert werden sollen,
ist man sich noch nicht einig. Ferner ist die Frage der gemeinsamen Er¬
ziehung der Knaben und Mädchen auch noch im Fluß. Nach dem Kindesalter
ist nach der Ansicht des Ve/fdssers getrennter Unterricht — auch auf der
UniTersiiät — besser. Die Mitwirkung der Laien in einem SchulTorstand
oder einer Schuldeputation ist angebracht. Dr. Wolf-Marburg.
Hilfsgchulzöglinge und Milltfirdlensteignung. Von Begimentsarzt
Dr. E. Mattausebek. Zeitschrift f. d. Erforschung des jngcndL
Schwachsinns; Bd. II, Heft 1.
1. Oie große Anzahl der mangels geeigneter Vorkehrungen alijährlich
in das Heer eingestellten geistig schwachen IndiTiduen erheischt ein dringendes
Einschreiten, um diesem Tom paritativen, psychiatrischen und humanitären
Standpunkte gleich wichtigen Zweige der Schwachsinnigenfürsorge gerecht zu
werden.
2) Eine der wichtigsten Grundlagen zur rechtzeitigen Erkennung und
Beurteilung der Mitiiärdiensteignung der Schwachsinnigen im allgemeinen
bildet die Kenntnis der Vorgeschichte, yorausgegangene psychische Erkrankung,
insbesondere des Schalerfolges, des Urteils des Lehrers und Schularztes.
8. Die weitaus überwiegende Mehrzahl j* ner Individuen, welche in der
Normalscbule nicht fortkummen und mit Abgangszeugnissen entlassen werden,
ist zum Militärdienste untauglich. __Dr. Wolf-Marburg.
Ergebnlase der BHckgratsuntersuchnngeii Magdeburger Sebnlkinder
In den Jahren 1905—1907. Von Dr. £. Kirsch-Magdeburg. Gesunde
Jagend; Jg. Vlll, Nr. 6.
Es fanden sich im ganzen unter Knaben und Mädchen 25,0**/(, Skoliosen.
Die 7 Schuljahre liefern aber bei weitem nicht so Tiel schwere Skoliosen, wie
die 6 dem Schulbeäuch Torangehonden Während der Schulzeit vermehrt sich
von den Volksscbulkindero, die bisher fast sämtlich jeder ärztlichen Behand¬
lung in dieser Hinsicht entbehren, die schwere Skoliose um und die
leichte um 8,5*’/o. Der Schwirpaokt ist auf die Versorgung der unteren
Klassen durch Einrichtung von orthopädischen Turokursen zu legen; es ist
aber wohl ohne weiteres verständlich, daß das Aussnehen der Kinder nur
durch ärztliche Untersuchung zu bewerkstelligen ist, ebenso wie eine ständige
ärztliche Einwirkung bei der Handhabung des orthopädischen Turnens — soll
dasselbe seinen Zweck erfüllen — sich als unerläßlich erweisen wird.
Dr. W 0 1 f - Marburg.
Bericht Aber die scbulfirztliche Tätigkeit an den Tolksscbnlen der
Stadt Dortmund fttr das Schuljahr 1906/1907. Von Dr. med. Steinhaus,
Staatschularat. Zentralbl. fttr allgem. Gesundheitspflege; 7. u. 8. Heft, 1908.
Kleinere Mitteflnngen und Referate ans Zeitschriften.
741
Dortmund hat 88 Schalh&oser mit 457 Eiassenr&amen, aoßerdem
10 Eiassen fflr die Hilfsschulen; einfreschult waren im Berichtsjahr 29 590
Kinder. Nachdem Verfasser die ausftthrliche Dienstanweisunir fttr den städtiuchen
Schularzt wiedergegeben hat, bespricht er die einzelnen Mängel, die sich bei
den Besichtigungen ergeben haben:
a) Bänke: Außer wenigen neueren Schulhäusern, die auf dringendes
Anraten des Schularztes z. T. mit der Betttgbank versehen sind, sind sämt>
liehe Scbulhäuser mit durchaus unzweckmäßigen Bänken versorgt; auch stan¬
den in den Klassen fast darchweg unrichtige Bankgrößen. Zur Abhilfe dieses
Mangels soll eine größere Summe in den Etat eingesetzt werden, um allmählich
die alten Bänke durch neue zu ersetzen, b) Ventilationsanlagen: Auch hier
ergaben sich mancherlei Uebelstände. ln vielen Schulhäusern sind die Anlagen
ttberhaupt nur dürftig, manche haben nur Einrichtungen für Sommerventilation,
bei 17 Schulhäusern war die Ventilation in nicht funktionsfähigem Zustande.
An einer neu erbauten Schule funktionierte die zentrale Anlage falsch,
cl Die Reinigung ließ durchweg zu wünschen übrig und erfuhr erst eine wesent¬
liche Besserung, seit auf Anregung des Verfassers das staubbindende Fußöl zur
Anwendung kam. d) Die tief dnnkelgrauen Fenstervorhänge absorbierten zu
große Mengen von Licht und waren ans diesem Grunde absolut unzureichend.
Verfasser hat die Verwaltung darum ersucht, dieselben allmählich durch belle
zu ersetzen, neue Schulhänaer aber mit weißen Vorhängen ausznstatten.
e) Die Belichtung mehrerer Klassen des Erdgeschosses einiger Scholen war
nicht ausreichend, da Sstöckige Häuser zu dicht an die Schulen herangebaut
waren, f) Die Trinkwasserversorgnng bildete durch die verschiedensten
Uebelstände eines der größten Schmerzenskinder, doch hat das städt. Hochbauamt
durch Einführung des Laenger-Bronnens an 8 Scholen einer einwandfreien
Trinkwasserversorgung die Wege gebahnt. Da die sogenannten Springler-
brnnnen mit der einen Düse für Scbulhäuser mit 1000—1500 Kinder nicht
ansreichen, sind 8 Springler zu einem Brunnen in der Peripherie einer gu߬
eisernen Brnnnenschale vereinigt; 2 derartige Bronnen sind für eine Schule
als ausreichend befanden. Kinder haben sich auffallend schnell an diese
Wasserentnahme gewöhnt, g) Abort-undPissoiranlagen. Man ist jetzt
immer mehr dazu übergegangen, die Aborte mit künstlicher Beleuchtung und
richtiger intermittierender Wasserspülung in die Kellergeschosse der Schul-
häuser zu verlogen. Die Pissoiranlagen wiesen an fast allen Schulhäusern
Mängel auf; jetzt werden die verputzten Wände nicht mehr mit Wasser be¬
spült, sondern mit einem desodorisierenden Anstrich von roher Karbolsäure ver¬
sehen, der aber notwendigerweise öfter erneuert werden müßte, als bisher, h) Die
Schulplätze waren mit gänzlich ungeeignetem Deckmatorial versehen und
wurden zu wenig gesprengt, sodaß der Staub in großen Mengen aofgewirbelt
wurde; erfreulicherweise ist man jetzt dazu übergegangen, die Schulhöfe mit
Eies zu bedecken. Das nach den Pansen herumliegende Frübstückspapier wird
in einigen Schalen mittelst großer Zangen aufgclesen und in Körben fortge¬
tragen. Als Besonderheit ist noch anzuführen, daß einige Schulhänser durch
den Lärm des Straßenverkehrs so belästigt werden, daß selbst bei nur teil¬
weisem Oeffoen der Fenster der Lehrer rieh nur schwer verständlich machen
kann. Darum wird immer wieder dringend eine Asphaltierung der betreffen¬
den Straßen verlangt.
Bei Besprechung der Krankheiten der Schulkinder betont Verfasser,
daß diese Seite die wesentlich unbefriedigende in der Tätigkeit des Schularztes
sei. weil er wohl die Erkrankung des Kindes feststellen, aber weiter nur wenig
helfen könne, da den Eltern beim besten Willen eben die Mittel für Arzt und
Apotheker fehlen; auf irgendeine Weise müsse es sich erreichen lassen, daß
auch die Kinder der arbeitenden Klassen an den Segnungen der staatlichen
Versicbernngsgesetzo teilnebmen. Im Berichtsjahr wurden als krank ermittelt
2469 Kinder; 570 Ueberwachungsbogen für kränkliche und der ständigen Kon¬
trolle bedürftige Kinder wurden ausgestellt.
Sehr erfrenliches berichtet Verfa^-ser in dem Kapitel über die Wohl-
tätigkeitseinrichtnn gen für skrophulöse, blutarme und lungenkranke Kinder.
Dank der Tätigkeit verschiedener Vereine und Dank der Mittel, die durch
Stiftungen zur Verfügung stehen, wurden im Berichtsjahr in Soolbäder ge¬
schickt 704, in Heilstätten 35, in Ferienkolonien 80 Kinder; Müchfrühstück
742
Kleinere Bfltteiliuigeii nnd Beferste ails Zeitschriften.
erhielten 620, Schnhwerk 289 Kinder. In den 14 Klassen der Hilfsschnlen
waren 273 Kinder antergebracbt; Verfasser ist mit der Art der Aoswabl für
diese Hilfsschalen nicht einverstanden and hofft im Laufe seiner Tätigkeit
manche Ihr dringend notwendig erachtete Aenderangen einftthren zu können.
Im letzten Abschnitt des Berichts erfahren wir noch von besonderen hygienischen
Maßnahmen, von Volks* und Jagendnpielen, von Schwimm- and Bade-
anterricht. Im Herbst 1906 fand ein Ferienschwimmkarsas statt, an dem in 8
^Abteilangen 160 Kinder teilnabmen; ihr jedes Bad maßte 6 Pfennige bezahlt
werden. Außerdem verfügen die Volksschalen über 2 Braasebadanlagen. Im
Berichtsjahr sind 38 taberkalöse Kinder mit Dettweilersehen Spackflaschen
aasgerüstet worden. Für die an Spraebgebrechen leidenden Kinder waren
Stotterkarse eingerichtet, durch welche von 16 Kindern 7 geheilt worden.
Verfasser ist voll Anerkennang für das große Interesse der städtischen
Körperschaften an der Schalhygiene and für das Ireadige Entgegenkommen
der Lehrerschaft. Dr. Solb rig-Allenstein.
Sckalarzt im Haupt-oder Kebenamt. Von Dr. Juba-Badapest. Zeit¬
schrift für Schaigpsandbeitspflege (Beilage: Der Schalarzt); 1908, Nr. 8.
Verfasser kommt bei seinem aaf dem internationalen Kongreß za Berlin
1907 gehaltenen Vortrag zu folgender Zasnmmenfassang:
„1. Die Schalarzr«tellang soll im allgemeinen von praktischen Aerzten
im Nebenamte eingenommen werden; Schalärzte im Hauptamte sollen nur in
ganz vereinzelten Fällen in Großstädten angestellt werden.
2. Damit mehr praktische Aerzte Gelegenheit haben, sich als Schulärzte
za betätigen, möge ihre Betrauang eine zeitlich und örtlich begrenzte sein.
Maximam 10, 16, 20 Dienstjahre und 1000 Schalkinder oder eine größere
Mittelschule.
3. Die gewesenen Schalärzte sollen in scbalhygienischen Kommissionen
ihre hygienischen, in Schalpolikliniken ihre praktischen Kenntnisse weiter im
Interesse der Schale verwerten können.
4. Die Schalärzte sollen das Recht und die Pflicht haben, armen Schal-
kindem aaf Grand ihrer Befände das Nötige verordnen za können.
Dr. Solbrig -Allenstein.
Bekämpfung des Alkoholismus.
Das Ssterreichlichn Trankenheitsgesetz. Von Gürtler, Privat¬
dozent an der k. k. Karl Franzens - Universität in Graz. Graz 1908. Verlag
von Leaschner & Lablinsky. 61 S. Preis: 1 Mark.
Die Veranlassung zu dieser Schrift gab eine in diesem Jahre in Steier¬
mark veranstaltete Erhebung über die Entstehungsart der Trankenheitsezzesse.
Es sollte fest gestellt werden, welche Betriebsstätten der Alkoholgewerbe an
der Erzeugung dieser Exzesse am ersten beteiligt sind.
Das als Trunkenbeitsgesetz zu bezeichnende österreichische Gesetz vom
23. Jani 1881 ist auf dem Boden der Anschauung entstanden, daß an der Aus-
dehnang der Trunkenheit der Branntwein allein die Schuld trage, während
Bier and Weii> mehr den hygienischen Getränken zozareebnen sind. Für die
gefährlichste Art des Brauntweinbetriebes wurde der Ausschank in ausscbliefl-
Ueb ad hoc eingerichteten Lokalen angesehen und demnächst der Kleinver-
schleiß durch Branntweinbandlangen ohne Aussebankräume. Die Erbebangen
zeigen, daß diese Annahmen in keiner Weise zatreffen. Nach den Berichten
waren die Trankenheitsexzesse häufiger durch Wein and Bier als durch den
Branntwein hervorgerofen und spielten sich häufiger in anderen Lokalen als
gerade in Branntweinschänken ab. Wer die Trunksucht bekämpfen will, muß
sich gegen ihre Entstebungsarsachen wenden; sonst kann es ihm leicht er¬
gehen wie jenem hohen österreichischen Verwaltungsbeamten, der, von den
besten Absichten beseelt, uubygienische Wohnungen sperren ließ and nachher
za seinem Entsetzen erfuhr, daß die Delogierten nunmehr unter Viadukt- and
Brücken-Bögen und in Kanälen wohnten. Dr. Paul Schenk-Berlin.
Alkoholisnias • Sterblichkeit. Von Ch. Fern et. Bulletin Nr. 39 der
Akademie der Medizin in Paris.
F. bringt die Zahlen der Alkoholismus-Sterblichkeit in einer Beihe Pariser
Kleinere Hitteilnngen and Referate ans Zeitschriften.
743
Hospitäler für einen Zeitraum Ton 10—15 Monaten. In 10,2 "/o war der Alko-
holismuB die Hiaptursache des Todes, in 23 61 **/o die Bcgleitursache. Bei den
akaten Krankheiten steht das Delirium tremens in erster Linie, viel weniger
häufig sind Pachymeningitis haemorrhagica und akute Leberrerfettung (?), Ton
den chronischen Krankheiten am häufigsten Arteriosklerose des Gehirns, Gehirn>
erweichong, interstitielle Nephritis, Encephalomeningitis diffusa, Cirrhosis
hepatis. Dr. Paul Schenk* Berlin.
Elsenbahnhyglene
Beitrag snr Etsenhabnbygiene. Von Dr. Pickenbach-Berlin. Medi¬
zinische Klinik; 1908, Nr. 36.
Verfasser unterzieht die Aborteinrichtungen und Waschtoiletten in den
Zttgen einer eingehenden Kritik und kommt zu dem Schluß, daß die Einrich¬
tungen der Abteilwagen vom hygienischen Standpunkte ans nicht befriedigen,
die det Durchgangswagen dagegen den hygienischen Anforderungen genügen.
Leider fände man auch hier nur zu häufig trotz der guten Anlagen große
Uebelstände, weil es zu viele Menschen gäbe, die sie teils absichtlich, teils
unabsichtlich in der gröbsten Weise verunreinigten. Die Einrichtung der
Wartefrauen sei da eine segensreiche; diese könnten aber nur einen ihnen
sauber übergebenen Abort sauber hallen, nicht aber einen total beschmutzten
von Grund aus säubern. Besonders in den von anderen Ländern kommenden
Durchgangswagen fände man diese unsauberen Verhältnisse vor. Am besten
wären die Einrichtungen in den Schlaf- und Lozuswagen, weil hier für jeden
Wagen ein Beamter angestellt sei, der auf Ordnung und Sauberkeit halte.
Verfasser weist dann auf die Wichtigkeit der hygienischen Abort- und Toiletten-
einrichtungen hin und macht eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Besserung
(gut funktionierende Wasserleitung, Trennung von Pissoir und Waschgelegen¬
heit, Ausgußbecken, genaue Kontrolle u. a.). Besonders wichtig sei Erziehung
des Publikums. _ Rpd.
Soziale Hygiene.
SozlalmedlzlniBche Ansknnftsstellen. Von Dr. Alexander Rabe in
Berlin. Deutsche medizinische Wochenschrift; 1908, Nr. 23.
Habe schlägt vor, eventuell mit Dntersttttzung des Leipziger Verbandes,
der Landesversicheruogsanstalten, auch reicher Privatpersonen sozialmedizinische
Auskunftsstellen zu gründen, die in allen den Arzt berührenden wirtschaftlichen
und rechtlichen Fragen Rat erteilen sollen. (So beachtenswert auch die Aus¬
führungen Eabe’s sind, so vermögen sie doch meines Erachtens nicht die
Notwendigkeit solcher Institute abgesehen von der Schwierigkeit der praktischen
Durchführung zu beweisen. Mit der Zeit wird die allgemeine medizinische
Ausbildung der Aerzte eine genügende werden, so daß jeder ohne große
Mühe den in der Praxis an ihn herantretenden Anforderungen gerecht werden
kann. Ref.) Dr. Liebetrau Hagen i. W.
Von Brztlleher Ethik. (Secret commissions). Von Dr. E. S. Mc. Kee>
Cincinnati. Vortrag vor der mcdico-legal society. The medico-legal journal;
XXV, Nr. 3, Dezember 1907.
Assoziationen zwischen Arzt und Apotheker, durch die sich der Arzt
verpflichtet, seine Patienten in eine bestimmte Apotheke zu dirigieren, sind
nach dem Urteile eines Wisconsiner Richters ungesetzlich und laufen dem
öffentlichen Wohl zuwider. In Cincinnati scheinen solche Verträge noch selten
zu sein; in San Franzisco ist es die Regel, daß der Arzt bestimmte Prozent¬
sätze für jedes Rezept von dem Apotheker erhält. Je mehr und je öfter er
verschreibt, einen desto größeren Nutzen hat er selbst.
Auch Sanatorien, Heilquellen, Fabrikanten von Patentmedizinen bieten
in Amerika den Aerzten Geschäftsantoile als Lockmittel an, um sie zu regerem
Interesse an der Empfehlung zu veranlassen. Bemerkenswert ist das nPre-
vention of Corruption Act“, ein Gesetz, das jüngst das englische Parlament
erlassen hat. Praktische Aerzte dürfen nach demselben von Geschäftsleuten
für Empfehlung ihrer Waren keine Provision empfangen; sie selbst dürfen
J
744
Besprechungen.
solche nicht an Hotelbesitzer, Hebammen n. a. fttr Znweisnng ron Kranken
bezahlen. Elin zur Eonsnltation ungezogener Arzt darf nicht mit dem be*
bandelnden Arzt sein Honorar teilen. Fttr Zaführnng klinischer Patienten
dürfen an Agenten Entschädigangen bezahlt werden — aber kein praktischer
Arzt darf eine Eotschädignng erhalten für die Empfehlnng von Patienten an
Kollegen oder an Hotels, Pensionen, Irrenanstalten oder Sanatorien.
Bei Unfällen oder Notfällen hat der Arzt — in Amerika — groBe
Schwierigkeiten, zu verhüten, daß ihm seine Patienten weggenommen und
durch Polizisten in die Krankenhänser gebracht werden, ln Cincinnati kam
es sogar vor, daß nach einem Unfalie selbst die Angehörigen des Arztes gegen
seinen Willen ins Hospital geschleppt werden sollten — nur die energischste
Einsprache konnte dies verhüten. Manche Hospitäler zahlen nämlich an PoU*
zisten und andere Hilfskräfte der öffentlichen Ordnung dafür, daß sie ihnen
Patienten bringen, Geschenke aller Art in Form von Frühstück, von Getränken
und ähnlichen Gratifikationen. Dr. Mayer* Simmem.
Besprechungen.
Dr. Borntr&ger, Reg.* und Geb. Med.*Rat in Düsseldorf: Dlät-Yor-
Bohrlften fttr Geatmde und Kranke Jeder Art. Fünfte verbesserte
und erweiterte Auflage. Würzbnrg 1908. ßtnbers Verlag. Preis: 2,50 M.
ln den in handlichem Blockformat zusammengesteUten Vorschriften
finden wir neben der rationellen Diät für Gesunde, fast sämtliche wichtigen
Krankheitsformen berücksichtigt, dabei ist sowohl auf die bemittelten, als
unbemittelten Kranken Rücksicht genommen. Neu bearbeitet ist in der vor*
liegenden Auflage die Diätetik der Schwangerschaft, des Wochenbettes und
des Säuglingsalters. Die vorzüglich ausgearbeiteteu Vorschriften ersparen
dem Arzt viel Mühe; er braucht keinen langen Diätzettel anfznstellen, sondern
kann den fertig gedruckten dem Patienten in die Hand drücken und braucht
ihn nur erforderlichenfalls mit seinen Bemerknngen ergänzen. Die Diät*Vor*
Schriften werden auch in Einzelblocks zu je 6 Stück ein und derselben Vor¬
schrift zu entsprechend billigen Preisen, die sich zwischen 10 und 35 Pig.
halten, abgegeben; eine für die praktische Verwendung recht zweckmäßige
Einrichtung. Rpd.
Dr. Zi. Katz, Spezialarzt fttr Obren*, Nasen* und Halskrankheiten In Kaisers¬
lautern : Die Krankheiten der Naaeacheldewand und Ihre Be¬
handlung. Würzbnrg 1908. A. Stübers Verlag. Gr. 8°, 167 S. Preis
6,80 M. brosch., geb. 8. M.
Die Arbeit von Katz gibt eine systematische Darstellung der Erkran¬
kungen der Nasescheidewand nach einleitenden Vorbemerkungen über die
Anatomie, über Dntersnehnngs* nnd Anäathesiernngsmethoden. Neben der
Diagnose nnd Prognose ist die Therapie in allen Kapiteln sehr gründlich nnd
klar besprochen und durch vorzügliche Abbildungen erläutert. Die Ausstattung
des ganzen Buches mit 8 Tafeln nnd 84 Abbildungen im Text ist bekannt vor¬
züglich. _Dr. Roepke-Melsungen.
Dr. O. V. Hovorka und Dr. A. Eironfeld: Yerglelohende Yolkamedlain.
Eine Darateilnng voiksmcdizinischer äirten und Gebräuche, Anschauungen
nnd Heilfaktoren, des Aberglaubens nnd der Zaubermedizin. Mit einer Ein¬
leitung von Prof. Dr. Neuburger. Mit 28 Tafeln und etwa 600 Abbildungen.
Stuttgart 1908. Verlag von Strecker nnd Schröder. Gr. 8**; Preis
geh. 22,40 M., geb. 28 M.
Von vorstehendem Werke liegen jetzt die ersten drei Abteilungen;
der I. Band mit 459 Seiten, 278 Abbildungen und 17 Tafeln und die
ersten 528 Seiten des zweiten Bandes vor. Das wohl einzig in seiner Art
dastehende Werk führt uns in das gesamte Gebiet der Volksmedizin, in die
Heilmethoden und Krankhcitsvorstellangen des Volkes ein und zwar nicht nur
einzelner, sondern aller Völker. Es gibt eine Schildernng ihrer Entwicklung nnd
zeigt, wie sich zum Teil die volksmedizinischen Sitten nnd Gebräuche der
einzelnen Völker untereinander gleichen. Neben einem Wust von Aberglauben
Tagesnachriohten.
745
nnd kindlich naiven Anschanangen fiodet man eine Menge auf richtiger
Beobachtung und langer Erfahrung beruhender Heilmittel, der sich unsere
heutige Wissenschaft nicht zu schämen brauchte. Und daß sie es auch nicht
getan hat, beweist der Umstand, daß sie eine ganze Anzahl dieser Volks-
mittelcben übernommen hat. Unparteiisch vom ärztlich • wissenschaftlichen
Standpunkte ans ist das Ganze bearbeitet; es wird in gleicher Weise auf
die falschen Anschauungen und schädlichen Folgen wie auf die guten und
nützlichen Seiten der Volks- und Heilmittel aufmerksam gemacht. Der I. Band
enthalt den allgemeinen Teil, die allgemeine Lehre von den Ursachen, dem
Wesen nnd der Heilung der Krankheiten. Wir finden darin alle heilwirkenden
Kräuter, die verschiedenen Gebräuche und Heilmethoden, die im Volksaber¬
glauben eine wichtige Bolle spielenden Tiere, mystischen Gebilde usw.
Im zweiten Band folgt der spezielle Teil nnd zwar sind die einzelnen Krank¬
heiten nach Disziplmen geordnet. Den Anfang macht die innere Medizin,
die in 7 Abschnitten: Krankheiten der Atmnngs-, Kreislauf- und Verdauungs-
Organe, Nieren-, Harn- und Geschlechtskrankheiten, Nerven- und Geistes¬
krankheiten, Blut- und Konstitutionskrankbeiten, Infektionskrankheiten, Ver¬
giftungen behandelt ist. Daran schließt sich der zweite Abschnitt; Chirurgie,
getrennt in allgemeine Volkschirurgie (Wnndverband, Blutstillung, Niüit,
Blntentziehungen, Ableitung, Geschwüre, Geschwülste, Verrenkungen, Bein¬
brüche, Bißwunden, Tollwut) und spezielle Volkschirurgie (darunter Trepanation,
Verbandstecbnik, Narkose, Hämorrhoiden, Hernien, Becchneidung, Entmannung
usw.). Am Schloß der H. Abteilung beginnt der reich illustrierte Abschnitt über
Geburtshilfe und Frauenkrankheiten. Um aus der Fülle des dargebotenen
Inhalts nur einige besonders interessante Kapitel herauszugreifen, mögen die¬
jenigen über Lungenschwindsucht, Cholera und Pest, über Epilepsie, Geistes¬
krankheit, Gicht und Rheumatismus sowie über Trepanation, Hundswut,
Schlangenbiß, Beschneidung usw. erwähnt werden. Alle Abschnitte haben
neben dem medizinisch - wissenschaftlichen auch einen großen kulturhistorischen
Wert; sie sind mit enormem Fleiß zusammengestellt nnd lassen eine ausser¬
ordentliche Belesenheit der Verfasser erkennen. Das Werk, dessen Wert
durch zahlreiche Abbildungen erhöht wird, muß nicht nur jeden Arzt, jeden
Eulturhistoriker nnd Ethnographen, sondern jeden gebildeten Menschen inter¬
essieren nnd kann warm empfohlen werden. Bpd.
Tagesnachrichten.
Zur Beform der Arbelterversicherung. Der Staatssekretär des Innern
hat zu den Ende Oktober im Beichsamte des Innern stattfindenden Sitzungen
über die Beform der Arbeiter Versicherung Vertreter folgender Interessenten-
grnppen ein geladen:
I. Zur Besprechung der Fragen der äußeren nnd inneren Organisation,
sowie des Verfahrens und des lostanzenzuges in Streitsachen der Kranken¬
versicherung Vertreter der Orts-, Betriebs-und Innungskrankenkassen, der
Enappschaftskrankenkassen, der freien Hilfskassen, sowie der Eassenbeamten.
II. Zu den Konferenzen über die Umgestaltung der anderen
Zweige der Arbeiter Versicherung (gemeinsamer örtlicher Unterbau
[gVersicherungsamt“]. und dessen Aufgaben, Gestaltung und Zuständigkeit der
mittleren Instanz [„Ober-Versichernngsamt“], Wahrung des Rechtes des Ver¬
sicherungsträgers, Instanzenzug für das Benteufestsetzuogsverfahren): Vertreter
der Landesversichernngsanstaltcn, und zwar sowohl beamtete Mitglieder, als
Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ans den Vorständen; Vertreter
der gewerblichen und der landwirtschaftlichen Unfallberufsgenossenschaften,
sowie als Vertreter der der Unfallversicherung unterliegenden Arbeiter eine
Reihe nicht ständiger Mitglieder des Reichs - Versicherungsamts.
III. Für die Beratungen der Verhältnisse der Krankenkassen zu den
Zahnärzten nnd den Apotheken Vertreter der Krankenkassen, der
Zahnärzte, Zahntechniker, der Apotheker nnd der Drogisten.
Außerdem werden an den Konferenzen teilnehmen: Vertreter des Beiebs-
Verslcherungsamts, der Landes-Versicbernngsämter, des Kaiserlichen Gesund¬
heitsamts, sowie der Reichs- nnd LandeszentralbehOrden.
Bei der zu III bezelchneten Besprechung wird es sich insbesondere um
476
SprechsaaL
die ErSrterang darüber handeln, ob bei der Behandlung von Zahnkrankheiten
neben den Zahnärzten auch die Zahntechniker gesetzlich allgemein für die
Krankenkassenmitglieder zazolassen sind; ob die freie oder die beschränkte
Apotheken wähl gesetzlich festznlegen ist, and ob den Krankenkassen in be>
sonderen Fällen die Entnahme bestimmter Heilmittel aas den Drogerien za
gestatten ist. Aach wird die Frage des Selbstdispensierrechts der Kranken*
kassen berührt werden können.
Zar Bekimpfang der Schlafkrankheit ist zwischen Deatschland nnd
England nnnmehr auch ein Abkommen vereinbart worden, das vom 1. No*
vember d. J. ab für drei Jahre gültig ist. Nach dem Abkommen haben die
englischen and deutschen Aerzte and Beamten der Konzentrationslager mit¬
einander in Berührang zu bleiben, am die Besaltate ihrer Forschungen anszu*
tauschen. Auf beiden Seiten der internationalen Grenze sollen Absonderangs¬
lager errichtet werden, in denen Eingeborene, die an der Krankheit leiden,
festgehalten werden, damit sie die Krankheit nicht in Gebiete übertragen, die
bisher von der Krankheit frei waren. Das Abkommen beschäftigt sich nach
mit den zu treffenden Maßnahmen gegen Krokodile und andere Tiere, von
denen die die Krankheit verbreitende Fliege ihre Nahrung besieht.
Die Verbreitung der Cholera scheint in Baßland tatsächlich ihren Höhe¬
punkt überschritten und in einer stetigen Abnahme begriffen za sein. Jeden¬
falls gilt dies von Petersbarg, wo die Zahl der Erkrankangen in den letzten
beiden Wochen aaf darchschnittlich 60 bezw. 27 gefallen ist. gegen 160—170
(84—85) in der ersten Woche des Oktobers und 8(X)—400 (110—160) im
September.
SpraoluHUtL
Anfrage des Kreisarstes Dr. 8t.in G.: Gehört die üntersuchang
and Begutachtung des Gesandheitszastandes von Volks-
schullehrern zar vertraaensärztlicben Tätigkeit des Kreisarztes gemäß
§ 115 der Dienstuiweisang, und sind Dienstreisen im Aufträge der König¬
lichen Begierang aas der Paaschale za bestreiten?
Antwort: Die Untersachang and Begatacbtung von Volksschallehrem
gehört zwar za der amtsärztlichen Tätigkeit der Kreisärzte, jedoch nicht zor
unentgeltlichen, denn za einer solchen sind sie nar in bezag aaf die König«
liehen Beamten verpflichtet, die Volksschallehrer sind aber nur mittelbare
Staatsbeamte. Dienstreisen zur Untersachang von Volksschallehrem sind
daher auch nicht aas der PaaschalsamTn«) zn bestreiten.
Anfrage des Dr. M. In M.t Darf ein Arzt die von ihm aus einer
Berliner Apotheke bezogenen Medikamente an seine Patienten zum Selbst¬
kostenpreise abgeben?
Antwort: Soweit solche Medikamente nach der Kaiserlichen Verordnung
vom 22. Oktober 1901 aaßerhalb der Apotheken nicht feilgehalfen oder ver¬
kauft werden dürfen, ist eine Abgabe seitens des Arztes auch znm Selbet-
kostenpreis nach § 367 Nr. 8 nicht zulässig, weil diese als ein „Ueberlassen
an Andere“ anzusehen ist. Dagegen besteht betreffs der übrigen Arzneimittel
und Arzneizabereitangen — wenigstens in Preußen — keine derartige Be¬
schränkung (Urt. des Kammergerichts vom 7. Mai 1900; Zeitschrift 1 Med.-
Beamte; Nr. 11, S. 375). _
Anfrage des Dr. A. in B.: Darf ein Arzt sich zum Stadtverordneten
wählen lassen?
Antwort: Ja. Der Kreisarzt ist kein Aufsichtsbeamter im Sinne der
§§ 17 und 80 der Siädteordnang bezw. 53 der Landgemeindeordnang and daher
wählbar (s. Entsch. des Bezirksaasschusses in Mersebarg vom 11. März 1904;
Beil, za Nr. 11 der Zeitsebr. f. Med.-Beamte, 1904, S. 116); er bedarf abtr
zur Annahme der Wahl der Genehmigang des Begierangspräsidenten (§ 27
Nr. 6a der Dienstanweisung).
Verantw. Bedakienr Pro*. Dr. Kapinnnd, B^g.- n. Geh. Med.-Rat in Minden LW
J. C. 0. Brand, Herzogl* Säobg. n. F.8ch.-L. Hofbncbdrnckerei In Minden.
«. Jahrit,
itoa
Zeitschrift
für
MEDIZINALBEAMTE.
Zmirilklitt fir dit gesurti iMundMibwitN,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
HeiaugegebeB
▼on
GeL Med.-Rat Prot Dr. OTTO RAPMUND,
Regierangs- and Hedisinnlrat in Minden 1. W.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fiseher's mediz. Buohhandlg., E Kornfeld,
Bwj^W.^TLützOT^. 10.
Insernie nehmen die
Yerlagthendlang sowie eDe Annoncen-Ixpeditlonen des ln-
and Aoslendes entgegen.
Nr. 21.
Braehelat mm. S. ud HO. Jedem Memate.
5. Novbr.
Zur Kasuistik des Giftmordes mit Kalium bichromicum.
(Ans dem gerichtlich>mediziniflchen Institute der üaiTersittt lu Tokio.
Vorstand: ProL Dr. K. Katayama.)
Von Dr. S« Mita.
Die Vergiftungen mit Kalinm bichromicum werden in neuer
Zeit besonders hSuflg beobachtet, da dasselbe nicht bloß in der
Medizin, sondern auch in der Technik stark in Anwendung ge>
zogen wird und außerdem leicht zu haben ist. Die meisten Ver¬
giftungen sind somit medizinale and gewerbliche, doch sind auch
Seibstmorde wiederholt beobachtet. Dagegen gehören Giftmorde
mit Kalium bichromicum im allgemeinen zu den äußersten Selten¬
heiten, derartige Fälle sind bisher — soweit wir wissen — ttber-
hanpt noch nicht publiziert worden.
Freilich kann Kalium bichromicum nur bei kleinen Kindern
oder hilflosen Greisen zu Mordzwecken dienen, denn erwachsenen
und vollsinnigen Personen gegenüber ei^et es sich hierzu be¬
greiflicherweise fast gar nicht wegen seiner Eigenschaften, die
es leicht verraten. Die Möglichkeit einer derartigen Vergiftong
war uns deshalb bis za dem Augenblick völlig unbekannt, wo uns
der im folgenden zu schildernde Fall zor Beurteilong vorlag.
Mit Rücksicht auf die seltene Art der Vergiftung, sowie mit
Rücksicht darauf, daß aus dem Befunde die Unwahrheit der Be¬
hauptung der Augeschuidigteu Überzeugend nachgewiesen werden
konnte, möge es gestattet sein, diesen Fall kurz zu schildern und
748 Dr. Mita: Zar Kasaiatik des Giftmordes mit Kaliam biehromicum.
die Easnietik Ton Giftmord mit Ealiom biehromicum um einen
Fall zn bereichern.
Die 56 jährige Witwe K., die in glücklichen Verhältnissen lebte, hatte
sich am 19. Febraar 1907, abends gegen 8 Ohr, wegen Schlaflosigkeit Ton ihrem
Dienstmädchen T „Schlafmittel* geben lassen. Nach etwa 80 Mlnnten befiel
die Patientin Angstgefühl; sie klagte über Unwohlsein und Schwäche, sodann
stellten sich nnerträgUch starke Schmerzen im Leibe und zngleich heftiges,
fortwährendes Erbrechen, sowie anch Durchfall ein. Die Schwäche der Patientin
nahm immer mehr zn; wiederholt äußerte sie mit der matten Stimme die Ver¬
mutung, daß die Arznei, die ihr das Dienstmädchen gegeben habe, kein „Schlaf¬
mittel*, sondern „Gift* gewesen sein müsse. Der gegen 9V> Ohr eintrtffende
Arzt fand sie schon mit kleinem Puls und im tiefen Kollaps. Es wurden
wiederholt Kamphereinspritzungen gemacht und zngleich Kochsalzlösung, sotHe
starker Kaffee und Eiweiß gegeben. Um 11 Uhr trat mehrmaliges Erbrechen
rötlicher Flüssigkeit ein, auch folgten reichliche blutige dünne Darmentleerungen.
Der Zustand blieb indessen im ganzen unverändert, bis schließlich um 4 Uhr
morgens der Tod eintrat.
Die äußeren Umstände des Falles legten sofort den Verdacht
nahe, daß die E. an einer Vergiftung gestorben sei. Das Dienst¬
mädchen Y. wurde als des Mordes verdächtig in Haft genommen,
nachdem inzwischen ermittelt war, daß sie schon seit langer Zeit
ein intimes Verhältnis mit einem medizinischen Schäler angeknflpft
hatte, der ein Geschäft beginnen wollte und dazu eines nicht ge¬
ringen Betrages baren Geldes bedurfte.
Am folgenden Tage wurde die Leiche der E. dem hiesigen
gerichtlich-medizinischen Institute überliefert und die gerichtliche
Sektion ausgefflhrt. Aus dem Ergebnisse der Obduktion seien
nur folgende, für diesen Fall wichtige Punkte kurz hervorgehoben:
Die Leiche der 141 cm großen, angeblich und anscheinend 56jährigen
weiblichen Person zeigt einen ziemlicn kräftigen Körperbau; Fettpoister und
Muskulatur sind ziemlich gut entwickelt. Die Haut der Umgebung des Mundes,
namentlich der Kinngeuend, etwas geschwollen, zeigt eine fleckige BOtung.
An der Volarfläche der linken Hand, über dem ersten Phalangealgelenke des
Zeige- und Mittelflngers findet sich eine etwa taubeneigroße Hautstelle gelb¬
lich gefärbt; diese Färbung läßt sich weder abwischen, noch abspülen.
Das Herz ist ein wenig größer als die Faust der Leiche; in beiden
Kammern und beiden Vorkammern findet sich viel flüssiges, schwarzes Blut.
In der Adventitia der Aorta innerhalb des Herzbeutels, sowie auch überall an
der Oberfläche des Herzens bemerkt man zahlreiche Ekcbymosen von Steck¬
nadelkopfgröße. Das Herzfleisch der rechten Kammer ist im großen und ganzen
von gelblich - bräunlicher Farbe; auch im linken Herzen ist die Masknlatur
granbräunlich.
Die Schleimhaut des Hachens, der Speiseröhre und des Kehlkopfes ist
iqjiziert.
Die Kapsel der Nieren ist leicht abziehbar, auf dem hyperlmischen
Duichschnitt erscheint das Parenchym gleichmäßig granweißlich getrübt.
Der Magen ist wenig ausgedehnt; seine Kranzgefäße sind dilatiert und
mit flüssigem Blut stark gefüllt. Der Mageninhalt besteht aus 270 ccm einer
trüben, blutig tingierten Flüssigkeit, in der sich eine Menge granwolkiger
schleimiger Masse befindet. Er reagiert sauer und hat keinen spezifischen
Geruch. Die Magen wand ist stellenweise wie verdickt, hart anzufühlen; außer¬
dem ist die Schleimhaut nach ihrer ganzen Ausdehnnng ödematös angeschwollen
und injiziert. Unter der Schleimbant der großen Kurvatur ist es an
mehreren Stellen, namentlich in der Nähe der Cardia und des Pyloms, im Um¬
fange eines Talerstttckes und darüber, selbst zur Blutung gekommen. In der
Gegend der Cardia zeigt die Scbleimbaut zahlreiche größere und kleinere punkt¬
förmige Ekchymosen, die stellenweise in Gruppen beisammenstehen; sonst
nirgends Erosions- oder Geschwürsbildung bemerkbar.
Der Dünndarmkanal, vom Duodenum angefangen bis hinab zur Banhin-
Dr. Zelle: Zwei gerichtsäratlich intereasuite Fülle tob BnutTerleUangen. 749
sehen Klappe, ist mit einer dem Mageninhalt gleich beeohaffenen FlttssigkMt
angefflUt; seine Schleimhaut ist stark gerOtet, die Fojersohen Plaques .sind
etwas geschwollen.
Der Dickdarm enthält ca. 160 ccm einer grau - bräunlich gefärbten
Flttssigkeit von neutraler Beaktion, in der zahlreiehe graue, schleimigelHasseB
schwimmen. Seine Schleimhaut ist rOtlich* bräunlich gefärbt, die solitären
Follikeln stark geschwollen.
Die Leber ist äußerlich blaß, mit einem verschieden stark ausgesprochenen
Stich ins Qelbiiche; der gelblich «bräunliche und etwas matte Dn^schnitt ist
verhältnismäßig anämisch und läßt die Zeichnung der Leberläppchen deutlich
erkennen.
Die Sektion hat somit eine heftige Entzflndnng der Schleim«
hant des Verdannngskanals ergeben. Mikroskopisch konstatierten
wir fettige Degeneration der Leber nnd der Herzmusknlatnr.
Bei der chemischen Untersuchung der Yorschrifts-
mäßig ans der Leiche entnommenen Organe (bezw. Inhaltmassen),
die im hiesigen pharmazeutischen Institute durch Dr. Isidn statt*
fand, wurde Chrom gefunden nnd zwar in der Forin des im Wasser
löslichen Salzes.
Die Ursache der akuten Gastroenteritis, des wesentlichsten
Sektionsbefundes, ist somit eine klare. Die Erankheitserscheinnngen
zu Lebzeiten und die Leichenbefunde stimmen genau überein; sie
entsprechen so genau dem bekannten Bilde der Kalium bichromicnm*
Vergiftung, daß hier ein Zweifel an Ursache und Wirkung absolut
ausgeschlossen werden konnte. Nur konnten wir uns anfangs
kaum die Art nnd Weise vorstellen, wie Kalium bichromicum der
Verstorbenen beigebracht war; das inzwischen vorgenommene
Verhör der Beschuldigten brachte jedoch darüber Klarheit. Sie
gab an, daß sie der Wirtin ,Snlfonal* in Oblate gehüllt gegeben
habe und blieb hartnäckig bei dieser Behauptung, auch als schließ«
lieh durch die Hausdurchsuchung die Reste von Kalium bichromicum
noch im Besitze der Beschuldigten gefunden wurden. Aus dem
Sektionsbefunde, sowie ans der chemischen Analyse war sonach
mit voller Sicherheit die Unwahrheit der Aussagen der Ange«
schuldigten erbracht; es stellte sich schließlich heraus, daß Kalium
bichromicum als „Schlaßnittel“ dadurch heimlich beigebracht war,
daß die lebhafte Röte und die enorme Bitterkeit desselben mit
Hilfe von Oblaten verdeckt worden war. Die Angeschuldigte
wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus vernrteiit.
Zum Schluß sei es mir gestattet, Herrn Prof. Dr. E. Eata-
yama für gütige Ueberlassung des Falies meinen verbindlichsten
Dank ansznsprechen. _
Zwei gerichtsärztlich interessante Fälle von
Brustverletzungen.
Von Kreiaarzt Dr. Zelle in Lötzen.
I. Eine tödliche Verletzung durch Flohertschnss.
Ich hatte am 31. Oktober 1907 Gelegenheit die Obduktion
der am 29. Oktober von ihrem Bruder versehentlich erschossenen
zwölfjährigen Marie G. zu Eranschwitz zu machen und gebe zu«
nächst folgende wichtige Punkte des Protokolis wieder:
760
Dr. Zelle.
8. Die Broet ist gut gewölbt. o» oberhalb der linkea Bnutwane
befindet sieh eine mit festem Schorf bedeckte */t cm breite and om lange
Haatdarchtrennang. Die Omgebang besitst scharfe blatige Bänder, welche
nach Enilernung des Schorles klaffen. Die Umgebung ist nicht geachwoUen,
das^Gewebe zeigt sich ringsom bis aaf die Bippen blutig durchtränkt.
16. Die Brustmuskeln sind kräftig entwickelt und Ton fleischroter Farbe.
Beim Abziehen der weichen Hautbedeckung von den Bippen zeigt sich links
in der Höhe der Brustwarze in der Mitte einer etwa talergroßen Dnrch*
tränkung der Qewebe eine erbsengroße Durchtrennung derselben mit scharfen
Bändern. Ferner zeigt sich zwischen der 8. und 4. linken Bippe 2 cm vom
Brostbein entfernt eine erbsengroße Durchtrennung der Zwischenrippen-
muskulatur. Die Umgebung dieser Durchtrennung ist an der äußeren l^te
in einem Umkreis von Markstttckgröße mit Blut durchtränkt, an der inneren
Seite zeigen sich die Bänder der Durchtrennung nach innen gestülpt; eine
Durchtrankung der Gewebe fehlt hier. Die Bippen und das Brustbein sind
unverletzt.
17. An der linken Seite des Herzbeutels befindet sich eine erbsengroße
Oeffnung mit scharfen Bändern, aus welcher auf leichten Druck Blut quillt.
Im Herzbeutel befinden sich 40 ccm zum Teil geronnenen dunkelroten Blutes.
Die Innen- und Außenhaut ist grauweiß.
Das Herz ist gewölbt, fühlt sich derb und prall an und ist von blaß-
^muer Farbe. Seine Größe entspricht der geballten rechten Faust der Leiche.
Etwa in der Mitte der vorderen Wand der linken Kammer sieht man ein
erbsengroßes Loch mit scharfen Bändern, aus welchem eia kleines Blutgerinnsel
hervorhängt.
18. Im rechten Vorhof befinden sich 6 ccm dunkelroten flüssigen Blutes;
sonst sind Kammer und Vorhof leer.
Es zeigt sich, daß das Loch die vordere Wand der linken Kammer ganz
durchsetzt hat und ebenso die hintere Wand. Die Oeffhungen sind mit scharfen
B&sdern versehen und mit wenig flüssigem Blute bedeckt. Die Vorhofskammer-
Öffnungen sind für zwei Finger durchgängig. Die Schlagaderklappen sind
schlußfähig und ebenso wie die Vorhofsldappen zart und ohne Besonderheiten.
Das Herzfleisch ist hellbraun und derb. Die rechte Kammerwand ist 4 mm,
die linke 10 mm dick. Die Kranzgefäße sind nicht erweitert. Die großen,
vom Herzen ausgehenden Gefäße sind leer.
19. Die linke Longe siebt im allgemeinen graurötlich aus, fühlt sich
überall elastisch und knisternd an. Am Vorderrande des Oberlappens, 1 cm
nach innen von dem scharfen Bande und etwa 4 cm nach unten von der
Lungenspitze findet sich eine erbsengroße Durchtrennung der Lunge mit
scharfen wenig blutdurchtränkten Bändern. Das Loch durchsetzt den Ober-
lappen und reicht 2 cm in den Unterlappen hinein. Der so entstandene Kanal
einhält etwas dunkelflüssiges rotes Blut. Seine Umgebung ist auf V* om
weit vom Blut durchtränkt; auf seinem Grunde, also im linken Unterlappen
findet sich eine erbsengroße Bleikugel, welche dem Bichter übergeben ^d.
Auf dem Durchschnitt ist das Langengewebe glatt und graurot; es entleert
sich ohne Druck wenig dnnkelrotes Blut. Auf Druck tritt solches mit Schaum
vermischt etwas stärker hervor.
28. Im Kehlkopf und oberen Teile der Luftröhre etwas blutiger Schaum.
Die Schleimhaut ist glatt. Das Zungenbein und die Knorpel des Kehlkopfes
sind unverletzt. Die Speiseröhre ist leer, ihre Schleimhaut grauweiß und glatt.
Das vorläufige datachten lautete:
L Der Tod ist erfolgt durch einen Schuß ins Herz und die linke Lunge,
n. Sonstige Verletzungen sind nicht gefunden.
Aul besonderes Befragen:
UL Die vorgezeigte Sebußwa^e*) ist geeignet, die gefundenen Ver¬
letzungen zu erzeugen.
Unter Flobertwaffen verstellt man flach Doepner*) „Hafld-
fenerwaffen, bei deflen die treibende Kraft anf einer in dem Boden
*) Eine kleine spannenlange Kinderpistole unschuldinten Aussehens.
*) AerzUiche Saidivetständigen-Zeitung; XIV, Nr. 13.
1
Zwei gericbtsSrztlicb interessuite FUle Ton Bnutrerletsiuigeo. 761
der Patrone einsrelagerten Zflndmasse bemht, und die einer eigrent-
liehen Palyerladnn? entbehren.* Während Mher Flobertgrewebre
in den Handel gebracht wurden, sieht man jetzt meistens die sehr
billigen kleinen Flobertpistolen, welche 6 mm Kaliber haben und
so Uein sind, daß sie in der Hohlband versteckt werden können.
In Laienkreisen hält man diese Scbußwerkzeuge noch immer
für ungefährlich und gibt sie Kindern in die Hand. So hatte im
vorliegenden Fall ein 14jähriger Knabe die Pistole im Besitz; er
legte im Scherz in 2 m Entfernung auf seine Schwester an, der
Schuß ging los and in 10 Minuten war das blühende Mädchen
eine Leiche.
Noch Schäfer erklärte 1900, daß man den Flobertwaffen
„kaum mehr als den Wert eines Spielzeuges* beimessen dürfe, da
Schüsse aus diesem nur zu unschädlichsten Verletzungen Anlaß
geben und, z. B. beim Schuß in die Schläfengegend, den Knochen
nicht zu durchdringen vermöchten. Jetzt ist man erheblich anderer
Ansicht geworden.
Im vorliegenden Fall hat die Zündmasse (welche ca. 0,06 g
wiegt und aus Knallquecksilber mit wechselnden Zusätzen be¬
steht) die Kraft gehabt, die Haut, das Unterhautzellgewebe, die
Zwischenrippenmuskulatur eines kräftigen 12jährigen Mädchens
zu durchschlagen, den Herzbeutel zu durchbohren, die linke
Kammer vom und hinten zu öffnen und sich noch einen langen
Kanal in die linke Lunge zu bahnen.
Da sich die Beobachtungen von Todesfällen und schweren
Verletzungen durch Flobertpistolen in letzter Zeit unheimlich *)
vermehren — Doepner (1* c*) ^ l^/> Jahren 5 derartige
Todesfälle in Königsberg obduziert — so ist ein Einschreiten der
Polizeibehörde gegen die Waffenhändler und Kaufleute, welche
diese gefährlichen Spielzeuge den Kindern überlassen, dringend
geboten. Möchte auch mein Fall zu diesem Zwecke beitragen
helfen.
IL Stichwunde in die Brnst, Verletzung einer
Art. intercostalin, Spätblntnng. jauchige Pleuropneumonie,
Pericarditis, Tod.
G-eschichtserzählung. Die 20jährige Johanne L. wurde
am 1, Juni 1907 von ihrem Bräutigam im Affekt mit einem ge¬
wöhnlichen Taschenmesser in die linke Brast gestochen. Geringe
Blutung, Wohlbefinden, Heftpflasterverband. Vom 6. Juni ab fing
die L. an zu fiebern, bekam Atemnot, am 9. Punktion mit blutigem
Ergebnis; am 10. Juni abends wurde sie von dem behandelnden
Arzt im elendesten Zustand in das früher unter meiner Leitung
stehende Krankenhaus zu Muskau eingeliefert.
Der Zustand, wie ich ihn 10 Uhr abends sah, erinnerte mich
lebhaft an die Beschreibung, welche Hildebrandt*) von Hämo-
thoraz gab. Hochaufgerichtet mit ängstlichem Gesichtsausdruck
0 König (SchaBveiletzangen am Thorax) sah 1896—1902 24 derartige
penetrierende Verletzungen durch 6 —7 mm BeTolver; 8 mal trat der Tod efw
*) Coler-Bibliothek; XXI, 1. Bd., 8.146.
762
Dr. Z«Ue.
saß die Patientin im Bett, die Arme anf dem Bettrand grestfitat,
nm die Bmst zn entlasten. Die Lippen waren livide gefftrbt, der
Kopf aofgfdnnsen, die Stirn mit kaltem Schweiß bedeckt.
Die Untersnchnng' ergrab: Temperatur 39^ keine Respi-
rationsbewegnngren auf der linken Seite, trockner blutiger Husten.
Herz ganz nach rechts gedrängt, Puls 112; Magen tiefstehend.
Die nächste Indikation war offenbar, der schwer Leidenden
Linderung zu verschaffen. Es war klar, daß es sich um eine
Blutung ans einem verletzten Gefäß (Art. intercostalis oder mammaria
int.) handeln musste. Ich war mir wohl bewußt, daß manchem
Chirurgen solch Hämothoraz als ein noli me tangere gilt, da er
einmal sich meistens schnell znrfickbildet, so daß man vielfach glaubt,
daß das ausgeströmte Blut die Blutung stillt, und dann wegen der
grossen Infektionsgefahr. Indessen sagt schon EOnig,^) es ist
„völlig unerwiesen, dass die Ffillnng des Thorax die Blutung
stillt, dagegen ist es erwiesen, dass die Menschen an den Folgmi
des Druckes sterben, wenn man den Erguss nicht herauslässt.*)
Die Furcht vor einer etwaigen Infektion konnte zu Bedenken
keinen Anlass geben, da solche offenbar schon (89® Temperatur)
vorher eingetreten war.
Ich machte demnach die Thorakotomie im ssweiten linken
Zwischenrippenranm, in dem die Stichwunde zn sehen war, und
entleerte allmählich, d. h. in einer Stunde, ca. 3 Liter flftssigen
Blutes. ’) Die Atemnot hörte sofort auf, es gelang mir aber trotz
eifrigsten Suchens und breiter Spaltung der Gewebe nicht, ein
spritzendes Gefäss zn finden. Es konnte nur festgestellt werden,
^ss die Blutung aus der II. Interkostalarterie, nicht aus der
Art. mammaria int. kam. Eine weitere Nachblutung trat auch nicht
ein, dagegen entwickelte sich leider eine septische Pleuritis. Die
Temperatur, die am 11. anf 88® gefallen war, stieg wieder am
12. und 13. auf 39, am 14. auf 40 Grad ; der Wunde entströmte
ein pestilentialischer Geruch, so dass ich am 15. die Resektion der
III. Rippe 4 cm nach innen von der hinteren Achsellinie vomahm
und gleichzeitig die Wnndöffnung vorne erweiterte. Non war
eine Kommunikation zwischen Wundöffoung und Resektionsöffbnng
geschaffen; es wurde täglich zweimal mit 2 Liter abgekochtem
Wasser dnrchgespfilt, was der Patientin sehr wohl tat. Der
ffirchterliche Gestank verschwand; es entleerten sich anfangs
reichlich, dann spärlicher verjauchte Blutklfimpchen und Eitw*
masse.n. Die Temperatur sank anf 88,7® am 17., blieb dann auf
ca. 89® stehen. Die Kräfte und das Allgemeinbefinden hoben sieh
aber; ich hoffte schon die Verletzte dnrchzubringen, als am
21. mittags plötzlich nach völligem Wohlbefinden der Tod eintrat.
1) Berliner Klin. Wochenschrift; 1908, 8. 727.
*) Aach Hildebrandt (1. c.) r&t den Hbnothorax su ponktierai; er
iah bei abwartender Therapie 4 Verwondete qaalroll an^nde geben. Br
sagt: „Eintretende Fiebererscheinangen mit Erschwerang der Eespiratioii er¬
heischen die Thorakotomie.
*) Blat im Thorax gerinnt selten, da infolge der wie eine normale
QefäBwand funktionierenden Pleura das Blut lange flttssig bleibt (Barthelukd:
Inaug. Dissertation; 1905).
Zwei geriohts&ntlieh iatereMUite FUle Ton BnutTerletiOBgen. 768
Die Sektion am 24. Jnni ergab folgendes:
8. Die Brnflt ist gat fr^wOlbt, die ZwieebenrippeBrSiime etwas ein¬
gesunken, die HUchdrOsen sind schlaff. Ans den Brnstwarzen 166t sich nichts
ansdrttcken. Im zweiten linken Zwischenrippenranm sieht man nach Entfernung
eines Jodoformgazeverbandes eine 7 cm lange, 8 cm breite klaffende mit grau-
grOnen Bändern versehene Oeffnung, welche 8 cm von dem linken Brustbein¬
ende besrinnt und der zweiten Rippe parallel verläuft. Diese Wunde durchsetzt
Haut, ünterhautzellgewebe und Zwischenrippenmuskulatur; man sieht durch
sie deutlich in der Tiefe die blaugrftne linke Lunge.
9. Der Bauch ist flach, die Bauchdecken sind straff, Schwaagerschafts-
narben fehlen.
10. Die Wirbelsäule ist grade.
Auf der linken Seite des Bflekens handbreit unter dem Schulterblattwinkel
liegt 4 cm nach innen von der hinteren Achsellinie eine 6 cm lange und 2 cm
breite, klaffende längs verlaufende Wunde mit schmierig belegten Bändern,
welche hier und da mit Blut betrocknet sind. Die nähere Untersuchung zeigt,
daß hier ein etwa 5 cm langes StQck der 7. Rippe kunstgerecht entfernt ist
Aus der Wunde ragt ein 15 cm langes Drainrohr heraus.
16. Die Milchdrflsen zeigen auf der Schnittfläche wenig entwickeltes
Fettgewebe. Auf Druck entleert sich keine Flflssigkeit. Das Brustbefai ist
unverletzt, seine Innenfläche zeigt anf der linken Seite an den Ansatzstellen
der Rippen schmierigen graugrtlnlichen Belag.
16. Im linken Brnstfellsack finden sich etwa 60 ccm rOtliehgelber«
stinkender Flflssigkeit, im rechten etwa 100 ccm schwach rötlicher. Die rechte
Lunge ist graurOtlich und zurflckgelagert, sie wird zum Teil vom Herzen be¬
deckt. Die linke Lunge sieht schmutzig blaurot aus und läßt sich von ihrer
Oberfläche ein schmutziggrflner Belag abstreifen.
Das Lungen- und Rippenfell ist rechts feucht glänzend und ohne Belag,
links sieht es blaugrflnlich schmierig aus und ist mit einer 0,1 cm dicken
schmierigen Masse bedeckt. Das MittelfeU ist auf der linken Hälfte schmutzig-
grfln, rechts blaßrOtlich. Die Brustdrftse ist mit Fett durchwachsen und
geschrumpft.
17. Das Herz liegt nach rechts verlagert und zsrar so, daß seine obere
Grenze die zweite rechte Rippe, seine linke Grenze der linse BrustbeiBrand
und sdne rechte Grenze die rechte Brustwarzenlinie bildet.
Der Herzbeutel sieht äußerlich graurot aus. Beim Aufschneiden zeigt
er sich verdickt und total mit dem Herzen verwachsen. Nachdem die Ver¬
wachsungen mit deih Finger gelöst sind, zeigt sieh als Inhalt ein Eßlöffel hell¬
rote Flflssigkeit. Die Innenbaut des Herzbeutels ist grauweiß, uneben und
getrflbt. Das Herz ist gewOlbt; es fflhlt sich schlaff an, ist von blaßroter
Farbe und wenig von Fett durchwachsen; die Eranzgefäße sind leer. Die
Große des Herzens entspricht der geballten rechten Faust der Leiche.
19. Bei der Herausnahme der linken Lunge zeigt sich, daß diese
besonders hinten und unten derart mit dem Rippenfell verwachsen ist, daß
die Verwachsungen teils mit dem M<>s8er gelöst werden mflssen. Die Farbe
der linken Lunge ist schmutzig graugrflnlich. Sie fflhlt sich flberall knisternd
an. Auf dem Darchschnitt ist das Gewebe lufthaltig glatfund bläolich- bis
dunkel rot. Es entleert sich ohne Druck etwas dunkelrotes flfl8sig<>s Blut. Auf
Druck fließt etwas schaumigrote Flflssigkeit und dunkelrotes flflssiges Blut
hervor. In den größeren LuftrOhrenästen findet sich gelblich flüssiger stinkender
Inhalt. In den feinsten Verzweignneen sitzt spärlicher grau weißlicher Schleim.
Ihre Schleimhaut ist bläulichrot. Die Lnngenblntadem sind leer, 'ebenso die
Schlagadern. Das Lungenfell zeigt flberall sdunierigen graugrflnlichen, bis 1 cm
dicken käsigen Belag.
20. Die rechte Lunge sieht graurOtlich aus und fflhlt'^ sich flberall
elastisch und knisternd an. Auf dem Durchschnitt ist das Gewebe glatt, luft¬
haltig und graurot. Es entleert sich ohne Druck etwas schaumig weiße Flflssig¬
keit und dunkelrotes flflssiges Blut. Auf Druck tritt beides stärker hervor.
Die LuftrOhrenäste und ihre Verzweigungen enthalten etwas grauweißen Schleim.
24. Die.Rippen sind unverletzt mit Ausnahme der VH. linken
Rippe, von welcher .... ein etwa 5 cm langes Stflck fehlt.
764 Dr. Zelle: Zwei geriohtBäietlich intereeante FiUe tob BinatTerletxDBgeD.
Vorläüfiges Gutachten:
L Der Tod iat infolge eitriger Bnutfellatsflnduig und Herzbeutel*
entzttodung erfolgt.
n. Die Brustfellentzündiuig iat die Folge eines Stiches in die Brust
Auf Befragen des lUchters:
m. Das uns Torgelegte Messer*) ist geeignet, die Verletzung herbei*
Zufuhren.
Der klinische Verlauf im vorliegfenden Falle war also der,
dass der Messerstich die II. Art interc. links geöffnet hat. Treffen
Stichwunden den Thorax in rechtwinkliger Bichtung, so ist der
Wnndkanal meist sehr kurz, in tangentialer Richtung kann der*
selbe jedoch besonders in den Abschnitten, wo starke Muskel-
Polsterung liegt, einen längeren Kanal darstellen. In jedem
Zwischenrippenranm liegen bekanntlich 2 Art. intercostales, die
der oberen Rippe folgende ist die kleinere, die die untere Rippe
begleitende weit grösser. Zum Teil liegt die letztere, die
aUein von Belang ist, etwas hinter der Rippenwand in einer
Furche, so dass sie nur durch einen schräg nach oben und innen
gehenden Stich verletzt worden kann. Vor der Arterie liegt die
Vene, hinter ihr der Nerv.
Meistens wird bei einer Verletzung die Rippe mit getroffen.
Dies war hier nicht der Fall.
Blutungen nach Stichverletzungen der Art intercostalia
können primär oder sekundär sein. Froriep*) fand bei 14 Stich*
Verletzungen 13mal sofortige Blutung; in dem einen Fall war die
Wunde durch vorgefallene Weichteile verlegt, welche die Blutung
verhinderten. (Bei Schußverletzungen tritt dagegen die sofortige
Blutung nur in einem Drittel der Fälle ein.) Die primäre Blutung
kann eine enorme sein. So entleerte in einem Falle eine Arterie
4 Pfund Blut. Der Ausgang ist demnach auch meistens schlecht.
Von 15 Fällen im amerikanischen Bürgerkrieg endeten 11 letal.
Beck') beobachtete 1870—71 98 tödlich verlaufene penetrierende
Brustverletzungen, von denen 24 an Blutung starben, und zwar
stammte diese Blutung 18 mal aus der Lunge, 5 mal aus der Art
intercostalis bezw. mammaria. Stromeyer (Maximen der Kriegs-
heilknnst) berichtet über einen Fall, wo wegen Empyems die
Thorakotomie gemacht wurde, die Ari. intercostalis wurde ver¬
letzt und Patient starb an Verblutung.
Eine Unterbindung der Art. intercostalis ist nicht immer
leicht, schon Beck sa^: „Bei Blutungen ans Zwischenrippen¬
arterien könnte nur unter günstigen Verhältnissen mittelst Um¬
stechung etwas genützt werden, da meistens der Sitz der Blutung
nicht genau zu bezeichnen ist.“
Thierry und Dulac*) meinten, daß die Verletzungen der
Art. intercostalia im mittleren Drittel des Zwischenrippenraums
*) Ein gnwObnlichea, nicht aehr Bchnrfea, aber apitzigea Tzacbenmener.
*) Ueber Verblntnng nach Verletzung einer Inteikoatalaiterie. Beitrag
zu klin. Chirurgie; 1898, Bd. 22.
a) Chiraräe der ScbußTerietzungen.
De lableeaue des artbrez intereoatalea. Paria 1885.
Dr. Ejff: Der piaktisohe Wert des poeitiTen Widal. 766
am gfeffthrliehsten aeieii, weil sie dort am yersteekteaten and
in der Längsrichtnnpr angeschnitten nicht gnt gefust werden kann.
In unserem Fall schloß sich die Wnnde in der Arterie spontan;
erst vom 6. Tage an fing die Nachblntnng an, sich geltend
zn machen. Es war inzwischen Infektion der Wnnde eingetreten;
in den Pfropf, welcher die Oeffiinng der verletzten Arterie ver¬
stopfte, waren Mikroorganismen eingedmngen. Wie Hilde-
b ran dt sehr anschaulich beschreibt, beginnt die Lösung des
Verschlusses an einer umschriebenen Stelle, durch diese ent¬
stehende Lücke kann anfangs nur wenig von dem Gefäß-Inhalt
nach außen gelangen. Ist der Thrombus ganz durchweicht, so
tritt eine gewaltige Nachblutung ein.^) Diese fiämorrhagie zeigt
sich klinisch durch die Atemnot und die Verdrängnngserscheinnngen.
Die vorgenommene Thorakotomie entsprach der vitalen In¬
dikation; es trat auch eine weitere Nachblntnng nicht auf,
obwohl das blutende Gefäss nicht gefunden werden konnte. Die
feste Tamponade verschloss auch ohne Unterbindung die Arterien-
wnnde dauernd, aber nun zeigte sich wie Momburg*) ganz
richtig schreibt; ,Spätblntnngen haben einen sehr perniziösen
Charakter. *) Sekundäre Erscheinungen von seiten der Pleura und
der Lungen trüben die Prognose." ESs trat auch hier eine ver¬
hängnisvolle Komplikation ein, indem sich eine jauchige Brustfellent¬
zündung") einstellte.
Vielleicht hätte jedoch auch diese dem Leben der Patientin
nicht ein Ende gesetzt, da sie durch die infolge der Bippenresektion
ermöglichten ausgiebigen Spülungen sich besserte, wenn nicht
die Veränderungen am Herzen (adhäsive Pericarditis und Endo¬
karditis) zum tödlichen Herzschkg geführt hätten.
Der praktische Wert des positiven WMai.
Von Dr. Ejff in Nimptscb, Sanitätorat, staats&rztlich approbiert.
Mit Hilfe der Wi dal sehen Reaktion ist die Typhnsdiagnose
wesentlich verfeinert. Bisher ist die Annahme, daß der positive
Widal das Vorhandensein eines Typhus beweist, durch keine
gegenteilige Beobachtung widerlegt. Dieser Tatsache ist behörd-
Ucherseits durch die Errichtung von Medizinal-Untersuchungs-
Stellen Rechnung getragen, welche die Blutproben unentgeltlich
zu untersuchen verpflichtet sind. Allmählich ist die Zuhilfenahme
der Widalschen Reaktion von allen Aerzten als ein wertvolles
Mittel anerkannt worden, die Diagnose Typhus zu sichern. Die
*) Die mebtea Nacbblntaagen fallen in die 2. oder 8. Woche (Hilde-
braadt). Billrotb (▼. Langenbecks Archir; XX., S. 462) eab am 16. Tage
eine solche aas der Mam. dextra. Palmer sah eine tödliche Naehblatong
noch am 64. Tage.
*) VerOffentlichangen aas dem Gebiete des Militärsanit&tswesens; H. 19.
*) Nach Beck ftthrten Spltblatangen in 60 Ton 69 Fällen sam Tode.
*) Einen ganz ähnlichen Fall wie den meinen beschreibt Volkmann
(Beitr. z. Chiror^e; 1836); er yerlor einen Fall von StlchTerletzong der Brost,
den ein Barbier tamponiert hatte, aa Veijaaohaag des Pleoraezsodates.
756
Dr. Eyff.
anf&ngUche n^tiye und manchmal recht lan^e anableibende
positive Reaktion mft allerdings den ünmnt vieler Kollegen her*
vor und bewirkt, daß mancher dem Widal nicht diejenige große
Bedentnng znmißt, welche ihm in Wirklichkeit znkommt. Da es
aber nichts Vollkommenes in der Welt gibt, so darf man a priori
anch von dieser Reaktion nicht stets den gewfinsehten Anfschlnß
erwarten. Wie außerordentlich wertvoll jedoch der positive
Widal bei der Benrteilnng von Krankheitsformen ist, die zwar
den Verdacht eines Typhns erregen, klinisch aber von dem Dnrdi-
schnitts* nnd Schnlverlanf eines Typhns außerordentlich abweichen,
beweisen folgende Fälle, welche ich im Städtischen Erankenhanse
Nimptsch vom 9. Oktober 1907 bis heute zu beobachten Oblegen-
heit hatte.
Fall 1 warde am 9. Oktober 1907 wegen Paaailtiams anfgenommea.
Inzision an demselben Tage. Amll. Oktober Temperaturanstieg: 89,5^ Da die
Wunde diesen nicht erküren konnte, auch organische Veränderungen nicht
gefunden wurden, anderseits die Patientin ans einer versenchten Gegend
stammte, wurde die Blutprobe gemacht- Diese ergab posiUre Reaktion; ebenso
die am 80. Oktober eingesandte. Am 24. NevemW war sie negativ, ebenso
am 6. Dezember. Am 13. Oktober kritischer TemperatnrabfaU. Leichter fieber*
freier, weiterer Verlauf. Entlassung am 18. November 1908.
Fall 2. Aufgenommen am 13. November 1907. Temperatur 40,2*>
Seit 8 Tagen krank. Untersuchung der Organe ohne Befund. Am 14. No¬
vember positiver Widal. Bis zum 21. November langsamer TemperatnrabfalL
Vom 22. November fieberfreier Verlaut Am 6. Dezember negativer WidaL
Entlassung am 13. Dezember 1907.
Fall 3. Plötzliche Erkrankung am 26. Dezember 1907 mit schnell ein-
tfetender Somnolenz, Erbrechen, Durchfall. Am 27. Dezember Temperatur 40,2
Entfieberung am 80. Dezember. Weiterer Verlauf fieberfrei. Am 28. Dezember
positiver, am 9. Januar 1908 negativer Widal, ebenso am 17. Januar 1908.
Fall 4. Erkrankung am 81. März 1908 mit Erbrechen, Kopf- und
heftigen Schmerzen in der Gallenblasengegend. Positiver Widal am 2. April
nnd am 21. Mai 1908. Sechs Tage (vom 81. März bis 5. April 1908) 89*—41*;
darauf kritischer Abfall. Am 11. April Temperaturanstieg infolge exsudativer,
durch Punktion festgestellter Pleuritis. Fieberloser Verlauf. Entlassen am
24. Mai.
Fall 6. Erkrankt am 26. Juni mit heftigen Kopfschmerzen, hohem
Fieber, Durchfall. TemperatnrabfaU am 28. Juni. Leichter Temperatur¬
anstieg infolge Diätfehler am 7. Juli. Fieberloser Verlauf seit dem 14. JoU.
Die erste Blutprobe am 26. Juni verUef negativ; die zweite am 80. Juni
positiv auf Paratjphus; die dritte am 6. Juli Widal positiv; die vierte am
11. JnU negativ; die fönfte am 30. Juli positiv auf Paratyphns.
Pall 6. Erkrankte am 20. Juli mit heftigem Erbrechen nnd Dnrch&U.
Bei seiner Aufnahme ist die Temperatur eine normale. Blutproben am 28. Juli
und 80. JnU ergaben positive Reaktion.
Sämtliche Fälle zeigen einige gemeinsame Eigentfimlich*
keiten.
Der Beginn ist ein plötzlicher, mit hohem Fieber nnd
großen Beschwerden verbundener. Schttttelfrost, Erbrechen, z. T.
Somnolenz geringen oder hohen Grades leiten die Erkrankung
ein. Nach wenigen Tagen klingt das schwere Bild gewöhnli^
kritisch ab; der weitere Verlauf ist ein fieberloser. So zeigt:
Fall 1 ... 4 Tage Fieber, FaU 4 ... 6 Tage Fieber,
Fall 2 ... 9 „ „ Fall 6 ... 8 , ,
FaU 8 ... 4 „ „ FaU 6 hatte nur 2 Tage nach der
Aufnahme leichte Temperatnrsteigemng bis 37,6*.
Der praktische Wert des pesitiTen Widal.
767
Nach der Entflebemn^ ist die BekonTaleszenz eine besehwerde-
lose, schnell zur Gesnndongf fahrende. So wird
Fall 1 nach 84
FaU 8 « 89
Fall 8 , 84
Tagen eaüassenv
» n
» n
Fall 4 nach 65 Tagen entlassen,
FaU6 , 66 „
FaU6 . 20 ,
Fall 4 nahm längere Zeit in Ansprnch infolge einer Rippen-
fellansschwitznng, die am 12. Tag einsetzte; Falls infolge einer
im Anfang nicht streng genug dnrchgeiahrten Diät, die am
13. Tage der Behandlung einen nochmidigen 7 Tage dauernden
Temperaturanstieg zur Folge hatte.
Trotz dieser die Genesung verzögernden Komplikation blieb
der einzelne Fall durchnittlich nur 38 Tage in Behandlung.
Diese galt immer erst dann als abgeschlossen, wenn der Patient
wenigstens 8 Tage mit gutem Appetit jegliche Nahrung zu
sich nahm.
Diese leichten Fälle bezeichneten wir frflher als gastrisches
Fieber. Ohne die Tatsache, daß der positive Widal ünterleibs-
typhus beweist, würde kein Diagnostiker die Behauptung, daß in
diesen Fällen zweifellos Unterleibstyphus vorlag, anfstellen dürfen.
Zum mindesten wflrde die Natur der Erkrankung fraglich geblieben
sein, da bei der Mehrzahl der Fälle die den Verdacht untersttttzen-
den und den Beweis fahrenden klinischen Symptome fehlten.
Weder Roseolen, noch Milztumor waren in beweiskräftiger Form
vorhanden, Durchfälle nur selten. Nur das Fieber, welches durch
nachweisbare Organerkrankung in keinem Falle zu erklären war,
gab Veranlassung zur Blutentnahme behufs Untersuchung; zum
Teil auch die Tatsache, daß die Patienten aus verseuchten
Gegenden stammten oder mit Typhuskranken in Bertthrung ge¬
kommen waren.
In 5 Fällen war der Widal schon bei der ersten Blutein
Sendung positiv, also schon am 2. Tage der Erankenhausbehand-
lung. Dies mag Zufall sein, beweist aber doch, daß in weitaus
den meisten FäUen die Reaktion, wenn überhaupt, schon anfangs
positiv ist.
Von großem Interesse ist die Dauer der positiven Widalschen
Reaktion in diesen Fällen. Wir wissen, daß diese bei den an
Typhus Erkrankten jahrelang positiv bleiben kann, daß wir daher,
bevor wir den positiven Widal für die Diagnose verwerten, fest-
steilen müssen, daß der Patient nicht schon Unterleibstyphus ge¬
habt hat. Es ist selbstverständlich, daß in den zur Besprechung
herangezogenen Fällen diese Frage verneint worden ist. Hier
wird der positive Widal
im Fall 1 + aogetroffen am 2., — am 43. Tage,
im Fall 2 -j- „ „ 2., — am 22. ,
im Fall 3-1- „ »2., — am 12. „
im Fall 4 -|- n 2., — ebenso am Tage der Ent-
lassong. d. h. am 66. Tage,
im Fall 6 „ „ 11., — am 66. Tage,
im Fall 6 -j- , n 2., — ebenso am Tage der Ent¬
lassung, d. h. 20. Tage.
Aus dieser Beobachtung geht hervor, daß in ’/g dieser Fälle
das Agglntinationsvermögen ein recht kurzes war. In einem Fall
758 Dr. Eyff.
trat es verspätet am 11. Tagfe auf and war am 16. Tag^e schon
verschwanden.
Nar in zwei Fällen war die Reaktion noch am Tag^e der
Entlassang', d. h. am 55. and am 20. Tage eine positive. Es ist
bisher nicht klar, wovon die geringere oder größere Agglatinations-
daaer im einzelnen Falle abhängt; es scheint, als ob die Schwere
der Infektion einen ansschlaggebenden Einfloß aasflbt. Von den
beobachteten Fällen verliefen 4 leicht nnd verloren schnell die
Agglatinationskraft. Die beiden anderen Fälle (Nr. 4 and Nr. 6)
zeigten allerdings aach einen darchans leichten Charakter and be*
hielten doch das Agglntinationsvermögen. Es ist sicher von In¬
teresse, an der Hand einer größeren Zahl von Blntantersnchnngen
bei Typhnskranken festznstellen, ob im allgemeinen die Däner des
Agglntinationsvermögens parallel der Schwere der Erkranknng geht
and ob das Vorhandensein der Agglatinationskraft noch nach Jahren
einen Schloß aaf die Schwere des darchgemachten Typhös ge¬
stattet.
Die Fälle beweisen ferner, daß im Verlauf einer Typhus-
epidemie der Krankheitscharakter ein gänzlich veränderter wer¬
den kann. Wir haben vom Jahre 1900 bis znm Jahre 1907
75 Typhen im hiesigen Erankenhause za behandeln gehabt. Darch-
schnittlich dauerte die Behandlnng der Genesenen 45 Tage. Von
diesen Erkrankten starben 15, d. h. 20®/o. Die Dauer der Er¬
krankung and der hohe Mortalitätsprozentsatz beweisen zur Qa-
nftge, daß der Krankheitsverlanf fast stets ein schwerer war.
In der Tat erinnere ich mich nicht, Typhen hier beobachtet za
haben, die nicht wenigstens 3 Wochen ihre typischen Temperataren
zeigten, wohl aber oft Fälle, die recht sc Wer verliefen, immer
wieder unerwartete Temperatursteigerungen aufwiesen und recht
lange Zeit in Anspruch nahmen, üm so ttberraschender war mir
der eigenartige Verlauf des am 9. Oktober 1907 aufgenommenen
Falles. Seit dieser Zeit kamen im Ganzen 8 Typhen zur Beob¬
achtung, von denen 6 diesen kurzen Verlauf zeigten. Auf Grund
dieser Beobachtung ist der Schloß gerechtfertigt, daß im Kreise
Nimptsch die Virulenz des Typhuskeims eine wesentlich abge¬
schwächte und daß die Erkrankung, welche durch den so ver¬
änderten Typhuskeim hervorgerufen wird, eine von dem gewöhn¬
lich sonst beobachteten Verlauf außerordentlich abweichende kurze
and verhältnismäßig leichte geworden ist.
Je schwerer unter diesen Umständen die Diagnose Typhus
auf Grund der Beobachtung des klinischen Verlaufs geworden ist,
um so wichtiger ist die Zuhilfenahme der Widalschen Reaktion;
denn nur durch sie ist es möglich, die Diagnose zu sichern and
so rechtzeitig diejenigen Maßnahmen zu treffen, welche einer
Weiterverbreitung Vorbeugen. Diese leichten Fälle zu erkennen
und sie rechtzeitig zu isolieren, wird im sanitätspolizeilichen In>
teresse von größtem Wert sein. Sie sind für die Allgemeinheit
gefährlicher, als schwere Fälle, die — isoliert — unschädlidi
gemacht sind.
Ist aber durch solche Fälle, wie ich sie beschrieben habe.
Der prekiieehe Wert des podtiTen Widel. 769
nachg'ewiesen, daß besondere Formen der Typhuserkrankangen
nnr durch die Widalsche Reaktion nachgewiesen werden können,
so ist um so mehr die von mir schon im Jahre 1903 anfgestellte
Forderang (cf. Zeitschrift für Mediziaalbeamte 1903) za wieder-
holen, daß in allen typhasverdächtigen Fällen auch wenn die Tempe¬
rataren nach wenigen Tagen normale geworden sind, die Blat-
entnahme möglichst am Tage der Uebernahme der Behandlang von
jedem Arzt, zam wenigsten aber vom zuständigen Kreisarzt,
gesetzlich za fordern ist.
Schwierig ist die Beantwortong der Frage, welche Ma߬
nahmen bei derartig leichten Formen sanitätspoiizeilich getroffen
werden mtlssen. Die Isolierung im Erankenhause bis zur de-
sondong wäre die beste, wirksamste Maßregel. Sie wird häufig
an dem Widerstande des sich verhältnismäßig wohl fühlenden
Patienten scheitern. In solchen Fällen wird nichts übrig bleiben,
als darch vernünftige Vorsteilangen die Patienten zur Vorsicht
zu ermahnen and ihnen anzageben, wie allein durch eine zweck¬
mäßige Behandlang der von ihnen gelieferten Ezkrete weiteres
Unheil vermieden werden kann. Die lykargische Verordnung,
derartige gemeingefährliche Menschen zwangsweise abzasondem,
wird in unserer die Freiheit des Individaams möglichst wenig
beschränkenden Zeit keine genügende Unterstützung finden. Eine
solche gesetzliche Maßregel wäre aber das sicherste und beste
Schutzmittel.
Zum Schluß sei mir gestattet, noch kurz eines Falles (Nr. 7)
zu gedenken, der am Tage vor seinem Ableben als Typhus mit Hilfe
der Wi da Ischen Blutprobe diagnostiziert wurde.
Die 56j&hrige Patientia wurde am 24. April im Erankenhause aufge-
nommen. Die Untersuchung ergab eine lobuläre Entzündung des rechten oberen
Lappens. Innerhalb 6 Tage lytische Eaifiebernng. Am 10. Tage plötzlich
Temperatursteigerang bis 40,2**. Da neue Erkrankungen von Langengebieten
nicht nacbgewiesen werden konnten, anderseits die Patientin somnolent
wurde, ließ ich die Widalsche Blutprobe am 4. Mai 1908 machen. Sie ergab
positive Beaktion. Am Tage nach derselben, am 6. Mai, trat der Tod ein.
Die Sektion bestätigte die Lungendiagnose. Im Verlaul des Darmtraktus
ließen sich schwere Veränderungen nicht nachweisen. Größere Partien des
Dickdarmes sahen leicht gerötet aus. An einer Stelle war die Schleimhaut
geschwürähnlich, wallförmig aufgeworfen. Aasgebildete Geschwüre wurden
nicht gefunden.
Dieser Fall ist interessant. Er beweist wieder, daß neben
einer schweren organischen Erkrankung eine Typhusinfektion
gleichzeitig Vorkommen kann; ferner, daß die Diagnose Typhus
auch hier nur mit Zuhilfenahme der Wi dal sehen Reaktion sicher
gestellt werden konnte, und drittens, daß zu einer Zeit, in der
schwere Vergiftungserscheinungen klinisch beobachtet werden,
schwere Veränderungen im Bereich des Darmtraktus nicht ge¬
funden zu werden brauchen.
Die Wichtigkeit des positiven Widal und sein praktischer
Wert werden durch diese Beobachtung zur Genüge bewiesen.
Dem Arzt, der gewöhnt ist, Unterleibstyphen in alter Weise
zu bewerten, wird es schwer fallen, sich zu der Annahme zu
entschließen, daß Typhen einen anderen kürzeren Verlauf haben
760 Der Entwarf eines Giesetsos, betr. die Bereitsteliang von Mitteln la Dienst*
können^ als die Typhen, welche wir als Dorchsehnittstyphen aui
der Universität kennen gelernt haben. Anderseits werden wir
nicht ambin kOnnen aui Grand der angeführten Beobachtangen
zazageben, dass im Verlaafe einer Epidemie das Viras derart ab¬
geschwächt bezw. in seinem Charakter geändert werden kann,
daß es nar im Stande ist, leichte abortive Erkrankungen hervor-
znrafen. Als Kliniker würde ich am liebsten diesen Erkrankungen
den Namen Febris gaetrica zalegen; der positive Widal zwingt
ans aber, den Namen Typhös zu wählen.
Sache der weiteren Forschung wird es sein, festzustellen,
dass der positive Widal nie bei anderen Erkrankangen gefunden
wird. Solange gegenteilige Beobachtungen nicht gemacht werden,
müssen wir ihm jedenfalls die Beweiskraft für das Vorhanden¬
sein eines Unterleibstyphus beimessen und so seinen Wert als
einen ausserordentlichen bei der Sicherung der Diagnose Typhus
einschätzen.
Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Bereitstellung
von Mitteln zu Diensteinkommensverbesserungen und die
erste Beratung des Abgeordnetenhauses Uber den Entwurf.
Vom Herao^geber.
Die Bestimmungen des vorstehenden Entwurfes, soweit wie
sie für die Medizinalbeamten in Betracht kommen, lauten wie folgt :
g 2. Die Gewährang der Diensteinkhnfte aueschliefilieh der Wohooiiga*
f eldzaechttsse erfolgt aal Grand der anliegenden Besolhangsordnong an die in
ieser aafgeltthrten Beamten.
Die Bezüge für Nebenämter and Nebenbeschäftigiugen, soweit nicht die
Besoldangsordnang hierüber Bestimmangen enthält, bleiben Ton Torstehender
Vorschrift anberührt.
Aenderangen der Besoldangsordnang können durch den Staatshaoshalts*
Etat erfolgen.
§ 3. Den im § 1 and im § 2, Abs. 1 enthaltenen Vorschriften Uber
DiensteinkommensTerbesserangen der Beamten wird rückwirkende Kraft tob
1. April 1903 ab beigelegt. Dies gilt nach zagansten der seit dem Beginne
des Etatsjahres 1908 aas dem Dienste geschiedenen Beamten mit der Wirkung,
daß auch die Pensionen der nach dem 1. April 1903 in den Bnhestand ge¬
tretenen Beamten and die Versorgangsansprücne der Hinterbliebenen der n^t
dem 1. April 1908 verstorbenen Beamten anderweitig festgesetzt werden.
Die Vorschrift dos Abs. 1 findet auf die unter § 6, Nr. 1 b bis f dieses
Gesetzes vorgesehenen DiensteinkommensTerbesserangen and FondserhOhoages
entsprechende Anwendnng.
§ 4. Soweit das Diensteinkommen eines Beamten an Gehalt, Zalagen
and Wohnangsgoldzaschaß oder Mietsentschädigaog für das Eiatsjahr 1908
hinter den buherigen Bezügen znrückbleibt and bei den Beamten, welchen
auf Grand des Nachtrags zam Staatshaushalts-Etat für 1908 einmalige Za-
iagen gewährt worden sind, nicht am den Betrag dieser Zulage verbessert
wird, ist die Staatsregierupg ermächtigt, über den Etat den Unterschied ab
nichtpensionsfähigen Zaschaß zu bewilligen. Der bewilligteZoschnß wird
bb za dem Zeitpunkte gewährt, mit dem durch Gehaltserhöhung oder Aafsteigen
im Gehalte, durch Zulagen oder durch höheren Wohnangsgeldsascbaß oder
höhere Miotsontschädigung ein Ausgleich eintritt: hierbei bleiben ErhOhiuigea
des Wohnungsgeldzaschasses oder der Mietsentschädigang insoweit außer Aa-
recbnung, als sie lediglich infolge der Versetzung an einen Ort einer hOherea
Ortsklasse eintreten.
eiakomiiMnsverbeaserangeii nnd die I. fiemtang im Abgeordnetealieiue niw. 761
In gleicher Weise kann den Pensioniren, welche im Staatsdienste wieder
angestellt worden sind, ein etwaiger Anslali an Pension nnd Ihensteinkommen
bis m dem angegebenen Zeitponkt ttber den Etat ersetzt werden.
In der Begründung zn dem Gesetzentwurf heißt es:
Nachdem in den letzten beiden Jahren der Wohnongsgeldzaschnß der
ünterbeamten erhöht worden, die Gehälter zahlreicher luterer nnd mittlerer
Beamten des Außendienstes eine dringliche Anlbessernng erfahren haben and
die Pensions* nnd Hinter bliebenenbezttge der Beamten and Volksschnllehier
Terbessert worden sind, beabsichtigt nnnmebr die Staatsregierang in bereit*
williger Betätignog ihrer FOrsorgepflicht and in üebereinstimmnng mit der
mehrfach kandgegebenen Aolfassang der Landesvertretang, das bedentsame
Werk einer allgemeinen Nearegelang der Einkommensbezttge der anmittelbaren
Staatsbeamten, der Volksschallebrer and der Geistlichen beider christlichen
Konfessionen zam Abschlaß za bringen. Durch die gegenwärtige Vorlage
wird eine Aafbesserang der Besoldangen in einem solchen Umfange and mit
Aafwendang so großer Staatsmittel erfolgen, wie sie bisher noch nicht in
Preußen auf einmal stattgefanden hat.
Bei den etatsmäßigen unmittelbaren Staatsbeamten flndet nach den Vor*
Schlägen der Besoldangsordnnng eine allgemeine Aafbesserang der Gehälter
der Unterbeamten, durchweg auch der mittleren und eines großen Teils der
höheren Beamten statt. Wie bisher soll aach in Znkanft die Gewährong eines
Wohnangsgeldzaschasses an die etatsmäßigen Beamten im Beicbe und in
Preußen nach den gleichen Grundsätzen erfolgen, insbesondere soll die im
Beiche Torgesehene Neaeinteilang der Orte nach Ortsklassen aach für Preußen
maßgebend sein. Die fttr das Beich in Aussicht genommenen veränderten ge*
setziichen Vorschriften wegen Gewährung von W ohnungsgeldzuschttssen stod
im Bandesrate noch nicht darchberaten worden. Nach den beabsichtigten
Aenderongen soll eine namhafte Erhöhung der Wubnungsgeldzaschlisse für alle
Beamtenklassen eintreten, wobei die 1906 erfolgte Aafbesserang des Wohnangs*
geldznschasses der Unterbeamten Berücksichtigung finden mußte. Für Preußen
bt nach dem gegenwärtigen Stande der Beratungen mit einer Mehrausgabe
von rund 28 Millionen Mark für Wobnungsgeldzus^üsse zu rechnen.
Ferner sollen die Diensteinkünfte der diät arisch beschäftigten
Beamten mit Ausnahme weniger Beamtenklasssn heraufgesetzt werden.
Unter Ausgleichung nicht mehr berechtigter Verschiedenheiten und unter
Berttcksichtigung der gegenwärtigen Lebens* und TeuerungsTerhältnisse sollen
die Besoldangen derjenigen Personen neu geregelt werden, für welche der
Staat als Dienstherr unmittelbar zu sorgen verpfiichtet ist oder fttr welche
zwar die Fürsorge anderen öffentlichen Verbänden in erster Linie obliegt, fttr
die aber der Staat, soweit diese Verbände zur Erfüllung ihrer Fürsorge*
Terpfiichtungen unvermögend sind, mit seinen Mitteln helfend einzutreten für
geboten hält. Die vorgesehene Erhöhung der Bezüge für unmittelbare Staats*
beamte, Lehrer und Geistliche erscheint in gleichem Maße dringlich und kann
daher nur einheitlich in Kraft gesetzt werden.
Aus alledem erhellt die große wirtschaftliche und soziale Bedeutung der
Maßnahme. Einerseits bt es ein hocherfreulicher Vorgang, wenn durch die
gedachten Aufwendungen das Einkommen von hunderttausenden Angestellten
öffentlicher Verbände erhöht, die Lebenshaltung dieser überwiegend dem Mittel*
mande angehörigen Bevölkerangsteile erleichtert, ihre Arbeitsfreudigkeit und
ihre Hingebung an die öffentlichen Interessen gehoben wird. Anderseits ist
aber als Kehrseite auch nicht die schwere nach Hunderten von Millionen sich
beziffernde Belastung zu verkennen, die der Gesamtheit der Bevölkerung hieraus
erwächst. Bei allem Wohlwollen, das die Staatsregierung fttr die ihrer Fttr*
sorge anvertrauten Beamten hegt, war daher eine Beschräckung der Gehalts*
aufbesserungen auf das Maß des Notwendigen geboten, um die Lasten aus der
weiteren Anspannung der Staatsmittel für die produktiven Stände nicht Über
Gebühr ansteigen zu lassen und die Erfüllung der anderen dem Staate ob*
liegenden Kulturaufgaben nicht zu gefährden. Es mußte überall die mittlere
Linie zwischen den vielfach weit gesteckten Ansprüchen und Wünschen der
Beamten nnd der schuldigen BUcksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit
des Staates sowie der steuerlichen Beschwerung der Bevölkerung innegehalten
werden.
762 Der Eatworf eiiiee Geeetsee, betr. die Bereitetelliug tob lütteln la DioBet*
So glaubt die StaateregieruBg die HoffiiUBg begeB m dttiioiy daS die
laBgereebnte Neuordoong der DieosteiBkommeBebestlge die berechtigtes Ister*
essen der Beamtes, Lehrer und QeistJichen befriedigen und eine Quelle
dauernden Segens fdr sie werden wird, ohne dech die Staatsdiener einseitig
auf Kosten der anderen Bcrufsst&nde zu begünstigen und diesen gerechten
Grund zur Beschwerde wegen Ueberbürdung zu geben.
Beigefttgt ist dem Gesetzentwurf eine Besoldnngsord*
nnng, in der die Gehälter der Medizinalbsamten wie folgt ge¬
regelt werden:
A. Gehälter, die naeh DleBstaltersstufen aufsteigeBt
Klasse 89.
8000-8600-4200-4800-5400-6000-6600-7200 M.
11. Yollbesoldete Kreisärzteeinschließlichdeijenigen, welche als ständiM
Hilfsarbeiter bei den Begiernngen sowie beim Polizeipräsidium in Berfm
und bei den Medizinal-üntersuchungsämtem beschäftigt werden.
(Auf die Besoldung der yoUbesoideten Kreisärzte kommen die auf
Grund des § 1 des Gesetzes vom 9. März 1872 [GesetzsammL S. 866]
^währten Fuhrkostenentschädigungen und die den yolibesoideten
Kreisärzten noch zufließenden Gebühren fm Dienstgeachäfte in
Anrechnung.)
Klasse 41.
4200-4800-6400-6000-6600-7200 M.
8. Begierungsräte bei den Begierungen.
Klasse 50.
7600-8700-9900-11000 M.
1. Vortragende Bäte bei den Ministerien.
B. Gehälter, die nieht naeh Dlenstaltersstufen anflstelgen.
Klasse 52.
5. 1800—8600, im Durchschnitt 2700 M.
a. Nicht Tollbesoldete Kreisärzte und Geriehtsärzte.
(Außerdem Stellenzulagen yon durchschnittlich 460 M. Aof die Be¬
soldung kommen die auf Grund des § 1 des Gesetzes vom 9. März 1872
[Gesetzsamml. S. 265] gewährten Fuhrkostenentschädigungen und dto
Gebühren für die Wahrnehmung ortspoiizeilicher Geschäfte in Orten mit
Königlichen Polizeiyerwaltungen in Anrechnung.)
b. Nicht Tollbesoldete Kreisärzte als Vorsteher der Medizinal-Unter-
suchungämter in Potsdam, Liegnitz, Magdeburg, Hannoyer, Stade,
Coblenz und Düsseldorf.
(Außerdem Stellenzulagen yon durchschnittlich 460 M.)
Begründung zu Klasse 89 u. 58.
Die Gleichstellung der yolibesoideten Kreisärzte im Gtehalte mit den
übrigen Beamten der Besoldungsklasse 39 bedingt den Fortfall der yon dieeea
Kreisärzten nach den geltenden Bestimmungen zum Teil noch bezogeaen
Gebühren für die Dienstgescbäfto und der Fuhrkostenentschädigung aus § 1
des Gesetzes yom 9. März 1872 (Gesetzsamml. S. 265). Desgleichen sollen bei
Erhöhung des Durchscbnittsgebalts der nicht yolibesoideten Kreisärzte yom
2250 M. auf 2700 M. gleichzeitig die yorbezeichnete Fuhrkostenentschädigung
und die den nicht yoUbesoideten Kreisärzten gegenwärtig noch zulUeßendeii
Gebühren für ortspolizeiliche Dienstyerrichtungen in Bezirken mit KOniglkber
PoUzeiyerwaltung fortfaUen.
Die gesetzliche Grundlage für die Beseitigung dieser — übrigens teil¬
weise auch in ihrer rechtlichen Begründung niät zweifedsfreien — Nebem-
einkttnfte sowfb für eine dem Vorgehen bei den Kreistierärzten analoge Begelnag
der Pensionsyerhäitnisse der nicht yoUbesoideten Kreisärzte wird durch
bei dem Landtage demnächst zur Vorlage gelangende Gesetz, betreffend die
einkODUBMisTerbeBaeiiugMi and di« I. Beratong im Abgeoidneteohaoae luw. 708
OebOhrea der Hedlsiaalbeamteii, geachaffen werden. Das Gesets, aol dessen
nähere B^rOndnng Besag genommen wird, soll gleichzeitig mit der Besoldnngs*
ordnang in Kraft treten. Falls diese Voraasseuang nicht eintreten sollte, ist
beabsichtigt, die oben benannten besonderen NebeneinkOnfte der Krelsirzte
aniiOilch der Qehaltserhöhang im Verwaltangswege zn beseitigen. Diesem
Zwecke dienen die Vermerke za Klasse 89 Kr. 11 and Klasse 62 Nr. 5 der
Besoldanssordnang, betreffend die Anrechnang Ton Nebenbezttgen aaf die Be¬
soldung der Kreisärzte. Die Vermerke werden indessen gegenstandslos, wenn
die Gesetzesrorlage, betreffend die Qebtthren der Medizinalbeamten, gleichzeitig
zur Verabschiedang gelangt. Welche Aendeinngen der Etat des IDniateriams
der gebtlichen asw. Angelegenheiten im letzteren Falle erfährt, ist in der
Schimibemerkang 6 der Besoldongsordnang (s. nachstehend) vermerkt. Im einzel¬
nen ist hervorzaheben, daB ihr die vor dem 1. April 1908 an gestellten Kreisärzte
wegen des Aber die BesoldangserhOhang hinaasgehenden Fortfalles von Neben«
einnahmen in ihren jetzigen Steilen vorttberaehende Entschädigaogen vorgesehen
werden, welche deshalb als kttnftig wegfiuiend bezeichnet sind. Die Minder-
dnnahmen an Gebühren, welche den in Bezirken mit Königlicher Polizcd-
verwaltang amtierenden, nicht vollbeaoldeten Kreisärzten gegenüber den anderen
Kreisärzten erwachsen, werden durch Stellenzalagen aas dem von Kap. 125
Tu. 8 aaf den neuen Tit. 4 a übertragenen Fonds — SchloBbemerkong 6 der
BeMldongsordnong (s. nachstehend) — aoszogleichen sein. Um di« Gewährung
dieser Eatschädigang zu erleichtern, ist die dauernde Erhöhung dieses Fonds
um 7500 H. — Ziffer 1 ebenda — in Aussicht genonunen.
Schlufibemerkung.
6. Für den Fall, daS das Gesetz, betreffend die Gebühren der Ifedlzinal-
beamten, vor dem 1. April 1910 in Kraft tritt, erfährt der Etat des Ministeriums
der geistlichen usw. Angelegenheiten bei Kap. 125 folgende Veränderungen:
1. ErbObung des Steilenzulagefonds bei Tit. 4 a um 11500 M., darunter
4000 M. künftig wegfallend, zur Gewährung von Entschädigungen an die
vor dem 1. April 19^ angestellten nicht voUbesoldeteh Kreisärzte für den
Fortfall der Fohrkostenentschädigung.
2. Einstellung eines neuen Fonds unter Tit. 4b:
a Künftig wegfallend 80000 M. zur Gewährung von Entschädigungen
an die vor dem 1. April 1908 angestellten volibesoldeten Kreisärzte für
den Fortfall der Fohrkostenentschädigung aus § 1 des Gesetzes vom 9. März
1872 und der übrigen ihnen bisher zugeflossenen (Gebühren für Dienst-
geschäfte.*
8. Der Vermerk 2 bei Etatskapitel 125 Tit. 2 erhält folgende Fassung:
«Bei der Bemessung der Pension der nicht volibesoldeten Elreisärzte
werden dem Gehalte für sonstige Dienstbezüge 2250 M. zugerechnet mit
der Maßgabe, daB das hiernach der Pension zu Grande zu legende Dienst-
ebkommen nicht das pensionsfähige Diensteinkommen eines vollbesoldeten
Kreisarztes von gleichem Dienstalter übersteigen darf.
Den nicht volibesoldeten Kreisärzten, welche bereits vor dem 1. April
1908 eine etatmäßige Stelle inne batten, wird, falls sie vor dem 1. April
1918 in den Ruhestand treten, dit-jenige Pension gewährlebtet, welche sie
bezogen haben würden, wenn ihre Pensionierung zum 1. April 1908
erfolgt wäre.“
Tritt das Gebührengesetz erst nach Ablauf des Rechnungsjahrs 1906
in Kraft, so gelten die vorstehenden Veränderungen des Etats erst vom
1. April 1909 ab. ln diesem Falle tritt an die Stelle des ln Zifter 8 vermerkten
Termins der i. April 1909.
In der Begründang des Gesetzentwnrfs heißt es mit Recht,
daß durch die gegenwärtige Vorlage eine Anfbessemng der Be-
soldnngen in einem solchen Umfang nnd mit Anfwendnng so
großer Staatsmittel erfolgt, wie sie bisher noch nicht in Preußen
stattgefnnden hat. Insbesondere gilt dies betreffs der unteren
and mittleren Beamten, während von den höheren Beamten nnr
^ejenigen der Lokalinstanz berttcksichtigt sind.
Von den Medizinalbeamten sind die Tollbesoldeten Kreis-
764 Der Eatworl eiMe Geaetaee, betr. die Bereitetelleig Tee IGttebi n Dieut*
ftrzte jedenfalls diejenigen Beamten, die mit der BesoldnngSTorhge
bis auf einen Pankt (s. nachstehend) znfrieden sein können, besonders
wenn man in Erwägung zinht, daß bei ihnen auch der Wohnangs-
geldznschnß nach der vom Herrn Finanzminister in der Sitzung des
Abgeordnetenhanses vom 26. Oktober gema<‘hten Mitteilnng tiber die
noch aasstehende Gesetzesvoriage am 50 "/o erhöht werden wird.
Der von der Staatsregierang eingenommene und vom Abgeordneten-
hanse seit Jahren vertretene Standpnnkt, alle höheren Lokalbe>
amten mit voller akademischer Bildung and praktischer Vorbildong
im Höchstgehalt gleichzastellen, hat naturgemäß dazu geführt,
daß das Höchstgehalt der vollbesoldeten Kreisärzte von 5700
anf 7200 Mark, also um 1500 Mark = 26,3% erhöht und dem
bisherigen Ge^lt der Regierangsräte gleichgestellt ist. Bei
dieser Aufbesserung werden die betreffenden Beamten auch damit
einverstanden sein, daß künftighin die ihnen auf Grund des § 1
des Gesetzes vom 9. März 1872 zustehenden Fnhrkosten-
entschädigungen fortfallen, zumal den bisher im Amte befind¬
lichen eine entsprechende Entschädigung dafür gewährt werden
soll und ihnen außerdem ebenso wie den künftig angestellten
nach der neuen Gebührenordnung die verauslagten Fahrkosten
ersetzt werden. Die Anrechnung der Gebühren aus den Dienst¬
geschäften auf das Gehalt der vollbesoldeten Kreisärzte ist nichts
neues; denn diese maßten schon bisher an die Staatskasse ab¬
geführt werden.
Gegenüber dieser wesentlichen Erhöhung ihres Höchstgehaltes
erfahren sie insofern eine erhebliche Verschlechterung, als sie das
Höchstgehalt nicht wie bisher in 12, sondern erst in 21 Jahren
erhalten und als das Anfangsgehalt von 3600 Mark auf 3000
Mark, also auf das Anfangegehalt der Richter herabgesetzt
ist.^) Daß bei einer Erhöhnug des Höchstgehaltes auch die Ge¬
haltsstufen erhöht und dieses demzufolge erst nach einer größeren
Anzahl von Dienstjahren erreicht wird, ist durchaus billig und
wird sicherlich von den betreffenden Beamten als berechtigt an¬
erkannt werden. Anders liegen aber die Verhältnisse in bezug
auf die Herabsetzung des Mindestgehalts, die nur dann begründet
erscheint, wenn die Anstellung der Kreisärzte, Gewerbeinspek-
toren, Kreisbauinspektoren usw. tatsächlich ebenso frühzeitig
erfolgt, wie die der Richter. Dies ist aber bei allen diesen Be¬
amten nicht der Fall, jedenfalls nicht bei den Kreisärzten;
denn die vom Verfasser anfangs dieses Jahres anf Grund einwand¬
freien Materials aufgestellte Statistik hat ergeben, daß die Kreis¬
ärzte durchschnittlich erst im Lebensalter von 38,5 Jahren ange¬
stellt werden, während dies bei den Richtern nach Klatt schon
im Alter von 34,69 bezw. 33,2 Jahren und bei den Oberlehrern im
Alter von 30,1 Jahren der Fall ist. Aehnlich sollen die Verhält¬
nisse bei den Kreisbauinspektoren, Gewerbeinspektoren und Kreis-
*) lafolgedessen erfahren die Tollbesoldeten Kreisärzte bis zom 15. Dienst¬
altersjahre eine ächadigong Ton SOO—600 M. pro Jahr (durchschnittlich 480,
zusammen 7900 M.), die durch die Steigerung des Höchstgehaltes erst im
28. Diesstjahre wieder ausgeglichen wird.
dokommeniTerbesflenuigeii and die I. Beraknng im Abgeordaekenhaase osw. 766
Schalinspektoren liegen. Wenn dies aber bei diesen Beamten
tatsächlich der Fall ist, dann ist es nicht gerechtfertigt, sie mit
den Richtern über einen Kamm zn scheeren, sondern yielmehr
angezeigt, sie denjenigen höheren Lokalbeamten im Mindestgehalt
gleichzastellen, die ebenfalls erst in späterem Lebensalter in ihre
amtliche Stellang gelangen, das sind die Landräte. Hier ist mit
Recht das Mindestgehalt von 3600 Mark beibehalten und nnr das
Höchstgehalt ant 7200 Mark, sowie die Zahl der Dienstalters-
stufen von 5 anf 6 (von 15 anf 18 Jahre) erhöht; bei den Kreis¬
ärzten ist eine solche Glleichstellang am so mehr angezeigt, als
nach der von mir ebenfalls auf einwandfreien Unterlagen ans¬
gearbeiteten Statistik das darchschnittliche Lebensalter der darch
Tod oder Dienstanfähigkeit Aasgeschiedenen nar 56,9 bezw. 68,2
Jahre beträgt gegenüber 60 and 67 Jahren bei den Richtern.
Wenn daher das in der Vorlage herabgesetzte Mindestgehalt von
3000 Mark sowie der Zeitraum von 21 Jahren bis zar Erreichung
des Höchstgehaltes beibebalten wird, dann würde eine verhältnis¬
mäßig große Anzahl der Kreisärzte erst im hohen Lebensalter in
den Genuß des Höchstgehaltes gelangen und eine. ebenso große
Anzahl dieses wegen zavorigen Ausscheidens aus dem Dienst infolge
von Dienstanfähigkeit oder Tod überhaupt nicht erreichen, und da¬
durch eine wesentliche Benachteiligung in bezug auf Pensionierung
bezw. Reliktenversorgung eintreten. Es ist daher dringend zu
wünschen, daß, ebenso wie bei den Landräten, das
Mindestgehalt der vollbesoldeten Kreisärzte wie bis¬
her auf 3600 Mark bemessen und das Höchstgehalt
in 18 Jahren (6 Gehaltsstufen) erreicht wird. Jedenfalls
erscheint es angezeigt, daß von seiten des Abgeordnetenhauses,
wie der Abgeordnete Schröder zutreffend bemerkte, «die
Differenzierung bei dem Anfangsgehalt der im Endgehalt gleich¬
gestellten Beamten genau nachgeprüft und festgestellt wird, ob
die Berechnungen, die zu einer derartigen Differenzierung geführt
haben, auch tatsächlich stichhaltig sind.*‘ Bei den vollbesoldeten
Kreisärzten wird die Nachprüfung sicherlich zu dem Ergebnis
führen, daß ihre Anstellung nicht in früherem, sondern wahrschein¬
lich in noch späterem Lebensalter als bei den Landräten erfolgt,
nnd daß sie also auch diesen wie bisher im Anfangsgehalt gleich¬
zastellen sind.
Was nun weiter die Besoldungsaufbessernng bei den nicht
vollbesoldeten Kreisärzten anlagt, so ist das bisherige
Durchschnittsgehalt derselben von 2250 M. auf 2700 M. erhöht, d. h.
das Anfangsgehalt ist geblieben, statt des bisherigen Höchstgehaltes
von 2700 M. aber ein solches von 3600 M. vorgesehen, also an sich
eine Steigerung des Höchstgehaltes um 38 Vs ®/o* I^&zu sollen noch
wie bisher Stellenzulagen kommen im Betrage von durch¬
schnittlich 450 Mark. Nur um diesen Betrag erhöht sich jedoch
die Ausgabe für ihre Besoldung; denn in Wirklichkeit betrag das
Durchschnittsgehalt jetzt 2700 Mark, wenn die bereits in den
früheren Etat eingestellten Stellenzulagen mit eingerechnet werden.
Immerhin bringt die neue Besoldungsordnung iusofern eine wesent-
766 Der Entwurf eines Gtoetses, betr. die Bereitstellang Ton Eittela n Dienn«
liehe Besserong, als jetzt alle nicht Tollbesoldeten Kreuftnte
ein Höchstgehalt von 3600 Mark erreichen können, während dies
bisher nnr bei denjenigen möglich war, die pensionsiähige Stellmi-
zolagen erhielten. Diese Verbesserong erleidet aber insofern eine
Einschränkang, als einmal die bisher den Kreisärzten bei Dienst*
reisen an ihrem Wohnorte zustehenden Fahrkostenentscbädignngen
fortfnllen und sie außerdem fär ortspolizeiliche Qeschäite in Orten
mit Königlicher PolizeiTerwaltung keine Gebühren mehr erhalten
sollen. Den jetzt im Amte befiudlichen Kreisärzten soll dafür
allerdings eine entsprechende Entschädigung gewährt werden,
aber für die künftigen Kreisärzte bedeutet dies einen Verlust, der
sich an einzelnen Orten weit höher stellen wird, als die Tor*
gesehene Steigerung ihres Durchschnittsgehaltes bezw. ihres
Höchstgehaltes. Sehr richtig bemerkte daher der Abg. Schröder
bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs in der Sitzung des
Abgeordnetenhauses am 26. Oktober d. J.:
»Die Lege der Kreieirste will ich heute nicht mehr uuefOhrlich besprechen,
duu wird no^ Zeit sein, wenn des Qesets, betreffend die Oebfthren der
Medixbalbeamten, vorgelegt wird. Ich halte es aber Ihr unrichtig, daß man
nicht durchweg yollbesoldete Kreisärzte anstellt. Doch ist
das mehr oder weniger eine Finanzlrage. Jetzt wird der Vorschlag gemacht,
das Durchschnittsgehalt der nicht yollbesoldeten Kreisärzte von 2260 auf
2700 M. zu erhöhen; dafür sollen indessen wieder eine Beihe yon Gbbtthren
ihnen entzogen werden. Ich glaube mich zu erinnern, yon yielen Kreisärzten
gehört zu haben, daß sie sich seiner Zeit zur Annahme yon geringen Be*
soldnngen nnr durch die Anweisung auf Gebühren haben bewegen lassen, die
ihnen znstehen sollten, und an denen sie sich entsprechend schadlos halten
konnten. Wenn man ihnen jetzt diese Gebühren wi^er anrechnet auf ihr an
und für sich gänzlich unzulängliches Gehalt, so ist das unbillig, doch können
wir uns später noch darüber unterhalten.^*
Allerdings würde dieser Uebelstund am sichersten durch die
von den Medizinalbeamten selbst gewünschte und im öffentlichen
Interesse gebotene Umwandlung aller Kreisarztstellen
in yollbesoldete beseitigt werden; aber wenn auch hoffentlich
diese Umwandlung jetzt etwas umfangreicher als früher erfolgen
wird, so werden wir doch noch auf Jahre hinaus mit nicht voll*
besoldeten Kreisarztstellen rechnen müssen, für deren Dienstein*
kommen die Höhe der amtsärztlichen Gebühren yon höchster Be¬
deutung ist. Deshalb muß bei Festsetzung des künftigen Ge¬
haltes der nicht vollbesoldeten Kreisärzte jedenfalls die Wirkung
des jetzt dem Landtage ebenfalls vorgelegten Gesetzentwurfs,
betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten ') mit in Rechnung
gezogen werden; der dem Gesetzentwurf beigefügte Gebühren¬
tarif bringt aber abgesehen von der Erhöhung der gerichtsärzt¬
lichen Gebühren, die für das Diensteinkommen der Kreisärzte
>) Der Gesetzentwurf ist erst nzcb Abschluß dies« Nuuimer in die
Hände der Bodaktion gelang so daß er diesmal nicht mehr zum Abdruck ge¬
bracht werden kann. Sein Wortlaut stimmt übrigens mit dem früher yorge-
legten Gesetzentwurf (s. Nr. 7 dieser Zeitschrift, Jahrg. 1902) im allgemeinen
überein. Betreffs des Gebührentarifs heißt es ausdrücklich, »daß nur bei einigen
Positionen eine mäßige Erhöhung vorgesehen ist, die jedoch durch Ermäßi¬
gungen oder durch Einführung völliger Gebührenfreiheit an anderen Stellen,
insbesondere an solchen, bei denen soziale Bücksiditen mitsprechen, ausgeglichen
erscheint. *
eiakommeBSTerbflMAniogn nod die I. Beretnag im AbgeerdaeteiüieiiM mw. 767
weniger ins Gewieht fallen, eine wesentliche Herabsetzung für die
hftnfigsten der sanitAts- und medizinalpolizeilicben Geschäfte, so
daß diesen Beamten voranssichtlich dadurch eine Mindereinnahme
erwachsen wird, durch die nicht nur die ErbOhnug ihres Durch¬
schnitts* und Höchstgehaltes Töllig aufgewogen wird, sondern durch
welche die Kreisärzte iu den ersten Gehaltsklassen sogar eine
Verringerung ihres bisherigen Diensteinkommens erfahren werden.
Die Kreisärzte sind aber durch die in diesem Jahre erfolj^
Pauschalirnng der Tagegelder und Reisekosten schon so erheblich
in ihren Einnahmen geschädigt, dass sie eine weitere Schädi¬
gung nicht vertragen können, vielmehr einer Erhöhung ihrer Be¬
soldung bedfirfen, die nicht durch eine Herabsetzung ihrer amts¬
ärztlichen Gebühren wieder illusorisch gemacht wird. Die Kreis-
tierärzte sind z. B. bei der Pauschalierung der Tagegelder
und Reisekosten viel glimpflicher als die Kreisärzte behandelt, denn
nach dem Erlass des Landwirtschaftsministers vom 31. März 1908
ist die ihnen gewährte Jahrespauschalvergfltnng so bemessen
worden, „daß sie nur um rund IO^/q hinter dem nachgewiesenen
Reisekostenanfkommen des Rechnungsjahres 1906 zurttckbleibt*;
außerdem werden einmalige Zulagen beim Nachweis einer nicht
unerheblich gesteigerten Reisetätigkeit gewährt. Das den Kreis¬
ärzten gewährte Reisepauschale stellt sich dagegen um 26 bis
38*/, o/o niedriger, als der Dnrchschnittsbetrsg ffir die Jahre
1904—1906, der wesentlich geringer ist, als derjenige für das
Jahr 1906 allein; desgleichen wird ihnen nur dann eine Zu¬
lage gewährt, wenn die Reisetätigkeit nachweisbar mehr als
33*/,®/o gestiegen ist und auch in diesem Falle nur */, des diesen
Prozentsatz übersteigenden Mehrbetrages. Auch in der jetzigen
Besoldnngsordnnng schneiden die Kreistierärzte günstiger ab, als
die nicht vollbesoldeten Kreisärzte; denn ihr Höchstgehalt hat
eine Erhöhung von 2100 auf 3000 Mark, also um 49 ^ 1 ^ er^ren;
daneben sind die gleichen Stellenzulagen wie bei den nicht
volibesoldeten Kreisäjzten (450 Mark) vorgesehen. Wir gönnen
den Kreistierärzten diese Erhöhung aus vollem Herzen, daß
aber die Kreisärzte schlechter als sie behandelt werden, dafür
dürfte nicht der geringste Grund vorliegen; im Gegenteil,
ein solches Verfahren kann nur Mißstimmung bei den betref¬
fenden Beamten hervorrufen. Es erscheint deshalb nur billig,
wenn mit Rücksicht auf die voraussichtliche Mindereinnahme ans
amtsärztlichen Gebühren infolge des neuen Gebührentarifs nicht
nur das Höchstgehalt, sondern auch das Anfangs-
gehalt eine Erhöhung um je 600 Mark (also von
1800 bezw. 3600 auf 2400 bezw. 4200 Mark) erfährt.
Daß dieses Verlangen kein unberechtigtes ist, ergibt sich
ans der Tatsache, daß es sich auch bei den nicht vollbesoldeten
Kreisärzten um Beamte handelt, die mehr oder weniger vollbe¬
schäftigt sind und ärztliche Privatpraxis weder ansüben, nocdi
überhaupt auszuüben imstande sind. Sicherlich sind sie min¬
destens ebenso durch ihr Amt in Anspruch genommen, wie die
Bayerischen Bezirksärzte, deren Gehalt durch die diesjährige neue
768 Der Entwurf eines Gesetzes, betr. die Bereitstellung yon Mitteln zn Dienst-
Besoldnngsordiiiiiig anf 8000— 6000 Mark festgeBetzt ist (6 Ge*
haltBstnfen von je 500 M. in 8 jährigen Zwischenräumen). Die
preußischen. Dicht vollbesoldeten Kreisärzte würden demnach
ihren bayerischen Kollegen selbst bei der von uns vorgescblagenen
Gehaltserhöhung nur dann gleichkommen, wenn sich ihre amts¬
ärztlichen Gebühren wesentlich höher als bei diesen stellen würden,
was aber nur bei der Minderzahl der Fall sein dürfte.
Ob es zweckmäßig ist, an dem Grundsatz der Stellen¬
zulagen iestznhalten, darüber dürften die Ansichten in den be¬
teiligten Kreisen, insbesondere auch der Medizinalbeamten selbst,
auseinandergehen. Die Inhaber der Kreisarztstellen mit Stellen¬
zulagen werden ihre Beibehaltung, diejenigen ohne solche lieber
eine gleichmäßige Gehaltsanibessernng wünschen. Immerhin haben
die Stellenzulagen den Vorzug, daß ein Ausgleich zwischen den
Stellen mit geringen und großen amtsärztlichen Gebühreneinnabmen
geschaffen wird, anderseits aber den Nachteil, daß der weniger
beschäftigte Kreisarzt gegenüber dem stark beschäftigten bevor¬
zugt wird, indem sich dieser durch vermehrte Arbeit die erhöhte
Gebühreneinnahme erst verdienen muß, während jener das Manko
durch die Zulage ohne Mehrarbeit ersetzt erhält. Je mehr aber
die Kreisarztstellen mit hohen amtsärztlichen Gebühren in voll¬
besoldete umgewandelt werden, desto mehr wird diese Ungleich¬
heit verschwinden; ein gleiches wird der Fall sein, wenn die
Höhe der Stellenzulagen lediglich nach der Höhe der amtsärzt¬
lichen Gebühren bemessen wird und nicht etwa, wie dies bisher
vielfach geschehen ist, von der Höhe der zufälligen Nebeneinnahmen,
die ein Kreisarzt hat und die er jeden Augenblick verlieren
kum. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte wird man
sich daher mit den Stellenzulagen bis auf weiteres anssöhnen
können.
Noch mehr wird dies aber der Fall sein, wenn ein Weg
gefOnden wird, auf dem die dadurch bedingte und zur Mißstimmung
Anlaß gebende Ungleichheit bei der Berechnung des pensions-
fähigen Diensteinkommens beseitigt wird.
Nach Bemerkung Nr. 6 zur Beeoldungsordnung sollen bei den
nicht vollbesoldeten Kreisärzten bei der Bemessung der Pension
dem Gehalte für sonstige Dienstbezöge gleichmäßig 2250 Mark
zugerechnet werden mit der Maßgabe, „daß das hiernach der
Pension zugrunde zu legende Dieusteiukommen das pensionsiähige
Diensteinkommen eines vollbesoldeten Kreisarztes von gleichem
Dienstalter nicht übersteigen darf.“ So dankenswert diese Absicht
ist und in diesem Sinne auch von den Medizinalbeamten begrüßt
werden wird, so bedingt sie doch anderseits wiederum eine Un¬
gleichheit. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, wie eich
die Verhältnisse dann künftighin gestalten werden. Es wftrde
z. B. ein nicht vollbesoldeter Kreisarzt mit 1200 Mark Stellen¬
zulage ein pensionsfähiges Höchstgehalt von 8600 4* 1200 -(- 2250
Mark = 7050 haben, ein Kreisarzt ohne Stellenzulage dagegen
nur 5850 Mark, also 1200 Mark weniger. Desgleichen würden
die vollbeschäftigten, nicht vollbesoldeten Kreisärzte ohne
einkonmiensTeritesseniiigeii ud die I. Beratmig im Abgeordnetenlmiiee oew. 769
Stellenzulage den vollbesoldeten Kreisärzten gegenüber nm nieht
weniger als 2258 Mark bei der Pensioniemng zniUckstehen; denn
das pensionsfähige Höchsteinkommen der letzteren wird künftighin
mit dem erhöhten Wohonngsgeldzaschaß 7200 203 = 8103 M.
betragen, während in den ersten Jahren selbst bei den &eis*
ärzten ohne Stellenzulagen dieser Unterschied nnr gering ist,
selbst wenn man als Anfangsgehalt der YoUbesoldeten ^eisärzte
unserem Vorschläge gemäß 8600 M. annimmt (3000 bezw. 8600 M.
+ 903 M. = 3903 bezw. 4513 M. gegen 1800 -f 2250 = 4050 M.).
Bei der Pensionierung kommt aber nicht das Anfangsgebalt,
sondern hauptsächlich das Höchstgehalt in Betracht. Dieser Miß*
stand würde also nur dann beseitigt werden, wenn die Be¬
rechnung des pensionsfähigen Diensteinkommens der
nicht YoUbesoldeten Kreisärzte nach Maßgabe des¬
jenigen der YoUbesoldeten erfolgt, was den Wünschen
der Medizinalbeamten <am meisten entspricht, oder ihrem Ge¬
halte ein Durchschnittsbetrag in solcher Höhe an¬
gerechnet wird, daß dadurch ihr pensionsfähiges
Diensteinkommen demjenigen der Yolfbesoldeten
gleichkommt. Auf alle Fälle müßte doch wenigstens den nicht
YoUbesoldeten Kreisärzten, die keine SteUenzulage haben, außer
dem Durschnittsbetrag you 2250 M. amtsärztUcher Gebühren auch
den Durchschnittsbetrag der Stellenzulage Yon 450 M. bei Fest¬
setzung des pensionsfähigen Einkommens angerecht werden, um
ihre Benachteiligung den übrigen nicht YoUbesoldeten Kreisärzten
gegenüber bei Bemessung des pensionsfähigen Diensteinkommens
zu Yerhüten.
Die Berechtigung einer Gleichstellung aller Kreis¬
ärzte bei der Pensionierung ist im Landtage wiederholt
anerkannt, denn ein Unterschied zwischen dem Umfange der amt¬
lichen Tätigkeit der yoU* und nicht YoUbesoldeten j&eisärzte be¬
steht so gut wie gar nicht; werden doch mehr als zwei Drittel
aller nicht YoUbesoldeten Kreisärzte Yollständig Yon ihren
Dienstgeschäften in Anspruch genommen. Sie liegt aber auch im
öffentlichen Interesse, indem sie die rechtzeitige Pensioniernng
der körperlich und geistig nicht mehr leistungsfähigen Beamten
ermöglicht, was sich, wie wir schon früher betont haben, erfahrungs¬
gemäß sehr schwierig Beamten gegenüber durchführen läßt, die, wie
jetzt die nicht YoUbesoldeten Kreisärzte, mit wenigen Ausnahmen
eine zum Lebensunterhalt ausreichende Pension nicht erhalten.
Die Gesetzvorlage läßt endlich leider noch einen Wunsch
der Medizinal beamten unberücksichtigt: die Einführung von
Dienstaltersstufen für das Aufsteigen des Gehaltes.
In der Begründung zu der Gesetzvorlage werden mit Recht die
Vorteile der Abmessung des Gehaltes nach Dienstaltersstufen
hervorgeboben und es als ein besonderer Vorzug der Vorlage
1) Nach der Mitteilung des Herrn Finanzministers in der Sitzung des
Abgeordnetenhauses wird der bei der Pensionierung in Anrechnung kommende
Durchschnitt des Wohnungsgeldzuschusses (525 M.) nmetwa72**/o (878 M.) also
auf etwa 9<^ M. erhöht.
770 Der Entwarf eines Gesetzes, betr. die Berdtstellong von Mitteln zn Dienstr
beseiehnet, diaß diese jetzt bei 99,16 */o aller Beamten durch-
gfeffthrt sei nnd nur noch bei 2268 = 0,84 ®/o ansstehe. Er*
Ulatemd wnrde hierzu vom Herrn Finanzminister in seiner Bede
▼(»n 20. Oktober d. J. bemerkt:
,Ich bmacbe hier nicht naszaffthren, wie diese Abmessung des GAnltes
nach Dienstalteisstnfen fttr die Beamten eine sehrTiel bessere, eine sehr
Tiel günstigere, weil auf sichere YerhSltnisse basiert, ist.
ffle hingen mit ihren Aszensionen nicht davon ab, ob zaflllig in dem oberen
Lebensalter ein Anssebeiden von anderen Beamten statt findet, sondern sie
haben mit Sicherheit daranf zn rechnen, dafi nach Verlanf ge¬
wisser Jahre ihnen eine weitere Altersstufe gewährt wird.*
Man fragt sich Tcrgebons, warum man diese großen Vorteile
nicht anch den Ereisftrzten nnd Ereistierärzten gegenfiber, die Amt
die Hälfte (477 X ^68 = 945) jener nicht berQckei^tigten Beamten
darstellen, anch hat znteil werden lassen. Weder in der Begrttn-
dnng, noch in der der Gesetzvorlage beigegebenen Denkschrift ist
ein Gmnd dafür angeführt; die vom Herrn Finanzminister in der
Sitzong am 20. Oktober angeführten Gründe lassen aber andt
nicht die Notwendigkeit für eine Beibehaltnng des jetzigen Systems
der Darchschnittsgehaltes erkennen: Sie lanten:
,Hier kommen die besonderen Verhältnisse der nicht voUbesoldeten
Kreisärzte und andere Kategorien in Betracht, bei denen die Anforderungen an
die amtliche Tätiskeit nnd die zu berücksichtigenden Nebeneinnabmen so auBer-
ordentUch verschieden sind, dafi es hier nicht richtig war, sie über einen Kamm
zu scheeren, sondern ein Darchschnittsgebalt anzusetzen nnd im übrigen die
Bemessung des Gehalts der Besonderheit des einzelnen Falles vorzubebalten.*
Die amtliche Tätigkeit der Kreisärzte ist aber durch das
Kreisarztgesetz nnd die dazn erlassene Dienstanweisung ein¬
heitlich geregelt nnd in den einzelnen Kreisen nicht mehr ver¬
schieden, als das der sonstigen höheren Lokalbeamten; der einzige
Unterschied besteht in der Höhe der amtsärztlichen Gebühren,
der aber durch die Stellenzulage ausgeglichen wird. In Bayern
liegen z. B. die Verhältnisse genau so nnd trotzdem hat man hier
keine Bedenken gehabt, dreijährige Gehaltsstufen nach dem Dienst¬
alter einznführen. Was aber in Bayern möglich ist, das sollte
sich doch anch in Preußen durchführen lassen, zumal die be¬
treffenden Beamten selbst eine solche Gehaltsregelung dringend
wünschen. Es steht wohl anch nicht zu befürchten, daß seitens
der Königl. Staatsregiemng dagegen Widerspruch erhoben wird,
wenn von Seiten des Landt^es jenem Wunsche Rechnung getragen
wird. Werden dann auch bei dem Dnrchschnittsbetrag von
2250 Mark für die sonstigen Dienstbezüge einzelne Stofen etwa
von 1200—3000 Mark vorgesehen, dann würde auch das pensions¬
fähige Diensteinkommen, eine Höhe erreichen, die dem der voU-
besoldeton Kreisärzte nähekommt, was sich ans der nachstehen¬
den Uebersicht ergibt:
nicht vollbARoldete Kreisärzte: vollbesoldete Kreisärzte:
2400 + 450 -1- 1200 = 4050 8600 + 908 = 4608
2700 + 450 -- 1600 = 4650 4200 + 908 = 6108
8000 -j- 450 -- 1800 = 6250 4800 + 908 = 6708
3.SOO + 450 -f 2100 = 5«50 6400 + 908 = 6303
3600 -- 450 + 2400 = 6450 6000 + 908 = 6908
3900 4- 450 4- 2700 = 7050 6600 + 908 = 7608
4200 + 450 + 3000 = 7650 7200 + 808 = 8108
einkommensTerbesseriuigeii and die I. Beratung im Abgeordneienhaase new. T71
Die Ereisassistenzärzte zind, weil nnr geilenBemnae-
ration beschäftigt, in der Besoldnngsordnang selbst nicht erwähnt;
trotzdem darf wohl angenommen werden, daß ihre Bemnneration
ebenso wie bei den anderen diätarisch beschäftigten höheren
Lokalbeamten — Regierangsassessoren, Gerichtsassessoren nsw.
— eine entsprechende Erhöhung and allmähliche Steigemng er*
fahren wird, jedenfalls ist in der Gesetzvorlage ein erhebUcher
Mehrbedarf za Diensteinkommensverbesserongen fflr diätarisch
beschäftigte Beamte vorgesehen. Wenn den oben genannten Be¬
amten kflnftighin eine Bemaneration von 2160 bezw. 2400 Mark,
alljährlich am 800 Mark steigend gewährt werden soll, dann
durfte es nor billig sein, wenn die bisherige Bemaneration der
Ereisassistenzärzte ebenfalls entsprechend erhöht and gleichhdls eine
jährliche Steigerung erfährt (1800—2400 Mk.). Einen Vorteil bringt
Übrigens der Gesetzentwarf für die Ei'eisassistenzärzte insofern,
als kflnftighin von ihrer Dienstzeit, falls sie 4 Jahre flbersteigt,
bis zwei Jahre aaf das Besoldan^dienstalter angerechnet werden,
so daß sie in diesem Falle bei ihrer Anstellung als Ereisarzt
schon nach einem Jahre in die höhere Gehaltsklasse einrflcken
werden, voraasgesetzt, daß nicht nur für die vollbesoldeten,
sondern auch fflr die nicht vollbesoldeten Ereisärzte Dienstalters-
Stofen eingerichtet werden.
Ob and inwieweit den Medizinalbeamten überhaupt die
Vorbereitungszeit auf das pensionsfähige Dienstalter
angerechnet wird, darüber enthält die Gesetzesvorlage leider keine
Bestimmung; daß eine solche mit Bflcksicht aaf die späte
Anstellung dieser Beamten dringend erwünscht ist, damit ihnen
wie allen übrigen Beamten im Alter von 66 Jahren das höchste
Ruhegehalt zuteil werden kann, ist bereits früher von ans wieder¬
holt betont.
Abgesehen von der Erhöhung des Wohnnngsgeldzaschasses
gehen bei der jetzigen Nenregelung der Besoldung die Regie-
rangs- und Medizinalräte sowie die vertragenden Bäte
in der Medizinalabteilang voUständig leer ans. Sie gehören zu
denjenigen höheren Beamten, speziell die Begierangs- und Medi¬
zinalräte, bei denen von einer Erhöhung des Höchstgehaltes ledig¬
lich mit Bflcksicht auf die höheren Lokalbeamten Abstand ge¬
nommen ist, weil diese den Wünschen des Abgeordnetenhauses gemäß
mit denen der Provinzialinstanz im Höchstgehalt gleichgestellt
werden sollten, um sich tüchtige, mit Land und Leuten vertrante
Beamte in der Lokalinstanz zu erhalten. Dieser Grundsatz hat
aber doch seine großen Bedenken, wie dies auch von verschie¬
denen Seiten im Abgeordnetenhause, namentlich von den Abgg.
V. Hennigs, Schröder und Bewoldt hervorgehoben ist. Alle
diese Beamten leiden jetzt ebenso unter der Verteuerung aller
Lebensbedürfnisse wie die unteren und mittleren Beamten; dazu
kommt noch, daß gerade sie von der beabsichtigten Erhöhung
der Einkommensteuer getroffen werden, daß sie also mit ihrem
bisherigen Einkommen zu der höheren Besoldung der übrigen
Beamten herangezogen werden sollen, während sie selbst einer
773 Bereitstelhmg tod MittelB za DieBsteinkommeiisTerbesseruDgeB as«r.
entsprechenden Anfbessernng ihres Gehaltes nicht teilhaftig werden.
Daß eine derartige Behandlnng nnr Veranlassung zur Mißstim¬
mung und Beeinträchti^ng der Arbeitsfrendigkeit gibt, ist be«
greifllch, namentlich gilt dies aber betreffs derjenigen höheren
Beamten der Provinzialinstanz, für die der Ornndeatz für ihre
Nichtberflcksichtignng gar nicht zntrifft, weil sie sich den höheren
Lokalbeamten gegenüber in einer „gehobenen Stellong* be¬
finden and vielfach unmittelbare Anfsichtsbeamte der¬
selben sind. Dahin gehören z. B. die Landgerichtsdirektoren,
die Ersten Staatsanwälte, Oberlandesgerichtsräte, Gymnasialdirek¬
toren, sowie die sämtlichen technischen Räte bei den
Königlichen Begiernngen, also auch die Begiernngs-
und Medizinalräte. Von den ihrer Aufsicht direkt unterstellten
Kreisärzten wird z. B. niemals einer es als Benachteiligung
empfinden, wenn er im Höchstgehalt ein oder zwei Gehaltsstufen
niedriger steht, sondern im Gegenteil, er wird ein höheres Gehalt
des ihm Vorgesetzten Begiernngs- und Medizinalrats als vOlUg
berechtigt halten und daraus keinerlei Ansprüche für sich her¬
leiten. Dasselbe ist bei den übrigen technischen Beamten der
Regierung, den Regfierungs-Bau-, Gewerbe-, Schul- und Forst¬
räten der Fall; sie alle befinden sich tatsächlich ihren Lokal¬
beamten gegenüber in einer gehobenen Stellung, ihre Anstellung
bedeutet für sie eine Beförderung, durch die ihre Laufbahn
im großen und ganzen mit ganz geringen Ausnahmen einen Ab¬
schluß erhält, während die Ernennung des Regiemngsassessors
zum Begierdngsrat das Einrücken in eine etatsmäßige Stelle dar¬
stellt, und die Verwaltungsbeamten außerdem viel günstigere
Aussichten auf eine weitere Beförderung in viel besser dotierte
Stellen haben. Diese Gesichtspunkte haben z. B. auch in der
neuen bayerischen Gehaltsordnung Berücksichtigung gefunden;
danach erhalten die mit den preußischen Begiernngs- und Me¬
dizinalräten gleichstehenden Kreis-Medizinalräte ein Gehalt von
6000—8400 Mark; sie sind also auch im Anfangsgehalt wesentlich
günstiger gestillt. Will man aber grundsätzlich die technischen Bäte
im Gehalt den übrigen Begierungsräten gleich stellen, dann sollte
man ihnen wenigstens eine pensionsfähige Zulage von 900M.
gewähren, damit dadurch nicht nur zum Ausdruck gebracht wird,
daß ihre Stellung den ihnen unterstellten Beamten gegenüber
eine gehobene ist, sondern damit auch diese Stellung von den
tüchtigsten Beamten künftighin wie bisher als eine begehrens¬
werte angesehen werden wird, was im Interesse des Dienstes
durchaus notwendig ist, wenn der Staat nicht Gefahr laufen will,
daß eine den erhöhten Anforderungen dieser Stellen entsprechende
geeignete Besetzung auf große Schwierigkeiten stößt.
Hoffen wir, daß die hier vorgetragenen Wünsche bei den
Beratungen des Abgeordnetenhauses Berücksichtigung finden!
BMpreehnngeB.
778
Besprechungen.
Baveloek Ellis: Die krankhaften QesohleohtB-Brnpflndungen auf
diasoaiatlTex Qxnndlage. Autorisierte deutsche Ausgabe, besorgt tou
Dr. Ernst Jentsch. Wttrzburg, ;Stübers Verlag, 1908. Or. 8%817 8.,
Preis: 4 Mark.
Das Yorliogende Werk ist eine Ergänzung der bisher erschienenen Ab¬
handlungen des Verlassen auf dem Gebiete der Spezial-Psychologie, der man
nachgerade nach so vielen belehrenden und anfklärenden Schriften mit erklär¬
lichem Mißtrauen entgegentritt. In der Tat sollten Abhandlungen, die sich
so eingehend, wie die vorliegende, mit dem ganzen Gebiete des Sexuallebens
und seinen Perversitäten beschäftigen, nur die Lektttro des Fachmannes bilden
und weiteren Kreisen, denen sie als pikanter, aber sehr gefährlicher Unter-
haltnngsstoff dienen, ans guten Gründen möglichst ferngehalten werden. Der
Arzt, besonders der Gerichtsarzt und Eriminalpsychologe, wird in dem Ellis-
sehen Buche dagegen reichliche Belehrung auf einem Gebiete finden, dessen
Kenntnis uns vielfach äußerst wertvolle Einblicke in psychologische Vorgänge
vermittelt. Der Verfasser gibt eine eingehende Darstellung des Geschlechts¬
reizes, seiner Auslösung und Befriedigung als Detumeszenzvorganges ln dem
Sexualorgan unter Mitteilung eines reichen literarischen und anthropologischen
Materials, welch letzteres aber mit großer Vorsicht zu verwerten sein dfiifte.
Der größte Teil des Werkes behandelt den ^rversen sexuellen Trieb in allen
seinen Ausschreitungen, beginnend von dem Ueiderfetiebismus, bei dem schon
ein Elieidungsstück einer anders geschlechtlichen Person Tnmeszenz und auch
Detnmeszenzvorgänge auszulösen imstande ist, bis zu allen jenen schwer ver¬
ständlichen Perversitäten der Zooptilie (Geschlcchtsreiz durch Tiere hervor¬
gerufen) oder des Judismus. Mancherlei interessante Beobachtungen und Selbst¬
bekenntnisse werden zur Illustration mitgeteilt. Das gesamte Gebiet der
sexuellen Akte, die an Stelle des physiologischen treten, und als Aequivalente
des letzteren dienen, werden mit einem von Enlenburg eingeführten Namen
als nOfotlschcf Symbolismus“ zusammengefaßt. Stets handelt en sich „um eine
neuropatbische Eindrucksfahigkeit für abnorme Beize“. Diese „erscheinen oft
als absurd, manchmal als widerwärtig, aber von allen abnormen und normalen
sexualpsychologischen Aeußerungen sind sie diejenigen, welche am spezifischsten
menschlich sind“. — Ein Schlnßkapitel gibt die Psychologie der Schwanger¬
schaft und in einem Anhang eine Beihe kasuistischer FUle der geschleoit-
lichen Entwicklung. Dr. P o 11 i,t z - Düsseldorf.
Br. Xk V. Szdllftxny: Mann und Weib, swel grundlegende Natur-
prlnalplen. Eino sozial-philosophische Untersuchung. Würsbnrg |1908.
Stübers Verlag. IS**; 128 S. Preis: 2 M.
Die kleine Abhandlung, die sich mit mit dem Problem der Frauenlrage
vom naturwissenschaftlichen Standpunkte befaßt, enthält recht interessante
Bemerkungen über die körperlich - geistigen Differenzen beider Geschlechter;
— so besonders in dem Kapitel der Mann und die Frau — und über Wesen
und Bedeutung des Sexuellen für beide Geschlechter. Nicht ohne Interesse ist
die Beweisführung des Verfassers, daß mit einer Zunahme von Frauen-
emanzipations- Bestrebungen ein Sinken der Bevölkerungsvermchrung verbunden
ist. Damit stellt die Frauenbewegung keine Krankheit der Gesellschaft,
sondern im Gegenteil: eine der zahlreichen Beaktionen gegen die wirkliche
Krankheit, gegen das soziale Elend dar.“ Dr. Pollitz-Düsseldorf.
Xbr. Otto Dornblftth, Nervenarzt in Wiesbaden: Gesunde Nexven, Amt-
Hohe Belehrungen für NexvenkTanke und NexTenechwaobe.
IV. verbesserte Auflage. Würzburg 1908. Stübers Verlag. 8^; 152 8.
Preis: 2 M.
Dx. Paul Jolre, Professor am psychologischen Institut zu Paris naw.: Band-
buoh des Hypnotismus, seine Anwendung in Mediain, Bxaie-
hnng and Psyohologie. Autorisierte deutsche üebersetznsg von 0.
von Boltenstern-Berlin. Mit 44 Demonstrationsabbildungen.
774
Beide Btteher elad heaptsichli c h für des la der Praxis stekeBdea Arst
bestimmt. Das Dorablftthsche hat sieh, wie die sahlreielieB Anflai^ be*
weites, längstens Bingang ia einem größeren Leserkreise erworben. Ais Vor*
sag ist seine klare, leicht Terständliebe Darstellong besonders au rflhmen.
PädagOKea, Leitern ron Ersiehongsanstalten a. a. m., die mit Fragen der
Nerroeität ihrer ZOglinge za tan haben, kann das Bach mit gntem Bedt
warm empfohlen werden.
Das zweite Werk behandelt eingehend die Technik and Anweadnag
der H^nose nnter Beigabe zahlreicher iastroktizer Abbildnngea. Eiae ein>
gebeadere Bespreehnng dieses Baches kommt an dieser Steile nicht in Frage.
Dr. PollitS'DOsseldorl
Dr. W. Kolle, o. 0. Professor der Hygiene and Bakteriologie an der Unirersitit
and Direktor des Institats zar Erforschang der Infektionskrankheiten in
Bern, and Dr. HL Hetnelk, Stabsarzt and Vorstand der bakteriologiscbea
Untersuchongsstation des XVL Armeekorps in Metz: Die experimentelle
Bakteriologie and die Infektionskrankheiten mit besonderer
Berflokoiohtlgung der Immnnltltalehre. Ein Lehrbuch fhr Stadierende,
Aerzte and Medisinalbeamte. Zweite erweiterte Anflage, mit 81 mehrfarbigen
Tafeln and 66 Abbildangen im Text. Verlag Ton Urban & Schwarzen¬
berg, Berlin and Wien 1908.Qr. 8*; 740 Seiten. Prds: 26 Hark.
In zweiter Anflage ist das Lehrbach der Bakteriologe ron Kolle and
Hetsch erschienen. Das schnelle Vergriffensein der starken ersten Anflage,
(2000 Exemplare in kanm 2 Jahren) beweist, daß die Heiaasgabe des Werkes
einem lebhaften Bedfirfnis entsprach. Die zweite Anflage ist erheblich stärker
als die erste ausgefallen. Eine große Zahl Ton Kapiteln hat eine wesentliche
Erweiterung erfahren and mehrere Abhandlungen sind nen anfgenommen
worden, so solche Aber Opsonotberapie. Qasbrand, Kala-Azar, Coecidien*Krank-
heites, Ankylostomiasis nnd Krankneiten unbekannter Aotlologie. Jedem
Kapitel ist ein kurzes Verzeichnis der wichtigsten Uteratnr angefAgt. Die
wertfollste Bereicherung aber hat das Werk durch die Vermehrung der Ab¬
bildungen erhalten, deren Zahl sich gegen die erste Auflage rund verdoppelt
hat. Der Preis von 26 Mark darf in Anbetracht der Beidibaltigkeit des In¬
halts nnd der Vorzüglichkeit der Abbildangen als ein äußerst geringer be¬
zeichnet werden. Jedem bakteriologisch nnd epidemiologisch tätigen Arzt sei
das Werk als wertvoller Ratgeber empfohlen. Dr. Lentz-Berlin.
Dr. Abnl nnd Dr. Flektr: Blafkoho BlUlsmlitel mtr AnofShroag
bnktorlologlaoher TTmtomaolmiigna. Zweite Auflage. WArsborg,
Cart Kabitsch (A. Stübers Verlag). Preis: 1,20 Hark.
Die zweite Anflage des vorstehenden Ratgebers ist diesmal von seinem
frAheren Herausgeber semeiusam mit Ficker bearbeitet. Eine große Menge
praktischer Winke sind in dem Werkchen niedergelegt, wie man auch unter
schwierigen Verhältnissen und mit geringen Mitteln sein Laboratorium e^
richten und sparsam arbeiten sowie Hilfsmittel, die nicht gerade zum ^täglichen
Rüstzeug des Bakteriologen geboren, für die Zwecke des bakteriologischen
Arbeitens nutzbar machen kann. Jeder Bakteriologe wird aus dem Büchlmn
guten Rat und wertvolle Anregung schöpfen; es sollte in keinem Labo¬
ratorium fehlen.
Zar Einfügong von Notizen ist das Bach mit weißen Blättern doreb-
scbossen. Dr. Lentz-Berlin.
Tagesnachrichten.
Der Entwarf des nenen Weingesetses ist am 24. Okt. dem Reichs¬
tage sagegangen. Die Hauptabweicbungen gegenAber dem bestehenden
Weingeseta vom Jahre 1901 sind: Verschärfung der Straf Vorschriften, Ansban
der Kontrolle durch Anstellang haaptamtlicher Weinkmitrolieare, VerpBichtnng
TaceaoMhriebtMi.
776
der WeioprodmeBten sar Ffllumag tob BttcherB, die rlnoüiehe BBd zdtliehe
fiegreBSOBg der ZaekeniBg. IHuebeB werdee die Verta&lUiisee der ScheiiiB-
«eiobereitUDg OBd der KogoakbreDoerei geordset. Die EiBfohr aoel&BdiseheB
Weioee wird tob dem Nachweise abhiogig gemacht, daß seioe HerstelloBg
deB VorschrilteB des dentscheB Oeeetees eBtsprocheB hat, ud der Hißbraiich,
WeiB Biit dem geonaphischeo Nameo, ohae Bttcksicht aal seiae Herkoalt, als
QattoBgSBamea za bezeiciuieB, roadweg Terbotea.
Uegeottber dem Torigea Eotwarf, dea die Begieioag za Ostera rer*
Offeotlicht hatt& am iha der Kritik der InteresseoteB za OBterbreitea, briogt die
gegeawärtige Vorlage eioe Beihe tob MilderoBgeo, die insbesoBdere dea
WttBscbea der Piodozeotea kleiner Weine entsprechen. Im § 8 ist man ihnen
dadarch entgegengekommen, daß die Zeit der Zackerang, die im vorigen Ent*
warf bis znm 81. Dezember and nur mit Genehmigung des Bondesrats bis
81. Janaar lief, allgemein bis 81. Januar ansgedehnt worden ist. In § 4 ist
eine Bestimmang eingeschaltet worden, daß der Zackerznsatz zam Zwecke der
ümgärang kranken Weines mit Qenehmigang der zastindigen Behörde von
Fall za Fall zniässig sein soll, während es nach dem alten Qesetzentworf
keine BOgiichkeit daza gab. Erheblich ist die im § 6: Nach dem vorigen
Entwarf sollte verboten sein, bei gezuckertem Wein, sofern nicht gleichzeitig
der Wein als gezackert bezeichnet wird, eine Bezeichnong za wählen, die auf
den Namen der Traabensorte and den Jahrgang Bezog nahm. Jetzt ist dies
Verbot eingeschränkt worden, so daß bei Benennung gezackerten Weines nur
die Bezagnabme aaf die Weinbergslage oder den Namen des Weinbergbesitzers
verboten ist. ln § 6 und den daraaf folgenden Paragraphen, die sich mit der
geographischen Bezeichnong des Weines bezw. den Strafbestimmungen dazu
befassen, sind die Vorschriften durchweg, statt gegen den Handel mit Wein,
gegen den gewerbsmäßigen Verkehr mit Wein gerichtet worden. Beim Schaum*
wein ist eine Bestimmang eingeschaltet worden, wonach bei Schanmweinen, ^e
nicht mittels Fiaschengärang hergesteilt sind, die Bezeichnong der Herstellangs*
art za ersehen sein muß. Bei den Bestimmungen Ober die Verpflichtung zur Bau*
flihrang sind nach die Kommissionäre mit Wein and mit Stoffen, die bei der
Berdkong des Weines benutzt werden, mit einbezogen worden.
Die Gewerbekommission des Beiehstages hat betreffs
der Wdehnerinnenfilrsorge einen Antrag des Zentroms angenommen, der die
Nichtbescbäftlgong der Wöchnerinnen während im ganzen acht Wouen vor
and nach ihrer Niederkanft fordert. Der Wiedereintritt in die Arbeitsstelle
soll an den Ausweis geknüpft sein, daß seit der Niederkunft wenintens sechs
Wochen verflossen sind, desgleichen soll die Niederkanft als Krankheit gelten
mit Anspruch auf Dnterstütsang, während es jetzt im Belieben der Krisen*
hasse steht, ebe solche zu gewähren oder nicht.
In der am 24. Oktober im Beichsamt des Innern Aber die Beform des
Krankenverstebernngsreehts nbgehaltenen Konferenz von Vertretern der
SLrankenkassen, der Apotheker, Zahnärzte, Zahntechniker and Drogisten worden
von den Apothekern folgende Forderungen aufgestelit:
1. Alle ärztlicherseits für die Krankenkassenmitglieder verordneten
Arzneimittel müssen ausschließlich aas Apotheken bezogen werden. 2. Die
Verabfolgung von Arzneimitteln an die Krankenkassenmitglieder durch die
Kassenvorstände oder durch Kassenangestellte ist za untersagen. 8. Falls alle
Apotheken eines Ortes oder Kassenbezirks oder doch die große Mehrheit der*
smben sich bereit erklären, den Krankenkassen gleich günstige Liefemngs*
bedingangen za gewähren, sollen die Kassen gehiüten sdn, ihren Mitgliedern
die freie Wahl zwischen diesen Apotheken zu gestatten. 4. Bin Bezeptnr*
rabatt für die Krankenkassen ist nur dann durch die deutsche Arzneitsxe fest*
zoBtellen, wenn damit Hand in Hand eine reichsgesetzliche Begelang sowohl
in der Gewerbeordnung, als auch im Krankenversicherungsgesetze in der
Biohtung erfolgt, daß ein solcher Babatt sowohl nach oben wie nach nnten
begrenzt ist and nur für bestimmte Verhältnisse Gültigkeit bat.
Gegen diese Forderongen erhoben die Kassenvertreter Widernrnch.
U. a. wurde die Beibehaltung dea Bechtes der Kassen zum Absehlufi von
776
Vertrigen mit bestimmten Apotheken, die Zolassang der Drogisten xar Liefemng
▼on Annetmitteln and die Gewährong des Selbstdispensierrechtes nn die Kranken¬
kassen Teriangt.
Der prenßische Kaltasminister Dr. Holle hat leider aas Gesnndheits-
rftcksiehten einen längeren Urlaab nach Heran antreten mttssen. Hoffentlich
bringt ihm der dortige Aufenthalt Tolle Genesang, damit er die Geschäfte seines
mftheToUen Amtes r<^t bald wieder mit der bisherigen Tatkraft aofnehmen kann.
Am 20. Oktober d. J. ist der frühere Ministerialdirektor in der Unter-
ricbtsabteilang des Koltosministcriams, Wirkl Geb. Bat Dr. AltholT) Exzellens,
im Alter von 69 Jahren gestorben. Seiner großen Verdienste speziell am die
medizinische Wissenschaft haben wir bei seinem erst vor Jahresfrist erf<dgtea
Ausscheiden aus dem Staatsdienst gedacht. Nar karze Zeit ist es ihm Idder
TergOnnt gewesen, das otiam cam dignitate za genießen.
Am 27. und 28. Oktober d. J. ist der Preussische Apothekerrut za
einer Sitzang im Kaltasministeriam znsammengetreten. Zar Verhaadlong
gelangten a. a Krankenhaus - Apotheken und die Beschiftigong
nichtpharmazeatischyorgebiideten Person als in den Apotheken.
In den darauf folgenden Tagen, am 29. and 80. Oktober, hat eine Sitzung des
Preussischen ApothekerkammeraaHschUHses stattgefanden. Aaf der Tages-
ordnang standen a. a. die Verleihaog des Umlagerechts an die Apotherkammera
and die Verordnung betr. den Verkehr mit Arzneimitteln aaßerhalb der Apo¬
theken.
Das Kaltasministeriam hat durch den Bildhauer F. Kliemsch eine
Medaille für Verdienste am die Kinderfiirsorge entwerfen lassen. Sie soll
alljährlich in Gold, Silber und Bronze verliehen werden.
In Bayern ist jetzt darch Erlaß des Staatsministeriams dM Innern
vom 8. Oktober 1908 für jeden Begierangsbezirk ein besonderer natarwiasen-
schaftlich vorgebUdeter Anfsichtsbeamter zar Ueberwaehang der Belnbaltang
der Gewisser angestelU, der die Verwaltungsbehörden bei der ihnen nach
Art. 41 des Wassergesetzes vom 23. März 1907 nnterliegenden Anfsicht unter-
Sttttzen soll, insbesondere mit Bücksicht aaf die ErfttUang der an die Erlaabnia
zar Zoftthrong von Flttssigkeiten oder anderen nicht festen Stoffen oder von
festen Stoffen geknüpften Bodingangen. Diese Aafsichtsorgane sollen die Kon¬
trolle über die einschlägigen Abwasseranlagen und veranreinigten Ge¬
wässer ansttbon; bei welchen Anlagen oder an welchen Gewässern and zu
welcher Zeit diese Kontrolle vorzanehmen ist, bleibt zanächst ihrem Ermessen
und ihrer Initiative überlassen. Die Abwässer der gemeindlichen Kanali-
sationsanlagen sowie der bedeatenderen gewerblichen Anlagen sind jedoch
nach and nach sämtlich za kontrollieren. Sie sollen ferner bei der Vornahme
der Wasserschau mitwirken, das Endergebnis ihrer Untersaebangen in Ab¬
schrift den zuständigen DistriktsverwaltungsbehOrden zur weiteren Ver¬
anlassung mitteilen and am Schlüsse jeden Jahres einen Jahresbericht über
ihre Tätigkeit erstatten, der von der Begierang dem Staatsministeriom des
Innern vorzulegen ist. Die A.afsichtsorgane haben aoßerdem alljährlich an
einem nach Anordnang des Staatsministeriams des Innern an der Biologischen
Vexsachsstation in München abzahaltenden Ferienkurs teilzanehmen.
Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der
Tuberkulose beabsichtigt eine planmäßige Bekimpfong der Lupos-
erkrankungen im Deatschen Beiche herbeizaführen. Als Unterlage für die
zu ergreifenden Maßnahmen, die namentlich aach in der Begründung einer
ausreichenden Anzahl von Lichtheilanstalten für Lupasbehandlong bestehen
sollen, wird zanächst eine Erhebung darüber angestellt, wie viele dieser Kranken
zurzeit in den einzelnen Orten und Bezirken Deatschlands vorhanden sind.
In Anbetrasht dessen ist an alle Aerste eine aoszafülleade Zählkarte versandt,
die am 1. November 1908 nach Auslüllung zurückzasenden ist.
TH^esnaehxidrtan.
777
Am lostitat sar Erforschung der lofektionskrankheiten uu Bern (Di^
rektor ProL Dr. Ko Ile) sind yerschiedene Versuche mit Cholerasenim nn
Tieren gemacht worden und günstig yarlanfen. Das neue Heilrerfahren soll
in BnSland erprobt werden und, falls es sich als brauchbar erweist, dann yer-
Sffentlicht werden.
Genauere Nachforschungen haben in Oesterreich*üngarn eine
stetige Zunahme der yenerisehen Krankheiten ergeben. Bei den Fabrik*
arbeitern beträgt die Erkranknogsziffer 16 pro Mille, bei den kleingewerb*
liehen Hilfsarbeitern 82 pro Mille. Auffallend groß soll die Zahl der Er*
krankungen unter den Kürschnern, Friseuren, Kutschern, Buchdruckern und
Bäckern sein.
Die ständige btemationale Eonunissloii für das Stndlun der Gewerbe*
krankhelten teilt mit, daß bei dem yom 29. August bis 4. September 1909 zu
OleU'Pest stattfindenden XVI. internationalen medizinischen Kongreß bei ge*
nügender Beteiligung innerhalb der Sektion 18 (Hygiene) eine Unter Sektion
für Hygiene und Gewerbekrankheiten gebildet werden wird.
Der TIL Internationale Kongress fttr Krlmtnalanthropelogte, mit
dessen Organisation im Juni 1906 Prof. Dr. Sommer ans Gießen beauftragt
wurde, wird 1910 in Küln und damit zum ersten Male in Deutschland staufinden.
Prof Dr. Aschalfenburg hat die Vorbereitungen übernommen.
Das langjährige Mitglied des Preußischen Medisinalbeamten*Verein8,
Geh. Med.* Bat Dr. Georg, bst Ende yorigen Monats ein Doppeljnblllnm ge*
feiert: am 20. Oktober sein 50jähriges Doktorjnbllänm und am 25. Okt. das
25Jährige Jubiläum seiner Tätigkeit als Direktor der Hebammenlehranstait
in Paderborn, die an demselben Tage ihr 75jähriges Bestehen festlich beging.
Einer besonderen Feier des 50 jährigen Doktorjubiläums hatte sich der Jubilar
entzogen; die Vertreter des ärztlichen Vereins hatten es aber gleichwohl nicht
unterlassen, ihm die Glückwünsche des Vereins unter Ueberroichung des yon
der Uoirersität erneuerten Doktordiploms za überbringen. Das zweite Jubiläum,
das gleichzeitig eine Absebiedsfoier für ihn darstellte, da er mit dem 1. No*
yember aus seiner Stellung als Direktor der Hebammenlehranstait ausschied,
gestaltete sich desto feierlicher. Zu dem Festakt, der in der Hebammenlehr*
anstalt stattfand, waren der Landeshauptmann Dr. Hamerschmidt mit
mehreren Landesräten, der zuständige Landrat und Bürgermeister, die Mehrzahl
der Kreisärzte des Bezirks — der Begierungs* und Medizinalrat war durch
seine Beurlaubung yerhindert —, die Anstaltsgeistlichen, der Amtsnachfolger,
sowie zahlreiche von dem Jubilar aasgebildete Hebammen erschienen. Nach
einer kurzen Festrede des komm. Direktors der Anstalt, Dr. Mann, über*
reichte der Herr Landeshauptmann dem Jubilar den ihm Allerhöchst yerliehenen
Kronenorden 11. Klasse unter besonderer Anerkennung seiner langjährigen
großen Verdienste während seiner amtlichen Tätigkeit. Von der Oberhebamme
wurde dann ein Diplom mit sämtlichen Namen der yon ihm aasgebildeten
Hebammen überreicht. Auch der Kultusminister Dr. Holle hatte in einem
längeren Telegramm dem Jubilar, den er aus seiner Wirksamkeit als Landes*
hauptmann näher kennt, warme Worte der Anerkennung ausgesprochen. Der
JnbUar dankte mit bewegten Worten. Nach der Feier yereinigte die Fest*
teilnehmer ein Festessen im Hotel LOffelmann, während für die Heb*
ammen ein solches in der Anstalt selbst stattfand. MOge der Jubilar noch
yiele Jahre in gleicher körperlicher und geistiger Frische die wohlyerdlente
Buhe genießen I
Erfreulicherweise hat die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle an
Cholera in Baßland auch in den letzten Wochen weiterhin abgenommen.
In Petersburg betrag die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle in der
778
Titiwhriohte«.
Zeit vom 11.—17. Oktobet ou 418 (198X ki Is»» Boßland 1571 (829), du
sind 689 (258) weniger nie in der Vorwoche. Im Genien sind seit Beginn der
Epidemie bis Jetst 22295 Erkrnnknngen mit 10252 ToduiiUen Torgekommee.
Brknuikuigen iwd TedesflUle nn ansteckenden Krankheiten ie
Prenasen« Nach dem IfinisterialbUtt fftr Medizinal« and medizinische Unter«
richts* Angelegenheiten sind in der Zeit vom 18. Sept bis 10. Okt. 1908 erkrankt
(gestorben) an: Anssats,Cholera, Bttckfallfieber,Gelbfieber, Toll¬
wut u. Pest: —(—); Flecklieber: — (—),!(-),—(—), —(—; Pocken:
-(1), 2 (1), 2(-), 8(1); Milsbrand: 9(-),-^), 1 (->-(-); Biß-
verletsnngen durch tollwatverd&chtige Tiere: 8 (—), 15 (—),
6 (—), 6 (—); Unterleibstyphus: 445 (32), 452 (45), 865 (82), 857(22);
Bahr: 8 (4). 14(2), 6(2), 18 (2); Diphtherie: 1447 (75), 1424 (87), 1491
(89), 1581 (98); Scharlach: 1656 (91). 1720 (92), 1891 (126>, 1636 (90);
Genickstarre: 12 (8), 11 (4), 7 (4), o (8); Kindbettfieber: 81 (l4),
82 (18), 126 (21), 118 (82); Botulismus: 1 (1), — (—), 8(1), — (-);
Flel8ch(Mlefima8ehei«) Vergiftung: — (—), 2 (—), — (—), — (—);
Kdrnerkrankbeit(erkrankt): 222, 280,88,87; Tuberkulose (gestorben):
458, 467, 476, 462.
SpnohnnnL
Anfrage des Krelsantes Br. Z. In U.: Ist der Krelsant verpflichtet
a) für Gutachten in privatem Interesse grundsitzlich die niedrigsten Sitze
der KönigL Verordnung vom 17. September 1876, abo 6 Mark gem&ß
§ 1 in Bttcksicht auf § 8 Nr.6 Abs. 1 in du Gebtthrenverzeichnis aufzu«
nehmen und höhere Sätze buonders zu begründen?
b) für Gutachten, die in forstwirtschaftlichen Unfällen der KOnigL Begie«
mng erstattet werden, nach der erwähnten KOnigl. Verordnung su liqui¬
dieren oder kommt ^e ärztliche Gebtthren-Ordnung vom 15. Mai 1886 zur
Geltung?
Antwort: Zu a: Nein. Zu b: Es fludet die Gebflhren>OrdnaBg vom
15. Mid 1896 Anwendung.
Anfrage des Bestrksantee Dr« N. Ls G.: Ist der Impfarst Beamter
und du Einkommen aus der Uebemahme du Öffentlichen Impfguchifts als
Mlchu ansusehen, du eventuell gemäß § 24,8 du Militär* Pusionsgesetzu
elneKflrzang der Pension bedingt?
Antwort! Nein! Nuh einem im Einverständnis mit dem Fmanssri*
nister ergangenen Erlaß du preußischen Ministers der usw. Medizinal-Aago-
legenheiten vom 8. März 1905 gehört du Impfguchäft zur pttvatirzUichen
Tätigkeit. Der Impfarzt ist also kein Beamter, sondern steht nur in eiaem
privatrechtUehen Verhältnis zu der Behörde, die ihn mit der Vornahme MTent«
Ucher Impfungen beauftragt; eine Kürzung der Peuion flndet daher wegaa
der Bezüge au der Tätigkeit als Impfarzt nicht statt.
MIttellnDK! achte Jahrgang du Kmlenden fftr
Hedinlnmlbemmite für du Jahr 1909 irird in der zweiten Woche
des Dezembers d. J. zur Ausgabe gelangen. Bestellungen nimmt sehen
Jetst die Verlagsbuchhandlung entgegen.
Dar Harawsgrabar.
Verantw. Bedakteur Prof. Dr. Bapmund, Beg.* n. Geh. Med.-Bat in Minden 1. W.
J. 0. C. Binai, Henofl. S&ebf. F.8oh.*L« Hoftmek^rnokertl In Mladaii.
M. J«llK.
IMS.
Zeitschrift
fttr
MEDIZINALBEAMTE.
Zsotnllilatt für du gasaiti BsundMtnnsM,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenweeen.
Hemugegebeu
TOB
Geh. Med-Rat Prol Dr. OTTO RAPMUND,
Begtemiig»* und Medlzlnalrat ln Minden 1. W.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinalbeamtenvereins.
Verlag von Fiseher's medis. Buehhandlg, E Kornfeld,
Berlin W. 85, Lützowstr. 10.
Inaerate nehmen die YerUgihnndlnnf sowie aUe Annoncen-Ixpedltionen des In«
and Aaslandes entgegen.
Nr. 22.
Bnelielnt mm S. wtd SO. Jeden Hennte.
20. Novbr.
Das Kreis-Krankenhaus auf dem Lande.
Von Med.-Rat Dr. Meyer, Kreisarzt in Hannor. Münden.
In Nr. 18 dieser Zeitschrift unterzieht Herr Kollege Wen gl er
ans Alsfeld die Aufgaben des Kreiskrankenhanses auf dem l^de
einer näheren Besprechung und kommt zn dem Schlosse, daß das
Kreis-Krankenhaus zwischen Klinik nnd Siechenhans seinen
Wirkungskreis habe, daß es eine Beihe von akuten nnd chroni¬
schen Krankheiten anfnehmen solle, die in den klinischen Institnten
entweder nicht anfgenommen, oder wieder bald entlassen würden,
aber anderseits iflr das Siechenhans nicht reif wären. Neben dieser
Hanptanfgabe fallen als Nebenanfgaben dem Kreis-Erankenhanse
zn, die Anfnahme von ansteckenden Kranken nnd Geistes¬
kranken sowie die Behandlung nnd Beobachtang von Krank¬
heiten, namentlich im Interesse der Krankenkassen. Ueber diesen
Rahmen dürfe das Krankenhaus nicht hinansgehen, namentlich
dürfe es nicht durch gewagte Operationen oder Erforschung neuer
therapentischer Bahnen den Arzt berühmt zn machen soeben, da
es in diesem Falle mehr Privat-Krankenhans für den leitenden
Arzt, als Kreis-Krankenhans wäre.
Ich bin 20 Jahre lang leitender Arzt eines solchen Kranken-
hanses gewesen; es macht nichts ans, daß dies Krankenhaus zu¬
gleich ein Johanniter-Krankenhans war, denn seine Aufgabe war,
für drei Kreise, welche kein Krankenhans hatten, das Kreis-
Krankenhaus zn bilden nnd deren Interessen wahrzunehmen; ans
780
Dr. Meyer.
diesem Grunde waren bei der Grüodang des Krankenhauses von
den betreffenden Kreisen auch Beihillen zum Bau gegeben worden.
Nach den Erfahrungen, welche ich in dieser Zeit meiner Tätig¬
keit gesammelt habe, liegen die Aufgaben des Kreiskrankenhanses
doch auf anderem Gebiete, als Herr Kollege Wen gl er annimmt.
Vor allem hat meiner Ansicht nach das Kreis-Krankenhaus
keine Hauptaufgabe und keine Nebenaufgaben, sondern die dem¬
selben gestellten Aufgaben soll es in gleicherweise erfüllen; da¬
gegen stimme ich dem Herrn Kollegen darin bei, daß das
Krankenhaus kein Siechenhaus sein soll, wenngleich es
ohne Bedenken 2—8 Sieche, wenn dieselben noch einigermaßen
rüstig sind, aufnehmen kann. Wir hatten immer 2—3 Sieche,
deren Unterhaltung den Kreisen oblag; dieselben wurden in der
Küche beschäftigt und ersparten so immerhin eine Arbeitskraft.
Wir haben aber auch ganz hilflose Kranke aufgenommen, wenn
dieselben den Kreisen oder Gemeinden zur Last fielen, und ihre
Pflege im Privathause mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft
war. Entzieht sich das Krankenhaus dieser Aufgabe, so wird man
allerdings mit Recht sagen können, daß dem &eise der Vorteil
eines Krankenhauses in dieser Beziehung verloren geht.
Was im übrigen die Art der aufznnehmenden Kranken
betrifft, so sollen alle Kranke anfgenommen werden, gleichgültig,
ob akuter oder chronischer Art, denen das Krankenhaus Hilfe
bringen oder die Pflege gewähren kann, die der Kranke außer¬
halb des Krankenhauses nicht finden kann. Namentlich sollen
aber solche Kranke Aufnahme finden, denen eine sofortige Hilfe
zuteil werden muß, wie Kranke mit Heus, eingeklemmten Brüchen,
schweren Verletzungen. Und hier entsteht die Frage, welche der
Herr Kollege gleichfalls aufwirft, wie weit soll der Kranken¬
hausarzt ausgebildet sein und srie weit darf er seine ope¬
rative Tätigkeit ausdehnen. Nach meiner Erfahrung muß der
Arzt alle Operationen ausführen können, die ein sofortiges Ein¬
greifen erfordern: Er muß bei Ileus die Laparotomie, er muß bei
eingeklemmten Brüchen die Herniotomie und auch die Darm¬
resektion, bei Stenosen der Luftröhren die Tracheotomie usw.
machen können, er muß in der Behandlung der komplizierten
Brüche, nicht nur der Extremitäten, sondern auch des Schädels
die erforderliche Erfahrung besitzen, selbstverständlich auch ein
Empyem operieren und in der Geburtshilfe und Gynäkologie die
sofort erforderlichen Eingrifie machen können. Mii‘ sind im Laufe
der Jahre wiederholt Fälle zur Behandlung des Abortes, Damm¬
nähte, auch verschleppte Querlagen usw. in das Krankenhaus ge¬
bracht worden. Ich kann nach dieser Richtung hin nicht m>
schöpfend diesen Punkt behandeln, ich möchte mich noch einmal
kurz dahin präzisieren: alle Kranke, bei denen ein sofortiges Ein¬
greifen erforderlich ist, und deren Transport nach den größeren
Krankenhäusern nur mit Schwierigkeiten oder zum Nachteile der
Patienten ausgeführt werden kann, sollen im Kreis-Krankenhause
ihre Hilfe finden können. Ob der Krankenhansarzt, wenn die
Aufgabe an ihn herantritt, eine Amputatio mammae machen wül.
Das Kreis - Krankenhaus auf dem Landd. 781
ob er plastische Operationen, Entfemnng größerer Geschwülste,
Resektionen nsw. ansfiihren will, das liegt in dem Belieben der
betreffenden Aerzte; ich weiß, daß die meisten Kollegen es tnn.
Daraus ergibt sich znr Genüge, welche Ausbildung der Arzt des
Kreis-Krankenhauses besitzen soll; er mnß chirurgisch gebildet
sein, braucht aber kein spezialistischer Chirurg zu sein, was nicht
einmal wünschenswert ist. Er mnß die innere Medizin und
die Geburtshilfe in gleicher Weise wie die Chirurgie
beherrschen.
Selbstverständlich mnß die ganze Einrichtung und Aus¬
stattung des Kreis-Krankenhauses auch dem Arzt ermöglichen,
diesen seinen Aufgaben gerecht zu werden; nach meiner Erfahrung
wird bei dem Ban neuer Kreis-Krankenhäuser nach dieser Rich¬
tung hin auch verfahren. Ich mochte nur noch kurz den Punkt
berühren, weshalb auch Kranke, z. B. mit Carcinoma mammae, die
auch in der Lage sind, ein entfernteres, größeres Krankenhaus
anfzusnchen, im Kreis-&ankenhause Aufnahme finden sollen. Es
gibt nämlich in den ländlichen Kreisen eine ganze Reihe gering be¬
mittelter Personen, denen die Zahlung der Knrkosten in den größeren
Krankenhäusern doch große Schwierigkeiten bereitet, während die
erheblich geringeren Kosten im Kreis-Krankenhanse von ihnen
bestritten werden können. Ferner werden in allen Kreis-Kranken¬
häusern mit der Zeit Freibetten entstehen, die solchen bedürftigen
Kreisbewohnem zustatten kommen.
Daß es die Aufgabe des Kreis-Krankenhauses ist. Kranke
mit Infektionskrankheiten aufznnehmen und so der Bevölke¬
rung einen Schutz gegen die Verbreitung dieser E^rankheiten zu
gewähren, ist selbstverständlich; ich halte dies aber nicht wie
Herr Kollege Wen gl er für eine Nebenanfgabe, sondern für eine
Hauptaufgabe; ein Kreis-Krankenhaus ohne Isolierhaus für
solche Kranke hat seinen Zweck verfehlt.
Was die Außiahme von Tuberkulosen anbetrifft, so wird
jedes Krankenhaus in Zukunft dafür Sorge tragen müssen, Isolier¬
zimmer znr Aufnahme von unheilbar Tuberkulösen zu besitzen.
Soll dieses Krankenhaus auch Tuberkulöse im ersten und zweiten
Stadium anfnehmen, was durchaus wünschenswert ist, so kommen
hierbei noch Liegehallen in Betracht; selbstverständlich muß das
Krankenhaus dann auch durch seine Lage im Freien und größeren
Anlagen diesem Zwecke entsprechen. Ich habe in dieser Bezie¬
hung recht gute Erfahrungen gemacht.
Nicht minder wichtig ist, daß das Krankenhaus eine sach¬
gemäß eingerichtete Zelle zur vorläufigen Aufnahme von Geistes¬
kranken, namentlich Tobsüchtigen, hat.
Die Aufnahme von Kassenkranken und Unfallver¬
letzten zur Behandlung und Beobachtung halte ich gleichfalls
für eine wichtige Aufgabe des Kreis-Krankenhauses, und zu diesem
Zwecke einen Röntgenapparat für die Kreis-Krankenhäuser für
erforderlich. Namentlich bei den Unfallverletzten macht sich die
sofortige Ueberweisnng an ein Krankenhaus immer mehr und
mehr erforderlich, wie nicht nur die Aerzte, sondern namentlich
782 Dr. Meyer.
aach die Sektionerorstftnde der UnfaUversichenrngen seit laDgem
bereits erfahren haben.
Eine Losiösnng des Krankenhansarztes von der Privat*
Praxis halte ich nicht fdr wünschenswert, nicht einmal für mög*
lieh. Wie denkt sich der Herr Kollege die Besoldnng dieses Arztes,
wenn er keine Privatpraxis treiben soll? Welcher Kreis kann die
Besoldnog in diesem Falle bestreiten ? Nicht nur die ärmeren Kreise,
sondern auch die wohlhabenderen kleinen Kreise werden nicht in der
Lage sein, einen vollbesoldeten Krankenhansarzt anzustellen; größere
Kreise aber kommen nicht in Betracht, da für diese ein Kreis-
Krankenhans nicht genügt; ich denke hier namentlich an die
großen ostprenßischen Kreise nnd die Indnstriekreise des Westens.
Noch weniger kann ich einsehen, wie der Krankenhansarzt mit
den schulhygienischen Aufgaben betraut werden soll; dies wird
in den ländlichen Kreisen doch wohl immer die Aufgabe des Kreis*
arztes bleiben. Es ist meiner Ansicht nach auch nicht Aufgabe
des Krankenhausarztes, sich einen Einblick in die Gesundheits*
Verhältnisse des Kreises zu verschaffen, soweit dies nicht seine
Praxis nnd das Krankenhaus ihm ermöglicht, — wenn er nicht
zugleich Kreisarzt ist. Und so kommen wir auf die einfachste
Lösung aller dieser fraglichen Punkte, indem man den Kreisarzt
gleichzeitig zum Krankenhausarzt macht. Diese Lösung ist in
vielen Fällen zu allseitiger Zufriedenheit getroffen; aus den Aus¬
schreibungen von Kreisarztstellen ist auch ersichtlich, daß solche
nicht selten mit Krankenhausarztstellen verbunden sind und daß
natürlich in diesen Fällen chirurgisch befähigte Kreisärzte be¬
vorzugt werden. Auch meine Stelle wurde in dieser Weise aus¬
geschrieben.
Was die Einrichtung des Krankenhauses anbetrifft,
so habe ich diese bereits kurz gestreift; im übrigen wird sie sich
ganz wie der Bau, nach der Größe des Kreises und den vor¬
handenen Mitteln richten. Stets aber muß gefordert werden, daß
das Krankenhaus den bereits erwähnten Anforderungen an den
Bau nnd Einrichtung moderner Krankenhäuser im kleinen ent¬
spricht, daß es den Bewohnern des Kreises in den Fällen der Not
ein wirklicher Zufluchtsort wird, an dem sie die gewünschte Hilfe
erhalten können. Die Aufgaben des modernen Kreis-Kranken¬
hauses möchte ich demnach zum Schluß wie folgt zusammenfassen:
Dasselbe soll
1. in allen Fällen von Verletzungen oder plötzlichen Er¬
krankungen, in denen ein sofortiges Eingreifen erforderlich
ist, die entsprechende Hilfe, namentlich auch in chirurgi¬
scher Beziehung, gewähren können; nach dieser Eichtnng
hin wird daher bei der Anstellung des Arztes der Befä¬
higungsnachweis zu prüfen sein;
2. Aufnahme gewähren bei allen akuten nnd chronischen
Krankheiten, namentlich in solchen, bei denen eine Pflege
oder Behandlung im Hause nicht möglich ist, also auch
zur vorläufigen Unterbringung von Geisteskranken,oder
wo der Kreis resp. die Gemeinden die Unterbringung der
Kranken zu veranstalten haben;
Das Kreis-Erankenhaas auf dem Lande.
783
3. den Krankenkassen and Bernfsgenossenschaften in der
Behandlung und Beobachtung von Kassenmitgliedem oder
ünfallyerletzten eine entsprechende Anstalt sein;
4. Kranke, welche an unheilbaren Krankheiten leiden, auch
Sieche in geeigneten Fällen, auhiehmen, wenn diese
in privater Pflege nicht verbleiben kOnnen, namentlich
auch die Kosten der Unterhaltung dem Kreise oder den
Gemeinden zur Last fallen.
Nur so wird meiner Ansicht nach das Krankenhaus der länd¬
lichen Kreise seinen Zweck erfüllen können und auch in seiner
Unterhaltung den betreffenden Kreisen die geringsten Schwierig¬
keiten bereiten.
Erwiderung.
Zu dem Aufsatz des Herrn Med.-Rat Dr. Meyer: „Das
Kreiskrankenhaus auf dem Lande" bemerke ich Folgendes:
1) Der in meinem Aufsatz „Das Kreiskrankenhaus auf dem
Lande* in Nr. 18 dieser Zeitschrift, Jahrg. 1908 vorkommende
Ausdruck „Hauptaufgabe und Nebenaufgaben des Kreiskranken-
hauses* hat, scheint es, zu eiuem Mißverständnis geführt, welches
ich beseitigen möchte.
Es lag mir zunächst daran, die soziale Bestimmung des
Kreiskrankenhanses genau festzustellen. Die Bestimmung des
Kreiskrankenhauses im sozialen Leben, welche es in der Haupt¬
sache auf die Pflege der Minderbemittelten bei gewissen Krank¬
heitsfällen hinweist, nannte ich die Hauptaufgabe des Kreis-
krankenhauses. Ich wollte also die Stellung des Kreiskranken-
hanses unter den sozialen Einrichtungen für Krankenpflege fixieren.
Es ist vielleicht von Wichtigkeit, sich einmal zu überlegen,
daß bei dem Mangel eines Kreiskrankenhanses auf dem Lande
für die entsprechende Krankenpflege der Minderbemittelten bei
gewissen Krankheiten tatsächlich überhaupt gar keine Einrich¬
tung vorhanden ist, daß demnach auf dem Lande bezüglich der
Krankenhausbehandlung vielfach noch eine Lücke zwischen Klinik
und Siechenhans besteht. — Bei der weiteren Erläuterung der
Bestimmung des Kreiskrankenhanses kam ich dann auf einige
spezielle Aufgaben des Kreiskrankenhanses zu sprechen, welche
sich freilich aus der Hauptaufgabe ergaben, aber doch ihrer
Natur nach eine besondere Erörterung erheischten. Ich * nannte
diese Aufgaben des Kreiskrankenhauses „hochwichtige Neben-
aufgaben", wünschte aber beileibe nicht eine nebensächliche Auf¬
fassung.
2) Bei Besprechung der Qualität des Kreiskranken¬
hausarztes hält Herr Med.-Rat Dr. Meyer den Kreisarzt für
den berufenen Kreiskrankenhausarzt. Einige Zeilen vorher be¬
traut er aber den Eireisarzt auch noch mit der schulärzt¬
lichen Tätigkeit im Kreise und gestattet ihm Privatpraxis. Ich
kann mir nicht vorstellen, wie ein Mann alle diese Aufgaben
lösen soll, wie ein Arzt das Amt eines Kreisarztes, eines &eis-
784
Antwort auf die Torstebende Erwiderung.
Schularztes und eines Kreiskrankenhansarztes in seiner Person
vereinigen und dabei noch Privatprazis treiben könnte.
3) Zum Schluss betone ich: Wenn ich vom Ereiskranken-
haus spreche, will ich nicht so verstanden sein, dass in jedem
Kreise nur ein Kreiskrankenhaus stehen soll. Größere Land¬
kreise müssen mehrere Krankenhäuser besitzen mit abgegrenzten
Bezirken, wie es z. B. im Kreise Offenbach des Großherzogtnms
Hessen eingerichtet ist.
Dr. Wengl er.
Antwort auf vorstehende Erwiderung.
Dem Herrn Kollegen Wen gl er möchte ich zu seiner
Erwiderung bemerken: Ich habe 16 Jahre lang in meinem früheren
Wirkungskreise als Krankenhausarzt und Kreisarzt — seit 1901
für zwei Kreise — gewirkt und dabei noch eine ausgedehnte
Landpraxis betrieben. Ans den mir zuteil gewordenen Abschieds-
bezengungen konnte ich entnehmen, daß ich meinen Aufgaben
nach allen Seiten gerecht geworden bin; es gehört allerdings eine
kräftige Gesundheit, die volle Arbeitskraft eines Mannes und der
Verzicht auf ein bequemes Leben dazu, aber was ich durchgesetzt
habe, wird auch vielen anderen Kollegen, vielleicht in noch
leichterem Maße, möglich sein. Der Ausdruck „Kreisschnlarzt*
ist mir übrigens bisher unbekannt gewesen; nach § 94 der D.-A.
unterliegt die gesundheitliche üeberwachnng der Schulen dem
Kreisärzte; Ausnahmen machen doch nur die größeren Städte,
welche besondere Schulärzte angestellt haben. Daß es auch be¬
sondere Kreisschulärzte gibt, ist mir bisher unbekannt gewesen.
Dr. Meyer.
Die Büchereien der Krankenhäuser.
Von Dr.PIir,^Erei8as8i8tenzarzt in Wiezbaden.
Bei den amtlichen Besichtigungen der Krankenhäuser durch
die Medizinalbeamten wird, soviel bekaunt ist, kein Wert auf
die Art und Beschaffenheit etwa vorhandener Büchereien gelegt
und wohl nur in seltenen Fällen Nachfrage danach gehalten-
Die Vordrucke der Besichtigangsverhandluogen enthalten keinen
Platz dafür, und in den Jahresberichten wird nichts davon er¬
wähnt, so daß auch das jährlich von der Medizinalabteiion g des
Kultusministeriums herausgegebene „Gesundheitswesen des Preuß.
Staates“ weder in dem Abschnitte IX. „Fürsorge för Kranke und
Gebrechliche,“ noch sonst irgendwo einen Aufschluß oder gar
eine erschöpfende Uebersicht davon geben kann. Es scheint
dies ein nicht unwesentlicher Mangel zu sein, der sich unschwer
beseitigen läßt, wenn bei Besichtigung der Krankenanstalten die
Büchereien beachtet werden, wenn das Ergebnis der Nachfragen
und des Selbstgesehenen in die Besichtignngsverhandlungen auf-
genommen wird und von da aus in den Jahresbericht übergeht.
Alle diese kleinen Quellen vereinigen sich dann wie gewöhnlich
Dr. Pilf: Die Büchereien der Ernnkenhäiuer.
786
in den größeren Bächen der Begiernngs-JahreBberichte, die
wiedernm in dem großen See znsammenfließen) mit dem ich den
alljährlichen Gesnndheitsbericht der Medizinalabteilnng vergleichen
möchte. Ans diesem klaren See wird dann immer wieder neues,
frisches and belebendes Wasser für die Tätigkeit des Einzelnen
geschöpft; man kann Mediziaalbeamte, die sich beklagen, daß
sie nicht genng zu tan hätten, nur immer wieder darauf hinweisen;
sie werden Anregung genug finden.
Im Hinblicke auf diese geplante Bereicherung des Ab«
Schnitts IX wird vielleicht mancher Medizinalbeamte mit mir der
Ansicht sein, daß die Versorgung mit guter und zweckent¬
sprechender geistiger Nahrung, die belehrend und bildend, bessernd
und unterhaltend zugleich ist, einen nicht unwesentlichen Teil
der Fürsorge für die Kranken aasmacht. Der Diätetik der Seele
und der Hygiene des Gemüts wird mit Recht immer häufiger der
ihnen zukommende bevorzugte Platz neben der leiblichen Ver-
pfiegung und dem sonstigen äußerlichen Heilverfahren eingeräumt.
Es sind deshalb wohl in fast allen Krankenhäusern wenigstens
kleine Büchersammlungen vorhanden, die den Kranken zur Ver¬
fügung stehen. Wie diese Büchereien im allgemeinen beschaffen
sind, wie groß die Zahl der Bände ist, woher sie stammen, nach
welchen Verfahren sie den Kranken eingehändigt werden usw., —
davon ist wohl kaum etwas bekannt. Und doch wäre es viel¬
leicht eine sehr dankbare und Anteil erweckende Aufgabe, über
diesen so wichtigen Zweig der Krankenfürsorge möglichst aus¬
giebige Feststellungen zu machen. Ueber die Wichtigkeit dieser-
Art von Fürsorge mich noch näher anszusprechen, das halte ich
vor dem Forum derer, die die «Zeitschrift für Medizinalbeamte**
lesen, natürlich für überfiüssig.
Die Medizinalbeamten sind in erster Linie befähigt, über
diese Fragen Aufschluß zu geben; denn da sie alljährlich jedes
Krankenhaus ihres Kreises besichtigen, sind sie auch in der Lage,
über das Vorhandensein und die Beschaffenheit der Büchereien in
den Krankenhäusern Feststellungen vorzunehmen, was jedenfalls
ohne große Schwierigkeiten und ohne wesentlichen Zeitverlust
geschehen kann. Ich will bereits an dieser Stelle, auf die Geführ
hin, mißbilligendes Kopfscbütteln zu erregen, meine Absicht an¬
kündigen, daß ich demnächst einen Fragebogen an alle Beteiligten
versenden werde. Ich werde die Bitte anssprechen, im Laufe
des nächsten Jahres die nötigen Feststellungen bei Besichtigung
der Krankenhäuser zu machen inbezug auf die Büchereien und
dann die aasgefüllten Fragebogen am Jahresschlüsse zurück-
zusenden. Den auf diese Weise gesammelten Stoff will ich sichten
und ordnen und die nötigen Schlüsse daraus ziehen. Ich bin
schon heute felsenfest davon überzeugt, daß mir die Herren bei
meinen Bestrebungen helfen werden und daß das Endergebnis
nebst den sich daraus ergebenden Verbesserungen zum HeUe der
Krankenhäuser und der Kranken dienen wird.
Zunächst wird sich wahrscheinlich ergeben, daß die Ver-
Borgung der Kranken mit gutem Lesestofie unzureichend ist, und
786
Dr. Pilf.
daß es in den meisten F&llen an der genfigenden Ordnung,
Sauberkeit und Vorsicht fehlt. Soweit bis jetzt im allgemeinen
bekannt ist, entspricht nämlich eine Erankenhansbächerei, wie sie
jetzt beschaffen ist, in den meisten Fällen noch nicht einmal
den dttrfti^ten Anforderungen an die Gesundheitspflege; es er¬
scheint einigermassen unbegreiflich, dass bis jetzt so wenig dafflr
getan wird.
Wenn wir fragen, woher die Bficher stammen, die
wir in einer Erankenhansbibliothek Anden, so erfahren wir ge¬
wöhnlich zunächst, dass irgendwelche Mittel, ans denen Lesestoff
angeschafft werden könnte, nicht zur Verfflgnng stehen. Es sind
meist wahllos and planlos geschenkte Bücher, vielfach langweilig
nnd altersschwach änsserlich and innerlich; Bücher, die kein
Mensch sonst mehr haben mochte, weil sie in höchst nnerqnick-
lichem Zustande sind, werden den E[rankenhänsem überantwortet.
Oft stammen sie auch von den Eranken selbst oder sie werden
von den Genesenen znrückgelassen; gelegentlich sind sie auch
das Ergebnis von Sammlnngen, die znm Besten des Erankenhanses
veranstaltet werden. Jedenfalls aber stehen wir vor der be¬
schämenden Tatsache, daß die Versorgang der Eranken mit
guten, nenen Büchern als etwas sehr Nebensächliches, sogar Un¬
nötiges angesehen wird; ein Beefsteak gilt ja im Volke der
Dichter und Denker für viel nahrhafter und wertvoller als ein
Bach.
Daß die Beschaffenheit der anf meist höchst unwürdige
nnd klägliche Weise in die Erankenhänser gelangten Bücher wenig
einwandfrei ist, kann kaum bezweifelt werden; noch sicherer ist
es jedoch, daß sie sehr bald nach ihrem Gebrauche im Eranken-
hanse in einen derartigen Zustand geraten, daß sie Furcht nnd
Mitleid zugleich erwecken. Es gehört wenig Phantasie dazu,
sich die Wandernngen nnd Wandlangen eines solchen Buches
vorznstellen; noch leichter wird es, wenn man seine eigenen Be¬
obachtungen nnd Erfahrungen zu Hülfe nimmt. Am Morgen hat
ein unglücklicher Phthisiker das Buch gelesen nnd anf allen
Blättern reichlich and umständlich behnstet, auch die Blätter nnd
den Einband innig mit seinen Fingern berührt, die er sich nicht
wäscht, anch wenn er, an tuberkulösem Darmkatarrh leidend, sehr
oft den Abort oder das Stechbecken benutzt hat. Am Nachmittage
wandert das Buch anf die chirni'gische Abteilang, wo es bis znm
nächsten Tage mit der nötigen Anzahl von Eiterkokken nnd Ge¬
nossen versehen wird. Am nächsten Tage gelangt es in die Einder-
abteilnng, wo ein Eind in der einen Hand eine Bnttersemmel hält
und verspeist, in der anderen das Buch znm Lesen hält, das dabei
gelegentlich auch auf dem Speisebrette gelegt wird. Znm Schlüsse
werden die Finger zugleich mit Butter, Tuberkelbazillen und
Eiterkokken abgeleckt. Wenn das Buch nun nicht am nächsten
Tage schon von einem Typhuskranken, oder von einem Scharlach¬
oder Diphtheriekranken gelesen wird, kann es von Glück sagen.
Aber auf alle Fälle steht ihm dieses Schicksal früher oder später
noch bevor, and trotzdem gibt es immer noch Leute, die nicht
Die Bttcherden der Krankenhiiuer.
787
begreifen können, auf welche Weise oft ansteckende Krankheiten
übertragen werden, üeber schmutzige Bücher könnte man über¬
haupt noch mancherlei sagen, z. B. über die in den aseptischen
Wartezimmern der Aerzte. Wem geht da nicht freudig das Herz
auf, wenn er sich in den Anblick dieses Lesetisches vertieft!
Fürwahr, die Theorie ist erbarmungslos, und die Praxis ist lang¬
mütig und gnädig bis zur Gedankenlosigkeit.
In den Krankenhäusern fehlt es fast immer an jeder Ord¬
nung und Aufssicht inbezug auf die Au'sgabe der Bücher, und
nach ihrem Herkommen fragt niemand. Die meisten Menschen
sind einem Buche gegenüber von einer beneidenswerten Harm¬
losigkeit. Auch Leute, von denen man es nicht erwarten sollte,
sieht man beim Blättern in einem Buche, auch wenn es schon
durch zahlreiche Hände gegangen ist, sich jedesmal mit einem
gewissen Wohlgefallen die Fingerspitzen belecken.^)
Ans alle diesem ergibt sich von selbst die laute Frage:
Wie ist dem abzubelfenP
Diese Frage kann und will ich heute noch nicht vollständig
beantworten, sondern ich kann erst dann, wenn meine Umfrage
ei*folgreich gewesen ist, mit ausreichenden Vorschlägen für die
hygienisch einwandfreie Gestaltung der Krankenhausbüchereien
hervortreten. Trotzdem möchte ich schon heute, gewissermaßen
als Einleitung, zur Anregung und Ermunterung, einen kleinen
Vorschlag machen.
Es empfiehlt sich, alle Bücher zweifelhaften Herkommens
für die Krankenhäuser von vornherein einfach abzulehnen und die
Krankenhausverwaltungen und die sonst in Betracht kommenden
Persönlichkeiten dafür zu interessieren, daß sie die nötigen Bücher
für die Bfranken kaufen. Es ist ja bekannt, das das Bücherkaufen
im allgemeinen auch von vielen sonst gut erzogenen Leuten für
Verschwendung gehalten wird und daß behauptet werden wird,
dazu seien keine Mittel im Haushalte der Krankenanstalten vor¬
handen. Ich kann jedoch beweisen, daß hierzu tatsächlich so ge¬
ringe Geldmittel nötig sind, daß sich kaum ein Krankenhaus das
Armutszeugnis ansstellen wird, nicht soviel hergeben zu können.
Jedes Krankenhaus ist in der Lage, eine große Anzahl von
Büchern für die Kranken anznschaffen, auch ohne die Schwierig¬
keiten einer Prüfung und Auswahl zu haben.
Ich meine hier in erster Linie die bekannten Wiesbadener
Volksbücher. Von dieser Sammlung sind nach dem vorliegenden
letzten Verzeichnisse 109 Bände erschienen, die ihrer Auswahl,
ihrem literarischen und ihrem ethischen Werte nach über allen
Zweifel erhaben sind; diese 109 Bände kosten zusammen im
Einzelkaufe noch nicht ganz zwanzig Mark.
0 Wovon sind die gerichtlichen und anderen Aktenstttcke besonders auf
jeder Seite unten rechts so ekelerregend und sehmntzig klebrig? Antwort:
Vom Fingerlecken. Sehr viele, die das Aktenstück lesen, lecken den Schmatz
and Speichel ihrer Vorgänger ab. Es ist aach hier eine förmliche Massen-
saggestion za bemerken; niemand glaabt ombUttem za kOnnen, wenn er sich
erst nicht die Fingerspitmn beleckt hat.
788
Dr. PUI: Die Bfichereien der Krankenliiaser.
Der Preis der Bfteher richtet sich im wesentlichen nach der
Bogenzahl; die dhnnsten Bände sind etwa 3—4 Druckbogen stark.
Bis jetzt sind vorhanden:
80 Bändchen im Preise yon je 10 Pf., 4 fttr 30 Pf.,
86 im Preise yon je 15 Pf., 8 fAr 35 Pf.,
22 fttr 20 Pf., 2 fttr 40 Pt,
9 fttr 25 Pt, 2 fttr 45 Pt,
1 fttr 50 Pf.
Die Anzahl der mehr als 20 Pf. kostenden Bücher ist also
sehr gering. Man kann z. B., wenn man von jedem der Zehn-
pfennigbttcher 10 Stück bestellt, für 80 Mark 300 Bücher kaufen.
Die Bücher, die mehrere Male gelesen sind, und die auch
nur im geringsten verdächtig, unansehnlich oder unsauber ge¬
worden sind, können bei ihrem geringen materiellen Werte ohoe
weiteres verbrannt werden; bei Büchern, die von infektiösen
Kranken gelesen werden sind, möchte ich das in jedem Falle
empfehlen. Mindestens können aber für die einzelnen Abteilungen
größerer Krankenhäuser besondere Büchereien angeschafft werden,
so daß fwenigstens die gefährlichsten Wanderungen der Bücher
vermieden werden. Die Auswahl dieser Bücher kann jedermann
überlassen werden; ob sie aus Meyers Volksbüchern, aus der
Bekl am sehen Universialbibliothek, Kürschners Bücherschatz
oder sonst woher getroffen wird, ist imgrnnde einerlei. Die
Wiesbadener Volksbücher brauchen nicht ausgesucht zu werden;
sie können nach der Reihe jedermann, zum grössten Teile auch
Kindern, in die Hände gegeben werden. Sie bilden einen an¬
regenden, veredelnden Lesestoff; sie halten sich frei von allen
religiösen und politischen Streitfragen und Erörterungen, die für
Kranke ja noch weniger erspriesslich sind wie für Gesunde.
Aeltere und neuere Dichter sind gleichmässig berücksichtigt.
Die besichtigenden Medizinalbeamten sind also schon jetzt
in der Lage, den Krankenhäusern mit positiven Vorschlägen
gegenüber zu treten, wenn es auch vielfach nicht ganz leicht
sein wird, die Scheu vor dem Bücherkaufen zu ertöten. Kein
Mensch besinnt sich, wenn er für eine Zigarre, ein Glas Bier,
eine kurze Fahrt auf der Strassenbahn oder eine ähnliche soge¬
nannte Notwendigkeit des täglichen Lebens Tag für Tag so und
so viele Zehnpfennigstttcke opfert; aber für ein Buch, für einen
edlen geistigen Genuß täglich zehn Pfennige oder gar zwanzig
ausgebenP Unerhörte Zumutung! Eine Zigarre fttr zehn Pfen¬
nige verbrennen — selbstverständlich; aber ein Buch fttr zehn
Pfennige kaufen, lesen und dann verbrennen, anstatt es ztranzig
Mal auszuleihen — unglaubliche Verwegenheit! Wenn doch ein
Zehntel, nur ein Zwanzigstel oder noch weniger des Geldes, das
in Deutschland jährlich für Alkohol und Tabak ausgegeben wird,
für Anschaffung guter Bücher verwendet würde! Wahrhaftig, es
stände dann besser um unser Volk! Sollen wir nicht alles auf¬
bieten, um hier zu helfen? Grade von uns soll doch jeder Ein¬
zelne das Bestreben haben, unser Volk auf eine höhere körper¬
liche, geistige und sittliche Stufe zu heben. Jeder Weg, und
Der Gesetzentwurf, betreffend die Gebühren der Medüdnalbeamten usw. 789
wenn er auch anfangs noch so schwierig und angangbar erscheint,
läßt sich ebnen.
Das Lesebedttrfnis des Volkes darf nicht unterschätzt wer¬
den; wir wissen ja alle, dass die Leute nach wirklich guten
Bflchem vielfach geradezu hungern; es fehlen ihnen nur die G^e-
legenheiten nnd das Wissen, sie zn erhalten.
Dass ich mit meinen Ansfahmngen nnd Vorschlägen auf
Widersprach stossen werde, weiss ich ganz genau; es gibt ja,
besonders in Deutschland, bekanntlich nichts, gegen das nicht
irgend jemand etwas einzuwenden hätte. Es wird heissen, dass
ich mich mit Utopien beschäftige, dass ich einem unpraktischen
Idealismus das Wort rede, dass in Wirklichkeit alles ganz anders
sei, dass meine Vorschläge undurchführbar seien — nun wohl,
auf diese und andere bei jeder Gelegenheit anftauchenden Ein¬
wände bin ich vorbereitet. Ebensogut weiss ich aber auch, dass
sich alles aus kleinen Anfängen entwickeln muss und dass es mir
gelingen wird, eine ganze Reihe von meinen Lesern zu über¬
zeugen, damit in absehbarer Zeit auf dem Gebiete der Eranken-
hausbüchereien gute Zustände geschaffen werden.
Der Gesetzentwurf, betreffend die Gebühren der Medizinal¬
beamten und seine Rückwirkung auf die Gehalts- und
sonstigen Diensteinkommensverhäitnisse dieser Beamten.
Vom Herausgeber.
Der dem Landtage jetzt von neuem vorgelegte Gesetzent¬
wurf, betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten, stimmt in
seinem Wortlaut mit den früher (in den Jahren 1901, 1902 nnd
1904 vorgelegten Entwürfen zwar im allgemeinen überein nnd ist
damals bereits bespochen (s. diese Zeitschrift, Jahrg. 1901, Nr. 5,
S. 166 und Jahrg. 1902, Nr. 7, S. 223), er bringt jedoch mehr¬
fach nicht blos redaktionelle, sondern auch sachliche Aendernngen,
die für die künftigen Diensteinkommensverhältnisse der Medi¬
zinalbeamten von großem Interesse sind und daher einer ein¬
gehenden Besprechung bedürfen. Wir lassen zunächst den Wort¬
laut des Gesetzentwurfes nebst Begründung nnd beigefügten
Tarifen folgen*):
§ 1. Die Kreisärzte erhalten ffir amtliche Verrichtungen, deren Kosten
der Staatskasse zur Last fallen, soweit dieses Gesetz in den §§ 3 nnd 5 nicht
ein anderes bestimmt, außer ihren etatsmäßigen Bezügen keine weitere Ver¬
gütung aus der Staatskasse.
§ 2.‘) Bei anderen amtlichen Verrichtungen erhalten die
Kreisärzte Gebühren, und zwar
1. wenn es sich um ortspolizoiliche Interessen handelt,
deren Befriedigung den Ge|meinden gesetzlich obliegt,
von den letzteren.
*) Die Abänderungen sind gesperrt gedruckt.
*) Entspricht einem Beschlüsse der Kommission des Abgeordnetenhauses;
die Aenderungen sind jedoch nur redaktioneller Art.
790 Der Oesetzentwnrf, betreffend die Oebflhren der HedizinalbeunteB nnd eeioe
2. in allen ttbrisen Fällen von den Beteiligten, in deren
Interesse die Verrichtungen erfolgen.
§ 8. Für die Tätigkeit als gerichtliche Sachverständige (Gierichtsärzte)
steht den Kreisärzten ein Anspruch auf Gebühren zu.
§ 4. Die Tollbesoldeten Kreisärzte haben die ihnen nach
den §§ 2 und 8 zustehenden Gebühren an die Staatskasse ab*
Zufuhren.
§ 6. Die Kreisärzte erhalten aus der Staatskasse, in den Fällen des § 2
von den Beteiligten, Tagegelder und Beisekosten nach Maßgabe der für
Staatsbeamte geltenden ^Igemdnen gesetzlichen Bestimmungen. Die Vor¬
schrift des § 1 Abs. 6 des Gesetzes, betreffend die Dienst¬
stellung des Kreisarztes nnd die Bildung von Gesnndheits-
kommissionen, vom 16. September 1899 (GesetzsammL
8. 172 flg.) bleibt unberührt.
Die Gemeinden und sonstigen Beteiligten sind befugt,
mit den Kreisärzten die Gewäh|tnng von Pansehaient¬
schädigungen zu vereinbaren.*)
Die Tagegelder und Beisekosten in gerichtlichen Angelegenheiten (§ 8)
werden durch Königliche Verordnung festgesetzt.
Werden die in dem § 2 bezeichneten Verrichtungen an dem Wohnorte
oder in einer Entfemung von weniger als zwei Kilometern von demselben
vorgenommen, so haben die Kreisärzte Anspruch auf Ersatz der verauslagten
Fuhrkosten.
§6. Sind mehrere amtliche Verrichtungen auf einer
Beise in einer Entfernung von mindestens zwei Kilometern
vom Wohnorte des Kreisarztes vorgenommen worden, nnd
ist eine Verteilung der Kosten auf die verschiedenen
Verrichtungen erforderlich, so sind fürdie ganze BeiseTage-
gelder nnd Beisekosten nach den für Staatsdienstreisen
geltenden Sätzen zu berechnen nnd gleichmäßig nach der
Zahl der Geschäfte auf diese zu verteilen; hierbei gelten
mehre re an demselben Orte für de ns eiben Zahlungspflichtigen
verrichtete Dienstgeschäfte der in den §§ 1, 2 bezeichneten
Art als ein Geschäft.*)
Die vorstehenden Bestimmungen finden entsprechende Anwendung auf
die bei Verrichtungen am Wohnorte oder in einer Entfemung von weniger
als zwei Kilometern von diesem entstandenen Auslagen für Fuhrkosten.
Tagegelder können auch dann, wenn mehrere Dienstreisen an einem
Tage erl^igt werden, nur einmal beansprucht werden.
§ 7. In den Fällen der §§ 2 nnd 3 werden Tagegelder nur insoweit
gezahlt, als sie die Gebühren für die auf der Beise vorgenommenen amtlichen
Verrichtungen übersteigen. Die vollbesoldeten Kreisärzte haben
denjenigen Betrag, um welchen die Gebühren den gesetz¬
lichen Tagegeldersatz überschreiten, an die Staatskasse
abzufühjren.>)
§ 8. Der Tarif für die den Kreisärzten in Gemäßheit der §§ 2 nnd 3
zustehenden Gebühren wird durch den Minister der Medizinal-Angelegenheiten
im Einvernehmen mit den sonst beteiligten Ministem festgesetzt. In gleicher
Weise werden auch die erforderlichen Ansführungsbestimmungen erlassen.
In dem Tarife kann auch bestimmt werden, daß bei einzelnen Arten
von Verrichtungen Gebühren nicht zu erbeben sind.
Der TarU ist durch die Gesetzsammlung bekannt zu machen.
§ 9. Werden [in den Fällen, in welchen der Tarif einen Mindest- nnd
Höchstsatz vorsieht, Bedenken gegen die Angemessenheit des geforderten
Betrages erhoben, so entscheidet, soweit nicht für gewisse Verrichtungen ein
anderes bestimmt ist, der Begierungspräsident, innerhalb des seiner Zuständig¬
keit unterstellten Bezirks der Polizeipräsident von Berlin, endgültig.
*) Entspricht einen Beschluß der Kommission des Abgeordnetenhauses.
2) Die Aenderung ist nur redaktionell; sie entspricht dem Gesetze vom
24. Juli 1904, betreffend die Gebühren der Kreistierärzte.
') Die Aenderung ist nur redaktionell.
Ettekwirknng auf die Gehalts- nsw. Veihiltnisse dieser Beamten. 791
§ 10. Als Kreisärate im Sinne dieses Gesetses gelten anck die Kreis-
assistensärzte.
§ 11. Inwieweit bei der Pensionierung der nicht roll-
besoldeten Kreisärzte aufier dem Gehalt amtliche Gebühren
im Sinne dieses Gesetzes und andere Dienstbezttge der Pensions¬
berechtigung zugrunde zu legen sind, wird durch den Staats¬
haushaltsetat bestimmt.
§ 12. Werden andere Aerzte, beamtete oder nicht beamtete, zu einer
der in den §§ 2 und 8 bezeichneten Verrichtungen amtlich aulgefordert^ so er¬
halten sie in Ermangelung anderweitiger Verabredung die den Kreisärzten
nach Maßgabe der §§ 2, 8, 8 und 9 zustehenden Gebtthren. Werden nicht
beamtete Aerzte zu einer der in dem § 1 bezeichneten Verrichtungen amtlich
anfgefordert, so erhalten sie in Ermangelung anderweitiger Verabredung die
für die EäUe des § 2 bestimmten Gebühren. In den Fällen des Abs. 1
erhalten die Aerzte dieselben Tagegelder, Reisekosten und Fuhrkosten, welche
den Kreisärzten in Gemäßheit der §§ 5 bis 7 zustehen, sofern sie nicht nach
ihrer Amtsstellung Anspruch auf höhere Sätze haben.
§ 18. Wirdzu einer gerichtlichen oder medizinalpolizei¬
lichen Feststellung ein Chemiker zngezogen, so erhält der-
selbefür seineArbeit, einschließlich desBerichts, Gebühren.
Hinsichtlich des Tarifs für die Gebühren gelten die
Vorschriften der §§ 8 und 9.
Etwaige Auslagen für Benutzung eines besonderen
Lokals sind dem Chemiker neben der Gebühr zu vergüten.
§ 14. Für die Besichtigung einer Apotheke an seinem Wohnorte oder
in einer Entfernung von weniger als zwei Kilometern von demselben erhält
der medizinische Kommissar 6 M. Entschädigung.
Der pharmazeutische Kommissar erhält Tagegelder und Reisekosten
nach den den Kreisärzten zustehenden Sätzen, außerdem^ 1,60 M. für jede
Apothekenbesichtigung als Ersatz für verbrauchte Reagentien.
§ 16. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündigung in Kraft.
Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die den Medizinalbeamten
für die Besorgung gerichtsärztlicher, medizinal- oder sanitätspolizeilicher Ge¬
schäfte zu gewährenden Vergütungen, vom 9. März 1872 (Gesetzsamml. S. 265)
und der Verordnung vom 17. September 1876 (Gesetzsamml. S. 411) treten
außer Kraft.
Begründung *)
Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die den Medizinalbeamteu
für die Besorgung gerichtsärztlicher, medizinal- oder sanitätspolizeilicher
Geschäfte zu gewärenden Vergütungen, vom 9. März 1972 (Gesetzsanunlung
8. 265) haben sich schon seit Jahren nach verschiedenen Richtungen als
nnznlänglich erwiesen. Ea war daher beabsichtigt, zugleich mit dem Gesetz,
betreffend die Dienststellung des Kreisarztes und die Bildung von Gesundhets-
kommissionen, vom 16. September 1899 (Gesetzsamml. S 172) die Bestimmungen
über die Gefahren der Medizinalbeamten einer Revision zu unterziehen. Diesem
Zwecke sollte der in der ersten Session der 20. Legislaturperiode eingebrachte
Entwurf (Nr. S8 der Drucksachen) dienen. Mit demselben ist der vorliegende
Entwurf im wesentlichen gleichlautend. Die von der XIV. Kommission des
Hauses der Abgeordneten vorgenommenen Äenderungen (vergl. Anl. 2 zu Nr. 1072
der Drucksachen) haben Berücksichtigung gefunden. Teilweise {vergl. § 5) erschien
es zweckmässig, die neue Fassung dem Vorgänge des Gesetzes, betreffend die
Dienstbezüge der Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904 (Gesetzsamml. S. 169) an-
zupassen. Neu eingefügt sind die §§ 4, 11 und 13 (siehe die besondere Begründung).
Die wesentlichen Gründe für die beabsichtigte Neuregelung sind folgende.
ln erster Linie hat die Fassung des Gesetzes vom 9. März 1872 an machen
Stellen zu Klagen über Unklarheiten und Lücken und infolge dieser Mängel
zu Atulegungen Veranlassung gegeben, die zu widersprechenden höchstrichter¬
lichen Entscbeiduog geführt (vergl. u. a. Urteil des Reichsgerichts vom
6. Januar 1899 und 3. Dezember 1900, Entsch. in Zivils. Bd. 43 S, 220, Bd. 47
S. 319, Urt. des Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar und 1. Dezember
1899 in Anlage I auszugsweise mitgeteilt), sowie eine Reihe ergänzender
*) Die Abänderungen sind in Kursivschrift gedruckt.
792 Der Gesotzentwarf, betreffend die Qebtthren der Medizinalbeamten and seine
Erlasse der Verwaltungsbehörden notwendig gemacht haben. Dies gilt ins*
besondere Ton den Vorschriften in den §§ 1 and 3 des Gesetzes. Durch die
Bestimungen des Entwurfs (§ 1) wird die Rechtslage in diesem Punkte geklärt.
(Vergl. die besondere Begründung zu diesem Paragrapkeu.)
Hinsichtlich das Gebttbrenbezages ist allgemein Toraaszoscbicken, daß
das Gesetz, betreffend die Dienststellang des Kreisarztes asw., vom 16. September
1899 sich aas den za § 8 des Entwurfes desselben näher dargelegten Gründen
daraal beschränkt hat, dem künftigen Kreisärzte die Pensionsfähigkeit der
Besoldang and damit die Konsequenz der gesetzlichen Bestimmungen (yergL
Gesetz yom 20. Mai 1882, Gesetzsamml. S. 298) den Hinterbliebenen auch
Ansprach auf Beliktenyersorgang za gewährleisten. Im übrigen aber beab*
sichtigte das Kreisarztgesetz nicht, wie dort ebenfalls aasgeführt ist, der
Dienststellung des Kreisarztes einen von der des Kreisphysikas abweichenden
Bechtscharakter zu geben. Der Kreisarzt bezieht, wie auch früher der Kreis*
physikas, für seine Tätigkeit im staatlichen Interesse seine Besoldang aas der
Staatskasse, welche durch den Staatshaashaltsetat für 1901 wesentlich erhöht
worden ist, auch eine weitere Erhöhung im Bahmen der bevorstehenden Beamten-
besoldongsaufbesserong erfahren soll, und hat demnach, wie alle anderen
Staatsbeamten, sämtliche mit seinem Amt verbundenen Verrichtungen dieser
Art ohne weitere Vergütung vorzanehmen. Dagegen verbleiben den Kreis*
ärzten — abgesehen von den vollbesoldeten — für sonstige amtliche Verrichtangen
auch weiterhin die Gebühren der Beteiligten.
Besoldang and Gebühren stellen zusammen das Diensteinkommen des
nicht vollbesoldeten Kreisarztes dar, welches entsprechend dem nach den
Örtlichen Verhältnissen sehr verschiedenen Umfang seiner amtlichen Inansprach-
niüime sich auch in Zakanft, wenn auch unter allgemeiner Aofbesserung seiner
materiellen Stellung, verschieden gestalten wird.
Wenn ursprünglich bei der Revision des Gebührengesetzes beabsichtigt war,
eine Erhöhung der Gebührensätze herbeizuführen, weil die Anforderungen an
die wissensclmftliche und praktische Ausbildung der Medizinalbeamten seit dem
Erlasse des Gesetzes vom 9. März 1872 eine erhebliche Steigerung erfahren haben
und die Höhe der 1872 festgesetzten Gebühren nicht mehr überall den heutigen
Verhältnissen und Geldwerten angemessen erschienen, so tritt nunmehr dieser
Gesichtspunkt mit Rücksicht auf die in Aussicht stehende Besoldungsaufbesserung
in den Hintergrund. In dem Tarifentwurf (Anl. A.) ist nur bei
einigen Positionen eine mässige Erhöhung vorgesehen, welche
jedoch durch Ermässigungen oder durch Einführung völliger
Gebühren freiheit an anderen Stellen, insbesondere an solchen,
bei denen soziale Rücksichten mitsprechen, ausgeglichen
erscheint.
Es empfiehlt sich nicht, die Gebühren, wie dies im Gesetz vom 9. März
1872 geschehen ist, in dem Gesetze selbst festzastellen. Vielmehr erscheint
es mit Bücksicht aaf den schnellen Wechsel, dem die amtsärztliche Tätigkeit,
sowie die derselben zagrande liegenden Zweige der medizinischen Wissenschaft
unterliegen, zweckmäßig, einen Weg za wählen, welcher geeignet ist, dem
jeweiligen Bedürfnisse der Abänderung oder Ergänzung der normierten Gebühren¬
sätze ebenso schnell wie sachgemäß Bechnung zu tragen. Nach dem Vorgänge
der Begelung der Gebührenverhältnisse der approbierten Aerzte (vergL § 80
Abs. 2 der Beichsgewerbeordnung für approbierte Aerzte und Zahnärzte vom
15. Mai 1896 — Min. - Bl. f. d. iun. Verw. S. 105) sowie derjenigen der Kreis¬
tierärzte für ihre Tätigkeit als gericlUliche Sachverständige (vergl. § 3 des Gesetzes,
betreffend die Dienstbezüge von Kreistierärzten, vom 24. Juli 1904, Gesetzsamml.
S. 169) soll daher der Minister der Medizinal*Angelegenheiten ermächtigt
werden, den Tarif für die den Kreisärzten nach §§ 2 und 8 zustehenden Gebühren
festzusetzen und auch die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen;
daß der Minister der Medizinal*Angelegenheiten vor dem Erlasse oder der
Abänderung des Tarifs sich des Einverständnisses sonst beteiligter Minister
(des Finanzministers, des Justizministers) zu versichern hat, entspricht den
bestehenden Bessortgrundsätzen.
Im einzelnen ist folgendes!;zu bemerken:
11« Die Vorschrift im § 1 des^'Eutwurfes stellt den Grundsatz an die
Spitze, daß beim Kreisarzt, wie bei jedem anderen Staatsbeamten, die etats¬
mäßigen Bezüge den vollen Entgelt für die in dem Bereiche seiner dienstlichen
BttckwirkiiBg ani die Qehalts- nsw. Verhältnisse dieser Beamten. 7d3
Tätigkeit liegende Inang|^nahme seitens des Staates darstellen. Aosnabmen
von diesem Omndsatse sind in den §§ 3 und 5 anfgeftthrt. Schon die Fasson^
des § 1 läßt erkennen, daß hier nor solche Verrichtungen gemeint sind, die
dem Kreisärzte ids staatlichen Qesundheitsbeamten des Kreises obliegen, nicht
aber Geschäfte, welche von dem Kreisärzte in der Form eines staatsseitig
übertragenen Nebenamtes oder zufolge privatrechtlichen Auftrages besorg
werden (z. B. die GeschÜte als Mitglied eines Provinvial - MedizinaXkMegiums au
Bahnarzt, Gefängnisarzt, als Arzt bei einer staatlichen Betriebskrankenkasse usto.)
Der Grundsatz des § 1 gilt auch für die im ortspolizeilichen Interesse
vorgenommenen Verrichtungen an Orten mit Königlicher Polizeiverwaltung,
so daß hier die Kreisärzte fortan für solche Verriätungen keine besondere
Vergütung zu beanspruchen haben sollen. Zur Beseitigung von ünbilli|;keiten,
welche die Entziehung dieser Einnahmequelle für eine Beihe von Kreisärzten
mit sich bringen würde, ist jedoch in Aussicht genomen, den nicht vollbesoldeten
S[reisärzten an solchen Orten, sofern die Verrichtungen ortspolizeilicher Natur
am Wohnorte oder in einer Entfernung von weniger als zwei Kilometern einen
größeren Umfang haben, angemessene Stellenzulagen zu gewähren.
Sollten ferner einige der zurzeit im Amte befindlichen Kreisärzte durch
den Fortfall der ihnen bisher nach § 1 Absatz 1 des Gesetzes vom 9. März
1872 zustehenden Fuhrkostenentschädigung von je 1,50 M. ein Einnahmeausfall
erleiden, der durch die in Aussicht atmende Gehaltsaufbesserung nicht ausge¬
glichen wird, so ist auch hier eine billige, jedoch auf die derzeitigen Stelleninhaber
bescchränkte Entschädigung vorgesehen.
§ 2. Der § 2 trifft im Gegensätze zu dem § 1 Bestimmung über alle
anderen amtlichen Verrichtungen, d. h. über alle Verrichtungen, deren Kosten
der Staatskasse nicht zur Last fallen. Neben einer Beihe von Geschäften,
welche den Kreisärzten von Behörden, Korporationsvorständen nsw. aufgetragen
werden, gehören hierher insbesondere die Fälle, in welchen die Verrichtung
dnrt^ ein Privatinterresse veranlaßt ist oder die Tätigkeit des Kreisarztes für
soldie ortspolizeilichen Interessen in Anspruch genommen wird, deren Be¬
friedigung den Gemeinden gesetzlich obliegt (vergl. auch Abs. 2 und Abs. 8
des § 1 des Gesetzes vom 9. März 1872). Eine Verpflichtung der Kreisärzte
zu unentgeltlicher Tätigkeit in ortspolizeilicben Angelegenheiten, für welche
die Gemeinden die Kosten zu tragen haben, besteht nicht. Sie sind vielmehr,
wenn ihnen solche Geschäfte anfgetragen werden, auch schon nach der bisherigen
Bechtslage berechtigt, dafür von den Gemeinden Gebühren zu beanspruchen.
Die Frage, in welchen Fällen auf dem Gebiete des Medizinalwesens insbesondere
im HinbUck auf die Feststellung und Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten,
die Kosten der polizeilicherseits getroffenen Maßnahmen von den Gemeinden
und in welchen Fällen sie vom Staate oder sonst Verpflichteten zu tragen sind,
ist ans dem materiellen Becht zu entscheiden und wird durch den Gesetzentwurf
nicht berührt. Die Verpflichtung der Gemeinden, für orte- bezw. medizinal-
nnd sanitätspolizeiliche Kosten aufznkommen, erleidet ebensowenig, wie der
Umfang dieser Verpflichtung durch den Gesetzentwurf eine Aendernng; derselbe
lehnt, indem er wegen der materiellen Kostenpflicht der Gemeinden ausdrücklich
auf das bestehende* Becht verweist, seinerseits das Eingehen auf diese Frage
ab und beschränkt sich darauf, den Gebührensatz, nicht die Gebührenpflicht
zum Gegenstände seiner Begelung zu machen.
Die Aenderung der Fassung gegenüber der Vorlage vom 28. Januar 1904
beruht auf den Beschlüssen der Kommission des Hauses der Abgeordneten und
ist rein redaktioneller Art. Es hat nur eine Klarstellung, nicht eine materielle
Aenderung der Vorschrift erfolgen sollen.
§ 8. Die Bestimmung des § 8 stimmt mit dem bisherigen Bechte überein
und gibt zu besonderen Bemerkungen keine Veranlassung.
§ 4. Nach § 3 Absatz 3 des Gesetzes, betreffend bie Dienststellung des
Kreisarztes und die Bildung von Gesundheitskommissionen, zom 16. September
1899 {Gesetzsamml. S. 172) haben die vollbesoldeten Kreisärzte die amtsärztlichen
Gebühren an die Staatskasse abzuführen. Diese Vorschrift ist zufolge der
Denkschrift über die Ausführung des Kreisarztgesetzes — Nr. 72 der Druck¬
sachen d^ Hauses der Abgeordneten, 19. Legislaturperiode, IV. Session 1902
(vergl. S. 11 daselbst) — bisher dahin ausgelegt worden, dass die Gebühren nur
insoweit der Abführungspfiicht unterliegen, als sie für die der ausschliesslichen
Zuständigkeit der Kreisärzte vorbehaltenen Verrichtungen entrichtet werdeti.
794 Oer Geeetzsntirarf, betreffend die Oebtthren der Medixinalbeamten And seine
Hiernach sind den wübesoldeten Kreisärzten insbesondere auch die im § 3 des
Entwurfs benannten Gebühren mit Ausnahme der Obduktionsgebühren bdassen
worden. Diese enge Begrenzung des Begriffs amtsärztliche Gebühren hat zu
Missständen und dauernden ünsieherkeiten Anlass gegeben^ auch Nachteile für
die nichtvollbesoldeten Kreisärzte bei der Pensionierutig zur Folge gehabt. Diese
Regdung nunmehr aufzugeben und die vollbesoldeten Kreisärzte zu verpflichten,
künftighin neben allen amtlichen Gebühren auch die gerichtlichen Gebühren an
die Staatskasse abzuführen, erscheint um so mehr angezeigt, wenn jetzt im
Rahmen der bevorstehenden Beamtenbesoldungsaufbesserung den vollbesoldeten
Kreisärzten ein den gleichartigen Beamtenkategorien entsprechendes höheres Ge¬
halt zugebilligt wird.
Soweit einzelne vollbesoldete Kreisärzte in ihren jetzigen Stellen durch
diese jetzige Regelung eine über die Besoldungsaufbesserung hinausgehende Schä¬
digung erfahren, sollen Mittel zu ihrer Entschädigung bereitgestellt werden.
§ 5. Zn Abs. 1 yergl. das Gesetz, betreffend die Tagegelder und Reise*
kosten der Staatsbeamten, vom 21. Joni 1897 (Gesetzsamml. S. 198). Oie nach
der bestehenden Gesetzgebong gegebene Möglichkeit einer erentnellen ander-
weiten Regelung der Vergtttongen wird durch die Bestimmung des Entwurfs
sdbatrerstindlich nicht berührt.
Zu Abs. 2; Diese Vorschrift beruht auf einem Beschlüsse der Kommission
des Abgeordnetenhauses zur Vorlage vom 28. Januar 1904.
Zu Abs. 8: ln gerichtlichen Angelegenheiten bezogen die Medizinal¬
beamten für ihre Sachyerständigentätigkeit schon nach dem bisherigen Rechte
Tagegelder und Reisekosten nach den den Richtern in gerichtlichen Angelegen¬
heiten anstehenden Sätzen. Bei dieser Einrichtung soll es auch in Zukunft
yerbleiben. IMe Festsetzung wird in Abänderung der Verordnung, betreffend
^e Tagegelder und Reisekosten der Medizinalbeamten, yom 17. September 1876
(Gesetzsamml. S. 411) sowie in Gemäßheit des § 12 des Gesetzes yom 24. März
1873 (Gesetzsamml. S. 122) und des Artikels V Abs. 1 des Gesetzes yom
21. Juni 1897 (GesetzsammL S. 193) durch Königliche Verordnung erfolgen.
Zu bemerken ist Üerbcd. daß ^Tätigkeit als gerichtliche Sachyerständige* im
Sinne des § 8 auch die Saohyerständigentätigkeit yor den besonderen Ge¬
richten umfaßt.
Oie Bestimmung in dem Abs. 4 entspricht dem bestehenden Rechte
(yergL § 1 Abs. 2 und 8 des Gesetzes yom 9. März 1872). Werden Ver¬
richtungen aus § 1 an dem Wohnorte oder in einer Entfernung yon weniger
1 ^ zwei Kilometern yon demselben yorgenommen, so steht dem Kreisante
nur unter denselben Voraussetzungen, wie den übrigen Staatsbeamten, ein An¬
spruch auf Erstattung yon Fuhr- und sonstigen notwendigen Unkosten zu
(yergl. § 6 des Gesetzes, betreffend die Tagegelder und Reisekosten der Staats¬
beamten, yom 24. März 1878; § 6 der Verordnung, betreffend die Tagegelder
und Reisekosten der Staatsbeamten, yom 15. April 1876, (GesetzsammL S. 107).
Einer besonderen Erwähnung dieses Anspruchs im Gesetze bedarf es nicht.
§ 6. Die Bestimmungen dieses Paragraphen lehnen sich in Inhalt und
Passung an die den gleichen Fall für die Kreistierärzte regelnden Vorschriften
des § 5 des Gesetzes, betreffend die Dienstbezüge der Kreistierärzte, vom 24. Juli
1904 (Gesetzsamml. S. 169) an.
Ist für einen Teil der auf einer Reise erfolgten amtlichen Verrichtungen
eine Pauschalierung der Tagegelder und Reisekosten gemäss Artikel III des Ge¬
setzes, betreffend die lagegelder und Reieekosten der Staatsbeamten, vom 21. Juni
1897 (Gesetzsamml, S. 193) oder gemäss § 5 Abs. 2 des vorliegenden Entwurfes
erfolgt, so tritt eine Aenderung des Verteilungsverfahrens nicht ein. Es bleiben
jedoch diejenigen Anteile, welche auf die in die Pauschalierung einbezogenen
Verrichtungen entfallen, ausser Hebung.
§ 7. Oie Bestimmung regelt das Verhältnis der Tagegelder zu den Ge¬
bühren, wenn auf einer Oienstreise yon dem Medizinalbeamten gebührenpflich¬
tige Verrichtungen yorgenommen werden. Nach dem geltenden Recht hat der
Kreisarzt, welcher auf Dienstreisen gebührenpflichtige Verrichtungen vornimmt,
keinen Anspruch auf Tagegelder, sondern nur die Wahl zwischen beiden in der
Weise, dass, wenn er Gebühren beansprucht, er für den Tag, an welchem das
Geschäft vorgenommen wird, keim Tagegelder erhält. Bei dem Ausschlüsse der
Kombinierung’ von Gebühren uud Tagegeldern belässt es der vorliegende Entwurf
mit der Massgabe, dass Tagegelder nur insoweit gezahlt werden, als sie die Ge-
Bttckwirkang auf die Gehalts- asw. VeihUtnisse dieser Beamten. 795
bähren für die auf der Reise vorgenommenen Verrichtungen Übersteigen^^ Min¬
destens der volle Gebührensatz kommt also in jedem Fälle zur Auszählung.
Die Vorschrift des zweiten Satzes stellt eine Einschränkung der Vorschrift
des § 4 dar. Sie ist erforderlich^ um auch dem vollbesoldeten Kreisarzt die ihm
zustehende Reiseentschädigung zu sichern^ und findet selbstverständlich auch dann
Anwendung, wenn die Reisekosten gemäss § 5 Abs. 2 pauschalirt sind.
§ 8« Vergl. den allgemeinen Teil der Begrttndong. Der Torlänllge
Entwarf eines Tarifs wird in der Anlage II beigefttgt.
I 9. Vergl. § 10 Satz 2 des Gesetzes vom 9. März 1872. Der Vor¬
behalt ^soweit nicht für gewisse Verrichtungen ein anderes bestimmt ist*'
trifift alle Angelegenheiten, auf welche die Vorschrift des § 17 der Beichs-
gebfihrenordnung fär Zeugen und Sachverständige vom 30. Jnni 1878 (Fassung
1898 Beichs - Gesetzbl. S. 689) Anwendung findet.
§ 10. Wegen der Kreisassistenzärzte vergl. § 6 des Gesetzes, betreffend
die Dienststellung des Kreisarztes usw., vom 16. September 1899.
Daß auch die in dem § 8 Abs. 6 dieses Gesetzes bezeichneten Stadt¬
ärzte, sofern sie von dem Minister der Medizinal - Angelegenheiten mit der
Wahrnehmung der Obliegenheiten des Kreisarztes beauftragt werden, in Be¬
ziehung auf Gebühren usw. innerhalb des Umfanges der mnen überwiesenen
dienstlichen Tätigkeit die Bechtsstellung des Kreisarztes haben, bedarf keiner
weiteren Ausführung.
§11. Es ist beabsichtigt, durch Abänderung des Vermerks 2 bei Kap.
125 Tit. 2 des Staatshaushaltsetais eine Neuregelung der PensionsverhäUnisse
der nicht vollbesoldeten Kreisärzte herbeizuführen. Die bisherige Vorschrift,
nach welcher die Gebühren nach dreijährigem Durchschnitt der Petisionsberech-
nung zugrunde gelegt wurden, hctt zu erheblichen ünzuträglichkeiten Veran¬
lassung gegeben. Eine grosse Masse von Schreibwerk, Unsicherheit über den
Kreis der anrechnungsfähigen Gebühren und Benachteiligung der Kreisärzte in
finanziell ungünstigen Bezirken auch über die Dienstzeit hinaus, waren die Folgen
dieses Systems. Die vorgesehene Anrechnung eines festen Betrages an Gebühren
und Stellenzulagen bedarf der gesetzlichen Unterlage. Diese soll durch den vor¬
liegenden Paragraphen in gleicher Weise geschaffen werden, wie sie durch § 7
des Gesetzes, betreffend die Dienstbezüge der Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904, für
diese geschaffen worden ist.
§ 12« Die Bestimmung dieses Paragraphen ist im wesentlichen eine
Wiederholung des § 7 des Gesetzes vom 9. März 1872. Handelt es sich in
dem Falle des § 12 um Verrichtungen aus dem § 1, für welche den Kreis¬
ärzten Gebühren nicht zustehen, so erscheint es gerechtfertigt, in Ermangelung
einer abweichenden Verabredung auch jeden anderen amtlich zngezogenen
Arzt für die Einzelleistung nach Maßgabe der Bestimmungen in dem § 2 zu
entschädigen.
Dal der Anspruch auf die Gebühren aus § 8 auch im Falle des § 219
der Strafprozeßordouog Platz greift, bedarf keiner besonderen Begründung.
§. 13. Die Gebühren der Chemiker für medizinalpolizeiliche oder gericht¬
liche Untersuchungen waren auch im Gesetz vom 9. März 1872 geregelt (vergl.
§ 8 daselbst). Die dort festgesetzte Höchstgrenze der Gebühr von 75 M. ist aber
nicht mehr haltbar, steht vielmehr bei verwickelteren Untersuchungen in auf¬
fälligem Missverhältnisse zur Arbeitsleistung.
Dieselben Gründe, welche dazu geführt haben, in Abweichung von diesem
Gesetz die Feststellung des Gebührentarifs für die amtsärztlichen Verrichtungen
der Verwaltung zu überlassen, treffen auch für die chemischen Verrichtungen
zu. Der Entwurf eines Tarifs wird in der Anlage III beigefügt.
ln Abweichung von dem Grundsätze des Abs. 2 im § 8 des Gesetzes vom
9. März 1872 ist der Tarif so auf gestellt, dass in den einzelnen Gebührensätzen
neben der Vergütung für die Tätigkeit des Chemikers auch der Ersatz für die
verbrauchten Stoffe und Werkzeuge enthalten ist. Diese Regelung verdient den
Vorzug, weil es an jeder Möglichkeit der Kontrolle fehlt, welche Stoffe und
Werkzeuge der Chemiker verbraucht hat. Auch erscheint es nicht erforderlich,
für das im Einzelfalle tatsächlich Verbrauchte Ersatz zu leisten, da das Mass
desselben wesentlich durch den Grad der Geschicklichkeit des Chemikers beein¬
flusst wird. Vielmehr dürften nur die für die tlrreichung des Arbeitserfolges
nötigen Aufwendungen zu ersetzen sein, und dies kann von vornherein durch
entsprechende Bemessung der Gebührensätze geschehen.
796 Der Gesetzentwarf, betreffend die Gebühren der Hedizinalbeamten nnd seine
§ 14. Der des Gesetzes vom 9. März 1872 hat hier durch die Zn-
ffigong der Worte „oder in einer Entfernung von weniger als zwei Kilometern*
eine angemessenere Erweiterung erfahren.
Daß dem medizinischen Kommissar, abgesehen von dem Falle des Abs. 1
des Entwurfs, die gesetzlichen Tagegelder nnd Beisekosten zustehen, bedarf
keiner besonderen Anerkennung durch das Gesetz.
Von einer Bestimmung über die Entschädigung des pharmazeutischen
Kommissars bei Apothekenbesichtigungen an seinem Wohnort ist abgesehen,
indem es sich empfiehlt, es bei der bisherigen Uebung, wonach diese Ent¬
schädigung im Wege der Vereinbarung festgesetzt wird, auch in Zukunft zu
belassen.
Vorläufiger Entwurf
betreffend die Gebühren der Hedizinalbeamten. *)
Auf Grund des § 8 des Gesetzes, betreffend die Gebühren der Medizinal¬
beamten, vom (Gesetzsamml. 8. ) setze ich im
hänvemehmen mit dem Finanzminister, dem Justizminister nnd dem Minister
des Innern hierdurch folgendes fest:
AUgemeiiie Bestimmungen.
§ 1. Den Kreisärzten stehen für gerichtsärztliche Verrichtungen (§ 8
des Gesetzes vom GesetzsammL 8. ) Gebühren
nach Maßgabe der Bestimmungen unter A, für die übrigen amtlichen Ver¬
richtungen (§ 2 a. a. 0.) nach Maßgabe der Bestimmungen unter B des nach¬
stehenden Tarifs zu.
§ 2. Die Höhe der Gebühr ist, sofern der Tarif einen Mindest- und
HOchstbetrag vorsieht, innerhalb der festgesetzten Grenzen nach den besonderen
Umständen des einzelnen Falles, insbesondere nach der Beschaffenheit und Schwie¬
rigkeit der Leistung, sowie dem Zeitaufwände zu berechnen. Bei besonders schwie¬
rigen und umfangreichen Verrichtungen darf die Höchstgebühr mit Zustimmung
des Begierungspräsidenten (Polizeipräsidenten in Berlin) überschritten werden.
Wird mehr als der Mindestsatz einer Gebühr beansprucht, so ist dies
in der Gebührenberechnung unter Angabe der für die Verrichtung aufgewendeten
Zeit und Arbeitsleistung näher zu begründen.
Soweit die Festsetzung der Gebühren durch das Gericht erfolgt, ist
dieses befugt, den Begierungspräsidenten (Polizeipräsidenten in Berlin) um
eine gutachtliche Aenßerung zu ersuchen.
§ 8. Verrichtungen, für welche der Tarif Gebührensätze nicht answirft,
sind nach Maßgabe der Sätze, die für ähnliche Leistungen in dem Tarife
gewährt werden, zu vergüten.
§ 4. Der gegenwärtige Gebtthrentarif tritt zugleich mit dem Gesetze,
betreffend die Gebü^en der Medizinalbeamten, vom
(GesetzsammL S. ) in Kraft
. A.
CtobAhren für gerlohtsärztllohe Verriohtangen (§ 3 a. ». O.).
Bezeichnung der Amtsverrichtung
L Abvartung eines Termins.
1 Abwartnng eines Termins bis zur Dauer von zwei Stunden,
einschließlich der während des Termins ausgeführten
Untersuchungen nnd erstatteten mündlichen Gutachten
Jede angefangene halbe Stunde mehr.
Als Anfang des Termins gilt die Zeit, zu welcher
geladen ist, als Endpunkt die Zeit der Entlassung.
Unterbrechungen der Verhandlungen und Beur¬
laubungen des Medizinalbeamten werden in die Termins-
dauer mit eingerechnet; dies gilt jedoch bei einer Unter¬
brechung oder Beurlaubung, welche auf mehr als zwei
*) Die Abänderungen sind gesperrt gedruckt
Lfde.
Ziffer
Gebühr
in
Mark
Bttckwirkmig aal die Gekalts* oew. Verhiltniese dieser Beamten. 797
Lide.
Ziffer
Bezeichnnng der Amtsyerriohtang
Gebühr
la
Hark
2
Standen bestimmt wird, dann nicht, wenn der Kreisarzt
an seinem Wohnort vernommen wird oder wenn seine
Bflckreise darch die Unterbrechang oder Bearlanbong
nicht verzögert wird.
Die Gebtlhr ist für jeden Yerhandlongstag besonders
za berechnen.
Ist der Kreisarzt in mehreren Terminen an demselben
Tage beschäftigt gewesen, so darf eine mehrfache Be-
rechnang derselben Zeit nicht stattflnden.
üntersaebang behofs Vorbereitang eines in einem Termin
za erstattenden Gatachtens:
a) wenn die üntersaebang in der Wohnang des Kreis*
arztes oder, falls dieser Anstaltsarzt ist, in der An*
stalt stattfindet.
8
b) wenn die üntersaebang aoflerhalb der Wohnang oder
Anstalt stattfindet.
5
Hat sich der Kreisarzt in dem Falle za b) an Ort
and Stelle begeben and kann die üntersaebang ohne sein
Verscbolden nicht stattfinden, so ist eine Gebtthr von
8
3
in Ansatz za bringen.
Mehr als drei üntersachongen dttrfen nar mit Za-
stimmang der ersachenden Behörde berechnet werden.
Für eine iÜEteneinsicht aofierbalb des Termins.
1,60-6
4
Teilnahme an einer Sitzang eines Schieds-
gerichts für Arbeiterversicherang, ein¬
schließlich der erforderlichen körperlichen
üntersachangen and mündlichen Gatachten,
ohne Bttcksicht aaf die Anzahl der ver¬
handelten Sachen,
für die erste Stande.
8
für jede weitere angefangene Stande . .
6
5
n. lielohenbeBlohtlgaxigeii, Iieloh.enOfflaangen.
Für die Mitwirkang bei einer richterlichen Leichenschaa,
die sonstige Besichtigong einer Leiche oder die Besich¬
tigung von Leichenteilen oder einer Leibesfracht . . .
8
6
Wird die Besichtigang mehrerer Leichen, Leichen¬
teile oder Leibesfrüchte bei derselben Gelegenheit vor-
genommen, so darf die Gesamtgebühr für jeden Tag 80 M.
nicht übersteigen.
Für eine Leichenöffnang.
24
7
Für die Sektion von LeichenteUen, sowie für die Oeffnong
einer nicht lebensfähigen Leibeefracht.
12
8
In den Gebühren za 5 bis 7 ist die Gebühr für den Termin
9
and den za Protokoll gegebenen Bericht einbegriffen.
Kann aasnahmsweise der Bericht über eine Besiebtigang
nicht sogleich in dem Termine za Protokoll gegeben
werden, so ist für ihn eine Gebühr von.
4
in dem Falle von 5 Abs. 2 höchstens eine Gebühr von
20
10
außerdem anznsetzen.
Wird ein besonderer Bericht über die Leichenöffnang (Ob-
11
daktioDsberichl) aosdrücküch erfordert, so ist außer der
Gebühr za 6 and 7 die Gebühr za 18 Abs. 1 anznsetzen.
III. Sohrlftliche Qataoliten, Untersncliiuigcii.
Aasstellang eines Befandscheines oder Erteilung einer
schriftlichen Aaskanft ohne nähere gutachtliche Aas-
führang .
*
798 Der Qeeetzentwnrf, betreffend die Gebflbren der Mediziiielbeemten und seine
Beseicbnang der AmtSTerriohtang
12 Befandattest mit näherer gntechtlicher Aus-
ftthrung . 5
13 Schriftliches, aasftthrlichee, wissenschaftlich begründetes
Gutachten, insbesondere über den körperlichen oder
geistigen Zustand einer Person oder über eine Sache . 10—30
Sind mehrere Kreisärzte zu einem Obduktionsberlohte
oder Gutachten aufgefordert worden, so erhiit in dem
Faile der gemeinschaftlichen Erstattung jeder eine inner¬
halb der Mindest- und Höchstsätze nach der Mühewaltung
des einzelnen zu bemessende Gebühr.
14 Untersuchung eines Hahrnngs- und Genufimittels, sowie
Gebrauchsgegenstandes, eines Arzneistoffes, Geheimmittels
und dergleichen nebst kurzer gutachtlicher Aeußernng . 3—10
15 Untersuchung, mikroskopische, physikalische, einschließlich
einer kurzen gutachtlichen Aeußernng und des ver¬
brauchten Materials an Farbstoffen und dergleichen . . 6—20
16 Untersuchung, bakteriologische, chemische, einschließlich
des Gutachtens.12—75
Die verwendeten Beagentien, Nährboden, verbrauchten
Apparate, Auslagen für Benutzung eines besonderen
Lotols, sowie sonstige notwendige Unkosten sind neben
der Gebühr zu vergüten.
17 Außer der Gebühr zu 13 erhält der Kreisarzt im Falie der
Wahrnehmung eines Termins die zu 1 bestimmte Gebühr,
dagegen sind die zu 2 und 3 bestimmten Gebühren in
den Gebühren zu 18 bis 15 mit einbegriffen.
Erfordert ein schriftliches, ausführliches, wissen¬
schaftlich begründetes Gutachten eine Untersuchung der
in 14 und 15 bezeichneten Art oder wird in den Fällen
zu 14 und 16 nachträglich ein schriftliches, ausführliches
und.wissenschaftlich begründetes Gutachten erfordert, so
kommen die Gebühren zu 13 sowie zu 14 und 15 neben¬
einander in Ansatz. Erfordert die Untersuchung zu 16
einen vorgängigen Besuch oder eine vorgängige Be¬
sichtigung, so treten die Gebühren zu 2 hinzu.
lY. Sohrelbgebühren.
18 Schreibgebühren für Beinschriften sind, sofern der Kreisarzt
sie nicht seiber fertigt, nach Maßgabe der für die Be¬
rechnung der gerichtlichen Schreibgebühren geltenden
Bestimmungen zu bewilligen.
B.
Gebühr
ia
Mark
Lfde.
Ziffer
QebfUiren für aoBstlge amtliohe Verrlohtnng^en
( 8.9 ® 0 *
1 Werden Verrichtungen der unter A 6 bis 17 genannten
Art in außergerichtlichen Angelegenheiten vorgenommen,
so kommen dieselben Gebühren wie für die gerichts¬
ärztlichen Verrichtangen in Anwendung.
2 Besichtigung einer Wohnung, eines Gebäudes, einer Wasser-
versorgnngsstelle, einer gewerblichen Anlage, eines ver¬
dächtigen oder verseuchten Schiffes, einer Privatkranken*,
Entbindunga- oder Irrenanstalt und dergl., einschließlich
einer kurzen gutachtlichen Aeußernng. 4—80
3 In dem Verfahren bei der Errichtnog genehmigungspflich¬
tiger gewerblicher Anlagen können für eine Prüfung der
Unterlagen ohne vorherige Ortsbesichtigung sowie für
BflokwirkuDg auf die Gehalts* uw. VeThiltairae dieser Beamten. 799
Lfde.
Ziffer
Beaeiehnang der AmtsTerrichtnng
Gebühr
ln
Hark
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
16
16
17
18
19
20
die Angabe des Frttfongsergebnisses Gebühren nicht ge*
fordert werden.
Besichtigang eines Begrftbnisplatzes oder eines für dessen
Anlegung oder Erweiterung in Ausicht genommenen
Grundstückes einschliefilich des yorgeschriebenen Gut¬
achtens .
Gutachten über Geisteskranke, Blinde, Epileptische, Idioten,
Taubstumme zwecks Aufnahme in eine Anstalt ....
Ausstellung eines Leichentransportscheines ohne Besichtigung
der Leiche.
mit Besichtigung der Leiche.
ln die Sätze zu 2, 4, 6 und 6 Abs. 2 ist die Gebühr
für yorgängige Besuche mit eingerechnet.
Besichtigung einer Mineralwasserfabrik, Drogenhandlung,
Farbenhandlung, Qifthandlung, Arzneimittelhandlung .
Znlassungszeugnis zur Erlernung der Apothekerknnst . .
Prüfungszeugnis behufs Verwutung einer Krankenhaus*
apotheke für Mitglieder yon Krankenpflegegenossenschaften
Der mitprüfende pharmazeutische Kommissar erhält
die gleiche Gebühr.
Beföhigungszeugnis zur Aufnahme in eine Hebammenlehr*
anstatt.
Befähigungszengnis als Desinfektor und Leichenscbauer .
Prüfungszengnis als Heilgehttlfe und Masseur.
Nachprüfung der zu 11 bis 12 genannten Personen, für jede
Schriftliches Zeugnis über die Aufsichts- und Erwerbs¬
fähigkeit einer Person im Falle einer Militärreklamation
Werden für dieselbe Beklamation mehrere Angehörige
bei derselben Gelegenheit untersucht und begutachtet,
für jedes folgende Zeugnis.
Für ein schriftliches Gutachten über dauern de
gänzliche Erwerbsunfähigkeit für eine Person
des Unteroffizier- oder Mannschaftsstandes des
Heeres oder der Marine behufs Erlangung
einer Beihilfe auf Grund des ArtikelsI Nr. 8
des Beichsgesetzes yom 22. Mai 1896 wegen
Abänderung des Gesetzes yom 28. Mai 1878
betreffend die Gründung und Verwaltung des
Beichsinyalidenfonds(Beichsgesetzbl. 8.287)
können Gebühren nicht gefordert werden.
Schriftliches Gesundheitszeugnis behufs Eintritts in den
Öffentlichen Dienst (als Bureau-, Steuer-, Post*, Tele¬
graphen-, Eisenbahn-, Bankbeamter, Lehrer, Lehrerin,
Gendarm, Schutzmann, Lotse nsw.).
Schriftliches Gesundheitszeugnis behufs Aufnahme in ein
Seminar, eine Präparandenanstalt und dergleichen . .
Schriftliches Gesundheitszeugnis für einen Arbeiter (Ar¬
beiterin) behufs Beschäftigung in gewissen gewerblichen
Betrieben.
Schriftliches Zeugnis behufs Begründung yon Gesuchen
wegen Unterstützung, Urlaubs, Ablehnung von Ehren¬
ämtern, Nichterscheinens vor Gericht, Aufschiebens der
Strafvollstreckung und dergleichen.
Im Falle einer besonderen eingehenden Untersuchung
oder wissenschaftlichen Begründung des Gutachtens tritt
die Gebühr von A. 13 ein.
Wegen der Schreibgebühren gelten die unter A. 18 ge¬
troffenen Bestimmungen.
15-26
6—25
8
10
8-10
6
6
8
6
10
8
6
8
8
3
1
3
800 Der Qesotzentwarf, betreffend die Qebttbren der Medizinnlbenmten und seine
Vorläufiger Entururf
eines Tarifs für die Gebfihren der Chemiker fhr gerichtliche
and medizinal-polizeiliche Verrichtangen.
. Auf Grand der §§ 13 und 8 des Gesetzes, betreffend die Gebflhren der
Medizbalbeamten yom.(GesetzsammL S. ) setze ich
im Eiayernehmen mit dem Finanzminister, dem Jastizminister and dem Minister
des Innern bierdarch folgendes lest:
§ 1. Chemiker, welche za einer gerichtlichen oder medizinalpolizeiiichen
Feststellong zagezogen werden, erhaiten Gebühren nach Maßgabe dee nach*
stehenden Tarifs.
§ 2. Bezüglich der Höhe and Festsetzang der Gebühren, sowie der
Verrichtangen, für welche der Tarif Gebührensätze nicht aaswirft, gelten die
Vorschriften der ^ 2, 3 der aligemeinen Bestimmangen des Tarifs fftr die
Gebfihren der Kreisärzte.
§ 3. Chemiker erhalten bei der Zaziehnng za gerichtlichen oder
medizinalpolizeilichen Verrichtangen in einer Entfemang yon mehr als 2 Kilo*
metern yom Wohnorte Tagegelder and Beisekosten nach Maßgabe der ffir die
Kreisärzte geltenden Bestimmangen (§ 6 Abs. 1 and 4, §§ 6, 7 Satz 1 des
Gesetzes yom.)
Bei Verrichtangen der bezeicbneten Art am Wohnorte oder in einer
Entfemang yon weniger als zwei Kilometern yon demselben haben sie Ansprach
aaf Ersatz der yeraaslagten Fahrkosten.
Tarif. Oabflliraii ffir die geriobtUoheii nnd medlslnal*poliiailiehe&
Verrlohtangen der Ohemlker.
Lfde.
Ziffer
Bezeichnang der Amtsyerrichtang
Gebfihr
in
Mark
I. Abvartung eines Termins.
Die Bestimmangen nnter A 1 bis 4 des Tarife ffir die
Gebfihren der Kreisärzte finden entsprechende Anwendang.
II. Sohrlftllohe Gutachten nnd technlsolie Unter*
suohungen.
Erteilong einer schriftlichen Aoskonft ohne nähere gat*
achtllche Ansführang. 3
Erteilang einer schriftlichen Aaskanft mit näherer gat-
achtlicher Aasfübrnng. 6
Schriftliches, ausführliches, wissenschaftlich begrfindetes
Gatachten ohne technische Untersachangcn.10—30
Chemische, physikalische, mikroskopische, photochemische,
biologische and bakteriologische Untersachangen yon
a) Nahrnngs* and Genaßmitteln, sowie Gebranchsgegen*
ständen einschließlich Wasser and Laft für jede Probe 3—50
b) Geheimmittein, Mitteln zar Beseitigung der Leibesfrucht,
Arzneistoffen und Arzneizubereitungen für jede Probe 3—75
c) Blat, Samenflecken, menschlichen and tierischen Haaren,
Geweben nnd Gespinsten, Bekleidangestficken, Waffen
and Werkzeuges, Münzen, Medaillen, Banknoten, Schrüt-
fälschnngen für jede Probe. 3—75
d) Leichonteilcn, Darm* and Mageninhalt, Speisen and
Getränken, Bckleidangsstttckcn, Erde, sowie anderen
Gegenständen, auf Gifte oder starkwirkende Stoffe
and zwar für jedes Objekt, welches dem gegebenen
Aaftrage gemäß yon anderen getrennt antersacht
werden muß, oder, sofern die Untersachang von mehreren
Objekten gemeinschaftlich in demselben Dntersachangs-
yerfabren stattfinden kann, für jede solche Groppe
yon Onjekten.6—150
Für die Boarbeitong des schriftlichen Gatachtens,
Bttekwirkang aaf die Gehalts- asw. Verhältnisse dieser Beamten. 801
Lfde.
Ziffer
Bezeichnang der AmtsTorrichtang
Gebühr
ln
Mark
sowie für den Verbranch von Stoffen and Werkzeugen
wird in den nnter Ziffer 6 angegebenen Fällen eine
besondere Vergtttnng nicht gewährt.
IIL Sohrelbgebflhren.
6
Bezttgiich der Schreibgebtihren der Chemiker gelten die
Bestimmnngen A 18 des Tarifs für die Gebühren der
Kreisärzte.
Bereits in der letzten Nummer der Zeitschrift wurde von
mir bei der Besprechung der neuen Besoldnugsordnung die An¬
sicht vertreten, daß bei der neuen Regelung der Diensteinkommens-
verhältnisse der Kreisärzte jedenfalls die Wirkung des dem Land¬
tage vorgelegten Gesetzentwurfes, betreffend die Gebühren der
Medizinalbeamten, mit in Rechnung gezogen werden müßte, da so¬
wohl durch die Bestimmungen dieses Entwurfes, als auch durch die
Gebührensätze des demselben beigegebenen Tarifs voraussichtlich
eine derartige Herabsetzung der Gebühreneinnahmen der Kreisärzte
zu erwarten stehe, daß dadurch die beabsichtigte Gehaltserhöhung
illusorisch gemacht wüi-de. Der Gebühren-Gesetzentwurf war
damals erst nach Abschluß der betreffenden Besprechung in meine
Hände gelangt und konnte demzufolge in dieser nicht mehr ein¬
gehend berücksichtigt werden; er hat allerdings, ebenso wie der
beigefügte Tarif im Vergleich zn dem früher vorgelegten Entwurf
nur wenige Abänderungen erlitten, aber diese Abänderungen
sind für die künftigen Diensteinkommens Verhältnisse
der Kreismedizinalbeamten von einschneidender Be¬
deutung und höchst nachteiligem Einfluß.
Die Notwendigkeit einer Abänderung der bisherigen gesetz¬
lichen Bestimmungen vom 9. März 1872 über die den Medizinal¬
beamten für die Besorgung gerichtsärztlicher, medizinal- nnd
sanitätspolizeilicher Geschäfte zn gewährenden Vergütungen ist
von dem Verfasser bereits bei der früheren Vorlage des Gesetz¬
entwurfes ausführlich besprochen, so daß sie hier nm so mehr
unerörtert bleiben kann, als sie ja auch allseitig anerkannt ist.
Während aber früher als ein Hauptgrund für jene Abänderung
die Unzulänglichkeit der bisherigen Gebührensätze
bezeichnet wurde, die einer Erhöhung bedürften, „weU
die Anforderungen an die wissenschaftliche und praktische Ausbil¬
dung der Medizinalbeamten seit dem Erlasse des Gesetzes vom
9. März 1872 eine erhebliche Steigerung erfahren haben, nnd
die Höhe der 1872 festgesetzten Gebühren nicht mehr überall
den heutigen Verhältnissen nnd Geldwerten angemessen er¬
scheinen*, ist nunmehr, wie es in der Begründung heißt,
^dieser Gesichtspunkt mit Rücksicht anf die in Aus¬
sicht stehende Besoldungsaufbesserung in den Hinter-
grnnd getreten nnd in dem Tarifentwurf nur bei
einigen Positionen eine mäßige Erhöhung vorgesehen.
802 Oer Gesetzentwarf, betreffend die Gebfthren der Medizinalbeamten and seine
welche jedoch dnrch Ermäßigniigen oder durch Ein-
ftthrang völliger Qebtthrenireiheit an anderen Stellen
insbesondere an solchen, bei denen soziale Rück¬
sichten mitsprechen, aasgeglichen erscheint“.
Das heißt mit anderen Worten: Was mit der einen Hand
gegeben wird, wird mit der anderen wieder genommen! Wo
bleibt dann aber die für alle Beamten, also anch für die Medizinal¬
beamten, angekündigte Dienstemkommensverbesserong? Ja, die
Kreisärzte in den unteren Gehaltsklassen, die der lediglich in
einer Erhöhung des Höchstgehaltes bestehenden Diensteinkommens-
verbessernng erst nach 10—20 Jahren teilhaftig werden, erfahren
eine direkte Schädigung ihres bisherigen Einkommens, die
selbst durch die Aussicht auf das spätere höhere Gehalt nicht
wieder ausgeglichen werden kann.
Von seiten des Preußischen Medizinalbeamtenvereins ist
eine Umfrage bei allen Kreisärzten veranlaßt über die Höhe
ihrer amtsärztlichen Gebühren nach den bisherigen Sätzen
und nach den in dem neuen Tarif vorgesehenen; dabei hat sieh
heraasgestellt, daß abgesehen von den Gerichtsärzten, die infolge
der Erhöhung der gerichtsärztlichen Gebühren auf eine Mehr¬
einnahme rechnen können, die nicht vollbesoldeten Kreis¬
ärzte eine durchschnittliche Mindereinnahme an Ge¬
bühren von 25 c/o erleiden, wenn das neue Gebflhrengesetz
und der dazu gehörige Tarif in Kraft tritt; denn die Höhe ihrer
Gebühreneinnahme wird nicht durch die gerichtsärztliche Tätigkeit,
sondern vor allem durch die sonstigen amtlichen Verrichtungen
bedingt. Die in dem Tarif vorgesehene Erhöhung der Gebüli^n
für gerichtsärztliche Geschäfte spielt also für sie keine Rolle und
reicht bei weitem nicht aus, um den erheblichen Gebühren¬
aasfall für andere amtliche Verrichtungen aaszugleichen, da ge¬
rade die Gebühren für diese (z. B. für Gutachten über Geistes¬
kranke, Befähigungszengnisse für Hebammenschülerinnen, Gut¬
achten für Militärreklamanten, Gesundheitsatteste für Beamte,
Gesundheitszeugnisse für Arbeiter usw.) mehrfach bis auf die
Hälfte des bisherigen Satzes herabgesetzt sind. Auch der neu
in den Tarif aufgenommene Gebührensatz für die Teibahme als
Sachverständiger bei den Schiedsgerichten für Ar¬
beiterversicherung, die gar nicht zu den amtlichen Geschäften
der Medizinalbeamten gehört, bedingt eine Mindereinnahme. Das¬
selbe gilt betreffs des Fortfalls der Fuhrkostenentschädi-
gung, für die allerdings den im Amte befindlichen Kreisärzten
eine Entschädigung gewährt werden soll.
Mindestens ebenso ungünstig, wenn nicht noch ungünstiger,
liegen die Verhältnisse für die vollbesoldeten Kreis¬
ärzte. In meiner Besprechung über die Besoldnngsvorlage habe
ich mich dahin geäußert, daß, wenn für diese Medizinalbeamten
das Anfangsgehalt wie bisher auf 8600 Mark festgesetzt und
ihnen eine ausreichende Fuhrkostenentschädigung gewährt werden
würde, sie wohl mit der geplanten Gehaltsregelung zufrieden sein
könnten; „denn die Anrechnung der Gebühren aus den Dienst¬
geschäften auf ihr Gehalt sei nichts Neues, da diese schon bisher
Bttckwirkung auf dio Qehalts* usw. VerhältniBse dieser Beamten. 808
an die Staatskasse abgeführt werden müßten. Damals habe ich
allerdings angenommen, daß für den Begriff „amtsärztliche*
Gebühren die gleichen Grundsätze maßgebend sein würden als
bisher, daß also nur die Gebühren für solche Geschäfte an die
Staatskasse abgeführt zu werden brauchten, für die der Kreisarzt
ausschließlich zuständig sei. In dieser Hinsicht habe ich
mich aber leider in einem großen Irrtum befunden;
denn durch § 4 des Gebührengesetzentwurfs haben jene Grundsätze
insofern eine wesentliche und ungünstige Erweiterung erfahren,
als nunmehr die Gebühren für sämtliche amtliche Verrich¬
tungen abführpflichtig werden sollen. In der Begründung zu diesem
Paragraph wird gesagt, „daß die bisherige enge Begrenzung des
Begriffes „amtsärztliche Gebühren* zu Mißständen und andauern¬
den Unsicherheiten Anlaß gegeben und auch Nachteile für die
nicht Yollbesoldeten Kreisärzte bei der Pensionierung nach sich
gezogen habe*. Dieser Mißstand kommt aber durch die beab¬
sichtigte Neuregelung der Pensionsverhältnisse der nicht voll¬
besoldeten Kreisärzte ohne weiteres in Wegfall und ist demzufolge
irrelevant. Die Erweiterung des Begriffes der amtlichen Gebühren
in dem Gesetzentwurf auf alle gerichtsärztlichen Gebühren ist
aber zweifellos zn weitgehend und hat bei den vollbesoldeten
Kreisärzten um so mehr Anlass zn lebhafter Beunruhigung ge¬
geben, als sie mit Rücksicht auf den jetzt im Tarif unter § 4
aufgenommenen Gebührensatz für die Tätigkeit vor den Schieds¬
gerichten für Arbeiterversichernng nicht mit Unrecht befürchten,
dass auch diese künftighin als gerichtsärztliche angesehen
würden und die dafür erwachsenden Gebühren an die Staatskasse
abzuführen seien. Bisher ist aber diese Tätigkeit niemals als eine
amtliche aufgefasst worden. Während der Kreisarzt durch das
Kreisarztgesetz als Gerichtsarzt seines Bezirks benannt ist, ist
nach § 8 des das schiedsgerichtliche Verfahren regelnden Ge-
setz^'s, betr. die Abänderung der Unfallversichernngsgesetze vom
30. Juni 1900 und in denAusfübrungsbestimmungen des Herrn Mini¬
sters für Handel und Gewerbe (Erlasse vom 29. Dezbr. 1900 und vom
29. Januar 1901) die Wahl der ärztlichen Sachverständigen für die
Schiedsgerichte der Arbeiterversicherung lediglich diesen über¬
lassen; es besteht nicht einmal eine Bestimmung, dass etwa vor¬
zugsweise Kreisärzte für die einschläsrigen Begutachtungen be¬
rücksichtigt werden sollen. Auf alle Fälle würde die Aufnahme
der Gebühren für die Tätigkeit bei den Schiedsgerichten unter
die amtsärztlichen eine derartige Herabsetzung der Einnahmen
bei der Mehrzahl der vollbesoldeten Kreisärzte bedingen, daß
zum Ausgleich dieser Schädigung die Besoldungsaufbessernng nicht
ausreicht. Aber auch schon die im Gesetzentwurf vorgesehene
Abführung der gesamten gerichtsärztlichen Gebühren an die
Staatskasse bedeutet einen so erheblichen Emnahmeansfall für
viele vollbesoldete Kreisärzte, daß er ebenfalls die zukünf¬
tige Gehaltsaufbesserung übersteigen wird. Der in
der Begründung des § 4 angeführte Umstand, daß diese Abführung
der gerichtlichen Gebühren schon aus dem Grunde angezeigt sei,
804 Der QeeeUientwarl, betreffend die Oebtthren der Medizinnlbeamten and seine
weil jetzt den vollbesoldeten Kreisärzten ein den gleichartigen
Beamtenkategorien entsprechendes höheres Gehalt zngebilligt
werde, steht im Widerspruch mit der Tatsache, daß z. B. die
vollbesoldeten Gewerbebeamten, die Bergrevierbeamteu, Kreis-
baninspektoren nsw. z. T. eine ebenso umfassende gerichtliche
Sachverstäiidigentätigkeit austtben und dafhr gerichtliche Gebühren
zn erheben. Auch setzt sich die Bestimmung im § 12 des Ge-
entwnrfs mit derjenigen im § 4 in Widerspruch; denn hier wird
für den Fall, daß andere beamtete Aerzte, z. B. vollbesoldete
Vortragende Bäte, Universitätsprofessoren, Regierungs- und Me¬
dizinalräte usw. als Sachverständige zngezogen werden, diesen
der volle Gebührenanspruch zugebilligt. Dasselbe gilt betreffs
der vollbesoldeten Stadtärzte, Direktoren an Provinzial-Irren¬
anstalten usw., deren Gehälter meist weit höher als die der voll¬
besoldeten Kreisärzte sind. Warum sollen denn die staatlichen
Beamten schlechter als die kommunalen behandelt werden? Auch
im Königreiche Sachsen und im Großherzogtnm Hessen, wo
die Bezirks- bezw. Kreisärzte vollbesoldet und ebenso hoch (in
Sachsen 4500 bis 7500 Mark) besoldet sind, verbleiben diesen die
gerichtsärztlichen Gebühren.
Unseres Erachtens sollte daher in dem Gesetzentwarf der
Begriff „abzugspflichtige amtsärztliche Gebühren“ in derselben
Weise wie bisher abgegrenzt werden, daß also darunter
nur Gebühren „für solche Amtsverrichtungen“ zu verstehen sind,
die zur ausschließlichen und alleinigen Zuständigkeit
des Kreisarztes gehören und zu deren Vornahme er Kraft seines
Amtes verpflichtet ist*.^) Da künftighin diese Abgrenzung für die
pensionsfäügen Gebühren der nicht vollbesoldeten Kreisärzte nicht
mehr ins Gewicht fällt, wird ihre Festsetzung auch auf keine
Schwierigkeiten stoßen.
Eine solche Regelung, die den bisherigen Verhältnissen
genau entspricht, liegt vor aUem auch im Interesse der
Rechtspflege! Soweit dem Verfasser bekannt ist, wurde
früher gerade von der Justizverwaltung Wert darauf gelegt,
daß den Kreisärzten, die damals noch alle als vollbesoldete Be¬
amte in Aussicht genommen waren, die Gebühren für die gerichts¬
ärztlichen Geschäfte verbleiben sollten, um ihnen auch fernerhin
das größte Interesse und die erforderliche Arbeitsfreudigkeit für
diese so verantwortungsvolle Tätigkeit zu erhalten, zumal sie im
Vergleich zu ihren sonstigen Dienstobliegenheiten doch nur eine
nebenamtliche sei. In Wirklichkeit werden ja auch die voll¬
besoldeten Kreisärzte von ihren sanitäts- und medizinalpolizeilichen
Dienstgeschäften schon voll in Anspruch genommen; ihre gerichts¬
ärztliche Tätigkeit charakterisiert sich daher anderen gleichartigen
Beamten gegenüber als eine Mehrleistung, für die ihnen eine
besondere Einnahme wohl zu gönnen ist.
') Siehe die im Jahre 1901 seitens der Staatsregierang aa dem Kreis-
arstgesetz gegebenen Erläaterangen anter Abschnitt IV der „Qebfihren*.
(Zeitschrift Ittr Medizinalbeamte; Jahrg. 1901, 8. 198).
BUckwirkoog aaf die Oehelts* naw. Verhiltnisee dieser Beamten. 805
Die YollbMoldeten Ereisftrzte werden weiterhin ebenso wie
die nicht Yollbesoldeten durch Fortfall der Fuhrkostenentschädi-
grung benachteiligt, und die Kreisärzte in den Städten mit Königlicher
Polizeiverwaltung noch durch Fortfall der bis dahin ihnen für
Geschäfte im ortspolizeilichen Interesse znstehenden
Gebühren. Da der Landtag mit dieser Abänderung der bis¬
herigen Bestimmung bei der früheren Beratung des Gesetz¬
entwurfs stets einYerstanden gewesen ist, so wird sie zweifellos
auch diesmal seine Zustimmung um so mehr erhalten, als sich
die Staatsregierung bereit erklärt hat, nicht bloß für den Fort¬
fall der Gebühren für amtliche Verrichtungen im ortspolizeilichen
Interesse in den Orten mit Königlicher Polizeiverwaltung, sondern
auch für den Fortfall der Fuhrkostenentschädignngen der im
Amte befindlichen Kreisärzte eine angemessene Entschädigung zu
gewähren. Der Schwerpunkt wird nur dt^rauf zu legen sein, daß
diese Entschädigung auch tatsächlich „angemessen" ist und
nicht eine ähnliche Mindereinnahme bedingt, wie seinerzeit die
Festsetzung des Beisepauschale. In der Besoldungsordnung sind
dafür 80000 M. für die Yollbesoldeten und 11500 M. für die nicht
Yollbesoldeten Kreisärzte Yorgesehen; ob diese Beträge ansreichen
werden, wird jedenfalls Yon der erweiterten Budgetkommission,
der Yoraussichtlich der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung
überwiesen werden wird, auf Grund der ihr sicherlich Yon der
Regierung Yorgelegten Unterlagen geprüft werden. Die in der
Tagespresse mehrfach zutage getretene Ansicht, daß der für die
Yollbesoldeten Kreisärzte (43) Yorgesehene Betrag Yon 30000
ziemlich gleichmäßig auf diese Yerteilt werden, also auf jeden
etwa 700 Mark entfallen würde, ist übrigens irrig; den Löwen¬
anteil Yon diesem Betrage (etwa ‘/J erhalten die Yollbesoldeten
Kreisärzte in den Orten mit Königlicher PoUzeiYerwaltung (13),
so daß auf jeden Yon ihnen etwa 2000 Mark kommen würden.
Was nun die einzelnen BestimmnDgen des Gesetz¬
entwurfs betrifft, so sind in ihm einmal die bei seiner letzten
Beratung Yon der betreffenden Kommission des Abgeordnetenhauses
beschlossenen Aendernngen und Zusätze zu den §§ 2 und 4 be¬
rücksichtigt und außer den bereits Yorher erwähnten sehr wesent¬
lichen Aendernngen noch Yerschiedene andere Yorgenommen, die
jedoch meist nur redaktioneller Natur sind oder den Zweck Yerfolgen,
die Bestimmungen mit denen des Kreisarztgesetzes (z. B. § 5,
Abs. 1) oder des Gebührengesetzes für die Kreistierärzte Yom
24. Juli 1904 (z. B. § 6) in Einklang zu bringen. Ganz neu sind die
Vorschriften im § 11 über die Anrechnung der Gebühren und
sonstig er Dienstbezüge auf das pensionsfähige Gehalt
der nicht Yollbesoldeten Kreisärzte, die eine wesentliche
Verbesserung der jetzigen Verhältnisse bedeuten, sowie die Auf¬
nahme Yon Vorschriften über die Gebühren der Chemiker
(§ 13). Ob die letztere Erweiterung des Gesetzentwurfes als
eine Verbesserung angesehen werden kann, muß sehr bezweifelt
werden; wir haben es stets als einen Vorzug bezeichnet, daß der
frühere Entwurf sich im Gegensatz zu dem bisherigen Gesetze
806 Der Qesetentzworf, betreffend die Qebahren der Hedizinalbeamten und seine
ledigflich auf die Gebühren für die amtlichen Verrichtungen der
Medizinalbeamten beschränkte, und sind auch jetzt noch derselben
Ansicht; denn dnrch die Ausdehnung auf die Chemiker wird
seine Durchberatung und Annahme im Landtage nur erschwert.
Der Wortlaut des § 1 ist unverändert geblieben, dagegen
läßt die jetzige Fassung der Begründung betreffs der Kreisärzte
in Städten mit Eönigl. Polizeiverwaltung insofern eine günstigere
Auslegung zu, als jetzt die Entschädigung in allen Fällen und
nicht blos gewährt werden soll, wenn Verrichtungen ortspolizei*
lieber Natur „einen größeren Umfang“ haben; denn die Worte
„einen größeren Umfang“ sind gestrichen. Ebenso ist, wie bereits
erwähnt, eine Entschädigung für den Fortfall der Fuhrkosten-
entschädigung vorgesehen, die allerdings nur dann als eine an¬
gemessene angesehen werden kann, wenn sie bei der Gehalts¬
aufbesserung außer Betracht bleibt, da sonst von einer
solchen überhaupt nicht die Rede sein kann.
Die den Beschlüssen der Kommission des Abgeordnetenhauses
gemäß getroffene Abänderung des § 2 ist mehr redaktioneller
Natur und ohne wesentliche Bedeutung. § 3 hat seine bisherige
Fassung beibehalten.
Die außerordentlichen Bedenken gegen die Abführung der
Gebühren für alle amtlichen Verrichtungen, auch für die gerichts¬
ärztlichen, seitens der vollbesoldeten Kreisärzte, wie sie im § 4
neu vorgesehen ist, sind bereits vorher eingehend besprochen; mit
Rücksicht hierauf empfiehlt es sich dringend, diesen Paragraphen
folgende Fassung zu geben:
„Die vollbesoldeten Kreisärzte haben die ihnen fflr amtliche and ge>
richtsärztiiehe Verrichtungen (§§ 2 und 8) znstehenden Gebühren insoweit an
die Staatskasse abzaftthren, als diese Amtsverrichtnngen zur aruschließlichen
and alleinigen Zuständigkeit des Kreisarztes gehören.*
Mit der Fassung der §§ 5 —7 kann man sich im allgemeinen
einverstanden erklären, auch mit dem auf Wunsch des Landtages
im § 5 getroffenen Zusatz, daß die Gemeinden und sonstigen Be¬
teiligten berechtigt sind, mit den Kreisärzten die Gewährung von
Pauschalentschädigungen zu vereinbaren. Tatsächlich sind
derartige Vereinbarungen bereits vielfach, namentlich von städti¬
schen Verwaltungen, getroffen, und haben sich für beide Teile als
praktisch erwiesen. Dagegen sollte § 5, Abs. 2 fortfallen, und
den Medizinalbeamten Tagegelder und Reisekosten in allen
Fällen, also auch in gerichtlichen Angelegenheiten, nach Maßgabe
der fdr Staatsbeamte geltenden allgemeinen gesetzlichen Be¬
stimmungen gewährt werden; auch bei den übrigen technischen
Lokalbeamten (Kreisbauinspektoren, Gewerbeinspektoren nsw.)
wird in dieser Hinsicht ein Unterschied nicht gemacht, obwohl
diese vollbesoldet sind.
Trotz des Widerspruchs im Landtage gegen die Fest¬
setzung der einzelnen Gebührensätze dnrch den Mi¬
nister ist im § 8 daran festgehalten und von der Festsetzung
im Gesetz selbst nach wie vor „mit Rücksicht auf den
schnellen Wechsel, dem die amtsärztliche Tätigkeit, $owie die
Bflekwirknng auf die Gehalts- asw. VerbUtnisse dieser Beamteo. 807
derselben zagronde liegenden Zweige der medizinischen Wissen¬
schaft nnterliegen" Abstand genommen, „nm dem jeweiligen Be*
dflrfoisse der Abänderung oder Ergänzung der normierten Ge*
bflhrensätze ebenso schnell wie sachgemäß Rechnung tragen zu
können. Erwägt man jedoch, daß nach § 7 im Tarife auch be¬
stimmt werden kann, „daß bei einzelnen Verrichtungen
Gebühren nicht zu erheben“ sind, und daß die Gebühren
nach wie vor einen nicht unerheblichen Teil des Diensteinkommens
der Kreisärzte bilden, so liegt es doch im Interesse der Medizinal*
beamten, wenn die Mitwirkung des Landtages dabei nicht völlig
ausgeschlossen wird und § 8 den s. Z. in der Kommission vor*
geschlagenen Zusatz erhält:
„Etwaige Abändernogen oder Zusätze des Tarifs sind dem Landtage,
wenn er versammelt ist, sofort, andernfalls bei seinem nächsten Zusammen-
treten zur Genehmignog vorznlegen."
Desgleichen empfiehlt sich ein Zusatz im § 8, wonach im
Tarif auch genau zu bestimmen ist, welche Verrichtungen als
amtliche, insbesondere im Sinne des § 4, anznsehen sind.
§ 9 entspricht dem praktischen Bedürfnis und sichert eine
schnelle und sachgemäße Erledigung in etwaigen Streitfällen
über die Höhe der Gebühren. Bei § 10 dürfte, um jeden
Irrtum auszuschließen, der Zusatz angezeigt sein:
„sowie die besonderen Gerichtaärzte und die mit der Wahrnehmung der
Obliegenheiten des Kreisarztes beauftragten Stadtärzte.*
§ 11 bedingt eine wesentliche Verbesserung in bezug auf die
Höhe des pensionsfähigen Diensteinkommens der nicht voll¬
besoldeten Kreisärzte, die zweifellos von diesen mit Dank begrüßt
werden wird, obwohl sie keineswegs ausreicht, um die Uogleich-
heiten zwischen den voll- und nicht vollbesoldeten Kreisärzten
ganz zu beseitigen. Die Frage ist übrigens in der vorigen
Nummer bereits eingehend bei Gelegenheit der Besoldungsordnnng
von mir besprochen, so daß auf diese Ausführungen Bezug ge¬
nommen werden kann.
§ 12 gibt zu keinen Bedenken Anlaß. Daß die Einbezie¬
hung der Chemiker in das Gesetz (§ 13) nicht zweckmäßig
erscheint, ist schon vorher betont.
Die pharmazeutischen Kommissare (§ 14) bei den
Apothekenbesichtigungen sollten ein für allemal auch an ihrem
Wohnort volles Tagegeld erhalten und die Höhe der Entschädigung
nicht von der Vereinbarung abhängig gemacht werden. Ebenso
empfiehlt sich eine Erhöhung der Gebühr für verbrauchte Ee-
agentien auf wenigstens 2 Mark mit Rücksicht auf die in dieser
Hinsicht gesteigerten Anforderungen.
In dem Tarif ist der Unzulänglichkeit der bisherigen Ge¬
bührensätze leider nur bei den gerichtsärztlichen Geschäften
(Leichenbesichtigungen, LeichenöfTnungen, wissenschaftlichen Gut¬
achten usw.) Rechnung getragen; dagegen sind, wie bereits
vorher betont ist, bei den am häufigsten vorkommenden
Amtsverrichtungen die Gebühren nicht nur nicht erhöht, sondern
sogar erniedrigt und vor allem niedriger als in der ärztlichen
808 Der Qesetsentworf, betreffend die Qebftbreii der MedkfaiilbeMitee nid neue
GebOhrenordDangf vom 15. Juni 1896. Die Leistosgen eines
beamteten Arztes geringer einznschätzen als die eines Privat*
arztes ist aber, wie der Abg. Dr. Rügenberg bei der Be*
ratnng des früheren Entwurfs im Abgeordnetenbanse (18. März
1902) sehr richtig bemerkte, unberechtigt; sie schadet anch dem
amtlichen Ansehen jener Beamten. Man sollte deshalb möglichst
die Sätze der Gebührenordnung, die allseitig, namentlich die hier
hauptsächlich in Betracht kommenden Mindestsätze, als ange¬
messene and nicht za hohe anerkannt sind, dem Gebübrentaiif
zogrande legen, zamal dieser nach § 12 vorkommendenfalls anch
für die von nicht beamteten Aerzten geleisteten amts- nnd ge*
richtsärztlichen Verrichtangen Anwendung finden soll.
Weiterhin empfiehlt es sich, für alle häufig wiederkehrenden
and ihrer Natur nach gleichartigen amtlichen Terrichtnngen feste
Gebühren ohne Spielraum vorzasehen. Aaf diese Weise wird,
wie wir dies bereits h-üher betont haben, eine gleichmäßige Be¬
rechnung der Gebühren sichergestellt; eine solche liegt aber nicht
nar im Interesse des Pablikums und der Gemeinden, sondern anch
im Interesse der Staatskasse, der ein Teil der Gebühren zn-
fließt. Der Nachteil der festen Gebühren, daß diese vielleicht
in manchem Falle der Mühewaltung nicht genau entsprechen,
fällt nicht ins Gewicht, wenn man erwägt, daß der höhere Auf¬
wand an Zeit und MfUiewaltung in dem einen Falle durch den
geringeren in einem anderen wieder ausgeglichen wird.
Mit Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen empfehlen
sich folgende Abänderungen:
a. Bei Abwertung eines Termins (AI, Nr. 1) ist die Ge¬
bühr für jede angefangene halbe Stande nur auf 1 M. festgesetzt,
während der Mindestsatz der ärztlichen Gebührenordnung 1,50 M.
beträgt; derselbe sollte deshalb auch hier angenommen werden.
b. In Pos. 2 A ist die Gebühr für eine üntersuchong in der
Wohnung (Abs. 1 a) nnd für einen vergeblichen Besuch auf je 3 M.
(Abs. 2) festgesetzt, folglich dürfte die Gebühr für die ünter-
suchung außerhalb der Wohnung (Abs. 1 b) auf 3 -|- 3 = 6 Mark
statt 5 Mark zu bemessen sein.
c. Der Höchstsatz für eine Akteneinsicht (AI, Nr. 3) ist
auf 6 Mark festgesetzt; wie häufig sind aber die Akten so volu¬
minös, daß man Tage zu ihrer Durchsicht gebraucht. Es empfiehlt
sich daher die Honorierung dieser Tätigkeit lediglich nach dem
Zeitaufwand (1,50 Mark für jede angefangene halbe Stande) zu
bemessen.
d. Die Pos. 4 A: Teilnahme an einer Sitzung eines
Schiedsgerichts für Arbeiterversicherung einschließlich
der erforderlichen Untersuchungen und mündlichen Gutachten ist
neu nnd, soweit mir bekannt, niedriger als die jetzt dafür all¬
gemein üblichen Sätze. Hier wird es sich außerdem ^gen, ob
es nicht praktischer ist, die Gebühren nach der Zahl der ver¬
handelten Sachen zu bemessen, bei denen der Sachverständige
durch die Vornahme von Untersuchungen oder Erstattung von
mündlichen Gutachten beteiÜgt ist.
Bückwirkang auf die Gehalte- new. Verhältnisse dieser Beamten. 809
6. Bei der Position A III, Nr. 11 (Befnndschein) fehlt
der Zusatz „einschließlich der üntersnchnng in der Wohnnng des
Medizinalbeamten
f. Die Gebühr für das Befnndattest (A. 12) ist anf
6 Mark zn bemessen; denn ein solches Attest charakterisiert sieh
stets als ein ärztliches Gutachten mit korzer Begründung.
g. Die Bestimmnng in AIII, Nr. 17 bedarf der Erweiterung
dahin, daß nicht nur bei der Untersnchnng zn 14 nnd 15, sondern
anch bei etwaigen Vorbesnchen zn Nr. 13 die Gebühren zn 2
hinzntreten. Die in Abs. 1 dieser Position getroffene Bestimmnng,
daß bei der Gebühr für Gatachten die Gebühren für Akten-
dnrchsicht and sogar für Vorbesnche mit einbegriffen sein sollen,
ist namentlich mit Rücksicht anf die letzteren eine wesentliche
Verschlechterang gegenüber den bisherigen Vorschriften, wonach
die Vorbesnche besonders berechnet worden. Würden z. B. bei
Begatachtnng eines Geisteskranken nsw. 6 Vorbesnche erforderlich
sein, wofür dem Medizinalbeamten nach AI, Nr. 2 b je 5 Mark, also
30 Mark zastehen, so würde er für das abzngebende wissenschaft¬
liche Gutachten nnd die dazu etwa erforderliche Akteneinsicht
selbst bei der HOchstgebühr von 30 Mark keine Entschädigung
erhalten. Auch die Gebühr für Akteneinsicht müßte in solchen
Fällen besonders berechnet werden können.
h. Bei Position B. Nr. 2 and 7 bleiben die Mindestsätze
hinter derjenigen für die Terminsgebühr (6 M.) zurück. Eine Be-
sichtigang ist aber immer als ein Termin anfznfassen; deshalb
sollte sie anch in gleicher Weise wie dieser abgegolten und der
Mindestsatz anf 6 Mark festgesetzt werden.
i. Für die Untersnchnng nnd Begatachtnng von Geistes¬
kranken, Epileptischen and Idioten behnfs Anfnahme in
eine Irrenanstalt (B Nr. 5) empfiehlt es sich, eine feste Gebühr
von 12 Mark, für die Begatachtnng von Blinden and Tanb-
stammen dagegen, die in der Regel weniger Arbeit erfordert,
eine solche von 9 Mark vorznsehen, statt der in B. Nr. 5 einge¬
stellten schwankenden Gebühr von 6—25 Mark.
k. Die Gebühr von 3 Mark (B. Nr. 10 des Tarifs) für Unter-
sachang and Prüfung von Personen behnfs Aufnahme in eine Heb-
ammenlehranstalt einschl. des darüber aaszastellenden Zeng-
nisses steht mit der Mühewaltung absolut nicht in Einklang und
bedeatet gegenüber dem bisherigen allgemein üblichen Gebühren¬
sätze (6 Mark) eine Verschlechterung um 100**/o> Es empfiehlt
sich daher, diesen anch künftig beiznbehalten.
l. Die Prüfung der Desinfektoren and Leichenschaner
(B. 11) macht mindestens die gleiche Arbeit wie der Heilge-
hülfen and Masseure usw. (B. 12). Die Personen rekratieren
sieh außerdem aus den gleichen Bevölkerangsklassen; es liegt
daher kein Grund vor, bei jenen eine geringere Gebühr (6 M.),
als bei diesen (10 M.) festzusetzen, zumal die Gebühr von 10 M.
gegenüber der Mühewaltang als eine sehr mäßige bezeichnet
werden muß.
810 Der (Jesetzentwnrf, betreffend die GebtUiren der Medlzfaialbeunten und seine
m. Die Untersachnng and Begatachtong von Militär*
reklamanten (B. Nr. 14) betreffs ihrer Aafsichts* and Erwerbs*
fähigkeit gehört erfahroogsgemäß zn der meist viel Zeit and
Arbeit beansprachenden Tätigkeit, da hier nar zn oft mit Vor*
tänschnng oder wenigstens Uebertreibnng gerechnet werden maß.
Anßerdem wird von den zuständigen Behörden eine ansführliche
Begründung verlangt. Deshalb sollte auch hier die Gebühr we*
nigstens anf 9 Mark (statt 6 M.) festgesetzt werden. Handelt
es sich am bedürftige Personen, so kann ja der Staat ebenso wie
bisher die Kosten übernehmen. Jedenfalls muß aber der anf die
Hälfte ermäßigte Satz für die weiteren Untersnchnngen und
Zeugnisse für Familienangebörige fortfallen; denn die Arbeit ist
in diesen Fällen die gleiche. Auch die Kosten für die Unter¬
suchungen der bedürftigen Kriegsteilnehmer (B. 15) sollte
der Staat übernehmen.
n. Betreffs der Gebühr für Ausstellung von Gesundheits*
Zeugnissen behufs Eintritts in den öffentlichen Dienst,
Aufnahme in ein Seminar usw. (B. Nr, 16, 17 und 19)
gilt das vorher unter k Gesagte; auch hier ist eine Erhöhung der
Gebühr auf mindestens 6 Mark angezeigt. Gerade diese Unter¬
suchungen und Begutachtungen gehören oft zu den schwierigen
und zeitraubenden; sie verlangen außerdem die größte Sorgfalt,
weil sonst unter Umständen der Staat, die Gemeinden usw. Ge¬
fahr laufen, körperlich für ihre Stellung nicht geeignete Beamte
frühzeitig pensionieren zu müssen.
0 . Entsprechend der ärztlichen Gebührenordnung vom
15. Mai 1896, B. Nr. 24a wird die in Nr. 18 vorgesehene Ge*
bühr von 1 Mark (schriftliche Gesundheitszeugnisse) für
Arbeiter behufs Beschäftigung in gewerblichen Betrieben anf
2 Mark zu erhöhen sein.
Hoffentlich finden diese Wünsche bei der Beratung des Ge¬
setzes im Landtage und bei der späteren und gültigen Fest¬
setzung des Tarifs Berücksichtigung!
Die politische Fresse hat in jüngster Zeit sich mehrfach mit
den Diensteinkommensverhältnissen der Kreisärzte beschäftigt;
in denen anf die Unzulänglichkeit der in der Besoldungsorduung
vorgesehenen Neuregelung, sowie aut die Einbuße, die den Kreis¬
ärzten beim Inkrafttreten des Geböhrengesetzes erwachsen würde,
hingewiesen wurde. Sehr beachtenswerte Ai tikel haben in dieser
Hinsicht die Poet und der Hannoversche Courier in den
Morgenausgaben vom 17. d. M. gebracht, die jedenfalls aus einer
Feder stammen und von denen der Artikel im Hannoverschen
Courier wie folgt lautet:
„üeber der Besoldnngsordnnng, die gegenwärtig im Landtage beraten
wild, hat, soweit sie die Stellang der Kreisärzte regeln soll, keine glückliche
.Hand gewaltet. Nachdem erwiesen und allseitig, auch von der Begiernng an¬
erkannt ist, daß die Voraassetzangen, nntcr denen die Bezüge dieser Staats¬
beamten beim Erlaß des Kreisarztgesetzes vom 16. September 1899 festgestellt
Warden, in den wichtigsten Punkten nicht zatreffen, daß insbesondere die
Dienstgeschäfte weit erheblicheren Umfang haben |and die Einnahmen ans
Gebühren nicht entfernt die veranschlagte Höhe erreichen, maßte erwartet
Bflckwirkung auf die Gehalte* new. VerhUtnieee dieeer BeamtM. 811
werden, daß bei dem oft betonten Wohlwollen der Begiernng deutlich daa
Bestreben erkennbar eein würde, die begangenen Fehler jetzt gründiich s^t
eu machen und für die Einbußen, die den seither Angestellten ohne ihr 'Ver¬
schulden erwachsen sind, einen Ausgleich zu finden, als wieder ängstlich zu
sparen.
Han pfiegt den Kreisarzt den Bichtern und Oberlehrern gleichzustellen.
Das ist ein grundsätzlicher Fehler! Diesen Beamten gleich steht der prak¬
tische Arzt, dessen Ausbildungszeit und Examina (Physikum, Staatsexamen
mit seinen zahlreichen Stationen und praktisches Jahr) keineswegs geringer
eiozuschätzen sind, als z. B. die beiden juristischen Examina mit der dazwischen
liegenden Referendarzeit; es wird auch noch Niemandem eingefallen sein, die
Tätigkeit des praktischen Arztes und seine ganze bürgerliche Stellung niedriger
zu bewerten, als die des Oberlehrers und Richters. Vom Kreisarzt aber wird
mehr verlangt. Er mnß, nachdem er zwei Jahre praktischer Arzt war, noch
eine besondere, schwierige und umfangreiche Prüfung ablegen, zu deren
Vorbereitung er Zeit und Geld aufznwenden hat. Auch die Doktorwürde wird
von ihm verlangt, deren Erlangung ebenfalls geraume Zeit und angestrengte
Arbeit erfordert. Endlich wird Niemand zum Kreisarzt ernannt, der nicht
wenigstens fünf Jahre als praktischer Arzt tätig gewesen ist. Demzufolge
kommt der Kreisarzt tatsächlich im Durchschnitt erst mit Jahren ins
Amt, also 4 bis 8 Jahre später, als der Richter und der Oberlehrer.
Hieraus folgt mit swingender Notwendigkeit zweierlei: nämlich erstens,
daß das Anfangsgehalt des vollbesoldeten Kreisarztes gegenüber dem der
beiden genannten Beamtenklassen höher, d. h. wie bisher 8600 M. betragen
und daß bei der Pensionierung aller Kreisärzte eine 5 jährige Vor¬
bereitungszeit ungerechnet werden mnß.
Es ist begreiflich, daß die vollbesoldeten Kreisärzte verständnislos
der Tatsache gegonüberstehen, daß ihre Aufbesserung mit Herabsetzung des
bisherigen Anfangsgehalts auf 8000 M. und demzufolge mit einer Schädigung
beginnen soll, die erst im 23. Dienstjahre, d. h. also etwa im 60. Lebensjahre
(selten früher, häufig später) wieder ausgeglichen werden kann. Dieses Alter
erreicht jedoch kaum die Hälfte der Kreisärzte; denn ihr durchschnittliches
Dienst- und Lebensalter ist statistisch auf fast 67, bezw. gut 63 Jahre fest¬
gestellt, reichlich 3 bis 4 Jahre geringer, als das der Richter. Auch ans
diesem Grunde mnß das Anfangsgehalt der Kreisärzte höher bemessen und
ihre Pensionsberechtigung znrückdatiert werden, denn wird erst vom Tage der
Diensteidleistung ab gerechnet, so kann nach menschlichem Ermessen fast kein
Kreisarzt je in den Qennß des vollen Ruhegehalts kommen, und wenn er früher
stirbt, so müssen seine Hinterbliebenen darben. Dies mnß aber nicht bloß im
Interesse der beteiligten Beamten, sondern noch mehr im öffentlichen Interesse
vermieden werden, zumal eine wesentliche Mehrbelastung des Staates dadurch
nicht bedingt wird. Dem betreffenden Beamten wird aber durch eine solche
Verbesserung seiner Pensionsverhältnisse die Freude an der Arbeit erhöht und
manche schwere Sorge erleichtert, wenn er sein Alter und die Zukunft von
Frau und Kindern im Fall seines vorzeitigen Abganges oder Ablebens einiger¬
maßen gesichert weiß.
Die vollbesoldeten Kreisärzte erfahren aber überhaupt keine Gehalts¬
erhöhung, sondern, insbesondere die in den ersten 4 Gehaltsstufen befind¬
lichen, eine Einbuße, wenn die Bestimmung des Gebührengesetzentwurfcs in
Kraft tritt, wonach sie alle, auch die nicht rein amtsärztlichen Gebühren,
an die Staatskasse abfübren sollen. Was ihnen durch die Erhöhung ihres
Höchstgehaltes und des Wohnungszuschusses mit der einen Hand gegeben,
wird ihnen mit der anderen Hand genommen, ja, falls jene Bestimmung in
Kraft treten sollte, macht der Staat sogar ein Geschäft, indem die seinur Kasse
durch die Arbeit der Kreisärzte znfließenden Gebühren einen höheren Ertrag
geben dürften, als die durch die neue Gehaltsrcgelung verursachte Mehrausgabe.
Es erscheint deshalb dringend nötig, daß der Begriff „amtsärztliche Gebühren",
die von dem vollbesoldeten Kreisarzt an die Staatskasse abzuführen sind, ge¬
setzlich in der Weise festgelegt wird, daß darunter wie bisher nur die Ge¬
bühren für solche Geschäfte zu verstehen sind, für die der Kreisarzt aus¬
schließlich zuständig ist.
Viel schlechter als die voUbesoldoten Kreisärzte kommen die nicht
812 Oer Oeeetzentwarf, betreffend die €iebtthren der HedizbialbeMBten und eeine
Tollbeeoldeten bei der beabsiehligten Nenregelnng weg. Weil mna glnnbte,
sie würden im Amt nicht genug sn tun haben, hat man Urnen bekanntlich die
Aasttbung ärztlicher Praxis, soweit die Dienstgeschäfte nicht darunter leiden,
sowie die Annahme von NebensteUnngen mit Einwilligung ihres Vorgesetzten
gestattet. Tatsächlich hat sich aber herausgestellt, daß schon jetzt zwei
Drittel aUer Kreisärzte durch ihre amtliche Tätigkeit Toll beschäftigt
sind, und daß die Geschäfte von Jahr zu Jahr derartig anwachsen, daß künftig¬
hin ein nicht ToUbeschäftigter Kreisarzt eine seltene Ausnahme bUden wird,
üebrigens ist auch jetzt schon der Unterschied im Umfang der Dienstgeschäfte
der Kreisärzte nicht wesentlich großer, als bei rielen anderen Beamten, die
ebenfalls hier mehr, dort weniger zu tun haben und doch OberaU das gleiche
Gehalt bekommen. Nur ganz Tereinzelte Kreisärzte haben jetzt noch mne
einigermaßen lohnende Praxis, aber auch diese würden sie sicherlich ganz
gern aufgeben, wenn sie zu ihrem und ihrer Familie Unterhalt nicht darauf
angewiesen wären, und die bittere Not sie nicht dazu drängt, so daß
sie auch die kleinste Einbuße nicht entbehren kOnnen. Giebt es doch Kreis¬
ärzte, die aUe ihre Schreibarbeiten aus Ersparnisrücksichten ohne fremde
Hilfe erledigen, weil sie eine solche nicht bezahlen und von der an sich schm
kärglich bemessenen Summe, die sie für Geschäftsunkosten vom Staat be¬
kommen, nichts entbehren kOnnen. Trotzdem, daß die nicht Tollbesoldeten
Kreisärzte entweder gar keine oder nur ganz geringe, höchstens 26**/o ihrer
Arbeitszeit in Anspruch nehmende Priratpraxis treiben, wird ihnen für die
Bereitstellung ihrer Diensträume so gut wie nichts vergütet, weil sie der
Privatpraxis halber schon Sprech-und Wartezimmer halten müßten, also für
die Privatpraxis, die ihnen durch ihre amtliche Tätigkeit
unwiederbringlich verloren gegangen ist. Gerade die Diensträume
verteuern aber die Wohnung, die ihretwegen, zumal in kleinen Städten, schwer
zu beschaffen ist; ihre Bereitstellung, Unterhaltung und Abwartung ver¬
schlingt daher verhältnismäßig hohe Summen des amtsärztlichen Dienstein-
kommens. Dabei erhalten die nicht voUbesoldeten Kreisärzte nicht einmal
Wohnungsgeldzuschuß und sollen auch künftig einen solchen nicht
bekommen.
Als Ersatz für die unzulängliche Besoldung sind nun den nicht voll¬
besoldeten Kreisärzten die Qebühreneinnahmen verblieben, die sich aber
in der Folgezeit als ein Danaergeschenk erwiesen haben. Die erste Annahme
der Staatsregierung, worauf die ganze Stellung dieser völlig neuen Beamten¬
klasse gegründet war, stellte sich sehr bald als irrig heraus, indem die Gebühren-
einnahme, die im Jahresdurchschnitt' auf 2000 11. angenommen war, nur einen
solchen von kaum 500 M. erreicht. Von vornherein sind somit die nicht voll¬
besoldeten Kreisärzte in ihrem Diensteinkommen bis heute durchschnittlich um
jährlich 1500 M. schlechter gestellt, als ihnen von der Staatsregierung selbst
zugerecbnei ist. Das macht seit dem Inkrafttreten des Kreisarztgesetzes (1901)
ein verlorenes Kapital von 12000 M. aus, das auf keine weise mehr den
Betroffenen ersetzt werden kann.
Man hätte deshalb glauben sollen, daß nach einer gewissen Entschädi¬
gung dafür Ausschau gehalten, daß zum mindesten die gegenwärtige Gelegen¬
heit dazu nicht unbenutzt vorüber gelassen werden würde. Nichts davon;
obwohl sich seit'jenem Ausfälle noch andere nicht unerhebliche Einnahme-
Ausfälle angereiht haben 1 So brachte z. B. die Uebertragung der Aufsicht
über die Fleischbeschauer, und somit auch über die Trichinenschaner an die
Kreistierärzte, den Verlust der Gebühren für die Ausbildung, Prüfung und
Nachprüfung der Tricbiuenschauer, die sich durchschnittlich für jeden ^eis-
arzt auf 2(^ M. belaufen dürfte. Auch die neuen Vorschriften über Ausbil¬
dung und Prüfung der Desinfektoren haben die Gebühreneinnahme der Kreis¬
ärzte wesentlich verringert; irgend welcher Ersatz für diese Verluste ist aber
ausgeblieben.
Als ferner am 1. April dieses Jahres allen Beamten die große Aufbesserung
bringen sollte, da bescherte er statt dessen den Kreisärzten als erste Abschlags-
ahlung die Pauschalierung der Tagegelder und Reisekosten,
freilich nicht nur diesen Beamten, sondern auch den Kreistierärzten. Welche
Gründe lagen aber vor, daß den Kreistierärzten nenn Zehntel
der aus dem Vorjahre nachgewiesenen Einnahmen als Bausch-
Bttekwirkiug aal die Giehalts* new. VerhUtBirae dieser Beamten. 818
betrag Terblieben, den Kreisiraten dagegen nni zweiBrittel
zngebilligt sind? Dem Schreiber dieser Zeilen sind damit wieder etwa
600 M. bisher bezogenes Jahreseinkommen verloren gegangen. Das macht
seit dem Inkrafttreten des Ereisarztgesetzes einen Ansfall tob etwa 800 M.
ohne denjenigen von 1600 M., um welchen die Gebtthreneinnahmo staatlicher*
seits von Anfang an za hoch ebgeschätzt ist. Und diesem Verlnste gegen*
ttber sieht die Besoldangsordnnng eine Erhbhnng des Darchschnittsgehaltes
von nur 460 M. vor! Gleichzeitig bringt das neue Gebtthrengesetz eine
weitere Mindereinnahme.
Daß die Gebtthren für ^erichts&rztUche, medizinal- and sanitätspolizei*
liehe DienstgeschSfte schon seit langen Jahren nicht mehr zeitgemäß sind, ist
allseitig anerkannt, nach von seiten der Staatsregierang, die infolgedessen be¬
reits wiederholt einen Entwarf za einem neaen Gebtthrengesetz dem Landtage
Torgelegt hat, der von diesem aber immer abgelehnt ist. Ob er jetzt geneigt
sein wird, endlich den Wttnschen aller Nächstbeteiligten aaf zeitgemäe Ab-
ftnderang stattzageben, wird sich bald heraosstellen. Der jetzt yorgelegte
Entwarf hat aber im Vergleich za den frttheren Entwttrfen eine wesentlich
andere Fassung erhalten and bedingt nor eine neae Schädigang der Kreisärzte
and zwar sowohl der Tollbesoldeten, als der nicht Tollbesoldeten, dorch welche
die ihnen in der Besoldangsordnang zagedachte Gehaitserhtthang Tttllig aas¬
geglichen wird, ja bei manchen Kreisärzten sich sogar in eine Mindereinnahme
Terwandeln dttHte. Fttr die Tollbesoldeten Kreisärzte bringt der Gesetz-
entwarf, wie bereits erwähnt ist, insofern einen großen Aasfall, als kttnftighin
nicht nar alle gerichtsärztlichen Gebtthren, sondern nach alle anderen Gebtthren
an die Staatskasse abgeftthrt werden sollen, während bisher nar die Gebtthren
fttr solche gerichts- and amtsärztliche Gescoäfte abznftthren waren, fttr die der
Kreisarzt ansschließiich zaständig war. Fttr die nicht Tollbesoideten
Kreisärzte bringt der Gesetzentwarf zwar fttr die seltener Torkommenden ge¬
richtsärztlichen Geschäfte eine Erhtthang der Gebtthren, fttr die viel hänfigeren
sonstigen sanitätspolizeilichen Geschäfte dagegen wesentlich niedrigere Ge-
btthrensätze and demzofolge erhebliche Verlnste, die mit 800 bis ^ Mark
nicht za hoch geschätzt sem dttrften.
Es geht aas den vorstehenden Aosftthrongen klar and deatlich hervor,
daß die bisherige Entwicklang der EinkonunenverhältniBse der Kreieärzte an¬
haltbare Zostände aofweist, die darch die neae Besoldangsordnang and das
Gebtthrengesetz nicht beseitigt werden. Aof so ansichere and schwankende
Einnahmen, wie die der nicht vollbesoldeten Kreisärzte, läßt sich ein solider
Beamtenhaasstand nicht grttnden; die Staatsregierang sollte deshalb endlich
mit allen Halbheiten and Unklarheiten grttndlich aafräamen, statt von neaem
aof Toraossichtlich längere Jahre hinaas angewisse Verhältnisse fttr diese
Beamten za schaffen, da sie sich sonst notgedrangen ansicher and gegen andere
Beamte zarttrdcgesetzt behandelt fttblen mttssen. Ohne Zweifel wird der Kreis¬
arzt nach wie vor seine Pflicht tan, ob aber mit der Frendigkeit and Ent¬
schlossenheit and dem Taktgeftthl, das sein gewiß nicht so ganz leichtes Amt
erheischt, das mögen sich die fragen, die darttber za wachen and za entscheiden
haben, daß aUes geschieht, einer begrttndeten Verbitterang vorzabeagen.
Die Besoldangsvorlage sieht ferner fttr die nicht vollbesoldeten Kreis¬
ärzte weder Wohnangsgeldzaschaß vor, noch gewährt sie ihnen die
Abmessong des Gehalts nach Dienstaltersstafen, die der Finanzminister
mit Recht als die gttnstigste bezeichnet, weil sie aof sicheren Verhältnissen
basiert ist. Endlich bleibt aach die Begelang der Pension hinter den
Wttnschen and bestimmten Erwartangen der Kreisärzte zarttck. Sie können
sich daher mit dieser Begelang ihrer Einkommens- and Pensionsverhältnisse
nicht zofrieden geben, and werden fortgesetzt danach streben, das za erreichen,
was sie im Vergleich za anderen Beamten der gleichen Stellang, Vor- and
Ansbildong mit ^g and Recht verlangen können.
Der kttnstlich geschaffene Unterschied zwischen voll-
and nicht vollbesoldeten Kreisärzten maß in bezag aaf
Diensteinkommen and Pension endlich aafhören, nachdem er
in besag aaf ihre Amtstätigkeit schon längst aafgehört hat.
Können sich jedoch Regierang and Landtag za dieser einfachsten and glttck-
lichsten Lösang aller Schwierigkeiten nicht einigen, dann genttgen die in der
Vorlage gebotenen Aofbessernngen in keiner Hiudcht.
814 Der Gesetsentwnrf, betreffend die Gebttbren der Medlrinnlbenmtwi ud sebe
Hit 900 Merk Aafbeseernng des EOcbstgebalts (Ton 2700 auf 8600 U.)
ist, wie Torhin bewiesen, noch nicht einmal der tatsächliche Ansfall gedeckt,
den die nicht Tolibesoldeten Kreisärzte seit Erlaß des Ereisarstgesetzes ander¬
weit erlitten haben*). Zum mindesten muß deshalb Terlangt werden, daß ihnen
ein ln dreijährigen Dieastalterszolagen Ton je 400 Mark steigendes Ge¬
halt Ton 2400 bis 4800 Hark gewährt wird, also zwei Drittel des
Gehaltes der vollbesoldeten Kreisärzte, sowie Wohnnngsgeldznschnß.
Anßerdem müßte bei der Pensionierong als sonstiges pensionsfähiges Dienst¬
einkommen nicht eine für alle gleichmäßig angenommene Somme Ton 2250 H.,
wie seitens der Staatsregierang Torgeschlagen ist, hinzogerechnet werden,
sondern ebenfalls ein den Gehaltsstufen entsprechend um je 200 M. steigender
Betrag too 1200—2400 Mark, so daß das pensionsfähige Diensteinkommen bei
den beiden Kategorien der Kreisärzte die gleiche Höhe haben würde.
Die in mancher Beziehong höchst bedenklichen Stellenzalagen
sollten dagegen gänzlich fortfallen. Sie haben sich in keiner Weise als ge¬
rechter Aasgleich erwiesen, sind auch nicht immer denjenigen zogeteilt, die
ihrer am meisten bedurften, and manchem Torenthalten worden, der sie nach
den maßgebenden Qrondsätzen beanspruchen konnte, weil nicht genügend
Mittel dafür bereit gestellt waren.
Von einem Gesetz, das die DiensteinkommensTerhiltnlsse der Kreisärzte
im Babmen der gesamten Beamtenschaft auf Jahre hinaus regelt, maß daher
Terlangt werden:
1. Fortfall des bisherigen Unterschiedes zwischen ToU- und nicht ToU-
besoldeten Kreisärzten.
2. Gewährung eines Gehaltes Ton 8600—7200 Hark nebst entsprechendem
Wohnungsgeldzuschuß unter Fortfall der bisherigen Stellenzulagen.
3. Anrechnung einer Vorbereitungszeit Ton 5 Jahren bei Berechnung des
pensionsfähigen Dienstalters.
4. Gesetzliche Festlegung des Begriffs der „amtsärztlichen Gebühren* in dem
Sinne, daß darunter nur Gebühren für die zur ausschließlichen Zuständig¬
keit des Kreisarztes gehörenden amtlichen Verrichtungen zu Terstehen sind.
6. Bemesfung des Beisepauscbale auf lo des Jahresdurchschnittes in den
letzten drei Jahren, wie dies bei den Kreistierärzten geschehen ist
6. Ersatz der baren Auslagen für Fahrkosten bei Dienstgesebäften am
Wohnort und innerhalb zwei Kilometer Entfernung Ton diesem.
7. Angemessene, den tatsächlichen Unkosten entsprechende Erhöhung des
Dienstaufwandes.
8. Verbot der ärztlichen PriTatprazb mit Ausnahme Ton dringenden Fällen
und Konsultationen mit anderen Aerzten; Annahme Ton Nebenstellungen
nur mit Genehmigung des Regierungspräsidenten.
Können sich jedoch die Gesetzgeber nicht dahin einigen, daß schon jetzt
alle Kreisärzte Tollbesoldet werden, dann müßte an Stelle der Forderung unter
2 die folgende treten:
Die nicht Tollbesoldeten Kreis- und Gerichtsärzte erhalten ein Ton
2400—4800 Mark in Gehaltsstufen Ton 8 Dienstjahren um je 400 Hark
steigendes Gehalt sowie V/ohnungsgeldzuschuß und Pension wie die Toll-
besoldeten Kreisärzte im gleichen Dienstalter unter Anrechnung eines den
Gehaltsstnfcn entsprechend um je 200 Mark steigenden Betrages Ton
1200—2400 Mark ans sonstigen Dienslbezügen.
Die Torber unter Nr. 3—7 anfgestellten Forderungen gelten auch für
die nicht Tollbcsoldeten Kreisärzte, denen jedoch die PriTatprazis wie bis¬
her soweit zu gestatten sein wörde, als ihre Dienstgeschäfte nicht darunter
leiden.
Die Torstehenden Forderungen erhalten nur das, was den Kreisärzten
*) In Wirklichkeit wird das Höchstgehalt der Kreisärzte übrigens gar
nicht anfgebessert; denn nach dem Etat betrug der Gehalt einschließlich der
Stellenzalagen 1800—4200 M., durchschnittlich 2700 M., die ganze Aufbesserung
besteht also nur in der Erhöhung des Fonds für die Stellenzulagen um je
450 M., die es ermöglicht, daß nunmehr alle Kreisärzte bis zu einen Höchst¬
gehalt TOU 8600 M. gelangen, während dieses bisher nur die Gerichtsärzte und
die Kreisärzte mit Stellenzulagen erreichten.
Bttckwirkiing auf die Qehalts- usw. Verh<nisse dieser Beamten. 816
objektiv uad relativ nach billigem Ermessen za kommt; sie schlitzen sie nur
vor weiteren Einbofien, ohne ihnen EntschSdigong für die bisherigen za ge¬
währen, and bringen ilnen eine den heutigen Verhätnisse entsprechende Dienst-
einkommensverbesserang, die sich jedoch durchaus innerhalb des Bahmens der
dem Landtage vorgelegten neaen Besoldangsordnang hält. Die Kreisärzte
wünschen niäts weiter, als strenge and gerechte Prüfung ihrer Wünsche; sie
hegen die zuversichtliche Hoffnong, daß diese dann auch Erfüllung finden werden.“
Wir können nns mit diesen AnsfiUirnngen in allen Punkten
einverstanden erklftren; sie bringen in dnrchans richtiger nnd
sachgemässer Weise alle diejenigen Wünsche und Forderungen
der Kreisärzte znm Ansdrncky die nach Lage der Sache, nament¬
lich nach Vorlage des Gebühren-Gesetzentwurfes und nnter Be¬
rücksichtigung seines künftigen Einflusses auf die Diensteinkom¬
menverhältnisse der Kreisärzte als berechtigt aneikannt werden
müssen. Die Wünsche gehen allerdings in bezug auf die Höhe
des Gehalts der nicht vollbesoldeten Kreisärzte etwas weiter,
als dies in meiner Besprechung in der vorigen Nummer der Zeit¬
schrift geschehen ist (2400—4800 statt 2400—4200); in Hinblick
auf den durch das Gebührengesetz drohenden Einnahmeverlnst
erscheint dies aber durchaus gerechtfertigt, ebenso wie die For¬
derung auf Gewährung des Wohnnngsgeldznschnsses an die
nicht vollbesoldeten Kreisärzte, die sich als notwendige Konsequenz
aus der Tatsache ergibt, daß diese Beamten ebenfalls sämtlich
vollbeschäftigt sind nnd sich von den vollbesoldeton Kreisärzten
nur dadurch nnterscheideu, daß sie sich die Differenz ihres Dienst¬
einkommens im Vergleich zu dem der vollbesoldeten durch die
ihnen belassene Gebühreneinnahme selbst verdienen müssen. Diese
Forderung steht auch durchaus im Einklang mit den gesetzlichen
Bestimmungen; denn die nicht vollbesoldeten Kreisärzte gehören
nicht mehr zu den Beamten, deren Zeit nnd Kräfte durch die
hnen übertragenen Geschäfte nur nebenbei in Anspruch genommen
werden und die demzufolge nach § 7 des Gesetzes vom 13. Mai 1872
in Verbindung mit § 5 des Gesetzes vom 27. März 1872 keinen
Anspruch auf Wohnungsgeldznschuss haben, sondern sie sind voll
beschäftigte und pensionsberechtigte Beamte; ihre
amtliche Tätigkeit ist zur hauptamtlichen geworden, die jede
andere Tätigkeit, auch die Ausübung ärztlicher Privatpraxis, nicht
mehr gestattet, wenn diese ihnen auch noch gesetzlich erlaubt
ist. Es bedarf somit nach § 5, Abs. 2 des Gesetzes vom 27. März
1872 nur der Eutscheidung der Vorgesetzten Dienstbehörde, dass
ihre Dienststellung nicht mehr eine neben-, sondern eine haupt¬
amtliche ist, um ihnen ebenfalls Wohnungsgeldzuschuss zu ge¬
währen.
Mit dem Verfasser des angeführten Artikels sind auch wir
der Ansicht, daß eine jenen Wünschen entsprechende Regelung
der Dienstbezüge endlich einmal sichere nnd für die beteiligten
Beamten befriedigende Zustände schafft, so daß sie mit der er¬
forderlichen Arbeitsfrendigkeit und ohne Sorge für ihre Familie
ihren so schweren und verantwortungsvollen Aufgaben gerecht
werden können. In bezug auf die Stellung der Medizinalbeamten
sind gerade genug Experimente gemacht, daß es unseres Erach-
816
BMprechvngen.
teils die höchste Zeit ist, wenn mit diesen Ehrperimenten endlich
anfgehört wird! Dies liegt nicht nur im Interesse der Medizinal¬
beamten, sondern noch vielmehr — nnd das möchten wir am
Schloß noch besonders betonen — im öffentlichen Interesse; denn
das für das Allgemeinwohl so wichtige Gebiet der öffentlichen
Gesundheitspflege muß den größten Schaden erleiden, wenn die
dafflr in erster Linie in Betracht kommenden Beamten sich fort¬
während benachteiligt nnd znrftckgesetzt fühlen!
Besprechungen.
Dr. Bandelier und Dr. Böpke: Lahrbnoh der epesiilsoliea
Dlegnoitlk und Therapie der Toberhuloae. Far Stadiereade lud
Aexrte. Worzbarg; 1S08. Verlag von C. Kabitzscb (A. Stübers Verlag).
Wie Toraozosehen, hat das yoiliegende Lehrbuch der bekannten Tuber-
kdUnforscher Bandelier und B0pke nach kaum Jahresfrist eine Neuauflage
notwendig gemach, gewiß ein Erfolg, der ebenso für den bleibenden Wert des
Buches spricht, wie fnr das wachsende Interesse der Aerztewelt an den Fragen
der spezifischen Diagnose und Therapie einer Krankheit, bei deren Bekämpfug
die medikamentöse Therapie im Stiche gelassen hat Desgleichen liegen bereits
Uebersetznngen io die englische nnd £e russische Sprache vor.
Auch in der zweiten Auflage des Lehrbuches lat es den Verfassern
gelangen, die klare Uebersicht des Ganzen und die Faßlichkeit der einzelnen
Kapitel zu wahren, trotzdem der Inhalt derselben den Banumfang der ersten
Auflage weit ttbertrifft. Aus der Praxis für die Praxis geschrieben, verfolgen
die Verfasser in erster Linie den Zweck, die spez. Diagnostik und Therapie
der Tuberkulose zum Allgemeingut der praktischen Aerzte zu machen, nachdem
^eselbe in den Beihen der Heilstätten« and Erankenhausfirzte bereits zahl¬
reiche Anhänger gefunden hat. Konnte doch noch vor Kurzem der bekannte
Hamburger ^niker Lenhartz seine Ansicht über die Tuberkulinwirkung in
die inhaltsreichen Worte zusammenfassen: „Es ist ein Kunstfehler, wenn bei
der Behandlung der Lungentuberkulose Tuberkulin nicht angewandt wird.*
Die Verfasser beschränken sich daher nicht auf die Besprechung der Koch’sehen
Tuberkuline and nicht auf ihre Verwendung bei Langentaberkolose, sondern
sie gewähren auch allen bisher bekannten spezifischen Präparaten und Methoden
weitesten Baum, sowohl zur Behandlung der Tuberkulose der Lungen, wie der
anderen Körperorgane (Kehlkopf, Augen, Haut, Drüsen, Knochen, Gelenke,
UrogenitaltriÜEtus u. a.). Zumal die Kapitel über die verschiedenen neuen
Methoden zur Diagnostik (die kutane, per kutane und konjunktivale Tuberkulin¬
proben und ihre Anwendung in der Kinderheilkunde) sowie die Therapie der
Tuberkulose anderer Organe als der Lunge haben in der neuen Auflage eine
wesentliche Erweiterung erfahren. Es ist daher zu erwarten, daß die neue
Auflage nicht nur bei den praktischen Aerzten freudige Aufnahme finden,
sondern auch den Kollegen ein willkommenes Nachschlagewerk sein wird, die
wie die Kreisärzte und Anstaltsärzte in zweifelhaften Fällen Tuberkulöse zu
begutachten haben. Dr. Gumprecht-Lippspringe.
Tagesnachrichten.
Seine Majestät der Kaiser bat dem Belohsanssehnas für das intltche
FortbUduagswesen eine einmalige Beihilfe von 10000 M. aus dem AUerhOchstea
Dispositionsfonds überwiesen. _
Der Gesetzentwurf Uber die Gewährung von Wohnnngageldsnsebässen
ist nunmehr dem Abgeordnetenhause zugegangen. Es erhalten Beamte der
1. Bangklasse in den Klassen A—E 2260, 1800, 1860, 1080, 9<X) M. (pensions¬
fähiger Durchschnittssatz 1476 M.), Beamte der 2. und 8. Bangldasse 1800,
1350, 1080, 900, 810 M. (1188 M.), Beamte der 4. und 6. Bangkluse 18M, 990,
TageBoaohriohteiL
817
810, 720, 680 H (900 M.), Beamte, welche zwiflchen den Beamten der 5. Bang*
klasae und den Sabaltemen, der Provinzialbehörden rangieren, Snbaltembeamte
2. Klasae bei den Zentralbehörden, Sabalternbeamte bei den Prorinzial- and
Lokalbehörden 810, 6ö0 540, 450, 880 ]£. (656 H.), Unterbeamte 480, 860, 290,
220, 150 M. (300 M.).
Dem Entwurf ist ein Ortsklaseenverzeichnis beigefOgt. Das
Verzeichnis weist der Ortskasso A alle Orte mit einem darchschnittlichen
Einheitszimmerpreise von 221 M. and darüber, B von 161—220 M., C von
121—160 H., D von 81—120 M., E von 80 M. and daranter za. Es handelt
sich am 12718 Orte. Ans Klasse C nach B versetzt worden 4, ans D na«^
C 19, aas B nach D 188 Orte. Aus der BegrUndang geht hervor, daß die neue
Aufstellang auf Grand sorgfältiger Ermittelangen stattgefanden hat, wobei
auch zam Teil die Teaerangsverhältnisse berücksichtigt worden sind. Der
Mehraufwand des Staates beläalt sich durch das Gesetz auf mnd 22548258 M.
pro Jahr.
Die Wohnongsgeldzaschüsse betragen demnach im Vergleich za den
bisheriiren:
m
1
bisher
kttnft.
I
bisher
1
1
künft
(ür Bangklassc
m
bisher {künft.
IV
bisher | künft.
1
bisher
7
künft.
A
1500
2250
1200
IbUU
900
1350
540
810
860
480
B
1200
1800
900
1350
660
990
432
650
270
860
C
900
1850
720
1080
540
810
360
540
216
290
D
720
1080
600
900
480
720
300
450
162
220
E
600
900
540
810
420
860
216
880
108
150
Die Beichstagsabgeordneten Dr. Arning und Baseermann haben
folgenden Antrag eingebracht: Der Beichstag wolle beschließen, die ver*
bündeten Begierangen zo ersuchen, baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen,
der die erfolgreiche Bekämpfung der Tuberkulose derart sicher stellt, daß
auch die bisher von der Fürsorge noch nicht erfaßten Kreise der Bevölkerung
dieser teilhaftig werden, insbesondere durch Bereitstellung weiterer Geldmittd
und durch gesetzliche Maßregeln, welche die Desinfektion verseuchter Woh*
nungen sicher stellen. _
Ende dieses Monats tritt die durch je ein Mitglied der 12 Aerztekammem
verstärkte preusslsche Wissenschaftllohe Deputation für das Medlsiual*
wesen im Koltasministerum zusammen, um über den Entwurf des Knrpfnseherei-
gesetzes zu beraten. Das Besaitet der Beratungen wird dann dem Beichsamt
des Innern eingereicht, das von den einzelnen Bundesstaaten Gutachten hier¬
über eingefordert hat. _
Die auf dem 28. November d. J. anberanmte diesjährige Plenarver¬
sammlung der Königl. Sächslsehen Landesmedlslnal-Kolleglums ist mangels
geeigneter Beratungsgegenstände bis AprU oder Mai nächsten Jahres verschoben.
Der 80. Balneologen • Kongress wird Anfang März 1909 unter dem
Vorsitz vom Geb. Med.-^t Prof. Dr. Brieger in Berlin tagen. Anmeldungen
von Vorträgen und Anträgen sind za richten an den Generalsekretär der
Balneologisdien Gesellschaft, Geh. San. - Bat Dr. Brock, Berlin, Thomasiusstr. 24.
Der 8. internationale Kongress für Hydrologie^ Klimatologie^ Geo¬
logie und physikallsehe Therople findet laut Beschloß des vorigen Kongresses
(Venedig 1905) vom 4. bis 10. April 1909 in Algier unter dem Patronate des
General - Goaverneurs M. Jonnart statt. Präsident des Kongresses ist Prof.
Albert Bobin in Paris, Generalsekretär Dr. B. Beynaud in Algier. In
Deatschland hat sich zar Förderung der Interessen ein Komitee gebildet, den
eine große Beihe namhafter Autoritäten angebOrt. Mit der Vertretung für
Deatschland ist vom Präsidium San.-Bat. Dr. Bosenthal-Berlin, Pots-
dammerstr. 121 g, betraut worden, der bereit ist, Anmeldungen von Vorträgen,
818
Tagesnachriohten.
Beitrittserklärangea und Mitgliederbeiträge entgegenzonehmen, sowie über
alle den Eongrefi betreffenden Fragen Anskonft zn erteilen. Im Anschloß an
den Kongreß findet eine Ansstellnng von Apparaten and Mineralwässern statt
Der 11. Internationale Kongress fttr Aagenhellknnde wird im Aa>
gast 1909 in Neapel stattfinden. Die Siisangen werden in (Tnirersitätsgebiade
abgehalten; die mit dem Kongreß yerbnndenen Aasstellang wird in der Klinik
Ittr Aagenheilkande antergebracht. Anläßlich des Kongresses werden Aasfittge
aaf die Insel Capri and nach Pompeji veranstaltet.
Erkranknngen nnd TodesflUle an ansteokenden Krankheiten ln
Prenssen. Nach dem Ministerialblatt für MedMn^- and mediziniscbe Unter*
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 11. bis 24. Oktober 1908 erkrankt
(gestorben) an: Aassatz, Cholera, Bttckfallfieber, Gelbfieber and
Pest: — (—); Flecklieber: —(—), 1 (-); Pocken: 1 (—), — (—);
Milzbrand: 1 (—), 1 (—); Tollwat; —(—),!(—); Bißyerletzangen
darch to'llwatyerdächtige Tiere: 5 (—), 2 (—); Unterleibs-
typhas: 298 (37), 814 (40i; Bahr: 7(1), 7 (—); Diphtherie: 1682(1081,
1697 (123); Scharlach: 1946 (147), 1846 (134)\ Genickstarre: 5 (1),
8 (3); Kindbettfieber: 104 (84), 89 (18); Warst* and Fleischyer-
giftang: 2 (—) 69 (—); Trichinose: — (—), 1 (—); Körnerkrank¬
heit (erkrankt): 104, 18 ; Taberkalose (gestorben): 461, 472.
MpraohaanL
Anfrage des Kreisarztes Dr. P. ln 8.: 1. Ist Hienfong* Essenz dem
freien Verkehr fiberlassen?
2. Was ist anter „yerschlossenen Behältnissen" (Ziffer 7 der Grand*
zfige fiber die Begelang des Verkehrs mit Arzneimitteln aoßerhalb der Apo¬
theken — eine hiermit identische Polizeiverordnang ist für den Beg.-Bez.
Mersebarg nnter dem 16. Aagast 1905 erlassen) za verstehen F
Antwort: 1. Nein. Urteile des Kammergerichts in Berlin sowie der
Oberlandesgerichte in Celle, Posen and Breslaa, (s. Beilage Bechtsprechong
a. Med.-Gesetzgebang; 1906, S. 12, 39 and 208; 1907, S. 123).
2. Unter «verschlossenen Behältnissen" sind Schränke oder Schiebekästen
za verstehen. Die Aafbewahrnng der Arzneimittel darin maß ordnangsmäßig,
also analog den Vorschriften des § 9 Abs. 3 der Apothekenbetriebsordnang
vom 18. Febraar 1902 erfolgen. _
Anfrage des Kreisarztes Dr* 6. in M.: Stehen dem Kreisärzte aach
ffir vereitelte Vorbesnehe Gebühren za?
Antwort: Ja. Der Beschloß des Kammergeriebts vom 16. Jnni 1894,
der die Frage verneint hatte, ist durch Beschloß desselben Gerichts vom
80. April 1907 aufgehoben (s. Beilage Bechtsprechong o. Medizinal*Gesetz*
gebang; 1907, S. 93).
Bericht!gang;. In der Bespreebong za Havelok Ellis, Seite 773
maß es in Zeile 2 heißen Sexaal• Psychologie (nicht Spezial); in Zeile 20
Zoophilie (statt Zooptille) and in Zeile 21 Sadismus (statt Jadismos).
Fttr die Leser der Zeitschrift.
Der achte Jahrgang: des Kalenden fttr Medizinal*
beamte fhr das Jahr 1909 gelangt in der ersten Woche des
Dezembers d. J. zar Aasgabe.
Die Verlagsbuchhandlung. Der Herausgeber.
Verantw. Bedaktoar Prof. Dr. B a p m a n d, Beg.* o. Geh. Med.-Bat in Minden L W.
J. 0. 0. Brune, Herzogi. S&chs. u. F.8eh.-L. Hofbuobdniokerel in Minden.
Die erste Beratung des Abgeordnetenhauses Uber den
Gesetzentwurf, betr. die Gebühren der Medizinalbeamten,
sowie die bisherigen Yerhandiungen der Kommission fttr
diesen Gesetzentwurf, u. der verstärkten Budgetkommission
Uber die Besoldung der Kreisärzte.
Wir lassen zunächst die Verhandlnngen auf Grand des steno¬
graphischen Berichts über die Sitzung des Abgeordoetenbanses,
in der die erste Beratung des Gebührengesetz-Entwurfes stattge-
fanden hat, sowie die in den politischen Blättern gebrachten Be¬
richte über die Sitzungen der betreffenden Kommissionen folgen:
A. Erste Beratong des Abgeordnetenhaoses Tom 21. NoTember d. J. über den
Gesetzeotwarf, betr. die Gebühren der MedLrinalbeamten.
Uiniaterialdirektor Dr. Förster: Oer Gesetzentwurf hat bereits wieder¬
holt dem Landtage zur Beschlußfassung Torgelegen, ist aber bisher leider nicht
zur Verabschiedung gelangt. Die Königliche Staatsregierung ist nach wie vor
Ton der Notwendigkeit einer den heutigen Verhältnissen entsprechenden Neu¬
regelung des kreisärztlichen Gebübrenwesens durchdrungen und gibt sich der
Hoffnung hin, daß der Gesetzentwurf diesmal die Zustimmung des Landtages
finden wird. Sein Inhalt stimmt im wesentlichen mit dem der letzten Vorlage
im Jahre 1904 ttberein, nur sind jetzt die Wünsche der damaligen Kommission
berücksichtigt. Au der Festsetzung des dem Entwurf beigegebenen Gebühren-
tarifs im Verwaltungswege durch den Minister ist jedoch auch diesmal fest-
f ehalten, da die Festlegung der Gebührensätze durch Gesetz sich gerade bei
em jetzt geltenden Gesetz Tom 9. März 1873 als schwerer Fehler heraus-
gesteilt hat. Neu eingefügt sind §4 (Abführung aller Gebühren für amt¬
liche Verrichtungen seitens der roUbesoldeten Kreisärzte an die Staatskasse),
820 Die erste Beratoog des Abgeordnetenhauses Uber den Gesetzentwarf, betr.
§ 11 (pensionsf&higer Gebtthrendorchschnitt Iftr die nicht Tollbesoldeten Kreis*
ärste) and § 18 (Gebühren der Chemiker). Der § 11 soll insbesondere die im
Landtage wiederholt and dringlich geforderte Nearegelang der Pensions-
yerh<nisse der nicht Tollbesoldeten Kreisärzte die gesetzliche
Grandlage geben, indem in Zoknnft neben der Besoldung ein für alle Fälle
gleicbm^ig bemessener Betrag Ton 2250 Mark an Stelle der Gebühren der
Berechnung der Pensionssummo zugrunde gelegt werden solL Eedner bittet
zam Schluß, dem Torliegenden Gesetzentwurf freundliches Interesse enlgegen-
zubringen and an der Beseitigung der so schwer empfundenen MiOstände aal
dem Gebiete des Gebührenwesens mitzuwirken.
Abg. T. der Osten (kons.): Der an die Spitze des Gesetzes gestellte
Grandsatz, wonach das staatliche Gehalt alle Amtshandlungen, für die der
Staat finanziell yerantwörtlich ist, in Zukonft decken soll, ist an sich zutreffend
and logisch; seine finanziellen Wirkungen auf die dayon Wroffenen Kreisärzte:
FortfaU der Entschädigung für im ortspolizeilichen Interesse yorgenommenen
Diensthandlangen an den Orten mit königlicher Poiizeiyerwaltung, Ersatz der
tatsächlich erwachsenden Fahrkosten statt der bisher gewährten Fahrkosten*
entschädigung, Abführung auch der gerichtsärztlichen Gebühren seitens der
Tollbesoldeten Kreisärzte an die Staatskasse, so wieeine im Interesse der außer¬
ordentlich hoch belasteten Gemeinden freudig zu begrüßende Ermäßigung einer
Beihe yon Gebührensätzen, dürfen aber nicht außer Acht gelassen werden.
Za bedauern ist, daß sich der Gesetzentwurf auf die Begelong des Gebühren¬
satzes beschränkt und nicht auch die materielle Gebtthrenpflicht mit in
Becbnung einbezogen ist, einmal, um der bestehenden Unklarheit aus dem Wege
za gehen, yor allem aber, um die heute schon aoßerordentlich weitgehende
and Ton yielen Gemeinden auf das schmerzlichste empfundene Belastung durch
Gebühren, wenn irgend tunlich, zu erleichtern. Selbst bei allem Wohlwollen
der Zentralinstanz können sich recht unerfreoliche Härten aas der Befugnis
der Orts- und Landospolizei ergeben, Gebühren in dieser Bichtang festzusetzen,
für die einfach die Gemeinden als Träger einzutreten haben. Die politische
Partei des Bedners will jedoch, um diese sowieso schon recht komplizierte
Materie nicht noch mehr za belasten, yon einem bestimmten Antrag in dieser
Hinsicht Abstand nehmen und heute nur den Wunsch aassprechen, daß die
KOnigL Staatsregierang einer baldigen Begelung dieser Gebührenpflicht näher
treten möge. Dagegen hat sie ganz außerordentliche Bedenken gegen die im
§ 8 yorgesehene Debertragung der Tariffestsetzung auf die Ezelratiye. Mit
Bücksicht auf die Belastung der Gemeinden kann in dieser Hinsicht eine Kon¬
trolle der gesetzgebenden Körperschaften für die Zukunft nicht aus der Hand
gegeben werden. Die Begierung solle deshalb ihren entgegenstehenden Stand-
pankt fallen lassen. Die Gründe für eine derartige Tarifierung durch die zustän¬
digen Minister sind nicht durchschlaggebend. Wenn es yielleicht technisch manch-
mu wünschenswert sein könnte, einzelne Tarifpositionen schnell und kurzer Hand
abauändern, so sind die Verhältnisse doch nicht so flüssig, am einen so wich¬
tigen Akt, wie die Festsetzang yon Lasten, die weite Kreise treffen, ad libitom
der Staatsregierang zu überlassen; außerdem sind in dem Tarif gewisse Lati-
tüden yorgesehen, mit denen jener Flüssigkeit der Verhältnisse ausreichend
Bechnang getragen werden könne.
Was die finanzielle Wirkung des Gesetzentwurfes auf die dayon
betroffenen Kreisärzte betrifft, so muß man sich yergegenwärtigen, daß die
Tollbesoldeten Kreisärzte eine Steigerung ihres Endgehalies um 1600
Mark und eine Erhöhung ihres Wohnungsgeldzuschusses erfahren, auf der
anderen Seite allerdings eine Herabsetzung ihres Anfangsgehaltes auf 600 M.,
sowie einen mit nicht wesentlich ins Gewicht fallenden Ausfall durch den Ver¬
lust der gerichtlichen Gebühren und der bisherigen Fuhrkostenentschädigungen
erleiden. Summa summarum glaubt Bedner und mit ihm seine politische
Freunde, daß durch die sehr wesentliche Erhöhung des Endgehaltes ein au-
! gemessener Ausgleich für die ihnen erwachsenden nicht wesentlichen Ver-
uste geschaffen wird, und daß auch die Erniedrigung des Anfangsgehalts
um 600 Mark ihre Begründung einmal in der Gleichstcilung mit den gleichen
Beamtenkategorien (Bichtern, Oberlehrern, Kreisschalinspektoren usw.), ander¬
seits in der sehr ernsten Finanzlage des Staates findet, die ein Eingehen
auf weitergehende Wünsche in bezug auf Beibehaltung des Anfuigsgehaltes
yon 8600 Mark nicht zuläßt.
die Gebtthren der Medizinalbeamteii sowie die Verhandlasgen der Kommission. 821
Die nicht Tollbesoldeten Ereisärste erhalten in technischem
Sinne des Wortes keine Besoldong, sondern nur eine Vergtttnng, „der Schwer¬
punkt ihrer wirtschaftlichen Existenz liegt nicht in dem Staatsgehalt, in der
StaatsTerglitang, sondern der Schwerpunkt ihrer Elxistenz and mrer Tätigkeit
soll, soweit das nach den realen Verhältnissen mOglich ist, nach dem Wunsch
meiner Freunde in ihrer Praxis liegen. Wir haben Irhher betont und legen
auch jetzt nach wie vor ausschlaggebenden Wert darauf, daß die nicht roll-
besoldeten Kreisärzte, die so tief einschneidende Maßnaßmen für die wirtschaft¬
lichen Verhältnisse unserer Bevölkerung vornehmen können und unter Um¬
ständen vornehmen müssen, im engsten Konnex mit den Bedttrhiissen und An¬
forderungen unserer Bevölkerung stehen. Sie sollen sich nicht als Bichter
außerhalb ihrer Umgebung fühlen, sondern sie sollen mitten im Leben stehen.
Ans diesem Grande legen wir ausschlaggebenden Wert darauf, daß sie nach
wie vor, soweit das mit den realen VerhUtnissen vereinbar ist, im wesentlichen
in ihrer Privatpraxis bleiben. Meine politischen Freunde können sich aller¬
dings der Einsicht nicht verschließen, daß die Entwickelungstendenz der
jüngsten Zeit diesem, unserem Wunsche nicht günstig gewesen ist. Wir können
nicht verkennen, daß die steigende Belastung der Kreisärzte mit Amtshand¬
lungen neuerdings vielen von ihnen notgedrungen eine Schmälerung ihrer
Privatpraxis aufgezwungen hat, und wir glauben deshalb, daß wir diesem
Zwang der Verhältnisse so weit Bechnung tragen müssen, als eine Verschlech¬
terung der wirtschaftlichen Verhältnisse der nicht vollbesoldeten Kreisärzte
daraus resultiert.“ Nach der Besoldungsordnung sollen nun die nicht voU-
besoldeten Kreisäzzte ein Gehalt von 1800 steigend bis 3600 Mark erhalten,
außerdem Stellenzulagen im Durchschnitt von 450 M., bisher sah der Etat ein
Gehalt von 1800 bis 4200 M. vor. Es ist nicht ganz klar, woraus sich diese
Differenzierung rechtfertigt; jedenfalls ist es unzweifelhaft eine Verschlechte¬
rung. Ferner wirkt die Ermäßigung des Gebtthrentarifs unzweifelhaft auf eine
Verminderung der Einnahmen der Kreisärzte. Mir ist eine Statistik zuge-
gaugen, wonach von 254, also zwei Dritteln sämtlicher nicht vollbesoldeter
Kreisärzte genau geprüfte Angaben eingegangen sind, und wonach die Kreis¬
ärzte im Darchschnitt, falls der neue Gebührentarif im letzten Jahre ange¬
wendet worden wäre, einen Verlast von 251 Mark erlitten hätten. Dieser 6e-
bührenausfall trifft die nicht voUbesoldeten Kreisärzte erheblich schwerer, als
die vollbesoldeten, die bekanntermaßen ihre Gebühren an die Staatskasse ab-
führen. Als einziger Vorteil steht dieser ungünstigeren Stellung der nicht
vollbesoldeten Kreisärzte lediglich die günstigere Pensionsbedingung gegen¬
über, die sie auf Grund des § 11 des Entwurfs erhalten. Es liegt somit hier
eine Ungerechtigkeit vor, (sehr richtig!) die gut zu machen ist; die konser¬
vative Partei stellt sich deshalb einer Erhöhung des Anfangs- und des End¬
gehaltes der Kreisärzte um etwa 600 M. sympathisch gegenüber. Die finanzielle
Belastung, die der Staat dadurch erleiden würde, würde sich ungefähr be¬
ziffern auf 470 mal 600 gleich 282 000 M.
Bedner kommt schließlich zu dem Schluß: Die durch das Gesetz in § 8
fixierte Uebertragung der Gebührenhoheit an den Staat ist für meine politi¬
schen Freunde nicht akzeptabel. Wir erkennen im übrigen mit Dank eine
große Beihe von Verbesserungen, die der Gebührentarif uns brin^, an. glauben
aber, daß es notwendig sein wird, die zahlreichen Bedenken, cUe sicn im ein¬
zelnen ergeben werden, einer besonderen Kommission zur Vorprüfung zu über¬
weisen. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Schmedding -Münster (Ztr.): Einer Seeschlange gleich schleicht
sich nun zum fünften Male der vorliegende Gesetzentwurf in d^as Hohe Haus
ein; ob er jetzt mehr Glück haben wird, wird wesentlich davon abhängen, ob
die Bedenken, die früher dagegen geltend gemacht worden sind, noc£ Platz
greifen. Vor allem muß klar festgestellt werden, ob die Bestimmung des
Kreisarztgesetzes, daß für jede Boise, die der Kreisarzt im Aufträge der Be-
gierung oder des Landrats mache, die Kosten dem Staate znfallen sollen,
auch weiterhin noch Platz greifen oder durch das Gesetz abgeändert werden
soll. Die Gebührenpflicht sollte im Interesse der schwer belasteten Ge¬
meinden nach der Richtung erweitert werden, daß auch der Staat mehr Pfiichten
in der vorliegenden Sache zu übernehmen habe, wie es auch von dem‘Herrn Vor¬
redner gewünscht ist. Noch wichtiger ist das Bedenken, ob das Hohe Haus
sich das Recht nehmen lassen soll, den Tarif für die Medizinalgeühren
828 Die erste Bentong des Abgeordnetenhauses Aber den Gesetsentwnrf, betr.
seinerseits f estznsetson. Die frflhere Kommission hat kein Bedenken
getragen, sich in dieser Hinsicht anf die Seite der Begiernng zu stellen, also
aut die Mitfestsetzong des Tarifs zu Terzicbten. Gewichtige Gründe lassen
sieh für diese Ansicht geltend machen, namentlich, daß es Zeiten geben kann,
wo die yer&nderten Verhältnisse eine sofortige Verändernng des Tarifes als
wünschenswert erscheinen lassen. Indessen hat die Volksvertretnng doch ein
f roßes Interesse daran, daß die Gebühren nicht zn hoch bemessen werden, nnd
aß anderseits die Kreisärzte gegenüber der üebermacht der KOnigl. Begiemng
eine Instanz haben müssen, die dafür Sorge trägt, daß sie nicht geschädigt
werden. Nach vielfachen Mitteilongen ans den beteiligten Kreisen besteht <ue
lebhafte Besorgnis, daß die Torgeschlagene Begelnng doch nach manchen Bich-
tongen hin eher zn einer Schädlgnng als zn einer Verbessernng der Lage der
Kreisärzte führen wird. Und das gilt nicht nnr für den yoUbesoldeten Kreisarzt,
sondern erst recht von dem nicht yoUbesoldeten Kreisarzt, nnd zwar anch
dann, wenn für beide Kategorien von Aerzten die Gehaltssätze eintreten, die
in der Besoldnnggyorlage vorgesehen sind. Hoffentlich wird die Gesetzesvor-
läge, die ja nicht nnr für die Kreisärzte, sondern anch für die CffentUche G^
snndheitspflege von nicht zn nnterschätzender Bedentnng ist, in der Kommission
eine Fassnng finden müge, die aUe TeUe befriedigt.
Abg. Dr. Sehroeder*Cassel (natl.): Der jetzt geltende Tarif bemht
auf einem Gesetz vom Jahre 1872, ist also 86 Jahre alt; ans diesem Alter
k*«» man schon herleiten, daß das Gesetz wirklich verbessernngsbedürftig ist.
Die bisherigen Vorlagen ner Begiernng sind aber immer an zwei Fnnkten ge¬
scheitert ; einmal hat man eine zn starke Belastnng der Gemeinden befürchtet,
and zweitens daran Anstoß genommen, daß der Tarif nicht, wie es bisher
rechtens war, im Gesetz selbst festgelegt, sondern der Festsetznng dnreh die
Begiernng nnter der Berechtignng zn Abändernngen Vorbehalten sein soUte.
Die bisherigen Vorlagen waren immer ans zwei Gesiebtspnnkten berans be¬
gründet worden: Man woUte die Bechtsnnsicherheit beseitigen, namentlich in
bezng anf ortspolizeiUche nnd landespolizeiliebe Kosten, nnd die Gebührensätze
erhüben, nm die Kreisärzte in ihrem Einkommen besser zn stellen. Daß der
jetzige Entwnrf diese Bechtsnnsicherheit beseitigt, erscheint zweifelhaft, da
er nnr die Gebührenhöhe, aber nicht anch die Gebührenpflicht regelt. Der
zweite Grnnd, durch eine Aendernng des Tarifs eine BessersteUnng der Kreis¬
ärzte herbeiznführen, wird diesmal in der Begründung nicht mehr als solcher
hervorgehoben, weil angeblich dnreh die Besoldnngsordnnng
schon eine Besserstellung der Kreisärzte gewährleistet sei.
Das ist aber in hohem Maße zweifelhaft. Jedenfalls steht der Gebührentarif
in engstem Zusammenhang mit der Bosoldnngsfrage; die Entscheidung darüber
wird deshalb nicht ohne Verbindung mit der Bndgetkommission möglich sein;
denn ob wirklich dnreh die Vorschläge der Besoldnngsordnnng eine Besser*
steUnng der Kreisärzte erfolgt ist, ist fraglich nnd wird von den Interessenten
aufs lebhafteste bestritten, ,nnd ich glaube, die Interessenten haben recht.
Wir finden in der Besoldnngsordnnng nnd in diesem Entwnrf überaU die Unter¬
scheidung zwischen voll* nnd nicht yoUbesoldeten Kreisärzten. Im Gegensatz
zn Herrn v. d. Osten habe ich persönUch stets auf dem Standpunkt gestanden,
daß es durchaus wünschenswert wäre, wenn die nicht yoUbesoldeten
Kreisärzte verschwänden nnd überall durch vollbesoldete
ersetzt würden. Es ist darauf hingewiesen, daß der Kreisarzt mitten im
Leben stehen müsse nnd seine Praxis nicht entbehren könne, nm sich als Arzt
wissenschaftlich anf dem Laufenden zn erhalten. Diese Anschauung trägt
eine gewisse Berechtignng in sich, aber ich habe demgegenüber meinerseits
immer den Standpunkt vertreten, daß der Kreisarzt nicht der Konkurrent der
übrigen Aorzte im allgemeinen Erwerbsleben sein darf; sonst kommt er von
vornherein in eine schwierige SteUnng zn ihnen. Indessen gebe ich zn, daB
es nicht möglich ist, überaU sofort mit der Anstelinng von yoUbesoldeten
Kreisärzten vorzngehen, nnd ich wiU weiter anerkennen, daß nicht ÜberaU die
Kreisärzte sofort voU beschäftigt sein würden, nnd die Durchführung meines
Standpunktes, überall vollbesoldete Kreisärzte anznsteUen, scheitert anch znr-
zeit an der Finanzfrage. Ein TeU meiner Freunde ist ferner anderer Ansicht,
sie wünschen nicht einmal, daß ÜberaU mit der AnsteUnng voUbesoldeter
Kreisärzte vorgegangen würde.
die Gebfibren der ICedidnalbeamteB sowie die VerbandliuigeB der Kommisdoo. 828
Die Tollbesoldeten Ereis&rste sind damit nnzofriedeD, daß ihnen
das Anfanii^gebalt tob 8600 M. auf 8000 M. berabgeechraabt wird, sie glanben,
daß der notwendige Ansgleich ihnen nicht dadurch gegeben wird, daß das
Endgehalt um 1500 KL erhöht werden soll; denn es ist keinem Zweifel unter¬
worfen, daß der größte Teil der Tollbesoldeten Kreisärste in einem so späten
Alter zur AnsteUung kommt, daß der Hinweis auf die auskömmliche End-
besoldung in ferner Zukunft wirklich nur ein schwacher Trost fttr sie ist.
Viele erreichen das Endgehalt hberhaupt nicht oder jedenfalls erst Anfang der
70 er Jahre. Sie empfinden diese Zurttckschraubung deshalb sehr hart, weil
ihnen gleichzeitig die Fohrkosten genommen werden sollen, und weil sie in
Zukunft alle Gebühren, auch die gerichtsärztlichen abführen sollen.
Von einem Kreisarzt habe ich ausgerechnet bekommen, daß, wenn die jetzige
Vorlage mit einem Gehalt von 8000 bis 7200 M. in Kraft tritt, für einen
großen Teil der yollbesuldeten Kreisärzte eine wesentliche Verschlechterung
eintritt. Der Betreffende ist im 12. Jahr Medizinalbeamter. Er würde jetzt,
statt 5200 M. zu haben, zurückgehen müssen auf 4800 M., und ]er würde bei
den jetzt geltenden Gehaltsbestimmungen am 1. Januar 1910 das Höchstgehalt
TOB 5700 H. erreichen, während er nach dem neuen Vorschlag erst am 1. Ja¬
nuar 1918 in den Genuß der dritüetzten Stufe von 6000 M. kommt.
Auch die nicht yollbesoldeten Kreisärzte sind nicht zufrieden
mit den Vorschlägen, und auch ihre Unzufriedenheit ist, soweit ich es angen-
blickiich übersehen kann, berechtigt. Herr y. der Osten ist in einem Irrtum
befangen gewesen; er scheint angenommen zu haben, daß es jetzt schon für
die nicht Tollbesoldeten Kreisärzte eine gewisse Skala gebe Ton 1800 bis
4200 M. Das ist tatsächlich nicht der Fall; denn der nicht Tollbesoldete
Kreisarzt steigt nicht etwa in Altersstufen yon einem Mindestsatz bis zum
Höchstsatz. In diesem Mangel liegen aber gerade die Beschwerden der nicht
yollbesoldeten Kreisärzte. Sie wünschen eine Gehaltsskala, die möglichst mit
2400 M. beginnt und bis 4200 M. steigt, und sie wünschen außerdem einen
Wohnnngsgeldzuschuß wie alie übrigen Beamten. Ob diese Wünsche ganz
oder teilweise zu erfüilen sind, darüber werden wir uns in der Bndgetkommission
gelegentlich der Beratung der Besoldungsyorlage zu unterhalten haben. Wenn
aber Herr t. der Osten erklärt hat, daß er jedenfalls bezüglich der yoll-
besoldeten Kreisäzte zu einem Entgegenkommen nicht bereit sein würde, so
kann ich für meine Person jetzt schon erklären, daß wir „sowohl bezüglich der
yollbesoldeten, als auch der nicht yollbesoldeten Kreisärzte „ entsprechende An¬
träge in der Bndgetkommission einbringen werden.
Die nicht yollbesoldeten Kreisärzte beklagen sich dann aber auch darüber,
daß die Pauschalierung ihrer Beisekosten yielfach schlecht ist, und
daß auch die Amtskostentschädigung, die für jeden Kreisarzt durch
ein besonderes Abkommen festgesetzt wird, yöllig ungenügend ist. Ich weiß
z. B., daß in einem Falle die Amtskostenentschädigung auf 860 M. festgesetzt
ist, während der betreffende Kreisarzt allein für Schreibhilfe tatsächlich 1000 M.
ansgeben muß. Wie kann mann solchen Tatsachen gegenüber sagen, daß die
Amtsunkostcnentschädigung auch nur einigermaßer richtig berechnet istP
Es besteht dann aber auch der Wunsch der Kneieärzte, daß ihnen der
fünfjährige Vorbereitungsdienst auf das Besoldnngsdienstalter ungerechnet
wird. Darüber wird sich reden lassen, namentlich da auch bei allen übrigen
Beamten eine gewisse Diätarzeit auf das Besoldnngsdienstalter angerechnet
wird. Ich glaube, die Wünsche der Kreisärzte sind in diesem
Punkte nicht unbescheiden.
Bedner bedauert dann ebenfalls, daß der Gebühreutarif wiederum
nicht im Gesetz festgelegt, sondern der Verordnung durch die Begierung yor-
behalten ist, obwohl das Haus seit yielen Jahren einmütig an dem Grundsatz
festgehalten hat: der Tarif gehört in das Gesetz und nicht in das freiel^Ermessen
der Königlichen Staatsregierung. Dann bringt aber die Vorlage^ wesentliche
Unterschiede gegenüber den fr&eren Entwürfen. Einverstanden kann [man'mit
dem Grundsatz sein, daß die Kreisärzte vom Staat keine Gebühr zu':,‘erhalten
haben für amtliche Verrichtungen, deren Kosten der Staatskasse zur Last fallen.
Jetzt sollen die yollbesoldeten Kreisärzte jedoch alle Gebühren, auch für
gerichtsärztliche Geschäfte an den Staat abliefern, auch die für Geschäfte vor
den besonderen Gerichten, den Schiedsgerichten für Aibeiteryersicherung und
824 Die erste Beratang des Abgeordeetealieiises ftber deo Qesetseatworf, betr.
den OeweTbegericbten. Das ist aber ongereeht and unpraktisch, denn es wird
keinem höheren Beamten ragemntet, die Oebllhren, die ihm Ihr eine besondere
Tätigkeit als SachTerstindiger besahlt werden, an den Staat abznliefem.
Viele Baabeamte werden z. B. häufig als Sachrerständige von Schiedsgeiichtea
and Gerichten Temommen and erhalten dafür zam TeU hohe Gebühren; kdn
Mensch rerlangt jedoch, daß sie diese Gebühren an den Staat abliefern sollen.
Es ist deshalb nicht za verlangen, daß die vollbesoldeten Kreisärzte für die
g roße körperliche and geistige Anstrengang, die ihnen die Abgabe solcher
atachten verorsacht, keine Entschädigong bekommen sollen. Das würde in
Wahrheit ein „travailler poar le roi de Prasse" sein. Und was würde die
Wirkang sein, wenn die Kreisärzte die besondere Gebühr, die für diese Tätigkdt
gezahlt wird, an den Staat abliefern müssen? Die Kreisärzte würden sich
natürlich nach Möglichkeit vor der üebernahme derartiger Aofträge and Aemter
drücken; and sie konnten das mit Erfolg ton, indem sie darlegen, sie seien
derartig überlastet, daß sie diese besondere Tätigkeit als Sachverständiger
vor Gericht nicht noch aasttben konnten. Die Folge würde dann die sein, daß
der Staat in allen größeren Städten besondere Gerichtsärzte anstellen müßte,
wie solche jetzt schon s. B. in Frankfart a. M. and anderen Städten, vorhanden
sind, die der Staat besonders besolden müßte, and denen diese Gerichtsgebtthren
vielleicht nicht vorenthalten werden könnten. Bei dem vorgeschlagenen Vor¬
gehen würde also vom rein fiskalischen Standpnnkt aas betrachtet, der Staat
meiner Ueberzeagang nach ein sehr schlechtes Geschäft machen.
Was den Tarif anlangt, so sind, wenn ich recht anterrichtet bin, die
Sätze nnr insoweit besser geworden, als eine gerichttiche Tätigkeit der SLreis-
ärzte in Frage steht. Mir ist aber von allen Seiten versichert, daß diese
Seite der Tätigkeit für den Kreisarzt weniger in Betracht käme and daß
diese Besserstellang daher für ihn nicht aasschlaggebend sei. Dagegen ent¬
hält die Abteilang B, die die nichtgerichtlichen Atteste amfaßt, angeblich
nicht anerhebliche Verscblechterangen gegenüber den seit 88 Jahren bestehen¬
den jetzigen Vergütangen, and nach dieser Bichtang hin wird genaa geprüft
werden müssen, ob ln den jetzigen Vorschlägen nicht eine nnznlässige Ver-
ringerang der Bezüge der Kreisärzte liei^t. Also die ganze Vorlage wird
genaa geprüft werden müssen, natürlich aach im Zasammenhang mit den
Vorschlägen der Besoldangsordnang. Ich habe aber jetzt schon große Be¬
denken and fürchte, daß möglicherweise aach diesmal wieder die Seeschlange
■Seeschlange bleibt. (Bravo t bei den Nationalliberalen.)
Abg. Dr. V. Woyna (freikons.): Entsprechend der Entwickelong der
modernen Hygiene hat das Institut der beamteten Aerzte in den letzten
30 Jahren eine gewaltige Wandlang erfahren. „Der zar Beratang stehende
Gesetzentwurf and ebenso die Besoldangsordnang halten beide fest an der
Untersebeidang der vollbesoldeten and nicht vollbesoldeten Kreisärzte. Die
ganze Entwickelung wird zweifellos im Laufe der Jahrzehnte
— ich sage nicht Jahre, sondern Jahrzehnte — dahin drängen, nur
vollbesoldete Kreisärzte anzastellen. Die Gründe, £e für die
Beibehaltung der nicht vollbcsolldeten Kreisärzte angeführt sind, — gewiß,
sie mögen im einzelnen örtlich zntrefien, aber an sich ist unsere Verwaltungs-
Organisation doch so wohl gefügt, daß überall aach vollbesoldete Kreisärzte
vertragen werden könnten. Dann macht sich der Landrat eben einer Unter¬
lassung schaldig, wenn er nicht dafür sorgt, daß annötigen Eingriffen der
Medizinalbeamten entsprechend entgegengetreten wird. Der Landrat steht an
der Spitze des Kreises, er ist damit aach dafür verantwortlich, daß in seinem
Kreise Hygiene nar so weit getrieben wird, wie es unbedingt nötig ist, alle
üebertreibnngen aber vermieden werden. Wenn er nicht versteht, den Kreis¬
arzt in solchen Fällen zurückzahalten, dann maß er eben von anderer Seite
— ich meine vom Kreistage and Kreisausschasse — darauf hingewiesen
werden, aach dem Kreisarzt gegenüber die ihm obliegende Verantwortung
nach jeder Seite hin zu tragen.
Meine politischen Freunde sind der Ansicht, daß das Gesetz einer
vierzehngliedrigen Kommission überwiesen wird, der es vor allen Dingen ob¬
liegen wird, den Kreisarzt in der wichtigen Stellung za erhalten, die er ein-
nimmt als Vertrauensarzt in Kranken-, in Unfall-, in Invaliden- und in
Altersversicherungssachen, daß das persönliche Interesse des Kreisarztes an
dieser Tätigkeit nicht geschmälert werden darf, daß ihm die Gebühren, die
die Gebohren der Medidnelbeamten sowie die Verhandlongen der Kommission. 825
er als Vertranensarst bezogen hat, voll erhaiten bleiben müssen; denn gerade
diese Gebühren sind es, anf die er als Ebitlohnnng angewiesen ist bei einer
Tätigkeit, die oft weit hinansgeht über die Tätigkeit des eigentlichen amt¬
lichen Arztes, bei der er wirkUch hineinsteigen maß in die Tiefen ärztlichen
Wissens und ärztlicher Erfahrnng, um Gatachten abzogeben, zu denen sowohl
der Versicherte wie auch das Gericht, das über dessen Aassprach za befinden
and za bescheiden hat, Vertraaen hat. Wir legen großes Gewicht daranl,
daß gerade in Bücksicht aaf diese Tätigkeit die Einnahmen aller beamteten
Aerzte anvermindert bleiben*.
Das schwierigste wird sein, für die üebergangszeit Verhältnisse za
schaffen, die eine Verletzang wohlerworbener Becbte vermeiden. Diese Ueber-
gangszeit so za gestalten, daß die nicht vollbesoldeten Kreisärzte zofrieden
mt ihren Einnahmen, anter denselben Voraassetzüngen wie sie den Dienst
angetreten haben, ihn aach bis za Ende ihres Lebens führen, ist ansere vor¬
nehmste Pfiicht. Da meine ich, es ist besser, wir lassen die in der Besoldangs-
vorlage vorgesehenen Stellenzaiagen fallen and benatzen die Mittel, die
dadurch frei werden, am hier den entsprechenden Aasgleich za schaffen. Ich
glaube, es wird auf diesem Wege zu erreichen sein, du Härten, die sich trotz
der sonst aasgesetzten Mittel and deren Verwendung ergeben konnten, ver¬
mieden werden. Bedner bemängelt zam Schloß noch, daß die Ueberschrift des
Entwurfs die in ihm getroffene Begelong der Gebühren der Chemiker un¬
berücksichtigt lasse and daß die Gegenzeichnung des Finanzministers fehle.
Abg. Bosenow (freie. V.-P.): Alle Parteien des Hauses haben erheb¬
liche Bedenken gegen den Entwarf hervorgehoben, bald aal der einen, bald
auf der anderen Seite, und zwar so schwerwiegende Bedenken, daß man davon
unter Umständen eine Ablehnung herleiten kann. Zu den vielen Gegnern des
Entwarfes, die schon genannt sind, den vollbesoldeten Kreisärzten, den nicht
vollbesoldeten Kreisärzten and den Parteien des Hauses, ist noch der große
Kreis der nicht beamteten Aerzte hinzozofügen, deren Verhältnisse in § 12
dieses Gesetzes eine Begelong erfahren haben, die den allergrößten Wider¬
sprach der gesamten Aerzteschaft und des Aosschosses der Aerztekammer
hervorgerafen hat Der Gesetzentwurf bringt als Neues die Kassierung
der Nebeneinnahmen der vollbesoldeten Kreisärzte, nament¬
lich insoweit sich das aal die Tätigkeit vor Gericht bezieht. Es
will den Kreisärzten und auch ans nicht recht begreifiich erscheinen, warum
gerade sie als einzige Beamtenkatagorie heraosgegriffen werden, denen diese
Nebenbezüge für besondere, aaßerhalb des Amtes liegende Tätigkeiten ge¬
nommen werden sollen. Der Herr Abgeordnete Dr. Schroeder hat schon
darauf hingewiesen, daß zahlreiche Kategorien von vollbesoldeten Beamten
solche Nebenbezüge, die sie an Gebühren für Gutachten bei Gerichten oder
sonst wo beziehen, für sich behalten, and daß der Staat bisher wenigstens
nicht aof die Idee gekommen ist, den zahlreichen Beamten der Ban- and
Eisenbahnverwaltong and auch Medizinalräten, welche gelegentlich Gutachten
za erstatten haben, diese besonderen Gebühren wieder abzonehmen. Gerade
nur den Kreisärzten soll das passieren, und das wird als eine besondere Härte
empfanden. Auch wir müssen sagen, daß wir es auffallend finden, wenn man
gerade dieser einen Kategorie von Beamten dergleichen zamatet. Ich mache
auch darauf aufmerksam, daß eine außerordentfich bedenkliche Nebenerscbei-
nang die sein wird, daß auch die Bechtspflege unter dieser Bestimmang
leiden kann. Es ist auch schon von einem der Herren Vorredner hier betont
worden, daß der Kreisarzt sehr leicht geneigt sein wird, solcher schwierigen
Aufgabe wie der Abgabe von Gatachten vor Gericht dadurch aas dem Wege
za gehen, daß er — vielleicht mit Becht — sagt: ich bin genugsam
schäftigt und will das nicht übernehmen. Die Parteien aber haben häufig
das allerlebhafteste Interesse an der Klarstellung durch die Gutachten der
Kreisärzte.
Wie wir schon früher immer aasgeführt haben, wäre es den nicht
vollbesoldeten Kreis ärzten am liebsten, in vollbesoideteKreis
ärzte verwandelt zu werden, da für Privatprazis doch keine Zeit übrig bleibt.
Für die nicht vollbesoldeten Kreisärzte ist im § 11 eine Art der Begelong der
Pensionsverhältnisse herbeigefübrt, die zwar von Herrn v. d. Os ten sehr
gerühmt worden ist, aber in den Kreisen der nicht voUbesoideten Kreisärzte
als außerordentliche Härte empfunden wird. Es ist der Wunsch ausgesprochen
826 Die erste Berstong des A.bgeordneteahaases über den Oesetzentwnxl, betr.
— und man sollte diesen Wonseh berflcksiohtigen —, dnfi bei der Pensionie*
rang eine Oleicbstellang der volibesoldeten and der nicht Tollbesoldeten Aerzte
nach Maßgabe des Dienstalters erfolgen möchte.
Na^ der neaen Besoldangsordnaog soll das Anfangsgehalt der
Tollbesoldeten Kreisärzte herabgesetzt werden; der Tollbesoldete
Kreisarzt kommt aber etwa im Alter Ton 88'/« in seine Dienststellang. Wenn
man sein Anfangsgehalt non noch Ton 3600 H. aaf 8000 M. herabsetzt, ihm
daneben aber auch noch alle Nebenbezüge, die er bisher gehabt hat, nimmt,
so maß man doch sagen, daß man einem Arzt, der schon eine lange Dienst¬
zeit als solcher hinter sich hat, ein so niedriges Gehalt nicht zamaten kann
(sehr richtig!) and es ist nicht za begreifen, weshalb dieser Abstrich Ton
dem Anfangsgehalt gemacht werden soll, zamal die Eireisärzte das Höchst¬
gehalt Ton 7200 Mark nar in den seltensten Fäden erreichen werden, da es
erst in 21 Dienstjahren erreicht wird; die Kreisärzte werden alsdann über
60 Jahre alt sein, also in einem Alter sich befinden, in dem sie bei der schweren
Arbeit, die sie za leisten haben, darch Bereisen des Kreises osw., ihre Kräfte
so ziemlich aafgebraacht haben werden, Tielleicht schon früher. Die nicht
beamteten Aerzte haben bereits früher den Wonach aasgedrückt, es
möchten ihnen für die Inansprachnahme bei amtlichen Geschäften ue Gebühren
nicht nach Maßgabe des Gebührentarifs für die beamteten Aerzte, sondern
nach der Gebtthrenordnang für die Aerzte gezahlt werden. Dieser
Wonach ist jetzt am so mehr berechtigt, da die Gebührensätze z. B. niedriger
bemessen sind, weil eine erhebliche Erhöhung des Gehaltsfizams für die Kreis¬
ärzte Torgesehen ist. Von dieser Erhöhung des Fizams für die ELreisärzte
aber haben die in der PriTatprazis stehenden Aerzte nichts; sie haben auch
nichts Ton der Pensionsberechtigang oder erhalten keine Entschädigang, .wenn
sie za amtlichen Fanktionon herangezogen and sich bei deren Aasübang irgend
eine Verlestzang zaziehen. Es ist z. B. in Ostpreußen ein Fall TOrgekommen,
wo za einer Obdaktion ein nichtbeamteter Arzt zagezogen ist, der sich dabei
eine BlatTergiftang zagezogen hat and dem es nicht möglich gewesen ist,
Ton der Königlichen Staatsregierang irgend eine Entschädigang za erhalten.
Es ist jedenfalls billig, wenn man einem Arzt nach dieser Bichtang ebmmo
eine Entschädigang gewährt wie dem beamteten Arzt.
Herr Abgeordneter T. der Osten hat Torhin gemeint, man könne sich
gegenüber den Aofbesserongen für die Kreisärzte mit den hier and da Tor-
kommenden Verscblechterangen abfinden, and man müsse auch eine gewisse
Bücksicbt auf die Finanzlage des Staates nehmen. Wer wollte das letztere
nicht! Aber ich weiß nicht, warum man bestimmte EUassen Ton Beamten nach
der Bichtang so besonders auch wieder schlecht stellt; es ist eine große Zahl,
im Verhältnis za der Anzahl der angestellten Tollbesoldeten Kreisärzte,
eine sehr große Zahl Ton Fällen ans Torgetragen worden, wo erhebliche Ver¬
schlechterung für diese Aerzte eingetreten ist und aach emtreten maß, wenn
die Fonds, die für die Entschädigang eingestellt werden, auch benutzt werden.
Aach für die nicht Tollbesoldeten beamteten Aerzte liegt eine große
Anzahl solcher Fälle Tor. Es wird in der Kommission ja Gelegenheit sein,
darauf einzagohen; aber ich möchte jetzt schon sagen, daß das Beträge sind,
die nicht etwa klein sind, sondern eine Schlechtersteiiang am bis über 3000 M.
gegenüber dem alten Zustande bedeuten. Ich glaube, da wird man für die
ToUbesoldeten and die nicht Tollbesoldeten Kreisärzte und — wie ich hinzofüge —
auch für die nicht beamteten Aerzte wohl mit Aufmerksamseit in der Kommission
arbeiten und ihren berechtigten Wünschen folgen müssen.
B« Yerhandlangea der TCrstärkten Badgetkommlssion betr. die BeseldoBg
der Kreisärzte am 24. and 26. Norember d. J.
a. DieBesoldang der Tollbesoldeten Kreisärzte gelangte in der
Sitzung am 24. NoTember zar Beratung. Es wurde Ton seiten der Vertreter
der beiden freisinnigen Parteien (Abgg.Gyssiing undPeltasohn) beantragt:
1. auch die nicht ToUbesoldeten in diese Eü.a8se zu nehmen, Klasse
(im Darchschnitt 2700 M.) za streichen, d. h. sie ganz za beseitigen, and
2. Tom Vertreter der nationalliberalen Partei Abg. Dr. Schröder: Vor-
setzang der Tollbesoldeten Kreisärzte in Klasse 40 (8^—7200 M.).
Gegen diese Anträge wurde Ton seiten der Begierang aasgeftthrt, daß
die Anrechnung der Gebühren der Kreisärzte durch das Kreisantgesetz Ton 188d
di« Gebtthren der Medisinalbeamteii sowie die Verhandlongen der KommisBioo. 827
geregelt sei. Eine ToUkommene Beseitigung der nicht roUbesoldeten Kreisärzte
wQide die Medizinalrerwaltong nicht empfehloD, da in schwach bevölkerten
Gegenden die Bezirke der Kreisärzte dann za groß werden müßten. Dies würde
den hygienischen Interessen der BevOlkerang im Wege stehen, für welche ein
Kreisarzt möglichst leicht erreichbar sein sollte. Die Yollbesoldeten Kreis«
ärzte würden fast sämtlich- ans den nicht yollbesoldeten entnommen. Die
Dienstzeit als nicht voUbesoldeter Kreisarzt werde alsdann angerechnet. Die
yollbesoldeten Kreisärzte sollten mit den Begiernngs« and Medizinalräten
gleichstehen; sie konnten deshalb nicht noch nebenamtliche Einnahmen haben
and müßten demzufolge die amtsärztlichen Gebühren an die Staatskasse
abführen. Es ließe sich also nicht anders konstraieren. Aas der Kommission
wurde aasgeführt, daß den jetzt amtierenden Kreisärzten ihre Gebühren nicht
entzogen werden konnten. Ein Begierongskommissar erwiderte, daß die Herab«
setzang des Besoldangsdienstalters durch Vordatierung aus«
geglichen werden solle. Die Höhe der Gebühren der yollbesoldeten
Kreisärzte and der Fahrkosten betrage 22000 bis 23000 M. Die Grenze
zwischen amtlichen Gebühren und nebenamtlichen sei oft nicht scharf gezogen
worden. Eine Benachteiligang der amtierenden Kreisärzte solle durch Gewährung
dieser Differenz ausgeglichen werden. Durchschnittlich k&nen Kreisärzte
mit 80 Jahren zur Anstellung. Der erste Antrag wurde gegen 5 Stimmen
abgelehnt, der zweite gegen 9 Stimmen.
8. In der zwei Tage später folgenden Beratung über die Besoldiuigs«
yerhältnlsse der nicht yollbesoldeten Kreisärzte hatten die obengenannten Ab«
G eordneten den Antrag gestellt: „In Klasse 62 die Nr. 5 (nicht yoUbesoldete
Kreisärzte) und mit dieser Nammer einschließlich der Vermerke eine neue
Kiasse zu bilden mit dem Gehalt yon 2400—2900 (8), — 3400 (6), — 8800 (9),
— 4200 (12) M.* Für den Fall der Ablehnung dieses Antrages hatten die beiden
freisinnigen Abgeordneten yorgeschlagen, das Gehalt festzusetzen auf „2400
bis 4200, im Darchschnitt 3300 M.“ Ferner war yon allen liberalen Parteien
gemeinschaftlich beantragt in Klasse B, Nr. 5 folgenden Vermerk aufzanehmen:
„Bel den nicht yollbesoldeten Kreisärzten auch die sonstigen Einnahmen
aus der Priyatprazis bis zum Gesamtbeträge von 8100 M. bei der Pen«
sionierang anzurechnen.“
und yon seiten der Vertreter des Zentrums der Antrag gestellt, „yon Klasse
49—68 ab (also auch für Klasse 62) alle Erhöhungen der Gehälter und alle
neu yorgeschlagenen Stellenzalagen abzulehnen*^.
Auch die Gewährung yon Wohnungsgeldzuschuß wurde beantragt.
Von seiten der Begierang wurde aas grundsätzlichen Bedenken gebeten,
die Anträge abzalehnen; eine Umwandlung in yoUbesoldete Stellen würde weitere
Gehaltserhöhungen zur baldigen Folge haben. Es würde ein Mehr an Erhöhung
eintreten, das die Steigerung aller anderen Kategorien übertreffen würde. Ferner
wurde von Begiorungsseite bemerkt, daß die Wohnungsgeldzuschüsse für die
nicht yollbesoldeten Kreisärzte nicht die starke Differenzierung zeigten, wie die
Nebeneinnahmen aus amtlichen Gebühren; die höchste Einnahme z. B. werde in
Frankfurt a. M. erzielt, die niedrigste aber in Westpreußen. Die Verschiedenheit
des Wohnangsgeldzuschusses werde viel treffender durch die Gebühreneinnahmen
ausgeglichen, außerdem durch Stellenzalagen yon 300 bis 1200 M., welche im
umgekehrten Verhältnis der Gebühreneinnahme verteilt würden. Priyateinnahmen
dem pensionsfähigen Diensteinkommen anzurechnen, wäre ein Unikum, da nicht
einmal alle amtlichen Einnahmen pensionsfähig seien. Weiterhin wurde von
einem Begierongskommissar darauf hingewiesen, daß die Erhöhung der Bezüge
der Kreisärzte auf die Kreistierärzte zurückwirken müsse. Die Anrechnung
des pensionsfäbigen Dienstalters könne so erfolgen, daß ein Teil der Vor-
bereituogszeit angereebnet werden könne. Der oben erwähnte Eventualantrag
(2400 bis 4200 M., im Darchschnitt 3800 M.) wurde einstimmig angenommen,
die übrigen Anträge aber abgelebnt.
C. Erste Beratung der Kommission des Abgeordnetenhauses
Ober den Gesetzentwurf betreffend die Gebühren der Medlzinalbeamten am
24. November und 2. Dezember d. Js.
Die Kommission hat den Entwurf in erster Lesung durchberaten und
mit folgenden Abänderungen angenommen:
828 Die erste Beratung des Abgeoidneleuhauses über den Gesetzentwurf, betr.
In § 2, Abs. 1 werden die Worte ,ortspolizeiliche Interessen*, deren
Befriedigung den Gemeinden usw.* ersetzt durch: „ortspolizeiiiche Aufgaben,
deren ErfUilung uew.*
Der § 8, durch den der Minister der Medizinalangelegenheiten enniehtigt
werden soll, den Tarif für die den Kreisärzten zuatehenden Gebühren im Ein*
Ternehmen mit den sonst beteiligten Ministem festzusetzen und in gleicher
Weise auch die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen, wurde
gestrichen und ein neuer § 8 mit folgendem Wortlaut angenommen;
,Fttr die Gebühren ist der dem Gesetze beigefügte Tarif mafigebend.
Der Minister der Medizinal-Angelegenheiten kann im EinTeraebmen mit
den sonst beteiligten Ministem Aendernngen des Tarifs voraehmen. Diese
Aendernngen sind durch die Gesetzsammlung bckanntzumacben.
Der abgeänderte Tarif ist dem Landtage, wenn er versammelt ist, sofort,
andernfalls bei seinem nächsten Zusammentreten vorznlegen. Die Aen-
derangen sind außer Kraft zu setzen, soweit der Landtag seine Zustimmung
versagt.“
Bei § 6 wurde nach Abs. 1 ein neuer Absatz hinzngefügt, der wie
folgt lautet:
„Für die in den §§ 1—8 bezeichneten Geschäfte ist an Tagegeldern und
Beisekosten der nach § 1 berechnete Anteil, jedoch nicht mehr zu ent¬
richten, als wenn zur Ausführung des Ges chäfts eine besondere Beüe unter¬
nommen wäre.*
Im § 12 (Anwendung des Gesetzes auf nicht beamtete
Aerzte) wurden in Absatz 1 die hier zweimal vorkommenden Worte: .in
Ermangelung anderweiter Verabredung“ gestrichen, so daß das
Gesetz auch auf die praktischen Aerzte ohne Einschränkung Anwendung findet,
wenn sie zu einer der in den §§ 1—8 bezeichneten amts- oder und gerichts¬
ärztlichen Verrichtungen amtlich aufgefordert werden.
Alle übrigen Bestimmungen, auch § 4 (die Abführung aller
gerichtsärztlichenGebühren seitens der vollbesoldeten Kreis¬
ärzte) u. § 12 (Anrechnung der sonstigen Dienstbezüge auf das
pensionsfähige Einkommen) wurden angenommen und alle Abändernngs-
anträge hierzu, die eine Pensionirung der nicht vollbesoldeten Kreisärzte nach
Maßgabe der vollbesoldeten bezweckten, abgelehnt. In Anrechnung sollen
2260 M. (1800 M. Gebühren und 460 M. Stellenzulage) kommen. In der zweiten
Sitzung gelangte auch der Tarif zur Annahme, nachdem er einige Abänderungen
erfahren hatte, die den Wünschen der Medizinalbeamten wenigstens etwas
entgegenkommen. So ist die Gebühr für Akteneinsicht (A 1 Nr. 3; 1,50—6 M.)
auf 1,60—10 M. erhöht und bei Pos. A III Nr. IL und 12 (Befundschein
und Bef undattest) eine Zusatzbestimmung angenommen, wonach für die
Untersuchung jetzt auch eine besondere Gebühr berechnet werden kann.
Ferner ist die (lebühr für die Leichentransportscheine (Pos. B Nr. 6)
sowie für amtsärztliche Gesundheitszeugnisse (Pos. B. Nr. 16,17,19 auf
8—6 M. (statt 3 M.) festgesetzt, die Mindestgebühr für Begutachtung von Be¬
gräbnisplätzen dagegen von 15 auf 10 M. ermäßigt. Bei Beratung des Tarifs
kam auch die Unzulänglichkeit der bisher den Kreisärten gewahrten Dienst¬
aufwandsentschädigung zur Sprache, die allseitig anerkannt wurde,
auch von der Staatsregierung, die eine Neuregelung der Entschädigung nach
Verabschiedung des Gesetzes in Aussicht stelite.
Die bisherigen Verhandlnngen der erweiterten Bndget-
kommission des Abgeordnetenhanses über die BesoldnngsTer-
hältnisse der Kreisärzte sind also, soweit zunächst die voll-
besoldeten Kreisärzte in Frage kommen, leider nicht den
berechtigten Wünschen dieser Beamten entsprechend ausgefallen;
insbesondere ist das Mindestgehalt nicht wieder auf die
bisherige HOhe von 3600 Mark heranfgesetzt, obwohl dies in der
Kommission in dankenswerter Weise von dem Abg. Dr. Schröder
(Cassel) beantragt und auch von anderer Seite darauf hin>
gewiesen wurde, daß die Kreisärzte verhältnismäßig spät, durch-
die Qebahren der Medizinalbeamten sowie die Verhandlongen der Kommisdon. 829
schnittlich im Alter von 38 Jahren, in ihr Amt gelangten, also
später als die Oberlehrer and Richter. Von einem Begierongs-
kommissar wurde demgegenüber zwar behauptet, daß das An-
stellungsalter der Kreisärzte nur SO Jahre betrage; so junge Kreis¬
ärzte sind aber recht seltene weiße Raben, gerade wie der
früher und auch jetzt wieder als Beispiel vorgetührte Kreisarzt
in Frankfurt a. Jlf. mit seinen fürstlichen Gebühreneinnahmen. Nach
der von uns in diesem Jahre auf Grund absolut einwandfreien
Materials — d. h. auf Grund der durch Umfrage festgestellten
Geburts- und Anstellungsdaten — aasgearbeiteten Statistik waren
von den am 1. Dezember 1907 im Dienste befindlichen 567 Kreis¬
ärzten nur 5,64 o/o im Alter von 25—30 Jahren zum Kreisarzt
oder Gerichtsarzt ernannt, 30,51 o/o dagegen waren bei ihrer
Anstellung über SO—35 Jahre und 63,85 o/o, also fast zwei Drittel
über 35 Jahre alt; das Durchschnittsalter bei ihrer Ernennung
betrag 37,85 oder rund 38 Jahre. Etwas gemildert ist aller¬
dings die Ablehnung jenes Antrages durch die vom Regierungs¬
tisch abgegebene Erklärung, daß ein Teil der Vorher ei tun gs-
zeit — also nicht nur der Anstellaogszeit als Kreisassistenzarzt
— auf das Besoldungsdienstalter angerechnet werden solle.
Wenn dies demnächst tatsächlich geschieht, dann würde die durch
die Herabsetzung des Mindestgehaltes für die vollbesoldeten
Kreisäi'zte bedingte Einbuße einigermaßen wieder ausgeglichen
werden. Außerdem würde ihnen diese Anrechnung eines Teils
der Vorbereitnngszeit ebenso wie den nicht vollbesoldeten Kreis¬
ärzten später bei Berechnung des bei der Pensionierung zugrunde
zu legenden Diensteinkommens ebenfalls zugute kommen.
Noch ungünstiger hat sich für die vollbesoldeten Kreisärzte
der Verlauf der Kommissionsverhandlungen Über den Gesetz¬
entwarf, betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten
gestaltet; denn trotz lebhaften Widerspruchs, namentlich von
liberaler Seite, gegen die im § 4 dieses Gesetzes getroffene
Ausdehnung des Begriffs „abführungspf lichtige Gebühren*
auch auf alle Gebühren für amtliche Verrichtungen vor den
ordentlichen Geiichten, Schiedsgerichten für Arbeiterversicherung
usw. ist der betreffende Paragraph angenommen. Es würde
sehr bedauerlich sein, wenn die Kommission und später das
Plenum diesen Beschluß aufrecht erhalten würde, und zwar
nicht nur mit Rücksicht auf die schwere finanzielle Schädigung
und ungleiche Behandlung, die dadurch die vollbesoldeten &eis-
ärzte gegenüber anderen vollbesoldeten Beamten erfahren, denen
derartige Gebühren nach wie vor in die eigene Tasche fließen,
sondern noch vielmehr im Interesse der Rechtspflege, wie
wir dies bereits früher betont haben, und wie dies auch bei der
ersten Beratung des Gebührengesetzes von den Abgeordneten
V. Woyna, Dr. Schröder und Rosenow in vortrefflicher
Weise hervorgehoben ist. Mit Recht wies der Abg. Dr. Schröder
darauf hin, dass es ungerecht und unpraktisch sei, den voll¬
besoldeten Kreisärzten zuzumuten, die Gebühren, die ihnen für
eine besondere Tätigkeit als Sachverständige bezahlt werden,
830 Die erste Beratung des Abgeordnetenhauses ttber den Gesetzentwurf, betr.
an den Staat abznliefern, dass sie also fflr eine grosse körper*
liehe und geistige Anstrengang, die ihnen die Abgabe solcher Gut¬
achten vemrsache, keine Entschädigung bekommen sollen. Das
würde in Wahrheit ein „travailler pour le roi de Prusse“
sein! Nicht minder wurde seites des Abg. v. Woyna die Notwen¬
digkeit betont, den Kreisärzten diese Gebühren zu belassen, da ihre
Tätigkeit als Vertrauensärzte in Unfall-, Invaliden- und in Alters-
versorgungssachen, sowie vor den Schiedsgerichten für die
Arbeiterversichernng gar nicht zu entbehren sei. Und wohin
würde schliesslich die Bestimmung führen? Trotz des grossen
Pflichtbewusstseins der betreffenden Beamten würde man es ihnen
nicht verdenken können, wenn sie, wie die Abgeordneten Dr.
Schröder und Bosenow sehr richtig bemerkten, leichter geneigt
sein würden, der Abgabe von schwierigen Gutachten, deren Er¬
stattung von ihnen eine besondere Mehrleistung erfordert, künf¬
tighin aus dem Wege zu gehen oder ihre Ausarbeitung auf ihre
Dienststnnden zu beschränken. Die dadurch für die Bechtspflege
zu erwartenden Mißstände würden schließlich zur Anstellung von
besonderen Gerichtsärzten und damit zu weit höheren Kosten führen,
als die dem Staat durch Abführung der gerichtsärztlichen Gebühren
erwachsenden Einnahmen betragen. Wenn man sich aber partout
nicht dazu entschließen kann, es bei dem bisherigen System zu
belassen, dann sollte man den § 4 wenigstens dahin abändern,
„daß die vollbesoldeten Kreisärzte nur die ihnen nach dem § 2
zustehenden Gebühren an die Staatskasse abzuführen und keinen
Anspruch auf Gebühren als gerichtliche Sachverständige (§ 8)
haben, wenn die Kosten des gerichtlichen Verfahrens der Staats¬
kasse zur Last fallen.“ Diese abgeändeite Fassung würde auch
dem im § 1 des Gesetzentwurfes niedergelegten Grundsätze ent¬
sprechen und anderseits den Kreisärzten hauptsächlich nur den
Verlust der gerichtsärztlichen Gebühren in Strafsachen bringen,
die der Staat bei Freisprechung oder wegen Unvermögens der
verurteilten Personen zu tragen hat, während ihnen alle übrigen
gerichtsärztlichen Gebühren, namentlich im Zivilprozeßverfahren,
sowie für ihre Tätigkeit vor den Schiedsgerichten für Arbeiter¬
versichernng, Gewerbegerichten usw. verbleiben würden. Aber
wie gesagt, wir hoffen noch immer, daß § 4 schließlich in der
von uns vorgeschlagenen Fassung Annahme findet, wonach nur
die Gebühren für solche amtlichen Verrichtungen an die Staats¬
kasse abzuführen sind, die zur ausschließlichen und alleini¬
gen Zuständigkeit des Kreisarztes gehören.
Günstiger als die vollbesoldeten &eisärzte haben bei der
Gehaltsbemessung die nicht vollbesoldeten Kreisärzte
abgesebuitten. Der Antrag, alle nicht vollbesoldeten Kreisarzt¬
steilen in vollbesoldete zu verwandeln, wurde allerdings abgelebnt,
dagegen ist das Mindest-, Höchst- und Dnrchschnitts-
gehalt um 600 M., also auf 2400—4200, durchschnittlich 3800
Mark, erhöht. Wenn dieser Beschluß der Kommission auch
den Wünschen der beteiligten Beamten nicht völlig entspricht,
so wird er von ihnen gleichwohl freudig begrüßt werden. Die
4ie Gebttbren der MediadDalbeunten sowie die VerbandliiDgea der Kommission. 881
Haoptsache ist nar, daß er auch wirklich aufrecht erhalten und
nicht wieder ganz oder zum Teil rückgängig gemacht wird. Jeden¬
falls hat bis jetzt die Begierung noch nicht ihre Zustimmnng dazu
gegeben und gegen die beschlossene Erhöhung die Bttckwirkung
auf die Ereistierärzte geltend gemacht. Wenn man aber die
nicht Tollbesoldeten Kreisärzte mit einer anderen Beamtenkategorie
in bezug auf den ihnen zu gewährenden Gehalt vergleichen will,
dann kommen unseres Erachtens nicht die Kreistierärzte, sondern
die mit den Kreisärzten in gleichem Bange stehenden, ebenfislls
nicht Tollbesoldeten außerordentlichen Uuiversitäts - Professoren in
Betracht. Für diese hat die Budgetkommission das Gehalt auf
2600—4800 Mark festgesetzt und gleichzeitig Gehaltsstufen
eingeführt, während sie leider einen Antrag, der solche auch för
die nicht Tollbesoldeten Kreisärzte versehen wollte, abgelehnt hat.
Hoffentlich ist in dieser Hinsicht noch nicht das letzte Wort ge¬
sprochen; denn es liegt doch kein greifbarer Grund vor, diesen,
nicht einmal mit erheblichen Kosten verknüpften Wunsch jener
Beamten unerfüllt zu lassen. Ebenso hat ein .^trag, ihnen
Wohnungsgeldzuschnß zu gewähren, nicht die Zustimmung
der Bndgetkommission gefunden; dagegen wurde in der Gebühren¬
gesetz-Kommission die Unzulänglichkeit der bisherigen Dienst-
aufwandsentschädigung und die Notwendigkeit ihrer Er¬
höhung allseitig, auch von den Vertretern der Staatsregiernng, an¬
erkannt, und von diesen eine Neuregelung dieser Angelegen'
heit zugesagt, sobald das Gebührengesetz verabschiedet sei. Da
die erforderlichen Unterlagen dafür durch Umfrage schon seit
längerer Zeit beschafft sind, darf wohl erwartet werden, daß diese
Neuregelung bereits durch den nächsten Etat erfolgt.
Eine sehr lebhafte Erörterung hat in beiden Kommissionen
über die Pensionsberechtigung der nicht vollbesoldeten
Kreisärzte stattgefunden; bedauerlicherweise sind jedoch alle
Anträge, diese derjenigen der vollbesoldeten gleich zu gestalten,
abgelehnt. Wenn regierungsseitig gegenüber dem Anti'sge der
liberalen Parteien: ,Bei den nicht vollbesoldeten Kreisärzten auch
die Einnahmen ans der Privatprazis bis zum Gesamtbeträge
von 8100 Mark bei der Pensionierung anznrechnen“, erklärt
wurde, daß die Anrechnung von Privateinnahmen zum Dienst¬
einkommen ein Unikum darstelle, so ist dies allerdings zutreffend.
Ein weit größeres Unikum ist es aber, daß Beamte, die durch
ihre amtliche Beschäftigung voll in Anspruch genommen werden,
nur halbe Staatsbesoldung erhalten und betreffs ihres sonstigen
Lebensunterhaltes auf Nebeneinnahmen aus der Privatprazis
angewiesen sind, die sie jedoch wegen der Fülle der ihnen ob¬
liegenden Dienstgeschäfte weder treiben, noch treiben können.
Und ein nicht minder großes Unikum ist es, daß diese Anomalie
zwar als Mißstand und dringend der Abhilfe bedürftig von den
maßgebenden Faktoren anerkannt wird, daß aber zu ihrer Be¬
seitigung immer wieder zu halben Maßregeln gegriffen wird,
anstatt endlich einmal gründlich damit aufzuräumen. Bei den
nicht vollbesoldeten Kreisärzten handelt es sich eben nicht bloß
832 Di« erate Beralang des Abgeordnetaih*ases Aber den GesetzeatwnrI, betr.
wie bei allen übrigen Beamten um eine in den Bahmen einer all¬
gemeinen Besoldnngsordnnng passende DiensteinkommensTerbesse-
rang, sondern nm eine ihrer amtlichen Tätigkeit ent¬
sprechende Neuregelung aller ihrer Dienstbezfige ein¬
schließlich ihrer Pensions- und Dienstaltersyerhältnisse.
Daß sich eine solche als notwendig erweisen wurde, ist schon im
Jahre 1901 bei den Beratungen des Landtages über die Aasfährung
des Ereisarztgesetzes von verschiedenen Seiten vorausgesagt und
durch den Beschluß zum Ausdruck gekommen: daß die Frage, ob
die festgesetzten und sonstigen Bezüge der Kreisärzte zweckmäßig
geregelt seien, erneut zu prüfen sei. Von keiner Seite wird be¬
stritten, daß sich im Laufe der Jahre die damaligen Voraussetzungen
für die Festsetzung des Gehalts der nicht vollbesoldeten Kreis¬
ärzte als völlig irrtümlich herausgestellt haben; warum zieht man
nun nicht die logische Konsequenz und nimmt eine den Verhältnissen
Rechnung tragende Neuregelung vor, anstatt sich mit einer geringen
Gehaltsaufbesserung zu begnügen, die doch nur einen Tropfen
auf den heißen Stein bedeutet und die vorhandenen Mißstände
keineswegs beseitigt? Wer allerdings, wie der Abg. v. d. Osten,
auch jetzt noch der Ansicht ist, daß der Schwerpunkt der wirt¬
schaftlichen Existenz der nicht vollbesoldeten Kreisärzte nicht in
dem Staatsgehalt, in der Staatsvergütung, sondern in der ärztlichen
Privatpraxis liegt, der wird eine solche Neuregelung für überflüssig
halten; daß es aber auch konservative Abgeordnete gibt, die diese
Ansicht nicht teilen, haben die diesjährigen Verhandlungen über den
Medizinaletat gezeigt, wo der Abg. v. Voß mit warmen Worten
die Notwendigkeit einer schnelleren Umwandlung der nicht voll¬
besoldeten Kreisarztstellen in vollbesoldete befürwortet hat. Jene
Ansicht steht ausserdem im Widerspruch mit dem früheren Stand¬
punkt der konservativen Partei, den der Abg. Winkler bei Be¬
ratung des Kreisarztgesetzes mit den Worten zum Ausdruck
brachte: »Wir wollen die Stellung dieser Beamten in
dem Sinne, daß das Amt die Hauptsache ist und die
Privatpraxis die Nebensache.'^ Diesem Grundsätze haben
die Kreisärzte, auch die nicht vollbesoldeten, in vollem Umfange
Rechnung getragen; mit Arbeitsfrendigkeit und Pflichttreue sind
sie ihren schweren und verantwortungsvollen Aufgaben gerecht
geworden, auch hat es ihnen nicht an Anerkennung gefehlt. Aber
jetzt, wo es gilt, die Rechnung zu begleichen, sie für den Verlust
in ili^er ärztlichen Praxis zu entschädigen, der lediglich durch
ihre ausserordentlich vermehrte Amtstätigkeit herbeigeführt ist, da
sollen sie mit einer Gehaltsaufbesserung abgefunden werden, die
vielen nicht einmal das im Jahre 1901 zngedachte Durchschnittsein¬
kommen (2700 4- 2000 Mark Gebühren) sichert. Wenn der Landtag
die Besoldungsverhältoisse der nicht vollbesoldeten Kreisärzte von
diesem Gesichtspunkte aus einer genauen Prüfung unterzieht, dann
wird hoffentlich das Ergebnis seiner Beschlüsse mehr den Wünschen
dieser Beamten in bezug auf Gehalt, Gewährung von Woh-
nnngsgeldzuschnss und Gleichstellung bei der Pen¬
sionierung mit den vollbesoldeten Kreisärzten mehr entsprechen,
als dies bisher der Fall gewesen istl
die Gebflhren der Hedizinelbeamtea sowie Yerhuidliiogen der Eommission 888
Was die fibriEen Beschlflsse der Kommission zur Vorberatang
des Giebfibrengesetzes anlangt, so betreffen diese, abge¬
sehen von einer stilistischen Verbessernng im § 2 Abs. 1 haupt¬
sächlich einen nicht ins Gewicht fallenden Zusatz zu § 6 Abs. 1
und vor allem den Ersatz des § 8 durch eine vOlllg neue Fassung,
wonach der Tarif vom Abgeordnetenhanse festgesetzt wird, und
dem Minister nur das Recht verbleibt, Aenderungen des Tarifs
Yorznnehmen, die aber später dem Landtage zur Genehmigung
vorznlegen sind. Die Eommission ist demzufolge auch sofoi t in
die Beratung des Tarifs eingetreten und hat diesen bis auf einige
nicht erhebliche Aenderungen, die sich als Verbesserungen dar¬
stellen, bis auf eine Ausnahme eine geringe Erhöhung ein¬
zelner Gebührensätze (A I Nr. 3 und A III Nr. 11 u. 12) be¬
dingen und bei B Nr. 6 (Leichentransportscheine), 16, 17 und 19
(Gesundheitszeugnisse nsw.') nicht blos einen Mindest-, sondern
auch einen Höchstsatz (3—6 Mark) vorsehen. So dankenswert
diese Verbesserungen auch sind, so werden sie doch keinesfalls
ausreichen, um den Einnahmeansfall der Kreisärzte infolge des
Tarifs zu decken; um so mehr ist es notwendig, daß wenigstens
die von der Bndgetkommission vorgeschlagene Gehalts Verbesserung
für die nicht vollbesoldeten Kreisärzte aufrecht gehalten wird
und nicht wieder zu einer Ermässignng führt, wie das von kon¬
servativer Seite vorgeschlagen werden soll.
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. Oerlohtllohe Medlsiii.
Znm gertchtUclieB Naehwels des Teroaal (a. d. UnlTonltäfslabora-
torlnni fftr nodlzinlMhe Chemie ia Wien). Von Theodor Fans er. Viertel-
jabreschiilt fttr gerichtl. Medizin nsw; 1908 , 8. F., XXXVI. Bd., 2. H., S. 811
bis 820.
Das Veronal ist mittels des Stas-Ottoschen Verfahrens in ürin and
Leichenteilen nachznweisen. Es findet sich ziemlich TollstSndig in der
I. Fraktion (dem Aetherextrakt der anges&nerten Flttssigkeit), ans der es durch
Umkristallisieren aas heißer wässeriger Lösung leicht rein za gewinnen ist.
Da sich bei Vergiftnngsfällen stets größere Mengen Veronal im Körper finden,
lassen sich an den Kristallen die charakteristischen Prttfongen and event. eine
Elementaranalyse anstellen. Der sichere Nachweis gelang bei 0,05 g Veronal
aaf 500 g Leichenteile, durch einige Reaktionen noch bei 0,01 g Veronal
auf dieselbe Menge. Günstig für den Nachweis ist, daß Veronal anverändert
im Ham aasgesebieden wird; der Fäalnis widersteht es aber nicht lange.
Dr. P. Fraenekel-Berlin.
Verfahren zur Bestimmung des Alters von Blatspnren. Von A.
Lecha-Marzo. Archivos de Psiqaiatila y Criminologia (Buenos Aires);
H. 7, p. 496-502, 1908.
Die Schwierigkeiten, das Alter einer Blatspnr za ermitteln, hatte
Tjomellini dadurch za vermindern gesacht, daß er eine Farbenskala anlegte;
es hat sich jedoch ergeben, daß damit keine sicheren Besoltate erlangt werden
können. Verfasser baut nan diese Methode weiter aas, indem er die Farben¬
skala nnr dazu benutzt, die hervorstechendste Farbennnance einer Blutspur
genaa fcstzalegen. Dann macht er mit frischem Blut aus seiner Fingeibeere
834 Kloaere IDttefliBgra nad Beferato am Zcitackriftm.
aal demielbea Material (Lebwaad, Papier etc.), woraof der ra eatritselBde
Pieck gefandea war, ^ea mSglichst gleichgrofim Blatileck, dea er aoa natar
dieeelben Bedingungea der Beienchtang, Erwärmoag oad Laftang briagt, wie
sie fflr den za ermittelnden Fleck anzanehmea oder za beobachten waren. Der
sorgfältige Vergleich, wann non geoaa die yorgemerkte Noance erreicht iat,
ergiebt, wie alt der Fleck bei der Aaffindaag war. Verfasser will die Methode
in zahlreichen Fällen bewährt gefandea haben, gibt allerdings nach Fehler-
qaellen za, die z. B. in der möglicherweise ganz rerschiedenea Verteilang der
Tages- and Nachtstanden aal den arspttnglichen and dea experimentellea
Fleck liegen. Dr. Speiser-Sierakowitz.
Qewlnaang speziflsehea latlsemnu flr den fereastschea Blotaaehwels
darek Terweadoag rea Leieheablat. Von 0. Modi ca. Archiyio di Far-
macologia sperimentale e Scienze affinL VoL VI, Fasz. V and Oazetta degli
Ospedaii e delle Cliniche; 1907, Nr. 28.
Die Methode Löfflers getrocknetes Leichenblat eine halbe Sloade
aaf 15 Orad za erhitzen, erwies sich als anzweckmäßig, da die Eiweißetoffe
des Serams ihre Löslichkeit yerlieren.
Modica erreicht die Sterilisierung des Leichenblates dorch HinzafOgoi
Ton 5 Gewichtsteilen Glyzerin za dem getrockneten and polyerisierten Senun
nach 48 ständiger Einwirkong einer Temperatar von 37 Grad. Die Einspritzoag
der sterilisierten Mischung, weiche haltbar ist and die Tiere nicht tötet, liefert
schon nach Verwendang yon nar 2 Gramm des trocknen Blates ein ^t pri-
zipitiereades Serum. Dr. Beyenstorf-Hamborg.
Die Blatadera des Handrückens als Identltätsmerkmal. Von Professor
Arrigo Tamassia. Direktor des gerichtlich-medizinischen Institats der
Uniyersität Padua. Gazetta degli Ospedaii e delle Cliniche; 1908, Nr. 92.
Tamassia, der mehrere Taosend Hände ontersachte, flberzeagte sich,
daß der Verlauf der dorsalen Handyenen ein charakteristisches indiyidaelles
Merkmal yon anendlicher Vielgestaltigkeit darstellt, das während des ganzen
Lebens in seiner Linie unyeränderlich and anzerstörbar ist. Das Venengeflecht
der rechten and linken Hand ist yerschieden. Das Liniensystem scheint nicht
yererbt za werden.
Zar Identifizierong yon Personen teilt Tamissia, je nach dem Verlanfe
der Haaptstämme, die Linienbildangen der Blatadem b 6 Groppen mn. Er
ontcrscheidet:
1. Arkadenbildang, charakterisiert durch eb großes Gefäß, das
nahe dem Handgelenk bogenförmig yerläaft; 2. baamförmige Verästelung
— 2 bis 4 median gelegene Hauptadern konyergieren gegen das Handgelenk,
wo sie sich yereinigen, noubdem sie noch andere klebe Gefäße aufgenonunen
haben; — 3. Netzbildang; 4. V-Bildung, 5. Bildang ebes doppelten Y. Die
6. Groppe amfaßt alle übrigen Formen.
Das Venenbild wird am besten durch die photographbehe Platte fixiert.
Die Blatadem treten sehr deutlich heryor, wenn man den Arm ebige Mboten
hängen läßt and eine elastische Binde um den Oberarm legt. Bd geeigneter
Beleachtang werden auch die feinsten Verzweigangen im Bilde sichtbar. In den
seltenen Fällen, in denen das Untersacbongsverfahren wegen Oedem des Hand-
drttckens, Haaterkrankang oder Dicke des Fettpolsters nicht möglich bt, nimmt
man seine Zaflocht za einer der anderen Identifizierangsmethoden. Die gldche
Unyollkommenheit haftet beispiesweise auch der Daktyloskopie an, die anan¬
wendbar wird, wenn die Papillarlbien beider Hände durch ausgedehnte Hant-
yerbrennung zerstört sind.
Unzweifelhaft yerdient die Anregung Tamassias Beachtang, zamal
der Aator selbst für seine Methode nicht mehr erwartet, ab daß sie in die
Beihe der sicheren Identifizierangsmethoden aafgenommen wird and daß sie
dieselben in geeigneten Fällen ergänzt.
Dr. Beyenstorf-Hamborg.
Kleinere Hittellnngen und Referate ans Zeitschriften.
886
Ein vngewShnlteher SelbstmordTersnelu Von East G. R., Assistent
medical officer. Britisch Medical Journal; 1908, 16. Angnst.
Ein an Melancholie leidender, 56 jähriger, dem Tranke ergebener Mann,
der am Halse eine yon einem Irtiberen Selbstmordyersncbe herrhhrende Narbe
(Basiermesserscbnitt) trag, hatte sich den Mand mit Schießpalyer gefttllt und
den Sprengstoff dann angezttndet. Rapide Schwellang der Glottis and drohende
Asphyxie machten die sofortige Tracheotomie nOtig. Tod noch 86 Standen.
Die Schleimhaat des Mondes, des Gaumens und des Rachens flächenhaft
nlzeriert. Starke Scbwellang der Schleimhaat an beiden Seiten der Epiglottis.
Rote Hepatisation beider Lnngenflflgel. Dr. Reyenstorf-Hambnrg.
Tod dnreh Erwürgen oder gewaltsames Anfhssen des Halses« Von
Dr. F. Strassmann. Vierteljahrssehrift fflr gerichtliche Medizin nsw.; 1908,
8. P., XXXVI. Bd., 8. 282-294.
Die Frage, ob einmaliges gewaltsames Anfassen des Halses, ohne Ab¬
sicht za töten oder za erwürgen, dennoch den sofortigen Tod eines Menschen
bewirken kann, maß getrennt behandelt werden yon den über die Möglichkeit
eines reflektorischen Hemmangstodes darch Elrregong der Halsneryen, die bi
Analogie mit bekannten Tierexperimenten steht. Die beiden Dinge sind bisher
stets yermengt worden. Non zeigt sich, daß flberzengende Fälle der gedachten
ersteren Art äußerst selten sind. Einen neuen Beitrag bildet eine interessante
Beobachtang des Verfassers. Im Januar 1891 wurde eine Prostitoierte in
in ihrem Bett unter yerdächtigen ünutänden tot auf gefunden. Auf Grund des
Obduktionsbefundes (neben zahlreichen Blataustretungen an yerschiedenen
Organen und anderen Erstickungszeichen eine Fraktur des linken oberen Schild¬
knorpelfortsatzes und Blutungen im umgebenden Gewebe, ferner geringfügige
Rötungen der Halshaut an beiden Seiten, dicht unter dem Unterkiefer) wurde
begutachtet, daß der Tod durch Erstickung ebgetreten sei, daß die einzige
befriedigende Erklärung in der Annahme einer Erwürgung — und zwar yer-
mutlich mit der linken Hand — gefunden ist, zu der wahrscheinlich unter¬
stützend ein Verschluß yon Mand und Nase durch ein auf dem Gesiebt
gefundenes Eissen getreten seL Ein Verdächtiger wurde wegen Mangels hin¬
reichender Momente anßer Verfolgung gesetzt. Nach über 18 Jahren hat
sich nun dieser Mann selbst gestellt, mit folgendem Geständnis: Er habe
während des Geschlechtsaktes mit der Frau bemerkt, daß sie ihm sein Porte¬
monnaie ans der Tasche zog, ihr dies mit seiner rechten Hand entrissen, sie
mit der linken am Hals gepackt und ordentlich geschüttelt, um ihr einen
Denkzettel zu geben. Sie sei, als er sie los ließ, amgefallen, Schaum sd ito
Tor den Mund getreten. Die Absicht, zu töten, habe er nicht gehabt, er habe
auch nicht an ihren Tod geslaubt, da er nicht sehr gedrückt habe. Dos
Kissen sei nicht yon ihm aufgelegt worden. Mit dem Staatsanwalt nimmt
Strassmann aus faktischen und psychologischen Gründen an, daß die stets
gleich gebliebene Schilderung den Tatsachen entspreche. Da der Fall bis in
Einzelheiten mit einer Broaardelschen Beobachtang übereinstimmt, hat man
jedenfalls mit der Möglichkeit zu rechnen, daß schon yerhältnismäßig
kürzere Angriffe gegen den Hals den schnellen Tod herbei¬
führen können. Die physiologische Erklärung dieser Todesfälle steht aber
noch aus; den einschlägigen Fällen ist gemein eine kurze Luftabsperrung yer-
bunden mit Erregung der Halsneryen. Ob diese Wirkung an eine bestimmte
Disposition gebunden ist, bleibt noch zu prüfen.
_ Dr. P. Fraenckel-Berlin.
Zur Lehre yon den Brüchen des Sehüdeldaehes« Von Dr. Hugo Marz,
Gerichtsarzt des Kreises Teitow, und Earl Marx, Regierungsbaumeister.
Vierteljahrssehrift für gerichtL Medidn nsw.; 8. F., XXXVL Bd., 2. H., 1908,
Seite 296-810.
Theoretische Ausführungen zur Mechanik der Lochbrücbe des Schädels,
fflr die die bisherigen Erklärungen verworfen werden und eine neue gegeben
wird. Das Nähere ist im Original zu ersehen.
Dr. P. Fraenckel-Berlin.
836
Kleinere Mitteilnngen nnd Referate aus Zeitschriften.
Ueber Indirekte Orbltnldnebfmktar ud gesehMsnrtIge Wirkug eines
Knoehensplltters im Cieblrn. Von Prof. Dr. Bernb. Fischer, Prosektor in
Köln. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 41.
Verfasser yerbreitet sich zuerst in längeren Ausfährangen Ober die Ent¬
stehung der indirekten Frakturen der Schädelbasis bezw. des Orbitaldachea
und berichtet dann Ober den interessanten Fall einer indirekten Orbitaldach-
fraktur, welche sich ein 15jähriger Gymnasiast durch Sturz beim Badfahren
zngezogen hatte und dessen Tod herbeifOhrte.
Die Obduktion ergab folgenden interessanten Befund: Chit genährte
Leiche. Die Umgebung des rechten Auges ist stark geschwollen, schwarzrot,
blutunterlaufen. Die Conjunctiya des rechten Auges zeigt au der unteren
Seite eine kleine Quetschwunde, die jedoch nicht in die Tiefe führt. Die Ge¬
webe der Orbita zeigen keine Verletzungen. Schädeldach yon mittlerer GrOfie
und Schwere, keinerlei Sprünge oder ähnliches. Dura wenig gespannt, durch¬
scheinend. Auf der Durainnenfläche rechts yorn einige Tropfen flüssigen Blutes,
im übrigen ist dieselbe blank und feucht. Bei der Herausnahme des Gehirns
zeigt sich im rechten Orbitaldach ein 2 :1 cm großer, scharfrandiger, zackiger
Defekt, in dessen Bereich die Dura fetzig zerrissen ist. Das Orbitalfettgewabe
füllt den Defekt aus und ist pilzartig nach der Schädelhohle zu yorgequollen.
Die Schädelbasis zeigt im übrigen nirgends die geringsten Sprünge oder Brüche;
auch yon dem erwähnten Defekt des Orbitaldaches gehen nirgends Fissuren
aus. Die Knochen im Bereich der Weichteilschwellnng des rechten Auges
sind überall yOilig unyerletzt.
Das Gehirn zeigt an der Unterseite des rechten Stimlappens eine reich¬
lich zehnpfenniggroße Oeffnnng, aus der breiig zerquetschte Gehimmasse und
Blut heryorquellen. Die Bänder dieser Oeffnnng sind stark zerfetzt. Von
hieraus führt nun ein Gang, der yollständig einem Schußkanal gleicht, in den
rechten und linken SeitenyentrikeL Die Qehirnsubstanz in der Umgebung des
Ganges ist breiig zerquetscht, durchblutet, ebenso der angrenzende Boden der
Seitenyentrikel. Links ist fast das ganze Corpus Striatum yom Thalamns
opticus durch einen ziemlich glatten Biß abgetrennt In diesem Biss liegt
frei eine dünne Knochenplatte, welche yollständig in den oben beschriebenen
Defekt des rechten Orbitaldaches hineinpaßt. In den Gehirnyentrikeln ist
reichlich flüssiges Blut. Die übrige Sektion ergibt nichts Bemerkenswertes.
Wir sehen also nach einem schweren Sturz mit dem Bade eine hOchst merk¬
würdige Verletzung. Außer der Weichteiiquetschung am rechten Auge flndeo
sich keinerlei Verletzungen, insbesondere keine Schädelfraktur, nur ein Stück
des rechten Orbitaldaches ist ausgesprengt und hat ganz wie ein Geschoß das
Hirn zertrümmert. Die Verletzung an und für sich wäre yerhältnismißig
gering gewesen; der Tod ist einzig nnd allein durch die Dislokation des
Knochensplitters durch seine geschoßartige Wirkung eingetreten.
Die Orbitalfraktur war höchstwahrscheinlich eine indirekte, heyorgerufen
durch eine plötzliche starke Drucksteigerung innerhalb der Orbita selbst.
Zweifellos ist der Verletzte auf das rechte Auge gestürzt. Der Gegenstand,
auf den er fiel, paßte so genau auf die Oeffnnng nnd die Bänder der Augen¬
höhle, daß die Weichteile nach keiner Seite answeicben konnten. Der durch
die sehr heftige Gewalt auf diese Weise bewirkte enorme Druck in der Augen¬
höhle mußte dieselbe sprengen, nnd so wurde die dünnste Wandstelle, das
Orbitaldach, herausgeschlendert und mit furchtbarer Gewalt in das Gehirn
getrieben. Genau so wie beim Einschlagen eines Pfropfens in eine gefüllte
Weinflasche der Boden der Flasche herausgeschlagen werden kann, ebenso trieb
hier die Gewalteinwirknng auf den Inhalt der Augenhöhle das Orbitaldach in
das Gehirn hinein. _ Dr. Waibel-Kempten.
Ueber die Unterscheidung der spontanen nnd gewaltsamen Zerreissnng
yergrSsserter Milzen. Von J. Cantlie. The Journal of tropical Medisine
and Hygiene; 1908, Nr. 13.
Cantlie erwähnt zwei Fälle, in denen der Umstand, daß die zur Ver¬
blutung führende Verletzung der Milz sich auf der Innenseite nahe dem Hilus
fand, seitens des Gerichts für ausreichend angesehen wurde, eine Spontanmptur
dieses Organs anzunehmen. Die Angekla^en wurden ireigesprochen. Dem¬
gegenüber stellt Verfasser fest, daß unter 6 in Hongkong daraufhin untersuchten
deinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften.
887
4 '
fv'u
Fällen von Tod durch Milzmptar, die dnrch Fall, Schlag oder FoBtritt erzengt
war, der Kapselrifi in keinem Falle, dem Orte des Angriffs der äußeren
Oewalteinwirkung entsprechend, auf der conrezen Außenseite der Milz gefunden
wurde, vielmehr stets auf der Innenseite nahe dem Hilns. In allen Fällen
war die Milz beträchtlich vergrößert. Dr. Bevenatorf'Hamburg.
Die Eklampsie der Schwangeren nnd ClebSrenden in gerlehtsänt*
lieber Beziehnng, mit Terwertnng eines elnsohlflglgen Falles. Von
Dr. Schröder, Stadtarzt in Altona. Vierteljahrsschrift fdr gerichtliche
Medizin usw.; 1908, 3. P., XXXVI. Bd., 2. fl., S 271—281.
Bei Schwangeren oder Gebärenden, die in der einem eklamptiscben An¬
fall kurz voraufgegangenen Zeit eine strafbare Handlang begangen haben, ist
man berechtigt, eine Ausschließung der freien Wülensbestimmung anzunehmen.
Die ganze Aehnlicbkeit mit dem epileptischen Insult, da8*Vorkommen einer
Aura, einer posteklamptischen Amnesie, und spätere Psychosen legen den
Schluß nahe, daß auch bei der Eklampsie Dämmerzustände Vorkommen. Im
vorliegenden Falle hatte eine Magd unmittelbar vor einem Anfälle heimlich
geboren, anscheinend in Sturzgeburt, und möglicherweise dem Kinde tödliche
Kopfverletzungen beigebracht, von denen sie aber durchans nichts wissen
wollte. Sie wurde Ireigesprochen._Dr. F. Fraenckel«Berlin.
Ein Beitrag rar Fäulnis der Lungen Kengeborener. Ans dem ger.
medizinischen Institut der Universität Greifswald (Direktor: Geh. Med.-Bat
Prof. Dr. Beumer). Von Dr. Carl BOhs, Stadtassistenzarzt in Barmen,
früher I. Assistent am hygienischen Institut der Universität Greifswald.
Vierteljahrsschrift Itlr ger. Medizin usw.; 1908, 8. F., XXXVL Bd., 2. Heft,
S. 261 bis 262.
Von 66 fötalen Lungen von Tieren und Menschen, die Verfasser in der
unversehrten Leiche der Fäulnis aassetzte, bildeten sich nur bei 7 subplenrale
Fäulnisblasen aus, die die Langen auf Wasser tragen; nach ihrem Anstechen
sanken die Lungen unter. In den anderen Fällen hatten die Lungen ihr ur¬
sprüngliches Aussehen verhältnismäßig gut bewahrt und wurden nie schwimm-
fähig, obwohl andere, namentlich Abdominalorgane, ganz mit Gasblasen durch¬
setzt waren. Hiernach ist die Lehre von Bor das und Descoust, daß
Fäulnisblasen auf der Lungenoberfläche das Geatmethaben beweisen, sicher
unrichtig. Dagegen schließt sich Verfasser dem Ungar sehen Urteile au, daß
reichliche Anhäufung von Fäulnisgasen im Gewebe und unter der Pleura bei
S ositiver Schwimmprobe die Annahme der Atmung wesentlich sttttzen. Ihn
estimmen hierzu Vergleichsversuche, die an jungen neugeborenen Tieren ge¬
macht wurden, die nach kurzer Atmung getötet, nnd deren Leichen in gleicher
Weise wie die fötalen der Fäulnis ausgesetzt wurden. Hier fand sich aus¬
gedehnte Gasanhäufung; auch nach Anstechen der Fäulnisblasen und Zer¬
schneiden in klebe Stückchen blieb die Schwimmfähigkeit bestehen. Bei den
fötalen gefaulten Langen wurde merkwürdigerweise nicht ein ebziges Mal
Entwickelung von inter- oder btraalveolären Gasblasen beobachtet, obwohl
durch Ipsen das Vorkommen von bterstitiellem und alveolärem Fäulnis-
empbysem für solche Lungen sicher erwiesen worden bt.
Dr. P. Fraenckel-BerUn.
B. Oeriohtllohe Psyohlatrla.
Die Seradingnostik ln der Psychiatrie nnd Nenroloflrle. Von Assistenz¬
arzt Dr. Sterz. AUgem. Zeitschrift für Psychiatrie; 66. Band, 4. Heft.
Sterz berichtet über die Erfahrungen, die er seit fast einem Jahre
mit der Seradiagnostik b der psychbtrischen n. NervenkUnik der Universität
zu Breslau gemacht hat.
Die bei 11L Krankheitsfällen unbestellte Beaktion ergab, daß positiv
nur Fälle reagierten, die mit Lues ut Beziehung standen, alle anderen
negativ.
I. Unter den positiven steht obenan die Paralyse. Von 46 Spbalflflssig-
keiten reagierten 40 positiv, 8 fraglich, 2 negativ.
Von den letzteren 5 Fällen reagierte aber das Blntserum noch drei-
838
Kleinere Hltteilungen und Referate aus Zeitsehiiften.
mal positir, so daß die Anwesenheit der sog. Antikörper nur zweimal gtnz-
lieh Termißt wurde. Das entspricht einem posiUren Ergebnis von 96,6^/o.
Unter welchen Umständen die Reaktion gelegentlich einmal negaÜT
ausfillt, läßt sich mit Sicherheit nicht sagen. In einem der negativen Fälle
waren der Untersuchung intensive Quecksilber* Euren voransgegangen, in
einem der zweifelhaften handelte es sich um eine juvenile Paralyse, die seit
Jahren stationär war, so daß trotz der anfänglich charakteristischen Entwich*
lang Zweifel an der Diagnose entstehen konnten.
Zwischen dem Verhalten des Blutserums und dem der Spinalflhssigkeit
war keine vollkommene Kongruenz vorhanden, indem das erstere auch in solchen
Fällen positive Resulsate ergab, in denen die SpinalflUssigkeit negativ reagiert
hatte. Es er^bt sich daraus, daß besonders in zweifelhaften Fällen die Unter*
suchung des Blutserums nicht unterlassen werden darf.
II. Die Ecfahrungen ttber Tabes sind, da Punktionen bis vor kurzem
fast nur bei klinischen Patienten ausgeführt wurden, gering. Die Spinal*
flttssigkeit der Tabetiker scheint aber bei weitem nicht so konstant positiv zu
reagieren, wie die der Paralytiker.
Von 5 derartigen Fällen waren 8 .positiv*.
III. Ein sehr bemerkenswertes Resxütat lieferten die Fälle von eigent*
lieber Syphilis des Nervensystems, indem eine positive Reaktion der Spinal-
flfissigkeit hierbei die Ausnahme zu sein scheint. Der Verfasser verfügt bisher
über 8 Fälle, deren Spinalflüssigkeit durchweg negativ reagierte; das Blut*
semm wurde bei 8 Fällen untersucht und zweimid positiv befanden.
IV. Hierzu kommt noch eine kleine Qrnppe von Fällen spät latenter
bezw. geheilter Syphilis, die keine organischen Symptome seitens des Nerven¬
systems darboten.
Die Spinalffüssigkeit verhielt sich in allen diesen Fällen negativ, das
Blutserum einmal positiv, einmal negativ.
Die Fälle der anderen Gruppe, 46 an der Zahl, die mit Syphilis
nichts zu tun hatten, betrafen die verschiedensten organischen und funktionellen
Erkrankungen des Nervensystems, auf deren Aufzählung verzichtet wird. Bd
allen diesen Fällen reagierten Spinalflüssigkeit und Blutserum negativ.
Der Differentialdiagnostische Wert der Serodiagnose beruht, wie aus der
angeführten Gruppierung hervorgeht, in der Möglichkeit der Trennung
syphilitischer und metasyphilitischer Erkrankungen einerseits,
von allen übrigen Erkrankungen anderseits. Soweit die Spinalflüssig¬
keit allein in Betracht kommt, gestattet die Reaktion außerdem eine Unter*
Scheidung der Paralyse und Tabes von allen übrigenErbankungen des
(Jehims und Rückenmarks, einschließlidi derer, die mit Lues in Beziehung
stehen. Denn nur bei Paralyse und Tabes wurde bisher in der überwiegenden
Anzahl der Fälle eine positive Reaktion in der Spinalflüssigkeit gefunden,
während sich die Spinalflüssigkeiten bei Lues cerebrospinalis Überwiegend
negativ, bei Luetikern ohne aktive Erscheinungen stets negativ verhielt.
Dr. Többen-Münster.
Klinischer Beitrag inr psyehisohen Epilepsie. Von Dr. Bandettiai
diPoggio -Genua. ArchiviodiPsichiatria,Neuropatbologiaetc.;Fass.III, 1908.
Verfasser beschreibt einen einwandsfreien Fall von .psychischer Epilepsie*.
Es handelt sich um einen erblich belasteten Polizeisoldaten mit kOrperUchea
und neuropsychischen Degenerationszeichen, der in früher Kindheit an epilep¬
tischen Anfällen litt, welche letzteren dann anfhOrten, um vorübergehenden
Perioden von geschwächter Intelligenz und Bewußtseinsstörungen mit Säwindel*
gefOhl und nachfolgender Depression zu weichen, Perioden, in denen es zu
einem unaufgeklärten Delikt gekommen war. Später kamen noch zwei regel¬
rechte epileptische Anfälle vor.
Nach allerlei Versuchen, dies oder jenes Handwerk zu erlernen und
vielfachem Wechsel der Arbeitsstätte kam Patient zum Hflitär. Das Vergehen,
das dann zu einer genaueren Untersuchung in der Irrenanstalt führte, bestand
in unerlaubter Entfernung aus der Kaserne und Fortbleiben über zwei Tage; b^
der Rückkehr befand sich der Mann in hochgradiger Erregung und Verwirrung
bei völlig derangierter EJeidung (btdb ZiviL halb Uniform) und dergl. Es be¬
stand völlige Amnesie. Durch einwandsfrde Zeugenauasagai wurde die Dia-
Kleioere Mitteilangen and Referate aoe Zeitschriften.
839
gnose siehergestellt; es handelte sich tun ein psychisches Aeqniralent fflr einen
epileptischen AnfalL Daß das Verbleiben des Mannes im Foliseidienst gef&hr-
lich erschien, wurde auf Omnd der üntersndiong besonders betont.
_ Dr. Solbrig-Allenstein.
Epilepsie imd Ltnkshlndigkeit. Von Prof. Dr. Emil Redlich in
Wien. Vorgetragen in der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien
Tom 1. M&rz 1907. Archi? fUr Psychiatrie und Nervenkrankheiten; 44. Band,
1. Heft.
Der Verfasser kommt auf Grund sehr interessanter Beobachtungen zu
dem Ergebnis, daß fttr eine Anzahl von Fällen die Linkshändigkeit ein Moment
darstellt, das auf eine, wenn auch leichteste Schädignuig der einen, und zwar
der linken Hemisphäre hinweist. Dadurch ist eine Praedisposition fttr die
Epilepsie gegeben, auf deren Basis dann andere Schädlichkeiten, Infektionen,
Intozikationen, Trauma, u. a. auch rezente Lues, das Auftreten der Epilepsie
veranlassen. Auf diese Weise erhält fttr gewisse Fälle die Prädisposition zur
Epilepsie eine neue Beleuchtung, indem, wenigstens auf kJinis(mem Wege,
neues Material fttr die Annahme einer anatomiswen Läsion bei der genuinen
Epilepsie gewonnen worden ist.
Von Interesse wäre auch eine Erörterung, wie sich diese «anatomische*
Frädisposition fttr die Epilepsie zur heriditären verhält. Angeregt wurde
diese Frage fttr den Verfasser durch den Umstand, daß unter deu erwähnten
Fällen von Linkshändigkeit sich mehrere fanden, bei denen auch eine heriditäre
Disposition bestand. Redlich fährt in dieser Beziehung weiter an, daß er
zwei Geschwisterpaare mit Epilepsie zu beobachten Gelegenheit hatte, von
denen immer eines der Geschwister eine anscheinend genuine Epilepsie, das
andere eine typische rechtsseitige zerebrale Kinderlähmung mit Epilepsie auf*
wies. Dr. Többen>Mttnster.
Epilepsie bei Geschwistern. Von Dr. Voll and-Bethel Zeitschrift
fttr die Erforschung des jugendl. Schwachsinns; Bd. II.. H. 4.
Wenn man einen kurzen Rttckblick auf ue vom Verfasser geschilderten
24 Fälle der Geschwisterpilepsie wirft, so ergibt sich das Resiütat, daß 22
Fälle nervöse Belastung aufweisen, daß die väterliche Belastung, die bei der
Vererbung im allgemeinen mächtiger zu wirken scheint, ttberwiegt und daß an
>/s aller Fälle Epilepsie in der Antezedens nachweisbar ist. Aus den 24 Familien
sind außer 6 Frtth- und Fehlgeburten, einem minderwertigen männlichen Nach¬
kommen und einem weiblichen Idioten zusammen 78 Knaben und 58 Mädchen
hervorgegangen. Von diesen beiden Gesamtsummen leiden 18 Mädchen und
87 Knaben, also fast die Hälfte sämtlicher Knaben, wieder an Krampfanfällen.
Die kranken Geschwister stehen in der Geburtsfolge sehr häufig nebeneinander,
meist 1—2 Jahre zeitlich getrennt. Dr. Wolf-Marburg.
Eine besondere Fora von Folte A deux. Von Dr. Enrico Rlvari in
Bologna. Archivio di Psichiatria, Neuropatologia etc.; Fasz. III, 1908. .
Der hier beschriebene Fall, der an sich so seltenen Folie ä deux ist
bezttglich der Entstehung und des ELrankheitsbildes ein ganz eigenartiger und
interessanter. Es handelt sich um ein Schwesternpaar aus ganz einfacher
Familie, welche dauernd zusammen lebten; beide besaßen eine neuropathische
Konstitution und hatten frtther an hysterischen Konvulsionen bezw. Chorea
gelitten. Die 7 Jahre ältere Schwester fing bereits als Kind an, sich einzubilden,
daß sie von vornehmer Abstammung sei und wurde hierin durch eine scherzhafte
Bemerkung der Matter, daß die beiden Töchter zu fein gebildet seien, um von
ihr abzustammen, bestärkt. Als dann die jttngere Schwester eine verhältnis¬
mäßig gute Partie machte, wuchs die Eitelkeit und Ueberhebung der älteren;
dann wurde auch die jttngere davon angesteckt. Der Ehemann wurde
mehr und mehr bei Seite geschoben, die beiden Schwestern wohnten nach wie
vor in trauter Gemeinschaft beisammen. Zu einem Verhängnis wurde den beiden
die Lektttre eines historischen Wörterbuches, das der Ehemann der jüngeren
mit nach Haus brachte. Beide vertieften sich in das Buch, bezogen allerlei
Mitteilangen berühmter Historiker auf sich und wurden völlig von Wahnideen
erfaßt. Der Jnhait der letzteren, bei beiden der gleiche, bestand vorzugsweise
840 Kleinere Hitteilnngen und Referate ans Zdteehrlften.
ans OrOBenideen, Termischt mit Verfolgnngsideen; ein eroliBcher EinEchlag
leUte nicht.
Beide Kranke wurden der Irrenanstalt zngefQhrt, sie zeigten ein ziemlich
reserviertes Verhalten, indem sie selten sprachen, gelegentlich aber, wenn sie
Vertrauen zu ihrer Umgebung gefaßt hatten, in beredter Weise ihre Wahnideen
▼ertrugen. Das psychische Bild, das die beiden Schwestern darboten, entspricht
nach der Ansicht des Verfassers der ^Paranoia a due". Es ist anzunebmen,
daB die ältere Schwester zuerst von der Psychose ergriffen wurde und diese auf
die jüngere übertrug; durch die gegenseitige Hitwiikung beider wurde dann
die eigentümliche Form der Paranoie a dne neransgebildet.
_ Dr. Soibrig’Allenstein.
Kongenitale Lues und progresslTe Paralyse. Von Dr. Christian
Mttller«Köln. Münchener Wodienschrift; 1908, Mr. 38.
Verfasser müchte im Hinblick auf die Tatsache, daB in einer Anzahl von
Fällen der Zusammenhang zwischen Syphilis und Paralyse bisher nicht nach*
zuweisen ist, an einen Faktor erinnern, den man bis jetzt gänzlich auBeraeht
f elassen hat, nämlich, daB sich im klassiscben Zeitalter des Paralyse* und
'abesbeginnes Fälle finden, bei denen die Lues nicht eine im späteren Leben
erworbene, sondern eine angeborene ist. Hierfür sucht Verfasser durch Ver«
öffentlichung von Krankheitsfällen Beweise zu erbringen und meint am Schlüsse
seiner interessanten Arbeit, daß, wenn man die außerordentliche Verbreitung
des Syphilis in vielen Berufskreisen, in vielen Großstädten in Betracht zieht,
die Annahme nicht gewagt erscheinen wird, daß bei vielen Fällen von progressiver
Paralyse oder Tabes, die im klassischen Alter auftreten und bei denen eine
erworbene Lues nicht nachweisbar oder sogar sehr unwahrscheinlich ist, die
Lues eine kongenitale ist. Dr. Waibei*Kempten.
Das Wesen des moralischen Sehwaehsinns. Von Prof. Dr. Hans
Gudden in München. Archiv für Psychiatrie; 44. Band; 1. Heft.
Qudden zieht einen Vergleich zwischen den Symptomen des «moralischen
Schwachsinns“ und dem Charakter niedrig stehender Völkerrassen. Erlist der
Ansicht, daß die Aehnlichkeit des moralischen Schwachsinns mit den Charaktei-
eigenschaften der Neger nicht nur eine äußerliche, sondern auch eine innere
is^ und daß der moralische Schwachsinn nicht wie die Imbezillität und Idiotie
auf Entwicklungshemmungen oder Schädigungen des Gehirns beruht, sondern
ans einer an sich integren, aber zu dürftigen Großhirn*Anlage zu erklären
ist. Während die Moral insanity bei Naturvölkern noch ein phyisiologischer
Zustand ist, muß sie bei den Abkömmlingen zivilisierter Nationen als patbolo*
gisch, als eine Geisteskrankheit bezeichnet werden. Die Zurechnungsfähigkeit
der moralisch Schwachsinnigen reicht nicht weiter, als daß sie höhere Begriffe
verarbeiten und zur Grundlage ihres selbständigen Vorstellens uud Handelns
machen können. Nach Gudden ist der moralische Schwachsinn als ein selbst*
ständiges Zustandsbild anznsehen, das sich differentialdiagnostisch ohne
Schwierigkeiten von der Imbezillität abgrenzen läßt. Diese AnffasBung scheint
dem Referenten insofern nicht unbedenklich zu sein, als seines Erachtens die
Anerkennung des moralischen Schwachsinns als Geistesstörung sui generis
sehr leicht dahin führen könnte, daB man im Sinne der Lombrososehen
Lehren das Verbrechen selbst als eine besondere Krankheit auffassen würde.
Dr. TObben* Münster.
Die Diagnose der Homosexualität. Von Dr. Na ecke. Neurologisches
Zentralblatt; 1908, Nr. 8.
Als homosexnelles Empfinden betrachtet Nnecke jede Empfindung die
beim Anblick oder Berühren einer gleichgeschlechtlichen Person aultritt, mag
sie nun zu irgend welchen geschlechtlichen Betätigungen führen oder nicht.
Aktive und passive Päderastie kann auch beterosexnell bedingt sein. Für das
Vorhandensein des homoseznellen Empfindens fehlt uns jede objektiv sichere
Beweisführung. Die meisten Urninge unterscheiden sich in bezug anf Stimme,
Bratwuchs, Genitalien nicht von anderen Sterblichen. Urninge mit deutlich
femininem Wesen sind große Ausnahmen. Das einzige scheinbar untrügliche
Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften.
841
sabjekÜTe Zeichen für die Diagnose ist das Bestehen homosexneller TrSnme,
die die spesielle Färbung der Geschlechtsempflndungen des Betreffenden an-
nehmen (homosexuell, heterosexuell, bisexuell). Durch eine Vereinigung Ter*
schiedener Zeichen kann in concreto auf das Bestehen einer Homosexualität
geschlossen werden; objektiTO Beweise gibt es nicht. Urninge finden sich in
allen Schichten der Bevölkerung. Die Homosexualität an nnd fttr sich ist kein
Stigma und stellt keine Entartung dar, die sich weiter vererbt. Unter den
Urningen dürften sich nicht mehr neuro* und psychopathologische Individuen
finden als sonst. Neurosen treten bei ihnen nicht selten stäundär auf. Bei
den erworbenen Fällen von Homosexualität oder Pseudohomosexualität (in
Kasernen, Schiffen, Bordellen) handelt es sich meist nur um onanistische Hand¬
lungen, um homosexuelle Akte, die einem heterosexuellen Fühlen entsprechen. —
Der Begutachter dieser Fragen und Fälle muß eine große spexialistische Er¬
fahrung besitsen nnd alle Angaben möglichst sorgfältig prüfen.
S. Kalis che r-Schla^tensee-Berlin.
Ueber die delstesstdrungcn bei den Juden. Von Dr. M. SioheL
Neurolouisches Zentralblatt; 1908, Nr. 8.
Während Pilcz ln Wien den Anteil der Juden an der Gesamteinwobner-
sahl als nnd an den Geisteskranken rund 11 Vo angibt, konnte Sichel
in Frnnkfurt a. M. den Anteil der Juden an der Einwohnerzahl als 6,8**/o nnd
an den Geisteskranken 6,5**/o feststellen. Die Statistik zeigt ein wesentlich
anderes Gesiebt, wenn man die bei den Juden fast gar nicht vorkommenden
alkoholischen Geistesstörungen ausschließt. Was die einzelnen Krankheits-
formen anbetrifft, so zeigen die Juden mit Ausnahme der Epilepsie und des
Alkoholismus in allen Gruppen höhere Werte, besonders aber beim manisch-
depressiven Irresein und bei der Paralyse. Doch scheinen die alkoholischen
Geistesstörungen in den letzten Jahren auch bei den Juden häufiger zu werden.
Bei der Dementia praecox übertrifft der prozentuale Anteil der Juden den der
übrigen Bevölkerung. Im großen ganzen lehrt diese Statistik hier, daß die
Anzahl der jüdischen Geisteskranken, entgegen den allgemeinen Anschauungen
durchaus dem prozentualen Anteil der Juden an der QesamtbevOlkernng ent¬
spricht, daß hingegen hinsichtlich der Häufigkeit der einzelnen Krankheits*
formen weitgehende Differenzen bestehen. Die Angaben, ob die Tendenz
bei jüdischen Geisteskranken zum Selbstmord großer oder geringer sind als
bei anderen Geisteskranken schwanken und sind widersprechend. Geringer
war die Teilnahme der geisteskranken Juden an der Kriminalität, vielleicht
auch wegen des geringen Prozentsatzes der Alkoholisten.
S. Kali scher-Schlachtensee-Berlin.
Das Greisenalter in forensischer Beziehung. Von Professor Dr.
G. Aschaffenburg in COin. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 88.
Unsere Reichskriminalistik ermöglicht einen sehr weitgehenden Einblick
in die wechselnde Gefährdung der Öffentlichen Rechtssicherheit durch die ver¬
schiedenen Lebensalter nnd gestattet wichtige Schlüsse darauf, in welcher
Weise durch die sich mit dem Lebensalter ändernden Lebensbedingnngen die
Neigung zum Verbrechen sich wandelt. Verfasser berücksichtigt hauptsächlich
das Lebensalter nach dem voUondten 70. Lebensjahre nnd berechnet, daß an
und für sich die Beteiligung dieser Altersstufe gering ist und nmgereebnet
auf die gleiche Zahl der Strafmündigen überhaupt nur 12,8 °/o beträgt. Uebor-
blickt man die Beteiligung der Greise an den Verbrechen, so läßt sich wohl
im allgemeinen sagen, daß die Anteilnahme durchaus den Voraussetzungen
entspricht, unter denen der Greis in der Oeffentlichkeit verkehrt. Er muß sich
wegen mangelnder Rüstigkeit mehr nnd mehr aus dem tätigen Erwerbsleben
zurückziehen nnd findet daher weniger Reibnngsflächen, die Verstoße gegen
die Rechtsordnung hervorrufen konnten. Mangelnde körperliche Kraft nnd
geringere geistige Tatkraft schließen eine Reihe von Delikten, wenn auch nicht
ganz, so doch beinahe ans (Boheitsverbrechon, gefährliche Körperverletzung,
schwere Diebstähle); auch Betrug und Unterschlagung bleiben sehr erheblich
hinter den anderen Altersstufen zurück. Mehr als den Durchschnitt der straf¬
baren Handlungen weisen Hehlerei, Beleidigung, Verletzung der Eidespflicht
nnd die Unzucbtsdelikto auf. Bei den Sittlichkeitsverbrechen lehrt aber die
842 Kleinere Hitteilnngen nnd Befente »ne Zeitaehrlften.
klinisclie Erfahmng, deß sie meist Ton aolcben Oreiaen begangen werden, die
bweita mehr oder weniger verblödet sind. Praktisch l&nft das darauf hinans,
in jedem Falle bei den Greisen den Geistesznstand gerichts&iztlich feststellen
sn lassen. Die Prttfnng dnrch den Bichter ist dann nicht ansreichend. Jedoch
scheint dem Verfasser eine gesetzliche Vorschrift, in jedem einzelnen Falle
die Znrechnnngsf&higkeit eines Greises zn erörtern, nicht nötig. Branchbam
wäre dagegen vielleicht eine seit kurzem in Italien bestehende Bestimmung,
wonach das Gesetz der bedingten Vernrteilnng bei Greisen Aber 70 Jahre —
ebenso wie bei Frauen und Jugendlichen — bis auf 12 Monate ausgedehnt
wird, während sonst bei erwachsenen Männern die Bestimmung nur hei Strafen
bis zn 6 Monaten in Anwendung kommen. Dr. Waibei*Kempten.
Zar Frage von den Abstinenz •Delirien. Von Dr. Holitscher.
Psychiatrisch - neurol. Wochenschrift; X. Jahrgang, Nr. 14—17.
Die prophylaktische Darreichung des ^kobols bei delirinmverdäcbtigen
Fällen wird in den chirurgischen nnd inneren Kliniken vielfach geübt. Dabei
erribt die Erfahrung der Psychiater und vor allem diejenige der Leiter von
Trinkerheilstätten, daß Delirien, welche mit Sicherheit auf die plötzliche
Alkoholentziehnng zurttckzuführen sind, äußerst selten verkommen nnd einen
leichten Verlauf nehmen. Das wird von neuem dnrch eine von Holitscher
veranstaltete Umfrage bei 92 Leitern von Irrenanstalten nnd Trinkerheilstätten
bestätigt. Bleuler hat z. B. unter weit Aber 1200 Alkoholikern^ die mit
I lötzli^er Abstinenz behandelt wurden, einen einzigen gesehen, bei dem die
Li^lichkeit vorlag, daß die Abstinenz die Ursache des Deliriums gewesen sein
könnte, ln der Trinkerbeilstätte Waldfriedcn bei FArstenwalde sind unter
750 Aufnahmen in den Jahren 1906 und 1907 nur achtmal Delirien nach zwd-
bis viertägigem Aufenthalt in der Heilstätte beobachtet worden.
_Dr. Paul Schenk'Berlin.
Die Hellnngsanssichten ln der Irrenanstalt. Von Dr. Alt.* Neuro*
logisches Zentralblatt; 1908, Nr. 16.
Alt wendet sich hier gegen die von Scholz vertretene Ansebannng,
daß die Irrenanstalt lediglich Pflegedienste zn leisten hat und nicht die Heilnngn-
anssichten günstiger gestalten und überhaupt beeinflussen könne. Alt Aann
es nicht unwidersprochen lassen, wenn Scholz behauptet, daß dnrch eine
möglichst früh eingeleitete Anstalisbebandlnng nicht ein einziger Kranker
schneller geheilt werde nnd daß an dem Verlauf einer einmal ansgebrochenen
Psychose unsere Therapie nichts zn ändern vermöge. Diese Behauptung
widerspricht der Ansicht der meisten Psychiater. Wohl ist es richtig, daß
Erleichterung, Vereinfachung und Beschleunigung des Anfnahmeverfahrens den
Anstalten mehr heilbare Geisteskranke zufübren nnd insofern schon an und
für sich ohne Zutun und Verdienst der Anstalt die Genesungsziffer der Ent¬
lassenen steigern wird. Die Anstalt hat wohl in vielen akuten Fällen eine
Indkatio vitalis zn erfüllen nnd den Tod, der draußen dnrch Delirien, Selbst¬
mord etc. eintreten könnte, zn verhüten. Es entspricht ferner nicht den Tat¬
sachen, daß jede Krankheit die Auswicklung bereits vorhandener lebender
Keime bedeute. Die exogenen Ursachen: Strapazen, Entbehrungen, Gemüts-
ersebütternngen, Schreck, Infektion bei Puerperalpsychosen sind nicht zn unter¬
schätzen und gelegentlich zu verhüten. Die ätiologische Bedeutung der
Syphilis, der Infektionskrankheiten ist hinreichend bekannt; auch die Ver¬
hütung nnd Heilung dieser Formen seelischer Störungen ist nicht zn bezweifeln.
Ist das keine positive therapentische Arbeit nach Sc holz P
Daß der Heilwert der Anstalisbebandlnng in alten und neuen Statistiken
vielfach überschätzt wird, bezweifelt anchAlt nicht; der Begriff der HeUnng
und Heilbarkeit wird da zn verschieden aufgefaßt. Auch die Schattenseiten
des Anstaltsaufenthalts sind genügend bekannt; mit Vorteil werden sie aber
vermieden, indem das Pavillonsystem, die Arbeiterkolonien, Beurlaubung
in Familienpflege und die versuchsweise Entlassung mit in den Kreis der B^
handlnng gezogen sind. — Erst die Erfahrungen der guten Anstalten ver¬
danken wir die Erkenntnis, daß Tobsucht im Gefolge frischer Geisteskrankheit
fast durchweg ein Artefakt ist nnd kaum größere Berechtigung bat wie das
Wnndfieber nach einer Verletzung. Wie für Alkoholdeliranten erweist sich
Kleinere Mitteilnngen and Referate ane Zeiteohrlften.
848.
fOr akut Verwirrte nnd bis rar Tobencbt erregte Kranke die Anstalt nicht
selten als lebensrettend. Und selbst bei dem groSen Prosentsatx der nnheil*
baren Geisteskranken vermag eine sachgem&6e Anstaltsbebandlnng mit
Sctaonnng, Pflege, individueller Besch&ftigung, Disziplin usw. gttnstig zu wirken
nnd nicht selten die Rttckkehr Ins Leben zu ermöglichen, so daß selbst bei
diesen Kranken mehr als bloßer Pflegedienst geleistet wird.
8. Kalischer-8chladitensee*Berlin.
O. SaohwerstAndlcentAtigkelt ln Unllall- und Znvalldlt&tMohmi.
Pneimokokken« Meningitis als mittelbare Spttfolge eines Sehldel«
nafalles* Von Dr. J. Rubin, Assistenzarzt der medizinischen Sllinik in Frei«
borg i. Br. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Rr. 41.
Verfasser berichtet unter Mitteilung von Krankengeschichte nnd 8ektions>
befnnd über einen Fall, bei dem es sich um einen 28jShrigen Bierbrauer bandelt,
welcher am 3. Dezember 1907 auf die Erankenabteilnng aufgenommen wurde
und am 9. Dezember 1907 mit Tod abging. Die Sektion ergab unter anderem
eine über Erwarten vorgeschrittene eitrige Entzündung der weichen Hirn- nnd
Rückenmarkshäute. In ätiologischer Beziehung stellte es sich heraus, daß der
Verstorbene am 28. Juni 1902 beim Absteigen von der Deichsel eines Heu¬
wagens durch ein aasschlagendes Pferd mit dem Eisen gegen das Unke Auge
geschlagen wurde. Trotzdem der Kranke durch 5 Jahre hindurch nach dem
ünfaUe fast frei von Beschwerden blieb, würde Verfasser auf Grund des
Sektionsbefundes nicht zOgern, einen mittdbaren ursächUchen Zusammenhang
zwischen dem 1902 erfolgten UnfaU und der 6 Jahre später ansgebrocbenen
tOdUchen Hirnhautentzündung auszusprechen. Dr. Waibel«Kempten.
Ueber narvSsa und pgjchlscha Erkrankugan nach BatriabsunflUan.
Von Dr. R. G0tze«Leipzig. Klinik für psychische und nervOse Krankheiten:
Bd. UI, H. 8.
Verfasser berichtet über 4 Fälle von traumatischer Hysterie, wobei er
die Ansicht äußert, daß man von der Art der psychogenen Phänomene Rück¬
schlüsse auf etwa unbekannte Vorgänge bei dem Unfall zu machen sehr wohl
berechtigt ist. — Die Conditio sine qua von solch auffäUlger psychogener
Phänomene ist die Bewnßtseinsstöruog infolge der PlCtzUcbkeit des Geschehnisses
bei unerwartetem, heftigem depressiven Affekt, sei es bloß eine Trübung oder
voUer Verlust. Je vollständiger dieser Zustand von Bewußtlosigkeit gewesen
ist, desto exakter tritt hier die Abhängigkdt von dem Abläufe des Unfall¬
ereignisses hervor. _ Dr. Wolf «Marburg.
HanrltUi ascendans traumatica und Myositis bai Laiehtgasvarglftung.
Von Dr. M. M a y e r « 8immern. AerztL ßachverständigen - Zeitung; 1908, Nr. 17.
Ein 24 jähriger GasinstaUateur, der vor VJt Jahren eine 8chädelverletzung
erUtten hatte, die nach seiner Ansicht ohne Folgen gebUeben war, hatte in
den letzten Wochen vor Weihnachten 1907 besonders angestrengte Tätigkeit
im Gaswerk gehabt und an Kopfschmerzen, Brechreiz und Appetitlosigkeit
f eUtten. Beim Versuch, die Tür einer Gasretorte zu schließen,
ölte er den Hebel der Ofentttre mit fester Wucht zwischen rechten Daumen
und Zeigefinger und stieß dagegen. Es traten am rechten Arme heftige
8chmerzen^aaffand es entwickelte sich an die Quetschung des rechten
Daumens sira anschließend eine Neuritis ascendens. Schlaffe Parese
zunächst des rechten, dann des linken Armes, schließlich eine solche der unteren
Gliedmaßen, Spontan« und Bewegnngsschmerzen, sehr ansgeprägte Paraesthesien
an Fingern und Zehen, Anschwellung eines Hantnerven an der Innenseite des
rechten!Vorderarms mit großer Druckempfindlicbkeit desselben, entzündliche
Schwellung am Nackennerren rechts — begründeten die Diagnose. Der an¬
fängliche Verlauf war scheinbar der des Gelenkrheumatismus — Schaltergelenke,
erst das rechte, dann das linke, Finger- und Sprnnggelenke, ferner die Knie¬
gelenke waren lange Zeit erkrankt. Die Mnskeln fühlten sich lange weicher,
teigiger als gewöhnlich an und waren druckempfindlich. Besonders der linke
Pronator teres war wochenlang geschwollen. Es bestanden ferner Neigung
zu Harnverhaltung, salzige Schwellung am Rücken und an den Außenseiten
^844 Kleinere Hitteilnngen and Befemte ans Zeitschriften.
beider Füße. AoBerdem traten tetanie&hnlicbe Zncknngen der Gliedmaßen,
Anfälle Ton Bewnßtloeigkeit, Eopfechmersen, später Neigong an stnndenlang
währenden nächtlichen Umherirren anf.
Der Verlauf wechselte zwischen Bessernngen and Verschlimmernngen
des Krankheitsbildes. Seit mehreren Wochen hat die Besserung indessen
Bestand gehalten. Der Mann ist imstande, leichte Arbeiten zn rerrichten,
leidet indessen noch an heftigen Kopfschmerzen und gelegentlich ein*
setzenden Anfällen von Bewußtlosigkeit.
Die Disposition zu der schweren traumatischen Erkrankung war
dadurch gegeben, daß der Mann sich in den letzten Wochen vor dem Stoß
ttbermäßig angestrengt und sich kaum die Buhe zum Schlaf gegOnnt hatte.
Autoreferat.
Die professienelle Sehschirfe und das entschBdtgnngspfllehtlge
Minimum. Von Prof. Dr. Oino Bichl*Bologna. La Medicina degli infortuni
del laroro e delle malattie professionaU; 1908, Nr. 6—7.
In der großen Mehrzahl der Fälle verursacht eine Verringerung der Seh*
schärfe um Vio —’/«> keine wirkliche Verminderung der Arbeitsfähigkeit,
ebenso wie eine Abnahme der Sehschärfe um */io — nicht immer den
professionellen Wert des verletzten Auges um ‘/g — */t herabsetzt. Da es
aber nicht mOglich ist, von vornherein festzusetzen, wo die teilweise Erwerbs*
unlähigkeit filr jedes Individium und fttr jedes Gewerbe beginnt, so ist ee
nötig, jeden einzelnen Fall aufmerksam zu untersuchen, sich nicht auf die
bloße Abmessung der physiologischen Sehschärfe zu beschränken, sondern das
Ergebnis dieser Prüfung inbezng anf sein Wesen mit den verbleibenden
Funktionen des Sehorgans, dem physischen und psychischen Zustand des Be*
schädigten, den Arbeitsgelegenheiten usw. zu berücksichtigen, kurz mit all
den innerlichen nnd äußerlichen Bedingungen, welche das Wesen des durch
den Unfall herbeigeführten Schadens vermehren oder vermindern können, in
Beziehung zn bringen.
Diese, wie man zugeben muß, zutreffenden Ausführungen des Verfassers
werden, wie weiter dargetan wird, durch Urteile der in Betracht kommenden
Schiedsgerichte pp. Italiens (Appelationshof in Genua, Kassationshof in Turin
und Bom) gestützt. _ Dr. Soibrig*Allenstein.
Isolierte, quere Mesenterlalabrelssung bei Kontusion des Abdomens.
Von Sekundärarzt Dr. Beinicke*Hamburg. Münchener med. Wochenschrift;
1908, Nr. 86.
Ein 41 Jahre alter Kutscher fiel beim Verladen von schweren Ballen von
seinem Wagen herab; er kam glatt auf den Boden zu liegen, ein ca. 10 Zentner
schwerer Ballen fiel hinterher auf ihn (bezw. auf sein Becken). Die 9 Stunden
nach der Verletzung vorgenommene Laparotomie ergab beginnende Gangrän
des Ileums, hervorgerufen durch eine ziemlich ausgedehnte Abreißung des die
ernährenden Gefäße führenden Mesenteriums vom Darme ohne Verletzung des
Darmes selbst; es konnte nur eine ausgedehnte Darmresektion in Frage kommen,
wollte man den Patienten vor dem sicheren Tode an Peritonitis retten. Der
Erfolg der Operation war günstig.
Was die Entstebnngsart der Mesenterialabroißung bei der Einwirkung
der schweren stampfen Gewalt anlangt, so wird hier nur ein Abriß durch Zng*
Wirkung in Betracht kommen, da Zeichen einer direkten Zerquetschung weder
am Mesenterium oder am Darme nicht zu finden waren.
_ Dr. Waib el• Kempten.
Atrophie des grossen GesBssmnskels Infolge Verletzung durch Ueber-
anstrengung. Von Prof. Dr. Cesare B i o n d i - Cagliati. La Medizina degli
infortuni del lavoro e deUe malattie professionali; 1908, Nr. 6—7.
Fälle dieser Art sind bisher erst zwei in der Literatur beschrieben, von
denen nur einer auf Ue.beranatrengung, wie in dem hier beschriebenen Fidle,
zurückzuführen war. Ein öS jähriger Arbeiter, beschäftigt mit dem Tr^en
von Balken, verspürte, als er einen Balken auf seine Schalter brachte, einen
Schmerz in den rechten natos, als wenn darin etwas gerissen wäre. Er mußte
Kleinere lUtteiliingen nnd Befemte ans Zeltsohriften« 846
in seine Wohnung transportiert werden, lag lange Zeit su Bett, da er das
rechte Bein nicht ohne heftigen Schmers bewegen konnte, nnd fing erst nach
Monaten wieder an, mit Hilfe von Krttcken su gehen. Vjt Jahr nach
dem Unfall bekam Verfasser den Verletsten zu sehen, länger zu beobachten
nnd zn behandeln. Die genaue Untersuchung ergab eine Atrophie des
M. glutaeus magnus dexter mit Funktionsstörungen des rechten Beins, die mit
Sicherheit auf die Affektion grade dieses Muskels zurückzuftthren waren. Daß
der eigenartige Unfall als die Ursache anznsehen war, konnte nicht zweifelhaft
sein. Der Mechanismus war offenbar der gewesen, daß während der plötzlichen
heftigen Muskelkontraktion, die der Verletzte angewendet hatte, um die An*
strengong zn überwinden, eine Zerreißung des Muskels eingetreten war. Die
eingeleitete Behandlung — Massage, warme Bäder, Elektrizität, Uebungen —
erzielte erhebliche Besserung. _ Dr. Solbrig-Allenstein.
Neurose Infolge der Einstellung der Bente kein Betriebsunfall« Be*
kurs-Entscheidung des BeichsTersicherungsamts Tom 10. Juni
1908.
Oberarzt Dr. P. nimmt auf Grund der yon dem Verletzten angegebenen
subjektiven Beschwerden zwar das Vorhandensein einer funktionellen Neurose
und deren Zusammenhang mit dem Unfall und den nachfolgenden Gemttts-
erregungen an. Aber gerade die Erwähnung dieser nachfolgenden Gemtits*
erregungen ergibt, daß die Neurose, wenn sie vorhanden sein sollte, nidit
durch den Unfall verursacht ist, sondern allein durch das spätere Verhalteu
des Verletzten im Kampf nm die Bentengewähruog hervorgerufen ist. Dies
um so mehr, als der Verletzte nach der Feststellung dieses Sachverständigen
ein gut genährter und kräftig gebauter Mann ist Er ist also an sich wider¬
standsfähig. Die Steigerung des Pulsschlages von 64 im Bnhezustande auf 96
nach zehnmaligem Heben eines Stuhles ist nicht auffällig, da nach Ansicht des
B.-V.-A. ein zehnmaliges Heben eines Stuhles eine nicht unerhebliche, jeden¬
falls eine dem Verletzten ungewohnte und darum die Steigerung des Pnls-
schlages ohne weiteres erklärende Anstrengung ist Ans der Steigerung des
Pnlsschiages auf dieser Grundlage kann daher nichts gefolgert werden. Ob¬
jektiv ist aber der Befand nach dem eingehenden, auf Veranlassung des B.-V.-
A. auch noch ergänzten Obergutachten des Professors Dr. von B. negativ.
Die Verbiegung der Wirbelsääe bat schon vor dem Unfall bestanden. Da
nach dem ärztlichen Gutachten wesentliche Folgen des Unfalls vom 27. Sep¬
tember 1904 nicht mehr vorhanden waren, so war der Bekurs des Verletzten
zurttckzuweisen.
Der Verlust des kleinen Fingers der linken Hand berechtigt nach
Angewöhnung nicht mehr zum Bentenbeznge« Beknrs-Entscheidnng
des Beichsversicherungsamts vom 19. Juni 1906.
Das B.-V.'A. hat bereits vielfach ausgeftthrt, daß nicht jede Verletzung
seiner körperlichen Unversehrtheit dem Versicherten einen Anspruch auf Un-
falirente gibt, und dies selbst dann nicht, wenn ihm infolge der Verletzung
gewisse Unbequemlichkeiten bei der Verrichtung seiner Arbeiten erwachsen.
Auf eine Bente hat nur Anspruch, wer in seiner Erwerbsfäbigkeit in einem
solchen Grade beeinträchtigt ist, daß die Beeinträchtigung im wirtschaftlichen
Leben als ein meßbarer Schaden in Betracht kommt; dies kann aber bei einer
Beschränkung der Erwerbsfähigkeit nm weniger als 10 ^'/o der Begel nach nicht
zugegeben werden.
Um eine solche Schmälerung der Erwerbsfähigkeit handelt es sich im
vorliegenden Falle. Nach den Gutachten der Aerzte bestehen die Folgen des
Unfalls vom 15. März 1907 nur noch in dem Verlast des kleinen Fingers der
linken Hand.
Eis liegt kein Anlaß vor, die Annahme des angefochtenen Bescheids zn
beanstanden, daß die Erwerbsfähigkeit des Klagers durch die noch bestehenden
Unfallsfolgen nicht mehr in nennenswertem Maße beschränkt wird. Auch die
Vorgesetzten des Klägers haben keine Beobachtungen in der Bichtnng gemacht,
daß er bei seinen Arbeiten durch den Fingerrerlust noch beeinträchtigt wird.
Der Kläger hat also keinen Anspruch auf eine Unfallronte mehr. Dem Bekurse
der Beklagten war daher stattzageben. (Kompaß; 1908.)
846
Kleinere Hitteilnngen nnd Referate am Zeiteebriften.
Der Terlut tob l^/t Glledera des reehtem ZeffeflBgers elaes
Selmledes bereehtigft Baeh ABgewVluiBBg Bleht mehr nm ReBteBbesage«
ReknrS'Entscheidang des ReichsTereichernngsamts Tom
19. Juni 1908.
Der Kläger hat die Spitse des rechten Zeigefingers in einer Ansdehnnng
TOB 2 V> cm verloren. Der Stumpf befindet sich aber in einer so nten Ver-
faranng, wie es bei einer Verletzang der vorliegenden Art ttbemanpt nur
mOgUcn ist. BlatumlaofstOmn^n sind nicht wahrnehmbar, anch keine Ab-
seichen fttr das Fortbestehen einer Drnckempfindlichkeit. Die Narbe ani der
Kuppe ist fest und glatt verheilt. Auf dieser bat sich sogar ein Nagelansats
gebildet. Die Gelenke des Stompfes sind frei beweglich und gestatten beim
Fanstschlnsse das Heranziehen des Stompfes an den Danmenballen. Ein
Mmkelschwond ist weder am Arme noch an der Hand vorhanden. Die Oreif-
fläche des Stompfes zeigt das gleiche verarbeitete Amsehen wie die Nachbar»
finger nnd die ganze Hand selbst.
Unter diesen Umständen ist im Anschlosse an die Gotacbten der Aerato
die Annahme gerechtfertigt, daß der Sobstanzverlmt am rechten Zeigefinger
jetzt, nachdem sich der Kläger an den veränderten Zostand seiner Hand ge>
wohnt bat, nicht mehr geeignet ist, eine wesentliche GebraochsstOrong an der¬
selben bervorzurofen. Ja es kann kaom noch davon die Bede sein, daß der
Sobstanzverlmt beim Gebranche der Hand noch gewisse Unbegoemlichkeitea
bereitet. Es fehlt daher ein gesetzlicher Gmnd zur For^ewährong einer Ent-
schidigong für den Unfall vom 21. Joni 1906. (Kompaß; 1908).
Die prozentuale Bemessong der Unfallfolgen bei zeboB vorber be-
elBtrlcbtlgter Erwerbsflblgkelt. Beknrs-Entscheidong desReicha-
versicherongsamts vom 11. Dezember 1907.
Bei der Festsetznng der Teilrenten von TI'/t, 35‘/7 nnd 21 */t */* ist der
Sektionsvorstand augenscheinlich von folgender Erwänng amg^angm: die
ärztlichen Schätzungen der Unfallfolgen anf 50, 25 nnd 15°/o der vOlDgen Er¬
werbsunfähigkeit beziehen sich auf einen vor dem Unfälle noch ganz erwerbs¬
fähig gewesenen Verletzten; der EUäger ist aber vorher schon um 80**/« io der
Erwerbsfäbigkeit beeinträchtigt gewesen; wenn er non von den noch vor¬
handenen 70**/o normaler Erwerbsfähigkeit durch den Unfall weitere 50, 25
nnd 15*’/o normaler Erwerbsfähigkeit verliert, so bedeutet das fttr ihn einen
Verlmt von ‘**/7o, *‘/7o und *‘/7o oder — in Hondertteilen amgedrttckt — von
71*/7, 35^/7 und 21*1 seiner in Ansatz zu bringenden persönlichen Erwerbs¬
fähigkeit. Diese Erwägung entspricht dem Gesetz, und die Berechnung ist
rein mathematisch zutreffend. Indessen darf nicht außer acht gelassen werden,
daß der Grad der durch einen Unfall herbeigeltthrten Erwerbsunfähigkeit nnd
der Grad der verbliebenen Erwerbsfähigkeit niemals mit unfehlbarer Genauig¬
keit bestimmt, sondern immer nur nach freiem Ermessen annähernd geschätzt
werden können. Einerseits in Anbetracht dieses, einer jeden Schätzung an¬
haftenden Mangels, und anderseits anf Grund der gesammelten Erfahrungen
haben sich in der Bechtsttbung der Unfaliversichernngsinstanzen allgemein ge¬
wisse abgerundete Prozentsätze heramgebildet und werden jedenfalls Ab¬
stufungen unter 5‘*/o und gar Bruchteile von Prozenten regelmäßig vermieden;
eine Ausnahme bilden nur die Sätze von 33> '8 und 66Vs°/„ die aber ein Drittel
und zwei Drittel der völligen Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit dar¬
stellen und insofern eine abgerundete Schätzung enthsdten.
Eine formelle Verpflichtung zur Anhörung des hehandelBden Arztes
gemäss § 69 Abs. 8 der Gewerbe-Dnf.-Vers.-Ges. liegt nur dann vor,
wenn sich die Entscheidung ausschliesslich oder doeh Im wesentlichen auf
eine eigentliche medlzinlschwissensohaftllche Feststellnng nnd Begut-
aohtnng grflndet. Bekurs-Entscheidung des erweiterten Senats
des Beichsversicherungsamts vom 6. Juni 1908.
Fttr die Aufnahme der Vorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 1 in das jetzt
geltende Gewerbe-Unf.-Vers.-Ges. vom 80. Juni 19(X) ist die Erwägung
hauptsächlich mitbeatimmend gewesen, daß gerade von demjenigen Arzte, der
den Verletzten unmittelbar nach dem Unfälle behandelt hat, die Feststellnng
wesentlicher Tatumsiände, die sich leicht der Kenntnis der erst später in An-
Kleinere lOtteilnngen und Befente nne Zeitsohriften.
847
sprach genommenen Aerzte entziehen, erwartet werden kann, and daß daher
die Anhdrang des erstbehandelnden Arztes znr Sieherang einer einwandfreien
Feststellnng des ursprünglichen Befundes geboten erscheint. Dieser Hanpt*
grond entfällt, wenn es anf die FeststeUang solcher Tatnmstände nicht
ankommt, es sich vielmehr im wesentlichen nar am die Bearteilong des Zu¬
standes handelt, wie er sich später infolge des Unfalles gestaltet hat Hier
wird- es in manchen Fällen der Anhörang eines Arztes Oberhaupt nicht bedürfen,
vielmehr werden andere Erkenntnisqneilen der zur Feststellung der ünfsH-
entschädigungen berufenen Instanzen, insbesondere die Augenscheinseinnohme,
die in ähnlichen Fällen gewonnene Erfahrung usw. eine sichere Entscheidung
ermöglichen. Dies trifft z. B. zu bei Beurteilung von Leistenbrüchen, einfachen
äußeren Hondveiletzungen, bei dem Verlust der Sehkraft eines Auges usw.
In dem zur Entscheidung stehenden Falle handelte es sich um den
glatten Verlust der Endglieder und annähernd der Hälfte des zweiten Gliedes
am Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand. Die Beurteilung dieser Unfall-
Verletzung war den Vorinstanzen auf Grund der Besichtigung der Hand sehr
wohl möglich, ohne daß es überhaupt der ärztlichen Begutachtung bedurfte.
Wenn dos Schiedsgericht dessenungeachtet noch einen ärztlichen Sachverständigen
gehört hat, so lag doch kein Grund vor, auch noch den behandelnden Arzt
zuzuziehen, da dessen Bekundung über den Befand nnmittelbor noch dem Un¬
fälle für die Bemessung der Bente ohne jede Bedeutung wäre.
D. Bukturlologl«, Iiifektloiiakraiikh«lt«]i ond öffeatliohua
BanltAtuweuen.
Bakteriologie, Infektlonekraakheiten und andere Krankheiten
Zu welcher Jahreszeit sollen wir Impfen 1 Von Kinderarzt Dr. Walther
Kampe- Bonn. Zentrolbiatt f. oUgem. Gesundheitspflege; 1908, 7. nnd 8. Heft
Verf. tritt für eine Aenderung der gesetzlichen Impfzeit, ntolich Ver¬
legung in die Monate Februar bis Aiffong Mai und Ende September bis Dezem¬
ber ein, da er die jetzt üblichen Sommermonate für sehr ungünstig hält
(Magen - Darmkrankheiten, Hautaffektionen infolge der Hitze bei Erstimpflbgen,
Unterbleiben des Badens für die Wiederimpflinge). Die angeführten Gründe
erscheinen keineswegs ausreichend, um eine Aenderung noch dem Vorschläge
des. Verl wünschenswert erscheinen zu lassen, vielmehr werden sich gewichtigere
Gründe anführen lassen, die gegen die Verlegung der Impfungen in die kältere
Jahreszeit sprechen. _ Dr. Solbrig-Allenstein.
Zur Bekämpfung der Granulöse. Von Med.-Bat Dr. Cohn, Kreis¬
arzt o. D. in Heydekrung. Vierteljahrsschr.für gerichtliche Medizin u. öffentl.
Sanitätswesen; 1908, Bd. XXXVI, H. 1.
Verfasser berichtet über seine Erfahrungen, die er während 9 Jahren
im Kreise Heydekrug gemacht hat. Er hat hauptsächlich zwei Formen von
Granulöse beobachtet, die er ids genuine nnd akute bezeichnet. Bei letzterer
ist die Ansteckungsfähigkeit besonders groß: bei den mangelhaften hygi¬
enischen Zuständen breitet sie sich sehr rosen ans. Seitens der Regierung
ist eine ganze Reihe teils prophylaktischer, teils therapeutischer Vorkehrungen
getroffen worden. Es wurden besonders vorgebiidete Trachomärzte —
meist die Kreisärzte — angestellt, die die einzelnen Schalen in vierwöchent-
lichen Intervallen aufsuchten und kontrollierten. Die erkrankten Kinder wurden
in Behandlung genommen und auch die Angehörigen maßten anf Verlangen
zur Untersuchung erscheinen. Bei besonders schweren Fällen kann die zwangs¬
weise Ueberführung in das Kreiskrankenhaus, die Universitäts-Augenklinik
oder dos Krankenhaus zur Barmherzigkeit in Königsberg erfolgen. Die nicht
unter Kontrolle stehenden Schulen werden jährlich durch den Kreisarzt besucht.
Ferner werden die Lehrer zur Behandlung herangezogen, indem ihnen die
Fertigkeit des Einträufelns von adstringierenden oder antiseptischen Lösungen
beigebracht wird. Schließlich sind in besonders betroffenen Gegenden Granu-
loseschwestern angestellt. Noch den Erfahrungen des Verfassers genügen diese
Maßregeln aber nicht. Einerseits liegt dies ln dem Mißtrauen der Bevölkerung
gegen die Troehom&rzte; denn nur durch Anwendung von Zwangsmaßregem
848
Kleinere Mitteilnngen nnd Refente nne ZeltaehrifteiL
sind die Erkrankten zur Bekandlong zn bringen, der sie sich auf alle mögliche
Art und Weise za entziehen soeben. Anderseits mnfi eine h&ndgere Kontrolle
stattfinden, was aber dem vielbeschäftigten Trachomarzt gar nicht möglich ist.
IHe Mitbehandiang der Lehrer hält Verfasser nach seinen Brfahmngen fftr
answeckmäßig; er wfinscht dafür eine größere Anzahl aasgebildeter Schwestern.
Nach allem kommt er za dem Besaltat, daß von der Begierang zwar alles
geschieht, was in ihren Kräften steht, daß dieses aber noch lange nicht ge¬
nügt. Unbedingt müsse in dem Etat eine größere Somme für die Trachom-
bekämpfang aasgeworfen werden, damit die Behörden größeren Spielraom
hätten. Oie Kontrollen durch die Trachomärzte müßten wöchentii<± statt-
flnden. Besonders wichtig sei die operative Behandlang, die jedoch häufig
nicht darchzoführen sei, weil die Kranken sehr ungern in das Kreiskranken-
haas gingen,die Angenklinik in Königsberg meistens überfüllt und eine Ver-
grOßerang der fiUinDc unbedingt notwendig sei, so daß jederzeit und in be-
Uebiger Anzahl Granulosekranke Aufnahme finden könnten. Bpd.
Die Bedeutnng der Kontaktiufektion fttr die Ansbreltnng der Taher-
knlose namentlich Im Kindesalter. Von Dr. Ostermann. Zeitschrift für
Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 60 und Flügge: Tuberkulose.
üntersuchungen in 20 ausgesucht schlechten Phthisikerwohnungen (ein
oder mehrere Phthisiker mit reichlichem Baziilenauswurf, Wohnungsenge,
Armat, Schmutz): Die Lebensgewohnheiten wurden studiert. Der Staub des
Fußbodens, auf dem die Kinder herumratschten, wurde auf das Vorhandensein
von Tuberkeibazillen geprüft. Entnahme teils mit trockenen, teils mit an-
gefeuchteten Wischern, ln 5 von 10 Fällen wurden Tuberkeibazillen durch
Verimpfung auf Meerschweinchen naebgewiesen (Imal in einer Verdünnung
1:100 der Staubbouillon). Manche der für Kontakt in Betracht kommenden
üebertragungsweisen entgehen der quantitativen Abschätzung (Küsse, Schnaller
und dergl.). Das wichtigste Glied in der Uebertragungskette, die Hand, wurde
bei 42 ändern (zumeist Butschkinder) auf Tuberkeibazillen geprüft; bei 4
derselben wurden Bazillen gefunden, 1 mal noch in der Verdünnung 1:1(X).
Trotz der ausgesucht schlechten Verhältnisse abo geringe Ausbeute; demnach
ist Schmutz- und Schmierinfektion bisher wohl überschätzt. Die Behauptung,
daß gerade im Kindesalter die Tuberkulosesterblichkeit durch die Kontakt¬
infektion anschwelle, beruht auf irrtümlicher Verwertung des Sektionsmateiials.
Richtig ist, daß die Sterblichkeit im Alter von 2-5 Jahren nachläßt.
Der Bartel sehe Meerschweinchenversuch, die sog. Ulustration der
Schmatz- und Schmierinfektion wird, auch experimentell, widerlegt.
Für Erwachsene spielt die Kontaktinfektion eine noch geringere Bolle.
Bei den gesunden Erwachsenen in obigen Familien nie Tuberkelbazilien an den
Händen. Größere Ausbeute war bei Pflegern und Phthisikern. Ob sich die Tu-
berkelbazillen von den Händen leicht lösen, wurde durch besondere Experimente
geprüft. Bei gewöhnlichem Händedruck schwer und gar nicht, leichter bei
feuchten Händen. Größere Ablösung erfolgte erst bei längerem Kontakt (‘/t bis
1 Min) in feuchten Medien (Nase, Mund). Zu alledem kommt, daß durch die
Kontaktinfektion nur eine Deglutitionstuberkulose sich entwickeln kann; hier
sind zur Infektion Bazilienmengen erforderlich, die in Wirklichkeit nur selten
zur Aufnahme gelangen. Wo Kontakt mit Tuberkeibazillen möglich ist, be¬
steht gleichzeitig immer die viel größere Gefahr der Inhalation.
Autoreferat.
Infektionschancen beim Genuss von Milch nnd Mllehpräparaten von
perlsttchtigen Kühen. Von Dr. Oster mann. Zeitschrift für Hygiene und
Infektionskrankheiten; Bd. 60 und Flügge: Tuberkulose.
Quantitative Prüfung des Vorkommens von Tuberkeibazillen in der Milch
perlsüchtiger Kühe und in den daraus gewonnenen Präparaten: Bahmj Butter,
Buttermilch (Meerschweinchenimpfungen): Die erste Probe erwies sich noch
in einer Verdünnung von 1: 5000 als bazillenhaltig, daraus gewonnener Bahm,
Butter, Buttermilch in der Verdünnung von je 1: i(X)0. ln zwei Parallelver¬
suchen einer anderen Probe Milch 1: 50000 noch positiv; Bahm, Butter, Butter¬
milch noch 1: lOOOO. Aeußere Umstände gestatteten leider nicht die Fort¬
setzung der Versuch; es geht jedoch schon hieraus hwvor, daß in der MUeh
Kleinere Mitteilongen and Keferate ans 2teitschriflen.
849
perlettchtiflrer Kfthe nngehenre Mengen Ton Taberkelbazillen enthalten sein
können. Die Umstände werden erOrtert, welche gegen die Gefahr wirken, die
der Gesamtmilch darch die Milch perlsttchtiger Etthe drohen (Pasteorisieren,
Verdünnang in den Molkereien, schwankende Absonderung der Bazillen von
seiten der kranken Koh, besonders im Anfang der Eatertnberknlose nur ge¬
ringe Absonderang, Aasmerzen der erkrankten EOhe darch die Tätigkeit der
Herdbachgenossenschaften). Aas der Literator geht hervor, daß nar ca. 10*/o
der Milch- and Batterproben bazillenhaltig sind, and unter diesen nur wenige,
welche erhebliche Quantitäten enthalten. Zar intestinalen Infektion sind aber,
namentlich ftkr Perlsachtbazillen, ungeheure Bazillenmengen erforderlich (vgl.
die unten referierten Arbeiten). Daher wird die Gefahr der Perlsachtinfektion
auf einzelne Aasnahmefälle beschränkt sein [dauernder Genuß der Einzelmilch
einer perlsachtkranken Kah (Eatertaberkalose)]. Die allgemeine Tuberknlose-
freqaenz wird dadurch kaum beeinflaßt. Autoreferat.
Weitere Beiträge snr Frage über die Beiiehnngen iwisehen SBng-
llngsemihrung und Tnberknlose* Von Dr. Bruno Hey mann. Zeitschrift
für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 60 und Flügge: Taberkalose.
Karzgefaßte Würdigung der pathologisch - anatomischen Ergebnisse, nach
deren überwiegender Mehrheit die primäre Ansiedlong der Taberkalose im
Darm und in seinen regionären Lymphdrüsen auch im Kindesalter Überaus
selten ist. Daraus folgt geringe Bedeatang der Milch für Taberkaloseinfektion.
Die von Behringsche Behaoptang wiederum, daß auch die Lungentaber-
kalose nur aaf die intestinale Anfnahme der Taberkelbazillen zurückzuführen
sei (Milchgenaß, Durchwinden der Bazillen durch die unverletzte Darmwand —
Lymphstrom — Blutkreislauf — Lunge), wird auch durch die neuen biologi¬
schen Prüfungen der tuberkulösen Verändernngen am Menschen widerlegt.
Eine kritische Sichtung derselben zeigt, daß überall der Typus humanus den
bei weitem hervorragenden Anteil an der Infektion hat.
Im Einklang damit stehen die Mitteilungen der Autoren, welche das
Verhältnis der Menschentuberkulose zur Bindertuberkulose in den Gegenden
besonders studieren, in denen die Bindertaberkalose eine hervorragende Ver¬
breitung hat.
Andere Beweise bietet Hey mann durch neue ethnographische Beiträge
aus Bumänien, den Faer-Oer Inseln, Aegypten und von der (ioldküste.
_Dr. Ostermann-Breslau.
Die Disposition der Lunge rar Erkrankung an Tuberkulose« Von
Dr. Oettinger. Zeitschr. f. Hyg.; Bd. 60 n. Flügge: Tuberkulose.
Kaninchen wurden mit den Aufschwemmungen verschiedener Bakterien¬
arten intravenös injiziert und nach 1 bezw. 8—4 Standen getötet. Ans den
einzelnen Organen Nachweis der Bakterien kulturell, und zwar so, daß
die einzelnen Organe auch quantitativ verglichen werden konnten. In allen
Versuchen enthielten die Lungen die geringste Menge von Bakterien im Ver-
S leich zu den anderen Organen. Die Langen wirken also keineswegs als
iakterienfilter, wie vielfach angenommen. Ein Versuch mit Taberkelbazillen
ergab, obwohl die quantitative Bestimmung (biologisch) große Schwierigkeiten
machte, ein entsprechendes Besultat. Auf die Taberkalose übertragen, bedeuten
diese Experimente also, daß das vorwiegende Erkranken der Langen nach dem
Uebertritt von Taberkelbazillen in den Kreislauf lediglich an der größeren
Disposition des Lungengewebes liegt, auch auf die Invasion weniger Bazillen
mit einer Erkrankung zu reagieren, liegt. Dr. Ostermann-Breslau.
Untennehnngen Aber die Infektion einer Tnberknlose dnreb Inhalation
von trockenen Spntnmstanb. Von Dr. Köhlisch. Zeitschr. t Hyg. u. Inf.;
Bd. 60 n. Flügge.: Taberkalose.
Inhalation basillenhaltiger Tröpfchen bewirkt nach allen Versuchen in
viel kleineren Dosen und viel gleichmäßiger eine Infektion, als Inhalation
bazillenhaltigen Staubes (für Minimaldosis zirka 3600 BazUlen für Meerschwcdn-
chen, bei Tröpfchen 60). Nur 2 - 7 */o des Staubes gelangen in die feinsten
Bronchien (Tröpfchen 88<>/o). Von den anhaftenden Bazillen bewirkt wiederum
nur ein Bruchtdl Infektion (der andere darch Auslosung der Flinuneibewegang?
860
Kleinere Mitteilungen und Beferate ans Zeitaohriften.
der Phagosythoae? eliminiert). Der Versnoh, Meerachweinohen durch iäaatmen
Ton Staub aua Phthiaikerwohnungen zu infizieren, mißlang in allen Fällen, obwohl
Tuberkelbazillen in dem Staub vorhanden waren (poaitiver Eontrollimpfrerauch).
Die Verhältnlaae liegen alao für daa Zoatandekommen der Siaubinlektiou
(Comet) weaentlich ungttnatiger wie Ittr die Trbpfcheninhalation.
_Dr. Oatermann-Brealau.
Tersuehe am Meeraehweluehen über die Aufhahme inhalierter
TnberkeibaiUleu in die Lunge. Von Dr. Heymann. Zeitachr. f. Hyg. u.
Inf.; fid. 60, und Flügge: Tuberkuloae.
I. Biologiacher Machweia: ln der Lunge mittelgrofier Meerachweinehea
aind in 1 Stunde und apäter nach der Inhalation einea tuberkelbazillenbaltigea
Spray’a aelbat bei mittleren Doaen (10 000 Bazillen) ateta Tuberkelbazillen nach*
zuweiaen, und zwar auch in den peripheren Teilen der Lungenbaaia. ln den
Bronchlaldrüaen aind bei mittleren Doaen (10000—100000 Bazillen) erat 3 Tage
nach der Inhalation Bazillen nachzuweiaen, nach 6 Tagen wieder nicht mehr
(rernichtet? weitergewandert?). Bei hohen Doaen (100000 Bazillen) aind auch
in den Bronchialdrüaen bereite 1 Stunde nach der Inhalation Bazillen nach-
weiabar und yerachwinden nicht mehr.
IL Hikroakopiacher Nachweia: Der direkte mikroakopiache Nachweia
gelang. Die Tuberkelbazillen liegen meiatena in den Epith^ellen, aeltener
ua Leukozythen zwiachen den Epithelien oder frei im Lumen der Lufträume;
alao an den Stätten, an denen bezw. von denen aua die Wucherung der Bazillen
und die Bildung dea Tuberkela beginnen. Dr. OatermanU’Brealan.
Das Sehlekgal Inhalierter Sehtmmelpilmperen. Von Dr. Ballia.
Zeitachr. f. Hyg. u. Inf.; Bd. 60 und Flügge: Tuberkuloae.
Veranche mit Aspergillus fumigatna ergaben, daß die inhalierten Sporen
sehr rasch, zum Teil acbon nach 8 Stunden die Alyeolarwände paaaierea und
in den Alreolarsepten zum Anskeimen gelangen. Die Sporen des weniger
virulenten Aspergillua niger drangen langsam & das Qewebe vor und keimten
nicht aus. Die Sporen von PenicUliom glaucum drangen wohl ebenso schnell
wie die dea Aspergillns fnmigatus in das Gewebe ein, riefen hier aber eine
erheblich schwächere Beaktion hervor. Brandpilzsporen vermochten erst am
2. Tage in die Septen einsudringen. Nach Verfütterung konnten weder kul¬
turell, noch mikroakopiach Sporen im Lnngengewebe naimgewiesea werden.
Dr. Oatermann-Brealau.
Tersuehe über die Durehglnglgkeit dea Darmes ffir Tuberkelbazillen.
Von Dr. Beichenbach u. Dr. Bock. Zeitachr. t Hyg. u. Inl.; Bd. 60
und Flügge: Tuberkulose.
Füiternngaversucbe mit Typus bumanus: 4—6 Std. uach der Aufnahme
wurden die Tiere getütet; die einzelnen Organe zerkleinert und verrieben
Meerschweinchen injiziert. Von 4 Hunden konnte bei einem ein Durchwandern
der Bazillen durch die Darmwand beobachtet werden (Befund in Mesenterial-
drüsen, Leber, Lunge). Fett (Sahne) scheint den Durchtritt zu begünstigen.
Bei 27 Meerschweinchen, die teilweise mit der Sonde gefüttert wurden, um
Fette mit einzuführen, wurde dagegen nicht ein einziges Mal ein Durchtritt
der Bazillen beobachtet, der als physiologisch bezeichnet werden konnte.
Nur 1 mal am 8. Tage nach der Infektion mit einer tödlichen Dosis fanden
sich Bazillen in der Lunge und einmal in den Meaenterialdrüaen. Ebne rasche
Erkrankung der Lunge deutet also immer auf eine primäre btonchogwe
(Tnhalations)infektion hin und nie auf eine intestinale Aufnahme.
_Dr. Ostermann-Brealan.
Das Verhalten des Kaulnehens gegenftber den versehiedeaeu In*
fektlonswegen bei Tuberkuloae und gegenüber den venehiedenen Arten
dea TuberkelbacUlns. Von Dr. Alexander. Zeitachr. f. Hyg. u. 1hl;
Bd. 60 und Flügge: Tuberkulose.
Die Fütterung steht beim Kaninchen für die Infektion mindestens eben¬
soviel hinter der Inhalation suiück wie beim Meerachweinchen. Inhalation
und intravenöse Iqjektion verhalten sich ungefähr gleieh inbeing auf wirksame
Kleinere Hitteilnngen nnd Befeiate ana ZeitechrlfteB.
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MinimaldoBia und die fttr die Wirkung erforderliche Zeitdaner. Im Vergleich
zom Meerschweinchen läßt sich das Kanichen durch Inhalation mit dem ^pus
hnmanns viel schwerer infizieren. _ Dr. Ostermann-Breslau.
Experimentelle Untersnehnngen über die Eintrittswege der Tnber-
knlose* Von Dr. Beichenbach. Zeitschr. f. Byg. n. Inf.; Bd. 60, and
Flttgge: Taberkolose.
I. Vergleichende Versuche ttber Inhalation und Fütterung yon Meer¬
schweinchen mit Tuberhelbazillen als Ergänzung der Findel’schen Arbeit
(s. diese Zeitschr. |1907, 8. 805): Die kleinste wirksame Dosis war bei ein¬
maliger Fütterung'^ 350 000 mal so grofi wie bei der Inhalation.
II. Versage an Ziegen: Während bei der Inhalation 0,01 mg Kultur
des Typus boyinus zur Erzeugung einer schweren Langentuberkulose genügt,
weisen Ziegen, die mit 5 und 25 mg gefüttert waren, nur schwache, mikro¬
skopisch nachweisbare Veränderungen der Mesenterialdrüsen auf. Ebenso wie
bei den Meerschweinchen konnte auch hier nicht die Bede dayon sein, daß die
sonstwie beobachteten Lungentuberkulosen yon Darm aus durch yerscbluckte
Bazillen entstanden sind.
lU. Fütterung yon Meerschweinchen mit wiederholten kleinen Dosen:
Geringste Einzeldosis 5—10 mg. Kultur. Bei fortgesetzter Fütterung entscheidet
innerhalb gewisser Grenzen weniger die Größe der Einzeldosis, als der Zeitraum,
wäbrendessen die Fütterung fortgesetzt wird (selbst 51 mal 0,02 mg hatte
Erfolg). Bei vergleichenden Inhalationsyersuchen genügten jedoch schon
8 mal 3 Bazillen zur Infektion der Longe.
IV. Inhalationsversuche mit Ausschluß des Nasenrachenraums: Aus
allen Experimenten folgt, daß die Infektion auf dem Inhaiationswege leichter
nnd mit viel geringeren Dosen erfolgt, und zwar bewirken ausschließlich die
wenigen direkt in die Lunge gelangenden Bazillen die Infektion.
Dr. Ostermann-Breslau.
Ueber Toberkelbazillen in der Milch tuberknlSser Tiere. Von
Dr. D. A. deJong in Leyden. Zentraiblatt für Bakteriologie; I. Abt. Orig.,
Bd. 46, H. 3.
Daß Milch von an Eutertuberkulose oder an schon klinisch manifester
Tuberknlose anderer Organe leidenden Kühen vom milchhygienischen 8tand-
punkt aus zu beanstanden ist, unterliegt beute keinem Zweifel. Dagegen
gehen die Ansichten betreffs der Milch solcher Kühe, welche, ohne klinische
Symptome zu zeigen, lediglich auf Tuberkulin reagieren, noch sehr auseinander.
D e J o.’n g hat die Milch solcher Kühe, die lediglich auf Tuberkulin reagierten,
nach gründlicher Beinigung des ganzen Hinterteils und des Euters der Kühe
in verschiedenen Portionen aufgefangen, nnd besonders die letzten Portionen
aus jeder Euterzitze durch Veriropfen auf Meerschweinchen auf das Vorhanden¬
sein yon Tuberkelbazillen untersucht. Dabei konnte er bei 3 von 10 Kühen
die Bazillen nachweisen. Er glaubt deshalb zur Vorsicht mahnen zu müsisen,
und rät, wenn man absolut sicher gehen wolle, nur Milch von solchen Kühen
zu verwenden, welche klinisch gesund sind und auf Tuberkulin nicht reagieren.
Dr. Lentz-Berlin.
Kutane Tuberknlinreaktion bei Säuglingen. Von Dr. Ellenbeck-
Dresden. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 42.
Verfasser berichtet über das Besultat der Versuche, die im Dresdener
Säuglingsheim gemacht wurden. Er kommt dabei zu folgenden Schlüssen;
1. Die Kutanreaktion ist als diagnostisches Hilfsmittel bei der Säuglings-
tuberkulose sehr wertvoll, da sie harmlos, einfach und zuverlässig ist.
2. Eine positive Beaktion ist oft das erste Zeichen der noch nicht mani¬
festen Tuberkulose und kann daher unser Wissen über den Verlauf der Säug-
lingstuberkulose vermehren.
3. Als positive Beaktion ist nur eine solche aufzufassen, wo sich eine
deutliche rote Papel gebildet hat. Die zweifelhaften Eeaktionen sind als
negativ aufzufassen.
4. Der negativen Beaktion kommt in vielen Fällen eine hohe diagnosti¬
sche Bedeutung zu. Auf den negativen Ausfall der Kutanprobe ist aber erst
852
Kleinere Hitteiinngen nnd Referate ans ZeitachrifteiL
nach mehrfacher Wiederholang in angemessenen Zwischenräumen (18 Tage)
Wert za legen.
5. Die positive Reaktion ist bei dem üntersnchangsmaterial 5mal bei 232
wahllos gemachten Sanglingen vorgekommen and zeigt, daß die Saaglingstnber-
kalose aach bei anfänglich gedeihenden Kindern eine schlechte Prognose bietet.
- Bpd.
Heber den Wert der BSnfgendlagnostik der Frfihtnberknlese der
Langen. Von Prof. Dr. Er aase'Jena. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 29.
Auf Oiand seiner Eifahrangen kommt Verfasser za folgenden Besaiteten:
A. Leistangen bei der Frtthtnberkalose der Erwachsenen.
1. Perkassorisch nachweisbare infiltrative Prozesse der
Spitzen, die eine gewisse Aasdebnong haben, geben bei der Darchleachtang
einen mehr oder minder tiefen Schatten.
Die Böntgenantersnchnng ist insofern der klinischen häufig ftberlegoi,
als sie dartat, daß der Prozeß in vielen Fällen aasgedehnter ist, als ver¬
mutet wird.
2. Perkassorisch nicht oder nnr unsicher nachweisbare
Infiltrationen können häufig durch die Darchleachtang oder bei zweifelhaften
Darchleacbtangsresaltaten sicher noch durch die Böntgenphotographie (Blenden-
aofnahme) nacbgewiesen werden; auch hierbei wird nicht selten entdeckt, daß
es sich am weiter vorgeschrittene Fälle handelt, als es erwartet wird.
3. Bein katarrhalische Prozesse im Frühstadiom sind weder röntgeno-
skopiscb, noch röntgcnographisch nachweisbar; bei länger bestehendem Katarrh
sieht man infolge schlechteren Lnftgehaltes bei der Darchleachtang dunklere
Spitzen, welche sich inspiratorisch nicht aafhellen; bei praktisch wichtigen
Fällen sollte stets die Photographie (Blendenaufnahme der Spitzen) heran¬
gezogen werden (häufig beginnende infiltrative Prozesse, welche aaf andere
Weise nicht nachweisbar sind).
4. Höherstand der Langenspitzen (in zweifelhaften Fällen
orthodiagraphische Messangen) spielt nar bei Differenzen von 1—1</> cm eine
Bolle; Breite der Lungenspitzen ist noch nicht genügend röntgenograpbisch
studiert, um diagnostisch Verwendung za finden.
Die Verknöcherung der 1. Rippe ist mittels Blendenaofnahme gat
nachweisbar and im Sinne Freunds als Zeichen der Frtthtuberkalose zu
verwenden.
Die respiratorische Aafhellung der Lungenspitzen, welche
bei Gcsanden vorhanden ist, fehlt häufig einseitig oder doppelseitig bei der
Frühiuberknlose.
Die Zwerchfellstellang ist vielfach mangelhaft; ein einseitiges
Zarttckbleiben des Zwerchfells auf der erkrankten Seite (Williamsches Phä¬
nomen) kann als besonderes Symptom nicht anerkannt werden und ist daher
diagnostisch nicht za verwerten (orthodiagnostische Messangen erforderlich).
Stellung der Bippenschatten im Böntgenbilde ist diagnostisch
nicht oder nur mit Vorsicht za verwenden.
B. Leistungen bei der Frtthtaberkulose der Kinder
and jugendlicher Personen.
In den meisten Fällen fehlen dabei Langenspitzenbefande; desto wich¬
tiger ist der Nachweis der Veränderangen am Hilasschatten (vergrößerter
Bronchialdrttsenschatten infolge von Indarationen, Verkäsung, Verkalkung,
iufiltrative Prozesse in der Umgcbang des Eilas and der Bronchien); recht
häufig hat der Verfasser dabei das Bild der zentralen Pneumonie infolge
Pneumokokkenmischinfektion gesehen. Trotz Entfieberung geht röntgenoskopisch
der Prozeß langsam weiter vorwärts und wird nach Wochen auch perkassorisch
und auskaltatorisch (and bakteriologisch) als Taberkolose erkannt. Bpd.
Das Rfinlgenverfahren und seine Entwickelung ftlr die Diagnostik
der Lungen- nnd BronchialdrUsen - Tuberkulose. Von A. Eyritz-Ober-
kaufuDgen. Ing. Dbs. Marburg 1908.
Verf. hofft durch Mitteilang von 6 typischen Fällen, die nicht etwa verein¬
zelte Befände darstellen, sondern ans der Menge ähnlicher Bilder herausge^riffen
sind, gezeigt zu haben, daß dem Böntgenverlahren Uer noch eia weites, dank-
Kleinere Mitteilnngen and Referate ane Zeitsobriflen.
858
bares diagaostisches Feld offen sieht; er möchte am Schiasse der Arbeit aaf
die Motire hinweisen, mit denen aach de la Camp die weitere Förderung der
Rötgendiagnostik propagiert: „Die physikalische Untersnchang eines Organs
kann erst als abgeschlossen gelten, wenn sämtliche verfügbaren Untersnchangs*
metbodcn zur Anwendang gekommen sind. Wertvoll erscheint dabei die
Bestätigung des Dnteraachangsbofundcs durch eine andere; unersetzlich das
Ergebnis, das eine Methode kraft der ihr zukommenden •Eigentümlichkeit zu
leisten imstande ist."
In diesem Sinne worden wir auch von der RöntgenanterBuchang über
die Bestätigung dos perkutorischen und auskultatorischen Befundes hinaus
weitere Ergebnisse auf dem Gebiete der Frühdiagoose der Langentuberkulose
erwarten können, die eben der Köntgenoskopie und Röntgenograpbie eigen¬
tümlich sind, und die nicht nur die divergenten Ansichten über die Aetiologie
des Spitzenkatarrhs bezw. den Infektionsweg zu festen Normen verdichten,
sondern auch unser therapeutisches Handeln beeinflussen können.
_ Dr. Wo 11-Marburg.
Klinische und experimentelle Beitrflge zur Konjunktlvalreaktion.
Von Privatdozent Dr. G. JLüdke-WUrzburg. Zentralblatt für innere Medizin;
1908, Nr. 28.
Verfasser verwandte eine 2prozentige Lösung von Alttuberkulin und
kam zu dem Resultat, daß die Ophthalmoreaktion weder bei Tuberkulose, noch
bei Typhus als eine spezifische anzusehen ist, daß der positive Ausfall wohl
meist für Tuberkulose spricht, der negative aber Tuberkulose nicht mit Sicher¬
heit aasschließt. Auch eine prognostische Bedeutung kann er der Methode
nicht in jedem Falle zugestehen. Dr. Wo 11-Marburg.
Untersuchungen über die Ophthalmoreaktion der Tuberkulose. Von
Marine - Stabsarzt Dr. Wiens und Oberarzt Dr. Günther - Breslau. Münchener
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 36.
Nach Abschluß der Untersuchungen von 456 Fällen halten die Verfasser
in ihrem Endurteil die Anwendung der Ophthalmoreaktion in der Praxis nicht
für zweckmäßig, da sie einerseits keine ganz sichere Resultat gibt, anderseits
die Möglichkeit schwerer Reaktionen nie ausgeschlossen werden kann. In der
EUnik wird sie gelegentlich eine Unterstützung anderer Untersuchungsmethoden
sein können. _ Dr. Waibei-Eempten.
Ueber gefUhrllche Folgen der Calmetteschen Ophthalmoreaktion.
Von Dr. P. Schrumpf, Assistenzarzt in Straßbarg. Münchener medizinische
Wochenschrift; 1907, Nr. 43.
Verfasser berichtet über einige sehr unangenehme Erfahrungen, die er
bei der Vornahme der Ophthalmoreaktion gemacht hat und laßt das Ergebnis
seiner Untersuchungen in folgende zwei Schlußsätze zusammen:
1. Die mit allen Vorsichtsmaßregeln augestellte Calmettesche Oph¬
thalmoreaktion kann zu dauernden schweren Schädigungen des Auges führen.
2. Daher ist dieselbe mit großer Vorsicht anzuwenden und sind die
Patienten vorher über die damit eventuell verbundenen Gefahren aufmerksam
zu machen. _ Dr. Waibei-Eempten.
Die Bedeutung der Konjunktlvalreaktion nach 4000 klinischen Be¬
obachtungen nebst Bemerkungen Uber Tnberkelinimnnitiit und Therapie.
Von Dr. A. Wolff-Eisner, Arzt 1. innere Erankbeiten in Berlin. Münchener
msd. Wochenschrift; 1908, Nr. 45.
Verfasser verbreitet sich in längeren Ausführungen über die bisherigen
Ergebnisse der neuen TuberkuUnreaktionen und faßt seine Ansführungen in
folgenden Sätzen zusammen:
1. Die Subkutan- und Eutanmethode sind spezifische Reaktionen auf
Tuberkulose; da beide auch latente Tuberkulosen anzeigen, sind sie für die
klinische Diagnostik nur mit Einschränkung verwendbar.
2. Die positive Eonjonktivalreaktion zeigt aktive Tnberknlcse an.
8. Ihr Auftreten bei klinisch Gesunden macht diese dringend susp'^k*.
854
Kleinere Mitteilungen und Referate nne Zeitschriften.
4. Ihr negntiver Ausfall bei manifester Tuberkolose hat eine prognostisch
ungünstige Bedeutung.
5. Die negativen Reaktionen werden mit dem Fortschreiten der Er¬
krankung immer häufiger.
6. Aus einer positiven Eonjunktivalreaktion ist kein Schluß auf eine
günstige Prognose zu ziehen, sondern nur aus der sog. kutanen Danerreaktion.
7. Es ist möglich, in für das Leben indifferenteren Gewebsteilen, wie
z. B. im Bindegewebe, Rezeptoren zu schaffen, welche Tuberkulin an sich
ziehen und die Qiftwirkung lokalisieren. Diese Beobachtung läßt sich
therapeutisch verwerten. _ Dr. Waibel*Eempten.
Ueber primäre Darmtuberkulose bei Erwachsenen. Von Professor
Dr.B. Fischer in Bonn-Cöln. Münchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 38.
Wenn auch fttr*die Mehrzahl der Fälle menschlicher Tuberkulose die
agrogene Entstehung feststehen dürfte, so darf man doch nicht schematisieren.
Die Tuberkulose kann auf allen Wegen entstehen, von der Haut aus, vom
Rachen aus, von den Genitalien oder vom Darme her etc. Bei Kindern ist
der Infektionsweg vom Darm aus kein seltener. Dagegen haben wir nach dem
anatomischen Befunde nur selten Veranlassung, beim Erwachsenen eine primäre
Darmtuberkulose anzunehmen, da die enorme Häufigkeit der Bronchial-Drüsen-
tuberkolose, besonders in der verkalkten und verkreideten Form, beim Er¬
wachsenen alle anderen Befunde von Tuberkulose überwiegt und sich zum
mindesten häufiger Residuen von MesenterialdrUsentuberkuose nachweisen
lassen müßten, wenn der Darm die Eintrittspforte wäre.
Verfasser hat im Laufe der Jahre 3 Fälle von Tuberkulose bei Er¬
wachsenen gesehen, bei denen er mit großer Wahrscheinlicbkeit eine primäre
Darminfektion annehmen möchte. Nach ausführlicher Mitteilung seiner Be¬
obachtungen mit Sektionsbefund hält er seine Fälle für die Lehre von der
Ausbreitung der Lungentuberkulose überhaupt beachtenswert. Auch die aörogea
entstandene Lungentuberkulose kann durch sekundär hinzutretende tuberkulöse
Darmgeschwüre deletär beeinflußt werden; denn von diesen Geschwüren ans
erfolgt eine Infektion der Mesenterialdrüsen und von hier aus kann auf dem
Wege der Chylusgefäße und des Ductus thoracicus eine ausgedehnte dissemi-
nierte (hämatogene) Lungentuberkulose herbeigeführt werden, während der
primäre Lnngenbefnud vielleicht noch klein ist. Ja selbst ohne lokal im Darm
und in den Mesenterialdrüsen schwerere tuberkulöse Veränderungen zu er¬
zeugen — ganz dürften dieselben ja nicht fehlen — könnten in einzelnen
Fällen Bazillen ans dem verschluckten Auswnrf anf diesem Wege wieder in
die Lungen gelangen und so eine rapide Lungentuberkulose veranlassen. Man
kann deshalb die Phthisiker nicht genug vom Verschlucken ihrer Spnta ah-
halten. _ Dr. Waibel-Kempten.
Tuberkulose - Immunblut, Tuberkulose - Immunität und Tuberkulose-
Immunblnt (I.-K) - Behandlung. Von Dr. Carl Spengler in Davos. Deutsche
Med. Wochenschrift; 34. Jahrgang, Nr. 38.
Während man bisher der Meinung war, daß das Serum der hauptsäch¬
liche Träger der Immunität ist, hat Carl Spengler mit Hilfe einer genial
ausgedachten üntersnchungstechnik nachgewiesen, daß die Zellen „die Hanpt-
produktions- und Anhänfnngsstätten“ der Immunkörper sind. Die Hanpt-
Immunkörper des Tuberkulose-Immunblutes sind Lysine und Antitoxine. Die
ersteren vernichten das Protoplasma der Bakterien, nachdem sie ihre Hüllen
gelöst haben. „Die lytischen Wirkungen sind den Gesetzen der Dissoziation
unterworfen. Die konzentrierten Lysine wirken schwach, die hohen, unter
Umständen millionenfachen Verdünnungen stark lytisch. Ein ähnliches, wenn
auch nicht völlig übereinstimmendes Verhalten zeigen die Antitoxine.*
Ein großes Interesse haben die Ergebnisse der zahlreichen Blnt-Immuni-
täts-Untersuchungen. Nach diesen hat der erwachsene gesunde Mensch große
Immnnkörpermengen in seinen Blutzellen; er ist also tnberkuloseimmun. (Be¬
stätigung der Befunde von Ponfick, Nägeliu. a.) „Phthisisch we^en
diejenigen eesnnden Menschen, die ihres Immunitätsschntzes verlustig gdien.*
Die Ergebnisse dieser Forschungen führen notwendig zu der Tuberkulose-
Immunität (I. K.) - Behandlung 1
Kleinere Milteilangen and Referate aas Zeitschriften.
866
Carl Spengler fand die fttr die Praxis aoßerordentlich wichtige Tat*
Sache, dafi die chemisch rein dargestellten Immunkörper des Blutes von imma*
nisierten Menschen und Tieren nHeil* und Immanisationssabstanzen fttr Menschen
und Tiere sind.“
Nachdem die Wirkungsweise des I. E. geschildert ist, werden seine
Eigenschaften and Anwendungsweise besprochen. Dem Praktiker werden fOr
sein Verhalten genaue Vorschriften gegeben. Natttrlich wird man gut ton,
das alles, wenn irgend möglich, an Ort and Stelle za studieren.
Aassichtsroll erscheint der Hinweis darauf, daß noch „eine Menge anderer
Infektionskrankheiten, wie Lepra, Eiterungen, Cerebrospinalmoningitis, Syphilis
einen mit der Tuberkulose übereinstimmenden Immunitätsmechanismns haben.“
Wir haben es mit den Ergebnissen der langjährigen Arbeiten eines
Forschers zu tun, welcher auf Grund seiner Vorbildung — Carl Spengler
war mehrjähriger Mitarbeiter von Koch — wie kein anderer dazu berafen
war, an die Aufgabe, welche er sich gestellt hatte, heranzagehen. Auf
Grand der Beobachtungen, die Referent wärend eines längeren Aufenthalts in
Davos gemacht hat, hat er die Ueberzengung gewonnen, daß Verfasser diese Auf¬
gabe gelöst und mit seiner Behandlung der Tuberkulose eine neue aassichts¬
volle Aera eröffnet hat. Von besonderem Interesse war fttr den Referenten die
Beobachtung, daß selbst schwere, nicht zu hoch fiebernde Phthisiker ambulant
und zum Teil sogar in ihrer Berufstätigkeit behandelt and geheilt werden
können.
Eine Arbeit, welche an der Hand einer reichhaltigen Kasuistik die ttber-
raschenden Erfolge der I.-E.-Bebandlong demonstrieren soll, wird bald tun¬
lichst nachfolgen. _ Dr. Radloff-Wiesbaden.
Erfahrungen mit Marmoreks Antltnberknlosesernm. Von Dr. Da-
manski und Dr. Milenko in Lemberg. Medizinische Klinik; 1908, Nr. 86.
Verfasser haben genau nach den Vorschriften Marmoreks (8 Tage
subkutane Einspritzungen, zirka 6 ccm täglich, 14 Tage per anam 6 ccm täg¬
lich, 8 Tage Pause, 3 Wochen per anum 5 ccm täglich) Versuche mit seinem
Serum angestellt, die aber so ungünstig verliefen, daß sie dieselben bald
aufgaben. Sie führen die Krankheitsgeschichten von 6 Fällen an. Eine
Heilung war in keinem Falle zu konstatieren. Zwei Kranke zeigten ganz ge¬
ringe Besserung, drei dagegen erhebliche Verschlechterung. Den in einem
Falle eingetretenen Tod, wo sowohl in der Lunge wie im Darmkanale frische
tuberkalöse Eruptionen gefunden worden, sind sie geneigt, in Zusammenhang
mit der Therapie zu bringen. Angesichts ihrer Resultate können sie das Mittel
nicht empfehlen. _ Rpd.
Die operative Beeinflussnng einseitiger Lungenphthise dureh totale
Brustwandmobilisierung und Lungenentspannung (Plenro-Pneumolysls).
Von Prof. Dr. P. L. F r i e d r i c h - Marburg. Archiv f. klin. Chirur.; 81. Bd., 8. H.
In Fällen von fibrös • kavernöser, vorwiegend einseitiger Lnngenphthise,
welche unter wechselnder Fieberbildung trotz aller interner und klimatischer
Therapie langsam, aber stetig fortschrcitet, oder bei denen eine gewisse Tendenz
zur Ausheilung (tiefe Einziehungen osw.) naebzuweisen ist, empfiehlt es sich,
die Entspannung des kavernösen Langen-Gewebes, die Volumeneinengung und
Schrumpfung der Langen operativ herbeizuführen und zu antersttttzen.
_ Dr. Wolf- Marburg.
Weitere Aufgaben im Kampfe gegen die Tuberkulose. Unterbringung
Schwerkranker. Von Dr. Rumpf-Ebersteinburg. Aerztliche Mitteilungen
ans und für Baden; 1908, Nr. 15 und 16.
Verfasser weist darauf hin, daß, so wichtig und fördernd im Kampfe
gegen die Tuberkulose auch das Heilstättenwesen sei, als noch wichtiger lür
die Bekämpfung der Seuche müsse die vermehrte Fürsorge und Isolierung der
Schwerkranken im Krankenhause und in ihren Wohnungen angesehen werden.
Er führt die Verhandlungen an, die darüber in der vorjährigen Sitzung des
AuBschusses des Zentral • Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose gepflogen
sind und aus denen deutlich hervorgeht, daß einerseits die Volksbeilstätten
für solche Kranke, bei denen man auf Grund eingehender Dntersuchung bezw.
856
Kleinere Mitteilangen ond Referate ans Zeitschriften.
snyoriger Beobachtung eine Eeilong anssichtsvoll ist, erhalten werden mdssen,
nnd anderseits Tnberkaloseheime nicht zom Ziel führen, da sie von den
Erkrankten nnr nngorn aufgesaebt werden, weil sie fürchten in ein „Sterbe-
haos“ za kommen nnd weil ferner die event. Invalidenrente für die Familie
einen wesentlicher Faktor bildet. Bei der nngehenren Zahl von 80000 Tuber¬
kulose-Todesfällen im Jahr, von denen 68000 Personen in den Familien sterben
and domznfolge eine enorme Ansteckongsgefahr für ihre Angehörigen darstcUeo,
müsse aber Abänderung geschufifen werden. Verfasser ist der Ansicht, daß die
Schwerkranken in Krankonhausplicge bis za ihrem Ende gehören. Besondere Ein¬
richtungen, event. ein kleiner Anbau, seien ohne große Kosten leicht herzustellen.
Die Kosten müßten event. von Privatpersonen, Vereinen, Kommunen usw. be¬
stritten werden. Gegen die Krankenhäuser bestehe auch nicht die Animosität
wie gegen die Taberkoloscheime. Anderseits müsse die Tätigkeit der Tuber-
koloseausschüsse weiter ausgebaut und intensiver dorchgeführt werden, so
daß alle Sebwerkranken bekannt, dauernd besucht und kontrolliert werden.
Zweifellos sei schon viel gewonnen, wenn für alle Schwerkranken in ihrer
Wohnung durchgeführt werde, daß sie nicht nur ein eigenes Bett, sondern
wo möglich ein eigenes Zimmer haben, daß sie allen Auswurf in Speigläsern
auffangen und vernichten, direktes Anhusten, Verschmieren des Auswarfes,
auf den Mund küssen usw. vermelden, ihre Qebranchsgegenstände, ihr eigenes
Eß- and Trinkgeschirr nach Gebrauch in starke Seifen- und Sodalösung legen
oder auskochen, desgleichen ihre Wäsche, wenn nicht anderweitig für deren
Desinfektion gesorgt wird. _ Bpd.
Die Bekämpfang der Taberkalose nnd die FBrsorge f&r Phthisiker.
Von Prof. Dr. Martin Kirchner in Berlin. Klinisches Jahrbuch; 1908.
Die anfangs schnelle Abnahme der Tuberkulosesterblichkeit ist bekannt¬
lich in den letzten Jahren ins Stocken geraten. Das hat seinen Grund darin,
daß wir im Kampfe gegen die Tuberkulose noch nicht an der richtigen Stelle
eingesetzt haben. Wir müssen dem Wege der Verbreitung bis zum äußersten
Anfang nachgehen. Er führt uns auf den lungenkranken Menschen als Quelle
der Ansteckung hin; deshalb müssen wir dem Bazillen aasscheidenden Kranken
in erster Hinsicht unsere Beachtung schenken. Andere Wege der Ansteckung
(durch Milch, Butter etc.) sind nur von geringer Bedeutung.
Znr Erkennung des Bazillen aussebeidenden Menschen ist in erster Hin¬
sicht eine bakteriologische Untersuchung des Auswurfs nötig. Die logische
Konsequenz der nach gewiesenen Bazillenaasscheidung wäre die, in Norwegen
zum Gesetz erhobene, Isolierung. Für die wirksame Bekämpfang der Krankheit
haben din Lungen he im Stätten für vorgeschrittene Lungcnkraii^e eine größere
Bedeutung als die Heilstätten, die mehr therapeutische Zwecke verfolgen.
Der Vernichtung des Krankheitserregers muß ein wohlgeordnetes Des¬
infektionswesen, insbesondere auch eine Scblußdesinfekton nach Ablanl der
Erkrankung, dienen. Hierfür ist aber eine gesetzliche Anzeigepflicht für
Krankheits- und Todesfälle unerläßliche Vorbedingung.
Für die indirekte Bekämpfung der Tuberkulose kommen zunächst allge¬
meine, das hygienische Niveau hebende Maßnahmen in Betracht; z. B. Fürsorge
für gesunde Wohnungen, ärztliche Ucberwachung von Schalen und gewerblichen
Betrieben, Bekämpfang des Alkoholismus etc. Der Erhöhung der individuellen
Widerstandsfähigkeit sollen sportliche Hebungen dienen.
_ Dr. Dohrn-Hannover.
Massnahmen zur Bekämpfang der Taherhnlose auf dem Lande im
Kreise Neustadt a. Rbg. Von Kreisarzt Dr. D o h r n - Hannover. Vortrag,
gehalten in der Sitzung des Hanptansschusses des Hannoverschen Provinzial-
Vereins zur Bekämpfang der Tuberkulose 1908.
Um das Verständnis für die Wichtigkeit der Tnberkulosebekämpfung in
die breite Masse der Bevölkerung zn tragen, wurden diejenigen Kräfte heran-
gezogen, die wegen ihren innigen Beziehnngen zur Bevölkerung als Pioniere
für Anfklärnng nnd Belehrnng zunächst in Betracht kommen. Das sind in
erster Linie die Lehrer und Hebammen. Zur Anfklärnng der Lehrer über die
Aufgaben der Tnberknlosebekämpfnng hat Verfasser in den drei Lehrervereinen
des Kreises Vorträge über Taberkcdosebekämplang mit besonderer Berück¬
sichtigung der Aufgaben der Schule gehalten.
Kleinere Mitteilnngen and Referate ans Zeitsohriften.
857
Aas den Oiskassionen schälten sich in allen drei Versammlangen zwei
Wünsche heraas:
1. Die Faßboden sind in allen Schalen des Kreises zur Veiminderanf
der Stanbplage and der hierdarch bedingten Reizang der Atmangsorgane mit
staabbindendem Oel za streichen.
2. AUjährlich sind alle Schulkinder des Kreises einmal ärztlich za
antersachen.
Der Anstrich in den Schalen wird derart besorgt, daß eine Firma
die Lieferang erhält and dafür das Oel portofrei an die einzelnen Ge>
meinden liefert. Von größter Wichtigkeit für die Bekämpfung ist die schal>
ärztliche Untersachang der Schnlkindor durch den Kreisarzt. Diese hat den
Zweck, kranke and schwächliche Kinder, die sich and anderen zum Schaden
die Schale besachen, aaszamerzen, Kinder mit ansteckenden Krankheiten, be¬
sonders Langenkranke, za entfernen and sachgemäßer Behandlnng zozuführen
sowie ferner belehrend anf Lehrer, Kinder and die zar Untersachang geladenen
Eltern einzawirken. Die Untersaebangen sollen an der Hand yon Listen yor-
genommen and das Besaltat der Untersachang in diese Listen eingetragen
werden. Ergibt die Untersachang, daß ärztliche Behandlnng des Kindes er¬
wünscht ist, so werden die Eltern dayon benachrichtigt. Um die Darchführnng
der für nötig befandenen Maßnahmen auch mittellosen Kindern za ermöglichen,
hat sich der Kreiskrankenyerein erboten, helfend mitznwirken. Jeder, der die
Verhältnisse aaf dem Lande and in den kleinen Städten kennt, wird wissen,
daß die Zahl skrophnlöser, rhachitischer and blutarmer Kinder, für welche die
Aafnahme in Ferienkolonien ein Segen wäre, nicht so gering ist, wie man all¬
gemein denkt.
Ferner za erwähnen ist ein Vortrag, den Herr Zahnarzt Dr. Kühns
in einer Versammlang der drei Lebreryereine in Wanstoif über Zahnhygiene
and Schale hielt anter Vorführang yon Lichtbildern.
Für die Verbreitnng des Verständnisses für die Wichtigkeit der Taber-
kalosebekämpfnng körnen in zweiter Linie die Hebammen in Betracht. Aal
den Versammlangen des yor zwei Jahren gegründeten Hebammenyereins wurde
deshalb diese Frage mit besonderer Beittcksichtignng der Kinderernährang
mehrfach angeschnitten. Aaf die Hebammen hat Verfasser besonders in der
Richtang der Förderang des Selbststillens eingewirkt. Eine Statistik Ober
das Selbststillen bat Verfasser aach an der Hand yon Fragebogen in diesem
Jahre während der Impfreisen weitergeführt.
Nachdem nan durch Lehrer and Hebammen der Boden einigermaßen
yorbereitet schien, warde aach an die breite Masse der Beyölkerang direkt
herangetreten. Dieses geschah durch gelegentliche Notizen in der Zeitung
und Belehrnngen im persönlichen Verkehr.
Za diesen Maßnahmen allgemeiner Natur kommen dann diejenigen, welche
im speziellen auf die Fürsorge für den Longenkranken and die Ver-
nichtang der Krankheitskeime hinzielen. Um ein geeignetes Unterpersonal
za gewinnen, worden sämtliche Schwestern des Kreises and die Desinfektoren aaf
Kosten des Kreiskrankenvereins nach Hannoyer geschickt, om durch Teilnahme an
den Sprechstunden der dortigen Fürsorgestelle and den Besachen der Fürsorge¬
schwestern in die Umrisse der Fürsorgetätigkeit eingeweibt za werden. Die
Schwestern and die Unterstationen des Kreises haben zunächst die Aof-
gabe, die Lungenkranken za ermitteln. Die Anzeigen gehen an die Vorsitzende
des Kreiskrankenyereins oder an den Kreisarzt. Dieser sucht, soweit es geht,
die Kranken persönlich aal und ordnet noch an, was nötig ist. Vor allem
handelt es sich am Entfernung der Kranken aus den Wohnangen und Unter¬
bringung in Heilstätten. Für die Desinfektion des Aoswurfs werden Spack¬
näpfe aus Margaretenschränken hergeliehen, deren in diesem Jahr 12 an yer-
setaiedenen Orten aufgestellt sind.
Die Ermittelung der Kranken wird yorläufig als die Haaptauf-
gabe der Tätigkeit betrachtet. Diesem Zweck wird auch die unentgeltliche
Untersachang des Answurfe nutzbar gemacht. Von dem Abhalten einer Sprech¬
stande yerspriebt sich Verfasser auf Grand seiner weiteren Erfahrungen für
die Landbeyölkerung gar keinen Nutzen. Sehr erwünscht wäre dagegen eine
weitgehende Mitwirkung der praktischen Aerzte, die bisher sowohl in Worten,
als auch in Werken sehr zurückhaltend sind. Verfasser betrachtet es yorläoflg
als seine Aufgabe, sie dayon zu fiberzeogen, daß ihnen durch die ganzen Be-
868 Kleinere Mitteilongen und Belerate ans Zeiatchriften.
Btrebongen keine Konkurrenz gemacht wird, sondern daß ihnen Kranke znge-
Itlhrt werden sollen. Die Vorsitzende des Kreisktankenrereins bat an i^e
Aerzte des Kreises persdnlich ein Schreiben mit der Bitte nm Mitwirkong
gerichtet. *
Zum Schloß soll noch erwähnt sein, daß bei sämtlichen Todesfällen an
Toberknlose eine Wohnongsdesinfektion yorgenommen wird.
Dr. W 01 f - Marburg.
LongenschwlndBoeht und Ihre behSrdliche Kontrolle ln Schottland.
Jahresbericht des schottischen Local Qovernment Board für das Jahr 1907.
Foblio health; Oktober 1908; Band XXII, Seite 28.
Longenschwindsocht gehört nach dem Pablic health (Schottland) Amend*
ment Act yon 1907 zo den übertragbaren Krankheiten, deren Kontrolle den
örtlichen Behörden obliegt.
Obligatorisch wird bereits jetzt in einem Gebiete, das 14,4**/e der Qe*
samtbeyölkerung Schottlands amfaßt, Longenschwindsocht angezei^; in 26,9**/«
ist ferner die Anzeigepflicht eine fakoltative. ln den meisten Fällen, in denen
die Aerzte freiwillig die Anzeige machen, erhalten sie übrigens auch die ge«
wöhnliche Gebühr yon 2 s. 6 d. für die Anzeige.
In bezog auf die Isolierung geschieht yon manchen Ortsbehörden
recht Gates. An vielen Orten werden besondere Bänme der Infektionskranken«
häoser für die Phthisiker reserviert. Heilstätten werden yon Behörden
and in besonders prächtiger Weise yon privaten Wohltätern errichtet. Im
Anschlnß an das Beferat (Deber das Verhältnis des armenärztlichen Dienstes
zo den Hedizinalbehörden in England)^) dürfte die Interpretation des Pablic
health act in solchen Fällen von Interesse sein, in denen Kranke gebessert,
aber noch nicht erwerbsfähig ans den Heilstätten entlassen werden. Nach
§ 66 d dieses Gesetzes sorgte die Ortsbehörde — im Einverständnis mit dem
Local government board — für freie ärztliche Behandlung ond Arznei. Die
Frage der unteren Instanz, ob anch die Nah rang, die der Kranke braoche,
zor Arznei im Sinne des Gesetzes gerechnet werden dürfe, beantwortete die
Zentralbehörde dahin, daß in einem solchen Falle die Nahrung, die besonderz
bereitet werden müsse, recht wohl unter den Begriff der Arznei falle.
Dr. Mayer«Simmem.
Die Anaelgepflicht fflr Taberkulose ln England. (The notifikation of
consumption). Von G. F. Mc. Cieary. Pablic health; November 1908,
Bd. XXII, Nr. 2.
Auf dem 6. Internationalen Taberkulose Kongreß in Washington machte
Dr. Nersholme die offizielle Mitteilung, daß das Local Government Board
einen Erlaß beabsichtige, der den Armenärzten die Anzeige sämtlicher
Fälle von Schwindsucht unter den Kranken, die Armenunterstützang erhalten,
zur Pflicht macht. Die Anzeige hat innerhalb 48 Stunden nach Darlegung
(Discovery) des Falles zu erfolgen, and zwar an den medical officer of health;
ob der Kranke im eigenen Heim oder im Krankenhause behandelt wird, ist
f leich; auch der Wohnungswechsel ist anzeigepflichtig. Der Herausgeber des
'ublic health fügt dieser Mitteilung hinzu, es sei noch nicht ersichtlich, ob
auch für diese Anzeige dem Arzte eine Gebühr werde gezahlt werden; er
hoffe, daß, wie bei allen ansteckenden Krankheiten das Prinzip
befolgt werde, daß jeder Arbeiter seines Lohnes wert sei und der Arzt für
die Anzeige das Honorar erhalte.
Der Nutzen des neuen Erlasses bestehe darin, daß er ohne Schwierig«
keit sich durchführen lasse und daß er dort die Anzeigepflicht zum Gesetz
mache, wo sie am notwendigsten und voraussichtlich auch am wirksamsten seL
Bekanntlich war eine Königl. Kommission für das Armengesetz einbe«
rufen worden, von deren Arbeiten bereits in dieser Zeitschrift 1907, S. 224 die
Bede war. Die Folge der üntersuchangen und des Berichtes dieser Kom«
mission dürfte eine engere Verbindung zwischen der Verwaltungsfähigkeit auf
dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege und der armenärztlichen Fähig«
*) Diese Zeitschrift 1907, Seite 222.
Besprechangen. 859
keit seio, eiae VerbiBdiuig, die aach den Maßregeln gegen die Taberknlose
au gute kommen dürfte. _ Dr. Hayer-Simmern.
Kritiaehe UnterBnehiuif der fiblichen Spntnngliser. Von Dr. Basch
in Batzebnrg. Vierteljahrsschrift für gerichUiche Medizin and öffentliches
Sanitätswesen; 1908, XXXIX. Bd., 1. H.
Verfasser betont die Wichtigkeit der einwandfreien Spatombeseitignng,
welche jede Möglichkeit der Verstanbong, Verspritzong oder sonstigen Ver-
breitang von bazillenbaltigen Teilchen aasschließt. Die za diesem Zwecke
notwendigen Spatomgläser, •näpfe oder dergleichen müssen, am den hygienischen
Anforderangen toU and ganz za genügen, das Spätem einwandfrei aof*
langen, bis zar Beseitigang aof bewahren and eine einwandfreie mö^ebst
einfache Beseitigang zalassen; schließlich müssen sie aach za mäßigem Preise
erhältlich sein. Eine einwandfreie Beseitigang resp. Desinfektion des Spatoms
ist nach den gemachten Erfahrungen nar durch strömenden Wasserdampf mög*
lieh. Verfasser hat nun sämtliche im Gebrauch befindliche und empfohlene
Spacknäpfe and dergl. einer kritischen Benrteilong unterzogen und kommt za
dem Schloß, daß ein wirklich einwandfreies Volks •Spuckfläschchen, das im
mäßigen Preise nicht nur die Bedingungen zaverlässiger Aufnahme and Aaf>
bewahrang des Spatoms, sondern vor tdlen Dingen auch einer sicheren Des¬
infektion desselben erfüllt, erst noch erfanden werden maß. Am unzweck¬
mäßigsten sind seiner Ansicht nach die am Fußboden stehenden Spacknäpfe,
sowohl die Art des Auffangens, wie die der Aafbewabrung sei nnhygienisch.
Die in geeigneter Höbe an der Wand angebrachten Spacknäpfo seien ent¬
schieden Torzoziehen. Aach die an die Wasserleitung and Kanalisation ange¬
schlossenen Spacknäpfe erfüllten die Bedingung der einwandfreien Beseitigang
des Answurfs nicht. Am zweckmäßigsten seien die verechiedenen Taschenspack¬
gläser oder •fläscheben, wenngleich auch ihnen noch erhebliche Mängel an¬
haften, wie Verfasser des näheren aasführt. Leider bürgerten sie sich nar sehr
schwer ein, da das Pablikam eine Abneigung dagegen habe. Bei der Wichtigkeit
der gefahrlosen Spatambeseitigong im Kampfe gegen die Taberknlose müsse
man in dieser Bichtang noch rührig tätig sein. Bpd.
Besprechungen.
Or. Hartwig Klnt, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter der Königl. Versuchs-
und Prüfongsanstalt für Wasserversorgung and Abwässerbeseitignng in Berlin:
XTatezsüchung des Waeaera an Ort nnd Stelle. Mit 29 Teztfigoren.
Verlag von Jalias Springer, Berlin 1908. Preis: 8 Mark.
Das Bach bringt bei weitem mehr, als der Titel ea andeatet: Die
Methodik der Wasseronteraachungen, eine wissenscbafüiche Begründung der
Methoden and eine Kritik derselben sind aaf Grand omfassendsten Idteratar-
stadiams und eigener wertvoller Erfahran^n des Verfassers eingehend erörtert.
Dabei ist es dem Verfasser gelangen durch die ihm eigene klare, einfache and
deatliche Sprache den teilweise etwas spröden Stoff gleichsam spielend zam
Verständnis za bringen, so daß die Lektüre des Baches trotz der eingehenden
fachlichen Behandlung des Themas wirklich interessant ist. Als ganz be¬
sonders wertvoll erscheint mir die Besprechung der Bearteilung der erhobenen
Dntersachnngsbefunde und der Wege, welche gegebenenfalls zur Beseitigang
von schlechter Beschaffenheit eines Wassers nach gut begründeten Eifahrungen
einzoschlagen sind.
Die Bewertung der bakteriologischen Keimzäblangen und die Würdigung
der Eijkmannschen Methode erscheinen mir ebenso wertvoll und wichtig
wie die Erörterungen über Eisengehalt, Härte der Wässer, Gehalt an freier
Kohlensäure and Sauerstoff und den verschiedenen Manganverbindongen. Die
Einschätzung der verschiedenen Wässer für besondere Zwecke als Trinkwasser,
technisches Brauchwasser einzelner Betriebe, Kesselspeisewasser, Fischwasser
osw. sei besonders hervorgehoben. — Wenn somit das Klat’sehe Werk in
gedrän^er Form und wirklich interessanter Darstellung mit BenutzongCfast
sdler wichtigeren LHeratarangaben die Waeserontersachong an Ort nnd Stelle
bespricht, die wenigen der Laboratoriums-Untersachnng vorbehaltenen Be-
860
Tagesnachriobtea.
sümmangen erwähnt und eingehend die Gründe erwähnt, welche für oder
gegen die Verwendung eines Wassers für einen bestimmten Zweck maBgebead
sind, so maß noch besonders darauf aufmerksam gemacht werden, daß Ver«
lasser mit der bei allen seinen Arbeiten bekannten Gründlichkeit alle Binnel-
beiten auf das Genauste berücksichtigt; so die Darateliung der geeigneten
Beagentien, die zu beobachtenden Vorsichtsmaßregeln bei Ausführung der
einzelnen Beaktionen und die zweckmäßig dabei zu verwendenden Instrumente. —
Eluts Empfehlung, bei den Berichten über die üntersuchungsergebnisse
Eisen, Mangan und Blei als Meti^ nicht als Oxyd bezw. Hydroxyd in Milli¬
gramm im Liter anzugeben, halte ich für durchaus richtig. Für diesen Zweck
gibt Verfasser sehr übersichtliche üntersuchungstabellen.
Mit schwerem Herzen hat Verfasser sich auf vielseitigen Wunsch bereit
Anden lassen, seinem Buche 8 Schemata für Untersuchung von Wässern für
bestimmte Zwecke anzufttgen. Wenn der Fachmann sich auch nicht gern
durch solche Schemata die Hände binden will, so geben dieselben doch für
den „weniger geübten Sachverständigen* immerhin brauchbare Anhalts¬
punkte.
Klüts Buch wird auf Grund seines gediegenen Inhalts und der Kürze
und Vollständigkeit der Darstellungen, womit es ein^ in seiner Weise dasteht,
bald in die Hände aller derer übergehen, welche si(m mit Untersuchung und
Begutachtung von Wässern zu befassen haben.
Dr. Scbultz-Schnltzenstein-Oppeln.
Tagesnachrichten.
Dem Beichstag ist jetzt der Entwurf eines Gesetzes, betreffend dis
Einwirkung von Armenunterstützung auf öffentliche Beohte nebst Begrün¬
dung zugegangen. Nach dem Gesetzentwurf soll, soweit in Beichsgesetzea
der Verlust öffentlicher Bechte von dem Bezug einer Armenunterstützung ab¬
hängig gemacht wird, als Armenunterstützung nicht imgesehen werden 1) „die
Erankenunterstützung; 2) die einem Angehörigen wegen körperlicher oder
S eistiger Gebrechen gewährte Anstaltspflege; 8) Unterstützungen zum Zwecke
er Erziehung oder der Ausbildung für einen Beruf; 4) sonstige Unter¬
stützungen, wenn sie nur in der Form vereinzelter Leistungen zur Hebung
einer augenblicklichen Notlage gewährt sind; 5) Unterstützungen, die erstattet
sind.“ Der Entwurf, der einem dringenden Bedürfnis sowie wiederholten An¬
trägen des Beichstages Bechnung trägt, dürfte in diesem wohl auf keinen
Widersprach stoßen. _
In dem jetzt dem Eeichstage vorgelegten Entwurf des Kelohshansliults-
etats für 1909 sind wiederum 10000H. zu den Kosten der Zentralstelle
für Volkswohlfahrt, 20000 M. für Bekämpfung des Typhus, 80000 H.
zur Syphilisforschung (10000 M. weniger), 40000 M. zur Bekämpfung der
Säuglingssterblichkeit und 120000 M. zur Bekämpfung der Tuber¬
kulose vorgesehen. _
Die gesetzliche Begelong der Fenerhestuttung scheint in Preußen
nunmehr g^chert zu sein. Nachdem unter den beteiligten Bessorts eine
Uebereinstimmung über alle wesentlichen Fr^en erzielt worden ist, hat sich
auch das preußische Staatsministerium bereits mit der Angelegenheit be¬
schäftigt Von seiten des Beiches stehenBedenken gegen ue landes¬
gesetzliche Begelung weder in bimineller noch in hygienischer Beziehung
entgegen. Um aber eine möglichst gleichmäßige gesetzliche Ordnung der
Frage im Beich berbeizuführen, ist das Beichsamt des Innern auf VeranltuBtung
Preußens mit Erhebungen betraut, ob in welcher Form andere Bundeastaa tw a
in absehbarer Zeit eine landesgesetzliche Begelung der Frage Vorhaben.
In Bayern ist nach dem 7. November d. J. ^e ueue PrAfougeerdaug
für den Arztliohen Staatsdienst erlassen, die sich den in Preußen dafür geltenden
Vorschriften im wesentlichen anschließt. Die Zulassungfrist zur Pruung int
Tsgesnachrichten.
861
hier jedoch einheitlich auf zwei Jahre festgesetzt, ohne Unterschied, ob die
ärztliche Prüfung mit genügend, oder gut bezw. sehr gat bestanden ist. Ferner
wird anßerdem die Absolyierang eiaes Sektionskarsos, eines psydbiatrisch-
forensischen PrakÜkams, der über zwei Semester sich erstreckende Besach einer
Vorlesong über Hygiene and neben dem hygienischen Kursus auch ein zwd-
monatiger bakteriologischer Kursus verlangt. Die Prüfung wird von einer
Kommission von fünf Mitglieder (in Preußen nur 4) abgehtdten, die sich zu-
sammensetzt aus dem jeweiligen Medizinalreferenten im Staatsministerium des
Innern als Vorsitzenden und je einem Examinator der geriditlichen Medizin,
der üffentlichen Gesundheitspflege, der Medizinalpolizei und der Psychiatrie,
die alljährlich von dem Ministerium ernannt werden, und zwar sollen die Eza»
minatoren für gerichtliche Medizin lud Medizinalpolizei in der Regel aus den
•Gerichts- und Verwaltnngsärzten genommen werden. Die mündlichen und
praktischen Prüfungen finden nicht mehr wie bisher nur einmal im Jahre,
sondern im Laufe des ganzen Jahres mit Ausnahme der Universitätsferien-
Monate: März, April, August, September und Oktober statt. Verlangt werden
zwei wissenschaftliche Arbeiten aus den Gebieten der gerichtlichen Medizin,
der öffentlichen Gesundheitspflege, der Medizinalpolizei und der Psychiatrie;
die Aufgaben werden alljährlich von der Prüfungskommission bestimmt und
sollen Gebiete betreffen, ^e für den Amtsarzt von praktischer Bedeutung sind.
Ihre Verteilung erfolgt durch Los. Die praktische Prüfung entspricht der in
Preußen vorgeschriebenen, die mündliche Prüfung muß vor sämtlichen
Kommissionsmitgliedem abgehalten werden, und erstreckt sich auf die Gebiete
der gerichtlichen Medizin, der öffentlichen Gesundheitspflege, der Medizinal¬
polizei und der Psychiatrie mit besonderer Rücksicht anf die einschlägige Ge¬
setzgebung. Dabei sollen die Gewerbebygiene, sowie die für den Amtsarzt
wichtigen Abschnitte der Kranken-, Unfall-, Inyalidltäts- und Altersversiche-
Tungsgesetze berücksichtigt werden. Die Prüfungsgebühren sind auf 110 M. erhöht.
Wir werden in der Beilage zur nächsten Nummer einen yoliständigen
Abdruck der Prüfungsordnung bringen.
Die Badische Aerztekammer verhandelte in ihrer Sitzung am
22. Oktober d. Js. über den Entwurf eines badlsehen Irrengesetzes und nahm
auf Antrag des Referenten, Prof. Dr. Ho che-Freibarg i. Br., folgende Resolution
an: ,Die Badische Aerztekammer bedauert die im Entwarf eines Irrengesetzes
geplante Ausschließung der praktischen Aerzte ans dem Aufnahmeverfahren
für Geisteskranke als eine für die Interessen der Kranken und des ärztlichen
Btandes verhängnisvolle Maßregel und protestiert gegen die in der Begründung
gegebene Motivierung dieser Absicht. Eine fast gleichlautende Resolution hat
•auch die am 7. November d. Js. in Karlsruhe abgebaltene 89. Versammlung
der süddeutschen Irrenärzte, auf der ProL Dr. Hoche ebenfalls
über den Gesetzentwurf referierte, beschlossen.
Der zweite Kongress der deutschen Gesellsehnft für Urologie findet,
im Anschluß an den Chirurgen-Kongreß, vom 18.—22. April 1909 zu Berlin
statt. Als Themata für die Verhandlungen sind anfgestellt: Urologie und
-Gynäkologie (Referenten: Stöckel - Greifswald und Wertheim - Win). Die
eitrigen, nichttuberkulosen Affektionen der Nieren (Referenten: v. Frisch-
Wien, Bahrt-Danzig). Biasentumoren (Referenten: Zuckerkandl-Wien,
Casper-Berlin). Mit dem Kongreß wird eine Ausstellung von Instrumenten,
Präparaten, Zeichnungen etc. verbanden sein. Nähere Auskunft durch die
Oeschäftsstelle l^rlin W., Victoriastr. 19 (San.-Rat Dr. Wossidio).
Für den diesjährigen Nobelpreis für Mediziner sind Prof. Dr. Metschni-
koff, Direktor des Instituts Pasteur in Paris, und Geh. Ober-Med.-Rat
Prof. Dr. P. Ehrlich, Dir^or des Instituts für experimentelle Therapie in
Frankfurt ». M., aasersehen. _
Erkrankungen und TodesflUe an ansteckenden Krankheiten ln
JPreussen* Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 81. Okt bis 7. Nov. 1908 erkrankt
<ge8torbea) an: Aussatz, Cholera, Rückfallfieber, Gelbfieber,
662
Sprechsaal.
Flecklieber:, Pocken Fest und Tollwut; — (—); Uilzbrand: Z
(—), 4 (—); Bißverletzungen durck toülwatTerdäcbtige Tiere:
8 (—),— (—); ünterleibstyphus: 301 (36), 311 (37); Bnnr: 25 (6),
6(—); Diphtherie: 1736(131), 2087 (142); Scharlach: 2188 (152), 23ia
(129); Genickstarre: 8 (1), 12 (9); Kindbettlieber: 123 (24), 106
(27); Wurstgiltung: — (—) 1 (—); KOrnerkrankheit (erkraw): 251,
206; Tuberkulose (gestorben): 589, 516.
SpreohMUÜ.
Anfrage des Kreisarztes Dr. Scb. ln H. : Fallen Reisen, die gemacht
werden, um lestzustellen, ob die Schließung einer Schule wegen einer aa>
steckenden Krankheit notwendig ist, unter das Pauschale?
Antwort: Ja.
Anfrage des Kreisarztes Dr. R. in L.t Ist der Kreisarzt verpflichtet,
Berichte in privaten, d. h. die außeramtlicbe Tätigkeit betreffenden Angelegen¬
heiten, nach § 12 der Dienstanweisung durch die Hand des Landrats an den
Regierungspräsidenten einzureichen ?
Antwort: Nein.
Anfrage des Kreisarztes Dr. M. ln N.: Hat die Polizeibehörde die
Formulare zur Revision der Drogcnhandlungen zu liefern ?
Antwort: Ja; denn die Polizeiverwaltung hat die Kosten der Revision
zu tragen, dazu gelkOren auch diejenigen für die Beschaffung der erforder¬
lichen Formulare.
Anfrage des Kreisarztes Dr. F. in L.: Darf Unguentum Hydrargyri
flavum (hergestellt aus Hydr. ozydatum via humida paratum) von dem Apo¬
theker ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden?
Antwort: Nur dann, wenn die Salbe einen Gehalt von nicht mehr als 5 Ge*
wichtsteilen Quecksilborozyd (gleichgültig, ob von rotem oder gelbem — Hydrar-
gyrpi ozydatum oder Hydrargyrum ozydatum via humida parattun des A.-B.>
besitzt.
Frage des Arztes Dr. H. L. ln W.: Ist die Angabe auf Seite 194
der Beilage: Rechtsprechung und Medizinalgesetzgebnng richtig, daß gleich¬
zeitiger Bezug von Krankengeld und Invalidenrente gesetzlich nicht zulässig seif
Antwort: Nein, die Notiz ist übernommen aus Seite 104 der Bdlage VI13
der Mitteilungen des Reichsversicherungsamtes, die aber, wie nachträglich
festgestellt ist, irrtümlich ist. In der eingezogenen Entscheidung des bayerischen
Verwaltungsgerichtshofes ist vielmehr ausdrücklich festgestellt, daß Personen,
die im Sinne des Inv.-Vers.-Ges. erwerbsnnfäbig sind, im Sinne des Krankmi-
Vers.-Ges. erwerbsfähig sind und infolge ihrer BeschÜtigung Pflichtmitglieder
von Krankenkassen werden können. Werden sie als solche erwerbsunfähig im
Sinne des Krankvers.-Ges., so haben sie selbst bei Bezug von Invaliden¬
rente Anspruch auf Krankengeld im vollen satzungsmäßigew
Betrage. (Reger, Entscheidungen, 28. Band, S. 211).
Anfrage des Kreisarztes Dr. Scb. ln C.: 1. Ist es den Pbaimazie-
studierenden erlaubt, während der Studienzeit oder in den Universitätsferien di»
Stelle eines Gehülfen in einer Apotheke wabrzunebmen ?
Antwort: Ja. Sie müssen jedoch vorschriftsmäßig bei dem zuständigen
Kreisarzt an- und abgemeldet werden.
2. Bezieht sich die Vorschrift (Apotheken-Betriebs-Ordnung § 82), daß
auf den Rezepten der Name des Anfertigers zu vermerken ist, au<m auf solche
Rezepte, in denen nur Handverkaufsartikel verordnet sind?
Antwort: Nein; denn es handelt sich bei diesen nicht um aAnfertigen*^
einer verordneten Arznei.
Verantw. Redakteur Prof. Dr. Rapmund, Reg.- u. Geh. Med.-Rat in Mindern L W.
J. C. 0. Bnins, Heriogl. Siebs.«. F.8eb.-Ii. Hofl»ebdrneker«l in lIIad«B.
2t Jahrfr
Zeitschrift
1908.
ftti
MEDIZINALBEAMTE.
Zantralblatt für das gssaarte Bssundhaitswesen,
für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen.
HeraoBgegeben
Toa
Geh. Med.-Rat Prot Dr. OTTO RAPHÜND,
Regierongs- and Medizinalrat in Minden i. W.
Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, WQrttembergischen,
Badischen und Mecklenburgischen Medizinaibeamtenvereins.
Verlag yon Fiseher's mediz. Buohhandlg^ E Kornfeld,
HaraogL Bayar. Hof- a. IniMBaogL SamniT-BiiBiiWaKOer.
Berlin W. S5, Lützowstr. 10.
Inserate nehmen die Tcrlagshandliing sowie alle Annoncen-Expeditionen des In«
and Auslandes entgegen.
Nr. 24.
Brsehelat aat Z. oad SO. Jeden Memate.
20. Dezbr.
Zur Kasuistik tötlicher Schussverletzungen mit Flobert-
pistolen.
Von Bezirksarzt Dr. Seiti in Eberbach.
Der Zufall fftgte es, daß mir der Aufsatz von Dr. Zelle
in Lötzen (in Nr. 21 vom 5. November 1908 dieser Zeitschrift) vor
Angen kam, als ich eben von der Leichenschau eines etwa
50 jährigen Selbstmörders kam.
Als Werkzeug hatte dem Lebensmüden eine Flobert-Einder*
pistole einfachster Konstruktion gedient. Die Waffe, im ganzen
8 cm lang, hatte ein Kaliber von 6 mm.
Die Patrone bestand — wie ein noch vorhandenes intaktes
Exemplar zeigte — ans einer Metallhölse mit Knallquecksilber-
zündmasee ohne Palverfüllnng and einer rnnden 6 mm-Schrotkugel.
Die Einschaßöffnung lag an der rechten Schläfe, 1 cm über
der Mitte zwischen äußerem Augenwinkel nnd oberen Ohrmnschel-
ansatz; sie war rnndlich, hatte 3 mm Dorchmesser und war von
einem geborenen Blntgerinsel ansgefttllt.
Die Schläfenhaare am die Wunde waren nicht verbrannt
oder sonstwie veräadert; die nächste Umgebung in der Größe
eines 1 Pfennigstücks erschien schiefergran verfärbt, doch ließ
sich diese Verfärbong leicht abwaschen. Die Sonde drang mit
schwacher Neigung nach oben gegen die Mitte der Schädelkapsel
ins Schädelinnere. Eine Ansschn^ffnnng fand sich nicht vor.
Nach den Erhebungen war der Mann kaum Stunde allein
864
Dr. Doepner.
gewesen. Dieser Umstand, sowie die natfirliche Lage der Leiche
im Bett, auf dessen Decke die abgeschossene Pistole getnnden
wurde, endlich der ruhige Gesichtsansdruck ließen den Schloß
za, daß der Tod sehr bald nach der Tat eingetreten war.
Auch dieser Fall lehrt, daß Flobertpistolen keineswegs ein
harmloses Spielzeug sind, wie Schäfer meint, sondern daß sie
sehr wohl tdüiehe Verletzungen verursachen kbnnen.
Ein Fall von Simulation einos Niorenleidens.
Von Dr. Doepuer* Königsberg.
Bei der Begutachtung von Leuten, die Anspruch auf Invaliden*
oder Unfallrente machen, sind in den letzten Jahrzehnten wieder¬
holt Fälle beobachtet worden, in denen der Versuch gemacht
wurde, durch Beimengung irgend welcher Stoffe zum Urin den
untersuchenden Arzt zu täuschen.
Tb. Kampf') erwähnt in solcher Absicht gemachte Zasitae Ton Blut,
Milch and Zacker zam Urin; Wegner*) and T. Leersam*) beobachteten
Beimischong von Htthnereiweiß. Strtimpel*) begatachtete einen Gastwirt,
der eine Nierenblatang Torzatänschen sachte; bei der mikroskopischen Unter*
sachang des Urinsediments fanden sich außer BlatkOrperchen Pflasterepitheliei,
Haafen Ton Leptothrizpilzen and ein Stock einer quergestreiften Muskelfaser;
der Untersachte bestätigte schließlich die Vermatung, daß das Blot aas dem
Monde stamme, and er in den Urin Tor der Untersuchang hineingespuckt habe.
Stier*^) erwähnt einen ähnlichen, von Damas^) beschriebenen Fall, in dem
ein Mann durch Einspritzen Ton aas dem Zahnfleisch gesogenem Blat in die
Blase ein Blasenleiden yortäuschte. Stier selbst wardo eine Zeit lang yon
einem Manne darch Hinzafügen yon Traubenzacker zam Urin hintergangmi.
Abeies and Hofmann’) begatachteten eme 38jährige Dame, die
Ober Hanger and Darst klagte and ihrom Urin Zacker znsetzte. Sie hatte
anfangs bierza Bohrzucker yerwendet; nachdem man dies jedoch erkannt and
ihr bedeatet hatte, daß man eine falsche Zackerart bei ihr gefanden habe,
nahm sie käuflichen Traubenzacker. Sie brachte es schließlich so weit, den
Zacker sich selbst in die Blase za praktizieren, so daß der mit einem Katheter
entleerte Urin zuckerhaltig war.
Seit Entdeckung der Phloridzin-Glykosarie ist mehrfach auch
die Frage aufgeworfen worden, wie man eine durch Einverleibung
von Phloridzin versuchte Simulation von Diabetes am leichtesten
aufdecken könne. Von v. Hering,*) Th. Bumpf^) Stier*) und
E. Stern*) sind in der Beziehung Vorschläge gemacht 'worden;
letzterer fdgt jedoch hinzu, daß seines Wissens ein Fall von
’) Bumpf: VorlesoBgen Ober soziale Medizin. Leipzig 1908.
*) Wegner; Zeitschrift für Unfallheilkande; 1902, S. 889.
*)y. Leersam; Ibidem; 1903, 8.37.
*) StrOmpel: Simulation yon Blatbrechen und Hämatorie bei einem
Unfalikranken. Monatsschrift für Unfallheilkande; 1898, Nr. 4.
L. Becker: Die Simulation yon Krankheiten and ihre Bedeatong.
Ldpzig 1908. U. Teil E. Stier: Simulation yon Krankhcdten der Brost* and
Baachorgane.
') Damas: Cystite simuläe. Arch. de mäd. et pharm, milit; 1888,8.746.
7) Abeies und Hofmann; Wiener med. Presse; 1876, Nr. 47 und 48.
*) y. Mering; Zdtschrift für klinische Medizin; Bd. 16, 8.446.
K. 81 e r n: Ueber traamatische Entstehung innerer Krankheiten.
Jena 1900.
Eia Fall yoa Simalation eines Nierenleidens.
865
Simalation von Diabetes darch Phloridzineinspritzang in der Praxis
der ünfallbegatachtang noch nicht vorgekommen sei.
Aach Beobachtungen, wie sie oben erwähnt sind, von Bei¬
mischungen den Begutachter irrettthrender Substanzen zum Urin
sind immerhin ziemlich selten gemacht worden, so daß jeder neue
derartige Fall ein gewisses Interesse bieten dürfte.
Im Jahre 1906 hatte ich zweimal Gelegenheit, an der inneren
Abteilung des St. Elisabeth-Krankenhauses zu Königsberg i. P.^)
ein Mädchen zu beobachten, das durch Einstreuen von Mehl in
den Urin ein Nierenleiden vorzutäuschen sachte. Der Fall ist
auch insofern interessant, als er ein typisches Beispiel dafQr ist,
wie manchmal die Invalidenrente als ein Mittel angesehen wird,
ohne Arbeit durchs Leben zu kommen.
Ein Mädchen, M. D., hatte 1897 im Alter von 26 Jahren die Invaliden¬
rente aaf Grand eines Qatachtens erlangt, dessen objektiver Befand lediglich
aas folgenden Worten bestand: „Eiweifi im Urin. Sieht sehr krank ans.“ Eine
Nachantersachang fand erst im Herbst 1905 statt. Die M. D. machte einen
gesanden and aroeitsfahigen Eindrack; es fand sich bei der üntersacbong
weder Eiweiß im ürin, noch eine Verbreiterang des Herzens. Bol der ünter-
sachang vor der anteren Verwaltangsbehörde warde wohl etwas Eiweiß im
Urin gefunden, doch erschien das Mädcben trotzdem nicht als invalide.
Der Amtsvorsteher erteilte über die M. D. die Aoskanft, daß sie wohl
arbeiten könnt^ aber anscheinend nicht wolle; sie lebe bei ihrer Motter, die
Ortsarme sei, im Armenhaos nnd komme so ganz gat ohne Arbeit mit ihrer
Invalidenrente aas.
Bei einer zweiten Untersachang vor der unteren Verwaltungsbehörde
wurde wiederum das Vorhandensein von Eiweiß im Urin festgestelit and
daraafbin Invalidität angenommen.
Das Mädchen sollte non zar Untersachang durch den Obervertrauensarzt
nach Königsberg kommen; sie weigerte sich anfangs unter dem Vorwand, sie
sei von der letzten Untersachang za angegriffen, Kam aber schließlich. Der
Obervertrauensarzt fand den Urin etwas blathaltig; die M. D. bestritt, die
Menstruation za haben, bis dies durch eine Qenitalantersuchang festgestellt
wurde. Sie warde nun zur Beobachtung in das Elisabeth - Krankenhaus ge¬
schickt. Als die Menses vorüber waren, zeigte der Urin einen ganz geringen
Eiweißgebalt, der nach dem Ergebnis der Sedimentuntersnchung auf einen
Blasenkatarrh zurückzuführen war. Ferner fanden sich aber im Sediment
massenhaft StärkekOrnet. Die M. D. stellte es durchaus in Abrede, irgend
etwas in den ürin getan oder sich auch nur an den Genitalien gepudert za
haben. Als der Befand am folgenden Tage derselbe war, wurde mit einem
Katheter die Blase entleert; auch in diesem Urin fanden sich Stärkekömer,
wenn auch nur vereinzelte. Eine zystoskopisohe Untersachang hatte den Erfolg,
daß nunmehr die Stärkebeimischong zum Urin aufhOrte.
Nach Abschluß der Beobachtung wurde das Mädchen in dem Gutachten
als nicht invalide bezeichnet. Bei einer dritten Verhandlung vor der anteren
Verwaltangsbehörde wurde ihr jedoch trotzdem die Belassung der Bente na-
erkannt, weil sie wegen eines chronischen Nierenleidens dauernd erwerbs-
onfähtg seL
Die Landesversicherungsanstalt veranlaßte daraufhin wiederum ihre
Beobachtung im Elisabeth - Krankenhause. Der Urin zeigte auch diesmal
wieder einen geringen Eiweißgehalt; im Sediment fanden sich reichlich Blasen-
epithelien und Eiterkörperchen, nur manchmal nach längerem Zentrifugieren
mit der elektrisch betrieb snen Zentrifage ein einzelner Zylinder. Ferner fanden
sich im Urin wie bei der ersten Beobachtung Stärkekömer, die nach längerem
Stehen des Urins einen sehr deutlichen Bodensatz bildeten. Aach diesmal
*) Herrn Professor Dr. Falkenheim, dem leitenden Arzt dieser Ab¬
teilung, bin ich für die Ueberiassong der Krankengeschichten zu großem
Danke verpflichtet.
866
Dr. Doepner: Ein Fall Ton Simulation dnes merenleidena.
bestritt die M. D., Mehl in den ürin hineingetan zu haben oder flberhanpt bei
sich zu ftthren.
Sie erhielt nun eine größere Anzahl UringlSser mit der Weisung, jedes*
mal in ein frisches Glas zu urinieren und die Zeit auf einem daran hängenden
Zettel zu notieren; dies wurde zwei Tage lang dnrcbgeftthrt. Das Ergebnis
war yerblttffend eindeutig: Am Tage und so lange Licht im Krankenzimmer
brannte, die M. D. sich also beobachtet wußte, war der Urin völlig frei von
Stärke, in der Nacht jedoch enthielt er sehr reichlich Stärke, in einzelnen
Gläsern so reichlich, daß der Bodensatz von Stärke etwa 1 mm hoch war,
während die Höhe der Urinschicht kaum 5 cm betrug.
Als hierüber dem Mädchen Vorhaltungen gemacht wurden, leugnete sie
zwar nach wie vor, irgend etwas in den Urin gestreut zu haben, doch wurden
von nun an keine Stärkekörner mehr in diesem gefunden.
In dem Gutachten kam ich auch diesmal zu dem Schluß, daß bei der
M. D. Invalidität nicht vorlie^. Die Landes Versicherungsanstalt entzog ihr
daraufhin die Invalidenrente. Wie aus den mir zur Verfügung gestellten Akten
hervorgebt, legte sie gegen diesen Bescheid diesmal keine Berufung ein und
stellte auch bis jetzt keinen neuen Antrag auf Gewährung der Invalidenrente.
In diesem Falle war der Betrag ein so plumper, daß seine
Erkennung nicht schwer hei, sobald nur erst diese Möglichkeit
in Betracht gezogen war. Daß bei den Untersuchungen vor der
unteren Verwaltungsbehörde die Täuschung gelang, wurde wohl
dadurch erleichtert, daß der Urin infolge des bestehenden Blasen¬
katarrhs trflbe war und eine Spur Eiweiß enthielt. Ob dieser
Blasenkatarrh übrigens erst durch die Bemühungen der M. D.,
sich Stärke in die Blase zu bringen, entstanden ist, erscheint mir
nach den in den Akten niedergelegten Ergebnissen der einzelnen
Untersuchungen der M. D. nicht unwahrscheinlich.
Bedauerlich ist, daß die M. D., trotzdem sie einsah, dass ihr
Betrug nicht zum Ziele führte, alles abstritt und auch nichts
darüber angeben wollte, wie sie auf den Gedanken, Mehl dem
Urin beizumischen, gekommen sei. Man muss wohl annehmen,
dass wiederholt in ihrer Gegenwart an eiweisshaltigen Urinen
die Eochprobe vorgenommen wurde und sie das Aultreteh der
Eiweisstrübung mit den Erscheinungen beim Kochen von Stärke¬
kleister verglich.
Durch Versuche habe ich mich übrigens überzeugt, dan
immerhin eine nicht unbeträchtliche Menge von Mehl dazu gehört,
um beim Kochen eine stärkere Trübung des Urins hervorzurufen,
da die gequollenen Stärkekörner erhebOch durchsichtiger sind, als
Eiweissgerinnsel. Bei Zusatz einer grösseren Menge von Mehl
erstarrte dagegen der Urin zu einer gallertartigen Masse, die
gar keine Aehnlichkeit mit einem Urin hat, der infolge ^hen
Eiweissgehalts beim Kochen vollständig geronnen ist.
Der von mir beschriebene Fall mahnt zur Vorsicht bei der
Beurteilung der Bedeutung geringer Eiweissmengen im Urin von
Leuten, die auf Invalidenrente Anspruch erheben. Falsch wäre
es jedenfalls, dann ein Invalidität bedingendes Nierenleiden an-
zunehmen, wenn sich nicht gleichzeitig in Form von Herzver-
breiterung, Oedemen usw. Folgeerscheinungen des Nierenleidens
vorfiuden. Das beste ist in solchen Fällen, besonders wenn eine
Untersuchung des Urinsediments nicht zum Ziele führt oder nicht
durchführbar ist, die Beobachtung in einem Krankenhause zn
beantragen, zumal dann auch Betrügereien am leichtesten entdeckt
Dr. Troeger: Zwei interessante Fälle aas meiner amllicben Tätigkeit. 867
werden, wie es z. B. zuweilen yersncht werden soll, dnrch Mit¬
bringen eines fremden oder irgendwie präparierten Urins den
Untersncher zn tänsehen.
Zwei interessante Fälle aus meiner amtlichen Tätigkeit.
Von Kreisarzt Dr. Troeger in Kempen L P.
I. Eine Typhnsbazillenträgerin als Infektionsquelle.
Im März 1907, während ich zn einem Grannloseknrsns in
Posen war, erkrankte die Frau eines hiesigen, sehr wohlhabenden
Mtthlenbesitzers an Typhns. Mit den Ermittelungen war, da
mein Vertreter schwer erkrankt war, ein praktischer Arzt betraut
worden. Bei meiner Bflckkebr glaubte ich, mit Bftcksicht anf
die Familie und die dauernde ärztliche Ueberwachnng durch
2 behandelnde Aerzte (die allerdings die Ansteckung des Dienst¬
mädchens, welches die Ausleerungen zu beseitigen hatte, nicht
hatten verhüten können), von einer eingehenden, amtlichen Be¬
handlung des Falles Abstand nehmen zu können.
Einige Monate später erkrankte eine arme Witwe mit ihren
zwei Kindern an Typhus. Die Ermittelungen bezüglich der An¬
steckung führten anf eine wohlhabende Kaufmannsfamilie, bei
welcher die Frau beschäftigt war. Trotz anfänglichen energischen
Sträubens gelang es mir, den Kaufmann zu dem Gieständnis zu
bringen, diQi ein kleines Kind von ihm vor einiger Zeit typhus-
verdächtig krank gewesen sei, daß jedoch die Untersuchung von
Stuhl und Urin, die der Arzt eingesandt habe, ein negatives
Eesultat ergeben hätten. Darauf seien dann noch ein Lehrling
und ein Dienstmädchen ähnlich krank geworden, sie lägen im
Krankenhause, und er wisse nicht, was ihnen fehle. Auch hier
hatten die ersten bakteriologischen Untersuchungen negative
Resultate ergeben; es war daraufhin der Typhnsverdacht
fallen gelassen worden. Die zweite Blutnntersuchung ergab
jedoch ein positives Resultat. Als ich jetzt dem Kaufmann anf
den Kopf znsagte, daß sein Kind auch Typhus gehabt habe,
beqnemte er sich endlich zu dem Geständnis, daß er seit 1. Mai
die Köchin J. habe, die im März noch bei dem Mühlenbesitzer
gedient habe, wo Typhns geherrscht hatte. Er habe sie nicht
nehmen wollen, weil sie aus der Typhns-Familie kam. Der Arzt
habe ihm jedoch gesagt, wenn die Köchin sich 4 Wochen an der
Luft bewegt habe, könne er sie unbedenklich annehmen.
Jetzt war es mir so gut wie sicher, daß die Köchin J. den
Typhus übertragen hatte, und ich vermutete in ihr eine Bazillen¬
trägerin. Sie hatte ihren Dienst bei dem Kaufmann verlassen
müssen und wohnte in der Stadt. Ich ließ ihre Ausleerungen
untersuchen, alle jedoch mit negativem Resultat.
Im Herbste desselben Jahres brach auf dem Gute N. im
Kreise Kempen Typhns aus. Der behandelnde Arzt teilte mir
mit, daß er 2 kranke Kinder, die schon zwei Wochen an Typhns
krank gewesen waren, in das Krankenhaus habe überführen lassen,
868
Dr. Troegcr.
und daß die Großmutter dieser Kinder im Nachbardorfe in diesen
Tagen gestorben wäre; sie habe bei Lebzeiten die Kinder gepflegt.
In dem Dorfe, in dem die verstorbene Großmutter gewohnt hatte,
wurde mir nun gesagt, die Tochter der Verstorbenen, das ist die
Tante der kranken Kinder, die im Krankenhause zuerst gelegen
hatte und noch ein Dienstmädchen auf dem Gute N. habe dieselbe
Krankheit gehabt, an der die Großmutter jetzt gestorben wäre;
der Ansteckungsheerd liege auf dem Gute N. Die Großmutter
war, wie die Ermittelungen ergaben, fraglos unter Typhuäerschei*
nungen gestorben. Bezüglich der Tante der kranken Kinder
ergaben nun die weiteren Ermittelungen, daß sie ebenfalls an
Typhus krank gewesen war, ihre Krankheit ärztlich jedoch für
Kindbettfleber bezw. für eine Wochenbett erkrankung gehalten
worden war. Den Schlüssel zu den mir zunächst wieder rätsel¬
haften Typhusfällen lieferte der Gutsverwalter. Er teilte mir mit,
er habe seit einigen Monaten die Köchin J., die früher bei dem
Mühlenbesitzer und dann bei dem Kaufmann in Stellung gewesen
sei, im Dienste. Mit ihr zusammen habe die Tante der Kinder ge¬
arbeitet und geschlafen. Nun unterlag es für mich keinem
Zweifel mehr, daß die Köchin J. eine Typhusbazillenträgerin
sein müsse; in der Tat ergab die jetzt erneut eingeleitete Unter¬
suchung ihrer Ausleerungen Typhusbazillen im Stuhle.
Ich habe nun den Versuch gemacht, das Vorleben der Ba¬
zillenträgerin anfzuklären. Leider hat der Erfolg meinen Er¬
wartungen nicht ganz entsprochen, immerhin ist das Ermittelte
nicht ohne Interesse. Die J. gab mit aller Bestimmtheit an, nie
typhnskrank gewesen zu sein. Diese Angabe will bei einer Frau,
£e der niedrigsten Klasse der polnischen Bevölkerung angehört,
nicht viel besagen. Sie kann sehr wohl vor vielen Jahren ein¬
mal, auch bettlägerig, krank an Typhus gewesen sein, ohne daß
ein Arzt konsultiert wurde, wie das in der hiesigen Gegend oft
vorkommt Die J. gab weiter an, daß in ihrer ersten Dienst¬
stelle in Kempen in der Familie eines Postdirektors ein Kind
schwer an Typhus erki’ankt gewesen sei. Wie lange dieses
zurflckliegt, konnte sie nicht mehr angeben. Es muß jedoch länger
als 13 Jahre her sein; denn der Mühlenbesitzer, bei dem die J.
zum ersten Male vor 13 Jahren im Dienst war, sagte mir, daß,
als die J. damals in seinem Hause gewesen wäre, sei eine Tochter
von ihm an Typhus erkrankt. Als er sie zum zweiten Male am
1. Januar 1907 wieder in den Di^^nst genommen hatte, brach,
wie ich bereits eingangs erwähnt habe, wiederum in seiner Fa¬
milie Typhus aus. Ein hiesiger Arzt, mit dem ich einmal über
den Fall sprach, sagte mir ganz erstaunt, die J. sei vor etwa
6 Jahren bei seiner Mutter Köchin gewesen. Ein Bruder won
ihm sei damals an Typhus erkrankt und gestorben. Eine Tochter
der J. ist vor 10 Jahren auch an Typhus krank gewesen. Nicht
unerwähnt lassen muß ich jedoch auch, daß die J. nachweislich
in mehreren Familien gedient hat, ohne daß daselbst Typhus
ausgebrochen ist. In diesen Zeiten hat sie offenbar keine Bseillen
ansgeschieden.
Zwei interessante Fälle ans meiner amUicben Tätigkeit. 869
Nachdem die J. als Bazillenträgerin entlarvt war, fing
auch ihre Leidensgeschichte an. Ihre Eigenschaft war bekannt
geworden; Niemand wollte sie mehr in Dienst nehmen, so daß
sie tatsächlich eine Zeitlang so gut wie brotlos war. Sie ging
im Frfibjahre als Sachsengängerin auf Anßenarbeit. Nachdem
ich dem dortigen Kreisarzt mitgeteilt hatte, daß sie Bazillen¬
trägerin sei, wnrde sie zwangsweise, nm sie zu isolieren, in ein
Krankenhaus überfährt, üeber die hierdurch entstandenen Kosten
schweben Verhandlungen zwischen der hiesigen und der dortigen
Polizei - Verwaltung.
Die J. befindet sich seit ihrer Entlassung ans dem Kranken¬
hause in der Provinz Sachsen wieder in Kempen. Hier wurde
sie polizeilicherseits sofort wieder angehalten, ihre Ausleerungen
den Vorschriften gemäß zu desinfizieren. Die Desinfektionsmittel
werden ihr gratis geliefert.
Daß den BazUlenträgem gegenüber unsere jetzigen gesetz¬
lichen Bestimmungen nicht ausreichen, nm eine Weiterverbreitnng
des Typhus durch sie zu verhüten, ist klar; denn bestimmungs¬
gemäß können Personen, welche den Anstecknngsstofi des Typhus
bei sich tragen, lediglich auf die Gefahr, welche sie für ihre
Umgebung bilden, hingewiesen und zur Befolgung der erforder¬
lichen Desinfektionsmaßnahmen angehalten werden. Wie wenig
dies bei den ungebildeten Personen bedeuten will, ist ohne
weiteres ersichtlich.
II. Vakzine-Impfinfektion.
Eines Tages wnrde mir die Mitteilung, daß in einigen
Stunden eine Pockenkranke in das Krankenhaus aufgenommen
werden würde. Die Kranke stammte ans einem Dorfe im Kreise.
Die Diagnose war von einem Arzte ans einem Nachbarstädtchen
gestellt worden, wohin die Kranke gefahren worden war. Die
Aufnahme in das dortige Krankenhaus war abgelehnt worden. —
Ich verabredete mit dem hiesigen Krankenhausarzt eine bestimmte
Stande, um die Kranke gemeinsam zu untersuchen. Ich muß
noch bemerken, daß Kempen ein Grenzkreis ist und daß damals
jenseits der Grenze eine Pockenepidemie herrschte. Außerdem
war gerade die Sachsengängerei in vollem Gange. Gelegenheit
zur Ansteckung hatte die Kranke allerdings nachweislich nur
insofern gehabt, als sie in der Inkubationszeit Bekannte an den
hiesigen Bahnhof gebracht hatte und hier mit vielen Sachsen¬
gängern in Berührung gekommen war.
Der Krankenhausarzt hielt die mit mir verabredete Stande
nicht inne. Er war vorher zu der Kranken gegangen, hatte seine
Diagnose gestellt und zwar, wie sich später herausstellte, auf
„bullöses Erysipel“; Impf-Pocken hatte er für ausgeschlossen er¬
klärt. Nach eingehender Anamnese und Untersuchung lautete meine
Diagnose „Impfpocken, vom Säugling übertragen auf ein chro¬
nisches Ekzem der Nase der Matter und ekzematöse Stellen um
die Handgelenke“. Der Säugling war am 4. April geimpft worden
und am 8. April erkrankte die Matter unter Schüttdfrost und
870
Dr. Zelle.
Erscheinangen einer schweren, fieberhaften Infeklion. Die Kranke
behauptete zwar, alljährlich und zwar während des „Mistfahrens"
einen solchen Ausschlag ins Gesicht zu bekommen. Der noch
hinzugezogene Begierungs- und Medizinalrat schloß sich meiner
Diagnose rftckhaltslos an; auch regte er bei mir eine Veröffent¬
lichung des Falles an. Die Kranke wurde photographiert (s. das
nebenstehende Bild); der Krankenhausarzt sandte Pustelinhalt an
das Impfinstitut in Stettin zur Untersuchung ein. Von hier kam die
erste Machricht, daß die Tierversuche nur ergeben hätten, daß der
Pustelinhalt einen f fir die Kaninchen intensiv pathogen wirkenden Stoff
bildete. Die Sektion eines Tieres hatte akutes, purulentes Oedem
ergeben. Die Obduktion eines zweiten ergab pyämische Herde an
der Leber und MilzvergrOßerung. Auch die mikroskopische Unter¬
suchung der gehärteten Hornhäute hatte einen negativen Befund
ffir eine Vakzineinfektion ergeben. Der Ausfall dieser Unter¬
suchungen konnte mich nicht bestimmen, von meiner gestellten
Diagnose abzugehen. Ich schrieb dies an das Institut und teilte
noch mit, daß die randständigen Pusteln bei der Kranken unter
einer typischen Narbe z. T. abgeheilt wären. Ich erhielt darauf
die Mitteilung, daß der Ausfall des Tierversuchs usw. im vor¬
liegenden Falle nicht maßgebend sein könne, weil der Unter-
suchungsstoff durch anderweite Beimengungen sicherlich derartig
stark verunreinigt war, daß es zu einer regelrechten Vakzine¬
reaktion beim Versuchstier nicht hätte kommen können, selbst
vorausgesetzt, daß in dem Untersuchungsstoff Vakzine enthalten
gewesen wäre. Entscheiden mttsse hier vielmehr der klinische
Verlauf; wenn eine regelrechte Abheilung der randständigen
Pocken zu beobachten wäre, so hätte ich Recht, bei meiner Ka-
gnose zu verharren.
Nachdem die Kranke schon monatelang genesen war, hatte
ich Gelegenheit, sie wiederzusehen. Die randständigen Pusteln
waren nnter typischen Pockennarben abgeheilt; die ganze Nase
war jedoch auch von einer einzigen dfinnen Narbe bedeckt.
Aus der einschlägigen Literatur habe ich ersehen, daß die
Abheilung randständiger Pocken unter Vernarbung charakteristisch
fflr Vakzine-Impfinfektion ist, daß hierbei jedoch größere, ge-
schwflrige Flächen meist nicht unter Vernarbung abheilen.
Die Kurpfuscherei im 18. Jahrhundert.
VoD Kreisarzt Dr. Zelle in Lotzen.
Mit Rücksicht auf die beabsichtigte reichsgesetzliche Reg¬
lung des Kurpfuscherei- und Geheimmittelwesens dürften vielleicht
die im folgenden enthaltenen historischen Notizen nicht ohne
Interesse sein.
Uralt wie das Menschengeschlecht und seine Irrtümer ist
auch die Kurpfuscherei, und es wäre ein schwerer Irrtum, zu
glauben,^ daß Wissen, Kultur und hohe universale Bildung immer
sichere Schutzinauern gegen das Eindringen schwindelhafter Heil-
Zum Artikel von Dr. Troeger: Zwei interessante Fälle aus meiner
amtliehen Tätigkeit (Vakzine*Impfinfektion).
Die Eorpfnecbeiei im 18. Jahihnndert.
871
k&DsÜer gewesen sind. Nie blQhte die Enrpfnscherei genialer
Betrngskflnstler wie eines Cagliastro höher als an den Höfen
einer überfeinerten Hyperknltnr, und bis in die allernenesten
Zeiten haben wir gesehen, daß mystischer nnd krankhaft entar¬
teter religiöser Knltns mit Vorliebe dort sein Hanptqnartier anf-
schlägt, wo Hoflnft and bis ins raffinierteste getriebene Lebens¬
haltung herrschen. Kein Volk ist frei von diesen Sünden, nnd
in Bajä wie Byzanz, Versailles wie Potsdam, Dresden wie Mün¬
chen kann der Kenner junger wie alter Kulturgeschichte Unglaub¬
liches davon erzählen.
Ich beschränke mich im folgenden nur auf einige Andeutun¬
gen über Pfuscherei wesen des 18. Jahrhunderts.
In unserm lieben Deutschland machten den gelehrten Herrn
Doktoren der Medizin nicht nur Hausierer und Marktschreier,
sondern vielfach am meisten die Scharfrichter durch „scharfe"
Konkurrenz das Leben sauer. Wie Fischer (Chirurgie vor 100
Jahren, Leipzig 1876) erzählt, traute man ihnen, da sie viel mit
Hexen zu tun hatten, zu, daß sie diesen Wesen, von denen es
frei mit Faust heißen kann „allwissend sind wir nicht, doch viel
ist uns bewußt" - - profunde Kenntnisse in der „schwarzen Kunst"
abgelauscht hätten. In der Tat trieb dies unheimliche Metier
die Scharfrichter von selber zu heilkünstlerischen Verrichtungen;
denn sie mußten amtlich die durch gräßliche Torturen verrenkten
Glieder einrichten, sie schmierten die Brandwunden mit tierischen
Fetten ein. Man traute ihnen dadurch die Herstellung des Uni¬
versalwundmittels der „Hexensalbe" zu, in welcher Hnndefett die
Hauptrolle spielte. So verdrängten sie vielfach die. Chirurgen,
aber sie richteten im allgemeinen mehr Schaden wie Nutzen an.
Im Jahre 1780 mußte z. B. die Leipziger Universität; einen Fall
begutachten, in dem ein Scharfrichter den gebrochenen^Arm eines
Knaben so fest geschindelt hatte, daß der Arm abstarb und in
Leipzig ohne Blutverlust aus dem gangränös gewordenen Schulter¬
gelenk heransgehoben werden konnte.
Aber auch in innerer Medizin versuchten sich die Henker.
Gegen Epilepsie verordneten sie schäumend frisches Blut innerlich
zu nehmen; am billigsten wurde Juden-, am teuersten Jungfern-
blut abgegeben (ein Vorspiel unserer Organtherapie). Nicht nur
die Plebs konsultierte die Scharfrichter, so mancher hochange¬
sehene Bürger schlich nachts zu dem Gevatter Freimann nnd
flehte ihn um Hilfe an, sogar die hochwür^ge Geistlichkeit stellte
sich ein. C. C. v. Siebold erzählt, daß ein Abt wegen Paro¬
titis sich beim Henker Rat holte. Nicht ohne ein peinliches
Gefühl lesen wir, daß König Friedrich I. von Preußen gegen den
Widerspruch des Collegium medicnm den Scharfrichter Koblenz
in Berlin zum Hof- nnd Leibmedicus machte. Zwar untersagte
ein Edikt von 1725 in Preußen den Henkern ernstlich das Ku¬
rieren, aber schon 1744 gestattete der große Friedrich ihnen,
„Knochenbrüche, Geschwüre nnd Wanden" nach bestandenem
Examen zu behandeln, nnd als die Aerzte in Potsdam sich be¬
schwerten, fuhr ihnen der königliche ZQi'U rr- wenn wir die Schil-
872
Dr. Zdle.
deniDgen Aber die jammerToUen Arztznstände der damaligen Zeit
lesen, nicht ohne Berechtigong — auf die Köpfe:
^Da aber S. H. iadietinktement nicht allen Scharfrichtem aondem nu
denen habilen solch Karen erlaubt haben, so lassen HOcbstdieselben es auch ferner«
hin bewenden messen Pablikam in nötigen Fällen Hilfe will and wenn ^e
Chimrgen so habil seiend, jedermann sich ihnen lieber anvertraaen, als bei
einem Scharfrichter in die Kar geben wird, wohingegen aber, wann unter den
Cbirargen Ignoranten seien, das Pablikam daranter nicht leiden soll, sondern
jene sich gefallen lassen müssen, dass sich jemand lieber durch einen Scharf«
lichter kurieren und helfen lasse, als ihnen zu Gefallen lahm und ein Krüppel
bleiben. Und also sollen sich die Chirurgen nur erst alle recht geschickt
machen und babilitiren, so werden die Kuren derer Scharfrichter Ton seibeten
und ohne Verbot aufhOren.**
Während in Oesterreich schon 1768 den Henkern das Ku¬
rieren untersagt wurde, durften sie in Sachsen Brflche, Buckel
und Beulen behandeln; in der Badenschen Grafschaft Salem haben
sie bis 1807 (!) Medizin und Chirurgie treiben dflrfen.
In Preußen hörte das Kurpfuschen der Henker von selbst
auf, als Examen und Approbation yorgeschrieben wurde.
Das Geschäft der Scharfrichter wiederum brachte die Justiz
oft in die Lage, den Bat des Chirurgen einzuholen. Bekanntlich
ist die Folter erst sehr spät ans deutschen Landen yerschwnnden;
die letzte Hexe wurde in Wärzbnrg 1749 verbrannt; hingerichtet
als Hexe wurde noch 1782 eine 70j‘ährige Nonne in Glarus.
Während die Folter in Oesterreich 1776 auf die Vorstellungen
des Professors Leber, der 10 Jahre „Folterarzt“ gewesen war,
abgeschafft wurde, blfihte sie in Deutschland noch fröhlich weiter.
Noch 1818 wurde in Hannover beim Amtsgericht Meinersen ein
Kärrner Wiedemann wegen Pferdediebstahls gemartert. Er mußte
sich in einen mit scharfen Stacheln besetzten Marterstnhl setzen,
dann wurden ihm Daumschrauben angelegt, und als er noch
immer nichts gestand, gequetscht. Erst am 17. April 1818 wurde
die Tortur in Hannover aufgehoben.
Professor Heister gab dem Magistrat in Hannover 1754
ein motiviertes Gutachten darüber ab, ob der Folterarzt, welcher
jeder Torquiernng beiwohnen mußte, erkennen könne, ob „die
Schnüre, mit denen die Gliedmaßen torquiert und malträtiert
seien, bis auf den Knochen gehen könnten.“ Heister meinte,
„daß ein ganzes Chor von Chirurgen, wenn es abwärtes vom Delin¬
quenten säße, ohne auf den Arm gantz nahe und genau zu fühlen,
nicht fähig seie, gewiss zu ermessen, ob die Constriktion bis auf
den Knochen der Armen ginge.“
In Frankreich holte, was wenig bekannt ist, während der
Revolution die Nationalversammlung von dem secretaire perpetuel
der Akademie Herrn Louis ein gewichtiges Gutachten über den
zweckmäßigsten Bau der Guillotine ein.
Das Kurpfuschereinnwesen beschränkte sich im 18. Jahrhun¬
dert, wie gesagt, nicht auf Deutschland, auch anderswo trieb es Blüten
und E[nospen. In Frankreich herrschte (cf. Bede des Staatsrats
Fonr croy im gesetzgebenden Körper) seit der Aufhebung der Fakul¬
täten (30. frnctidor an I) vollständige Anarchie. „Die Männer, welche
seit 8 Jahren in den Arzneischulen studiert haben, sind kaum im
Die Enrpfascherei im 18. Jahrhoadert.
878
Stande, ihre Kenntnisse zn yerwerten, während Schinder and
schamlose Hafschmiede den Namen Aerzte missbranchen.* Noch
(an VIII 1800) trieben die Okalisten besonders ihr Unwesen,
ftberall prangten Ankündigungen der mödecins ocnlistes nnd an
allen Straßenecken las man die Affichen nnd Anpreisungen der
pomades antiophtalmiqnes nnd der collyres.
Sehr wenig wurde in Italien gepfuscht; hier stand der
Aerztebemf in zu hohem Ansehen. Medizin und Chirurgie war
Yüllig in getrennten Händen. Es wird uns versichert, daß sogar
kein Heilgehilfe (Bader) sich dazu herabließ, einem Patienten die
Haare zu schneiden. In den besseren Familien war es Sitte, bei
jeder schweren Erkrankung mehrere Medici zu konsultieren; es
galt für eine Schande, wenn ein Patient nur unter den Händen
eines einzigen Arztes gestorben wäre, mindestens waren drei
dazu erforderlich, so heischte es die gestrenge Mode.
Tolle Blasen trieb das Eurpfuscherwesen in England.
In keinem Lande stieß man auf so viele marktschreierische An*
preisungen, der Londoner Chronikle wimmelte von Schwindel*
annoncen. Ein gut Teil Schule an dieser Misere batte die hohe
ärztliche Taxe, auf die wir mit einem gewissen Neidgefflbl sehen
dürften. Kein honoriger Arzt machte einen Besuch unter einer
Guinee. Da diese horrende Somme nur der Beiche zahlen konnte,
wandte sich Bürger wie Bauer gerne an die schon aamals stets
hilfsbereiten Apotheker, die in ihrem Amt nie von Aerzten revi*
diert wurden und Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer nach Herzens*
lust spielen durften, wenn sie nur dem Staate die Taxen bezahlten.
Für die Funktion des „Gliedereinsetzens", welche bei uns die
Domäne der Schäfer und der Ziehmänner ist, existierten besondere
Personen, welche dies Gewerbe als ein in ihrer Familie seit
anno x Ererbtes betrieben. Dabei war das Ansehen der Qoacksalber
kein kleines; so sagte z. B. ein Bichter zu der Gescbworenenbank,
er glaube, daß ein Gliedereinsetzer auf dem Lande mehr ver*
stünde, wie die ganze wohllöbliche Fakultät. Auch den Schwindel
mit Geheimmitteln duldete die englische Begiernng, ja sie kaufte
1725 das „Arkanum zur Badikalheilung der Brüche" von einem
gewissen Bowles gegen 500 Pfund Bente und eine einmalige
Summe von 5000 Pfund.
In Bassland stand die Pfascberei sogar unter dem Schatz
des Staates. Kaiserin Katharina II. befahl 1781 dem Medizinal¬
kolleg, daß je zwei Medizinalschüler für zwei Monate abkomman¬
diert würden, um bei einem bekannten Einrenker, einem Bäuerlein
aus der Umgebung von Moskau, die Behandlung der Brüche und
Verrenkungen zu lernen.
So sehen wir, daß überall in Europa der Schwindel lustig
blühte, erst allmählig fing es an zu tagen. Daß Oesterreich
schon 1753 den Henkern das Pfuschen untersagte, ist schon
erwähnt; gleichzeitig verbot dort ein Edikt allen Marktschreiern
und Hausierern das Ausstehen in Buden und jede Erankenbeband*
lang kurzweg. Bekanntlich bestraft dies glückliche Land noch
heute jedes Kurpfuschen!
874
Dr. Zello: Die KarpfoBcherei im 18. Jehrhnndert.
Sachsen folgte diesem Beispiel erst 1781; in den Klein¬
staaten wie Lippe finden wir aber noch 1789 Brnchschneider
and Oknlisten lustig ihr Unwesen treiben. Sollte in diesen
Miniaturstaaten ein Pfuscher zur Verantwortung gezogen werden,
so entfloh er leicht ttber die Grenze.
Die Gesetze waren nicht im Stande das üebel ansznrotten,
ebenso wenig wie die schon damals mit Recht (?) so beliebten
Traktfttchen und populäre Belehrungen. Vergebens verfasste
Dr. Tissot 1761 eine flammende Broschüre gegen das Pfuscher-
tum, welche in Lausanne erschien und 50 Auflagen erlebte; ebenso
vergeblich war die Wochenschrift des Dr. Unzer, welche 1769
bis 1764 erschien und das Publikum warnen sollte. „Aber wie
kann man die Knechte loben, kommt doch das Aergemis von oben“.
Wohl hat der scharfblickende, mit Unrecht nur „SoldatenkSnig“
genannte Friedrich Wilhelm I. den Arztstand gewaltig heben
wollen; er hat Fonds fflr Studienreisen errichtet; er hat die Sa¬
nitätskollegien geschaffen, bei welchen „von denen Stadt- und Land-
Physikus, wann etwa außerordentliche Krankheiten sich äußern,
zeitige Anzeige zu tun und sodann auf Mittel zu denken, die
Patienten und das gesamte Land vor dergleichen Seuchen zu
reinigen und zu bewahren.“ Er hat Leichenbeschauer angestellt;
er hat verordnet, daß jeder Arzt sein Examen machen mußte, ehe
er auf die Menschheit losgelassen wurde, weil „gleichwie in an¬
deren Professionen ein Stümper sich leichtlich verrät, . . . wo¬
gegen die Fehler in der Arztneikunst meistens durch ein finsteres
Grab verdeckt, mithin die Pfuscherei nirgends beschwerlicher und
gemeiner ist, als in der Arztneikunst.“ Als aber sein Nachfolger
Friedrich Wilhelm II. seine rühmlose Regierung und sein
Leben zu Ende gehen sah, da versuchten an dem schwer kranken
Manne alle Quacksalber Europas ihre Künste und heimsten enorme
Summen ein. Sie ließen ihn die Ausdünstung nngebomer Kälber
einatmen, die man ans den Kühen schnitt; sie bereiteten ihm
künstliche Lebensluft, welche aus tierischen Abfällen hergestellt,
in Ballons von Goldschlägerhaut aufgefangen wurde. Ein Mag¬
netiseur de Beaunoir verordnete elektrische Bäder, ein anderer
ließ zwei Kinder von 8—10 Jahren, die gesund, frisch und heitern
Gemüts sein sollten, zu beiden Seiten des Monarchen schlafen,
um ihn mit ihren reinen Ausdünstungen zu umgeben! Und all
dieser Unsinn wurde getreulich angewandt!
Eine kurze Erwähnung verdient auch das Pfuschen der
Geistlichen:
Oesterreich verbot ihnen 1770 alles Kurieren bei 100 Dukaten
Strafe, nur der Orden der barmherzigen Brüder durfte nach ab¬
gelegtem Examen Apotheken errichten. In anderen Ländern dachte
man mijder, ja man wollte durch Zulassung der Geistlichkeit zur
Praxis die Pfuscherei bekämpfen. So gestattete das Parlament
in Rouen 1773 dem Klerus die Ausübung der Heilkunde, und
Napoleon I. bestätigte das Gutachten des Staatsrates, wonach
ihnen ärztlicher Beistand erlaubt war.
In Hesseu verordnete 1777 der Landgraf Ludwig, daß kein
Kleinere Utteilnngen and Befemte ans Zeitschriften.
875
jonger Theologe eine Pfarre erhalten dürfe, wenn er nicht im
letzten Jahre in Giessen Über Medizin und Pfnscherei ein Kolleg
gehört hätte. Wfirzbnrg und Landeshnt verlangten von ihren
Geistlichen, daß sie Anthropologie gehört hätten; Schweden for¬
derte Kenntnis der Pathologie.
Bekannt ist, daß noch Hnfeland sich 1809 für die medi¬
zinische Betätigung der Landpastoren anssprach, nm der Pfnscherei
Einhalt zn gebieten.
Ich schließe hiermit meine knrze Besprechung; vielleicht
ist sie nicht nutzlos, leben wir doch wieder in einer Zeit, wo
sich Kurpfuscherei und eine falsch verstandene Natnrheilknnde
wie eine neue Volksseuche ausbreiten und in die weitesten Kreise
der Bevölkerung, selbst in solche, die durch Bildung und Geburt
vor derlei Torheiten — ich erinnere nur an das Unwesen der
Gesundbeterei — gefeit sein sollten, eindringen.
Wer Augen hat zu sehen, weiß, dass der Menschen Handeln
selten von der verstandesmässigen Einsicht abhängt, sondern von
Charakter und Gewohnheit. Damm haben grosse Belehrungen
der Menge wohl nicht allzu viel Sinn. Mundus vnlt decipi, ist
eine Binsenwahrheit und daraus folgt mit unerbittlicher Logik:
ergo decipiatur.
Die Anlage des Menschen zu ändern, geht über unsre Kraft;
darum bleibt nur eins: Man muss die Sitten so gestalten, dass
ans ihnen gutes erwächst. Und wer ist dazu auf dem Gebiete
der Volkaufklämng beratener, als wir Medizinalbeamte!
Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften.
A. OeriohtUoh« Modlzln.
Einiges Uber die forenslsehe Photographie. Von Prof. B. A Belss,
Laosanne. Photographische Korrespondenz; 1907, September.
Trotz der wichtigen Bolle, die die Photographie im Qerichts- and Polizd-
dienzt spielt, wird sie, abgesehen von einigen Städten wie-Wien, Paris, Berlin,
Dresden, Hambarg and Laosanne nar yereinzelt zar Aufnahme Ton Tatorts¬
befanden, Gerichtsexpertisen usw. angewandt. Die Aosbildong als Oerichts-
photograph erfordert eine Beihe Ton Spezialkcnntnissen neben den rein photo¬
graphischen. In Born, Ferrara and Lausanne wird seit mehreren Jahren dn
besonderes Kolleg gehalten über die Anwendung der Photographie im Kriminal-
dienst. Die Yorlesongen beschäftigen sich außer mit Tatbestandaofnahmen,
Schriftantersnehangen, signaletischen Portraits, Bertillonage, Daktyloskopie
und Anderem auch noch mit dem Leben, Gewohnheiten and Arbeitsart der
Verbrecher, am auf diese Weise den znkttnftigon üntersachangsbeamten, Aerzten
wie Juristen, AufschloS zu geben Aber die Art, wie Indizien gesucht und
benutzt werden müssen. Dr. Bevenstorf-Hamburg.
Die Beelnflossung der Totenstarre dureh die Salze des Calcium und
des Magnesium. Von Meitzer und Auer. Journal olexperimentel Medicine;
1908, X. Nr. 1.
Calciumsalze beschleunigen, Magnesiumsalze verzögern bei subkutaner
oder intravenöser Einspritzung die Entwickelang des Bigor mortis. Intra¬
arterielle Injektionen von LOsangen beider Salze rufen fast aagenblicklich eine
tetanische Kontraktur der Muskeln hervor, die, ohne wieder zn erschlaffen, in
echte Totenstarre übergeht. Die Form des Bigor ist als Arbeitsstarre zn
bezeiehnen. Bel der durch Calcium erzeugten Totenstarre ttberwiegt meist die
876
Kleiner« Mitteilongen and Referate ans Zeitechriflen.
Wirknng der Extensoren; bei dem auf Magneaiam folgenden Rigor, kontrahieren
sich manchmai die Extensoren. In anderen Fällen erstarren die Glieder in der
Lage, welche sie im Moment des Todes einnehmen. Caiciam beschieonigt den
Eintritt der Hitzestarre. Wie die Skelettmaskalatar terhiit sich anä der
linke VentrikeL Dr. ReTenstorf-Hambarg.
Ueber pldtillehe TedesflUe im SligUngsalter. Von Prof. Dr. Finkel-
stein>Beriin, Aerztl. Sachverständigen«Zeitong; Nr. 18, 1908.
Genügend oft wird beobachtet, daß sorgfältig beobachtete Säuglinge ganz
nnvermatet, so za sagen unter den Händen des Arztes, zu Grande gehen, ohne
daß nach durch die allersorgsamste Sektion der geringste Anhalt für die Er»
klärang des Todes gelanden werden kann. Speziell in SäagUngskrankenhäasem
werden solche Fälle nicht selten verzeichnet. Die Kinderärzte müssen daher
anf dem Standpunkte verharren, daß es in der Tat Kinder gibt, die kon-
stitutioneli die Vorbedingungen für die Möglichkeit eines plötzlichen Todes
darbieten. F. selbst bat im Laufe der Jahre mehrere Fälle dieser plötzlichen
Todesfälle in seiner Kinderklinik erlebt.
Bezüglich der Art des Todes sind zwei ganz verschiedene Bilder zu
verzeichnen. Tod durch 1. Herzsynkope (a. ganz plötzlich, b. mit voraus*
gehendem mehrstündigen Kollaps). 8. Durch Erscheinen einer b^erakuten
fieberhaften Vergiftung oder Selbstvergiftung. Alle diese Kinder sind fraglos
vorher konstitutionell krank gewesen; sie weisen unzweifelhafte Merkmale
bedeutsamer Stoffwechselstörungen auf, die das eine gemeinsam haben, daß sie
aufs engste mit Störungen in der Verarbeitung der Nahrung znsammwihängen.
Hierfür spricht schon der Umstand, daß äe Brustkinder nur ein kleines
Kontingent stellen.
Was nun den Herztod betrifft, seist bekannt, daß sehr viele Kinder, die
so zu Grande gehen, an Laryngospasmus leiden. Nach den neuen Forschungen
steht es nun fest, daß der Laryngospasmus nur als ein Symptom einer aligemeinen
Konstitutionsanomalle zu betrachten ist, die sich noch in zahlreichen anderm
Erscheinungen nervöser, zu örtlichen und allgemeinen konvulsivischen Par*
oxysmen neigender Uebererregbarkeit zu erkennen gibt. F. möchte für die
Benennung des Leidens nspasmophile Diathese* statt der bisherigen „Tetanie*
einführen. Alimentäre Einflüsse spielen hier eine große Rolle.
Eine zweite Gruppe bilden schwächliche und abgemagerte Kinder, die
sich auf dem Wege zur Atrophie befinden oder Rekonvaleszenten einer lang¬
wierigen, chron. Ernährungsstörung sind. Neuere Forschungen scheinen dar-
zuton, daß die Nahrung selbst gewissermaßen aktiv einen zerstörenden Einfluß
auf den Körper bat. Die Salzbilanz des Körpers spielt hier eine große Rolle,
da eine Art Demineralisation stattflndet. F. möchte den Vorgang lieber De¬
komposition nennen.
Bei der dritten kleineren Gruppe, die gebildet wird von plötzlich im
Kollaps verschiedenen Kindern, die wohlgenährt waren, sogar Brustkinder waren,
findet sich — meist neben andeutungen des Status lymphaticus — nach Fs.
Erfahrungen immer eine sogenannte idiopathische Herzbypertrophie geringen
bis mäßigen Grades. Eine anatomische Unterlage findet sich hierfür nicht,
man muß annehmen, daß durch irgend einen unbekannten Faktor die Wider¬
stände im Kreislauf dauernd erhöht sind.
Was nun die plötzlichen Todesfälle unter Vergiftungserscheinungmi und
Fieber anbelangt, so bieten zu diesem Bilde Analoga der Hitzschlag der Säug¬
linge an heißen Sommertagen und zweitens die Endstation des akuten Brech¬
durchfalles. Die Symptomatologie ist die gleiche. Die Todesursache in allen
Fällen ist offenbar ein akut herreinbrechendes Stoffwechselkoma. Autor be¬
spricht dann die lymphatischen Kinder, den „Ekzemtod*. Was Mediziner und
Laien über Krämpfe, Wärmestörung, Kollapse im Anschluß an Verbände, was
über die Gefahren der Unterdrückung des Hautflusses berichtet wird, unter¬
schreibt F. aus eigener Anschauung im vollen Umfang.
Der Aufsatz ist wert, von jedem Gerichtsarzte im Original naehgeleaeu
zu werden. Dr. Troeger-Kemptea.
Kleinere Mltteilnngen und Referate ane Zeiteehriften.
877
Der angeblieke Naehwele tob Syphilis bei den prihistorisehen
Aegyptem. Von O. Elliot Smith. Professor der Anatomie in Cairo.
Lancet; 1908, 22. Angnst.
Elliot Smith hat w&hread der letaten sechs Jahre Gelegenheit gehabt,
in einer großen Zahl von Fällen solche Veränderongen an den Skelett* und
Kopfknochen yon Hnmlen za sehen, welche yon früheren Forschern als die
Produkte syphilitischer ülcera gedeutet worden sind, trotzdem das Fehlen yon
Exostosen auffällig war.
Smith kommt auf Grund seiner Erfahrungen zu der Ansicht, daß die
in Bede stehenden Knochenyeränderungen nicht luetischen Ursprungs, sondern
durch die Tätigkeit kleinster Käfer erzeugt sind, ln der Mehrzahl der Fälle
erwiesen sich die Knochen der Seite ulzeriert, welche unten lag, und besonders
solche Knochen, welche fest gegen den Boden gepreßt waren; wurden die
Mumien auf der Unken Seite liegend gefunden, so traf man die „Ulcera“ auf
dem linken Scheitel* und Jochbeine, bei Rückenlage auf dem Hinterhauptbein.
War nach einer früheren Grabplünderung der Sdiädel zufäUig in die Lage
nüt dem Gesicht nach unten geraten, so waren die Gesichts* und SUrnknochen
ariodiert.
Diese Beobachtungen, welche darauf binwiesen, daß'eslsich um postmortale
Knocbenyeränderangen handelt, wurden dadurch bestätigt, dsß Leichen, welche
in Steingräbern oder in Särgen lagen, keine Knochenyeränderungen anfwiesen,
und daß ein weißes Knochenpulyer, der Lage der ^Ülcera" entsprechend, den
Boden bedeckte. Beim Aufheben der Knochen fanden sich ferner am Boden
kieine, ca. 1 mm .weite Gbige von Käfern, welche nach der lädierten SteUe
des Knochens führten. Dr. Rey enstorf'Hamburg.
Rechtshändigkeit. Von G. Elliot Smith, Professor of Anatomy
in Cairo. The Britisch med. Journal; 1908, 29. August.
Bei den meisten Menschen ist eine ausgeprägte Asymmetrie des Schädels
und des Gehirns festzustellen. Sie tritt bei der weißen Baase deutUcher hervor
als bei den Negern und beim Neger mehr als beim GoriUa, fehlt aber auch
bei den anthropoiden Affen nicht völlig. Den Autoren, welche behaupten,
Schädelasymmetrie sei ein Degenerationszeicheu, ist entgegenzuhalten, daß
Schädelsymmetrie sich überhaupt nur bei Menschen mit augetorenem Schwach¬
sinn und bei manchen niedrig stehenden Negern findet.
Smith nimmt an, daß die Schädel- und Gebirnasymmetrie der Ausdruck
ist für eine weitgehende Spezialisierung der Gehirnfunktionen. Die linke
Hemisphäre ist der Sitz der Gescbicidichkeit und steht in Abhängigkeit
yon der Rechtshändigkeit. Diese besondere Anlage ist erblich.
Die Beobachtung, daß die Asymmetrien des Kopfes, welche das Gesicht,
den knöchernen Schädel, das Gehirn und bestimmte Blutgefäße betreffen, stets
auf der gleich Seite miteinander vergesellschaftet angetroffen werden, veranlaßte
den Verfasser, zu untersuchen, ob eine Beziehung besteht zwischen Links¬
händigkeit und Lage der Kopfasymmetrien. Die Mitwirkung der Kliniker führte
nicht zum Ziel, da während der üntersucbnni^zeit nur Rechtshänder auf den
Sektionstiscb gelangten. Die Rechtshändigkeit Verstorbener wurde daher auf
andere Weise eruiert. Es ist bekannt, daß bei Rechtshändern Humerus und
Radius rechts länger sind als links. Wood Jones ermittelte nun durch
Messungen an vielen Hunderten von Skeletten, die in Nubien gefunden wurden,
daß in der Tat die Asymmetrien des Schädels auf der rechten Seite lagen,
wenn die Knochen des linken Arms sich durch die grössere Länge anszeichneten.
Die Ifitteilung der ägyptischen Forscher läßt Nachuntersuchung und Bestätigung
wünschenswert erscheinen. Dr. Revenstorf-Hamburg.
B. aarlohiUohe Pnyohlntrln.
Zur Lehre von der Amentla. Von Dr. A. Z w e i g, ehemal. Assüteaz-
arzt der psych. Klinik in Königsberg I. Pr. AUg. Zeitschrift für Psychiatrie;
66. Baad, 5. Heft.
1. Aetiologisch scheint bei der Amentia das Zusammentreffen körperlicher
und psychischer Ursachen wichtig zu sein. Bei Fällen, die durch i^te Er¬
krankungen aasgelöst Mnd, dürfte der psychische Faktor die Rolle des
prädisponierenden Momentes spielen, während chronische Erkrankungen den
878
Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitscliriften.
pi&disponierenden Boden abgeben, aof dem das psychische Moment ans*
lösend wirkt.
2. Unter den psychischen Momenten, die eine Amentia anslOsen kOnne^
ist anter anderem die Fnrcht vor dem Erankenhaos za erwähnen. Allein die
Anina^e in dasselbe kann ebenso wie ein Unfall bei einem geschwäditen
KOrper den Aasbrnch der Erkrankung bewirken.
8. Die Differentialdiagnose zwischen Amentia aof der einen and besondera
der Katatonie and Hysterie anf der anderen Seite ist im Anfang oft schwierig.
4. Aaßer der Aetiologie fordern nach die Hallozinationen zom Vergleich
der Amentia mit den Alkobolpsychosen aof.
6. Spätere geistige Erkrankongen sprechen nicht anbedingt gegen die
Diagnose Amentia. _ Dr. TObben^Mtlnster.
Beitrag rar Differentialdli^noze des katatonischen nnd bysterlzekeB
Stupors. Von Kort LOwenstein, Vol. - Arzt in Herzberge. AUg. Zeitschrift
ilir Psychiatrie; 65. Band, 5. Heft.
Bei einem Erankheitsbild, das von vornherein ganz den Eindruck eines
typischen katatonischen Stupors macht, läßt sich Katatonie durch den ganzen
Verlanf der Krankheit, durch den Ausgang in Heilung ohne jeden Defekt und
vor allem durch die Ableitung des Stupors aus zusammenhängenden Vor¬
stellungen, Uber die der Kranke reflektiert, ansschließen; die einzelnen vor¬
handenen hysterischen Momente lassen es aus der großen Gruppe: Entartungs-
Irresein als spezielle Form desselben; „Hysterisches Irresein, im besonderen:
Hysterischer Stnpor" abtrennen, und sichern diese Diagnose zugleich gegen¬
über der akuten halluzinatorischen Psychose und dem psychogenen Haftznstand.
Besonders bemerkenswert ist dabei der weite und klare Einblick, den man
durch die Bemerkungen des Kranken in die Entstebnng des Stupors bat. Es
dürfte bei Fällen, bei denen man die Vermutung des Vorliegens eines ähnlichen
Zustandes hat, daran zu denken sein, ob es vielleicht möglich ist, während
des Stupors durch Anwendung der Hypnose sich über die Vorstellungen des
Kranken Aufschluß zu verschaffen. Auf die große Bedeutung, die «ue Ent¬
scheidung der Differentialdiagnose katatonischer oder hysterisdier Stupor für
die Stellung der Prognose hat, wird besonders hingewiesen.
Dr. TQbben-Münster.
Einiges Uber Exhibitionismus. Von Dr. Otto Leers. Monatsschrift
für Erimindpsychologie u. Strafrechtsreform; 1908, H. 6.
Verfasser erörtert eine Anzahl Fälle von Entblößen der Oenitalorgane,
die in der Literatur beschrieben sind, und hebt die krankhaften Züge hervor,
die das Geistesleben und die Heredität der Täter geboten hat Er kommt zu
dem Schlüsse, daß Exhibitionismus immer auf pathologischer Grundlage er¬
wächst, und die Bezeichnung „gewohnheitsmäßiger Exhibitionismus*, d. h.
Exhibitionismus bei geistig Gesunden zu Unrecht gebraucht wird. In den
meisten Fällen liegt Onzurechnnngsfähigkeit oder doch zum mindesten ver¬
minderte Zurechnungsfähigkeit vor. Der Exhibitionismus ist kein besonderer
Typus von Perversion an sich, sondern nur eine Varietät abnormer geschlesdit-
licher Befriedigung, der oft ein sadistischer Zug innewohnt. Auch bei Homo¬
sexuellen kommt, wenn auch selten, Exhibitionismus zur Beobachtung, des¬
gleichen bei dem weiblichen Geschleckte.
Als Bepressesivmaßregel gegen das besprochene Vergehen hat die Ge¬
fängnisstrafe fast keinen Erfolg. Zweckmäßiger ist es, die geistig kranken
Täter zu heilen oder sie bei Unverbesserlichkeit durch Anstaltsverwahrung
dauernd unschädlich zu machen. Bei der Aburteilung von Exhibitionisten ist
den Bichtern die Zuziehung von ärztlichen Sachverständigen dringend anzuraten.
Dr. Fritz Hoppe-Allenberg.
Dementia praecox Jenseits des 80. Lebensjahres. Aus der Königl.
psychiatrischen EUnik in Königsberg (ProL E. Meyer). Von Dr. A. Zweig',
Assistenzarzt der Elinik. ArcUv für Psychiatrie; 44. Band, 3. Heft.
1. Die Dementia praecox ist eine Erkrankung, welche in jedem Lebens¬
alter einsetzen kann.
Kleinere IDtteilniigeD nnd Referate aas Zeitscbrifteii.
879
2. Priizipielle Unterschiede zwischen den in der Jagend and den im
höheren Alter einsetzenden Fällen existieren nicht
8. Die Prognose der jenseits des 80. Jahres einsetzenden Erkrankang
ist im AUgemeinea günstiger als ^e der Fälle in jUnKcren Jahren.
4. Eine Dementia tardira abzagrenzen, lieA kra genügender Qrnnd Tor.
Dr. Többen'Münster.
Dellrlui tremens^ eine klinische Stadie. Aas der jpsychiatrischen and
NerrenkUnik der üniyersität Kiel (Dir.: Geh. Med.*Rat Prof. Dr. Siemerling).
Von Dr. Wassermeyer. Archiv für Psychiatrie; 44. Band, 5. Heft.
Da es anmöglich ist die Ergebnisse der gründlichen and fleißigen Stadie
Wassermeyersim Rahmen eines kurzen Referates erschöpfend zu behandeln,
möge es genügen, die den Hedizinalbeamten interessierende forensische Be¬
deutung des Deliriam tremens kurz za besprechen. Am ehesten wird es im
Deliriam za Gewalttätigkeiten kommen. Aach Fälle von Tötung, falscher
Anschaldigang, sowie Selbstmordrersache und Angriffe auf die Angehörigen,
die Ton den Kranken verkannt werden, sind beschrieben worden. Ein Pati^ent
versachte nachts mit dem Taschenmesser die Läden eines herrschaftlichen
Haases za erbrechen, weil er dieses für die Wohnung eines Bekannten hielt
den er rafen hörte, dafl man den Laden anfmachen soUe. — Am schwierigsten
za beurteilen sind die Vergehen, welche im Vorstadiom, das sich zaweilen
über Wochen erstrecken kann, aasgefübrt werden. Auch in diesem Stadinm
können schon ganz erhebliche Störungen der psychischen Funktionen sich ein¬
stellen, die unter Umständen wohl geeignet sind, die Zorechnangsfähigkeit
schwer za schädi|;en oder ganz aafzaheben. So ist dem Aator ein Fall be¬
kannt geworden, in dem ein Geschäftsmann in einer solchen Phase der Er¬
krankang falsche Eintragangen in seine Bücher gemacht hatte, and der deshalb
ezkolpiert wurde. _ Dr. TObben-Münster.
Ueher eine eigenartige Form des Tremors bei Epileptiker. Von
Stabsarzt Dr. v. Le^oldt-Stettin. Klinik für psychische and nervöse
Krankheiten; Bd. III, H. 3.
Allen 8 mitgeteilten Fällen war die besondere Form des Tremors
gemeinsam, die sich darch die intermittierende Häafang von 2jitterbewegangen
charakterisiert; diesen Typas hält Verfasser für ein speziflsches Symptom für
Epilepsie oder epileptische Veranlas^g. Die Beobachtung dieser Tremoiiorm
vermag daher in zweifelhaften Fäl^ einen wichtigen Wink abzageben.
_ Dr. Wolf-Harbarg.
Versnehe über die Beiiehnngen von Epilepsie nnd Alkeholismns.
Von M. Serrg*Gießen. Klinik für psychische and nervöse Krankheitea;
Bd. m, H. 8.
Verfasser hat die engen Beziehangen zwischen Epilepsie nnd Alkohol-
wirkong, die aas klinischen Erfahrungen längst bekannt sind, anch experimentell
bestätigt gefunden, indem er auf Grand swer Versuche als das Wesentliche
dieser Beziehangen eine beiden Zuständen eigene starke psychomotorische Uebor-
erregbarkelt konstatieren konnte. Dr. Wolf-Harburg.
Ist die Bollglonspsyehologle eine besondere Wissenschaft I Von Prof.
Dr. G. Ranze, ^tschrift für Beiigionspsychologie; Bd. U, H. ß.
Wenn auch die Psychologie allen praktischen Wissenschaften dient, so
hat sie gleichwohl zur Heilkande and zar seelsorgeriscben Praxis deshalb ein
ganz besonders intimes Verhältnis, weil zu deren gemeinschaftlichen Ziel, der
Erhaltung, Wiederherstellang und Förderung der mens sana in corpore sans
— einem Ziel, das man wohl die allerwichtigste Angelegenheit des Menschen¬
lebens nennen darf — wiederum der Einblick in das Seelenleben des Einzelnen
die wichtigste Verbindung Ist. Diese praktische Seelenkunde ist keine Philosophie,
sondern eine Grenzwissenschaft zwischen Theologie nnd Medizin.
_ Dr. Wolf-Harburg.
880
Kleinere Ifltteilangen and Referate ana Zdtaehriilen.
Die Minderwertigen im Strafrellrage. Von Med.>Bat Dr. Leppmann*
Berlin. Aerztliche SachTeretfindigen-Zeitong; 1908, Nr. 19 and 20.
L. prüft die Frage, weiche Rechte und welche Pflichten erwachsen den
an Zwangeanstalten tätigen Aerzten betreffs der Minderwertigen. Als Minder¬
wertige im StrafvoUzage haben diejenigen za gelten, welche dnrch wesentliche,
dauernde, krankhafte, geistige Bigenttimlichkeiten entweder ein rermindertes
Verständnis fflr die Bestimmongen des Strafvollzages oder eine verminderte
Widerstandskraft gegen Darchbrecbnng der Bestimmongen desselben haben.
Zar völlig gesicherten Feststellang der Minderwertigkeit im Einselfalle
braachen wir den Nachweis 1. eines krankhaften Kernes einer das Seelenleben
schädigenden Drsache ln der Persönlichkeit des Gefangenen, 2. von bestimmten
krankhaft gearteten Eigentflmlichkeiten seines Verhaltens. Bei Antritt der
Strafe ist die EUarstellaog der seelischen Artang des Gefangenen vorzonehmen.
Es sind zwei Gruppen von Minderwertigen zu onterscheiden: a) die an¬
geborenen bezw. vor der Vollreife des Gehirns erworbenen Minderwe^gkeiten
und b) diejenigen Minderwertigkeiten, welche entstehen, nachdem bereits eia
voller geistiger Besitzstand vorhanden gewesen ist.
Minderwertigkeitstypen sind: 1. der geistig Beschränkte, der im all¬
gemeinen Intelligenzschwacbe, 2. die Paranoiden, Menschen, die nicht schlecht¬
weg schwachsinnig sind, welche aber dnrch Bizarrie der Gedankenricbtang von
der Norm abweichen, 8. die ünrahigen. Unsteten, die nie lange in einem Ver¬
hältnis aasharren, 4. die Schlaffen, 5. die Reizbaren. Die Epileptiker zeigen
sich ün Strafvollzag seelisch so verschiedenartig, dafi L. verzichtet hat, sie
einem besonderen Typ onterzuordnen.
Die Verstöße der Minderwertigen gegen die Haasordaangen bestehen:
a) in Qaeralantentnm, b) es bildet sich ein hypochondrischer Zag aas, e) die
Arbeitsleistang ist eine verminderte, je nach dem Typ verschieden, d) es kommt
zu Stimmangen und Affektaosbrttchen.
In der Behandlang der Minderwertigen muß notwendig individaalisiert
werden. Jede Maßregel, welche die Minderwertigen berücksichtigt, dient dann,
die Zahl and den Umfang der im StrafvoUzage entstehenden Geistesstörangen
zu mindern. Es ist daher nach L. zweckmäßig. Minderwertigkeitsabteilangen
bei großen Gefängnissen einzarichten und anznstreben, wie eine solche bereita
in Brandenburg besteht. Dr. Troeger-Kempen i. P.
Die Behandlang der kriminellen Gefsteskraaken Im Staate New York.
Von Dr. Fritz Hoppe-Allenberg. Monatsschrift für Kriminalpsychologie u.
Strafrechtsreform; 1908, H. 6.
Verfasser beschreibt eingehend das Verfahren der Abarteilang geistig
Erkrankter and die weitere Behandlang krimineller Geisteskranker and geistes¬
kranker Gefangener im Staate New-Tork. Es ist von Interesse, daß auch in
Amerika wie bei uns zahlreiche Mängel in der Praxis and der Gesetsgebang
bestehen. Besonders rückständig ist dort die Möglichkeit der Begntautoag
zweifelhafter Geisteszustände durch Laien. Dagegen hebt sich New-Tork vor¬
teilhaft daroh die einheitUche Regelang der Verwahrnng gemeingefährlicher
Geisteskranker und dnrch die große Freiheit der Behörden in ihren Maßnahmen
gegen Mychisch kranke Täter hervor.
^ der Vergleichang mit den deatschen Zoständen wird unter den
Wünschen de lege ferenda besonders betont: Abschaffung der Laienrichter
(Geschworenen) bei der Entscheidang über todeswürdige Verbrechen, geeignetere
Verwahrnng und Beaufsichtigang gemeingefährlicher (Histeskranker, ^reichnosg
des Irrenanstaltsanfenthaltes auf die Strafzeit Strafgefangener, größere Freiheit
des Richters und Staatsanwaltes bei der strafrechlichen Verfolgung von
Psychopathen. _ Eigenbericht.
O. MnohvnrstAadlKüntAtiKkelt ln üafiül- und Inwnlldlt&twtohna.
Die Vergiftung durch Morphin und Opium; Gewerbekraukheit eder
Unfall? Von Prof. Dr. L. Le win- BerUn. Medizinische Önik; 1908, Nr. 43.
Ein Arbeiter, der schon 84 Jahre lang in einer chemischen Fabrik und
die letzten 25 Jahre mit Apomorphin gearbeitet hatte, wurde einige Tage aue-
hUfsweise in dem Morphinbetrieb beschäftigt. Während sonst sehie Arheit in
dem Reinigen von Apparaten und Gefäßen bestand, wusch er am 18. August
Kleinere Mltteilnngen and Referate au Zeitschriften. 881
Tdeher au, darch welche nnreinu Morphin flUrlert war, wobei er iwar nur
wenig mit Morphin, aber gleichseitig auch mit Salzsiore, Kohle nnd Kalk in
Bertthrang kam. Schon während der Arbeit stellte sich Jacken ein, and noch
an demselben Tage eine starke rote Schwellung an beiden ünterarmu, die
sich bis anf die Brut audehnte, so dafi der Arbeiter bis zum 12. Aogut die
Arbeit aassetzen maßte. Qleich nach Wiederaafnahme der Arbeit — er wurde
jetzt im Theobrominbetrieb beschäftigt — trat der Ausschlag Ton neuem auf
und machte Ton neaem ein Aassetzen der Arbeit notwendig. Der betreffende
Mann arbeitete dann noch einmal zwischen dem 4. und 8. Dezember; seit der
Zeit stand er in daaernder Behandlang. Die Berafsgenosseuebaft lehnte
ebenso wie du Schiedsgericht die Qewährang einer UnfaUrente ab. Im BekurB»
yerfahren wurde Verfauer zar Abgabe eines Obergataebtens aofgefordert Da
nachweislich durch Morphin und Opiam Haaterkrankangen (Erythem, Urticaria,
Ekzem, Petechien) yerorsacht weraen können, außerdem im yorliegenden Falle
die Anwesenheit von Säure und der beim Reinigen augetibte DrucK die Ueber-
windang des Widerstandu, den die gesunde Haut dem Eindringen solcher
Gifte entgegensetzt, begünstigte, so wurde vom Verfuser ein Unfall als vor*
liegend angenommen, zumal die Angaben des Arbeiters völlig glaubwürdig
waren. Daß er nicht schon früher erkrankt war, lag in der Art seiner Be>
schäftigung, welche die Verwendung von viel Wasser beim Reinigen der Ge¬
fäße bedingte. Eine Qewerbekrankheit wurde vom Verfauer auguchlossen
und auch du Wiederkehren du Auschlags lediglich als Unfallfolge anguehen.
Du Reichs •Versicherungsamt schloß sich diuem Gatachten an und sprach den
Hinterbliebenen des iuwischen gutorbenen Patienten eine Rente zu. Bpd.
Schwere Blutungen in du Gehirn nach Einatmung von Kehlendnut.
Von Dr. med. Philipp Kissinger. Monatwchrilt für Unfallheilkunde und
Inyalidenwesen; Nr. 9, 1908.
Ein Patient wurde in einem Neubau in einem mit Bauch erfüiiten Raum,
in dem Koksöfen brannten, bewußtlos anfgefunden; er starb nach zirka
84 Standen unter buchleunigter Atmung und buchleunigtem Puls, erhöhter
Temperatur und den heftigsten Zuckungen du ganzen Körpers. Die Sektion
ergab starke Blutungen in den Gehirnhöhlen pp. Die Untersuuung des Leichen-
blutu auf Kohlenoxyd war negativ; vom Lebenden war Blut nicht untersucht
worden. Trotz diuu negativen Befundu bleibt Verfuser bei der Auicht und
er weist u nuh, daß er u mit einer Kohlenvergiftung zu tun hatte und dafi
Kohlenoxyd nicht gefunden zu werden brauchte, weU Pat. 24 Standen lug noch
reine Luft buw. Sauerstoff durch Inhalation eingeatmet hat.
Dr. B. Thomalla, Walduburg, Schlesira.
Nervßte Stßrniigeii uch Unflllen. Von Dr. B. Schonfeld in
SchOneberg. Monatsschrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesu; Nr. 7, IfiM.
Verfuser gebt davon aus, daß die Beurteilung von Nervenerkrulrangu
bei Unfallverletzten eine der schwersten Aufgaben sei, die u einen Arzt gestellt
werden. Oft lusen sich die Aerzte durch Angaben der Verletzten täuchen;
oft berücksichtigen sie auch nicht, ob die bestehenden Anzeichen der Nervu-
erkrankung etwa durch du Alter und dergleichen hervorgernfen sind. — Im
Anschluß hieru berichtet er über einen Fall, der ihm trotz der Gutachtu
mehrerer erfahrener Suhverständiger nicht genügend erklärt zu sein scheint; er
kommt zu dem Schluß, daß man nur dann die von dem Verletztu ugegebuen
nervösen Störungen als tatsächlich vorliegend anerkennen darf, weu eine längere
Bubachtung und wiederholte Untersuchung du Vorhudensein mehrerer
Symptome für eine Störung im Nervensystem ergibt und weu die Art du
Uafaliu einen ursächlichen Zuammenhug zwischu beiden zum,mindesten als
höchst wahrscheinlich erscheinu läßt.
Dr. B. Thomalla, Walduburg, Schlesien.
Eine seltene Verletzung des Kniegelenks. Von Sanitätsrat Dr. Bartsch
in Parchim. Monatschrifc für UnfaUheilkunde und Invalidenwesen; Nr. 9, 1908.
In einem Geschütz war beim Reinigu ein Schuß losgegangen. Eine im
Bohre zurückgebliebene Kartusche hatte sich entzündet; mfolgedusu war
einer Schnitterin auf eine Entfernung von zirka 40 m etwu Hartes an die
8S2
Kleinere Mitteilnngen und Referate ans Zeiteohriften.
Beine geschlagen. Verfasser beschreibt die Verletsiingen nnd sucht durch
B5ntgeabilder au beweisen, daß jedenfalls die starken Ligam. crudala den
Knochenrorsprung oder einen Teil desselben abgerissen haben. Darauf gibt
Verfasser eine Erkl&iung wie er sich den Vorgang denkt.
Dr. B. Thomalla, Waldenburg, Schlesien.
Die IntUche Begutaehtung in InTuliden* und KrankenTersicherungs-
saohen. Von Assessor Seelmann. Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig 19U8.
Verfasser spricht erst über die Begntachtung in InTaUdenverslchernngs*
Sachen. Hierbei geht er sehr ausführlich auf das Allgemeine, wie Leserlichkeit
der Atteste, genaue Beschreibung des Befundes, Untersuchung des ganzen
Körpers usw. ein. Darauf spricht er über Begutachtung des Grades der Er-
werbsfähifkeit, des Beginns usw.
Man merkt sofort, daß kein Arzt diese, gewiß fleißig ansgearbeitete and
höchst beachtenswerte Schrift verfaßt hat. Sollten tatsichlich die angehenden
Invaliden nach dem Wunsche des Verfassers untersucht werden, so müßte man
auf die Mitwirkung viel beschäftigter praktischer Aerzte bei derartigen Unter¬
suchungen gänzlich Verzicht leisten. Verfasser kann aber davon überzeugt
sein, daß ein richtiger erfahrener Praktiker oft durch einen Blick nnd durch
eine ganz kurze Untersuchung ein besseres Urteil fällt, .wie mancher Theore¬
tiker, der die Batschläge des Verfassers befolgt.
Uober den zweiten Teil „Die Beratachtung in Erankenveraichernngs-
sachen'^ ist ähnliches zu sagen. Dr. & T ho mall a-Waldenburg i. Schl.
D. Bakteriologie, Infekttonakrankhelten und dffeatliokee
BanltAtsweaen.
Bakteriologie und Infektlonskraukhelteii im allgemeinen.
Ueber das Aufwflrtswandern der Bakterien im Terdaunngskanal und
seine Bedeutung für die Infektion des Besplrationstractns* (Aus dem
Kaiserlichen Gesundheitsamt.) Von Dr. F. Dieter len, E. wttrttemb. Oberarzt,
kommend, z. Eaiserl. Gesundheitsamt Zentralblatt für Bakt: L Abt. Orig.-
Bd. 45, H. 6.
Dieterlen konnte nachweissn, daß Prodigiosus, Hühneroholera- und
Tuberkel- BazUlen, die Tiere per rektum beigebracht werden, infolge eines aa
der Darmwand (der Peristaltik entgegen) anfsteigenden Flüssigkeitsstromes
in kurzer Zeit in den oberen Darmpartien, dem Magen, Oesophagus, der
Trachea tud den Lungen erscheinen. Wurde der Oesophagus unterbunden,
so gelangten die Bakterien nur bis zur Unterbindungsstelle, nicht in die oberen
Teile des Oesophagus, die Trachea und die Lungen. Weitere Untersuchungen
sollen dartun, ob auch Typhus- und Cholerakeime auf diese Weise in die oberen
Teile des Oesophagus und die Luftwege gelangeu können. Wäre dies der Fall,
so würden sich daraus ganz neue Gesichtspunkte für die bei diesen Infektions¬
krankheiten zu beobachtenden Maßnahmen ergeben. (Für den Typhus kaum,
da wir bereits wissen, daß Typhusbazillen auf anderen W^en, nämlich von
der Blutbahn ans, durch die Tonsillen in den Speichel der Banken gelangen
können. Bef.) Dr. Lentz-Berlin.
Weitere Untersnehuigen über die Anttfermentreaktioii des Blitem
Von Marine-Stabsarzt Dr. Wie ns-Breslau. ZentralUatt für innere Medizin;
1908, Nr. 81.
1. Jede mit einer schwereren AUgemeinschädigung des Organismus ver¬
bundene konsumierende Krankheit (z. B. Karzinom, Tuberkulose) führt zu einer
Vermehrung des Antifermentgehaltes, zu einer Steigerung der hemmenden
Kraft des Blutserums. Diese Erscheinung findet sich bei allen derartigen
Schädigungen; sie ist nicht etwa auf einze&e bestimmte Krankheitsformen
schränkt, nicht spezifisch. Ein besonderer diagnostischer Wert kommt ihr
demnach vorläufig nicht zu.
2. Die Schwankungen des Antifermentgehaltes lassen bei akuten, vor
allem bei Infektionskrankheiten, häufig eine Gesetzmäßigkeit erkennen, kommen
überhaupt viel deutlicher zum Ausdruck, als bei den chronischen ikkrankungun
wo die Schwankungen geringer sind und sich alimählicher vollziehen.
Kleiner« Mitteilnngen and Befemte ana Zeiteehriften.
883
8. Die Schwanknngen des AnUfennentgehaltee and der opsonischen
Kraft im Blatsemm bei Mcnten Infektionskranueiten seheben zneinander in
ebem reaiproken Yerhiltob zu stehen. Dr. Woll-Marbarg.
Ueber einen diphtherleihnllehen BaolUas» Von Dr. F. Ditthorn
and Dr. A. Laerssen-Berlb.. Hygien. Zentralblatt; Bd. IV, Nr. 10.
Verfasser zhcbteten bei eber in einer Berlbei Schale aafgetretenen
Diphtherieepidemie einen diphtherieähnlichen Bacillas, der anf Platten Ton
Orgbalaosstrichen dem Diphtheriebadllos sehr ähnlich war and auch nach
12 bezw. 24 Standen typische Neißerfärbang zeigte. Diese Tatsache mahnt,
daß bei zweifelhaften und wichtigen Untersachangen neben der Neißerfärbang
auch die anderen Differenzierangsmethoden Ton Fbgertropfen, Beinkoltor, Tier-
▼ersaeh, LOfiQerpräparat herangezogen werden müssen, die aach b dem erwähnten
Falle die Dbgnose sicherten. _ Dr. Wolf*Marbarg.
Zar Frage der Bakterlimie bei Typhös. Von Dr. S. A. Silberberg*
Odessa. Zentralblatt für bnere Medezb; 1908, Nr. 87.
1 Die Gewinnnng von Typhnskoltnren ans dem Blate b den ersten
Krankheitstagen macht die Methode der Blntaossaat zar sichersten and
wichtigsten für die Frühdiagnose des Typhös.
2. Die Methoden der Blataassaat nach Castellani, Conradi and
Kay8er sbd b bezog aal die Besaitete einander gleichwertig; am branch-
barsten wegen ihrer Einfachheit and Bequemlichkeit erschebt die Methode
Ton Kayser.
8. Darch Zentrifagieren der Koltor ans Qallenährboden and Unter-
soehang des Bodensatzes kann man sbh schon vor der üebertragong der
Koltar anf Agar über die Anwesenheit von Typhosbasillen im Nährboden
orientieren.
4. Die Diazoreaktion im Ham geht Hand in Hand mit der Bakteriämie
bei Typhös, wird bereits b den 1. Krankheitswochen wahrgenommen and kann
soweit ab ebfaches and ziemlich verläßliches Mittel für £e Diagnose gelten.
5. Die Aasscheidang der Eberthsehen Bazillen auf Strichpräparaten
aas dem Blote typhöser Kranken nach der Methode POppelmann gelingt selten.
6. Die W i d a l’scbe Probe kann nnr als Hilfsmittel angesehen werden
bei der Diagnose des Abdombaltyphns von der 2. Woche ab.
_ Dr. Wolf'Marbnrg.
Aktlre Immonisatten dnreh snbkntane Injektionen lebender Typhoe«
baslUen bet Eberth’seher Infektlen. Branebbare praktische Besnltate.
Von Prof. B. Pessarolo and Dr. C. Qoadrone-Tarb. Zentralblatt für
bnere Medizin; 1908, Nr. 40.
1. Beim Typhus vermag die Bakterietherapie mit lebenden, aber
abgeschwächten Kaltaren eine echte Heilwirkang anszaüben, indem dem
kranken Organismus meistenteib eine lebhafte Produktion von immunisierenden
Substanzen dadurch ermöglicht wird. 2. Sie ist fast ganz unschädlich und raft
nur vorübergehende Symptome eber lokalen und allgemeinen Reaktion hervor.
8. Sie muß vor allem in Fällen von Typhämle b Anwendung gezogen werden,
wo Symptome einer Allgemeininfektion im Vordergrund stehen. 4. Man muß
die Injektionen nicht za spät ausführen, allerdbgs aach nicht eher, als die
klinbehe Diagnose bakteriologisch erhärtet bt, schon um dem Organismas
Gelegenheit zar Bildung von Antikörpern za geben.
_ Dr. Wolf-Marburg.
Sjphllia and Prostltation.
Zar Serodiagnostik der Syphllb* Von Prof. Dr. F. Ballner and
Dr. A. V. Decastello-Innsbruck. Hyg. Zentralblatt; Bd. IV, Nr. 12.
Die Verwendung des Bbderblutsystems zur Anstellang der Wasser*
mann-Neisser-Brack’schen Reaktion erscheint es za ermöglichen, eine
für Laes im klinischen Sinne spezifische Reaktion an einer nicht spezifischen,
gelegentlich bei verschiedenen Krankheitsprozessen (Taberkolose, malignen
Klein«» Mittettangen nnd Befernte nni ZetUohrlllen.
OOv
Tumoren, Lenknemie oiw.) aoftretenden sn onteracheideD, wlhrend bei der
Prttfong derselben Sera mit Hammelblnt das Verhalten nicht so dentlich war.
_ Dr. Woil'Marbnrg.
Ueber die sexnelle Verantwortliebkeit. Von Prof. K. Tonton in
Wiesbaden. Zeitschrift für Bekimpfnng der Oescblechtskraakheiten; 1908,
Band 8, Heft 8.
Der yor den Abitnrienten des Wiesbadener EgL Gymnasiums gehaltene
Vortrag yerdient insofern besondere Erwähnung, als er als Muster eines der«
artigen Vortrages fttr Abitnrienten gelten kann. Inhaltlich entspricht er den
bisher yerOffentlichten derartigen Vortrigen. Dr. Dohrn>Hannoyer.
Verbreitung der Gesebleebtskrankhelten an den Mittelschulen. Von
Dr. Hugo Hecht in Prag. Sekundirarzt an der Deutschen dermatologischen
Klinik. Zeitschrift fttr Bekimpfnng der Qescblechtskrankbeiten; 1908, Bd. 8. Mr. 4.
H. stellte durch eine Qmfrage fest, daß yon 8709 Abiturienten, die die
Ostreichische Mittelschule besucht hatten, nicht weniger als 295 = 7.9'*/o schon
wihrend der 8chnlzeit geschlechtskrank gewesen waren. Die Zahl der
schlechtskranken in den Hauptstädten war etwas geringer als in den Mittel*
Städten. H. fordert deshalb äne frtthsdtige Aufklärung der Jugend.
_ Dr. Dohrn*Haanoyer.
Prestltntlenspelltlk nnd SlttenpellseL Von Dr. med. Glith, Arzt n.
Kriminalkommissar bei der Berliner SittenpoiizeL Zeitschrift für Bekimpfnng
der Geschlechtskrankheiten; 1908, Bd. 8, Nr. 2.
Die Aenßerungen des in der Praxis stehenden Verfassers mit ihrer
aftehternen nnd doch idealen Auffassung yon den Zielen der Prostitntionspolitik
. heben sich angenehm yon der hypersentimentalen, weibischen Darstellung
neuerer Richtungen ab.
Unter den Vorbedingungen, die das Weib zur Prostituierten werden lassen,
S ielen das Milieu, der Mangel an Erziehung nnd die sittliche Verwahrlosung,
e wichtigste Rolle. Fast nie kommt die Not als Ursache in Frage. Wie
weit die moralische Verwirrung gehen kann, ersieht man daraus, daß sich in
Berlin den Kinderschuhen kaum entwachsene Mädchen zur Eänschreibnng
drängen, als ob es sich um den Erwerb eines Dienst* oder Arbeitsbncbes
handele, daß Prostituierte nicht nur in der Familie wohnen bleiben, sondern
sich sogar noch seitens ihrer Angehörigen einer gewissen Bewunderung erfreuen.
Herkunft ans TrinkerfamUien, hereditäre Belastung und uneheliche Geburt
ftthren besonders häufig auf den Weg der Prostitution. Demgemäß liegt der
Anfang der Laufbahn als Prostituierte meist schon weit in den ersten Jahren
der herangewachsenen Jugend zurttck. Aufgabe einer wirksamen Prophylaxe
ist es daher schon in den frühesten Jagendjahren einzngreifen nnd die Ge*
fMirdeten dem Milien zu entreißen, ehe die nachteiligen Wirkungen sich geltend
gemacht haben. An dieser yorbengenden Arbeit mitznhelfen ist Pflicht aller
Schichten der Nation, jedes einzelnen in seinem Wirkungsbereich.
Im Gegensatz zu dieser yorbeugenden Arbeit fällt der Einrichtung
der Sittenpolizei eine mehr repressiye Aufgabe zu. Sie bat den Zweck,
die durch die yorhandene Prostitution drohenden Gefahren fttr die Ordnung
und Volksgesundbeit zu ttberwachen nnd auf ein möglichst geringes Maß zu
beschränken. Hierzu bedient sie sich der sog. Reglementierung, d. h. der Ein*
Schreibung der Prostituierten in Listen nnd der gleichzeitigen Unterwerfung
unter bestimmte Vorschriften. Die Statistik Berlins zeigt nun deutlich, daß
es nicht der Zweck einer gat arbeitenden Sittenpolizei ist, die Liste der Ein*
geschriebenen nach Möglichkeit zu erweitern, sondern im Gegenteil so weit
me es geht, die Möglichkeit zu gewähren, der Binschreibnng zu entgehen
oder von der Liste wieder getilgt za werden. So hat die Zahl der Ein*
geschriebenen in der Zeit von 1896—1905 trotz der erheblidien Beyölketnngs-
zanahme Berlins einen Rttckgang yon 5098 auf 8185 erfahren.
Der Gang des Verfahrens, das ttber zahlreiche Stationen der Ver*
Wahrung, — der Drohung und des Versuchs der Besserung zur Einschreibung
ftthrt, zeigt, daß es yon einem dnrchaos wohlwollenden, hilfreichen Geiste
durchlebt ist. Das Gleiche gilt von der Entlassung aus der Reglementatioa.
Kleinore Hitteiloiigen and Befernte mu ZdtsohrUleii.
885
Dos Festhalten an dieser hnmaaea Anlbssnag rerdient unsere Bewunderong
nm so mehr, als wir sehen, wie nnrerbesserlieh die Prostitnierte nad wie
k&rglich die Erfolge sind. Dr. Dohrn-Hannover.
Das Animierkneipeawesen in Frankfhrt a. M. Von Dr. Th. Baer,
Speiialarat für Hautkrankheiten in Frankfnrt a. M. Zeitschrift fttr Beklmpfang
der Geschlechtskrankheiten; 1908, Bd. 8, H. 2.
ünter den 1716 Wirtschaften Frankfarts befinden rieh 88, die ihrem
Charakter nach als Animierkneipen zu bezeichnen sind. Sie sind ebmiso wie
die in anderen Städten Stätten der geheimen Prostitution, die in mehr oder
minder bffentlicher Form (dorch Piakate, Zettelyerteiinng etc.) fflr sich Beklame
machen. Wenn es auch nicht gelang, die Aufhebung der Animierkneipen au
erreichen, so konnte man ihre verderbliche Sphäre dMurch wirksam einengen,
daß die Tageszeitungen auf Bitte der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung
der Geschlechtskrackheiten zum größten Teil die Aufnahme derartiger Annoncen,
die zum Besuch von Animierknripen einluden, ablehnten.
Wie berechtigt die von der Deutschen Gesellschaft eingeleiteten Maß»
nahmen sind, geht aus der statisUschen Erhebung hervor, wonach der siebente
Teil der in Animierwirtschaften angestellten Personen geschlechtskrank war.
Eine Zahl, die vermutlich noch weit hinter der Wirklichkeit zurfickbleibt
Dr. Dohrn*Hannover.
Ueber Anlmlerknetpen. Vortrag, gehalten in der Generalversammlung
des Zentralverbandes zur Bekämpfung des Alkobolismns in Posen Oktober 1907
von Landtagsabgeordneten M finster borg» Danzig. Zeitschrift ffir Bekäm¬
pfung der Gescuechtskrankheiten; 1908. Bd. 8, H. 2.
Der Krebsschaden des Animierkneipenwesens würde durch ein Verbot
der Beschäftigung weiblichen Personals in Gastwirtschaften mit Stampf und
Stiel beseitigt werden können. Demgegenüber ist aber zu bedenken, daß durdi
dieses Verbot kleinere Wirtschaften, in denen weibliche Familienangehörige
beschäftigt sind, sehr hart betroffen würden. Ein wesentlicher Fortschritt
zum Besten des in den Animierkneipen tätigen Personals würde aber schon
dadurch erreicht werden, daß Personen unter 21 Jahren dort nicht beschäftigt
werden dürfen. Diese würden doch immerhin sehr viel eher im Stande sein,
den Versuchungen ihres Bemfes zu widerstehen als jüngere Mädchen, denmi
auch späterhin die Ergreifung eines anderen Berufes, wegen Mangels an Vor¬
bildung vollständig unmöglich ist. Weitere Maßnahmen zum Schatze der in
den Animierkneipen tätigen Kellnerinnen müßten bezüglich des Wohnungs¬
wesens, des Qrlaubs und der Stellenvermittlnng getroffen werden.
Ebenso sind auch Vorschriften zum Schatze der Bevölkerung notwendig.
Diese hätten sich hanptsächlich auf ein Verbot der Anlockung des Publikums
durch die Kellnerinnen und des Animierens zum Trinken i^oholischer Ge¬
tränke zu erstrecken. Dr. Dohrn-Hannover.
Der Kampf gegen die Animierkneipen. Von Marie Eggers-Schmidt
in Bremen. Zeitschrtit für Bekämpfung der GeschlechtskranUieiten; 1906,
Bd. 8, H. 2.
Die Verfasserin charakterisiert zunächst das Wesen der Animierkneipen,
die ein „Zusammentreffen von systematisch herangezüchteter Trunksucht und
Unzucht in ihren schlimmsten Formen* sind. Sie ruinieren ebenso den Besucher
wie das Animiermädchen, die fast regelmäßig eine Prostituierte ist oder wird.
Eine in Bremen stillschweigend erlassene Verordnung, wonach keine
weiblichen Personen in Schankwirtsebaften angestellt werden durften, bat
wieder aufgehoben werden müssen, da der § 41 der Beiebsgewerbeordnung
dem Gewerbetreibenden gestattet, Gehilfen jeder Art ansustellen.
Eine Abänderung des erwüinten § 41 wäre daher zur Bekämpfung des
Animierkneipenwesens erforderlich, um den Gemeinden die Möglichkeit zu
geben, nach Gutdünken die für die lokalen Verhältnisse passenden Vorschriften
zu bestimmen.
Ferner wären Vorschriften nach Art des Gotenburger Systems am Platze,
um das finanzielle Interesse am Alkobolkonsnm aaszuschalten.
Dr. Dohrn-Hannover.
886
Kleinere Mitteilungen und Referate am ZeitMhriften.
Tropenb^glene.
Zor Prop^laxe der BerlberL Von Dr. H. 8 an der •Berlin. AtcIüt
fflr Schiffs* and Tropen • Hygiene; 1908, £d. 12, H. 16.
Verfasser beobachtete an Bord eines Dampfers eine fieriberlepidenie, die
dadurch besonders interessant war, daß sie sich auf die Insassen ^es Wohn*
raomes beschränkte, während von anderen Fahrgästen, die unter demelben
Verhältnissen lebten, keiner erkrankte. Nach Entfernung der Erkrankten und
Desinfektion des Wobnraumes mit schwilliger Säure £smen keine weiteren
Erkrankungen vor.
Verfasser empfiehlt die Versuche, beribeiiverseuchter Bäume mit sehwef*
liger Säure zu desinfizieren, fortzmetzen. fDie Torstehende Beobachtung ist
sehr geeignet, die duffassui^ der Beriberi us Infektionskrankheit zu stützen,
cf. Tsuzuki: üeber das Wesen der Beriberikrankheit, S. 688, 1908 dieser
Zeitschr. Bel). _ Dr. Dohrn*HannoTer.
Ueber Volkskrankhelten in Strongeblet des Wnrl ud Minge ln
Kamerun. Von Dr. Külz, Begiemngsarzt in Duala. AtcIüt für Schiffs*
und Tropen - Hygiene; 1908, Bd. 12, Nr. 17.
Besonderes Interesse beansprucht die Verbreitungsweise derjenigen
Krankheiten in Kamerun, die wir Europäer gewissermafien als Morgengabe den
bisher unberührten Einwohnern übermittelt haben. Zu diesen gehören haupt*
sächlich die Qeschlechtskrankheiten.
Die Sy philis war laut Bericht namhafter Beobachter noch Tor 10 Jahren
wenig verbreitet. Jetzt ist die Bevölkerung derart durchseucht, daß die Zahl
der in poliklinische Behandlung eintretenden Syphilitiker sehr erheblidi ist
Unter 115 farbigen Arbeitern waren nicht weniger als 48 Syphilitiker! Dieses
schnelle Fortschreiten der Seuche bildet für den Nachwuchs einer gesunden,
leistungsfähigen Bevölkerung eine große Gefahr; eine Gefahr, deren Fort*
schreiten durch keine Maßnahmen mehr aufznhalten ist.
Schwere Formen der Syphilis werden häufig beobachtet, besonders bn
Leuten, die schon durch andere Krankheiten (Malaria) geschwächt sind.
Tertiäre Erkrankungen des Zentralnervensystems hat K., ebenso wie noch
andere Beobachter, bisher nur äußerst seiten beobachtet. Fehlgeburten sollen
in letzter Zeit häufiger als früher sein.
Einer noch größeren Verbreitung erfreut sich die Gonorrhoe, deren
Ursprung derselbe ist wie der der Syphilis. Besonders häufig sind auch
gonorrhoische Erkrankungen von Kindern.
Die Begelnng der Alkoholeinfuhr verlangt besonders eingehende
Beachtung. Der Neger kannte bisher nur seinen Palmwein, den er zur Zeit der
Weinlese trank. In den übrigen Zeiten war er alkoholfreL Das Bild des
chronischen Alkoholismus fehlte daher bisher. Die Einfuhr des gut zu konser*
vierenden Schnapses hat hier Wandel geschaffen. Der chronische Alkoholismns
ist in rapider Zunahme begriffen, um so mehr als der Eingeborene irgendwelche
ethischen Hinderungsgründe, die den Europäer vom Saufen zurückbalten, nicht
kennt. Auch über den Zusammenhang zwischen Alkohol und Verbrechen suid
bereits Erfahrungen zu machen. Alles drängt dazu, die Alkoholeinfuhr im
Interesse einer gesunden Eingeborenenpolitik nach Kräften zu erschweren.
Von den übrigen InfektionskranÜeiten beansprucht die sehr verbreitete
Lepra Beachtung. Eine wirksame Bekämpfung ist nur durch rigorose Iso¬
lierung der Erkrankten zu erwarten.
Tuberkulose und Typhus sind relativ wenig vorhanden; jedoch
besteht die Ansicht von der Bassenimmunität der Neger gegen Tubwkulose
keineswegs zu Becht.
Von der Dysenterie kommen beide Arten vor. Das mit Fäkalien
oft verunreinigte Trinkwasser kommt für die Uebertraenng hauptsächlich in
Betracht. Versorgung mit einwandsfreiem Trinkwasser ist deshalb das nächste
Ziel einer erfolgreichen Bekämpfung.
Unter den Eingeweidewürmern kommt Anchylostoma nicht selten
vor; häufig in Verein mit anderen Eingeweidewürmern.
Von der Schlafkrankheit sind bisher nur vereinzelte Fälle bekannt
geworden. Eine weitere Verbreitung hat sie nie gefunden, obwohl es an
Glossinen koineswogs fehlt.. _ Dr. Dohrn*Hannover.
Kleineire Mitteilnnsen and Befernte ans Zdtsohrifteib
887
Ueber das SenuBerlleber» Von Dr. Mennella. QionialediHedidaa
militare; 1908, Bd. 7.
Unter Sommeifleber — auch Klimafleber, Sommeiüiflaeiiza, Malaria«
inflnenza genannt — beschreibt Verfasser eine in den Monaten Juni bis Angost
anftretende Erkrankong, die sich durch Erscheinnngen von Seiten des Dann¬
kanals kondgiebt Die Befallenen erkranken unter Fiebererscheinnngen, starker
Prostration, Muskelschmerzeo, Erbrechen, Durchf&Uen und nervOsen Er¬
scheinnngen. Das Fieber fällt meist nach 24 Stunden unter Schweißausbruch
ab. BesidiTe sind hänfiu. Das gesammte Krankheitsbiid hat mit Typhus und
der gastroenteritischen Influenza viel Aehnlichkeit. Jedenfalls handelte es
sich um eine übertragbare Krankheit, die von einer Anzahl Autoren als Abart
des Typhus (tiphoidette) aufgefaßt wird.
Das eigenartige der Krankheit liegt darin, daß sie sich auf zwei Monate
des Sommers beschränkt und in enger Beziehung zu der Bodenfeuchtigkeit
steht. Eine Uebertragung durch Trinkwasser oder Mucken ist unwahrscheinlieh.
Dr. Dohrn-Hannover.
Deatafektlon.
Ueber den Deslnfektlottswert des Hyglenols. (Ans dem InstHnt fflr
l^giene u. experimentelle Therapie; Abt. fflr Hygiene. Vorstand: Prof. Dr.
Boäolf.) Von Kreisassistenzarzt Dr. Wolf-Marburg. Zentralblatt f. Bakt,
I. Abt., Orig.-Bd. 46, H. 1.
Das Hygienol ist eine Verbindung yon Kresol mit schwefliger Säure; es
riecht schwach nach letzterer. Es lOst sich Im Wasser gut und gibt eine
schwach rosa gefärbte klare Lflsung. Es wirkt stark desodorisierend. Nach
Wolfs Untersuchungen entspricht der Desinfektionswert einer 6*/oigen
lE^gienollOsung dem einer 2**/oigen Lösung yon Kresolseife. Der Preis yon
86 M. fflr 50 kg gestattet seine Anwendung zur Desinfektion auch großer
Bäume, z. B. yon Qflterwagen, Schlachthäuser, Markthallen und öffentlichen Qe-
bäuden, in denen ridi die Anwendung stark riechender Desinflzienten yon
selbst yerbietet. Dr. Lenta-Berlin.
üeber ein neues Desinfektlonsyerfaliren mit Formalln auf kaltem
Wege. VonDr. B. Dörr, Begimentsarzt, und Dr. H. Banbitschek, Ober¬
arzt (A. d. bakteriol. Labor, d. k. n. k. Hilitärsanitätskomitee). CentralbL fflr
Bakt.; I. Abt. Orig., Bd. 45, H. 1 u. 2.
Dörr und Banbitschek haben das Verfahren yon Eyans und
Bussel modifiziert und empfehlen es in dieser Form zur Banmdesinfektion.
Sie mischen behufs Desinfektion eines Baumes yon 100 ccm 2 kg Kalium-
hypermanganat mit 2 1 käuflichen Formaiins und 2 1 Wasser. Ein Vorzug
des Verfahrens ist, daß das Formalin fast restlos mit dem Wasserdämpfen
yerdampft und daß diese Dampfentwicklung so energisch yor sich geht, daß
eine Abdichtung der Fenster und Türen nicht nötig wird. Gleich dem Autan-
yerfahren ist das neuere Verfahren nicht feuergefährlich. Wie das käufliche
Formalin läßt sich in gleichen Mengenyerhältnissen auch Festoform, eine Seife
mit hohem Formalingebalt, yerwenden. Dörr und Banbitschek empfehlen
die Verwendung dieses Festoform - Kalinmpermanganatyerfahrens besonders fflr
Kriegszwecke, da hier die Mitführung flüssigen Formaiins größere Schwierig¬
keiten macht wie die des in Bflchsen yerpackten Festoforms. Letzteres hat
auch den Vorzug, daß jede Büchse 1 kg Festoform enthält, mithin zu dieser
Menge nur eine Bflcbse yoll Wasser gefügt werden muß, und daß die Büchse,
da sie gerade 1 kg Gewicht hat, wiederum als Gewicht zum Abwiegen der
nötigen Menge Kaliumpermanganat yerwandt und auf diese Weise mit denk¬
bar einfachsten '.Mitteln die fflr 100 ccm nötige Desinfektionsmiscknng er¬
halten werden kann. Dr. Lentz-Berlin.
Wohnnngzdealnfekttou mit Formaldebyd ohne Apparate. Von Ober¬
stabsarzt Dr. Lösen er-Königsberg. Desinfektion; Jg. L 8—4.
1. Die geprüften apparatlos arbeitenden Verfahren stehen bei Ver¬
wendung gehöriger Mengen yon Desinfektionsstoff, wenn die Durchführung
fluTcb geschulte Drainfektoren unter sorgfältiger Abdichtung uud zweckmäßiger
888
KleliiMre Mitteilungen and Befiente mm Zeitedirifteii.
Erwlrmang der B&ame erfolgt, dem Breelaaet Appantrerfaluren aicht nach,
letxteree mrd neben den ftbrlgen Apparatmethoden trotidem in der DeeiBlektioBS>
präzis seine ftthreode Bolle bewanrea.
2. Bei dem Verfahren Ton OOrr and Banbitsehek (Permanganat-
Terfahren) mttssen bei 100 cbm Banm statt 2 kg. K. Mn O 4 2 L Formalin,
2 L Wasser je 8,2 oder, was leichter an behalten ist, 8,8 bezw. Liter Ter-
wendet werden. Die Einwirkongsdaner braucht bei ueser Erhöhung in wenig
möblierten Bftnmen nur 4 Stunden zu betragen. Die Mischung der Zutaten
muß in sehr großen Holsgefäßen derart erfolgen, daß erst ^e Flüssigkeit, dann
das Permanganat unter UmrOhren eingeschüttet wird. Die Amouiakentwickelnng
erfolg am einfachsten mittels der nEntwicklei" nach Art der den Antan* und
Antoformpacku^en beigegebenen.
8. Für Verwendung des Festoforms an Stelle des flüssigen Formalins
Mlten die unter 2 anfgeführten Bedingungen ebenfalls. Vor Aufachütten der
Kristalle muß das Festoform in warmen Wasser vollstündig gelOst sein. Durch
Verwendung des K. II Mn 0« in Tablettenform wird das Verfahren yerebfacht.
Der hohe Preis des Festoforms steht zu den Vorzügen des Pr¶ts in
keinem Verhiltnis.
4. Das Autoformverfahrea ist unter den gleichen Voraussetzungen wie
bd 8 brauchbar. Don Packungen 1—4 müssen Amoniakentwickler beigegeben
werden, auch hier wird der Preis der Einführung in die Praxis l^derlich se^
zumal das Verfahren nicht so bequem und einfach ist wie das Autanverfahren.
6. Das Autanyerfahrea (Packung B) ist das einfachste apparatloue,
aber leider immer noch zu teure Verfahren.
6. Bei der Auswahl der besprochenen apparatlosen Verfahren spielt die
Geldfrage die Hauptrolle. _ Dr. Wolf-Marburg.
Ortshxglone. Wnzuezreraorgimg und AJbvAeeerbeseitlgnng.
Die Gartenstadt-Bewegung. Von F. E. Fremantle, M. B., M. Ch.,
F. B. C. 8., Herta County medical officer. Public Health, Okto^r 1008, XXII,
S. 2—18, mit 9 Plänen und ausführlichem Literaturrerzeichnis.
Auf dem vorjährigen hygienischen Kongresse (Bd. IV, 8. 487) sagte Haas
Kampffmey er-Karlsruhe; ,In En^nd, dem Lande der tatkräftigen 8elbst-
hilfe ist die Gartenstadt bereits in Wirklichkeit nmgesetat. Dort hat eine
gemeinnützige Aktiengesellschaft mit einem Aktienkapital von 6 Millionen ein
1600 ha großes Gelände gekauft und auf Grund eines guten Bebauungsplanes
zu erscbUeßen begonnen. Die eigentliche 8tadt wird nur V* der Fläche be¬
decken und ca. 80000 Einwohner enthalten. Die übrigen */s sollen dauernd
als Garten* und Ackerbangürtel erhsdten bleiben. Gegenwärtig sind nach
2Vtjäbriger Bautätigkeit bereits zahlreiche Fabriken errichtet und über 4000
Menschen angesiedeit. Die Bänser sind durchweg Einfamilienhäuser mit Garten
und bereits für einen Preis von 2700 Mark aufwärts zu kaufen. Die Begelung
der Wohnungs- und Bodenpreise wird durch eine rege gemeinnützige Bautätig¬
keit und ferner dadurch angestrebt, .daß der Boden ausschließlich in Erbpacht
abgegeben wird*. — Letchworth, die erste Gartenstadt, im Norden von Hert-
fordsbire, hatte im Juli 1908 bereits 5800 Einwohner, 960 Häuser, 8 engl. Meilen
Straßen, Wasserleitungen von 17 miles, Abwasserleitungen von 11 mUes. Die
Dividenden der (jeseilschaft sind aaf5‘*/o festgesetzt, die Stenern werden ihre
jetzige Höbe von 2 s. auf das £ kaum übersteigen. 12 Fabriken, 47 Läden,
58 Gesellschaften zeugen von der Höhe des individuellen Lebens der Stadt.
Das ganze Bild stellt eine glückliche Vereinigung moderner Industrie mit der
Mutter Erde dar. Die Entvölkerung dos flachen Landes und die Deberfüllung
der Städte soll durch das Prinzip der Gartenstadt gleichzeitig bekämpft werden.
Die körperlichen und seelischen Vorteile des Landes sollen mit den gewerb*
lieben und sozialen Vorteile der Stadt verbanden werden. — Wenn der höchste
Nutzen der Gesellschaft auf 5°/o beschränkt ist, wie bei der Letchworth Com¬
pany, ist das Risiko für den Geldmarkt nicht von großer Anziehungskraft; die
Gartenstadt-Gesellschaft strebt zwar wie andere Großgrundbesitzer, auch nach
Sparsamkeit, sie berücksichtigt aber auch Gesundheit, Schönheit und Kunst.
In England kommen außer Letchworth noch Bournviile bei Birmingham,
Port Sunlight bei Liverpool, Earswick bei York, Coryndon bei Cardiff und viele
Yorstädtische Einrichtungen als Gartenstädte in Betracht. Am günstigsten
Kleinere JOtteilnngen nnd Beferate au Zeiteehtiften.
889
lie^ die Saclie, wenn Behörden oder Gesdleehaften die Gnudheattzer ehd nnd
eich aneh lOr Hygiene interessieren.
Dem englisehen Parlament liegt ein Gesetzentwurf des Ministers Borns
Tor: aHowsing and Town-Flanning etc. BUL* Was anch immer sela Sehieksal
sein mOge, — so schliefit der Antor —, der Entwurf hat den Ansdrnok ,Town-
planning* in die parlamentarische Arena eingeftkhrt nnd die Grandlagen der
Gartenstadt ins rechte Licht gesetzt. Die Gesnndheitsbeamten sollten jede
Gelegenheit wshmehmen, mit eigenen Angen sich Ton den Fortschritten der
Gartenstadtbewegnng zn Aberzengen. Dr. M a y e r • Simmem.
Zentralheizung oder Einzelkelznngt Von Prof. Dr. E. Wolf‘Tttblngen.
Bl&tter fttr Volksgesandheitspflege; Jg. 8, Nr. 10.
Die Zentralheizang hat folgende Vorteile vor der Einzelheiznng:
1. gleichmäßige WärmeTerteUong, 2. feinere Begnlierfäbigkeit, 8. hygienisch
einwandfrei, d. Freibleiben der Wobnnng von Heizmaterial, infolgedessen weniger
Staub, 5. bessere Ansnntznng des Heizmaterials, 6. sparsamer Betrieb, 7. Ver*
ringernng Ton Bauch und Buß, 8. Verminderung der Feuersgefahr. Sie ist der
Einzelhdznng daher fiberlegen. _ Dr. Wolf •Harburg.
Die ZerstSrnngsfUilgkelt lufthaltigen Wassers ln Zentralhelsnngen*
Von I». P. Takusa-Magdebnrg. Gesundheits^Ingenienr: 1908, Nr. 87.
Ein Oxydieren oder ein Bosten in der atmosphärisenen Luft oder im
Wasser ist nur durch die absorbiert gewesene und dann frei gewordene, Tom
Wasser jedoch noch umschlossene, sauerstoffreiche Luft mO^ich. Eine Ab*
sorptionsmOgiiehkeit nnd deshalb andi eine BostmOglichkeit liegt bei Niederdruck*
damplheizungen mehr vor als bei Wasserleitungen. Dr. Wolf •Marburg.
Gedanken tther die Sanlemng der Breslauer Gmndwassergewlnnnngs-
anlagen. Von Direktor Dr. Lfihrig* Breslau. Gesundheits* Ingenieur;
1908, Nr. 40-41.
Ein Saniemngswerk ist nicht ohne Entmanganung mOglich; die Lfisnng
der Qaantitätsfrage nfitzt nichts ohne gleichzeitige Lfisung der Qualitätsfrage.
Verfasser gibt ein Verfahren an, welches das Problem der billigsten Entmanganung
unter Ansschaltuog einer zn befürchtenden merkbaren Geschmacksrerschlech*
ternng des Wassers löst. Als Fällungsmittel wird Kalkwasser verwendet,
das fast momentandas gesamte Hangan quantitativ zur Ausscheidung bringt. Die
Niederschläge lassen sich durch geeignete Sedimentation so weit ans dem
Wasser entfernen, daß dieses fast völlig klar nnd blank auf die Filter
gelangt. Das Wasser muß hier auch schwach alkalisch sein. Dss Fiiter
besteht ans einer zirka 76 cm hohen Schicht von natttriiehem zeolithischen
Gestein, Porphyrtaff, der mit einer Sandschicht Überdeckt ist. Nach der
flltration läßt sich der durch Ealkbehandlung verschlechterte Geschmack durch
Einblasen von Kohlensäure wieder völlig beheben. Der Ueberschuß an freier
Kohlensäure kann durch eine Filtration Aber Mergel leicht unschädiieh beseitigt
werden. _ Dr. Wolf*Marbarg.
Die Kanalisation von Landgemeinden« Von Baurat v. Boehmer-
Mainz. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 87.
Die Kanalisation ist auch in Landgemeinden sehr erwfinscht, einmal nm
eine geregelte Abführung der Hauswässer zu erreichen, ferner aber nm in den
Gemeinden, die eine zentrale Wasserversorgung und infolgedessen unter dem
Steigen des Grandwassers zu leiden haben, diesem Mißstand abznhelfen. Mit¬
hin handelt es sich nur um die Ableitung der Abwässer aus Kttcbe und Keller,
während die Meteorwässer in Straßenrinnen dem nächsten Graben oder Bach
zufließen und die Fäkalien in dichten Graben für den landwirtschaftlicben Be¬
trieb gesammelt werden. Nach der Ansicht des Verfassers kann auf die
unterirdische Meteorwässerableitung verzichtet werden. Als Begel wird man
die Verlegung des Kanales in eigenem Graben zu betrachten haben, nm so
mehr, als die Ersparnis an Grabarbeit bei der anderen Art der Aasfühmng
nur unbedeutend ist und auch die Keller wegen der zu wenig tiefen Lage der
Bohre nicht immer nach Wunsch entwässert werden können.
Dr. Wolf-Marburg.
890
Kleinere Hitteiliuigen and Referate aas Zeitsohrifteo.
■aseUnelle Abwasserreialfer. Von Dr. Ing. F. Jastrow^Weißensee-
Berlin. Tecbn. Glemelndeblatt; Nr. 8—10.
Die Frage der maschinellen Abwaaserreinigong, welche ebenso wie die
der anderen Methoden darchaas noch nicht gekl&rt ist, erOrtert J. aof Grand
der bisherigen Erfahrungen objektiv. Er rechnet in weiterer BegrUb-
bestimmung, als gewöhnlich ttblicb int, alle die Vorrichtnngen, die der Hüfs*
mittel den Maschioenhaosea benötigen, anter die maschinellen | Betriebe. V<m
dienen ULßt er die Zetrlfagalreiniger, die noch im yersuchnstadium sich befinden
und weniger für die Sielwasserverringemng, als für die Schlammentwässerang
in Betracht kommen, anbesprochen und beschränkt sich aal die Abfinchanlaaen,
die als Grob- and Feinreiniger funktionieren. Im Wesen des fraglirmea
Betriebes liegt es, dafi nar Teile von greif- und sichtbaren Volamen ans dem
Schmatzwasser heraasgefangen werden können, während eine Befreiung von
gelosten Bestandteilen oder gar Keimen unmOgUch ist, sodaß die Klärwukang
natnrgemäfi eine beschränkte bleibt. Jedoch hat das Verfahren indirekte
Wirkongen, die teilweise sosar denen der Sedimentierong ttherlegen sind; sie
bestehen vor allem in Vermeidang von Fäulnis, Zersetzung und stär¬
kerem Geruch, und Erzielung eines wasserärmeren und zu Dungzweckea
brauchbaren Schlammes, während durch Entziehung der ffir Bakterienentwicke-
lung gtinstigen Schwebestoffe die Keimzahl herabgesetzt wird. Veröffent¬
lichungen über die maschinellen Beiniger sind noch sehr spärlich; man muß
sich an die Erfahrungen derjenigen Städte halten, die sie bisher eingefllhrt
haben. Es gibt eine große Zahl von Konstruktionen, die vor allem bestrebt
sind, der aiäerordentlich großen Verschiedenheit der Suspensa Rechnung zu
tragen und Betriebsstörungen durch Verschmutzung der Maschinen zu ver¬
meiden. Einzelheiten interessieren den Techniker mehr als den Hygieniker.
Hervorgehoben sei nur, daß man durch möglichst feine Siebe und Bechen, sowie
teilweise auch durch Einstreuung aufsaugender Mittel, wie Torf, eine erhöhte
Klärwirkung angestrebt hat. Die quantitative Leistung der Anlagen ist von
einer großen Reihe von Faktoren, wie Geschwindigkeit der Siebbewegong, Ge¬
schwindigkeit des Sielwasscrs, GrOBe der freien Bechenfläche, abhängig. Tat¬
sächlich ist der erzielte Schlammabsatz in verschiedenen Städten wesentlich
verschieden. Der Kraftverbrauch ist an und ftkr sich gering; die Betriebs¬
kosten sind sehr gerbg. Die qualitative Leistung wird an der Hand der COlner
Anlage dargestellt. Selbst bei einer Stabweite von 7 mm fängt der Bechen
den siebten Teil dessen ab, was ein teueres Klärbecken abscheidet, durch Ver¬
engerung der Maschen auf 1—1,5 mm ließen sich wahrscheinlich höhere Werte
(bis 40*’/o) erzielen. Trotz der geringen Betriebskosten sind die maschinellea
Anlagen an und fttr sich nur wenig billiger als andere Anlagen (KlärbeckenX
jedoch fallen die erheblichen Kosten fflr Schlammbeseitigung fort, da eventuell
noch aus dem durch erstere erzielten Schlamm als Dungmittel Einnahmen
erhalten werden. Anwendung Anden Maschinenbetriebe, die niemals in bezog
auf Klärwirkung mit anderen Anlagen konkurrieren kOnnen, entweder zur
Vorreinigung in Verbindung mit anderen Verfahren, oder in solchen Städten,
die einen wasserreichen Vorfluter zur Verfügung haben. (Wie ich mich ^
legentlich einer persönlichen Besichtigung überzeugen konnte, ist beispielsweise
Düsseldorf mit einer Bechenanlage in jeder Beziehung zufrieden. Bet)
Dr. Liebetrau-Hagen L W.
Verbrenniingsvennche mit verschiedenen MüUarten Im Doer’sehen
Mflllverbrennnngsofen. Gesundheits-Ingenieur; 1908, Nr. 42.
Es wird über verschiedene Versuche berichtet, die ln der in Stettin
errichteten Doer’schen Müliverbrennungs-Versuchsanlage stattgefunden haben,
und zwar zunächst mit Berliner Müll, wobei festgestellt wurde, daß der Berliner
Müll ohne Brennstoffzusätze zu verbrennen ist; der wirtschaftliche Effekt würde
aber ein wesentlich größerer sein, wenn wenigstens im Winter wegen der großen
Menge von Braunkoblenbrikettasche eine Abschiebung des Feinmülb erfolgt,
aus dem unterZusatz von Kalk ein Düngepulver hergestellt wird. Aehnliche Ver¬
suche wurden mit Müll aus Stettin und Koblenz vorgenommen und in Wiesbadn
mit Müll aus Wilhelmshaven. Im Anschluß daran folgt eine Uebersicht über die
nach dem Doer'sehen System ausgeftthrten Mflllverbrennungsanlagen (Wies¬
baden, Beuthen, Miskolez). _ Dr. Wolf-Marburg.
Elelnere Mitteiloogen und Referat« aas Zeiteohriften.
891
Hygiene der Nahmngs- und Oennaamlttel.
Xahruigginlttelliyglene in offenen Terkanfiutellen. Von Dr. K 0 r n e r-
Charlottenbarg. Qesandheit in Wort and Bild; 1908. Nr. 9.
Es genügt nicht, Vorschriften an erlassen, welche verlangen, die znm
Verkanf gestellten Nahrangsmittel vor Stanb, Wärme, Insekten and dergL in
schützen, oder verbieten, daß der Eäaler die betreffenden Waren berührt. Viel-
mehr ist noch anbedingt notwendig die annachsichtige and strenge Forderang
and Befolgang des Gebots, daß anter allen Umständen das Vermeiden jeglicher
Berührang von Eßwaren aller Art dem Verkäaler all^mein and ln jeder
offenen Verkaafsstelle zar Pflicht gemacht wird. Dr. Wolf>Marbarg.
FlelzehvergUtiug. Von Dr. Bitterband*Charlottenbarg. Blätter
für Volksgesondheitspflege; 1908, Nr. 10.
Nachdem Verfasser aosführllch die Ursachen der Fleischvergiltnng
besprochen hat, macht er folgende Vorschläge:
ln erster Beihe maß verlangt werden, daß sogen. Notschlachtangen
der behördlichen Anzeigepfltcht anterliegen, and daß die Uebertretong dieser
Pflicht mit hohen Strafen, and wenn sie doloser Weise aas gewinnsüchtigen
Gründen geschieht, mit Haftstrafen geahndet werde.
Von manchen Hygienikern wird lediglich gefordert, daß Fleisch von
notgeschlachtetem Vieh nar in gekochtem Zustande zam Verkaof gelansen
dürfe. Das genügt aber nicht; denn es werden darch Kochen wohl die Bakterien,
aber nicht die von ihnen gebildeten Gifte vernichtet. Vielmehr maß anbedingt
verlangt werden, daß darch sachgemäße bakteriologische Methoden die Un¬
schädlichkeit des Fleisches dargetan werde, ehe es in den Verkehr kommt.
ln zweiter Beihe sollten alle privaten Schlachtangen der zwangs¬
weisen Fleischschaa anterworfen werden. Mit Fleischwaren, die privaten
Schlachtangen entstammen, wird ein amfangreicher Handel getrieben. Sie
entziehen sich heate in den meisten Fällen noch jeder Kontrolle; sie sind
deshalb zam mindesten verdächtig, and wir können vor ihrem Genoß nar warnen.
Alle Wünsche wären erfüllt, wenn jede Kommane ein Schlachthaas
besäße, das anter tierärztlicher Kontrolle stände. Alle Schlachtangen, aach
Privat- and Notschlachtangen aas dem ganzen Bezirk könnten dann hier gegen
eine gewisse Gebühr staufinden bezw. von hier axu kontrolliert werden. Die
Mittel für eine solche Einrichtang könnten aach von armen Kommanen aof-
gebracht werden, wenn sie sich za Zweckverbänden vereinigten, die die Auf¬
gabe hätten, nötigenfalls mit Untersttttzang des Kreises, der Provinz oder des
Staates, für die Aostendeckang aafzakommen.
Aach dem Uebelstande, daß arsprünglich tadelloses Fleisch durch
ansaabere Behandlang and anhygienische Aafbewahrang
giftige Eigenschaften annimmt, ließe sich durch behördliche Maßnahmen, zum
großen Teil wenigstens, anschwer abhelfen. In den Warstkellem and Fleisch-
kammem der Schlächter and Warstfabrikanten herrschen hänflg ganz haar¬
sträubende Zustände, von denen auch das Pablikom ab und zu durch Zeitungs¬
berichte über Gerichtsverhandlangen Kenntnis erhält. Hier kann nar die
Einrichtang einer zweckmäßig organisierten Nahrungsmittel-Inspektion
Wandel schaffen, deren Aoßenbeamte die Aufgabe hätten, alle Schlächtereien
und Warstfabrlken in kurzen Zwischenräumen einer gründlichen Bevision za
unterziehen, den Arbeitsprozeß za hygienisiereo und vor allem für regelmäßige
Beinigang und Desinfektion der Arbeitsräame za sorgen.
Nach diesen behördlichen Maßnahmen bleibt aber auch der Privatini¬
tiative ein weiter Spielraum. Manche Hausfraa, die das Einholen der täglich
gebrauchten Lebensmittel ihrem Dienstmädchen anvertraat, ahnt nicht, daß
sie damit nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch anhygienisch handelt. Einen
Warstrest, der nicht mehr schön aassieht, da er schon einige Tage auf dem
Ladentische liegt, oder ein Fleischstück, das dem Schlächter selbst nicht mehr
nnz zweifelsohne erscheint, wird dieser klage Mann der Hansfran, die ihre
Einkäufe besorgt, niemals anzabieten wagen. Er hat es aach gar nicht nötig.
Es kommen ja so viele Dienstmädchen in seinen Laden, die dem liebenswürdig
lächelnden Meister aach die schlechteste Ware abnehmen. Ein gewisser Schatz
vor Fleischvergiftung liegt also, so sonderbar es auch klingen mag, schon
daria, daß die Hausfrau ihre Lebsnimlttel selbst ebkauft. Am huflgsten
892
Kleinere MitteUnncen nnd Befernte nns IZeitsehrlften.
erfolgen FleischTergiftnngen dorch Gennft yon rohem Schinken, Wnrat
und Schabefleisch. Vom hygienischen Standponkt maß man yor dies«
drei Fleischsubereitongen ernstlich warnen. Sie enthalten fast stets Bakterien,
nnd es ist e^entlich wunderbar, daß so wenige Personen nach ihrem Genoß
erkranken. V i r c h o w nannte das Eissen yon ronem Schabefleisch einen Bflckfall
in die Barbarei Das Kochen des Fleisches erhöht nicht nnr seine Ver»
danlichkeit, sondern yemichtet auch alle etwa hineingekommenen Bakterien.
Außerdem bildet gekochtes Fleisch einen schlechteren N&hiboden fflr alle
Mikroben und hält sich deshalb länger Irisch als rohes. Wer durchaus
Schabefleisch essen will, kaufe unter allen Umständen vom Schlächter nur ein
nncerkleinertes Fleischstflck, das er kurz yor dem Genuß zu Hause auf einer
reinen Wnrstmaschine oder mit einem sauberen Hackmesser sich selbst znbereitet.
Ferner soll die Hausfrau streng darauf achten, daß keine Beste fflr den nächsten
Tag flbrig bleiben, und sich genau um die Toiletten ihres Speise- und Eis-
scuankes und der Speisekammer kflmmem. Dr. Wolf-Marburg.
Ueber die Gefahren der Verwendung yen segenannter Easigesseni
(80 prei. Helzesslgsflnre). Von Oberarzt Dr. L. Bleibtren-KOln. Münchner
med. Wochenschrift; 1908, Nr. 88.
Bekanntlich hat in neuerer Zeit an Stelle yon Essig tind Weinessig die
sog. Essigessenz in dem Haushalte besonders der ärmeren BeyOlkerung häoflg
Verwendung gefunden. Die Essigessenz ist 80 proz. Holzessigsänre, die dura
Destillation yon Holz nnd Holzabfällen gewonnen wird nnd nachweisbar bereits
in zahlreichen Fällen, sei es aus Verwechslung oder in selbstmörderischer Ab¬
sicht tiefgehende Verletzungen bezw. Verätzungen und tOtlichen Ansgang zur
Folge gehabt hat. Verfasser berichtet ttber 3 ün Verlauf yon etwas ttber 2
Jahren beobachtete schwere Vergiftungen, wofon eine tOtlich yerlief und
mochte dringend wttnschen, daß durch energische gesetzliche Maßregeln recht
bald das Verschwinden des gefährUdien Gines yom Nahmnsnmittelmarkt her-
beigefflhrt wird. _ Dr. Waibei-Kempten.
Gewerbehxgflene.
Ein weiterer FaU yon Angenerkrankung mit einem kfinatUchen
DüngmltteL Von Dr. B. Heßberg, ehern. Assistent der KOnigl Uiny.-
Augenklinik München. Münchener med. Wochenschrift; Nr. 83, 1908.
Verfasser berichtet eingehend über einen Fall yon Angenerkrankung,
welche bei einem 62 jährigen Manne gelegentlidi des Ausstreuens nnd Hinein¬
fliegens yon Kunstdünger (Snperpbosphat) in das rechte Auge yeranlaßt wurde.
Die Erkrankung yerlief unter dem Bilde einer schweren Panophthalmitis mit
Ansgang in Amaurose. Es kann daher nicht genug auf die Gefahren beim
Gebrauch yon künstlichea Düngemitteln — insbesondere des Superphosphats —
aufmerksam gemacht werden. Das Ausstreuen sollte nach Sommers Vor¬
schlägen möglichst mit Maschinen besorgt nnd stets mit dem Winde nnd nie
gegen ihn ^arbeitet werden. Die Arbeit ist eyentuell mit Schutzbrillen zu
yerrichten, Berührungen der Augen mit den Händen sind aber zu yermeiden.
Dr. Waibel-Kempten.
Ueber Kraakheltsgefhhren der Glashüttenarbelter. Von Gewerbe-
Inspektor Dr. K10 c k e • Bochum. Soziale Medizin und Hygiene; Bd. IH, Nr. 7.
Verfasser bespricht die yerschiedenen gesundheitiieben Gefahren, denen
die Glashüttenarbeiter ausgesetzt sind und die yom Ministerium für Handel
nnd Gewerbe angestellten Ermittelungen über die hygienischen Znstände in
der Glasindustrie. Von 27 Begierungs- nnd Gewerberäten waren 26 der Ansicht,
daß die im § 120 a nnd folgende der Beichsgewerbeordnnng bestehenden
gesetzlichen Bestimmungen ausreichten, um die bestehenden Gesundheito-
g efahren wirksam zu bekämpfen. Auch Verfasser ist der Ansicht, daß diese
•estimmnngen zur Beseitigung der ErkrankongsmOglicbkeiten durch Staub, Oas-
yergiftnng, ansteckende Krankheiten oder mechanische Verletzungen tatsächlich
genügen, daß sie aber auf die durch die große Hitze, den daraus folgenden
Durst, der am liebsten durch kaltes Wasser oder Bier gelöscht würde, hervor-
gemtenen chronischen Luftröhren- nnd Magen - Darmkatarrhen keine erheblkbe
Kldnere ffittoilangen nnd Beferftto ans Zdtsohriften. 898
Einwirkoog bitten. Hier würde die Erkraakungeziffer herabininlndeTn sein,
wenn es gelänge, die kalten Gletrinke durch warme Milch zu ersetzen.
_ Bpd.
Opfer des Lenehtgases ned anderer Energietriger Im Jahre 1907.
Von Fr. Schäfer. Jonrnid für Qasbelenchtang nnd WasserTersorgnng: 1908,
Nr. 88.
Durch unrerbrannt ansströmendes Leuchtgas wurden im Berichtsjahr
98 Unfälle herbeigeftthrt, annähernd ebensoTiele durch Explosionen von Leucht*
gas. Die Zahl der verletzten Personen betrug bei den Explosionen 176, bei
den Ausströmungen 101. Die Ansströmungen hatten 88 Todeslälle zur Folge,
die Explosionen nur 2. ln 44 Fällen gelang die Bettung schwer Betäubter
durch kttostliche Sanerstoffatmung und rasche ärztliche Hilfe. Nicht mitee«
rechnet sind die erwiesenen Selbstmorde und vorsätzlichen Tötungen duieh Gas
(11 FMle mit zusammen 18 Opfern), Die häufigste Ursache der Leuchtgas¬
unfälle war der Leichtsinn (unrorsichtiges Ableuchten von Gasleitungen, leicht¬
fertiges Abnehmen von Belenchtungskörpem nnd Schließen des Haupthahns).
Die Zahl der Opfer des elektrischen Stroms ttbertriffc die Zahl der durch
Leuchtgas Getöteten. Todesfälle durch Blitzschlag in elektrischen Leitungen
scheinen sich namentlich bei den Ueberlandzentralen zu mehren. Blitzschläge
in Gasleitungen sind ttberaus selten. Ein Todesfall ereignete sich bei dem Ver¬
such, den Draht einer elektrischen Fernleitung zu stellen. Ein Unfall wurde
durch das Anschlägen eines von einem Militärfesselballon herabhängenden
Drahtseil an eine blanke Starkstromleitung herbeigeftthrt. Wiederbelebungs¬
versuche an Opfern des elektrischen Stroms waren fast immer er-olglos.
Vergiftungen durch Einatmung von Kohlenoxyd ans Heizöfen, Koch-
Öfen nsw. waren sehr zahlreich: 69 Fälle mit lOl Opfern und 80 Todesfälleo.
Dr. Bevenstorf-Hamburg.
Die Helmnrbeit in England. (The report of the home workers committee).
Von Dr. Francis J. Allau, medical offleer of health, Westminster. Public Health:
XXU, 1908, Oktober.
Die zur Prüfung der Heimarbeiterfrage eingesetzte Prflfungskommission
kam zu folgenden Vorschlägen:
1. Alle von anderen Personen zur Erzeugung oder Vorbereitung zum
Verkaufe bestimmter Artikel beschäftigter Personen, die zu Hause arbeiten,
sollen aofgefordert werden, bei ihrer Ortsbehörde Nune, Adresse nnd Arbidts-
zweig anzngeben. Die Ortsbehörde hat Aber die Anzeige eine Bescheinigung
auszustellen und vom Arbeitgeber eine genaue Liste der von Ihm beschüiigten
Heimarbeiter za verlangen.
2. Es darf kein Heimarbeiter zur Erzeugung oder Vorbereitung zum
Verkaufe bestimmter Artikel beschäftigt werden, wenn er eine Bescheinigung
Aber jene Anzeige nicht vorweisen kann.
8. § 90, 6 des Public heaith act von 1876, der sich auf Fabriken und
Werkstätten*) bezieht, die nicht rein gehalten werden, schlecht gelttftet oder
ttberfttUt sind, soll auf Bäume ausgedehnt werden, in welchen Heimarbeit
g eleistet wird; Gesnndheits- nnd Gewerbeinspektoren sollen die
iefugnis erhalten, die Bäume zu besichtigen nnd me Anforderungen des
Gesetzes sicher zu stellen.
Der Verfasser verlangt, das § 110 des Factory and workshop act,
der Gesundheitsbehörde das Becht gibt, die AnsfOhrnng von Arbeiten in
Bänmiichkeiten zu verhindern, in denen eine ttbertragbare Krankheit herrscht,
in ähnlicher Form auch für Heimarbeiter gelten solle; z. B. wo Verhältnisse
herrschen, die der Gesundheit der Arbeiter schädlich sind, oder wo Bekleidnngs-
gegenstände Anstecknngsstoffe ttbertragen können.
In all denen Fällen, in denen die Ortsbehörde, die nach den Vor¬
schlägen der Kommission die Verantwortung fttr die gesundheitlichen Ver-
hältnkse der Wohnungen der Heimarbeiter haben soll, sich lässig erweisen
wttrde, mttfite der Gewerbeinspektor das Becht haben, die Ausführung der
Gesetzesvorschriften durchzusetzen. Dr. Mayer-Simmem.
*) Vergleiche Bapmund: Das öffentliche Gesundheitswesn, Leipzig
1901, Seite 257.
894
Kleinere MilteUangen nnd Referate aoB Zeitschriften.
Hygiene den Klnden.
Herrosltlt nnd Ernlhrnng im Ktndesnlter. Von F. Siegert in COln.
M&nchener med. Wochenschrift; 1908, Nr. 38.
Die Nerrositat der Kinder kann angeboren sdn — nerrOse Kinder ner*
Tdser Eltern gehören zn den alltäglichen Fällen. Es gibt auch nervOse Kinder,
welche — besonders als einziges Kind oder weil sie im ersten Lebensjahre
unter ewigen VergaanngsstOrongen schwächlich geblieben — durch elterliche
oder ärztliche Vieltueroi nervOs gewordeu sind. Ferner beobachtet man bei
Kindern, besonders im Hanse der Wohlhabenden oder durch die zum Zwecke
„der Kräftigung** rekonvaleszenter, schäcblicher, oft gerade nerrOser Kinder
angewendete unzweckmäßige Ernährung, bestimmte Krankheitsbilder, auf
welche Czerny bereits vor 8 Jahren hingewiesen hat.
In jedem Falle erweist sich ausnahmslos als schädlich die Nahrung den
Kindes, wenn bei ungenügender Gesamtmenge Eiweiß (und Fett) stark über¬
wiesen, die Kohlehydrate zurücktreten und Mangel an Alkali nnd Zellulose
in der Nahrung vorhanden ist. Nicht ganz so folgenschwer ist die Nahrung,
wenn sie zwar das Bedürfnis des Kindes deckt oder einigermaßen übersteigt,
aber ebenfalls kohlehydratarm ist, nnd Gemüse wie Obst vermissen läßt; am
ehesten wird noch üeberfütterung mit „kräftiger Kost* (Fleisch, Eiern, Milch)
ertragen, wenn eine beneidenswerte Eßlnst zur gleichzeitigen Aufnahme von
reichUch grünem Gemüse nnd rohem Obst führt, äso die besonders schädliche
Obstipation vermeiden läßt.
Verfasser berichtet dann eingehend über einige Fälle. Bei der Er¬
nährung dieser kranken Kinder fehlte ausnahmslos Gemüse nnd Obst oder diese
Nahrungsmittel sind unbedeutend vertreten, während fast stets das Eiweiß,
oft ancp das Fett an Menge 8, 4, selbst 6 g pro Kilo und Tag erreichten.
Neben schlechtem Aussehen, oft gelber Hautfarbe und Anämie, meist hmt-
näckige Obstipation sowie ein Mißverhältnis zwischen Nahrnngs-
einfnhr und körperlichen und geistigen Kräftezustand. Haut-
alfektionen, häufige Erkrankungen an Angina, Bronchitis und Infektionskrank¬
heiten sind trotz fehlender lymphatischer Diathese die Begel, eine zu¬
nehmende Nervosität zeigt sich durch rastlose Unruhe bei
Tag, durch schwere Erziehbarkeit, durch mangelnde Lei¬
stungen in der Schule, durch unregelmäßigen Schlaf nnd
Aengstlioheit in derNacht, rasche Ermüdung des Körpers und
Geistes.
Daß eine knappe Kost, mit recht kleinen Eiweismengen, bei genügender
Zufuhr von Alkalien nnd Zellulose die durch jene Eiweiß- nnd Nahrungsmengen
bewirkten Schädigungen rasch beseitigt, deren Auftreten stets verbeut,
beweist ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit.
Bezüglich der speziellen Behandlung der „dystrophischen Nervosität**
empfiehlt Verfasser eine Diät, welche jedem gesunden Kinde ausnahmslos
zusagt nnd bekommt, Fettablagernng in unnötiger Weise vermeidet nnd über¬
all und in jeder Jahreszeit dnrchfl^bar ist, auch das Eiweisbedürfnis stark
herabsetzt.
Zum Schlüsse hebt er noch hervor, daß Stoffwechseluntersnchnng wie
klinische Beobachtung dndentig lehren, daß was heute „roborierende Diät**
genannt wird, weder dem kranken, noch gesunden Kinde zuträglich oder un-
schädlich ist. _ Dr. Waibel-Kempten.
Slaglingaffinorge in Freiburg 1./B. Von Dr. Hans Schelble. Zeit-
sohrift für Säoglingsfürsorge; 1998, Nr. 10.
1. Stillprämlen: Es werden bis 2'/t Monate nach der Geburt für je
14 Tage ausschließlicher Ernährung an der Brust 6 M. bezahlt.
2. Milchküche des Kinderspitals; trinkfertige Einseiportionen werden
nur nach ärztlichen Vorschriften abgegeben.
8. Die Säuglingsstation des Kinderspitals (ca. 20*>/o Mortalität).
4. Ziehkinderwesen (modifiziertes Tanbe’sehes System). Verl weist
daraufhin, daß nur eine Zentralisation allen dieser Einrichtungen Aussicht auf
Erfolg bietet. _ Dr. Wolf-Marburg.
Kleinere Hitteilnngen nnd Referate ana Zeitschriften.
895
Ein Beitrag ivr MIlehTersorgiuig, Slngllngefllrgorge ud Mntter-
beratnng. Von Q. Ko 11 eck. Zeitschrift für S&aglingsfttrsorge; 1908, Nr. 10.
Ans den Darlegungen ergibt sich, daß im Interesse einer gesunden
Milchgewinnung eine gesetzliche Milchvielmchau ebenso notwendig ist, wie die
bereits bestehende Schiachttier- nnd Fleischscbau. Ferner erscheint es not¬
wendig, daß die polizeiliche Milchschan von besonders gettbten Beamten im
Anschluß an die städtischen Nahrungsmittelämter ansgettbt nnd krasse Schmnti
und Keimproben dem konsumierenden Publikum bekannt gemacht werden.
Im übrigen sollte aber durch Ereismnsterställe nnd Stadt- oder Kreismuster*
molkereien, erentuell auch auf genossenschaftlicher Grundlage, auf die
Milchvieh- und Milchwirtschaft überhaupt vorbildlich eingewirkt werden, die
Staatseisenbahnverwaltung aber dem Milchtransportwesen immer mehr ge¬
steigerte Aufmerksamkeit znwenden. Zur Bekämpfung der Säuglingssterblich¬
keit genügen diese Forderungen aber nicht allein, hier kOnnen in erster Linie nur
unter ärzwcher Leitung stehende Mütterberatungsstellen und Säuglingsfttrsorge-
stellen in Verbindung mit dem städtischen Ziehkinderamt wirksam werden,
wenn sie die Mutter auf die Bedeutung und Vorteile der natürlichen Ernährung
und die große Gefahr, welche der Verzicht auf die Mutterbrust für das Leben
des Säuglings birgt, hinweisen, und womüglich mit der Beratung der Mutter
schon vor der Niederkunft in allen Fragen der Säuglingspflege und ihrer
Methodik einsetsen nnd durch Verabreichung von Stillprämien für die natür¬
liche Ernährung propagieren. Dr. Wolf-Marburg.
Kurse Bemerkungen über den heutigen Stand der Frage von der
Anstaltgpilege kranker Säuglinge« Von Dr. A. S z a n a • Temeevar. ZentralbL
für Sängiingsfürsorge; 1908 Nr. 10.
Das Studium der Frage der Gefahr von Säoglingsanhäulungen,
Hospitalismus, soll nicht abhäten, Säuglingaanstalten zu errichten, son¬
dern die heute schon schOnen Erfolge in der Anstaltspflege von Säuglingen
sollen vervollkommnet und alle seine Faktoren festgesetzt werden, die
dazu beitragen können. Der erste dieser Faktoren ist Mattermilch und durch
Asepsis isolierender Betrieb der Anstalt. Dies ist schon erwiesen. Die weitere
wichtige Frage ist, welche Art von künstlicher Ernährung verhindert am besten
das Auftreten des Hospitalismns, vermindert also die Neigung zur Infektion.
Endlich soll erstrebt werden, den Virus kennen zu lernen. Die Ausweise von
Säuglingsanstalten dürfen sich mit dem Mortalitätsausweis nicht mehr belügen,
sie müssen die Stabilität in der Entwicklung der gesunden und entvriwungs-
fähigen Säuglinge nachweisen. Dr. Wolf-Marburg.
KranMenliaasliyglene.
Krankenhaus-Bflehereien. Von Dr. Emst Schulze, Hamburg-Groß-
borsteL Archiv für Voiks Wohlfahrt; 1908, 12. Heft.
GKtnz im Gegensatz zu der Aufmerluamkeit, die man Volks- nnd Schul-
bibliotheken widmet, ist bisher für die Gründung und Unterstützung von
Krankenhaus • Bibliotheken so gut wie nichts getan. In treffenden Worten
schildert Verfasser die Langewwe nnd verdrossene Stimmung der Kranken oder
eines langsam Genesenden, die sofort beseitigt wird, wenn man ihm ein gutes
Buch reicht. Sollen die Bücher aber wirklich als Heilmittel dienen, so müssen
sie auch richtig ausgewählt sein. Wo das nicht der Fall ist, wird man
häuflg die widerlichsten Kolportageromane nnd dergleichen von Bett zu Bett
wandern sehen. Es ist nicht jedes Buch für Kranke geeignet. Bücher traurigen,
aufregenden und spannenden Inhalts taugen ans naheliegenden Gründen für
Eiranke nicht. Der Kreis der sich für Krankenhaus - Büchereien eignenden
Bücher schrumpft daher stark zusammen. Am besten passen natürlich Bücher
heiteren Inhalts nnd unter diesen nicht die, welche uns vor Lachen schreien
lassen, sondern die uns mit jener inneren Heiterkeit erfüllen, die unsere gnnze
Seele auflenchten läßt und noch Stunden nnd Tage lang nachwirkt, z. B. die
Werke eines Dickens, Wilh. Baabe, Gottfr. Keller.
Aber auch die äußere Gestalt der Bücher ist nicht gleichgültig. Der
Druck darf nicht zu klein sein, das Format nicht zu hoch, der Umfang nicht
zu dick, das Gewicht nicht zu schwer, der Einband sauber und biegsam, sodaß
derselbe nnmgeschlagen werden kann, ohne dadurch zu Grunde gerichtet zu
werden.
896
Besprechangen.
Als Einbandstolf wttrde sieh am bestes das Demotoid eignen, welches
die scbStsbare Eigenschaft besitzt, Schmatz nicht anzonehmen. ^e hoflerliche
Desinfektion hält Verfasser nar dann fttr nbtig, wenn sie in Zimmern fflr
Infektionskranke gewesen sind. Eine innerliche Desinfektion ist aber kaum
nötig and technisch nach schwer darchfOhrbar, da die Desinfektionsdimpfe
doch nicht zwischen die einzelnen Blätter eindiiogen wegen Aneinanderhaftms
derselben, selbst wenn man die Bücher in der Desinfektionskammer anfhingen
wttrde. Die Firma Aag. Scherl-Berlin soll sich jedoch ein Verfahren haben
patentieren lassen, am Bücher innerlich desinfizieren za können, doch bleibt
abzawarten, ob sich das Verfahren bewähren wird. Solange dies noch nicht
der Fall ist, wird man die Bücher verhältnismäßig schnell wechseln müssen
and daza gehören große MitteL Aach wird es zweckmäßig sein, eine Zentral¬
stelle za schaffen, bei der sich die Erankenhaos-Verwaltangen über die sehr
schwierige Frage der Aaswahl der Bücher beraten lassen kOnnen.
Die deatsche Dichter-Gedächtnis-Stiftong hat ebe solche za errichten
beschlossen, will sich aber nicht nar aaf die Krankenhäoser des Deatschen
Beiches beschränken, sondern nach die des Aoslandes — soweit die deatche
Zange klingt — bedenken. Da die erforderlichen Mittel aoßerordentlich große
sind, wird an die Hochherzigkeit reicher Stifter appelliert.
Dr. Kypke-Barchardi-Bitborg.
Besprechungen.
Dm PreiiMhiohe Medlminnl- und Oesnndheltnweaen ln den Jahren
1883 — 1908 . Festschrift zarFeier des 25jährigen Bestehens
des Prenßischen Hedizinalbeamten-Vereins. Heraasgegeben
unter Mitwirkang zahlreicher Mitarbeiter von Geh. Med.-Bat Prof. Dr.
Rapmund, Beg.- a. Med.-Rat in Minden. Berlin 1908. Verlag von
Fischers medizinische Bachbandlang H. Kornfold. Gr. 8*, 568 8. Preis:
15 M. gebd. 16 M. Für die Vereinsmitglieder 8 M.
Die Festschrift berücksichtigt nicht allein den Preaßiscben Medisinal-
beamten-Verein, für dessen Jabiläam sie ein Jahr vorher ansersehen war,
sondern sie zieht das gesamte Medizinal- and Gesondheitswesen Preußens in
ihre Kreise. Jedes einzelne Kapitel ist durch einen gerade in dieser Beziehaag
hervorragenden Vertreter der Preußischen Medizinalverwaltang bearbeitet.
Die Geschichte des Preußischen Medizinalbeamten-
V er eins von Fielitz (Halle) lehrt ans, daß Bezirks- und Provinzialvereine
den Grundstock za dem 1883 entstandenen Medizinalbeamtenverein bildeten.
Der Verein umfaßt jetzt über 99(>/o aller Preaßiscben Mediziaalbeamten, gibt
die aasgezeichnete Zeitschrift fttr Medizinalbeamte seit 1888 heraas und erfüllt
seine umfangreichen Verpfiichtangen mit einem Jahresbeiträge von 15 M. der
Mitglieder. Alljährlich werden Haaptversammlangen abgehalten, in denen teils
gerichtsärztliche und psychiatrische, teils hygienische und soziale Themata
abgebandelt werden, and man muß lobend hervorheben, daß die Verhandlangen
über die amtliche StoUang des Kreisarztes, so notwendig sie auch waren und
so wesentlich sie mit zar Aasgestaltang des preußischen Gesandheitswesens
beigetragen haben, doch in den Zasammenkttnften des Vereins stets einen mäßigen
Umfang bewahrt und die wissenschaftlichen Themata nicht beeinträchtigt oder
gar verdrängt haben. Auf dem Preaßiscben Medizinalbeamtenverein hat sich
seit dem Jure 1902 der Deatsche Medizinalbeamtenverein aafgebaat.
Die Entwickelung des Preußischen Medizinal- und Ge¬
sandheitswesens in den Jahren 1888 bis 1908 behandelt der ver¬
diente Vorsitzende des Vereins, Bapmnnd. Es ist im wesentlichen ein
eingehendes und vorzügliches Bef erat. Die Kritik Ist mit Becht zaiück-
gehalten. Der preaßische Kreisarzt, die Gesandheitskonunission, der MedUnal-
etat stehen vollständig vor unseren Augen da.
Ueber Ortshygiene and Wohnangshygiene gibt Nesemanz
interessante, durch statistische Angaben illastrierte Datu. — Salomon in
Coblenz, dem wir das vorzügliche Buch über die Abwässerbeseitigang ver¬
danken, gibt hier einen kurzen, sehr inbaltreichen Abschnitt über Beseiti¬
gung der Abwässer und Abfallstoffe usw. Die von LIebig aiiigc-
stellte Forderung, die chemisch wertvollen Abfallstoffe der Landwirtschaft za er-
BesprechaDgen.
897
htlteii, ist fflr Mittel« und QrofistKdte nicht nar teohnisoh äußerst schwieria and
flnuslell onrentnbel, sondern nach hygienisch and nesthetisch bedenldlw. —
Dos Trennsystem wird als bedentsam anertont, der mechanischen Klirnng
ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Der Orad der Beiniffung dnes Abwiesers
ist nur unter Berttcksichtigung der GesamtverhUtnisse des Einseifalles, nicht
aber nach allgemein feststehenden Begeln zu bemessen. Die ersten Anfänge
des biologischen Verfahren, gehen, abweichend yon den gewöhnlichen Angaben,
die England als die Wiege dieses Verfahrens bezeichnet, auf den Deutschen
A. MAller 1863 zurOck. Seit 1901 ist die staatliche Versuchs- und PrOfungs«
anstalt fftr Wasseryersorgung und Abwässerbeseitigung in Preußen eingerichtet.
Mit gleicher Beherrschung des Stoffes stellt Schmidtmann die
Wasseryersorgung dar. Zuerst yersuchte man, die Flftsse möglichst rein
zu halten, um ihnen die Eigenschaft als Trinkwasser, eyentuell nach Sand-
Filtration des Fiußwassers, zu bewahren. Es wurden yom Eaiserl. Gesundheits¬
amt Grundsätse für die Reinigung yon Oberflächenwasser durch Sandflltratlon
zu Zeiten der Choleragefahr 1892 ausgearbeitet, die auch, nach Schwinden der
Choleragefahr neuredigiert, als allgemeine Norm herausgeg eben wurden. Auch
chemische Verfahren zur Reinigung des Wassers, wie das Ozon-Verfahren,
erzielten ausgezeichnete Erfolge, doch wurde angesichts der Unmöglichkeit,
ein Fiußwasser unter allen Umständen zu reinigen oder au<^ die Flflsne
gegenüber den steigenden Ansprüchen der Industrie und der Großstädten^
^ckelung rein zu halten, die Aufmerksamkeit in immer steigendem Maße auf
das Grandwasser als Quelle der Wasseryersorgung hingeleitet. Auch hier
kamen zuerst Enttäuschungen yor; das Grandwasserwerk, das Berlin 1879 bei
Tegel geschaffen hatte, mwte 1883 wegen zu hohen Gehalts des Wassers an
Eisenyerbindungen aufgegeben werden. Erst etwa 7 Jahre später ermöglichte
die Durchbildung des Enteisenung^yerfahrens eine allgemeine Verwendung yon
Grandwasser, so daß im Jahre 1900 in Preußen über 300 zentrale Wasser-
yersorgungen, und dayon 81 mit Enteisenungsanlagen, bestanden. Die staatlichen
Bestrebungen in dieser Beziehung werden gekrOnt durch die 1906 in allen Staaten
gleichmäßig zur Durchführung gelangte , Anleitung für die Einrichtung, den
Betrieb und die Ueberwachung Öffentlicher Wasseryersorgungsanlagen".
Abel in Berlin berichtet über die Nahrangsmittelkontrolle.
Eine ständige Ueberwachung des Nahrungsmittelyerkehrs durch Sacbyerständige
ist erforderlich, doch nur zOgernd entstand eine kleine Anzahl yon Prüfungs-
anstalten, bis schließlich ein Ministerialerlaß yon 1906 auf eine allgem^e
Kontrolle drang und die Errichtung zahlreicher derartiger Anstalten herbei-
führte. Allerdings leidet die Gesetzgebung an dem Mangel, daß sie zu wenig
Anhaltspunkte für die feste richterliche Beurteilung der Reinheit yon Nahrungs¬
mitteln besitzt; die Nahrungsmittelkontrolle wird dadurch eingeengt, daß
sie nur Proben der feilgehaltenen Waren, nicht aber die Fabrikationsyerfahren
der Waren selber überwachen und prüfen darf. — Bei diesen Ausführungen
wird auch des Alkohols gedacht; 1902 wurde yom Ministerium eine Muster-
polizeiyerordnung heraasgegeben, um die Verabfolgung geistiger Getränke
an Trunkenbolde und an Kinder zu yerhindern. Im Jahre 1906 gab es in
Preußen 27 Trinkerheilstätten mit etwa 1000 Betten.
Die Gewerbehygione ist yon Roth-Potsdam abgehandelt. Die
Bakteriologie und Protozoenkunde yon Gaffky und Lents. —
Der unermüdlich fleißige Kirchner behandelt die Seuchenbekämpfung in der
ausgezeichneten Weise, die wir schon durch sein yor kurzem erschienenes und
dem internationalen Hygienekongreß gewidmetes Buch kennen. — Der um die
Entwickelung der Säuglingsfttrsorge in neuester Zelt yerdiente Dietrich
stellt Säuglingspflege und Haltekinderwesen dar. Die Bestrebungen ^feln in
der im Jahre 1909 zu erwartenden Erüffnung des Kaiserin Augusta Viktoria-
Hauses zu Berlin.
Sehr lehrreich ist auch die Schulhygiene yon Oebbecke. Der
Schularzt wird wesentlich immer yon der Kommunalyerwaltung abhängen;
eine staatliche Organisation, wie in Meiningen, wird nach Verfassers Meinung in
größeren Staaten mit ihren verschiedenartigen kommunalen Verhältnissen kaum
durchführbar sein. Die hygienischen Vorträge für Abiturienten sollten yon
besonderen, hierzu eigens berufenen Aerzten, nicht aber durchweg yon Schul¬
ärzten gehalten werden.
898
BeBprechangen.
Bei deo KrankeBaBstalten l&fitBnsok die Frage, ob die PaTilloM
der groSeo Kraokeahioser doreh gedeckte Korridore yerbaadeo sefai mbsseoi,
offen, oder ylelmehr er belflrwortet solche Korridore, aber nur, weoo sie am
Kopfende des Pavillons vorbeigeftthrt und anf das ansgiebigste belichtet nnd
gelttftet werden. Die größten deutschen Krankenh&user sind das Ejrpendorfer
&aakenhans in Hamburg mit 2150 Betten nnd das Bndolf Virchow«
Krankenhaus in Berlin mit 2000 Betten. In Preußen ist die Zahl der ver¬
pflegten Kranken in den letsten dreißig Jahren um 491**/o gestiegen. Aul
10000 Einwohner entfallen jetst 87 Betten und 277 Verpflegte j&brlidi. Auch
auf dem Lande ist die Fürsorge für Kranke durch das Bote Kreuz nnd andere
Vereine wesentlich gebessert. — Die Fürsorge für psjchisch Kranke
ist von Moeli-Herzberge*, das Bettnngs- nnd Krankentransport-
wesen von Fromm-Frankfurt, die Gef üngnishygiene von Hoffmann-
Berlin bearbeitet. Letzterer bringt zur Sprache, daß die wissenschaftlichea
Gutachten den nicht arbeitenden Gefangenen 87,46 g Eiweis tiglich als hin-
reichend für die Aufrechterhaltnng des KOrperbestandes neuerdings znbilligen,
w&hrend früher das Voit’sche Minimum von 118 g galt.
Ganz modern und sehr lehrreich ist auch der kurze Aufsatz von Schifer-
Frankfurt über das Öffentliche Badewesen, in dem namentlich Brause-
bider nnd Schnlb&der in ihren gesundheitlichen Mindestforderungen hervor¬
gehoben sind.
Wir erwihnen weiter: Heilquellen und Kurorte v<« Friedel-
Wemigerode, Leichenschau, Begr&bniswesen, Leichenverbrennnng
von Mewins-Oppeln, Aerzte von Aschenborn (auch die praktischen
Aerzte werden dieser Kapitel mit großem Vorteil lesen), niederes Heil¬
personal von Elten-Berlin, Hebammenwesen von KOstlin-Danzig,
Verkehr mit Arzneimitteln von Bornträger-Düsseldorf, welcher das
schwierige Apothekenwesen in kurzer Ziuammenfassnng glücklich darstellt, und
Meder-Coln, Kurpfuscherei und Geheimmittelwesen von Wehmer
nnd Pflanz-Berlin. Endlich sind noch Gerichtliche Medizin nnd
Psychiatrie sowie Sachverständigentätigkeit auf dem Gebiete
der Unfall- nnd Invalidenversicherung von Strassmann-Berlin,
Puppe-KOnigsbergi. Pr.,LeppmanB-Berlin,Cramer-GOttingen,BoekeB-
dahl-Eäel behandelt.
Es ist unmöglich, auf jedes einzelne dieser Kapitel graaner einzugehen.
Ebenso schwierig würde es sein, einem Einzelnen von ihnen die Palme zuzuerkennen,
aber das muß gesagt werden, daß wohl wenige Sammelwerke, sowohl was die
Banmverteilnng, wie was die Art der Darstellung anbetrifft, so gleicbmfißig
behandelt worden sind. Und was die Zuverlässigkeit anbetrifft, so ist es
staunenswert, daß ein Werk, das ans der Priratinitiative eines Vereins hervor¬
gegangen ist, in so hervorragendem Maße den Wert eines Standard-Werkes
erreicht wie dieses hier. Das Buch kann in der Tat als ein Elementarlehrbnch
für die Medizinalbeamten gelten und wird dem praktisdien Medizinalbeamten
in mancher Beziehung noch mehr wert sein als ein Lehrbuch; denn während
die hygienischen Lehrbücher mehr die theoretischen Forderungen der Wissen¬
schaft berücksichtigen, ist hier überall der Kompromiß zwischen dem hygienisch
Wünschenswerten und dem praktisch Möglichen bereits gezogen. Da ferner
Preußen in vielen hygienischen Dingen in den letzten Jahrzehnten führend
geworden ist, so vrird auch dem anßerprenßischen Medizinalbeamten das Buch
als ein wichtiger Führer für manche in der Neuzeit erstrebenswerten nnd
tatsächlich durchzusetzenden Forderungen dienen kOnnen. Alles in allem mOge
das vorzügliche Werk in dem Sinne warm empfohlen sein, dskß es sich anf dem
Schreibtische jedes Medizinalbeamten Anden solle.
_ Gumprecht-Weimar.
Br. Puvl Direktor der Provbzial-Hebammen-Lehranstalt in Breslau:
Die prsktlsohe Geburtshilfe. Wiederholnngsbuch für Hebammen und
Einführung in das neue Preußische Hebammen-Lehrbuch. 5. Auflage.
Berlin 1907. Verlag von £. Stande. Gr. 12**; 140 8. Preis 1,90 M.
Die früheren Auflagen vorliegenden Buches sind an dieser Stelle schon
einer eingehenden Besprechung unterzogen und sein Wert hervorgehoben worden.
Es erübrigt sich deshalb näher anf die neue Auflage einzugehen, die gegen
Tagesnschricbtcn.
889
die yorhergeheadeii noch exLeblieli en Wert gewonaen bat, da sie den Yer«
indeningen des neuen pienfiisehen Hebammenlebrbvdies Beehnnng trtgt.
Man kann ihr nur die gleiche gute Anfnahme wie den Irllberen wflnschenk
_ Bpd.
Dr. Otto Loorn, Assistent der Uniyersit&ts-Unterriebtsanstalt für Staats«
arsDAikonde na Berlin: Methoden der Technik der Oevlnnnng,
Prfifang und EonserTlerang des nnr forenslnohen Blnt- beaw.
Blwelsdlfferenzlerang dienenden Antlsernme. Berlin 1906. Verlag
▼on Richard Schoets. 8**, 81 S. Preis: 0,80 M.
Nach einer kurzen Einleitung ttber das Wesen der biochemischen Eiweifi-
reaktion, ttber die an das Antisemm za stellenden Anfordemngen and ttber die
Ittr die Aasfttbrang and Bearteilang der Reaktion geltenden Normen gebt
Verfasser zam eigentlichen Thema ttber and bespricht die Oewinnong,
Behandlang asw. des Antirams. In kurzen klaren Worten gibt er die im
Laboratoriam der Berliner Uniyersit&ts*Unterrichtsanstalt fttr Staatsarzneikande
gettbten Methoden wieder. Jeder, der sieh damit beschftftigen wilL wird sie
an der Hand dieses Bttchleins leicht ansftthren kttnnen. Rpd.
Dr. O. Bopmima, Proi, Reg.- n. Oeb. Med.-Rat in Minden i. W.: Kalender
für Medizinalbeamte. VIIL Jahrgang. Berlin 1909. Fischers medi¬
zinische Bachhandlang (H. Kornfeld). Ausgabe A (fttr die preofiischen
Hedizinalbeamten), Preis 4 Mark; Ausgabe B (fttr die ttbrigen deutschen
Medizinalbeamten), Preis: 8 Mark.
Die neae, soeben zor Versendang gelangende Ausgabe des Kalenders
fttr Medizinalbeamte hat insofern eine Aendernng erfahren, als das Bei¬
heft yielfachen Wttnschen entsprechend, mit dem Kalender yereinigt und der
Einband mit einer Klappe und Seitentasebe yorsehen ist. Dies war nur dadurch
möglich, daß die Personalien unter Fortfall der statistischen Notizen ttber
Einwohnerzahl usw. wesentlich yereiofacht und auch sonst einige Kttrzungen
yorgenommen sind. Der Kalender hat dadurch fttr den praktischen Gebrauch
sehr gewonnen. Alle seine Abschnitte haben außerdem wiederum wesentliche
Umarbeitungen, Abänderungen und Ergänzungen erfahren, um sie sowohl mit
den Fortschritten der Wissenschaft, als mit neueren gesetzlichen Bestimmungen
und gerichtlichen Entscheidungen in Einklang zu bringen, so daß sich der
Kalender auch in dem neuen Jahre den Medizinalbeamten als unentbehrlich
erweisen wird. Seine Beschaffung kann daher nur aufs wärmste empfohlen
werden. Dr. Fielitz-Halle.
Tagesnachrichten.
Bei der am 16. d. M. stattgehabten zweiten Lesung des Beanten-
beMldungsgesetzes in der yerstärkten Butgetkommission ist erfreulicherweise
ein Antrag der Konseryatiren, die in erster Lesung beschlossene Erhöhung
des Gehalts der nicht vollbesoldeten Kreisärzte von €00 Mark
auf 300 Mark zu ermäßigen, abgelehnt, sodaß er bei der Festsetzung des
Gehalts yon 2400—4200 Mark verblieben ist. Hoffentlich erklärt sich die
Staatsregierung wie das Plenum später damit einverstanden. Ein von national¬
liberaler Seite wiederum gestellter Antrag, bei den nicht vollbesoldeten Kreis¬
ärzten fttr die Pensionsberechtigung eine Ergänzung der Dienstbezttge bis zur
Gesamthöhe des pensionsfähigen Einkommens der gleichaltrigen vollbesoldeten
Kreisärzte eintreten zu lassen, wurde leider wieder abgelehnt.
In der letzten Sitzung der erweiterten Budgetkommission (17. d. M.)
ist einstimmig beschlossen, daß dem dienstältesten Drittel der Regiernngsräle
in „gehobener“ Stellung (also der Ober - Regierungsräte) einschließlich der
technischen Räte eine Gehaltszulage von 600 M. gewährt weiden soll. Wenn
bei diesem Beschluß auch die Mehrzahl der technischen Räte bei der Gehalts¬
aufbesserung fttr diesmal leider leer 'aasgeht, so hat er doch insofern eine
große Bedeutung, als ihre Stellung damit als eine gehobene anerkannt ist.
Bei der bevorstehenden Verwaltungsreorganisation dttrfte daher wohl fttr alle
technischen Räte nachgeholt werden, was jetzt nur einem Drittel zuteil wird.
900
Tagemsohiiohten.
Betreffs der in roxiger Nummer gebreehteii BesohlttiM der Kommbdoii
zur Beretong des Gebtthreasatms ist fßtrlgeBB mit Btteksiebt suf den Tarif
(s. Nr. 28, 8.828) issofem ein Irrtum unterlaufen, als die Gebtthr fftr Qesund-
beitsseugnisse behubi Aufnahme in ein 8eininar, Präparaadenanstait u. dergL
(B Nr. 18) unTer&ndert auf 8 Mark (nicht 8—6 Mark) geblieben; dagegen die*
jenige fOr Gesundheitszeugnisse zur Begründung Ton Gutachten usw. (B Nr. 19)
auf 8—9 (nicht 8—6) festgesetzt ist. Weiterhin hat Position A Nr. 17 Abs. 1
folgende yer&nderte Fassung erhalten:
„Hat sich der Kreisarzt in den Fällen zu 11 b und 12b an Ort und 8telle
begeben, und kann die Untersuchung ohne sein Verschulden nicht statt¬
finden, so ist eine Gebtthr yon 8 Mark in Ansatz zu bringen. Mehr als
drei Untersuchungen dürfen nicht berechnet werden.
Anfier der Gebtthr zu 18 (schriftliches Gutachten) erhält der Kreisarzt
im Falle der Wahrnehmung eines Termins die zu 1 bestimmte Gebtthr,
dagegen ist die zu 4 (Aktenstudium) bestimmte Gebtthr in den Gebtthren
zu 18—16 mit enthalten. 8ind zur Aussteillnng des Gutachtens
Vorbesuche erforderlich, so treten die Gebtthren zu 8
hinzu.*
Endlich ist noch zu erwähnen, dafi in den allgemeinen Bestimmungen
zum Tarif im §2, Abs. 1 das Wort .besonders* schwierige usw. durch .aus¬
nahmsweise* ersetzt und § 2, Abs. 2 dahin abgeändert ist, dafi die Ueber-
schreitung der Mindestsätze unter Angabe der besonderen Umstände
des einzelnen Falles (nach der Vorlage: .der fttr die Verrichtung anf-
gewendete Zdt und ArbeitsleMtung*) zu begründen ist.
Der Beichstag hat in seiner 8itzung yom 9. d. Mts. die Gewerbe-
•rdnungs-Noyelle in uitter Lesung angenommen. Die hauptsächlichsten Ab¬
änderungen der bisherigen Bestimmungen sind, soweit sie ein hygienischen
Interesse haben, folgende:
Jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen dttrfen in der Zeit y(m 8 Uhr
abends bis 6 Uhr morgens nicht beschäftigt werden; es mnfi ihnen eine un¬
unterbrochene mindestens 11 ständige Buhezeit gewährt werden.
An Samstagen und Festtagsyorabenden darf die Arbeitszeit nicht über
6 Uhr nachmittags ausgedehnt werden. Arbeiterinnen dttrfen an diesen Tagoi
nur 8 8tnnden und an den übrigen Tagen ^höchstens 10 8tnnden beechlfUgt
werden.
Wöchnerinnen dürfen 8 Wochen lang, dayon mindestens 6 Wochen nach
ihrer Niederkunft, nicht beschäftigt werden.
Die Mitgabe yon Hausarbeit an Betriebsarbeiterinnen ist an Tagen, an
denen sie bis zur gesetzlich zulässigen Dauer beschäftigt waren, sowie fttr
8onn- und Festtage unzulässig. An Tagen, wo sie kürzere Zeit im Betriebe
uewesen sind, dttrfe ihnen nur'soweit Hausarbeit mitgegeben werden, ids sie
fttr den Best der zulässigen Arbeitszeit im Betriebe herstellen können.
Zur Beratung yon VerwaltnngHfragen der InyalideByersieheniBf ist
am 16. im großen Saale des Beicbsyersicherongsamts eine Vertretung yon
Vertretern der Landesyersichernngeämter, Inyalidenyersichernngsanstalten und
zngelassenen Kasseneinricbtungen zusammengetreten. Die Tagesordnung um¬
faßte 9 Gegenstände:
1. Prüfung der Erwerbsfähigkeit der in höherem Lebensiüter in die
Inyalidenyersicberung eintretenden Personen.
2. Vorschläge zur Ausgesstaltung der Muster zu den ärztlichen
Gutachten in Bentensacben.
8. Umfrage über die yon den Versicherungsanstalten fttr die Bewiligung
yon Heilyerfahren befolgten Grundsätze. Hierbei wurde die Frage, ob
sich die Aufstellung einheitlicher Grundsätze empfehle, yemeint.
Eingehende Besprechung fand Punkt 4: .Ziele und Wege der Be¬
kämpfung dos Alkoholmifibrauchs durch die Versicherungsanstalten*. Es
eine sorgfältige Auswahl der in Fürsorge zu nehmenden Personen empfohlen irarde
(Heranziehung der Fürsorgestellen und der gemeinnützigen Vereine) sowie die
Aussichten eines Vorgebens zur ansgiebigeren Benutzung der in § 24 des In-
yalidenyersicherungsgesetzcs den Behörden gegebenen Befugnisse eröxtmt.
TageBnsobriehten.
901
Bei Paukt 5: «Fragen betreftend die Unterlagen and die Bearbeitung der
Statistik der Heilbehandlang* wurde die Natsbarmachong der Fortsclmtte
der medizinischen Wissenschaft Itlr die Feststeilang des Zastandes der Langen*
kranken besprochen und hierbei insbesondere die BOntgenantersachang fitr
die Frähdiagnose der Taberkalose hervorgehoben sowie der Wert and die
Anwendbarkeit anderer üntersnchongsweiseD, insbesondere der Opbthalmoreak
nach Wolff-Eisner and Calmette erörtert. Weiter warde die Verwen*
dang der «Tarban*Qerhardt'schen (Kaiserliches Gesundheitsamt) Stadien*
einteiiang* zur Featsteiiang des Aufnahme- und des Entlassongsbefandes bei
st&ndiger Behandlong von Langentaberkalösen empfohien. Zar näheren Er¬
örterung and FeststeUang der die künftige Bearbeituagsart der Statistik der
Heilbehandlung betreffenden Fra^n wurde eine ans Mitgliedern der Vorstände
der Versicherongsanstalten und Kasseneinrichtangen sowie aas Vertretern des
EeichsversicheronKsamts zusammengesetzte Kommission gewählt.
Von den tkbrigen Verhandiangsgegenständen interessiert nur noch die
Frage, ob sich für die Versicherangsanstalten eine lebhaftere Beteiligung an der
«Bekämpfung des Lupus** empfiehlt. Hierzu lag eine von der Versicherungs-
anstanlt der Hansastädte aafgestelite Nachweisung Ober Umfang und Ergebnine
der abgeschlossesen Heilbehandlung von Lupuserkrankungen vor. Die von
verschiedenen Selten untersttttzte Anregung fand allgemeines Entgegenkommen.
Dagegen wurde eine Beteiligung an den ans ärzucben Kreisen angeregten
Bestrebungen zur «Ansiedelung leicht lungenkrankez Arbeiter ln Dentseh-
Sftdwestafrika** nicht fflr angezeigt erachtet.
Am 6. d. M. fand unter Vorsitz des WirkL Geh. Bat Prof. Dr. v. Leyden
in Berlin eine Besprechung behufs Beschaffung von Mitteln zur Krebs¬
forschung statt, an der der Minister des Innern v. Moltke, der frühere
Kultusminister v. S t u d t, Geh. Ob.*Beg.-Bat Prof. Dr. Kirchnerim Aufträge
des Kultusministers, verschiedene Professoren, Vertreter der Landesversiche*
rung^anstalt, des Boten Kreuzes, der Presse nsw. teilnahmen. Auf Antrag von
Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Orth wurde beschlossen, durch Sammlungen in Privat¬
kreisen eine Leyden - Stiftung ins Leben zu rufen, aus der die Behandlung und
Erforschung der Krebskrankheit gefördert werden soll. Die Verwaltung dieser
Stiftung soll dem Deutschen Zentralkomitee für Krebsforschung unterstehen.
Außerdem sollen in Berlin und anderwärts Ffiisorgestellen für Krebskranke
eingerichtet werden. _
Berufung. An Stelle des ausscheidenden Geh. Med.*Bat8 Dr. Engel*
mann, ord. Professor der Physiologie in Berlin wird Geh. Med.-Bat Frei
Dr. Bubner, der bisherige Leiter des hygienischen Instituts in Berlin,
treten; auf den dadurch freiwerdenden Lehrstuhl der Hygiene ist Geh Med.-
Bat Prof. Dr. Flügge in Breslau berufen worden; er hat diesen Buf aueh
angenommen. _
Ebenso wie in Preußen ist jetzt auch in Bayern durch Erlaß des
Ministers des Innern an die Kreisregierangen bestimmt, daß künftighin
die Vertrauensärzte der Schiedogericbte für die Arbelterverslchemng
Gutachten für die Versicherungsträger (Berufsgenossenschaften usw.) nicht
mehr abgeben dürfen. Aerzte, die öfter Outaäten im Aufträge von Be-
rufsgenossenschaften, Versicherangsanstalten usw. erstatten, soUen deshalb,
auch wenn sie nicht in einem Vertragsverhältnisse zu diesen stehen, von der
Wahl zu schiedsgerichtlichen Sachverständigen ausgeschlossen werden bezw.
als solche aasscheiden, wenn sie derartige Gutachten abgeben, oder in ein solches
Verhältnis zu den Berufsgenossenschaften usw. treten. Hat in Ausnahmefällen
eine Brstattung von Gutachten für Versicherungsträger nicht vermieden werden
können, so sind die betreffenden Aerzte jedenfalls nicht zur Würdigung des
von ihnen bereits begutachteten Falles heranzuzidien.
Nach Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom
80. November d. J. finden für die bayerischen Amtsärzte Dselnfekttens-
kune in München vom 80. März bis 1. April, in Erlangen vom 9. bis 11. März
und in Würzburg vom 8. bis 10. März n. J. statt.
902
Tagesnaehrichtea
In der neuen am 1. Januar n. J. in Kraft tretenden EOniglichea Verord»
nung ttber die ZusamaensetzuDg des Obersten Sehalrates in äyern ist auch
als anßerordentiicbes Mitglied ein irstlicher Sachyersttndiger
Torgesehen. _
In Darmstadt wurde am 16. Dezember in einer ron Vertretern slmt-
licher bessisehen Städte, der Kreis- und KommunalbebOrden and zahlreicher
Wohllahrtsvereine besuchten und vom Minister des Innern Dr. Braun ge¬
leiteten Versammlung eine Zentrale für Sänglingsfflrsorge und Mntterschnti
für das Grossherzogtum Hessen unter dem Namen Ernst Ludwig- und
Eleonoren-Stiftun g gegründet. Die wichtigste Aufgabe dieser Zentrale soll
zunächst die Schaffung von Säuglingsheimen ln den Städten Darmstadt, Mainz,
Worms, Offenbacb und Gießen sein unter Heranziehung des noch ans Napoleons
Zeiten herstammenden Millionenfonds für Findlinge. Mit der Zeit soll sich
dann daraus eine Zentrale für Volkswohlfahrt in Hessen entwickeln.
In der Stadt Münster L W. hat die StadtTerordnetenversammlung vom
11. d. M. die Anstellung eines Stadtarstes beschlossen.
In Deutsch-Ostafrika sollen in nächster Zeit Phjslkatslrste angestellt
werden, die die gleichen Aufgaben haben werden wie die Krebärzte. Ins¬
besondere soll ihnen die Beobacbtung des Gesundheitszustandes, die Erforschnng
und Bekämpfung endemischer Krankheiten. prophylakUsehe Maßnahmen,
Berichterstattung an die Verwaltung u. a. obliegen.
In Dresden ist am 23; t. M. im Ausstellungspalast eine Aus¬
stellung gegen AlkohoUsmns und Kurpfuscherei eröffnet. Sie zerfällt in
drei Abteilungen. Die erste Abteilung enthält die Wanderausstelliug des
Allgemeinen Deutschen Zentralverbandes zur Bekämpfung des Alkohol^us,
die zweite gibt einen Einblick in die mit großem Umfang betriebene Geschifts-
reklame der Kurpfuscher, Geheimmittelfabrikanten usw., in ihre Heilmittel
und Heilmethoden und klärt uns über das ganze Wesen der Kurpfuscherei
auf. ln der dritten Abteilung wird die praktische Seite der Alkoholbenämpfung
durch Aasstellung alkoholfreier Getränke usw. berücksichtigt.
Der Deutsche Aerztetag 1909 wird am 26. und 27. Juni in Lübeck
stattfinden. Für die Tagesordnung sind in Aussicht genommnn: Entwurf
zur Abänderung der neuen Versicherungsgesetaen, falls bis dahin rorgelegt,
Beziehungen der Aerzte zu den BeruTsgenossenschaften, Verhältnis zu dem
Verbände Deutscher Lebensyersicherungsgesellschaften, Kommission zur Be¬
kämpfung der Kurpfuscherei, Spezialarz&age.
Der IL internationale Kurs der geriehUlehen Psyeholegle und
Psyehlatrle findet unter Leitung von Prof. Dr. Sommer in Gießen yom
18.—18. April 1909 statt Außer Prof. Dr. Sommer werden die Professoren
Dr. Mittermaier und Dr. Dannemann in Gießen sowie ProL Dr.
Aschafienburg in Cöln Vorträge halten. Vorläufige Anmeldungen künneu
schon jetzt an Herrn Prof. Dr. Dannemann-Gießen erfolgen.
Erkrankungen und TodosfiUe an ansteekenden Krankheiten ln
Prenssen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬
richts-Angelegenheiten sind iu der Zeit Tom 8 bis 21. Norember 1906 erkrankt
(gestorben) an: Aussatz, Cholera, Bttckflllfieber, Gelbfieber,
Fieckfieber:, Pocken Pest und Tollwut; — (—); Milzbrand: 2
(—),—(—) ; BißTorletzungen durch tollwntyerdächtige Tiere:
— (—), 4 (—); Unterleibstyphus: 270 (26), 224 (81); Buhr: 3 (—),
1(—); Diphtherie: 2182(167), 2076 (200); Scharlach: 2191 (126), 2849
(164); Genickstarre: 16 (7), 9 (8); Kindbettfieber: 112 (16), 97
(19); Fischvergiftung: 1 (—)— (—); Kürnerkrankheit (erknuuEt);
819, 198; Tuberkulose (gestorben): 616, 649.
Verantw. Bedakteur ProL Dr. Bapmund, Beg.- u. Geh. Med.-Bat in Minden L W.
J. 0.0. Brau, Hariogl. Sieh*.«. Hoflmekdra«ktr*l in lündtn.
Bericlite über Versammlungen.
Beilage zur Zeitschrift für Medizinalbeamte, 1908.
Offizieller Bericht
über die
München
am 13. Oktober 1907.
Berlin 1908.
FISCHER’S MEDIZINISCHE BÜCHHANDLÜNO
H. Kornfeld.
Herzog]. Bayer. Hof- und Erzherzog]. Kammer-Buchhändler.
Offizieller Bericht
Ober die
IV. Landesversanmilung
des
Baymboi lAilbeantoi-V«« (E. f.).
München
am 13. Oktober 1907.
Berlin 1008.
FISCHER’S MEDIZINISCHE BUCHHANDLUNG
H. Kornfeld.
Henofl. Bayer. Hof- ond Brihenoal. Kaaimer - Bachhindler.
Inhalt.
S«lte.
ErOffniug der Versammlong. Gescbäfte* and Eassenberioht .... 1
Amtearat and Sftaglingssterbliehkeit. Beferent: Dr. Alfred Groth*
Mttnchen . 8
Der amte&ratliche Dienet in Bayern. Beferent: Dr. Becker-Mttnchen.
Leite&tze. 9
I. Die Pittfang fttr den ärztlichen Staatsdienst. 26
n. Qaalifikation der approbierten Aerzte. 45
UI. Beschäftigong der staatsttrztlich geprüften Aerzte and amts¬
ärztliche Fortbildnngskarse. 61
IV. Die nichtpragmatischen amtsärztiichen Stellen:
1. Physikatsassistenten. 56
2. Bezirksärztliche Stellyertreter. 59
V. Der ärztliche Dienst bei den Strafanstalten. 68
VI. Der ärztliche Dienst bei den Gerichtsbehörden:
1. FOrderong der gerichtlich-medizinischen Wissenschaft
and praktische AosbUdong in derselben. 77
2. Medizinal ■Komitees bei den (JniTersitäten 84
8. Organisation des gesamten gerichtsärztlichen Dienstes 87
4. Der ärztliche Dienst bei den Landgerichten .... 95
5. Der ärztliche Dienst bei den Amtsgerichten .... 105
VII. Der ärztliche Dienst bei den VerwaltongsbehOrden:
1. Die Medizinalreferate beim Kgl. Staatsministeriom des
Innern and bei den KgL Kreis-Begierangen .... 115
2. Der ärztliche Dienst bei den Distriktsrerwaltnngs-
behOrden .118
VIII. Die sonstigen dienstlichen Verhältnisse der Amtsärzte:
1. Verfahren bei der Besetznng der amtsärztlichen Stellen 142
2. Diensteinweisang and Verpflichtang der Landgerichts¬
and Bezirksärzte . .. 148
8. Bang, Uniform and Aaszeicbnong der Amtsärzte . . 149
4. Qaaliflkation der Amtsärzte.149
5. Begieayersam, Amtsonkostenentschädigang n. Schreih-
gebtthren.160
6. Aaslagen fttr Beförderongsmittel.168
7. Portowesen.156
8. Stellyertretong bei Urlaab and Verwesong erledigter
Amtsarztstelien.157
I. ErSffHHiiji der Versaiaiiilaiis. Seschäfts- Hid
Kasseabericht.
Vorsitzender, Bezirksarzt Dr. Angerer-Mttnchen: M. H.l
Namens der Vorstandes heiße ich die Versammlnng herzlich will*
kommen und spreche den Mitgliedern für ihr zahlreiches Erscheinen
den besten Dank ans. Unser Dank ist nm so größer, als die
heutige Versammlung sich mit einer sehr wichtigen und dabei
auch sehr schwierigen Frage zu befassen hat. Unter dem Zu¬
sammentreffen besonderer äußerer Umstände haben wir den jetzigen
Zeitpunkt gewählt, nm dem Königlichen Staatsministerinm Vor¬
schläge zur Reform des Medizinalwesens und speziell des amts¬
ärztlichen Dienstes zu unterbreiten. Ihr heutiges zahlreiches Er¬
scheinen, dann die im wesentlichen zustimmende Haltung bei der
Beratung des gleichen Gegenstandes in den Kreisversammlnngen,
ferner eine Anzahl Ton schriftlichen Zustimmungen lassen jetzt
schon erkennen, daß diese Reformbestrebnngen von der großen
Mehrzahl der bayerischen Amtsärzte freundlich begrüßt und auch
gebilligt werden. Mit dem Wunsche, daß unsere heutigen Bera¬
tungen erfolgreich sich gestalten mögen, eröffne ich hiermit die
IV. LandesTersammlung des bayerischen Medizinalbeamten-Vereins.
Ehe wir jedoch in die Beratung unserer Tagesordnung ein-
treten, richten sich unsere Blicke ehrfurchtsToll auf unseren Aller¬
gnädigsten Landesherrn, der, nngebengt von der Zahl der Jahre,
stets an Allem lebhaften Anteil nimmt, was das Wohl seines
Volkes fördert, wir dürfen uns deshalb der Hoffnung hinge¬
ben, daß auch unsere heutige Tätigkeit mit wohlwollendem
Interesse anfgenommen werden möge. Daraufhin, und um unsere
nnverbrüchUche Treue und Anhänglichkeit an Königshaus und
Staatsregiernng zum Ausdruck zu bringen, fordere ich Sie auf,
sieh von den Sitzen zu erheben und einzustimmen in den Ruf:
Kgl. Hoheit Prinzregent Luitpold, unser Allergnädigster
Herr, lebe hoch!“
(Lebhafter Zorof).
1
ErOffnang der Versammlang. Qeschäfts* und Kassenbericht
M. H.! Wir haben heute die große Ehre, in unserer Mitte
zu sehen: zunächst als Vertreter des Eönigl. Staatsministerinms
des Innern die Herren Geheimer Rat und Ober «Med.-Rat Dr.
Y. Grashey und Bezirksamtmann Huber, ferner als Vertreter des
Justizministeriums Herrn Ministerialrat v. Marth, als Vertreter
der Eönigl. Regierung von Oberbayern Herrn Reg.* u. Ereis-Med.-
Rat Prof. Dr. Messerer. Ich begröße diese Herren aufs Beste
und danke den hohen Stellen für das große Interesse, das sie
durch die Abordnung besonderer Vertreter unserem Verein und
seinen Bestrebungen zngewendet haben.
H. Geheimer Rat, Ober.-Med.*Rat Dr. t. Grashey: Sehr
geehrte Herrn Eollegen! Der Herr Staatsminister des Innern,
Exzellenz y. Brettreich, hat mir den ehrenYollen Auftrag er¬
teilt, Sie in seinem Auftrag zu begrüßen und die auswärtigen
Herren in München herzlich willkommen zu heissen. Der Herr
Staatsminister bringt Ihren heutigen Verhandlungen das größte
Interesse entgegen und wünscht, daß diese den besten Verlauf
nehmen mögen. Gestatten Sie auch mir, m. H., daß ich Sie be¬
grüße und daß ich diesen Wünschen des Herrn Staatsministers
mich aus Yollem Herzen anschließe! Ich wünsche, daß All das,
was Ihnen am Herzen liegt, in der einen oder anderen Form in
Erfüllung gehen möge. Die Aufgabe, die Sie sich gestellt haben, ist
ja eine schwierige; die Beratung wird daher eine sehr eingehende
sein müssen, und ich kann mir Yorstellen, wenn ihre Beschlüsse
kommen, daß dann der Schwerpunkt liegen wird in deren Moti-
Yiernng. Mit dem Wunsche, daß die Beschlüsse uns recht gut
motiYiert Yorgelegt werden mögen, schließe ich.
(Lebhafter Beifall).
Der Vorsitzende gibt hierauf beim Gesehäftsberieht
bekannt, dass der Verein z. Z. 345 Mitglieder zählt. Leider
habe der Tod auch im letzten Jahre wieder Yiele treue Mitglieder
dem Verein entrissen; es sind dies die Herren:
I. Dr. Fuchs, Bezirksarzt in Wflrzburff.
2. - 'Keller, Bezirksarzt in Ffarrkinmen.
8. • Mflller, Bezirksarzt in Schongau.
4. • Bauch, Bezirksarzt in Hammelbnrg.
5. - Bott, Bezirksarzt in Marktheidenfeld.
6. - Six, prakt. Arzt in üchtfeid.
7. • Wille, Bezirksarzt in Markt Oberdorf.
Zum ehrenden Angedenken an die Yerstorbenen Mitglieder
erhebt sich die VersamMung Yon den Sitzen.
M. H.1 Die Yorjährige LandesYersammlnng hat beschlossen
dass die Vorstandschaft des Vereins im heurigen Geschäftsjahre
sich mit 2 Aufgaben befassen solle, erstens die finanzielle Besser-
stellnug unserer amtlichen Tätigkeit anzustreben und zweitens
Vorschläge zu machen, auf welche Weise und in welcher Form
unsere amtliche Tätigkeit den Yermehrten Ansprüchen der gegen¬
wärtigen Zeit angepasst werden könne. Die Vorstandschaft ist
diesen Anregungen nachgekommen und hat in mehrfachen Sitzun*
Dr. Groth: Amisarzt and Sänglingsstorblichkeit.
8
g:en diese Gegenstände eingehend behandelt; sie hat im Lanfe
des Jahres eine wohknotivierte Petition an die zuständigen
Ministerien nm eine Gehaltsanfbessernng eingereicht, weiterhin hat
sie Herrn Dr. Beck er «München dazu bestimmt, über den zweiten
Gegenstand, die Reform des amtsäi’ztlichen Dienstes ein Referat
anszaarbeiten, das Ihnen heute vorgetragen werden wird.
Als Gegenstände der nächstjährigen Vereinstätigkeit wurden
in der gestrigen Vorstandssitzung aufgestellt „das amtsärztliche
Gebührenwesenund „die Reform des Hebammenwesens.
Hierauf erstattet der Schriftführer und Schatzmeister,
Herr Landgerichtsarzt Dr. Hermann-München, den Kassenbericht.
Zur Prüfung desselben und der Belege wurden auf Vorschlag des
Vorsitzenden die Herren Bezii-ksärzte Dr. Fricklinger-Schro*
benhausen und Dr. Schütz-Vilsbiburg als Eassenrevisoren be¬
stellt. Nach ihrem am Schlüsse der Sitzung erstatteten Bericht
haben sie die Einnahmen und Ausgeben geprüft, mit den Belegen
verglichen und alles in bester Ordnung gefunden. Er wird daher
auf Vorschlag des Vorsitzenden dem Eassenfhhrer unter Dank für
seine Mühewaltung die Entlastung erteilt.
II. Amtsarzt und Sänjiinlssteitlickkeit.
H. Dr. Alfred Groth-München: M. H.! Als ich zu Beginn
des Jahres 1905 in Gemeinschaft mit Medizinalrat Stnmpf und
Prof. Hahn die Bitte an Sie richtete, Sie möchten gelegentlich
der Vornahme der öffentlichen Impfungen über die Art der Er¬
nährung der vorgestellten Kinder Erhebungen pflegen, da war es
mir klar, daß dieses Ersuchen auf allzu günstige Aufnahme
seitens der öffentlichen Impfärzte nicht rechnen durfte. Es
kann ja gar nicht geleugnet werden, daß derartige Erhebungen
eine nicht unbeträchtliche Vermehrung der ohnedies schwierigen
und verantwortungsvollen Tätigkeit herbeifdhren müssen, die
heutigen Tages das Impfgeschäft mit seinen strengen Anforderungen
in bezug auf Organisation und Technik der Ausführung, nament¬
lich bei indolenter, selbst widerstrebender Bevölkerung dar¬
stellt. Wenn ich erst heute an Sie herantrete, nm Ihnen ein
kurzes Resumö über Ihre gemeinsame Arbeit zn geben, so liegt
die Schuld nicht an Ihrem Berichterstatter, sondern einmal daran,
daß ein Teil der Erhebungen erst im vergangenen Jahre vor¬
genommen oder ergänzt wurde, vor allem aber daran, daß die
Zahl der an den Erhebungen sich beteiligenden Impfärzte selbst
hochgestellte Erwartungen weit übertraf. Ihre Bemühungen er¬
streckten sich etwa auf die Hälfte des ganzen Königreichs Bayern,
und Sie haben dadurch ein Material geschaffen, dessen Bewältigung
und Verwertung nur mit einem nicht unerheblichen Aufwand von
Zeit und Mühewaltung durchgefflhrt werden konnte. Dabei sind
Ihre Erhebungen mit einer durch die volle Einsicht für die Wichtig-
4
Dr. Qroth.
keit und Bedeutung derselben bedingten Sorgfalt und Genauigkeit
angestellt worden, so daß ihr wissenschaftlich statistischer Wert
nicht hoch genug angeschlagen werden kann.
Damit haben Sie selbst ein glänzendes Beispiel dafhr ge¬
liefert, in welcher Weise der Amtsarzt der Frage der Säuglings¬
sterblichkeit näher zu treten hat. Seine Aufgabe auf diesem
Gebiete ist in erster Linie, die Grundlagen zu schaffen, auf
welchen ein wirksamer und aussichtsvoller Kampf gegen hohe
Säuglingssterblichkeit eröffnet werden kann. Niemand ist aber
dafür mehr geeignet, als der öffentliche Gesundheitsbeamte, dem
die Autorität des Staates zur Seite steht, und der zugleich mit
der Bevölkerung, deren hygienische Fürsorge ihm übertragen ist,
im regsten praktisch-ärztlichen Verkehr sich befindet. Die Be¬
deutung einwandfreier statistischer Grundlagen für eine ziel-
bewußte Durchführung prophylaktischer Maßnahmen ist ebenso
unbestritten wie der wissenschaftliche Wert eingehender, wenn
auch nur für einen kleinen Kreis gewonnener Ergebnisse. Wie
jede Erforschung lokaler Verhältnisse geeignet ist, allgemein ge¬
fundene Tatsachen und darauf basierende Anschauungen entweder
in ihrer Richtigkeit zu bestätigen oder allenfalls zu verbessern
und zu erweitern, so können auch erst exakt durchgeführte Er¬
hebungen die Richtlinien bestimmen, nach welchen eine exzessive
Sterblichkeit des ersten Lebensjahres bekämpft werden kann. Um
nur an einem Beispiel dies zu erläutern, so ist Ihnen ja selbst
zur Genüge bekannt, welch ausschlaggebende Bedeutung mau
heutzutage gerade der Art der Emä^ung bei der Säuglings¬
sterblichkeit zuznschreibeu gewohnt ist, und daß man sich be¬
müht, der natürlichen Ernährung des ^ndes wieder mehr und
mehr Eingang zu verschaffen. Um aber den Wert derartiger
Bestrebungen schon im Voraus abschätzen zu können, müssen
eben die Ergebnisse von Untersuchungen vorliegeu, die uns über
die Ausdehnung der künstlichen Ernährung, über die Art der¬
selben, über deren Handhabung in den verschiedenen sozialen
Schichten der Bevölkerung Aufschluß erteilen. Wir müssen uns
auch zu unterrichteu suchen, wie in denjenigen Gegenden, in
denen die Brusternährung die Regel bildet, diese selbst, d. h. ob
sie ausschließlich als solche oder in der Form des allaitment mixte
gehandhabt wiid. Ueber derartige Detailü*agen liefert eine ganze
Reihe der von Ihnen eingesandten Arbeiten eingehende und inter¬
essante Aufschlüsse, die an anderer Stelle später wiedergegeben
werden sollen.
Die Gewinnung einwandfreier statistischer Belege auf den
öffentlichen Impfterminen hat uns in erster Linie den interessanten
Beweis dafür erbracht, daß im Königreich Bayern, also inneihsüb
eines nicht allzngroßen Gebietes die verschiedenen ;Lande8teile
in bezug auf Säuglingsernährnng sich durchaus veinschieden ver¬
halten. Die Karte der Geographie der SängUngsernähmng,
die ich Ihnen zur Ansicht herumgebe, läßt ^es sehr schön
erkennen. Sie ist dadurch gewonnen, daß jeder Bezirk, für
welchen Sie Angaben gemacht haben, je nach der Ausdehnung
Amtsarzt and Sänglingzaterblichkeit.
6
der künstlichen Ernähining in yerschiedenen Farben bezeichnet
wurde. Ein Vergleich mit der zweiten Karte, der Geographie
der Säuglingssterblichkeit in Bayern, zeigt Ihnen, wie häufig
niedere Stilizifier mit hoher Sterblichkeit, und hohe StiUziffer mit
niedriger Sterblichkeit zur Deckung gebracht werden kann.
Was mir aber die Bedeutung der Ernährung in ganz be¬
sonderem Maße zur Geltung zu bringen scheint, das lehrt Sie ein
Blick auf die sechs hier aufgehängten Karten, welche die Be¬
zeichnungen : Geburtenhäufigkeit und Säuglingssterblichkeit, Armut
und Säuglingssterblichkeit und Ernährung und Säuglingssterblich¬
keit tragen. Es ist Ihnen bekannt, daß zwischen Geburtenhäufig¬
keit und Säuglingssterblichkeit ein kausaler Zusammenhang an¬
genommen wird, der sich in einer mehr oder weniger weit¬
gehenden Parallele dieser beiden statistischen Momente offenbart.
Während wir nun bei den bayerischen Bezirksämtern die Sterbe¬
ziffern in völliger üebereiastlmmuug mit den Geburtenzahlen ver¬
laufen sehen, erhöht sich bei den unmittelbaren Städten die
Mortalität der Kinder im ersten Lebensjahre keineswegs in gleicher
Weise wie die Geburtenziffer. Wir beobachten im Gegenteil,
wenn man die erste Hälfte der Städte mit niedidgeren Geburten¬
ziffern der zweiten mit höheren Geburtenziffern gegenüberstellt,
daß nicht nur keine Steigerung, sondern vielmehr ein, wenn auch
nur kleiner Rückgang der Sterblichkeit resultiert (25,2 auf 24,2).
Eine ganz ähnliche Erscheinung finden wir bei den beiden
nächsten Tafeln, die uns den Einfiuß der Aimut auf die Ge-
staltuug der Säuglingssterblichkeitsverhältnisse darstellen sollen.
Die Karte der Bezirksämter läßt deutlich erkennen, daß mit der
Zahl der aus öffentlichen Mitteln unterstützten Armen die Mor¬
talität steigt; sie läßt somit den vielfach behaupteten Zusammen¬
hang von Armut und Säuglingssterblichkeit auch für Bayern als
zutreffend erscheinen. Ein von dem der Landbezirke wiederum
abweichendes Bild zeigen die Städte, obgleich hier die Steigerung
der die Zahl der Armen bezeichnenden Kurve eine viel steilere
ist und darum ein noch deutlichores Resultat erwartet werden
könnte. Stellt man auch hier die erste Hälfte der Städte mit
niedrigerer Armenziffer (im Durchschnitt 2,66) der zweiten mit
höheren Armenziffern (im Durchschnitt 5,85) gegenüber, so eigibt
sich für die Sterblichkeit nur der kleine Unterschied von 24,1 auf
25,1, während bei den Landbezirken durch Einteilung in 5 Gruppen
von je 29 Bezirksämtern die Steigerung der durchschnittlichen
Armenziffern von 1,38 auf 3 65 eine Erhöhung der entsprechenden
Sterblichkeit von 21,2 auf 30,4 im Gefolge hat.
Nach diesen Ergebnissen handelt es sich bei den unmittel¬
baren Städten um ein Material, dessen Merkmale nicht ohne
weiteres mit den für das Land gültigen in Uebereinstimmnng
gebracht werden können. Das ist um so auffallender, als es
z. B. nach der Betrachtung des Einflusses der Armut auf die
Sterblichkeit gar keinem Zweifel unterliegen kann, daß ungünstige
wirtschaftliche Verhältnisse nicht nur bestehen, sondern sogar
nirgends so deutlich nachweisbar sind, als gerade in den Städten.
6
Dr. Groth.
Wir sind also gezwungen, ein Moment hier zur Erklärung heran-
zuziehen, dem wir die Fähigkeit zuschreiben müssen, die Ein¬
wirkung ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse im gewissen
Sinne zu paralysieren und das in den Städten vorhanden, auf dem
Lande völlig oder fast völlig fehlt. Mir erscheint hier vor allem
die größere allgemein-hygienische Fürsorge einesteils und das
größere Verständnis auch der ärmsten Schichten der Bevölkerung
für vernunftgemäße Säuglingspflege und -ernährnng anderseits von
ausschlaggebender Bedeutung zu sein. Dies wird namentlich
dadurch sehr glaubhaft, daß sich die Mehrzahl der größeren
Städte mit ihrer weitergehenden Erfüllung hygienischer For¬
derungen sowohl hinsichtlich der Geburtenhäufigkeit, als auch
hinsichtlich der Armut in der zweiten Hälfte mit den höheren
Zahlen sich befindet.
Um so interessanter ist nach dem Gesagten ein Blick auf
die beiden Darstellungen des Einflusses der Ernährung auf die
Säuglingssterblichkeit. Hier sehen wir, daß die unmittelbaren
Städte von dem Bilde der Landbezirke in keiner Weise differieren:
sHier wie dort entsprechend der Steigerung der
nicht gestillten Kinder eine Steigerung der Sterb¬
lichkeit.“
Dieses Durchdringen des Einflusses auch in denjenigen Ge¬
bieten, in welchen als ausschlaggebend anerkannte Faktoren zu¬
rückgedrängt werden und die Bedeutung ihres Einflusses nicht
zur Darstellung gebracht werden kann, illustriert, wie ich glaube,
in ganz besonderem Maße die Ueberlegenheit der natürlichen
Ernährung.
M. H.l Dem öffentlichen Gesundheitsbeamten obliegt es
jedoch nicht allein, bestehende Schäden aufzndecken; ihren Ur¬
sachen nachzngehen, die Bedingungen, unter welchen sie ent¬
stehen, genau zu erforschen; er hat auch för eine wirksame Durch¬
führung aller der Maßnahmen Sorge zu tragen, die ihm geeignet
erscheinen, Mißstände zu bekämpfen, und selbst mit seiner Person
an dieser Bekämpfung sich zu beteiligen. Ich erwarte hier nicht,
daß der zweifellos unrichtige Einwand aus Ihren Kreisen erhoben
wird, eine Bekämpfung der hohen Säuglingssterblichkeit in Bayern
sei wirkungslos und alle darauf gerichteten Bestrebungen eine
unnütze Vergeudung von Zeit und Kraft; ich möchte Ihnen jedoch
an der Karte der Entwicklung der Säuglingsverhältnisse in Bayern
zeigen, daß auch die Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebens¬
jahre einer Beeinflussung zugänglich ist, weil überhaupt unter den
zahlreichen, die menschliche Sterblichkeit steigernden Momenten
kein einziges ist, dem nicht menschliches Wollen und Denken er¬
folgreichen Widerstand zu leisten vermöchte. Die Entwicklung der
Kindersterblichkeit in den einzelnen Regierungskreißen von Bayern
lehrt uns, daß nicht nur innerhalb weniger Jahrzehnte eine ganz
bedeutende Verringerung der Mortalität hervorgerufen werden
kann, sondern daß auch diese Minderung gerade in denjenigen
Provinzen Bayerns besonders groß ist, die von Anfang an die
höchste Sterblichkeit auf weisen, wie Oberbayern und Schwaben.
Amtsarzt ood S&ngliogssterblichkeit.
7
Aach bei denen, die an and für sich schon durch relativ niedrige
Sterbezifiern ansgezeichnet waren, wie die Pfalz nnd Oberfranken,
konnte die stetige Besserung der Verhältnisse ein erfreuliches
Ergebnis hervorbringen. Daß dafür lediglich die Hebung der
Bevölkerung in hygienischer Beziehung als Begleiterscheinung
einer allgemeinen geistigen und kulturellen Hebung der Massen
als Ursache ausgesprochen werden muß, also ein unserem Handel
zugängliches Moment, das bedarf wohl kaum einer näheren Be*
grttndung. Wenn wir also durch unsere Untersuchungen fest*
gestellt haben, daß grobe Mißstände in unseren Sänglingsverhält*
nissen bestehen, und wenn wir die Ueberzeugung haben, daß
dieselben nicht nur verbesserungsbedürftig, sondern auch ver-
besserungsfähig sind, so glaube ich, hat niemand ein größeres
Interesse daran, diese Mißstände zu bekämpfen, als der öffentliche
staatliche Gesundheitsbeamte. Merkwürdigerweise hat der Staat
selbst bis jetzt außerordentlich wenig getan, eine Besserung herbei-
zuftthren, obgleich hier ein eminent staatliches Interesse gegeben
ist. Die außerordentlich poßen Summen an Nationalvermögen
sind es hier nicht allein, die durch das frühzeitige Sterben unserer
Säuglinge verloren geben, es ist auch neben gewissen ethischen
Gesichtspunkten vor allem die Frage der körperlichen Degene*
ration, durch welche gerade die Säuglingssterblichkeit eine all¬
gemeine Bedeutung gewinnt. Denn im Einklang damit, was
Gräber über den Alkohol sagt, dürfen auch wir behaupten, daß
diejenigen Momente, welche zu einer hohen Säuglingssterblichkeit
führen, nicht nur Minderwertige hinwegraffen, sondern auch neue
Minderwertige erzeugen. Die in der letzten Zeit angestelltra
Untersuchungen über Säuglingssterblichkeit und Militärtauglich¬
keit, die Prof. Hahn auch auf Grund des von Ihnen gelieferten
Materials zu ergänzen gedenkt, lassen das deutlich erkennen.
Es ist natürlich nicht meine Absicht, Ihnen hier alle die
Vorschläge zu unterbreiten, die gemacht wurden, um eine Minde¬
rung der Säuglingsmortalität zu erzielen; ich möchte hier nur
einige wenige Momente kurz berühren, die mir gerade für den
Amtsarzt von Bedeutung zu sein scheinen.
In erster Linie müssen wir darnach trachten, daß da, wo
die Säuglinge in relativ günstigen Verhältnissen leben, also in
Gegenden mit vorwiegender Brusternährong und intelligenter Be¬
völkerung, diese günstigen Verhältnisse erhalten bleiben und
darüber hinaus noch gefördert werden. Hier ist eine der größten
Gefahren, die Industrialisierung des Landes und damit die Heran¬
ziehung der Frau zur erwerbstätigen Arbeit. Da wir die erstere
nicht aufhalten können und eine gesetzliche Regelung der Frauen¬
arbeit in unserem Sinne in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist,
so müssen wir durch Befürwortung der Errichtung von Fabrik¬
krippen deu innigen Kontakt zwischen Matter und Kind so lange
als nur möglich aufrecht zu erhalten suchen. Daß auch hier so¬
wohl in Öffentlichen Vorträgen wie im privaten ärztlichen Verkehr
vor- und mitgearbeitet werden muß, wird ebenso notwendig sein,
wie wenn es gilt, ungünstige Säuglingsverbältnisse zu bessern.
8 Dr. Groth: Amtianst and Siagliogssterblichkeit
Die DnrchdringoDg auch des flachen Landes mit hygienischen
Maßnahmen und die eindringliche Belehrnng nnd Antklärang der
Bevölkemng über Methoden nnd Ziele rationeller Lebenshaltnng
werden viel daza beitragen, daß die Sterblichkeitsverhältnisse
unserer Säuglbge sich heben. Im besonderen werden wir neben
dem Bemühen, eine Verbesserung der kflnstlichen Ernährung zu
erzielen, in erster Linie darauf hinarbeiten müssen, der natürlichen
Ernährung unserer Säuglinge als der Regel zu ihrem Rechte zu
verhelfen. Bei diesem Kampfe gegen die althergebrachten Un¬
sitten der künstlichen Ernährung wird es jedoch notwendig sein,
80 viele Bundesgenossen als nur irgend möglich zu gewinnen.
Und gerade darin hat der Amtsarzt, einmal durch seine bevor¬
zugte Stellung unter den übrigen Aerzten, wie auch durch seinen
Einfluß auf die ihm unterstellten Hebammen, einen nicht un¬
wesentlichen Vorzug. Die dringende Aufforderung zur Mitarbeit
an die Aerzte Ihres Bezirksamts, immer nnd immer wiederkehrende
Ermahnungen der Hebammen werden sicherlich einen, wenn audi
nicht immer ohne weiteres ersichtlichen Erfolg erzielen. Den
letzteren g’egenüber wird unsere durch die Impftermine ermöglichte
Kontrolle ihrer Angaben ein wesentlicher Ansporn dazu sein, die
von ihnen entbundenen Frauen auf ihre vornehmste Pflicht zu
verweisen. Vielleicht wird es sich auch empfehlen, die Geistlich¬
keit durch persönliche Rücksprache, die auch dem Amtsarzt viel
leichter wird, für unsere Bestrebungen zu interessieren nnd so
ids Mitarbeiter zu gewinnen.
Wenn so ans Ihrer Arbeit, die Art der Ernährung der Säug¬
linge in Ihrem Amtsbezirke zu ermitteln, nicht nur wissenschaft¬
liche Resultate, sondern auch eine wenn nur geringe sozial-
reformatorische Tätigkeit auf dem Gebiete der Säuglingsförsorge
ausgehen würde, so wäre das auf das freudigste zu begrüßen.
Und davon sollen uns auch Erwägungen nicht abhalten, die in
diesem jüngsten Kinde der Hygiene zugleich ihr Sorgenkind er¬
blicken wollen.
M. H.I Ich habe zum Schlüsse noch einer sehr angenehmen
Pflicht Genüge zu leisten, nämlich zu danken, einmal Ihrer Vor¬
standschaft, die mir heute vor Ihnen zu sprechen erlaubte und
dann Ihnen selbst, weil Sie unsere Bitte in so weitgehender Weise
erfüllen. Ich sage Ihnen, zugleich für die Herren Med.-Rat
Dr. Stumpf und Prof. Dr. Hahn, unseien aufrichtigen Dank,
auch im Namen der Sache, der Sie Zeit und Mühe geopfert.
(Lebhafter SeifaU.)
Vorsitzender: M. H.I Durch Ihren lebhaften Beifall sind
Sie mir zuvorgekommen, dem Herrn Referenten den Dank des
Vereins für seine hochinteressanten Mitteilungen zum Ausdruck
zu bringen. Diese werden sicherlich dazu beitragen, die Zahl der
Beobachter unter den Amtsärzten noch zu vermehren.
Dr. Becker: Der amtilrzüiche Dienst in Beyern.
9
III. Oer antsirrtliclie Oiesst is Bayers
(RcTiravirsclili|c zra Vayeriscbci MHiziialwcsci).
Bericbteretatter: Dr. Becker-Mfinchen.
Z^itscltze.
Erster Abschnitt.
Die Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst.
Geltende Bestimm an g: E. A. Verordnung Tom 6. Februar 1876,
die Prüfung für den ftrztlichen Staatsdienst botr. (G. V. Bl., Seite 201).
1 . Die Anstellung im amtsärztlichen Dienste erfordert auch
jetzt noch unbeschadet der neuen «Prfifungsordnong für Aerzte
vom 28. Mai 1901“ das Bestehen einer besonderen Prüfung
für den ärztlichen Staatsdienst.
2 . Die bisherigen Bestimmungen über diese Prüfung bedürfen
einer Abänderung hinsichtlich
a) der Zeit der Zulassung,
b) der Vorbereitungskurse und
c) der Prüfung selbst.
Zn a): Die Zulassung zur Prüfung für den ärztlichen
Staatsdienst möge gleich nach Abschluß des praktischen Jahres
bezw. Erteilung der ärztlichen Approbation gestattet werden.
Zu b): Die Vorbereitungskurse mögen für die Prü-
fongskandidaten obligatorisch gemacht, auf 4 Monate bezw. ein
volles Wintersemester verlängert und so ausgestaltet werden,
daß für alle Zweige der künftigen amtsärztlichen Laufbahn der
Schweipnnkt auf eine umfassende praktische Ausbildung ge¬
legt wird.
Zu c): Die beiden schriftlichen Pi'ufangsaufgaben mögen
künftig in Wegfall kommen.
Es mögen nur eine praktische und eine mündliche
Prüfung stattfinden, welche beide am Schlüsse der Vorbereitungs-
kurse abgebalten werden und sich erstrecken auf die Gebiete der
gerichtlichen Medizin, der öfientlichen Gesundheitspfiege, der
Psychiatrie und der Medizinalgesetzgebung.
Hat der Kandidat die Prüfung bestanden, so wird ihm ein
Zeugnis über die Befähigung zur Umstellung im ärztlichen Staats¬
dienst erteilt.
Die Prüfung gilt als nicht bestanden, wenn die Gesamtnote IV
oder in einem der vier Prüfungsabschnitte die Note ungenügend
erteilt wird. Eine einmalige Wiederholung der gesamten Prü¬
fung oder eines Prüfungsabschnittes (eventuell aus einem der vier
Prüfungsabschnitte) ist zulässig.
Zweiter Abschnitt.
Die Qualifikation der approbierten Aerzte.
Geltende Bestimmung: Entschliefiung des E. Staatsministeriums
des Innern yom 1. November 1880, die QaaMkation der approbierten Aerzte
betr. (M. A. BL, S. 373).
10
Dr. Becker.
Die bisherigen Bestimmungen dürften im wesentlicheh bei-
znbehalten sein; eine Abänderung wird in folgenden Punkten vor-
geschlagen:
1. Die erstmalige grundlegende Qualifikation erfolgt am Ende
der Vorbereitungskurse.
2. Von der Qualifikation sind diejenigen Aerzte anszunehmeDy
welche das 50. Lebensjahr bereits zuzfickgelegt haben.
3. Bei den Notenabstnfangen möge den Ausgangspunkt für
die Beurteilung der Qualifikanden nicht die Note in, sondern
ebenso, wie bei der Qualifikation der Amtsärzte und der übrigen
Staatsbeamten, die Note II bilden.
4. Die Erstattung von Jahresberichten möge erlassen bezw.
auf öffentlich angestellte Aerzte beschränkt werden. Sofern schrift¬
liche Berichte behufs der Qualifikation beibehalten werden sollen,
möge bestimmt werden, daß in mehrjährigen Zwischenräumen
vorzulegende wissenschaftliche Arbeiten aus dem Gebiete der
Staatsarzneikunde (gerichtliche Medizin, öffentliche Gesundheits¬
pflege, forense Psychiatrie oder Irrenwesen, Medizinalgesetzgebnng
oder Medizinalstatistik) als den Jahresberichten gleichwertig er¬
achtet werden.
Dritter Abschnitt.
Besehäftigang der staatsärztlich geprüften Aerzte nnd
amtsärztliche Fortblldungskorse.
1. Als Assistenzärzte der Bezirksärzte und Landgerichts¬
ärzte sowie als bezirksärztliche Stellvertreter mögen nur solche
Aerzte aufgestellt werden, welche die Prüfung für den ärztlichen
Staatsdienst bestanden haben.
2. Die E. Staatsregiemng möge eine Entschließung erlassen,
daß auch bei der Besetzung sonstiger öffentlicher, staatlicher oder
städtischer Stellen, so z. B. der Bahnärzte, der Leichenschauer,
der Stadt- und Polizeiärzte, sowie der Schul- und Armenärzte,
die staatsärztlich geprüften Aerzte in erster Linie zn berücksich¬
tigen seien.
3. Dieselben mögen auch vorzugsweise als zweite Aerzte
bei den gerichtlichen Leichenöffnungen zogezogen werden, soweit
hiemit nicht die Assistenzärzte der Landgerichtsärzte betraut sind.
Sie mögen auch als Stellvertreter beurlaubter oder erkrankter
Landgerichts- und Bezirksärzte, sowie als Verweser erledigter
amtsärztlicher Stellen verwendet werden, soweit nicht eine gegen¬
seitige Gescbäftsaushilfe der Amtsärzte stattfindet.
4. Die Fortbildungskurse für staatsärztlich geprüfte Aerzte
nnd Amtsärzte, welche bisher nur als 14 tägige bakteriologische
Kurse stattfanden, mögen in der Richtung erweitert werden, daß
staatliche Aversalbeträge für dreiwöchentliche Kurse und zwar
getrennt für gerichtliche Medizin und forense Psychiatrie einer¬
seits, Medizinal Verwaltung und öffentliche Gesundheitspflege anderer¬
seits bewilligt werden.
Außerdem mögen staatliche Beihilfen gewährt werden zom
besonderen Studium in gerichtlich-medizinischen, hygienischen
und psychiatrischen Instituten, auch zur Teilnahme an sonstigen,
Der amtsärztliche Dienst in Bayern.
11
fOr die Amtsärzte wichtigen Fortbildongskursen, sowie znm Stn-
dinm hygienischer Einrichtungen.
Vierter Abschnitt.
Die nichtpragmatischen amtsärztlichen Stellen.
I Physikatsassistenten.
1. Bei den größeren bezirksärztlichen und landgerichtsärzt*
liehen Stellen, bei denen zwar ein Bedürfnis für eine ärztliche
Hilfskraft vorliegt, jedoch die Anfstellang eines weiteren pragma*
tischen Amtsarztes noch nicht notwendig erscheint, mögen Assi¬
stenzärzte in der erforderlichen Anzahl anfgestellt werden, soweit
dies nicht bereits der Fall ist.
Unter den gleichen Voranssetznngen können auch den Ereis-
medizinalräten Assistenzärzte als Hilfsarbeiter beigegeben werden.
2. Ihre Anstellung erfordert das Bestehen der Prüfung für
den ärztlichen Staats^enst und erfolgt durch das zuständige
Staatsministerinm.
3. Denjenigen Assistenzärzten, die größere und umfang¬
reichere Stellungen mit mehr selbständiger Dienstestätigkeit ver¬
sehen, möge nach mehrjähriger befriedigender Dienstzeit die
Pensionsberechtigung verliehen werden.
U Bezirksärztliche Stellvertreter.
Geltende Beatimtnnngen: K. A. Verordnang yom 8. September
1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- and YeiwsItongsbehCrden betr.,
§§ 4, 6-8. (G. V. Bl., S. 1081).
Dienst- und Haosordnnng für die Gerichtsgefängnisse vom 10. April
1883, §§ 19-22.
A. Verordnang yom 21. Jali 1884, die Vergtttang für die gefängnis¬
ärztliche Tätigkeit der bozirksärztUchen Stellvertreter betr. (G. V. Bl., S. 443).
E. A. Verordnang vom 17. Dezember 1899, den Vollzog des Impfgesetzes
betr., § 8 (G. V. Bl., 8. 1049).
1. Der bezirksärzliche Stellvertreter möge nicht nur für
dringende amtliche Geschäfte, welche die Beiziehnng des answäi'ts
wohnenden Bezirksarztes I. Klasse nicht gestatten, sondern als
der ordentliche öffentliche Arzt für das Amtsgericht
aufgestellt und verpflichtet werden.
Dementsprechend obläge ihm „die Besorgung der ärztlichen
Geschäfte in Rechtssachen bei dem Amtsgerichte** (Straf- nnd
Zivilsachen), wie dies für die Bezirksärzte I. und II. Klasse vor¬
gesehen war, nnd die Besorgung des gefängnisärztlichen Dienstes.
Außerdem bleibt er, wie bisher, der zuständige Impfarzt
des Impfbezirkes und kann auch zu dringenden amtlichen
Verwaltungsgeschäften herangezogen werden, welche die
Beiziehnng des auswärts wohnenden Bezirksarztes I Klasse nicht
gestatten.
Entsprechend seiner Hauptbeschäftigung möge der bisherige
unzutreffende Titel in den als „Amtsgerichtsarzt“ um geändert
werden.
2. Die Anstellung der bezirksärztlichen Stellvertreter er¬
fordert das Bestehen der Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst
12
Dr. Be«ker.
and erfolgt darch das Staatsministerinm der Justiz im Benebmen
mit dem des Innern.
Sie unterstehen bezüglich des gerichts- und gefängnisärzt*
liehen Dienstes dem Staatsministerinm der Justiz, im übrigen dem
Staatsministerinm des Innern.
Für ihre amtliche Tätigkeit möge eine Dienstanweisung
erlassen werden.
Für ihre dienstliche Korrespondenz möge Portofreiheit wie
für die der Bezirks- und Laudgerichtsärzte gewährt werden.
Sie mögen ein jährliches Regieaversum zur Haltung der für
ihren Dienst benötigten Amtsblätter und Literalien erhalten.
3. Ihre Vergütung bemißt sich:
a) für die amtsgerichtliche Tätigkeit nach den Vor¬
schriften der K. A. Verordnung vom 17. November 1902,
Gebühren für ärztliche Dienstleistungen bei Behörden betr.;
b) für die gefängnisärztliche Tätigkeit nach den Vor¬
schriften der K. A. Verordnung vom 21. Juli 1884 mit der
Maßgabe, daß unter Abänderung des § 1 für die Behandlung
der kranken Gefangenen die Bestimmungen der E. A. Ver¬
ordnung vom 17. Oktober 1901, ärztliche Gebühren betr.,
gelten mögen;
c) für die Vornahme der öffentlichen Impfungen nach
den Vorschriften der K. A. Verordnung vom 30. April 1875,
den Vollzug des Impfgesetzes, hier die Bestreitung der Impf¬
kosten betr.;
d) für die Vornahme amtlicher Verwaltungsgeschäfte
nach den Vorschriften der K. A. Verordnung vom 17. No¬
vember 1902, Gebühren für ärztliche Dienstleistungen bei
Behörden betreffend.
An Stelle der Gebühren unter a, b und d kann ein festes
Jahresaversum in entsprechender Höhe festgesetzt werden, wo¬
mit die Verpflichtung zur Leistung jeweils bestimmter verwal-
tungsärztlicher Geschäfte verbunden werden kann.
4. Wo es nach der Große des Amtsgerichtsbezirkes, sowie
nach dem Umfange der Dieustgeschäfte veranlaßt und gerecht¬
fertigt erscheint, möge ihnen nach mehrjähriger befriedigender
Dienstzeit die Pensionsberechtigung verliehen werden.
5. Die K. Staatsregierung möge darauf hinwirken, daß ihnen
der ärztliche Dienst im Distriktskrankenhause, sowie sonstige
öffentliche Stellungen (Leichenschau, Schulärzte usw.) übertragen
werden.
Fünfter Abschnitt.
Der ärztliche Dienst bei den Strafanstalten.
Geltende Bestimmungen: Gehaltsregalatir für die pragmatischen
Staatsdioner vom 11. Juni 1892 (G. V. Bl. Seite 209).
Entschiießang des K. Staatsmiuistcriams der Jestiz vom 13. Fcbr. 1903,
die Anätcllangsvcrhältnisse der bayerischen Strafanstaltsärzte betr.
1. Der Anfangsgehalt möge bei allen Strafanstaltsärzten
in gleicher Höhe normiert und dem des Hausarztes am Zellen¬
gefängnisse Nürnberg gleichgestellt werden.
Der amtsftntlicbe Dienst in Bayern.
IS
2 . Die Pragmatik möge nicht erst nach einer verschieden
langen Dienstzeit, sondern gleich mit der Anstelinng als Straf-
anstaltsarzt gewährt werden.
8 . Znm Ausgleiche der Verschiedenheiten bei den einzelnen
Strafanstalten und zur Erreichung einer dem Dienstumfange an¬
gemessenen Besoldung mögen den Strafanstaltsärzten außer den
„nichtpragmatischen Gehaltszulagen“ nichtpensionsfähige Neben¬
einkommen gewährt werden:
a) bei größerer Ortsentfernnng der Strafanstalt von der
Wohnung des Strafanstaltsarztes eine Entschädigung der
Auslagen ßir Beförderungsmittel;
b) bei der Fiihi*ung einer eigenen Hausapotheke eine Ent¬
schädigung fär die damit verbundene Mühewaltung;
c) bei denjenigen Strafanstalten, welche durch den großen
Umfang des Dienstes die volle Arbeitskraft des An¬
staltsarztes beanspruchen oder durch ihre exponierte Lage
Nebeneinkünfte aus der Privatpraxis unmöglich machen, eine
Diensteszulage in entsprechender Höhe.
4. Zur Vermeidung von Verwechselungen möge die bisherige
amtliche Bezeichnung der Dienststellung als „Bezirksarzt
I. Eiasse“ sachgemäß abgeändert werden in die als „Strafanstalts-
arzt“ oder „Hausarzt bei dem Zuchthause (der Gefangenanstalt)
N. N.“. Hierbei möge jedoch ausgesprochen werden, daß die
Strafanstaltsärzte im Bange den Bezirks- und Landgerichts¬
ärzten gleichstehen.
5. Der Uebertritt in den bezirks- und landgerichts¬
ärztlichen Dienst möge den Strafanstaltsärzten offen stehen
und keinesfalls erschwert werden.
(Bezüglich der Gewährung eines Begieaversnms, der Ent¬
schädigung für die Kosten der Urlaubsvertretung siehe achten
Abschnitt; V.)
Sechster Abschnitt.
Der ärztliche Dienst bei den Gerichtsbehörden.
L Fördemng der gerichtlich-medizinischen Wissenschaft nnd
praktische Ansbildnng in derselben.
1 . Es mögen an den 3 Landes-Universitäten gerichtlich-
medizinische Institute errichtet werden.
Dieselben sollen dienen:
a) zor Förderung der gerichtlich-medizinischen Wissenschaft;
b) zur Vornahme der in den Universitätsstädten anszuführenden
gerichtlichen Leichenöffnungen und der schwierigeren ge¬
richtlich-medizinischen Untersnchungen, auch aus den zuge¬
wiesenen Oberlandesgerichtsbezirken;
c) zur praktischen Ausbildung der Medizinstndierenden, zur
Abhaltung der Vorbereitungskurse für die staatsärztliche
Prüfung, der Fortbildungskurse für Staatsdienstaspiranten
und Amtsärzte, auch zum Unterrichte für Juristen.
2 . Den Lehrern der gerichtlichen Medizin möge mit Errich¬
tung der Institute die Stellung von ordentlichen Univer-
14
Dr. Becker.
sitätsprofessoren (4560 M.) and bis dahin der Qehalt aasser-
ordentlicher Universitätsprofessoren (3180 M.) gewährt werden.
IL MedizinalkomiteeB bei den Universitäten.
QeltendeBeatimmangeD: E. A. Verordnung vom 23. Aiigastl848,
Beorganisation der Medlzinalkomitcea betr. (Beg. Bl., S. 585).
K. A. Verordnong yom 29. September 1878, die Vornahme der chemischen
nnd mikroskopischen Untersuchangen in strafrechtlidien Fällen betr. (G. V. Bl.,
S. 485).
1 . Die Tätigkeit der Medizinalkomitees möge anf die Er¬
stattung von Obergntachten in wichtigen straf- and zivil-
rechtlichen Fällen beschränkt werden.
Die mikroskopischen, bakteriologischen, chemischen nnd dgl.
Untersnehangen mögen, soweit sie nicht von den Landgerichts¬
ärzten selbst betätigt werden, nicht „durch Vermittlung der Me¬
dizinalkomitees“ vorgenommen werden, sondern direkt den jeweils
hierfür zuständigen Instituten (gerichtlich-medizinische, bakterio¬
logische und hygienische, pharmakologische und chemische In¬
stitute) zugewiesen werden, wie dies bereits bezüglich der Unter-
Buchungsanstalten für Nahrangs- und Genassmittel verordnet ist.
2 . Die Professoren der gerichtlichen Medizin mögen als
ordentliche Beisitzer der Medizinalkomitees ernannt werden.
m Organisation des gesamten gerichtsärxtliclien Dienstes.
Geltende Bestimmang: E. A. Verordnung vom 8. September
1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- nnd VerwaltnngsbehOiden betr.,
§§ 1, 2 und 11 (G. V. BL, 8. 1081).
1 . Die bisherige Trennung des landgerichtsärzt-
lichen Dienstes vom bezirksärztlichen möge beibehalten und
auch da, wo dies noch nicht der Fall ist (Bheinpfalz and Aschaffen-
burg), durchgeführt werden.
2 . Die Landgerichtsärzte mögen in den Etat des Staats¬
ministeriums der Justiz übergeführt werden.
3. Es möge im Staatsministerium der Justiz ein
Medizinalreferent mit dem Bange eines Obermedizinalrates
anfgestellt werden.
Seine Aufgaben wären: Die Erstattung von sachverständigen
Gutachten in allgemeinen gerichtlich-medizinischen Angelegen¬
heiten und von Obergntachten in Sachen des Strafvollzugs and
der Begnadigung, sowie in sonstigen Justizverwaltangsange-
legenheiten,
das Personalreferat über die Landgerichts- nnd Amtsgerichts¬
ärzte sowie über die Strafanstaltsärzte,
die gesundheitliche Oberaufsicht über die Gefängnisse nnd
Strafanstalten, sowie die Wahmehmnng der Hygiene des Straf¬
vollzugs.
IV. Der ärztliche Dienst bei den Landgerichten.
Geltende Bestimmnngen: E. A. Verordnung vom 8. September
1879, don ärztlichen Dienst bei den Verwaltungsbehörden betr., H 1 und 2
(G. V. BL, 8. 1081).
Gehaltsregolatiy fttr die pragmatischen Staatsdiener vom 11. Juni 1892
(G. V. BL, S. 209).
Der amtsftrztliche Dienst in Bayern.
16
Im öffentlichen Interesse liegt es, den Landgerichtsärzten
eine vollbeschäftigte und vollbesoldete Amtsstellnng
za geben nnd sie, soweit irgend tnnlich, von der Privatpraxis
unabhängig zu machen bezw. losznlösen.
Dies läßt sich erreichen
a) darch sachentsprechende Glestaltang ihrer Dienstesaufgaben,
b) durch Erhöhung ihres Gehaltes und durch Schaffung von
Vorrfickungsstellen.
Zu a): Der Landgerichtsarzt sollte in seinem Landgerichts¬
bezirke zu allen gerichtlichen Sektionen als „Gerichts¬
arzt* (Str.-Proz.-Ord., § 87) beigezogen werden.
Ihm sei auch an seinem Amtssitze der ärztliche Dienst
bei dem Amtsgerichte und der gefängnisärztliche
Dienst bei dem land- bezw. amtsgerichtlichen Gefängnisse zu
übertragen.
Ferner sollte er, soweit er hierzu ausgerüstet ist, mikro¬
skopische, bakteriologischeu. dergL Untersuchungen
selbst vornehmen.
Auch sollte er in größerem Umfange als bisher schon im
Ermittlungsverfahren nnd während der Voruntersuchung (Augen¬
scheinseinnahme bei Auffindung von Leichen, Vernehmung von
Angeschnldigten, Zeugen und Sachverständigen etc.) als Sachver¬
ständiger beigezogen werden.
Bei größeren Landgeiichten möge ihm, soweit nicht die Auf¬
stellung eines weiteren Landgerichtsarztes notwendig ist, zur Er¬
ledigung der Dienstesaufgaben ein Assistenzarzt (erforderlichen-
falles mehrere) beigegeben werden. Derselbe hat die ihm über¬
wiesenen Dienstgeschäfie unter Aufsicht des Landgerichtsarztes
auszuführen nnd ist als zweiter Arzt bei den gerichtlichen Leichen-
öffoungen in dem Landgerichtsbezirke beizuziehen.
Den Landgerichtsärzten sollte in den Landgerichtsgebäuden
ein entsprechend aasgestattetes Amtszimmer bereitgestellt werden.
Es möge eine Dienstanweisung für die Landgerichts¬
ärzte einschließlich der neuen Vorschriften für die gerichtlichen
Untersuchungen menschlicher Leichen erlassen werden.
Zu b): Der Gehalt der Landgerichtsärzte (Anfangsgehalt
2340 M.) entspricht schon jetzt bei weitem nicht den Anfor¬
derungen der Stellung und dem Umfange des Dienstes. Eine
prozentuarische Erhöhung des Gehaltes, gleichmäßig mit den
übrigen Staatsbeamten, erscheint daher nicht als genügend; es
dürfte vielmehr eine völlige Neuregulierung des Gehaltes vorge-
nommen werden.
Bei dem stetigen Anwachsen der Amtsgeschäfte und der
Erweiterung der Dienstesanfgaben möchte es gerechtfertigt er¬
scheinen, die Landgerichtsärzte im Gehalte den Landgerichtsräten
(3720 M.) gleichzustellen.
Auch dürfte in Erwägung zu ziehen sein, ob ihnen nicht,
ebenso wie den Bichtem, bei der Pensionierung vor dem 70. Lebens¬
jahre der volle Gehalt zu gewähren sei.
10
Or. Beeker.
Die Besorgung des geiängnisärztlichen Dienstes bei größeren
Gerichtsgefängnissen möge, soweit nicht Assistenzärzte damit be>
traut sind, wie bisher in entsprechender Höhe besonders honoriert
werden.
An den größten Landgerichten (etwa mit einer Einwohner¬
zahl von mehr als 250000) mögen den Laadgerichtsärzten Bang,
Titel und Gehalt von Medizinalräten (4920 M.) verliehen
werden.
V. Der ärztliche Dienst bei den Amtsgerichten.
Geltende Bestimmang: E. A. Verordnung vom 8. September
1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und VerwMtnngsbehOrden betr^
§§ 1, 8-8 (G. V. BL, 8. 1081).
Der ärztliche Dienst bei den Amtsgerichten wird versehen:
a) an den Landgerichtssitzen von den Landgerichtsärzten (siehe
vorher unter Abschnitt IV);
b) an den Bezirksamtssitzen, bei denen sieh nicht zugleich ein
Landgericht befindet, von den Bezirksärzten I. Klasse (siehe
siebenten Abschnitt; II, a. 4);
c) bei den übrigen Amtsgerichten von den Amtsgerichtsärzten
(siehe vierten Abschnitt; II).
Siebenter Abschnitt.
Der ärztliche Dienst bei den Yerwaltnngsbehorden.
I. Die Medizinalreferate beim JL Staatsministerinm des Lmem
und bei den Ereisregierungen.
Geltende Bestimmungen: Gehaltsregulatir fttr die pragma¬
tischen Staatsdiener vom 11. Juni 1892 (G. V. BL, 8. 209).
£. A. Verordnung vom 24. Joli 1871, den Obermedlzinalsnsschuß und
die KreismcdizinalausschQsse betr. (Bg. BL, 8. 1489).
Entschließung des E. Staatsmiuisteriums des Innern vom 8. August
1902, die Verhandlungen der Aerztekammem im Jahre 1901 betr.
1 . Dem Obermedizinalrate im E. Staatsministerinm des In¬
nern (Anfangsgehalt 7020 M.) möge als Vorrficknngsstelle nach
mehrjähriger Dienstzeit die Stellung eines Ministerialdirektors
(9000 M.) und den Ereismedizinalräten (4920 M.) die Stellung
von Oberregierungsräten (6120 M.) verliehen werden.
2. In den Obermedizinalausschuß mögen zwei Bezirksärzte
und ein Landgerichtsarzt als ordentliche Mitglieder einberufen
werden.
8 . Die Sitzungsprotokolle des verstärkten Obermedizinal-
ausschusses mögen regelmäßig veröffentlicht werden.
n. Der ärztliche Dienst bei den Distriktsverwaltnngsbehärden.
Geltende Bestimmungen: Organisches Edikt flbei des Medizinal¬
wesen vom 8. September 1808.
E. A. Verordnung vom 8. September 1879, den ärztlichen Dienst bei den
Gerichts- und Verwaltungsbehörden betr. (G. V. BL, 8. 1081).
GehaltsregulatiT für die pragmatischen Staats^ener vom 11. Juni 1892.
(G. V. BL, 8. 209).
1 . Im öffentlichen und dienstlichen Interesse liegt es, den
Bezirksärzten eine vollbeschäftigte und vollbesoldete
Der amtsärztliche Dieast in Bayern.
17
Amtsstdllangr za geben and eie, soweit irgend tnnlich, von dw
Privatprexis nnabbängig za machen bezw. loszalösen, damit eie
ihre Wirksamkeit als staatliche Gesandheitsbeamte im ganzen
Amtsbezirke and nach allen Bichtangen hin Tollständig eriftllen
können.
Dies läßt sich erreichen:
a) darch entsprechende Gestaltang ihrer dienstlichen Stellong
and ihrer amtlichen Obliegenheiten;
b) darch Erhöhong ihres Gehaltes and Schaffung von Vor-
rttckangsstellen.
Za a): Dienstliche Stellong and amtliche Obliegenheiten.
1 . Entsprechend der sonstigen Organisation der amtlichen
Stellen in Bayern möge am Sitze jeder DistriktsTerwaltongsbehörde
ein Medizinalamt errichtet werden.
Demselben steht der Eönigl. Bezirksarzt vor. Bei größeren
Aemtern können ihm zar Erledigung der Dienstesanfgaben ein,
erforderlichen Falles mehrere Assistenzärzte, bei besonders großem
Dienstamfange aach ein weiterer Bezirksarzt beigegeben werden.
Dieselben haben die ihnen überwiesenen Dienstgeschäfte onter
Aafsicht des Amtsvorstandes aasznfähren.
2 . Dem Medizinalamte können mehrhiche dienstliche Obliegen-
heilen znr selbständigen Behaudlong überwiesen werden,
so znm Beispiel
die Aasstellang amtsärztlicher Zengnisse and Gatachten,
die An- and Abmeldung der approbierten Aerzte,
die Dienstesaufsicht auf das niederärztliche Personal (Bader
und Hebammen), das in Apotheken beschäftigte Personal, die
Leichenschauer, Desinfektoren osw.,
die Dienstesaufsicht auf den Geschäftsbetrieb der Apotheken,
Drogerien and Gifthandlangen,
die üeberwachnng der Earpfascher,
die Dienstesaufsicht aaf die öffentlichen Erankenhäaser und
Privatheilanstalten, die Armenhäaser, Versorgangs- and ähnliche
öffentliche Anstalten,
die Aafsicht aaf die außerhalb der Anstalten untergebrachten
Geisteskranken, Idioten, Gebrechlichen und sonstigen Hdfsbedflif*
tigen, sowie aaf die Eostkinder.
Außerdem obliegen dem Medizinalamte:
a) die technische Beratung der zuständigen Behörden in
allen Angelegenheiten des Gesundheitswesens;
b) die üeberwachang der gesandheitlichen Verhält¬
nisse des Amtsbezirkes and dei Darchführang der
Gesandheitsgesetzgebang im Benehmen mit den zu¬
ständigen Behörden;
c) die Stellung von Anträgen zar Beseitigung wahr¬
genommener sanitärer Mängel, sowie die Anregung ge<
eigneter Vorschläge zar Förderang des Gesundheits¬
wesens;
2
d) die Anordnang Torllnfiger ICaßnAlimeB nr Abvekr,
FeeteteUong und Bekftmpfiing gemeingeilhrlidier oad tber-
tragbarer Krankheiten.
8. Die Tätigkeit dee Medirinalamtes sollte rieh gleich¬
mäßig auf den ganzen Umfang des Amtsbezirkes
erstrecken.
Der Bezirksarzt mßge T^iliehtet werden, soweit angängig
gemeinschaftlich mit dem Bezirksamtmanne, sämtliche Gemeinden
seines Amtsbezirkes anch ohne besonderen Anlaß in periodischen
Zwischenräumen (etwa alle 6 Jahre) anf ihre gesundheitlichen
Verhältnisse zu besiditigen (Medizinalyisitationen). — Die
Berichtigungen sollen sich anf alle fär das Öffentliche Gewdheits-
wesen ^chtige Verhältnisse nnd Binrichtnngen erstrecken und
zur Beseitigong sanitärer Mängel nnd znr Verbessemng der ge-
snndheitlichen Einrichtungen dienen.
Bei weiterer Entfemnng des auswärtigen Amtsgerichtsbezirkeo
Tom Amtssitze des Bezirks^tes möchte es sich empfehlen, daß
derselbe in gewisser Regelmäßigkeit (je nach Bedarf monatlich
oder in größeren Zwischenränmen) an dem answärtigen Amta¬
gerichtssitze Amtstage abhält, an welchen er fOr die Gemeinde-
Terwaltnngen, Armenpflegen nnd sonstigen Behörden, sowie für
Prirate dienstlich zn sprechen ist, die anfallenden Untersnehnngoi
Tomimmt nnd auch anderweitige Amtsgeschäfte damit yerbindet
(wie z.B. Apothekenyisitationen, Besichtigung yon Erankenhänsem,
Schulen, Nenbanten etc., Eostl^dem, Geisteskranken nnd dergL,
Prttfong der Hebammen nnd Desinfektoren nsw.).
4. Außer den yorgenannten yerwaltnngsärztlichen Geschäften
obliegt dem Bezirksarzte an seinem Amtssitze, wenn hier nicht
sogleich ein Landgerichtsarzt seinen Sitz hat, wie bisher die Be¬
sorgung des ärztlichen Dienstes beim Amtsgerichte mit
Ausnahme der gerichtlichen Sektionen (siehe yorher sechsten Ab¬
schnitt, IV) und der gefängnisärztliche Dienst.
0. Es mOge eine Dienstanweisung fflr die Hedizinal-
ämter erlassen werden, in welcher die dienstliche Stellung der
Bezirksärzte, ihr Verhältnis zn anderen Behörden, Priyatpersonen
nnd nichtbeamteten Aerzten, sowie Art nnd Umfang ihrer amt¬
lichen Obliegenheiten festgestellt sind.
6. Die amtliche Verpflichtung der Bezirksärzte znr nnmit-
geltlichen Behandlung der Armen ihres Bezirkes, sowie der Gen¬
darmeriemannschaften nnd deren Familien mOge aufgehoben werden
(die geltenden Bestimmnngen Anden sich in Beckers Handbuch
der Medizinalgesetzgebnng, Heft V, Seite 196 ff., 52).
Zn b): Erhßhnng des Gehalts und Schafftang yon Vor-
rttoknngsstellen.
1. Der Gehalt der Bezirksärzte (Anfangsgehalt 1980 M.)
entspricht schon jetzt nicht den Anfordemngen der Stellung nnd
dem stets sich mehrenden Umfang der Dienstesanfgaben. D^elbe
sollte so bemessen werden, daß der Bezirksarzt seine yolle Arbeits¬
kraft dem amtsärztlichen Dienste widmen und eine pflichtmäßige
Der amtflärztUebe Bienst in Bayern.
ErfttUang seiner vielseitigen Dienstesanfgaben von ihm gefordert
werden kann. Eine prozentnarische Gehaltserhöhung, gleichmäßig
mit den ftbrigen Staatsbeamten, erscheint daher nicht als genügend;
es dürfte vielmehr eine völlige Nenregnlierung des Gehaltes vor-«
genommen werden. Bei dem umfangreichen Wirkungskreise mOchte
es gerechtfertigt erscheinen, die Bezirksärzte im Gehalte den
außerordentlichen üniversitätsprofessoren (3180 M.) gleichzustellen.
Bei den größeren Amtsbezirken mOge den Bezirksärzten
Bang, Titel und Gehalt von Hedizinalräten (4920 M.) ver¬
liehen werden.
2. Die bisherigen amtlichen Nebeneinkommen (Ge>
btthren für die Öffentlichen Impfungen, für Zeugnisse und Gut¬
achten, sowie bei solchen amtsärztlichen Dienstleistungen, für
welche Private die Kosten zu tragen haben) mOgen den Bezirks-
irzten auch künftig verbleiben.
Für die Vornahme der periodischen Medizinal visitationen der
Gemeinden und die Abhaltung der auswärtigen Amtstage mOgen
Tagegelder und Ersatz der Beisekosten bewilligt werden, sofern
hierfür nicht ein jährliches Aversum oder eine Erhöhung der stän¬
digen Jahresremnneration (§12 der K. A. Verordnung vom 3. Sep-
t^ber 1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und Verwal¬
tungsbehörden betreffend) gewährt wird.
3. Die EOnigl. Staatsregiemng mOge darauf hinwirken, daB
den Bezirksärzten der ärztliche Dienst im Distrikts-Erankenhanse,
sowie sonstige Öffentliche Stellungen, an Orten mit Leichenhäusem
auch die zweite Leichenschau übertragen werden.
Achter Abschnitt
Die sonstigen dienstlichen Verhältnisse der Amtsärzte«
L Verfahren bei der Besetzung der amtsärztlichen Stellen.
Geltende Beztimmnngen: Entachlieflongen des KSnigliohen Stent»*
mfadsteriums des Innern yom 7. Mai 1866, 1. Januar 1867, 24. September 1867,
2. Februar 1868 und 18. Januar 1881.
K. A. Verordnung vom 24. Juli 1871, den Obermediainalansscbnß und die
KrejsmediainalansscbOsee betr. (Beg.-BL, S. 1489).
1. Die PensionieruDg der Amtsärzte mOge, soweit angängig,
erst mit einem Zeitpunkt in Wirkung treten, bis zu welchem der
ijtttsvorsteher ernannt ist oder sein kann.
2. Die Besetzung erledigter Amtsarztstellen mOge be¬
schleunigt werden. Dies ließe sich dadurch erreichen,
a) daß der Bewerbnngstermin nicht für jede einzelne Erledigung
eigens ausgeschrieben, sondern generell möglichst kurz (etwa
10 Tage vom Tage der Erledigung an gerechnet) festgestellt
wird,
b) daß die Bewerbungen nicht mehr bei den Vorgesetzten Kreis-
regiemngen, sondern direkt bei dem zuständigen Ministerium
eingereicht werden,
c) daß die gutachtliche Anhörung der Ereismedizinalausschflsse
und der Ereisregiemngen unterbleibt. [Sofern überhaupt ein
Vorschlagsrecht einer ärztlichen Kommission beibehalten
2*
Dr. Becker.
▼erden sollte, konnte ein engerer Ansschoß des ObermedizinAl>
ansschnsses damit betraut werden].
8. Bei der Auswahl der Bewerber möge das Hauptgewicht
nicht auf die Anziennität, sondern auf die besondere Befähi¬
gung zn dem erstrebten Amte gelegt werden.
H Diensteinweisnng und Verpflichtung der Landgerichts- und
Bezirksärzte.
Geltende Bestimmung: Entschließong des K. Stutsministeriams
des Innern Tom 17. Jannar 1881, die Diensteinweisiing and Verpflichtoag der
amtlichen Aerste betr. (H.-A.-B1., 8.17^
1. Mit üeberfOhrnng der Landgerichtsärzte in den Justiz-
etat mOge die Uebemahme und Ausantwortung der Begistratnr
und des AmtsiuTentars, sowie die Verpflichtung der Landgerichts-
ärzte durch die Landgerichtspräsidenten erfolgen.
2. Die Verpflichtung und Diensteinweisung der Bezirksärzte
mOge allgemein durch den Ereismedizinalrat anstatt durch das
Be^ksamt vorgenommen werden.
UL Bang, Uniform und Auszeichnung der Amtsärzte.
Ohne Antrag.
IV. Qualifikation der Amtsärzte.
Geltende Bestimmung: Entschließong des K. Staatsministeriams
des Innern Tpm 28. Jali 1901, die Qualifikation der Staatsbeamten im Geschäfts¬
bereiche des EL Staatsministeriams dra Innern betr. (M. A. BL, S. 801).
Mit Ueberfflhrung der Landgerichtsärzte in den Justizetat
entfiele die Qualifikation derselben durch die Ereismedizinal-
ansschflsse und die Ereisregierungen.
V. Begieaversnm, Amtsunkostenentschädignng und
Schreibgebflhren.
Geltende Bestimmungen: Entschließong des Königlichen Staats-
ministerioms des Innern Tom 11. Aagast 1902, die Begieayersen der Land¬
gerichts- und Bezirksärxte betr.
Entschließong des Königl. Staatsministeriams des Innern Tom 8. Mai 1903,
Amtsblätter der Amtsärzte betr.
1. Das Regieaversum der Landgerichts-und Bezirksärzte
mOge auf 150 Mark erhöht werden zur Bestreitung der Kosten
fflr Amtsblätter, Fachzeitschriften, Instrumentarium und Registratur.
Nach Bedarf mögen außerordentliche Beihilfen zu größeren
Anschaffungen gewährt werden.
Auch den Strafanstaltsärzten möge ein Regieaversum be¬
willigt werden.
2. Die Schaffung eines eigenen Medizinalamtsblattes,
ähnlich dem preußischen sMinisterialblatte fär Medizinal- und
medizinische ünterrichtsaugelegenheiten“ möge veranlaßt werden.
3. Den Landgerichts- und Bezirksärzten, welchen in den
Amtsgebänden ein Amtszimmer nicht zur Verfügung steht, möge
eine Amtsunkostenentschädignng in entsprechender Höhe
bewilligt werden.
4. Bei größeren Berichten und Gutachten mögen Sch reib-
gebühren bewilligt oder die Baranslagen fflr eine Schreibhilfe
Der amts&ratUcha DieoBt in Bayern.
21
ersetzt werden. ~ Bei einzelnen besonders großen landgerichts-
nnd bezirksärztlichen Stellen möge eine ständige Schreibhilfe
gestellt werden oder deren Haltung durch Zuschüsse ermöglidrt
werden.
VL Auslagen für BefördenmgsmitteL
Geltende Beatimmangen: E. A. Verordnung Tom 17.Norember
1902, Gebühren für Kritliche Dienstleistungen bei den Behörden betr.. S 2
(G. V. Bl., Seite 716).
E. A. Verordnung Tom 11. Februar 1876, die Aufrechnung der Tagegelder
und Reisekosten bei auswärtigen Dienstgeschäften der Beamten und Bedienatetea
des ZiTÜstaatsdienstes betr., g 1 (G.*V.*B1., 8.105).
Finansministerialbekanntmachung Tom 2. Mära 1876, gleichen Betreffs:
VH, Abs. 4 (M. A. BL, S. 112).
1. Den Landgerichts- und Bezirksärzten in Großstädten
mögen die notwendigen Auslagen für Beförderungsmittel aus der
Staatskasse ersetzt oder Jahresaversen in entsprechender Höhe
bewilligt werden.
2 . Die Bestimmungen der Ministerialbekanntmachung vom
17. Dezember 1902, Entschädigung für Fahrrad-und Motorbenutzung
durch Aerzte betr. (G. V. Bl., S. 737) mögen auch auf die Amtsärzte
bei Beisen aus dienstlichen Anlässen i^wendung finden.
vn. Portowesen.
1 . Für dienstliche Packetpostsendungen möge den
Amtsärzten auch im Ortsverkehr Portofreiheit gewährt werden.
2 . Für die Telephonanschlüsse der vollbeschäftigten
und voUbesoldeten Amtsärzte möge eine Gebühr von denselben
nicht erhoben, sondern eventuell auf Staatsfonds übernommen
werden. Bei Verwendung des amtlichen Telephonanschlnsses auch
zu privater Berufstätigkeit haben die Amtsärzte die Hälfte der
normativmäßigen Gebühr zu entrichten.
Für auswärtige Dienstgespräche der Amtsärzte möge eine
Gebühr nicht erhoben oder eventuell auf Staatsfonds übernommen
werden.
Vm Stellvertretung bei Urlaub und Verwesung erledigter
Amtsarztstellen.
Geltende Bestimmungen: E. A. Verordnung Tom 8. September
1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und Verwaltungsbehörden be¬
treffend, § 9 (G. V. BL, S. 1081). '
E. A. Verordnung Tom 17 NoTember 1902, Gebühren für ärztliche Dienst¬
leistungen bei Behörden betr., § 10 (G. V. BL, 8. 716).
1 . Die Stellvertretung während des regelmäßigen Ur*
lanbs oder während einer Er^ankung sollte den Amtsärzten
in gleicher Weise wie den übrigen Staatsbeamten keine persön¬
lichen Kosten verursachen. Eine gegenseitige Stellvertretung der
Landgerichts-, Bezirks- und Gefängnisärzte ist nur an solchen
Orten möglich und zulässig, an welchen zwei Amtsärzte ihren
Amtssitz haben und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen.
Andernfalls ist ein nichtamtlicher Arzt als Stellvertreter mit
einem Tagegeld von 6 Mark anfzustellen.
2 . Dauert die Verwesung einer Amtsarztstelle im Falle
22
Dt. Baeker.
der Erledi^rnog oder Krankheit des Inhaben linger als 8 Wochen,
SO mOge anch dem am gleichen Orte vohnendmi amtlichen Ver-
▼eser ein Tagegeld in der gleichen Hohe, wie einem nicht amt¬
lichen Verweser (6 Mark) bewilligt werden.
Sehr geehrte Herreni Die Tagesordnung der diesjfthrigen
Landesrerssmmlung des Bayerischen Medizinalbeamtenvereins ist
kurz; außer dem eben gehörten Vortrag steht nur noch ein ein¬
ziger Gegenstand zur Beratung. Daraus ersehen Sie, weldie
Wichtigkeit die Vorstandschaft diesem Gegenstand beimißt; des¬
gleichen beweist Ihr zahlreiches Erscheinen, wie große Bedeutung
auch Sie Ihrerseits dieser Frage beilegen. Obwohl der Urlaub bä
den me^^ten Herren schon vorfiber ist, sind Sie doch noch hierher
gekommen zur Beratung und Beschloßfassung. Seit langem
haben die bayerischen Amtsärzte allerlei Wünsche für ihre
Stellung, für die Ausgestaltung des Medizinalwesens auf dem
Herzen; einzelne haben ihnen da und dort mit Wort und
Schrift Ausdruck gegeben. Nunmehr, wo der richtige Zeit¬
punkt dafür gekommen ist, gilt es, die geäußerten Ansichten
und Wünsche zusammenzufassen, zu sichten, zu ergänzen und,
mit Gründen versehen, der Eönigl. Staatsregierung vorzulegen mit
der ehrerbietigen Bitte, diesen Wünschen nicht nur eine wohl¬
wollende Würdigung, sondern auch eine baldmOgliche Erfüllung
zukommen zu lassen.
Bevor noch dem erst vor 8 Jahren gegründeten Bayerischen
Medizinalbeamtenverein die spezielle Wahrung und Vertretung der
amtsärztlichen Interessen zugefallen war, beschäftigten sich unsere
ärztlichen Standesvertretungen, die Aerztekammem, wiederholt
auch mit der Stellung, den Dienstesobliegenheiten und Gehalts¬
bezügen der Amtsärzte. Sie erzielten damit hin und wieder einen
Erfolg; manches ist jedoch unerreicht geblieben und kehrt heute
in den Leitsätzen wieder, so die Dienstanweisung für die Amts¬
ärzte, die gerichtlich-medizinischen Institute.
In Preußen hat das neue Ereisarztgesetz eine großzügige
Beform des ganzen Medizinalwesens nach weitausschauenden
Grundsätzen eingeleitet und läßt einen weiteren gedeihlichen Aus¬
bau erwarten. Das verstärkte den bereits vorhandenen Wunsch,
auch in Bayern möge eine Medizinalreform auf moderner Grund¬
lage in die Wege geleitet werden. Bereits in den früheren Land¬
tagsperioden wurden für die Verbesserung der Lage der Amts¬
ärzte von einzelnen Abgeordneten Wünsche vorgebracht und
vertreten; die k. Staatsregiefung erkannte ihre Berechtigung
und das Bedürfnis nach Abhilfe an, erklärte die Sache im
Auge zu behalten, eine Gehaltsaufbesserung aber erst im Rahmen
einer allgemeinen Revision des Gehaltsregulativs vornehmen zu
können, da eine einseitige Regelung zugunsten der Amtsärzte
unmöglich sei. Dies hat sich beim Etat für Gesundheit jedesmal
mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt.
Im Voijahre bekam die Sache einen neuen Anstoß. Im letzten
Der amtelntliehe Dienst In Bsjen. 9S
Landtage (22. Juni 1906) brachte der Abgeordnete, Herr Beiirka-
arzt Dr. Banh, den Tielfach nnterstfltzten nnd mit einer knappen
Begrflndong*) yersehenen Antrag ein:
,Die Kammer wolle beschließen: Die E. Staatsregiemng
sei zn ersuchen, das gesamte Medizinalwesen Bayerns na(£
AnhOrnng der ärztlichen Bezirksvereine, der Aerztekammem
nnd des Bayerischen Medizinalbeamtenvereins neuzugestalten
gemäß den Fordemngen, welche die Errnngenschaften der
modernen wissenschaftlichen Forschung an die Organisation
des öffentlichen Gesundheitswesens stellen müssen. “
Dieser Antrag war — und das wurde ihm schließlich zum
Verhängnis — zu allgemein und unbestimmt gehalten, yermntlich
mit Absicht; es sollte wohl in Form einer Resolution die An*
Behauung der Abgeordnetenkammer Über die Notwendigkeit einer
Reform nnd ihr Einyerständnis mit einer solchen ausgesprochen
werden, das weitere aber, die detaillierte Ausarbeitung yon Vor¬
schlägen, zunächst der E. Staatsregiernng überlassen bleiben.
Was der Antrag Rauh im einzelnen anstrebte, war auch ans
den Ausführungen des Herrn Abgeordneten klar zn entnehmen.
Er sowohl, wie Herr Abgeordneter Meyer-Nürnberg, der als
Richter den landgerichtsärztlichen Dienst ans eigener änschannng
kennt, sprachen sich in der Abgeordnetensitzung yom 26. Juni 1906
in großen Zügen nnd mit überzeugenden Gründen für den Antrag
ans. Der E. Regiemngsyertreter, Herr Geheime Rat Dr. y. Grashey,
anerkannte die ungenügende, nnyollständige Besoldung der Amts¬
ärzte, nnd wenn er sich auch nicht zu allen Anregungen der
beiden Abgeordneten in znstimmendem Sinne äußerte, gab er dodi
am Schlüsse seiner üeberzengnng dahin Ausdruck, „daß alle die
Anregungen, die heute bezüglich der Verbesserung des Medizinal¬
wesens in diesem hohen Hanse ausgesprochen worden sind, ganz
gewiß yon der Staatsregiemng gewürdigt und geprüft werden,
and daß sie machen wird, was sie kann.“ Der E. Staatsminister,
Herr Dr. Graf y. Feilitzsch, bemerkte zu dem Anträge Rauh:
„Er sei im großen und ganzen der Anschauong, daß eine solche Neu-
! [estaitung nicht erforderlich sei, sondern daß die Bestimmungen, wie sie
hrtgesetst smt tielen Jahren erlassen worden seien, genOgten, um die Oesnnd-
*) Dieselbe lautet: aDIeGrundli^e fftr die Organisation des bayerisehen
Mediiinalwesens ist gegenwärtig noch auf dem organischen Edikte Uber das
Mediiinalwesen im Köoineich Bayern rom 8. September 1808 aufgebant Dieses
hervorragende, seinerzeit weit Toranseilende Gesetzwerk hat das .Medizinal-
wesen als einen der wichtigsten Teile der Staatspolizei erklärt, dem eine Tor-
zOgliehe Aufmerksamkeit um so mehr zuzuwenden sei, als dnreh eine gute
Bestellung desselben die erste Bedingnis zum individnwen Wohl eines jeden
einseinen Staatsbürgers im Zusammenhalte mit dem allgemeinen allein erreicht
und dauerhaft erhmten werden kbnne.* Entspricht dieses Edikt in seinen
allgemeinen GrnndzOgen nnd organisatorischen Bestimmungen noch den
gegenwärtigen Verhältnissen, so besteht kein Zweifel, daß das Medizinaledikt
n seinen einzelnen Bestimmungen nach Umlauf yon nahezu hundert Jahren
den yeränderten Zeityerhältnissen, sowie den Anforderungen, welche die Ergeb¬
nisse der inzwischen so weit fortoeschrittenen wissenschaftlichen Arbeit nnd
Forschung an den Ausbau des Ofrontlichen Gesundheitswesens stellen mOssen,
naeh keiner Biebtnng hin mehr gerecht werden kann.*
ti
Dr. Becker.
heitsTerh<Dbee der BevSIkenuig in entsprechender Weise sn fordern. Es
sden »ach in dieser Bichtnog Vorschläge, in welcher Weise eigentlich eine
solche Neagestaltnng erfolgen solle, nicht vorgebracht worden. Den Vorschlag,
die Landgerichts* and Bezirksärzte besser za bezahlen, von der Praxis za ent¬
binden etc., betrachte er als eine einfache Gebaltsregnliernngsfrage, die nicht
für diese aiUein, sondern nar im Verein mit den Qehältem anderer Beamten
geregelt werden kOnne. Bezüglich der Wünsche, den Bezirksärzten mehr Kom¬
petenz gegenüber den Bezirksämtern zazaweisen, Enrse zar Belehrung abzn-
nalten etc., handle es sich am keine grundlegende Aenderong unseres
Hedizinalwesens, sondern um Einzelyerfügangen, die getroffen werden konnten.
Es liege also za diesem generelien Antrag Dr. £aoh kein AnlaB vor.“
Zur Sache selbst verhielt sich der Herr Minister nicht ab¬
lehnend; er kam sograr der Intention des Antrages Banh etwas
entgegen, indem er damit schloß:
mEs sollte sieh ein Antrag darauf beschränken, diese
oder jene Richtung zu bezeichnen, in der eine Besserung ge¬
wünscht werde. Dem würde alsdann durch einzelne Verord¬
nungen oder Verfügungen und wenn es notwendig sei, auch
im Gesetzeswege entsprochen werden können. Das Vorgehen im
Medizinalwesen habe eich aach in neuerer Zeit in solcher Weise spezialisiert,
daß man nicht mehr von Mängeln des Medizinalwesens im allgemeinen sprechen
kOnne, sondern höchstens von speziellen Mängeln, und diese speziellen Mängel,
die Punkte, in denen solche Mängel bestehen sollen, all das m^te doch Gegen¬
stand eines speziellen Antrages sein. Mit dem vorliegenden Anträge sei aber
eigentlich nichts zu machen, denn das ganze Medizinaledikt stehe in der Haupt-
si^e nur auf dem Papier; es sei durch zahlreiche Spezidlverordnungen ergänzt
und ersetzt. Ein neues Medizinaledikt zu schaffen, dazu bestehe nach An¬
schauung der König]. Staatsregierang bei der Spezialisierung der einzelnen
Sparten des Medizinalwesens kein hinreichender Anlaß.*
Gleichwohl nahm die Abgeordnetenkammer den Antrag
Banh mit Mehrheit an. Die Kammer der Beichsräte, in deren
Sitzung vom 1. August 1906 der Beferent, Herr Beicbsrat Dr. Bitter
V. Buhl, den vom Herrn Staatsminister eingenommenen Stand¬
punkt vertrat, ist diesem Beschlüsse jedoch nicht beigetreten, so
daß ein Gesamtbeschluß beider Kammern, welcher der Königlichen
Staatsregierung behufs Vorlage an die Allerhöchste Stelle zu über¬
senden gewesen wäre, nicht zustande gekommen ist.
In legislatorischer Hinsicht ist die ganze Angelegenheit
(lnmit vorläufig auf einem toten Punkt angekommen. Liegt dem
Bayerischen Medizinalbeamtenverein daran, daß sie jetzt nicht
auf sich beruhen bleibt, sondern weiter gefördert wird, daß die
Königl. Staatsregierung gebeten werden soll, der Organisations¬
frage in ihren einzelnen Details näher zu treten, so wird das
nachzuholen sein, was bei demAntrag Bauh vermißt
wurde, und es werden die einzelnen Punkte näher
bezeichnet werden müssen, in denen eine Abänderung
oder Verbesserung der bestehenden Verhältnisse ge¬
wünscht und an gestrebt wird. Dies zu tun, entspricht der
Aufforderung des früheren Herrn Staatsministers des Innern und
erfüllt zugleich eine Pflicht gegenüber dem früheren Landtage.
Der neugewählte Landtag ist seit kurzem zusammengetreten; die
früheren Abgeordneten Dr. Bauh und Meyer gehören ihm leider
nicht mehr an, wohl aber die meisten der Herren, die den Antrag
Bauh mitunterzeichnet und für ihn gestimmt haben. Diese sind
Der amteirztlicbe Dienst in Bayern.
35
zwar an den Beschloß der früheren Landtageperiode nicht ge-
banden, aber es darf wohl von ihnen angenommen werden, daß
aie in dieser Frage ihre früheren AnschanoDgen bewahrt haben
and den non kommenden Spezialvorschlägen, soweit sie die Üfifent*
liehen Interessen berühren and die Bereitstellung staatlicher Mittel
erfordern, ebenso sympathisch gegenüberstehen, wie dem Anträge
Baah.
Für die Benatzang des gegenwärtigen Zeitpnnktes zor Vor-
bringnng nnserer Wünsche kommt nnn noch als zweites wichtiges
Moment hinza die in Aussicht stehende Vorlage eines Be-
amtengesetze8. Darum müssen gerade jetzt die Amtsärzte
ihre Wünsche bezüglich der Gehaltsregulierung der KOnigl. Staats¬
regierang nnterbreiten. Was jetzt nicht erreicht wird, läßt sich
sobald nicht wieder nachholen! Ist einmal ein nenes Beamten¬
gesetz in Kraft getreten, dann bleibt es sicher mehrere Dezennien
anverändert; nachträglich wird man mit allen Eingaben and
Petitionen nichts mehr erreichen, wie aach an dem Gehalts¬
regulativ vom Jahre 1892 seither keine Veränderang vorgenommen
warde.
Die Auffassung, daß der jetzige Moment nicht versäumt
werden dürfe, trat auch bei den vorj^rigen Kreisversammlnngen
des Medizinalbeamtenvereins hervor. Dort standen zwei Anträge
von nicht vordringlicher Bedeutung zor Beratung bezüglich Ent¬
schädigung der Amtsärzte bei längerer Vertretung und Bemune-
ration der Beziiksärzte für die Mehrarbeit in den landgerichtlichen
Aushilfsgeiängnlssen. Ohne vorherige Fühlungnahme untereinander
wurde in mehreren Kreisversammlnngen die Debatte auf das all¬
gemeine Gebiet hinübergeführt und ausgesprochen, es möge der
Medizinalbeamtenverein die Initiative zu einer allgemeinen Be-
organisation des ganzen Medizinalwesens ergreifen und diesen
Punkt auf die Tagesordnung der nächstjährigen Landesversamm-
Inng setzen. Es beschloß daher die Vorstandschaft noch vor der
Nürnberger Tagung, die beiden Punkte abzusetzen, eine Kommission
zu bilden aus den 8 Kreisvorsitzenden unter Zuziehung solcher
Mitglieder, welche auf diesem Gebiete schon gearbeitet oder An¬
regungen gegeben hatten, und diese mit der Ausarbeitung einer
der König!. Staatsregierang als Bittgesuch vorzulegenden Denk¬
schrift zu beauftragen.
Bei den Kommissionsberatungen zu Anfang dieses Jahres
stimmten die Meinungen dahin überein, daß es bei dem außer¬
ordentlich umfangreichen Materiale absolut unmöglich sei, das
gesamte bayerische Medizinalwesen in allen einzelnen Sparten,
selbst bei Ausdehnung der Sitzung auf 2 Tage, durchzusprechen.
Man hielt es daher für zweckmäßiger, für dieses Jahr zunächst
nur den amtsärztlichen Dienst herauszugreifen und
diejenigen Anträge zur Beratung zu stellen, welche sich auf die
Vorbildung und Fortbildung der Amtsärzte, ihre Stellung und
Dienstobliegenheiten, sowie ihre Besoldungsverhältnisse beziehen.
Dies erschien, wie bereits erwähnt, gerade jetzt vordringlich;
es hängt auch von der Stellung, die man den Amtsärzten überhaupt
Dr. Beeker.
in der ganzen StaatsYerwaltong einränmen wUly die Anegeetaltmig
ihrer Tätigkeit im Detail ab. Die einzelnen Sparten der amta-
irztlicheny namentlich der bezirksärztlichen Tätigkeit bleiben also
fttr dieses Jahr noch anßer Berflcksichtignng; es wurde jedoch ins
Ange gefaßt, in den nächsten Jahren Aber die einzelnen Ab*
schnitte, wie niederärztliches Personal, Verkehr mit Nahmngs-
nnd Gennßmitteln, Leichenwesen, amtsärztliche Gebtthren nsw.,
je nach Bedflrfnis nnd Vordringlichkeit, Beferate erstatten zn
lassen nnd diesbezflgliche Anträge znr Beratung zu bringen.
Die Ihnen heute Yorliegenden Anträge erstrecken sich auf
alle amtlichen Aerzte im Ressort der Staatsministerien des Innern
nnd der Justiz, mit Ausnahme der Aerzte an den Kreisirren*
anstalten, einmal weil diese eine in sich abgeschlossene Laufbahn
haben und ein Üebertritt in den ttbrigen amtsärztlichen Dienst
wohl zu den seltenen Ausnahmen gehört, dann weil die Irrenärzte
bereits ihre eigene Interessenvertretung in dem Vereine bayeri*
scher Psychiater besitzen nnd im Vorjahre nach dem Beferate
des Herrn Direktors Dr. Vocke über die Lage des irrenärztlichen
Standes eine besondere Kommission zur dauernden Bearbeitung
dieser Frage gewählt haben. Die gleichen Gesichtspunkte gelten
fttr die Amtsärzte im Ressort des Staatsministerinms fOr Verkehrs¬
angelegenbeiten, die Bahnärzte, die einen fOr sich organisierten
Dienst versehen nnd in dem Verein bayerischer Bahnärzte zn*
sammengeschlossen sind.
Bevor wir in die Besprechung der einzelnen Abschnitte ein*
treten, maß noch eine Bemerkung grundsätzlicher Art voraus-
geschickt werden. Bei der ganzen Behandlnng der Sache darf
nicht etwa davon ausgegangen werden, wie läßt sich unter den
heutigen schwierigen Verhältnissen den Amtsärzten eine einträg¬
lichere Stellung schaffen? Auch die Bflcksichtnahme auf ue
Allgemeinheit der praktischen Aerzte, die Loslösnng der Amts¬
ärzte ans dem ärztlichen Konkurrenzkampf darf die heutigen Be*
schlftsse nicht beeinflussen. Die Besoldungsfrage, so wichtig sie
auch für die wirtschaftliche Existenz der Amtsärzte ist, darf nicht
einseitig betont oder in den Vordergrund gestellt werden. Sonst
erfahren unsere Bestrebungen leicht eine falsche Beurteilung, als
handle es sich weniger um eine Ausgestaltung des Medizinal¬
wesens, als um eine Gehaltserhöhung. Wir streben auch nicht
eine Erweiterung der Kompetenzen und der Dienstobliegenheiten
an, nur um damit das Bedflrfnis nach einer Gehaltserhöhung zu
motivieren. Mit Recht können wir aber wohl beanspruchen, daß
Dienstleistung und Entlohnung im Einklang stehen. Wir mflssen
uns immer Vorhalten, was frommt dem Staate, was nfltzt der
Allgemeinheit? Nur das, was im öffentlichen Interesse
liegt und ihm dient, das darf der Medizinalbeamten¬
verein fordern, das muß er aber auch fordern.
I. Prflfung fttr den ärztlichen Staatsdienst.
Dmr Eintritt in den ärztlichen Staatsdienst ist bedingt durch
die Ablegung einer besonderen Prüfung, wie sie in Bayern im
Der amts&ntUcbe Dienst in Bayern.
27
Jahre 1876 eiogeftthrt wurde. Vor dieser Zeit war zur Anstellnng
im Staatsdienste die von allen Medizinstndierenden gleiehmftßig
abzulegende Prfifang genügend.
Nach der EOnigL Verordnnoe yom 80. Mai 1848, das Stndiam der Medizia
betreffend, war jeder, der nach der theoretischen Prüfung and einem swei-
j&hrigen Praktikum ue Schlaßprttfang bestanden hatte, bierdarch habilitiert,
um Zulassung zur ürztlichen Praxis in ihrem ganzen Dmfange, sowie um An«
Stellung in der medizinisch • polizeilichen und medizinisch «forensen ^h&re des
Staatsdienstes sich zu bewerben, ohne daB es Ton seiner Seite der Erstattung
einer Proberelation oder der Sestehung einer besonderen Staatskonkursprttlung
weiter mehr bedurfte. Sowohl bei der theoretischen Prüfung, als auch bei der
SchluBprüfung wurde aus der gerichtlichen Medizin und medizinischen Polizei
geprüft. Die EOnigL Verordnung vom 22. Juni 1858 gleichen Betreffs gestattete
die Bewerbung ln der medizinisch •polizeilichen und medizinisch •gerichtlichen
Sph&re nur jenen Inländern, welche in der Staatsprüfung die erste oder zweite
Note erlangt haben und erforderte auch bei allen Aerzten die Erwerbung des
medizinischen Doktorgrades nach bestandener Staatsprüfung. In der „Faknl*
tätsprüfung* wurde aus der gerichtlichen Medizin nicht mehr geprüft. An
diese Prüfung hatte sieh jedoch eine einjährige praktische Ausbildung für die
„Staatsprüfung* anzuschlieBen. Dieses Jahr sollten die Eandidaten zum Besuche
der Vorlesungen über fferichtliche Medizin, medizinische Polizei, Psychiatrie und
Tierheilkunde, wenn sie dieselben noch nicht gehört haben, sowie zum Besuche
der klinischen üniyersitätsanstalten als Praläkanten, auch zum Studium yon
Spezialfächern benutzen; mit Genehmigung des Ministeriums war ihnen auch
gestattet, dieses Jahr als Assistenten an größeren Eranken» oder Irrenanstalten,
sodann au Praktikanten bei Gerichts« oder inländischen praktischen Aerzten
zuzubringen. Die nach Ablanf des praktischen Jahres stattfindende „Staats¬
prüfung* erstreckte sich auf 6 Fächer, worunter die Staatsarznelkunde (gericht-
liehe Medizin und medizinische Polizei) und Psychiatrie. Es fand eine je eine
halbe Stande dauernde mündliche SchluBp^fung und eine je 4 Stunden wÜirende
schriftliche Prüfung bei yerschlossenen Türen statt, wobei die Benutzung yon
Eompendien, Eollegienheften oder sonstigen literairischen Hilfsmitteln, sowie
wechselseitige Unterstützung der Eandidaten untersagt war.
Die letzte Staatsprütnng alter OrdniuiE wurde im Jahre 1878
abffehalten. Nachdem die BeichsgewerbeordnuDg in Bayern ein-
geführt war (1. Januar 1873, bezüglich des § 29 und 147, Ziff. 8
bereits am 1. Juli 1872) und im Vollzüge des § 29 derselben die
Bestimmungen über die ärztliche Approbationsprüfung mit Gültig¬
keit für das ganze Beich vom Bandesrate erlassen waren, mußte
auch eine Aendemng der bis dahin in Bayern gültigen Be¬
stimmungen über die medizinischen Prüfungen eintreten. Ins¬
besondere war die Zerlegung der durch die Verordnung vom
22. Juni 1858 vorgeschriebenen und unter der Bezeichnung Staats¬
konkurs bekannten Schlußprüfung in zwei Prüfungen nicht zu
umgehen. Die der Approbationsprüfung zugewiesenen Unterrichts-
gegenstände genügten wohl für die Ausbildung zum ausübenden
Arzte, keineswegs aber für die eines amtlichen Arztes. Bygiene
und Psychiatrie waren zwar bei der Approbationsprfifung zu be¬
rücksichtigen, aber nicht in dem Umfange, wie es für die amts¬
ärztliche Tätigkeit notwendig war. Gerichtliche Medizin und
Medizinalpolizei waren in der Prüfulgsordnung gar nicht berück¬
sichtigt. Es wurde daher für jene approbierten Aerzte, welche
die Absicht batten, später in den Staatsdienst zu treten, eine be¬
sondere Prüfung eingeftthrt, welche eine Garantie bieten sollte
für den Besitz der zu amtsärztlichen Geschäften notwendigen
Kenntnisse und Fertigkeiten. Außerdem wurde damals noch für
28
Dr. Beeker.
die Beförderang: zam Stabsarzte von den Milit&rftrzten des aktiven
wie des beorlanbten Standes das Bestehen des Physikatsezamens
(resp. Staatskonkarses) gefordert.
Der Entwarf der neuen Verordnung, die Pbysikatsprflfnng
behnfs Erlangung der Qoalifikation als Amtsarzt betreffend, nahm
sich die im Königreich Preußen seit 1863 in Aushbung befindlichen
Bestimmungen (ZirkularVerfügung vom 20. Februar 1863), sowie
das mittlerweile erschienene neue preußische Reglement vom
18. Mai 1873 zum Vorbilde, durchlief die Beratungen der ver>
schiedenen Instanzen, zuletzt auch des erweiterten Obermedizinal¬
aasschusses und gewann schließlich eine feste Gestalt in der
Eönigl. Verordnung vom 6. Februar 1876, die Prüfung für den
ftrztlichen Staatsdienst betreffend. Prüfungsgegenstände wurden
nicht mehr als vier aufgenommen, nämlich Hygiene, Psychiatrie,
gerichtliche Medizin und Medizinalpolizei, ausgehend von dem
Grundsätze, daß in denjenigen Disziplinen, welche bereits bei der
Approbationsprflfung behandelt wurden, nicht ein zweitesmal zu
prüfen sei. Aus den erstgenannten drei Gegenständen wurde
schriftlich, praktisch und mündlich geprüft, aus der Medizinal¬
polizei nur schriftlich und mündlich.
Die erste Prüfung nach der neuen Verordnung fand im Jahre
1877 statt; seitdem werden regelmäßig jedes Jahr derartige Prüfun¬
gen abgehalten. Ein Abänderungsantrag wurde bereits im Jahre 1881
von der pfälzischen Aerztekammer dahin gestellt, daß nach Annahme
resp. nach Zurücklegung des postulierten fünfjährigen medizinischen
Stadiums keine zwei- bis dreijährige Frist zur Meldung zum
Physikatsexamen mehr beobachtet werden müsse, sondern dassdbe
schon nach einjähriger weiterer Ausbildung abgelegt werden könne.
Nach dem hierauf ergangenen Ministerialbescheid sollte dieser
Antrag erst dann in Betracht gezogen werden, wenn das fünf¬
jährige medizinische Studium vorschriitsmäßig geworden sei. Im
Jahre 1901 griff die pfälzische Aerztekammer den Gegenstand
nochmals auf und beantragte, daß die Zulassung zur Prüfung für
den ärztlichen Staatsdienst in Zukunft schon unmittelbar nach
dem praktischen Jahre gewährt werden möge. Trotz guter Moti¬
vierung fand auch dieser Antrag nicht die Genehmigung der Staats¬
regierung. Inhaltlich des Ministerialbescheides vom 3. August 1902
konnte er als sachförderlich nicht erachtet werden. In einer
kleinen Abhandlung über die Anstellungsverhältnisse der bayeri¬
schen Amtsärzte im Jahre 1901 (Bayer, ärztl. Eorrespondenzblatt,
1902, Nr. 5) wurde darauf hingewiesen, daß unter den geänderten
Verhältnissen eine Revision der Verordnung über die Prüfung für
den ärztlichen Staatsdienst notwendig sei. Im Jahre 1904 und
noch schärfer im vorigen Jahre erschienen sowohl in der Münchener
medizinischen Wochenschrift,* als auch, was nicht am Platze war,
in der öffentlichen Tagespresse mehrere Artikel, welche neben
sachlichen Beanstandungen und einzelnen Abänderungsanträgen
auch Angriffe persönlicher Art gegen einzelne Examinatoren ent¬
hielten. In einem größeren Schriftoatz wandte sich Herr Stadtarzt
Dr. Stark-Fürth an die bayerischen Aerztekammem, die in
Der unts&rztUche Bieut iz Bsyors.
29
mehrfacher Richtung AbändernngsvorschlSge machten. Der vor
knrzem ergangene Ministerialbescheid teilte mit, daß diese An¬
träge in Instruktion begriffen seien, und wie Terlautet, wurden
bereits von mehreren Seiten Gutachten hierüber eingeholt.
Für den Bayerischen Medizinalbeamtenverein entfällt eine
Stellungnahme zu den von anderer Seite vorgebrachten persün-
Behen Beschwerden; er kann sich nur in eine sachliche Besprechung
einlassen. Es wird wohl auch Ihre Meinung sein, daß es
sieh nicht darum handeln darf, die Prüfung zu erleichtern, sondern,
daß eher entsprechend den erhöhten Anforderungen auf allen Ge¬
bieten des amtsärztlichen Dienstes ein größeres Maß von Kennt¬
nissen zu verlangen sei. Jedes Staatsexamen verfolgt ja den
Zweck, der Staatsregierung die Auswahl der tüchtigeren Kräfte
unter der großen Zahl von Bewerbern zu erleichtern. Es kann
auch nicht unsere Aufgabe sein, einen vollständigen Entwurf zu
einer neuen Verordnung anszuarbeiten, sondern nur, die einzelnen
Punkte zu bezeichnen, in denen eine Abänderung der bisherigen
Bestimmungen für zweckmäßig nnd wünschenswert gehalten wird.
Bevor in eine Besprechung der einzelnen Leitsätze ein¬
getreten wird, sei zunächst die Frage aufgeworfen, ob überhaupt
eine besondere Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst als not¬
wendig zu erachten sei. Eine solche fehlt ja in mehreren deut¬
schen Bundesstaaten. So kann in dem Herzogtum Sachsen-
Altenburg, den Fürstentümern Schaomburg-Lippe, Schwarz¬
burg-Sondershausen, Schwarzbnrg-Rudolstadt, Reuß ältere und
jüngere Linie, sowie in der freien Hansestadt Lübeck die
Anstellung der Medizinalbeamten ohne besondere staatsärztliche
Prüfung erfolgen, es wird jedoch auf das Bestehen einer
solchen in Preußen oder in einem anderen deutschen Bundes¬
staate Wert gelegt. Auch ein höherer bayerischer Medizinal¬
beamter sprach sich vor Jahren im Interesse der Einheit des
medizinischen Studiums und des ärztlichen Standes dafür ans,
daß man weder für die Spezialärzte, noch für die Anwärter auf
Staatsdienst besondere Examina statuiere. Er verlangte gleiche
gründliche und entsprechend lange Vorbildung für alle Aerzte
und gleiche Examina; die Scheidung könne später beginnen, der
Staat möge sich die für seine Zwecke tauglichen aus der Zahl
der gleich gebildeten und weiterhin sich bewährenden Aerzte
heraussuchen.^) Diese Anschauung ist auch vertreten in der
Dienstanweisung für die fürstlichen Bezirksphysiker in Schwarz-
bnrg-Rudolstadt vom 3. Februar 1884,*) nach welcher die Physiker
bisher immer aus der Zahl der Aerzte ausgewählt wurden, welche
besonderes Vertrauen der Regierung genossen. Schwarzburg-
Rudolstadt hat unter 44 Aerzten einen vertragenden technischen
Rat im Ministerium, der gleichzeitig für einen Bezirk die Geschäfte
des Physikns versieht, und 4 Physiker. Da ist die Auswahl der
richtigen Persönlichkeit wohl nicht so schwierig; da läßt sich ein
1) Dr. Demutb, Festrede beim COjäbrigeu Jubiläum des Vereins pfäbd-
sober Aerzte. Vereinsblatt der pfälzischen Aerzte; 1899, 8.197.
*) Guttstadt, Deutschlands Gesundheitswesen; Bd. 1, 8.256.
30
Dr. Beeker.
praktischer Arzt in Aafang^sstellaDgen beschäftigfen und erproben,
ehe man ihm die wichtige Stellnog des Physikas überträgt. Wie
soll man aber in einem großen Bandesstaate die Befähigung der
Anwärter für den ärztlichen Staatsdienst anders feststellmi, als
durch eine besondere Prüfung? Das Vertrauen anf die Persönlich*
keit allein könnte gar manchmal zu Enttäuschungen führen, wmin
es nicht begründet ist auf dem positiven Nachweis der besonders
erforderlichen Kenntoisse nnd Fertigkeiten. In Bayern haben wir
außer dem lledizinalreferenten beim Staatsministerinm des Innern
und den 8 Ereismedizinalräten, 29 Landgerichtsärzte nnd 168 Be¬
zirksärzte I. Klasse, außerdem 1 Bezirksarzt II. Klasse and 104
bezirksärztliche Stellvertreter. Es ist doch nicht möglich, alle
die Posten bei den äußeren Behörden nur auf Grund des persön¬
lichen Vertrauens zu besetzen. In sehr vielen Fällen wird die
Regierung den Bewerber gar nicht zur Genüge kennen; sdbst
wenn die Kreismedizinalaasschüsse die größte Sorgfalt an den
Tag legen, könnten doch leicht Mißgriffe verkommen. Auch
das würde nicht genügen, daß man die alljährliche Qualiükation
auf sämtliche Praxis ausübende Aerzte, nach dem letzten Sche¬
matismus 8096, aasdehnen würde.
Ganz abgesehen von diesen formalen Schwierigkeiten schließt
das Bestehen der ärztlichen Approbationsprüfuog für sich allein
noch nicht die Tauglichkeit zum amtsärztlichen Dienste in sieh,
da die speziellen Kenntnisse, welche die Amtsärzte, sowohl die
Landgerichtsärzte als auch die Bezirksärzte, in ihrem Berufe
brauchen, während der Universitätszeit nicht in dem erforderlichen
Maße gelehrt und erworben werden können. Es hat allerdings
die neue Prüfungsordnung vom 28. Mai 1901 mit Rücksicht auf
die Bedürfnisse aller Aerzte die Anforderungen in einzelnen, hier
einschlägigen Punkten erhöht: Während nach der früheren Prü^gs-
ordnung vom 2. Juni 1883 die Fähigkeit in der Erkenntnis und
Beurteilung der Geisteskrankheiten nur gelegentlich der
Krankenbesuche bei der medizinischen Prüfung nachzuweisen war,
ist jetzt unter den Zulassangsbedingungen zur Approbationsprüfung
der Besuch einer psychiatrischen Klinik als Praktikant vorgeschrie¬
ben ; ausserdem ^det eine besondere Prüfung in der Irrenheilkunde
statt. Bei dieser an einem Tage zu erledigenden Prüfunghat der Kan¬
didat einen Geisteskranken zu untersuchen, die Anamnese, Diagnose
und Prognose des Falles, sowie den Heilplan iestzustellen, den Befand
sofort in ein Protokoll aufzunehmen und hierauf in einer münd¬
lichen Prüfung auch an anderen Kranken nachzuweisen, daß er
die für einen praktischen Arzt erforderlichen Kenntnisse in der
Irrenheilkunde besitzt; abweichend von der medizinischen Prüfung
wird ein kritischer Bericht über den Krankheitsfall und ein
weiterer Besuch des Kranken nicht gefordert. In der Hygiene
wurde der Kandidat früher über zwei Aufgaben aus diesem Ge¬
biete und über die Schutzpockenimpfung einschließlich der Impf¬
technik und des Impfgeschäftes mündlich geprüft. Jetzt hat er
in einer mündlichen Prüfung nachzuweisen, daß er sieb die für
einen praktischen Arzt erforderlichen Kenntnisse in der Hygiene
Der •mtslntiiehe Dienst in Bayern.
di
erworben, eich mit den wiehtigeren hygienischen nnd insbesondere
Mch bakteriologischen Untersnehnngsmethoden, sowie mit den
Gnindsfttzen nnd der Technik der Schntzpockenimpfong vertrant
gemacht hat, anch die erforderlichen Kenntnisse Über Gewinnnng
nnd Erhaltnng der Lymphe besitzt. Die gerichtliche Me¬
dizin war in der früheren Prüfnngsordnnng gar nicht berück¬
sichtigt; nach der nenen wird die Teilnahme an einer Vorlesnng
gefordert, ansserdem sind bei den einzelnen Prüfnngsfächem anch
ihre Beziehnngen znr gerichtlichen Medizin, soweit solche vor¬
handen, niidit nnberücksichtigt zn lassen.
Wenn somit anch die Anfordernngen an die Kenntnisse des
approbierten Arztes in diesen Punkten erhöht worden sind, so
kann dies doch nicht genügend erscheinen für die Bedürfnisse des
amts&rzüichen Dienstes. Schon das organische Edikt vom Jahre
1808 forderte von den Gerichts&rzten »weit mehrere ids bloß prak¬
tische Kenntnisse, worüber sich dieselben vor ihrer Anstellnng
durch eine Konknrsprüfnng notwendig answeisen müssen.* Bei
der anßerordentlichen Bedentnng der amtsärztlichen Gntachten
im Irrenwesen, sowohl in der Sphäre des Straf- nnd Zivilrechtes,
als anch des Polizeirechtes, nnd bei den hohen Anfordernngen, die
behnfs gedeihlicher Dnrchfühmng des öffentlichen Gtosnndheitswesens
an die Amtsärzte zn stellen sind, müssen für dieselben weitaus
größere Kenntnisse in der Hygiene nnd Irrenheilknnde ge¬
fordert werden, als sie »für einen praktischen Arzt erforderlich* sind.
Zn vermissen ist anch, daß in der Hygiene weder die Teilnahme
an einem praktischen Kurse noch die Ablegnng einer praktischen
Prüfung verlangt wird; die einschlägigen Untersnchnngsmethodmi
sollen nicht nnr gekannt sein, sondern anch vorgemacht werden
können. Bei der gerichtlichen Medizin erscheint als un¬
genügend, daß die Teilnahme an einem gerichtsärztlichen Kurse
nicht gefordert wird nnd eine eigene Prüfung in diesem Fache
überhaupt nicht stattflndet. Die Medizinalpolizei schließlich ist
in der Approbationsprüfnng gar nicht berücksichtigt; die Teilnahme
an einer Vorlesnng ist nicht obligatorisch, die Vorlesungen über
Medizinalpolizei nnd Gewerbehygiene werden ans Mangel an
Zeit nnd Interesse von den Studierenden ganz wenig besucht nnd
Lehrstühle für soziale Medizin sind bisher ein frommer Wunsch
geblieben.
Sie werden also, m. H., wohl anch die Ansicht teilen,
daß die Anstellnng im amtsärztlichen Dienste anch
Jetzt noch das Bestehen einer besonderen Prüfung
für den ärztlichen Staatsdienst erfordert.
Es ließe sich hier gleich die Frage anknüpfen, ob nicht für
das Physikatsezamen innerhalb Deutschland sich eine Art Frei¬
zügigkeit einführen ließe in der Weise, daß die einzelnen
Bundesstaaten die in anderen erworbenen Prüfnngszengnisse gegen¬
seitig als gültig anerkennen. Dies könnte vielleicht wünschens¬
wert erscheinen, nm in der Wahl des Ortes der Niederlassung
innerhalb Deutschland nicht so beschränkt zn sein; es hat
sieh der Mangel einer solchen Uebereinknnft unter den deutschen
38
Dr. B«ek«r.
Bandesstaaten auch fflr einzelne bayerische Aerzte fühlbar ge¬
macht, denen sich bald nach Ablei^ng des Physikatsezamens eine
gnte Stelle n&her oder weiter jenseits der Grenze bot and die
sp&ter ihre gate Position nicht anfgeben wollten, von dem baye¬
rischen Physikatsezsmen dort aber keinen Nutzen hatten. Dabei
ist jedoch sehr za bedenken, daß der Vorteil, den einzelne baye¬
rische Aerzte rielleicht einmal von der gegenseitigen Anerkennnng
der ärztlichen Staatsprüfung haben könnten, sich für die Mehrheit
sofort dadurch mehr als aasgleichen würde, daß dann auch Aerzte
mit einem anderwärts bestandenen Pbysikatsexamen eine Anstellang
im bayerischen Medizinaldienste anstreben könnten nnd damit die
ohnedies nicht günstigen Aussichten noch verschlechtern würden.
Zugunsten einer Freizügigkeit lii^ße sich aach anführen, daß
die praktische Anwendung der im Physikatsexamen nachgewiesenen
Kenntnisse in der Hygiene, der Psychiatrie and der gerichtlichen
Medizin fast in ganz Deutschland nahezu die gleiche ist. Es sind
überall so ziemlich die nämlichen Fragen, die in der Praxis an
den gerichtlichen Sachverständigen and den Gesundheitsbeamten
herantreten and wissenschaftlich von ihm za beantworten sind.
Verschieden in den einzelnen Bandesstaaten sind lediglich die
Aasführangsbestimmangen zu Reichsgesetzen, die Organisation des
Medizinalwesens and die landesgesetzlicben Vorschriften auf dem
Gebiete der Gesandheitspolizei. Es brauchten sich also bei Ein¬
führung der Freizügigkeit die einzelnen Bandesstaaten lediglich
vorzubehalten, daß eventaell in diesem Fache eine gesonderte
Prüfung nachträglich abznlegen sei.
In der Praxis dagegen würde die Freizügigkeit sicher große
Schwierigkeiten ergeben, schon wegen der Qualifikation der An¬
wärter aaf den Ärztlichen Staatsdienst. Selbst wenn jemand in
Bayern das Pbysikatsexamen bestanden, dann aber 12—15 Jahre
lang in einem anderen Bundesstaate ärztliche Tätigkeit aasgeübt
hat, könnte er doch nicht gut beanspruchen, daß er anbesehen
übernommen and mit seinen gleichalterigen Kollegen in einer Reihe
rangiert wird. Noch giößer sind natürlich die Schwierigkeiten,
wenn ein Arzt in Bayern weder die Staatsprüfung abgelegt, noch
seinen Bern! aasgeübt hat. Er ist nicht nur den Staatsbehörden
völlig anbekannt, er besitzt auch von vielem keine Kenntnis, die
für eine amtliche Anstellung unbedingt erforderlich ist. Die ärzt¬
liche Tätigkeit vor der Aastellung soll ja doch mit daza dienen,
einen Einblick in die überall verschiedenen Organisationen des
Medizinalwesens and ein Vertraatsein mit allen einschlägigen Ver¬
hältnissen za schaffen. Daß bei der amtlichen Anstellung die
Staatsangehörigkeit des betreffenden Bandesstaates erworben
werden muß, ist mehr eine formale Sache.
Bezüglich der gegenwärtigen Lage der Verhältnisse wurde
bereits oben bemerkt, daß einzelne kleinere Bandesstaaten zor An-
stellong als Amtsarzt ein besonderes Examen überhaupt nicht
fordern. Andere besitzen keine eigenen Prflfangsbehörden hierfür
and verlangen den Nachweis des Bestehens in einem anderen
Bandesstaate, so Cobnrg • Gotha, Waldeck-Pyrmont, Hamborg,
Der amtsärstUche Dienst in Bayern.
33
die Ablegung des preußischen Physikatsexamens. Elsaß*Lothringen
hat zwar 1885 besondere Vorschriften über die Abhaltung von
Kreisarztprttfungen eingefhhrt, es wird aber auch das Bestehen einer
staatsärztlichen Prüfung in einem anderen deutschen Bundesstaate
als gültig für die Anstellung anerkannt. Alle größeren Bundes¬
staaten haben jedoch eigene Prüfungsbehörden und besondere
Prüfungs-Vorschriften. Da diese im allgemeinen auf gleichen
Grundsätzen beruhen und mehr nur in Einzelheiten, so bezDg-
lieh der Teilnahme an gerichtlich-medizinischen und psychia¬
trischen Kursen, voneinander abweichen, ließe sich die für eine
Freizügigkeit notwendige Voraussetzung, daß dieses Examen in
allen Bundesstaaten nach einheitlichen Grundsätzen abgehalten
wird, ohne besondere Schwierigkeiten erfüllen.
Wie weit bisher bei einem Verzüge in einen anderen Bundes¬
staat auf dem Wege des Dispenses eine Erleichterung gewährt
wurde, darüber ist nichts bekannt,^) ebensowenig wie weit gegen¬
wärtig die bayerische Staatsregienmg in dieser Frage entgegen-
kommen würde. Bei der seinerzeitigen Beratung des verstärkten
Obermedizinalansschusses im Jahre 1875 erklärte der damalige
Staatsminister Herr v. Pfenfer, er könne die angeschnittene
Frage nicht prinzipiell beantworten, hier müsse vielmehr die Ent¬
scheidung von Fall zu Fall Vorbehalten werden; im allgemeinen
werde kein Grund dagegen bestehen, einen preußischen Arzt,
welcher dort die gleiche Vorbedingung erfüllt habe, nach Bayern
herüber zu nehmen.
Auf Analogien in anderen Sparten des Staatsdienstes Ifißt
sich nicht verweisen, da für alle diese in jedem Bundesstaate
eigene Staatsprüfungen abgehalten, die Landesprüfnngen nur beim
Eintritt in den Reichsdienst als gültig anerkannt, und — abge¬
sehen von den Universitätsprofessoren — die Beamten nicht
gegenseitig übernommen werden.
Ans diesen Gründen ist für heute von einem speziellen An¬
träge in dieser Richtung abgesehen; es mag der Zukunft
überlassen werden, ob einmal zwischen den deutschen Bundes¬
staaten Vereinbarungen über die Freizügigkeit oder wenigstens
über einheitliche Normen für das Physikatsexamen getroffen werden.
Es sollte nur das Für und Wider in dieser Frage berührt werden.
Vielleicht beschäftigt sich einmal der Deutsche Medizinalbeamten-
Verein damit, wenn er ein Bedürfnis dafür als vorliegend er¬
achten sollte.
Es ist von einzelnen Seiten angeregt worden, gesonderte
Prüfungen für Gerichtsärzte und Verwaltnngsärzte
einznführen. Dem konnte jedoch nicht beigepflichlet werden. Bei
der Ablegung des Physikatsexamens ist den meisten noch ganz
ungewiß, in welche Laufbahn sie später hiueinkommen und für
welche sie ein größeres Interesse besitzen. Die Trennung beider
Sparten des amtsärztlichen Dienstes läßt sich überhaupt nicht
1) In Mecklenburg* Strelitz kann auf Nachweis anderwärts bestandener
PhysikatsprUfung landesherrliche Dispensation erteilt werden.
3
84
Dr. Becker.
vollständig dnrchftthrei). Wie wir später sehen werden, wird
lediglich der ärztliche Dienst bei den Landgerichten selbständig
heransgelöst werden können. Die Bezirksärzte haben auch den
ärztlichen Dienst an den Amtsgerichten zu versehen nnd die be¬
zirksärztlichen Stellvertreter sind sowohl mit gerichtsärztüchen,
als auch verwaltnngsärztlichen Aufgaben betraut. Außerdem
haben sich auch die Landgerichts- und Bezirksärzte während des
Urlaubs gegenseitig zu vertreten. So wie die Juristen den gleichen
Staatskonknrs ablegen, ob sie nnn später in die Justiz oder in
die Verwaltung eintreten, so muß daher auch jeder Amtsarzt auf
dem ganzen Gebiete der Staatsarzneikunde bewandert sein.
Ob die Promotion bei der Zulassung zum Physikatsexamen
gefordert werden solle, darüber wurde in der Sitzung des er¬
weiterten Obermedizinalausschusses 1875 lange debattiert Die
gegenteiligen Ansichten blieben weit in der Minderheit and die
Vererbung bestimmte dann, daß nur „gehörig promovierte" Aerzte,
d. h. solche, die auch eine Dissertation verfaßt haben, sich melden
können. Ein Gleiches ist auch in den übrigen deutschen Bundes¬
staaten mit Ausnahme von Württemberg und Baden gefordert.
Wer mit den einschlägigen Verhältnissen näher vertraut ist,
weiß, daß die Zulassung zur ärztlichen Praxis allein von der
Approbation abhängt, der Doktortitel dazu gar nicht notwendig
ist und keine besondere Berechtigung verleiht. Das große Publikum
ist jedoch darüber nicht so orientiert und erblickt in ihm den
Beweis höherer wissenschaftlicher Ausbildung nnd Mehrkönnens;
es hat sich daran gewöhnt, nicht nur jeden Arzt als „Doktor*
anznreden, sondern auch diesen Titel bei ihm wirklich voranszn-
setzen; es fällt ihm auf, wenn er bei einem Arzte fehlt. Gesetz¬
liche Bestimmungen sollen nun gewiß nicht unzutreffende Auf-
fässungen des Publikums unterstützen, können sie aber doch auch
nicht unberücksichtigt lassen. Ein nicht promovierter Arzt läuft
Gefahr, bei der Bevölkerung, aber auch bei Behörden nicht als
vollwertig zu gelten; deshalb kann, solange die Aerzte selbst
mit verschwindenden Ausnahmen schon für die Privatpraxis die
Erwerbung dieses teueren Titels für nötig halten, auch für die
Amtsärzte im Interesse ihres Ansehens auf dieses Attribut nicht
gut verzichtet werden.
Bezüglich der Zeit der Zulassung bestimmen die baye¬
rischen Prttfungsvorschriften, daß diese frühestens zwei Jahre
nach der Approbation erfolgt. Ein gleicher Mindestzwischenranm
ist auch in den übrigen Bundesstaaten vorgeschrieben, für die mit
Note III Approbierten in Preußen sogar drei Jahre. Nach der
anderen Seite ist keine Grenze gezogen nnd zuweilen wird das
Physikatsexamen noch in späteren Jahren nacbgeholt, um bei einer
sich bietenden öffentlichen Stellung nicht von der Bewerbung aus¬
geschlossen zu sein. In der Kegel jedoch wird es gleich in den
ersten Jahren nach der Approbation abgelegt, weil die auf der
Universität erworbenen Kenntnisse noch fester sitzen, das schul-
mäßige Lernen, die vielen Vorlesungen nnd Kurse noch leichter
fallen nnd das Interesse noch nicht durch so viele andere Om-
Der amtsärztliche Dienst in Bayern.
36
stände abgezogen ist. Es hat anch der verstorbene Herr Geheimrat
Dr. y. Eerschensteiner festgestellt, daß die Gftte der Noten
nahezn gleichen Schritt hält mit der Bntfemnng des Kandidaten
von der Approbationsprflfang; je nähw derselben, desto besser das
Ergebnis.
Dieser zweijährige Zwischenranm gab schon bisher zn be¬
rechtigten Klagen Anlaß und wird dies in Zaknnfb noch mehr tnn.
Die Prflfangsordnnng fhr Aerzte vom 28. Mai 1901 hat das medi¬
zinische Stadium anf 10 Semester verlängert; mit dem Semester
für die Approbationsprttfnng nnd dem praktischen Jahre belänft
sich somit die Studienzeit fttr jeden auf mindestens 13 Semester
und, wer noch sein zweites Halbjahr als einjährig-freiwilliger
Arzt abzuleisten hat, braucht volle 7 Jahre. Die meisten sind
dann genötigt, nach den großen Ausgaben der Stadentenjahre sich
nun endlich Stellung und Einkommen zu erwerben und sehnen
sich auch sonst nach einer selbständigen Tätigkeit; sie können
sich nicht mehr so häufig wie in früheren Jahren den mäßig
dotierten, aber der weiteren Ausbildung forderlichen Assistenten¬
stellen zuwenden — das beweist der mancherorts empfundene
Assistentenmangel — und lassen sich zur Praxis nieder. Und
nun soll derjenige, der fftr eine spätere Staatsanstellang Interesse
hat und sich die Anwartschaft hierauf durch Ablegung des Physi-
katsezamens sichern wül, nach zwei Jahren wieder auf mehrere
Monate aus seiner Tätigkeit heransgerissen werden. Die erst
mflhsam erworbene und eben in der Entwicklung begriffene Praxis
muß einem Vertreter fiberlassen werden; einen geeigneten zn finden,
hält aber oft schwer, so daß diese Frage allein Sorgen nnd Ver¬
droß genug bringt. Mancher hat sich schon Hausstand und Fa¬
milie gegrbidet und verläßt schweren Herzens Hans und Hof.
Erkrankungsfälle in der eigenen Familie, besondere Vorkomm¬
nisse in der Praxis rufen manchen nach Hanse, bedingen eine
Unterbrechung des Studiums auf einige Zeit oder verhindern gar
die weitere Teilnahme an den Kursen und der Prfifong. Die
Praxis nnd das Einkommen erleiden jedenfalls auch im besten
Falle eine erhebliche Einbuße. Die Ausgaben eines außerhalb
Mfinchen wohnenden Arztes fflr das Physikatsexamen berechnen
sich auf mindestens 2500 bis 8000 Mark.
Da läßt sich doch die Frage aufwerfen, ob sich das Pbysi-
katsexamen nicht frfiher aoberanmen, am besten nnmittelbar an
das praktische Jahr anschließen läßt. Wer es aus irgendwelchem
Grunde später noch machen will, dem könnte das unbenommen
Meiben, aber die meisten derer, die sich diesem Examen noch
nnterziehen wollen, wfirden herzlich froh darum sein, wenn sie
ihren Stndiengang in einem Zuge vollständig abschließen könnten
und auch die letzte Prfifung hinter sich hätten, ehe sie sich eine
selbständige Stellung grfinden. Es würde ihnen das Examen
leichter fallen, nicht mit so vielen Sorgen, Aufregungen und Ans¬
lagen verbunden sein und wenn sie dann, mit sämtlichen Zeug¬
nissen aasgestattet, ihre eigene Tätigkeit beginnen, können sie
derselben auch ihr ganzes Interesse zuwenden und brauchen nicht
3*
36
Dr. B«eker.
za besorgen, bald wieder fdr längere Zeit heransgerissen zu
werden.
Vergeblich sucht man nach triftigen Gründen, aus welchen
die Bundesregierungen die Wartezeit eingeführt haben. Jedenfalls
taten sie es nicht, um die Leistungen des jungen Arztes zunächst
zu erproben und davon die Zulassung zur I^fung abhängig zu
machen. In Bayern werden die nicht pro physicatn geprüften
Aerzte nicht qualifiziert und die Regierung fragt überhaupt gar
nicht darnach, was der junge Arzt in diesen beiden Jahren ge¬
trieben hat, ob er an einer Klinik als Assistenzarzt tätig war,
Vertretungen annahm, als Schiffsarzt Weltreisen machte oder schon
eine eigene Praxis begründete. Zugelassen wird jeder, der sich
meldet. Preußen verlangt wenigstens noch einen eigenhändig
geschriebenen Lebenslauf, in welchem auch die Beschäftigung nach
Erlangung der Approbation darznlegen ist, und hat sich eine Ent¬
scheidung über die Zulassung Vorbehalten. Soll die Wartezeit
dazu dienen, durch Erschwerung der Prüfung eine Siebung unter
den zahlreichen Aerzten vorzunehmen, und alle, die besondere
Opfer an Zeit und Mühe nicht bringen wollen oder können, von
vornherein auszuschließen, so verfehlen sie ihren Zweck; denn auch
manche für den Staatsdienst vorzüglich geeignete Kraft wird auf
diese Weise bei Seite geschoben. Soll sie eine Vorsichtsma߬
regel dafür bilden, daß £e Anstellung als Amtsarzt nicht zu früh
erfolgt und ihr mehrere Jahre ärztlicher Tätigkeit vorausgegangen
sein sollen, so ist dies dadurch gegenstandslos geworden, daß die
Anstellungen durchschnittlich erst 13—15 Jahre nach dem Phyai-
katsezamen erfolgen. Ist endlich eine Wartefrist etwa deswegen
angesetzt, weil sonst die in den Vorbereitnngsknrsen erworbenen
Kenntnisse bis zur Anstellung wieder verschwitzt sind, so müßte
man das Physikatsezamen noch 10 Jahre später oder unmittelbar
vor der Anstellung anberaumen. Das wäre natürlich eine noch
viel größere Härte und Belastung als bis jetzt.
Die besonderen Kenntnisse in der Staatsarzneikunde sollen
überhaupt nicht erst bei der Anstellung als Bezirksarzt oder
Landgerichtsarzt verwertet werden können, sondern bereits bei
der Tätigkeit als praktischer Arzt, bei der so vielfache Berührungen
mit der gerichtlichen Medizin, dem öffentlichen Gesundheitswesen
und der sozialen Versicherungsgesetzgebung vorhanden sind. Je
besser ein Arzt in diesen Gebieten ansgebildet ist, um so mehr
wird er den vielseitigen Anforderungen entsprechen können und
es werden dann die Klagen über ein ungenügendes Verständnis
der Aerzte für diese Fragen allmählich mehr und mehr ver¬
schwinden. Von diesem Standpunkte aus hätte die Staatsregierung
sogar ein Interesse daran, wenn möglichst viele Aerzte das Physi-
katsezamen ablegen oder vielmehr sich die in demselben ge¬
forderten Kenntnisse aneignen.
Vermutlich wurde die zweijährige Wartezeit mit Rücksicht
auf das frühere Biennium practicum fratgesetzt. Sonst könnte
man als Grund für ihre Beibehaltung nur den gelten lassen, den
jungen Arzt zunächst einen Blick in das Leben werfen zu lassen.
Der «mteirztliche Dienst in Bayern.
37
ihn aus der Theorie der Studienzeit und der Klinik einmal in die
Praxis zu versetzen und ihn mit den Verhältnissen derselben ver¬
trant zu machen. Kehrt er dann nach 2 Jahren zum Physikats-
ezamen wieder, so hat er sich srewisse brauchbare Erfahrungen
gesammelt, bringt auch ein größeres Interesse und Verständnis
für die Gebiete der Staatsarzneiknnde mit, als wenn er frisch von
der Universität kommt und das Bedürfnis zu einer besonderen
Ausbildung in diesen Sparten noch nicht am eigenen Leibe ver¬
spürt hat. Dieser Zweck ließe sich aber viel besser und gründ¬
licher erreichen durch eine Abänderung der BestimmuDgen über
das praktische Jahr, indem dieses auch bei vielseitig beschäftigten,
praktischen und amtlichen Aerzten abgeleistet werden dürfte; dies
würde den Gesichtskreis des jungen Arztes viel mehr erweitern
und ihn für die spätere Selbständigkeit besser vorbereiten.
Es besteht daher kein berechtigter Anlaß mehr, die zwei¬
jährige Wartezeit auch künftig beizobehalten, und es dürfte in
jeder Beziehung der Wunsch gerechtfertigt erscheinen, daß die
Zulassung zur ärztlichen Staatsprüfung gleich nach
Abschluß des praktischen Jahres bezw. Erteilung der
ärztlichen Approbation gestattet werden möge.
Den ersten Abschnitt des Physikatsezamens bildet die
schriftliche Prüfung. Bei derselben sind zwei wissenschaft¬
liche Arbeiten zu liefern, die aus den 4 Prüfungsfilchem durch
Auslosung der alljährlich gestellten Aufgaben bestimmt werden.
Es wurde bisher bemängelt, daß die gegebenen Themata sehr
ungleichwertig sind, bald rascher bearbeitet werden können, bald
aber auch ein sehr zeitraubendes und eifriges Studium erfordern,
und deshalb vorgeschlagen, allen Prüfungskandidaten die gleichen
Aufgaben zu stellen. Es zeigte sich auch, daß schon die äußeren
Verhältnisse von sehr großem Einfluß für die verschiedene Güte
der Arbeiten sind. Wer in einer ünivei*sitätsstadt wohnt und
gute Bibliotheken zur Verfügung bat, der tut es mit der Zu¬
sammenstellung der Literatur viel leichter als ein Arzt draußen
auf dem Lande, der von einer Buchhandlung gerade das Not¬
dürftigste für seine Aufgaben erhält und die fehlenden Bücher und
Zeitschriften sich einzeln nachkommen lassen muß; sich auf mehrere
Wochen von der Praxis freimachen, um ungestört den literarischen
Studien nachgehen zu können, erfordert neue große Opfer, die
nicht jeder bringen kann. Weiterhin wurde unangenehm emp¬
funden, daß die schriftlichen Aufgaben gerade in den Winter¬
monaten zu erledigen sind, wo der Krankenstand am höchstmi
ist, die Witterungs- und Wegeverhältnisse am schlechtesten, so
daß der Arzt für seine Arbeiten nicht die rechte Muse findet und
oft erst ermüdet am Abend ein paar Stunden dafür herausschlagen
kann. Es ist deshalb gewünscht worden, den Termin für die
Znlassnngsgesnche und die Ausgabe der Prüfungsarbeiten schon zu
einer früheren Zeit des Jahres anznsetzen, so daß die ruhigere Zeit
des Sommers und Herbstes für die Ausarbeitung zur VerfÜpncmg steht.
Auch machte sich unliebsam bemerkbar, daß die Kandidaten erst
kurz vor der praktischen Prüfung davon Kenntnis erhielten, ob ihre
38
Dr. Beoker.
schriftlichen Arbeiten den Anforderongen genflgten. Wenn jemand
erst am Schlnsse der Vorbereitnngsk^e davon verständigt wird,
daß dieselben oder auch nur eine davon als nngenfigend befanden,
nnd er deshalb von den weiteren Prftfangsabschnitten znrflck-
gewiesen sei, so lag darin eine außerordentliche Härte; Zeit and Mflhe
sind umsonst anigewendet, nnd wegen der Wahrscheinlicbkeit des
^ekanntwerdens bleiben Verstimmungen nicht ans. In den beiden
letzten Jahren worden deshalb die J^ndidaten etwas frtther, aber
immer noch mitten in den Vorbereitnngskursen verständigt. Dem
Wunsche, allen Kandidaten die gleichen schriftlichen Prfifungs-
arbeiten zuzuweisen, stehen jedenfalls große Bedenken entgegen.
Sonst aber verdienen die eben genannten Punkte eine Berflck-
sichtigung nnd auch eine Abänderung in dem angeregten Sinne,
wenn ttberhaupt die schriftlichen Prfijfungsan^aben auch kttnftig
beibehalten werden sollen.
Hoch darf der Wert derselben gewiss nicht bemessen werden.
Nnr selten wird einmal der Fall Vorkommen, daß ein Kandidat
eigene Erfohmngen mit heranziehen oder selbständige Beobach*
tnngen anstellen kann; in der Regel wird es sich nnr um rein
literarische, kompilatorische Arbeiten handeln, nnd das einzige,
was man aus ihnen ersehen kann, ist das, ob jemand Fleiß anf-
gewendet hat, um die vielfach zerstreute Literatur dnrchzusnchen
und zu sammeln, und ob er die Fähigkeit besitzt, das gefundene
Material zn sichten nnd zu einer verständigen, abgerundetmi
Schrift zusammenznfassen. Sie kommen also nochmaligen Disser¬
tationen gleich. In der späteren Amtsprazis werden solche theo¬
retische Arbeiten niemals von dem Amtsärzte gefordert werden.
Auch der Gewinn, den der Kandidat fftr sich ans der Bearbeitong
der einzelnen Aufgaben zieht, ist nicht so hoch einznschätzen;
die darauf verwendete Zeit ließe sich viel besser zur Vorbereitung
in dem gesamten Fach benutzen. Für die Benrteilnng seiner
Gewandtheit in schrifdichen Arbeiten bietet sich bei der prakti¬
schen Prüfung und noch mehr bei den Vorbereitungsknrsen Gie-
legenheit. Es dürften daher die beiden schriftlichen
Prüfungsarbeiten künftig in Wegfall kommen.
Zwischen dem schriftlichen nnd praktischen Prüfungsabschnitt
schieben sich die Vorbereitungskurse in München ein. Die
Teilnahme an denselben war bisher nicht obligatorisch, doch ge¬
hörte es zu den seltenen Ausnahmen, daß jemand dieselben nicht
mitmachte nnd sich anderwärts oder zu Hanse auf die Prüfung
vorbereitete. Es herrschte die allgemeine üeberzengung, daß ihr
Besuch zum erfolgreichen Bestehen der Prüfung durchaus unent¬
behrlich sei und daß, wie dies schon vor Jahren Herr Geheimrat
Dr. V. Kerschensteiner ausführte, dieses Praktikum durch
häusliches Selbststudium oder -üben keinesfalls ersetzt werden
kann. Es wäre daher keine neue oder große Belastung, wenn
die Teilnahme an den Vorbereitnngskursen in Zukunft obligatorisch
und damit zn einem integrierenden Bestandteil des Examens
gemacht würde.
Es ist von vereinzelten Seiten der Vorschlag gemacht worden.
Der amtsirztliehe Dienet in Bayern.
39
diese Korse, die außer Bayern nur in Sachsen offiziell organisiert
sind, wegfallen zu lassen und es dem einzelnen anheim zu geben,
wie und wo er sich seine Kenntnisse holt; er habe solche ledig¬
lich bei der Prüfung nachzuweisen. Dem kann nicht zogestimmt
werden, ein solcher Vorschlag verkennt den inneren Wert eines
Examens. Dessen Hauptzweck ist ja nicht der, den Kandidaten
nach allen Bichtnngen hin, wie man sagt, auszuquetschen, etwaige
Lücken seines Wissens auszuforschen und ihn f&hlen zu lassen,
sondern der Schwerpunkt liegt darauf, daß er vorhm* zu einer
gehörigen Ansbildnng in den Prüfungsfächern Gelegenheit erhüt
und nimmt. An unserer Gymnasialbildong ist doch nicht die
Hauptsache das Bestehen der Absolutorialprüfung, sondern daß in
den 9 Jahren vorher die Geistesfähigkeiten geschult, Charakter
und Gemüt entwickelt werden und der Grund für eine gute all¬
gemeine Bildung gelegt wird. Bei dem Pbysikatsezamen handelt
es sich um eminent praktisch wichtige Fächer, in denen die Aus¬
bildung nicht durch ausschließlich theoretisches Studium, sondern
nur durch fortgesetzte Uebuug erworben werden kann und deren
Kenntnis in das Leben mit hinansgenommen und dort verwertet
werden soll. Die Staatsregiemng hat also ein großes Interesse
daran, daß eine wirklich gute, zweckentsprechende Ausbildung
der Prüfung vorhergeht; sie sollte desl^b darauf bedacht
sein, die Vorbereitnngskurse obligatorisch zu machen
und zweckentsprechend anszugestalten. Das ist viel
wichtiger als die bloße Abhaltung einer Prüfaog.
In der jetzigen Form sind die Kurse allerdings nicht voll¬
kommen entsprechend; sie sind, um eine praktische Durchbildung
in den einzelnen Fächern zu erzielen, vor allem zu kurz, denn sie
danem nur von Beginn des Semesters bezw. Anfsng Hai bis Mitte
Juli. Dazwischen fallen die Pfingstferien und die vielen Sommer¬
feiertage, so daß höchstens 2 Monate zur Verfügung stehen. In¬
folgedessen sind die Kandidaten außerordentlich, man kann sagen
übermäßig in Anspruch genommen; sie müssen, auch wenn sie sich
schon vorher durch eifriges Studium vorbereitet haben, einen
wsbren Feuereifer entfalten, um sich mit allem Wissen vollzu¬
pfropfen. Würde das Examen ganz an das Ende des Sommer¬
semesters hinausgeschoben, so wären damit nur 2 Wochen ge¬
wonnen. Da die Kurse nicht in die Universitätsferien verlegt
werden können, wäre es daher zweckmäßig, für dieselben lieber
das Wintersemester in Aussicht zu nehmen, so daß ihre Daner
auf 4 Monate sich erstrecken könnte. Damit wäre die Zeit ge¬
nügend bemessen; innerhalb derselben ließe sich, da ja in der
Hygiene, Psychiatrie und gerichtlichen Medizin bereits während
der Studienzeit theoretische Kenntnisse erworben wurden, die
praktische Ausbildung soweit vertiefen, wie dies für den Ein¬
tritt in die ärztliche Praxis und die Anwartschaft anf eine spätere
amtsärztliche Anstellung notwendig erscheint.
Um nicht mißverstanden zu werden, sei bemerkt, daß die
Vorbereitungsknrse nicht während des praktischen Jahres
stattflnden sollen, das ja für andere Zwecke freibleiben muß,
40
Dr. Beoker.
sondern erst nach demselben, in dem nächstfolgenden Winter¬
semester.
Praktische Kurse wurden bisher in der Hygiene und Bak¬
teriologie abgehalten; die Kandidaten praktizierten auch in der
psychiatrischen Klinik und machten einen gerichtsärztlichen
Sektionsknrs mit. Um mit der gerichtlichen Medizin zu
beginnen, so mttßte weit mehr Gelegenheit zu Sektionen geboten
werden; jeder Kandidat sollte doch mehrere, Yollständige Yor-
genommen haben. Dazu wäre die Errichtung eines gerichtlidi-
medizinischen Institutes, worauf später noch znrftckzakommen ist,
eine unbedingte Voraussetzung. Das Anfnehmen und Protokollieren
des Befundes, sowie die schriftliche Abfassung Yon Schlnßgntachten
und deren mttndlicher Vortrag müßten geübt wmrden. Die Yer-
schiedenartigen Methoden der Blntuntersuchung, der Nachweis Yon
Samenfäden n. dergl. sollten nicht nur Yorgetragen und demonstriert,
sondei'u auch Yon den Kandidaten selbst Yorgenommen werden.
Hieran hätte sich an zuschließen die praktische Unterweisung in der
Begutachtung Yon Verletzungen und sonstigen körperlichen Zu¬
ständen in bezug auf die einschlägigen Bestimmungen des Straf¬
gesetzbuches und mit besonderer Berücksichtigung der Versiche-
rnngsgesetzgebung, auch die Ausarbeitung aktenmäßiger Gutachten.
Bei gegebener Gelegenheit konnte sich auch die Teilnahme an
größeren gerichtsärztlich inteiessanten Gerichtsverhandlungen ein¬
igen lassen. In der psychiatrischen Klinik sollte der Kan¬
didat nicht nur hin und wieder als Praktikant aufgernfen werden, son¬
dern auch Gelegenheit bekommen, die zugeuriesenen Kranken Öfters
zu besuchen, um den weiteren Verlauf der psychischen Störung zu
beobachten, einen fortlaufenden Befundbericht aufzuzeichnen und
schließlich schriftliche Gutachten im Hinblick auf die einschlägige
Gesetzgebung über Zurechnungsfähigkeit, Entmündigung und Gto-
meingefährlichkeitauszuarbeiten. In den hygienischen Kursen
dürfte manches, was der Amtsarzt später nicht braucht, in Wegfall
kommen, so daß für diejenigen Untersuchnngsmethoden, die er in
seiner Stellung selbst Yomehmen oder doch eingehender kennen
muß, sowie für die Gewerbehygiene und die Besichtigung hygi¬
enischer Einrichtungen etwas mehr Zeit bleibt. Bei der Vorlesung
über Medizinalpolizei sollten die historische Entwicklung des
Medizinalwesens, die Ziele und Grnndzüge der Gesetzgebung mehr
herausgehoben werden; das prägt sich besser dem Gedächtnisse
ein und erweckt mehr Interesse und Verständnis als das bloße
Nachstenographieren des Yorgelesenen trockenen Stoffes. In den
Krankenhausapotheken ließen sich Anleitungen zur Vornahme der
ApothekenYisitationen geben; auch das wichtige und große Gebiet
der sozialen Medizin könnte etwas mehr zur Berücksichtigung
kommen. Für alle Prüfungsfächer möchte sich die Einrichtung
seminaristischer Kurse mit Fragen und Antworten empfehlen,
da sie mehr Anregung und einen gegenseitigen Gedankenaustausch
zwischen Lehrern und Schülern bringen.
Werden die Vorbereitungsknrse in der eben skizzierten Weise
ausgestaltet, dann wd jeder Teilnehmer einen guten Fond Yon
l
Der amte&rzUiche Dienst in Bayern.
41
praktischen Kenntnissen mit nach Hanse nehmen. Dann könnte
man fast sogar anf eine Prflfnng flberhanpt verzichten nnd es bei
der Qualifikation seitens der Kursleiter bewenden lassen. Wenn
dieselben einen Kandidaten 4 Monate lang bei seinen Arbeiten
beobachtet haben, so können sie gewiß ein Urteil darttber ab¬
geben, ob ihm die Befähigung zum Amtsärzte zuzuerkennen sei
^er nicht. Als förmlichen Antrag möchte das jedoch noch nicht
gebracht werden, weil dieser Gedanke vermutlich wenig Aussicht
anf Verwirklichung hat, die bevorstehende Prüfung sicher einen
Ansporn zur regen Teilnahme an den Kursen bildet und weil eine
Prüfung in Gegenwait des Begierungskommissars einen vergleich¬
baren Maßstab für die Beurteilung der Kenntnisse bei den ein¬
zelnen bildet, auch den etwaigen Einwurf einer Parteilichkeit der
Examinatoren ansschließt. Eine nähere Würdigung der Kennt¬
nisse nnd Fähigkeiten der einzelnen Kandidaten, ihrer Gewandt¬
heit in Erledigung der zngewiesenen Aufgaben sollte jedoch von
den Knrsleitem niedergelegt werden; sie könnte für die spätere
amtliche Qualifikation durch die damit betrauten Behörden eine
wertvolle Grundlage bilden.
Für den praktischen Prüfungsabschnitt wären
Abänderungsvorschläge nur in der Richtung zu machen, daß bei
genügendem Sektionsmateriale eine vollständige Leichenöfinnng
vorzunehmen sei, wie es anscheinend auch die Prüfungsordnung
beabsichtigte, und daß unter Erweiterung der sog. „Wundbeschau*'
die Untersuchung und Begutachtung sich nicht aut einen „Ver-
letzten* zu erstrecken hätte, sondern auch die bei Erlaß der
Prüfungsordnung noch unbekannte Unfiill- und Invalidenversicherung
hier einbezogen würde. Der anderwärts gemachte Vorschlag,
jedem Kandidaten die gleiche Aufgabe zuznweisen, läßt sieh aus
äußeren Gründen nicht durchführen.
Bei der mündlichen Prüfung wurde von mehreren
Seiten bemängelt, daß die Aufgaben ausgelost werden nnd es
daher vom Glück abhängt, ob jemand besser oder weniger gut
abschneidet. Es ist demzufolge der Vorschlag gemacht worden,
die mündliche Prüfung wegfallen zu lassen nnd allen Kandidaten
die gleiche, unter Klausur zu bearbeitende Aufgabe vorznlegen, wie
dies auch im juristischen Staatskonkurse der Fall sei. ln Preußen
haben die Kandidaten in Klausur innerhalb einer Frist von
3 Stunden eine praktische Aufgabe aus dem Gebiete der Medizinal¬
oder Sanitätspolizei schriftlich zu lösen. Auch in Oesterreich
findet der schriftliche Prüfungsakt, für welchen 12 Stunden
anberanmt sind, unter Klausur statt; es werden zwei Fragen aus
der Sanitätsgesetzkunde und gerichtlichen Medizin entnommen,
und es hat die eine derselben die Bearbeitung einei* wo möglich
der Wirklichkeit entnommenen Aufgabe aus dem Gebiete der
Staatsarzneikunde zu betreffen. Die Einwirkung des Zufalles
wird durch den vorgeschlagenen Modas gewiß nicht ausgeschlossen,
macht sich im Gegenteil noch mehr geltend. Wer gerade für
das gegebene Thema gut vorbereitet ist, erzielt eine bessere
Note nnd bei wem hier eine Lücke besteht, der ist schlechter
42
Dr. Becker.
daran als bei der bisherigen mündlichen Prüfung, weil er nicht
mehr die Möglichkeit hat, durch Ueberleiten ani benachbartes
Gebiet sein Wissen in diesem Fach darzntnn und so die Scharte
wieder ansznwetzen. Sollten für die Bearbeitung in ELlansnr rein
theoretische Aufgaben ans den Tier Prüfongsfächem gegeben und
die Benntznng jeglicher Hilfsmittel verboten werden, so müßten
sie ganz allgemein gehalten sein und für die einem praktischen Falle
angepaßte Ansarbeitang eines schriftlichen Gntachtens müßte eine
ansführliche aktenmäßige Darstellong gegeben werden. Schrift¬
liche Berichte über das üntersnchnngsergebnis mit gntachtlicher
Aenßemng sind nun schon im praktischen PrÜfongsabschnitte
unter Klansnr für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Hygiene
zu erledigen gewesen, es würde also für diese nur eine Wieder-
holnng in etwas geänderter Form vorzunehmen sein; übrig bliebe
eigentlich nur noch die Medizinalpolizei, und hier kann sich der
Examinator bei der mündlichen Prüfung rascher nnd gründlicher
ein richtiges Urteil über die Kenntnisse des Kandidaten nach
Umfang nnd Tiefe bilden.
Bemängelt wnrde auch, daß bei der mündlichen Prüfung
von einzelnen Examinatoren zn sehr in das Detail nnd über die
gezogene Frage hinaus gegangen werde, was nicht der Intention
der Prüfongordnnng entspreche. Hier ist ein Mißverständnis
nnterlanfen. Es heißt: „Für jedes dieser Fächer werden die
Fragen, welche, ohne zn sehr in Einzelheiten überzngehen, das
gesamte Gebiet der Fächer nrnfossen sollen, von den Examinators
entworfen, mit Nammem versehen nnd eine oder mehrere der¬
selben durch Losung seitens des Kandidaten znr Prüfong bestimmt.
Anßei'dem kann der Examinator anch an die Gegenstände der
schriftlichs Prüfung anknüpfen.“ Der Sinn ist doch wohl der,
daß die ansznlosenden Fragen nicht zn eng begrenzt sein nnd
für die Prüfung mehr Spielraum lassen solls, daß es dem
Ehcaminator aber nicht verwehrt sein soll, eingehend zn prüfen,
da nnd dort anznklopfen, um sich ein richtiges Urteil zn bilds,
auch noch anf eine andere Frage überzngehs, wenn er im
Zweifel ist, ob er eine höhere oder eine niedere Note erteils
soll. Bei sehr enggefaßten Fragen ist es nur für den Kandidaten,
der znfUlig hierin weniger beschlagen ist, ein Nachteil, wenn er
nicht durch den Examinator Gelegenheit bekommt, ein gntea
Wissen anf anderen Gebieten darzntnn. Daß die Prüfung nicht
etwa anf spezialistische Finessen hinansgeht nnd immer nnr das
im Auge hat, was ein Amtsarzt kennen nnd beherrschen muß,
daß diese Grenze weder nach oben noch nach unten überschrittoi
wird nnd die einzelnen Examinatoren in ihren Anfordernngen
nnd Zensoren möglichst gleichmäßig ver&hren, hierauf zn achten
dürfte wohl dem Medizinalreferenten des Staatsministerinma des
Innern als Prüfnngsvorstand obliegen.
Das Ergebnis der Prüfung wird dem Kandidaten vom
Staatsministerium des Innern eröffnet; es wird ihm ein Zeugnis
darüber ausgefertigt, daß er sich der nach den Bestimmangen
der Allerh. Verordnnng vom 6. Februar 1876 abgehaltenen Prflfoig
Der amtaärzüiche Dienst in Bayern.
43
für den ärztlichen Staatsdienst im Jahre.unterzogen nnd in
derselben die Hanptnote.(z. B. l^/io = 1) erhalten hat
Da das Wesentliche des Bestehens der Prftfong doch das ist, daß
dem Kandidaten die Befähigung zur Anstellang im ärztlichen
Staatsdienste znerkannt wird, möchte es wünschenswert erscheinen,
einen derartigen Passns in das Prüfongszengnis mit anfznnehmen.
In dem nrsprfinglichen Entwürfe der Leitsätze stand auch
der Antrag, es möchte in dem Prüfangszengnisse die erhaltene
Note nicht angegeben werden, wie auch in Sachsen nnd Baden
keine besonderen Zensoren erteilt werden. Hierfür war der
Gedanke maßgebend, daß die Note keinen so unmittelbaren Ein-
floß ani die Anstellung hat, die ja erst nach 1^/, Jabrzehnten
erfolgt, nnd daß es manchmal nuTerschnldete Gründe, wie eigene
Erkrankung während der Kurse, UnglücksfUle in der Familie
oder besondere Vorkommnisse in der Praxis sind, die auf die Vor¬
bereitung störend einwirkten und deshalb die Note weniger gut
ansiallen ließen, als zu erwaii;en war. Wenn non durch ein oder
ein paar Zehntel die Gesamtnote gleich nm eine ganze Stufe
herabgedrückt wurde, machte sich das sehr* unangenehm füÜbar
bei jeder Gelegenheit, wo das Zeugnis yorzulegen war, nnd auch
bei Anshändigung des Prüfungszeugnisses, die nicht immer mit
der nötigen Distvetion erfolgte. Dasselbe läuft vom Ministerinm
dnreh alle Instanzen nach unten, Kreisregierung, Bezirksamt nnd
Bürgermeisteramt, nicht selten bringt es der Gemeindediener dem
Arzte offen ins Hans, übergiebt es bei seiner Abwesenheit dem
Dienstboten nnd im ganzen Orte verbreitet es sich, welche Note
der Herr Doktor erhalten hat. Diese Unannehmlichkeiten lassen
sieh jedenfalls vermeiden, wenn das Ministerium das Zeugnis dem
Arzte direkt znleitet.
Hierbei war die Frage zn ventilieren, ob überhaupt Noten
erteilt werden sollen oder nnr ein Befähigungszengnis zur An-
stellnng als amtlicher Arzt ansgestellt werden solle. Die Noten
bilden nun zweifellos einen Ansporn zum häuslichen Studium und
znm fleißigen Besuche der Kurse nnd, wenn sie auch nicht ausschlie߬
lich von Fleiß und Verständnis, sondern zum Teile von Zufall oder
Nebenumständen abhängen mögen nnd für sich allein noch nicü
die volle Tüchtigkeit als Amtsarzt gewährleisten, da hierzu noch
gewisse Charaktereigenschaften gehören, so lassen sie doch ersehen,
welcher Leistung der Einzelne zur Zeit der Prüfung fähig war.
Die Noten des Physikatsexamens sind zwar nicht wie sonst die
der Staatskonkurse von so einschneidendem Einflüsse auf die erste
Anstellung und die ganze spätere Karriere, sie können aber als
Grundlage für die künftige Qualiflkation und die Auswahl unter
mehreren Bewerbern dienen nnd eine gerechte Würdigung der
Persönlichkeit erleichtern.
Wenn aus diesen Gründen die Erteilung von Zensuren wie
bisher zweckdienlich schien, so hätte es manche Bedenken gegen
sieh, ihre Kenntnis dem Kandidaten vorznenthalten und sie lüs
eine interne Angelegenheit der Staatsregierung zu behandeln; sie
könnten dann leidit den etwas odiosen Charakter von Geheim-
44
Dr. Beoker,
zenanren bekommen. Auch die spätere Qualifikation wird dem
^zte aut seinen Wunsch mitgeteilt, und da er ein begreüliches
Interesse daran hat, die erteilte Note zu kennen, dfirfte es
nicht zu umgehen sein, daß dieselbe im Zeugnisse angegeben
wird. Er ist sich dann darüber klar, wie seine Leistungsfähigkeit
▼on zuständiger Seite beurteilt wird, und kann, wenn er selbst
sich besser einschätzt, sich einer nochmaligen Prüfung im folgen¬
den Jahre unterwerfen.
Was das Nichtbestehen der Prüfung anlangt, so führte
Herr Prof. Dr. Specht in der vorjährigen mittelfränkischen
Aerztekammer aus, „es solle bei der Sonderai*t dieses Examens
ein formeller Durchfall ausgeschlossen sein. Jeder Examinand
bekomme die seinen Leistungen entsprechenden Noten, und seien
sie schlecht, so sei das praktische Resultat für ihn natflrlidi
dasselbe, wie wenn er nicht bestanden hätte; er werde nie
staatlich angestellt und könne das Zeugnis auch zu anderen
Zwecken nicht gut verwerten; allein das akute Odium des Durch¬
falles, das sein Ansehen und seine materielle Existenz schwer
schädigen könne, sei ihm erspart geblieben. Diese Rücksicht¬
nahme wäre man Leuten, die durch Ablegung aller früheren
Examina ihre VoUwertigkeit erwiesen und auch im praktischen
Leben bereits ihren Mann gestellt hätten, wirklich schuldig.“ Diesem
Oedanken ist eine gewisse Berechtigung nicht abznsprechen, er
läßt sich jedoch nicht weiter verfolgen, wenn das Prüfirngszeugnis
zugleich ein Befähigungszeugnis darstellen soll.
Dagegen möchten Abänderungsvorschläge in anderer Richtung
angebracht sein. Bislang gibt es einen Durchfall im ganzen in
jedem der 3 Prüfungsabschnitte und in jedem der 10 Prüfungs-
teile. Werden die beiden schriftlichen Arbeiten oder auch
nur eine derselben als ungenügend befunden, so erfolgt die Zurück¬
weisung des Kandidaten für die weiteren Prüfungsabschnitte;
das Nichtbestehen der praktischen Prüfung oder eines Teiles
derselben hat den Ausschluß von der mün«llichen Prüfung zur
Folge; wenn ein Kandidat in einem Fache der mündlichen
Prüfung die Note IV erhält, hat er, insofern sich nicht als
Oesamtergebnis die Note IV entziffert, die Prüfung aus jenem
Fache im nächsten Jahre zu wiederholen und die Oesamtnote IV
— d. i. 3Vio und darüber — hat Zurückweisung für die ganze
Prüfung zur Folge. Das letztere ist zweifellos berechtigt; wenn
die Oesamtleistnng in der Staatsarzneikunde unter mittelmäßig
zensiert werden muß, hat die ganze Prüfung als nicht bestanden
zu gelten. Dagegen möchte es als eine unbillige Härte erscheinen,
daß Ungenügen in einem einzelnen Teile der zwei ersten Ab¬
schnitte die Fortsetzung der Prüfung ansschließt. Man sollte
den Kandidaten doch wenigstens die ganze Prüfung durchmachen
lassen, damit man sich über sein gesamtes Wissen und Können
ein vollständigeres und zuverlässigeres Bild machen kann. Auch
die Note ungenügend in einem einzigen Teile der mündlichen
Prüfung sollte noch keinen Durchfall involvieren. Die Prüfung
sollte nur dann als nicht bestanden gelten, wenn entweder die
Oer amtsirztliche Dienst in Bayern. 45
Gesamtnote IV oder in einem der yier Prflfnngsfächer die Note IV
erteilt wird.
Die Wiederholung der Prfifnng sollte wie bisher ein¬
mal zngelassen sein, aber nur entweder f&r die gesamte Prflfang,
was entschieden das beste wäre, mindestens aber fttr einen ganzen
Prfifnngsabschnitt, oder, was vielleicht richtiger wäre, ittr eines
der 4 Prüfungsfächer. Nar einen Teil der mündlichen Prüfung
zn wiederholen, nm die Zehntelbrüche von 6 oder 7 gerade noch
anf 5 za bringen and damit die Note gleich am eine ganze State
za verbessern, eine solche Künstelei sollte nicht zagelassen werden.
Die Prüfungsgebühren, bisher 62 M., könnten künftig
erlassen werden, da die Examinatoren bei Wegfall der schritt
liehen Prüfungsarbeiten weniger belastet und durch die Ears-
honorare wohl genügend entschädigt sein dürften. Doch ist das
nicht so wichtig, am einen besonderen Antrag za veranlassen.
Ob die Vorbereitongsknrse und die Prüfung künftig nur
in München oder auch in Würzbnrg and Erlangen stattflnden
sollen, möchte, da dies die Prüfongsordnnng selbst nicht berührt,
heute nicht in die Erörterung einbezogen werden. Aach sonstige
Punkte von mehr untergeordneter Bedentang, wie die Bestimmang
der Prüfangsanfgaben, die Berechnung der Gesamtnote u. a.,
lassen sich übergehen.
Die wichtigsten nnter den Abänderungsvorschlägen sind, nm
das zum Schlüsse noch einmal hervorznheben, die Ausgestaltnng
der Vorbereitungsknrse and eine gute, nmfassende
praktische Ausbildung, dann der Wegfall der zwei¬
jährigen Wartezeit and der schriftlichen Prüfungs¬
arbeiten.
II. Qnallflkation der approbierten Aerzte.
Die maßgebenden Bestimmnngen Über die Qualifikation der
approbierten Aerzte sind enthalten in der Ministerialentschließung
vom 1. November 1880. Während zuvor sämtliche Aerzte einer
regelmäßigen Qualifikation unterstellt waren, erstreckte sie sich vom
Jfläre 1881 an nur auf solche Aerzte, welche eine Prüfung für den
ärztlichen Staatsdienst bestanden hatten, sohin entweder den sog.
Staatskonknrs nach den älteren Normen vom 80. Mai 1848 und
22. Juni 1858 oder die Prüfung fttr den ärztlichen Staatsdienst
gemäß der Verordnung vom 6. Februar 1876. In den anderen
deutschen Bundesstaaten findet eine regelmäßige Qualifikation der
pro physikatu geprüften Aerztenicht statt; es möchte jedoch nicht
vorgeschlagen werden, diese Einrichtung fttr Bayern wegfallen zu
lassen. Jeder, der eine staatliche Anstellung anstrebt, muß sich
auch einer Beurteilung seiner Persönlichkeit und seiner Leistungen
unterwerfen; dies soll die Auswahl der besseren nnd tüchtigeren
Kräfte nnter der großen Zahl von Bewerbern erleichtern. Im
anderen Falle würde für die Anstellung, auch wenn sie erst
nach vielen Jahren erfolgt, ausschließlich die Examensnote ma߬
gebend sein, die allein für sich noch keine volle Gewähr für
die Tätigkeit geben dürfte; oder es müßte erst anläßlich der
46
Dr. Becker.
Bewerbnng um eine öffentliche Anstellung die Qnalilikati<« festge¬
setzt werden, was jedoch das Verfahren bei Besetzung der Stellen
außerordentlich aufhalten würde. Eine alljährliche QualiflkaUon
erscheint daher zweckmäßiger.
Die erstmalige Qualifikation findet zwei Jahre nach dem
Bestehen des Physikatsexamens statt, wahrscheinlich deshalb,
weil zunächst einmal durch eine längere Tätigkeit den Behörden
Gelegenheit zur Beobachtung und Beurteilung gegeben werden
soll. Für die erstmalige Qualifikation bilden die Grundlage wohl
die Noten der Approbationsprfifnng, der Doktorpromotion und Yor
allem der Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst. Schon gele¬
gentlich der Vorbereitungsknrse war als zweckmäßig bezeiget
worden, daß die Kursleiter eine nähere Würdigung der Kenntnisse
und Fähigkeiten der einzelnen Kandidaten sowie ihrer Gewandt¬
heit in der Erledigung angewiesener Aufgaben niederlegen möchten.
Das könnte für die erstmalige Qualifikation einen brauchbaren
Masstab abgeben und würde diese auch erleichtern.
Die Qualifikation wird alljährlich wiederholt bis zur Vollen¬
dung des 60. Lebensjahres. Soweit die letzten Jahre sich zurüek-
rerfolgen lassen, ist eine Anstellung als Bezirks* oder Landge¬
richtsarzt über 50 Jahren nicht mehr erfolgt; es kann dies sona^
als oberste Altersgrenze gelten. Die weitere Qualifikation hat
daher keinen Zweck mehr; sie bildet eine unnötige Belastung dmr
damit befaßten Dienststellen und könnte von Vollendung des
60. Lebensjabres an wegfallen, da auch sonstige öffentliche An¬
stellungen in diesem Lebensalter gewiss zu den Ausnahmen ge¬
hören werden.
Vorgenommen wird die Qualifikation der Aerzte von dem
Vorstande der Distriktspolizeibehörde (Bezirksamt, Stadtmagistrat
einer unmittelbaren Stadt bezw. in München Polizeidirektion)
meinschaftlich mit dem Bezirksarzte; sie wird dann den &eis-
medizinalansschüssen zur Einsichtnahme, Prüfung und gutachtlichen
Aeusserung vorgelegt und von den Königl. Regierungen, Kammern
des Innern, endgiltig festgesetzt. Das Qualifikationsgeschäft ist ein
rein amtlicher Akt und kann daher nur von Behörden vorgenommen
werden; eine Mitwirkung der ärztlichen Standesvertretnng, irie
sie vor Jahren einmal von einer Aerztekammer gewünscht wrirde,
erscheint demnach ausgeschlossen. Wenn ja einmal gemntmasst
werden könnte, dass persönliche Beziehungen zum Vorstand der
Distriktspolizeibehörde oder dem Bezirksarzte die Qnalifikatimi
beeinfiußt hätten, zu letzterem besonders deshalb, weil er zumal
auf dem Lande in der Privatprazis ein Konkurrent der Aerzte ist
und das gegenseitige Verhältnis daher nicht immer ungetrübt
bleibt — so schliesst doch das Durchlaufen der verschiedenmi
Instanzen eine Parteilichkeit ans, da eine ansnahmsweis gute oder
schlechte Beurteilung oder eine Veränderung in derselben immmr
durch tatsächliche Vorkommnisse zu begründen ist. Uebrigens
steht den Qualifikanden frei, von ihrer Qualifikation Kenntnis ra
nehmen; sie können zwar die Qnalifikationstabellen selbst nicht
einsehen, aber die betreffenden Aufschlüsse entwedm* mündlich
Der amts&rztliche Dienst ln Bayern.
47
bei Anwesenheit in der Kreishanptstadt oder schriftlich im Ans-
znge sich erbitten. Sie haben daher die Möglichkeit, gegebenen-
fitUs, wenn sie sich mit Unrecht znrOckgesetzt ffihlen, anf eine
Berichtigung anzntragen.
Ffir das abzngebende Urteil sind 4 Noten ohne Zwischen¬
stufen anznwenden: I = Vorzfiglich, II = Sehr gnt, III = Gnt,
IV = Ungenügend. Bei der Qualifikation der Staatsbeamten im
Gieschftftsb’eise des Staatsministerinms des Innern, wozu die
Bezirks- und Landgerichtsärzte gehören, sind auch Zwischennoten
zulässig, wenn nach sorgfältiger Erwägräg der maßgebenden Ver¬
hältnisse Zweifel darüber bestehen, ob die höhere Note vollkommen
b^ündet ist, also I/II, Il/Ill, 111/IV. Es möchte dies auch für
die Qualifikation der approbierten Aerzte als zweckmäßig be¬
zeichnet werden. Den Ausgangspunkt bildet für diese die Note
ni = Gut; sie entspricht „den zufriedenstellenden Leistun¬
gen, wie sie von gebildeten und ehrenhaften Aerzten unter allen
Umständen erwartet werden können, welche aber kein besonderes
Interesse ffir die schwierigeren Aufgaben ihres Berufes an den
Tag legen“. Während einzelne Ereismedizinalansschüsse auch
schon in den ersten Jahren die Noten so festsetzen, wie sie es
nach Würdigung der ganzen Persönlichkeit für richtig halten und
nnr die Rubrik über Tüchtigkeit als Bezirks- oder Landgerichts¬
arzt noch offen lassen, erteilen andere zunächst immer die Note
III, eben den vorgeschriebenen Ausgangspunkt, und verbessern
diese in den folgenden Jahreu. Die Qualifikation ist aber von
Belang bei manchen öffentlichen Anstellungen, z. B. als bezirks¬
ärztlicher Stellvertreter oder Bahnarzt. Es könnte dann leicht
einmal zu Missverständnissen führen, wenn ein Arzt, der den
Dnrchschnittsanforderungen entspricht, nnr mit UI qualifiziert ist,
einer Note, die man sonst nnr immer als genügend ansieht. Ein
solches Missverständnis wird noch dadurch erleichtert, daß bei
den Staatsbeamten, wo dies früher ähnlich war, seit 1901 die
Note U gut, d. h. „eine ganz entsprechende Tüchtigkeit“ den
Ausgangspunkt bildet und die Note lU genügend „eine noch zn-
fSriedenstellende, jedoch das Durchschnittsmass nicht ganz er¬
reichende Dienstleistung“ bezeichnet. Es möchte sich daher
empfehlen, dass auch bei den Aerzten die Note U = gut den
Ausgangspunkt zu bilden hat.
Die 11 Rubriken der Qualifikationstabeilen enthalten Raum,
nm nach jeder Richtung hin die Persönlichkeit würdigen zu können.
So soll ein Urteil abgegeben werden über Fortbildung in wissen¬
schaftlicher und praktischer Beziehung, Anhänglichkeit an das
Regentenhans und die Staats Verfassung, Integrität im Bemfs-
nnd Privatleben, Benehmen im Verkehr mit Behörden (Dienstge-
ftlligkeit), Tätigkeit im ärztlichen Vereinsleben, Benehmen gegen
arme Kranke, Grad der allgemeinen Bildung, auch Gesun^eits-
znstand, ferner besondere Verdienste, öffentliche Anerkennungen,
Belobungen, Auszeichnungen und sonstige anerkennenswerte
Tatsachen; schließlich erfolgt noch eine Aeußemng Über die
Tüchtigkeit für die Stelle eines Bezirksarztes oder Landgerichts-
4«
Dr. Becker.
arztes. Aach eine Rubrik für Dieziplinarahndungen (Verweue,
Geld- oder Ordnangeetrafen) ist vorgesehen. Derartige Diszipli¬
narstrafen gibt es jedoch bei den praktischen Aerzten nicht, es
sei denn, daß sie eine öffentliche Stellnng bekleiden; in dieser
Rnbrik wären wohl etwaige gerichtliche Bestrafangen der Aerzte
einzatragen, welche den Bezirksärzten von den Amtsanwälten zur
Kenntnisnahme zn bringen sind, wenn die Tat bei Gelegenheit
der Ansflbnng des Berufes begangen wurde.
Die Unterlagen für die QaalSkation bilden die Wahrnehmun¬
gen der hiermit betrauten Dienststellen, Aber Art und Umfang
der ärztlichen Berufstätigkeit, über das ganze Verhalten im Öffent¬
lichen Leben sowie gelegentlich des amtlichen Verkehrs. Außer¬
dem können die Aerzte persönlich noch einen gewissen Einfluß auf
ihre QuaUfikation zur Geltung bringen durch Erstattung eines
Jahresberichtes, der zunächst dem Bezirksarzte eingereicht,
von diesem mit seinem Jahresberichte der Regierung vorgelegt und
auch von den Kreismedizinalausschflssen bei der Qualiflkation ganz
besonders zu berftcksichtigen ist. Während die anderen deuteten
Bundesstaaten von den pro physikatu geprüften Aerzten keinen
Jahresbericht fordern, legt die bayerische Staatsregierung einen
solch hohen Wert darauf, daß sie von jenen Aerzten, welche die
Erstattung von Jahresberichten unterlassen, annimmt, sie erheben
auf Anstellung im Staatsdienste keinen Anspruch, und daß sie
die neu sich niederlassenden Aerzte durch die Distriluverwaltangs-
behörden gegen aufzubewahreude Bescheinung ausdrücklich hierauf
aufmerksam machen läßt. (Min.-Entschließung vom 28. Juli 1897,
die ärztl. Jahresberichte betr., Ziffer 4). Nach dem Ministerial-
bescheid vom 27. Juli 1901 auf die Verhandlungen der Aerzte-
kammem liegt es im Interesse der Staatsanstellang anstrebenden
Aerzte, den zuständigen Ereisregierungen und Ereismedizinal-
ausschüssen auch durch Einsendung von Jahresberichten und
anderen wissenschaftlichen Arbeiten kfaterial für die alljährlich
stattflndende Qualifikation zu geben, da diese bei der Beurtei*
lang von Bewerbern um Amtsarztstellen von großer Bedeutung
ist. Mit Rücksicht hierauf kann deshalb auf die alljährliche Ein¬
sendung solcher schriftlicher Arbeiten um so weniger verzichtet
werden, weil sie auch schätzbares Material für den alljährlich er¬
scheinenden Generalbericht über die Sanitätsverwaltung im König¬
reiche Bayern bilden. Ein vollständigeres Material für die General¬
berichte zu bekommen, war wohl der ursprüngliche Zweck, wes¬
halb die Einsendung von Jahresberichten seitens der praktischen
Aerzte schon seit dem Jahre 1858 gefordert wurde. Die Ministerial¬
entschließung vom 30. April 1878, die Jahresberichte der An-
staitsärzte und praktischen Aerzte betr., vertraute zu den Aerzten,
die bisher schon in der Mehrzahl an der Bearbeitung von
Jahresberichten in anerkennender Weise sich beteiligt haben, daß
sie auch ferner zur Förderung des hier in Frage stehenden Unter¬
nehmens eifrig bemüht mitwirken werden; in etwas ähnlicher
Weise drückt sich auch die Ministerialentschliessung vom 28. Juli
1897 aus. Während diese jedoch nur von einer ,Mitwirkung“ der
Der emtelntliohe Dienet in Beyern.
49
Aerzte spricht and gar nicht weiter sich darüber aaslässt, was
denn eigentlich die Aerzte in ihren Jahresberichten berichten
sollen, bestimmte die frühere, dass das für die amtlichen Aerzte
▼orgeschriebene Schema, insoweit es für die BerafBaasübang der
praktischen Aerzte anwendbar erscheint, za Grande za legen sei.
Zanächst berühre zwar nor der Abschnitt n „Medizinische, Chiror-
gische and gebartshilfliche Heilkonde“ den Wirkongskreis der
praktischen Aerzte; nachdem diese aber rielfache Gelegenheit
hätten, anch über andere in dem Schema berührten Verhältnisse,
insbesondere über die onter Abschnitt IV „öffentliche Gesandheits-
pflege and Sanitätspolizei*, angeführten Materien Erfahrongen za
sammeln, so werde erwartet, sie ihre Beobachtangen mit den
etwa veranlassten gatachüichen Vorschlägen in ihren Jahresbe¬
richten niederlegen.
Ob die Jahresberichte der praktischen Aerzte in ihrer Mehrzahl
wirklich ein schätzbares Material für den G^eralsanitätsbericht
bilden, maß dahingestellt bleiben and mag berechtigtem Zweifel
onterliegen. Die meisten Kollegen zerbrechen sii^h za Anfang des
Jahres den Kopf, was sie denn der Begierong Interessantes be¬
richten sollen, and halten das, was sie am der Form za genügen,
verfassten, ganz gewiss nicht dafür. Ein bezirksärztlicher Stell-
vertreter kann nnn noch über die verschiedenen Richtongen seiner
Tätigkeit in seinem Amtsbezirke berichten; er hat anch einen be¬
sonderen Jahresbericht über die öffentlichen Impfangen za erstatten.
Wer als Sehalarzt, Leichenschaner oder Armenarzt angestellt
ist, kann anch über seine Wahrnehmangen hierbei berichten and
einige Bemerkangen daran knüpfen. Die Aerzte an Distrikts-
krankenhäasem oder die Besitzer von Privatheilanstalten können
den Jahrestabellen, die sie verlegen müssen, noch Mitteilangen
über einzelne besondere Vorkommnisse anfügen. Die meisten
Aerzte aber haben recht wenig Gelegenheit, aas ihrer Tätigkeit
für den Generalsanitätsbericht Wichtiges za berichten, besonders,
wenn sie keinen abgegrenzten Praxisbezirk haben. Eine statistische
Einteilung der behandelten Erankheitsformen nach Master der
amtlichen Tabellen hat, wenn nicht von allen Aerzten des Bezirks
einheitlich gefertigt, gar keinen Wert and ist verlorene Liebes¬
müh; Berichte über einzelne besondere Krankheitsfälle mögen
wissenschaftlich interessant sein, für den Generalsanitätsbericht
sind sie nur« ausnahmsweise von Bedeatnng. Es hat anch
schon der Ministerialbescheid vom 18. Juli 1896 anf die Ver¬
handlungen der oberpfälzischen Aerztekammer darauf aufmerksam
gemacht, daß die Mehrzahl der Berichte der praktischen Aerzte
im Texte za weitläufig sei, so dass ihre Verwertung für den
Generalsanitätsbericht nicht möglich wäre, und daß die Kasuistik
d^r interessanten Krankheitsfälle der medzinischen periodischen
Presse za überlassen wäre. Soweit die Jahresberichte der prak¬
tischen Aerzte eine Beihilfe für die Bearbeitung des Generalsani-
tätsberichtes sein sollen, dürfte es daher genügen, wenn sie ledig¬
lich von deojenigen Aerzten eingefordert werden, die sich in
öffentlicher Stellung befinden.
4
50
Dr. Becker.
Da bisher der strikten Forderung bezfiglich EmsMudm^ der
Jahresberichte entsprochen werden musste, um nidit bei der
Qoaliflkation einen Mangel an Fleiss oder Interesse für das öffent¬
liche Sanitätswesen annehmen zn lassen und um nicht die An¬
wartschaft aaf spätere Anstellung zn ym*lieren, baten die Aerzte-
kammem im Jahre 1902 um eine Erleichternng für die Jahres¬
berichte in der Bichtang, daß auch größere wissenschaftliche Ar¬
beiten anstatt der Jalvesbeiichte angenommen werden möchten.
Einzelne Kreisregiernngen hatten in Anbetracht der Verhältnisse
schon vorher diesen Usas gelten lassen, und schließlich erging
in dem Ministerialbescheid vom 27. Juli 1901 eine allgemeine
Bestimmung dahin, dass auch grössere wissenschaftliche Arbeiten
medizinischen Inhaltes, sowie, im Druck erschienene Vorträge
als den Jahresberichten gleichwertig erachtet werden. Für
diejenigen Aerzte, die mangels Materials ffir den Sanitätsbericht
hiervon Gebrauch machen, geht aber der ursprüngliche Cha¬
rakter der Jahresberichte gänzlich verloren; sie liefern reine
Qualifikations-Arbeiten. Solche werden nirgends im Deutschen
^che von den pro physikatn geprüften Aerzten gefordert,
warum also gerade in Bayern P In keiner Sparte der Staats¬
verwaltung haben die Anwärter und Beamten solche Arbeiten
zn liefern, ihre Qualifikation wird lediglich beurteilt nach ihren
Dienstleistungen; warum ist das gerade bei den Aerzten notwen¬
dig, die ihre Befähigung bereits in der Prüfung für den ärztlichen
Staatsdienst dargelegt haben? Weshalb wird in diesem eminent
praktischen Berufe ein so einseitiger Wert auf die schriftlichen
Arbeiten gelegt? Als Grund ließe sich vielleicht anführen, dass
die Bezirksärzte in ausgedehnten Landbezirken oder in größeren
Städten die einzelnen Aerzte vielleicht nicht alle näher kennen
lernten, daher auch ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht richtig
beurteilen könnten und noch ein weiteres Hilfsmittel für die
Qualifikation brauchten; desgleichen hätten die Mitglieder der
&eismedizinalan88chfi88e wenig oder selten Gelegenheit zn persön¬
lichen Beobachtungen über die Qualifikanden. Was läßt sieh aber
aus solchen schriftlichen Arbeiten überhaupt ersehen ? Fleiß, Be¬
lesenheit in der Literatur, Gewandtheit im schriftlichen Ausdniek,
im besten Falle eine Fortbildung in wissenschaftlicher Beziehung 1
Wenn jemand einen interessanten Krankheitsfall ausführlich und
kritisch beschreibt oder einen Separatabdmck überfeine spez^i-
stische Abhandlung vorlegt, das beweist, auch wenn die Arbeiten
gut sind, aber noch wenig für seine Tüchtigkeit als künftiger
Amtsarzt. Es sollte deshalb eine solche Qualifikationsarbeit wenig¬
stens aus einem Gebiete der Staatsarzneiknnde entnommen sein,
also ans der gerichtlichen Medizin, der öffentlichen Gesundheits¬
pflege, der forensen Psychiatrie oder dem Irrenwesen, der Medi-
ziniügesetzgebung oder der Medizinalstatistik.
Es gibt aber auch andere nnd weit bessere Mittel ffir
die Beurteilung der Qualifikation. Der Bezirksarzt kann fort¬
während Beobachtungen über die Tätigkeit eines Arztes, über
sein berufliches und ausserberutliches Verhalten anstellen: Ln
Der amte&raUiehe Dienet in Bayern.
51
Laufe des Jahres gehen z. B. viele Zeugnisse, Berichte nnd
Gutachten durch seine Hand; er nimmt vahr, wie sich die ein¬
zelnen an der Durchführung der hygienischen Massnahmen nnd
an den Bestrebungen der sozialen Fürsorge beteiligen; er kommt
im ärztlichen Vereinsleben nnd bei den ^eisyersammlnngen des
Medizinalbeamtenvereins mit den Qnalifikanden in nähere Fühlung
nnd kann sie zu einer aktiven Teilnahme durch Beferate, Berichte
nnd Demonstrationen animieren. Dies alles bildet doch einen viel
besseren und verlässigeren Masstab für die Qualifikation als eine
im Anfang des Jahres vorgelegte schriftliche Arbeit. Es würde
daher dem Staatsinteresse nicht wiedersprechen, wenn auch diese
Art von Jahresberichten teilen gelassen wird. Sollte die Staatg-
regiemng gleichwohl der Einsendung derartiger Qualifikations-
arbeiten solchen Wert beimessen, daß sie dieselben nicht ent¬
behren zu können glaubt, so dürfte es vielleicht genügen, wenn
diese nur in mehrjUirigen Zwischenräumen, etwa alle drei Jahre,
vorgelegt werden; es wäre dann gar nicht unzweckmäßig, dafür
bestimmte Direktiven zu geben. Würde z. B. von einer Ereis-
regiemng für ihren Bezirk oder vom Ministerium für das ganze
Land die Weisung erteilt, es sollten die Bezirksärzte in dem
nächsten Jahresberichte ein bestimmtes Kapitel des öffentlichen
Sanitätswesens, z. B. Kurpfuscherei, Bader und Hebammen,
Geheimmittel, Wohnungs- oder Gewerbebygiene n. s. f. einge¬
hender bearbeiten nnd gutachtliche Vorschläge damit verknüpfen,
so könnten sich hieran auch die zu qualifizierenden Aerzte betei¬
ligen. Solche Arbeiten könnten dann von wirklich schätzbarem
Werte sein einerseits für ihre Qualifikation, anderseits auch für
die Medizinalverwaltung; sie Hessen sich in einem Sammelreferate
für den Generalsanitätsbericht verarbeiten, würden einen genauen
Einblick in die bestehenden Verhältnisse ermöglichen nnd könnten
auch zu deren Verbesserung Anlaß und Ausgangspunkt geben.
Der Antrag geht also dahin, die Erstattung von Jalifesbe-
richten möge erlassen bezw. auf öffentlich angestellte Aerzte be¬
schränkt werden. Wenn solche Berichte behufs der Qualifikation
beibehalten werden sollten, möge bestimmt werden, dass in mehr¬
jährigen Zwischenräumen vorzulegende wissenschaftliche Arbeiten
nnd zwar ans dem Gebiete der Staatsarzneikunde als den Jahres¬
berichten gleichwertig erachtet werden.
III. Beschäftigung der staatsärztllch geprüften Aerzte nnd
amtsärztliche Fortbildungskurse.
Beide Fragen sind für die Staatsregierung von außerordent¬
lichem Interesse um die Ausbildung und Leistungsfähigkeit der
Medizinalbeamten auf eine möglichst hohe Stufe zu bringen.
Nach Ablegung der Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst
dauert es durchschnittlich etwa IVt Jahrzehnte, bis die Anstellung
als Bezirksarzt oder Landgerichtsarzt erfolgt. In der Zwischen¬
zeit widmen sich weitaus die meisten der allgemeinen ärztlichen
Praxis, nur einige wenige können noch an Universitätskliniken oder
größeren Krankenanstalten tätig sein. Um das Interesse an der
4*
52
Dr. Becker.
Staatsarzneiknnde wachzuhalten und eine Art praktische Vorbildung
fdr die spätere Anstellang zu ermöglichen, ist Torgeschlagen, daß
bei der Besetzung öffentlicher staatlicher oder städtischer Stellen
die pro physicatu geprüften Aerzten ein gewisses Vorrecht insofern
erhalten, als sie dabei in erster Linie berücksichtigt werden.
Dies sollte nicht etwa eine Art Entschädi(ping für die großen
Mühen und Auslagen bei dem Ebcamen sein, auch nicht eine
Anerkennung der dort an den Tag gelegten Befähigung, sondern
das Interesse der Staatsverwaltung erfordert es geradezu, diese
Posten, auch wenn der öffentliche Wirkungskrds kein so um*
lassender ist, nur mit Männern zu besetzen, die sich noch be*
sondere Kenntnisse auf dem Gebiete des öffentlichen Medizinal¬
wesens angeeignet haben und Gelegenheit bekommen sollen, sidi
j^^tisch weiter iortzubilden und für ihren späteren amtsärztlichen
Beruf vorzubereiten. So mögen zunächst die Assistenten-Stellen
der Bezirks- und Landgerichtsärzte, deren Besetzung teils den
Kreisregiemngen, teils dem Ministerium zusteht, solchen Aerzten
Vorbehalten sein, welche die Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst
bestanden haben. Bisher bildete dies nicht allgemein eine Vor¬
bedingung, es war nur bei einzelnen Stellen gefordert; gleichw<dil
hatten die meisten die Prüfung abgelegt. Dies war auch bei
den bezirksärztlichen Stellvertretern, welche durch die Kreis¬
regierung im Benehmen mit dem Oberstaatsanwälte angestdlt
werden, die Regel. Daß an solche Stellen nicht geprüfte Aerzte
kamen, bildete schon bisher die Ausnahme und war wohl durch
den Mangel anderer Bewerber bedingt, zuweilen wurde die Nach¬
holung der Staatsprüfung als Bedingung bei der Anstellung anf-
erlegt. Es könnte diese Stellungen nur im Ansehen heben, wenn
sie durchgehende mit staatsärztlich geprüften Aerzten besetzt
würden. Werden sie entsprechend gestaltet und honoriert, so
werden sich auch bei kleineren Bezirken leichter tüchtige Be¬
werber finden, so daß ein Dispens in besonders gelagerten Fällen
immer seltener wird. Die Aufstellung der Leichenschauer erfolgt
durch die Distriktspolizeibehörde im Benehmen mit dem Bezirks¬
arzte; hier steht aLso den Staatsbehörden auch noch ein unmittel¬
barer Einfiuß zu. Die Bahnärzte werden durch die Eisenbahn¬
direktionen nach gutachtlicher Anhörung der zuständigen Kreis-
Regierung angestellt; da ihnen innerhalb ihrer Tätigkeit die
Eigenschaft öffentlicher Medizinalbeamter zukommt, dürften auch
hier die pro physicatu geprüften Aerzte vorzugsweise zu berück¬
sichtigen sein, außer bei kleineren Stellen oder da, wo bei Aus¬
dehnung des Bahnnetzes eine Rücksichtnahme auf den orts¬
ansässigen Arzt angebracht ist. Bei den übrigen öffentlichen
Stellen, z. B. bei den Stadt- und Polizeiärzten in unmittelbaren
Städten, bei den Schul-, Armen- und Krankenhausärzten, steht
der Staatsregiemng zwar kein Besetznngsrecht und auch ein
Bestätigungsrecht nur teilweise zu, doch wird eine diesbezügliche
EntschÜeßung derselben in dem angeregten Sinne sicher bei den
dafür maßgebenden Körperschaften um so mehr Beachtung finden,
als es auch in deren eigenem Interesse liegt, an die Aerzte
1
Der amtsftratliebe Dienst in Bnyein.
53
in solchen öffentlichen Stellungen höhere Anforderungen zn stellen,
insbesondere eine Kenntnis des Medizinalwesens zu verlangen.
Die staatsftrztlich geprüften Aerzte mögen auch, soweit nicht
bei den größeren Landgerichten eigene Assistenzärzte damit be-
tränt sind, vorzugsweise als zweite Aerzte bei den gerichtlichen
Leichenöfiiiungen zugezogen werden, damit sie sich auch hierbei
Uebung und Erfahrung aneignen können. Es ist dies bereits in
der Ministerialentschließung vom 20. Januar 1904, die Vornahme
der gerichtlichen Leichenschan und Leichenöffnung betreffend, be¬
stimmt, daß zur Leichenschau und als zweiter Arzt bei den Leichen¬
öffnungen tunlichst nur ein Privatarzt zuznziehen ist, der ^e
Prüfung für den medizinischen Staatsdienst bestanden hat. Nur
der Vollständigkeit halber ist hier im Zusammenhänge dies bei
den Leitsätzen eingefügt. Auf die Frage der zweiten Gerichts¬
ärzte wird später bei den Landgerichtsärzten noch einmal znrückzn-
kommen sein. Die pro physicatu geprüften Aerzte mögen auch
als Stellvertreter beurlaubter oder erkrankter Landgerichts- und
Bezirksärzte, sowie als Verwesmr erledigter amtsärztlicher Stellen
verwendet werden, soweit nicht eine gegenseitige Stellvertretung
der Amtsärzte stattfindet.
Fortbildungskurse für staatsärztlich geprüfte Aerzte und
Amtsärzte fänden bisher nur in Form der 14 tägigen bakteriolo^-
sdien Kurse statt, welche seit dem Jahre 1894 abwechselnd in
den hygienischen Instituten der drei Universitäten abgehalten
werden. Zur Erleichterung der Teilnahme wird den Amtsärzten
und geprüften Aerzten, welche in Bayern ihren Beruf ausüben,
aber nicht in einer Universitätsstadt wohnen, ein Aversalbetrag
von je 250 Mark (früher 200 Mark) gewährt. Eine Erweiterung
dieser Kurse möchte im Interesse der Medizinalbeamten und der
Staatsregiernng als dringend notwendig bezeichnet werden. Im
Laufe der viden Jahre kommt manches, was beim Physikats-
ezamen noch fest saß, ans dem Gedächtnisse und ans der
Uebung. Eine Auffrischung der Kenntnisse, eine Belehrung
über die Fortschritte der Wissenschaft und Praxis, sowie ein Ein¬
üben der wichtigeren neuen Untersuchungsmethoden wären sowohl
für den vor der Anstellung stehenden Arzt wie für den Amtsarzt
von außerordentlich großem Werte und würden von ihnen sehr
begrüßt werden. Die bisherigen bakteriologischen Kurse ließen
sich leicht zu allgemein hygienischen Kursen ausgestalten, wenn
ihre Danmr wenigstens um eine Woche verlängert wird; es bliebe
dann auch noch etwas Zeit, um Vorträge über Medizinalverwal-
tnng und soziale Hygiene einznfiechten. Bei dreiwöchiger Dauer
der Kurse wird sich, da die Teilnehmer ja keine Neulinge sind und
die Teilnehmerzahl eine beschränkte ist, eine Bereicherung und
Vertiefung des Wissens und Könnens erzielen lassen, die für eine
wirksame Durchführung der öffentlichen Gesundheitspfiege in
modernem Sinne sicher von gutem Erfolge sein wird. Besonders
wichtig erscheint dies für die Seuchenbekämpfung. Speziell über
die Desinfektionsmaßregeln äußerte sich Herr Prof. Dr. Grub er
bei seinem vorjährigen Beferate im verstärkten Obermedizinal-
54
Dr. Becker.
aoBBchaBse dahin: «Wenn das Desinfektionswesen Ton vornherein
in ein richtiges Geleise gebracht werden soll, wird es notwendig
sein, die Amtsärzte zu Konferenzen an einem hygienischen Ih-
stitate einzabemfen; nur anf diesem Wege wird sich die unbedingt
erforderliche Einheitlichkeit im Vorgehen erreichen lassen, nur
anf diese Weise werden die Amtsärzte imstande sein, die Des*
infektoren nachznpräfen nnd bei ihrer Tätigkeit zu kontrollieren,
ohne in schädliche Widerspräche mit deren erstem Lehrer zu ge¬
raten. Diese Konferenzen brächten anch den Vorteil, daß alle
Amtsärzte die grandlegenden Experimente über die Wirkung der
Desinfektionsverfahren nnd Desinfektionsmittel sehen konnten, daß
sie sich selbst in der Prttfang von Dampfdesinfektions* und Fonnal-
dehyd-Apparaten üben and einen kritischen üeberblick über die
zahlreichen Arten von beständig nen aoftanchenden Dampf- and
FormaJdehydapparaten, Transportwagen osw. gewinnen könnten;
Kenntnisse, die sich der exponierte Amtsarzt anf anderem Wege
kaum mit hinreichender Verläßlichkeit za verschaffen vermag.*
Da diese Kurse in der vorgeschlagenen Aosgestaltong nur
den bezirksärztlichen Dienst berühren, so wären daneben noch
eigene Fortbildangskarse für die Landgerichtsärzte und die hier¬
für sich interessierenden Staatsdieustaspiranten gleichfalls in der
Dauer von drei Wochen über gerichtliche Medizin nnd forense
Psychiatrie einzarichten, wobei bloß diese Gebiete zor Berück*
sichtigong kämen. Gelegentlich der ErOrterong über die ärztliche
Staatsprüfung wurde zwar als notwendig betont, daß die Vor-
bereitungskurse und die Prüfung sich auf das Gesamtgebiet der
Staatsarzneikunde zu erstrecken hätten; bei den späteren Fort-
Mldungskursen aber muß eine Teilung der beiden Sparten als
zweckmäßiger bezeichnet werden, wenn innerhalb drei Wochen —
auf länger kann man sich nur schwer freimachen — etwas Er¬
sprießliches erreicht werden will. E!s hätte ja gewiß für manchen
Bezirks- oder Landgerichtsarzt ein großes Interesse, auch auf
dem anderen Gebiete sich mit den neuesten Errungenschaften
vertraut zu machen, zumal dann, wenn er sich mit der Absicht
eines Uebertritts trägt. Deshalb brauchte es nicht ausgeschlossen
sein, daß er im Laufe der Jahre an beiden Kursen teilnimmt;
auch sollte zulässig sein, daß jemand den gleichen Kurs nach
längerem Zwischenräume nochmals besucht. Die gerichtsärztlichen
Fortbildungskurse werden sich natürlich erst dann zweckmäßig
gestalten lassen, wenn einmal die gerichtlich-medizinischen In¬
stitute errichtet sind.
Gegen solche Fortbildangskarse wurde bei Besprechung des
Antrages Rauh in der Abgeordnetenkammer geltend gemacht,
daß damit die höchst notwendige Zeit zur Erholung verloren gehe,
daß die Teilnehmer anstatt gekräftigt und gestärkt, müde nach
Hause zurückkehren, und vielfach £e Fälle hochgradiger Neu¬
rasthenie und vorzeitiger Pensionierung daraus resultieren. Diese
Befürchtungen sind wohl dann nicht mehr zutreffend, wenn die
Teilnahme an den Fortbildungskursen nicht in die Urlanbszeit
eingerechnet und diese dadurch keinesfalls verkürzt wird.
Der amtsirztliohe Dieut in Bayern.
55
Da die Veranstaltans' amtsftrztlicher Fortbildiing:8kur8e min-
de8teii8 eben 80 8ehr im Intere88e der Medizinalvervraltung ale in
dem der Amtsärzte liegt, dürfte es gerechtfertigt erscheinen, daß
die Staatsregierang durch Gewährung yon BeOiilfen den Besuch
derselben erleichtert; ein Teil der Kosten fällt dann noch immer
den Teilnehmern selbst zur Last. Auf anderen Gebieten hat die
bayerische Staatsregierang bereits die Initiative ergriffen: Für
die vierwöchigen Heisterkurse, die am Gewerbemuseum
in Nürnberg für Schreiner, Schuhmacher, Maler und Lackierer,
Bleehschmiede und Installateure abgehalten werden, damit sie sich
mit den Neuerungen und Verbesserungen ihres Gewerbes vertraut
machen, können Befreiungen von den ünterrichtsgebühren, sowie
Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln bewilligt werden. Zur
weiteren Förderung der Ausbildung der Justizbeamten und
der Bewerber um Anstellungen im höheren Justizstaatsdienste ist
im Etat eine neue Position von 6000 Mark eingesetzt, dazu be¬
stimmt, minderbemittelten Justizbeamten und Bechtspraktikanten
die Beteiligung an staatswissenschaftlichen und wirtschaftlichen
Fortbildungskursen durch entsprechende Beihilfen zu ermöglichen.
Der gleiche Betrag ist im Finanzetat neu eingesetzt zur Förde¬
rung der weiteren Ausbildung der Beamten und Aspiranten des
höheren Finanzverwaltungsdienstes, um diesen die Teil¬
nahme an den bei den Ereisregierungen einzurichtenden Fort¬
bildungskursen, sowie an sonstigen staatswissenschaftlichen und
wirtschaftlichen Fortbildungskursen usw. zu ermöglichen. Für
die bayerischen Amtstierärzte werden Informationskurse in
München abgehalten, wobei die außerhalb München Wohnenden
für die Zeit des Eursbesuches ein Tagegeld von 10 Mark nebst
angemessener Beisekostenentschädigung erhalten. Die aktiven
Militärärzte werden vor der Beförderung zum Stabsarzte auf
drei Monate und die des Beurlaubtenstandes auf drei Wochen zu
dem sogen. Operationskurse einberufen, der sich übrigens auf alle
Gebiete des Militärmedizinalwesens erstreckt.
Auf dem Gebiete des Zivilmedizinalwesens sind andere Staaten
schon mit gutem Beispiele vorangegangen. Oesterreich hat
schon im Jahre 1907 Instruktionskurse für Amtsärzte an den
Wiener medizinischen Instituten in der Dauer von 6 Wochen ein¬
gerichtet; die Amtsärzte werden für die Dauer der Kurse beur-
laubt, durch benachbarte Kollegen oder event. zuzuweisende Sani¬
tätsorgane vertreten, und erhalten außer den Beisekosten einen
Subsittenzbeitrag von 10 Kronen täglich. Preußen hat bereits
Mher und seit dem Erlaß des Kreisarztgesetzes regelmäßig im
Elxtraordinarium 29800 Mark zur Abhaltung von Fortbildungs¬
kursen für 50 Medizinalbeamte und von Informationskursen für
12 Begiemngs- und Medizinalräte aasgeworfen, ferner unter den
ordentlichen Ausgaben 3000 Mark f^ Beihilfen zum Studium
medizinaltechnischer Einichtungen und Vorgänge; im letzten Jahre
sind außerdem noch zwei 6 tägige Fortbildungskurse in der
Psychiatrie und gerichtlichen Medizin fär je etwa 10 Medizinal¬
beamte abgehalten. Es dürfte deshalb wünschenswert erscheinen,
56
Dt. Becker.
daß aach die bayerische Staatsre^erong die Organisation der amts*
ärztlichen Fortbildnngsknrse weiter aasgestaltet und fördert
Von der Gewährang der Beihilfen sollten die in den Uni>
versitätsstädten wohnenden Aerzte nicht g^ ansgescblossen sein,
da sie während der Fortbildangskarse ihre Privatprazis nicht
besorgen können and einem Vertreter übergeben müssen.
Anßerdem mögen staatliche Beihilfen gewährt werden zom
besonderen Stadiam in gerichtlich-medizinischen, hygienischen and
p^chiatrischen Insütaten, aach zor Teilnahme an sonstigen für
die Amtsärzte wichtigen Fortbildangskorsen — z. B. an den wissen¬
schaftlichen Korsen zam Stadiam des Alkoholismos in Berlhi,
dem internationalen Korse der gerichtlichen Psychologie and
Psychiatrie in Gießen, den gerichtsärztlichen Fortbildangskorsen
an aaßerbayerischen Universitäten asw. —, sowie zom Stadiam
hygienisdher Einrichtongen. Wenn die Position im Etat des Ifi-
nisteriams des Innern von 9000 Mark für medizinische Beise-
stipendien erhöht würde, so ließen sich die soeben vorgetragmien
Anträge der Verwirklichang entgegenführen.
Ißt Rücksicht anf £e große Bedeatong des diesjährigen
internationalen Kongresses für Hygiene and Demographie za Berlin,
anf welchem eine Reihe wichtiger, insbesondere aach für die
praktische Medizinalverwaltong im Vordergrande des Interesses
stehender Fragen zur Erörterang kam and die damit verbondene
AnssteUong einen üeberblick über den gegenwärtigen Stand der
Wissenschaftszweige der Hygiene gewährte, ersdüen z. B. dem
preußischen Medizinalminister eine möglichst rege Teilnahme auch
aas den Kreisen der Medizinalbeamten wünschenswert; er ermäch¬
tigte daher die Regierangspräsidenten, die Regierangs- and Medi¬
zinalräte zn dem Kongresse za entsenden and ihnen für die
Reise Tagegelder and Reisekosten zahlen za lassen.
Noch ein Punkt verdient hier Erwähnung: In Preußen
erhalten die Medizinalbeamten znm Zwecke der Teilnahme an
einer Medizinalbeamtenversammlang des Bezirks ReisekMten
and Tagegelder, da sich die Regierang wiederholt mit Befriedigong
davon überzeugt hat, daß solche Versammlungen in hohem Grade
geeignet erscheinen, einerseits das dienstliche Interesse der Medi¬
zinalbeamten zu beleben und za erhalten, anderseits eine einheit¬
liche and zweckentsprechende Wirksamkeit der letzteren za
fördern, and daß die glatte DorchfÜhrnng des Gesetzes zur Be¬
kämpfung übertragbarer Krankheiten nicht znm geringsten Teile
diesen Kreismedizinalbeamtenversammlnngen zu df^en ist. Viel¬
leicht ließe sich auch für Bayern bei entsprechender Organisation
etwas Aehnliches erreichen. Es kann dies einer späteren Be¬
ratung im Medizinalbeamtenverein überlassen bleiben.
IV. Die nichtpragmatischen amtsärztlichen Stellen.
L Physikatsassistenten. Es gibt in Bayern keine Physikate
mehr and die frühere Benennung «Physikas*^ sollte nach einer
Ministerial-Entschließang vom 20. November 1838, die Benennung
der Land- and Stadtgerichtsärzte betr., künftig nicht mehr ge-
Der amteirztliche Dienet in Bayern.
57
braucht werden, sondern nur die deutsche Bezeichnnng „Stadt¬
oder Land-Geiichtsarzt*. Die alte Bezeichnnng hat sich aber bei
den Physikatsassistenten noch fortgeerbt und anch fttr die land-
gerii^ts&rztlichen Assistenten Anwendung gefunden.
Assistenzarztstellen bestehen bereits bei einigen größeren
bezirks- und landgerichtsärztlichen Stellen, etwas Neues bringen
also die Leitsätze nicht, sie schlagen nur vor, daß auch an
anderen Aemtem, wo ein Bedflrinis fflr eine ärztliche Hilfskraft
vorliegt, jedoch die Aufstellung eines weiteren pragmatischen
iüntsar 2 rtes noch nicht notwendig erscheint, Assistenzärzte in der
erforderlichen Anzahl aufgestellt werden mOgen. Es soll also
nicht jedem Amtsarzt ein Assistenzarzt beigegeben werden, sondern
nur denen, die ihren Dienst nicht mehr aüein bewältigen können.
Auch in Preußen hat ja nicht jeder Kreisarzt einen Ereisassistenz-
arzt; dort bestehen nur 42 derartige Stellen. Man sollte sich
aber anch nicht zu lange mit Assistentenstellen zu behelfen suchen.
Erreichen die demselben zugeteilten Dienstanfgaben einen so großen
Umfang, daß noch eine weitere Hilfskraft benötigt ist, so wäre
die Ernennung eines weiteren Bezirks- oder Landgerichtsarztes
der Aufetellnng von zwei Assistenten entschieden vorzuziehen;
anch da, wo der Assistenzarzt einen umfangreichen und selbst¬
ständigen Dienst zu versehen hat, dürfte es angezei^ erscheinen,
ihm die Stellung eines Amtsarztes zu verschaffen. Bisher bestand
eine große Scheu vor der Errichtung neuer pragmatischer Stellen,
die man durch Verwendung von insistenten vorläufig hintanzu¬
halten suchte; da das neue Beamtengesetz den Unterschied
zwischen pragmatischen und nichtpragmatischen Staatsdieneni
beseitigt, wird man vielleicht künftig leichter den praktischen
Bedür^sen Rechnung tragen können.
Bei den Ereismedizinalreferaten ist nur in Oberbayem ein
ärztlicher Hilfsarbeiter angestellt. Ob auch bei den anderen
Ereisregiemngen ein Bedürfiris hierzu vorliegt, kann von hier ans
nicht beurteilt werden und muß dem Ermessen der Herren Ereis-
medizinalräte überlassen bleiben. Es sollte dies bloß hier im Zu¬
sammenhang Erwähnung finden.
Die Stellung der Physikatsassistenten ist gegenwärtig eine
ganz andere als vor 25 Jahren. Zuerst gab es solche nur bei
der Polizeidirektion München, und es war nicht einmal die Ab¬
legung der Approbationsprüfnng verlangt. Ihr Wirkungskreis
bestand in der Bearbeitung des Materials fb* die Medizinalstatistik,
was jetzt vom statistischen Amt besorgt wird, in der Assistenz
bei öffentlichen Ealamitäten, Fenersbrünsten, Volksfesten nsw.
und in der ersten Hilfeleistung bei Selbstentleibnngsversnchen
und Verwundungen, was jetzt hist vollständig auf die Sanitäts¬
kolonne und Rettungsgesellschaft übergegangen ist, ferner in der
Teilnahme bei den Untersuchungen von Vaganten, Prostituierten
usw., in der Besichtigung aufgefundener Leichen und in der Ver-
sehung eines ständigen Tagesdienstes. Dementsprechend war da¬
mals ein Wechsel sehr häufig. Die Stellen bildeten mehr einen
Dnrchgangsposten für junge Aerzte, die noch ein Jahr in München
58
Dr. Beeker.
zabringen wollten; es blieb selten einer länger. Später werden
die polizeilichen Pbysikatsassistenten such im eigentlichen amts*
ärztlichen Dienst mehr verwendet and herangezogen; es wurde
ein eigener Assistenzarzt mit der Beaafsichtignng der Eostkinder
betraut. Vom Jahre 1896 an worden auch bei einzelnen Land¬
gerichten Physikatsassistenten angestellt and ihnen von yom-
herein besondere Funktionen ttbertrageny so die Erstattung von
Gutachten hinsichtlich des Strafvollzugs, der gefängnisärztliehe
Dienst und die Teilnahme als zweiter Arzt bei den gerichtlichen
Leichenöffnungen.
Die Ablegung des Pysikatsexamens wurde bisher nur bei den
landgerichtlichen Assistenten gefordert; von den ftbrigen hatten
es jedoch die meisten bestanden. Es ist vorgeschlagen, daß dies
allgemein eine Vorbedingung für die Anstellung bilden soll, um
ihre Stellung nach außen hin zu heben, und um ihnen auch einen
Teil der Dienstgeschäfte zur selbständigen Erledigung, wenn auch
unter Aufsicht und Anleitung des Amtsarztes, übertragen zu
können. Die Anstellung erfolgte bisher bei den bezirksärztlichen
Assistenten durch die Ereisregiemng, bei den landgerichtsärzt¬
lichen durch das Staatsministerium des Innern im Benehmen mit
dem der Justiz. Dieselbe konnte künftig, wie bei jedem Staats¬
diener durch das zuständige Mimsterium erfolgen, sohin bei den
landgerichtsärztUchen Assistenzärzten durch das Justizministerium.
Als Assistenzärzte sollten bloß solche bestellt werden, die
nach ihrer Persönlichkeit, ihren Kenntnissen und Leistungen eine
Gawähr dafür bieten, dereinst tüchtige Amtsärzte zu werdmi.
Ihre Beschäftigung sollte so eingerichtet werden, daß sie in alle
Zweige der amtlichen Tätigkeit eingeführt werden, also nicht
bloß im inneren Dienst und bei den im Amtslokal stattfindenden
Untersuchungen und Begutachtungen Verwendung finden, sondern
auch bei den äußeren Besichtigungen, z. B. von Gewerbebetrieben,
Bauten, Schulen, Apotheken, Drogerien usw. sowie bei der Ermitte¬
lung und Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten und bei
den Impfterminen zugezogen werden. Bei den landgerichtsärzüichen
Stellen läßt es sich noch leichter erreichen, sie mit allen Seiten
des gerichtsärztlichen Dienstes bekannt zu machen. Die Privat-
präzis sollte ihnen nicht untersagt sein, soweit hierdurch der Dienst
nicht beeinträchtigt ist. Läßt sich der Chef die dienstliche und
wissenschaftliche Förderung der Assistenten angelegen sein, so
bilden solche Assistentenstellen die beste Vorschule für die spätere
selbstständige Tätigkeit als Amtsarzt. Die Stellen werden, wenn
sie so ausgestaltet und entsprechend dotiert werden, nicht bloß
Anfangsposten für junge Aerzte sein, die eben von der Universität
kommen, sondern erstrebenswerte und gesuchte Nebenstellungen
für praktische Aerzte bis zu ihrer Anstellung.
Ein öfterer Wechsel der Assistenten liegt nicht im Interesse
des Dienstes. Ist ein solcher einmal gut eingearbeitet, dann ist
es vielmehr wünschenswert, ihn möglichst lang in seiner Stellung
zu erhalten, besonders dann, wenn seine Dienstestätigkeit eine
größere, umfangreichere und mehr selbständige ist. Es gibt der-
1
Der amtsirstliche Dienet in Bayern.
59
artige Posten, die bezfiglich Arbeitsleistung, Zeitaufwand und
Verantwortlichkeit mindestens die gleichen Anforderungen stellen,
wie mittelgroße Bezirksarzt* und Landgerichtsarztstellen. Die
hier geleistete Tätigkeit dürfte daher auch bei der Qualifikation,
bei der Bewerbung um AnsteUnng entsprechende Berücksich¬
tigung finden; es sollten, wenn diss neue Beamtengesetz dies
znläßt, die Dienstjahre den später in pragmatischer Stel¬
lung angebrachten Dienstjahren hinzugerechnet werden, es sollte
den Assistenten überhaupt nach mehrjähriger befriedigender
Dienstleistung die Pensionsberechtigung verliehen werden, wie
ja auch die Assistenzärzte der KreisiiTenanstalten nach mehr¬
jähriger Tätigkeit pragmatische Bechte erhalten. Daß ein An¬
spruch hierauf nicht ungerechtfertigt erscheint, hat die KOnigl.
Steatsregiemng bereits anerkannt; wenigstens hat das Mini¬
sterium des Innern vor 5 Jahren den Assistenten der Bezirks¬
ärzte, der Bezirkstierärzte und des Zentralimpfarztes — für die
hier nicht genannten landgerichtsärztlichen Assistenten gilt dies
woU auch — für den Fall ihrer Dienstes- und Erwerbsunfähig¬
keit, sowie zufriedenstellender Leistung eine entsprechende
Snstentation in Aussicht gestellt und im Vollzug des § 5, Abs. I
des Invalidenversichemngsgesetzes die Anwartschaft auf Pension
im Mindestbetrage der Invalidenrente nach den Sätzen der I. Lohn¬
klasse zngesichert, unbeschadet der Gewährung einer Snstentation
in höherem Betrage. Diese Bezugnahme auf das Invalidenver-
siehernngsgesetz hat doch manches gegen sich; es dürfte daher
richtiger sein, die Pensionsberechtigung nach der bisherigen Be¬
soldung und dem Dienstalter zu verleihen.
2. Bezirksärztliche Stellvertreter. Das Institut der bezirks¬
ärztlichen Stellvertreter besteht seit dem Jahre 1869. Bei den
Landtagsverhandlungen im Jahre 1868 beantragte der Referent
der Abgeordnetenkammer ans Erspamngsgründen die Abstreichung
von 10 Bezirksarzt-Stellen ü. Klasse. Der Eönigl. Staatsminister
V. Hörmann erhob dagegen nicht nur keine Erinnerung, sondern
erklärte auch weitere Stellen da anfzuheben, wo es die örtlichen
Verhältnisse gestatten. Die Eönigl. Verordnung vom 7. Februar
1869, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und Verwaltungs¬
behörden betr., bestimmte sodann, daß bei denjenigen Land- (jetzt
Amts-) Gerichten, in deren Sprengel sich nicht der Sitz eines
Bezirksarztes I. l^asse befindet, Bezirksärzte II. Klasse in Er¬
ledigungsfällen nur dann wieder aufgestellt werden, wenn hierzu
ein besonderes Bedürfnis vorhanden ist. Wird bei einem solchen
Landgerichte die Stelle eines Bezirksarztes II. Klasse nicht wieder
besetzt, so geht dessen Dienst auf den betreffenden Beziiksarzt
I. Klasse über, der hierdurch auch für diesen Landgerichtssprengel
0 Derselbe lautet: ^Beamte des Beiches, der Bandesstaaten and der
EommonalbeliCrden, sowie I^hrer and Aerzte an öffentlichen Schalen und An¬
stalten onterliegen der Versicherangspilicht nicht, solange sie lediglich zor
Aosbildong für ihren zokünftigen Beruf beschäftig werden oder sofern ihnen
eine Anwartschaft aal Pension im Hindestbetrage der InTalidenrente nach den
Sitzen der I. Lohnklasse gewährleistet ist.“
60
Dr. Becker.
der ordentliche (öffentliche Arzt wird. Fflr dringende Amtsgesch&fte,
welche die Beiziehnng des anewärts wohnenden Bezirksarztes L Kl.
nicht angemessen erscheinen lassen, wird am Sitze des Land¬
gerichtes ein StelWertreter des Bezirksarztes ans der Zahl der
dort befindlichen and hierzu tauglichen praktischen Aerzten anf-
gestellt and verpflichtet, der fär seine einzelnen dienstlicdien Ver-
richtongen die tazmäßigen Vergfltnngen erhält. Fflr den Fall,
daß sich daselbst ein zur Stellvertretong tauglicher Arzt nicht
findet, auch durch Beiträge ans Gemeinde-, Distrikts- oder Erms-
mitteln nicht gewonnen werden kann, bleibt es dem Staats-
ministerinm des Innern vorbehehalten, einen praktischen Arzt als
Stellvertreter des Bezirksarztes mit einer fixen Jahresremnneraticm
abznordnen, mit deren Bezog die Verpflichtnng zur Leistung
anderweitiger bezirksärztlicher Funktionen flbertragen werden
kann. Diese Bestimmungen gingen dann auch in die Königliche
Verordnnng vom 3. September 1879 gleichen Betreffs Aber. Diese
Anfhebnng der Bezirksärzte II. Klasse ist in gewissem Sinne
eine Beorganisation nach rflckwärts gewesen. Die Einspamng
ging anf Kosten des ärztlichen Standes durch Verringernng der
Anstellungsmöglichkeit, aber auch auf Kosten der öffenüichea
Gesundheitspflege; denn die Bezirksärzte konnten bei den weiten
Entfernungen, den damals ungenfigenden Verkehrsverhältnissen,
der Unzulässigkeit der Berechnung von Tagegeldern nnd bei der
ganzen Gestaltung ihrer Stellung nicht allen Anforderungen der
Sanitätspolizei in dem entfernten Amtsbezirke entsprechen, nnd
es unterblieb auf der anderen Seite die entsprechende Organi¬
sation des bezirksärztlichen Dienstes, wie sie die Verdoppdnng
der Amtsgeschäfte notwendig gemacht hätte. Diejenigen Bezirks-
ärzte, welche der Unterstfltzung eines remunerierten Stellvertreters
entbehrten, erhielten lediglich eine ständige Jahresremnneration
von 200 bis 400 fl. Jetzt betragen diese Bezflge fflr ganz Bayern
23680 Mark.
Mit der allmählichen Einziehung der Bezirksarztstellen IL Kl.
bei Erledigung durch Tod, Pensionierung oder Beförderung zum
Bezirksarzt I. Kl. nahm die Zahl der bezirksärztlichen Stklver-
treter zu, erreichte ihren höchsten Stand im Jahre 1900 mit 112
und ging dann infolge der Errichtung mehrerer neuer Bezirks¬
ämter wieder auf 104^) zurflck. Mit der kflnftigen Aufhebung der
einzigen noch vorhandenen bezirksärztlichen Stelle II. Klasse und
mit der Errichtung der im letzten Budget eingesetzten zwei neuen
Bezirksämter wird ihre Zahl 102 betragen, l^mnnerierte Stellen
gibt es 20; sie verteilen sich ungleichmäßig anf die einzelnen
&eise, Mittelfranken und Schwaben haben keine solche. Die
Bemuneration ist verschieden hoch; die niedrigste beträgt 520 M.,
bei den meisten Stellen 600, bei mehreren 720, bei drei 1000,
bei zwei 1200 und bei einer 1800 Mark.
Die bezirksärztlichen Stellvertreter werden durch die Kreis-
0 Bei den Amtsgerichten in Lndwigstadt (Oberfruken) und Osteffcofen
(Niedernayern) sind kc&e berirksärztUohen Stdlvertreter ugestellt.
Der emtibstUohe Dienst in Bayern.
61
regienmg, Kammer des Innern, im Benehmen mit dem Oberstaats¬
anwälte beim Oberlandesgericht anfgestellt und verpflichtet. Die
üebernahme der Registrator and des Amtsinventars erfolgt durch
das Bezirksamt, die Ansantwortong derselben durch die Bezirks¬
ärzte I. El. Die bezirksärztlichen Stellvertreter sind keiner Be¬
hörde angegliedert, sie ttthren kein Amtssiegel, haben kein Regie-
aversnm, genießen nicht einmal Portofreiheit ffir ihre dienstliche
Korrespondenz, haben kein Anrecht auf Pension oder Sustentation
weder tflr sich noch für ihre Hinterbliebenen; sie haben, obwohl
sie eine Reihe von öffentlichen Funktionen versehen, weder eine
amtliche Stellung noch einen amtlichen Charakter. Bestimmt ab¬
gegrenzt sind il^e Befugnisse nur nach zwei Richtungen hin: Sie
sind die zuständigen Impfärzte des Impfbezirkes, der mit dem
Amtsgerichtsbezirk znsammenfällt, und die amtlichen Aerzte fflr
die Oerichtsgefängnisse; im flbrigen hängen sie aber ganz in der
Luit. Es sind ihnen keinerlei regelmäßige Funktionen übertragen;
sie können kein amtliches Zeugnis ausstellen, haben keine Be¬
fugnis zur Beaufsichtigung des niederärztlichen Personals und
der sanitären Zustände ihres Bezirks; sie sind auch nicht berech¬
tigt in Fragen des öffentlichen Gesundheitswesens Anträge zu
stellen; sie sind lediglich fflr dringende amtliche Geschäfte,
welche die Beiziehung des auswärts wohnenden Bezirksarztes I. El.
nicht gestatten, als „Stellvertreter* desselben aufgestellt. Zur
Vornahme amtsärztlicher Handlungen sind sie also nur in den ein¬
zelnen Fällen befugt, in denen sie eigens dazu beauftragt werden.
Wann dies erfolgen soll, ist vollständig dem Ermessen der Ver-
waltnngs- und Gerichtsbehörden anheimgegeben; eine interpre¬
tierende Entschließung ist weder vom Ministerium noch von einer
Äreisregierung ergangen. Die Regierung der Pfalz und der Ober¬
pfalz haben zwar eine Instruktion fflr die bezirksärztliehen Stell¬
vertreter erlassen, aber gerade diese Frage nicht geregelt. Der
Bezirksarzt kann fflr sich nicht nach Belieben den bezirksärzt¬
liehen Stellvertreter mit der Erledigung von Dienstgeschäften
betrauen, auch wenn sie durch diesen bequemer, rascher und
billiger ausgefflhrt werden könnten; er ist dem Bezirksarzt kein
Untergebener, kein Hilfsarbeiter oder Assistent, und durch seine
dienstlichen Leistungen flndet dieser weder Unterstfltzung noch Ent¬
lastung; was man gewöhnlich unter einem Stellvertreter ver¬
steht, das hat der Bezirksarzt an ihm nicht, sondern nur einen
Nothelfer in dringenden Fällen. Wenn hier und da einmal ein
Bezirksarzt den Stellvertreter mit Erledigung einer fflr ihn un¬
bequemen Dienstesangelegenheit betraute, betrachtete er dies
als eine persönliche Gefälligkeit und war ärgerlich, wenn der
Vertreter dabei eine Liquidation vorlegte, wozu er berechtigt
war. Wo anders hatte ein etwas bequemer Bezirksarzt dem
Stellvertreter manches überlassen, während dann sein Nachfolger
alle Amtsgeschäfte, insbesondere die Gebühren tragenden,
wieder in seine Hand zu bringen suchte. Hierdurch ergaben
sieh dann zuweilen Reibereien und Eompetenzstreitigkeiten;
auch die Behörden waren manchmal unschlüssig, ob sie in einem
62
Dr. Bäcker.
Falle den Bezirkiarzt oder den Stellvertreter beizidien lolltoL
Es herrscht also auf diesem Gebiete eine große Unrieherhait und
Unklarheit.
Auch bei den remunerierten Stellvertretern, denen mit dem
Bezüge einer Remuneration die Verpflichtnng znr Leistnng ander¬
weitiger amtsärztlicher Funktionen in dem betreffenden Amte¬
gerichtsbezirk verbunden werden kann, ist dies nicht besser; es
ergibt sich hier sogar noch leichter Gelegenheit zu Differenzen
nnd Eompetenzstreitigkeiten. Welche amtsärztlichen Funktionen
Übertragen werden können oder dürfen, ist nicht generell geregelt.
Die meisten Ereisregierungen haben diese kitzliehe Frage gar
nicht angeschnitten nnd keine Bestimmungen hierüber getroffen.
In der Pfalz ist den remunerierten bezirksärztlichen Stellvertretem
die üeberwachnng des niederärztlichen Personals, speziell der
Hebammen, ferner der Leichenschauer nnd die sanitätliche Ueber-
wachnng der Schulen übertragen; sie haben alljährlich zweimal
gelegentlich nnd unentgeltlich sämtliche Volks- und Einderschulen
ihres Bezirks zu besuchen und können nur bei außerordentlichen
Requisitionen Reiseanslagen liquidieren. In Oberfranken sind
ihnen jene Amtshandlungen zngewiesen, welche rasch und ohne
Belastung des Aerars besser von dem Stellvertreter als von dem
entfernt wohnenden Bezirksarzte besorgt werden können, so ins¬
besondere Untersuchnngen (Angenscheinseinnahmen) im Gebiete
der Nahrungsmittel-, Bau- und Reinlichkeitspolizei, der Schalen
nnd Gemeindehäuser, der Begräbnis- nnd Wasenplätze, die Kon¬
statierung von Epidemien, die Untersuchung von Geisteskranken,
die provisorische Anordnung von Maßregeln, die gelegentlidie
Beaufsichtigung der Geisteskranken nnd Kostkinder, die unent¬
geltliche Behandlung der konskribierten Armen nnd der Gedärmen,
sowie deren Familien. Sie haben also hier vielfache bezirksärzt¬
liche Funktionen zu versehen, aber nach einer anderen Richtung
hin als in der Pfalz. In Oberbayern ist bloß für Reichenhidl
eine Regelung erfolgt; dem dortigen bezirksärztlichen Stellvertreter
sind übertragen: ^e Ausstellung amtsärztlicher Zeugnisse, die
von Kurgästen benötigt worden, für Leichentransporte, für Gbistee-
kranke behufs Unterbringung in einer Anstalt nnd für unter¬
stützungsbedürftige Nichtbayern, die Beau&ichtigung der Kur-
Anstalten — mit Ausnahme des Krankenhauses — im Kurbezirk
Reichenhall und die Beanfsichtignng der Kostkinder im Distrikte
Reichenhall. Etwas eigentümlich ist hierbei, daß auf die fremden
Kurgäste mehr Rücksicht genommen ist, als auf die einheimische
Bevölkerung, die sich wegen der Ansstellnng amtsärztlicher Zeug¬
nisse an den Bezirksarzt in Berchtesgaden wenden mnß.
Manche bezirksärztlichen Stellvertreter beziehen auch noch
Beiträge aus Kreis-, Distrikts- und Gemeindemitteln; sie haben
dafür die Verpflichtung zur Abhaltung von Sprechstunden an
auswärtigen Orten und zur unentgeltlichen Behan^nng der Armen.
Die Stellung der bezirksärztlichen Stellvertreter erscheint
in ihrer jetzigen Organisation bei den geschilderten Verhältnissen
nicht weiter haltbar nnd bedarf dringend einer Aenderung. Für
Der amtsirzUiehe Dienet in Bayern.
63
eine solche stehen sich zwei Vorschlftge gegenüber: Die einen
wünschen die Bückkehr znm früheren Zast&nde, die Wiedererrich-
tnng der Bezirksarztstellen II. Klasse, die andern die völlige Anf-
^be der bezirksärztlichen Stellvertreter nnd die üeberweisnng
ihres Dienstes an die Bezirksärzte I. Klasse. Würde für den
ersteren Vorschlag geltend gemacht, daß im Interesse der Aerzte
eine größere Anzahl amtlicher Stellen errichtet nnd dadurch für
ältere tüchtige Aerzte die Existenz erleichtert werden sollte, so
müßte dem entgegengehalten werden, was schon eingangs betont
wurde, daß für die Organisation des amtsärztlichen Dienstes nur
die Rücksicht auf das allgemeine Staatsinteresse bestimmend sein
kuin. Außerdem wurde namentlich noch vor Jahren angeführt,
daß der Bevölkerung in entlegenen und ärmeren Bezirken schwerer
ein Arzt zur Verfügung stehen könnte, wenn ein solcher nicht
durch die Anstellung als Bezirksarzt II. Klasse zur Niederlassung
und znm Bleiben veranlaßt würde nnd daß, wenn der Staat hier
nicht helfend eingreife, den Kreisen, Distrikten und Oemeinden
höhere Ausgaben zur Last fielen. Gewiß hat sich die Staats-
regiemng auch das angelegen sein zu lassen, daß entlegene ärmere
Bezirke nicht ärztelos sind; dazu bedarf es aber nicht der Er¬
nennung von Amtsärzten, sondern der Beihilfe an praktische Aerzte
aus staatlichen oder öffentlichen Mitteln. Bei der jetzigen großen
Anzahl der Aerzte und ihrer vermehrten Niederlassung auch in
Landbezirken ist übrigens diese Besorgnis nicht mehr so begrün¬
det wie vor einigen Jahrzehnten, wo die Einführung der Frei¬
zügigkeit die bisher auf dem Lande angestellten Aerzte zur
Uebersiedelung in die Städte veranlaßte. Auch ist gegen die Er¬
richtung der Bezirksarztstellen II. Klasse noch zu bemerken, daß
die Amtsgerichts-Bezirke außerordentlich verschieden in bezug
auf räumliche Ausdehnung nnd Bevölkerungsziffer sind; die letztere
bewegt sich zwischen 5375 (Nordhalben) und 27 773 (Kandel).
Es könnten also event. nur die größeren Bezirke hierfür in Be¬
tracht kommen, während für die große Zahl der kleineren Bezirke
ein Bedürfnis nicht zazugestehen sein dürfte, da die Amtsgeschäfte
hier keinen großen Umfang erreichen werden.
Als weiterer Grund für die Wiedererrichtung der Bezirks¬
arztstellen II. Klasse wurde geltend gemacht, daß der amtsärzt¬
liche Dienst besser nnd vollkommener versehen werden könne bei
einer Dezentralisation, wenn also jeder Verwaltnngsdistrikt bezw.
Amtsgerichtsbezirk seinen eigenen Amtsarzt hätte, der sowohl die
verwaltnngsärztlichen, wie ^e gerichtsärztlichen Geschäfte be¬
sorgt, und daß der Bezirksarzt von seinem Amtssitze ans seine
Tätigkeit nicht über das ganze Bezirksamt ansdehnen könne. Für
die verwaltnngsärztlichen Geschäfte dürfte diese Behauptung
doch nicht ganz zutreffend sein. Sind innerhalb eines Bezirks¬
amtes 1 Bezirksarzt I. Kl. nnd 1 event. 2 Bezirksärzte II. Kl.
angestellt, so entfällt damit die wünschenswerte ständige persön¬
liche Fühlungnahme zwischen dem Bezirksamtmanne nnd dem
Bezirksarzt: es besteht auch keine Gewähr mehr für eine einheit¬
liche Durchnhmng der gesnndbeitspolizeilichen Maßnahmen. Wer
64
Dr. Beoker.
in praktiseh-hygienischen Angelegenheiten ein maßgebendes Urteil
abgeben will, bedarf hierzu einer steten Beobachtung der ein¬
schlägigen Verhältnisse und einer reichen Erfahmng, die ihm nur
ein größerer Amtsbezirk verschaffen kann; so gut wie der Be-
zirksamtmann die Verwaltung des ganzen Bezirkes leiten ksjin,
wird auch dem Bezirksarzte die Wahrnehmung des Gesundheits¬
wesens in demselben möglich sein, sofern er dnrch eine ent¬
sprechende Besoldnng von der Bflcksichtnahme auf private Tätig¬
keit entbunden wird. Es wird später noch beim Kapitel der
Bezirksärzte davon die Rede sein, daß bei der Möglichkeit einer
Kollision der Pflichten als Privatarzt und Amtsarzt dahin zu
streben ist, den amtsärztlichen Dienst, wenn irgend tunlich, zu einem
vollbeschäftigten und vollbesoldeten zu gestalten. Dies läßt sich aber
nicht erreichen, wenn für jeden Distrikt ein eigener Bezirksarzt an¬
gestellt wird; etwas Rechtes, etwas Ganzes wäre bei keinem von
beiden erzielt und die bisherigen mißlichen Verhältnisse bliebmi
auch in Zukunft weiter bestehen. Eine Organisation im modernen
Sinne hätte daher bei den Bezirksärzten I. Klasse einznsetzen,
und es wären diesen alle verwaltnngsärztlichen Geschäfte im
ganzen Bezirksamte zu Übertragen.
Etwas anderes ist es mit den gerichtsärztlichen Ge¬
schäften; die kann der Bezirksarzt unmöglich von seinem Amts¬
sitze ans erledigen, ebenso wenig wie der Landgerichtsarzt Nnr
in seltenen Fällen wird es sich um die Erstattung von Gutachten
auf Grund der Akten handeln; in den allermeisten Fällen haben
den Gutachten Untersuchungen vorauszngehen. Es sind kleine,
aber eilige, sogen. Haftsachen, die es wirklich nicht verlohnen,
deshalb immer den auswärts wohnenden Bezirksarzt herbeiznmfen;
es ist auch in der Regel nicht angängig, die zu untersuchenden
Personen, zumal die verhafteten, dem Bezirksarzte an seinen
Amtssitz znzuschicken; es wird sich auch nicht seine Beiziehung
zu jeder Glerichtsverhandlung ermöglichen lassen. Tatsächlich
haben auch viele Amtsgerichte von der fflr dringende Fälle zu¬
lässigen Ausnahme eine Regel gemacht und alle anfallenden Unter¬
suchungen und Begutachtungen dem bezirksärztlichen Stellvertreter
zugewiesen. Ebenso wie man diesem schon den gefängnisärzt¬
lichen Dienst übertragen hat, sollte er auch mit dem ärztlichen
Dienst bei dem Amtsgericht betraut werden; er sollte der
ordentliche öffentliche Arzt für das Amtsgericht in allen Rechts¬
sachen (straf- oder zivilrechtlicher Natur) sein, analog wie der
Landgerichtsarzt für das Landgericht. Es obläge ihm dann die
Vornahme aller anfallenden Untersuchungen von Personen nnd
Gegenständen, die Erstattung von Berichten und Gutachten im
Vorverfahren, bei den Gerichtsverhandlungen und bei der Straf-
voUstrecknng, auch die Teilnahme bei der richterlichen Leichen¬
schau; seiner Zuziehung als zweiter Arzt bei den gerichtlidien
Leichenöffnungen stände wohl öfters der Umstand entgegen, daß
er der behandelnde Arzt des Verstorbenen war. Auf £ese Frage
wird später noch bei den Landgerichtsärzten eingegangen nnd
erörtert werden, daß es zweckdienlicher ist, dem Landgerichtsarzt
I
Der emte&rstiielie Dienst ln Bayern.
65
einen ständig^en zweiten Arzt fOr die Sektionen beiznordnen. Der
bezirksftrztliche Stellvertreter wäre aneh bei Zivilprozessen nnd
bei der Entmttndignng in der ersten Instanz der regelmäßig zn-
znziehende gerichtliche Sachverständige. Die Geschäfisanfgaben
der Amtsanwälte nnd der Amtsgerichte in Straisachen hat in den
letzten Jahren bedeutend zngenommen. Außerdem wird die Zu¬
ständigkeit der Amtsgerichte bei der kommenden Reform des
Straf* nnd Zivilrechts wahrscheinlich noch eine Erweiterung er¬
fahren, so daß sie eines ortsanwesenden amtlichen Sachverstän¬
digen nicht entbehren kOnnen.
Das wäre also die vorznschlagende prinzipielle Aendemng
an der Stellung des bezirksärztlichen Stellvertreters. Im übrigen
bliebe er wie bisher der Gefängnisarzt des Amtsgerichtsgefäng¬
nisses, der zuständige Impfarzt des Impfbezirks; es könnte auch
Vorbehalten bleiben, ihn für dringende amtliche Verwaltnngs-
geschäfte heranznziehen, welche die Beiziehung des auswärts
wohnenden Bezirksarztes nicht gestatten. Solche Fälle werden
ja wohl selten sein, nnd sollten auch nur zu den Ausnahmen ge¬
hören, können aber immerhin einmal verkommen, wenn der Be¬
zirksarzt anderweitig dienstlich verhindert und daher unabkömm¬
lich ist, so z. B. wenn es sich um die beschleunigte Verwahrung
eines gemeingefährlichen Geisteskranken handelt. Im Notfälle
muß (Ue Staatsregierung auf die Mitwirkung nnd gegenseitige
Aushilfe aller Amtsärzte rechnen können.
Mit der vorgeschlagenen Stellung würde auch die amtliche
Bezeichnung eine Abänderung erfahren müssen. Der übliche Titel
^bezirksärztlicher Stellvertreter“ ist schon sprachlich unrichtig
nnd lautete korrekt: Stellvertreter des Bezirksarztes. Tatsächlich
ist er aber, wie wir gesehen haben, auch dieses nicht Das
Publikum nennt ihn übrigens nicht bei seinem langen Titel,
sondern Bezirksarzt, Gerichtsarzt, in der Pfalz Eantonsarzt oder
schlechtweg Doktor. Ein Titel spielt ja auch in der Gesellschaft
eine gewisse Rolle; empfindlich sind da besonders die Frauen.
Frau bezirksärztiieher Stellvertreter klingt nicht so wie Frau
Amtsrichter oder Frau Distriktstierarzt. Impfarzt ist er nur einen
Teil des Jahres und Gefängnisarzt nur in seiner Nebenstellung.
Diese Titel sind daher nicht vorzuschlagen, sondern entsprechend
seiner künftigen Hauptbeschäftigung hieße er daher am besten
.Amtsgerichtsarzt“.
Um die Stellung als eine amtsärztliche zn kennzeichnen und
ihr Ansehen nach außen hin zn heben, ist weiterhin mit Rücksicht
auf die Erweiterung der gerichtsärztlichen Dienstobliegenheiten
vorgeschlagen, das Bestehen der Prüfung für den ärzt¬
lichen Staatsdienst als Anstellnngsbedingnug zn fordern.
Bisher war dies nicht der Fall; nach einer Ministerial-Ent¬
schließung vom 6. April 1876 unterliegt es keinem Anstand,
Aerzte, welche nur die Approbationsprflfung bestanden haben, als
bezirksärztliche Stellvertreter aufzustellen, dagegen ist bei der
Aufstellung von remunerierten Stellvertretern vorzugsweise auf
jene Aerzte Rücksicht zn nehmen, welche die ärztliche Staats-
Dr. Becker.
prttfong früherer oder neuerer Ordnung bestanden haben. Die
Mehrzahl der g^enwärtig in Stellung befindlichen Herren hat
diesem Erfordernis genügt; von den 104 bezirksärztlichen Stell-
yertretern 62. Von den 42 übrigen Orten, in denen z. Z. nicht
staatsärztlich geprüfte bezirksärztliche Stellvertreter angestellt
sind, ist in 12 ein zweiter ortsansässiger Arzt pro physicatn ge¬
prüft, so daß im Erledigungsfalle der Forderung leicht Becbnung
getragen werden könnte. Man braucht also nicht zu befürchten,
daß etwa künftig sich hierfür keine Bewerber finden; wird die
Stellung entsprechend gestaltet und dotiert, auch mit sonstigen
öffentlichen Stellungen verbunden, gilt sie als eine Art Vorschule
für den amtsärztlichen Dienst, und gewährt sie eine gewisse An¬
wartschaft auf die spätere Anstellung als Bezirks- oder Land-
gerichtsarzt, so wird sich bei der überaus großen Zahl der pro
physicatn geprüften Aerzte fast immer ein geeigneter Bewerber
finden, und wenn das ja einmal bei ganz besonders gelagerten
VerhUtuissen nicht der Fall wäre, so könnte man dieser Aus¬
nahme im Wege des Dispenses Beclmnng tragen.
Die Anstellung sollte wie bei den Physikatsassistenten und
ans dem gleichen Grunde durch das Ministerium erfolgen, und
zwar da neben den amtsgerichtsärztlichen auch verwaltnngsärzt-
liche Geschäfte (Impfung, Aushilfe) in Frage kommen, durch das
Staatsministerinm der Justiz im Benehmen mit dem des Innern.
Die Amtsgerichtsärzte würden bezüglich des gerichts- und gefäng¬
nisärztlichen Dienstes dem ersteren, im übrigen dem letzteren
unterstehen.
Für die amtliche Tätigkeit möge eine Dienstanweisung er¬
lassen werden, in der die Verpfiichtungen und Befugnisse genau
festgesteUt sind; dann ist auch jedem etwaigen Kompetenzkonfiikt
mit den Bezirks- und Landgerichtsärzten der Boden abgegraben.
Für ihre dienstliche Korrespondenz möge Portofr^eit wie
für die der Beziiks- und Landgerichtsärzte gewährt werden.
Bisher maßten sich die bezirksärztlichen Stellvertreter hierfür
der Vermittlung der Ortspolizeibehörden bedienen, weiche auf der
Adresse Name und Stand des Absenders, sowie die Bezeichnung
„Sanitäts-Polizeisache* beifügten. Jedes Schreiben auf das
Bürgermeisteramt tragen, um dort abstempeln zu lassen, war doch
höchst mißlich, zeitraubend und hat ganz gewiß nicht zur Er¬
höhung des Ansehens beigetragen. Manche haben es sich dadurch
bequemer gemacht, daß sie sich gleich im Voraus eine größere
An^hl leerer Briefumschläge mit dem Stempel und Vermerk der
Ortspolizeibehörde versehen ließen.
Daß die bezirksärztlichen Stellvertreter ein jährliches Begie-
aversnm zur Haltung der für ihren Dienst benötigten Amts¬
blätter und Literalien erhalten mögen, bedarf keiner wmteren
Begründung.
Die Vergütung der Dienstleistungen wird bei der
Verschiedenartigkeit der Beanspruchung in den einzelnen Amts¬
gerichtsbezirken am besten nach der Einzelleistung erfolgen. Für
die amtsgerichtliche und die eventuelle verwaltungsärztliche Tätig-
Der amtelrztUche Dienst in Bajem.
67
keit kämen also die Bestimmuigen nnd Tazansätze der Königlichen
Verordnung Tom 17. November 1902, Gebflhren für ärztliche
Dienstleistnngen bei Behörden betreffend, in Betracht; nach § 8
derselben können die bezirksärztlichen Stellvertreter im allgemeinen
wie die praktischen Aerzte liquidieren, nur fflr die remunerierten
Herren gelten die Normen wie fflr die Landgerichts- nnd Bezirks¬
ärzte. Fflr die Vornahme von öffentlichen Impfangen richten sich
die Giebflhren nach der Verordnung vom 30. April 1875, den Voll¬
zug des Impfgesetzes, hier die Bestreitnng der Impfkosten betr.
Bezüglich der gefängnisärztlichen Tätigkeit gewährte die Ver¬
ordnung vom 21. Jnli 1884, die Vergütung fflr die gefängnisärzt¬
liche Tätigkeit der bezirksärztlichen Stellvertreter betreffend, ein
Jahresaversnm von 60 Mark für die Mitgliedschaft der Gefängnis¬
kommission nnd fflr die üeberwachnng des Zustandes des Gefäng¬
nisses gemäß den Vorschriften der Dienst- nnd Hausordnung (bei
den landgerichtUchen Anshilfsgefängnissen wöchentliche, bei den
flbrigen Gefängnissen monatliche Nachschau), fflr die Behandlung
der Gefangenen 1 Mark fflr den Besuch, wenn 1 oder 2 Kranke,
nnd 2 M., wenn 3 oder mehr Kranke zn behandeln sind, 1—2 M.
fflr die Vornahme einer ärztlichen üntersnchnng nnd Abgabe des
nötigen Gutachtens. Da die Gebflhren fflr die Krankenbehandlnng
nicht mehr zeitgemäß erscheinen, ist es wohl gerechtfertigt, daß
hierfür die Gebflhrenordnnng fflr ärztliche Dienstleistungen in der
Privatprazis künftig Anwendnng finden dürfte. An Stelle der Ge¬
bflhren fflr die amtsgerichtsärztliche, gefängnisärztliche nnd verwal-
tnngsärztliche Tätigkeit könnte auch, mit Ausnahme der Impfge-
bflhren, ein festes Jahresaversnm in entsprechender Höhe festgesetzt
werden. Bezüglich der bisherigen Gawähmng fizer Jahres-
remnnerationen ist demnach keine Abändemng vorgeschlagen, nnd
wenn sonst ein bezirksärztlicher Stellvertreter der Liquidation fflr
die Einzelfälle ein Jahrespanschale vorziehen sollte, so dürfte ein
solches ans dem durchschnittlichen Betrage der letztvorher-
gegangenen Jahre zn berechnen sein.
Die verwaltnngsärztliche Tätigkeit der bisher remunerierten
Herren wird voraussichtlich eine erhebliche Einschränkung er¬
fahren, wenn den Bezirksärzten die regelmäßigen Ortsbesichti-
gnngen nnd die Abhaltung auswärtiger Amtstage an^etragen
wird. Sollten besondere örtliche Verhältnisse es wünschenswert
machen, daß der bezirksärztliche Stellvertreter auch noch außer
dringenden Fällen zur Geschäftsanshilfe mitverwendet wird, so
dürfte es als sehr zweckmäßig zn bezeichnen sein, diejenigen
verwaltnngsärztiichen Geschäfte, die zn leisten er verpflichtet
sein soll, ganz präzise festzusteUen nnd die Kompetenzen genau
abzngrenzen.
Wo es nach der Größe des Amtsgerichtsbezirks, sowie nach
dem Umfang der Dienstgeschäfte veranlaßt nnd gerechtfertigt
erscheint, möge den bezirksärztlichen Stellvertretern nach melv-
jähriger befriedigender Dienstzeit Pensionsberechtigung verliehen
werden. Es sind damit keine neuen amtsärztlichen Stellen, wie
die Ernennung von Bezirksärzten IL Klasse oder die Schaffung
5 *
68
Dr. Beeker.
einer neuen Kategorie etwa von Medizinal •AsBessoren beantragt^
sondern nnr die Gewährnog einer PenBionsberechtignng, wie sie
jedem nichtpragmatischen Staatsdiener znsteht. IMe HOhe der*
selben dürfte wohl unter Zagnmdelegung des bisherigen dienst¬
lichen Einkommens und der Zahl der Dienstjahre bemessen werden.
Welche Orte hier in Betracht kommen könnten, muß dem Ermessen
der Staatsregierang überlassen bleiben und hftngt von der künf¬
tigen Gastaltung der Dienstverhältnisse bei den Amtsgerichten
wesentlich ab.
Zum Schluß kommt noch der Antrag, die Königliche Staats¬
regierang möge darauf hinwirken, daß den bezirksärztlichen Stell¬
vertretern der ärztliche Dienst im Distriktskrankenhause, sowie
sonstige öffentliche Stellungen (Leichenschau, Schulärzte usw.)
übertragen werden. Dies soll dazu dienen, alles was einen amt¬
lichen Charakter hat, in der Person des ortsanwesenden amtlichen
Arztes zu vereinigen. Die nähere Motivierung dieses Antrages
wird, um Wiederholungen zu vermeiden, später bei den Bezirks¬
ärzten gegeben werden, wo der gleiche Antrag wiederkehrt.
y. Der ärztliche Dienst bei den Strafanstalten.
Bei diesem Abschnitte sind die Gerichtsgefängnisse (Amts¬
and Landgerichtsgeiängnisse), die nur dem Vollzüge der Unter-
suchungslmft und kürzeren Freiheitsstrafen dienen, nicht mitein-
bezogen, da der gefängnisärztliche Dienst bei denselben von den
Landgerichtsärzten und Bezirksärzten bezw. deren Assistenztodmi
oder den bezirksärzilichen Stellvertretern besorgt wird, und jeweils
bei der entsprechenden Stelle zur Erörterung kommt. Die hier
vorliegenden Leitsätze erstrecken sich nur aä die Strafanstalten
im engeren Sinne. Als solche bestehen in Bayern derzeit 7 Zucht¬
häuser, 8 Gefangenanstalten, 2 Arbeitshäuser (das in Kaisers¬
lautern ist seit diesem Ja^e aufgehoben) und das Strafvcdl-
streckungsgefängnis Stadelheim. Dieses wird mit Unrecht unter
den Strafanstalten anfgeführt, da der Dienst daselbst eigent¬
lich zur Tätigkeit des Landgericbtsarztes zu München I gehört;
nur weil mit Bücksicht auf den Umfang und die Bedeutung der
dem Hausärzte zukommenden Geschäftsaufgaben einerseits und die
große Entfernung des Gefäng^isgebäudes von den inneren Teilen
der Stadt anderseits die Vereinigung der Funktionen des Gefäng-
nisarztes und des Landgericbtsarztes ohne Beeinträchtigang der
einen oder anderen Sparte nicht durchführbar erschien, wurde
seinerzeit ein eigener Hausarzt aufgestellt. Veränderungen be¬
züglich der Zahl der Strafanstalten werden sich in nächster Zeit
dadurch ergeben, daß die Zuchthäuser Wasserburg und Würzbnrg
im nächsten Jahre aufgelassen werden und zwei neue Gefangen¬
anstalten, zu Landsberg und Aicbach, im Bau begriffen sind.
An den jetzt vorhandenen 18 Strafanstalten wirken 17 Amts¬
ärzte, da der Hausarzt der Gefangenanstalt St. Georgen zugleich
im dortigen Arbeitshause den Dienst versieht. Bei dmn Zucht-
hause Wasserburg und dem Arbeitshause Rebdorf wird der hans-
ärztliche Dienst von den Bezirksärzten bei den Bezirksämtern
Der amtsärztliche Dienst in Bayern.
69
Wasserborgf und Eichstädt besorgt. Im Haaptamte sind sonach
15 Strafanstaltsärzte tätig; 5 von ihnen sind noch ni<dit prag¬
matisch angestellt, von den 10 zn Bezirksärzten I. Klasse ernannten
befinden sich 2 in der I., 4 in der II., 1 in der III., 2 in der IV.
and 1 in der VI. Glehaltsklasse. Was die öffentlichen Neben-
stellnngen anlangt, so sind je 2 als Erankenhans- and Armenärzte
tätig, 6 sind Bahnärzte in kleineren Bezirken and 1 ist als be¬
zirksärztlicher Stellvertreter angestellt. Privatprazis in nennens¬
wertem Umfange zu treiben, ist nar einigen wenigen AnstsJts-
ärzten möglich; der ärztliche Dienst maß mit Rücksicht anf die
Haasordnang and den Anstaltsbetrieb regelmäßig vormittags, meist
zn bestimmten Standen vorgenommen werden and erfordert anch
bei den kleineren Anstalten einschließlich des Hin- and Rückweges
mindestens 2 bis 3 Standen, bei den größeren den ganzen Vor¬
mittag and anch noch Teile des Nachmittags. Hierzu kommen die
Zeit für die Anfertigung der Berichte and Gutachten, sowie ein
zweimaliger Besuch bei besonderem Anlasse, außerdem die regel¬
mäßigen Besache aller Gefangenen in Einzelhaft (mindestens ein¬
mal im Monat, bei Jugendlichen wenigstens zweimal monatlich)
and die Teilnahme an den Beamtenkonferenzen. Drei Hansärzte
besorgen als die einzigen ortsansässigen Aerzte auch die Praxis
in der ümgebang; in den mittleren and großen Städten bröckelt
die Privatprazis immer mehr ab, da das Pablikum solche Aerzte,
die ihm nicht immer zur Verfügang stehen and jeden Tag stun¬
denlang anderweitig beansprucht sind, nicht gerne nimmt. Ganz
ausgeschlossen ist eine Privatprazis da, wo der Arzt eine Dienst¬
wohnung in der weit außerhalb der Stadt gelegenen Anstalt inne
hat. Eine Dienstwohnung, teils fi'ei, teils gegen Abzug des Woh-
nungsgeldzoschasses, haben 5 Hausärzte; in einer weiteren An¬
stalt wird sie im Laufe des Jahres bezogen.
Stellung und Tätigkeit der Strafanstaltsärzte haben in den
letzten Jahrzehnten wesentliche Aenderungen erfahren; sie sind
nicht mehr zu vergleichen mit den Verhältnissen in der Mitte
des vorigen Jahrhunderts — von früheren Zeiten gar nicht zu
reden —; sie haben dieselben Wandlungen durchgemacht wie das
ganze Strafvollzugswesen, das auch beeinfiußt wird von der Kultur¬
stufe einer Zeitperiode und ein getreues Abbild derselben dar¬
stellen kann. Stand früher unter den Theorien des Strafrechts
das Vergeltungsprinzip im Vordergrund, so besteht jetzt die Auf¬
gabe der Strafvollstreckung hauptsächlich darin, den Gefangenen
zu bessern; er soll zwar mit fühlbarer Strenge, aber vor allem
gerecht und menschlich behandelt werden. Hatte man früher als
Strafanstalten nur alte Bargen, Schlösser und Klöster, so fing
man am Ende der 60 er Jahre an, eigene zum besonderen Zweck
des Strafvollzugs dienende Anstalten zu bauen; das erste war
das Zellengefängnis in Nürnberg, dann folgten die Ge&ngenanstalt
Niederschönenfeld, die Strafvollstreckungsgeföngnisse in München-
Stadelheim und Nürnberg und die Anstalt in Straubing. GÜdt
früher der Strafvollzug als minder vornehm wie die Strafre^ts-
pfiege, Uinlich wie lange Zeit der Train beim MUitär, und ge-
70
Dr. Becker.
Hessen die doch anch ans der joristischen Laufbahn hervor*
gegangenen Strafanstaltsbeamten weniger Ansehen als die Richter,
so hat bei dem großen Interesse, das £e Staatsregiening nnd anch
die weite Oeffentlichkeit hieran nehmen, der Strafvollzug jetzt
eine höhere Bedentong erlangt; es werden die DirektorsteUen
mit hervorragenden, bestqoaliftzierten Juristen besetzt Wie die
soziale Bewegong der letzten Jahrzehnte überall hnmanitftre Bin-
richtnngen schuf and jeder einzelnen Persönlichkeit mehr Berück*
sichtigung und Schatz ihrer Rechte angedeihen ließ, so haben auch
die Zastände in den Gefängnissen eine Verbesserang nach allen
Richtungen erfahren und an die Stelle der schablonenmäßigen
Behandlung ist die Individualisierung, die Bedachtnahme auf die
Gesamtheit der persönlichen Eigenschaften des einzelnen Ge&ngenen
getreten. Der nachteilige Einfluß, den die Strafvollstreckung unter
Umständen auf die körperliche und geistige Gesundheit, sogar «if
das Leben der Gefangenen aasüben kann, wird nicht m^ als
etwas Unvermeidbares hingenommen, sondern es wird nach Kräften
das zu verhüten und aaszugleichen gesucht. Wie in den Schalen
und beim Militär, so wird auch in den Gefängnissen den hygieni¬
schen Forderungen Rechnung getragen, die Gesundheitspflege bildet
eine wichtige Aufgabe der Strafvollstreckung. Nach der Verord¬
nung vom 20. September 1907, die Hausordnung für die bayeri¬
schen Strafanstalten betr., ist bei der Behandlung der Gefangenen
auch davon auszugehen, daß jeder Gefangene bei der Rü^ehr
in die Freiheit sich tunlichst in einem Gesundheitszustände beflnden
soll, der ihn in den Stand setzt, sich durch regelmäßige Arbeit smnen
Unterhalt zu verdienen; ist ein Gefangener nicht gesund, so soll
auf seinen Zustand jede Rücksicht genommen werden, die mit den
Zwecken der Strafvollstreckung und der Aufrechterbaltang der
Ordnung und Disziplin in Einklang gebracht werden kann. Dem¬
entsprechend hat die gefängnisärztliche Tätigkeit nicht nur an
Umfong zugenommen, sie ist auch eine intensivere und verant¬
wortungsvollere damit geworden, daß dem Hausärzte nicht nur
die Behandlung der kranken Gefangenen obliegt, sondern auch
die gesundheitliche Fürsorge für den einzelnen nach den ver¬
schiedenen Richtungen und die Wahrnehmung der Hygiene des
Gefängnisbetriebes. Die vorgenannte Verordnung weist dem Haus¬
ärzte ein großes Gebiet der Betätigung zu nnd gliedert ihn als
einen wichtigen Faktor den StrafvoUstreckungsbehörden an.
Dementsprechend] sollte anch die äußere Stellung gehoben
und mit den Dienstleistungen das Giehalt in Uebereinstimmnng
gebracht werden, dieses ist aber bei den jetzigen VerhUtnissmi
ungenügend und;'! geringer als in anderen Bundesstaaten. Es ist
auch schon im bayerischen Landtage der Wunsch nach einer Er¬
höhung ausgesprochen und das Bedürfiiis hierzu von höchster
Stelle anerkannt worden.
Gleichmäßige Vorschläge in dieser Richtung zu machen, be¬
gegnet einigen Schwierigkeiten, weil die Verhältnisse bei den
einzelnen Stralimstalten verschiedenartig gelagert sind. Das macht
sich schon hinsichtlich der örtlichen Lage geltend; einzedne An-
\
Der amteSrzUiche Dienst in Bayern.
71
stalten lie/i^en innerhalb der Stadt und sind leicht erreichbar^
andere anßerhalb derselben, von der Wohnung des Hausarztes
mehr oder minder weit entfernt, was die Benützung von Fuhr¬
werk und größere Zeitversänmnis bedingt. Die durchschnittliche
Belegziffer weist erhebliche Verschiedenheiten auf; bei der
kleinsten Anstalt, dem Zuchthause Wasserburg, betrug sie im
Jahre 1903 nur 104, in Straubing dagegen 920 und in Amberg
sogar 1193. Dadurch daß in einzelnen Anstalten nur längere, in
anderen kürzere Strafen zu verbüßen sind, erfolgt in den letzteren
bei gleichem Durchschnittsbestand ein öfterer Wechsel der
sassen. ln einigen Anstalten erreicht daher die Gresamtzahl der¬
selben in einem Jahre noch nicht das Doppelte des Durchschnitts*'
bestandes, in anderen das Vierfache, in Stadelheim sogar das
Vierzigfache; der Gesamtbestand im Jahre 1903 bezifferte sidü
in den zwei kleinsten Anstalten nur auf 184 und 242, dagegen
in Straubing auf 1733, in Amberg auf 2846 und in Stadelheim
auf 17928. Für die Tätigkeit des Hausarztes ist der stete
Wechsel der Gefangenen von erheblicher Bedeutung. Daneben
fällt aber auch noch das gesundheitliche Material ins Gewicht.
Während in das Zellengefängnis Nürnberg nur zum erstenmal
bestrafte, gesundheitlich gewissermassen ausgesuchte Gefangene
eingeliefert werden, müssen die anderen Anstalten die Gefangenen
ohne eine solche Auswahl aufiiehmen; hierunter befinden sich auch
körperlich und geistig heruntergekommene Individuen, tuberkulöse,
gebrechliche und alte Leute. Diese beanspruchen natürlich in
erhöhtem Maße eine ambulatorische und Spitalbehandlnng. Dem¬
entsprechend bewegt sich der durchschnittliche tägliche Kranken¬
stand bei den kleineren Anstalten zwischen 10 und 20, bei den
größeren zwischen 30 und 60.
Bei dieser Verschiedenartigkeit der Verhältnisse wird man
natürlich davon absehen müssen, bezüglich der Gehaltsfrage ein¬
heitliche Vorschläge für alle Anstaltsärzte zu machen. Es kann sich
nur darum handeln, eine gleichmäßige Grundlage, also gewisser¬
maßen Mindestforderungen aufznstellen und daneben für die ein¬
zelnen großen Anstalten Nebenbezüge in entsprechender Höhe
vorzusehen.
Einheitlich dürfte sich jedenfalls das Anfangsgehalt bei Ein¬
tritt in den Strafänstaltsdienst gestalten lassen. Derselbe war
bisher bei den einzelnen Anstalten verschieden und betrug 1200,
1400, 1440, 1500 und 1800 Mark, während mit der Ernennung
zum Bezirksazrte I. Klasse das Gehalt gleichmäßig auf 1980 M.
normiert wurde. Das Gehaltsregulativ vom 11. Juni 1892 sieht
zwar auch eine Gehaltsstufe von 1620 M. für Bezirksärzte II. Kl.
bei den Strafanstalten vor, jedoch wurde, soweit erinnerlich, noch
kein solcher ernannt. Es möchte sich daher empfehlen, diese
Verschiedenartigkeit des Fanktionsbezuges zu beseitigen und
das Anfangsgehalt bei allen Strafanstaltsärzten in
gleicher Höhe festzusetzen, wie auch bei den Bezirks-und
Landgerichtsärzten.
Eine Ungleichheit besteht bisher auch noch darin, daß die
72
Dr. Becker.
pragmatischen Rechte erst nach einer yerschieden langen JMeost-
zeit verliehen werden. Nor der Hausarzt bei dem Zälengefän^-
nisse in Nürnberg wird gleich pragmatisch angestellt, die übi^en
erst mit der Ernennung zum Bezirksarzt L Klasse nach einem
Zeiträume von früher 10, zuletzt durchschnitüich 5 Jahren. Im
vorigen Jahre kam es zum ersten Male vor, daß ein Strafanstalts-
arzt bereits nach 4 Monaten seine Ernennung als Bezirksarzt 1. KL
erhielt. Das unterstützt jedenfalls die Annahme, daß das Justiz-
ministerinm selbst eine frühere pragmatische Anstellung als ge¬
rechtfertigt und notwendig betrachtet, und läßt der Hofinnng Baam,
daß dieses dem Anträge, daß die pragmatischen Rechte
schon gleich mit der Anstellung als Stratanstaltsarzt
erworben werden, wohlwollende Würdigung und Erfüllung ange¬
deihen lassen wird. Das Aufsichtspersonal erwirbt Pensionsreehte
bereits mit der Anstellung, die Hausärzte dürften in dieser Hinsicht
nicht schlechter gestellt sein. Bei Genehmigung unseres Antrages
würden sie früher eine höhere Gehaltsklasse erreichen; es würden
sich dann auch, da die in der Funktionsstellnng zuzubringenden
Dienstjahre zur Berechnung kommen werden, die Pensionsbezflge
für sie und ihre Hinterbliebenen verbessern. Da das künftige Be¬
amtengesetz die Unterscheidung zwischen pragmatischen und nicht¬
pragmatischen Beamten beseitigen soll, wird dieser Antrag wohl
dadurch zur Erfüllung gelangen.
Was nun die Höhe des Gehaltes anlangt, so beziehen die
Bezirksärzte I. Klasse bei den Strafanstalten das gleiche Anfangs¬
gehalt wie die Bezirksärzte I. Kl. bei den Distriktsverwaltungs¬
behörden, nämlich 1980 Mark; der Hausarzt bei dem Zellen¬
gefängnisse in Nürnberg erhält das Gehalt eines Landgerichts-
arztes mit anfänglich 2340 M. Die Vorzugsstellung Nürnbergs
macht sich auch anderweitig bemerkbar. Bezüglich des Siaft-
systemes, Einzel- oder Gemeinschaftshaft, besteht jetzt kein
so großer Unterschied mehr wie früher zwischen den einzelnen
Anstalten, so daß der dienstliche Betrieb an sich an den Haus¬
arzt in Nürnberg wohl kaum höhere Anforderungen stellt als
anderwärts. Außerdem ist das Zellengefängnis nach seinem
durchschnittlichen und Gesamtbestande an Detenten nur den mittel¬
großen Anstalten zuzuzählen, und bei der gesundheitlichen Auslese
der Gefangenen werden an den anderen Anstalten die Hausärzte
eher mehr beschäftigt sein. Es dürfte daher nur billig erscheinen,
alle im Hauptamte beschäftigten Strafanstaltsärzte
im Gehalte dem Hausarzte beim Zellengefängnisse
in Nürnberg gleichzustellen. Sollte das neue Beamten¬
gesetz hier eine Gehaltserhöhung bringen, so sollte diese selbst¬
verständlich auch den übrigen Strafanstaltsärzten zngewendet
werden.
Die vorgeschlagene einheitliche Normierung des Gehaltes
wird noch nicht allen Ungleichheiten völlig gerecht, sie wird bm
den großen Anstalten dem Umfange der Dienstleistungen noch
nicht ganz entsprechen. Zum Ausgleiche der Verschiedenheiten
bei den einzelnen Anstalten und zur Erreichung einer dem Dienst-
Der amtsarztliehe Dienst io Bayern.
73
umfange angemessenen Besoldung möge daher den Strafanstalts-
ärzten außer den bisherigen nichtpragmatischen Gehaltszulagen,
die ftbrigens durch das Beamtengesetz in Wegfall kommen soUen,
noch nichtpensionsfähige Nebeneinkommen gewährt werden.
Soweit solche bisher bereits bewilligt waren, könnten sie auch
künftig yerbleiben und bei Bedarf auf andere Anstalten aus¬
gedehnt werden. Bei größerer Ortsentfernnng der Anstalt von
der Wohnnng des Hausarztes könnte eine Entschädigung der Ans¬
lagen für Beförderungsmittel bewilligt werden, wie dies bisher
bei drei Anstalten der Fall war (der Bezirksarzt in Eichstätt,
der den Dienst im Arbeitshause Bebdorf versieht, wird durch An¬
staltsfuhrwerk unentgeltlich befördert); es könnte bei der Fest¬
setzung auch die Zeitversäumnis durch den täglichen'Hin- nnd
Herweg zur Berücksichtigung kommen. Außerdem ließe sidi bei
der Führung einer eigenen Hausapotheke eine Entschädigung für
die damit verbundene besondere Mühewaltung gewähren, wie dies
bei zwei Anstalten bisher der Fall war. ScUießlich könnte bei
depjenigen Anstalten, welche durch den großen Umfang des
Dienstes die volle Arbeitskraft des Hausai’ztes beanspruchen, da¬
durch einen Nebenerwerb durch Privatpraxis erheblich einschränken
oder durch ihre exponierte Lage, namentlich wenn der Hausarzt
in der abgelegenen Anstalt eine Dienstwohnung innehat, eine
Privatpraxis ganz unmöglich machen, eine Dienstesznlage in ent¬
sprechend abgestnfter Höhe bewilligt werden. Spezielle Vorschläge
zu machen, wie dies bei den einzelnen Anstalten gehalten nnd
welche der vorgenannten Modalitäten jeweils den Vorzug verdient,
soll heute nicht erörtert werden, sondern der Initiative der
Hausärzte überlassen bleiben. Der Medizinalbeamtenverein sollte
lediglich anssprechen, daß auf die eine oder andere Art je
nach Lage der Verhältnisse ein billiger Ausgleich geschaffen
werden möge.
Eine Vollbeschäftigung nnd Vollbesoldnng ließe sich an
einigen Orten vielleicht dadurch ermöglichen, daß der ortsansässige
Bezirks- oder Landgerichtsarzt bei Erledigung der Stelle mit der
Wahrnehmung des gefängnisärztlichen {Dienstes) betraut würde.
Dies hätte nach mancher Seite hin seinen Vorteil,Ui6i^6 sich jedoch
nur bei kleineren Amtsbeziiken und kleinen bis mittelgroßen
Strafanstalten durchführen. Nach einem preußischen Ministerial¬
erlasse vom 20. Januar 1890 sollen bei Besetzung der remune¬
rierten Stellen der Straf- oder Gefangenanstaltsärzte die am Orte
wohnenden Medizinaibeamten in erster Linie nnd vorzugsweise
berücksichtig werden.
Bezüglich des Begieaversums für"die Strafanstaltsärzte, sowie
der Entschädigung der Kosten für die SteUvertretnng im Urlaube
wird am Schlüsse im Zusammenhange^mit ,den übrigen Amtsärzten
die Bede sein.
Die Strafanstaltsärzte werden bei der ^pragmatischen An¬
stellung zu Bezirksärzten I. Klasse ernannt und führen auch diese
amtliche Bezeichnung, jedoch kein Dienstsiegel mitJAus-
nahme des Hausarztes bei dem StrafvoUstrecknngsgefftngnisse
74
Or. Becker.
Stadelheim. Dieser Titel erscheint insofern unzntreffend, da sie
nicht amtliche Aerzte eines Verwaltnngsbezirkes sind nnd da hier-
dnrch Verwechslnng^n beim Pnbliknm mßglich sind, als sei der
Bezirksarzt bei der Strafanstalt auch für ärztliche Verwaltnngs*
geschäfte der zoständige Öffentliche Arzt. Jeder Staatsbeamte
sollte den Titel fähren, der seine dienstliche Stellung kennzeichnet,
der amtliche Arzt an einer Strafanstalt also den als „Strafanstalts-
arzt” oder als „Hausarzt“, wie er auch in der neuen Verordnnng
fiber die Hansordnnng für die bayerischen Strafanstalten durch*
gehende genannt wird. Dieser Antrag darf nicht entfernt als eine
Animosität gegen die Strafanstaltsärzte gedeutet werden, wie
wenn sie den Bezirksärzten nicht ebenbürtig seien. Um dies za
▼ermeiden, möchte bei dieser Titeländemng ansdrttcklich ans¬
gesprochen werden, daß die Strafanstaltsärzte im Bange den Be¬
zirk- nnd Landgerichtsärzten gleichstehen.
Der letzte Antrag dieses Abschnittes geht daraufhin, es
möge den Strafanstaltsärzten der Uebertritt in den
bezirks- nnd landgerichtsärztlichen Dienst offen
stehen nnd keinesfalls erschwert werden. Veranlaßt
ist dieser Antrag dadurch, daß bis rör einigen Jahren die Ver*
setzongsgesnche von Strafanstaltsärzten auf andere amtsärztlidie
Stellen regelmäßig nnberttcksichtigt blieben. Dieselben wandten
sieh daher in einer wohlmotivierten Eingabe an das Vorgesetzte
E. Staatsministerinm der Justiz mit der Bitte, die vorgebrachten
Urflnde würdigen nnd dem Staatsministerinm des Innern znr
wohlwollenden Erwägung nnd Berücksichtigung znleiten zn wollen,
daß den Strafanstaltsärzten wie in früheren Zeiten unbenommen
sein soll, gleichzeitig mit ihren Eonknrsgenossen nnd unter der
Voranssetznng der Erfüllnng aller sonst an die Kandidaten für
den ärztlichen Staatsdienst zn stellenden Anforderungen sich mit
Anssicht anf Erfolg um Anstellung im Dienste des Staats-
ministerinms des Innern zn bewerben. Dasselbe verhielt sich
entgegen der Befürwortnng des Jnstizministerinms bezüglich der
pragmatischen Strafanstaltsärzte prinzipiell ablehnend. Wie in
der Jnstizministerialentschließang vom 18. Febmar 1903, die An*
stellnngsverhältnisse der bayerischen Strafanstaltsärzte betreffend,
mitgeteilt wurde, macht das Staatsministerinm des Innern bezüg¬
lich der noch nicht pragmatisch angestellten Strafanstaltsärzte
keine Schwierigkeiten, dieselben werden nach denselben Gmnd*
Sätzen wie die praktischen Aerzte zur Anstellung gelangen, da¬
gegen erklärte es, zwar nicht zn beabsichtigen, die pragmatisch
angestellten Strafanstaltsärzte als Bewerber nm Bezirks- oder
Landgerichtsarztstellen grnndsätzlich nicht zn berücksichtigen, es
verhehle hierbei aber nicht, daß deren erfolgreidie Bewerbnngen
wegen der angeführten Schwierigkeiten künftig eben so selten
sein dürften, wie in den letzten 20 Jahren (seit 1886 batte bis
dahin eine Versetzung nicht mehr stattgefnnden, obwohl Gesndie
Vorlagen). In den letzten Jahren worden nnn ein nichtpragmati¬
scher Strafanstaltsarzt als Bezirksarzt, nnd je ein pragmatisch
angestellter als Bezirksarzt nnd Landgerichtsarzt übeniommmL
Der amtsärztliche Dienst in Bayern.
75
Man könnte daher der Meinung sein, daß der obige Antrag offene
Tflren einstoße. Das ist mOgUeh, aber noch ni<^t sicher; denn
die inzwischen vorgekommenen Versetzungen können zu den an-
gedeuteten seltenen Ausnahmen gehören und beweisen noch
nicht ein Auigeben des bisherigen Standpunktes; denn es soll
noch in diesem Jahre einem Bewerber von hoher Stelle bedeutet
worden sein, die prinzipielle Anschannng sei noch die gleiche
wie Mher.
Wflrde die Uebeiiiahme eines Strafanstaltsarztes auf den
Posten eines Landgerichts- oder Bezirksarztes davon abhängig
gemacht, daß er noch nicht pragmatisch angestellt ist, so könnte
hierdurch seine wirtschaftliche Existenz erheblich geschädigt
werden; um die Anwartschaft nicht zu verlieren, wflrde er in der
geringer besoldeten, einer Erhöhung nicht zugänglichen und mit
Pensionsrechten nicht ansgestatteten Funktionsstellnng bleiben
und auf die pragmatische Anstellung verzichtmi mflssen. Mit dem
neuen Beamtengesetz verschwindet der Unterschied zwischen den
beiden Kategorien von Beamten, und es ist ungewiß, welche
Stellung dann das Staatsministerinm des Innern in dieser I^kge
einnehmen wird.
Mit der Ernennung zum Bezirksarzte I. Kl. hatten bisher
die meisten Strafanstaltsärzte ihr Lebensziel noch nicht erreicht;
mit der Versetzung auf anderweitige Amtsarztposten strebten sie
nicht nur einen erweiterten Wirkungskreis und ein höheres Ein¬
kommen an, sondern sie wollten auch för ihre Familie und be¬
sonders die Erziehung der Kinder besser sorgen, da sich die
wenigen Strafanstaltsposten in den größeren Städten nur gelegent¬
lich erledigen. Wflrde den Strafanstaltsärzten der Uebertritt
prinzipiell verwehrt und das gewisse mit der Versetzung verbun¬
dene Avancement, das jedem anderen Amtsärzte offen steht,
abgeschnitten werden, so könnte ihre Stellung an Ansehen und
Wertschätzung verlieren, um so mehr, als solche Posten den qua¬
lifizierten praktischen Aerzten zugänglich sind. Es könnte nicdit
nur beim Publikum, sondern auch bei Behörden die Meinung
sieh bilden, daß die Strafanstaltsärzte hinter den übrigen Amts¬
ärzten und auch den praktischen Aerzten znrflckstehen. Der Zu¬
gang tflchtiger Aerzte zum Stra&nstaltsdienst wflrde damit sicher
gemindert.
Das Staatsministerium des Innern hat seine ablehnende
Stellung damit begrflndet, daß ein pragmatisch angestellter Straf¬
anstaltsarzt, der mit einem Bezirksarzte gleichen Lebensalters
um eine gute Amtsarztstelle konkurriere, in der Regel schon auf
einer höheren Gehaltsstufe stehe als dieser, und daß es daher
nicht billig sei, dem geringer besoldeten Bezirksarzte das Vor-
rflcken auf eine bessere Stelle nicht zu gewähren zugunsten des
besser besoldeten Strafanstaltsarztes. Hierzu dürfte bemerkt
werden, daß auch bei einem kleinen Bezirksamte der Bezirksarzt
durch die amtlichen Nebeneinkommen (Tmpfong, Zeugnisse, Tage¬
gelder usw.) sich doch immer besser stellt, als der Strafanstalts¬
arzt in der II. oder m. Gehaltsklasse. Richtig ist, daß die
76
Dr. Becker.
StraUoBtalUirzte darehsclmittlich etwas früher als die Becirks-
ärzte die pragmatische AoBtellanf erreichen; das dürfte Mha
keinen 6nind bilden, ihnen die Bewerbongmüglichkeit ganz zn ver¬
sagen oder so sehr zn erschweren. Sie bitten ja auch nnr dämm,
gleicbzeitig mit ihren Kookorsgenossmi berücksichtigt zn werden,
üebrigens sollte, wovon später noch die Bede sein wird, nicht die
Anziennität, sondern die besondere Befähigung bei der Auswahl
der Bewerber den Ansschlag geben.
Weiter hat das Staatsministerinm des Innern angeführt, daß
die pragmatisch angestellten Stra^staltsärzte, wenn sie schon
höhere Gehaltsstnfen erreicht haben, sich nicht nm sogenannte
Anfangsstellen mit beschwerlichem Dienste nnd geringem Neben¬
einkommen, sondern um einträglichere Stellen bewerben, daß aber
die dienstlichen Verhältnisse der größeren Stellen die Anstellung
eines im amtsärztlichen Dienste erfahrenen nnd erprobten Amts¬
arztes verlangen, als welcher ein Strafanstaltsarzt trotz längerer
Dienstzeit nicht erachtet werden kann. Das klingt etwas be¬
fremdlich, nachdem an gleicher Stelle die große Bi^entnng des
Strafanstaltsdienstes gewürdigt wird, üebrigens lernt der Stni-
anstaltsarzt eine Reihe von geistig Minderwertigen nnd pathologi¬
schen Charakteren kennen; er hat über die verschiedenartigen
körperlichen Znstände Berichte nnd Gutachten zn erstatten nnd
bei der Handhabung der Gesundheitspflege in einer großen An¬
stalt bis ins kleinste Detail mitznwirken. £!r erwirbt sich da¬
durch mannigfache Kenntnisse, die nicht jeder Arzt sich aneignea
kann, nnd eine Gewandtheit im Verkehr mit Behörden. Der ge¬
fängnisärztliche Dienst könnte daher sogar als eine Art Vorsehole
für den amtsärztlichen, namentlich den landgerichtsärztUcben
Dienst gelten.
Hoffen nnd wünschen wir, daß die Anträge znr Verbessemng
der Lage der Straianstaltsärzte bei der K. Staatsr^emng eine
wohlwollende Würdigung Anden mögen! Es würde hierdurch ihre
Stellung nach außen hin gehoben entsprechend ihrer Bedentnng.
Betrachtet doch das Staatsministerinm des Innern die Straianstalts¬
ärzte als „die praktischen Vertreter einer ärztlichen Spezialdis¬
ziplin, die der wissenschaftlichen Ansbildnng ebenso fähig wie
bedürftig ist nnd ihren Vertretern geistige Anregung in Hülle
nnd Fülle bietet*. Außerdem würden diese Stellen mehr gesucht
nnd geschätzt, die Dienstfrendigkeit und der Diensteifer gehoben
werden, wenn die mühe- and verantwortnngsvoUe, auch mit
manchen Entbehrungen verbundene Tätigkeit in einer höheren
Besoldung ein Aequivalent erhielte. Wenn eine Art Avancement
innerhalb des Strafanstaltsdienstes durch Versetzung auf Stellen
mit größeren NebenbezUgen geschaffen werden könnte, würden
die Stellen der Strafanstaltsärzte nicht wie bisher hänflg nur als
Anfangs- oder Dnrchgangsposten, sondern als Stellen dauernder
wissenschaftlicher und praktischer Betätigung gelten.
Es decken sich also bei den vorliegenden Anträgen die per¬
sönlichen Interessen der Strafanstaltsärzte vollständig mit denen
der Justizverwaltung.
l
77
Der amtsKrstUohe Dienet in Bajem.
TI. Der ftrztUehe Dienst bei den Gerichtsbehörden.
L Förderung der gerichtlich* medizinischen Wissenschaft
nnd praktische Ansbildnng in derselben. Bei dem nächsten
größeren Abschnitte, der sich mit dem ärztlichen Dienst bei den
Erichtsbehörden befaßt, finden Sie zunächst zwei Anträge hin¬
sichtlich der wissenschaftlichen Vorbildung der bayerischen Ge¬
richtsärzte. Behufs Förderung der gerichtlich-medizinischen
Wissenschaft nnd der praktischen Ausbildung in derselben soll
der Eönigl. Staatsregiernng die Bitte unterbreitet werden, es
mögen an den drei Landesuniversitäten gerichtlich¬
medizinische Institute errichtet werden.
Unser Nachbarstaat Oesterreich, wo unter Maschka,
von Hofmann nnd ihren würdigen Nachfolgern die gerichtliche
Medizin überhaupt eine hervorragende Stellung einnimmt, besitzt
hierfür gut eingerichtete Institute an jeder Universität. In
Deutschland waren die Verhältnisse lange Zeit nicht befriedigend;
erst in den letzten Jahren ist auch hier ein bedeutender Schritt
nach vorwärts geschehen. Preußen ist auf diesem Gebiete voran¬
gegangen nnd besitzt jetzt außer der Unterrichtsanstalt für Staats-
arzneiknnde in Berlin gerichtsärztliche Institute in Bonn, Breslau,
Göttingen, Greifswald, Halle, Kiel, Königsberg und Marburg.
Sachsen hat ein neues Institut in Leipzig errichtet, Württemberg
besitzt ein solches in Tübingen, Baden in Heidelberg und für die
thüringischen Staaten dient das gerichtsäi ztliche Institut in Jena.
Bayern steht da leider weit zurück. In Erlangen ist nicht einmal
ein Lehrstuhl für gerichtliche Medizin errichtet; in Würzbnrg nnd
München bestehen zwar außerordentliche Professuren, aber ein
Institut ist nirgends vorhanden. Um die Anlegung kleiner gerichts-
ärztlicher Sammlungen haben sich zwar die Herren Fachvertreter
bemüht, doch reichen diese für Unterrichtszwecke keineswegs ans.
Es haben deshalb schon im Jahre 1902 sämtliche bayerische Aerzte-
kammern die einmütige Bitte der Eönigl. Staatsregiernng unter¬
breitet, im nächsten Etat die Mittel für Errichtung von gerichtlich¬
medizinischen Instituten an den drei Landesuniversitäten bereit-
znstellen. Dieser berechtigte Wunsch ist leider noch nicht erfüllt
worden; eine Vertröstung brachte der Ministerialbescheid vom
16. Mai 1903, daß dieser Antrag dem E. Staatsministerium des
Innern für Kirchen- nnd Schnlangelegenheiten, sowie dem der
Justiz zur Würdigung mitgeteilt worden sei. Im vorigen Jahre
hat nun der Referent der Reichsratskammer, Herr Reichsrat
V. Auer, diese Frage berührt nnd der Enltnsminister Herr Dr.
V. W e h n e r hierauf erwidert:
.Das erstrebenswerte Ziel sei die Scbaffong eigener Institute ftlr gericht¬
liche Hedisin. Zurzeit sei der Professor bald im anatomischen, bald im patho¬
logisch-anatomischen und im hygienischen Institute zu Gast, er müsse sich
diäurch zersplittern, was auf die Dauer unerträglich sei. Bisher habe an die
Errichtung eines solchen Institutes auch in München nicht herangetreten werden
können, da gerade für diese ünirorsität, insbesondere die medizinische Fakultät
viele grofie, vordringlichere Baubedürfiüsse bestanden. Wenn aber einmal die
dringendsten Bedüruisse befriedigt seien, werde man wohl die Errichtung von
InstUuten für gerichtliche Medizin ln die Wege zu leiten haben.*
78
Dr. 6«eker.
4
Bei dem Neabaa des großen Anatomiepalastes in Ifflndia
hätte sieh vielleicht doch noch ein bescheidener Platz daffir er¬
übrigen lassen; die Kosten hätten sich dabei auch erheblidi
niedriger gestellt, als bei einem eigenen Nenban oder bei der
Adaptierung eines frei werdenden medizinischen Institates. Für |
eine räumliche Angliedemng des gerichtlich medizinischen Instituts 1
an das anatomische and das pathologische sprechen außer hjgieoi- i
sehen anch finanzielle und wissenschaltliche Gründe; die Betriel»-
kosten verbilligen sich, wenn die Leichenaufbewahmngs- und
Aasstellungsräume gemeinsam benutzt werden können; das wissen- «
schaftlich wertvolle Material läßt sich besser ausnützen. Finden
sich bei einer gerichtlichen Sektion wichtige krankhafte Organ- j
Veränderungen, so können diese auch im pathologischen Institute
zu Demonstrationszwecken dienen und umgekehrt; es können anch
die einzelnen Sammlungen und Bibliotheken sich gegenseitig bei
wissenschaftlichen Forschungen und für Unterrichtszwecke er¬
gänzen.
Die neuen Landtagsvorlagen enthalten nun leider kein Postulat
für die Errichtung gerichtlich-medizinischer Institute. Es ersdieint
daher zweckmäßig und notwendig, daß der fürhere Antrag unserer
Aerztekammem auch vom bayerischen Medizinalbeamtenverein
aufgenommen und neuerdings der K. Staatsregierang unterbreitet
wird. Es geht der gerichtlichen Medizin genau ebenso wie anderen
medizinischen Spezialfächern; es fällt ihnen nichts von selbst in
den Schoß, sie müssen jahrelang ans sich heraus arbeiten und mit
angestrengten Kräften ringen, bis sie im Gesamtgebiete der Medizin
die verdiente Anerkennung, Berücksichtigung und Stellung finden.
Wie lange hat es trotz Pettenkofer gedauert, bis jede Uni¬
versität ihr hygienisches Institut und eine ordentliche Professnr
für dieses Fach bekam.
Das BedürMs nach einer gründlicheren gerichtlich-medi¬
zinischen Schulung machte sich schon lange bei den Aerzten fühl¬
bar, hervorgegangen aus dem Gefühle der Verantwortung, das
keinen Sachverständigen verläßt, zumal bei wichtigen Verhand¬
lungen, bei denen Ehre, Stellung, Freiheit oder gar das Leben
eines Mitmenschen auf dem Spiele stehen. Aber auch von anderer
Seite wurde schon auf diese Lücke in der Ausbildung der prakti¬
schen und amtlichen Aerzte hingewiesen. Man hört und liest
zuweilen — zum Glück nur selten —, daß die zuerst in Tätigkeit
getretenen Sachverständigen den Tatbestand ungenau oder unvoll¬
ständig erhoben, einzelne unscheinbare, aber kriminalistisch wich¬
tige Nebenumstände außer Acht ließen, sich durch Voreingenommen¬
heit leiten ließen, etwaige Befunde falsch deuteten und damit die
weitere Untersuchung verzögerten, erschwerten, in falsche Bahnen
lenkten oder ganz unmöglich machten. An die Zeitungsberichte
über große sensationelle Prozesse knüpft sich manchmal, nicht
immer mit Recht, ein abfälliges Urteil über die Gutachten der
Sachverständigen an; ja schon „Justizmorde* hat man ihnmi zur
Last gelegt.
Für unsere Rechtspfiege ist eine gute, gerichtlich-medizinische
1
Der untsIrztUohe Dienst ln Bajera.
79
Ansbildong aller Aerzte deshalb von so außerordentlicher Wichtig¬
keit, weil nach der Straf- and Zivilprozeßordnang zwar in der
Regel d&c öffentlich bestellte Sachverstftndige, der amtliche Arzt,
zar Gatachtert&tigkeit heranzaziehen ist, andere Personen nar
dann, wenn besondere Umstände es erfordern, der Richter aber
anch jeden praktischen Arzt als Sachverständigen wählen kann
nnd dieser der , Ernennung“ Folge zu leisten hat. Unbedingte
Voranssetzong für jeden ärztlichen Sachverständigen müßte daher
die Kenntnis der einschlägigen Wissensgebiete sein. Leider ist
die Ansicht noch vielfach verbreitet, die gerichtliche Medizin sei
nichts anderes als angewandte Medizin und jeder gut aasgebildete
Arzt könne ohne Weiteres anch in forensischen Dingen jederzeit
seinen Mann stellen. Znzngeben ist, daß eine gründliche Ansbildnng
in pathologischer Anatomie, innerer Medizin, Chirurgie, Geburtshilfe
und Psychiatrie anch zur richtigen Beantwortung einer großen Reihe
gerichtsärzlicher Fragen befähigt und daß durch literarisches Stu¬
dium, durch öftere Beobachtung in der ärztlichen Praxis, gerichtlich¬
medizinische Kenntnisse sich erwerben und vertiefen lassen. Es
bleiben aber auch unter den letztgenannten Voraussetzungen noch
Fälle genug übrig, in denen eine allgemeine medizinische Bildung
nicht ausreioht, und nur derjenige Arzt die richtige Lösung finden
wild, der durch praktische Schulung oder langjährige Erfahrung
gelernt hat, die Ergebnisse der medizinischen Wissenschaft auf
die speziellmi Zwecke der gerichtsärztlichen Praxis anzuwenden.
Diesem Umstande haben die deutschen Bundesregierungen
bislang in der Weise Rechnung getragen, daß sie zunächst
wenigstens von denjenigen Aerzten, die später in den Staatsdienst
eintreten wollen, die Ablegung einer besonderen Prüfung ver¬
langten und sie hierbei auch einem schriftlichen, praktischen und
mündlichen Examen über gerichtliche Medizin unterstellten. Es
wurde ferner dafür Sorge getragen, daß bei den speziellen Vor-
bereitungskursen etwas für die Ausbildung in diesem Falle geschah,
wenn auch lange nicht in dem wünschenswerten Maße. Für die All¬
gemeinheit der approbierten Aerzte war es bisher höchst mangel¬
haft und die frühere ärztliche Prüfungsordnung vom 2. Juni 1883
behandelte die gerichtliche Medizin ganz stiefmütterlich. Erst
die neue Prüfungsordnung vom 28. Mai 1901 verlangt als Zu-
lassungsbedingung den Nachweis, daß der Kandidat eine Vor¬
lesung über gerichtliche Medizin gehört hat. Wenn dies auf die
Dauer auch noch nicht genügt und die Teilnahme an einem ge-
richtsärztlichen Praktikum zu fordern ist, so bedeutet es doch
einen wesentlichen Fortschritt. Um die ärztliche Prüfung nicht
zu sehr zu belasten und auszudehnen, wurde von der Einführung
einer besonderen Prüfung über gerichtliche Medizin zwar noch
abgesehen, jedoch ausdrücklich bestimmt, daß bei den einzelnen
Prüfungsfächern auch ihre Beziehungen zur gerichtlichen Medizin,
soweit solche vorhanden sind, nicht unberücksichtigt zu lassen
sind. Hieraus leitet sich von selbst für die klinischen Lehrer die
Verpfiichtung ab, noch mehr wie bisher die Studierenden bei ge¬
gebener Veranlassung auf die gerichtsärztlichen Beziehungen 1^-
zuweisen. Jeder Kliniker kommt im Laufe des Semesters hier
80
Dr. Beoker.
and da in die Lag^e, seinen ZahOrern anch forense FftUe vorzn*
fuhren, und er wird damit, wie ich ans meiner Studentenzeit
namentlich Ton der Win ekel sehen Klinik mich erinnere, immer
deren Interesse finden. Dieser Hinweis kann aber nur gelegent¬
lich stattfinden, da der Hauptzweck der Klinik auf anderem Ge¬
biete liegt, auf die Erkennung und Heilung von Krankheiten sich
richtet; am meisten noch können die forensen Beziehungen in dtf
psychiatrischen Klinik erörtert werden. Gerade die wichtigsten
Abschnitte der gerichtlichen Medizin, ich nenne nnr die gewalt¬
samen Todesarten, die Unterscheidung vitaler und postmortaler
Verletzungen, die Untersuchung von Blntspuren, Samenfiecken und
dergleichen, lassen sich in den Rahmen des klinischen Unterrichts
nicht einttt^en. Auch für die Unterweisung in der Gesetzeskunde
und der Rechtsprechung, soweit deren Kenntnis fflr den ämlidian
Sachverständigen notwendig ist, fehlt in der Klinik jede Ge¬
legenheit.
Der Unterricht in der gerichtlichen Medizin erfordert daher
nicht nur besondere Fachlehrer, sondern auch eigene, fttr diesen
Zweck besonders eingerichtetete Institute. Nur in einem solchen
kann er richtig erteilt werden; der Lehrer dieses Faches braucht
ein lustitut ebenso notwendig, wie der Professor der Chirurgie
eine Klinik oder jener der Chemie ein Laboratorium. Ohne hygieni¬
sche Institute hätte diese Wissenschaft sicher nicht den großen
Aufschwung genommen, und es hätten sich die Aufgaben der Öffent¬
lichen Gesun^eitspfiege nicht so leicht durchführen lassen. Ebenso
verlangen das allgemeine Rechtsbewnßtsein und die Reditspfiege,
daß Unterrichts- und Forschungsstätten der gerichtsärztlichM
Sachverständigkeit vorhanden sind. Wir müssen daher mit Nach¬
druck den Wunsch aassprechen, daß an jeder unserer drei
Landesuniversitäten gerichtlich-medizinische Institute errichtet
werden, und zwar sobald als möglich. Am vordringlichsten ist
dies jedenfalls für München, da hier die Zahl der Medizin-
studierenden am größten ist, die Vorbereitnngskurse für den ärzt¬
lichen Staatsdienst und die Prüfung selbst wohl auch in Zukunft hier
abgehalten werden. Diese Institute sollen zunächst als Pfiegestätten
der gerichtlich-medizinischen Wissenschaft dienen, die nicht stille
stehen und bei den bisherigen Errungenschaften aasharren kann.
Wenn auch die letzten Jahre weitere Fortschritte gebracht habra,
so bezüglich der Bedeutung der postmortalen Blutaustritte und
Blutsenkungen, der Einwirkung der Fäulnis auf den Luftgehalt
der Langen bei Neugeborenen, der Erscheinungen bei Er¬
trunkenen u. 8. f., nicht zu vergessen der sero-diagnostisdien Blnt-
untersuchungen, so harrt doch noch eine Reihe von Aufgaben der
Bearbeitung; fast jeder neue Kriminalfall stellt die Sachverständigen
vor neue Probleme, und an die gewonnenen Erfahrungen schließen
sich neue Streitfragen an, die der Lösung entgegen zu führen
sind. Bayern sollte im wissenschaftlichen Wetteifer nicht hinter
den anderen deutschen Bundesstaaten zurückstehen müssen.
Weiter sollen die gerichtlich-medizinischen Institate in mög¬
lichst ausgedehntem Maße für Zwecke der Rechtspflege nutzbar
Oer amtsärztliche Dienst in Bayern.
81
gemacht werden. Es können in ihnen die in den üniversit&ts-
Städten anfallenden gerichtlichen Leichenöffnungen vorgenommen
werden, die bisher auf den oft weitentlegenen Friedhöfen statt¬
fanden; es tritt hierbei auch eine Ersparnis an Zeit und Fnhr-
werksanslagen der Eommissionsmitglieder, sowie an Gebühren für
Benutzung der Sektionssäle in den städtischen Leichenhänsern ein.
Etwa notwendig werdende mikroskopische, spektroskopische, auch
einzelne chemische üntersnchungen lassen sich, was von größter
Wichtigkeit ist, nnmittelbai' an die Sektion anschließen; für bak¬
teriologische Enltnrversnche läßt sich das Material einwandfrei
entnehmen, Präparate von forenser Wichtigkeit lassen sich leichter
konservieren. Auch eine Reihe anderweiter Untersuchungen, die
besondere Appa-rate, längere Beobachtung oder Vertrautsein mit
snbtileren Methoden erfordern, läßt sich nur in einem Institute
exakt und zuverlässig durchführen. Ans den auswärtigen Land¬
gerichtsbezirken dürften den Instituten diejenigen Untersuchungen,
welche die Landgerichtsärzte nicht selbst vornehmen können, zn-
zuweisen sein.
Die Hauptaufgabe der gerichtlich-medizinischen Institute
aber wäre die praktische Ausbildung in diesem großen
Wissensgebiet. Mit Nachdruck wird das Wort „praktisch“ be¬
tont. Wie für alle angewandten Fächer der Medizin, so reicht
auch hier ein rein theoretischer Unterricht nicht ans, selbst
wenn er mit vielfachen Demonstrationen und allen modernen
Hilfsmitteln aasgestattet ist. Man mag schwarz auf weiß das
beste Skriptnm nach Hause tragen, die Lehrbücher and die neu¬
zeitliche Literatur durchstudieren, ein tüchtiger Gerichtsarzt ist
man damit noch nicht. Mit Bücherweisheit kommt man bei Ge¬
richt nicht weit. Sie hört auf, sobald die Verwicklungen be¬
ginnen und Staatsanwalt nnd Verteidiger den Sachverständigen
ins Ereuzfeuer nehmen. Vor theoretisierenden Sachverständigen
könnte einem bange sein. Der Richter will ja von dem Sachver¬
ständigen nicht eine allgemeine wissenschaftliche Auseinander¬
setzung, sondern eine genaue, zuverlässige Auskunft über seine
Wahrnehmungen nnd darauf sich bauend, ein klares überzeugendes
Gutachten für den einzelnen, der Beurteilung unterstehenden Fall.
Um allen Anforderungen entsprechen zu können, muß der Sach¬
verständige über eine reichliche Beobachtung einschlägigen
Materials, über die vollständige Beherrschung der Technik der
Untersuchungen an Lebenden und Leichen, sowie über eine prak¬
tische Uebung in der Abfassung von Befundberichten und Gut¬
achten verfügen. Hierzu sollen die gerichtlich-medizinischen In¬
stitute in größtmöglichem Maße Gelegenheit bieten. Die theoreti¬
sche Vorlesung für die Medizinstudierenden sollte mit einem
intensiven Anschauungsunterricht verknüpft sein; wenn anch viele
Dinge nur an Lebenden oder bei Sektionen demonstriert werden
können, wird durch Vorzeigung von Sammlungspräparaten, bild¬
lichen und plastischen Nachbildungen der Unterricht belebt nnd
vertieft werden können. Die Studenten und besonders die Eandi-
daten für die ärztliche Staatsprüfung sollen alle die Untersuchungen,
6
6fi Dr. Beoker.
die ihnen später in der Praxis anfgetragen werden kdnnen, za>
nächst beobachten und den Leichenöffnungen beiwohnen; sie sollen
dann aber auch Gelegenheit bekommen, sich in die verschieden*
artigen Untersuchuugsmethoden und die Sektionstechnik einzufiben,
letzteres um so mehr, als die ärztliche Prfifangsordnung merk*
würdigerweise die Teilnahme an einem pathologischen Sektions¬
kurse nicht obligatorisch gemacht hat. Damit ließe sich gleich
an praktischen Beispielen die Abfassung von Berichten und Gut¬
achten verbinden. Auch Untersuchungen an Lebenden, die zor
Vervollständigung des Unterrichtes notwendig sind, lassen sich
unschwer anreihen. Sind die Institute einmal errichtet, so lassen
sich hier auch gerichtsärztliche Fortbildungskurse fftr Staatsdienst¬
aspiranten und Amtsärzte ai>halten.
Sehr zweckmäßig wären auch Vorlesungen fftr Juristen Aber
das für sie Wissenswerte. Sie sind zur HOrung eines gerichtlich¬
medizinischen Kollegs nicht verpflichtet, bekunden aber ihr Inter¬
esse hieran durch ziemlich zahlreichen Besuch. Als ktlnftige
Staatsanwälte haben sie den Sachverhalt zu erforschen, die Öffent¬
liche Klage vorzubereiten und zu vertreten, ^ Ermittelungs- und
Untersuchungsrichter die Untersuchungen durch Sachverständige
anzuordnen und, soweit ihnen dies erforderlich scheint, zu leiten,
als Straf- und Zivilrichter haben sie die Ausführungen der Sach¬
verständigen zu würdigen, das wesentliche daraus zu entnehmen
und für die Urteilsbegründung zu verwerten. Gerade weil sie
daran nicht gebunden sind, sondern nach freier richterlicher Ueber-
zeugung urteilen, geschöpft ans dem Inbegriffe der Verhandlungen,
müssen sie wenigstens ein gewisses Verständnis für die forense
Medizin sich angeeignet haben. Wie gut wäre daher die Teil¬
nahme an einer Vorlesung, die selbstverständlich ihren besonderen
Bedürfnissen angepaßt sein mflßte! Auch für die schon in der
Praxis stehenden Justizbeamten wäre es sehr begrüßenswert,
wenn sie von Zeit zu Zeit Gelegenheit bekämen, in einem Kurse
sich über die Hauptfragen der gerichtlichen Medizin zu infor¬
mieren. So hielt im Wiener gerichtlich - medizinischen Institute
Prof. Dr. Hab er da auf Auregung des Ministeriums derartige
Kurse, die sich zahlreichen Besuches und großen Interesses seitens
der Justizbeamten zu erfreuen hatten. Bemerkt sei hier noch, daß
Dr. Marx in der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneiknnde in Berlin
demonstrative Vorträge für Kriminalkommissäre abhielt.
Das nötige Material für eine gedeiliche Gestaltung des
Unterrichts ist vorhanden und läßt sich leicht vermehren; we¬
nigstens läßt sich dies für München behaupten. Den Grundstock
bilden die gerichtlichen Sektionen, deren Zahl im Stadtbezirke
allein im Durchschnitte des letzten Dezenniums 80 beträgt*)
und die sich alle in das Institut verlegen ließen. Anßerdmn
1) Dr. Hago Marz: Elnftthrnng in die gerichtliche Medizin ftti prak¬
tische Kriminalisten. Berlin 1907. Verlag Ton Hirschwald.
*) 1897 : 61. 1899 : 77. 1901: 84. 1908 : 84. 1906 : 80.
1898 : 77. 1900 : 89. 1902 : 76. 1904 : 96. 1906 : 82.
Der amtsftrztltclie Dienet In Bayern.
83
▼erden seit dem Jahre 1883, nm Material za Sektionen fOr den
gerichtlich-medizinischen Unterricht zu beschaffen, die Leichen
aller unbekannten und dahier verstorbenen Selbstmörder und
Verunglückten, dann die Leichen jener bekannten Selbst¬
mörder and Vernnglückten, welche von ihren Angehörigen nicht
reklamiert werden, znr Vornahme der Leichenöffnung in das
pathologische Institut verbracht.^) Einderleichen werden znr Ein¬
übung der speziellen üntersuchungsmethoden, wie sie bei Neu¬
geborenen vorzunehmen sind, von der Frauenklinik abgegeben,
wohin solche zu Lehrzwecken auch aus der Stadt verbracht
werden dürfen.’) Vermehren ließe sich das Material noch durch
Einführung der sogen, sanitätspolizeilichen Sektionen, wie sie in
Oesterreich bei nicht kriminellen Fällen ohne den großen Apparat,
wie er sonst bei gerichtlichen Sektionen notwendig ist, zur Fest¬
stellung der Todesursache bei totgefundenen Personen, plötzlichen
Todesfällen, Verunglückten und Selbstmördern vorgenommen
werden.’) Dort ist es der politischen Behörde überlassen, bei
allen Todesfällen die Leichenöffnung anzuordnen, so oft sie es ans
öffentlichen Rücksichten notwendig findet. Für die Notwendigkeit
der gesetzlichen Einführung von Verwaltnngssektionen auch in
Deutschland ist namentlich Heller eingetreten.’) Die Einführung
der fakultativen Feuerbestattung wird auch in Bayern nicht lange
mehr hinausgeschoben werden können, und es wird in nnklaren
Fällen eine amtliche Feststellnng der Todesursache notwendig
werden. Diese, auch die seitens der Berufsgenossenschaften ver-
anlaßten Sektionen ließen sich dem gerichtlich-medizinischen In¬
stitute zuweisen, so daß dieses ein hinreichendes Sektionsmaterial
bekäme, ohne dem pathologischen Institute im geringsten Abbruch
zu tun. Für Untersuchungen an Lebenden ließen sich Verletzte
durch Ueberweisung aus Kliniken oder Polikliniken, durch ge-
geignete Vermittelong und gegen mäßige Entschädigung andi
Unfallverletzte und Invalide gewinnen; wenn die betreffenden
Personen damit einverstanden sind und das gerichtliche Ver¬
fahren dadurch nicht beeinträchtigt wird, könnten auch Fälle ans
der gerichtsärztlichen Praxis dem Unterrichte dienen (Qualifikation
von Körperverletzungen nach § 224 a, Sittlichkeitsverbrechen usw.).
Für die mikroskopischen und sonstigen Untersuchungen ergeben
die Sektionen und die von auswärts einlangenden Requisitionen
ständig brauohbares Material.
Die Einrichtung der gerichtlich-medizinischen Institute
braucht uns heute nicht weiter zu beschäftigen. Die Institute
*) Ministerialentschließanff vom 17. Norember 1883, betr. die Yerbringniiff
von Leichen in das pathologische Institut in München. Beckers Handbuch
der Medizinalgesetzgebung im Königreich Bayern; H. 1, S. 188.
*) Bekanntmachung der E. Polizeidirektion München vom 2. Januar 1887,
betr. die Leichenschau über die in die K. üniTersitäts-Frauenkllnik eingelieferten
Kindesleichen. L. c.; 8.134.
*) Haberda: Behördliche Sektionen. Dittrichs Handbuch der ärzt¬
lichen Sachverständigentätigkeit; Bd. 11,8. 361; und Netolitzky: Oester-
reichbche Sanitätsgesetze ; Bd. X, 8. 406 und 412.
*) VieiteUnhrsschrift für gerichtliche Medizin; 1897, H. 2.
6*
84
Dr. Becker.
Oesterreichs und der deutschen Bundesstaaten können als gute
Muster dienen. Der Kernpunkt der heutigen Beratung ist die
Bedürfnisfi'age, und die Sie wohl einstimmig bejahen werden.^
Der Professoren der gerichtlichen Medizin nicht
zu gedenken, wäre unbillig. Die beiden Herren in München und
Würzbnrg haben zwar ]^ng und Titel außerordentlicher Uni-
versitätsprofessoren, stehen aber im Gehalt hinter ihnen zurück.
Während deren Anfangsgehalt 3180 Mark beträgt, haben sie nur
einen Funktionsbezog von 2400 Mark, bis vor wenigen Jahren
war es sogar nur &e Hälfte. Das steht mit der großen Inan¬
spruchnahme von Zeit und Kraft, welche die Abhaltung der Vor¬
lesungen und die Vorbereitungen hierzu mit sich bringen, nicht
im richtigen Verhältnisse; sie müßten daher zunächst jedenfalls
den übrigen a. o. Professoren gleichgestellt werden.
Es wni'de schon wiederholt betont, daß die gerichtliche
Medizin den übrigen medizinischen Spezialfächern gleichwertig
ist; befremdlich und einer Zurücksetzung gleich müßte es daher
erscheinen, wollte man ihren Vertretern nicht die gleiche äußere
Stellung einräumen. So gut die Kliniker oder, was zum Ver¬
gleiche etwas näher liegt, die Hygieniker und Psychiater durch¬
wegs ordentliche Professuren bekleiden, gebührt dies auch den
Professoren der gerichtlichen Medizin, um so mehr, als die mit
der Doppelstellnng als Landgerichtsarzt verbundenen Verpflidi-
tungen jeden Nebenerwerb durch private oder Konsiliarpraxis
absolut ausschließen. Auch in Oesterreich gibt es nur ordentliche
Professuren dieses Faches, und für Bayern hat schon Herr Beichs-
rat V. Auer solche im Vorjahre angeregt. Der Zeitpunkt der
völligen Gleichstellung erscheint gekommen mit der Errichtung
der gerichtlich-medizinischen Institute, da damit das Fach und
die Professuren von selbst eine höhere Bedeutung erlangen, die
Lehrtätigkeit eine umfassendere wird und die Verpflichtung zu
wissenschaftlichen Forschungen an Zeit und Arbeit mehr Anforde¬
rungen stellt.
Die vorhin berührte Vereinigung der Stellen als Landgerichts¬
arzt und Professor für gerichtliche Medizin sollte mit der Er¬
richtung der Institute keine Aendernng erfahren; sie hat sich
bisher vollkommen bewährt und ist für den Unterricht von größtem
Werte; eine so eminent praktische Wissenschaft kann nur von
einem ausübenden Gerichtsarzt gelehrt werden.
2. Medizinal-Komitees. Wir können nun zu den Medizinal-
Komitees übergehen, die in ihrer gegenwärtigen Organisation seit
dem Jahre 1843 bestehen. Die früheren Medizinal-Komitees bil¬
deten auch die Prüfungsbehörden für die medizinischen und phar¬
mazeutischen Prüfungen. Mit Uebertragung derselben an besondere
Prüfungssenate der Universitäten verloren sie den größten Teil ihres
Wirkungskreises; es machte sich demnach eine durchgreifende
Umgestaltung notwendig. Durch die K. Verordnung vom 23. August
1843, die Organisation der Medizinalkomitees betreffend, wurde
die Abgabe von Obergutachten in gerichtlich-medizinischen Füllen
Der amts&rzUiohe Dienst in Bayern.
85
den medizinischen Faknltäten der drei Landesnniversitäten fiber*
wiesen; es trat bei jeder derselben unter dem Vorsitze des
zeitlichen Dekans — nur in Mflnchen ist ständig der gleiche Vor¬
sitzende, n. b. ein Professor der Kinderheilkunde, bestellt — ein
ans 4 Beisitzern bestehender Senat als Medizinal-Komitee in
Wirksamkeit. Die Tätigkeit der Medizinal-Komitees erfuhr eine
Erweiterung durch die Königl. Verordnung vom 29. September
1878, die Vornahme der chemischen und mikroskopischen Unter¬
suchungen in strafrechtlichen Fällen betreffend. Danach haben
die Gerichte in Vergiftnngs- und ähnlichen strafrechtlichen
Fällen, in welchen eine chemische Untersuchung, ferner in Straf¬
sachen, in welchen eine mikroskopische Untersuchung zur Er¬
hebung des Tatbestandes notwendig ist, in der Begel und wenn
nicht besondere Verhältnisse eine Ausnahme begründen, die
erste chemische oder mikroskopische Untersuchung nicht durch
den Gerichtsarzt und einen Apotheker, sondern durch Vermittlung
des betr. Medizinal-Komitees yomehmen zu lassen. Zn diesem
Behufe sind die der Untersuchung zu unterwerfenden Gegenstände
an das Gericht des Ortes zu übersenden, in welchem sich das für
den Bezirk zuständige Medizinal-Komitee befindet. Der Vorstand
des letzteren hat sodann die Erledigung der an dasselbe ge¬
langenden gerichtlichen Requisition dem zuständigen, für die
chemischen und mikroskopischen Untersuchungen bestellten be¬
sonderen Sachverständigen zu überweisen, und dessen Bearbei¬
tung nebst den betreffenden Gegenständen an das Gericht znrück-
zuleiten.
Dieser Modus ist jedenfalls ein unnötig umständlicher. Zwei
Stellen werden ohne Grund und Zweck bemüht, das Gericht des
Ortes und der Vorsitzende des Medizinal - Komitees, dessen Ver¬
mittelung für die Hin- und Herleitnng ganz entbehrlich ist. Mit
Weglassung dieser beiden eingeschobenen Instanzen würde das
Verfahren nicht nur wesentlich vereinfacht, sondern auch be¬
schleunigt und verbessert. Bei dem Hin- und Herschicken können
Präparate, die nicht mit konservierenden Flüssigkeiten behandelt
sind, oder um das Untersuchungsergebnis nicht zu beeinträchtigen,
damit überhaupt nicht behandelt werden dürfen, dem Verderben
unterliegen. Das verspätete Eintreffen der Untersuchnngsgegen-
stände hat häufig negative Ergebnisse zur Folge oder erlaubt es
nicht mehr, daraus wichtige Schlüsse zu ziehen. Alle diese Unter¬
suchungen könnten daher besser mit Umgehung des Vorstandes
des Medizinal-Komitees direkt den mit der Untersuchung betrauten
Instituten zugeleitet werden. Welches derselben jeweils in Betracht
zu kommen hat, ob ein gerichtlich-medizinisches, ein bakterio¬
logisches oder hygienisches, ein pharmakologisches oder chemisches
Institut, oder ob in einem gegebenen Falle zwei Institute die
Untersuchung nach verschiedener Richtung hin vorzunehmen haben,
z. B. wenn sowohl eine chemische, als auch eine mikroskopische
Untersuchung notwendig scheint, dürfte dem Ermessen des zustän¬
digen und zunächst mit der Sache befaßten Landgerichtsarztes
anheimgestellt werden. Für die technischen Untersuchungen bei
86
Dr. Be^er.
den üntersachnngsanstalteii fttr Nahmogs- nnd Genaßmittel ist
dieser yereinfachte Modns bereits eingefUirt.
Auf die Frage, wie weit etwa chemische and yor allem
mikroskopische Untersnchnngen yon den Landgerichtsärzten yor-
genommen werden können nnd sollten, wird später bei dem Kapitel
der Landgerichtsärzte eingegangen werden. Hier sollte ledighdi
eine Entlastnng der Medizinalkomites yorgeschlagen werden durch
^seitignng i^er rein yermittelnden Tätigkeit, die doch manche
Umständlichkeiten bringt. Nach deren Wegfall würde sich die
Tätigkeit der Medizinalkomitees yon selbst anf die Erstattung
yon Obergntachten in wichtigen straf* nnd zivilrechtlichen
Fällen beschränken.
In den Berichten Ober die Tätigkeit der Medizinalkomitees
stehen der Zahl nach an erster Stelle die chemischen, dann die
mikroskopischen Untersnchnngen nnd zuletzt kommen die Ober¬
gntachten.*) Da die Zahl der letzteren keine sehr große ist — im
Jahre 1903 bei allen drei Medizinal-Komitees nur 9 — nnd da die
Medizinal-Komitees außer den Gebühren für die einzelnen Unter¬
snchnngen einen jährlichen Aufwand yon 6214 Mark ans Staats¬
mitteln erfordern, läßt sich die Frage aufwerfen, ob nicht die
Medizinal-Komitees überhaupt aufgehoben und die Obergutachten
den medizinischen Fakultäten zugewiesen werden könnten, die
dann jeweils für den betreffenden Fall eine Kommission zusammen-
znstellen hätten. Dem möchte jedoch nicht das Wort geredet
werden, einmal im Interesse einer ständigen nnd gleichmäßigen
Besetzung der Medizinal-Komitees und damit der Beschleunigung
des Verfahrens, dann weil § 83 der St. P. 0. ausdrücklich yorsieht,
daß „in wichtigeren Fällen das Gutachten einer Fachbehörde
eingeholt werden kann*. Diese Fachbehörden für medizinische
Gutachten sind eben die Medizinal-Komitees.
Die Besetzung der Medizinal-Komitees ist der Krone yor-
behalten, die wohl immer den Vorschlag der Ministerien entgegen¬
nehmen nnd berücksichtigen wird. Wird daher in dieser Richtung
der Königl. Staatsregierung eine Bitte nnterbreitet, so dürfte eine
solche nicht yon yomherein eine Ablehnung finden als ein Versuch,
die Allerhöchsten Rechte anzutasten. Die Mitglieder der Medizinal-
Komitees sind teils ordentliche Beisitzer, so die Professoren
der pathologischen Anatomie, der Chirurgie, inneren Medizin, Ge¬
burtshilfe und Psychiatrie, teils außerordentliche Beisitzer
nnd Suppleanten, Professoren nnd Dozenten ans den yer-
schiedenen Gebieten. Obwohl es sich um gerichtsärztliche Ober¬
gntachten handelt, findet das Fach der gerichtlichen Medizin in den
Medizinal-Komitees nicht die entsprechende Vertretung: in Würz-
bnrg ist der Professor für gerichtlichen Medizin im Medizinal-
Komitee nicht yertreten, in Erlangen gehört ein Piivatdozent, der
1) Im Jahre 1903 wurden erledigt:
Obergntachten mikroskop. Unters, chem. Unters.
München: 4 11 SO
Wttrzburg: 2 9 14
Erlangen: 3 6 8
Der amteirztiiclte Dienet in Bayern.
87
dieses Fach liest, als Stellvertreter ihm an, und in München ist
der Professor der gerichtlichen Medizin nnr als Snppleant an¬
gestellt.
Der gerichtlichen Medizin, die ja vielfach noch zu kurz
wegkommt, sollte doch bei den gerichtsärztlichen Fachbehörden
die ihr znkommende Bedentang und Stellung eingeräumt werden;
es ist daher der Wunsch berechtigt, daß die Professoren der
gerichtlichen Medizin als ordentliche Beisitzer der Medizinid-
Komitees ernannt werden, damit sie bei jedem Obergutachten
mitwirken können, sei es als fachmännische Mitberater oder als
Berichterstatter. Handelt es sich um psychiatrische Fragen oder
um eine Fahrlässigkeit bei Ausübung der Heilkunde, so ist für
diese Fälle der richtige Referent der Psychiater oder je nachdem
der Chirurg, der interne Mediziner oder der Geburtshelfer, für die
meisten Fälle aber, wie sie den M.*Ks. vorliegen, wenn Mord oder
Selbstmord in Frage kommt usw., wird das Referat am besten
dem Professor für gerichtliche Medizin zugeteilt. Hat er etwa
selbst bereits in dem vorausgegangenen Verfahren ein Gutachten
abgegeben, kann er natürlich nicht zugleich als Obergutachter
mitfungieren, er müßte in diesen Fällen ausscheiden und durch
einen Stellvertreter ersetzt werden.
Bei der allgemeinen Organisation des gesamten ge¬
richtsärztlichen Dienstes wirft sich zunächst die prin¬
zipielle Frage auf, ob für alle Zweige der Staatsverwaltung nur
eine Kategorie von Amtsärzten aufgestellt sein soll, oder ob eine
Trennung des gerichtsärztlichen vom bezirksärzt¬
lichen Dienste besser sei. Es ist das eine sehr wichtige
Frage, in der die Meinungen noch nicht übereinstimmen, es sind
die Verhältnisse in den einzelnen Ländern und auch innerhalb der
deutschen Bundesstaaten in verschiedener Weise geregelt und auch
für Bayern ist es keine bloße Katheterfi’age; denn es sind schon
früher und auch in der letzten Zeit Stimmen dafür laut geworden,
die beiden Arten von Amtsärzten wieder zu vereinigen.
Sehen wir einmal zunächst ganz von den bayerischen Ver¬
hältnissen ab, wie sie sich bis heute entwickelt haben, und be¬
trachten die Sache von einem allgemeinen Standpunkt aus, was
spricht für eine Personalunion, was dagegen? Zunächst ließe sich
anführen, daß es sich bei den Gerichtsärzten und den Verwaltungs¬
ärzten um die Abgabe technischer Gutachten handelt, die nur hier
das Gebiet der gerichtlichen Medizin, dort das der Hygiene be¬
treffen, und daß daher der gleiche Arzt eine Sachverständigen-
tätigkeit sowohl bei den Gerichts-, als den Verwaltungsbehörden
ausüben könne. Sehen wir genauer zu, so ergeben sich aber doch
große Verschiedenheiten hinsichtlich der Stellung und des Wirkens.
Die Stellung des Landgerichtsarztes ist genau präzisiert durch
die Straf- und Zivilprozeßordnung und zwar als solche eines Sach¬
verständigen. Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen
und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgen durch den Richter.
Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich
bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden,
88
Dr. Becker.
wenn besondere ümsUlnde es erfordern, nnd unter den zwei znr
gerichtlichen Leichenbffiinng znznziehenden Aerzten mnß sich ein
«G-erichtsarzt“ befinden (StPO. §§73 nnd 87, ZPO. § 404). Nach
der Eönigl. Verordnung vom 8. September 1879, den ärztlichen
Dienst bei den Gerichts- nnd Verwaltungsbehörden betrefiend,
wird bei jedem Landgerichte ein Landgerichtsarzt angestellt,
welcher in allen znr Zuständigkeit des ersteren gehörigen Rechts¬
sachen för den ganzen Umfang des Landgerichtsbezirkes der
ordentliche öffentliche Arzt ist. Der Landgerichtsarzt ist also
keine Behörde, er besitzt lediglich einen persönlichen amtlichen
Charakter und ist ausschließlich ein, allerdings in erster Linie,
zu berufender Sachverständiger. Seine Gutachten erhalten hier¬
durch noch keinen behördlichen Charakter, sie stellen sieh immer
nur als eine Aeußerung seiner persönlichen Auffassung dar.
Grundsätzlich ist der Landgerichtsarzt den anderen medizinischen
Sachverständigen gleich gestellt. In Wirkung tritt er dement¬
sprechend auch nur auf jeweilige spezielle Requisition; eine
Initiative kommt ihm nicht zu, zu einer solchen findet er vielleicht
nur in seiner Nebenstellung als Gefängnisarzt Gelegenheit. Mit
der Erstattung des Sachverständigengutachtens fiber die ihm vor¬
gelegten Fragen ist auch seine Tätigkeit erschöpft, die Weiter¬
behandlung der Sache berührt ihn gar nicht mehr; er darf nicht
einmal den Versuch machen, hier irgendwie einzugreifen.
Ganz anders ist es mit dem Bezirksarzt. In einigen FäUen
hat wohl auch er rein sachverständige Gutachten zu erstatten;
in den meisten Fällen ist er aber zugleich der technische Be¬
rater der Verwaltungsbehörden. Als solcher hat er Vorschläge zu
machen, Anträge zu stellen, sich auch um die Einzelheiten der
Ausführung zu bekümmern und die getroffenen Maßnahmen mit
zu überwachen; er ist also ein Teil der Ansführungsbehörden
nnd als solcher hat er auch die Verantwortung mit zu tragen.
Außerdem ist dem Bezirksarzte schon seit dem organischen Edikte
vom Jahre 1808 eine Reihe von Funktionen zngewiesen, die er
teils zussammen nnd im Benehmen mit der Distriktsverwaltnngs-
behörde, teils allein kraft seines Amtes zu erledigen hat.
Bezirksarzt hat daher den Charakter einer Behörde und bei Aus¬
übung seines Dienstes hat er nicht nur das Recht, sondern auch
die ^icht zur Initiative.
In sachlicher Beziehung wurde für eine Personalunion geltend
gemacht, daß zeitweilig Fälle Vorkommen, welche sowohl die
Gerichte, als die Verwaltungsbehörden beschäftigen, nnd dement¬
sprechend ein Gutachten nicht nur seitens des Landgerichtsarztes,
sondern auch des Bezirksarztes notwendig machen. So steht
z. B. die psychiatrische Begutachtung der gleichen Person ans
demselben Anlasse hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit dem
Landgerichtsarzte zu, hinsichtlich der Gemeingetährlichkeit dem
Bezirksarzte. Die Ueberwachung des niederärztlichen Personals,
der Eurpiuscher, des Verkehrs mit Nahrungs- und Gennßmitteln
gehört zu den Aufgaben des Bezirksarztes, die Begutachtung der
durch Fahrlässigkeit oder verdorbene Nahrungsmittel hervor-
Der amteSntlidie Dienst in Bajem.
89
gfenifeiien Schädignnifen an Leib und Leben aber zu denen des
Landgerichtsarztes. Li diesen und einigen ähnlichen Fällen mochte
es den Anschein gewinnen, als ließe sich eine große Geschäfts-
Tereinfachung erreichen, wenn der Sachverständige, der einmal
einen genauen Einblick in den Tatbestand hat, bei beiden mit
der Sache befaßten Behörden sein Gutachten abgibt. Näher be¬
sehen ist die Geschäftsvereinfachung aber doch nicht so groß, als
man auf den ersten Blick meinen möchte. Wenn der Landgerichts¬
arzt sich in seinem schriftlichen Gutachten über den Geistes¬
zustand auch hinsichtlich der Gemeingefährlichkeit äußert, füllt
er damit nur unnötigerweise die Gerichtsakten; tut er das in einer
Glerichtsverhandlung, so hat das auch keinen Zweck, denn die
Bichter haben darüber nicht zu befinden, sondern alle weiteren
Maßnahmen der Distriktspolizeibehörde zu überlassen. Ais ge¬
richtlicher Sachverständiger hat sich demnach der Landgerichts¬
arzt immer nur so weit zu äußern, wie es der richterliche Zweck
erfordert, bei einer fahrlässigen Tötung seitens einer Hebamme
also nur über die Todesursache und deren Zusammenhang mit
der Fahrlässigkeit. Erst später, wenn nach rechtskräftigem Ab¬
schluß des Strafverfahrens die Akten an die Verwaltungsbehörden
hinübergehen, wird dann auch ein sachverständiges Gutachten in
der Richtung erholt, ob die Hebamme noch die für ihren Beruf
eforderliche Zuverlässigkeit besitzt und verneinendenfalls ihr
Prüfungszeugnis zurückznnehmen sei. Auch bei einer Personal¬
union müßte sich demnach der Amtsarzt doch zweimal mit der
gleichen Sache beschäftigen und zwei getrennte Gutachten ab¬
geben; erspart, wäre also für das zweite Gutachten lediglich das
Aktenstndinm. Dieser Ersparnis an Zeit und Arbeit steht gegen¬
über eine höhere Gewähr gegen etwaige Voreingenommenheit und
für die richtige Handhabung der Gesetze, wenn bei den zwei Be¬
hörden auch zwei selbständige, an ihre Ansichten gegenseitig
nicht gebundene Sachverständige den gleichen Fall in seinen ver¬
schiedenen Beziehungen begutachten.
Schon bei diesen paar genannten Beispielen war zu ersehen,
daß in einem und demselben Falle die gerichtliche Beurteilung
und das Vorgehen der Verwaltungsbehörden auf einer verschiedenen
gesetzlichen Grundlage, nach einem verschiedenen Verfahren und
mit verschiedener Wirkung erfolgen. Für den größten Teil der
Tätigkeit der Landgerichts- und Bezirksärzte ergeben sich aber
sonst keine Berührungspunkte, da sie auf ganz getrennten Ge¬
bieten liegt; die Trennung ist so vollständig, daß Reibereien und
Eompetenzstreitigkeiten gar nicht entstehen können. Das Arbeits¬
feld der Laudgerichtsärzte ist die gerichtliche Medizin und die
forense Psychiatrie, das der Bezirksärzte das weite Feld des
öffentlichen Sanitätswesens. Beide Gebiete haben sich in den
letzten Jahren ganz außerordentlich erweitert; es sind dem¬
entsprechend auch die Anforderungen an die Amtsärzte beider
Kategorien ganz bedeutend gewachsen, so daß schon deswegen
eine Arbeitsteilung eintreten müßte. Etwa zu behaupten, es
könne kein Medizinalbeamter beide Fächer vollständig beherrschen,
90
Dr. Becker.
nnd 68 mttsse deshalb die ScheidoDg erfoldron, damit anf beiden
Gebieten etwas Ganzes und nicht etwas Halbes geleistet wird,
kann man in dieser Allgemeinheit nicht als richtig gelten lassen.
Es gibt Männer, die als Bezirksarzt nnd als Landgerichtsarzt
Vorztlgliches leisten können. Wenn man dem Verwaltnngsbeamten
zntrant, daß er in der Landwirtschaft, im Gewerbe and Bauwesen,
bei menschlichen und tierischen Infektionskrankheiten, im Schul*
wesen und der sozialen Gesetzgebung, ttberall ein klares Ver¬
ständnis besitze und in dem großen Gebiete der inneren Ver¬
waltung alle Sparten beherrsche, so wäre es doch ein Armuts¬
zeugnis fär die Amtsärzte, wenn man ihnen bestätigen mtißte,
sie könnten nicht in einer Person Gerichts- und Verwaltungsarzt
sein. In der Praxis werden jedoch verschiedene Umstände sich
geltend machen nnd eine Trennung der beiden Disziplinen als
wünschenswert erscheinen lassen. Bei dem einzelnen Amtsärzte
werden Neigung und Interesse für die Wahl der Laufbahn von
entscheidendem Einfluß sein. Es ist nicht jedermanns Liebhaberei,
die gerichtlichen Sektionen vorzunehmen, in öffentlichen Gerichts¬
verhandlungen aufzutreten nnd die Schwere der Verantwortung
auf sich zu nehmen, von Staatsanwalt und Verteidiger sich hin-
und herziehen und anderen Sachverständigen sich gegenüberstellen
zu lassen. Wem dies nicht sympathisch ist, geht lieber in die
Verwaltung, wo die Tätigkeit sich nicht so vor der breiten Oeffent-
lichkeit abspielt, nicht so an Standen und Minuten gebunden ist.
Die meisten der bei Gericht aufgeworfenen Fragen sind ganz
speziflsche, die den Arzt im Verwaltungsdienste sonst nicht be^
schäftigen und ihm daher vielfach fremd sind; es geht ihm bei
langjährigem Dienste die technische Uebung bei Sektionen, die
kriminalistische Erfahrung und die Sicherheit in der gerichts¬
ärztlichen Beurteilung verloren, während umgekehrt dem Land¬
gerichtsarzt das Interesse für Verwaltungsgeschäfte, die Kenntnis
der außerordentlich umfangreich gewordenen Gesetzgebung nnd
die erforderliche Geschäftsbehandlung mit der Zeit abhanden
kommen. Dadurch, daß uich das dienstliche Interesse und die
Tätigkeit nur auf eine der beiden großen Sparten erstreckt, ge¬
winnt die Erfahrung und die Geschäftsgewandtheit; nur bei einer
Scheidung beider Sparten ist auch eine ständige Dienstbereitschaft
gewährleistet; niemand kann gleichzeitig zwei Herren dienen, und
eine ständige Komplikation hinsichtlich der anzuberaumenden
Termine wäre unvermeidlich. Sich in wissenschaftlicher Beziehung
immer auf der Höhe der Zeit zu halten, ist auch für nur ein
Gebiet viel leichter, als für das Gesamtgebiet der Staatsarzneikunde.
Bei der vor einigen Jahren in Preußen durchgeführten Re¬
organisation des Medizinalwesens war in dem ursprünglichen
Entwürfe des Medizinalministerinms beabsichtigt, die gerichtsärzt¬
liche Tätigkeit von den Dienst geschälten des Kreisarztes zu
trennen. Lediglich aus flnanziellen Gesichtspunkten mußte dieser
Plan fallen gelassen werden, so daß der Kreisarzt auch jetzt no<^
der Gerichtsarzt seines Amtsbezirkes ist. Die gerichtlichen Ge¬
schäfte können jedoch, wo die Verhältnisse es erfordern, besonderen
Der amts&rcUiche Dienet ln Bayern.
91
Geriehtsärzten flbertragen werden; es sind bis jetzt bereits
15 eigene Qeriehtsftrzte anfgestellt. Preußen folgt also jetzt
langsam auf dem Wege nach, den Bayern schon längst hinter
sich hat.
Aach in unserem Lande waren die beiden Zweige der Staats-
arzneikunde frQher in einer Hand vereinigt. Das organische Edikt
von 1808 kannte nur eine Gattung von Amtsärzten, „Gerichts-
ärzte“ (Stadt- und Landgerichtsärzte) betitelt, obwohl ihre haupt¬
sächlichen Obliegenheiten und Pflichten auf dem Gebiete der
Verwaltung lagen. Diese Personalunion war so lange möglich, als
auch die Justiz- und Verwaltungsgeschäfte noch von einer Be¬
hörde erledigt wurden. Mit der Trennung der Justiz von der
Verwaltung ergab sich als weitere Folge die Anstellung amt¬
licher Aerzte ausschließlich für den Gerichtsdienst. Nach der
Eönigl. Verordnung vom 21. April 1862, den ärztlichen Dienst bei
den Gerichten und Verwaltungsbehörden betreffend, wurde bei
jedem Bezirksamte ein Bezirksarzt und bei jedem Bezirksgericht
(dem heutigen Landgericht entsprechend) ein Bezirksgerichtsarzt
angestellt. Vollständig wurde jedoch diese Trennung noch nicht
durchgettthrt; es blieb vielmehr Vorbehalten, daß der Dienst eines
Bezirksarztes I. oder II. Klasse gleichzeitig einem Bezirksgerichts¬
arzte übertragen werden kann. Nur allmählich wurde die
Trennung weiter durchgettthrt, zuletzt in Fürth; gegenwärtig
besteht bei 28 unter 28 Landgerichtsbezirken die Trennung, nur
die Landgerichtsärzte in der Bheinpfalz und der zu Aschaffenbnrg
versehen noch gleichzeitig die Stelle eines Bezirksarztes. Für
den Bezirk Frankenthal sind die Mittel für die Trennung bezw.
die Aufstellung eines Bezirksarztes I. Klasse zwar schon ln der
letzten Landtagsperiode für das Jahr 1906 bewilligt worden, aus¬
geführt ist dies jedoch noch nicht. Als Unikum verdient an dieser
Stelle Erwähnung, daß der Landgerichtsarzt zu Weiden zugleich
bezirksärztlicher Stellvertreter ist.
Würde man jetzt wieder rttckwärtsgehen und eine Ver¬
einigung des landgerichtsärztlichen und bezirksärztlichen Dienstes
vornehmen, so würden sich die Amtsstellen an Zahl verringern
und die Aussichten für die pro physicatu Geprüften auf Anstellung
sich verschlechtern. Das dürfte allerdings nicht hindern, einen
solchen Vorschlag zu machen, wenn er sonst im Interesse des
Staates gelegen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Bei der
Entwickelung der Verhältnisse kann jetzt kein Amtsarzt mehr
allein beide Stellen versehen und die Trennung für Frankenthal
wurde dem Landtage gegenüber damit als dringend notwendig
begründet, daß wegen des erheblichen Ansteigens der Bevölkerung
der Laadgerichtsarzt die Geschäfte des Bezirksarztes nicht mehr
mitbesorgen kann. Bei der Vereinigung der Stellen würden sicher
in Bälde Hilfskräfte zur Bewältigung der Arbeit gefordert werden;
es würde in ein paar Jahren die Aufstellung eines zweiten Amts¬
arztes am gleichen Orte wieder notwendig werden und damit eine
Arbeitsteilung platzgreifen. Es erscheint daher viel zweck¬
mäßiger, das bisherige System nicht nur beizubehalten, sondern
92
Dr. Beeker.
auch da die Scheidan; dorchzaftthreii, wo sie bisher noch nicht
erfolgt ist, damit dieser Best ans der früheren Zeit vor der
Trennung der Justiz und Verwaltung verschwindet.
Für die Amtsgerichte läßt sich eine völlige Trennung des
Dienstes nicht durchtflhren, da der Dienst an denselben nidit so
umfangreich ist, wie bei den Landgerichten. Hierauf wird später
noch zurückzukommen sein.
Als unmittelbare Konsequenz der völligen Abtrennung des
landgerichtsärztlichen Dienstes vom bezirksäratlichen ergibt sich
die beantragte üeberiührnng der Landgerichtsärzte in
den Etat des Staatsministerinms der Justiz. Diesem
Vorschläge liegt nicht etwa bloß die Hoffnung zugrunde, daß bei dem
Justizministerium, dem der landgerichtsärztliche Dienst näher steht
als dem Ministerium des Innern, eher auf Berücksichtigung und
Erfüllung der Wünsche zu rechnen sei. Es sind rein sachliche
Gründe, die diesen Antrag veranlaßt haben, denn die bisherigen
Verhältnisse erscheinen einer Aenderung bedürftig.
Die Landgerichtsärzte werden gegenwärtig auf gemeinschaft¬
lichen Vorschlag der Staatsministerien des Innern und der Justiz
ernannt. Ihren Gehalt beziehen sie aus dem Etat des Innern,
und sie unterstehen ausschließlich den Verwaltungsbehörden. Auch
das ist noch ein üeberbleibsel aus der früheren Vereinigung der
Justiz und der Verwaltung. Bei der Trennung dieser beiden ist
die völlige Scheidung im amtsärztlichen Dienste wahrscheinlich
deshalb nicht erfolgt, weil die Loslösung des landgerichtsärztlichen
Dienstes noch nicht vollständig durchgeführt war, die Bezirks¬
ärzte auch mit dem Dienste an den Amtsgerichten betraut waren,
und weil die Spitze des gesamten Medizinalwesens, der Ober¬
medizinalrat, im Ministerium des Innern war. Ebenso wie die
Leitung und Beaufsichtigung der Strafanstalten früher beiden
Ministerien oblag und erst vom Jahre 1870 an in die ausschlie߬
liche Zuständigkeit des Justizministeriums überging, so wird dies
auch mit den Landgerichtsärzten sich ergeben müssen.
Wollte man etwa nur vorschlagen, die Landgerichtsärzte in
erster Beihe dem Justizministerium und nur mehr in zweiter Beihe
dem Staatsministerium des Innern zu unterstellen, so wäre damit
nichts Wesentliches geändert. Es ist daher viel richtiger, sie ans
dem Etat des Innern ganz herauszuschälen. Ihre Tätigkeit er¬
streckt sich ausschließlich auf den Dienst bei Gerichten und hat
mit Verwaltungssachen nichts zu tun. Die Verwaltungsbehörden
haben mit den Landgerichtsärzten gar keine nähere Fühlung, sie
können sich daher auch aus eigener Anschauung kein genaues
Bild über ihre Dienstesaufgaben, über den Umfang ihrer Dienst¬
geschäfte, über ihre persönliche Tüchtigkeit und Leistun^fähig-
keit machen; einen gewissen Einblick gewähren lediglich die
Jahresberichte der Landgerichtsärzte, die bei den Kreisregiemngen
einzureichen sind. Während beim Justizministerium fast tägUch
Akten einlaufen, in denen sieh Gutachten und Berichte von Land¬
gerichtsärzten befinden, so daß dasselbe sich viel leichter ein
Urteil bilden könnte, erhalten die Verwaltungsbehörden einen Ein-
Der «mteftrztliohe Dienst in Bayern.
93
blick in die Dienstestätigkeit nur dann, wenn ein Fall in der
Folge anch die Verwaltangsbehörden beschäftigt, oder wenn sie
sich in einem besonders wichtigen oder Aufsehen erregenden Falle
einmal die Akten vorlegen lassen. Gleichwohl wird die Qnali-
flkation der Landgerichtsärzte nicht durch die Landgerichts¬
präsidenten nnd das Jastizministerium, sondern durch die Ereis-
regiernngen festgesetzt. Wenn diese auch zuvor die gutachtlichen
Aenßernngen der Landgerichtspräsidenten nnd des Ereismedizinal-
ausschusses einholen, so setzen sie die Qualifikation doch ohne
eigene unmittelbare Kenntnis fest. Wird bei einem größeren Ge¬
richte eine Geschäftseinteilnng notwendig, so verfügt hierüber,
wenn auch nach eingeholter Bewilligung des Justizministeriums,
die Kreisregierung. Diese bewilligt auch den Urlaub der Land¬
gerichtsärzte. Bei der Besetzung von Landgerichtsarztstellen
spricht das entscheidende Votum das Staatsministerium des Innern.
Es kommt wohl in keinem anderen Gebiete der Staatsregierunh
noch vor, daß ein Ministerium so viel in den Geschäftsbereicg
des anderen hineinregiert.
Bisher sassen die Landgerichtsäizte gewissermaßen zwischen
zwei Stühlen. Brachte man irgend einen Wunsch beim Staats¬
ministerium des Innern vor, so wurde einem bedeutet, das sei
Sache des Justizministeriums, und kam man zu diesem, so erhielt
man den Bescheid, zuständig sei das Ministerium des Innern. So
wurde man von Pontius zu Pilatus geschickt. Auf beiden Seiten
erhielten die Landgerichtsärzte bei den Bestrebungen um Ver¬
besserung ihrer Lage wohlwollende Versicherungen, aber etwas
Rechtes hat noch keines der beiden Ministerien getan. Dies wii’d
hoffentlich besser werden, wenn sie ausschließlich einem Mi¬
nisterium unterstehen nnd wenn sie dahin ressortieren, wohin sie
nach ihrer ganzen Stellung nnd Tätigkeit gehören.
Das preußische Kultusministerium hatte im Jahre 1897 unter
den Gmndzügen über die Umgestaltung der Medizinalbehörden anch
den Vorschlag eingereiht: „Die Anstellung besonderer Gerichts¬
ärzte ist fortan Sache der Justizverwaltung." Dort herrschte also
damals diese Ansicht, die bei dem neuen Kreisarztgesetz nnr
nicht zum Durchbruch gelaugt ist. Auch bei uns scheinen sämt-
* liehe Zivilstaatsministerien die Landgerichtsärzte als zur Justiz
gehörig zu betrachten. Wenigstens ist in der Anlage I zur Mi¬
nisterialbekanntmachung vom 30. Januar 1907, die Neuregelung
des bayerischen Portofreiheitswesens betr. (G. V. Bl. Nr. 7), bei den
Landgerichtsärzten als portopfiiehtige Staatsverwaltung die Justiz¬
verwaltung angegeben. Hingewiesen sei anch noch darauf, daß
in einzelnen größeren Gerichtsgebäuden von der Justizverwaltung
den Landgerichtsärzten nicht nnr Bureaulokalitäten bereit gestellt,
sondern auch die Kosten für die Mobiliareinrichtung derselben
übernommen wurden. Manchmal scheinen sich die Behörden selbst
darüber nicht klar zu sein, wohin die Landgerichtsärzte ressor-
tieren; bei offiziellen Gelegenheiten wurden zuweilen die Land¬
gerichtsärzte übergangen, weil die Präsidenten der Kreisregiemng
94
Dr. Becker.
bezw. des Landgerichtes meinten, die Einladung sei yon d^
anderen Seite ans erfolgt.
Ein Bedenken warde gegen die Ueberf&hrnng der Land*
gerichtsärzte in das Jastizressort geltend gemacht: es könnte ihnen
ergehen, wie es bei den dem Jastizministerinm unterstehenden
Strafanstaltsärzten mehrere Jahre lang der Fall war, daß der
Uebertritt in vakante Bezirksarztstellen, die ihnen bisher offen
standen, erschwert oder anmöglich gemacht werden könne, daß
auch die Vorrttcknng znm Ereismedizinalrate ausgeschlossen seL
Zn solchen Befürchtungen besteht wohl kein Anlaß; denn in der
Art der Tätigkeit würde sich nichts gegen bisher ändern und der
Uebertritt bezw. die Vorrückung werden wahrscheinlich nicht
mehr Schwierigkeiten begegnen als bisher. Es möchte dem üeber*
tritt der Landgerichtsärzte in den verwaltnngsärztlichen Dienst
aber nicht einmal so sehr das Wort geredet werden. Wenn ein
Landgerichtsarzt sich eine große praktische üebung und Er¬
fahrung gesammelt hat, so liegt es im Staatsinteresse, ihn in
seiner bisherigen Laufbahn zu erhalten, wo er seine Kenntnisse
besser verwerten kann, als wenn er sich einer neuen, bisher
fremden und ungewöhnten Beschäftigung zuwenden muß. Elinen
Wechsel haben bisher die Landgerichtsärzte hauptsächlich nur
deshalb vorgenommen, um damit ihre wirtschaftliche Lage zu ver¬
bessern und auf einträglichere bezirksärztliche Stellen zu kommen.
Dazu würden sie künftig nicht mehr so geneigt sein, wenn unsere
weiteren Anträge auf volle Besoldung der Landgerichtsärzte er¬
füllt, wenn insbesondere die beantragten Vorrückungsstellen ge¬
schaffen werden und sich hierdurch für sie die Aussicht eröffnet,
auch im gerichtsärztlichen Dienste die Stellung eines lledizinal-
rates, eventuell sogar eine Stelle in der höchsten Instanz zu
erlangen.
Damit kommen wir zugleich auf den weiteren Antrag, es
möge im Staatsministerium der Justiz ein Medizinal¬
referent mit dem Bange eines Obermedizinalrates aufgestellt
werden. Sollte sich dieser nur mit Vorschlägen für die Er¬
nennung und Versetzung der Landgerichtsärzte und der Straf¬
anstaltsärzte, mit deren Qualifikation und mit der Dienstesanfsicht
über dieselben zu befassen haben, so wäre die Schaffung einer^
solchen neuen Stelle allerdings nicht genügend veranlaßt. Seine*
Aufgaben sollten aber wesentlich weitere sein, zunächst die Er¬
stattung sachverständiger Gutachten in allgemein gerichtlich-
medizinischen Angelegenheiten. Sie wissen, meine Herren, daß
eine Beform unseres ganzen Strafrechtes und Strafprozeßrechtes
bevorsteht, wobei auch viele Punkte vom gerichtlich-medizinischen
Standpunkte aus eingehendere Würdigung erfordern. Genannt
seien die Frage der geminderten Zurechnungsfähigkeit, die ärzt¬
lichen Eingriffe an Kranken, womit die Brandenburger Aerzte-
kammer und auch die bayerischen Aerztekammem sich bereits
befaßt haben, der besondere Strafvollzug bei Jugendlichen und
geistig Minderwertigen, die Unterbringung der geisteskranken
Verbrecher nsw. In Sachen des Strafvollzuges nnd der Be-
Der untfftntlifihe Dienst ln Bsyeni.
06
gnadigang wird sich Öfters das Bedürfnis nach einem ärztlichen
Obergntachten geltend machen, anch in sonstigen Yerwaltnngs-
angelegenheiten, so bei Ansprüchen wegen angeblicher G-esondheits*
Schädigung durch unschuldig erlittene Untersuchungshaft, bei der
Festsetzung der Entschädigung wegen Unfällen im Getängnisbetriebe
n. drgl. Von außerordentlicher Bedeutung wäre die gesundheitliche
Oberaufsicht auf die Gerichtsgefängnisse und Strafanstalten, sowie
die Wahrnehmung der Hygiene des Strafvollzuges. Gerade auf
diesem Gebiete hat bisher der Ministerialinstanz eine eigene regel¬
mäßige Beratung durch einen ärztlichen Sachverständigen gefehlt.
Auf dem Gebiete der Ernährung und Beschäftigung der Gefangenen,
der Einrichtung der Arbeits- und Schlafräume, der Beseitigung
der Abfälle usw. böte sich ein großes Feld der Wirksamkeit.
Wenn man dies alles in Betracht zieht, so kann man nur sagen,
daß der Medizinalreferent im Justizministerium vielleicht ebensoviel
zu tun bekommt wie der Obermedizinalrat im Staatsministerinm
des Innern oder der Generalstabsarzt der Armee beim Eriegs-
ministerinm. Bei der dem Ministerium des Innern unterstehenden
obersten Baubehörde soll künftig eine Organisationsänderang in
der Richtung erfolgen, daß die technischen Referenten den einzelnen
Ministerien zngeteilt werden. Wie sich also im Bauwesen bei der
Spezialisierung der Baubedflrfnisse die Notwendigkeit eines eigenen,
besonders eingearbeiteten Baureferenten heransgestellt hat, so
wird das Justizministerium auch bei den vielseitigen und be¬
sonderen ärztlichen und hygienischen Fragen einen Medizinal¬
referenten auf die Dauer wohl nicht gut entbehren können.
Verlassen wir nunmehr das Ministerium und lenken unsere
Aufmerksamkeit auf die Organisation des gerichtsärztlichen Dienstes.
Bei den Oberlandesgerichten sind eigene Gerichtsärzte nicht
anfgestellt. Die Zahl der hier veranlaßten sachverständigen Gut¬
achten — in Betracht kommen nur Zivilprozesse in der Berufungs¬
instanz — ist keine so erhebliche, daß sich hieraus ein Bedürfnis
nach Aufstellung eigener Amtsärzte ergeben könnte.
Dagegen ist bei jedem Landgerichte ein Landgerichts¬
arzt angestellt, welcher in allen zur Zuständigkeit desselben
gehörigen Rechtssachen für den ganzen Umfang des Landgerichts¬
bezirkes der ordentliche öffentliche Arzt ist. Die gegenwärtige
Lage der bayerischen Landgerichtsärzte ist eine nicht befriedi¬
gende; sie werden nicht nur weit häufiger als früher, sondern
anch viel intensiver in Anspruch genommen, ihr Gehalt ist aber
seit 1892 der gleiche geblieben und steht nicht mehr im Einklang
mit ihren Dienstleistungen; die Nebeneinnahmen durch Privat¬
praxis sind immer mehr zurückgegangen, ihre wirtschaftliche
Existenz ist dadurch eine prekäre geworden und besonders mißlich
sind die Pensionsverhältnisse. Eine entschiedene Aenderung dürfte
daher nicht länger hinausgeschoben werden. Hierfür gibt es nur
zwei Wege, entweder unter Berücksichtigung der von selbst ge¬
kommenen Entwicklung der Verhältnisse und entsprechend dra
Anforderungen des Dienstes die Stellung der Landgerichtsärzte
zu einer vollbeschäftigten und vollbesoldeten anszugestalten, oder
96
Dr. Becker.
bei Belassang' des derzeitig:en Gehaltes die Landgerichtsftrzte za
entlasten nnd znr ErmOgflichnng* des Lebennnterhaltes ant privaten
Nebenerwerb za verweisen. Im Interesse der Staatsregiernng
liegt nnr der erstere Weg.
üeber die prinzipielle Anffassnng der Frage, ob die Land¬
gerichtsärzte Privatpraxis ftberhaapt treiben sollen, gehen die
Ansichten aaseinander; während die einen meinen, sie sei ihnen
vollständig za nntersagen, sind andere nicht nnr gegen ein
solches Verbot, sie halten sogar die Privatpraxis fOr direkt
notwendig, damit der Landgerichtsarzt nicht ans der üebong
komme nnd sich in seinem Berufe weiter bilde, sich mit den
nenesten Errungenschaften der ärztlichen Wissenschaft nnd Tätig¬
keit vertrant mache nnd den übrigen Aerzten an Wissen nnd
Können voranlenchte. Man hat es sogar als entwürdigend be¬
zeichnet, einem Arzte, der sein ganzes Stndinm darauf eingerichtet
habe, den Menschen helfend znr Seite zn stehen nnd aach am
Krankenbett tätig zn sein, die Krankenbehandlung zn verbieten,
nnd die Privatpraxis der Landgerichtsärzte damit motiviert,
das warme Herz, das der Arzt in allen Lebenslagen brauche,
werde am besten erhalten am Krankenbett. Man hört da das
alte Sprichwort dnrchkliugen:
Beiter ohne Pferd,
Koch ohne Herd,
Ein Ant ohne Kranke,
Fttr alle drei ich danke.*
-Ein
llin
Richtig ist hieran nnr, daß jeder dauernd in seinem Bemfe tätig
bleiben soll, um nicht ans der Uebnng nnd Erfahmng herans-
znkommen, aber die Notwendigkeit, daß die Landgerichtsä« zte
Privatpraxis ausüben müssen, läßt sich daraus keineswegs ab¬
leiten. Was bei dem praktischen Arzte die ständige Beobachtang
und Behandlang von Krankheiten ist, das ist bei dem Land¬
gerichtsarzte (Oe fortlanfende Erfdllnng seiner Dienstobliegen¬
heiten.
Außerdem gehen dem Landgerichtsarzte die Beziehungen
zar ärztlichen Wissenschaft keineswegs verloren. Bis in Bayern
jemand als Landgerichtsarzt angestellt wird, hat er darchschnitt-
lich 18—20 Jahre seit der Approbation hinter sich. In dieser
Zeit hat er sich in der praktischen Medizin genugsam nmgesehen
nnd was er dabei an Kenntnissen nnd Erfahrangen sich zn eigen
machte, das sitzt dauernd fest nnd bleibt auch für die Dauer der
amtlichen Tätigkeit erhalten. Mit seiner Anstellang als Land-
gerichtsarzt verläßt er die allgemeine Praxis and betritt ein
neues Arbeitsgebiet, er widmet sich dem Spezialfache der gericht¬
lichen Medizin und forensen Psychiatrie. Verlangt man denn
sonst von den Spezialärzten der übrigen Fächer, daß sie noch
allgemeine Praxis treiben sollen? Nein, im Gegenteil, diejenigen,
die es tnn, sieht man nicht als vollgiltige Spezialisten an. Oder
will etwa behauptet werden, diejenigen Landgerichtsärzte, die
sich freiwillig oder unfreiwillig der Privatpraxis entänßerten and
aasschließlich ihrem Amte dienten, seien deswegen weniger
Der amts&ratliche Dieast in Bayern.
97
tüchtig, rückständig in ihrem Berufe? Es wird wohl eher das
Gegenteil za behaupten sein. Was übrigens die Vornahme ärzt¬
licher üntersachnngen anlangt, so kommt der Landgericbtsarzt
ganz gewiß nicht aas der Uebang. Lesen Sie nor den treüiichen
Artikel von Herrn Landgerichtsarzt Dr. Bnrgl (M. M. W. 1906,
S. 713), der eingehend aaseinandersetzt, wie außerordentlich
zahlreich and mannigfach die Üntersachnngen sind, die der Land¬
gerichtsarzt bei den verschiedensten körperlichen and psychischen
Zaständen, in den verwickelsten Fällen mit komplizierten Methoden
vorzanehmen hat! Schließlich wird er auch der Behandlung von
Erankheitszaständen in seiner Nebenstellang als Gefängnisarzt
nicht fremd. Um mit der ärztlichen Wissenschaft in steter
Fühlung za bleiben, dazu ist es also nicht anbedingt notwendig,
daß der Landgerichtsarzt sich mit Privatprazis beschäftige.
Uebrigens liegt hier gar nicht sein Arbeitsgebiet, dazu wird
er doch nicht angestallt and besoldet, daß die Bevölkerang seines
Bezirkes in ihm einen tüchtigen and verlässigen Arzt findet,
sondern za dem Zwecke, daß er als öffentlich bestellter Sach¬
verständiger dem Landgerichte dient, ihm in allen medizinischen
Fragen sachverständige Gutachten erstattet. Das ist sein Arbeits¬
feld, das er allerdings vollständig beherrschen muß; für die hier
vorkommenden technischen Untersachangen muß er in steter
Uebang bleiben, anf dem hier einschlägigen Wissensgebiete soll
er sich ständig fortbilden and sich mit den neuen Errangenscbaften
vertrant halten. Hierfür braucht er nicht so sehr ein warmes
Herz als einen klaren Kopf, ein festes Gewissen und eine selbst¬
ständige allseits unabhängige Stellung, damit er jederzeit den
Eid erfüllen kann, auf den er sich vor jeder Vernehmang beraft,
„daß er das von ihm erforderte Gutachten unparteiisch und nach
bestem Wissen und Gewissen erstatten werde.“
Unparteiisch soll vor allem der Sachverständige sein, ähnlich
wie der Bichter, für dessen Unabhängigkeit der Staat die größten
Garantien geschaffen hat. Gewiß ist das sachverständige Gut¬
achten nicht bindend für den Richter, auch nicht das eines Land¬
gerichtsarztes, aber in den allermeisten Fällen wird doch sein
Gutachten ausschlaggebend sein für die Eröffnung oder Einstellung
des Verfahrens, sowie für das richterliche Urteil. Es gehört
doch za den seltenen Ausnahmen, daß ein auf verlässigen Wahr¬
nehmungen beruhendes, mit klaren Gründen versehenes land¬
gerichtsärztliches Gutachten von dem Gerichte unberücksichtigt
bleibt. Verträgt es sich da noch mit der Stellung eines solchen
Sachverständigen und mit dem öffentlichen Interesse, wenn der Land¬
gerichtsarzt durch eine ungenügende Besoldung sich gezwungen
sieht, gleichzeitig Privatprazis zu treiben, wenn man ihn pekuniär
vom Publikum abhängig macht, über dem er stehen muß, und
ihn einer Eoliission der Pfiichten als Hausarzt und als gericht¬
licher Sachverständiger aussetzt. Selbst wenn er seine Privat¬
tätigkeit auf die wohlhabende Elientel beschränkt, es kann doch
Vorkommen, daß er auch über solche Fälle vor Gericht als Sach¬
verständiger zu vernehmen ist, das Gutachten dann entweder
7
98
Dr. Becker.
befagterweise verweigpert oder ftndernfalls als befangen erscheinen
könnte; lautet das Gutachten zugunsten des Angeklagten, so
könnte leicht einmal die Anschauung Platz finden, daß hier der
Hausarzt dem Angeklagten zu Hilfe gekommen sei. Auch bei
Gutachten hinsichtlich der Verhandlnngsfähigkeit von Angeklagten
oder Zeugen, hinsichtlich der Haftfähigkeit und des Strafvollzuges
könnte die Vermutung auftauchen, daß der Landgerichtsarzt als
gleichzeitig behandelnder Arzt gewisse persönliche Rficksichten auf
seinen Klienten hat walten lassen. In der Instruktion für die
beiden Physikatsassistenten beim Landgerichte München I ist
ausdrücklich bestimmt, daß der Pbysikatsassistent privatärztliche
Zeugnisse in den ihm übertragenen Angelegenheiten nur ans¬
stellen darf, insoweit es sich um Patienten seiner Privatprazis
handelt, und unter Angabe dieses Verhältnisses, niemals für andere
Personen, und daß die amtsärztliche Behandlung einer Sache, in
der seitens des Physikatsassistenten ein privatärztlicbes Zeugnis
ausgestellt wurde, nicht durch diesen, sondern durch den Land¬
gericht sarzt selbst zu erfolgen hat. Mit Hecht wird allgemein
gefordert, daß der Sachverständige nach allen Seiten hin unab¬
hängig und jede Mutmaßung einer Voreingenommenheit von vorn¬
herein ausgeschlossen sei. Nach § 87 der St. P. 0. ist demjenigen
Arzte, welcher den Verstorbenen in der dem Tode voransgegangenen
Krankheit behandelt hat, die Leichenöffnung nicht zu übertragen.
Die Unfallversichernngsgesetze schreiben vor, daß, wenn auf
Grund eines ärztlichen Gutachtens die Bewilligung einer Ent¬
schädigung abgelehnt oder nur eine Teilrente festgestellt werden
soll, vorher der behandelnde Arzt vu hören ist, und wenn dieser
zu der Genossenschaft in einem Vertragsverhältnisse steht, auf
Antrag ein anderer Arzt. In den preußischen Aerztekammem
wurden solche Aerzte, welche bereits Vertrauensärzte einer im
Bezirk bestehenden Bernfsgenossenschaft sind, als ungeeignet zu
Sachverständigen für die Schiedsgerichte bezeichnet, und das
oberbayerische Schiedsgericht für Arbeiterversicherung verlangt
von den regelmäßig zngezogenen Schiedsgerichtsärzten, daß sie
keine Stellung als Vertrauensärzte bei einer Bernfsgenossenschaft
inne haben. Selbst für den freien Beruf der Hechtsanwälte gibt
es Beschränkungen; die Hechtsanwaltsordnnng verbietet ihnen, in
derselben Sache einer anderen Partei in entgegengesetztem Sinne
ihre Berufstätigkeit zu gewähren. Vom streng prinzipiellen
Standpunkte aus erscheint also die Verweisung der Landgerichts-
ärzte auf die Privatpraxis nicht als wünschenswert, sogar als
unverträglich mit ihrer amtlichen Tätigkeit. Es ist ein gutes
Zeugnis für die Gewissenhaftigkeit und Objektivität der Land¬
gerichtsärzte, daß dieser Standpunkt noch nicht hervorgekehrt zu
werden brauchte.
Es war bereits oben die Hede davon, daß die Proze߬
ordnungen dem Landgerichtsarzte eine Vorzugsstellung vor anderen
ärztlichen Sachverständigen nicht einräumen, ihn vielmehr grund¬
sätzlich denselben gleichstellen. Wenn die Gerichte bei Aus¬
einandergehen der Gutachten oder die Strafvollzugsbehörden bei
Oer amts&rztUebe Dienst in Bayern.
99
Differenz der vorliegenden Zengnisse sielt meist anf die der Land*
gerichtsärzte stützen, so ist dies dadurch veranlaßt, daß eine
größere Sachkenntnis und eine sorgfältigere Bearbeitung, vor
allem aber auch eine strikte Unparteilichkeit voransgeset 2 t wird.
Hier und auch in denjenigen Fällen, in welchen Aerzte, He¬
bammen nsw. in Straf- und Zivilverhandlnngen verwickelt sind,
erscheint ein der Privatprazis ganz fernstehender Langerichtsarzt
viel unbefangener. Handelt es sich um eine Anklage wegen
Fahrlässigkeit, üeberschreitung der Befugnisse oder um eine
Anschuldigung wegen unzulässiger Eingriffe, um Ersatzansprftche
an den Arzt wegen angeblicher Hesnndheitsschädigungen, ander¬
seits um Honorarfordernngen oder ähnliche Angelegenheiten, so
konnte leicht einmal geltend gemacht werden, daß je nachdem
der Kollege oder der Konkurrent den Sachverständigen beeinflußt
und befangen gemacht habe.
Neben solchen mehr theoretischen Erwägungen fällt aber auch
noch der Umstand ins Gewicht, daß bei jeder, auch einer kleinen
Privatprazis der amtsärztliche Dienst bis zu einem gewissen
Grad leiden muß, worauf auch schon der Herr Landgerichtsarzt
Dr. Bur gl in dem erwähnten Artikel hingewiesen hat. Es wird
dadurch das Interesse abgezogen, die Zeit zur Vorbereitung der
Gutachten und zur wissenschaftlichen Weiterbildung verkürzt; es
kommt leicht zu Kollissionen bei der Anberaumung der meist
dringlichen Termine, und die Betätigung nach zwei Seiten hin wirkt
ermfldend auf KOrper und Geist. Diese Umstände haben dazu
geführt, daß die Landgerichtsärzte ihre Tätigkeit allmählich
immer mehr anf den amtlichen Dienst beschränkten, ein gutes
Zeugnis ihrer Gewissenhaftigkeit und ihres Diensteifers. In
früheren Jahren gehörte ein ausreichendes Nebeneinkommen durch
Privatprazis fast noch zur Regel; da hatten die Landgerichts¬
ärzte noch Zeit dazu, Amtsärzte waren sie eigentlich mehr im
Nebenamt. Das hat sich unter dem Druck der Verhältnisse total
verschoben. Diejenigen älteren Herren, die nach ihrer Anstellung
anfänglich noch eine einträgliche Privatprazis versehen konnten,
mußten bei dem stetigen Wachstum der Dienstgeschäfte dieselbe
verkleinern, die auswärtige, dann auch die Kassenprazis auf¬
geben, schließlich sich auf eine kleine Nebenstellung beschränken
oder ganz der Privatprazis entsagen. Ein großer Teil der Land¬
gerichtsärzte hat jetzt überhaupt keine Privatprazis mehr, sie ist
ihnen einfach unmöglich geworden, im nennenswerten Umfang
haben eine solche die wenigsten. Selbst wenn sie dies anstrebten,
würde sich die Gelegenheit dazu doch immer mehr verringern,
denn nichts ist dafür so hinderlich als die gerichtsärztliche
Tätigkeit, wo man zeitlich so sehr gebunden ist. Wer wird denn
gerne einen Hausarzt nehmen, der erst nach Stunden kommen
kann, weil er eine Sektion vomimmt, einer Vernehmung beiwohnt
oder in einer Gerichtsverhandlung sitzt? Bei auswärtigen Sek¬
tionen ist es fast die Regel, daß damit ein Tag verloren geht.
Bei einer größeren Schwurgerichtsverhandlung kann es Vor¬
kommen, daß dieselbe mehrere Tage, ja sogar eine Woche und
7*
100
Dr. Becker.
Iftng^er dauert. Das Pabiiknm verlangt, daß der Arzt seinem
Rafe möglichst rasch Folge leistet; das ist beim Landgerichts-
arzt meist nicht möglich and daram zieht es sich von ihm zarfick;
die etwa noch treu gebliebene Klientel schmilzt bei der vermehrten
Niederlassang praktischer Aerzte immer mehr zasammen, so daß
mancher Landgerichtsarzt das bescheidene Vermögen, das er sich
in seiner früheren ärztlichen Tätigkeit erworben and znrfick-
gelegt hatte, wieder zasetzen muß and mit Sehnsucht aaf die
G-elegenheit wartet, sich durch Versetzung auf eine Bezirksarzt¬
stelle za verbessern. Die vorgenannten Umstände machen sich
noch mehr bemerkbar, wenn ein Landgerichtsarzt neu aaf seinen
Posten kommt, er findet die Privatpraxis bereits in festen Händen
and es ist ihm nicht möglich, unter den geschilderten Verhält¬
nissen noch eine solche zn erwerben.
Diese theoretischen and praktischen Erwägungen ergeben
auch die Stellungnahme, die der bayerische Medizinalbeamten¬
verein zur Frage der Privatpraxis W Landgerichtsärzte ein¬
nehmen könnte. Es sollte nicht so weit gegangen werden, die¬
selbe gänzlich bei Strafe za verbieten, — da müßte man bezüg¬
lich der Gehälter noch höher gehen als unsere Vorschläge —
oder sie wie bei den preußischen vollbesoldeten Kreisärzten auf
dringende Fälle und Konsilien mit anderen Aerzten zu beschränken.
Man verbietet ja anch sonst nicht bei den Staatsbeamten jede
Nebenbeschäftigang, sodem läßt sie soweit zu, als die dienstlichen
Interessen nicht beeinträchtigt werden. So könnte man es auch
dem Belieben des einzelnen Landgerichtsarztes anheim geben, ob
und was er in seiner dienstfreien Zeit treiben mag — es hängt
überdies von Fleiß und Geschäftsgewandheit ab, wie weit er
eine solche herausbringt — ob er in beschränktem Maße der
Privatpraxis nachgehen, wissenschaftlichen Arbeiten oder seinen
Liebhabereien huldigen will, sofern das nur nicht seiner Stellung
und seinem Dienste hinderlich ist; sollte etwas derartiges sich ein¬
mal bemerkbar machen, so stehen der Staatsregierung die Mittel
zur Abhilfe zar Verfügung. Sie werden daher, meine Herren, im
öffentlichen und dienstlichen Interesse dem zustimmen können,
daß der für alle Straf- und Zivilsachen beim Landgericht öffent¬
lich bestellte, zur steten Bereitschaft verpfiichtete und mit amt¬
lichen Charakter aasgestattete Sachverständige, so weit irgend
tunlich, von der Privatpraxis unabhängig gemacht —
das ist das Mindeste — und daß er, wo es nur angeht,
von derselben losgelöst werden soll.
Dieses Ziel kann erreicht werden; die Lösung ist gar
nicht so kompliziert. Zwei Worte nenne ich inhaltsschwer:
Vollbeschäftigung, Vollbesoldung. Um das Zweite zu er¬
reichen, braucht man nicht noch Mittel und Wege für das Erste aus¬
findig zu machen; eine volle Beschäftigung braucht man nicht erst
künstlich herbeizuführen, um damit den Antrsjg auf Gehalts¬
erhöhung motivieren zu können. Wie schon bei der Einleitang
allgemein betont wurde, nicht das persönliche Wohl der Amts¬
ärzte, sondern nur die Rücksichtnahme auf die Öffentlichen
Der amts&rztliche Dienst in Bayern.
101
Interessen dftrfen dem bayerischen Medizinalbeamten-Verein
leitende G^esichtspnnkte bei seinen Vorschlägen sein. Hierbei
maß immer von der natürlichen Entwickelung der Verhältnisse
in den letzten Jahren ausgegangen werden. Diese liegen nun
BO, daß bei den größeren Landgerichten die volle Beschäftigung
jetzt schon vorhanden ist und daß sie sich auch bei den übrigen,
wenn nicht ganz, so doch größtenteils ergibt, wenn der land¬
gerichtsärztliche Dienst die wünschenswerte und notwendige Aus¬
gestaltung erfährt.
Während früher die Untersuchung eines Angeklagten
auf seinen Geisteszustand nur selten war, ist sie jetzt auf
der Tagesordnung. In allen Fällen, in denen der Angeklagte den
Eindruck einer gewissen Beschränktheit macht, durch die Motive
der Tat oder durch sein Verhalten dabei auffällt, sich auf geistige
Störungen in der Familie, frühere Kopfverletzung, epileptische
oder hysterische Zustände, Nervosität oder Trunkenheit beruft,
oder in denen nur ein Verdacht in einer dieser Richtungen vor¬
liegt, ferner bei jedem Mord und fast bei jedem Sittlichkeits¬
verbrechen werden jetzt Gutachten über den Geisteszustand von
dem Landgerichtsarzte erholt. Wenn nicht der Untersuchungs¬
richter oder der Staatsanwalt ein solches veranlaßt haben, so
holt es gewiß der Verteidiger nach, um eventuell wenigstens eine
geminderte Zurechnungsfähigkeit geltend machen zu können. Bei
ausgesprochenen Geistesstörungen machen diese Gutachten nicht
gar so viel Mähe, aber in den allermeisten Fällen, wie sie dem
Gerichte vorliegen, und besonders bei den Grenzzuständen sind
sie nicht nur sehr schwieriger, sondern auch langwieriger Natur.
Sie lassen sich nicht mit einer einmaligen Untersnchung abmachen,
sondern erfordern mehrmalige Beobachtungen und eine ausführ¬
liche Sachdarstellung mit eingehend begründeten Schlußfolgerungen.
Ziffernmäßig ergibt sich dis große Zunahme ans den General¬
sanitätsberichten bei den Nachweisungen über die Amtshandlungen
in bezug auf gerichtliche Medizin und Medizinalpolizei; es ist
allerdings nicht ausgeschieden, wie viel auf die Bezirksärzte und
auf die Landgerichtsärzte entfäUt; der Hauptanteil der nach¬
stehenden Ziffern dürfte aber wohl die Letzteren treffen. Auf
Verlangen von Behörden wurden Untersuchungen wegen geistiger
Erkrankung vorgenommen:
in Strafsachen in Zivilsachen
im Jahre 1883 : 412 486
. „ , 1898: 691 610
, , 1903: 1890 688
„Größere Gutachten über Geisteserkranknngen (Zurechnungs¬
fähigkeit“ wurden abgegeben: 1883: 774, 1893: 687, 1903: 1427.
Sie ersehen daraus, daß die Untersuchungen in Strafsachen in
den beiden letzten Jahrzehnten sich verdreifacht und die größeren
Gutachten über Zurechnungsfähigkeit sich nahezu verdoppelt
haben. Die Untersuchungen wegen geistiger Erkrankung in
Polizeisachen und auf Verlangen von Privaten sind hier nicht
berücksichtigt.
102
Dr. B«ck«r.
Aneh die UnterBnchongen an Leichen, namentlich
aber die LeichenOffnnngren haben erheblich zogenommen,
die letzteren last nm die H&lfte.
Es fanden statt:
ünsemiehangen an Ldcheii darunter LeiehenOffnuBgeB
im Jahre
1888: 1824
666
fl
m
1893: 1176
619
«
ff
1908: 1516
769
Mit der Sektion, die namentlich auswärts Tiel Zeit, oft einen
ganzen Tag und manchmal darüber in Anspmch nimmt, ist der
Fall für den Landgerichtsarzt gewöhnlich noch nicht erledigt,
sondern nnr wenn das Verfahren sofort eingestellt wird. Sonst folgen
noch am Schloss des Ermittelongsverfahrens oder der Voronter«
snchong das Schlossgntachten and schliesslich, wenn die Anklage
erhoben wird, die Teilnahme an den Gerichtsverhandlnngen.
Die ZaU der sonstigen Gotachten, die in allen halbwegs
wichtigen Fällen von dem Landgerichtsarzte erholt werden,
kommt in den Generalsanitätsberichten nicht zom Ansdmck, weil
hier nor die »grösseren* Gotachten aofgeftthrt sind. Leider fehlt
aoch jede Angabe über die Zahl der Gerichtsverhandlnngen,
denen der Landgerichtsarzt beiwohnen moss. Jeder wäre wohl
in der Lage, für seinen Bezirk ziffemmässig eine ganz bedeotende
Steigerung innerhalb der letzten Jahre nachzoweisen. Sowohl
die Abfassung der Gutachten, als aoch die Teilnahme an den
Gerichtsverhandlungen erfordern einen sehr grossen Zeitaufwand,
da ihnen das Studium der oft recht dickleibigen Akten voraus*
geht, die Gutachten wissenschaftlich auszuarbeiten und sorgfältig
zu begründen sind, und da der Landgerichtsarzt mangels einer
Schreibhilfe Konzept und Reinschrift selbst besorgen muss.
Jeder Staatsanwalt, jeder Richter kann die enorme Zunahme
der landgerichtsärztlichen Tätigkeit nor aus eigener Erf«hrnng
bestätigen, und der Abgeordnete Herr Laudgerichtsrat Meyer,
ein gewiß unparteiischer Zeuge, sprach sich in der Abgeordneten¬
kammer voriges Jahr dahin aus: »Zu der Zeit, als ich in die
gerichtliche Praxis trat, kam der Landgerichtsarzt alle 14 Ti^e
^er 8 Wochen einmal in den Gerichtssaal, jetzt ist es fast eine
Ausnahme, wmin er einmal nicht im Hanse ist. Daraus mögen
Sie ersehen, wie die Landgerichtsärzte in Anspruch genommen
sind.*
Ihre Tätigkeit wird aber noch etwas größer werden, wenn
die Dienstaufgaben sachentsprechend gestaltet werden nach dem
Vorschläge der Leitsätze, die lediglich den praktischen Bedürf¬
nissen Dehnung tragen wollen. Nach der Kgl. Verordnung vom
3. September 1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und
Verwaltungsbehörden betreffend, erstreckt sich die Tätigkeit des
Landgerichtsarztes in allen zur Zuständigkeit des Landgerichtes
gehörigen Rechtssachen auf den ganzen Umfang des Land¬
gerichtsbezirkes. Von dieser Regel ist nur insofern eine Aus¬
nahme vorgesehen, als nach Ermessen und auf Requisition des
Staatsanwaltes, sowie des Amts- oder Untersuchungsrichters in
Der amtsSrztliclie Dienst in Bayern.
108
den znr Znständigkeit der Landg^erichte gehörigen Straftachen
anch der nftchstwohnende Bezirksarzt beigezogen werden kann.
Von dieser Möglichkeit der Sabstitaiemng wird behnfs Ersparung
von Kosten bei großer Ausdehnung der Landgerichtsbezirke nicht
beiten Gebrauch gemacht, so bei Untersuchung von KOrperrer«
letzungen oder in Strafaufschubs* oder Begnadigungssachen. Hier*
gegen läßt sich kein Bedenken geltend machen, wohl aber wenn die
Stellvertretung des Gerichtsarztes durch den Bezirksarzt anch bei
den gerichtlichen Sektionen stattfindet. Diese gehören zu den
wichtigsten und schwersten Aufgaben, die dauernde Uebung und
Erfahrung erfordern; wer nur hie und da einmal Sektionen vor¬
nimmt, etwa eine oder zwei im Jahre, dem fehlt die Gewandtheit
und Sicherheit. Mag im einzelnen Falle schon durch die Erhe¬
bungen sichergestellt sein, daß ein gewaltsamer Tod vorliegt, so
kommt doch jedesmal der Deutung der Leichenbefunde noch ein
großer Wert bei und eine Reihe von Nebenfragen muß daraus
ihre Beantwortung finden. Kleine Befunde, denen als nebensäch¬
lich im Anfänge der Untersuchung kaum ein Wert beigemessen
wurde, erlangen oft schließlich in der Hauptverhandlung große
Bedeutung ifir die Feststellung der näheren Tatnmstände und fär
die Schuldfrage. Gar schwierige Fälle erfordern eine reiche
gerichtsärztliche Erfahrung und Schulung. Wurde in verwickelten
Fällen die Sektion von weniger Geübten ausgeführt, so kam es
schon wiederholt vor, daß nachträglich Bedenken an der Richtig¬
keit der Befunde auftraten, eine zweite Obduktion der exhumierten
Leiche und eine Ergänzung des ersten Gutachtens durch andere
Sachverständige notwendig wurde, daß schließlich anch das Ober-
gntachten einer FachbehOrde bei der Mangelhaftigkeit und Unklar¬
heit des vorliegenden Materials sich nur auf Möglichkeiten oder
Wahrscheinlichkeiten hin äußern konnte. Wie soll da ein Arzt
bestehen, dem schon die Technik der Untersuchung Schwierigkeiten
macht, der erst in Büchern sich Rat erholen muß, befangen an
die Untersuchung herantritt und sich ängstlich an das mitgebrachte
SektioQsregulativ hält, vielleicht gerade deshalb wichtige Neben-
nmstände übersieht oder im Protokall nicht vermerkt und eich
schließlich bei der Deutung des Falles von den bisherigen Er¬
gebungen oder der Meinung der Gerichtsbehörden leiten läßt?
Gerade die weniger Geübten neigen merkwürdigerweise dazu,
gleich bei der Sektion eich ganz bestimmt und bis ins Detail zu
äußern. Ein solches Versehen ist nachträglich oft schwer wieder
gntznmachen. Wer dagegen viele solcher komplizierten Fälle
von Anfang an bis zu Ende mit durchgemacht hat, fühlt sofort
das Wesentliche heraus, übersieht weniger einzelne Punkte, achtet
auch auf das Nichtvorhandensein solcher Spuren oder Merkmale,
die bei der besonderen Beschaffenheit des Falles vermutet werden
konnten, und ist in seinem Gutachten vorsichtiger, darum aber
anch verlässiger, wenn er es nicht auf Vermutungen und Mög¬
lichkeiten aufbaut, sondern ausschließlich auf den tatsächlichen
Wahrnehmungen. Hat der Landgerichtsarzt nicht etwa selbst
die Sektion vorzunehmen, so ist es für ihn recht mißlich, wenn er
104
Dr. Becker.
bei dem weiteren Verfahren ein Schlnßgntachten abgeben nnd znr
Hanptverhandlnng geladen werden soll; er ist hierbei anf das
Sektionsprotokoll anderer angewiesen nnd kann nicht ans eigener
Anschaunog urteilen. Jeder sieht aber die Dinge mit eigenen
Angen an und bezeichnet sie auch in der ihm geläufigen Weise;
das beste Protokoll kann daher niemals die eigene Wahrnehmung:
ersetzen.
Aus diesen Gesichtspunkten dürfte es als richtig erscheinen,
daß der Landgerichtsarzt zu allen gerichtlichen Sektionen in
seinem Amtsbezirke als „Gerichtsarzt* beigezogen werde. Dies
ist auch durchgehends die Meinung der Landgerichtsäizte, von
denen sich mehrere im Laufe der letzten Jahre in diesem Sinne
teils mit, teils ohne Erfolg bemüht haben. Es hat auch schon
unterm 17. September 1895 eine Verfügung des Oberstaats¬
anwaltes beim Oberlandesgerichte Augsburg in üebereinstimmung:
mit der dortigen Elreisregierung es als höchst wünschenswert
erachtet, daß von dringenden Ausnahmefällen abgesehen, in der
Begel der Landgerichtsarzt mit der Sektion in allen Fällen
betraut werde, wo nach der Anzeige Verdacht besteht, daß der
Tod durch eine strafrechtlich verfolgbare Handlung verursacht
wurde.
Es bedeutet durchaus keinen Vorwurf gegen die Bezirks¬
ärzte, wenn sie den an einen gerichtlichen Prosektor zu stellenden
Anforderungen nicht durchwegs gewachsen sind. Sie müssen in
so vielen anderen Gebieten gründliche Kenntnisse besitzen, da
ist ihnen nicht zuznmoten, daß sie auch noch in allen spezifisch
gerichtsärztlichen Fragen gründliche Spezialkenntnisse haben;
Sie sind auch in ihrer eigenen Stellung überaus in Anspruch
genommen, häufig an Termine gebunden, während der Impfperiode
an der Teilnahme bei Sektionen verhindert; sie werden es daher
selbst nicht ungern sehen, wenn sie künftighin nicht mehr sei
es als stellvertretender Gericbtsarzt oder als zweiter Arzt, zu
den gerichtlichen Leichenöffnungen beigezogen werden.
Es könnte nur der Einwand erhoben werden, daß die Land*
gerichtsärzte nicht die genügende Zeit finden, um alle auswär¬
tigen Sektionen, auch bei den entfernteren Amtsgerichten vorzu*
nehmen. Es ließ sich dies aber bisher schon durchführen bei
den Landgerichten Schweinfurt und München II mit der größten
Zahl von Amtsgerichten (15 bezw. 14); es wird daher auch
anderwärts gehen nnd um so leichter, wenn der Landgerichtsarzt
von jeder Rücksicht auf die Privatpraxis entbunden ist. Bei der
Möglichkeit einer raschen Verständigung durch Telegraph und
Telephon, bei der Ausbreitung und Dichtigkeit der Bahnnetze
kann das nicht auf unüberwindbare Schwierigkeiten stoßen. Die
Kosten des Verfahrens werden hierdurch nicht oder kaum erhöht;
denn wenn die Sektion nicht unmittelbar am Amtssitze des aus¬
wärtigen Bezirksarztes stattfiudet, entstehen auch bei seiner
Beiziehung Auslagen für Tagegelder und Reisekosten nnd der
etwaige Mehrbetrag für den Landgerichtsarzt gleicht sich später
wieder aus, indem bei der Hauptverhandlung dieser das Getagten
Der amts&rstUche Dienst in Bayern.
105
erstattet) wozu sonst der auswärts wohnende Bezirksarzt hätte
beigezogen werden müssen.
Bezüglich der Ausgestaltung des landgerichtsärztlichen
Dienstes ist weiter yorgeschlagen, dem Landgerichtsarzte auch an
seinem Amtssitze der ärztlichen Dienst bei dem Amts¬
gerichte und gefängnisärztlichen Dienst bei dem Ge¬
richtsgefängnisse zu übertragen. Bei den auswärtigen Amtsge¬
richten kann ihm das nicht zugemutet werden; er hat nicht die
Zeit, dort alle Untersuchungen vorznnehmen und allen Gerichtsver¬
handlungen anznwohnen. Dort soll er lediglich die gerichtlichen
Leichenöffnungen vornehmen. Nach § 3 der Egl. Verordnung vom
3. September 1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und Ver¬
waltungsbehörden betreffend, obliegt allerdings dem Bezirksarzte die
«Besorgung des ärztlichen Dienstes bei den zugehörigen Amts¬
gerichten. ** Seit Erlass dieser Verordnung hat sich die Verteilung
der Dienstgeschäfte in der Weise verschoben, daß viele Landgerichts¬
ärzte schon jetzt den Dienst bei dem an ihrem Amtssitze befindlichen
Amtsgerichte versehen, so in Nürnberg, Fürth, Würzburg, Passau,
Landshut, Schweinfurt usw.; nur an wenigen Orten wird noch der
Bezirksarzt beigezogen, so in Traunstein, Bayreuth und Augs¬
burg. Bei den beiden Amtsgerichten München I und II ist diese
Uebertragung des Dienstes von den Bezirksärzten auf die Land¬
gerichtsärzte in den letzten Jahren in der Weise erfolgt, daß
beim Amtsgerichte I der hierzu aufgestellte II. Physikatsassistent
und beim Amtsgerichte II der zweite Landgerichtsarzt beim
Landgericht München I damit betraut wurden. Dies läßt auf
ein prinzipielles Einverständnis der beiden Ministerien des Innern
und der Justiz schließen, so daß auf die Gründe unseres Vor¬
schlages nur kurz eingegangen zu werden braucht. Wenn der
gerichtsärztlicbe Dienst überhaupt und soweit als möglich von
dem verwaltungsärztlichen abgetrennt und selbständig gemacht
werden soll, so ist es nur eine weitere Folge, dem Landgerichts¬
arzte auch den Dienst an dem Amtsgerichte seines Wohnsitzes
zu übertragen. Solange noch keine Voruntersuchung stattfindet,
werden im Ermittlungsverfahren die Amtsgerichte häufig auch in
Angelegenheiten requiriert, wo eigentlich die Landgerichte zu¬
ständig wären, so daß Eompetenzzweifel entstehen könnten,
welcher Amtsarzt beizuziehen sei. Mit unserem Vorschläge wird
weiter erreicht, daß der gericbtsärztliche Dienst bei beiden In¬
stanzen in einer Hand liegt, was auch noch deshalb wertvoll
erscheint, weil manche Fälle, die in erster Instanz beim Amts¬
gerichte verhandelt wurden, durch Einlegung der Berufung auch
das Landgericht beschäftigen und die nochmalige Beiziehung
eines Sachverständigen erfordern. Hierzu kommt noch, daß die
Bezirksärzte an den größeren Orten — und dazu zählen meist
die Landgeriehtssitze — so viel mit Verwaltangsgeschälten zu
tun haben, daß sie auch bei bestem Willen für die gerichtsärzt¬
lichen Geschäfte häufig nicht die nötige Zeit herausbringen, die
Abwertung gehäufter Gerichtstermine geradezu als eine Störung
empfinden und deshalb eine Entlastung für sie nicht nur
wünschensweit, sondern direkt notwendig ist.
106
Dr. Becker.
Die mikroskopischen und chemischen ünter-
snchnngen in Strafsachen sollen, wie bereits bei den Medi¬
zinalkomitees berfthrt wurde, in der Regel und wenn nicht
besondere Fälle eine Ansnahme begründen, nicht durch den Ge¬
richtsarzt, sondern mit Vermittlnng des Medizinalkomitees dnrch
besondere Sachverständige vorgenommen werden. Bei Erlaß der
Verordnung vom 29. September 1878 wurde anscheinend den
Gerichtsärzten noch nicht eine genügende Bewandtnis in mikros¬
kopischen üntersuchnngen zugetrant. Bei den jetzt in der Praxis
stehenden Landgerichtsärzten ist schon dnrch die Enrse auf der
Universität und weitere praktische Uebnng die technische Aus¬
bildung in dieser Richtung jedenfalls eine viel vollkommenere, als
vor 29 Jahren dies bei den Aerzten allgemein angenommen werden
konnte. Jeder Landgerichtsarzt kann jetzt Untersuchungen von
Organen, Samenfäden, Gonokokken usw. ausführen, wenn er dazu
ausgerüstet ist, auch spektroskopische Blutuntersuchungen und
leichtere chemischeAnalysen. Künftig wird dies noch bessw werden,
da die Anforderungen in der neuen ärztlichen Prüfungsordnung er¬
höht wurden. Bei der Zulassung zur ärztlichen Vorprüfung wird
die regelmäßige Teilnahme an einem chemischen Praktikum und an
mikroskopisch-anatomischen Uebnngen gefordert; för die klinischen
Semester ist die Teilnahme an einem pathologisch-histologischen
Enrse zwar nicht vorgeschrieben, wird aber wohl kaum versäumt
werden, weil die Prüfung in der pathologischen Anatomie sich
auch auf die Herstellung und Untersuchung mikroskopischer
Präparate erstreckt. Die mikroskopischen Untersuchungen werden
am besten möglichst bald nach der Herausnahme der Organe aus
dem Körper vorgenommen, weil sonst die Fänlniserscheinungen
das Bild trüben, beim Transport die Präparate dem Verderben
ausgesetzt sind und die Untersuchung dann ein negatives oder
wertloses Resultat hat. Der Zusatz von konservierenden Flüssig¬
keiten ist häufig ausgeschlossen; Alkohol verzögert die Unter¬
suchung, ist oft direkt unzulässig und auch das sonst vorzügliche
Formalin läßt sich nicht überall anwenden. Die meist vor-
kommenden Untersuchungen dieser Art dürften daher zweck¬
mäßigerweise den Landgerichtsärzten zu übertragen sein, die
komplizierteren und schwierigeren Untersuchungen werden aller¬
dings nach wie vor besonderen Institute zu überweisen sein, so
besonders die sero-diagnostischen Blutuntersuchungen und die
chemischen Untersuchungen in Vergiftnngsfällen.
Auch könnte der Landgerichtsarzt in größerem Umfange als
bisher schon im Ermittlungsverfahren und während der Vorunt«'-
snchung als Sachverständiger beigezogen werden. Gedacht ist
zunächst an die Angenscheinseinnahme bei Auffindung
von Leichen in mordyerdächtigen Fällen; die Lage der Leiche,
die Anordnung der Kleider, Entwicklung und Grad der Leichen-
erscheinungen, Ausbreitung und Größe der Blutspnren, kurz die
ganze Situation am Fundorte sollte schon von dem Gerichtsazte
mitbeobacbtet werden, da sich hieraus oft wichtige Schlüsse für
den Hergang der Tat ergeben. Unter welchen Umständen die
Der tmtslntUdie Dienst in Bayern.
107
Tat geschali, za ▼elcher Zeit der Tod eingetreten ist, ob an der
betreffenden Stelle oder ob ein Verschleppen der Ldche anza-
nehmen ist; diese and ähnliche Fragen, die später dem Gerichts-
arzte vorgelegt werden, lassen sich dann von ihm viel präziser
beantworten, als wenn er den Toten erst später bei der Sektion
im Leichenhaas sieht and Aber die Situation am Tatorte sich
ans einem Protokoll orientieren mnß. Bei nngewöhnlicher Art
von Selbstmord kommt außerordentlich viel auf die Berücksichü-
gnng der einzelnen Umstände an oder bei Ausgrabung des
Skelettes einer vermutlich ermordeten Person anf die Lage seiner
einzelnen Teile im Erdboden und anf die Art ihrer Freilegung.
Der Laie achtet natürlich auf diese Details nicht so, nnd hinten-
nach fängt man dann an zn deuten nnd zurecht zn legen. Der
Gerichtsarzt könnte in solchen Fällen den Kriminalisten wesent¬
lich nntersttttzen.
Gedacht ist weiter an die Vernehmnng von Ange-
schnldigten in solchen Fällen, in denen medizinische Fragen
sogar snbtiler and detaillierter Art erhoben werden mttssen, z. B.
Aber den geuanen fiergang bei der Geburt, bei Kindstötnngen
oder Abtreibungen, bei fahrlässigen fiandlnngen von Medizinal¬
personen nsw. Dem Untersuchnngs- oder Ermittlungsrichter
steht, auch wenn er sich auf diesem Gebiete etwas orientiert hat,
nicht die Erfahrung an der Seite, nm alle zur Klarstellung not¬
wendigen Fragen, nicht bloß Aber die zur Belastung, auch Aber die
znr Entlastung dienenden Momente an die Angeklagten zn richten.
Auf die Vernehmung der Angeschnldigten nnd die Zeugenaus¬
sagen soll dann aber der Landgericbtsarzt sein Gutachten anf-
banen; war er bei dem Verhöre nicht beigezogen, so wird er
sich ausschließlich anf Grund der Akten und demzufolge nur
mit Vorsicht nnd Vorbehalt äußern können; er wird manche
Frage unbeantwortet lassen mAssen oder darauf angewiesen sein,
erst in der fiauptverhandlnng sich durch Steilung von Fragen die
nötige Aufklärung zu verschaffen, und er kann dann in die Lage
kommen, sein Gutachten nunmehr modiAzieren oder abändem zu
mAssen, was sich alles leicht hätte vermeiden lassen.
Das Gleiche gilt für die Vernehmung von Zeugen
nnd Sachverständigen in den eben bezeichneten Fällen;
ferner wenn der Zeuge dem vernehmenden Bicbter den Verdacht
einer hysterischen oder schwachsinnigen Person erweckt oder von
dem Angeschnldigten als geistig nicht vollwertig, in seinem
Wahmehmungs- nnd Erinnerungsvermögen als nicht verlässig
bezeichnet wird. Es könnte dann, wenn wirklich ein Bedenken
obwaltet, bis zur Hauptverhandlung die Sache geklärt werden,
and es entAeie zuweilen die Aussetzung derselben.
Bei grösseren Landgerichten kann der Landgerichtsarzt
nicht alle Angelegenheiten selbst erledigen; es wird deshalb, wie
dies bisher schon in München, Nürnberg und WArzburg der Fall
ist, notwendig sein, ihm als Hilfskraft einen Assistenzarzt
beizogeben, der zwar selbständig, aber unter seiner Aufsicht die
Aberwiesenen Dienstgeschäfce, wie gefängnisärztiichen Dienst,
108
Br. Becker.
Gutachten bezflglich des Strafvollzuges nsw. ansfBhrt, auch sonst
zur Geschäftsaushilfe zur Verffigung steht, ihn so entlastet und
für die wichtigeren Angelegenheiten frei macht, ferner die Ver¬
tretung im Urlaub ttbemimmt und als zweiter Arzt bei den
gerichtlichen Sektionen znznziehen ist.
Mit der wichtigen Frage des zweiten Arztes bei den
gerichtlichen Leichenöffnungen mflssen wir uns noch
etwas näher befassen. Hauptsächlich wohl ans fiskalischen
Gründen hat die Entschliessung der Egl. Staatsministerien der
Justiz und des Innern vom 20. Januar 1904 die Vornahme der
richterlichen Leichenschau und Leichenöffnung betr., bestimmt,
dass der
„Bichter zur Vornahme der Leichenöffnung neben dom Gerichtsarzte als
zweiten Arzt tunlichst einen anderen Öffentlichen Arzt, einen Priratarzt aber
nur dann znznziehen hat, wenn besondere Umstände es veranlassen, ins¬
besondere wenn im Falle der Verhinderung der Öffentlichen Aerzte des
Bezirkes, in dem die Leichenöffnung vorzunehmen ist, die Zuziehung eines
im benachbarten Bezirke angestellten Öffentlichen Arztes mit erheblichen
Mehrkosten verbunden wäre“.
Diese Entschliessung hat im Anfänge recht viele Schwierigkeitmi
und Kalamitäten verursacht. Es kam vor, daß der Bezirksarzt,
in dessen Amtsbezirk die Sektion fiel, in Urlaub, durch die Impf¬
periode oder sonstige Amtsgeschäfte verhindert war. Ein anderer
erklärte, er käme zwar auf Verlangen zur Sektion, beteilige sich
aber nicht bei der technischen Ausführung. Bei der Suche nach
einem praktischen Arzte in der Nähe des Sektionsortes ergaben
sich mancherlei Schwierigkeiten und teils berechtigte, teils unbe¬
rechtigte Ablehnungen. Manchmal musste ein halber Tag lang
mit dem auswärtigen Amtsgerichte hin und her telephoniert
werden, bis die Gerichtskommission glücklich beisammen war.
Die Landgerichtsärzte, die um der Verordnung zu entsprechen,
mehrmals den jeweils nächstwohnenden Arzt zur Sektion beizogen,
haben dabei mancherlei unangenehme Erfahrungen gemacht.
Schliesslich kamen sie davon wieder ab und blieben bei dem
bisherigen System, stets den gleichen Arzt beizuziehen, wenn
auch manchmal ein Notat der Finanzkammer hintennach kam.
Mit der Aufklärung der bestehenden Verhältnisse wurde letzteres
immer seltener.
Nach § 87 der Strafprozessordnung wird die richterliche
Leichenschau im Beisein des Bichters von zwei Aerzten vor-
genommen, unter welchen sich ein „GerichtsarzU' befinden muss,
der eben zufolge seiner Ausbildung und häufigen Durchführung
von Obduktionen in solchen Untersuchungen bewanderter ist
Im Vertrauen auf die Kenntnisse dieses einen Obduzenten darf
man nicht einen beliebigen Arzt als zweiten Sachverständigen
beiziehen, bloss um den Wortlaut des Gesetzes zu erfüllen. Die
Gerichte müssen vielmehr bei der schwerwiegenden Bedeutung
der Sektionen darauf bedacht sein, zwei vollwertige Sachverständige
zu bestellen, von denen jeder aus dem Gefühl gleicher Verant¬
wortlichkeit heraus in seiner Weise ersprlesslich zur richtigen
Feststellung des Befundes beiträgt. Es wird dem Landgerichts-
Der unts&istliche Dienst in Bayern.
109
ar 2 t nur angenehm sein, wenn ihm ein technisch geftbter, in
pathologischer Anatomie bewanderter und in gerichtsärztlichen
Fragen zuverlässiger Arzt zur Seite steht. In denjenigen Land-
gerichtsbezirken, in denen die Aufätellang eines Assistenzarztes
noch nicht notwendig ist, sollte daher immer der gleiche Arzt
bei allen Sektionen im Landgerichtsbezirke beigezogen werden
nnd zwar entsprechend der vorgenannten Ministerialentschließnng
tunlichst nur ein pro pbysikatu geprfliter Arzt, damit er sich für
seine spätere Anstellung Uebung nnd Erfahrung anei^en kann;
ein solcher hat auch ein grösseres Interesse an derartigen ünter-
snchungen.
Dass der Landgerichtsarzt bei Art nnd Umfang seines
Dienstes, bei dem ständigen Zusammenarbeiten mit den Gerichts¬
behörden eines Amtszimmers in dem Gerichtsgebände
bedarf, leuchtet von selbst ein und benötigt keine weitere
Begründung. Die Justizverwaltung hat auch schon bereits in
einzelnen Großstädten und bei Neubauten auch anderwärts solche
Amtsräume den Landgerichtsärzten zur Verfügung gestellt nnd
die Kosten für die mobiliare Ausstattung übernommen. Auch die
Anschaffung aller zu den amtlichen Untersuchungen notwendigen
Apparate nnd Instrumente (Untersuchnngsstuhl, Ohren-, Augen-,
Scheidenspiegel usw., Sektionsinstrumente, Giftkasten, Mikroskop
nebst Zubehör usw.) dürfte nicht dem Amtsärzte anfzubürden,
sondern auf Staatsfond zu übernehmen sein.
Der Neuerlass eines Sektionsregnlatives steht bevor, wenig¬
stens wurden schon vor zwei Jahren in jedem Regierungsbezirke
von je einem Landgerichtsarzte und zweiten Arzte Gutachten
eingefordert. Bei dieser Gelegenheit Hesse sich zweckmässiger¬
weise auch eine Dienstanweisung für die Landgerichtsärzte
damit verbinden; in deren allgemeinem Teile fänden die Be¬
stimmungen Platz über die dienstliche Stellung nnd Zuständigkeit
der Landgerichtsärzte, der Assistenzärzte und Amtsgerichtsärzte
nnd im speziellen Teile die einzelnen Dienstobliegenheiten, so
die Beiziehung zu Augenscheinen, Vernehmungen nnd Verhand¬
lungen, die Vorschriften über das Verfahren bei der Leichen¬
öffnung, über die mikroskopischen und dergleichen Untersuchungen,
über die Einsendung der zur weiteren Untersuchung bestimmten
Präparate an die besonderen Institute, auch zu Sammlungs¬
zwecken an das gerichtlich- medizinische Institut und das Kriminal-
museum, der Gefängnisdienst usw.
Das wären, meine Herren, die Vorschläge für die Aus¬
gestaltung des landgerichtsärztlichen Dienstes. Sie schliessen sich
eng an die von selbst gekommene Entwickelung der Verhältnisse
an, suchen diese nur gleichmäßig auszubanen und wollen den
praktischen Bedürfnissen nnd den dienstlichen Anforderungen
gerecht werden. Wenn sie auch manchem Landgerichtsarzte eine
Erweiterung seiner Tätigkeit bringen, so werden sie hoffentUch
dennoch allgemeine Zustimmung finden; denn sie liegen im In¬
teresse ihrer ganzen Stellung und nur auf diesem Wege wird
sich das eine Postulat, die volle Beschäftigung erreichen lassen.
110
> Dr. Becker.
Es handelt sich nnnmehr noch dämm, Leistung nnd Gehalt in
Einklang zu bringen. Das wird finanziell Mehranfwendangen
des Staates notwendig machen; wenn die eben vorgebrachten
Gründe aber von dei' Staatsregiernng als richtig anerkannt werden,
dann dürfen unsere Wünsche wohl anf Berücksichtigung nnd
Erlüllnng rechnen, sowohl nach der Seite der Beschäftigung als
anch hinsichtlich der Gehalts frage. Das Gehalt der Land¬
gerichtsärzte bemißt sich nach dem Gehaltsregnlatiye Tom Jahre
1892. Sie haben einen Anfangsgehalt von 2340 M., das nach
3 Jahren anf 2700 M., nach 5 Jahren anf 3060 M., nnd dann
alle weitere 5 Jahre nm je 180 M. steigt. Da die Anstellung
erst in den vierziger Jahren erfolgt, bringt es nicht leicht ein
Landgerichtsarzt über 20—25 Dienstjahre, wobei er dann einen
Gehalt von 3580 SC. erreicht. Zwingt ihn dann Krankheit, vor
seinem 70. Lebensjahre in Pension zu gehen, so hat er dann nnr
3222 M. Pension, nnd bei 16—20 Dienstjahren, wo schon die
Dnrchschnittszahl liegt, nnr 2736 M. Die Pensionen der Witwen
betragen jeweils nnr ein Fünftel des letzten Einkommens des
Mannes.
Zn diesen pragmatischen Gehaltsbezügen erhalten die Land¬
gerichtsärzte noch nicht-pensionsfähige Gehaltszulagen von 360
bezw. in der zweiten Ortsklasse nnd die ledigen nnr 315 M.
Während die Bezirksärzte durch Zeugnisse, Gutachten nnd die
öffentlichen Impfungen ein regelmäßiges amtliches Nebenein¬
kommen haben, ermangeln die Landgerichtsärzte eines solchen
so gut wie ganz; sie erhalten lediglich bei auswärtigen Dienst¬
geschäften Tagegelder, besondere Gebühren aber nnr dann, wenn
eine Verurteilnog erfolgt ist und die Kosten des Verfahrens von
dem Verurteilten beigetrieben sind. Das sind aber Ansnabmefälle;
die kriminellen Personen rekrutieren zumeist nicht ans den wohl¬
habenden Kreisen. Außerdem hat es doch anch etwas unsym¬
pathisches für den Landgerichtsarzt an sich, daß dieser Gebühren-
bezug abhängig ist von dem Ansgang des Prozesses, bei dem
sein sachverständiges Gutachten mit in die Wagschale fällt Die
amtlichen Nebengebühren betragen nach einer diesbezüglichen
Umfrage 120—600 M., im Durchschnitt 375 M.
Eine Möglichkeit, sich durch Versetzung anf einen anderen
Landgerichtsarztposten oder durch Aufrücken in höhere Stellen
zu verbessern, ist so gut wie ausgeschlossen. Die Gehaltsbezüge
sind überall gleich, sowohl am größten, wie am kleinsten Land¬
gerichte. Wenn ein Justizbeamter oder Rechtsanwalt hört, welche
Besoldung der Landgerichtsarzt beim Landgericht München I hat,
den er doch jeden Tag vormittags wie nachmittags im Jnstizpalaste
sieht, so schlägt er vor Erstaunen die Hände über dem Kopfe zu¬
sammen; er kann es schier nicht glauben, daß das Gehalt so niedrig
sei. Während ein Bezirksarzt durch Versetzung in eine größere Stadt
mit der Mehrarbeit auch ein höheres Nebeneinkommen erzielt, ist
es dem Landgerichtsarzte unmöglich, sich durch eine Versetzung
pekuniär zu verbessern. Je größer der Landgerichtsbezirk, umso
größer auch ist die Arbeitslast, umso geringer die Gelegenheit zur
Der amtB&rzÜiche Dienet in Bayeni.
111
Privatpraxis; in dem Stadtbezirke fallen sogar die Tagegelder
weg. Ein Anfateigen in höhere Stellen gehört zn den großen
Seltenheiten; als Vorrücknngsstellen gibt es nnr die 8 Kreis¬
medizinalratsstellen, von denen sich nur in Jahreszwischenränmen
eine erledigt nnd anf die neben 29 Landgerichtsärzten noch 168
Bezirksärzte Anwartschaft haben. Die Wahrscheinlichkeit der
Vorrhckang ist daher auch f&r die Gatqnalifizierten recht gering.
Die bayerischen Landgerichtsärzte sind schlechter gestellt
als die prenssischen „nicht vollbesoldeten* Gerichtsärzte. Diese
beziehen ansser ihrem Gehalte (1800—2700 M.J und der Dienst-
anfwandsentschädigung (250—500 M.) eine pensionsfähige Zulage
von 1200 M., daneben haben sie Anspruch anf Gebfthren in allen
gerichtsärztlichen Fällen, in denen ihre Tätigkeit in Anspruch
genommen wird. In der Regel sind sie auch Gefängnisärzte bei
den Landgerichtsgefängnissen nnd beziehen dafür eine besondere
Remuneration; die Ansübang von Privatpraxis steht ihnen frei.
. Die missliche Situation der bayerischen Landgerichtsärzte ist
allgemein bekannt, so dass der Andrang zu diesen Stellen ein
viel geringerer ist als bei den Bezirksarztposten. Diese haben
mindestens 4 mal so viel Bewerber; man kann daher Land¬
gerichtsarzt in etwas jüngeren Jahren werden als Bezirksarzt.
Ein Uebertritt von Bezirksarzt- auf Landgerichtsarztstellen ist,
glaube ich, in den letzten Jahren nicht mehr vorgekommen, das
Umgekehrte schon häufiger. Nicht einmal die Großstädte wirken
hier verlockend, die doch sonst der Familie halber und wegen
der Kindererziehung sehr gesucht sind; die Bezirksarztstellen
sind hier recht begehrt, die der Landgerichtsärzte viel weniger.
Wer sich in eine Großstadt als Landgerichtsarzt versetzen lässt,
wird seine Enttäuschungen erleben; die Privatpraxis ist in festen
Händen, bei der dienstlichen Inanspruchnahme fehlt auch die
Zeit dazu; sonstige öffentliche Nebenstellen sind vergeben. Es
heisst abwarten, bis sich etwas Passendes erledigt; ein Neben¬
einkommen bringt vielleicht nur der gefängnisärztliche Dienst.
Der Landgerichtsarzt ist daher fast ausschliesslich auf seinen
Gehalt angewiesen, mit dem er auch bei einfacher Lebensweise
nur einen Teil seines Unterhaltes bestreiten kann. Diese Ueber-
legung hat schon manchen gut qualifizierten Landgerichtsarzt
zurückgehalten, sich um einen (^roßstadtposten zu bewerben.
Wenn nicht besondere Verhältnisse die Situation günstiger ge¬
stalten, bilden diese ein Privilegium für Wohlsituierte. Darin
liegt entschieden ein Mißstand.
Bei der seinerzeitigen Fixierung des Gehaltsregulatives für
die Amtsärzte — die Landgerichtsärzte sind den Bezirksärzten
noch um 360 M. voraus — wurde der Gehalt niedriger als bei
den anderen Staatsbeamten, denen sie im Range gleich stehen,
angesetzt, weil man davon ansging, dass sie sich noch durch
Privatpraxis ein Nebeneinkommen erwerben könnten. Wie unzu¬
treffend diese Annahme dni*ch die Entwickelung der Verhältnisse
jetzt geworden ist, wurde bereits oben auseinandergesetzt.
Der Königl. Staatsregiernng sind die prekären Verhältnisse
112
Dr. Becker.
wohl bekannt; sie sind in den letzten Landtagfsperioden wiederholt
znr Sprache gekommen. Bei der Beratnng des Antrages Banh
im vorigen Jahre hat der Chef des Medizinalwesens ansdrflcklidi
anerkannt, dass die Landgerichtsärzte, ti’otzdem sie voll und ganz
ihre Pflicht tun, nicht vollständig, nicht genfigend bezahlt sind,
and der Herr Staatsminister Graf v. Feilitzsch selbst hat im
Jahre 1904 schon insbesondere fär die Landgerichtsärzte eine
Verbesserung der Stellung als wünschenswert bezeichnet, weil
sie teilweise so beschäftigt seien, dass sie gar keine Privatpraxis
mehr austtben könnten und auch kein Nebeneinkommen hätten.
Er erklärte auch, diese Frage im Auge zu behalten und bei der
seinerzeitigen Aendemng des Gehaltsregulativs in nähere Wür¬
digung zu ziehen. Aut diesen Moment wurde auch schon in der
Landtagsperiode 1900 vertröstet.
Mittel und Wege hätten der Kgl. Staatsregierang vielleicht
doch zur Verfügung gestanden, um ihren guten Willen auch in
die Tat umzasetzen. Einmal hat sie dazu einen Ansatz gemacht;
Durch die gemeinschaftliche Bekanntmachung der Kgl. Staats¬
miniserien der Justiz, des Innern und der Finanzen vom 22. Fe¬
bruar 1904 wurde bestimmt, daß für die Amtsäi'zte, wenn sie
infolge einer gerichtlichen Vorladung als Sachverständige ge¬
zwungen sind, über Nacht außerhalb ihres Wohnsitzes zu ver¬
weilen, oder wenn sie außerhalb desselben eine Leichenöffnung
auf gerichtliche Anordnung vorzunebmen haben, das Tagegeld
(sonst 11 M.) auf 20 M. festgesetzt werden kann. Wäre die
Kgl. Staatsregierung auf diesem Wege fortgefahren und hätte
sie durch Zuweisung weiterer Gebühren, wie etwa für die auch
am Amtssitze stattfindenden gerichtlichen Leichenöffnungen und
Verhandlungen, die Nebeneinkommen je nach dem Umfange der
Beschäftigung erhöht, so hätte sich ein befriedigendes Provisorinm
bis zur Revision des Gehaltsregulatives schaffen lassen. Als
Dauerzustand möchte die Verweisung auf Gebühren, so will¬
kommen eie auch sonst wären, nicht empfohlen werden; flskalische
Sparsamkeitsrücksichten könnten ab und zu die Beiziehung des
Landgerichtsarztes verhindern, die Einnahmen würden damit
unsicher und unregelmäßig gestaltet, eine Besserung der Pensions¬
verhältnisse und der Fürsorge für die Hinterbliebenen würde
damit mehr Schwierigkeiten begegnen. Es werden ja auch nicht
die Richter nach der Zahl der Verhandlungen und Urteile besoldet
Welche Verbesserungen das in Aussicht stehende Beamten¬
gesetz den Landgerichtsärzten bringen wird, ist jetzt noch unbe¬
kannt. Sollte etwa nur eine prozentuale Erhöhung des bisherigen
Gehaltes, gleichmäßig mit den übrigen Staatsbeamten in Aussicht
genommen sein, so dürfte das nicht als genügend erscheinen;
denn nicht nur wegen der Teuerung der Lebensverhältnisse allein
ist für die Landgerichtsärzte eine Erhöhung ihres Gehaltes zn
erstreben, sondern hauptsächlich wegen der stets sich mehrende
dienstlichen Inanspruchnahme. In die jetzige XI. Gehaltsklasse
gehören sie nicht mehr hinein, sie sollten aus derselben herans-
genommen und in eine höhere Gehaltsklasse eingereiht werden.
Der amts&rstllche Oiesst fai Bayern.
118
die ihrer ganzen Stellung entspricht. Sehen wir nns in den
Beamtenkategorien des Jnstizressorts nm, in welchem die Land¬
gerichtsärzte jetzt tätig sind and dem sie künftig unterstellt
werden mögen, so fällt der Blick von selbst auf die Landgerichts¬
räte. Im ^nge stehen sie ihnen zwar gleich, in der Besoldung
aber wesentlich hinter ihnen zurück, obwohl die Arbeitslast sicher
die gleiche, an den größeren Landgerichten sogar eine erheblichere
ist. Mit Rücksicht hierauf dürfte der Vorschlag sachentsprechend
und nicht mehr als billig erscheinen, es mögen die Landgerichts¬
ärzte in die Qehaltsklasse VII mit einem Anfangsgehalt von
3720 M. eingereiht werden, so daß sie den Landgerichtsräten
auch bezüglich ihres Gehaltes gleichstehen. Mit der ersten Vor¬
rückung nach 5 Jahren erhielten sie dann das Anfangsgehalt der
ersten Staatsanwälte bei den Landgerichten mit 4080 M. Auch
dürfte in Erwägung zu ziehen sein, ob nicht im Falle der Pen¬
sionierung vor dem 70. Lebensjahre den Landgerichtsärzten in
gleicher Weise wie den Richtern das volle Gehalt zu gewähren
sei, da die Gründe, die bei den Richtern dies als erforderlich
erscheinen ließen, auch füi* die Landgerichtsärzte geltend gemacht
werden können. Von einem formellen Antrag in dieser Richtung
ist deshalb abgesehen, weil dieses Reservatrecht der bayerischen
Richter nach Verlautbarung mit dem neuen Beamtengesetz
fallen wird.
Mit dieser vorgeschlagenen Gehaltserhöhung kann man den
Laadgerichtsarzt, der nicht mehr wie der Landgerichtsrat eine wei¬
tere Karriere offenstehen hat, der diesen an Lebensalter meist über¬
ragt, und schon für erwachsene Nachkommen zu sorgen hat, noch
nicht einen vollbesoldeten Beamten nennen. Er ist jedoch nicht
mehr so dringend auf jede sich bietende Nebenbeschäftigung
angewiesen, er steht der Privatpraxis unabhängiger gegenüber
und kann alles, was mit seinem Dienste nicht recht verträglich
erscheint, ablehnen. In kleineren Landgerichtsbezirken könnte
er nebenbei noch etwas privatärztUch tätig sein, ohne bei der
Eassenpraxis oder auswärts den anderen Aerzten Konkurrenz
machen zu müssen. In mittelgroßen Bezirken ließe sich durch
Uebertragung der mit einer besonderen Remuneration ausge-
statteten Stellen an den Gerichtsgefängnissen, eventuell auch an
kleineren Strafanstalten, die volle Beschäftigung und volle Be¬
soldung erreichen. Bei den größten Landgerichten, bei denen der
Dienst die ganze Arbeitskraft absorbiert und jede Privatpraxis
oder Nebenstellung unmöglich macht, da ließen sich dadurch
Vorrückungsstellen schaffen, daß den Landgerichtsärzten
Rang, Titel und Gehalt von Medizinalräten (4920 M.) ver¬
liehen wird. Auf diese Weise wäre auch in der landgerichts¬
ärztlichen Laufbahn eine Art Karriere gegeben durch die Möglich¬
keit, bei guter Qualifikation von den kleineren auf die großen
Stellen versetzt zu werden. Im Geschäftsbereiche des Justiz¬
ministeriums erhalten die älteren Oberamtsrichter auch bei
kleineren Gerichten, sowie ältere und verdiente Landgerichtsräte,
die nicht mehr zu Direktoren aufrücken, die Stellung von Ober-
8
114
Or. B«d»r.
landesgAriehtar&ten. Wenn daher ein Analoges Ar die Land>
gerichtsftrzte nicht mit Bftcksicht anf das Dienstalter, sondmn
anf den besonderen Umfang der Dienstgeschäfte erbeten wird,
so kann das nicht als nnberechtigt oder unbescheiden erklärt
werden.
Bei der Frage, welche Orte dafür in Anssicht genommen
werden könnten, Hesse sich an die Schwnrgerichtssitze denken.
Das sind aber nicht immer die größten Landgerichtsbezirke und
das Schwurgericht belastet den Lsndgericbtsarzt in loco Tielleicht
nur wenig mehr, da die im Vorverfahren von den answärtigen
Landgerichtsärzten abgegebenen Gatachten von diesen auch in
der Haaptverhandlang za vertreten sind and der Landgerichtsarzt
am Sitze des Schwurgerichtes wohl nar dann noch in sonst znst&n-
digen Fällen beigezogen wird, wenn karz vor der Haaptverhandlang
bei dem schon flberstellten Angeklagten die Frage des Geistes-
zastandes aufgeworfen oder sonst noch ein amtsärztliches Gat-
achten notwendig wird. Weiter könnte man aasgehen von der
Zahl der Strafkammern, der üntersachnngsrichter oder der Staats¬
anwälte bei einem Landgerichte; wo diese in doppelter oder drei¬
facher Anzahl vorhanden sind, ist sicher auch die Inanspruch¬
nahme des Landgerichtsarztes eine entsprechend höhere. Dies
deckt sich, wie sich ans einer angefertigten Tabelle ersehen
läßt, mit der Bevölkernngsziffer der Landgerichtsbezirke. Die
Bevölkerung beeinflußt ja auch noch darch ihre Qualität die
Kriminalität und die landgerichtsärztliche Tätigkeit, sie bildet
aber den besten vergleichbaren Maßstab. Es wird deshalb vor¬
geschlagen, die Bevölkernngsziffer derart zugrunde zu legen, daß
bei me^ als 250000 Einwohnern in einem Landgerichtsbezirke
die Medizinalratsstellen errichtet werden mögen. Es wären diese
nach der Größe geordnet0 die Landgerichte:
Httoohen I (542294)*), Nttrnberg (891589), Aagsbarg (289157), MfiBcheo n
(288890), Frankenthal (26H 608), Bamberg (251461) und Traanstein (250823),
im Ganzen also 7 Vorrttckaogsstellen bei 28 Landgerichten nnd 29 Land*
gerichtsärzten. ünter 250000 Emwobnem kämen znnicbst Wttrzbnrg (244 871),
wo der Landgericbtsarzt die Nebenstellonor als Professor der gericbtliehea
Medizin inne bat, dann Begensbnre (217898), Schweinlnzt (215927), Zwei*
brttcken (212047) and Kempten (^2536).
Die übrigen 16 Landgerichtsbezirke haben unter 200000 Ein¬
wohner herab bis zu 142000.
Bei den Amtsgerichten läßt sich eine Trennung des
gerichtsärztlichen Dienstes von dem verwaltnngsärztlichen nicht
allgemein darchAhren, da die anfallenden Dienstgeschäfte keinen
so großen Umfang erreichen, um einen Arzt diunit voll zn be¬
schäftigen.
Die Organisation des ärztlichen Dienstes wird hier daher
im wesentlichen die gleiche bleiben wie bisher, nur bezfiglich
der Landgerichtssitze wurde vorhin ansgefflhrt, daß hier am
besten der Dienst von den Landgerichtsärzten mit flbemommen
*) Die 2Siireni sind dem Terminskalender Itlr bayerische Jnrlstea 1907
entaommen.
*) BMm Laadgerldite MOaehea 1 siad swd Laadgeiiehtslnta aagestdlt.
Der amtsSntUehe Dieast in Bayers.
115
wird. An denjenig^nn Bezirksamtssitzen, bei denen nicht zugleich
ein Landgerichtsarzt sich befindet, we^en die Bezirksärzte und
an den übrigen Amtsgerichten die bisherigen bezirksärztlichen
Stellvertreter nach wie vor damit zu betrauen sein. An den
267 Amtsgerichten des Eönigsreich würden demnach 28 Land¬
gerichtsärzte, 133 Bezirksärzte I. Klasse und 106 bezirksärzt¬
liche Stellvertreter bezw. Amtsgerichtsärzte den Dienst versehen.*)
TU. Der ärztliche Dienst bei den Yerwaltnngsbehorden.
1. Die Medizinalreferate beim KgL Staatsministerinm des
Innern und bei den KgL Kreisregiemngen. Zu beginnen ist auch
hier mit den oberen Instanzen. Der erste Leitsatz geht dahin,
es mOge dem Obermedizinalrate im Staatsministerinm
des Innern als Vorrücknngsstelle nach mehrjähriger Dienstzeit
die Stellung eines Ministerialdirektorsnnd den Kreismedizinal¬
räten die Stellung von Oberregierungsräten verliehen werden.
Außer der hierdurch sich ergebenden Erhöhung im Bange würde
sich das Gehalt bei dem Obermedizinalrate von 7020 auf 9000
und bei den Kreismedizinalräten von 4920 auf 6120 Mark er¬
höhen. Es soll ganz gewiß keine captatio benevolentiae sein,
wenn der bayerische Medizinalbeamtenverein auch für die höheren
Medizinalbeamten etwas zu erreichen sich bemüht. Dieser An¬
trag erfolgt vielmehr aus dem Grunde, weil es als billig und
gerecht erscheinen muß, daß die Amtsärzte in ihrer Laufbahn
die gleichen Stellungen erreichen können, wie sie den übrigen
Beamten offen stehen und daß sie in dieser Richtung nicht zn-
rflckgesetzt sein sollen. Die Erfüllung unseres Antrages würde
jedenfalls dazu beitragen, die amtsärztliche Stellung im Ansehen
nach außen hin zu heben und das Medizinalwesen als einen den
übrigen Verwaltungen gleichwertigen Faktor in der Staatsver¬
waltung zu kennzeichnen. Da, wie man hört, das neue Beamten-
Zahl
der
Amtsgerichte
Den ärztlichen Dienst bei den Amtsgerichten
3) Oberlandes-
würden versehen
gericbte
Land-
Bezirksärzte
Amts-
gerichtsärzte
I. EL
geiicbtsärzte
München
60
7
86
18
ZweibrOcken
30
4
12
14
Bamberg
68
6
33
29
Nürnberg
60
6
28
26
Aagsbarg
49
6
26
19
267 j
1
188
106**)
*) Der Landgerichtaarzt za UUnchen II hätte allein keinen amtegeiichtn-
lichen Dienst za versehen.
**) Das Amtsgericht Waldmohr, wo noch ein Bezirksarzt II. El. aof-
gestellt ist, and die Amtsgerichte Osterhofen and Ladwigsstadt, bei denen
keine bezirksärztlicben Stellvertreter aafgestellt sind, sind hier miteingerechnet.
In Weiden ist der bezirksärztliche SteUvertreter zagleich Landgericbtsarzt.
Mit Einrichtong der beiden im Landtagsbadget postierten Bezirksämter in
Biedenbarg and Laal werden sich die Ziffern in der letzten Spalte am zwei
vermindern, ln der vorletzten entsprechend erhöhen.
8*
gesetz die Zahl der Gehaltsklassen yermindem nnd dafür bei d»
einzelnen gleichartigen Kategorien die VorrOckangen verbessern
soll, stehen diesem Wonsche vielleicht keine großen Schwierig¬
keiten entgegen.
Dem Staatsministerinm des Innern ist als sachverständiges
Organ für die Beratung nnd Begutachtung in Angelegenheiten
des Medizinalwesens nnd der Medizinalpolizei mit Einschluß der
Pharmazie nnd des Veterinärwesens und zur Vertretung der
medizinischen Interessen überhaupt, der Obermedizinalaus-
schuß unmittelbar unterstellt. Nach der Egl. Verordnung vom
24. Juli 1871, den Obermedizinalausschnß und die Kreismedizinal-
ansschttsse betreffend, hat dieser insbesondere die Aufgabe, die
Anwendung der theoretischen Grundsätze auf die praktische
Medizinalverwaltung nach dem jeweiligen Stande der Wissen¬
schaft zu vermitteln nnd die Pflicht, aus eigener Initiative Anträge
auf Verbesserung von Verhältnissen nnd Einrichtungen des Ge¬
sundheitswesens zu stellen. Der Obermedizinalausschnß ist zu
vernehmen in allen Fragen, welche die Medizinalverfassung oder
die Medizinalverwaltung berühren oder sonst in medizinischer
Hinsicht von besonderem Interesse sind, über Entwürfe von Ver¬
ordnungen oder oberpolizeilichen Vorschriften, welche sich auf
Gegenstände des Gesundheitswesens erstrecken, bei Besetzung
von Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes — tatsächlich
wird er hier nicht gehört — nnd über Gesuche um Errichtung
von Apotheken oder um Haltung von Filial- oder Handapotheken.
Der Obermedizinalausschuss bat ferner die Normen für die
Jahresberichte der beamteten Aerzte zu begutachten und sich die
Erhaltung des wissenschaftlichen Geistes und Strebens in den
praktisch ärztlichen nnd pharmazeutischen Kreisen des Landes
angelegen sein zu lassen. Er besteht aus dem Medizinalrefe¬
renten des Staatsministeriums des Innern, einem Administrativ-
bsamten desselben nnd einer unbestimmten Anzahl von Mitgliedern,
gegenwärtig 8.
Bei den vorbezeichneten Aufgaben des Obermedizinalaus¬
schusses würde man eine andersartige Zusammensetzung desselben
erwarten dürfen, insbesondere eine größere Berücksichtigung der
Männer der Praxis. Nun sind aber alle seine Mitglieder bis auf
einige Angehörige der Münchener medizinischen Fakultät, die
Vertreter der praktischen Medizinalverwaltung sind in demselben
zu vermissen. Es gehört zwar ein praktischer Arzt demselben
als Mitglied an, die Amtsärzte aber sind in ihm g^nicht ver¬
treten. Die wissenschaftliche Autorität der Mitglieder des Ober¬
medizinalausschusses ist wohl gar nicht in Zweifel zu ziehen,
sind sie doch die Träger weitberühmter Namen, aber das darf
man doch auch ruhig behaupten, daß sie mit den Angelegenheiten
des Medizinalwesens und der Medizinalpolizei nicht so genügend
vertraut und darin praktisch so bewandert sind, daß die Mit¬
wirkung der amtlichen Aerzte als ganz entbehrlich erscheinen
kann. Gerade wo es sich nm die Uebertragung der theoretischen
Grundsätze auf die praktische Medizinalverwaltung, nm Entwürft
Der emteintUehe Dienst in Bayern.
117
höchst wichtiger Verordnungen und oberpolizeilicher Vorschriften
oder darum handelt, ob sich etwa bei der Dnrchftthmng des Ge«
snndheitswesens Mängel fQhlbar gemacht haben oder Verbesserungen
angezeigt erscheinen, wäre es nur wünschenswert, daß in dem
obersten sachverständigen Organe auch die Amtsärzte vertreten
seien, damit auch ihre Erfahrungen und Beobachtungen nutzbar
gemacht werden, die Verhältnisse und Bedürfnisse der Praxis
voll zur Würdigung gelangen kOnnen. Von diesem Gesichts
punkte aus ist vorgeschlagen, es mögen in den Obermedizinal-
ausschnß zwei Bezirksärzte und ein Landgerichtsarzt als ordent*
liehe Mitglieder einbreufen werden. Wenn oben die Einreihung
der Landgerichtsärzte in das Jnstizressort und hier die Einbe¬
rufung eines solchen in den Obermedizinalansschnß gewünscht
wird, so liegt hierin kein Widerspruch, da letzterer nach wie
vor ^8 oberste Sachverständigen-Kollegium für die Beratung und
Begutachtung aller Angelegenheiten des Medizinalwesens und der
Medizinalpolizei bleiben wird; deshalb sollte auch ein Landge¬
richtsarzt demselben angehören, damit die gerichtsärztlichen ^-
fahrungen nutzbar sich verwerten ließen. Von den beiden einzu¬
berufenden Bezirksärzten würde am besten der eine ans einem
großen Stadtbezirke und der andere aus einem ländlichen Be¬
zirke zu entnehmen sein, damit den verschiedenartigen Ver¬
hältnissen in Stadt und Land entsprechend Rechnung getragen
werden kann. Der etwa im Justizministerium zur Anstellung
gelangende Medizinalreferent sollte selbstverständlich auch Mit¬
glied des ObermedizinalausschuBses werden.
Bei den Ereismedizinalausschüssen, die das beratende
und begutachtende Organ für die der Ereisregierung obliegenden
Medizinalangelegenheiten bilden, möchte nur der eine Wunsch
ausgesprochen werden, daß die Mitglieder nicht, wie es bei vier
Regierungsbezirken der Fall ist, ausschließlich ans der Ereis-
hauptstadt, sondern auch aus auswärtigen Bezirken entnommen
werden möchten. Große Schwierigkeiten dürften sich hierdurch
wohl nicht ergeben.
Alljährlich einmal verstärkt sich der Obermedizinalansschnß
durch den Hinzutritt je eines Abgeordneten der einzelnen Aerzte-
kammern und eines Mitgliedes der medizinischen Fakultäten der
drei Landesuniversitäten. Es wäre sehr wünschenswert, wenn
auch der bayerische Medizinalbeamtenverein die Befugnis hätte,
einen Vertreter in denselben zu entsenden. Dies begehet des¬
halb Schwierigkeiten, weil der Medizinalbeamtenverein keine
öffentliche Organisation darstellt, wie die Aerztekammem und
Universitäten und als ein privater Verein zu gelten hat. Ob
überhaupt die Verleihung eines offiziellen Charakters anzustreben
sei, diese Frage hat ihre zwei Seiten und bedarf noch eingehender
Erwägung, weshalb für heute von einem diesbezüglichen Vor¬
schlag abzusehen war.
Bezüglich des verstärkten Obermedizinalans-
BchuBses wird der Egl. Staatsregierung lediglich der Wunsch
nnterbreitet, daß seine Sitzungsprotokolle regelmäßig ver-
118
Dr. Bedcer.
Offentliebt werden mOgen. Dieser Wnnseh rechtfertigt sieh ein¬
mal vom Standpnnkte der bayerischen Aerzte ans, die in dem¬
selben ihre oberste Standesvertretang haben nnd deshalb ein
begreifliches Interesse an diesen Verhandlangen besitzen, dann
auch von dem der Amtsärzte ans, nm sich darüber zn unter¬
richten, welche Gesichtspunkte nnd Motive bei dem Erlasse
wichtiger Verordnungen nnd oberpolizeilicher Vorschriften ma߬
gebend waren.
Auf einen diesbezüglichen Antrag der oberbayerischen nnd
mittelfränkischen Aerztekammer bemerkte der Ministerialbescheid
vom S. Angnst 1902, daß eine VerOfientlichnng nicht in allen
Fällen angemessen erscheinen kann nnd daß auf eine solche,
soweit Bedenken nicht bestehen, wie bisher Bedacht genommen
wird. Es muß zagegeben werden, daß es Beratnngsgegenstände
geben kann, welche als vertraulich and in geheimer Sitzung zn
behandeln sind. Das sind aber Ansnahmen and dürften es nicht
rechtfertigen, fast alle Verhandlangen dieser Körperschaft der Oef-
fentlichkeit zn entziehen. Welche Bedenken z. B. bei den Bera¬
tungen über die Gebühren für ärztliche Dienstleistnngen in der
Privatprazis, für ärztliche Dienstleistungen bei Behörden und für
ärztliche Gutachten in Untallsachen, ferner über die Abänderung
der Apothekenordnung der Veröffentlichung entgegenstanden, ist
anbekannt. Für die Amtsärzte wäre diese sicherlich von
großem Interesse gewesen; bei der Nachprüfung und Festsetzung
der ärztlichen Liquidationen wären sie mancher Schwierigkeit
überhoben, wenn sie sich eine authentische Aufklärung über die
maßgebende Auffassung bei den einzelnen Tazansätzen ver¬
schaffen konnten. Die vorjährigen Verhandlangen über die Be¬
kämpfung übertragbarer Rankheiten, insbesondere die Ausge¬
staltung des Desinfektionswesens haben gewiß bei allen Aerzten
und Amtsärzten großes Interesse geweckt und das Verständnis
für diese Frage gefordert.
2. Der ärztliche Dienst bei den Distriktsverwaltungs¬
behörden. Auch hier ist, wie bei den Landgerichtsärzten zu¬
nächst prinzipiell die Frage zu erOrtern, ob die Bezirksärzte
Privatpraxis treiben sollen oder nicht. Was oben bei den
Landgerichtsärzten in dieser Richtung und bezüglich der Auf¬
fassung des amtsärztlichen Dienstes als einer spezialärztlichen
Tätigkeit gesagt wurde, gilt mutatis mutandis auch für die Be¬
zirksärzte; es läßt sich insbesondere, soweit bei ihnen der ärzt¬
liche Dienst am Amtsgericht in Betracht kommt, ohne weiteres
auf sie übertragen, was über die Unabhängigkeit und Selbständig¬
keit der gerichtlichen Sachverständigen ausgefflhrt wurde. Auä
bei den Bezirksärzten wäre die Behauptung unangebracht, daß
sie Privatprazis ausüben müßten, um sich auf der Hohe der
Wissenschaft zu halten, um nicht aus der Routine zu kommen.
Sie haben alle diejenigen Privatpersonen zu untersuchen, die ein
amtsärztliches Zeugnis benötigen, die Beamten, die in den Ruhe¬
stand versetzt werden, die Witwen und Relikten, die um eine
PensionserhOhung oder einen Unterhaltsbeitrag nachsuchen, ferner
Der untelntUehe Dienet in Bayern.
110
■olehe Leute, die in Wohltätif^keitsanstalten efnzuweieen eind
(Blinde, Taabstamine, Erflppelhafte), die einer gemeingrefährliehen
oder sonst dbertrag'baren Krankheit verdächtig: sind; die Geistes¬
kranken haben sie bezftglich ihrer Gemeingetährlichkeit zu nnter-
suchen und zu beg^ntachten; es obliegt ihnen weiter die Beauf-
sichtignng der Kostkinder und der außerhalb der Anstalten
untergebrachten Geisteskranken. Auch sonst bietet sich noch
bei ihrem Dienst häufig Gelegenheit zu anderweitigen Unter¬
suchungen, schließlich auch durch den Dienst beim Amtsgericht
und den Gerichtsgefängnissen. Sie haben also hinreichende
Gelegenheit, die nötige Fertigkeit zu bewahren und zu vervoll-
kommen.
Wie fflr die Landgerichtsärzte, so läßt sieh auch fOr die Bezirks¬
ärzte die Behauptung anfstellen, daß eine Privatpraxis sich nicht
recht mit der amtlichen Stellung und mit der dienstlichen Inan¬
spruchnahme verträgt. Der Bezirksarzt ist allein befugt, für seinen
Bezirk amtsärztliche Zeugnisse ausznstellen; bei denselben ist
eine absolute Unparteilichkeit und Zuverlässigkeit vorauszusetzen.
Er kann nnn, wenn er eine Krankheit oder die Gesundheit be¬
stätigen soll, unter Umständen in eine Kollision derPfiichten als
Amtsarzt oder als Hausarzt kommen und wenn er über Privat¬
patienten Gutachten zur Vorlage bei den Behörden ansfertigt,
konnte er nicht immer als ganz unbefangen erscheinen. Dem
Bezirksarzte steht die Aufsicht über das niederärztliche Personal
zu, er soll die Bader und Hebammen überwachen und, wenn sie
ihre Befugnisse überschreiten oder ihre Pfiichten versäumen, das
Erforderliche verkehren. Es ist da nnn leicht mOglich, daß eine
Hebamme deshalb den Bezirksarzt Öfters zu Geburten beizieht,
um von ihm auch in amtlicher Beziehung eine bessere Behandlung
zu erreichen, und anderseits konnte der Beziiksarzt deshalb
nachsichtiger sein, weil er sonst befürchten müßte, seine gebnrts-.
hiltliche Tätigkeit zu beeinträchtigen. Ebenso kOonte ein Apo¬
theker sich veranlaßt sehen, vorzugsweise den Bezirksarzt als
Arzt zu empfehlen, um bei der Apothekenvisitation glimpflicher
behandelt zu werden. Bei der Bekämpfung der Seuchen, der
Durchführung der Desinfektionsmaßregeln, auch bei anderweitigen
sanitätspolizeilichen Geschäften ist der Bezirksarzt unbedingt
auf die Mitwirkung der praktischen Aerzte angewiesen. Er
bedarf ihrer Mithilfe auch, wenn er durch Belehrung und Auf¬
klärung auf das Publikum einwirken, die Krankenpfiege organi¬
sieren, Samariterknrse abbalten oder Fürsorgestellen einrichten
will. Wenn er nnn den praktischen Aerzten nicht blos als der
Amtsarzt, sondern als ein gewichtiger Konkurrent gegenübersteht,
so werden dieselben den amtlichen Verkehr mit ihm auf das
unumgänglich Notwendige beschränken; es erhält der Bezirksarzt
von manchen wichtigen Vorkommnissen in seinem Bezirke nicht
oder zu spät Kenntnis. Die Aerzte sollen ihm volles Vertrauen
entgegen bringen kOnnen und in einem regen Verkehr mit ihm
bleiben, sie sollen in allen wichtigeren Fragen sich an ihn um
seinen Bat wenden kOnnen. Der Bezirksarzt hat ferner die
120
Dr. 6«cker.
fltaatsXrztlieh geprüften Aerzte zn qualifizieren; es konnten
da die kollegialen Beziehungen nicht ohne Einfinß bleiben aof
die Qualifikation, '^ttrde der Bezirksarzt der Priratprazis ganz
fern stehen, oder dnrch die Zuweisung anderweitiger öffentlicher
Funktionen wenigstens so gestellt sein, daß er den Aerzten in
der Eassenprazis und in der auswärtigen Präzis keine Konkurrenz
zu machen braucht, so wäre .das fflr seine dienstlichen Be*
Ziehungen zn den Aerzten seines Bezirkes von außerordentlichem
Vorteil.
Abgesehen von diesen Erwfigungen persönlicher Natur ver¬
langt die Erfüllung der dienstlichen Obliegenheiten die volle
Selbständigkeit des Bezirksarztes. Welche Schwierigkeiten hat
er, wenn er in Metzgereien, Bäckereien, flberhaupt bei gewerb¬
lichen Anlagen oder hinsichtlich des Wohnnn^wesens gesund¬
heitliche Maßnahmen durchiöhren will und gleichzeitig Hausarzt
der betreffenden Familie ist. Wo er irgend einen sanitären
Mißstand beseitigen will, der ffir die Betreffenden Kosten oder
sonstige Unannehmlichkeiten im Gefolge hat, läuft er nur Gefahr,
sich damit seine Privatprazis zn verderben, und er könnte deshalb
veranlaßt sein, in hygienischen Angelegenheiten manchmal eine
unangebrachte Nachsicht walten zn lassen.
Die Privatprazis ist dem Bezirksarzte auch zeitlich hinder¬
lich zur Erfüllung seines Dienstes. Wenn er imstande sein soll,
für die Verbesserung der sanitären Verhältnisse zweckmäßige
Vorschläge zn machen, dann ist es unumgänglich notwendig, daß
er dieselben nicht einmal, sondern wiederholt sorgfältig unter¬
sucht, unter Umständen besondere Studien macht. Das kann von
jemand gar nicht geleistet werden, der einen mehr oder minder
großen Teil des Tages in seiner Privatprazis steckt und sieh
die Sache nur flüchtig einmal ansieht. Wenn der Bezirksarzt
allen dienstlichen Anforderungen, wie sie die vielfachen Vor¬
schriften von ihm fordern, nachkommen will, so darf er die dafür
benötigte Zeit nicht durch Privattätigkeit verkürzen; je umfang¬
reicher eine solche ist, um so mehr behindert eie den amtlichen
Dienst. Bleibt aber der Bezirksarzt wie bisher in der Haupt¬
sache auf Privatprazis angewiesen, wird er nicht so gestellt,
daß er seine Zeit ganz oder größtenteils der öffentlichen Gesund¬
heitspflege znwenden kann, so wird diese in seinem Bezirke keine
rechten Fortschritte machen.
Es kann auch das Anseheu der Stellung nur gewinnen,
wenn er als Beamter allseitig unabhängig und selbständig ist
Bisher steht er mit dem einen Bein in der Privatprazis, um sieh
seine wirtschaftliche Ezistenz zu sichern, mit dem anderen im
Amte, zur Hälfte dient er dem Publikum und dem Interesse des
einzelnen und ist von ihm abhängig wie jeder praktische Arzt,
zur anderen Hälfte übt er mit amtlicher Autorität umgeben
obrigkeitliche Funktionen ans und wahrt das allgemeine Interesse.
Zwei Seelen wohnen also in seiner Brust Eine solche Doppel-
stellnng imponiert dem Publikum nicht und führt zu allerlei
Mißverständnissen.
Der uitilniliehe Dieaet te Bejen.
121
Bishel* konnten die Bezirksärzte noch eher der Priyatprazis
nachgehen als die Landgerichtsärzte, weil sie nicht so hänfig nnd
nicht so lange durch Termine verhindert nnd an bestimmte
Standen gebunden sind; vor mehreren Jahrzehnten gehörten die
Bezirksärzte noch zu den gesuchtesten und meist beschäftigten
Aerzten; es ist jedoch auch bei ihnen die Privatprazis von selbst
immer mehr zusammengeschmolzen. Dazu trug einmal die ver¬
mehrte Niederlassung von praktischen Aerzten anch in den
kleineren Orten bei, dann aber hauptsächlich die gesteigerte
dienstliche Inansprnchnahme, so daß sie ihre Tätigkeit allmülich
immer mehr auf den amtlichen Dienst beschränken maßten. Ein
nicht geringer Teil der Bezirksärzte, zumal in größeren Städten,
hat jetzt keine Privatpraxis mehr, weil sie ihnen einfach un¬
möglich ist, und die anderen sehen sich unter dem Druck der
Verhältnisse genötigt, dieselbe immer mehr zu verringern.
Die Stellungnahme des bayerischen Medizinalbeamtenvereins
zu dieser Frage könnte deshalb die gleiche sein wie bei den
Landgerichtsärzten; die Privatprazis sollte den Bezirksärzten nicht
absolut verboten oder wie bei den preußischen vollbesoldeten
Kreisärzten auf dringende Fälle und Konsilien mit anderen Aerzten
beschränkt werden, ln kleineren Bezirken können sie ohne
Beeinträchtigung der dienstlichen Interessen auch noch anßer-
amtlich tätig sein oder Nebenstellungen wie als Bahnarzt, Kran-
kenhausarzt oder Vertrauensarzt versehen. Es sollte nur die
allgemeine und prinzipielle Forderung aufgestellt werden, daß
die Bezirksärzte, soweit irgend tunlich, von der Privatprazis
unabhängig gemacht und wo es angeht, von derselben losgelöst
werden. Es liegt nur im öffentlichen nnd dienstlichen Interesse,
den Bezirksärzten eine vollbeschäftigte nnd vollbesol¬
dete Amtsstellung zu geben; dann können sie auch ihre
Wirksamkeit als staatliche Gesundheitsbeamte im ganzen Amts¬
bezirke nnd nach allen Richtungen hin vollständig erfüllen.
Dieses Ziel liegt nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit,
es läßt sich erreichen durch entsprechende Gestaltung
ihrer dienstlichen Stellung nnd ihrer amtlichen Ob¬
liegenheiten, durch Erhöhung ihres Gehaltes und
Schaffung von Vorrückungsstellen.
Man kann hier auf die Entwicklung der Verhältnisse in
Preußen hinweisen, dort schlag bei der Reorganisation des Medi¬
zinalwesens der Herr Medizinalminister ursprünglich vor, sämtliche
Kreisärzte als vollbesoldete Beamte anznstellen, die Überwiegende
Mehrheit des Abgeordnetenhauses war jedoch der Meinung, daß
es für den Ki'eisarzt schon mit Rücksicht anf seine eigene Fort¬
bildung nicht wünschenswert sei, ihn von der Privatpraxis
gänzlich losznlösen und daß die Ausübung der ärztlichen Tätig¬
keit auch noch weiterhin insofern einen Vorteil böte, als er mit
der Bevölkerung in enger, lebendiger nnd dauernder Fühlhng
bleibe. Daher kam es, daß der Kreisarzt bei dem neuen Kreis¬
arztgesetz ein nicht vollbesoldeter Beamter wurde. Es haben
sich nun in den letzten Jahren durch die Zuführung großer neuer
128
Dr. Baekar.
Anfgftben im Gebiete der bffentliehen Hygiene und sozialen Tfttig-
keit die Verhftltnisse so gestaltet, daß sogar nach dem Znge>
ständnisse der preoBischen Begierung selbst es eine ganze Reihe
nichtYollbesoldeter Kreisärzte gibt, die wegen der Fülle der
ihnen obliegenden nnd in erster Linie zn erledigenden Dienst*
geschäfte keine Privatprazis mehr treiben oder treiben können.
Genaue Feststellungen haben ergeben, daß in Zukunft, wenn dis
älteren Kreisärzte, die sich noch einen Teil ihrer Privatprazh
erhalten haben, ausgestorben sein werden, zirka 75 */o sämtlicher
Kreisärzte ausschließlich auf das unter anderen Voraussetzungen
bemessene Gehalt und ihre vielfach sehr überschätzten Amts*
gebühren angewiesen sein werden. Es sind deshalb die Mit¬
glieder aller Fraktionen des Abgeordnetenhauses nunmehr darin
einig, daß das jetzige System nicht beizubehalten sei nnd dafi
die Umwandlung in vollbesoldete Kreisarztstellen in größerem
Maße als bisher zur Durchführung zn bringen sei. Als der letzte
Etat 5 neue Stellen einsetzte, wurde dies von den Vertretern
aller Parteien als viel zn wenig bezeichnet. Es sind in Preußen
nunmehr 47 Kreisärzte d. i. 9,l**/o vollbesoldet.
Während in Preußen die amtlichen Verfügungen von dem
Minister, dem Regierungspräsidenten, dem Landrat ausgehmi,
kommen sie in Bayern von dem Ministerium, der Regierung, dem
Bezirksamte. Nor wenige Ausnahmen gibt es, bei denen das
Amt nicht zum Ausdruck kommt nnd dazu gehOrt der Bezirksarzt;
obwohl er tatsächlich der Vertreter einer Behörde ist, hat er
doch nur für seine Person einen amtlichen Charakter. Sein Amt
ist darin gar nicht gekennzeichnet, Amtssiegel nnd Adresse lauten
bei ihm ,Kgl. Bezirksarzt zu N.* Dies hat vielleicht mit dazu
beigetragen, daß der Bezirksarzt immer mehr an selbständiger
Tätigkeit nnd Prestige gegenüber dem Bezirksamte verlor, dem
er doch durchaus nicht subordiniert, sondern koordiniert ist, nnd
daß er immer mehr in die Stellung eines Sachverständigen,
eines technischen Gehilfen kam, der von der Amtsstelle, dem
Bezirksamte seine Aufträge erhält, sonst kaum eine eigene Initi¬
ative entfaltet, nnd in seiner Tätigkeit auch der Aufsicht des
Bezirksamtes untersteht. Um die Amtsstellung nnd das Eoordi-
nationsverbältnis zu den übrigen äußeren Aemtem, dem Bezirks¬
amt, dem Rentamt, dem Forstamt, dem Banamt nsw. zum Aus¬
druck zu bringen, ist vorgeschlagen, es möge am Sitze jeder
Distrikts Verwaltungsbehörde ein Medizinalamt errichtet werden.
Es ist also keine Stellenvermehrnng vorgeschlagen, sondern zu¬
nächst nur eine Umänderung der Titulatur. Es konnte dies bloß
als eine Elleinigkeit erscheinen und doch ist es für die ganze
dienstliche Stellung des Bezirksarztes von Wichtigkeit; wer
irgendwie dienstlich mit dem Bezirksarzte zu tun hat, weiß dann,
daß er vor Amt erscheint. Die Dienstgeschäfte des Bezirksarztes
erhalten die Bedeutung einer Amtshandlung, die ganze Stellung
gewinnt an Autorität; es kann ihm dann auch etwas mehr Sellh
ständigkeit nnd Exekutive gegeben werden.
Der amteftntliehe Dienst in Bayern.
1S8
So wie dem BezirksamtmaDii ein Assessor zur Seite gegeben
ist, so sollen auch den Bezirksärzten da, 'vo ein Bedflrfiiis hierzn
Torliegt, Hilfskräfte zar firledigong der Dienstaofgaben beige-
geben werden, bei kleineren Aemtem ein Assistenzarzt, bei
größeren mehrere Assistenzärzte oder anch ein weiterer Bezirks¬
arzt. Dieselben haben die ihnen Überwiesenen Dienstgeschäfte
unter Anfsicht des Amtsvorstandes ansznführen. Wo mehrere
Aerzte bei einem Medizinalamte angestellt sind, sollte jedenfalls
der eine davon als der Vorstand des Medizinalamtes charakteri¬
siert sein, der nicht blos den ganzen Einlanf bekommt, sondern
das Amt nach außen hin repräsentiert, die Dienstgescbäfte leitet
und für die nötige Einheitlichkeit und den gleichmäßigen Voll¬
zug sorgt.
Was die Dienstobliegenheiten anlangt, so hatte der Bezirks¬
arzt bisher anßer der Ausstellung amtsärztlicher Zeugnisse und
Gutachten nur in sehr beschränktem Maße eine selbständige
Tätigkeit; die meisten Angelegenheiten konnte er nnr anf Beqni-
sition der Verwaltungsbehörde oder im Einvernehmen mit der¬
selben erledigen. Die approbierten Aerzte hatten sich bei ihrer
Niederlassung nur bei der Distriktsverwaltnngsbehörde anznmelden,
nicht aber bei dem Bezirksarzte, viele, vielleicht die meisten,
taten dies freiwillig. Die Bader und Hebammen haben ihre
Niederlassung der Distriktspolizeibehörde anznzeigen nnd sich
dem Bezirksarzte vorznstellen. Für die Enrpfnscher ist in Bayern,
das in dieser Beziehung überhaupt hinter den anderen Bundes¬
staaten znrückbleibt, eine Anmeldepflicht bisher nicht vorge¬
schrieben, wird aber voranssichtlich dnrch das kommende Reichs¬
gesetz statuiert werden. Die Anfsicht über den Geschäftsbetrieb
der Apotheken, Drogerien nnd Gifthandlnngen steht der Distrikts¬
polizeibehörde, die dabei ganz überflüssig ist, im Benehmen mit
den Bezirksarzte zn. Es ist nnn vorgeschlagen, alles, was znr
Dienstes-Anfsicht im öffentlichen Sanitätswesen gehört, dem
Medizinalamte znr selbständigen Behandlung zn über¬
weisen, so
die An- nnd Abmeldung der approbierten Aerzte,
die Dienstanfsicht über das niederärztliche Personal (Bador
nnd Hebammen), das in Apotheken beschäftigte Personal, die
Leichenschaner, Desinfektoren nsw.,
die Dienstanfsicht über den Geschäftsbetrieb der Apotheken,
Drogerien nnd Gifthandlnngen,
die Ueberwachnng der Enrpfnscher,
die Dienstanfsicht über die öffentlichen Erankenhäuser nnd
Privatheilanstalten, die Armenhäuser, Versorgnngs- nnd ähnliche
öffentliche Anstalten,
die Anfsicht über die außerhalb der Anstalten untergebrachten
Geisteskranken, Idioten, Gebrechlichen nnd sonstigen Hilfsbe¬
dürftigen, sowie über die Eostkinder.
Der Ereis liese sich wohl noch nach der einen oder anderen
Seite erweitern. Eine Exekutive, eine Befugnis znr Strafein-
schreitnng oder znr Anwendung von Zwangsmaßregeln ist ihnen
124
Dr. Bedcer.
damit nicht gegeben; es hat sich dies nach den geltenden gesetz¬
lichen Vorschriften zn richten. Die Befugnisse der Verwaltnngs-
behbrden werden dadurch in keiner Weise eingeschränkt. Die
Fälle, in welchen die Verwaltungsbehörden in sanitätepolizei-
liehen Angelegenheiten mit Zwangsmitteln vorgehen können, sind
sowohl bezüglich der Norm, als hinsichtlich des Verfahrens gesetz¬
lich geregelt; daran soll nicht gerüttelt werden. Die Schließang
einer Heilanstalt oder eines Gewerbebetriebes, die Zurücknahme
des Prüfungszeugnisses einer Hebamme oder die Entziehung des
Badertitels, die Verwahrung eines gemeingefährlichen Geistes¬
kranken in einer Irrenanstalt haben nach den bestehenden gesetz¬
lichen Vorschriften zn erfolgen. Hier kann niemals der Bezirks¬
arzt aus eigener Machtvollkommenheit Verfügungen treffen,
sondern nur lediglich sich als technischer Sachverständiger äußern
und hierbei die Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflege
wahren. Die Ausführung bleibt der Polizeibehörde überlassen.
Die Verantwortung für den Bezirksarzt wird dadurch allerdings
nicht verringert.
Dem Medizinalamte obläge außerdem
a) die technische Beratung der zuständigen Behördmi
in allen Angelegenheiten des Gesundheitswesens;
b) die üeberwachung der gesundheitlichen Ver¬
hältnisse des Amtsbezirkes und der Durchführung der
Gesnndheitsgesetzgebung im Benehmen mit den znstftn-
digen Behörden;
c) die Stellung von Anträgen zur Beseitigung wahr-
genommener sanitärer Mängel, sowie die Anregung geeig¬
neter Vorschläge zur Förderung des Gesundheitswesens;
d) die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur
Abwehr, Feststellung und Bekämpfung gemeingefährlicher und
übertragbarer E>ankheiten.
Auch bei diesen Angelegenheiten ist den Bezirksärzten
keine Exekutive, sondern nur eine erweiterte Initiative zn-
gedacht. Es ist nicht zu befürchten, daß sie eine solche gleich
dazu benutzen, um den Gemeinden große Kosten für neue sani¬
täre Anlagen und Einrichtungen anfzubürden, daß sie mit An¬
forderungen kommen, die in der Theorie zwar wohl begründet,
aber nach Lage der Verhältnisse nicht geboten oder nur schwer
durchführbar seien. Denn ihrer Tätigkeit ist auch hier eine
Grenze gezogen durch die bestehenden Verwaltungsgesetze, durch
die Organisation der Selbstverwaltungskörper, der Kreis-, Distrikts¬
und Ortsgemeinden. Diese sind in ihren Beschlüssen hinsichtlich
der Aufwendung von Mitteln für sanitäre Einrichtungen selbständig,
sie haben bloß durch Gesetz eine Reihe von Aufgaben zngewiesen
erhalten, und nur wenn sie diesen nicht nachkommen, hat die
Verwaltungsbehörde die Möglichkeit und das Recht, an ihrer
Stelle und auf ihre Kosten das Erforderliche zu veranlassen.
Eine solche Kompetenz kann dem Bezirksarzt nie übertragen
werden. Er boU nur durch Üeberwachung, durch technis^e
Beratung, durch Anträge und Anregungen du öffentltche Gesund-
Oer untstntliohe Dienst in Bsjem.
1»
heitswesen fördern. Wenn er hier etwas mehr Initiative erhält,
nnd durch seine Autorität den Anstoß zu g^rößeren Aufwendungen
gibt, so gereicht das nur der Allgemeinheit zum Segen. Die
großen Fortschritte in der Hygiene sind unserem Volke noch
nicht in dem Maße zu gute gekommen, wie es wünschenswert
und notwendig wäre. Je mehr der Bezirksarzt sich bemüht,
hygienische Uebelstände abzustellen, desto mehr trägt er zur
Verminderung der Ausgaben auf anderen Seiten bei. Die Er¬
richtung eines neuen, zweckmäßigen Krankenhauses kommt
billiger zu stehen, als die fortwährenden Reparaturen eines alten,
unbrauchbaren, gesundheitsschädlichen Gebäudes, die Kosten für
eine Quellwasserleitung sind oft geringer als der wirtschaftliche
Schaden durch eine Typhusepidemie. Welchen Vorteil die Städte
durch die Sanierung der Gesundheitsverhältnisse erfahren haben,
braucht in diesem Kreise nicht weiter ansgeiührt zu werden.
Ein Recht zur Ermittlung von Infektionskrankheiten nnd
zur Anordnung vorläufiger Maßnahmen ist dem Bezirksarzte durch
das Reichssenchengesetz eingeränmt, da dabei immer Gefahr im
Verzüge ist und die Schnelligkeit und Energie des Eingreifens
den Erfolg bedingen. Dies ließe sich zweckmäßig auch auf
andere, als die fünf gemeingefährlichen Krankheiten ansdehnen,
wie dies in dem preußischen Gesetze zur Bekämpfung übertrag¬
barer Krankheiten geschehen ist. Hierdurch würde in die Zu¬
ständigkeit der Polizeibehörde nicht weiter eingegriffen, da ja
diese vorläufigen Maßnahmen der nachträglichen Bestätigung der
Polizeibehörde bedürfen nnd durch die definitiven Maßregeln
außer Wirksamkeit treten.
Die Tätigkeit des Medizinalamtes sollte sich gleichmäßig
auf den ganzen Umfang des Amtsbezirkes erstrecken.
Nach § 8 der Kgl. Verordnung vom 3. September 1879, den ärzt¬
lichen Dienst bei den Gerichts- und Verwaltungsbehörden betr.,
obliegt zwar den Bezirksärzten für den ganzen Umfang des
Bezirksamtes die Wahrnehmung der amtsärztlichen Verwaltnngs-
geschäfte; nur ffir die dringenden Angelegenheiten in dem aus¬
wärtigen Amtsgerichtsbezirke, welche seine Beiziehnng nicht
gestatten, können die Bezirksärztlichen Stellvertreter requiriert
werden. Die Verhältnisse derselben wurden oben beleuchtet und
dabei anseinandergesetzt, daß sie, auch die rennmerierten Stell¬
vertreter, für den Bezirksarzt keine Unterstützung nnd keine
Entlastung sind und daß die Wiedererrichtung der Bezirksarzt¬
stellen II. Klasse nicht als zweckmäßig erachtet werden kann.
So wie dem Bezirksamtmanne die Leitung der Verwaltung, so
sollte dem Bezirksarzte die Wahrnehmung des Gesundheitswesens
für das ganze Bezirksamt obliegen. Damit er diese Aufgabe
auch wirklich erfüllen kann, bedürfen die jetzt bestehenden Ver¬
hältnisse nach verschiedener Richtung hin einer Abänderung.
Von seinem Bureau aus kann der Berirksarzt selbstver¬
ständlich nicht das Sanitätswesen leiten. Auf die Berichte hin,
die von außen einlaufen, kann er seine Gutachten nnd Anträge
nicht abgeben; um sich ein eigenes Urteil zu bilden, muß er
186
Or. BMker.
sieh die Verhftltnisse selbst anschaaen, nicht einmal nnd flflchtigf
sondern inederbolt and grttndlich. Er soll deshalb in seinen
ganzen Amtsbezirk möglichst viel hinauskommen, denn nm
etwas Ersprießliches leisten za können, ist die erste Torbe-
dingang, daß er alle sanitären Verhältnisse nnd Einricbtongmi
seines Bezirkes auch wirklich genaa kennt. Bisher hatte non
der Bezirksarzt nicht das Recht, nach eigenem Ermessen Dienst¬
reisen vorzanehmen; seine Tätigkeit erstreckte sich im wesent¬
lichen aat die Erledigung der ihm erteilten Aufträge, er war
darauf angewiesen, eine Requisition abzuwarten oder gelegentlich
das eine oder andere Amtsgeschäft vorzanehmen. Dieses »gele¬
gentlich* spielt in unserem bayerischen Sanitätswesen eine unbe¬
rechtigt große Bolle. Die Bezirksärzte haben bei sich bietender
Gelegenheit, alljährlich mindestens einmal die Eostkinder bei
den Kostgebem zu besachen. Die periodischen Untersnchangen
der Geisteskranken sollen »gelegentlich* stattfinden, eigene
Nachschauungen sind nur beim Vorliegen besonderer Gründe von
den Bezirksämtern za veranlassen; an der Ueberwachung der
öffentlichen Wasserversorgungsanlagen soll er sich »gelegentlich*
beteiligen; die bezirksärztliche Prttfang und Weiterbildung der
Bader im Desinfektionswesen soll tonlichst an den Wohnorten
der Bader »bei Gelegenheit der Vornahme anderweitiger Amts¬
geschäfte* erfolgen; der Frage des Einflusses der Molkereien
and Käserein auf die Volksernährung sollen die Bezirksärzte
»gelegentlich* ihrer Dienstgeschäfte, z. B. bei den Impfungmi,
ihr besonderes Augenmerk zuwenden; in der Pfalz haben sie
sämtliche Schalen ihres Amtsbezirkes »gelegentlich* za besich¬
tigen. Das sind nnr einige Beispiele. Es machte dies anch
Schale bei den Gerichten and bei den Beratsgenossenschaften,
indem sie die Bezirksärzte ersuchen, »gelegentlich* die eine oder
andere Untersuchung vorzanehmen. Das Wort »gelegentlich*
soll wohl nicht die Bedeutung haben, daß der Bezirksärzte wenn
er keine Gelegenheit daza flndet, diese Dienstgeschäfte nicht za
erledigen braucht, oder daß es sich am anwichtige Nebensachen
handelt, sondern soll hauptsächlich soviel heißen, als »ohne be¬
sonderen Kostenaufwand*; er darf dafär weder l?agegelder noch
Reisekosten verrechnen. Wflrde sich, wie es vor Jahrzehnten
teilweise noch der Fall war, die Privatpraxis des Bezirksarztes
auf den ganzen Amtsbezirk oder wenigstens den größten Teil
desselben erstrecken, so wäre das Verlangen, daß er dabei ge¬
legentlich auch Amtsgeschäfte vornimmt, keine so große Zumutang.
Durch die Gestaltung der Verhältnisse ist aber jetzt die gelegent¬
liche Erledigung dienstlicher Obliegenheiten nnr zuweilen möglich.
Selbst in die seinem Amtssitze nahe gelegenen Gemeinden kommt
der Bezirksarzt gelegentlich seiner Privatpraxis immer seltenw,
da sich diese bei seiner zunehmenden dienstlichen Inanspnich-
nahme and bei der häuflgeren Niederlassang von Aerzten auch
an kleineren Orten immer mehr von selbst verringert hat. Ge¬
legentlich von Amtsgeschäfcen kommt der Bezirksarzt in die
Gemeinden seines anmittelbaren Amtsgeriehtsbezirkes entweder
Der eintalnUidM Dieut le Bejem.
187
nnr bd besonderen Anftrftgfen oder bei den Impfterminen, die
ttbrigens seine volle Zeit und Anfmerksamkeit in Anspruch
nehmen; anderweitige Amtsgescbäfte lassen sich damit nicht ver¬
binden, höchstens noch statistische Untersuchungen bei den Impf¬
lingen, wie sie das Material fdr den Vortrag des Herrn Dr. Groth
bildeten. In die Gemeinden des auswärtigen Amtsgerichtsbezirkes
gar kommt der Bezirksarzt nnr äußerst selten hinaus. Fflr eine
wirksame Durchfährnng der gesnndheitspolizeilicben Vorschriften
genügt es aber nicht, wenn diese nur aul dem Papiere stehen,
sondern man muß den Bezirksarzt auch in die Lage setzen,
dieselben wirklich zu erledigen und die aufgetragenen Dienst-
geschälte jederzeit. Überall und in vollem Umfange vornehmen
zu können. Daß er nicht wegen jeder einzelnen kleinen Sache
eine eigene Dienstreise unternimmt und damit unnötig hohe Kosten
verursacht, ist selbstverständlich. Er soll vielmehr nach Tunlich¬
keit die Amtsgeschäfte verbinden. Wenn er z. B. wegen Besich¬
tigung eines Neubaues in eine Gemeinde kommt, so kann er bei
dieser Gelegenheit auch das Schulhans oder das Armenhaus an-
sehen, die Eostkinder besuchen nsw.; wenn er behufs Feststellung
einer ansteckenden Krankheit hinausgeftthrt wird, kann er au(^
die sanitären Einrichtungen der betreffenden Gemeinde visitieren
und auf der Reise unterwegs in der einen oder anderen Gemeinde
Nachschau halten. Die Hauptsache wäre, daß er nicht mehr auf
Einzel-Requisitionen und die gelegentliche Erledigung zahlreicher
Dienstgeschäfte angewiesen, sondern jeweils den Bedürfnissen
entsprechend, zur Vornahme von Dienstreisen berechtigt sein soll.
Ein außerordentlich wichtiges Mittel, die sanitären Verhält¬
nisse des Bezirks eingehend kennen zu lernen, wäre die perio¬
dische Vornahme von Medizinalvisitationen, wie sie in
Preußen, Württemberg und Baden eingeführt sind. Wie nützlich
sich diese erweisen können, geht aus den Verhandlungen der vor¬
jährigen Hauptversammlung des Deutschen Medizinalbeamtenvereins
hervor. In Bayern war bisher dem Bezirksarzte eineselbstän¬
dige Durchforschung seines Bezirkes nach sanitären Mißständen,
eine wirksame Ueberwachnng der gesundheitlichen Einrichtungen
vollständig unmöglich; er konnte in vielen Gemeinden eine fort¬
laufende Kontrolle der hygienischen Einrichtungen nicht ansfiben.
Es sorgen wohl auch die Verwaltungsbehörden für die Aufdeckung
und Beseitigung hygienischer Mißstände, aber bei dem großen
Maße von Arbeit, das ihnen obliegt, kOnnen sie keine fortlaufende
Kontrolle ansüben, ganz abgesehen davon, daß ihnen für die Be¬
urteilung vieler einzelner Fragen das technische, das medizinische
Verständnis mangelt. Es ist daher in die Leitsätze der Antrag
aufgenommen:
„Der Bezirksarzt mOge verpflichtet werden, soweit an¬
gängig, gemeinschaftlich mit dem Bezirksamtmann, sämtliche
Gemeinden seines Amtsbezirkes, auch ohne besonderen Anlaß
in periodischen Zwischenräumen (etwa alle 6 Jahre) auf ihre
gesundheitlichen Verhältnisse zu besichtigen (Medizinal¬
visitationen). Die Besichtigung soll sich auf alle fflr das
128
Dr. Becker.
öffentliche Q-esnndheitewesen wichtigen Verhältnisse nnd Eän-
richtnngen erstrecken and znr Beseitigung sanit&rer Mftogel
und zar Verbessemng der gesundheitlichen Einrichtungen
dienen*.
Die gemeinschaftliche Vornahme der Medizinalyisitationen
mit dem Bezirksamtmanne soll weniger der Ersparung der Fuhr*
kosten dienen, als einem gedeihlichen Erfolge. Der Sanitdts*
beamte und der Verwaltungsbeamte sollen, um einen vulgären
Ausdruck zu gebrauchen, an den gleichen Karren gespannt werden;
es gibt dann keine langen Hin- und Herschreibereien, die event.
notwendigen Maßnahmen können, da der Gemeindevorsteher auch
immer mit beigezogen ist, sofort angeordnet werden. Vieles l&ßt
sich so auf leichte nnd schnelle Art erledigen. Die beiden Be*
amten können sich gegenseitig auf dies und das aufinerksam
machen, lernen sich gegenseitig mehr verstehen und arbeiten sich
in einander hinein. Gerade in dem Zusammenwirken der Kräfte
liegt der Erfolg. Die Sache ließe sich vielleicht so anordnen,
daß der Bezirksamtmann und der Bezirksarzt zusammen das Schnl-
haus, das Armen* und Krankenhaus, sowie sonstige sanitäre Ein¬
richtungen besichtigen und daß sodann, während der Bezirks¬
amtmann seine Visitation in dem Gemeindehause erledigt, der
Bezirksarzt bei den Kostkindem, den Geisteskranken, der Hand¬
apotheke des ortsanwesenden Arztes oder der Drogerie Nachschau
hält. Bei der Besichtigung gewerblicher und industrieller An¬
lagen könnten gleichfalls der Gewerbeauftichtsbeamte nnd da*
Bezirksarzt Zusammenwirken.
Ein weiteres Mittel, den Bezirksarzt in den entfernteren
Teil seines Amtsbezirks hinausznftthren, wäre die Abhaltung von
Amtstagen an den auswärtigen Amtsgerichtssitzen. Auchdaiflr
haben wir ja ein Analogon bei den Verwaltungs* nnd Finanz¬
behörden. Wenn die Medizinalvisitationen der Gemeinden ein-
gefdhrt werden, so kommt ja der Bezirksarzt mehr als bisher in
den auswärtigen Amtsgerichtsbezirk, aber immer doch nur in einem
periodischen Turnus von mehreren Jahren. Dies erscheint nicht
genügend und entspricht auch nicht den Bedürfnissen der
Bevölkerung. Für alle die Personen, die ein amtsärztliches
Zeugnis zur Anstellung, zur Erlangung einer Unterstützung oder
Pension, behufs Militärreklamation oder Kriegsinvalidenpension
bedürfen, bedeutet die Reise zum Amtssitze des Bezirksarztes
eines erheblichen Aufwand an Zeit und Geld. Auch fehlt eine
öftere persönliche Fühlungnahme der Gemeindeverwaltungen und
Armenpflegen mit dem Bezirksarzte. Es ist deshalb als empfeh¬
lenswert vorgeschlagen, daß bei weiterer Entfernung des auswär¬
tigen Amtsgerichtsbezirkes der Bezirksarzt an demselben in ge¬
wisser Regelmäßigkeit (je nach Bedarf monatlich oder in g^rößeren
Zwischenräumen) Amtstage abhält, an welchen er für die Ge¬
meindeverwaltungen, Armenpflegen und sonstigen Behörden, sowie
für Private dienstlich zu sprechen ist, die anfallenden Unter¬
suchungen vornimmt nnd auch anderweitige Amtsgeschäfte damit
verbindet (wie z. B. Apothekenvisitationen, Besichtigang von
Der Mnts&ntliehe Dienet in Beyern.
129
E^rankenhäasern, Scholen, Neobaoten etc., Eostkindeni, Geistes¬
kranken n. dgl, Prttfong der Hebammen nnd Desinfektoren nsw.).
Diese Amtstage wären in den bezirksamtlichen Amtsblättern vor¬
her öffentlich bekannt zo machen; die Gemeinden hätten ein
Amtslokal anentgeltlich znr Yerfagong za stellen. Die Aosfibnng
ärztlicher Praxis dürfte damit nicht verbanden werden. Von der
Abhaltang der Amtstage würden 70 Bezirksärzte nicht berührt
werden, da sie in ihrem Bezirke keine answärtigen Amtsgerichte
haben; von den übrigen haben 88 eines, and 9 zwei answärtige
Amtsgerichte innerhidb des Bezirksamtes.
Gegen diesen Vorschlag der Medizinalvisitationen and der
answärtigen Amtstage worden bisher nor ganz vereinzelte Be¬
denken geäußert, als führten sie za einer angebührlichen Be-
lastang and dorch die öftere Ortsabwesenheit za einer Beein-
trächtigong der Frivatpraxis. Dem ist entgegenzohalten, daß
bei Annahme onseres Vorschlages dorch die königl. Staatsregierang
die ganze Stellong des Bezirksarztes wesentlich gehoben würde,
daß dies aoch bei der kommenden Gehaltsregolierang znr Berück-
sichtigong käme and einen Mehranfall von Tagegeldern im Ge¬
folge hätte. Anderseits erfahren diese Vorschläge anch sehr
viele, fast begeisterte Zostimmongen, namentlich von seiten jün¬
gerer Bezirksärzte, die sich darauf freuen, dann auch etwas Er¬
sprießliches leisten za können and aas den derzeitigen unbe¬
friedigenden Verhältnissen heranszokommen.
Außer den vorgenannten verwaltangsärzUichen Gesdiäften
obliegt dem Bezirksarzte in denjenigen Orten, in denen nicht zu¬
gleich ein Landgerichtsarzt seinen Sitz hat, wie bisher die Be¬
sorgung des ärztlichen Dienstes beim Amtsgerichte mit
Ausnahme der gerichtlichen Sektionen, bezüglich deren auf das
früher Gesagte za verweisen ist, und der gefängnisärztliche
Dienst. Hier läßt sich die Lostrennung des gerichtsärztlichen
Dienstes nicht vorschlagen, denn einen eigenen Arzt für diese
Fanktionen anzastellen, hätte keinen Sinn. Anstatt den amts¬
ärztlichen Dienst za zersplittern, muß das Bestreben eher darauf
aasgehen, alle amtlichen Stellen am gleichen Orte in einer Hand
zu vereinigen, soweit sich dies ermöglichen and mit dem Haapt-
amte vereinbaren läßt.
Gewissermaßen als Schlußstein für die Ausgestaltung des
amtsärztlichen Dienstes ist noch der Antrag eingesetzt, es möge
eine Dienstanweisung für die Medizinalämter erlassen
werden, in welcher die dienstliche Stellung der Bezirksärzte, ihr
Verhältnis zu den Behörden, Privatpersonen und nichtbeamteten
Aerzten, sowie Art nnd Umfang ihrer amtlichen Obliegenheiten
festgesetzt sind. Eine solche wird lebhaft vermißt, nicht nur von
denjenigen Bezirksärzten, die neu in die amtsärztliche Laufbahn
eintreten und sich in das ausgedehnte, weitverzweigte Gebiet der
Medizinalgesetzgebung mühsam hineinarbeiten müssen, sondern
auch von solchen, die schon länger im Dienste stehen und bei
etwas schwierigeren Fragen die zerstreuten Gesetzesbestimmungen
zusammensuchen müssen. Was in unserem Medizinalwesen gelten-
180
Dr. Becker.
des Becht ist, läßt sich znweilen gar nicht so leicht feststellen,
weil nicht nnr anf dem Gebiete der Landesgesetzgebnng Tiele
Nenernngen erfolgt sind, sondern weil auch seit dem Jahre 1870
die Beichsgesetzgebung hier mit eingriff. Aeltere Bestimmnngen
worden hierdorch teils aufgehoben, teils abgeändert nnd manches
darin blieb als gflltig weiter bestehen; man kam aber nie dazo,
die einzelnen Vorschriften jeweils entsprechend neo zo gestalten.
Wie ist die frtthere einheitliche Apothekerordnnng vom Jahre 1842
dorchlocht nnd zerfetzt, gar das Organische Edikt vom Jahre
1808, and doch gelten noch beide in wesentlichen Beziehungen.
Will man sich Aber einzelne Fragen hinsichtlich der dienstlichen
Obliegenheiten der Bezirksärzte orientieren, so mnß noch hänfig
anf ganz alte Besümmnngen znrfickgegriffen werden. Eine Dienst-
anweisnng fehlt vor allem aber anch ffir die Distrikts- nnd Ge¬
meinde verwaltnngsbehOrden, weil bei ihnen Aber die Stellung der
Bezirksärzte, ihre Kompetenzen nnd Dienstobliegenheiten eine
sehr große Unklarheit besteht; bei der enormen Ansdehnnng der
Verwaltungsgesetzgebung kann ihnen das nicht einmal verargt
werden. Der Wiiknngskreis der Bezirksärzte hängt daher vid-
fach davon ab, was der einzelne ans seinem Amte macht, wie weit
er sich Einfluß und Autorität zn verschafien versteht. Die Er¬
lassung einer Dienstanweisung liegt daher im Interesse aller
Organe im Bereiche der inneren Verwaltung.
Der gleiche Antrag hat bereits im Jahre 1902 die bayeri¬
schen Aerztekammern beschäftigt nnd deren Zustimmung erfahren,
worauf unterm 16. Mai 1903 der Ministerialbescheid erfolgte, daß
die Anregung in Betracht gezogen werde nnd sachgemäße Ein¬
leitung Uerzn Vorbehalten bleibt. Mit dem Erlasse einer Dienst¬
anweisung mnß es wohl seine ganz besonderen Schwierigkeiten
haben. Schon das Organische Edikt vom 8. September 1808
stellte in Aussicht, daß fflr alle Gerichtsärzte — dies war die
damalige Bezeichnung der Amtsärzte — des ganzen Beiches nn-
verzflglich umfassende, die vorgezeichneten Bechte und Pflichten
und Obliegenheiten genauer bestimmende Instruktionen entworfen
werden. Für die Distrikts-Eommissariatsärzte des vormaligen
Großherzogtums Würzburg wurde unterm 13. Oktober 1809 eine
Instruktion erlassen, die nach einer Entschließung des Unter¬
mainkreises vom 7. Oktober 1822 bis zum Erscheinen einer
fflr das ganze Königreich geltenden Physikatsinstruktion in idlen
jenen Punkten zur Bichtschnnr dienen sollte, welche nicht durch
ausdrückliche bayerische Verordnungen eine Abänderung erlitten
haben. Dann wurde auch noch in der Königl. Verordnung vom
21. April 1862, den ärztlichen Dienst bei den Gerichten und Ver¬
waltungsbehörden betreffend, die Erlassung einer Geschäfts-In¬
struktion fflr die Bezirksärzte 1. Klasse in Aussicht gestellt. E!r-
schienen ist eine solche bis jetzt nicht.
Im Gegensatz zu Bayern haben andere deutsche Bundes¬
staaten sehr zweckmäßige und eingehende Dienstanweisungen, so
Preußen, Sachsen, Baden, Hessen usw. Was in diesmi Ländern
als notwendig erschien nnd möglich war, sollte sieh auch in
Bayern durchführen lassen.
Der «mtsIrztUebe Dienst in finyetn. 181
Eine solche Dienstannreisnng soll nun keineswegs ein Anszng
ans den bestehenden Reichs* nnd Landesgesetzeny oberpolizeilichen
Vorschriiten und Ministerialentschließongen sein, welcher die fflr
die Bezirksärzte in Betracht kommenden Bestimmungen heraus¬
nimmt und aneinanderreiht. Wenn Ihr Referent me^ freie Zeit
gehabt hätte, wäre Ihnen heute eine solche Zusammenstellung als
Beilage zu den Leitsätzen vorgelegt worden, ähnlich einer irflheren
Arbeit ans dem Jahre 1899,*) nur nach dem jetzigen Stande er¬
gänzt nnd berichtigt. Das was jetzt gilt, znsammenfassen, ihm
ein neues Datum anfdrftcken, um den Anschein einer modernen
Medizinälreform zu erwecken, das ist nicht unter der gewünschten
Dienstanweisung gemeint, sondern es mögen die Aufgaben, die in
Zukunft von den Bezirksärzten gefordert werden, in ihrer
Wesenheit abgesteckt nnd umgrenzt werden; zu viel Detail gehört
in die Dienstanweisung nicht hinein und wäre speziellen Ent¬
scheidungen Yorzubehalten. Die Dienstanweisung sollte gewisser¬
maßen dem ganzen Medizinalwesen einen neuen Geist einhauchen,
wie dies vor nahezu 100 Jahren im Organischen Edikt geschah;
sie sollte das Fundament legen, auf dem sich die künftige Ent¬
wicklung anfbauen soll, und die Grundlinien bezeichnen, nach
denen das Werk ausznbauen ist; sie sollte also einen Generalplan,
ein Programm für die nächsten Jahrzehnte darstellen, nach dem
^e einzelnen Sparten des Gesundheitswesens ausgestaltet und
vervollkommnet werden sollen.
Hier wäre dann noch der Antrag einznreihen, es' möge
die amtliche Verpflichtung der Bezirksärzte zur un¬
entgeltlichen Behandlung der Armen ihres Bezirks
sowie der Gendarmeriemannschaften und deren
Familien aufgehoben werden. Die Verpflichtung zur unent¬
geltlichen Behandlung der Armen des Bezirks benät auf einer
kurbayerischen Verordnung vom 28. Oktober 1803 und einigen
Alteren Bestimmungen ans der Zeit, wo die Aerzte noch keine
Freizügigkeit hatten, sondern von der Regierung ihren Wohnsitz
angewiesen erhielten, nnd wo der Staat durch die Bereitstellung
amtsärztlicher Hilfeleistung für das gesundheitliche Wohl der
Bevölkerung sorgen wollte. Schon die Ministerialentschließung
vom 16. Juni 1839 sprach aus, daß zwar die unentgeltliche Be¬
handlung der armen Kranken durch die Gerichtsärzte wie bisher
so auch fortan die Regel zu bilden habe, daß jedoch die Bewilli-
nnng eines mäßigen Honorars an die genannten Aerzte in jenen
Fällen nicht als absolut unzulässig betrachtet werden könne, in
welchen die Mittel der Armenpflegen solches gestatten nnd be¬
sondere Billigkeitsgründe vorhanden sind. Wiederholt sind die
bayerischen Aerztekammem um Aufhebung dieser Verpflichtung
vorstellig geworden, jedoch ohne Erfolg. Es ist blos zuletzt in
dem Ministerialbescheide vom 27. Juli 1901 mitgeteilt worden,
diese Bitte zur Kenntnis genommen nnd weiter in Erwägung
gpezogen werde.
*) Aerztliches Vereinsblatt für Dentschland; 1899, Nr. 412 and 418.
9*
132
Dr. Becker.
Gegenüber dem Znstand vor 100 Jahren haben sich die ein«
schlägigen Verhältnisse dadnrch geändert, daß jetzt die ZsM der
Aerzte eine wesentlich größere ist, sich diese anch in kleineren
Landbezirken zahlreicher niedergelassen haben, der Bevölkemng
die ärztliche Hilfe dadnrch viel leichter, anch billiger zugänglich
ist, und daß in den letzten Dezennien das Erankenversichemngs*
gesetz für einen großen Teil der minder bemittelten Bevölkerung
eine kostenlose ärztliche Behandlung verschafft nnd hierdurch
die Armenpflegen entlastet hat.
Früher war der Bezirksarzt noch fast in seinem ganzen
Bezirke tätig, nnd sollte dies wohl anch sein; denn an die Be¬
willigung seines Gehaltes war die Bedingung geknüpft, daß er
sich ein Reitpferd halten mußte. Damals war es auch keine so
große Auflage, gelegentlich die Armen zu behandeln. Jetzt
kommt er aber, wie bereits erwähnt, nur selten gelegentlich in
seinen Bezirk, so daß er, wenn er zur unentgeltlichen Behandlung
der auswärtigen Armen in Anspruch genommen wird, immer
besondere Besuche zu machen hat. Es fehlt ihm jetzt abo die
Gelegenheit, wegen seiner vielfachen sonstigen dienstlichen Ge¬
schäfte aber auch die Zeit dazu.
Der pekuniäre Vorteil für die Armenpflegen ist ein sehr
fragwürdigei* geworden; denn die unentgeltliche Behandlung dm*
Armen gehört zwar zu den Amtspflichten der Bezirksärzte,
diese können aber die gleichen Vergütungen dafür beanspruchen
wie für jedes andere Amtsgeschäfr, also nach den bestehenden
Verordnungen bei einer Ortsentfemung von mindestens 3 km
Ersatz der Reisekosten nnd auch Tagegelder. Hierdurch wud
die Armenbehandlnng in der Regel teurer zu stehen kommen, als
wenn die Gemeinden den nächst wohnenden Arzt beiziehen oder
als Armenarzt anstellen. Von der Anfrechterhaltung der Ver¬
pflichtung haben also allein noch die Wohnorte der Bezirksärzte
und die Gemeinden in allernächster Nähe bis zu 3 km Entfernung
einen Vorteil. Die bezirksärztlichen Stellvertreter sind zur un¬
entgeltlichen Behandlung der Armen ihres Amtsgerichtsbezirkes
nicht verpflichtet, außer wenn ihnen etwa mit der Verleihung
einer fixen Jahresrenumeration dies anferlegt worden ist. Jb
großen Städten ist fast überall schon für die Anstellung besonderer
Armenärzte gesorgt. Es hat sich daher der Kreis der Gemeinden,
die von dieser Bestimmung überhaupt noch einen Nutzen ziehen
könnten, so sehr verringert, daß es eine Belastung der Armen¬
pflegen nicht mehr darstellt, wenn diese fast nur nodi auf dem
Papiere stehende Verordnung endlich an%ehoben wird.
Bezüglich der Behandlung der Gendarmeriemannschaften,
ihrer Frauen und Kinder liegen die Verhältnisse ähnlich, da diese
zu den amtlichen Verpflichtungen des Bezirksarztes gehört, die
bezirksärztlichen Stellvertreter aber hierzu nicht verpachtet sind
oder nur vereinzelt da, wo sie eine fixe Rennmeration erhalten. Es
ist für den Bezirksarzt auf dem Lande äußerst lästig, die Gen¬
darmen bis zu einer Entfernung von 2 Stunden zu behandeln —
bei einer größeren Entfernung ist nach der Verordnung vom
Oer unte&nUiohe'Dieut in Bayern.
138
24. Juli 1868 ein näher wohnender praktischer Arzt znznziehen,
welchem die re^atiymäßigen Gebflhren fflr die Behandlung ans
dem Gendarmerieetat bezaUt werden — nnd auch ein Bezirksarzt
in einer größeren Stadt empfindet es sehr nnangenehm, wenn er
von seinen Dienstgeschäften weg znr Behandlung in eine Gen¬
darmeriefamilie geholt wird. So passierte es erst unlängst dem
Bezirksarzte in einer großen unmittelbaren Stadt, daß er ans einer
wichtigen Magistratssitznng znr Entbindung der Frau Wadit-
meister weggemfen wurde. Es möchte sich daher sehr empfehlen,
daß auch diese Verpfiichtung der Bezirksärzte aufgehoben und
dem Gendarmerieetat anferlegt wird, anderweitig ffir die ärztliche
Behandlung der Gendarmeriemannschaften und deren Familien
Sorge zu tragen.
Entsprechend der Gestaltung des Dienstes ist auch die
Gehaltsfrage zu regeln, beide mflssen im Einklang mitein¬
ander stehen. Man darf offen behaupten, daß der Gehalt der
bayerischen Bezirksärzte schon jetzt bei weitem nicht den großen
Anforderungen der Stellung und dem stets sich mehrenden Um¬
fange der Dienstaufgaben entspricht. Ziffernmäßig ergibt sich
deren Zunahme aus den Generalsanitätsberichten bei den Nach-
weisnngen über die Amtshandlungen in bezug auf gerichtliche
Medizin und Medizinalpolizei; ihre Gesamtsumme belief sich im
Jahre 1888 auf 59448 und im Jahre 1898 auf 58801, yon da
ab stieg sie rasch immer mehr an und im Jahre 1908 betrug
sie 100019. Es läßt sich in den Tabellen allerdings nicht genau
ausscheiden, wie yiel dayon auf die Bezirksärzte und wie yiel auf
die Landgerichtsärzte entfällt; der Hauptanteil an der Gesamt¬
summe dürfte wohl die ersteren treffen, da gerade die Rubriken
mit den großen Zahlen sich auf den yerwaltnngs- nnd polizei¬
ärztlichen Dienst beziehen. Jedenfalls ergibt sich aus der yer-
gleichenden Gegenüberstellung der Zahlen die Tatsache, daß die
Amtshandlungen der bayerischen Amtsärzte in den letzten 10 Jahren
sich nahezu yerdoppelt haben. Dabei ist nicht zu yergessen, daß
eine Reihe yon bezirksärztlichen Amtshandlungen in den Tabellen
gar nicht znr Registrierung kommt. Greifen wir einige Gruppen
yon Amtshandlungen heraus, die ausschließlich zu den Aufgaben
der Bezirksärzte gehören, so erhalten wir folgende Zahlen: Auf
Verlangen von Behörden wurden in Polizeisachen Untersuchungen
yorgenommen
an Sachen
an lebenden Personen
wegen i wegen
körperlicher Erkrankung oder 1 geisüger
Gesnndheitsverhältniflse ; E^ranknng
im Jahre 1888
1814
I-'
22187
697
. , 1893
2600
11048
626
• » 1903
4626
31474
2086
Die hier erwähnten Untersuchungen wegen geistiger Er¬
krankung in Polizeisachen stellen nicht nur eine äußerst verant¬
wortliche Tätigkeit dar, weil die schwerwiegende Frage der
184
Dr. B«oker.
Gerndnirefthrliclikeit und der Verwahmiig in einer Irrenanstalt
in Betracht kommt, sie sind anch sehr subtiler nnd schwieriger
Natnr, weil zn einer längeren Beobachtung Gelegenheit und
Möglichkeit fehlen nnd der Bezirksarzt meist schon bei der erst-
maUgen Untersuchung sich darüber schlüssig machen muß, ob
die betreffende Person polizeilich zu yerwahren sei oder nidit;
beides kann unter Umständen die unangenehmsten Folgen haben.
Die Zahl der „größeren Gutachten über körperliche oder geistige
Erkrankungen von Staatsdienem*, die auch zur bezirksärztlichen
Tätigkeit gehören, betrug 1883: 1204, 1898: 1254, 1903: 1600
und in den 5 Jahren zuvor: 1754, 1720, 1684, 1978 und 2259.
Es mag nicht ohne Interesse sein, hier in Kürze einen
historischen Ueberblick über die Entwicklung der Gehaltsver¬
hältnisse der bayerischen Amtsärzte einznflechten; denn in dem
Ansteigen des Gehaltes ist anch eine höhere Bewertung der
Dienstleistungen zu erblicken.
Die knrfttrstliche yerordnunff Tom 18. Oktober 1808, die
Bestimmung und Beaoldong der Landgeriutskrzte betr., wollte den Lebens¬
unterhalt der Land^ericbts&rste nicht mehr, wie bisher, dem bloßen Zufälle
des Erwerbs oder euer zum T^e willkttrlich, zum Teile sehr ungleich rer-
teUten Besoldnngsgnade prelsgeoen, sondern ihnen allen einen Teil ihrer Eomr
petenz in einem dorchaus gleichheitlichen Solde yerschaffen. Dieser wurde
vom 1. Januar 1804 an unter der Bedingung, sich ein Beitpferd halten za
mflssen, auf 600 Golden bestimmt. Die Königliche Verordnung yom
6. Oktober 1809, die Organisation und Ernennung der Gerichts&rzte betr.,
setzte die Besoldung der Landgerichtsärzte auf die jährliche Somme von
600 Gulden fest, b welche aber alles ebzurecbnen war, was diese ans staat¬
lichen Kassen, unter welch immer für ebem Titel, bisher bezogen; aus¬
genommen waren die schon früher angestellten Landgeiichtsärzte, bei welchen
urer besonderen Verhältnbse wegen eine Ausnahme gemacht nnd darüber
ebe eigene Entschließnng erlassen war. Für die Stadtgerichtsärzte wurden
durch die Königliche Verordnung yom 19. Juni 1810, die Besoi-
dnngsgrade der Stadtgerichtsärzte betr., drei Besoldungsnade aubestdlt,
nänmw für die bei den Städten der ersten Klasse 600 und für db bei den
Städten der zweiten xud dritten Klasse 600 bezw. 400 Gulden.
Nach der Königlichen Verordnung yom 21. April 1868,
den ärztliehen Dienst bm den Gerichten nnd VerwiJtnngsbehOrden betr., be¬
zogen ab Jahresbesoldung die Bezirksgerichts- (jetzt Landgerichb-) irzte je
1000, die Bezirksärzte I. Klasse je 800 nnd die Bezirksärzte II. Klasse je
600 (Jolden. Bei langjähriger erprobter Dienstleistung oder besonderer Aoszeich-
nnng blieb die entsprechende Erhöhung der Besoldungen ebseber BezUs-
gerichts- oder Bezirksärzte nach Hingabe der ymügbaren Mittel yor-
behalten.
Entsprechend der Königlichen Verordnung iyom 7. Februar
1869, den ärztlichen Dienst oei den Gerichts- nnd Verwaltungsbehörden
betr., wurden die Stellen der Bezirksärzte 11. Klasse b Erledig^gsfaliea
nicht mehr wiederbesetzt, sondern allmählich ebgezogen. Ihr Dienst gbg
damit anf die Bezirksärzte L Klasse über, nnr für dibgende amtliche Ge*
schäfte, welche die Beiziehnng des auswärts wohnenden Bezirksarztes L Klasse
nicht angemessen erscheinen Ueßen, worden bezirksärztliche SteUyertreter anl-
gestellt. Obwohl diese Organbation den Wirkungskreb der Bezirksärzte
I. Klasse erweiterte and ihre Dienstanfgaben yermehrte, brachte sie keine
Aufbesserung des Gehaltes; für die amtlichen Verrichtungen b dem neu hb-
zngekommenen Bezirke durften sie weder die tazmäßigen Gebühren, noch Ent¬
schädigung für Zeitaufwand b Anspruch nehmen; es konnte jedoch das Staats-
mbbterium des Innern ebem Bezirraarzte I. Klasse, wenn er der ünterstützng
ebes remunerierten Stellyertreters entbehrte, ebe ständige Bemunentton yen
200 bb 400 Gulden des Jahres bewilligen.
Der untsärztlielie Dieast in Bayern.
186
Die KSnigliche Verordnung rom 28. Mai 1872, die (leliilter
der Staatediener betr., brachte den Amtsärzten eine ErhShnng der Gehälter
und zwei Vonöckungsstufen nach je 8 Jahren. Das Gehalt der Bezirhs-
gerichtsärzte betrag in den ersten 8 Jahren 1000, vom 4. bis 6. Jahre 1200
und vom 7. Dienstjahre an 1400 Gulden, das der Bezirksärzte 1. Klasse
800, 1000 und 1200 und der der Bezirksärzte IL Klasse 600, 700_ und
800 Gulden.
In der Königlichen Verordnung Tom 12. August 1876, die
Gehälter der Staatsdiener betr., erfuhren die Gehaltsbeshge der Amtsärzte
wiederum eine Erhöhung; es wurde das Anlangsgehalt bei den Bezirks*
gerichtsärzten auf 2160, bei den Bezirksärzten I. Klasse auf 1800 und bei den
Bezirksärzten II. Klasse auf 1440 M. normiert. Sie blieben ueringer besoldet
als die gleichrangierenden Beamten anderer Dienstzweige, weu sie ihre Haupt*
einnalunen aus der Piivatpraxis schöpfen sollten. In Würdigung des Umstandes,
daß die Aerzte in der überwiegenden Zahl erst in Torgerttcktem Lebensalter
zur Anstellung gelangen, worden ihnen die Gehaltsror^ckungen schon nach
je 8 Jahren (bei den übrigen Staatsbeamten nach je 6 Jahren) bewilligt; es
rückten die Bezirksgerichtsärzte und die Bezirksärzte I. Klasse um je 860
und die Bezirksärzte II. Klasse um je 180 Mark vor. Das HOchtsgehalt
belief sich demnach bei den drei Amtsärzten auf 2880 bezw. 2520 und 1800
Mark. Eine weitere Vorrückung war ihnen im Gegensätze zu allen übrigen
Beamten versagt. Diese Ungleichheit wurde erst durch die Königliche
Verordnung vom 11. Juni 1802, die Gehaltsbezttge der pragmatischen
Staatsdiener beseitigt, die den Amtsärzten weitere Altersvorrücl^gen er*
mOgUchte.
Nach dem jetzt noch geltenden Gehaltaregnlative vom
Jahre 1892 haben die Bezirksärzte I. Klasse ein Anfangsgehalt
von 1980 Mark, das nach 3 Jahren auf 2340, nach 5 Jahren anf
2700 nnd dann alle 5 Jahre nm 180 Mark steigt. Da die An*
stellnng als Bezirksarzt in. der Begel erst nm die Mitte der
yierziger Jahre erfolgt, bringt es nicht leicht einer über 20 bis 25
Dienstjahre, wobei er dann eine Gehaltsstufe von 3240 Mark er¬
reicht. Dementsprechend ist auch die Pension für einen Bezirks¬
arzt and seine Hinterbliebenen eine nnznlängliche. Zwingt ihn
Krankheit, vor Vollendung des 70. Lebensjahres in den Bnhestand
zn treten, so erhält er bei 20 bis 25 Dienstjahren eine Pension
▼on 2910 M. and bei 16 bis 20 Dienstjahren nur eine solche yon
2448 M.; hier liegt schon die Durchscimittsziffer der beim Aus¬
scheiden durch Tod und Pensionierung erreichten Dienstjahre.
Die Pensionen der Witwen betragen jeweils nur ein Fünftel des
letzten Einkommens des Ehemannes, was für Frauen aus diesen
Gesellschaftskreisen doch gar zu wenig ist. Zu diesen prag¬
matischen Gehaltsbezügen erhalten die Bezirksärzte noch nicht¬
pensionsfähige Gehaltszulagen von 360 M. bezw. in der] zweiten
Ortsklasse ebenso wie die Ledigen yon 315 M.
Bei der seinerzeitigen Feststellung des Gehaltsregulatiyes
wurde das Gehalt der Bezirksärzte niedriger angesetzt als bei
den anderen Staatsbeamten, denen sie im Bange gleichstehen;
man ging damals dayon aus, daß sie sich durch Priyatpraxis ein
Nebeneinkommen erwerben könnten. Wie wenig jetzt noch eine
solche Anschauung gerechtfertigt wäre, haben wir oben bei der
Besprechung der Dienstanfgaben ersehen. Daß die Besoldung
der Bezirksärzte eine durchaus ungenügende ist, hat auch die
Kgl. Staatsregierang bereits wiederholt anerkannt, wegen einer
Abhilfe aber auf die künftige Beyision des Gehaltsregulatiyes
186
Dr. B«oker.
yerwiesen. Man möchte den Eindrnck gewinnen, daß bei den
zusehends anwachsenden Aufgaben und Anforderungen der Volks-
und Gewerbehygiene die Bezirksärzte vielleicht auch deshalb
nicht in dem wünschenswerten und notwendigen Maße mit-
herangezogen wurden, weil die Staatsregiemng ihnen bei ihrem
jetzigen Gehalte nicht noch mehr znmnten wollte und konnte.
Eine kleine Aufbesserung der Nebenbezttge brachte die
Egl. Verordnung vom 17. November 1902, Gebühren für ärztliche
Dienstleistungen bei Behörden betr.; während früher Tage¬
gelder nur dann berechnet werden konnten, wenn das Dienst-
geschäft außerhalb des Amtsbezirkes stattfand und der Ort
der Geschäftsvomahme mindestens 3 km vom Amtssitze entfernt
war, stehen den Bezirksärzten jetzt auch innerhalb ihres Amts¬
bezirkes bei gleicher Entfernung vom Amtssitze Tagegelder zu.
Ferner verfügte die gemeinschaftliche Bekanntmachung der
Egl. Staatsministerien der Justiz, des Innern und der Finanzen
vom 22. Februar 1904, daß für die Amtsärzte, wenn sie infolge
einer gerichtlichen Vorladung als Sachverständige gezwungen
sind, über Nacht außerhalb i^es Wohnsitzes zu verweilen, oder
wenn sie außerhalb desselben eine gerichtliche Leichenöffnung
vorzunehmen haben, das gewöhnlich UM. betragende Tagegeld auf
20 M. festgesetzt werden kann.
Nunmehr ist die Vorlage eines neuen Beamtengesetzes an
die gesetzgebenden Körperschaften in Aussicht gestellt, üeber
dessen Inhalt und wieweit dabei die Bezirksärzte zur Berück¬
sichtigung kommen, darüber ist noch gar nichts verlautet. Würde
dasselbe für sie lediglich eine prozentnalische Gehaltserhöhung
vorsehen, etwa gleichmäßig mit den übrigen Staatsbeamten, eo
dürfte dies nicht als genügend erscheinen; denn nicht allein
wegen der Teuerung der Lebensverhältnisse ist das Gehalt un¬
genügend, sondern vor allem, weil er den verlangten Leistungmi
nicht entspricht. Wird nun noch der Dienst entsprechend den
Bedürfnissen und unseren Vorschlägen ausgestattet, wird dmr
Wirkungskreis erweitert und die dienstliche Inanspruchnahme eine
intensivere, dann ist es auch unbedingt notwendig, eine völlige
Neuregnliernng des Gehaltes vorzunehmen und denselben so zu
bemessen, daß der Bezirksarzt seine volle Arbeitskraft dem amte¬
ärztlichen Dienste widmen und eine pflichtmäßige Erfüllung seiner
vielseitigen Dienstesaufgaben von ihm gefordert werden kann.
Ständen den Bezirksärzten keine amtlichen Nebeneinkommen
zur Seite, so wäre unbedingt vorzuschlagen, sie im Gehalte
den Bezirksamtmännern (Anfangsgehalt 4080 M.) gleichzustellen,
denen sie bisher nur bezüglich des Banges gleich stehen. Die
Vorstandschaft unseres Vereines hat Ende des vorigen Jahres in
einer Eingabe an das Staatsministerinm des Innern darum gebeten,
die Bezirksärzte aus der XI. in die VII. Gehaltsklasse zu ver¬
setzen und sie den außerordentlichen üniversitätsprofessoren
gleichzustellen. Dieselben bilden insofern ein ganz gutes Ana¬
logon, als sie außer ihrem Gehalte noch Nebenbezüge aus Eollegien-
geldem und ärztlicher Praxis haben. Ihr Anfangsgehalt beläuft
Der »mtiirciUdhe Dieist in Beyern.
187
sich au! 3180 M. Die Vorscbläge gehen also nicht ganz so hoch
hinanf, wie bei den Landgerichtsärzten, wofBr nnr der Gesichts¬
punkt maßgebend ist, daß die Bezirksärzte mehr amtliche Neben¬
einkommen haben, als die Landgerichtsärzte; es war dies aneh
bisher schon bei der [Gehaltsabstnfong gewürdigt, wo sie nm
860 M. hinter ihnen zorück standen. Durch die Erhöhung des Ge¬
haltes würden auch die Pensionsverhältnisse eine Besserung er¬
fahren. Die Torjährige Kreisyersammlung in der Pfalz bezeieh-
nete es fdr dringend notwendig, so lange die Amtsärzte nicht
Yollbesoldete Beamte seien, bei Bemessung der Pension einen
über das pragmatische Gehalt wesentlich hinausgehenden Betrag
zu gründe zu legen. Das wird sich natürlich niemals erreichen
lassen, daß eine einzelne Beamtenkategorie derart vorzugsweise
behandelt wird; es wird auch nicht angängig sein, daß, wie in
Preußen, die amtsärztlichen Gebühren nach ihrem durchschnittlichen
Betrage während der drei letzten Jahre zur Anrechnung kommen.
Es dürfte darauf hinzuweisen sein, daß in anderen deutschen
Bundesstaaten die Amtsärzte ein erheblich höheres Gehalt be¬
ziehen. In Preußen beträgt das Gehalt der vollbesoldeten Kreis¬
ärzte 8600—5700 M. nebst durchschnittlich 525 M. Wohnnngsgeld-
znschuß, nnd der nicht vollbesoldeten 1800— 2700 M.; außerdem
wird den letzteren in Stellen mit geringen amtsärztlichen pen¬
sionsfähigen Gebühren eine Stellenzulage von 600—1200 M. ge¬
währt. In Hamburg bezieht ein Physikus, der zugleich Hafenarzt
ist, 9000 M. ansteigend bis 11000, die übrigen 7 Physici 6000 M.
ansteigend bis','9000 M., wobei für die Berechnng der Alters¬
zulagen die Zeit nach dem Bestehen des Physikatsezamens zur
Hälfte angerechnet wird.
Mit dem vorgeschlagenen Gehalte von 3180 M. können die
bayerischen Bezirksärzte noch nicht derart als voUbesoldet an¬
gesehen werden, daß sie auf jeden weiteren Erwerb verzichten
könnten. Die Gehaltsmehrung gegen bisher ist auch nicht eine
derartige, daß die seitherigen Nebeneinkommen in Wegfall kommen
könnten. Die Gebühren für die öffentlichen Impfungen, für Zeng-
nisse nnd Gutachten, sowie bei solchen amtsärztlichen Dienst¬
leistungen, für welche Private die Kosten zu tragen haben,
mögen den Bezirksärzten auch künftig verbleiben. Sollte man
diese entweder ganz anfheben, wie z. B. die Impfgebühren, oder
sie in die Staatskasse fließen lassen, so müßte eine wesentliche
höhere Gehaltsmehmng vorgeschlagen werden. Dies hätte aber
nach mancher Richtung hin seine Schwierigkeiten. Die Neben¬
einkommen sind je nachldem Umfange nnd der Bevölkemngs-
ziffer des Bezirkes verschi^en hoch, in größeren Städten vielleicht
ziemlich erheblich, in kleineren Bezirken oft recht unbedeutend.
Genaue statistische Zahlen darüber lassen sich nicht geben; es sei
nur bezüglich der Impfgebühren bemerkt, daß diese meistens zu
hoch eingeschätzt werden. Sie stellen auch keine Reineinnahmen
dar, da der Bezirksarzt seine Fuhrwerks- und sonstigen Auslagen
selbst bestreiten, während der Lnpfperiode sich in seiner Praxis
teilweise vertreten lassen muß und auch anftdlende, außerordent-
138
Dr. Broker.
liehe Impfungen bei blatterverndächtigen Erkrankungen nnr naeh
dem gleichen Einheitssätze (am Wohnorte 50, auswärts 80 Pf.)
berochen kann. Im Interesse der Bequemlichkeit der Bevölkerung
geht das Bestreben darauf hinaus, fast für jede einzelne Ge¬
meinde einen besonderen Impftermin anzuberaumen, sodaß hier¬
durch der Zeitaufwand ein größerer wird und bei kleineren Impf¬
terminen der Bezirksarzt sogar seine Auslagen nicht decken dfirfte.
In den Großstädten sind die dienstlichen Obliegenheiten der
Bezirksärzte derart umfangreich, daß sie weder Privatpraxis
noch sonstige Nebenstellen, wie z. B. als Bahnarzt oder Eranken-
hansarzt, fibemehmen können. Auch fttr die Stellung eines Schul¬
arztes wird er keine Zeit finden, da er mit der Leitung und Be-
auftichtigung der Schulärzte gerade genug zu tun hat. Er ist
hier also ausschließlich auf sein Gehalt und die amtlichen Ge¬
bühren angewiesen. Werden unsere Vorschläge verwirklicht,
daß die Bezirksärzte ihre Tätigkeit gleichmäßig auf den ganzen
Amtsbezirk erstrecken, periodische Medizinalvisitationen vornehmen
und auswärtige Amtstage abhalten sollen, so wird auch in den
niittelgroßen Landbezirken die Gelegenheit zur Privatpraxis auf
ein Minimum reduziert und die Uebemahme amtlicher Nebenstellen
erheblich erschwert. In solchen Amtsbezirken möge den Bezirks-
ärzten Bang, Titel und Gehalt von Medizinalräten be¬
willigt werden. Da, wo mehrere Bezirksärzte bei einer Dütrikts-
verwaltungsbehörde aufgestellt sind, sollte jedenfalls der Vorstand
des Medizinalamtes diese Stellung erhalten. Die Vorstände der
Distriktsverwaltungsbehörden, welche vor der Vorrfickung zum
Begierungsrate stehen, erhalten auch als Bezirksamtmänner diese
Stellungen; man wjU damit einem öfteren Wechsel verbeugen und
sie möglichst lange ihrem Bezirke erhalten. Sind sie einmal mit
allen Verhältnissen desselben vertrant, sind sie mit den anderen
Staatsbehörden und den Gemeindeverwaltungen znsammenge-
arbeitet, so ist ihre Wirkung eine viel ersprießlichere, als wenn
sie den Verhältnissen noch als Neulinge gegenftberstehen. Der
gleiche Gesichtspunkt könnte auch fflr die Bezirksärzte geltend
gemacht werden, damit sie länger in ihrem Bezirke tätig bleiben
und nicht mehr so häufig um Versetzung nachsuchen müssen.
Vorerst soll aber nnr mit Bücksicht auf die Größe des Amts¬
bezirkes die Schaffung von Vorrttckungsstellen angeregt werden;
es kann auf diesem Gebiete nnr sukzessive vorgegangen werden.
Da bei den äußeren Verwaltungsbehörden 167 Bezirl^zte tätig
sind, berechnet sich aus der Einwohnerzahl des Königreiches aiü
jeden Bezirksarzt durchschnittlich eine Bevölkerungsziffer von
39067. Fflr diejenigen Bezirke, welche das Doppelte dieses
Durchschnittes überschreiten, oder nahezu erreichen, etwa über
70000 Einwohner haben, könnten solche Vorrflc^nngsstellen zu¬
nächst in Betracht kommen. Es wären dies folgende 11 Bezirke:
Mönchen-Stadt. 538983
Nürnberg „. 294426
Ludwigshafen. 103641
Augsburg-Stadt. 94928
Der amtsiritliohe Dienet in Bayern.
189
/ Stadt 60635 \
\ B. A. 20055 /
Farth ;
Eaiserslaatern
89690
Eaiserslaatern. 87 633
Wttrzborg-Stadt. 80327
Eegeaabnj-f { |^‘ } . . 79138
Pirmasens . 78217
Landani. Pf..71681
iiamiiAi««» f Stadt 45483 1 n« oai
Bamberg ^ g a. 25718 / * * *
Würden sp&ter anch die Bezirke mit einer Einwohnerzahl
nnter 70000 bis herab za 50000 zor Berflcksichtigang kommen
können, so wären dies noch weitere 14 Bezirke, der Größe nach
geordnet: Homborg, Frankenthal, Hof, Passan, Bayrenth,
Aschaffenborg, Kempten, Bosenheim, Germersheim, Schweinfart,
Landshat, Neastadt a. H., Ansbach and Amberg. Diese Bezirke
sind immer noch yiermal so groß als die kleinsten Bezirksämter,
Brttckenaa (13017), Mellrichstadt (13546), Hofheim (13709) and
Garmisch (13729).
Das für die Vorrflckongsstellen in Vorschlag gebrachte Ge¬
halt ist noch als ein bescheidener za nennen, wenn man in Ver¬
gleich zieht, wie manche Städte ihren Stadtarzt besolden. Bis
jetzt haben wir in Bayern einen eigenen Stadtarzt nor in Fttrth.
In München warde die Anstellang eines, solchen von dem Ge-
meindekollegiom wiederholt angeregt, jedoch zerschlag sich die
Sache wieder, wahrscheiolich wegen der Schwierigkeiten, bei der
eigentümlichen Kompetenzverteilong zwischen Polizeidirektion
and Stadtmagistrat die BeAignisse des Stadtarztes von denen
des staatlichen Bezirksarztes aaseinander za halten. Wären die
Bezirksärzte bisher so gestellt gewesen, daß sie sich anch mit
den sanitären Angelegenheiten der anmittelbaren Städte inten¬
siver befassen könnten, so würde sich das Bedürfnis nach eigenen
Stadtärzten nicht mehr so sehr fühlbar machen wie bisher.
Für die Vornahme der periodischen Medizinalvisitationen der
Gemeinden and die Abhaltong der answärtigen Amtstage mögen
den Bezirksärzten entweder Tagegelder and Ersatz der Reise¬
kosten oder ein jährliches Beiseaversam hierfür bewilligt werden.
Nach § 12 der E. A. Verordnong vom 3. September 1879, den
ärztlichen Dienst bei den Gerichts- and^.Verwaltangsbehörden
betr., ist es dem Staatsministeriam des Innern gestattet, einem
Bezirksarzte 1. Eiasse, welcher der ünterstfitzong eines remone-
rierten bezirksärztlichen Stellvertreters an dem vom Sitze des
Bezirksamtes entfernten Amtsgerichte entbehrt, eine ständige
J^resremoneration za gewähren. Im Etat sind hierfür 23080 M.
eingesetzt, bei entsprechender Erhöhong dieses Postens könnten
daraas allgemeia die Beisepaoschalen für die Bezirksärzte gedeckt
werden. Es könnte dann den Bezirksärzten in gleicher Weise
^e den Bezirksamtmännem die Verpflichtong zar Vornahme
einer bestimmten Anzahl von Dienstreisen aoferlegt werden, bei
denen sie nach Möglichkeit mehrere DieastgeschäBe miteinander
140
0r. B«ek«r.
ZU yerbinden hfttten. Bei der Feetoetziingr dieser Beisepaaschaleii
h&tten, damit sie richtig: bemessen sind, g:enaae Erhebiui|:en Tor-
herzngehen.
Als letzten Antrag: beim Kapitel der Bezirksftrzte finden
sie den: es mOg:e die E. Staatsregierang: darauf hinwirken, daß
den Bezirk&rzten — es g:ilt dies aneh fOr die bezirkskrztlichen
Stellvertreter — der ärztliche Dienst im Distriktskrankenbaosey
sowie sonstige öffentliche Stellangen, an Orten mit Leichenhänsem
auch die zweite Leichenschau Übertragen werden. Die Besetzung
dieser Stellen kommt allerdings nicht durchgehends der Staats¬
regierung selbst, sondern zum Teil den Distriktsgemeinden zu;
diese werden j^och sicher eine diesbezügliche Anregung ▼<«
Höchster Stelle um so mehr in Berflcksichtigung ziehen, als dies
auch in ihrem Interesse liegt Diese Nebenstellen sollten bei
Erledigung der Bezirksarztstellen auch immer für den Amts¬
nachfolger reserviert bleiben. Ein preußischer Ministerialerlaß
vom 5. Februar 1883 hat die Regierungspräsidenten angewiesen,
ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß die Nebenämter,
welche der abgegangene Physikus als Arzt eines Krankenhauses,
eines Gefängnisses oder ähnlicher öffentlicher Anstalten bekleidete,
auf seinen Nachfolger im Amte übergehen nnd daß die Neube¬
setzung ärztlicher Stellen der gedachten Art, wenn irgend möglidi
bis zu der des Physikats versi^oben und der neuemannte Phymkns
dabei berücksichtigt wird.
Für die vorgeschlagene Uebertragung des ärztlichen
Dienstes im Distriktskrankenhause sind nicht so sehr
Rücksichten auf ein Nebeneinkommen der Bezirksärzte, sondern
hauptsächlich öffentliche Interessen geltend zu machen. Im
Distriktskrankenhause spielt sich nämlich ein großer Teil der
öffentlichen Armenpflege ab. Die Gemeinden können dort ihre
Armen zu einem relativ niedrigen Verpflegungssätze unter-
bringen, oder solche Beranke, für welche die Ueberweisung in
spezialistische Behandlung oder besondere Anstalten in Frage
kommt, z. B. Erüppelhafte, Geisteskranke, Epileptiker, vor der
Beschlußfassung beobachten lassen. Auch für die Krankenkassen
stehen die Krankenhäuser zur Verfügung; sie könnten sogar, da
die häusliche Pflege vielfach eine ungenügende ist und Eranken-
pffegepersonal nicht in dem notwendigen Maße zur Verfügung
steht, noch mehr als bisher benutzt werden. Außerdem lassen
sich die Krankenhäuser in den Dienst der öffentlichen Seuchen¬
bekämpfung stellen. Für einzelne Krankheiten ist die Ab¬
sonderung schon gesetzlich vorgeschrieben, für andere, so beson¬
ders Typhus, dringt auch im Publikum immer mehr die Ansidit
durch, daß die Behandlung und Isolierung am besten in einmn
Erankenhause erfolgt, weil diese und eine richtige laufende Des¬
infektion in der Privatwohnung auf mancherlei Schwierigkeiten
stößt. Auch die Krankenkassen können ihre Mitglieder in das
Krankenhaus einweisen, wenn ihre Krankheit eine ansteckende
ist. Besteht zwischen dem Bezirksarzte und den Aerzten seines
Bezirkes ein kollegiales Verhältnis, macht ihnen derselbe in der
Der tmteirxtUche Dienet b Beyern.
141
Privat- and Eassenprazis keine oder nur geringe Konkurrenz, so
werden sie ihre Kranken seltener answärtigen Krankenhäasem
oder Kliniken zaschicken, sondern es vorziehen, sie dem näheren
Distrikskrankenhaase zn überweisen, besonders wenn sie hierbei
Gelegenheit bekommen, die überwiesenen Kranken mitzubeobachten
und gegebenen Falles mit zu operieren. Mit dem Distriktskranken¬
hanse läßt sich auch das Desinfektionswesen für den Amts¬
bezirk in eine zweckmäßige organisatorische Verbindung bringen.
Ein größerer stabiler Desinfektionsapparat mit gesonderter Zu-
und Abfuhr sollte nicht nur für den inneren Betrieb dienen,
sondern auch der Bevölkerung zur Desinfektion der von außer¬
halb einzubringenden Gegenstände zugänglich sein. Außerdem
kann in Verbindung mit dem Distrikskrankenhaase ein fahrbarer
Desinfektionsapparat vorrätig gehalten und durch den amtlichen
Desinfektor nach auswärts hinausgenommen werden. Bei den
vielseitigen amtlichen Berührungen liegt daher der Dienst am
besten in der Hand des Bezirksarztes. An den großstädtischen
Krankenhäusern wird er natürlich diesen Dienst nicht mitbesorgen
können; hier wird die Aufstellung eigener Krankenhansärzte nach
wie vor notwendig sein.
Wird nach den vorgenannten Gesichtspunkten der gesamte
Betrieb der Distriktskrankenhäuser geregelt, so sind diese für
die Distrikte nicht mehr eine unangenehme finanzielle Last; sie
können vielmehr die laufenden Betriebsausgaben ganz oder grö߬
tenteils aus den Einnahmen decken, und wenn das erreicht wird,
haben auch die Distrikte mehr Freude und Interesse an ihrem
Krankenhause.
Oeffentliche sanitäre Gesichtspunkte liegen auch dem Vor¬
schläge zu gründe, den amtlichen Aerzten die Leichenschau,
an größeren Orten mit Leichenhäusern wenigstens
die zweite Leichenschau zu übertragen. Die erste Leichen¬
schau kann vielleicht der bezirksärztliche Stellvertreter, der
Bezirksarzt aber meist nicht vornehmen, da sie möglichst bald
nach dem Tode stattzufinden hat und hier des öfteren eine
Dienstbehinderung im Wege steht. Für eine zuverlässige Mor-
talitätsstatistik ist es unbedingt erforderlich, daß das Grund-
material einwandsfrei ist. Wenn nun der Bezirksarzt fortlaufend
die Leichenscheine in die Hand bekommt, so kann er sich in
Zweifelsfällen sofort die nötige Aufklärung besser und sicherer
verschaffen, als wenn er erst am Schlüsse des Jahres die Leichen¬
scheine erhält. In sanitätspolizeilicher Richtung wird er
auf Mißstände verschiedener Art, z. B. hinsichtlich der Kinder¬
ernährung, des Kostkinder Wesens, der Verwahrlosung hilfloser
Personen und medizinischer Pfaschereien aufmerksam gemacht
und kann hieraus Anlaß zu weiteren Maßnahmen entnehmen; ist
in solchen Fällen oder bei Verdacht eines unnatürlichen Todes
eine gerichtliche Untersuchung notwendig, so kann er diese
sofort veranlassen und dadurch manche spätere Exhumation
überfiüssig machen. Auch für die Durchführung der Seuchen-
polizei ist die üebertragung der zweiten Leichenschau an die
142
Dr. Bäcker.
BezirksArzte von gfroßem Vorteile^ da sie hierbei von jedem dies-
bezflglichen TodeshtUe, dessen besondere Anzeige TieUmcht ver-
sftnmt worden war, sofort Kenntnis erhalten nnd in zweifel¬
haften Fällen die erforderlichen Feststellongen treffen können.
Außerdem kontrolliert der Bezirksarzt bei dieser Gelegenheit den
Dienst der Leichenschaner, was besonders bei Laien not¬
wendig ist, nnd der Leichenfrauen; er wird auch regelmäßig
in die Leichenhäuser gefflhrt und kann dabei den ordnungsmäßigen
Betrieb derselben nnd der Beerdigungen überwachen; er hat so¬
mit, wenigstens an seinem Amtssitze, das ganze Leichen- nnd
Beerdigunswesen unter seiner dauernden Kontrolle.
Auch sonstige öffentliche Stellungen sollten tun¬
lichst und soweit dies mit dem Hauptamte yereinbar ist, den
Bezirksärzten bezw. bezirksärztlichen Stellvertretern übertragen
werden. Jede Dienstleistung, die einen amtlichen Charakter ^t,
sollte möglichst in der Hand des Amtsarztes vereinigt werden;
dies erscheint zweckmäßiger als die Schaffung mehrerer kleiner
Stellen und die damit gegebene Zersplitterung.
Durch aie vorgeschlagene Zuweisung der amtliehen Neben-
stellungen läßt sich die Loslösnng der Bezirksärzte von der
Privatprazis einen ordentlichen Schritt vorwärts nnd dem Ziele
näher bringen. In den größeren Bezirken, insbesondere in den
großen unmittelbaren S^ten, wird der Bezirksarzt dann auf
eine Privattätigkeit vollständig verzichten können; auch in der
Mehrzahl der kleineren Bezirke wird er wenigstens so gestellt
sein, daß die Rücksichten auf die Privatprazis ganz zurücktretmi
können, daß er auf die auswärtige Präzis, vielleicht sogar anch
auf die kassenärztliche Tätigkeit Verzicht leisten kann nnd dies
gern tun wird. Je mehr der Bezirksarzt aus dem Konkurrenzkämpfe
mit den praktischen Aerzten herausgeschält wird und sich auf
seine amtliche nnd nebenamtliche Tätigkeit beschränken kann,
um so besser werden seine Beziehungen zu den Aerzten seines
Bezirkes sein, um so größer wird deren Bereitwilligkeit sein,
unter seiner Anleitung an den Aufgaben der öffentlidien Gesund¬
heitspflege mitzuwirken.
Vlll. Die sonstigen dienstlichen Verhältnisse der Amtstärzte.*)
L Verfahren bei der Besetzung der amtsärztlichen Stellen.
^Bei der Neabesetzong erledigter Pbysikatsstellen kommt es nicht seiten
Tor, daß Neben&mter, weiche der abgegangene Physikos als Arzt eines
Krankenhauses, ebes Oefängnbses oder ähnlicher öffentlicher Anstalten be¬
kleidete, anf seinen Nachfolger im Amte nicht übergehen, weil dieselben yor
seber Anstellang bei längerer Däner der Vakanz Privatärzten übertrajgen
werden. Es bt dies im Interesse der betreffenden Anstalten selbst nicht
wünschenswert, weil es in der Begel für dieselben b mannichfacher Beziehnng
vorteilhaft bt, wenn der Erebmedbbalbeamte die Funktionen ab Anstalbaizt
wahmimmt, aber auch die ökonomische Stellang der neu ernannten Physiker
wbd dadurch häufig b unerwünschter Webe nachteilig beebfluflt. Letzteres
geschieht um so mehr, wenn in solchen Fällen auch die Pnvatpraxb des früheren
Physikos vor dem Ambantrit des neu ernannten anderen Privatärzten anheim-
*) Der VlII. Abschnitt gelangte wegen vorgerückter 2bit nicht mehr
zum Vortrage.
Der amtelrftUdie Dienet In Bayern.
148
f&Ut. Es erscheint daher darchans notwendig, dafi die Wieder-
besetznng erledigter Phjsikatsstellen so sehr als mOgllch
heschlenigt werde.*
Diese Sätze bilden nicht etwa eine private Meinnngsänßemng
Ihres Beferenten, sondern den Inhalt einer preußischen Ministerial*
verfdgong vom 5. Febrnar 1888. Dieselbe konnte ohne weiteres
auf die bayerischen Verhältnisse übertragen werden, da auch hier mit
Becht der Umstand beklagt wird, daß von dem Freiwerden einer
Bezirks- oder Landgerichtsarztstelle bis za ihrer Besetzung ein
viel za langer Zeitraum vergeht. Bei der Erledigung von Kreis-
medizinalratsstellen gibt es diese Vakanzen nicht, da immer so¬
fort mit der Erledigung der Nachfolger ernannt wird. Dies ist auch
in allen anderen Zweigen der Staatsverwaltung der Fall, abgesehen
von Todesfällen aktiver Beamten. Selbst Begierungspräsidenten
und sogar Minister, die abgehen, haben in kürzester Zeit ihre
Nachfolger; warum braucht es da bei den Amtsärzten mehr
Wochen als sonst Tage? Die langen Vakanzen sind nur der
Medizinalverwaltung eigentümlich. An der Schwierigkeit, unter
den Bewerbern die richtige Auswahl zu treffen, kann das wohl
nicht liegen, sondern lediglich an dem Verfahren.
Bisher war bei Wiederbesetzung einer amtsärztlichen Stelle
der Geschäftsgang so, daß zunächst ein Bewerbungstermin aus¬
geschrieben wird, der vom Tage der Erledigung an durchschnitt¬
lich 3 Wochen beträgt. Bis dahin hat jeder Bewerber sein Ge¬
such bei seiner Vorgesetzten Kreisregiemng einzureichen. Nach
Ablauf des Termins senden die Kreisregierangen die eingegan¬
genen Bewerbungen mit den Qualifikationsakten und etwaigen
Bemerkungen an diejenige Kreisregierung, in deren Bezirk die
Erledigung eingetreten ist. Letztere veranlaßt ein Zusammen-
treten des Kreismedizinalanssschusses, der schriftlich seine Vor¬
schläge der Begiemng unterbreitet, pflegt dann noch in dem Ver¬
waltungssenate kollegiale Beratung und erstattet unter Vorlage
der sämtlichen Bewerbungsgesuche und der tabellarischen Zu¬
sammenstellungen einen gutachtlichen, genau motivierten Bericht
an das K. Staatsministerium des Innern. Der diesem unter¬
geordnete Obermedizinalausschuß sollte nach der K. Verord¬
nung vom 24. Juli 1871 bei Besetznng von Stellen des öffent¬
lichen Gesundheitsdienstes zwar auch vernommen werden, doch
ist dies unterblieben, wahrscheinlich um das Verfahren nicht noch
mehr in die Länge zu ziehen. Bei der Besetzung von Land¬
gerichtsarztstellen wird auch noch das Staatsministerium der
Justiz gehört und dann der Vorsphlag der Allerhöchsten Stelle
unterbreitet. Auf diese Weise dauert es von der Erledigung bis
zur Emennung des Amtsnachfolgers durchschnittlich 1 Vs bis
2 Monate und bis zur Uebernahme des Amtes noch 1 bis 2 Wochen.
Hier dürfte eine Abhilfe und eine Beschleunigung des Besetzungs-
Verfahrens als dringend wünschenswert und notwendig zu be¬
zeichnen sein.
So ließe sich eine lange Vakanz in der Begel dann wohl
vermeiden, wenn ein Amtsarzt wegen zurückgelegten 70. Lebens-
144
Dr. Becker.
Jahres um seine Pensioniemng nachsacht. Es könnte dann die
Pensionierung erst mit einemp.Zeitponkte in Wirkung treten, bis
zu welchem der Amtsnachfolger ernannt ist oder ernannt sein
kann. Bei längerer Erkrankung und dadurch bedingte vor¬
zeitiger Dienstunfähigkeit wird dies meist nicht angängig sein.
In den ttbrigen Gebieten der Staatsverwaltung können die
Beamtenstellen sofort mit der Erledigung besetzt werden, weil
eine Bewerbungsfrist nicht ausgeschiieben wird und die Bewer-
bungsgesuche schon zuvor den Ministerien vorliegen. Jeder Be¬
amte weiß, wann ungefähr er wieder an die Tour zur Beförderung
kommt, und welche Stellen bei nächster Gelegenheit durch
die reguläre Beförderung des Inhabers frei werden oder in ab¬
sehbarer Zeit sich durch Pensionierung erledigen können. Er
kann sich deshalb im voraus um eine Vorrückungsstelle all¬
gemein oder fOr besondere Städte, auch um Versetzung in gleicher
Stellung an einen anderen Amtssitz bewerben. Die Dienststellung
und der Gehalt der Staatsbeamten bleiben überall gleich, Neben-
stellungen kommen für gewöhnlich nicht in Betracht, verschieden
in den einzelnen Städten sind außer der Größe des Amtes ledig¬
lich nur die Kosten der Lebensführung; es sind daher mehr per¬
sönliche und familiäre Bücksichten, das Vorhandensein von Mittel¬
and Hochschulen, welche der einen oder anderen Stadt einen
Vorzug geben.
Für die Amtsärzte liegen die Verhältnisse wesentlich anders.
Bei ihnen gibt es keine Beamtenkarriöre, ein Aufrücken in eine
höhere SteUung kommt nur äußerst selten vor, wenn einmal der
Posten eines &eismedizinalrats frei wird, um den übrigens eine
Bewerbung nicht stattfindet Die einzige Möglichkeit zur Ver^
besserung der Stellung ist die Versetzung aus einem kleineren
in einen größeren Bezirk, womit sich wenigstens ffir die Bezirks¬
ärzte die amtlichen Nebeneinkommen erhöhen. Die Zahl der
durch Tod oder Pensionierung sich erledigenden Stellen ist mne
gerbge, durchschnittUch im Jahre etwa 15. Welche auf diese
Art frei werden, läßt sich meist vorher nicht absehen; wenn
sich auch jemand nach Erreichung des 70. Lebensjahres oder
wegen zunehmender Kränklichkeit schon früher mit Pensionie-
rungsgedanken trägt, so dauert es manchmal doch noch 1—2
Jahre, bis er sich wirklich dazu entschließt, in den Ruhestand
zu treten. Noch ungewisser aber ist es, welche Stellen durch
Versetzung des Inhabers frei werden; es ist dies ungefähr
die gleiche Z«üil. Ganz besonders aber fällt bei den amtsärzt¬
lichen Stellen ins Gewicht, daß sie in ihren Erträgnissen sehr
nngleichwertig sind, weil die amtlichen Gebühren und Neben¬
einkommen in den einzelnen Städten eine sehr verschiedene Höhe
erreichen und viel darauf ankommt, ob Nebenstellungen, wie als
Bahnarzt, Krankenhaus- oder Gefängnisarzt dem Amtsärzte über¬
tragen sind, ob und in welchem Umfange Gelegenheit zur Privat¬
praxis geboten ist. Es sind also nicht die amtsärztlichen Stellen
an sich, sondern mehr die begleitenden Umstände, weshalb da*
eine oder andere Posten vorzugsweise angestrebt wird. Sich um
Der ftmtsintUelie Dienet ln Bajem.
146
eine x beliebige Stelle zu bewerben, dazu werden sieh die
wenigsten entschließen können nnd schon bei der erstmaligen
Anstellang, noch mehr bei späteren Versetznngen wird sich des¬
halb jeder Bewerber vor Einreichang seines G-esnches ftber die
jeweils einschlägigen Verhältnisse orientieren wollen, anch darftber,
ob die vorhandenen Nebenstellangen fflr den Amtsnachfolger reser¬
viert bleiben oder von dem in Pension gehenden bisherigen Inhaber
beibehalten oder anderweitig vergeben werden. Ist jemand nnr
f&r gewisse Stellen oder nar für einzelne Städte Bewerber, so
wird sein im voraas eingereichtes Gesach onter Umständen jahre¬
lang liegen bleiben müssen, bis einmal daraaf zarückgekommen
werden kann. Aas diesen Gründen wird es sich daher wohl kaom
amgehen lassen, daß die Bewerbangsgesache immer erst bei Er-
ledigang der einzelnen Stellen einzareichen sind.
Wohl aber läßt sich das Verfahren bei der Wiederbesetzong
erheblich verkürzen. So brauchte ein Bewerbongstermin nicht
für jeden einzelnen Fall eigens ansgeschrieben zn werden, sondern
es könnte ein solcher generell, möglichst korz (etwa 10 Tage,
— vielleicht anch nar 1 Woche — vom Ti^e der Erledigung an
gerechnet) festgestellt werden. Die Pensionierungen and Ver¬
setzungen werden ja immer sofort amtlich publiziert; auch die
Todesfälle werden durch die Tagespresse, das Ministerialamtsblatt
und die Münchener medizinische Wochenschrift bekannt. Wenn
dann in den beiden letzten Blättern neben der Erledignng der
Tag derselben verzeichnet wäre, so wüßte jeder Bewerber, bis
za welcher Frist er sein Gesach einzareichen hätte. Der oben
angegebene Zeitraum erscheint wohl hinreichend, am sich brieflich,
eventuell auch persönlich an Ort and Stelle über die besonderen
Verhältnisse zu orientieren. Weiterhin ließe sich das Verfahren
bei der Besetzung dadurch beschleunigen, daß die Bewerbungen
nicht mehr bei den Ereisregiemngen, sondern direkt bei dem zu¬
ständigen Ministeriam eingereicht werden und daß die gntachtliche
Anhörung der Ereismedizinalausschttsse und der Ereisregierungen
unterbleibt. Die Abschriften der Qaaliflkationstabellen liegen ja
immer beim Ministerium, sodaß dieses nach Ablauf der Bewerbungs-
fiist alsbald an die Auswahl der Bewerber herantreten könnte.
Durch die Anhörung verschiedener Instanzen wird eine Gleich-
heitlichkeit der Vorschläge nicht erzielt; es kommt nicht selten
vor, daß die der Ereismedizinalausschüsse sich nicht mit denen
der Regierung decken und die der letzteren nicht ausschlag¬
gebend für das Ministeriam sind, dem doch immer die endgültige
Entscheidung zusteht. Die Einvernahme der Ereisstellen erhöht
auch nicht die Gewähr für die richtige Auswahl der Bewerber,
da die Vorschläge nicht von denjenigen Regierungen kommen, die
den Bewerbern vorgesetzt sind, sondern von denjenigen, in deren
Bezirk die Stelle zu besetzen ist; letztere kennt die Bewerber
aus anderen Re^ernngsbezirken meist nicht persönlich nnd ist
bei Beurteilung ihrer Tüchtigkeit auch nur auf die Qaalifikations-
tabellen angewiesen. Daß bei der Ernennung von Staatsbeamten
die Mittelstellen gutachtliche Vorschläge zu machen haben, kommt
10
146
Dr. Beoker.
in Bayern lediglich bei der Medizinalverwaltong vor; es werden
weder bei der Verwaltung die Ereisregierongeny noch bei dw
Justiz die Präsidien der Landgerichte oder Oberlandesgerichte
vorher gehört. Die der Allerhöchsten Stelle zn unterbreitenden
Anträge gehen nnmittelbar und allein von den Ministerien ans.
Durch den Torgeschlagenen Modus des BesetznngsTerfahrens
ließe sich eine Zeitersparnis von mehreren Wochen gewinnen, die
sowohl im Interesse des Amtes, als auch in dem des Amtsnach¬
folgers liegt. Sofern Überhaupt ein Vorschlagsrecht einer ärzt¬
lichen Kommission beibehalten werden sollte, könnte ein engerer
Ausschuß des Obermedizinalansschusses damit betraut w^en.
Ein Gewicht möchte dem aber nicht beigelegt werden, da es
immer mißlich ist, Angelegenheiten pei'söiüicher Natur in einer
Kommisionsberatnng, eventuell gar durch Abstimmung zu erledigen,
und da ifir die Entscheidung des Herrn Ministers die Beratung
durch seinen Personalreferenten doch von wesentlicher größerer
Bedeutung sein und den Ansschlag geben wird.
Was nun die Auswahl der Bewerber fftr die amtsärztlidien
Stellen anlangt, so kommen hierfOr nach gepflogenem Usus und
nach den wiederholten Erklärungen des Herrn Staatsministers
des Innern in Betracht die Anziennität und die Qualiflkation.
Die Anziennität berechnet sich bei den Aerzten vom Jahre
des Bestehens der ärztlichen Staatsprflfong an, bei den Amts¬
ärzten nach dem Dienstalter. In der Praxis wurde das Haupt¬
gewicht zumeist auf die Anziennität gelegt. Es werden bei den
Ereisregiernngen 2 tabellarische Verzeichnisse angefertigt, die
eine fftr die amtlichen Aerzte nach dem Dienstalter, die andere
fftr die praktischen Aerzte nach dem Eonkursjahre. In Vorschlag
gebracht wurden in der Regel die 3 ältesten. Wenn mandunid
auch einzelne Ereismedizinalausschftsse oder Ereisregiernngen
sich nicht an diese Norm hielten, so wurde später beim Ministe¬
rium eine Korrektur herbeigeffthrt. üm bei den Vorschlägen nur
die Aeltesten herausznsuchen, dazu bedarf es wahrlich nicht
eines so großen Apparates. Es wird auch kaum die Intention
bei der Organisation der Ereismedizinalausschftsse gewesen sein,
daß sie streng nach der Anziennität ihre Vorschläge machen
— dazu wäre ihre Einvernahme wirklich ftberflftssig —, sondern
daß sie mitbehilflich sind, an jede Stelle den richtigen Mann
zu bringen. Es liegt ja im Interesse der Staatsregiernng, bei
den Beamten einen Amtseifer, einen Ehrgeiz wachznrnfen, damit
sie ihre volle Arbeitskraft dem Dienste widmen und sich durch
gute Leistungen ansznzeichnen suchen. In die besseren Stellungen
sollte man nicht einfach hineinaltern dürfen, sie sollten vielmehr
nur durch Verdienste erworben werden. Diejenigen Beamten,
die mit Pflichteifer und Gewissenhaftigkeit ihren Dienstesobliegen¬
heiten nachkommen, sollten mit Wahrscheinlichkeit darauf rechnen
können, daß ihnen höhere und bessere Stellungen offen stehen.
Das ist ein allgemeines Prinzip der ganzen Staatsverwaltung und
dürfte daher auch in gleicher Weise bei den amtsärztlichen
Stellen zur Anwendung kommen.
Der unts&rztlleke Dienet in Beyern.
147
Es ist deshalb Torgeschlagen, es möge bei der Auswahl der
Bewerber das Hauptgewicht nicht auf die Anziennität, sondern
auf die besondere Befähigung zu dem erstrebten Amte
gelegt werden. Schon die Ministerialentschließung vom 7. Mai
1866 schrieb vor, daß ,in den Vorlageberichten der Ereisregie*
rangen die einzelnen Vorschl^e genau zu motiTieren seien und
insbesondere hervorzuheben sei, ob der in Vorschlag Gebrachte,
abgesehen von seiner persönlichen Würdigkeit, auch die zur Be¬
kleidung der in Frage stehenden Stelle erforderlichen besonderen
Eigenschaften besitzt; das Vorhandensein dieser besonderen Fähig¬
keiten sei namentlich auch bei Bewerbern um erledigte Bezirks¬
gerichts-, jetzt Landgerichtsarztstellen sorgfältig in Erwägung
zu ziehen und eingehend zu erörtern.“ Nach einer weiteren Mini-
sterialentschließang vom 8. Januar 1867 sollen „die Wiederbeset-
znngsanträge sich nicht auf den nominellen Vorschlag beschränken,
sondern denselben mit genauer Würdigung der Befähigung,
Leistungen und persönlichen Verhältnisse motivieren und hierbei
namentlich die an einen amtlichen Arzt zu stellenden Anforderungen
in der gerichtlich-medizinischen und polizeilichen Sphäre ins
Auge fassen. Bei aller billigen Rücksicht auf die An¬
ziennität des Bewerbers muß die unzweifelhafte
Tüchtigkeit immer als erstes Erfordernis voran¬
gestellt werden.“ Unser Antrag bittet daher nur um die Bei¬
behaltung dieses früheren Grundsatzes und wünscht, daß nicht
der Aelteste, sondern der Tüchtigste bevorzugt werde. Welcher
Bewerber als solcher in Betracht zu kommen hat, welcher für
das zu besetzende Amt — jedes stellt ja seine besonderen Anfor¬
derungen — die besten Qualitäten in sich vereinigt, das muß
natürlich immer dem Miuisterium zur Beurteilung a^eimgegeben
bleiben.
Die Anziennität soll nach unserem Vorschläge nicht ganz
außer Berücksichtigung bleiben, sondern soweit gewürdigt werden,
als es recht und billig erscheint. Dagegen wird nichts einzu¬
wenden sein, daß bei gleicher Qualifikation der ältere den Vor¬
zug verdient; das höhere Dienstalter kann nur bei gleichen
Fähigkeiten, gleicher Geschäftskenntnis und Vertrauenswürdigkeit
eine ^ßere Rücksicht verdienen. Dabei wäre nur zu beachten,
daß die Noten ln den Qualifikationstabellen für sich allein noch
kein richtiges Bild über die ganze Persönlichkeit des Bewerbers
bieten, selbst wenn für die Zensur in allen 8 Regierungsbezirken
der gleiche Maßstab angelegt würde. Soweit Amtsärzte in Frage
kommen, möge also nicht so sehr die Zahl der Dienstjahre in
Betracht gezogen werden, da ein höheres Dienstalter nicht
immer auch eine bessere Befähigung in sich schließt, als die
Bedeutung der bisherigen Stellung, die Art und der Umfang
der Dienstleistung und die dargelegte Tüchtigkeit und Ge-
schäftsgewandheit. Die in nicht pragmatischer Stellung zuge¬
brachte Dienstzeit der bezirksärztlichen Stellvertreter und Phy-
sikatsassistenten, zumal in größeren Amtsbezirken, dürfte in
ähnlicher Weise bei der Anstellung zu berücksichtigen sein. Wer
10*
148
Br. Becker.
jahrelMig einen solchen Posten getrenlich ansgefttllt hat, dm
sollte eine gewisse yorzngsweise Anwartschaft anf die Anstellung
in Aussicht gestellt werden. Aach bei den nichtamtlichen Aerzten
sollte nicht aasschließlich nach dem Eonknrsalter vorgegangen,
sondern auch darauf geachtet werden, ob jemand schon in
öffentlichen Stellung tätig war und mit welchem Erfolge. Wer
z. B. nur als Spezialarzt tätig war und kein Interesse ffir das
öffentliche Gesundheitswesen sich angelegen sein ließ, wird nicht
beanspruchen können, auf dieselbe Stufe mit einem gleichaltrigen
Bewerber gestellt zu werden, der bereits in einer öffentlichen
Stellung eine gewisse Befähigung an den Tag gelegt hat.
2. Diensteinweisnng und Verpflichtung der Landgetichta-
nnd Bezirksärzte. Die Diensteinföhrung der Bezirksärzte erfolgte
noch vor einigen Jahrzehnten mit einer gewissen Feierlichkeit,
zu der an die Beamten, Gemeindebehörden and Medizinalpersonmi
des Bezirkes Einladungen ergingen. In der Gegenwart legt
auf derartige Aeußerlichkeiten keinen so hohen Wert mehr, man
brancht die Zeit zu Besserem nnd Wichtigerem. Es kann daher
recht wohl bei dem einfachen Verfahren bleiben, wie es die
Ministerialentschließung vom 17. Januar 1881, die Diensteinweisnng
und Verpflichtung der amtlichen Aerzte betr., vorsieht. Nur in
einem Punkte erscheint ein Abänderungsvorschlag berechtigt,
nämlich darüber, welche Behörde die Verpflichtung der Amts*
ärzte vornehmen soU. Bislang erfolgte die Verpflichtung dtf
Landgerichtsärzte und deijenigen Bezirksärzte, welche für die
ärztlichen Dienstleistungen bei einem unmittelbarem Stadtma-
gistrate besonders aufgestellt sind, durch ein vom Begiemngu-
präsidenten hierzu bestimmtes Mitglied der Kammer des Innern
der Ereisregierung am Sitze der letzteren, die aller übrigen
Bezirksärzte durch das einschlägige Bezirksamt. Die Verpflichtung
soll möglichst gleichzeitig mit der Diensteinweisung erfolgen, zu
welcher die Ereismedizinalräte abgeordnet werden; durch diese
erfolgt auch die Ausantwortung der von den hierzu bestimmten
Verwaltungsbehörden übernommenen Begistratnr und des Amts¬
inventars (Eztradition) an die neuemannten Amtsärzte.
Es ist nun von mehreren Seiten der Wunsch geäußert worden,
daß die Verpflichtung der Bezirksärzte mit der Diensteinweisung
allgemein durch die Kreismedizinalräte, anstatt durch die Bezirln-
ämter vorgenommen werden möge. Dem Eoordinationsverhältnimie
zwischen Bezirksamtmann und Bezirksarzt erscheint es nicht
entsprechend, wenn die Verpflichtung durch das Bezirksamt er¬
folgt. Es könnte dies nach außen hin den Eindruck erweckmi,
als sei der Bezirksamtmann dem Bezirksarzte übergeordnet.
Bichtiger erfolgt daher die Verpflichtung durch eine höhere Be¬
hörde und zwar durch den Ereismedizinalrat als den Sach-
referenten und Vertreter der Ereisregierung. Das Verfahren
wird dadurch nicht im geringsten komplizie^r, da der Ereis¬
medizinalrat ohnedies zur Diensteinweisung jedesmal abgeordnet
wird.
Sofern dem oben besprochenen Anträge auf Ueberführnng
Der amtelntliche Dienet in Beyern.
149
der Landgerichteflrzte in den Jnstizetat entsprochen wird, erg^äbe
sich dftmit von selbst als weitere Konsequenz, daß die üeber*
nähme nnd Ansantwortong der Registratur und des Amtsinyentars,
sowie die Verpflichtung der Landgerichtsflrzte durch die Land-
gerichtspräsidenten erfolgen.
3. Rang, Uniform und Auszeichnung der AmtsSrzte. Hierzu
enthalten die Leitsätze keinen Antrag, die beiden ersten Punkte
geben auch nicht zu Bemerkungen Anlaß.
Was die Auszeichnungen der Amtsärzte anlangt, so spielt
bei der Verleihung des Titels „Medizinalrat“ das Alter eine ähn¬
liche Rolle wie bei der ersten Anstellung; meist erfolgt sie um
die sechziger Jahrer herum, durchschnittlich etwa 15 Jahre nach
der pragmatischen Anstellung. Ein höherer Titel wird dann
nicht mehr verliehen, nur einmal wurde ein hervorragend tflchtiger
Besirksarzt bei seiner Pensionierung mit dem Titel eines Ober¬
medizinalrats bedacht. Kommen bayerische Medizinalbeamten bei
Versammlungen oder Kongressen mit Kollegen ans anderen deut¬
schen Bundesstaaten zusammen, so mag es mancher ältere Herr
unangenehm empflnden, daß man bei uns viel kärglicher die
Titel verleiht als anderwärts, wo schon jüngere Herren eine Aus¬
zeichnung erfohren. In Preußen, wo auch schon die erstmaligen
Anstellungen in einem jüngeren Lebensalter erfolgen, können die
Kreisärzte mit einem mindestens 12 jährigen Dienstalter zur Ver¬
leihung des Charakters „Medizinalrat“ und nach einem weiteren
Dienstalter von in der ^gel 10 Jahren zur Verleihung des Cha¬
rakters als „Geheimer Medizinalrat“ vorgeschlagen werden.
Würde die bayerische Regierung in der Verleihung von Titeln
etwas splendider sein, diese schon in einem früheren Lebens¬
alter ansteilen und bei ganz besonderen Verdiensten einzelnen
Medizinalräten noch einen höheren Titel nnd Rang verleihen, so
würde sie den dadurch Ausgezeichneten nicht nur persönlich eine
Freude nnd eine Anerkennung ihres Amtseifers verschaffen, sie
würde damit zugleich die Stellung der Medizinalbeamten nach
außen hin mehr heben und ihnen mehr Ansehen nnd Einfluß ver¬
schaffen; hilft doch ein Titel, wie schon Göthe sagte, über manche
Schwierigkeiten leichter hinweg. Ein Antrag in dieser Richtung
soll jedoch nicht gestellt werden, da ein nur durch die Zahl der
Dienstjahre ersessener Titel den Charakter einer Auszeichnung
verliert und jede Auszeichnung, möge sie in Titeln oder Orden
bestehen, nur durch Verdienste erworben werden soll.
4. Qualifikation der Amtsärzte. An dem bisherigen Quali-
flkationsverfahren, das sich für alle Staatsbeamten im Geschäfts¬
bereiche des Staatsministeriums des Innern nach der Ministerial¬
entschließung vom 28. Juli 1901 bemißt, dürfte wohl nichts zu
ändern sein. Auch bezüglich der Qualifikation der Medizinal¬
beamten durch die Kreismedizinalausschüsse soll eine Aendemng
nicht vorgeschlagen werden, wenn es auch mitunter seinen Hacken
hat, daß in dieser Köperschaft ein Amtsarzt von seinen engeren
Kollegen mitqualiflziert wird, die zudem seine Konkurrenten um
die höheren Stellen sind.
150
Dr. Beeker.
Bei den Landgerichteärzten 'wfirde mit ihrer Ueberffthrnng
in den Jnetizetat ihre Qualifikation durch die EreiemedizinalanB-
echfleee und die EreisregieniDgen entfallen and in erster Instanz
von den Landgerichtspräsidenten, endgültig im JastizmiDisteriom
nach gutachtlicher Aenßerang des ihm zngeteilten Medizinal*
referenten festgestellt werden. Von dem bisherigen Verfahren
sollte — möge nnn die Ueberfflhrong künftig erfolgen oder
nicht — jedenfalls die BestimmuDg in Wegfall kommen, daß die
gutachtliche Aeußerung der Landgerichtspräsidenten über die
Qualifikation der Landgerichtsärzte die Einvernahme der 1. Staats¬
anwälte und der Untersuchungsrichter zur Voraussetzung haben
soll. Gegen die Mitwirkung der Vorsitzenden der Strafkammern,
die ja einen höheren Bang als die Landgerichtsärzte einnehmen,
ließe sich eigentlich nichts einwenden, wohl aber gegen die Ein*
vernähme der Staatsanwälte und Untersuchungsrichter. Es soUte
nicht Vorkommen, daß im Bange gleichstehende Beamte — die
Verschiedenheit des Lebensalters kommt auch noch hinzu — ein
Urteil über die Qualifikation der Landgerichtsärzte abgeben.
Sonst könnte man mit dem gleichen Bechte beanspruchen, daß
umgekehrt die Landgerichtsärzte bei der Qualifikation der
I. Staatsanwälte und der Untersuchungsricher einvemommen
werden. So gut diese „vermöge ihres dienstlichen Wirkungs¬
kreises vorzugsweise in der Lage sind, sich über die Tätigkeit
und Tüchtigkeit der Landgerichtsärzte ein Urteil zu bilden*
(Ministerialentschließung vom 23. Mai 1888, die Qualifikation der
Landgerichtsärzte betr.), ebenso dürfte man umgekehrt den Land-
gerichtsärzten ein Urteil über die Staatsanwälte und Unter*
sachnngsrichter wohl auch Zutrauen.
ö. Begieaversnm, AmtsunkostenentschSdigung und Schreib*
gebühren. Das Begieaversnm der Landgerichtsärzte und
Bezirksärzte betritt gegenwärtig 70 M. im Ja^e. Dafür haben
sie die vorgeschriebenen Amtsblätter und die Münchener medi¬
zinische Wochenschrift zu halten, die Kosten der Begistratur zu
bestreiten und das erforderliche Instrumentarium bereit zu halten.
Unentgeltlich erhalten sie nur das Ereisamtsblatt und die Amts¬
blätter der Bezirksämter bezw. unmittelbaren Städte; abonnieren
müssen sie das Beichsgesetzblatt, das Gesetz- und Verordnungs¬
blatt, das Amtsblatt des Staatsministeriums des Innern und die
Münchener medizinische Wochenschrift. Zur Anschaffung sind
außerdem empfohlen die Mitteilungen des Beichs* und Landee-
versichernngsamtes, das Zentralblatt für das Deutsche Beich, die
Veröffentlichungen des Eaiserl. Gesundheitsamtes und Friedreichs
Blätter. Um sich stets auf der Höhe der Wissenschaft zu halten,
bedürfen die Amtsärzte einer gut ausgestatteten Bibliothek, nament¬
lich der neuesten Auflagen der Handbücher über gerichtliche Me¬
dizin, Hygiene und MedLzinalgesetzgebung und mehrerer Fachzeit¬
schriften, BO der Zeitschrift für Medizinalbeamte, der Vierteljahra-
schrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätewesen,
der Blätter für Schnlgesundheitspfiege und anderer mehr, wie sie
die Dienststellung erfordert. Das Begieaversum genü^ daher
bei weitem nicht und dürfte auf 160 M. erhöht we^en.
Der emtebstiiehe Dienet in Beyern.
161
Nach Bedarf mOgfen daneben außerordentliche Beihilfen ge-
währt werden, so nm die Amtsbibliothek ordentlich aasstatten zn
können, ein Mikroskop and ein vollständiges Instramentarinm
anznschaffen.
Den Strafanstaltsärzten, die bisher kein Begieayersnm be*
zogen, dürfte künftig ein solches anch bewilligt werden, da sie
einzelne Amtsblätter and Fachzeitschriften für ihren Dienst be¬
nötigen.
Durch die frühere Vorschrift, daß alle Amtsblätter alljährlich
eingebunden und in der Registratur aufbewahrt werden sollen,
schwoll die Bibliothek außerordentlich an, so daß sie nur schwer
unterzubringen war. Die Ministerialentschließang vom 8. Mai
1903, Amtsblätter der Amtsärzte betr., brachte eine erhebliche
Erleichterung, indem sie gestattete, alle Nummern der Amts¬
blätter, welche für den amtsärztlichen Dienst ohne Bedeutung und
entbehrlich sind, abzusondem, vorläufig unter leichter. Decke auf-
zubewahren und später auszuscheiden und abzugeben, und je
nach Anfall nur das, was für den Dienst von Interesse ist, mit
Titelblatt und Inhaltsverzeichnissen in Einband zu legen. Immer¬
hin ist auch dies noch etwas umständlich und vor allem nicht
übersichtlich, da die für die amtsärztliche Tätigkeit einschlägigen
Bestimmungen sieh in den verschiedenen Amtsblättern zerstreut
finden. Die Leitsätze bringen daher den Vorschlag, es möge die
Schaffung eines eigenen Medizinalamtsblattes, ähnlich dem
preußischen „Ministerialblatte für Medizinal- und medizinisdie
Unterrichtsangelegenheiten** veranlaßt werden. Dasselbe bringt
zu dem billigen Abonnement von 6 M. alle einschlägigen reichs-
und landesgesetzlichen Vorschriften, fortlaufend die Personalien
und erledigten Amtsstellen, Nachrichten über den Stand der
gemeingefährlichen Krankheiten, statistische Nachweisungen über
Infektionskrankheiten, Todesursachen und Schulerhebungen, es
veröffentlicht auch die Ergebnisse der Schutzpockenimpfiing, die
Rechtsprechung des ärztUchen Ehrengerichtshofes und sonstige
^chtige oberstinstanzliche Urteile. Damit hat der Amtsarzt in
einem Bande gedrängt und übersichtlich alles beisammen, was er
für seinen Dienst benötigt, und kann sich rasch und mühelos zu¬
recht finden. Die Zeitschrift für Medizinalbeamte bringt ja in
einer besonderen Beilage auch die gesetzlichen Vorschriften fast
aus allen deutschen Bundesstaaten, alle detaillierten bayerischen
Bestimmungen sind darin nicht enthalten und können wohl auch
nicht gebracht werden; ferner veröffentlicht die Münchener medi¬
zinische Wochenschrift gleichfalls mehrfach Gesetze, Verord¬
nungen usw., meist jedoch nur solche, welchen ein allgemeineres
Interesse für die Aerzteschaft zukommt. Wenn in diesen Zeit¬
schriften auch auf Vollständigkeit in dieser Richtung Bedacht
genommen würde, so fehlte doch die Handlichkeit und Bequemlich¬
keit. Das bayerische Medizinalamtsblatt würde am besten von
dem Staatsministerium des Ihnem heraasgegeben und sämtlichen
Landgerichts- und Bezirksärzten, auch den Gefängnisärzten und
bezirksärztlichen Stellvertretenr entweder unentgdtlich oder zu-
168
Dr. Becker.
folge Pflichtabonnements ans dem Begieavenom zngestellt werden.
Daeeelbe würde das Halten der mehrfachen sonstigen Amtsblätter
entbehrlich machen nnd könnte eine große Verbreitung finden,
indem anch die Verwaltnngsbehörden nnd die Aspiranten für den
ärztlichen Staatsdienst anf dasselbe abonnieren würden.
Durch das Medizinalamtsblatt könnten die autographierten
Entschließungen ein zweckmäßige Beschränkung erfahren und,
soweit sie Bestimmungen wichtigerer und allgemeiner Natur ent¬
halten, in demselben zum Abdruck gelangen. Werden sie nicht
richtig in die Akten eingeordnet, so sind sie, namentlich für den
Amtsnachfolger, schwer auffindbar; zuweilen macht sich anch das
unangenehm fühlbar, daß ein Abdruck nur den Distriktsverwal-
tungen zngeht nnd ^e Amtsärzte, denen sie zur Kenntnisnahme
von diesen zngeleitet werden, sich selbst eine Abschrift machen
müssen, wenn sie ihre Gesetzsammlung vollständig beisammen
haben wollen.
Für die Bereitstellung der Bnreanräume nnd die ünteiv
haltung nnd Ergänzung der Registratur erhielten bisher die
Bezirks- und Landgerichtsärzte keine Entschädigung. Je mehr
sie aus der Privatpraxis herauskommen nnd die Bureanräume
ausschließlich für ihren Dienst gebrauchen, möchte dies nicht mehr
als billig erscheinen. Am besten wäre es jedenfalls, wenn sie in
den Verwaltungs- bezw. Gerichtsgebäuden die erforderlichen
Amtslokalitäten zur Verfügung gestellt bekämen; sie wäroi
hierdurch den Behörden, mit denen sie arbeiten, enger angegliedert,
ständen mit ihnen in inniger Fühlung, könnten durch gemeinsame
Besprechung manche Dienstgeschäfte rascher und leichter er¬
ledigen und hätten den amtlichen Verkehr mit dem Publikum
nicht in ihrer Privatwohnung. Wo sich die Bereitstellung eines
Amtszimmers nicht ermöglichen läßt, sollte den Bezirks- nnd
Landgerichtsärzten eine Amtsnnkostenentschädignng in
entsprechender Höhe bewilligt werden. Diese ließe sich nicht
allgemein bestimmen, sondern hätte sich nach den jeweiligen
Verhältnissen, insbesondere nach den örtlichen Wohnungspreisen,
der Zahl nnd Größe der benötigten Räume zu bemessen. Bei den
preußischen Kreisärzten beträgt die Amtsnnkostenentschädignng
zwischen 200 und 750 M. Auch für Bayern ließe sieh auf ein
Analogon hinweisen, indem die Oberlandesgerichtsräte, die kein
eigenes Bureau haben, eine Entschädigung von 200 M. bekommen.
Bei den Amtsärzten dürfte durchschnittlich ein höherer Betrag
in Ansatz kommen, da sie ihre amtlichen Arbeiten nicht in ihrem
Wohnzimmer erledigen können, sondern eines Sprech- nnd Warte¬
zimmers bedürfen, häufig noch eines weiteren Raumes zur Unter-
bringung der Registratur.
In der Gebührenordnung für ärztliche Dienstleistungen bei
Behörden findet sich leider keine Bestimmung über die Gewährung
von Sehreibgebühren. Dies wird nicht nur von den Amts¬
ärzten, sondern auch von den gerichtlichen Sachverständigen, die
häufig größere schriftliche Gutachten zu erstatten haben, mißlich
empfwden. Zur Bewältigung der mechanischen Schreibarbeit
Oer amteSntUehe Oieast ia Bayern.
158
mftssen die Amtsärzte emen großen Teil ihrer Zeit opfern, die
sie viel besser für ihre Amtsgeschäfte nnd ihre Fortbildung ver>
wenden können. Um nicht Konzept nnd Reinschrift der vielen
umfangreichen Berichte nnd Gutachten immer selbst niederschreiben
zu mflssen, kOnnen manche der Mithilfe der Fran oder der er>
wachsenen Kinder nicht entbehren; für die Familie einzelner
Bezirksärzte bedeutet es eine Erlösung, wenn der große Jahres*
bericht glücklich draußen ist. Die Amtsärzte mit Physikats-
asslstenten können diese noch mitheranziehen, andere halten sich
eine regelmäßige Schreibhilfe auf eigene Kosten. Es erscheint
daher der Antrag berechtigt, daß bei größeren Berichten und
Gutachten Schreibgebfihren bewilligt oder die Baranslagen für
eine Schreibhilfe ersetzt werden mögen. Es möchte dabei darauf
hingewiesen werden, daß in Preußen und einzelnen anderen Bundes*
Staaten für die Reinschriften von Berichten nnd Gutachten Schreib*
gebühren nach bestimmten Sätzen gewährt werden.
Bei einzelnen besonders großen landgerichts* nnd bezirks*
ärztlichen Stellen, wo tagtäglich eine Masse von schriftlichen
Arbeiten zu erledigen ist, möge eine ständige Schreibhilfe gestallt
oder deren Haltung durch Zuschüsse bezw. Erhöhung der Amts*
nnkostenentschädigung ermöglicht werden. So könnten z. B. die
drei Bezirksärzte bei der Polizeidirektion München oder die beiden
Landgerichtsärzte bei dem Landgerichte München I eine ständige
Schreibhilfe im Turnus gut beschäftigen. Es wäre eine außer*
ordentliche Erleichterung nnd Zeitersparnis, wenn größere Berichte
nnd Gutachten nach Diktat stenographisch aui^genommen nnd mit
der Schreibmaschine reingeschrieben würden, wobei gleichzeitig
ein Durchschlag für den eigenen Gebrauch hergestellt würde.
Wo anders könnte von der betreffenden Gerichts- oder Verwal*
tnngsbehörde eine Schreibhilfe, so oft sie benötigt wird, abgestellt
werden, so daß hierdurch besondere Kosten nicht entstehmi
würden.
6. Auslagen für BefSrdemngsmitteL Der Ersatz der Reise*
kosten für amtsärztliche Dienstleistungen bemißt sich nach der
K. A. Verordnung vom 11. Februar 1875, die Aufrechnung der
Tagegegelder und Reisekosten bei auswärtigen Dienstgeschäften
der Beamten und Bediensteten des Zivilstaatsdienstes betr., und
der Ministerialbekanntmachung vom 2. März gleichen Betreffs.
Danach dürfen Reisekosten nur dann aufgerechnet werden,
wenn der Ort der Geschäftsvomahme außerhalb des Amtssitzes
gelegen nnd die Entfernung beider Orte unter sich wenigstens
3 Kilometer beträgt. Die Amtsärzte in Großstädten, bei
denen Stadt- und Amtsbezirk zusammenfallen, erhalten demnach
ihre Reisekosten nicht ersetzt. Der früher ausnahmsweise z. B.
in München nsw. gewährte Bezug von halben Tagegeldern für
Dienstgeschäfte außerhalb des Amtsgebäudes im Orte des Amts*
Sitzes findet jetzt nicht mehr statt. Nach der eben genannten
Ministerialbekanntmachung können allerdings bei Dienstgeschäften,
welche in größeren Städten außerhalb des Amtsgebäudes vor*
genommen werden, Vergütungen für Benutzung von Droeehken,
164
Dr. BmInt.
sei es doreh Ersatz der Baraaslagen oder mittds Aversen, doreh
das znständige Staatsministerinm im Benehmen mit dem der
Finanzen gewährt werden and es bleiben die desfallsigen bis¬
herigen Bewilligangen anfrecht erhalten. Fflr die Medizinal¬
beamten sind solche bisher nicht ergangen. Die Zahl der aoßer-
halb des Amtsgebändes vorzanehmenden Amtsgeschäfte ist aber
keine kleine. Der Landgerichtsarzt hat Untersnchongen in der
Wohnung der betreffenden Leute vorzunehmen bei fraglicher Ver-
handlnngsiäbigkeit, anläßlich Begnadignngs- and Strafaafrchubs-
gesuchen, bei Verletznogen und zwecks Beobachtung des Gtoistes-
zostandes, wo es oft sehr wichtig ist, unangemeldet zu kommen;
außerdem hat er auf den oft weit entfernten Friedhöfen die gericht¬
lichen Sektionen vorzunehmen. Der Bezirksarzt hat noch häufiger in
dem Stadtbezirke zu tun durch die Besichtigung von Bauten, Schalen,
Fabriken, gewerblichen und sanitären Anlagen, sowie anläßlich
der Pensionierung von Beamten. Bei den mitunter sehr weitmi
Entfernungen, die sich durch Einverleibung von Vororten immer
noch vergrößern, genflgt die Gewährung einer Straßenbahnfrei¬
karte dem Bedfirl^ nicht; es wird sich der Amtsarzt einer
Droschke namentlich dann bedienen mfissen, wenn in den be¬
treffenden Stadtteil keine Straßenbahn hinausfflhrt oder die Be¬
nutzung derselben mit einem zu großen Zeitverluste verbanden
wäre. Die Zumutung, die gehabten Auslagen ans der eigenen
Tasche zu bestreiten, dttrfte doch nicht ^ billig erscheinmi.
Hinsichtlich des Bttckersatzes derselben beobachten die B^iemngs-
Finanzkammem ein verschiedenartiges und ungleichmäßiges Ver¬
halten; in dem einen Bezirke wird die Aufrechnung einer
Droschke nicht beanstandet, wenn sie nur nicht als Reisekosten,
sondern unter den „besonderen Auslagen* vorgetragen und der
Vermerk beigeffigt wird, daß wegen der DringUcbkeit des Amts-
geschäites die Benutzung einer Droschke unbedingt notwendig
war. In einem andern Bezirke erfolgt nie eine Beanstandung,
außer wenn einmal der revidierende Beamte der Finanzkammer
wechselt; es bedarf dann nur eines Bmichtes, daß ohne Benutzung
von Droschken der umfangreiche Dienst nicht erledigt werden
kann, und es ist wieder fftr eine Zeit lang Buhe. Wo man sich
jedoch streng an dmi Wortlaut der Verordnung hält, wird die
Aufrechnung fttr Droschken oder Sti*asenbahnen regelmäßig ge¬
strichen. Ein solcher Zustand ist nicht haltbar und zu seiner
Beseitigung enthalten die Leitsätze den Antrag, es mögen den
Landgerichts- und Bezirksärzten in Großstädten die notwendigen
Auslagen fttr Beförderungsmittel ans der Staatskasse ersetzt <rier
Jahresaversen in entsprechender Höhe bewilligt werden. Dies
dttrfte um so mehr als gerechtfertigt erscheinen, als in diesen
Fällen Tagegelder nicht verrechnet werden können. Die Fest¬
setzung der Jahresaversen könnte nach dem Durchschnitte der
Fuhrwerksauslagen in den letztvorangegangenen Jahren erfolgen.
Wie das Wort „notwendigen* besagt, kann bei dem Ersatz der
einzelnen Auslagen eine weise Sparsamkeit verlangt werden, so,
wenn angängig, Benutzung der Straßenbahn oder tunlichste Vor-
Oer amtsSntliohe Dienst in Bayern.
165
einigungr mehrerer Dieostgeechäfte bei der gleiehen Fahrt, auch
Nichtwartenlaesmi des Fuhrwerkes, wenn das Dienstgesehäit yor-
aussichtlich längere Zeit beansprucht.
Um nun auf die diesbezttglichen Verhältnisse der Medizinal¬
beamten in Landbezirken zu sprechen zu kommen, so wurde
bereits oben der Antrag gestellt, daß ffir die Vornahme der
periodischen Medizinalyisitationen der Gemeinden und die Ab-
haltong der auswärtigen Amtstage Tagegelder und Ersatz der
Beisekosten gewährt werden mögen, sofern hierfür nicht ein
jährliches Ayersum bewilligt wird. Für die übrigen Einzel-
requisitionen erfolgt die Vergütung nach der eingangs erwähnten
Verordnung. Bezüglich der Auslagen ffir Befördemngmnittel
wäre daher nur der eine Antrag zu stellen, daß die Bestimmungen
der Ministerialbekanntmachung yom 17. Dezember 1902, Ent¬
schädigung für Fahrrad- und Motorbenutzung durch Aerzte betr.,
auch auf die Amtsärzte bei Reisen aus dienstlichen Anlässen
Anwendung finden mögen. Nach dieser Vorschrift können in der
Priyatprazis bei Benutzung des eigenen Fahrrades oder Motors
ffir jeden Kilometer des Hin- und Rückweges 40 Pfg. beansprucht
werden, sofern der Kranke sich außerhalb des Wohnortes des
Arztes befindet, und zwar nicht unter 1 km yon der Grenze des¬
selben und nicht unter 2 km yon der Wohnung des Arztes ent¬
fernt; würden die Kosten bei Benutzung yon ^senbahn, Dampf¬
schiff und Gefährt geringer sein, so kann die Reisekostenyer-
gütnng nur in dem geringeren Betrage beansprucht werden.
Ausdrücklich ist dabei yermerkt, daß yorstehende Bestimmungen
auf die den Amtsärzten im Falle der Benutzung des eigenen
Fahrrades oder Motors bei dienstlichen Anlässen zukommende
Reisekostenentschädigung keine Anwendung finden. Es dürfte wohl
im Interesse der Staatsregiemng gelegen sein, diese Bestimmungen
auch auf die auswärtigen Dienstgeschäfte der Amtsärzte auszu-
dehnen, da dies eine wesentliche Ersparung yon Kosten und Zeit
zur Folge hätte. Nach den bestehenden Verordnungen haben die
Beamten bei allen Dienstreisen, welche ohne Nachteil für den
Reisezweck durch Benutzung yon Eisenbahnen oder Dampfbooten
znrückgelegt werden können, sich derselben zu bedienen und
zwar können die Amtsärzte bei Eisenbahnen die II. und auf
Dampfbooten die I. Klasse benutzen. Wo dies nicht möglich oder
tunlich erscheint, haben sie sich eines „anständigen** Gefährtes
zu bedienen; ein besonderes Gefährt statt der Eisenbahnen oder
Dampfboote ist regelmäßig dann zulässig, wenn durch die Be¬
nutzung der letzteren die Abwesenheit yom Wohnorte um mehr
als 2 Stunden yerlängert würde. Haben die Medizinalbeamten
gemeinschaftliche Kommissionen mit den Gerichts- oder Verwal¬
tungsbeamten zu besorgen, so erhalten sie keine besondere Reise-
entschädigung, sondern es ist ihnen yon den Kommissaren ein
Platz in ihrem Wagen einznräumen. Ausnahmsweise können sie
jedoch in solchen Fällen eine besondere Reiseentschädigung be¬
anspruchen, z. B. wenn die Mitbenutzung des Gefährts des Ge¬
richts- bezw. Verwaltungsbeamten wegen dringender unmittelbar
166
Dr. Beoker.
Tor oder nach dem Dienstgeschäfte Torzanehmmider ärztlicher
Privatgeschäfte nnterblieben ist; in derartigen FlUlen ist nnr die
Anfrechnnng der Kosten fttr ein eigenes Fuhrwerk in der Liqni*
dation besonders zn begründen (Min.-Bek. vom 24. Juli 1891).
Die gleichen Billigkeitsgrfinde treffen auch dann zn, wenn der
Bezirksarzt entsprechend seiner Verpflichtong, eine Reihe von
Amtsgeschäften «gelegentlich* vorzanehmen, die Gelegenheit einer
solchen Dienstreise benutzt, um unmittelbar vor oder nach dem
eigentlich veranlassenden Dienstgeschäfte noch anderweitige ärzt-
liäe Amtsgeschäfte zn erledigen. Wenn der Gerichts- bezw.
Verwaltnngsbeamte sonst an dem auswärtigen Orte nichts zu ton
hat, wird er nicht gern auf den Amtsarzt warten wollen. Die
Kosten für ein eigenes Gefährt des letzteren übersteigen jeden-
feUs die Gebühren für Benutzung eines eigenen Fahrrades oder
Motors; auch wenn der Amtsarzt allein auswärtige Dienstreisen
vornimmt, ließen sieh damit die Reisekosten bedeutend verbilligen.
Wird unserem Anträge entsprochen, so würde mandier Amtsarzt
bei guten Terrain- und Wegeverhältnissen sich gern eines Fahr¬
rades oder Motors bedienen, wozu er gar keinen Anlaß hat, so
lange ihm die Gebühr für dieses billige Verkehrsmittel gestrigen
und die für die >iel teurere Drochke bezahlt wird. Er wird hier¬
durch für sich Zeit und für den Staat Kosten sparen. Vielleidit
nur eine einzige Einwendung gegen unsern Antn^ wäre denkbar,
nämlich die, Rad- oder Motoriken entspreche nicht der Stellung
der Medizinalbeamten; im Ernste wird das heutzutage niemand
mehr behaupten.
7. Portowesen. Nach den Ministerialentschließungen vom
15. Juni 1884, Portofreiheit, hier den amtlichen Lokalverkehr
betr., und vom 1. Dezember 1897, Portofreiheit der Behörden im
Ortsverkehre betr., haben sich die Postanstalten mit der porto¬
freien Vermittlnng des amtlichen Fahrpost verkehre im Orts¬
bezirke nicht zn befassen. Unter dieser Bestimmung, die zur
Erleichterung des Postdienstes erlassen ist, leiden die größeren
Behörden nicht so sehr, da ihnen Burean^ener zur VerfBgung
stehen, die Amtsärzte aber müssen die Aktenpakete entweder
selbst oder durch ihre Dienstboten den Behörden zustellen. Wenn
das in kleinen Orten noch hingenommen werden mag, bedeutet
es in großen Städten mitunter eine unbequeme Last, der man
sich bei genügendem Entgegenkommen der Behörden nur dadurdi
entziehen kann, daß man diese um Abstellung eines Boten
ersucht. Bei direkter Auflieferung von Aktenstücken sind die
Postanstalten manchmal nachsichtig und befördern sie weiter;
manchmal werden sie znrückgewiesen oder nachträglich wieder
in die Wohnung znrückgebracht. Da in der nächsten Zeit die
Neuregelung des Portowesens für den amtlichen Verkehr bevor¬
steht, mochte der Wunsch ausgesprochen werden, daß wenigstens
für die Amtsärzte diese Bestimmung nicht mehr aufrecht erhidten
werde, sondern ihre Paketpostsendnngen audi im Ortsverkehrs
Portofi^iheit genießen mOgen.
Während Telegramme von den Staatsbehörden portofrei auf*
Der uatetnUiehe Dinst in Bayern.
167
gegebeu werden k&nnen, unterliegen ihre dienstlichen Telephon*
gespräche einer Gebühr. Das halbe Banschabonnement für den
Anschlnß am Ortstelephonnetze nnd die Hälfte der Gebühr für
Ferngespräche bestreiten sie ans den Begiemitteln; soweit sieh
keine Unznträglichkeiten ergeben, können die amtlichen Telephon*
anschlüsse auch zn Priya^esprächen im Ortsverkehre benntet
werden, ohne daß hierfür eine besondere Vergütung zn entrichten
wäre. Da das geringe Begieaversnm der Amtsärzte nicht auch
noch mit Telephongebühren belastet werden kann, beantragen die
Leitsätze, daß für die Telephonanschlüsse der vollbeschäftigten
nnd vellbesoldeten Amtsärzte, d. h. solcher, die keine ärztliche
Privatpraxis ansüben, eine Gebühr von denselben nicht erhoben,
sondern eventnell anf Staatsfonds übernommen werden möge nnd
daß die übrigen Amtsärzte bei Verwendung des amtlichen Telephon*
aiuchlusses anch zn privater Bernfstätigkeit die Hälfte der nor*
maüvmäßigen Gebühr zn entrichten haben. Mehrfach ist es
schon von der Ministerialinstanz genehmigt worden, daß die eine
Hälfte der Abonnementsgebühr anf die Begie der betreffenden
Gerichts* oder VerwaltnngsbehOrde übernommen wird; es ist dies
jedoch nicht überall der Fall nnd dürfte eine Verallgemeinemng
für das ganze Königreich erfahren.
Anch für die answärtigen Dienstgespräche der Amtsärzte
möge eine Gebühr nicht erhoben, sondern eventnell anf
Staatsfonds übernommen werden, wie dies bei den amtlichen
Ferngesprächen, welche von den Gemeindebehörden in reinen
Staatsdienstangdegenheiten geführt werden, der Fall ist. Die
Amtsärzte, namentlich die Bezirksärzte haben ziemlich häufig
dienstliche Ferngespräche zn führen mit den Gemeindebehörden
nnd den Armenpflegschaftsräten ihres Bezirkes, den Aerzten, dem
niederärztlichen Personal, den Leichenschanem nsw. Der Kosten*
erspamis halber alles anf schriftlichem Wege erledigen, wäre
nicht nur zn umständlich nnd zeitraubend, sondern mitnnter auch
z. B. bei verdächtigen Todesfällen oder Vorkehrnngen gegen Epi*
dmnien bedenklich. Im öffentlichen nnd dienstlichen Interesse
liegt es, daß die Amtsärzte möglichst rasch nnd ohne unnötige
Umständlichkeit in sanitären Angelegenheiten sich die eriorder*
liehen Auskünfte erholen nnd Anordnungen treffen können.
8. Stellvertretung bei Urlaub nnd Verwesung erledigter
Amtsarststellen. Für die Hausärzte an den Strafsnstalten ist
durch die Kgl. Verordnung vom 8. Jnni 1904, die Benrlanbnngmi
bei den Justizbehörden betr., die Bestimmnng getroffen, daß ihnen
jährlich für einen Monat ürlanb bewilligt werden kann. Eine
ähnliche allgemeine Verordnung ist für Ressort des Staats*
ministerinms des Innern nicht ergangen, infolge herkömmlicher
Giepflogenheit gilt es jedoch als Regel, daß die Bezirksärzte nnd
Landgerichtsärzte 4 Wochen nnd die mit dem Titel «Medizinal¬
rat* aasgezeichneten 6 Wochen ürlanb im Jahre erhalten. Es
möchte nicht unzweckmäßig erscheinen, das Anrecht anf ürlanb
verordnnngsmäßig zn normieren.
Wesentlich wichtiger ist aber die Frage der SteUvertretnng,
168
Dr. Beeker.
speziell der Vertretnngfskosten. Die Leitsätze stellen hier als
allgemeine Forderung den Satz voran: «Die Stellvertretung
▼ährend des regelmäßigen Urlaubs oder während einer Erkrankung
sollte den Amtsärzten in gleicher Weise wie den übrigen Staats*
beamten keine persönlichen Kosten verursachen.* Während sonst
kein pragmatischer Staatsbeamter sich über die Entschädigung
seines Stellvertreters während des Urlaubs Sorge zu machen
braucht, erwachsen den Amtsärzten mit Ausnahme der wenigen
Fälle, in denen eine gegenseitige unentgeltliche Stellvertretung
möglich ist, erhebliche Kosten. Dies trflbt nicht nur die Freude
und den Genuß des Urlaubs, es bildet auch häufig den Anlaß,
den Urlaub zu verkürzen oder ganz davon abzusehen. Die zeit¬
weilige Herausschälnng aus den Dienstgeschäiten ist aber den
Amtsärzten mindestens ebenso notwendig wie den übrigen Staats¬
beamten. Bisher erhielt ein Amtsarzt seinen regelmäßigen Ur¬
laub nur dann bewilligt, wenn er in seinem diesbezüglichen Ge¬
suche seinen Stellvertreter bezeichnete und zugleich eine ausdrück¬
liche schriftliche Erklärung des letzteren beifügte des Inhalts, daß er
ohne Anspruch auf ärarialische Entschädigung die Vertretni^
übernehmen wolle. Wie sich der Amtsarzt wegen der Entschädi¬
gung mit seinem Vertreter abfand, danach frag die Staatsregierung
nicht; ohne Vorlage der genannten Erklärung gab es nur keinen
Urlaub. Zur Beseitigung dieser Unbilligkeit sind die bayerischen
Aerztekammem wiederholt dahin vorstellig geworden, es mOgen
bei der Beurlaubung von Amtsärzten die Kosten der Stellvertre¬
tung auf die Staatskasse übernommen werden, sie sind jedoch
regelmäßig abschlägig beschieden worden. Der Ministerial-
bescheid vom 1. August 1886 führte hierzu aus, es sei eine irr¬
tümliche Voraussetzung, daß bei Beurlaubung von Beamten don
Staat überhaupt Vertretnngskosten erwachsen. Dies sei nicht der
Fall, weil während der Beurlaubung eines Beamten dessen Amts¬
genosse selbstverständlich ohne Anspruch auf Entschädigung die
Geschäfte seines in Urlaub befindlichen Kollegen zu übernehmen
habe. Dieses auf Gegenseitigkeit beruhende Dienstverhältnis
sei auch für die Amtsärzte in § 9 der Kgl. A. Verordnung vom
3. September 1879, den ärztlichen Dienst bei den Gerichts- und
Verwaltungsbehörden betr.^), zum Ausdruck gebracht
Gegen die Uebertragung des Staatsprinzipes der gegen¬
seitigen unentgeltlichen Stellvertretung im Urlaub auf den amts¬
ärztlichen Dienst läßt sich gewiß kein Einwand erheben, soweit
sie eben möglich und zulässig ist. Die Möglichkeit ist nur dann
g^eben, wenn zwei Amtsärzte den gleichen Wohnsitz haben.
Sind z. B. bei der gleichen Gerichts- bezw. Verwaltungsbehörde
zwei Amtsärzte anfgestellt, befinden sich an demsdben Amtssitze
bei verschiedenen Behörden zwei Landgerichts- bezw. Bezirks¬
ärzte oder je einer von beiden oder an<^ noch, wenn der zweite
ortsansässige Amtsarzt Hausarzt einer Strafanstalt ist, ist deren
1) ,Die Landgerichtsärzte und die Bezirksärate 1. nnd II. Klasse sind
in Verhinderangs- nnd Brledignngsfällen zur TortkbergebendeD gegenseitige
Aoshille in den gerichts- nnd Terwaltnngsärztlichen GMchifte Terpfliebtst.''
Der amts&ntliohe Dienst in Bayern.
169
gegenseitige kostenfreie ürlanbsTertretnng dnrchfUirbftr nnd
geradezu selbstverständlich, soweit nicht im einzelnen Falle
dienstliche Gründe entgegenstehen. Solche können vorliegen bei
großer Ansdehnnng der Gerichts* and Verwaltongsbezirke, indem
der betreffende Landgerichts- and Bezirksarzt wegen der Not¬
wendigkeit ständiger Bereitsdiaft den Dienst bei zwei Behörden
gleichzeitig nicht gat versehen kann, oder bei abgelegener Ent-
femong der Strafanstalt; in diesem Falle kann einem anderen
ortsansässigen Amtsärzte nicht zagematet werden, neben seinen
laufenden Amtsgeschäften anch nodi den gefilngnisärztlichen
Dienst za versehen, and amgekehrt.
Mögen derartige Verhältnisse za den seltenen Aasnahmen ge¬
hören, das Prinzip der gegenseitigen Vertetnng der Amtsärzte
findet jedenfalls seine Grenze, wenn flberhanpt nar ein einziger
Amtsarzt am Orte ist. In solchen Fällen hat man, am keine
Vertretangskosten erwachsen za lassen, am den Urlanb nicht ganz
anmöglich za machen, bisweilen za dem Aashilfsmittel gegriffen,
den Bezirksarzt des nächsten Bezirkes als Stellvertreter anf-
zastellen; bei den Landgerichtsärzten bedarfte es dessen nicht,
da an jedem Landgerichtssitze mit Aasnahme von Weiden anch
ein Bezirksarzt wohnt. Schließlich könnte anch diese Aashilfe
noch angängig sein, wenn die beiden Amtssitze nahe bei einander
liegen würden, wie etwa Begensbarg and Stadtamhof. In den
hierher gehörigen Fällen wohnt aber der nächste Bezirksarzt meist
Standen, eine halbe Tagereise weit and mehr entfernt; er ist
deshalb für die Bevölkerong des za verwesenden Bezirkes nor
schwer erreichbar, er selbst kann nor mit Umständen and großem
Zeitverlaste in diesen kommen. Nichtdringliche Amtsgeschäfte
wie Apothekenvisitationen and dgl. werden zwar nicht in der
ürlaabszeit anberaamt, anch solche, die eine besonders eingehende
Vorbereitang and Aosarbeitong erfordern, können meist bis zor
Rückkehr des zaständigen Bezirksarztes verschoben werden, aber
alles kann nicht li^en bleiben; es werden mancherlei Amts¬
geschäfte anfallen, die eine dringende Erledigong erheischen, bei
denen das Fehlen eines Stellvertreters in loco schwer vermißt
wird and anter Umständen, z. B. bei Aasbrach einer Epidemie
die bedenklichsten Folgen haben kann. Von der Beiziehang
des Bezirksarztes des Nachbarbezirkes zor Urlanbsvertretnng
sollte daher grandsätzlich abgesehen werden nnd, wenn kein
zweiter Amtsarzt am gleichen Orte wohnt, immer ein nichtamt¬
licher Arzt mit der Stellvertretang betraat werden; dieser wäre
am besten ans den ortsansässigen Aerzten aoszawählen mit Be^
vorzagang eines pro physicata geprüften. Die hierdorch ent¬
stehenden Kosten sollten aaf die Staatskasse übernommen and
dem Vertreter ein Tagegeld in gleicher Höhe wie bei Verwesung
einer erledigten Amtsarztstelle, nämlich von 6 M. bewilligt
werden. Nach § 10 Abs. 2 der K. A. Verordnnng vom 17. No¬
vember 1902, Gebühren für ärztliche Dienstleistungen bei Be¬
hörden betr., finden die Bestimmangen hinsichtlich der Gebühren
für Verwesung erledigter Amtsarztstellen „auch dann Anwendung,
wenn für einen benrlsnbten oder erkrankten Amtsarst ein
Verweser Ton der Anfisichtsbehbrde bestellt wird.* Bei optimieti-
seher Anffassnng könnte man non der Meinung sein, die Frage
der Stellvertretungskosten bei Urlaub sei damit in befriedigender
Weise gelöst. Dem ist jedoch nicht so, weil eben die Autsichts*
b^örde bei dem regelmäßigen Urlaub niemals Ton Amtswegen
dmi Stellvertreter anfetellt, sondern es dem Amtsärzte auferlegt,
einen mit seinem Urlaubsgesuche zu präsentieren und zwar einen
solchen, der keinen Anspruch auf Entschädigung ans der Staats*
kasse erhebt. Nur bei Erkranknngsfällen, in denen früher
der Amtsarzt auch selbst für seine Stellvertretung aufkommen
mußte, bedarf es der Vorlage einer solchen Erklärung nicht mehr;
es wird vielmehr, wie bei der letzten oberbayerischen Ereisver-
sammlung von kompetenter Seite mitgeteilt wurde, in letzter Zeit
die Aufstellung und Honorierung des Stellvertreters von der Kreis*
regiemng übernommen.
Unser Antrag erstrebt nun keineswegs für die Amtsärzte
eine besmidere Berücksichtigung vor den übri^n Staatsbeamte
sondern nur keine Zurücksetzung hinter diesen. Denn wie
wird es bei der Beurlaubung von Staatsbeamten in ähnlicher
Lage gehalten, die also die einzigen am Orte sind und bei denen
deshalb eine gegenseitige Stellvertretung eo ipso ausgeschlosseii
ist? Der exponierte Verwaltungsbeamte wie der exponierte
Richter, der Rentamtmann und sonstige Beamte bekommen bei
Urlaub ihren Stellvertreter von Amts wegen gestellt; es wird von
der Ereisregiemng oder von einer benachbarten Behörde mit
mehreren Beamten ein solcher abgeordnet, dem neben seinmn
fortlaufenden Gehalte die normativmäßigen Tagegelder znstehen.
Das Staatsprinzip der gegenseitigen kostenlosen Urlaubsvertretung,
auf das der oben zitierte Ministerialbescheid verweist, hat hier
notwendigerweise eine Lücke; denn tatsächlich erwachsen dem
Staate in diesen Fällen Vertretnngskosten, wenn sie auch nicht
als solche, sondern in einer anden Rubrik zur Verrechnung kommen.
Da nun alle übrigen Staatsbeamten für ihre Urlaubsvertretung
keine persönlichen Kosten aufzuwenden haben, möchte es doch
ungerechtfertigt erscheinen, solche den Amtsärzten au^erlegen,
die ohnedies anerkanntermaßen ungenügend besoldet sind. Was
bei dem einen Beamten recht ist, das sollte auch bei dem andern
billig seinl Wie an mancher andern Stelle, vertreten die Leit*
Sätze auch hier den Standpunkt: Gleiches Recht für alle Staats¬
beamte!
Da die Regierung keine abkömmlichen MedizinalbeamteB
zur Verfügung hat, tritt bei den Amtsärzten nur die eine Ab*
weichnng ein, daß an Stelle abgeordneter Beamten ein nichtamt*
li<^er Arzt mit der Vertretung betraut wird. Bei den Straf-
anstaltsärzten ist — darauf möchte hingewiesen werdmi — unser
Wunsch bereits teilweise erfüllt; die meisten, wenigstens die*
jenigen von ihnen, die darum nachgesucht haben, erhielten bisher
in der Regel Elntschädigungen von 6 M. für jeden Tag des Ur¬
laubs gewährt. Daß der Bezirksarzt etwa für seine Neben*
Der amtBärailiehe Dieut in Bayern.
161
stdlangen, imter ümstftnden aach für seine Privati^raxis einen
Stellvertreter anfznstellen hätte, dflrite der ErHUlnng unseres
Wunsches nicht im Wege stehen; denn um 6 M. findet sich heut¬
zutage kein Vertreter, der die amtliche und private Tätigkeit
übernimmt, so daß die vom Staate gewährte Beihilfe tatsächlich
nur die Kosten der amtlichen Stellvertretung deckt
Bei Verwesung der erledigten Stelle eines Land¬
gerichtsarztes oder Bezirksarztes erhißt zwar ein nichtamtlicher
Arzt ein Tagegeld von 6 M. (§ 10 der EgL A. Verordnung vom
17. November 1902), ein Amtsarzt aber nicht, selbst wenn die
Verwesung Monate dauert, was gar nicht so selten ist. Zu einer
vorübergehenden Geschäftsaushiife kann er mit Recht ohne
besondere Entschädigung herangezogen werden; eine Monate lange
Verwesung kann aber nicht mehr gut von dem Amtsärzte ^
unentgeltliche Leistung gefordert werden. Bei längerer Ver¬
wesung kann nichts unerledigt liegen bleiben und die üeber-
nähme der doppelten Arbeitslast sollte ihre gebührende Ent¬
schädigung darin finden, daß bei längerer, etwa 3 Wochen über¬
steigender Verwesung auch der damit betraute Amtsarzt das
übliche Tagegeld von 6 M. erhält Die Staatsregierung kommt
dabei noch immer auf ihre Rechnung, da bei Erledigung der
Stelle durch Versetzung oder Pensionierung des bisherigen In¬
habers ein Gehalt für de Vakanz nicht zur Auszahlung kommt
und nur bei Erledigung durch Todesfall für den Sterbemonat und
den Nachmonat.
In gleicher Weise sollte die Gebührenfirage geregelt werden,
wenn ein Amtsarzt wegen Erkrankung eines Kollegen für
längere Zeit dessen Dienst mitzuversehen hat.
Meine Herren! Wir sind nun am Schlüsse angelangt.
Endlich! mögen Sie denken. Ja es war eine rechte Geduldsprobe,
Ihre Aufmerksamkeit so lange in Anspruch zu nehmen. Das lag
aber an der Größe des Themas. Es war Ihrem Referenten die
Aufgabe zngewiesen, nicht bloß ein Bukett von Wünschen und
Anträgen zusammenzustellen, sondern auch eine eingehende Moti¬
vierung dazu zu geben.
Sprechen jetzt Sie Ihre Meinung zu dem Vorgetragenen
offen ans, auch wenn Sie nicht mit allem einverstanden sind!
Bei so vielen Punkten in allen Einzelheiten eine volle üeberein-
stimmung zu erzielen, geht gar nicht an. Wenn nur über die
EEauptfragen eine einmütige Auffassung besteht, dann dürfen wir
unsere Wünsche vertrauensvoll der Königlichen Staatsregiemng
unterbreiten mit der ehrerbietigsten Bitte, dieselben wohlwollend
zu prüfen und zu berücksichtigen. In der Hand der Staats-
regiernng liegt ja die Entscheidung; was Organisations¬
fragen sind, darüber hat nur sie zu befinden und, soweit der Weg
der Gesetzgebung beschritten werden muß, sind von ihr die Vor¬
arbeiten zu erledigen und die Entwürfe ansznarbeiten. Erlangt
die Staatsregiemng, wie wir hoffen, die Ueberzengung, daß die
zeitgemäße Ausgestaltung des amtsärztlichen Dienstes im In-
11
16a
Br. Becker.
teresse des Staates nnd des allgemeinen Volkswohles liegt, dann
▼ird sie gewiß auch die ztir Dnrchf&hmng erforderlichen Maß*
nahmen bald in die Wege leiten. Daß unsere Wünsche alle auf
einmal zur firfüliuug gelangen, können wir nicht erwarten. In
einem solchen Sinne sind auch die Leitsätze nicht zu verstehen;
sie sind von Ihrem Beierenten und Ihrer Vorstandschaft gedacht
als ein Programm für die nächsten Jahre nnd, wenn sie Ihre
Billigung finden, stellen sie das Programm des bayerischen Medi¬
zinalbeamtenvereins dar. Manches davon braucht Zeit zur Be¬
ratung nnd Bereifung. Die Staatsregierung wird nur schrittweise
Vorgehen nnd über die einzelnen Pi^te Se Aerztekammem, die
Kreismedizinalausschüsse, den Obermedizinalansschnß nnd den er¬
weiterten Obermedizinalansschuß mit ihren Gutachten hörmi.
Außer dem Staatsministerinm des Innern werden sich auch das
Justiz-, das Kultus- und das Finanzministerium mit unseren Vor¬
schlägen zu befassen haben.
Soweit gesetzliche Maßnahmen in Betracht kommen oder
die Bereitstellung finanzieller Staatsmittel notwendig wird, haben
auch die gesetzgebenden Körperschaften mitznsprechen; es wird
ihnen die Staatsregiernng eine diesbezügliche Vorlage zugehen
lassen müssen. Nach der vorjährigen Stellungnahme der Abgeord¬
netenkammer zu dem Anträge Dr. Rauh darf wohl auf deren
Bereitwilligkeit gerechnet werden nnd auch seitens der Kammer
der Reichsräte werden sich voraussichtlich keine Schwierigkeiten
in den Weg stellen.
M. H.I Im nächsten Jahre kann das bayerische Medizinal¬
wesen ein denkwürdiges Jubiläum begehen. Am 8. September
1908 werden es hundert Jahre sein, daß Bayerns erster König
Max Josef I. das hervorragende nnd seiner Zeit weit vorans¬
eilende Organische Edikt über das Medizinalwesen im
Königreich Bayern erließ. Seine einzelnen Bestimmungen,
wohldurchdacht und zweckentsprechend, haben auch jetzt noch
mnstergiltigen nnd vorbildlichen Wert. Was aber ganz besonders
an ihm für die damalige Zeit zu bewundern ist, das ist die
Erkenntnis von der hohen Bedeutung des Medizinalwesens für
die ganze Staatsverwaltung nnd der energische Wille, diesen
Gedanken in die Tat umznsetzen. In seiner Einleitung bezeichnet
das organische Edikt das Medizinalwesen als ^einen der wich¬
tigsten Teile der Staatspolizei“; ihm sei ,um so mehr vor¬
zügliche Aufmerksamkeit zu widmen, als durch eine gute Bestellung
desselben die ersten Bedingnisse zum individuellen Wohle eines
jeden einzelnen Staatsbürgers, im Zusammenhänge mit dem all¬
gemeinen, allein erreicht und dauerhaft erhalten werden können“.
Dementsprechend ging seine Intention darauf hinaus, ^das in
dieser Hinsicht schon bestehende Brauchbare auf alle Teile
unseres Reiches, in einen jeden der neu organisierten Kreise zu
übertragen, das Mangelnde allenthalben zu ersetzen, das Ganze
in eine zweckmäßige Verbindung nnd einen der notwendigen
Ordnung günstigen Zusammenhang zu bringen und zugleich den
übrigen Verwaltnngszweigen anznpassen.“
Der amtaftrzUiehe Dienst in Bayern.
168
Das Jabilänm kannte nicht schöner nnd besser gefeiert
werden, als wenn es den Anstoß dazu gäbe, das hundert Jakre
lang gütige organische Edikt in neuem Gewände nnd in neuer
Fassung wieder erstehen zu lassen, entsprechend den großen Er¬
rungenschaften der ärztlichen Wissenschaft und Erfalurung.
Hoffen wir, daß unsere heutige Tagung mit beiträgt zu
einer zeitgemäßen nnd umfassenden Ausgestaltung
unseres bayerischen Medizinalwesensl
Salus publica snprema lexi
(Lebhafter BeilalL)
Vorsitzender Bezirksarzt Dr. Angerer-Mfinchen: M. H.1
Dem Herrn Beferenten haben Sie bereits Ihren lebhaften Beifall
gespendet. Als Vorsitzender möchte ich jedoch noch besonders
ihm den wärmsten Dank der Versammlung für seine außerordent¬
lich mOhevolle Arbeit anssprechen. Ich eröffne nunmehr die Dis¬
kussion über das ganze Beferat mit dem ausdrücklichen Bemerken,
daß die Bedner sieh nicht an die Beihenfolge der Leitsätze zu
halten brauchen.
Diskassion:
Laodgerichtsant Medizinalrat Pro! Dr. Hofmaan-Hfliieheii: Das Mi¬
nisterium wird TOI allem fragen^ ob denn alle Medizinalbeamte oder wenigstens
die große Mehrzahl derselben mit den Vorschlägen des Beferenten einyerstanden
sind. Ich möchte den Herrn Vorsitzenden bitten, hierüber zunächst abstimmen
zu lassen, damit man das Beferat dem Ministerium mit der Bemerkung yor-
legen kann, die Versammlung sei einstimmig mit den Vorschlägen des Befe¬
renten einyerstanden gewesen.
Vorsitzender; Das wird wohl im Laufe der Diskussion kommen.
Dr. Hofmann: Sollen dann Abstimmungen stattfindenP
Vorsitzender: Ueber die einzelnen Leitsätze nicht. Aber ich meine,
man sollte jetzt die Diskussion nicht unterbinden, sondern den Herrn Gelegen¬
heit geben, sich über die Sache zu äußern. Dann wird man yielieicht in
Form einer Besolution mit dem Inhalt des Beferates in irgendeiner Weise sich
einyerstanden erklären.
Dr. Hofmann: Das halte ich für unbedingt notwendig. Es werden
sich in der Diskussion wahrschednlich bezüglich einzelner Punkte einige un¬
wesentliche Abweichungen ergeben, aber das kann uns nicht abhalten, jetzt
schon im Großen und Ganzen unsere Zustimmung zu erklären. Ich bin aW
nicht dagegen, wenn dies erst am Schlüsse der Debatte geschieht.
Bezirksarzt Dr. Gmber-Mttnchen: M. H. I Sie haben eben den Vor¬
schlag des Herrn Med.-Bats Dr. Hof mann gehört, der es, wie mir scheint,
für zweckdienlich erachten wfirde, im Ganzen nnd Großen dem Beferat des
Kollegen Becker und den demselben yorausgeschickten Leitsätzen znzn-
stimmen. Er nimmt an, nnd wohl mit Becht, daß sich zwar über einzelne
Punkte die eine oder andere abweichende Anschauung ergeben mochte, daß
aber im ganzen doch die Versammlung das alles, was uns yorgetragen worden
ist, als grundlegend anerkennt. Von einer Diskussion nach den einzelnen
Sätzen, wie sie uns yorgetragen sind, soll und muß wohl abgesehen werden,
soll unsere Tagung nicht zwei Wochen nnd noch länger dauern. Für den
Fall, daß die Anschauung des Herrn Med.-Bats Dr. Hof mann geteUt
werden sollte, mochte ich mir erlauben, Ihnen jetzt schon eine Besolution zu
unterbreiten nnd um deren Annahme zu bitten. Die Besolution wfirde
lauten:
„Die 4. Landesyersammlnng des bayerischen Medizinalbeamtenyereins er¬
blickt in den Leitsätzen fiber den amtsärztlichen Dienst im KOnineich
Bayern eine geeignete Grundlage ffir eine Medizinalreform
11*
164
Dlakiusion zn dem Vortrag:
QBd erklärt deh damit eiarerataaden. Sie beauftragt die Voratandschaft,
die Leitaitse imd die rom Beferenten gegebenen Erläatemngen der KOaigL
Staataregierong zn onterbreiten mit der enrerbietigaten Bitte, dieaelbe wolle
die Wttnache für die Aoageataltang dea amtaärztlichen Dienatea nnd die
Verbeaaemng der Gehaltarerhiltniaae in wohlwollende Wttrdigong ziehen
und die notwendig eracheinenden ICaßnahmen hierzu in die Wege leiten.
Sie beauftragt ferner die Voratandaehaft, die Weiterentwiduung dieaer
Fragen zu Terfolgen, zur Beratung Aber die einzelnen Sparten dee Me*
dizinalweaena daa Material zu aammeln und Torzuberetten, aowie die hieraua
eich ergebenden Anträge auf die Tageaordnung der nächaten Landearer-
aanunlungen zu aetzen.“
Ea rmd aich natttrlich im Laufe der Zeit mancher Ton den heute zu
beapreehenden Punkten noch mehr bereifen; ^ea aoll mit dem letzen Satz
der Beaolution auagedrttckt werden.
Bezirkaarzt Dr. 69tz*N0rdllngen: Da, wie wir rorhin gehört haben,
nicht bezttglich aller Einzelheiten dea Beferata Einyeratändnia Torhanden aein
wird, mochte ich bitten, *am Anfang der Beaolution zwiachen den Worten
«erklärt aich* nnd «damit ebTeratanden* einzuachaltea «in allen weaent*
liehen Punktein*. Man kann eich dann Aber die einzelnea Punkte noch
unterhalten.
Bezirkaarzt Dr. Henkel - MAnchen: M. H. t Wenn wir mit der Beaolution
auadrAcken wollen, dafl der Kollege Becker in aeinem ebenao fleißigen iHe
acharfainnigen Beferat nach langer Zeit einmal una eine abgeachloaaene Arbdt
geliefert hat, auf Grund deren wir nun weiterbanen und beraten wollen,
ao kann ich dem yoUatändig zuatimmen. Ich muß aagen, daß dem Kollegen
Becker in dieaer Beziehung der größte Dank gebAhrt. Bedenklich acheint
mir aber doch, zu aagen, wir aeien auf dieeet Grundlage im Einyemehmen und
werden nun in dieaem Sinne weiter beraten oder weiter beachließen. Ea er>
acheüit mir diea umao bedenklicher, ala wir geatera achon in dieaer Bichtang
una auageaprochen haben, und ea geheißen hat, wir wollen dfeae Beaolution
irgendwo yorlegen. Ja. m. H., wenn wir dieae Beaolution, wie aie yorliegt,
irgend einer Kammer oder einem Abgeordneten oder der Staataregiemng yor*
legen, ao muß daa doch den Glauben erwecken, daß wir mit allem, waa in dem
Beferat ateht. einyeratanden aind; und daa aind wir nicht. Wenn wir dagegen
mit der Beaolution nur aagen wollen, wir anerkennen ganz nnd yoU die Arb^
und MAhe, die aich der Beferent gegeben hat, nnd wir können auf dem Beferat
jetzt weiterbauen nnd weiterberaten, dann können wir der Beaolution yoll zu*
stimmen. Wäre aber die Beaolution in dem Sinne anfzufaaaen, daß wir nun
alle im Einyemehmen aind, so wArde das der Lage der Dinge nicht ent*
sprechen. Ich mochte nur ein Beispiel anfAhren, das ist z. B. die Sache mit
dem Medizinalamt Der Kollege Becker bat in anagezeichnetor Weise
den Wirktugskreis des Bezirksarztes dargelegt, er hat uns gesagt, was der
Bezirkaarzt draußen in seinem Bezirk nnd auch im Innern des Bezirks zu
tun hat. Das ist angelehnt zum Teil an Verordnungen, die wir jetzt sch<a
haben, zum Teil auch an VerfAgungen, wie wir sie in anderen Dienstanweisungen,
z. B. yon Preußen, haben, wonach der Bezirkaarzt alle 5 Jahre zn yiaitierea
hat, nach welchen er da* und dorthin zn gehen hat nsw. Das, was uns unbedingt
notwendig ist, diese Initiatiye, kann der Bezirksamt nicht nur bei uns schou
entfalten, er kann aie auf Grrud einer Dienstanweisung, einer Verordnung
Aber Visitationen noch weiter entfalten. Kollege Becker hat mit yollem
Becht gesagt: »Der Bezirksarzt selbst kann ans aeinem Bezirk so und so
irtel machen.* Das wird nach wie yor seine Geltung haben. Wir kOanm
dann nach diesen Verordnungen handeln, warum wir dazu eia Medizinalamt
brauchen, das weiß ich nich^ das ist schwach begrAndet. Wegen der Ta-
bellenfAhrnng, die wir zum Teil jetzt schon haben, wegen einzelner Dinge,
wie der Dienstaufsicht, die wir auch schon haben, (wir yoUziehen jetzt schon
immer Amtshandlungen), braucht man kein Modisinaiamt, mit dem doch eia
ganzer Apparat, Schreibpersonal und Verschiedenes yerknApft ist, was man ent
meder bestimmen nnd durch gesetzliche Verordnung hersteilen muß. Ich
mochte das bloß angef Ahrt haben zum Beweis daf Ar, daß wir doch nicht sagsa
können: «Wir sind alle im Einyemehmen* und ktanen eine solche BeaidatioB
gleich hinausgeben. Wenn wir auch sachlich yoUkommen einyeratanden sind
Der amtsSratliehe Dienet in Beyern.
166
mit Dr. Becker, eo gibt es doch noch Veraehiedenheiten. die wir erst
besprechen mttssen, beror wir eine einheitliche Besolntion leasen und rer«
bffentliehen.
Bezirksent Dr. Schltn-VOsbibarg stimmt den AnsfOhrnngai Dr.
Henkels yollkommen za. Dr. B ec ker bet ein Beferet geliefert, deS wir eile
xnit Bewonderong gehOrt heben, eher dem Beferet bedingangslos zaznstimmen,
deza kann ich mich nicht bereit erküren. Der Vorredner bet bereits die
Seche mit dem Medizinelemt erwähnt; ich mSchte eof die sog. Amts-
gerichtsärzte za sprechen kommen, wes nach meher Ansicht doch eadi
ein sehr irlehtiger Punkt ist.
M. H.1 Des ganze Medizhelwesen resp. die Tätigkeit der Amtsärzte
soll erweitert werden, der Amtsarzt soll roll beschäftigt werden. Es heißt
nach n. a. in den Leitsätzen, der Amtsarzt solle seinen ganzen Bezirk Ter*
sehen. Anderseits wird aber nicht zentralisiert, sondern dezentralisiert, indem
ein Nebenbeamter mit ToUtOnendem Titel als Amtsgerichtsarzt angestellt
wird. M. H.I Ich glaube, daß wir weder bezirksärztliche Stellrertreter noch
auch Amtsgerichtsärzte brauchen. Ich will bloß daran erinnern, daß ja jetzt
allgemein das Bestreben existiert, diejenigen Amtsgericbtsbezirke, die eine
größere Einwohnerzahl haben, mit neuen Bezirksämtern zu yersehen. Ich er¬
innere nur an Lauf und Biedenburg und daran, daß jedenfalls Ober kurz oder
lang auch Dorfen, Osterhofen und Both a. S. Bezirksämter erhalten sollen.
Es sind das lauter Gegenden, in welche natürlich die Amtsärzte schwerer
werden hinkommen kOnnen, die Sache wird aber dadurch beigelegt und ge¬
ordnet, daß dort neue Bezirksämter errichtet werden. Es scheint mir auch
ein Amtsi'erichtsarzt durchaus nicht notwendig zu sein wegen der so geringen
amtsärztlichen Tätigkeit. Wir alle wissen, daß Sachyerständigentermine bei den
Amtsgerichten fttr uns Amtsärzte yerhältnismäßig sehr selten sind, (^derspruch
Oho 1) Der Bichter ist durdiaus nicht daran gebunden, einen Amtsgerichtsarzt
als Sachyerständigen zu ne^en, er kann jeden anderen Arzt als Sachyerstän-
digen nehmen; er ist auch an das Sachyerständigengutachten des Amtsgerichts¬
arztes so wenig wie an das des Landgerichtsarztes gebunden. — Wenn es dann
in dem Beferat heißt: „Die Vornahme der Öffentlichen Impfungen soll dem Amts¬
gerichtsarzt Zufällen,“ so finde ich das durchaus nicht notwendig. Die Offent*
flehen Impfungen kann der Amtsarzt ebensogut ausfübren, wenn er letzt als
yoU beschäftigter Amtsarzt, losgelOst yon der ärztlichen Praxis, yoUständig
sieh der amtsärztlichen Tätigkeit widmet. Also ich bfai der Meinung, daß an<m
dieser Grund nebensächlich ist. Aber ich habe noch triftigere Gründe für meine
Anschauung: Es heißt in dem Beferat: nDer künftige Amtsgerichtsarzt soll
auch zu dringenden amtlichen Verwaltungsgeschäften herangezogen werden;
an Stelle der Gebühren unter a, b und d kann ein festes Jahresayersum in
in entsprechender Hohe festgesetzt werden, womit die Verpflichtung zur
Leistung bestimmter yerwaltungsärztlicher Geschäfte yerbunden werden
kann. Damit, M. H., ist also aasgedrückt, daß der betreffende Amtsgerichts¬
arzt mit anderen Worten auch in unsere Tätigkeit sich einmischen soll. Das
brauchen wir aber tatsächlich nicht. Der Amtsarzt ist yoll beschäftigt, los¬
gelOst yon seiner Praxis; er kann in unsem Bezirken mit 80—40000 Seelen
Mhr wohl die gesamten Geschäfte des ganzen Amtsbezirks yersehen. Also
ich bin der Ansicht, daß Amtsgerichtsärzte überfittssig sind. Man hat als
einen Grund dafür auch noch angeführt, daß die Zuständigkeit der Amts-
S erlebte erweitert werden soll. So yiel ich gelesen oder gehört habe, soll
ie Zuständigkeit der Amtsgerichte hauptsächlich in bezug auf Geldstreitig¬
keiten, nämlich bis zu 800 M., erweitert werden, 'während unsere ■ Tätigkmt
sich auf Eriminalfälle erstreckt, und ^e Zuständigkeit der Amtsgerichte in
dieser Hinsicht wohl kaum erweitert werden dfi^. Also ich muß mich,
gerade als einer der jüngeren Amtsärzte, ganz energisch gegen die Auf¬
stellung yon Amtsgerichtsärzten aassprechen, um so mehr als gerade wir das
später am eigenen Fleisch empfinden müßten, wenn solche Nebenämter mit
so yolltOnenden Titeln kreiert würden. Wir sind jetzt froh, daß allmählich
die Bezirksärzte II. EU. aussterben, und wir hoffen und wünschen, daß die
Staatsregierang sich entschließt, die bezirksärztlichen Stellyertreter yoll¬
kommen aufzuheben und yon der Kreierung yon Amtsgerichtsärzten abzusehen.
In den anderen Beziehnngen bin idi mit*den AusfilJimgen Dr. Beckers so
166 DiakoBiioB sa dem Vortng:
siemlich einrerataadeB, bis aaf einige NebenB&ehlichketten, die nicht ins
Gtowicht fallen.
Landgerichtsant Dr. Biirgl*Nürnberg: Ala einen der wiehtignten
Beformyorsehlftge, die nna heute beach&ftigen, mOehte ich beieichnen die Ai-
re^g, dem geriohtairztliohen Dienet eine yollst&ndig selb¬
st and ige Organisation zu rer leihen und zu diesem Zweck das gericht¬
liche Medizinalwesen ans dem Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern
loszulOsen und dem Jnsitzministerium zu unterstellen. Der Kollege Becker
hat diese Forderung sehr gut motiviert; man kann entschieden der Ansicht
sein, daß sie das nichtig und allein Zutreffende seL Ich habe nun yersncht,
soweit es mir als Nichtjnriaten mOglich ist, diese lose nebeneinandergestdlten
Sätze in ein Formel zu brinp^en, die in staatsrechtlicher Beziehung vielleicht
eher entsprechen würde. Diese Form wäre etwa die folgende:
„Der gerichtsärztliche Dienst, umfassend den ärzUichen Dienst beim
Justizministerium, den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und den Gefäng¬
nissen einschließlich der Strafanstalten, soll eine selbständige Organisation
erhalten, dabei sollen aber Maßnahmen getroffen werden, die der allgemeinen,
dem Staatsministeriuffl des Innern zngeteilten Medizinalverwaltung den erfor¬
derlichen Einfluß sichern. Zur Errei^ung dieses Zweckes soll das gerichüidie
Medizinalwesen aus dem Geschäftsbereiche des Staatsministeriums des Innern
ausscheiden und dem Staatsministerinm der Justiz unterstellt werden. Das
Staatsministerinm der Justiz hat aber nachstehende Angelegenheiten nicht für
sich allein, sondern im Benehmen mit dem Staatsminisieiium des Innern zu
regeln:
a. alle Angelegenheiten, die im Interne der Erreichung ihres Zwecks eine
einheitliche Begelnng für sämtliche Zweige der Staatsverwaltung er¬
fordern, so insbesondere hygienische Anordnungen aus Anlaß gemein¬
gefährlicher Krankheiten,
b. den Erlaß von Vollzugsbestiinmungen für den Bereich der Justizverwaltung
zur Durchführung allgemeiner ärztlicher Maßnahmen, so z. B. Bestim¬
mungen zum Vollzug des Impfgesetzes, statistische Erhebungen usw.,
c. die Grundsätze für äe Ernennung, Qualiflkation, Honorierung der gericht¬
lichen Aerzte. Zur obersten Leitung des gerichtlichen Medizinalwesens
wird aus der Beihe der gerichtliäen Aerzte (Landgerichtsärzte) ein
Beferent mit dem Bange eines Ministerialreferenten (Begierungsrat, Ober-
regiemngsrat) beim Justizministerium bestellt, ihm werden nStigenfalls
ärztlich gebildete Hilfsreferenten beigegeben, die unter Verantwortung
des Beferenten die Geschäfte erledigen.“
Ich setze mich damit in Gegensatz zu den Ausführungen des Kollegen
Becker, der eine vollständige Lostrennung der Gerichtsärzte vom Ministerium
des Innern befürwortet, während ich nur eine Umkehrung des jetzigen Ver¬
hältnisses wünsche in der Weise, daß während gegenwärtig die Landgerichts-
äizte in erster Beihe dem Ministerium des Innern und in zweiter Beihe dem
Jnstizmi^terinm unterstellt sind, sie künftig in erster Beihe dem Justiz¬
ministerium und in zweiter Beihe dem Ministerium des Innern unterstellt
werden. Zur obersten Leitung des gerichtlichen Medizinalwesens müßte, wie
Dr. Becker ansgeführt, aus der Beihe der gerichtlichen Aerzte ein Beferent
mit dem Bange eines Obermedizinalrates ernannt werden. Ich mochte nun
nicht gerade hestimmen oder Vorschlägen, daß demselben sofort der Bang
eines Obermedizinalrats zu Teil wird, weil es doch dem Ministerium freisteht,
auch einmal einen jüngeren Arzt zu dieser Stelle zu berufen und man einen
ganz jungen Herrn niät sofort mit einem so hoben Bang versehen kann. Es
wird wohl besser sein, wenn man allgemein sagt, es soll ihm der Bang eines
Ministerialreferenten zngeteilt werden, vielleidit beginnend mit dem Bang
eines Begierungsrats. Diesem Beferenten konnten dann ärztlich vorgebildete
Hilfskräfte zur Verfügung gestellt werden unter sdner Verantwortung. Je
nach Bedarf konnte dann für Erledigung der ärztlichen Geschäfte beim Justiz-
ministerinm eine eigene Abteilung für gerichtliches Medizinalwesen gebildet
werden, nach Maßgabe der erst vor wenigen Tagen erschienenen AllerhOchstea
Verordnung vom 26. September 1907, welche bestimmt:
,1. In den Stamtsministerien kOnnen von den Staatsministem besondere Ab¬
teilungen gebildet und der Leitung eines höheren Mhiisterialbeamtes
unterstellt werden.
Der unts&rztliche Dienst in Bayern.
167
2. Die Staatsminister sind befugt, unter ihrer Verantwortong den Abteilnngs-
TorstSnden und deren StellTertretem die Erledignng von OescbUtsanl*
S iben minder wichtiger Art nach n&herer Bestimmung der sn erlassenden
eschiftsordnnng sn ttbertragen.“
Die Aufgaben des Beferenten für das Medizinalwesen hat KoU^e
Becker in erschöpfender Weise dargelegt, so daß ich die Sache:nicht von
neuem vorzutragen brauche. Der Unterstellung des gerichtlichen Medizinal¬
wesens unter das Justizministerium entsprechend müßte dann der sach¬
liche und persönliche Bedarf der Landgeriwtsärzte auf den Justizetat über¬
nommen werden, insbesondere müßten übernommen werden die Be^ekosten,
die Auslagen für Bibliothek, wissenschaftliche Instrumente usw. ^r die
Qerichtsärzte müßten dann auch Yorrückungsstelien geschaffen werden, ^e es
ermöglichen, daß die gerichtlichen Aerzte, insbesondere bei den größten und
größeren Gerichten, auch höhere Gehalts- und Bangklassen und zwar ent¬
sprechend der den iUchtem zugänglichen Gehalts- und Bangklassen erreichen
würden.
Das wäre also der eine Vorschlag, daß der Beferent für das gericht¬
liche Medizinalwesen seinen Sitz im Justizministerium hätte. Es ut aber
noch ein anderer Fall zu erwägen; es wäre ganz gut denkbar, daß zwar ein
Beferent für das gerichtliche Medizinalwesen anfgesteilt würae, daß dieser
aber seinen Sitz im Ministerium des Innern hätte unter Oberleitung des
Beferenten für das gesamte Medizindwesen im Ministerium des Innern. Wir
haben ja einen analogen Fall bei der obersten Baubehörde. Diese untersteht,
so viel ich weiß, dem Ministerium des Innern. Es befindet sich unter den
Oberbauräten aber auch einer, der lediglich die Bauten des Justizministeriums
zu überwachen hat. Dieser Herr hat zu arbeiten für das Jnstizministerinm,
ist aber doch dem Ministerium des Innen zngeteilt. Welche von diesen
beiden Möglichkeiten die praktischere ist, muß den beteiligten lönisterien
überlassen bleiben. Mir schiene schon der Vorschlag Beckers praktischer,
daß dieser Beferent seinen Sitz im Jnstizministerinm hätte und zwar abgesehen
von anderem aus dem Gnnde, weil das fortwährend einlaufende Aktenmaterial,
mit dem sich dieser Beferent zu befassen hätte, eben beim Jnstizministerinm
lie^ und ein fortwährendes Hin- und Herschicken dieses Aktenmaterialn statt¬
finden müßte, wenn der Beferent sein Amtszimmer im Ministerium des Innern
hat. — Das wäre, was ich in diesem Punkte vorznbringen hätte.
Dr. DoUmann-München: Ich mOchte bitten, im Interesse des Ansehens
des ärztlichen Standes den Vorschlägen Beckers und dem Antrag des
Bezirksarztes Dr. Gr über vollständig zuznstimmen. Es ist darin ja aus¬
drücklich betont, daß es sich bei den Vorschlägen nur um eine Grundlage
handelt. Die Vorschläge sind noch nicht ein so gefügtes Ganze, daß man
darüber nicht noch weiter sprechen konnte. Sie haben vorhin die Ausführungen
über die Amtsgerichtsärzte gehört. Ich habe gestern schon die Ansicht aus¬
gesprochen, ein Amtsgerichtsarzt tut keinem Bezirksarzte weh oder wohl und
den Titel kann man dem armen Teufel schließlich lassen; wenn er 800 M.
Gehalt bekommt, dann macht er keinen Krach. Ich bitte, die Besolntion im
glanzen anzunebmen. Ich glaube nicht, daß wir etwas Besseres finden können.
Einzelne Meinungsdifferenzen — ja das ist etwas anderes; es kann da eine
Eompetenzstreitigkeit zu schlichten sein und dort; das hat aber mit dem
Vortrag Dr. Beckers im allgemeinen nichts zu tun, das kann nachträglich
gemacht werden. Ich bitte die Herren, diesem Antrag einstimmig beizntreten
und der Besolution, wie sie Dr. Gr über vorgeschlagen hat, damit wir auch
der hohen Begierung gegenüber zeigen kOnnen, daß wir einmütig sind.
(Beifall.)
Bezirksarzt Dr. Grassl-Lindau: M. H.! Wenn man auf einem so ex¬
ponierten Posten ist, wie ich, so lernt man allerlei kennen. Ich habe
8 Bundesstaaten und 2 auswärtige Staaten als Nachbarn, und da kann ich
auch die auswärtigen Medizinalverwaltungen etwas beurteUen. Nun ist auch
anderswo nicht alles Gold, was glänzt. Damit will ich natürlich nicht sagen,
daß die bayrischen Verhältnisse die besten sind, aber sie sind immer noch
recht passabel. Im großen und ganzen stimme ich ja mit Becker vollständig
überein. Wir haben uns schon in Augsburg zusammengesprochen und zn-
sammengestritten; aber einzelne Sachen hätte ich docß recht gern anders,
168
DiikoMioa za dem Vortng:
z. B. bezdglieh der Zeit der Zalzzsnng zum PhjsikztsexzmeH
Ich glzabe, daß maa da eine gewisse Zwiseheazeit lassen soU. Ich halte das
fflr sehr notwendig, and zwar, weil eine solche größere Zwischenzeit eine
Selbstaaslese der Kandidaten bedentet. Nichts ist wirksamer, als wenn eia
Kandidat 8 Jahre draaßen ist and sieht: Ich tange nicht zom Amtsarzt, and
sich sagt: Ich mache das Examen nicht mit. Wenn namittelbar nach dem
S raktischen Jahre das Examen gemacht wird, so dringen sich solche heran,
ie nicht Bezirksirzte and Amtsirzte werden wollen, sondern die das Examen
als Dekoration and als Erwerbsquelle benutzen. Ich mochte die Selbstansleee
recht sehr betonen. Es geht mich zwar nichts an, aber ich glaube, wenn die
Joristen in dieser Beziehung vorangingen, so bitte das vielldcht aach einen
Erfolg. Was nun die Qegenstinde betrifft, aus denen geprüft werden soll,
so meine ich — ich bitte mich nicht zu steinigen — die Bakteriologie, wie
sie jetzt getrieben wird, and ebenso die Nahmngsmittelohemie würden eine
Einsehrinkang rertragen; dagegen, meine ich, sollte Oewerbehygiene
viel mehr betont werden. Der größte Teil von uns, ich kann das rohig sagen,
nach Ton mir selbst, ist, was gewerbehygienische Dinge betrifft, ganz radin
hinaasgekommen and maßte sid erst mttäam die Kenntnisse aneignen. Wenn
man dann plötzlich Tersetzt wird in einen anderen Bezirk, wo andere Gewerbe
sind, so darf man wieder als alter Mann mit grauen Haaren ron fom ob»
fangen. Man hat an der üniversitit and im Physikatsexamen fast gar nichts
dayon gehOrt Sodann halte ich es für sehr notwendig, daß die SoziaU
ge setz ge bang besser betont wird. Wir Bezirksirzte werden einmal die
Triger der Soziadgesetzgebung — hoffentlich — werden, and wenn wir das
werden wollen, — und es ist sehr notwendig, daß wir das werden —, dann
müssen wir auch die nötigen Kenntnisse mitbringen und die können wir uns
nicht an der UniTersitit aneignen, sondern nar im Physikatsexamen. Sodann
mochte ich noch ein Spezialthema von mir betonen. Ich glaube, daß der so-
künftige Bezirksarzt auch Soziologie treiben soll; er soll auch demo¬
graphische Stadien treiben. Der geriehts&rztliche und bezirksirstliche
Stand muß, soll er seine Aufgabe erfüllen, die jeweilig herrschenden Elrank-
heiten bek&mpfen. Und da sind es weniger die Infektionskrankheiten, die an
nnserm VolkskOrper nagen, als die ans unseren sozialen Verh<nissen herror-
gehenden Zustinde. Die sind es, die dem bayrischen Volk stark gefihrlieh
werden; die woUen wir bek&mpfen, und dazu bedarf es soziologiseher and
Tor allem demographischer Studien. Ich freue mich onendlich, daß endlich
einmal der Professor der Hygiene in München, Dr. Gräber, diesen Gegenstand
«uiz Torzüglich betont und die Aerzte auf derartige Stadien hingewiesen hat.
Das w&re das neue Feld, das wir bebauen müssen, und ich bin überzeugt,
daß wir da dem Staat und dem allgemeinen Wohl ^el mehr nützen werden,
als wenn wir rielleioht nur einen «mer zwei Desinfektionsapparate mehr auf*
stellea. Also ich mochte bitten, daß diese Erweiterung der zukünftlgra Auf¬
gaben des Bezirksarztes betont wird. In dieser Beziehung stimme ich auch
ToUst&ndig dem bei, daß die Fortbildnngskarse für den Amtsarzt
absolat notwendig sind. Auch hier glaube ich, daß der bakteriologisehe Kurs
seine Aufgabe eigentlich nicht erfüllt hat; wenigstens bei mir hat er sie ni^
erfüllt, das kann ich ruhig sagen. (Heiterkeit.) Ich habe nie mehr Bakte*
riologie getrieben '.und konnte sie [nicht treibM, und Sie werden es ebenso
gem^t naben.
Was non den Amtsarzt bd den Amtsnrichten, den sogenannten
,Amtsgeriehtsarst* betrifft, so stimme loh dem Kollegen Schütz Tolt
ständig beL Auch ich halte ihn für überflüssig. Ich habe in Lindau j&hrlieh
18—20 ärztliche Termine beim Amtsgericht abzuhalten; mein Stellrertreter
in Weiler hat noch weniger; ich sehe wirklich nicht ein, warom dafür ein
eigener Amtsarzt anfzustellen wäre. Das einzige, was er hat, ist 'die Be¬
sorgung der Gefängnisse. Ich bin non nicht so engherzig, ich ww ihm audk
die Impfung dazu geben, aber eine eigene Amtsarztkategone dafür anteistellen,
dafür bin ich nicht, schon ans taktischen Gründen nicht. Ich glaube, wenn
wir zn Tiel yerlangen, wenn wir den Amtsgerichtsarzt noch in die Organisatious-
frage hineinwerfen, daß dann die Herren Juristen, die ja zu entscheidea haben,
sagen: „die Herren Bezirksärste yerlangen zn del,** and sie geben uns noch
wmiiger.
Der emti&iitUehe Dienet in Bejem.
160
Bfaudne Seehen ron geringerer Bedeatong will loh nielit beeendere herror-
heben. Ich will nur noch au den Beiirkearit epeiiell kommen and will Ihnen
da meine Erfahmngen mitteilen. Sie sind ja allerdings erst 7 Jahre alt, aber
es ist das immerhin schon etwas. H. H.t Ich habe die Erlabrang gemacht,
daß ^e EzekatiTe in der bayrischen MedisinalTerwaltang viel sa wflnschen
übrig läßt. Wenn wir ein Oatacbten hinaosgeben an einen Bürgermeister, so
kommt es mit regelrechter Sicherheit innerhalb 24 Standen sarüek: irt
alles ToUzogen.* Geben wir ans aber die Mühe and gehen hinaas, so flnden
wir, es ist gar nichts rollsogen. arbeiten, wie der Kollege Wille ein¬
mal gesagt hat, in dieser Besiehong bloß aal dem Papier and Termehren nor
onsere Geschiftssiffem. Wenn wir die Medisinalpolism heben wollen, so maß
der Amtsarzt die Berechtigong haben, die Ezekatire za überwachen and in
gewissen Fällen maß er dann eingreilen dürfen. H. H.] Das hat das „or¬
ganische Edikt* nach schon yorgesehen. Das organische Edikt ist überhaapt
das Master, and ich würde fast empfehlen, sagen Sie: „Wir wollen wieder
das orgu^che Edikt* (Zorof: Wir haben es jal*); aber dorchlOcbert; es gilt
nicht mehr, es ist immer wieder dorch eine neae Verordnong yon Ministeriom
and Bet^erang darchlQchert. Und wenn wir aaf Grand des organischen Edikts
yorgehen wollen, so gibt ans die Yerwaltangsbehürde sar Antwort: „das
gilt nicht mehr*. Das organische Edikt sah z. B. die Ezekatiye des damaligea
Bezirksarstes gewissermaßen yor, indem es sagt, wenn seine Anordnong nicht
dnr^geführt werde, habe er das Becht, bei der höheren Stelle Beschwerde
za erheben. Nach dem Edikte war der Kontakt zwischen Gerichtsarzt and
Krdskommissariat ein yiel stärkerer. Beate bleibt fast alles beim Brairks-
amte stocken. Die Kompetenz des Verwaltongsarstes ist selbst in Dingen
eingeengt worden, in welchen der Amtsarzt die Entscheidang gibt Ich glanbe
an^ daß mit der Seachenbekämpfang — das bat ja aach Becker yorhin
aasgeführt — yiel prompter yorgegangen werden maß. Was non das Me-
dlzinalamt betrifft, so kann aach Uer die Statistik Aafschloß geben. Ueber-
haapt über die Statistik da wäre manches za sagen. Ich habe die Personal¬
akten darcbgenommen and gefanden« daß im Bnirk Lindaa die 98. Person
ebe Medizinalperson ist: Aerzte, Pfascher, Apotheker, Leichenschaoer, Des¬
infektoren, Hebammen and so geht es fort ^n die yielen I^rankenwärter,
die Landlarankenwärter and andere. Also jede 98. Person im Bezirk Lindaa
ist eine Medizinalperson. (Zorof: Geprüfte?) Ich glaabe, wir müssen doch
einmal daran gehen, diese anter eine gewisse Oberherrschaft za bringen.
Unsere Berofsnankenwärter sind noch ganz ohne ^le Aofsicht Man weiß
eigentlich nicht, was man mit ihnen anfangen solL Mit den Desinfektoren ist
es gende so, and da meine ich, sollte der Bezirksarzt die Personalyerhältnisse
in seinem Bezirk nnter sich halmn. So passiert allerlei. Wir sind immer aof
das Ermessen and das Wohlwollen der Verwaltongsbeamten angewiesen. Wenn
Sie einen etwas energischen VerwaltangsbeMnten haben, der aaf seine Aatorität
eifersüchtig ist ^uin wird er dem Bezirksarzt Schwierigkeiten machen. So
ist es mir yorgekommen, daß ein Anschreiben an die Hebammen einfach nicht
hinaosgeben sollte, weil das Sache des Bezirksamts seL Also es gibt da
immer gewisse Schwierigkeiten, and daher ist es anbedingt notwendig, daß
eine Dienstanweisong an die Behörden heranskommt in welcher die
Berechtigong der Bezirksärzte festoelegt wird. Dagegen bin ich aof den Titel
^Modizinalamt* nicht yersessen. Für Amtstage bin ich nicht; ich glaabe,
wir haben kein Materiü dafür draoßen.
Schließlich mOchte ich Urnen noch eine geschichtliche Zasammenstellang
wegen des Gehalts der Bezirksärzte machen: 1808 hatte der Bezirksaizt
wie der Assessor UI. 0. jährlich 600 fl, 1864 hatten beide 800 fl: immer waren
die Assessoren UI. 0. and der Bezirksarzt gleichwertig bis 1872. Da gehen
aof einmal die Gehälter aaseinander, der i^essor bdtommt 1000 fl and der
Bezirksarzt behält seine 800 fl and bekommt bloß zwei Vorrückangen, während
der Assessor ononterbrochen Vorrückangen bekommt 1876 wird der Gehalt
in die Markwährong amgewandelt, der Bezirksarzt erhält 1800 M., der Assessor
2280 M. 1892 bekommt der Bezirksarzt 180 M. dazu, bleibt aber immer hinter
den Assessor, dem er orsprünglich yor 100 Jahren gleichgestellt war. Ich
glaabe, da sollte die Staatsregierong sagen: Es ist doch gar keine
Veranlassong da, daß der Gehalt des Beiirksmtes diese Schwankong macht
Die Gehaltsyermehrong ist doch deehalb gekommen, weil die Lebensmittel
170
Diskimion sn dem Vortrag:
teurer geworden sind. Ja die sind aaeh IQr uns teurer geworden, nicbt bleS
für die jarlstisehen Verwaltnngsbeamten. Ich glaube aber, dafi man Ober die
gewöhnliche Teuerungssulage hinansgehen soll und swar ans *ll g«infti« wirt¬
schaftlichen Gründen. M. H. I Wir leben seit 1872 ln einem Zustand, in dem
unten im Volk der £ampf um das Leben immer leichter und oben immer
schwerer wird. Es findet ein außerordentlicher Dmck nach oben statt,
und die Folge dieser allgemein wirtschaftlichen Verhältnisse ist, daß die
oberen Stände nur mehr dann leben können, wenn sie mit ihrer Toliständigen
Persönlichkeit sich hineinlegen. Die praktischen Aerzte haben roUständig
recht, wenn sie uns aus der Praxis berausdrängen; denn sie wollen a^m
leben, und das Leben eines praktischen Arztes ist keineswegs so rosig. Des¬
halb drängen die Aerzte die Amtsärzte, die sich nicht mit ihrer ganzen Per¬
sönlichkeit hineinlegen können, aus der Praxis heraus. Also ich glaube, daß
die Tendenz der^ Entwicklung zum Tollbesoldeten Amtsarzt geht. Wenn ich
aber trotzdem nicht dafftr bin, sondern den Sätzen Beckers zustimme, so
sind taktische Gründe für mich maßgebend, weii ich glaube, daß die Zeit da¬
für noch idcht gekommen ist und wml der prazislose Amtsarzt andere, große
Schattenseiten hat. Also ich bin im großen und ganzen schon für die Vor¬
schläge Beckers, aber in einzelnen Dingen hätte ich sie andern gefaßt
gewünscht.
Bezirksarzt a. D. Dr. Gaill-München: Ich hätte gewünscht, daß im
VII. Abschnitt der Becke rachen Vorschläge, wo Ton den Befugnissen die
Bede ist, welche den Medizinalbeamen zur selbstständigen Behandlung zu-
f ewiesen werden sollen, auch die Schule Erwähnung gefunden hätte, ln
er Stadt geschieht ja für die Schule Tiel, aber wie es um die Schulkinder
auf dem Lande bestellt ist, weiß jeder der Herren Tom Lande am besten.
Darüber, wie es in dieser Bichtung gemacht werden konnte, hat der Ter-
storbene Kollege Wille einen längeren Aubatz TerOffenUidit, der glaube
ich, als Bichtschnur dienen konnte. Vielleicht kann Dr. Becker diesen
Passus seinem Bef erat noch einfOgen.
Beg.- und Ereis-Med.-Bat Prof. Dr. Messerer-München knüpft an die
Aenßerungen einiger Vorredner an und äußert Einwendungen hinsichtlich
der mikroskopischen Untersuchungen durch die Landgerichtsärzte, der üeber-
führung der Landgerichtsärzte in das Bessert des Justizministeriums und
der Austeilung eines Medizinalreferenten in diesem Ministerium.
Landgerichtsarzt Med.-Bat Prof. Dr. HoCmann-München: Anschließend
an die Ausführungen des Herrn Ereismedizinalrates mOchte idi zunächst be¬
merken, daß ich mit seiner Behauptung, ein Beferent über Medizinal¬
angelegenheiten im Justizministerium sei überfiüssig, einTerstaaden
bin. Ich kann mir auch nicht Torstellen, daß er Tiel zu tun hätte. Im
Scherz habe ich über eine solche Stelle schon Tor Jahren, namentlich mit des
Staatsanwälten, mit denen ich häufig Torkehre, gesprochen und dabei immer
so durchblicken lassen, daß ich mich eigentlich für eine sehr geeignete Per¬
sönlichkeit für diese Stelle halte. Nnn das war nichts weiter als ein Scherz;
ich glaube nicht, daß es notwendig wäre, einen Beferenten für Medizinal-
angelegenheiten im Justizministerium ansustellen. Aber das war eigentlick
nidit der Grand, warum ich noch einmal um das Wort gebeten habe, sonders
ich mochte mir einige Aeußernngen erlauben über das Physikatsezamen,
schon aus dem Grande, weil ich wohl der einzige unter den anwesenden
Herren bin, der aus Erfahrung sprechen kann, also zur Erörterung dieser
Frage gewissermaßen kompetent bin. Ich wollte eigentlich darüber auch nicht
sprechen, weil ich annahm, das würde Herr Geheimrat Dr. T. Grashey W
sorgen. Nun ist Herr Geheimrat nicht mehr anwesend, es bleibt also nichts
übrig, als daß ich mich dazu äußere.
Es dürfte Tielleicht den meisten der Herren bekannt sein, daß die
Prüfungsordnung Ton 1876 schon in allernächster Zeit einer Beiision unter¬
zogen wird, und zwar dürfte der Entwurf dem im Dezember zusammentretenden
erweiterten Obermedizinalansschusse zur Beratung Torgelegt werden. Ich scdiließe
das daraus, weil ich und Tielleicht auch andere der.anwesenden Herren dazu
aufgefordert wurden, Gutachten über diese Frage dem Ministerinm Torzulegen.
Auä ans mündlichen Mitteilungen des Herrn Geheimrats Dr. t. Graß hey
ich, daß im nächsten Obermedizbalansschusse diese Frage zur l^raehe komma
Der amteärstiidie Dienet in Bajem.
171
eolL Non wie hat eich Herr Dr. Beeker zu dieser Frage geetelltP Es
handelt sich znnichst einmal um die zweijUirige Wartezeit. Herr Kollege
Qrafll ist dafttr. Die Gründe, die Becker dagegen anführte, sind wohl za
beachten. Namentlich hat es mich als Examinator immer einigermaüen an*
ansenehm berührt, daß der Kandidat, der 1 bis Vjt Jahre draaflen war
and sich notdürftig eine Praxis erworben hatte, jetzt aof 8 Monate nach
München sollte; was er mit Fleiß and Mühe zosammengebracht hatte, gins
häafig wieder Terloren, oft aach, wenn er einen kostspieligen Vertreter aof*
gestellt hatte. Anderseits müssen die Herren doch aach bedenken, daß das
Stadiam der Medizin jetzt wesentlich yerlingert ist; wir haben jetzt 10 Se>
mester and dazu das praktische Jahr, also 6 Jtmre. Ich wäre deshalb schon dafür,
daß gestattet würde, schon im ersten Jahre nach dem zarttckgelegten prak«
tischen Jahre das Physikatsexamen za machen. Das ist meine Ansicht
Dann warden aach die Vorbereitangskarse and die Prüfung selbst
beanstandet. An den Vorbereitangskarsen bin ich auch stark beteilig Man
sagte, sie genügen nicht, and dabei wurde mein Name zwar nicht ausdrücklich
genannt, aber man konnte zwischen den Zeilen lesen, daß ich damit gemeint
bin. Die Tadler waren immer so nachsichtig, zu sagen, daß mir eigentlich
kein Vorwurf gemacht werden kOnne, es liege yielmebr im Institute selbst
oder richtiger im Mangel eines Institutes, daß ich nicht mehr geleistet habe
Ich mochte hier gleiä bemerken, daß die Errichtung und Erbauung eines.
Instituts für gerichtliche Medizin absolut notwendig ist und zwar schon in
nächster Zeit. Ich spreche nicht für meine Person; denn ich würde keinen
großen Nutzen mehr davon haben. Was aber die Vorbereitnngskurse betrifft,
von denen Becker meint, sie sollten obligatorisch sein, so maß ich sagen,
daß ich in dieser Beziehung mit Kollege Becker nicht einverstanden bin.
Unter „obligatorisch“ ist wohl za verstehen, daß Jeder die Korse durch*
g emacht haben muß, der zum Examen zugelassen werden will. (Dr. Becker: Ja.)
>r. Becker ist aach der Ansicht, daß die Kurse sehr wertvoll für das künf*
rige Leben seien und nicht bloß 2 */> Monate, sondern 4 Monate dauern sollen.
Iw kann mich nicht damit einverstannden erklären, daß die Kandidaten nach
München kommen müssen, um hier die Kurse durehzumachen; es muß ihnen
überlassen bleiben, ob sie sich ihre Kenntnisse für das Examen in Erlangen
oder Würzburg oder sonstwo erwerben wollen. Und wenn mir einer ss^:
„ich habe mir mein Wissen für das Examen in meiner Weise erworben“, so
maß sich das der Examinator auch gefallen lassen. Ich habe hinzozofttgen,
daß ich wiederholt schon jüngere Kollegen geprüft habe, die weder einen Kurs
in Erlangen noch in Würzburg, noch hier durchgemacht hatten und die
recht gut, einzelne sogar vorzüglich bestanden haben. Also, damit, daß der
Besuch dieser Kurse obligatorisch gemacht werde, kann ich mich nicht ein*
verstanden erklären.
Nun noch ein paar Worte über die schriftlichen Prüfungsaufgaben;
da bin ich auch nicht so ganz mit dem Beferenten einverstanden, aas dem
einfachen Grunde, weil die Waffen mitunter ungleich verteilt sind. Ein prak¬
tischer Arzt in einem kleinen Orte und ein Arzt in München leben doch unter
sehr verschiedenen Verhältnissen; nun kann der Arzt an einem kleinen Orte
eine ziemlich schwere Aufgabe bekommen — das wird ja durch das Los be¬
stimmt — und der Münchener eine relativ leichte. Diese Ungleichheit mdchte
ich beseitigt haben. Aber trotzdem ist ans den schriftlichen Arbeiten manches
zu erkennen; ich habe von Leuten, die auf dem platten Lande draußen ^d,
ausgezeichnete Arbeiten gelesen und ich nehme an — sie haben ja die ehren-
wOrtliche Versicherung abgegeben —, daß sie selbständig gearbeitet haben,
and ich habe Arbeiten von jungen Kollegen in einer Universitätsstadt gelesen,
die fast unter der Mittelmi^igkeit standen. Man kann aus der schrÖtUchen
Arbeit doch erkennen, wie der Kandidat sich schriftlich auszudrücken weiß
und wie weit er sich in die betreffende Frage hineingearbeitet hat. Auch
darauf ist Wert zu legen. Ganz mOchte ich deshalb die schriftlichen Auf¬
gaben nicht missen, obwohl ich mir nicht verhehle, daß an diesem Prüfungs¬
abschnitt manches geändert werden könnte. So viel über das Examen I
Zu dem Beferate des Herrn Dr. Becker im allgemeinen mOchte ich
noch einige Bemerkungen beifügen. M. H.I Ich glan^, wir brauchen uns
nicht zu sehr darüber za eroilern, was an den Vorschlägen Beckers aas-
172
Diakossioa m dem Vorträge:
zoeetBeo ud wm Booh UiunuiuetieB wire; wir wollen bedenkeL dnS ee dd
nnr um Voraehlige handelt, die nodi dnrdigesiebt werden, wobei Tielleieht
manches andere unten heraoskommt als das, was oben in das Sieb hineiBgelegt
wurde (Heiterkeit). Nach meiner Ansicht sollte das Beferat, so wie es rot-
S »tragen wurde, aem Ministerium yorgelegt werden mit dem Beifflgen, dafi
e Mehrzahl der Amtsirste im wesentlichen damit einTerstanden üt. Wir
mttssoB dann abwarten, was die zustindige Stelle uns darauf antwortet. (Kreia-
medizinalrat Dr. Messerer: Sie sprachen aber gerade ge^^ Becker,
Sie können also doch nicht sagen. Sie seien im wesentlichen mit dem Beferat
einTerstandenI) Ich habe gesagt: ^im wesentlichen*. Das ist doch kein
wesentUcher Punkt, ob die scbriftlidien Prttfungsaufgaben beibehalten werden
oder nicht Also ich meine, wir sollten das Beferat Torlegen, wie es ist und
hinznfttgen, daß die Tersammelten Kollegen, abgesdten Ton nebens&cblichea
Dingen, mit den Vorschligen Beckers einverstanden dnd. Das ist mein
Antrag. Wenn ich auch nicht in allen Punkten mit Becker hbereinstimme,
so erachte ich das nicht für wichtig genug, um das ganze fallen zu lassen
Ich mochte noch anfragen: Wie steht es denn mit dem Medizinal*
beamtenblatteF Das hat Becker nicht erw&hnt. (Becker: Bezflglkh
dieses Punktes ist nnr die Motivierung nicht mehr vorgetragen woäen,
der Antrag selbst bleibt bestehen). Dann habe ich nichts Weiteres mehr
zu sagen.
Bezlrksarzt Dr. Schütz «Vilsbiburg: Der Herr KreiBmediziBalrat Dr.
Messerer hat die BefOrchtung ansgesproehea, es mOchte der Wechsel zvrMchcn
Landgerichtsarzt nnd Bezirlnarzt künftig ein so sdiwerer werden, wenn die Land-
gerichtsürzte dem JusUzministerinm unterstdlt werden. M. H.: Ich habe in
meinen Bezirk eine Erfahrung gemacht, die dafür spricht, daß diese Qefahr
bttreits besteht. Ein Herr, der 1905 das Pbysikatsezamen gemacht hatte, wurde
zum Gefängnis- nnd Znchthansarzt in Kaisheim berufen, tud bei dieser Gelegen-
hdt wurde ihm im Justizministerium bemerkt, er mOge sieh die Sache sehr
überlegen; denn es würde künftig dafür gesorgt werden, daß die Herren, die
einmal bei der Justiz sind, auch dabei bleiben, nnd das Ueberginge nicht mehr
stattfinden würden. (Zuruf: wenn man das nur schon früher getan hätte!)
Sodann mOchte ich mich noch über einige andere Dinge anssprechea,
die vielleicht von Wichtigkeit sind, in erster Linie über die (Qualifikation
der Bezirksärzte. Ich habe mich gestern schon in der VorstandssHzung
darüber geäußert, nnd da wurde mir allerdings gesagt, daß die Bezirlaamt-
männer, also die koordinierten Beamten des Bezirksamts, nnr berechtigt seien,
die sog. äußere Führung, die gesellschaftliche Stellung der Bezirksärzte zu
qnalifitieren. M. H.! Ich glaube, daß vielleicht diese (QuaUfikationsbefugnis doch
hie und da etwas überschritten wird; es wäre deshelb sehr am Platze, bei dieoer
Gelegenheit an das Hohe Staatsministerinm auch die Bitte zu stellen, es mochte
die Qualifikation der Bezirksärzte künftig nnr noch durch die übergeordnete
Begierung im Einvernehmen mit dem Kreismedizhialrat stattfinden.
Von den anderen Punkten mOchte ich noch erwähnen die sog. Kom-
misionen der Bezirksärzte. Sie wissen alle, m. H., daß wir die Kommissionen
nur dann madben kOnnen, wenn wir zuerst mehr oder weniger bittend an den
Ghef der Verwaltungs^Orden uns wenden oder ihm die Sache schriftlich
unterbreiten. Wir und also in dieser Beziehung nur von der Gnade der
Bezirksamtmänner abhängig; es dürfte sich daher, um eine größere Freiheit
der Bezirksärzte zu ermöglichen, sehr empfehlen, auch die Ktte zu stellen,
daß für die Bezirksärzte ein Beiseaversum eingesetzt wird, das vielleicht am
Anfang anf 20 - 25 Dienstfahrten festgesetzt nnd dann je nach der Ana-
dehnnng des Dienstes durch Zunahme der Geschäfte später noch erweitert
werden konnte.
Sodann mOchte ich noch einmal anf die Amtsgerichtsärste znrtck-
kommen nnd zwar deshalb, weil ich sie noch aus zwei weiteren Grinden für
überfiüssig erachte. Erstens, weil der Bezlrksarzt ja jederzeit berechtigt ist,
die Personen, die er auf Veranlassung des Gerichts untersuchen muß, voran-
laden, nnd dann auch, weil die sogenannte ggefännisärztilche Tätigkeit,
die ja jetzt schon zum Teil den beziwärztiichen Stellvertretem nach dem
einzelnen Falle bezahlt wird — nur bei den sog. remunerierten SteUen, die
bereits ein Fixum haben, muß es umsonst gÜMhehea , weil diese gn-
Der untelntUehe Dienst in Bayern
178
jttngnisäntliebe Tätigkeit auch von den dortigen praktischen Aenten be>
sorrt werden kann. Endlich glaube ich, daß ebe Besetsnng dieser
SteiUen teilweise unmöglich wäre, weil der Verdienst dieser Amtsgerichts-
ärste wahrscheinlich so gering sein würde, daß kein Kollege, der pro
physicata tgcprtlft ist, sieh auf eine solche Stelle setsen wird, an der bereits
ein Arzt i^ der schon die ganze Praxis in Händen hat. Er yerdient also
Tätigkeit am yoUtOnender Amtsgeriehtsarzt yerdient. Deshalb glaube ich,
nichts mehr außer dem, was er alleafalls als Fixum oder durch seine
daß dieser Amtsgerichtsarzt überhaupt praktisch unmöglich ist.
Besirksarzt Dr. Henkel «München: Auf yiele Dinge, die noch zu be¬
sprechen wären, kOnnen wir uns heute nicht mehr einlassen, dieselben wurden
au^ zum Teil gestern schon in der Vorstandschaft besprochen. Ich mochte
aber doch yersuchen, einen gewissen Abschluß herbeizuführen. Wir haben
bereits gesagt, daß über die Vorschläge, die uns Dr. Becker gemacht hat,
yerschiedene Meinungen yorhanden sind. Da gewiß niemand im Zweifel
darüber ist, wie wichtig die ganze Sache ist, so werden wir wohl nicht darüber
hinwegkommen, weiterhin noch darüber in Fühlung zu bleiben, zu beraten
und zu beschließen. Es wird aber auch niemand yerkennen, daß es yon großem
Vorteil wäre, gewiß ist das auch der dringende Wunsch yieler Eolle{^,
wenn diese Arbeit baldigst auch der Staatsregierung zur Kenntnis käme. Ich
mochte daher yorschlagen, zu beschließen:
„Die Versammlung stimmt darin überein, die wichtigen sachgemäßen Vor,
schlage Dr. Beckers zur Beform des amtsärztlichen Dienstes in Bayem-
wie sie in den Leitsätzen zum 8. Punkt der Tagesordnung dargelegt sind,
der k. Staatsregierung in Vorlage zu bringen und erachtet es für Pflicht,
diese Vorschläge innnerhalb des Medisinubeamtenyereins in weitere sin¬
gende Beratung zu ziehen.*
Es wird die Sache des Vorsitzenden der Landesyersammlung sein, die
Kreisyereine zu hOren.
Bezirksarzt Dr. Bßtf-NOrdlingen I Ich glaube, wir kommen zu keinem
Besultat, wenn wir einzelne Punkte herausgrdfen; da konnten wir noch
stundenlang darüber yerhandeln oder noch einen sanzen Tag. Wir sollten
deshalb nur darüber debattieren, ob wir eine BesMUtion annehmmi wollen,
wie Kollege Dr. Qruber anfangs yorueschlagen hat, oder ob wir dieser
Besolution eine andere Fassung geben sollen.
Vorsitiender: Ich mochte bezüglich der yom Kollegen Henkel yor-
geschlagenen Besolution nur bemerken: Wo sollen wir denn mit den B^
ratungen noch hinP Die Kreisyersammlungen haben ja schon beraten, dne
weitere Beratung kann es nicht geben. Es muß doch an eine Besolutiim
gedacht werden; jedenfalls legt die Vorstandschaft das größte Gewicht darauf,
daß eine solche Besolution einstimmig angenommen wird. Es muß doch mOgUch
sein, eine solche Fassung zu finden. Ich glaube, Herr Dr. Gruber hat
eine neue Besolution redigiert.
Bezirksarzt Dr. Gruber-München: M. H.I Die Voraussetzungen, auf
Grund deren ich und Dr. Hof mann eine Besolution yorgeschlagen haben,
haben sieh als nicht richtig erwiesen. Es muß also die Besolution wohl
anders gefaßt werden. Es kommt doch darauf an, daß im großen und ganzen
die Uebereinstimmnng der Meinungen zum Ausdruck kommen soll. Aul
die einzelnen Dinge einzugehen, ist ja nicht möglich. Der eine oder
andere meint, ans taktischen Gründen solle man nicht zu yiel yerlangen;
~ ja, M. H., ich habe bisher immer die Erfahrung gemacht, daß ich leider
Gottes zu wenig yerlangt habe. Weniger habe ich immer bekommen. So
wird es hier auch gehen. Kollege Henkel hat nun eine Fassung in Vorschlag
gebracht, in welcher gesagt ist, der Verein solle sich auch ferner mit der Materie
beschäftigen. (Dr. Henkel: „Ich meine nur, es sei unabweislich, daß über
ue yerhältnismäßig doch wenigen Punkte, bezüglich deren wir nicht einig
wd, wir uns doch einigen müssen, also infolgedessen später noch zu einer
Beratung zusammentreten.*) M. H.t Das gleiche steht ja in meinem Antrag,
wo M am Schluß auch heißt: Die Versammlung beauftragt ferner die Vor-
«k die weitere Entwicklung dieser Frage zu yerfdgen, zur Beratung
über ue einzelnen Sparten des Medkinidwesens das Material zu sammeln und
yorsubereiten, sowie die hieraus sich ergebenden Anträge auf die Tages-
174
DitkusioB SU doB Vorträge:
ordBOBg der BlchateB LaBdenTersanuBlaBgeB m eetiee. Deiait üt geeegt,
deB heute eicht das letzte Wort io dieser Angelegenheit gesprochen sem solL
Betreffs meiner Besolution habe ich jedoch die Ueberzengung gewonnen, daß
diese in dieser Form keinen allgemeinen Anklang findet. Vielleicht ließe sich
das, was zum Ausdruck kommen soll, in folgender abge&nderter Form zu*
sammenfassen:
«Die 4. LandesTersammlnng des bayerischen Medizinalbeamtenyereins erklirt
sich mit den Leitsttzen über den amts&rztlichen Dienst im Königreich Bayern
insoweit einrerstanden, als sie in ihnen eine geeignete
Grundlage für eine Medizinalreform erblickt. Sie beauftragt
ilqre Vorstandsehaft usw.*
Bezbksarzt Dr. Sehfitz*Vilsbiburg: Ich glaube doch, daß in der Be*
Solution klar ansgedrttckt sein soll, daß es noch Differenzpnnkte gibt, daß
also die Versammlung nicht über alle Punkte einig war. Sonst h< sich die
k. Staatsregiemng einfach an diesen Entwurf und wir haben dann das Nach¬
sehen. Es muß klipp und klar ausgedrückt sein, daß es noch Differenzpnnkte
gibt, die in einer künftigen Landesyersammlnng, welche bald einznlmrufea
wire, noch geklart werden müssen, sonst sbd wir gebunden.
Vorsitzender fr> an, ob nicht aus der Versammlung heraus ein Vor¬
schlag gemacht werde, der diesen Anschauungen Bechnnng trage und eine
einmütige Annahme der Besolution ermögliche. Sodann teiit er den yom
Beferenten selbst eingefügten Zusatz mit. Danach würde der erste Satz
der Besolution lauten:
«Die Versammlung.erklirt sich mit den Leitsitzen insoweit ein-
yerstanden, als sie in ihnen eine geeignete Grundlage für eine Hedizinal*
reform erblickt, unbeschadet yon Meinnngsyerschiedenheiten
in einzelnen Punkten.*
Bezirksarzt Dr. Schfitz-VUsbiburg: Hier müßte noch hinzngefflgt werden:
«Die baldmöglichst durch eine Landesyersammlnng geklart werden soUmi.*
Das muß bald geschehen.
Versitzender: Es heißt ja in der Besolution ohnehin, daß die Ver¬
sammlung die Vorstandsehaft beauftrage, die Sache weiter zu behandeln.
Dr. DoUmann-München: Ich mochte an Herrn Dr. Schütz direkt die
Frage richten, ob derselbe bstimmt auf dieser Form besteht; er würde daiia
eine große Sch&digung der Besolution nach außen hin erblicken. Daß wir
über einzelne Punkte innerhalb des Medizinalbeamtenyereins nicht ganz einig
sind, wurde ja ohnehin schon ausgesprochen, aber einer amtlichen Behörde
gegenüber muß yon yomherein klar und bestimmt zum Ausdruck gebracht
werden, daß es nicht etwa große Differenzen sind, die den ganzen Aufbau in
Frage stellen. Da wäre es schade darum, daß wir heute darüber so lange
Zeit yerhanddt haben.
Bezirksarzt Dr. Blanalt* Würzburg schlägt yor, die Besolution ansn*
nehmen bis auf den letzten Satz, daß ttber die Sache noch weiter yerhandelt
werden solle. Man soll die Sache als etwas Fertiges der Begiemng yorlegen,
und wenn man auch mit einzelnen Punkten nicht einyerstanden sei, so erblicke
die Versammlung doch in dem Beferat eine Grundlage, auf welche weiter-
znbanen ist; alles andere kOnne später noch geschehen. (Dr. Schütz: «Das
liegt dann aber nicht mehr in unserer Hand!*)
Bezirksarzt Dr. Diet8eh**Hof: M. H.l Ich dächte wohl, wir sollten
die Besolution annehmen, uns im großen und ganzen mit dem Beferat ein-
yerstanden erklären und daran die Bitte reihen, daß die Staatsregiemng
dasselbe als Grundlage nehme und weiteres in Erwägung ziehe. Daß über
einzelne Punkte noch Differenzen bestehen, ist ja gar niät anders möglich.
Die Sache ist noch nicht spruchreif; wir brauchen auch nicht zu glauben,
daß die Sache gerade so werden muß, wie es in den Leitsätzen yorgeschlagea
ist. Ich meine, es wäre der Besolution, wie sie yorgeschlagen ist, nur noch
die Bitte anzufügen, daß die Staatsre^emng sie zur Grundlage einer Modi*
ztoalreform nehmen mOge und weiter die Behandlung der einz^mi Punkte in
Erwägung ziehe.
Bezirksarzt Dr. Alsfherg * Ludwigshafen. M. H.I Wir kOnnen der
k. Staatsregiemng unsere Eingabe nicht unterbreiten, wenn wir nicht in der
Der MDteirstUehe Dienet in Beyern.
176
Henptseche einig sind. Be iet richtig, ee wnrde ebe Beihe von Heinange-
verechiedenheiten geänfiert, eoriel ich aber bemerkt habe, ist bloß ein emsiger
Punkt wirklich strittig und das ist der mit den onglttcklichen oder gltlcklichen
besirksärztlichen Steilyertretem. Die anderen hier yorgebrachten Ponkte,
z. B. das Medizinalamt oder der Obermedizinalrat im Jnstizministerinm sind
doch mehr organisatorische Fragen, bei denen die Staatsregierang auch noch
andere Bttcksicbten walten lassen wird als die, welche wir t(ir wünschenswert
halten. Diese Fragen werden ja auch bei ans nicht entschieden. Erhebliche
prinzipielle Bedenken bestehen m. E. nar betreffs'der bezirks&rztlichen Stell-
yeitreter. Konnten wir da nicht einen Aasweg finden and nicht ttberhaapt
die ganze Frage der bezirksirztlichen Stellyertreter aasscheiden?
üeber alles andere sind wir, glaabe ich, doch im wesentlichen einig. Ob
die Staatsregierang ans Medizinal&mter genehmigt oder nicht, ist nicht so er¬
heblich, daß deswegen die ganze Organisation in Frage kommm sollte; fiber-
dies werden noch Erwägangen staatsrechtlicher, jaristischer and sonstiger
yerwaltangsrechüicher Nator darüber notwendig sein. Uns maß es genügen,
wenn die Staatsregierang yon anseren Wünschen and Bestrebongen Kenntnis
erhält. Ob diese sich darchlühren lassen, ist eine andere Frage. Das aber
ist anbedingt nOtig, daß wir ans heate einigen and daß wir die Wahrhdt
sagen, wenn wir daraaf hinweisen, daß wir einig sind. Alle formellen Be¬
denken können wir rohig fallen lassen im Vertraaen daraaf, daß die Staats¬
regierang zweifellos den richtigen Weg finden wird, nachdem wir ansere
Wünsche mit den heate gehörten Hotiyen yorlegem*
Ich meine also, wenn wir die Frage der bmorksärztlichen Stellyertreter
ganz aasscheiden, so wäre dies ein Weg, am zu einem einigen und einheit¬
lichen Beschlösse za kommen.
Bezirksarzt Dr. Grober-München: Ich glaabe, der Herr Kollege hat
den richtigen Weg gefanden. Wir sind über idle wesentlichen Dinge einig,
and von diesen wesentlichen Dingen macht eine Aosnahme nar die ^age der
bezirksärztlichen Stellyertreter. Ich glaabe, wir sind im Prinzip aach darin
einig, daß die Institation dieser bezirksärztlichen Stellyertreter reformbedürftig
ist in irgendeiner Weise. Wie die Reform dann aasfallen soll, ist eine Frage
für sich. Aber dem kann man tatsächlich zostinunen, daß diese Institation
ebenfalls einer Reform bedarf; strittig bleibt nnr, ob an ihre Stelle Amts¬
gerichtsärzte treten sollen oder was sonst.
Bezirksarzt Dr. Schütz-Vilsbibarg: Ich stimme dem Antrag Dr. Alaf-
berg-Ladwigshafen za; ich mOchte aber den Referentea Dr. Becker fragen,
ob er nicht fii seinem Referat die Sache mit den Amtsgerichtsärzten yoll-
ständig fallen lassen kann. Dann sind wir einig, die andern Sachen kann
man rohig annehmen.
Torsitzender: Es hat sich Niemand mehr zum Wort ge¬
meldet; ich erteile daher dem Referenten Herrn Dr. Becker das
Schlußwort.
Dr. Carl Beoker-München antwortet in seinem Schiaßworte znnächst
aof die Disknssionsbemerkongen des Herrn Kreismedizinalrates Prof. Dr.
Messerer and führt im übrigen aas: Die Differeozpankte, die sich in der Dis¬
kassion hinsichtlich meiner Leitsätze and deren Begründang ergeben haben, sind
tatsächlich gerinfügiger Nator. Es worde nichts wesentUches dagegen geltend
gemacht, wenigstens habe ich bezüglich der Haaptfragen, der Organisation
des landgericbtsärztiichen and bezirksärztlichen Dienstes keine wesentlichen
Einwendongen gehört and bezüglich der GohaltserhOhnngen keinerlei Wider¬
sprach. In dem letzten Pankte besteht demnach eine einmütige Anffassang.
Aof alle einzelne Pankte, die mir in der Diskassion entgegengehalten worden,
kann ich in dem Schlußworte nicht nochmals eingehen and maß aof die Aos-
führangen in dem Referate zurück yerweisen.
Bezüglich des Physikatsezamens hat Herr Dr. Oraßl gemeint,
«ß man die Zwischenzeit beibehalten solle, am eine Art Selbstaoslese der
Kandidaten za ermöglichen. Er geht da wohl yon der irrtümlichen Voraas-
setzang aas, daß die betreffenden Herren das Physikatsezamen unterlassen
aas Mangel an Eifer oder infolge der Ueberzeagnng, daß sie nicht za Amts¬
ärzten taugen. Das dürfte in solcher Verallgemeinerang nicht richtig sein;
176
DiakoBrion za dem Vorbreg:
mzaoher kommt einfzch aas aadenreitigea Abhaltongsgrlbideii nicht mehr daza;
So kenne ich mehrere Kollegen, die das Examen recht gern ablegen weUten,
aber daich Krankheiten in uirer Familie oder besondere Vorkomnmisse in der
Praxis daran gehindert worden and sp&ter nidit mehr die nOtige Zeit dazn
heraasbekamen, weil sie an ihre erst in der Entwlcklang begriffene Praxis
fest gebonden waren, keinen geei^eten Vertreter landen, ein anderer Arzt
sich am gleichen Orte oder in der Nahe niedergelassen hatte and sie deshalb
nicht aal Monate Weggehen konnten osw. Es Uegt also Tiellach nicht Mangel
an Interesse, sondern nar Mangel an (Gelegenheit Tor. An der Beseitigang
des bestehenden zweijährigen Zwischenraoms halte ich fest and habe die
mehrfachen Grttnde, die duttr geltend za machen sind, in meinem Beferate
aosgeftthrt. Wenn Herr Dr. Grafil zar Begrftndang seiner ablehnenden An-
Bchaaang in dieser Frage noch geltend macht, daß dann manche Herren die Prft*
fang lediglich als Dekoratioasstttck oder als Erwerbspelle benatzen würden, so
mbäte ich doch erwidern, dafi man von einem so bMoatsamen Vorgänge wie
dem Physikatsexamen doch nicht als wie von einem bloßen Dekorationsstücke
sprechen sollte, and daß man ja aach bei den Herren, die jetzt Bezirksirzte sind,
3 {ens könnt^sie hätten es nar des Erwerbs wegen gemacht. Im Gegensatz za
errn Dr. (Graßl halte ich es im Interesse der Staatsre^erong and der
Aerzte gelegen, wenn noch mehr Kandidaten als bisher die Prüfang machen
bezw. sich die darin geforderten Kenntnisse aneignen.
Sodann hat bezüglich des Physikatsexamens Herr Prof. Dr. Hofmann
eingewondet, man solle die Kandidaten ihre Kenntnisse sidi holen lassen, wo
and wie sie wollen. Darin kaiu ich mit ihm nicht übereinstinunen. Die
Staatsregierong hat zweifellos ein Interesse daran, wie die künftigen Amts¬
ärzte Torgebildet werden, daß sie sich ganz bestimmte Wissensgebiete an¬
eignen and daß sie die Kenntnisse, die der Staatsdienst nfordert, nicht nar
theoretisch besitzen, sondern nach praktisch darin yOllig bewandert sind and
alle amtlichen Untersachangen yorschriftsmäßig yomehmen kOnaen. Sofern
die Begierang diese Aoffassong teilt, wird sie, glaabe ich, nach daza kommen,
den Besaeh der allerdings now zweckentsprechend anszngestaltenden Vor-
bereitnngskarse obligatorbch za machen. Tatsächlich sind sie es jetst
eigentlich schon; denn es sind yereinzelte Ansnahmen, wenn dn Kandidat an
denselben nicht teilgenommen hat. Es mag yorgekommen sein, daß er trotz¬
dem im Examen rat absohnitt; zar Begel gehört es nicht, gate Examina olme
fleißigen Besaeh der Korse sind Ansnahmen. Uebrigeas in welchem Prüfangs¬
teile schneidet er dann gewöhnlich gat abP Im mündlichen. Das aUeia
beweist noch nicht yiel für die Tflchtigkeit als Amtsarzt
Ganz besonders hat die Diskossion angeknüpft bei den bezirka-
irztlicben Stellyertretern, wie ich dies erwartet hatte. Befotzh’
bedürftig ist ihre Stellang zweifmlos, nar läßt sich schwer edne Ueberein-
stinunang der Meinangen erzielen. Die Ansichten gehen sogar bei den Herren
aaseinander, die gegen meine Anträge gesprochen haben. Während Herr
Dr. Graßl den bezirkärztllohen Stellyertretern wenigstens noch die Impfangea
überlassen will, möchte Herr Dr. Schütz sie mit Haat and Haaren m-
essen; radikal alles will er ihnen abnehmen and einfach den Bezirlnärztea
übertragen. Non, meine Herren, wenn das im öffentlichoi Interesse läge,
hätte ich diesen Standpankt aach yertreten; es ist dies aber nicht der FiuL
Herr Dr. Schütz befürchtet aas der Bebdehang der bezirlmärztlichen Stell-
yertreter za dringenden amtlichen Verwaltangsgeschäften eine Beeinträchtigug
der Bezirksärzte and eine Verwischang der beiderseitigen Kompetenzen.
Schon aas den Leitsätzen and noch deatliäer aas dem Beferate dürfte aber za
entnehmen gewesen sein, daß eine solche Befürehtong nicht begründet ist. Die
Tätigkeit dos Bezirksarztes soll sich aaf den ganzen Umfang des Verwiltongs-
bezirkes erstrecken, alle yerwaltongsärztlicbe Amtsgesehäfte soll er denuaeh
selbst yomehmen; nar für drin gen de Geschäfte, we^e die Beiziehong des ans-
wärts wohnenden Bezirksarztes nicht gestatten, soll die Beizidiong des beztrks-
ärztlichen Stellyertreters yorbehalten bleiben. Das sollen seltene Aonahmefälle
sein, nicht etwa solche, ln welchen ylelleicht der Bezirksarzt gerne yertreten sdn
mag oder die Verwaltangsbehörden aas flnanziellen Bücksiebten wegen der
Einsparang yon Kosten yon der Entsendang des Bezirksarstes Abstand nehmen
möchten, sondern bloß solche, wenn der Brndrhsarzt selbst anderwdtig amtlich
Der amtebstUehe Dienst ln Bayern. 177
verhindert nnd unabkömmlich, das AmtsgesehSft aber dringend ist. Diese
ansnahmsweise Gesehäftsaoshilfe kann die Stelinng nnd Titigkeit der Besirks>
bste nicht beeintrichtigen. . Besflglich des ärztlicheo Dienstes bei den Amts*
gerichten halte ich an meiner Anschaanng fest, daß ein Besirksarzt an einem
aosw&rtigen Amtsgerichte den Dienst nicht versehen kann; gilt dies als
ziehti|', so ist es auch notwendig, an dem betreffenden Orte einen regelmäßig
znznziehenden Sachverständigen Öffentlich za bMtellen, einmal im Interesse
des Amtsgerichtes, damit es einen ständigen Stachveratbidigen jedemeit zar
Verfügung hat, anderseits im Interesse des anzostellenden Arztes. Würde unter
mehreren ortsansässigen Aerzten nach Belieben des Gerichtes bald der eine,
bald der andere als gerichtlicher Sachverständiger beigezogen, so hätte keiner
ein rechtes Interesse an derartigen Geschäften; fast jMer würde, wenn es ihm
wegen seiner Privatprazis oder aus anderen Gründen einmal nicht paßt, sich
zu drücken suchen und einen Entschaldigungsgrand geltend machen. Wird
dagegen der gleiche Arzt zu allen anfallenden gerichtsirstUehen Geschäften
beigezogen, wird ihm auch der gefängnisärztliche Dienst übertragen, so be»
teiUgt er sich mit größerem Interesse und Eifer an den geriehtsbztlichen
Aufgaben und kann auch Erfahrungen sammeln, die ihm in seiner derzeitigen
Stellung und bei seiner späteren Anstellung als Landgerichts* oder Bezirksant
von großem Nutzen sind. Der Öffentlich bestellte Sachverständige sollte auch
mit einer amtlichen Bezeichnung ausgestattet sein; weldien Titel er bekommen
soll, darüber läßt sich streiten, schließlich kommt darauf auch nicht so vidi
an. Der Name, den ein Kind hat, ist nicht so wichtig als seine Konstitution
nnd körperliche Entwicklung, üebrigens ist der Titel «Amtsgerichtsarzt*
nicht so volltönend, daß Herr Dr. Schütz sich hieran hätte stoßen müssen;
er bezeichnet nur seine Stellung und Diensttätigkeit und gebührt daher dem
amtlichen Arzte bei einem kleinen Amtsgerichte ebenso im dem bei einem
großen Amtsgerichte, Es führt doch auch der Gemeindevorsteher überall den
Ütel «Bürgermeister*, im kleinsten Orte, wie in München.
Ich glaube also, daß die Leitsätze, wie sie bezüglich der bezirksärnt-
liehen Stellvertreter von mir vorgetragen und vertreten wurden, die einzig
mögliche LOsung der bestehenden unklaren und reformbedürftigen Verhältnisse
darstellen. Ich hänge an meiner Meinung nicht so unbedin^ fest, daß ich
mich nicht auch bekehren ließe, aber aus den heute gemachten abweichenden
Vorschlägen habe ich immer nur das eine Motiv heransgehOrt, man nehme il^
alles und gebe es den Bezirksärzten.
Was weiter den Medizinalreferenten im Justizministerium
anlangt, so wurde entgegnet, daß derselbe keine genügende Beschäftigang habe
und eine solche Stelle nicht notwendig sei Nun, m. H., die Sache ist doch
so: Man kann es sich auf jedem Posten leicht und man kann es sich auch
schwer machen, je nachdem man seine Sache ernst nimmt. Die mancherlei
und wichtigen Aufgaben eines solchen Referenten wurden bereits in dem
Referate dargeleg^ so daß jetzt nur ein Punkt nochmals hervorgehoben
werden soll. An einer regelmäßigen ärztlichen Oberaufsicht und hygienischen
Untersuchung der Gefängnisse und Strafanstalten hat es bisher gefehlt. Be¬
züglich der Visitation der Gerichtsgefängnisse durch die Kreismedizinalräte
bestehen zwar Bestimmungen, doch ist eine oberärztliche Nachschau wohl nur
selten erfolgt, nnd auch in die Strafanstalten wird, andern sie anssehlieMieh
dem Justizministerium unterstehen, ein höherer Medizinalbeamter von sich aus
oder zufolge speziellen Auftrags nur ausnahmsweise hineingekommen sein.
Wenn nun ein mit medizinischen und hygienischen Kenntnimen aasgestatteter
lOnisterialbeamter bei den einschlägigen Fragen regelmäßig mitzuwirken atd
auch draußen periodische Nachschau zu halten hät^ so meine ich, bekäme er
genügende Gelegenheit zur Betätigung und konnte erfolgreich wirken;
mochte daher wünschen, daß der zuständige Ressortminister, der Herr Jnstii-
minister sich nicht ablehnend zu diesem Punkte verhalten mOge.
Bei dem Kapitel «Beairksärzte* und zwar bei dem beantragten Ge¬
schäftskreise der Medizinalämter hat Herr Dr. Henkel aasgeführt,
daß der Bezirksarzt die Anfsieht in den dort aufgeführten Angelegenheiten
jetzt bereits habe. Dies trifft nur insofern zu, als der Bezirksarzt die Auf-
si<At hat im Benehmen mit der DistriktspoUaeibehOrde, allein hat er sie nicht.
(Dr. Henkel: «0 jal*) Darüber läßt sich streiten (Zwischenruf) — an der
178
DlflkanioB sn den Yonreg:
Hud der gesetalichen YoneliTifteii. Es heifit ziua Beispiel: die Beenlsichtigiiiig
der Apotheken erfolgt dorch die DistriktspoliseibehSrde im BenehmeD mit dem
Besirksarste. (Zaml: .Und bei den Hebammen f“) Aach bei den Hebsmmen
wird die Au&icht dorch die DistrikspoliseibehOrde im Benehmen mit dem
Besirksante geführt. Neu ist also an den Vorschl&gen der Leits&tse, daß
der ganse Aaftichtsdienst in Sanit&tsangelegenheiten den Medizinalimtem
selbständig übertragen werden solL
Herr Dr. Schttts ist auch anf die Qualifikation der Beslrks-
irnte durch Bezirksamtmänner und deren gegenseitige Stellung zu
S prechen gekommen. Schon nach einer älteren Verordnung aus dem An&nge
es Torigen Jahrhunderts sind die Gerichtsärzte den Gerichts- und Poliz^
behOrden koordiniert. Die Angelegenheit wurde vor mehreren Jahren auch
in der bayrischen Abgeordnetenkammer besprochen; in der Sitzung yom
17. Februar 1902 hielt sich der Abgeordnete Süldner darüber aci, daß
manchmal die Qualifikation des Bezlrksarztes durch einen Bezirksamtmann
Torgenommen werde oder in unmittelbaren Städten durch einen Bürgermeister,
der an Dienstjahren yiel jünger sei als der Bezirksamt; es erschien ihm des¬
halb angemessen, wenn die Bezirksärzte den äußeren Behörden koordiniert
würden und ihre Qualifikation wie auch bisher durch die Kreisregiemngen
erfolge. Daraufhin erklärte der Kgl. Staatsminister Frhr. yon Feilitzseh
— das ist wichtig, weil immer wieder anzutreffende Ansdrauungen heryor-
treten —:
«Der Bezirksamt ist dem Bezirksamtmann nicht subordiniert, sondern
sie sind koordiniert, und wenn bei den Qualifikationen, die neu einyerlangt
worden sind, weil wir eine Vereinfachung der Liste yeranlaßt haben, wenn
hier in dem einen oder andern Fall diese Liste durch den BezirhsamtmaBB
an den Bezirksarzt gekommen ist, so weiß ich nichts dayon. Jedenfalls ist
durch die betreffende Ministerialentschließung keinerld Anlaß hierzu ge-
8 eben gewesen, nloh erkläre, — so schließt der Herr Minister — erae
ubordinadon besteht nicht und liegt auch , dem Ministerium eine diesbezflg-
liche Entschließung yolständig fern.*
Herr Dr. Graßl hat das organische Edikt wieder gewünscht
Wenn er damit etwa, was ich übrigens nicht annebme, gemeint haben sollte,
daß das organische Edikt in seinem alten Texte wieder hergestellt werden
möge, so müßte ich dem allerdings entgegentreten. Würde man diejenigoi
St^en desselben, die jetzt noch gelten, blau anstreichen und diejenigen,
welche außer (Geltung oder durch neuere Vorschriften abgeändert sind, rot,
BO käme eine merkwürdige Farbenzusammenstellung heraus. Der Zwischenmf,
man habe das organische Edikt jetzt noch, trifft demnach fehl. Wünscht
aber Herr Dr. Graßl, man möge den Geist des organischen Ediktes wieder
aufleben lassen und paralell wie damals eine Neugestaltung des Medizinal¬
wesens durchführen, dann stimme ich ihm zu (Beif^).
Als Beferent habe ich auch noch die Ffiicht, einige Worte bezüglich
der Besolution zu sagen. Wenn man eine solche der Staatsregierang yor-
leg^ muß man gewiß bei der Wahrheit bleiben und dürfte nicht sagen, man
sei m allen Punkten einig, wenn man dies nicht ist. Einwendingen gegen die
Leitsätze liegen yor, sie betreffen aber keine wesentlichen Punkte. Ans
meiBeB Ausführungen geht heryor, daß nichts mir ferner liegt, als andere An-
dehten nicht aufkommen zu lassen; ich habe die Herren sogar gebeten, ihre
Meinung offen zu sagen, auch wenn diese eine abweichende ist. Das gibt
es ja gar nicht, daß bei so yielen einzelnen Punkten, wie sie die Leitsätze
enthalten, in allen eine yöUige Einmütigkeit sich erzielen läßt Es dürfte
daher auch keinen rechten Zweck haben, schnell wieder eine Landesyersamm-
lang einzubemfen; denn die Widersprüche, die bezüglich der bezirksärztlichen
Stellyertreter zwischen Herrn Dr. Schütz und mir nun einmal bestehen,
lassen dch yorerst nicht beseitigen, wenn wir auch noch zehnmal darüber
diskutieren. Wünscht er ihre yöUige Aufhebung, so wünsche ich eine Aen-
derung ihrer Stellung in der yorgeschlagenen Bichtung; einzelne Herren wollen
wieder etwas anderes. Es ist ja jedem der Herren unbenommen, in der medi*
dnischen Presse oder in der Zeitschrift für Medizinalbeamte ihre Meinung
darzulegen. Es wird damit der Entscheidung der Staatsregiwung nicht yor^
gegriffen; es ist sogar recht gut, wenn diese ausdrückliai dayon Kenntnis
Der amtsäntliche Dienst in Bayern.
179
erhUt, daS Aber einselne Ponkte Torsebiedene Meinangea besteben. Dies gibt
eine viel größere Garantie dafOr, daß das, was dann endgttltig beschlossen
and yerfttgt wird, auf genauer Kenntnis aller Hcinongs&aßerangen and ein*
gehender Ueberiegang berobt.
Welche der yorgeschlagenen, in ihrer Bedeatang doch yerschiedenen
R^olationen Sie annehmen wollen, ob die yon Herrn Dr. Gräber oder jene
yön Herrn Dr. Henkel, maß ich Ihnen ttberlassen. Nor möchte ich Sie
bitten, die ganze Angelegenheit weiter za yerfolgen and dafttreinzatreten,
daß das, was wir alle gemeinsam wünschen: die Aasgestaltang
des ganzen Medizinalwesens and die Veibesserang der Ge-
haltsyerbältnisse, auch weiter betrieben wird. Ob ans dem Be*
giemngssiebe etwas mehr oder weniger heraoskommt, ob der eine oder andere
kleine Pankt noch mit dabei ist, daran! kommmt es nicht so an, wenn nar
im großen and ganzen unser bayerisches Hedizinalwesen
einen ordentlichen Schritt macht nach yorwirtsl
Vorsitzender: Ich bitte, sich nun schlttssig zn werden be*
ztlgflich der Annahme einer der beiden Resolntionen. Meiner Anf-
fassnniB: nach könnte man jede der beiden Resolntionen einstimmig
annehmen, aber selbstverständlich muß man sich ffir eine derselben
entscheiden.
Dr. DoUmanii* München schlägt yor, zunächst ttber die präziser gefaßte
Besolution yon Dr. Gräber abznstimmea, die eine raschere Erledigung der
Sache gewährleiste als die Resolution yon Dr. Henkel, welche eine yor*
läufige Abmmong nicht gestatte.
Vorsitzender: Die Resolution Grnher ist auch zeitlich die
frühere.
Bezirksarzt Dr. Gräber*München yerliest noch einmal die Resolu*
tion, wie er sie nonmehr gefaßt hat:
Die 4. Landesyersanunlung des bayerischen Medizinalbeamtenyereins
erklärt sich mit den Leitsätzen über den amtsärztlichen Dienst im
Königreich Bayern insoweit einyerstanden als sie in ihnen eine geeig*
nete Grundlage für eine Medizinalreform erblickt, unbeschaMt
der Meinangsyerschiedenheiten in einzelnen Ponkten.
Sie beauftragt ihre Vorstandsdiaft, die Leitsätze und die yom Re*
ferenten gegebenen Erläuterungen der K. Staatsre^erung zu unter*
' breiten mit der ehrerbietigsten Bitte, dieselbe wolle die Wünsche für die
Ausgestaltung des amtsärztlichen Dienstes und die Verbesserung der
' Gehaltsyerhäitnisse in wohlwollende Würdigung und Berücksichtigmig
' ziehen und die notwendig erscheinenden Maßnahmen hierzu in die Wege
leiten.
Sie beauftragt ferner die Vorstandschaft, die weitere Entwicklung
dieser'Fragen zn yerfolgen, zur Beratung über die einzelnen Sparten
des Medizinalwesens das Material zu sammeln und yorzubereiten sowie
die hieraus sich ergebenden Anträge auf die Tagesordnung der nächsten
Landesyersammlungen zu setzen.*
Auf Antrag von Bezirksarzt Dr. Frlekhlnger-Schrobenhansen
wird vor der Abstimmung auch noch der Wortlaut der von Dr.
Henkel beantragten Resolution verlesen, welche lautet:
«Die Versammlung stimmt überein, die wichtigen, sachgemäßen
Vorschläge des Dr. Becker, den amtsärztlichen Dienst in Bayern be*
treffend, wie sie in den Leitsätzen zum 8. Punkt der Tagesordnung
der heutigen Versammlung yorgelegt sind, der K. Staatsregierang in
Vorlage zu bringen und erachtet es als Pfiieht, diese Vorschläge innerhalb
des Medizinalbeamtenyereins weiter zu beraten.*
Der Vorsitzende macht bezüglich des letzten Satzes der
Besolution Henkel darauf auhnerksaxni schon in der
180
Schloß der Vergoiaialoag.
ersten Resolution der Vorstandsehaft ein Anftrag erteilt wird,
fflr die weitere Beratung der einzelnen Fragen das Nötige
Yorzubereiten und zu veranlassen. Es seien jedenfalls an £e
verschiedenen Artikel, die in Fachzeitschriften erscheinen, als
Material gedacht, das dann zur Beratung zu dienen habe, üebrigens
mache er darauf aufmerksam, deß man beide Resolutionen nicht
annehmen könne, sondern wohl nur eine.
Bezirksarst Dr. Henkel •Mttnchen: Meine BesoloUoa s<dl ganz das
Gleiche bedeoten, wa# die Beeokttion Grober am Schlosse sagt.
Torsitzender: Ich bitte nunmehr diejenigen Herren, welche
für die Resolution Grober sind, sich von den Sitzen zu erheben.
Die Resolution Grober wird mit allen gegen
3 Stimmen angenommen. Dagegen stimmen die Herren
Dr. Henkel-München, Dr. Hermann-München und Dr.Schütz-
Vilsbibnrg.
Torsitzender dankt noch wftrmstens dem Herrn Referenten,
den Herren, die sich an der Diskussion beteiligt haben, sowie den
hochverehrten Gästen, welche mit so großer Ausdauer den
Verhandlungen beigewohnt haben, und schließt damit die Ver¬
sammlung.
Schloß der Sitzung: 5^j^ ühr nachmittags.
Beilage zur Zeitechrilt für Medizmalbeamte, 1908.
Offizieller Bericht
ttber die
XXY. Hauptversammlung
^ des
Prenssischen Medizinalbeamten'Yereins
zur
fttt fei 25WKI ItsMuB in VmlB
Terbunden.mit der
diesjährigen Hauptversammlung
’des
Dentsehen Medizinallieamten' Vereins.
- 91 -
Berlin
am 29. und 30. September 1908.
Berlin 1008.
FISCHER’S MEDIZINISCHE BUCHHANDLUNG
H. Korafeld.
Hersofl. Bayer. Hof- und Erthenogl. Kaminir-Biehhindler.
Offizieller Bericht
aber die
XXY. Hauptversammlung
des
Prenssischen MedizinalbeamteO'Vereins
FdH iB 25iaiiiii imdai ib vbiIb
verbanden mit der
diesjährigen Hauptversammlung
Deutschen Hedizinalbeamten'Verebis.
Berlin
am 29. and 30. September 1908.
Berlin 1908.
FISCHER’S MEDIZINISCHE BüCHHANDLUNO
H. Kornfeld.
Herzog!. Bzyer. Hof* and Eriharaogl. -Bachh&ndler.
Inhalt.
Mt«.
Brater Sitsungstag.
1. Eröffnung der Venunmlang. 1
2. GeechEfts* and KMaeobencht; Wohl der EnaeenreTiioren .... 17
8. Die hygienische Kontrolle zentraler WosserTersorgongen. Beferent:
Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Flttgge>Breslaa. 20
4. VorlEoflger Enifrorf deslBeichsgesetzes, betreffend die AosObong der
Heilkande dorch nicht approbierte Personen und den Geheim>
mittelrerkehr. Beferent: Beg.< a. Med.-Bat Dr. Dfitsehke-
Erfart. 35
Zveiter Sitzungstag.
1. Der gegenwErtige Stand and Wert der Kriminolanthropologie. Be¬
ferent: Gerichtsorst n. PriTotdosent Dr. Straach-Berlin ... 73
2. Psychologie der Aossoge. Beferent: Prof. Dr. med. Lochte, Kreis¬
arzt in Gottingen. 76
8. Bericht der Eossenrevisoren. YorstondswahL Beschloß Aber den
Stiftangsfonds. 98
4. Medisinalbeamter and Erztliche Praxis. Beferent: Kreisarzt Dr.
Gatkneoht-Belgard. 96
Mitgliederrerzeiohnis.108
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Erster Sitenngstag.
*
Dienstag, den 29. September, Tormittags 10 ITlir.
Im Preussisohen Abgeordnetenhause.
I. Erönainj der VersaMiilmj.
H. Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Rapmnnd, Beg.* n. Med.-Bat
in Minden i. W., Vorsitzender: Ew. Exzellenzen, hochverehrte
Festversammlnngl Im Namen des Vorstandes heisse ich Sie
herzlich willkommen nnd danke Ihnen, dass Sie zn unserer dies¬
jährigen HaoptversammluDg nnd der damit verbnndenen Feier des
25 jährigen Bestehens nnseres Vereins so fiberans zahlreich er¬
schienen sind, der beste Beweis fhr das große Interesse, das Sie
den Bestrebungen nnseres Vereins entgegenbringen, nnd gleich¬
zeitig ein günstiges Zeichen für dessen Zoknnft.
Wenn ich diesmal mit meinen Begrfißongsworten über den
Bahmen der sonst üblichen Eröfinnngsrede hinansgehe, so werden
Sie dies sicherlich begreiflich finden; ich beabsichtige jedoch
nicht. Ihnen eine ansfübrliche Schildernng der Entwickelung
nnd Tätigkeit nnseres Vereins zn geben, sondern möchte nur
einige wichtige Punkte daraus kurz hervorheben nnd in Ihr Ge¬
dächtnis zurückrnfen. Ich kann mich nm so mehr hierauf be¬
schränken, als Sie im ersten Abschnitt der in Ihren Händen
befindlichen Festschrift eine von berufener Hand verfaßte Ge¬
schichte nnseres Vereins finden, in der auch dessen Tätigkeit
während der ersten 25 Jahre seines Bestehens eine eingehende
Berücksichtigung erfahren hat.
M. H.! Das Bedürfnis zn gegenseitigem Austausch persön¬
licher Erfahrungen, zur gemeinsamen Besprechung unserer viel¬
seitigen amtlichen Aufgaben hatte schon vor Gründung unseres
Vereins in einzelnen Begierungsbezirken zur Bildung von Be-
zirksvereinen oder wenigstens zur Abhaltung zwangloser
Versammlungen der Medizinalbeamten geführt, denen aber jede
Fühlung untereinander fehlte. Es ist daher das Verdienst des
1
2
ErOffnang der VerMunmlaDg.
im Jahre 1880 neagebildeten Vereins der Medizinalbeamten in der
Provinz Hannover, die erste Anregrnng zu einem Aber die ganze
Monarchie sich erstreckenden Medizinalbeamtenverein gegeben
zn haben, der dann am 22. Jnni 1883 auf einer bei Gelegenheit
der großen Berliner Hygiene'Ansstellong abgehaltenen vorbe*
ratenden Versammlnng das Licht der Welt erblickte und drei
Monate später, am 28. September 1883, also fast genau 25 Jahre
vor der heutigen Festversammlnng nnter zahlreicher Teilnahme —
es waren 131 Paten erschienen — Ober die Taufe gehalten
wurde. Das damals noch etwas schwächliche Kind — es war
noch nicht ganz ein Drittel aller Medizinalbeamten (289 von 900)
beigetreten — hat sich seitdem in der vorteilhaftesten Weise zn einer
fürsorglichen Mutter entwickelt, die jetzt fast sämtliche preußischen
Medizinalbeamten (93,9®/o) nnter ihren Schutz ge-nommen hat;
läßt man die Mitglieder der Provinzialmedizinalkollegien, die
scheinbar dieses Schutzes weniger bedürfen, außer Betracht,
so erhöht sich diese Ziffer sogar auf 99,3 ^/o. Dabei ist es beson¬
ders erfrenlich, daß gerade in diesem Jahr die Mitgliederzahl
t917) eine Höbe erreicht hat, wie nie zuvor, wenn wir hierbei die
Jahre 1899—1902, in denen auch viele Me^inalbeamte ans den
anderen Bandesstaaten dem Verein angehOrten, unberücksichtigt
lassen. Im ganzen hat der Verein seit seinem Bestehen 1538 Mit¬
glieder gehabt; von diesen sind im Laufe der Jahre 829 (nicht
228 wie in der Festschrift irrtümlich steht) ansgeschieden und
292 = 19^/o gestorben. Von den 289 Stiftern sind zurzeit
noch 55 = 19 Mitglieder des Vereins, alle übrigen mit wenigen
Ausnahmen verstorben. Aber gerade unter diesen 55 Mitgliedern
sind viele, die zn den besonderen Förderern und regelmäßigsten
Besuchern unserer Versammlungen gehören, und von denen wir
auch heute die große Freude haben, eine Anzahl in unserer Mitte
begrüßen zu können, von denen ich namentlich unsere beiden,
dem Lebensalter nach ältesten Mitglieder, Herrn Geh. San.-Bat
Dr. Wallichs-Altona, der 15 Jahre dem Vorstande angehOrt hat,
und Herrn Geh. Med.-Bat Dr. Koppen-Heiligenstadt, sowie Herrn
Geh. Med.-Bat Dr. Wiedner erwähnen mochte, der an keiner
Versammlung gefehlt hat. Ihnen mochte ich heute noch einen
besonderen WiUkommengruß zurnfen und mit diesem den herz¬
lichsten Dank des Vereins für alle Unterstützung und FOrdemng
aussprechen, die sie dessen Bestrebungen von Anfang an in
reichstem Maße haben zuteil werden lassen. MOgen sie uns noch
recht lange in körperlicher wie geistiger Frische erhalten bleiben!
MOgen sie aber auch den jüngeren Kollegen als leuchtendes
Vorbild dienen; dann wird es um den Preußischen Medizinal¬
beamten-Verein allezeit wohlbestellt seinl
M. H.I Dankbar wollen wir heute auch der leider so zahl¬
reichen Mitglieder gedenken, die bereits die Erde deckt, und
nnter denen ebenfalls recht, recht viele sind, die sich nicht nur
um die Entwickelung und das Gedeihen unseres Vereins, sondern
anch um die Förderung aller Zweige unserer amtlichen Tätigkeit,
namentlich der Öffentlichen Gesundheitspflege, große und bleibmide
EiSflniuig der Versammlmig.
8
Verdienste erworben haben. Und ans der Beibe dieser Verstor-
bmen mochte ich einen noch besonders hervorheben, nnseren ersten
langjährigen Vorsitzenden, Herrn Geh. Med.-Bat Dr. Eanzow;
anf Grand seiner reichen Erfahrungen, seiner yorsichtig ab*
wägenden Benrteilnng hat er den Verein in den ersten zehn
Jahren seines Bestehens mit sicherer Hand geleitet und vor
manchen unüberlegten und übereilten Schritten behütet; das mOge
ihm für alle Zeiten unvergessen bleiben!
Unser Verein hat aber nicht nur ein enges Aneinander¬
schließen und Zusammenhalten der preußischen Medizinalbeamten
bewirkt und eine weitgehende persönliche Annäherung seiner
Mitglieder untereinander vermittelt, sondern er hat auch den Me¬
dizinalbeamten in den anderen deutschen Bundesstaaten zum Vor¬
bild gedient und diese veranlaßt, sich zu ähnlichen Landesrer-
einen zasammenzuschließen, soweit dies noch nicht geschehen war.
Ich erwähne in dieser Hinsicht nur die Medizinalbeamten-
Vereine in Bayern, Württemberg, Braunschweig,
Mecklenburg-Schwerin und Elsaß-Lothringen. Vor
allem hat aber unser Verein die Anregung dazu gegeben, daß
sich alle diese Landesvereine zu dem Deutschen Medizinal¬
beamtenverein vereinigt haben und dadurch eine schon seit
langer Zeit angestrebte Verbindung zwischen allen deutschen
Medizinalbeamten herbeigeführt ist.
Sie sehen ans diesem kurzen Ueberblick, m. H., daß sich
unser Verein aus verhältnismäßig kleinen Anfängen schnell zu
einem Sammelpunkt aller preußischen Medizinalbeamten ent¬
wickelt und auch für die anderen deutschen Bundesstaaten be¬
frachtend gewirkt hat; der beste Beweis für die Notwendigkeit
seiner Bildung, die aber in noch viel stärkerem Maße zutage
tritt, wenn wir uns seine bisherige Tätigkeit vergegen¬
wärtigen und uns die Frage zur Beantwortung voi legen:
Ist denn nun auch der Verein den Aufgaben, die er
sich bei seiner Gründung satzungsgemäß gestellt hat,
gerecht geworden, hat er das gestellte Ziel erreicht
und berechtigt das Erreichte auch zu einem hoff-
nungsfreudigen und hoffnungsvollen Ausblick in die
Zukunft?
M. H.! Fünfundzwanzig Jahre sind eine verhältnismäßig
kurze Zeitspanne, aber wenn wir uns in die Zeit vor 1888 zurück¬
versetzen und die damaligen Verhältnisse der für uns in Betracht
kommenden Gebiete mit den heutigen vergleichen, da sehen wir
überall einen ganz gewaltigen Unterschied, und zwar so¬
wohl in bezug auf unsere amtliche Stellung, als in bezug
auf die Fortschritte und Errungenschaften der Wissen¬
schaft. Ueberall sehen wir eine ganz außerordentliche Ent¬
wicklung und ständige Vorwärtsbewegung, besonders in
den letzten zehn Jahren, und mit dieser Entwicklung und Vor¬
wärtsbewegung hat unser Verein nicht nur Schritt gehalten,
sondern er hat auch nach mancher Bichtang hin die Anregung .
dazu gegeben und nach besten Kräften mitgewirkt.
1*
4
flrölbiiuig der Versunmliuig.
Noch niemals dürfte es in onserem engeren Vaterlande eine
Zeitperiode gegeben haben, in der das Medizinal- nnd Gesund¬
heitswesen so wenig Fortschritte aufzuweisen gehabt hat, als
in dem halben Jahrhundert vor Gründung unseres Vereins.
Das Regulativ vom 8. August 1885, betreffend Maßregeln gegen
die Verbreitung ansteckender Krankheiten, bildet gleichsam die
letzte hervorragende gesetzgeberische Maßnahme aut diesem
Gebiete. Aber auch in der medizinischen Wissenschatt machte
sich während dieser Zeitperiode ein Stillstand bemerkbar,
dem dann aber in den beiden letzten Jahrzehnten des vorigen
Jahrhunderts ein Aufschwung, eine Blütezeit folgte wie nie
zuvor. Insbesondere gilt dies von denjenigen Zweigen der Medizin,
die uns Medizinalbeamte mit Rücksicht auf unsere amtliche
Tätigkeit am meisten interessieren: Die ärztliche Sachver-
ständigen-Tätigkeit auf dem Gebiete der gericht¬
lichen Medizin und Psychiatrie, der Unfall- und In-
validen-Versicherung, dieses durch die soziale Gesetzgebung
hervorgernfenen ganz neuen Zweiges jener Tätigkeit, und vor allem
die Hygiene nnd öttentliche Gesundheitspflege! M. H.l
Ich möchte in dieser Hinsicht nur die Namen Pettenkofer und
Robert Koch nennen! Mit besonderem Stolz muß es gerade uns
ertüllen, daß es ein preußischer Medizinalbeamter, ein ehemaliger
Physikus in einer kleinen polnischen Kreisstadt, gewesen ist, der
kurz vor jener Zeit, als unser Verein gegründet wurde, durch seine
genialen und epochemachenden Entdeckungen, durch die Schaffung
eines ganz neuen Zweiges der medizinischen Wissenschaft, der
Bakteriologie, unserem Wissen und Können völlig neue Bahnen
erschlossen hat, aut denen wir den Kampf gegen die fürchterlichen
Feinde der Volksgesundheit, die übertragbaren Krankheiten,
in weit zielbewußterer, wirksamerer und erfolgreicherer Weise
aufnehmen können als je zuvor!
M. H.! Diese außerordentlichen Fortschritte und Errungen¬
schaften der Wissenschaft mußten selbstverständlich fördernd
und umgestaltend auf die betreffenden Gebiete einwirken, je
mehr Staat und Gemeinden ihre hohe Bedeutung für das All¬
gemeinwohl kennen und schätzen lernten und je mehr sie infolge¬
dessen dazu übergingen, sich ihre Lehren nutzbar zu machen.
Und nach dieser Richtung hin darf sich auch unser Verein ein
kleines Verdienst zuschreiben; denn auf seinen zahlreichen Haupt¬
versammlungen, sowie durch das von ihm ins Leben gerufene
Vereinsorgan, die Zeitschrift für Medizinalbeamte,
ist er bemüht gewesen, aufklärend und anregend nicht blos inner¬
halb seines engeren Kreises, sondern auch für weitere Kreise zu
wirken, die praktische Nutzbarmachung der wissenschafUichen
Lehren zu fördern, gesetzgeberische Maßnahmen anzuregen und
vorzubereifen. Wenn Sie einen Blick in die der Festschrift bei¬
gegebene Uebersicht über die Verhandlungsgegenstände
auf unseren bisherigen 24 Hauptversammlungen werfen, da
werden sie finden, daß kein wichtiges Glebiet der gerichtsärzt¬
lichen, psychiatrischen und sonstigen ärztlichen Sachverständigen-
ErOfbung der yenunmlang.
5
t&tigkeit) der Bakteiiologie, der Hygiene nnd des öffentliehen Ge*
snndheitssresens nnerOrtert geblieben ist, nnd daß der Verein fast
alle wichtigen Gesetzesvorlagen anf diesen Gebieten einer ein*
gehenden Erörterung unterzogen hat. Daß aber seine Verband*
Inngen nnd Beratungen nicht ganz ohne Einfluß geblieben sind,
dürfen wir sicherlich trotz aller Bescheidenheit behaupten.
Während nun die preußische Staatsregierung von allem
Anfang an bemüht gewesen ist, das medizinische Bildungs¬
wesen mit den Fortschritten der Wissenschaft in Einklang zu
bringen und die Bedeutung jener Fortschritte durch Bereit¬
stellung mustergültiger Kliniken, Institute und Lehrmittel, insbe¬
sondere durch Beschaffung neuer, mit Instituten bezw. Kliniken ver¬
bundener Lehrstühle für Hygiene, für Psychiatrie und gericbtliche
Medizin anerkannt hat, hat es verhältnismäßig lange gedauert,
ehe auf dem Wege der Gesetzgebung auch den wissenschaft¬
lichen Forschungen auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung
Hechnung getragen wurde, wie das jetzt in so erfreulicher und
wirksamer Weise einmal durch das Reichsgesetz vom 3. Juni
1900, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher
Krankheiten, nnd durch das Landesgesetz vom 28. August
1905, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Kank-
heiten, geschehen ist.
Fast ebenso lange hat es aber auch gedauert, ehe sich der
Staat entschlossen bat, den Medizinalbeamten, von dm‘en
Tätigkeit in erster Linie die Anregung nnd Durchführung gesund¬
heitlicher Maßnahmen nnd damit auch die Hebung und Förderung
der Volkswohlfahrt nnd Volksgesundheit abhängt, eine Stellung zu
gewähren, die es ihnen ermöglicht, dieser wichtigen Aufgabe in
vollem Umfange gerecht zu werden. Vielleicht waren es weniger
die mit der Umgestaltung der Stellung dieser Beamten verbun¬
denen höheren Kosten, welche die Inangriffnahme der Reform
verzögerten, als die Scheu, ihnen größere Machtvollkommen¬
heiten nnd eine erweiterte Tätigkeit einzuränmen, ohne die
an eine erfolgreiche Wirksamkeit derselben nicht zu denken ist.
Infolge der großen Fortschritte der wissenschaftlichen Hygiene
wurden allerdings die Anforderungen an die Ausbildung der Medi¬
zinalbeamten durch eine neue Prüfungsordnung ebenso gesteigert
wie die Anforderungen an ihre amtliche Tätigkeit, die Stellung
selbst aber blieb nach wie vor eine nebenamtliche nnd erwies
sich von Jahr zu Jahr immer mehr als unzulänglich, je mehr sich
die Ansprüche der öffentlichen Gesundheitspflege steigerten.
M. H.l Wer sich heute unsere frühere amtliche Stellung
in ihrer ganzen Reformbedürftigkeit vergegenwärtigt, der wird
es auch begreiflich Anden, daß es sich unser Verein zur Haupt¬
aufgabe gestellt hat, in dieser Hinsicht eine Aenderung anzu¬
streben. Immer wieder von neuem hat er auf die Notwendigkeit
einer gfründlichen, den Anforderungen der öffentlichen Gesundheits¬
pflege entsprechenden Umgestaltung dieser Stellung hingewiesen;
bei allen diesen Verhandlungen hat er aber, und £es möchte ich
hier noch besonders betonen, stets in erster Linie das öffent-
6
ErOfiiuig der VerBumnliuig.
liehe Interesse im Ange gehabt nnd sieh von idealen Gledehts*
pnnkten leiten lassen, olme jedoeh dabei die bereehtig^ Interessen
der Medizinalbeamten außer Aeht za lassen. Mit besonderer
Genngtnang kann der Verein auf diesen wiehtigsten Teil seiner
Tfttigkeit znrflckblicken; haben seine Verhandlangen and Anre*
gangen doch wesentlich zar Vorbereitung und Darchffibrang einer
zeitgemäßen Reorganisation des preußischen Medizinal- und
Gesundheitswesens beigetragen, deren Grundlage das am
l. April 190t in Kraft getretene Kreisarztgesetz vom 16. Sep¬
tember 1899 und die dazu gehörige mustergültige Dienst¬
anweisung vom 23. August 1901 bilden, für deren Erlaß nnd
Durchführung wir der Königlichen Staatsregiemng, insbMondere
dem Herrn Medizinalminister, dem jetzigen sowohl, als seinen
beiden Herren Amtsvorgängem, zu besonderem Danke ver¬
pflichtet sind.
M. H.! Es würde mich zu weit führen, auf alle sonstigmi
Fortschritte des preußischen Medizinal- und Gesundheitswesens
während der letzten Jahre: Einrichtung von Fortbil¬
dungskursen für Medizinalbeamte, größere Bereit¬
stellung von Geldmitteln zur Bekämpfung der über¬
tragbaren Krankheiten, zur Verbesserung des Hebammen¬
wesens nsw., Einrichtung vonMedizinalnntersnchungsämtern,
des Instituts für Infektionskrankheiten, der Versuchs-
nnd Prüfungsanstalt für Wasserversorgung nnd Ab wässer-
beseitignng usw. einzugehen; ich nehme in dieser Hinsicht
auf die Festschrift bezug. Nur eins möchte ich noch kurz betreffis
des Kreisarztgesetzes betonen: Lassen Sie uns die Freude
an diesem Gesetz, das eine feste nnd brauchbare Grundlage zum
weiteren Ausbau unseres Gesundheitswesens bildet, nicht dadurch
verkümmern, daß es bisher noch nicht allen unseren Wünschen in
bezug auf die Vollbesoldung der vollbeschäftigten Kreisärzte,
auf die Pensionierung der nicht vollbesoldeten Kreisärzte,
auf die Bemessung der Dienstaufwandsentschädigung
und des Reisepauschale, auf die Anrechnung der Vorbe-
reitungszeit auf das pensionsfähige Dienstalter und die An¬
wendung des Beamtenfürsorgegesetzes auf die Medi¬
zinalbeamten entspricht. Freuen wir uns vielmehr dankbaren
Herzens des Erreichten und lassen Sie uns auf Grund dieses Er¬
reichten frohen Mutes in die Zukunft blicken. Und dies können
wir um so mehr, wenn wir uns die jüngsten Verhandlungen des
Abgeordnetenhauses über alle diese Fragen und die wohlwollenden
Erklärungen des Herrn Ministers nnd seiner Vertreter zu den¬
selben vergegenwärtigen.
Ich bin am Schluß! Wenn wir uns jetzt fragen, m. H.
ist der Preußische Mediziaalbeamten-Verein den Aufgaben, die er
sich bei der Gründung gestellt hat, gerecht geworden, so dürten wir
m. E. diese Frage mit voller üeberzeugung und mit besonderer
Genugftuung bejahen! Der Verein hat dank seiner Tätigkeit
nicht nur seinen Mitgliedern, sondern auch der Wissenschaft nnd
dem Vaterlande gedient. Möge die kommende Generation die
ErttiEaiiBg der Veresmmliuig.
7
Bestrebangen and Ziele des Vereins in der gleichen Weise wie
bisher fördern, seine Fahne hochhalten and seinen Grundsätzen
treu bleibenI Mit diesem Wansche eröffne ich die heutige
Festsitzung nnd erteile Sr. Exzellenz, dem Herrn Minister der
geistlichen, ünterrichts* und Medizinal-Angelegenheiten, den wir
heute znm ersten Male in unserer Mitte zu begrüßen die hohe
13ire haben, das Wort!
(Lebhafter Beilall.)
Se. Exzellenz, der Herr Minister der geistlichen, Unterricbts-
und Medizinal-Angelegenheiten Dr. Holle: Hochyerehrte Fest-
yersammlung! Um anzuknfipfen an den Schluß der Ansfahrnngen
meines yerehrten Herrn Vorredners, möchte ich ihm zunächst
danken für die freundlichen Worte, die er mir nnd meinem Vor¬
gänger gewidmet hat und fttr das Vertrauen zur Medizinalyer-
waltung, das aus seinen Worten sprach.
M. H.! Wenn ich heute zum ersten Male einen so großen
Kreis der mir unterstellten Medizinalbeamten yor mir sehe, so
ergreife ich gern die Gelegenheit, Ihnen die Versicherung zu
geben, daß mir Ihr Wohl und Wehe am Herzen liegt, und daß
Sie mich immer bereit finden werden, Ihre Wünsche zu hören
und mit jedem Entgegenkommen zu prüfen. Wenn diese Wünsche
nicht gleich yoll erledigt werden können, so möchte ich bitten, aus
den bereits yon Ihrem Herrn Vorsitzenden angeführten Gründen die
Hindernisse anzuerkennen nnd darüber nicht mutlos zu werden.
M. H.! Es ist für mich eine besondere Freude, an dem
Tage, an dem der Preußische Medizinalbeamtenyerein auf das Be¬
stehen während eines Vierteljahrhnnderts zurückblickt, in Ihrer
Mitte zu weilen und Ihnen als Leiter der preußischen Medizinal-
yerwaltung deren beste Wünsche für Ihr erfolgreiches Wirken
in Vergangenheit nnd Znknnit ausznsprechen.
Mit lebhafter Befriedigong kann der Verein auf das yer-
flossene Vierteljahrhnndert znrückblicken! Mit freudigem Stolze
mögen die heute hier noch yertretenen Gründer des Vereins jenes
22. Juni 1883 gedenken, an dem seine Bildnng beschlossen wurde.
Nach den Ausföhrungen, die bei dem ersten Zusammentreten der
Schriftführer des yorbereitenden Komitees, Ihr yerebrter jetziger
Herr Vorsitzende, machte, sollte der Verein in der Förderung
aller den Medizinalbeamten gestellten Aufgaben nnd in der Pflege
der Volkshygiene den Schwerpunkt seiner Bestrebungen suchen,
und, m. H., der Verein hat mit bestem Erfolge dieses Ziel yer-
folgt. Die Gründung eines Vereins mit solchen Zielen konnte
bei der zentralen Medizinalyerwaltung nur Freude erwecken.
Ihre Erwartung, in der Förderung ihrer eigenen Aufgaben durch
den festen Zusammenschluß ihrer Beamten eine wirksame Stütze
zu finden, ist yoll yerwirklicht worden.
Die Gesetzgebung des yerflossenen Vierteljahrhnnderts hat
unter anderem die Dienststellung des Kreisarztes gehoben und
in den beiden bereits erwähnten Reichs- und peußischen Ge¬
setzen, betreffend die Bekämpfung gemeingeföhrUcher nnd über-
8
ErOAnug d«r Venuiunlug.
tragbarer Eraokheiten, den Medizinalbeamten ein bedenteames
neues Feld der Tätigkeit geschaffen. Fleißig und unablässig sind
Sie aef diesem Felde tätig gewesen und haben die Ergebnisse
der wissenschaftlichen Forschungen mit Umsicht und Erfolg in
die Praxis übertragen, außerdem aber mit dahin gewirkt, daß
aus alteu Zeiten herrflhrende Unzuträglichkeiten auf dem Gebiete
der Volkshygiene beseitigt und nennenswerte Yerbessernngen
herbeigeftthrt wurden.
M. H., diese trefflichen Leistungen haben Ihren Stand und
seine Bedeutung in der Öffentlichen Schätzung gehoben. Sie haben
bewiesen, wie durch Pflichttreue und unermüdliche Arbeit die
preußischen Medizinalbeamten schwerwiegende Aufgaben lOsen
können. Die Kenntnisse und Erfahrungen seiner Mitglieder durch
Verbreitung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung und
durch den Austausch der in der Praxis bewährten hygienischen
Einrichtungen zu mehren, neue Anregungen entgegenzunehmen
und auf ihre Ausführbarkeit zu prüfen, Einverständnis in zweifel¬
haften Fragen herbeizuführen — auf diese und ähnliche Weise
hat der Verein es verstanden, das Verständnis für die den Me-
dizinalbeamten gestellten Aufgaben zu fördern und zu vertiefen.
Das Verdienst hiervon gebührt nicht zum mindesten der zielbe-
wußten Leitung Ihres verehrten Herrn Vorsitzenden, der während
der ganzen 25 Jahre den Kurs, den er im Jahre^l883 einge¬
schlagen hatte, unverändert innegehalten hat.
Für diese fördernde Mitarbeit auf dem Gebiet der Gesund¬
heitspflege gebührt Ihnen der Dank der preußischen Medizinal-
verwaltung, und als ihrem Leiter ist es mir eine große Freude,
diesen Dank heute mit meiner besonderen Anerkennung zum
Ausdruck zu bringen.
Möge der Verein auch weiterhin unter der bewährten
Führung seines Vorsitzenden blühen und gedeihen und dieselbe
erfolgreiche und für das Volkswohl so gedeihliche Tätigkeit in
harmonischem Zusaammenwirken mit der zentralen Medizinalver-
waltung entfalten wie bisher!
(Lebhafter Beifall.)
Vorsitzender: Gestatten Ew. Exzellenz, daß ich im Namen
des Vereins unseren verbindlichsten Dank ausspreche nicht blos
für Ew. Exzellenz Erscheinen hier in der Festversammlnng und
für die Zusage, an dem heutigen Festessen teilzunehmen, durch
die sich der Verein in besonderem Maße geehrt fühlt, sondern
vor allem auch durch die anerkennenden Worte, die Ew. Exzellenz
jetzt dem Verein an seinem Jubiläum, gewidmet haben. Wenn
Ew. Exzellenz hierbei meiner Person und meiner langjährigen
Tätigkeit als Schriftführer und Vorsitzender in so lobender und
anerkennender Weise gedacht haben, so darf ich dafür wohl meinen
besonderen Dank sagen. Eine solche Tätigkeit wäre mir aber nicht
möglich gewesen, wenn ich nicht in den Medizinalbeamten nach
jeder Richtung hin volle Unterstützung geftinden hätte und mir
von ihnen ein Vertrauen entgegengebr^t worden wäre, wie es
EröAiiiBf der VemenBlawg.
9
wohl kaum einem Vorsitzenden eines Vereins jemals in dem Maße
alle Zeit gewfthrt worden ist.
Die Anerkennnng, die Ew. Exzellenz den Medizinalbeamten
heute ansgesprochen haben, wird ihr sie jedenfalls ein Sporn
sein, durch ihre amtliche Tätigkeit sich auch fernerhin die volle
Zufriedenheit der Königlichen Staatsregierung nicht nur zu erhalten,
sondern in noch höherem Maße zu erwerben. Ew. Exzellenz haben
uns das g^oße Lob zu teil werden lassen, daß, nachdem wir durch
das Ereisarztgesetz in den Sattel gehoben sind, auch das Beiten
gelernt haben; im Namen der Medizinalbeamten darf ich Ew.
Exzellenz wohl die Versicherung geben, daß diese das Reiten
nicht wieder verlernen werden, sondern sich der angesehenen
Stellung, die ihnen jetzt eingeräumt ist, stets wtlrdig zeigen und
sich mit allen Kräften bemühen werden, den ihnen gestpUten
erweiterten Aufgaben gerecht zu werden. Dann werden vielleicht
auch alle ihre jetzt noch vorhandenen Wünsche in Erfüllung
gehen, so daß sie in 25 Jahren, wenn der Verein sein 50jähriges
Jubiläum feiert, gar nichts mehr zu wünschen haben werden.
(Heiterkeit). Allerdings wäre es ja für die lebende Generation,
und besonders für diejenigen, welche die 50 er und 60 er Jahre
schon überschritten haben, sehr erfreulich, wenn diese Erfüllung
der Wünsche doch vielleicht etwas früher stattfände (Heiterkeit).
Wir würden Ew. Exzellenz dann zu ganz besonderem Dank ver*
pflichtet sein! Ew. Exzellenz Worte geben uns auch die Gewähr,
daß dies voraussichtlich der Fall sein wird.
(Lebhafter Beifall.)
Ln Namen des Vereins möchte ich auch die übrigen Ehren¬
gäste, die heute in so reicher Anzahl erschienen sind, noch be¬
sonders begrüßen und Ihnen unseren verbindlichsten Dank dafür
aussprechen; in erster Linie Sr. Exzellenz, Herrn ünterstaats-
sekretär Wever, Herrn Ministerialdirektor Förster und allen
Vortragenden medizinisch-technischen Bäten, den Herrn Geh.
Ober-Med.-Bäten Prof. Dr. Schmidtmann, Prof. Dr. Kirchner
und Dr. Dietrich, Herrn Geh. Med.-Bat 1^. Abel sowie Herrn
Geh. San.-Bat Dr. Aschenborn. Auch Herrn Geh. Ober-Beg.-
Bat Dr. Bumm, Präsident des Beichsgesundheitsamtes sage ich
unseren herzlichsten Dank für sein Erscheinen; desgleichen Herrn
Ministerialrat Dr. Strössenrenther als Vertreter der Königlich
Bayerischen Regierung, sowie den Herren Ober-Med.-Bat Dr.
V. Gnßmann-Stuttgart, Geh. Ober-Med.-Rat Dr. Hauser-
Darmstadt, Med.-Rat Prof. Dr. Gumprecht-Weimar, Med.-Bat
Dr. Boggenbau-Neu-Strelitz, Geh. Med.-Bat Dr. Engelbrecht-
Braunschweig, Ober-Med.-Bat u. Geh. Beg.-Bat Dr. Philipp-
Gotha, Geh. Med.-Bat Dr. Richter-Dessau, Beg.- u. Med.-Bat
Dr. Heck er-Straßburg i. Eis., Med.-Bat Prof. Dr. Nocht-
Hamburg, Med.-Rat Dr. Osswald-Sondershansen, als Vertreter
ihrer Regierungen. Ihr Erscheinen zeigt, daß auch die Regie¬
rungen der übrigen deutschen Bundesstaaten der Tätigkeit des
10 ErOfimiig der YerMUBiiilug.
PrenßiBchen Medizinalbeamten •Vereioe großes Interesse entgegen¬
bringen.
Aber auch unsere Kollegen in den anderen Bnndesstaaten
und die dort bestehenden Medizinalbeamtenvereine haben es nicht
▼ersäomt, ihre Vertreter zu unserer Jubiläumsfeier zu entsenden.
Der Deutsche Medizinalbeamten-Verein ist vertreten
durch eine größere Anzahl Mitglieder, insbesondere durch seinen
stellvertretenden Vorsitzenden, Bezirksarzt Dr. v. d’All-Armi-
Mflnchen und seinen Schriftführer Med.-Rat Dr. Flinzer-Plauen,
der sächsische Verein durch Ober-Med.-Bat Dr. Erler-Meißen,
der wfirttembergische Verein durch seineu Vorsitzenden Med.-Bat
Dr. EOstlin-Stuttgart und Med.-Rat Dr. Eranß-Eirchheim u.
Teck, der badische Verein durch seinen Vorsitzenden, Med.-Rat
Dr. Becker-Offenbnrg. Ihnen allen unseren herzlichsten Dank!
Hoffentlich trägt die heutige Feier dazu bei, das Band zwischen
dem Preußischen Medizinalbeamten-Verein, der Mutter, und ihrmn
jüngsten und größten Einde, dem Deutschen Medizinalbeamten-
Verein, sowie die Verbindung mit allen anderen, in den einzelnoi
Bundesstaaten bestehenden Landesvereinen, so fest zu schließen,
daß eine Trennung für alle Zeiten ausgeschlossen i^tl
H. Egl. Bayer. Ministerialrat Strössenrentlier-München:
Hochverehrte Festversammlnng! Ihre Vorstandschaft hatte die
Liebenswürdigkeit, auch dem Königlich Bayerischen Staatsmini¬
sterium des Innern eine Einladung zu Ihrer heutigen Tagung
zngehen zu lassen. Se. Exzellenz der Herr Staateminister des
Innern v. Brettreich hat mich daher beauftragt. Ihnen für
diese Liebenswürdigkeit den verbindlichsten Dank zum Ausdruck
zu bringen und Ihre Festversammlnng im Namen der Königlich
Bayerischen Staatsregierung und der Königlich Bayerischen Me¬
dizinalverwaltung, insbesondere auch des Königlichen Obermedi-
zinalausschnsses, herzlichst zn begrüßen.
Ich entledige mich dieses höchsten Auftrages mit größtem
Vergnügen. Ich entledige mich aber zugleich des anderen Auf¬
trages, dem Preußischen Medizinalbeamten-Verein zn seiner heu¬
tigen Jubelfeier, zn dem Feste seines 25 jährigen Bestehens, die
herzlichsten Glückwünsche der Bayerischen Staatsregierung zn
überbringen.
Daß die Königlich Bayerische Staatsregiemng ebenMls den
Bestrebungen Ihres Vereins und Ihres Verbandes mit dem größten
Interesse gegenübersteht, brauche ich nicht besonders zu ver¬
sichern. Hat sich ja doch die Aufgabe und der Wirkungskreis
der Medizinalbeamten im Laufe der letzten Jahrzehnte ganz außer¬
ordentlich erweitert. Wenn wir znrückdenken, wie der alte Kreis-
physikns stolz war auf den uns heute so eng erscheinenden Kreis
von Kenntnissen auf dem Gebiete der forensischen Medizin, so
ist es heute nach Umgestaltung des Polizeistaates in einen Wohl¬
fahrtsstaat eine Menge und eine Unsumme von Kenntnissen und
Erfahrungen, die von dem modernen , Medizinalbeamten bei der
Erfüllung seiner Aufgaben erwartet werden. Ich brauche ja
nur hinznweisen auf das große Gebiet der Volkshygiene, und idi
EvöifBiuig der VersuBnlong.
11
brauche insbesondere nnr hinznweisen, wie es bereits Ihr Herr
Yorsitnender getan hat, anf den Vollzog unserer Arbeiterrer-
sichemng^gesetze, dessen glatter Verlauf anf das engste ver-
bunden ist mit der aufopfernden und hingebenden Tätigkeit der
Medizinalbeamten.
Ein Blick anf Ihre reiche Tagesordnung gibt uns den Be¬
weis von der großen Menge von Aufgaben, deren LOenng von
Ihrer Tätigkeit erwartet wird.
So ist die Wichtigkeit des Standes der Medizinalbeamten
im Laufe der letzten Jahrzehnte für das allgemeine Volkswohl
und fflr das Staatswohl ganz außerordentlich gestiegen, und die
Königlich Bayerische Stsatsregierung bringt deshalb auch allen
Bestrebungen Ihres Vereins anf Hebung l^es Standes und auf
Forderung Ihrer dienstlichen Aufgaben das wärmste Wohlwollen
entgegen.
In diesem Sinne habe ich Ihren nunmehr beginnenden Ver¬
handlungen einen guten Verlauf und den besten Erfolg zu wttnschen I
(Lebhafter Beifall.)
Vorsitzender: Hochyerebrte Festyersammlnng! Ich muß
noch etwas nachholen. In der Eile der Geschäfte habe ich yer-
gessen, den Vertreter eines Vereins willkommen zu heißen, den
wir mit besonderer Freude begrfißen mflssen, und wenn ich dies
nachträglich tue, dann mochte ich ihn bitten, anznnehmen, daß
diese Begrüßung doppelt herzlich ist. In unserem yerbttndeten
Nachbarstaate Oesterreich hat sich ganz yor kurzem ein Beicbs-
yerband der Österreichischen Amtsärzte gebildet, für den unser
Verein wohl auch mehr oder weniger yorbildlich gewesen sein
dürfte. Dieser neue Verein hat es sich nicht nehmen lassen,
zu uuserem Jubiläum ebenfalls einen Vertreter abzuordnen in der
Person seines Präsidenten, des Herrn Dr. Paul, Direktor der
Staatsimpfanstalt in Wien.
Ich begrüße ihn aufs herzlichste und bitte ihn, mein Versehen
freundlichst entschuldigen zu wollen.
(Beifall.)
H. Ober-Med.-Rat Dr. Hauser-Darmstadt: Hochansehnliche
Versammlung! Der Vorstand des Deutschen und Preußischen
Medizinalbeamten-Vereins hatte die Güte, zu der diesjährigen
Hanptyersammlnng beider Vereine, welche aus Anlaß des 25 jährigen
Bestehens des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins gemeinsam
abgehalten wird, eine Einladung an die Großh. Hessische Mi-
nisterialabteilung für Öffentliche Gesundheitspflege ergehen zu
lassen. Ich habe den ehrenyollen Auftrag erhalten, als Vertreter
dieser Behörde an Ihrer Versammlung teilznnehmen und Ihnen
flir Ihre Einladung zu danken. Vor allem habe ich den Auftrag,
dem Preußischen Medizinalbeamten-Verein zur Feier seines
25jährigen Bestehens die besten Glückwünsche zu überbringen.
Indem ich mich dieses Auftrages entledige, darf ich Sie yersichem,
^ die Behörde, der ich anzogehOren die Ehre habe, stets allen
Vereinigungen yon Bemfsgenossen die höchste Anerkennung zollt,
12
ErOftouag dar yanumnlug.
die 68 sich zur Anfg^abe machen, im Öffentlichen Interesse tätig an
sein, die behördlichen Maßnahmen nnd Anordnungen zn fördern ond
dem Einzelnen Gelegenheit zur gegenseitigen Anregung und zum Aus¬
tausch in wissenschaftlicher und dienstlicher Beziehung zu geben.
Ihr Verein sieht auf einen Zeitraum yon 25 Jahren znrflck, in denen
es ihm gelungen ist, hervorragende Leistungen im Interesse des
öffentlichen Gesundheitswesens, der sozialen Fürsorge, der gerichts¬
ärztlichen Tätigkeit nnd der Fürsorge fflr die Geisteskrt^en zn
bringen nnd auch die Gesetzgebung in mannigfacher Bichtnng zn
wichtigen Entschließungen zu veranlassen. Als Medizinalbeamten¬
verein des größten deutschen Bundesstaates hat er die gleichen
Bestrebungen in verschiedenen anderen Bundesstaaten mächtig
angeregt nnd fruchtbringend beeinflußt Wenn ich der Verhand¬
lungen in Ihrem Verein in den Jahren 1897 und 1902 gedenke,
so muß ich dieselben als grundlegend ffir den Zusammenschluß
aller deutschen Medizinalbeamten, fttr die Bildung des Deutschen
Medizinalbeamten - Vereins betrachten. Möchte es dem Preußischen
Medizinalbeamten-Verein auch in den kommenden Jahrzehnten
Vorbehalten sein, dieselbe hocbangesebene Stellung einzunehmen
wie seither, möchte er sich in gleicher Weise den Anteil bewahren,
den er an der Entwickelung des öffentlichen Gesundheitswesens
in Deutschland nnd in der preußischen Monarchie gehabt hat, um
durch seine stete Mitarbeit zu beweisen, daß der Hochstand des
öffentlichen Gesundheitswesens in unserem Vaterland ein wichtiges
Kennzeichen fflr den Enltnrzustand eines großen und mächtigen
Volkes ist! (Lebhafter BelfalL)
H. Ober-Med.-Bat Dr. V. Gnssmann-Stuttgart: Meine sehr
verehrten Herren! Ich will Ihnen gestehen, daß ich ebenfalls
eine kleine Anrede an Sie entworfen habe, die ungefAhr dieselbe
Gedanken enthalten hat, wie wir sie jetzt von meinem Herrn Vor¬
redner gehört haben. Erlauben Sie mir daher, auf diese vor¬
herigen Worte mich zu beziehen, und erlauben Sie mir insbeson¬
dere. daß ich im Namen meiner Hohen auftraggebenden Behörde,
des Königlichen Ministeriums des Innern und des Medizinalkolle¬
giums, dem Preußischen Medizinalbeamten-Verein meinen herz¬
lichen Glückwunsch zn seiner heutigen Jubelfeier darbringe.
(Lebhafter BeifaU.)
H. Bezirksarzt Dr. y. d^All-Armi-München! Hochverehrte
Festversammlung! Vom Deutschen Medizinalbeamten - Vereine
und von den hier vertretenen einzelnen deutschen Landesvereinen
habe ich den ehrenvollen Auftrag erhalten, Ihnen heute die hera-
liebsten Glückwünsche zn überbringen. Ich unterziehe mich diesem
ehrenvollen Aufträge mit dem Wunsche und der Ueberzeugung,
daß der Preußische Medizinalbeamten-Verein auch in Zukunft auf
den gleichen glorreichen Bahnen sich weiter entwickeln werde!
(Lebhafter Beifall.)
H. Dr. Pani, Präsident des Beichsverbandes österreichischer
Amtsärzte, Direktor der Staatsimpfanstalt in Wien: Hoehansehii-
ErOAinog der yermmmlaBg.
18
liehe FestverBammlnng! Vom Atuochosse des j&og^st gegründeten
BeiehsTerbandes Österreichischer Amtsftrzte ist mir als seinem
Obmann die ehrenvolle Mission zn teil geworden, den jnbilie-
renden and auch den Dentschen Medizinalbeamten-Verein zu
begrüßen nnd dem ersteren nnsere aufrichtigen Glückwünsche zn
übwbringen.
Unser Verband repräsentiert die Vereinigung der Medizinal¬
beamtenvereine aller im österreichischen Reichsrate vertretenen
Königreiche und Länder, 14 an der Zahl. Mit neidgemischter
Bewunderung verfolgten wir schon seit Jahren die stramme Or¬
ganisation und das ersprießliche Wirken des Preußischen Medi¬
zinalbeamten-Vereins, der auch vorbildlich für die Bildung unserer
Landesvereine und auch des Beichverbandes gewesen ist. Dies
war auch die Veranlassung, daß die Amtsärzte Oesterreichs sich
zusammen geschlossen haben, um gemeinschaftliche Ziele zu ver¬
folgen. Es wurde in uns der Wunsch rege, mit unseren Kollegen
aus dem Deutschen Reiche Fflblung zu nehmen, und welchen An¬
lass konnten wir dafür passender erachten, als grade das Jubel¬
fest dieses ältesten Medizinalbeamten-Vereins.
Sie waren uns allen vorbildlich und richtungsgebend. Diesem
Vorbilde nachzueitern nnd ihm möglichst nahe zu kommen, ist
unser ernstes Bestreben. Eines aber, werte Fachgenossen, können
wir Ihnen nicht nachmachen, und das ist Ihr hochverehrter Prä¬
sident! Es ist bewundernswürdig, mit welcher Leichtigkeit er
die schwere Bürde seines Amtes trägt und mit welcher Unermüd¬
lichkeit und wahrem Bienenfleiß er neben seinen Bernfspflichten
bei seiner Aufgabe als Redakteur Ihrer angesehenen und ausge¬
zeichneten Fachzeitung am Werke ist. Möge Ihnen dieser be¬
währte und siegreiche Führer auch fernerhin noch viele Jahre
erhalten bleiben! Dem Verein selbst nnd dem Deutschen Medi¬
zinalbeamten-Verein rufe ich aus ganzem Herzen zu: Vivant,
crescant, floreant in aetemum!
(Lebhafter Beifall.)
Vorsitzender: M. H.! Gestatten Sie mir, im Namen des
Vereins allen denjenigen Herren, die soeben den Verein zu seinem
Jubiläum in so liebenswürdiger und anerkennender Weise begrüßt
haben, sowohl‘den Vertretern der verschiedenen Deutschen Ban¬
desstaaten und den betreffenden Regierungen, als den Vertretern
der Medizinalbeamtenvereine unseren verbindlichsten Dank aus-
zusprechen. Hoffentlich gehen alle Wünsche, die Sie für das
weitere Gedeihen unseres Vereins hier zum Ausdruck gebracht
haben, in Erfüllung! Besonders danken möchte ich noch dem
Vertreter des jüngsten Medizinalbeamten-Vereins, dem Herrn
Kollegen Dr. Paul. Er hat für mein Versehen glühende Kohlen
auf mein Haupt gesammelt, nnd meiner Tätigkeit in so rühmender
Weise gedacht, daß ich ganz beschämt bin. Ob ich das Lob
wirklich in dem Maße verdiene, muß erst noch die Zukunft
zeigen.
14
BrOflauBg d«r VwainiDlaBg.
H. Gheh. M6d.>Bat Dr. Schlüter, Kreisarzt in Gütersloh:
Hochverehrte Festversammlimgt Bei der letzten Haaptversamni’
lang des Preußischen Medizin^beamten* Vereins im vorigen Jahre
in Göln wurde einstimmig die Ansammlung eines Stiftungs-
fonds beschlossen, zu dem bereits die Sammlnngen eingelmtet
waren nnd der in erster Linie Unterstfltzungszwecken dienen
sollte. Ferner wurde der vorläufige Ausschuß, der sich zum
Zwecke der Sammlung gebildet hatte, beauftragt, mit der Samm¬
lung fortznfahren und dann den gesammelten Fonds bei der Ja-
bil&umsfeier dem Vereine zu überreichen. Von 917 Mitgliedern
des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins haben sich 466, also
mehr als die H&lfte durch Zeichnung von Beiträgen beteiligt
Insgesamt hat die Höhe der Beiträge die Summe von 17405 M.
erreicht; davon sind bis zum 25. September dieses Jahres bereits
16 480 Mark bar eingezahlt, so daß njxr noch 925 Mark im Rüdi-
stande verbleiben, bei denen die Zahlungstermine noch nicht fällig
sind. An Zinsen sind inzwischen dem Fonds rund 615 Mark zu¬
gewachsen, so daß die Gesamthohe der Bareinnahme 17095 Mark
beträgt. Von dieser Snmme sind 10000 Mark in 3Vt prozentiger
preussischer Staatsanleihe angelegt, die anf den Namen des Ver¬
eins in das Staatsschuldbuch eingetragen sind. Ferner sind
6000 Mark 4prozentige preussische Staatsanleihe vom Jahre 1908
gezeichnet, die ebenfalls in das Staatsschnldbnch eingetragmi
werden, und 1000 Mark westfälische 4prozentige Provinzialanl^e
gekanft, so daß noch ein Bankguthaben von rund 460 Mark ver¬
blieben ist. Von dem in Wertpapieren angelegten Betrage sind
jährlich 630 Mark an Zinsen zu erwarten.
Der Ausschuss hat mich beauftragt, den Stiftungsfonds am
heutigen Tage dem Verein zu überreichen nnd Ihnen zu empfehlen,
nunmehr den Vorstand zu beauftragen, der nächstjährigen Haupt¬
versammlung Vorschläge über die weitere Behandlung der An^
legenheit, namentlich über die Verwaltung, Verwendung nsw. des
Stiftungsfonds zu machen.
(Lebhafter BeilalL)
Vorsitzender: M. H.! Ich darf wohl im Namen des Ver¬
eins den dargebrachten Stiftnn^sfonds annehmen nnd denjenigen
Herren — es sind besonders die Stifter des Vereins gewesen —,
von denen der Gedanke zu einei* Sammlung ansgegangen ist,
unseren herzlichsten Dank aassprechen, desgleichen aUen denen,
die zu demselben beigetragen haben. Möge sich der Fonds in
künftigen Jahren noch recht vermehren! Mögen insbesondere alle
diejenigen Herren Kollegen, die in glänzenden VermOgensverhält-
nissen sich befinden — es soll ja anch unter den Medizinal¬
beamten solche geben (Heiterkeit) — anch des Stiftungsfonds
jederzeit eingedenk sein! Vielleicht unterstützt uns in dieser
Hinsicht die Beichsregierung; denn wenn das von ihr angeblich
in Aussicht genommene Steuerprojekt, wonach alle Elrbschaftes
beim Fehlen von Verwandten ersten und zweiten Grades an dm
Staat fallen sollen, zur Verabschiedung gdangen sollte, diAs
StOffBUBg d«r Versamiiüiuig.
15
werden die Medizinalbeamten ohne nähere Verwandte doch sichei'-
lich BO klag: luid den Medizinalbeamten7erein lieber recht-
zeitig testamentarisch als Erben einsetzen, als ihr Erbe dem
Fiskus zafstllen lassen (Heiterkeit).
M. H. I Wenn Sie die in der Panse zur Ausgabe gelangende
Liste der Beiträge za dem Stiftongsfonds einsehen, so werden
Sie finden, daß noch mancher Name fehlt; hofientlich trägt die
heutige Jubelfeier dazu bei, daß auch die noch fehlenden Mit¬
glieder ihr Scherflein beisteaem and weitere Zuwendungen nicht
aasbleiben werden. Gegen den Vorschlag des Ansschusses
dürften Einwendungen wohl nicht zu machen seiu; ich werde mir
außerdem erlauben, die Angelegenheit morgen bei Gelegenheit
des Berichts über die Eassenrevision noch einmal zur Erörterung
zn bringen, and frage, ob die Herren damit einverstanden sind.
(Allseitige Zostimmiuig.)
M. H.I Der Preußische Medizinalbeamten • Verein ist wohl
der einzige von allen Vereinen, der seit seinem 25 jährigen Be¬
stehen niemals ein Ehrenmitglied gehabt hat, mit Ausnahme
unseres hochverehrten Herrn Ehrenvorsitzenden, des verstorbenen
Geh. Med.-Rats Dr. Eanzow. Wenn ich vorher in meiner Er-
öfinungsrede eines Mannes gedacht habe, der aus unseren Reihen
hervorgegangen ist und auf den wir besonders stolz sein mttssen,
ich meine Robert Eoch, dann darf ich wohl auch auf Ihre Zu¬
stimmung rechnen, wenn der Vorstand Ihnen vorschlägt, diesen
größten Forscher und Begründer eines ganz nenen Zweiges der
medizinischen Wissenschaft, der Bakteriologie, am Tage unserer
Jubiläumsfeier in Anerkennung seiner außerordentlichen und un¬
vergänglichen Verdienste auf dem Gebiete der öfientlichen Ge-
snndheitspfiege zu unserem Ehrenmitgliede zn ernennen. I(^
frage, ob Sie mit diesem Vorschläge des Vorstandes einver¬
standen sind?
(Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)
H. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Strassmann-Berlin: M. H.!
Im Anschluß an den Antrag, dem Sie soeben zugestimmt haben,
möchte ich Ihnen noch einen zweiten Antrag des Vorstandes vor¬
legen. Wenn der Herr Vorsitzende hierüber vielleicht erstaunt
ist, so darf Sie das nicht Wunder nehmen. Es handelt sich näm¬
lich um einen Antrag des Vorstandes, der in einer Sitzung be¬
schlossen worden ist, die nicht ordnungsmäßig berufen und nicht
vollständig besucht war; denn sie hat in Abwesenheit und ohne
Wissen unseres Herrn Vorsitzenden getagt. Wie die Verschwörer
haben sich die übrigen Vorstandsmitglieder gestern Abend hinter
einem Pfeiler des Restaurationssaales im Abgeordnetenhause zn
diesem Beschlüsse vereint.
Aber, m. H., dieser Mangel, die Tatsache, daß es sich nur
um einen Antrag des gewissermaßen geköpften Vorstandes han¬
delt (Heiterkeit), ist auch das einzige, glaube ich, was Sie unserem
Anträge vorwerfen werden. Mit dem materiellen Inhalt sind Sie,
wie wir glauben, in hohem Grade einverstanden, so daß Sie über
16
SrOffniug der Vemmmlung.
diesen formellen Mangel jedenfSsUs hinwegsehen ▼erden. Wir
beantragen nämlich, honte znm Jnhiläom des Vereins noch ein
zweites Ehrenmitglied zn wählen, unseren ersten Vorsitzendoi,
den Geheimrat Dr. Bapmnnd.
(Alleeitiger BeilalL)
Der allseitige Beifall, den Sie eben geänßert haben, sowie
die anerkennenden Worte, die schon yorher Seine Exzellenz, der
Herr Minister, nnd unser Freund ans Oesterreich Aber die lang¬
jährige Tätigkeit unseres Vorsitzenden gesprochen haben, machen
es wohl unnötig, daß ich diesen Antrag weiter begründe. Ich
glaube, ich kann darauf verzichten. Wer die O^eschichte unseres
Vereins während dieses ganzen Vierteljahrhnnderts kennt, der
weiß, daß noch niemals ein ähnlicher Antrag mit größerer Be¬
rechtigung gestellt worden ist als der, Bapmnnd znm Ehren-
mitgliede des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins zu wählen.
(Lebhafter BeifalL)
Vorsitzender: Hochverehrte Festversammlnng! Die neue
Ehrung kommt für mich ganz überraschend; denn ich habe wirk¬
lich geglaubt, daß am heutigen Tage nur einem die Ehrenmit-
gliedschaft zuteil werden würde. Sie hänfen so viele Ehren auf
mein Haupt, daß mir ob derselben bange wird. Ich will mich
jedoch bemühen, sie in aller Bescheidenheit zu tragen nnd ins¬
besondere mit allen meinen Kräften dahin streben, mich der höchsten
Ehre, die der Verein zn vergeben hat, auch würdig zn zeigen. Sie
ist mir der schönste Beweis für das außerordentliche Vertranen,
das Sie bisher stets meiner Tätigkeit als Vorsitzender entgegen¬
gebracht haben, und gibt mir die Gewähr, daß dies auch künftig
der Fall sein wird, so lange Sie mir dieses Amt anvertranen.
Gleichwohl möchte ich daran die Bitte knüpfen, daß mir die vielen
Freundlichkeiten nnd die grosse Anhänglichkeit der Medizinal¬
beamten, die mir in den vielen Jahren, in denen ich die Geschäfte
des Vereins geleitet habe, entgegengebracht sind, auch bis in
alle Zukunft gewahrt bleiben mögen 1 Sie können rersichert se^
dass ich alles autbieten werde, dies schöne FrenndschaftsverhältiiiB,
dies grosse Vertranen mir zn erhalten, damit Sie niemals den
Tag zu bereuen brauchen, an dem Sie so viele Ehren auf mich
gehäuft haben. Nochmals vielen, vielen Dank!
(Lebhafter BeifalL)
M. H.l Ehe wir nun znm nächsten Gegenstand unserer
Tagesordnung übergehen, möchte ich im Namen des Vereins noch
dem Ortsausschuss danken, der sich in diesem Jahre ans den
Berliner Kollegen gebildet nnd mit vieler Mühe alles anfgeboten
hat, um unsere Festfeier so vorzubereiten, dass diese sicherlich
einen in jeder Weise befriedigenden Verlauf nehmen wird.
Nicht minder möchte ich an dieser Stelle auch den Vereins¬
mitgliedern danken, die in bereitwilligster Weise sich an der
Ausarbeitung der Festschrift beteiligt haben. Die Fest¬
schrift ist von Medizinalbeamten für die Medizmalbeamten ge¬
schrieben, nnd je mehr Sie sich in das Studium derselben vor-
Geseb&fti* oad Kassenbericht; Wahl der Eassenrevlsoien.
17
tiefen werden, desto mehr werden Sie finden, dass sie eines
solchen Stndinms auch wert ist, nnd den Mitarbeitern daffir
dankbar sein werden.
Namentlich gebtthrt dieser Dank aber dem Bedaktionsans-
schaß, den Herren Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner,
Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Strass mann nnd Geh. Med.-Bat Dr.
Fielitz, die sich bei der Fertigstellung der Zeitschrift besondere
Verdienste erworben nnd yor allem dafür gesorgt haben, dass der
einheitliche Obarakter des Werkes trotz der grossen Zahl der
Mitarbeiter tunlichst gewahrt geblieben ist.
(Lebhafter Beifall.)
II. Beschäns- Md Kasseibericht;
Vlahl der Kassenrevisorei.
H. Geh. Med.-Bat Dr. Fielitz, Kreisarzt in Halle a. S.,
Schriftführer: M. H.1 Der Geschäftsbericht ist, wie in den
früheren Jahren, ziemlich knrz; das ist immer ein Zeichen, daß
es nicht zn Differenzen innerhalb des Vereins, speziell zwischen
den Mitgliedern nnd dem Vorstande gekommen ist.
Die auf der yorjährigen Hanptyersammlnng gefaßten Be¬
schlüsse betrafen hauptsächlich die diesjährige Jnbilänms-
feier unseres Vereins und die Ansammlung eines Stittnngs-
fonds. Ueber ihre Ausführung hat bereits der Herr Vor¬
sitzende in seiner Eröffnungsrede, sowie Herr Geh. Med.-Bat
Dr. Schlüter bei der Ueberreichung des Stiftungsfonds be¬
richtet. Betreffs der Festschrift möchte ich nur noöh bemerken,
daß es mit Bücksicht auf die großen Kosten, die ihre Herstellung
yeranlaßt hat, dringend erwünscht ist, wenn jedes Mitglied,
wenigstens des Preußischen Medizinalbeamtenyereins, ein Exemplar
kauft, damit unsere Kasse nicht einen Zuschuß zu leisten hat,
sondern im Gegenteil einen solchen erhält. Wir werden infolge¬
dessen nach dem Trick mancher Buchhändler jedem Mitgli^e
ein Exemplar demnächst zugehen lassen und hoffen, daß bei dem
billigen Preise keines derselben znrückkommt (Heiterkeit). Ich
darf wohl annehmen, daß die Versammlung mit diesem Verfahren
einyerstanden ist.
(Es erhebt sich kein Widersprach.)
Weiterhin habe ich zu erwähnen, daß Herr Geh. Med.-Bat
Dr. Barn ick die im Vorjahre auf ihn gefallene Wahl zum Vor¬
standsmitglied leider nicht angenommen hat; der Vorstand hat
demzufolge auf Grund des § 5, Abs. 1 der Satzungen Herrn Beg.-
nnd Med.-Bat Dr. y. Hake in Marienwerder kooptiert, damit
auch wieder der Osten der Monarchie im Vorstande yertreten ist.
Dem yorjährigen Beschlüsse gemäß ist der Verein in das
2
18
Geschäfts- and Kassenbericht; Wahl der Kassenreyisoren.
Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin Mitte unter dem
8. Angnst d. J. eingetragen.
Die Mitgliederzahl hat während des verflossenen Jahres
eine Höhe erreicht, wie nie znvor; ein äußerst gflnstiges Pro¬
gnostiken fflr die Lebenskraft und das weitere Gedeihen unseres
Vereins in dem jetzt beginnenden neuen Vierteljahrhundert. Am
Schluß der vorjährigen Hauptversammlung betrug die Zahl der
Mitglieder 899; davon sind 22 verstorben und 23 ausgetreten, da¬
gegen 63 Mitglieder neu eingetreten, so daß z. Z. die Gesamtzahl
917 beträgt.
Verstorben sind folgende Mitglieder:
1. Dr. Andr4e, Med.-Rat, Kreisarzt in Linden b. Hannover.
2. - Baer, Geh. Medizinalrat, Kreisarzt in Berlin.
3. - Baserin, Kreisnssistenzarzt in Neidenburg (Ostpreußen).
4. - Beoker, Geh. Med.-Rat in Hannover.
5. - Ben da, Med.-Rat, Kreisarzt in Angermiinde.
6. - Blokusewski, Kreisphysikus a. D. in Niederbreisig a. Rh.
7. - Bohm, Kreisarzt in Stremen (O.-Schl.).
8. - Gorke, Kreisarzt in Frankenstein (Schlesien).
9. - Grandhomme, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Frankfurt a. M.
10. - Halle, Med.-Rat, Kreisarzt in Burgdorf (Hannover).
11. - Heise, Med.-Rat, Kreisarzt in Gulm (Westpr.).
12. - Herrmann, Kreisarzt in Dirsebau.
13. - Herwig, Med.-Rat, Kreisarzt in Rheinbaoh (Rheinprov.).
14. - Holz, Med.-Rat, Kreisarzt in Bromberg.
15. - Ja CO bi. Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Breslau.
16. - Maass, Spezialarzt für Chirurgie in Landsberg a. d. Warthe.
17. - Massmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Dramburg (Pommern).
18. - Meinhardt, Med.-Rat, Kreisarzt in Anklam (Pommern).
19. - V. Münohow, Med.-Rat, Kreisarzt in SwinemUnde (Pommeru).
20. - Richter, Med.-Rat, Kreisarzt in Peine (Hannover).
21. - Schäfer, Kreisarzt in Bernkastel (Rheinprov.).
22. - Vietor, Med.-Rat, Kreisarzt in Hersfeld (Reg.-Bez. Cassel).
Vorsitzender: M. H.I Unter den Verstorbenen sind wieder
eine große Zahl von denen, die in unseren Versammlungen fast
nie gefehlt haben und deren Dahinscheiden uns deshalb doppelt
schmerzlich ist. Die Zahl der Verstorbenen ist leider wieder
außerordentlich groß. Auf unserer vorletzten Hauptversammlung
äußerte ich die Ansicht, dass die Sterblichkeit unter den Me¬
dizinalbeamten verhältnismässig sehr hoch sei, und dass es des¬
halb sehr erwünscht wäre, wenn ein jüngerer Kollege sich der
Mühe unterziehen würde, dieses zahlenmässig nachzuweisen. In¬
zwischen ist dies unter meiner Mitwirkung durch den Kollegen
Dr. Hillenberg geschehen und die von ihm auf Grund zu¬
verlässigen Materials ansgearbeitete Statistik hat diese Ansicht
voll bestätigt. Möge das künftige Vierteljährhundert unseres
Vereins in ^eser Hinsicht eine günstige Wendung bringen und
die Sterblichkeit nicht nur wie bisher bei der Bevölkerung im all¬
gemeinen, sondern speziell bei den Medizinalbeamten eine wesent¬
liche Abnahme erfahren. — Das Andenken der im letzten Jahre
Verstorbenen lassen Sie uns aber dadurch ehren, dass wir uns
von unseren Plätzen erheben.
(Geschieht.)
Geschäfts’ und Esssenbeiicht; Wahl der EassenreTlsoreD.
19
H. G^eh. Med.’llat Dr. Fielitz-Halle a. S., Schriftführer:
Ich komme nan za dem Kassenbericht. Die Einnahmen and
Ansgaben stellen sich wie folgt:
a) Einnahmen:
Mitgliederbeitiäge . . . 13626,00 Mark
Zinsen.». . 165,97 ,
Summa: 18791,97 Mark
b) Ausgaben:. . 18126,68 ,
Ueberschuß: 666,34 Mark
M. H.! Ich habe in diesem Jahre, am eine etwas andere Kassen*
fQhrnng einzorichten, — weil mir daran lag, immer bis za dem
Versammlangsbericht abzaschliessen and so eine genane üeber*
sicht über den wirklichen Kassenbestand za erhalten — anseren
Vorsitzenden gebeten, von einer Prttfangskommission die ganzen
Bechnangen nachprüfen za lassen, seitdem ich die Kasse ver¬
walte. Dies ist geschehen onter Beteilignng von nnserem Kol¬
legen Herrn Geh. Med.-Rat Dr. Schlüter and einem Kassen-
sachverständigen. Die Prüfanghat stattgefaoden; es ist alles in
Ordnang befanden and aach eine Zasammenstellang über das Er¬
gebnis für die Information der Kassenrevisoren aafgestellt. Ich
bitte nan diese za wählen; dabei dürfte es sich empfehlen, die
Prüfung der Rechnungen erst morgen vorzanehmen, da heute die
Zoit fehlen dürfte, um die ganzen Unterlagen zu erläutern and
darchzasehen.
M. H.I Unsere Kassenverhältnisse haben sich im Laufe
der letzten Jahre so gestaltet, dass wir jetzt in der Lage sein
werden, die zweite Hälfte des Abonnementsbetrages für die Zeit¬
schrift für Medizinalbeamte schon im laufenden Jahre bezahlen zu
können und nicht mehr wie bisher unter Zuhilfenahme der Mit¬
gliederbeiträge des folgenden Jahres. Die Kosten der Jabiläoms-
feier werden allerdings nicht unbeträchtlich sein; deshalb ist es
eben dringend erwünscht, daß der Vereinskasse aus dem Absatz
der Festschrift ein Ueberschuß erwächst, der mit Sicherheit zu
erwarten steht, wenn alle Mitglieder ein Exemplar kaufen.
Vorsitzender: Als Kassenrevisoren schlage ich vor Herrn
Geh. Med.-Rat Dr. Schlüter-Gütersloh, der die Unterlagen für
den Kassenabschluß schon dorchgesehen hat, und Herrn Med.-
Rat Dr. Herr mann-Bitterfeld, der in den früheren Jahren
wiederholt die Kassenrechnung mit revidiert hat und demnach
genau damit vertraut ist. Sind Sie damit einverstanden?
(Allseitige Zustimmung.)
Zum Schloß möchte ich noch ein Telegramm verlesen, das
soeben eingegangen ist von Sr. Exzellenz Herrn Wirkl. Geh. Rat
V. Pilgrim-Minden, meinem früheren hochverehrten Regierungs¬
präsidenten, der sich jederzeit, namentlich während seiner Tätigkeit
als Landtagsabgeordneter, der Interessen der Medizinalbeamten
warm angenommen hat. Das Telegramm lautet:
,Mit regem Interesse anteilnehmend an dem Blühen des
2*
20
Dr. Fltkgge.
segensreichen Vereines, sende ich den vielen zn seinem Jnbilänm
versammelten Mitgliedern herzlichste Glflckwflnsche!“
(Lebhafter Beifall,)
Ich darf wohl später noch persönlich in Ihrem Namen
danken.
III. Oie hygieHische Koatrolle zeatraler Vlasser-
versorguagen.
Prof. Dr. Flügge, Geh. Med.-Rat in Breslau: Meine Herren!
Die Kontrolle von Wasserversorgungen hat für den Medizinalbeamten
ein besonderes Interesse gewonnen, seit gesetzliche Bestimmungen
erschienen sind, welche dem Medizinalbeamten die Aufsicht über
die Wasserversorgung in sanitärer Beziehung übertragen. Die
erste dieser gesetzlichen Bestimmungen ist enthalten im E[reis-
arztgesetz, die zweite in einer durch Bundesratsbeschluß vom
16. 6. 1906 den Regierungen mitgeteilten, und durch Verfügung
der Minister des Kultus und des Innern vom 23. 4. 1907 den
beteiligten Preußischen Behörden und Beamten an die Hand ge¬
gebenen „Anleitung für Einrichtung, Betrieb und Ueberwachnng
öffentlicher Wasserversorgungsanlagen**. Es ist demnach keine
Frage, daß der Medizinalbeamte mit der Kontrolle der Wasser¬
versorgungen sich vertraut machen muß. Anderseits aber ist
diese Kontrolle nicht in schematischer und oft nicht in einfacher
Weise zn erledigen, sondern erfordert unter Umständen ein recht
kompliziertes Vorgehen, das außerdem im Laufe der letzten
Jahre noch ziemliche Wandlungen erfahren hat.
Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, die sämtlichen
Methoden, welche für eine Prüfung und Kontrolle von Wasser-
versorgnngsanlagen in Betracht kommen, Ihnen vorzutragen.
Eine gewisse Einschränkung habe ich bereits in der Fassung des
Themas gegeben, indem ich ausdrücklich nur die Kontrolle
zentraler Wasserleitungen als meine Aufgabe bezeichnet habe.
Damit sollen ausgeschlossen sein alle die Methoden, welche sich
auf die Neuanlage von Wasserversorgungen beziehen; nur die
fortlaufende Ueberwachnng und Kontrolle möchte ich hier be¬
sprechen. Und ferner habe ich die lokalen Wasserversorgungen
nicht berücksichtigt, sondern lediglich die zentralen, welche für
den Bedarf einer größeren Menge Menschen angelegt werden und
deshalb naturgemäß unser besonderes Interesse in Anspruch
nehmen.
Aber auch unter den zentralen Wasserversorgungen werde
ich angesichts der knappen mir zur Verfügung stehenden Zeit
eine gewisse Auswahl treffen müssen. — Die verschiedenen
derartigen Anlagen sind offenbar nicht gleichwertig, weder in
bezug auf die sanitären Gefahren, die sie bringen, und auf die
Notwendigkeit, fortdauernd kontrolliert zu werden, noch hinsicht¬
lich der Erfolge, welche die Kontrolle aufweisen kann. S^e ich
Die bygienlBclie Kontrolle zentraler Waszerrersorgnngen.
21
▼on selteneren Arten der Wasseryersorgnng, wie z. B. derjenigen
ans Talsperren oder ans Bergwerken ab, so sind es hanptsächlich
1) Qaellwasserversorgnng, 2) Gmndwasserversorgnng, 3) Ver¬
sorgung mit natttrlich filtriertem Flußwasser, und 4) Versorgung
mit kfinstlich filtriertem Oberfiächenwasser, die in Betracht kommen.
Die Qu eil Wässer geben viel häufiger zu Infektionen Anlaß,
als man das früher gedacht hat. Ich kann in dieser Be¬
ziehung nur auf die ausgezeichneten Ausführungen meines
Kollegen Gärtner verweisen, der erst kürzlich gezeigt hat, wie
leicht Quellwässern auf ihrem Wege durch Klüfte und Rinnen
im Gestein suspendierte Partikelchen und Bakterien aller Art,
darunter auch pathogene, zngeführt werden können. Namentlich
reichliche Niederschläge und Aendernngen der unterirdischen
Wasserniveaus geben hier zu einer Verschlechterung Anlaß, die
oft zuerst durch sichtbare Trübungen, demnächst durch reich¬
liche Bakterien sich zu erkennen gibt. Eine ganze Reihe von
Typhusepidemien sind in der lezten Zeit auf diese Art von
Quellwasserinfektion znrfickznführen; Gärtner erwähnt in
seiner Schrift deren 25, darunter die bekannten Epidemien in
Paris 1894 und 99, in Paderborn 1898, in Weimar und Apolda
1898. — Die fortlaufende Kontrolle kann leider bei diesen Ver¬
sorgungen wenig vorbeugend wirken. Treten bei besonderen
Niederschlagsverhältnissen Trübungen und reichlicher Bakterien¬
gehalt auf, so ist das immer ein Zeichen, daß die Anlage
fehlerhaft ist, nnd daß eine gründliche Aendernng dieser versucht
werden muß. Zur genaueren Untersuchung der fehlerhaften
Kommunikationen kommt dann namentlich die Anwendung von
Farbstoffen, Kochsalz, Saprol, Hefen, leicht auffindbaren Bak¬
terien etc. in Betracht. Aber das gehört alles nicht mehr in den
Bereich der laufenden Kontrolle. Durch einfache Betriebs¬
änderungen auf Grund einer Kontrolle zn helfen, das ist in
diesen Fällen fast niemals durchführbar.
Grund Wasser Versorgungen geben bei guter Auswahl des
Terrains, insbesondere beim Vorhandensein einer sicher filtrieren¬
den, ansreichend starken feinkörnigen Bodenschicht an der Ober-
fiäche und bei zweckentsprechender Anlage keinen Anlaß zn In¬
fektionsgefahr. Es ist relativ leicht, eine solche Versorgung
bakteriologisch zn kontrollieren, da das Wasser dauernd nahezu
keimfrei sein muß. Hat diese Keimfreiheit bereits eine längere
Zeit hindurch bestanden, so kommt es sehr selten und nur durch
unvorsichtige Erdarbeiten, Ausschachtungen nnd dergl., vor, daß
nachträglich der Bakteriengehalt des Wassers sich ändert.
Gewöhnlich rechnet man zn den hygienisch einwandfreiesten
Grund Wasser Versorgungen auch noch die Anlagen mit künstlich
filtriertem Flußwasser. Diese sind aber wesentlich anders
zu beurteilen. In einer großen Anzahl von Fällen haben solche
Versorgungen teils qualitativ, teils quantitativ nach einiger Zeit
versagt. Die Aendernng der Qaalität besteht hauptsächlich in
starker Keimsteigernng nach Hochwasser; auch pathogene Arten
finden sich unter diesen Keimen, insbesondere hat die Sterblichkeit
22
Dr. FlQgge.
der Kinder an Magen-Darm-Krankheiten anf derartige Keim¬
steigerangen reagiert (Dresden). Auch Typhus ist an einigen
Steilen durch solches Wasser verbreitet (Essen 1889). — Hinzu
kommt eine weitere Gefahr dieser Anlagen dadurch, daß die
Wassermenge nach einiger Betriebszeit hernuterzugehen pflegt.
Namentlich die in größerer Nähe des Flusses angelegten Brunnen,
aus denen starke Entnahme erfolgt, lassen nach verschiedener
Zeit, manchmal bald, manchmal erst nach Jahren, erfahmngS"
gemäß eine Verschlammung des als natürliches Filter dienenden
Flußbettes erkennen. Um das immer geringer werdende Quantum
anfzubessem sind dann mehrfach die berüchtigten ^Stichrohre“
angelegt, welche das Floßwasser direkt oder nach belangloser
künstlicher Filtration dem Wasserwerk zuführen. Auch damit
ist dann selbstverständlich eine starke Steigerung des Keimge¬
haltes verbanden. — Gewiß sind nicht alle Werke, die natürlich
filtriertes Flußwasser benutzen, in gleicher Weise zu beurteilen.
Bei manchen, wie z. B. bei den Werken am Niederrhein, handelt
es sich eigentlich gar nicht um ein filtriertes Flußwasser, sondern
in der Hauptsache um Grundwasser, das in der Nähe des Flusses
in mächtigen Schichten groben Kieses sich ansammelt. Solche
Werke zeigen dauernd niederen Keimgehalt und werden auch
vom Hochwasser nicht beeinflußt. Ferner erscheinen einwandfrei
die Werke, bei welchen mindestens ein Abstand von 100—200
Meter vom Flusse eingehalten ist. Andere Werke dagegen liefern
regelmäßig, and namentlich bei Hochwasser, vorzugsweise filtriertes
Flußwasser; und wenn sie nahe am Fluß gelegen sind, so kann
dieses Wasser so schlecht filtriert sein, daß es reichliche Keime
führt. Eine gute Illustration hierfür liefern die Erfahrungen an
dem Dresdener Saloppenwerk.
Die Versorgungen mit natürlich filtriertem Flußwasser sind
daher, namentlich wenn sie die letzt gerügten Mängel zeigen,
sorgfältig zu überwachen. Die Bakterienzahlen sind festznstellen,
auch die Arten zu berücksichtigen in derselben Art, wie dies
bei den Anlagen mit künstlich filtriertem Flußwasser zu geschehen
hat, und wie ich nachher ausführlich besprechen werde. Wichtig
ist, zu ermitteln, welche Brunnen vorzugsweise die Steigerung
der Keimzahlen zeigen, und es läßt sich eventuell durch Aus¬
schluß einiger Brunnen oder Filtergallerien bei Hochwasser eine
Besserung erzielen. Im ganzen wird aber auch hier eine
Regelung des Betriebs gemäß den jeweiligen Befanden bei der
fortlaufenden Kontrolle kaum ausreichenden Erfolg haben. Diese
Art von Wasserversorgung bat eben immer etwas unheimlich
dunkles; wir können die Vorgänge, welche zur Keimvermehrung
führen, schwer übersehen und können relativ wenig zu einer
Besserung tun, es sei denn durch totale oder teilweise Aenderung
der Anlage.
Diejenige Art der Wasserversorgung, die nun aber in ganz
besonderem Grade eine laufende Kontrolle erfordert, und bei der
diese sehr erhebliches leisten kann, ist die Versorgung mit künst¬
lich filtriertem Oberflächenwasser, die wir z. B. jetzt
Die hygiesiscbe Kontrolle sentrnler Wasserrereorgungen. 28
noch in Berlin, Breslan, Hambnrg, Bremen, Magdeburg und in
zahlreichen kleineren Städten haben. Hier kommen die zur
Kontrolle dienenden verschiedenen Verfahren am ausgiebigsten
zar Anwendung; die Werke mit kfinstlicher Filtration bieten
daher das beste Paradigma, an dem sich die Gesichtspunkte
für eine Kontrolle und deren Ausführung erläutern lassen, und
von dem aus dann leicht — mntatis mntandis — Rückschlüsse
auf die Kontrolle bei anderen Wasserwerken gezogen werden
können.
Weshalb bei Filterwerken eine besonders aufmerksame
Kontrolle erforderlich ist, das ist ohne weiteres verständlich.
Wir haben hier einen Bezog von meist verdächtigem Oberflächen¬
wasser und bei dessen Reinigung durch Filter einen Betrieb, der
fortwährend durch Menschenhand geregelt wird. Hier sind fort¬
gesetzt Fehler möglich, denen durch geeignete Kontrolle vielleicht
vorgebeugt werden kann. Sehr oft haben gerade diese Werke
infolge von Betriebsstörungen zu Epidemien Anlaß gegeben. Ich
erinnere nur an die Typhus-Epidemien in Liegnitz 1888 und
1894, ferner in Berlin im Gebiet der Stralauer Wasserversorgung
1893, ferner in Altona ebenfalls 1893.
Wie läßt sich nun eine Kontrolle der Filterwerke
durchführen? Auf chemischem Wege ist das nicht möglich, da
die Wirkung der Filtration auf die chemischen Stoffe, auch auf
die organischen Substanzen, zu gering ist. Ebenso haben
mikroskopische üntersnchnngen eine hinreichend auffällige Diffe¬
renz zwischen Roh wasser und Filtrat bisher nicht ergeben. Das einzige,
worauf wir angewiesen sind, ist daher die bakteriologische
Prüfung, die in sehr verschiedener, teils einfacher, teils kom¬
plizierterer Weise vorgenommen wird.
Die einfachste Prüfung besteht in der Feststellung der
Keimzahl erstens im Filterzulauf und zweitens im Filterablanf.
Nicht gleichgiltig ist dabei die Art der Züchtung. Nährboden,
Brutschrauktemperatur, Dauer des Aufenthaltes im Brutschrank,
Art der Zählung, alles beeinflußt das Resultat. Bis jetzt wird
meistens noch die übliche Nährgelatine verwendet, die mit den
Wasserproben gegossenen Platten werden 48 Stunden bei 22 Grad
aufbewahrt und dann wird mittels Lupe die Kolonienzahl festge-
stellt. Gegen dieses Verfahren sind viele Einwendungen erhoben.
Man hat zeigen können, daß auf diese Weise bei weitem nicht
alle Bakterien, die im Wasser enthalten sind, zum Wachstum
kommen, sondern daß nur ein relativ kleiner Bruchteil derselben
aufgefunden wird. Will man möglichst vollständig alle Bakterien
des Wassers in Kolonienform vor Augen bekommen, dann muß
vor allen Dingen die Bouillon aus d&m Nährsnbstrat fortgelassen
werden, ferner auch die Gelatine; als bester Nährboden hat
sich wohl der von Hesse und Niedner angegebene bewährt,
der einfach in 100 Wasser 1 Teil Albnmose und 1 Teil Agar
enthält. Die Brutschrauktemperatur darf 25 Grad nicht über¬
steigen, die Dauer des Aufenthalts muß aber 3 Wochen betragen.
Erst dann sind wirklich aus allen Keimen erkennbare Kolonien
24
Dr. Flügge.
herYorgfegrangeii. Die Zählung erfolgt am besten mikroskopisch
und nur bei spärlich besäten Platten makroskopisch.
Man braucht nun aber ans diesen Versuchen nicht zn folgerUt
daß auch in der Praxis das Bestreben dahin gehen muß, möglichst
alle Keime zu zählen. Wir kOnnen unmöglich 3 Wochen auf
das Resultat warten, und wir kOnnen uns vielleicht ganz gut
auch mit einem Bruchteil der vorhandenen Bakterien begnügen.
Ob dieser Bruchteil ein größerer oder kleinerer ist, darauf kommt
es weniger an; dagegen wird es sehr wichtig sein, daß stets in
völlig gleicher Weise gearbeitet wird. Derselbe Nährboden,
dieselbe Temperatur, dieselbe Zeitdauer müssen jedesmal einge¬
halten werden; nur dann erhält man unter einander vergleich¬
bare Zahlen.
Es muß zugegeben werden, daß mittels der üblichen Gelatine¬
platten ein besonders kleiner Bruchteil von Keimen gefaßt wird.
Auf dem Hesse’sehen Agar wachsen unter Umständen 20 mal
so viel und mehr Kolonien, wie auf den Gelatineplatten, und wenn
wir auch bisher erfahrungsgemäß mit den Zahlen, die die Gela¬
tineplatte lieferte, ganz brauchbare Resultate erhalten haben, so
würde es doch, glaube ich, ein Vorteil sein, wenn man aUmählich
den Hesse’schen Agar oder einen ähnlichen Nährboden akzep¬
tierte und auf diese Weise stets einen viel größeren Brncht^
der vorhandenen Bakterien zur Zählung bekäme. Voraussichtlich
würde es sogar genügen, auf diesem Agar kürzere Zeit als
48 Standen zu züchten und dann mikroskopisch zu zählen. Aber
es liegen noch nicht genügend Erfahrungen darüber vor, als daß
man diese Aenderung des Verfahrens allgemein empfehlen konnte.
Non fragt sich aber weiter, wie soll die Berechnung
stattflndenP Sollen wir unser Urteil abgeben auf Grund der
absoluten Zahl der Keime, die im Filtrat gefunden sind, oder
soll das Verhältnis der durch das Filter hindurchgegangenen
Keime zu den im Rohwasser vorhandenen in Prozenten feet-
gelegt werden? In Deutschland haben wir bis jetzt fast aus¬
schließlich die absolute Zahl der Keime im Filtrat als maßgebend
angesehen. Es hat sich herausgestellt, daß auf den verschie¬
densten Wasserwerken und unter den verschiedensten Verhält¬
nissen im allgemeinen eine geordnete und hygienisch ausreichende
Filtration angenommen werden kann, wenn im Filtrat des ein¬
zelnen Filters die Zahl von 100 Keimen nicht überschritten ist.
Das ist natürlich nicht so zu verstehen, als ob 100 Keime un¬
schädlich seien, der 101. aber Schaden verursache, sondern es
ist das nur eine ungefähre Grenzzabl, die erfahrungsgemäß
für den normalen Betrieb als maßgebend angesehen werden kann.
Freilich gibt es Verhältnisse, unter denen schlechterdings
diese GrenzzaU nicht eingehalten werden kann, sondern wo z. B.
infolge eines starken Gehaltes des Flußwassers an indifferenten
Keimen die Grenzzahl weit überschritten wird, auch bei bester
Filtration. Schon durch die Untersuchungen von Fränkel und
Piefke ist festgestellt, daß die Filter nicht eine absolute Zurück¬
haltung von Keimen bewirken, sondern nur eine teilweise, und daß
Die hygienische Kontrolle zentraler Wasserrersorgnngen.
25
die Zahl der Keime im Filtrat entsprechend dem Ansteigen der
Keimzahl im Rohwasser wächst. Nnn enthalten manche Flflsse,
namentlich in der kalten Jahreszeit, ünsnmmen von Wasserbak-
teilen, die sich gerade bei relativ niederen Temperataren sehr
rasch vermehren, die anch im Filter ansgiebig wachsen and deren
Auftreten daher za einer anßerordentlichen Steigerang der Keim>
zahl im Filtrat itthrt. Ebenso pflegt manches Hochwasser enorme
Keimmengen za fahren. Unter diesen Bedingungen wird also jene
Qrenzzahl nicht eingehalten werden können. Man wird dann in jedem
einzelnen Falle noch gesondert feststellen müssen, zu welcher Kate*
gorie von Bakterien die Hauptmasse der im Filtrat gefundenen
Keime gehört; wir werden gleich sehen, daß es in der Tat Methoden
gibt, um darüber einigermaßen ins Klare zu kommen. — Im großen
ganzen ist aber daran festznhalten, daß sich die Grenzzabl von 100
Keimen zor Bearteilang des Filtrationseffekts gnt bewährt hat.
Namentlich amerikanische Hygieniker haben in den letzten
Jahren mehr die zweite Art der Berechnung verteidigt, wonach
das Prozentverhältnis der durchgegangenen Keime bestimmt
werden soll. Dieses Verhältnis soll möglichst nicht über 0,5
oder sogar picht über 0,8 ®/o, keinesfalls über l^/o hinansgehen,
d. h. also bei 10000 Bakterien im Rohwasser sollen womöglich
nur 80—50 und höchstens 100 im Filtrat auftreten, bei 100000
Keimen im Rohwasser dürfen dagegen 800—500 Keime, ja bis
zu 1000, im Filtrat sein. — Diese Art der Berechnung gefällt
namentlich denjenigen Wasserwerken besser, die mit einem zeit¬
weise bakterienreichen Flußwasser zu tun haben nnd wegen
dessen großer Keimzahl jene absolute Grenze von 100 Bakterien
oft überschreiten.
Es ist aber nicht zu vergessen, daß dann auch eine nnd
dieselbe Berechnung stets angewendet werden muß, und da zeigt
sich sofort, daß, wenn das Flußwasser wenig Keime enthält,
bei dieser Rechnung ganz unmögliche Resultate erzielt werden.
Beispielsweise enthält das Oderwasser im Sommer meist nur
800—1500 Keime; im Filtrat fluden sich 80—50 Keime, das
entspricht einem Filtrationseffekt von 2—6°/o; es würde also
nach der Prozentrechnung eine solche Filtration unbedingt be¬
anstandet werden müssen. Manche Wasserwerke möchten gern
für die Zeiten, wo das Flußwasser hohe Keimzahlen zeigt, mit
dem Prozentverhältnis rechnen, dagegen für diejenigen Zeiten,
wo im Flußwasser wenig Keime vorhanden sind, mit den abso¬
luten Ziffern. Das wäre aber eine zu weit gehende Konzession.
Wo liegt da die Grenze für die eine und für die andere Art der
BerechnungP Außerdem muß, wenn eine große Zahl von Keimen
im Rohwasser ein immerhin noch genügendes Prozentverhältnis im
Filtrat veranlaßt, wenigstens festgestellt werden, ob denn die
zahlreichen durchgegangenen Keime unschuldiger Art sind oder
nicht. Sind viel verdächtige darunter, so sind sie natürlich
nicht belanglos, selbst wenn der durch das Filter hindurch-
gegangene Bruchteil der Rohwasserkeime sehr klein ist und noch
innerhalb der zulässigen Grenzen liegt.
26
Dr. Flfigge.
Um in dieser Beziehnngf ein richtiges Urteil zn gewinnen, muß
man sich in den FiltrationsYorgang etwas genauer hineindenken.
Wir wissen, daß die Zurflckhaltung der Keime znm größten Teil
bewirkt wird durch die Schlammdecke, die sich auf dem Filter
durch eine Wucherung von Algen und Bakterien bildet, zweitens
aber auch durch die schleimige Auskleidung, welche sich fast
durch die ganze Sandschicht des Filters erstreckt und ebenfalls
zahlreiche Bakterien enthält; drittens kommt eine gewisse
Zurückhaltung durch die Sandteilchen selber zustande, an deren
Fläche auch ohne auskleidende Schleimschicht manche Keime
haften bleiben. Die Bakterien des Filtrats setzen sich stets zu¬
sammen aus solchen Keimen, die sich von den im Filter befind¬
lichen und zum Teil dort gewucherten abgelöst haben, und
zweitens aus solchen, welche aus dem frischen Abwasser stammen
und durch das Filter einfach hindurch getreten sind. Der letztere
Anteil ist der hygienisch weitaus wichtigere, während die im Filter
enthaltenen Bakterien gi’ößtenteils zu den Saprophyten gehören,
die bei den niederen Temperaturen des Filters noch kräftig
wuchern. Hier und da können wohl auch bedenklichere Arten
znrfickgehalten werden, doch haben sie im Ganzen ungünstige
Gelegenheit zur Vermehrung und werden daher fast stets sehr
in der Minderzahl sein. Wie nun aber im Filterablauf das
Verhältnis zwischen den sogenannten Filterbakterien und den
durchgegangenen Bakterien sich gestaltet, das ist von den ver¬
schiedensten Umständen abhängig und im Einzelfall immer unbe¬
kannt. Kennten wir dieses Verhältnis, dann würde in der
Tat die Prozentberechnnng ein brauchbares Besnltat ergeben.
Da aber beide Anteile für uns (abgesehen von Versuchen mit be¬
sonderen Bakterien, die zn Studienzwecken dem Rohwasser zu¬
gefügt werden) stets ein X sind, so ist es unmöglich, eine prak¬
tisch brauchbare Prozentberechnnng einznführen.
Für beide Berechnungsarten ist es jedenfalls oft nötig,
darüber klar zu werden, ob die im Filtrat gehäuft vorkommenden
Keime als unschädliche oder als verdächtige anzusprechen sind.
Nach dieser Richtung sind in den letzten Jahren eine ganze
Menge die einfachen Zahlenergebnisse ergänzender Ver¬
fahren angegeben. — Am vollkommensten lösen wir natürlich die
Aufgabe, die gefundenen Keime vom sanitären Standpunkt aus
zn beurteilen, wenn wir unter ihnen direkt menschliche
Krankheitserreger nach weisen können. Wie Sie wissen,
ist z. B. für Cholerabakterien ein Verfahren ausgearbeitet, bei
dem sich große Mengen von Wasser zur Untersuchung verwenden
lassen und mit dem es in der Tat relativ leicht gelingt, auch verein¬
zelte Cbolerakeime zu isolieren; doch ist hier die Verifizierung
gegenüber harmlosen Wasservibrionen schwierig und daher nur
einzelnen Instituten Vorbehalten. — Für Typhusbakterien und
andere menschliche Krankheitserreger befinden sich die ent¬
sprechenden Verfahren noch mehr im Versuchsstadinm. Wir
werden daher im allgemeinen mehr darauf ausgehen müssen,
andereKeime im Wasser nachzuweisen, die uns als Indikatoren
Die hygienische Kontrolle zentraler Wasserrcrsorgungen. 27
dienen können für eine yerdächtige VerschmntznnK des Wassers.
In dieser BichtnnK sind folgende Methoden yersn^t:
Als überholt können die Versuche gelten, aus der Zahl
der Arten Schlüsse zu ziehen, oder aus besonderer Zählung
derjenigen Bakterien, welche riechende Produkte geben und die
Gelatine yerflüssigen, oder aus Tieryersuchen mit dem Gemisch
yon Bakterien. Wichtiger ist dagegen eine Prüfang, die darauf
ausgeht festzustellen, wieyiel Keime yorhanden sind, die bei
höherer Temperatur wachsen, entweder nur bei 87 Grad
oder, wieEjkmann will, sogar bei 46 Grad. Es ist in der Tat
auffällig, daß außerordentlich yiele aus dem Wasser gezüchtete
Arten bei diesen höheren Temperaturen sich gar nicht yermehren.
Wenn der Prozentsatz an thermophilen Keimen ein erheblicher
ist, so werden schon kleine Mengen Wasser nach Zusatz yon
Peptonbouillon und nach 24 Stunden bei 37 Grad Trübung durch
Bakterienwucherung zeigen. Petruschky bezeichnet als „Thermo*
philentiter* die Anzahl Kubikzentimeter Wasser, welche noch
positiy Ausschlag geben; Titer 1 heißt also, daß 1 ccm Wasser
noch Trübung ergibt. Schon das Ergebnis dieser Probe wird in
yielen Fällen darüber Aufschluß geben, ob die Keime in der
Hauptsache yerunreinigtem Bohwasser entstammen und in merk¬
licher Zahl in das Filtrat übergehen, obwohl sie in Bezug auf
Vermehrung im Filter hinter psychrophilen Keimen stark
Zurückbleiben. — Man kann dann noch weiter gehen, indem
man gewisse Eigenschaften dieser thermophilen Bak¬
terien prüft. Ejkmann empfiehlt z. B., in Kölbchen mit zucker¬
haltigem Nährsubstrat die Gärwirkung zu beobachten. Ganz
besonders aber hat man die Säure- und Gasbildung bei
Züchtung in Dextrose-Bouillon oder milchzuckerhaltigen Nähr¬
böden beobachtet, um daraus auf die Golinatnr der gewachsenen
Keime znrückschließen zu können. Die Methoden zum Colinach-
weis sind yielfach yariiert; wir benutzen in Breslau eine Mischung
yon 5 gr Milchzucker, 2^/, gr Pepton, 100 Wasser und Lakmns-
Zusatz und yerfahren meist derart, daß je 50 ccm Wasser mit
5 ccm dieser Nährlösung yersetzt und dann in yerschiedenen
Mengen in Böhrchen abgeiüllt werden, sodaß z. B. 10 mal
1 ccm, 5 mal 2 ccm, 2 mal 5 ccm und 2 mal 10 ccm zur
Beobachtung kommen. Man findet dann unter Umständen einen
sehr niedrigen Colititer, d. h. es zeigen schon yon den Proben
yon je 1 ccm mehrere Proben deutliche Bötung, oder aber
der Colititer liegt sehr hoch, d. h. man findet höchstens in den
Proben mit 10 ccm — evtl, auch sogar erst bei 100 ccm — eine
Botfärbung. Weitere Differenzierung mit Platten und feineren
Methoden ist unter Umständen dringend wünschenswert bezw.
erforderlich.
Ich will mich hier nicht einlassen auf eine Besprechung des
Wertes des Colititers im allgemeinen. Es ist wohl keine Frage,
daß für eine Beurteilung von Wässern yerschiedener Herkunft
die Benutzung des Colititers recht angreifbar und noch yon zweifel¬
haftem Wert ist. Aber darauf kommt es hier nicht an. Hier
28
Dr. Flflgge.
handelt es sich nm fortlanfende Beobachtungfen bei einem Wasser
nnd namentlich dämm, ob im Filterablanf getändene Keime za
den harmlosen Filterbakterien geboren oder zn den ans dem Roh*
▼asser darchgegangenen Keimen; nnd weiter noch dämm, ob
nnter diesen Rohwasserkeimen zahlreichere Arten sich finden,
welche der Coligrnppe angeboren nnd mit einer gewissen Wahr*
scheinlichkeit tierischen Fäkalien entstammen.
Wenn wir in dieser Weise nnser Urteil einschrinken, so läßt
sich, glanbe ich, ans den geschilderten Methoden doch mancherlei
Wichtiges entnehmen; sie setzen nns in der Tat in die Lage,
dann, wenn die Keimzahl des Filtrats abnorm hoch ist, einen
Entscheid darüber zn treffen, ob diese üeberschreitnng als harm*
los oder als bedenklich anznsehen ist.
Somit sind wir eigentlich ganz gnt leistnngsfähig in bezng
anf die Benrteilnng der Filterwirknng. Aber ein sehr großer
üebelstand ist noch za bedenken, nämlich der, daß wir das Elr*
gebnis der bakteriologischen Untersnchnng erst so spät be*
kommen. Frühestens nach 2->-8 Tagen, oft aber, wenn z. B. die
üeberschreitnng der normalen Grenzzahl nicht sofort gemeldet
wird, noch später! Das macht nichts ans, wenn es sich bei der
Kontrolle z. B. darum handelt, festznstellen, ob ein gereinigtes
oder frisch aafgeiülltes Filter sich bereits genügend eingearbeitet
hat, oder aber noch zn viel Keime dnrchläßt. Da maß vor dem
Einlaß des Filtrats in das Rohrnetz eben gewartet werden, bis
nnsere bakteriologische Untersuchung abgeschlossen ist. Aber
außerordentlich ungünstig fällt diese VerzQgemng ins Gewicht,
wenn infolge von Betriebsstörungen, abnormer Rohwasserbeschaffen¬
heit etc. eine ungenügende Leistung eines Filters erkannt wird.
Dann kommt das Resultat offenbar viel zu spät. Das unge¬
nügend filtrierte event. schädliche Wasser ist in den 2—3 Tagen,
die bis zum Bekanntwerden des Resultats vergehen, in großen
Massen bereits in das Rohrnetz gelaufen und von der Bevölke¬
rung genossen. Eine Warnung anf Grund des bakteriologischen
Resultats hat also kaum mehr einen rechten Zweck; denn ein
Auftreten pathogener Bakterien im Robwasser pfiegt nicht längere
Zeit hindurch, sondern meist in kurzen Perioden, schubweise, vor-
zukommen. Gerade die wichtigsten Fälle von Gefährdung der
Bevölkerung werden daher trotz aller bakteriologischen Kontrolle
bestehen bleiben. Wir können aus letzterer immer nur eine War¬
nung für die Zukunft, eine Mahnung zur Vorsicht in ähnlichen
Fällen, entnehmen, aber können der Bevölkerung nicht den Schutz
gewähren, den man eigentlich von unserer Kontrolle erwarten darf.
Daher muß notwendig noch ein anderes Vorgehen die
bakteriologische Kontrolle begleiten: Wir müssen versuchen,
für jedes Wasserwerk diejenigen Momente zu ermitteln,
welche leicht zu einer Gefährdung des Wassers führen,
und wir müssen das Vorliegen solcher Momente wo¬
möglich so frühzeitig erkennen, daß noch recht¬
zeitig Vorbeugungsmaßregeln getroffen werden
können.
Die lygieoiscbe Kontrolle lentrnler WasserTersorgiingeo.
29
Manche der Momente, die fttr Filterbetriebe YerhftnKniaToll
werden können, lassen sich allgemein fixieren, nnd anf diese
ist in dem bekannten Erlaß des Beichskanzlers »Ueber
die Grundsätze für den Filterbetrieb** bereits hingewiesen.
Da findet sich z. B. die Angabe, „daß das Filter nach vollzogener
Reinigung nnd namentlich nach Ergänzung der Sandschicht eine
entsprechende Schonzeit dnrchmachen soll; daß besondere Ani>
merksamkeit nötig ist, wenn der Filterdruck abnorm hoch ge¬
stiegen ist, oder wenn er plötzlich abnimmt, oder wenn Hoch¬
wasser eintritt; es ist betont, daß die Filtrationsgeschwindigkeit
eine gleichmäßige sein nnd keine plötzlichen Schwankungen er¬
fahren soll.” Im allgemeinen reichen die dort gegebenen Vor¬
schriften wohl ans, aber sie bedürfen vom hygienischen Standpunkt
ans nnd gerade mit Rücksicht daranf, daß die bakteriologische
Feststellnng der ungenügenden Filterleistnng immer viel zu spät
kommt, doch noch einer Ergänzung durch spezielle Orientierungen
nnd Studien, von denen in jenem Erlaß nichts gesagt ist.
Für die hygienische Beschaffenheit eines Filtrats kommt
offenbar zunächst die Beschaffenheit des Rohwassers in
Betracht. Diese variiert je nach der Wahl des wasser¬
gebenden Flusses, dann aber auch, was besonders wichtig ist,
bei demselben Wasser oft sehr stark zu verschiedener Zeit. Ein
erheblicher Unterschied zeigt sich vor allen Dingen zwischen
Sommer- nnd Wintermonaten. Im allgemeinen ist das Flnß-
wasser im Sommer viel ärmer an Keimen, als im Winter;
auch die thermophilen Bakterien nnd Eoliarten werden im Sommer
an Zahl geringer. Vermutlich spielt hier die Belichtung eine
gewisse, aber nicht entscheidende Rolle. Vor allem kommt in
Betracht, daß während des ganzen Sommers die Flüsse durch¬
schnittlich niedrigen Wasserstand zeigen und daß Zofiüsse von
der Boden-Oberfiäche viel seltener erfolgen; die Niederschläge
werden im Boden znrückgehalten nnd ein oberfiächliches Ab-
dießen von Schmntzwässern findet weniger leicht statt. Erst
durch sehr starke Niederschläge wird dies erreicht, sie bewirken
aber meist zugleich Hochwasser nnd damit eine enorme Ver¬
dünnung pathogenen Materials. — Dafür freilich tritt im Sommer
eine besondere Gefahr auf schiffbaren Flüssen auf durch die
oft sehr zahlreiche nnd übertragbaren Krankheiten besonders
aasgesetzte Schifferbevölkernng. Solange übertragbare Krank¬
heiten unter den Schiffern fehlen, bleibt die von ihnen ausgehende
Veranreinigung nnmerklich und ziemlich belanglos. Kommen aber
Fälle von Typhus oder gar von Cholera unter Schiffern vor, nnd
gelangen deren Dejekte oberhalb der Wasserentnahmestelle in den
Fluß, so liegt eine Gefahr vor, die nicht unterschätzt werden
darf. Hier hilft die Keimzählung nnd Artnntersnchnng nichts;
die Choleradejekte z. B. verändern in dieser Beziehung das Wasser
nicht spezifisch, sondern nur der direkte Befand von Cholera¬
bakterien kann durch die bakteriologische Untersuchung erhoben
werden. Hier müssen daher andere, unten zu besprechende Vor¬
sichtsmaßregeln in Betracht kommen, deren wichtigste die ist.
30
Dr. Fltkgge.
daß der Hygieniker ttber den Gesnndheiteznstand der anf dem
Finsse lebenden Sehifisbevdlkernng sich möglichst genau orien¬
tiert hält.
Im Winter beobachten wir meist eine starke Eeimsteige-
mng, die im ersten Anfang des Winters vorzugsweise anf der
Vermehrung von Wasserbakterien beruht und meistens als in-
difierent angesehen werden kann. Weiterhin kommen aber gerade
im Winter bedenkliche Zuflüsse in großer Menge zum Flnßwasser
hinzu, weil alsdann ein Abspülen der Bodenoberfläche, der ge¬
düngten Felder, der Schmutzhaufen und -Gräben der Ortschaften
sich leichter vollzieht. Besonders wirkt in dieser Beziehung
Schneeschmelze, die bei uns wiederholt im Winter aufzutreten
pflegt, oder starker Regen nach längerer Trockenheit. Haben
erst einmal Niederschläge die Bodenoberfläche gereinigt, so sind
die folgenden Niederschläge relativ harmlos; insbesondere ist,
wenn große Wassermassen niedergegangen sind und Hochwasser
herbeigeführt haben, oft längere Zeit ein Freibleiben von ver¬
unreinigten Zuflüssen zu erwarten. — Merkwürdig ist noch die
Vermehrung der Zahl und Arten von Keimen, die im Oderwasser
bei der Bildung der ersten Eisschollen beobachtet wird; man
darf vielleicht annehmen, daß durch diese die an den Ufern oft
ziemlich fest haftenden konzentrierten Verunreinigungen los¬
gerissen und ins Flußwasser fibergeführt werden.
Die Perioden namentlich von stärkeren Niederschlägen nach
längerer Trockenheit oder von Schneeschmelze sind offenbar ids
besonders bedenklich anzusehen, wenn in den oberhalb des Wasser¬
werks gelegenen Gegenden übertragbare Krankheiten, wie Typhus,
verbreitet sind. Auch über die Erkrankungsverhältnisse in
diesen Gegenden muß daher der kontrollierende Hygieniker stets
unterrichtet sein.
Nun ist aber anderseits auch die Filterleistung in ver¬
schiedenen Jahreszeiten nicht gleichmäßig und zeigt meist eine
recht ausgedehnte ungünstige Periode. Diese liegt im Winter.
Man hat schon längst beobachtet, daß z. B. Typhus-Epidemien
durch das Trinkwasser von Filterwerken häufig im Winter ver¬
ursacht werden, wie z. B. die oben erwähnten Epidemien in
Liegnitz und Altona. Das liegt zum Teil sicher daran, daß sowohl
für die vollständige und rasche Ausbildung der oberen Schlamm¬
decke, wie für die die Poren des ganzen Filters auskleidende Schleim¬
schicht eine gewisse Temperatnrhöhe wünschenswert ist. Diese
Temperatur fehlt namentlich in der zweiten Hälfte des Winters;
wenn in dieser Zeit ein Filter gereinigt oder frisch mit Sand
gefüllt war, so bilden sich die wesentlich zur Filterleistung bei¬
tragenden Aigen- und Bakterienwucherungen leicht ungenügend
aus. Nicht bei allen Wasserwerken tritt das in gleicher Weise
hervor. Wo ein Flnßwasser viel Plankton und viel anoi^nische
suspendierte Teilchen führt, da stellt sich zu jeder Jahreszeit eine
gute Filterwirkung her; ist aber das Flnßwasser an diesen Be¬
standteilen arm, oder ist es gar im Winter noch ärmer daran, als
Die hygienische Kontrolle zentraler WasseiTersorgongen.
31
im Sommer, dann bleibt im Winter leicht der gewünschte Fil¬
trationseffekt aus.
Es ist einleuchtend, daß die Gefahr, die Ton einem Wasserwerk
ansgeht, am größten sein wird, wenn eine kritische Periode für
die Beschaffenheit des Bohwassers, also z. B. Krankheiten der
Schifferbevölkernng, Zufuhr bodenreinigender Niederschläge etc.,
mit einer kritischen Periode für die Filterleistung zusammenfällt,
ln solchem Falle muß offenbar mit äußerster Vorsicht gearbeitet
werden.
Eine wichtige Aufgabe des Hygienikers besteht schließlich
noch darin, daß er fortlaufend prüft, wie sich denn das Fazit der
Wasserreinigung in hygienischer Beziehung stellt, d. h. inwie¬
weit das Auftreten von Krankheiten nnd Sterbefällen in der ver¬
sorgten Bevölkerung mit einer Aeudernng in der Wasserbeschaffen¬
heit zusammengeht. Ich erinnere daran, daß in Dresden, Altona,
Berlin etc. öfter die Ausbreitung von tödlicher Enteritis bei Kindern
als Folge einer hohen Keimzahl im Wasser beobachtet ist, nnd
zwar auch gerade im Winter und Frühjahr. Und dabei ist die
Todesfall-Statistik doch noch ein recht grobes Eeagens. Viel
besser ist es, die Morbidität an Magen-Darmaffektionen als
Maßstab zu benutzen, und auch das ist, wie Prausnitz in Graz
gezeigt hat, recht wohl möglich durch Benutzung des Materials
der größeren Polikliniken nnd für Erwachsene durch das Material
der Krankenkassen.
Manchmal ist der Zusammenhang zwischen kritisch wirken¬
den Betriebsändernngen nnd den sanitären Konsequenzen nicht
gerade durchsichtig. Beispielsweise wurde vor Jahren in einem
Wasserwerk das Beinwasserreservoir mit einem neuen Anstrich
versehen und zu diesem Zweck in zwei Perioden jedesmal
die Hälfte des Bein Wasserreservoirs ansgeschaltet. Die Folge
war eine glücklicherweise nicht sehr intensive, aber über den
ganzen Versorgungsbezirk ausgebreitetc Typhnsepidemie! Der
Zusammenhang war folgender: Durch die Verkleinerung des Bein¬
wasserreservoirs waren die Druckschwankungen bedeutend ge¬
steigert, zumal die meisten Filter keine Vorrichtungen besassen,
nm trotz der Niveanändernngen im Beinwasserreservoir den Druck
gleich zu halten. Nun kam hinzu, daß es mitten im Winter war,
und daß alle Filter schlecht arbeiteten. Es kam aber weiter
hinzu, daß oberhalb der Stadt zahlreiche Typhusfälle vorgekommen
waren, und daß in jener Zeit durch eine Schneeschmelze die ober¬
flächlichen Bodenverunreinigungen massenhaft dem Flnßwasser
zngeführt wurden. Es ist nicht zu verkennen, daß durch das
Zusammentreffen dieser Umstände Typhusbazillen in das Bohrnetz
der Stadt sehr leicht gelangen konnten, und daß dies viel weniger
leicht möglich war, wenn wenigstens die abnormen Dmck-
schwankungen der Filter in jener Periode vermieden wurden.
Wir sehen somit, daß noch eine ganz andere Art von Tätig¬
keit neben der bakteriologischen Untersuchung von dem Hygieniker
ansgettbt werden muß. Er muß besondere Kenntnisse nnd
Beobachtungen sammeln über Temperatur- nnd Ni^erschlagsver-
82
Dt. FlAggtt.
hältnisse im Bekrntieraogsbezirk des Bohwassers, ttber die Er-
krankangsyerhältnisse der Schiffer and der Bewohner des
Versorgangfsgebietes. Er maß an der Hand von bakteriologi¬
schen, aach .aaf Colititer etc. sich erstreckenden Untersachangen
spezielle Stadien machen, die ebensowohl den Besonderheiten des
Abwassers wie der Eigenart der benntzten Filter gelten. Aof
Grand dieser speziellen Kenntnisse maß er dann die Wasserwerks¬
leitang beraten; er maß z. B. za gewissen Zeiten den Bat
geben, die Beinigang eines Filters hinanszaschieben oder die
frische Fttllang eines Filters schon vorznnehmen, ehe die Sand-
schicht ganz verbrancht ist, nor am einer AatfüUang in kritischer
Zeit za entgehen; er mass zn anderen Zeiten das Vermeiden aller
Drackschwankongen scharf betonen; bei schlecht arbeitenden
Filtern mass er doppelte Filtration oder Alaanzasatz and dergL
anraten; bei häafiger Wiederholang von Insnffizienzen wird er
yielleicht die Einsteilang von gleichmässiger arbeitenden ameri¬
kanischen Schnellhltern befürworten müssen and dergl. mehr.
Aber ist denn das überhanpt durchführbarP Ich meine, ja!
Diese Beratung der Betriebsleitangen von Wasserwerken ist ja
bereits in dem obenerwähnten Bandesrats-Erlass voi^esehen.
Dort heisst es z. B. im § 22:
„Es iflt Vorsorge zu treffen, daß der Betriebsleitung zaTerl&ssiger, aach-
kandiger, hygienischer Beirat stets zar Seite steht. Insbesondere hat die Be¬
triebsleitang bei Störungen oder Aenderongen im Betriebe sich rechtzeitig
Ober die gesandbeitliche Tragweite derartiger Vorkommnisse za naterrichtea
and daraat bei ihren Maßnahmen BOcksicht za nehmen.*
Und ferner heisst es in den Erlänterongen za diesem Para¬
graphen :
„Seitens des Besitzers der Wasserversorgangsanlagd ist Vorsorge za
treffen, daß der Betriebsleitang ein sachkoadiger bygienisäer Beirat jederzeit
zar Verfügung steht. Seine Aufgabe ist es, die Betriebsleitung über die
hygienische Bedeutung, über etwaige gesandbeitliche Folgen von StOroagmi
oder von Aenderungen im Betriebe aofzakl&ren and die erforderlichen Ma߬
nahmen Torzaschlagen.“
Es erheben sich hier aber zwei Schwierigkeiten; einmal ist
die Frage aafzawerfen, ob denn auch die Betriebsleitangen sidi
diese Beratung gefallen lassen werden P Manche werden sich
gewiß gern nach dieser Bichtang hin belehren und ihr Sach¬
verständnis ergänzen lassen. Bei anderen Leitern wird der Hy¬
gieniker aber vielleicht anf Widerstand stossen. In den grossen
Städten namentlich wacht man, wie Sie wissen, besonders eifer¬
süchtig darüber, dass die Bechte der kommanalen Selbstverwaltung
unverletzt bleiben, und anderseits wird doch recht oft inner¬
halb der kommanalen Behörden die Bedeutung hygienischer^ Mit¬
wirkung nicht voll gewürdigt. In den grösseren Städten ruht
die oberste Leitung der Wasserwerke gewöhnlich in den
Händen einer „Betriebsdeputation**, die zugleich die Gns- und
Elektrizitätswerke zn leiten hat, und in welcher vorzugsweise oder
ausschließlich Ingenieure, Eanfleate, Chemiker, also L^en in bezug
auf Hygiene, Sitz und Stimme haben. Ich stehe nun dnrchans nicht
etwa auf dem Standpunkt, daß ein Laie nicht auch ein hygienisches
Urteil sich aneignen könne; aber sicher vermag er dies nur zn ge-
Die hygienische EontioUe zentraler Waseerversorgangen.
33
'wianen dadurch, daß er sich mit Ernst in die Lehren der Hygiene
einznarbeiten and mit den an Wasserwerken gemachten Er¬
fahrungen yertrant za werden bemüht. Das tan aber die meisten
Mitglieder solcher Deputationen sicher nicht, und so kommt es,
daß diese tatsächlich gewöhnlich nicht in der Lage sind, über
hygienische Fragen abzuurteilen. Wie die Betriebsdeputation,
so verhalten sich zuweilen auch die technischen Leiter der
Wasserwerke, besonders seit in den letzten Jahren Emmerich
betont hat, daß durch Wasser niemals Infektionskrankheiten
verbreitet werden können. Seine Behauptungen werden gern
von den Betriebsleitern reproduziert, und wenn man ihnen von
gesundheitlichen Gefahren durch Wassergenaß sprechen wiU, so
erklären sie, sie ständen auf dem Emmerichschen Stand¬
punkt, gesundheitliche Schädigung durch Wasser komme gar
nicht ernstlich in Betracht, und die Hauptsache sei, daß nur
immer das nötige Quantum Wasser beschafft werde. Solchen
Verwaltungen gegenüber hat die Hygiene oft einen schweren
Stand. Hier muß schließlich die Begierung den Hygieniker in
seinem Kampfe gegen den Betriebsleiter unterstützen. Die Ke-
giernng hat durch die neueren Verfügungen die Mittel dazu voll¬
auf in Händen, und wenn erst einigemal mit vollem Nachdruck
der hygienische Standpunkt gewahrt ist, daun wird dieses Sich-
berufen auf die viel zu weit gehenden und bereits widerlegten
Emmerichschen Ansichten wohl aufhören. Das müssen wir
dringend wünschen; denn bei einem friedlichen Zusammen¬
arbeiten des Betriebsleiters und des Hygienikers wird jedenfalls
viel mehr herauskommen, als wenn Zwangsmassregeln angewendet
werden müssen.
Seitens der städtischen Verwaltung kann eingewendet werden,
dass doch der Betriebsleiter des Wasserwerks i^ein verantwort¬
lich sei für Quantität und Qualität des Wassers, und dass er diese
Verantwortlichkeit auch fernerhin behalten müsse. Ich glaube
aber, dass diese Verantwortlichkeit nicht ausschliesst, dass der
Betriebsleiter vom Hygieniker beraten wird. Natürlich ist letz¬
terer dann für die von ihm erteilten Katschläge und die ans diesen
sich ergebenden Konsequenzen verantwortlich und entlastet nach
dieser Seite hin den Betriebsleiter. Glaubt der Leiter, den Kat
des Hygienikers nicht ansführen zu können, weil er fürchtet, daß
die Quantität dann zu viel Einbuße erfährt, und handelt er
somit schliesslich doch nach seinem eigenen Ermessen, so hat er
natürlich wieder die volle Verantwortlichkeit zu tragen, ln
Konfliktsfällen werden unter Umständen höhere Instanzen an-
gerufen werden müssen, die ja vorhanden sind. Also durchführbar
ist die hygienische Beratung gewiss unter allen Umständen.
Nun aber die zweite Schwierigkeit: Wo sollen wir für
diese außerordentlich wichtige und notwendige hygi¬
enische Beratung der Wasserwerke geeignete Per¬
sönlichkeiten finden?
Die Erläuterungen zu dem bereits zitierten Bundesrats-
Erlaß sagen:
3
34
Dr. Flfigge.
,Viele Werke dürften den zuständigen Hedizlnalbeamten als Beirat
nehmen, was sich schon nm deswillen empfiehlt, damit der Beamte das Werk
genau kennen lernt und die Deberwachung eine furilaufende und besonders
sichere wird.“
Das Wort „dürfte*^ an dieser Stelle ist nach meinem DafBr-
halten za milde; nur der Medizinalbeamte kann in der Tat
als Sachverständig^er in Betracht kommen. Die Beorteilong ist
viel za kompliziert, als daß jeder beliebige Arzt als hinreichend
sachverständig angesehen werden könnte. Dagegen mnß der
Medizinalbeamte sich bei der ihm übertragenen Kontrolle des
Wasserwerks doch anf alles das, was auch für die Beratung in
Betracht kommt, einarbeiten; ja, wenn er gewissenhaft
kontrolliert, kommt er ohne weiteres zur Beratung
und kann gar nicht umhin, Ratschläge für den Betrieb
zu erteilen.
Bei einfachen nnd leicht durchsichtigen Wasserwerken wird
jeder Mediziaalbeamte ohne weiteres in der Lage sein, eine solche
Kontrolle und Beratung sachgemäß durchzoföhren. Es soU aber
nicht geleugnet werden, daß es Wasserwerke gibt, wo die Ver¬
hältnisse recht schwierig liegen, und wo zur Beurteilung nnd Be¬
ratung ein Grad von Sachverständnis erforderlich ist, der weder
durch einen der üblichen Kurse, noch durch das Elreisarzt-Diplom,
noch durch die Ernennung zum Professor der Hygiene ohne
weiteres erworben wird. Die Medizinalbeamten, denen solche
Werke Zufällen, müssen sich dann eben speziell einarbeiten nnd
müssen eventuell anfangs sachverständigere Kollegen oder die
staatliche Prüfungsanstalt für Wasserversorgung konsultieren. In
jedem Falle sind die Medizinalbeamten auch hier die einzig mög¬
lichen Kontrolleure und Berater.
Nimmt sich eine Stadtverwaltung einen anderen Berater,
nun, so geht die staatliche Kontrolle ruhig weiter, und der städti¬
sche Berater wird sich dann mit dem kontrollierenden Medizinal¬
beamten in Fühlung halten müssen. Nicht selten werden wohl
bei dieser geteilten Kontrolle und Beratung Konflikte entstehen;
hier und da mögen beide Berater gut miteinander auskommen, —
das wird wesentlich von den Persönlichkeiten und der Gleichheit
oder Verschiedenheit ihres wissenschaftlichen Standpunktes ab-
hängen. Vielleicht fassen manche den angezogenen Paragraphen
des Bandesrats - Erlasses so auf, daß die städtische Verwaltung
den kontrollierenden Medizinalbeamten gegen Gehalt als Berater
des Werks engagieren solle. Auch dann aber würden nach
meiner Meinung Konflikte unausbleiblich sein. Die städtische Ver¬
waltung würde gewiß in manchem Falle die Forderungen des
Medizinalbeamtnn für zu weitgebend halten, für weitgehender,
als sie es von einem von der Stadt honorierten Beamten erwarten
zu können glaubt, ünd anderseits dürften die Medizinalbeamten
kaum Anspruch haben auf eine besondere Gegenleistung der Stadt,
insofern sie eigentlich nichts anderes leisten als das, was ihre
Stellung als kontrollierender Medizinalbeamter so wie so mit
sich bringt; eine gewissenhafte Kontrolle muß sie eben
zur Beratung führen.
Dr. Diltschke: Voiläaflger Entwarf des Eeicbsgesctzes osw. 35
Freilich wird mir mancher einwenden, wie soll denn der
Medizinalbeamte alle die bakteriologrischen Kontrollen erledigen
nnd umfangreiche Enqueten über Rohwasserbeschaffenheit nnd
Filterbetrieb anstellen P Er hat doch kein Laboratorinm znr
Vertagung nnd er hat sicher auch keine Zeit, nm derartige ans*
gedehnte üntersuchnngen selbst anszuführenP — Hier müssen
eben die Besitzer der Werke ergänzend eintreten. Die Ver¬
pflichtung der Städte, sich eine Beratung zu verschaffen, wie sie
in dem Bandesrats-Erlasse angeordnet ist, verstehe ich so, daß
die städtische Verwaltung die erforderlichen Hilfskräfte liefert,
welche die Laboratoriumsarbeiten erledigen nnd den Medizinal¬
beamten in seiner Arbeit nach jnder Richtung unterstützen. Sind
solche Kräfte vorhanden, dann wird es dem Medizinalbeamten in
der Tat möglich sein, in dem vollen Umfang, den ich hier skizziert
habe, die Kontrolle und Beratung der Wasserversorgungen zn
übernehmen; und dann wird die bisher noch unleugbar recht un¬
genügende hygienische Kontrolle der Wasserwerke so fundiert sein,
daß auf diesem Gebiete auch nach weiteren 25 Jahren besseres
kaum geleistet werden wird.
(Ällseitigei Beifall.)
Vorsitzender: Zunächst möchte ich dem Herrn Vortragenden
unseren vei bmdlichsten Dankaussprechen für seine hochinteressanten
Ausführnngen. Der Beifall, der ibm von allen Seiten gespendet
worden ist, wird ihm der beste Beweis dafür sein, welches In¬
teresse wir seinen Ausführungen entgegengebracht haben.
Ich frage, ob jemand zu dem Vortrage das Wort zn ergreifen
wünscht?
Es ist nicht der Fall. Dann schlage ich vor, daß wir jetzt
eine Pause eintreten lassen.
(Panse.)
IV. Vorläufiger Entwurf des Relchsgesetzes, betreffend
die Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte
Personen nnd den Gebeimmittelverkehr.
Herr Reg.- und Med.-Rat Dr. Dtitschke-Erfurt: Meine
Herren I Nachdem der Norddeutsche Reichstag im Jahre 1869 in
dem § 144 der Reichs-Gewerbeordnung die für Mediziualpersonen
bestehenden besonderen Bestimmungen aufgehoben hatte, welche
ihnen unter Androhung von Strafen einen Zwang zu ärztlicher
Hilfe auferlegten, war der Betrieb der Heilkunde in Deutschland
freigegeben, und die Heilkunde sank immer mehr zum Heilgewerbe
herab. Eia jeder, der nur irgendwie den dunklen Drang oder die
Fähigkeit in sich zu verspüren glaubte, ein Helfer und Retter in
Krankheitsfällen zu werden, oder der aus der Unerfahrenheit nnd
Vertrauensseligkeit seiner kranken Mitmenschen für seinen Geld¬
beutel Vorteil za gewinnen hoffte, konnte nunmehr ohne jede
8*
86 Dr. Dütschko: Yoil&afiger Eatwiuf dos Beicbsgesetzes, betr. die Aasftbaog
Vorbildang und ohne besondere Kenntnisse, znmal ja seit des Herrn
Yon Goethe Zeiten „der Geist der Medizin gar leicht zn fassen
ist*^, frei nnd nnbekttmmert das Heilgewerbe ansfiben, wenn er
es sich nnr versagte, sich einen arztähnlichen Titel beiznlegen,
oder wenn er nicht gerade von dem unwiderstehlichen Triebe
beseelt war, die Heilkunde im Umherziehen auszuüben.
Erst nach nnd nach wurde es der deutschen Aerztewelt
klar, um welch’ hohen Preis sie die Aufhebung der p 199 und
200 des Preußischen Strafgesetzbuches vom 14. April 1851 er¬
kauft hatte, und diejenigen Vertreter des ärztlichen Standes, welche
entgegen den Wünschen der Regierung früher im Norddeutschen
Reichstage für die Freigabe der HeUkunde eingetreten waren,
weil sie die bestehenden Gesetze als „unwürdig für die Urteils¬
kraft nnd Bildungsstufe des Volkes" erachteten, mußten nun ein-
sehen, daß die bösen Geister, welche sie damals gemfen hatten,
so bald nicht mehr zn bannen waren!
Immer üppiger schoß im Laufe der Jahre die Kurpfuscherei
ins Kraut und schädigte die Gesundheit des Volkes, das dnrch
die Kurpfuscher nnd ihre dreiste maßlose Reklame davon abge¬
halten wurde, sich an die approbierten Aerzte zn wenden; immer
mehr traten die tiefgehenden wirtschaftlichen Schädigungen hervor,
welche der Geheimmittelschwindel mit sich brachte. Behördliche
Belehrungen und Warnungen vor der Kurpfuscherei und dem Ge¬
heimmittelvertriebe blieben völlig wirkungslos, nnd die einge¬
leiteten vereinzelten Prozesse gegen das Qnacksalbertum endeten
meist mit Freisprechung oder hatten eine so geringfügige Bestrafung
zur Folge, daß sie für die Kurpfuscher nnr eine wirksame Re¬
klame bedeuteten.
Als schließlich im Jahre 1902 für Preußen eine schärfere
Kontrolle nnd kreisärztliche Meldepflicht der nicht approbierten
Krankenbehandler durch Polizeiverordnungen eingeführt wurde,
da zeigte es sich erst, welche Ausdehnung das Pfuschertnm in¬
zwischen angenommen hatte; zählte man doch nach dem letzten
Bericht über das öffentliche Gesundheitswesen des Preußischen
Staates Ende 1906 allein in Preußen 6260 nicht approbierte
Personen, welche das Heilgewerbe ausüben, gegenüber 19 283
Aerzten, und muß man heute für das Deutsche Reich die Zahl
der gewerbsmäßigen Kurpfuscher auf weit über 10000 schätzen,
gegenüber 81864 Aerzten.
Die langjährige Erfahrang, daß keineswegs die sog. „unteren
Schichten" unseres Volkes allein die Hilfe der Kurpfuscher in
Anspruch nehmen, und die Beobachtung, daß sich gerade ans den
Kreisen der „Gebildeten" Unzählige dem Sport der „Gesundbeter"
ergeben und vielfach eifrige Apostel der Naturheilmethode sind, für
diese lebhaft Propaganda machen und in unqnaliflzierbarer Weise die
wissenschaftliche Medizin und deren Vertreter angreifen und ihre
Lehren diskreditieren, lassen es erklärlich erscheinen, daß von
einer weiteren Aufklärung des Volkes ein wachsendes Verständms
für die Schädigungen des Pfuschertnms nnd des Geheimmittel¬
unwesens nur in geringem Grade für die Folge zn erhoffen steht.
der Heilkunde dnrch nicht approbierte Personen n. den Oeheimmiitelrerkehr. 87
Bei dieser Aassichtslosigkeit der Verhältnisse wird es uns begreif¬
lich, daß nnnmehr eine planmäßige Agitation der deutschen
Aerzteschaft ins Leben gernfen wttrde, welche besonders in der
„Dentschen Gesellschaft znr Bekämpfung des Eorpfoschertnms*
eine wirksame Vertretung besitzt, und welche immer wieder Ton
neuem eine durchgreifende gesetzliche Regelung, eine Abänderung
der Gewerbeordnung und ein allgemeines Enrpfuscherei-
verbot fär das Deutsche Reich als hauptsächlichste Forderung
anfgestellt hat.
Nach langem Drängen, verschiedenen vergeblichen Versuchen
und Ansätzen ist denn nun ans dem Schoße des Reichsamts des
Innern der vorliegende Gesetzentwurf hervorgegangen und dnrch
Vermittelung des Herrn Reichskanzlers den einzelnen Bundes¬
regierungen zur Begutachtung vorgelegt. Die hohe Bedeutung
dieses Gesetzentwurfes für die Allgemeinheit, sowie insbesondere
für die berufliche Tätigkeit der deutschen Medizinal¬
beamten, zu deren vornehmsten Aufgaben mit von jeher die
Bekämpfung und Ueberwachnng der Eurpfuscherei und des Ge¬
heimmittelwesens gehört, macht es erklärlich, daß es der Vorstand
des Preußischen Medizinalbeamtenvereins für seine Pflicht gehalten
hat, eine so wichtige Materie mit auf die Tagesordnung seiner
Jubiläumsversammlung zu stellen, um den zur heutigen Jubelfeier
aus allen deutschen Bundesstaaten zahlreich herbeigeeilten Medi¬
zinalbeamten nochmals eine willkommene Gelegenheit zu bieten,
ihre Ansichten über den Wert des Gesetzentwurfes hier im frucht¬
bringenden Gedankenaustausch zu äußern und die besonders vom
Standpunkte der Medizinalbeamten ans erforderlich oder wünschens¬
wert erscheinenden Abänderungs- und Verbessemngsvorschläge
laut werden zu lassen.
So bin ich denn gern dem ehrenden Ruf des Vorstandes,
der an mich erging, gefolgt und habe das Referat über den Ent¬
wurf übernommen, wenngleich ich mir nicht verhehlen durfte.
Ihnen, m. H., durchaus nichts Neues mehr bringen zu können,
nachdem der Entwurf fast seit Beginn dieses Jahres die ärztliche,
pharmazeutische und juristische Presse, sowie die politische Presse
aller Parteien in ergiebigem Maße beschäftigt hat und seitdem
der Deutsche Aerztetag erst im Juni d. J. im historischen Danzig,
ebenso wie der Deutsche Apothekerverein vor wenigen Wochen
in Darmstadt eine Besprechung des Gesetzentwurfes hat erfolgen
lassen.
In glücklicher Weise werden in dem Gesetzentwurf die
beiden eng miteinander zusammenhängenden Materien, die Enr-
pfnscherei und das Geheimmittelwesen, behandelt. Weniger
glücklich aber, will es mir scheinen, ist die Ueberschrift zu
dem Gesetzentwurf gewählt; der schwülstige Titel „Vorläu¬
figer Entwurf des Reichsgesetzes, betreffend die Aus¬
übung der Heilkunde durch nicht approbierte Per¬
sonen und den Geheimmittelverkehr“ würde, wie dies von
dem Herrn Eollegen Alexander in Breslau, bekanntlich einem
der rührigsten Streiter im Eampfe gegen die Eurpfuscher, vor-
88 Dr. Dfitdcbke: Vorläufiger Entwurf des Beichsgesetzes, betr. die Ausfibosg
geschlagen ist, jedenfalls weit zntrefiender in „Enrpfnscherei-
bekämpfnngsgesetz'' nmgewandelt, womit jegliche Art der
Kurpfuscherei getroffen wird, ganz gleich, durch wen sie betrieben
wird und wie sie erfolgt, ob durch eigentliche Behandlung oder
durch Vertrieb von Mitteln und Gegenständen. Es könnte dann
unbeschadet des allgemeinen Verständnisses das Wort „Geheün-
mittelyerkehr*‘ fortfallen. Unbedingt aber müssen wir fordern,
daß im Entwurf nicht von einer Ausübung der ,Heilkunde*,
sondern des „Heilgewerbes* zu sprechen ist; denn diejenigen
Personen, welche durch das Gesetz getroffen werden sollen, sind
ja des „Heilens unkundig*.
Mit Becht hat der Entwurf, einer modernen juristischen
Gepflogenheit folgend, von einer Begriffsbestimmung des Ausdrucks
„Geheimmittel* Abstand genommen, da die frühere Übliche
Voraussetzung für die Deflaition eines Geheimmittels, „daß
seine Zusammensetzung nicht bekannt ist*, heute für
den größten Teil der modernen Heilmittel nicht mehr zntrifft,
indem die Hersteller die Zusammensetzung des Mittels in irgend¬
einer Formel bekanntgeben, und solche Mittel nur deshalb Geheim¬
mittel bleiben, weil die Hersteller ihnen eine geheimnisvolle
Wirkung in den Reklame-Anzeigen beilegen, anderseits aber
der moderne Heilschwindel eine große Reihe von Gegenständen
und Apparaten auf den Markt bringt, welche nicht mehr als Mittel
im früheren Sinne anzusehen sind.
Wie Ihnen allen, m. H., bekannt, ist auf den Deutschen
Aerztetagen immer wieder von neuem, zuletzt in Münster im Jahre
1907, der Ruf ertönt nach einem „Knrpfnschereiverbot*,
da man sich allein von dem Erlaß eines solchen eine durch¬
greifende und radikale Beseitigung des Kurpfuschertums versprach;
es erscheint daher erklärlich, daß die Veröffentlichung des Ent¬
wurfes, der ja ein allgemeines Knrpfnschereiverbot nicht bringt,
in der ärztlichen Welt anfangs eine herbe Enttäuschung hervor¬
rief, und man im Unmut über die erfahrene Enttäuschung auf die¬
jenigen Staaten hinwies, die sich, wie z. B. Oesterreich-Ungarn,
Frankreich und andere Länder, eines solchen Verbotes erfreuen.
Hierzu kam, daß die in den Erlänteiungen zu dem Gesetzentwnrf
vorgebrachte Begründung für die nicht erfolgte Einbringung eines
Knrpfuschereiverbots nicht in allen Punkten als eine besonders
glückliche bezeichnet werden konnte, so daß dem Entwurf des¬
wegen anfangs von einem großen Teil der Aerzte nicht eine allzu
wohlwollende Kritik zuteil wurde. Inzwischen haben sich aber
nach eingehendem Studium des Entwurfes die Anschauungen mehr
und mehr geklärt, und es hat sich allmählich die Auffassung Bahn
gebrochen, daß, wenn durch das Gesetz auch kein radikales Verbot
ausgesprochen wird, doch die Einschränkungen, welche das Kur¬
pfuschertum und das Geheim mittelnnwesen in den einzelnen Para¬
graphen erfährt, so tief einschneidende sind, daß der Entwarf
geeignet erscheint, die gröbsten Auswüchse aut diesen Gebieten
zu beseitigen. Werden doch in dem Entwarf gerade die Gebiete,
welche die hauptsächlichste und lukrativste Domäne des Quack-
der HeUkonde daich nicht approbierte Personen n. den Geheimmittelrerkebr. 89
salbertums bilden, wie die Behandlung der Gleschlechts-
krankbeiten nnd die Fernbehandlung, die Anwendung
der Hypnose and der mystischen Verfahren diesen Ge¬
werbetreibenden ganz entzogen. Auch die Möglichkeit der
Untersagung des Gewerbebetriebes, wenn Tatsachen vorliegen,
welche die Annahme begiünden, daß durch die Ausübung des Ge¬
werbes das Leben der behandelten Menschen oder Tiere
gefährdet oder deren Gesundheit geschädigt wird, oder
Kunden schwindelhaft ausgebeutet werden, bedeutet ohne
Frage eine wertvolle Handhabe gegen die Kurpfuscher, zumal es
hier nicht der Erbringung von „Tatsachen* an sich bedarf, sondern
hierfür Tatsachen genügen, welche die „Annahme* der Unzu¬
verlässigkeit begründen.
Wenn ich mir vorher erlaubte anzuffihren, daß ich die Be¬
gründung für den Nicbterlaß eines Kurpfuschereiverbotes nicht
in allen Stücken für eine besonders glückliche erachten könne,
so denke ich dabei besonders an folgende Punkte: Einmal das
Hervorheben der Tatsache, daß auch in Ländern, welche sich
eines Knrpfuschereiverbotes zu erfreuen haben, die Kur¬
pfuscherei nicht hat völlig ausgerottet werden können, und daß
von jeher in weiten Volkskreisen die Neigung bestanden habe,
sich von Heilbeflissenen ohne wissenschaftliche Ausbildung be¬
handeln zu lassen, woraus nun die Folgerung gezogen wird, daß
eine solche Erscheinung sich nicht ohne weiteres durch gesetz¬
liche Vorschriften beseitigen lasse. Ich meine, ein gleicher Ein¬
wand ließe sich schließlich gegen alle Strafgesetze erheben;
mit derselben Begründung könnte auch der Betrags- oder
Diebstahlsparagraph aus dem Strafgesetzbuch eliminiert werden;
denn trotz dieser Strafbestimmungen wird ruhig weiter betrogen
nnd gestohlen. Vergehen oder Verbrechen werden eben nie, so
lange die Welt besteht, ganz durch Gesetz auszomerzen sein!
Deshalb scheint mir dieser Einwand prinzipieller Art gegen ein
Kurpfuschereiverbot, wie ihn der Entwarf in seinen Motiven bringt,
nicht stichhaltig; mehr oder minder weite Maschen wird jedes
Gesetz schließlich für die Umgebung zeigen. Anderseits muß
doch auch darauf hingewiesen werden, daß solche krassen Zu¬
stände, wie sie in Deutschland hinsichtlich des Kurpfuschertums
bestehen und wie sie in den skandalösen Prozessen eines Kahne,
Nardenkötter oder William Scott der Allgemeinheit bekannt
werden, in den Ländern mit Kurpfuschereiverbot kaum bestehen
dürften, wenn wir z. B. hinsichtlich Oesterreichs den Ausführungen
Kantors, des unerschrockenen Herausgebers des „Gesondbeits-
lehrers* folgen. Außerdem kommt es doch sehr auf den Wortlaut
des Gesetzes und seine Handhabung in denjenigen Ländern an,
welche ein Kurpfuschereiverbot haben, und von denen die Er¬
läuterungen zu unserem Entwarf annehmen, daß hier die Verhält¬
nisse nicht anders liegen als bei uns.
Wenn ferner in den Motiven angeführt wird, daß, wie auf
anderen Gebieten, so auch auf dem der Medizin, von Nichtfach¬
männern mancherlei Heilmethoden empfohlen und zur Anwendung
40 Dr. Dtttscbke: Yorliafiger Entwurf des Beichsgesetzes, betr. die Aosfibiuig
grebracht seien, die später auch in der wissenschaftlichen Medizin
Eingang and Verbreitang gefonden haben, and ein zwingender
Grand nicht vorliege, aUe solche Versache fttr die Zakonft zu
onterbinden, so vermag ich nicht einznsehen, was diese Tätigkeit
einzelner mit der gewerbsmäßigen Eorpfascherei za ton bat.
Es handelt sich doch nicht am ein Verbot der Anwendung
neuer Heilmethoden, sondern am die Aasflbong der Heil¬
kunde durch nicht approbierte Personen. Tatsächlich sind doch
alle Maßnahmen der Enrpfascher, soweit sie fiberhaupt Beachtung
verdienen, schon vorher von einzelnen Aerzten angewendet und
erst später in einseitiger reklamehafter Weise von Eorpfäschern
angepriesen worden. Von einer Bereicherang der wissenschaft¬
lichen Medizin kann doch da keine Rede sein, and der Beweis,
daß ein strenges Earpfaschereiverbot der wissenschaftlichen Medizin
Schaden bringen könne, ist bisher nicht erbracht!
Aach die in den Erläuterungen zum Entwarf angeftthrte
Behaaptang, daß durch ein allgemeines Verbot die Aasflbong der
Eorpfascherei der Oeffentlichkeit noch mehr entzogen and in die
verborgensten Winkel hineingetrieben wflrde, wo sie dann um so
schädlicher wirke, vermag ich nicht als zutreffend anznsehen, da
diese Befflrchtung doch eine zu schlaffe Handhabung des zukflnftigen
Gesetzes von vornherein voraassetzt.
Weit richtiger, will es mir scheinen, wäre in der Begrflndong
fflr den Nichterlaß eines Verbotes noch mehr zam Ausdruck ge¬
bracht, daß es vornehmlich politische Grflnde gewesen sind,
welche die Reichsregierang vorläufig noch davon haben Abstand
nehmen lassen, ein direktes Earpfaschereiverbot einzubringen, weil
man eben befflrchtet, fflr die Annahme eines solchen nicht die
erforderliche Majorität im Reichstage za finden. Ansrotten werden
wir die Eorpfascherei auch nicht durch ein direktes Verbot; es
gibt eben kein Strafgesetz, das Gesetzesflbertretnngen unmöglich
macht. Die beabsichtigte Beschränkung und vor allem die ge¬
plante Eontrolle des Earpfaschertnms, wie sie der Entwurf vor¬
schlägt, werden im Verein mit den noch näher za besprechenden
Ergänzungen und Abändernngen sicher die gröbsten Auswflchse,
welche das gemeinschädliche Treiben der Enrpfascher gezeitigt
hat, za beseitigen geeignet sein. Diese Ansicht hat sich in den
Ereisen der Medizinalbeamten und der praktischen Aerzte immer
mehr Bahn gebrochen und der letzte Aerztetag in Danzig hat
auch seine Zastimmang zu dem vorliegenden Gesetzentwurf, den
er als wertvoll im Eampfe gegen das Pfaschertum bezeichnet,
ausgesprochen, wenngleich er, nach wie vor, die Forderung
eines generellen Verbotes aufrecht hält und den jetzigen
Entwarf nur als eine vorläufige Abzahlung ansieht An dieser
Auffassung vermochte auch in Danzig nicht die vereinzelt da¬
stehende Ansicht Gattstadts zu rfltteln, der in dem Gesetz¬
entwurf nur eine Legalisierung der Eorpfascherei erblickte; denn
seine rein theoretischen Bedenken gegen den ersten Teil des Ent¬
wurfes erfahren nach dem offiziellen Bericht Aber den Verlauf der
Verhandlungen des Deutschen Aerztetages eine bestimmte und
der Heilkimde durch nicht approbierte Personen n. den GeheimmittelTerkehr. 41
scharfe Ahweisnng von der Vertreinng der Gesamtheit der dent-
schen Aerzte.
Noch einen weiteren Pnnkt Ton allgemeinem Interesse möchte
ich knrz berfthreny bevor ich znr Besprechung der einzelnen Para*
graphen des Entwurfes fibergehe, das ist das Strafmaß, welches
der Entwurf in den §§ 6—18 vorgesehen hat. Im allgemeinen
wird man zngeben, daß die Zuwiderhandlungen gegen das vor¬
geschlagene Gesetz nicht mit allzu hohen Strafen geahndet
werden; denn einem Kurpfuscher, wie dem Schäfer Ast oder dem
berüchtigten Scott, macht es bei ihren ungeheuren Einnahmen
nichts aus, eine Geldstrafe von 1500 Mark zu zahlen, so daß hier
eine Erhöhung der Strafe erwünscht erscheint; ich möchte aber
doch den Schwerpunkt mehr aaf die Festsetzung eines möglichst
hohen Mindestmaßes gelegt wissen. Die bisherige Erfahrung
bei der Aburteilung der Kurpfuscher hat gelehrt, daß viele Bichter
geneigt sind, den Pfuschern gegenüber im Falle der Verurteilung
eine nicht angebrachte besondere Milde obwalten zu lassen;
man hört dann stets als Erklärung für das niedrige Strafmaß, daß
der Kurpfuscher doch bei seiner geringen Bildung nicht die Folgen
seines Handelns übersehen konnte oder von der Wirkung seiner
Behandlungsweise Überzeugt war, was dann eine Schar vor Ge¬
richt gebrachter dankbarer Kronzeugen bereitwilligst attestiert.
Ja, wir haben es doch in einem Prozesse gegen einen bekannten
Natnrheilkundigen erlebt, daß selbst Bichter anftraten und aus¬
sagten, sie seien selbst Anhänger der Natnrheilmethode, nähmen
mit Vergnügen Beibebäder, lebten streng nach den Lehren der
Naturheilmethode, seien abgesagte Feinde der Impfung nsw. Da,
m. H., ist es doch naheliegend anzunehmen, daß ein solcher Bichter
ans vollster Ueberzengnng zu einer viel milderen Be¬
urteilung kommen muß. Es erscheint deshalb dringend er¬
wünscht, in dem Gesetz ein möglichst hohes Mindestmaß der
Strafe vorznsehen, unter das der Bichter nicht hinnntergehen
kann, will man nicht die ganze Bestrafung illusorisch machen!
Wenn ich mich nach diesen allgemeinen Ausführungen nun¬
mehr den einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfes
selbst zuwende, so möchte ich Sie gleichzeitig bitten, die Ihnen
übergebene gedruckte Zusammenstellung (s. nachstehend) der von
mir in Vorschlag zu bringendeu Abänderungen bezw. Zusätze zu
dem Entwurf znr Hand zu nehmen, indem ich mich der Hoffnung
hingebe, daß Ihre Geduld dann nicht auf eine allzu harte Probe
gestellt wird, und Sie meinen Ausführungen leichter zu folgen
vermögen, auch für eine etwa später beUebte Diskussion gleich
die näheren Anhaltspunkte gegeben sind.
Da ohne eine Meldepflicht die Ueberwachnng der Kur¬
pfuscher nicht möglich ist, so regelt § 1 zunächst die Anmelde¬
pflicht der nicht approbierten gewerbsmäßigen Krankenbehandler.
Nach dem Wortlaut des Entwurfes hat die Anmeldung des Ge¬
werbebetriebes bei der Polizeibehörde des Wohnortes zu
erfolgen und ist, wie es in den Erläuterungen zu den Einzel-
bestimmnngen heißt, entgegen den bisherigen Bestimmungen davon
42 Dr. Dtttflchke: YorUofiger Entwurf des Beichsgesetzes, betr. die AnsBbiiag
abgresehen, als Meldestelle den beamteten Arzt zu bezeichnen,
da darch die Meldung der Polizeibehörde die zur Ueberwachnng
des Betriebes nötige Kenntnis von der Begrttndnng desselben,
sowie von seiner Einstellung gegeben werden soll.
Ich vermag hierin keine Verbesserung der bisherigen Melde¬
pflicht zu erblicken, fürchte im Gegenteil, daß der Zweck der
Anmeldung, über die Art der Behandlung nnd das von den Kor-
pfuschern beliebte Heilsystem unterrichtet zu werden, nur in den
seltensten Fällen erreicht wird, wenn man lediglich die Polizei¬
behörde als die Meldestelle vorsieht. Das Meldewesen liegt bei
uns meist in den Händen der unteren Polizeiorgane; diese Be¬
amten werden aber bei ihrer ohnehin schon starken Belastung mit
Schreibwerk froh sein, wenn sie ihre Listen oder Meldekarten
schematisch ansgefflllt haben. Bei den Kurpfuschern kommt es
jedoch nicht nur darauf an, ihnen die Frage vorzolegen, , woher
der Fahrt*, sondern hier ist vor allem ein Eingehen auf die
spezielle Behandlungsmethode, den Gang der Vorbildung und die
Art der Erlangung der Befähigung zur Ausübung des Heilgewerbes
erforderlich, soll die Aufsichtsbehörde genügend unterrichtet sein,
nnd diese Fragen vorzulegen, dürfte der beamtete Arzt bei weitem
geeigneter sein, als die Organe der Polizei.
Nun ist mir sehr wohl bekannt, daß von den in Betracht
kommenden Personen die vorgesehene Meldung bei der Polizei¬
behörde gerade als etwas Degradierendes empfunden wird,
ähnlich wie die Beglementiemng der Prostituierten, so daß man
z. B. in den Kreisen der Naturheilknndigen schon von einer
„Stellnag unter Polizeiaufsicht* gesprochen hat, während eine
vorgeschriebene Meldung bei dem beamteten Arzt sie den appro¬
bierten Aerzten, die sich bei ihrer Niederlassung ebenfalls dort
zu melden haben, gleichstellen würde. M. E. genügt es auch
nicht, daß der § 14 des Entwurfes besagt, welche Behörde in
jedem Bundesstaate unter der Bezeichnung „Polizeibehörde* zu
verstehen ist, wird von der Zentralbehörde der Baudesstaaten
bekannt gemacht; es könnte so kommen, daß im Fürstentum
Hnuß j. L., wie bisher, der beamtete Arzt die Meldung der Nieder¬
lassung der Kurpfuscher entgegennimmt, während im benachbarten
preußischen Reg.-Bez. Erfurt der Ortspolizeibehörde die Meldung
zu erstatten ist. Gerade der Reg.-Bez. Erfurt, der bei seiner
eigenen geographischen Lage an 9 Bundesstaaten eng stößt, dürfte
die Konsequenzen einer Verschiedenheit des Begriffes „Polizei¬
behörde* am unangenehmsten empfinden.
Will man aber die Meldung bei der Polizeibehörde aus den
in den Erläuterungen zum Entwurf angeführten Gründen bei¬
behalten, so muß gleichzeitig die Mitwirkung des betreffenden
Amtsarztes im Gesetz festgelegt und den im § 1 genannten Ge¬
werbetreibenden hier aufgegeben werden, sich bei der Polizei¬
behörde und dem zuständigen beamteten Arzt bezw. Tierarzt zu
melden. Erfolgt diese Abänderung des § 1 nicht, so wird der
beamtete Arzt, der doch die Listen über diejenigen Personen,
welche gewerbsmäßig die Heilkunde ausüben, zu führen hat.
der Heilkonde darch nicht approbierte Personen n. den GeheimmittelTerkehr. 48
außerstande sein, die Kurpfuscher ordnungsmlßig: zn überwachen,
weil er keine Kenntnis von den betreffenden Personen hat.
Dahingegen bin ich nicht der Ansicht, daß man dem § 1 den
Zusatz hinzntügt, wie dies der Deutsche Aerztetag in Danzig
jüngst forderte, „wird der Gewerbebetrieb außerhalb des Wohn¬
ortes ausgeübt, so ist die Anzeige auch der für den Ort des Ge¬
werbebetriebes zuständigen Polizeibehörde und dem zuständigen
beamteten Arzte zn erstatten*; denn die Ausübung der Heilkunde
im Umherziehen durch nicht approbierte Personen ist über¬
haupt nach § 56 a der Gewerbeordnung verboten. Für praktischer
halte ich es vielmehr, daß die Meldung grundsätzlich bei der
Polizeibehörde und dem zuständigen Amtsarzt bezw. Tierarzt des
Betriebsortes zn erfolgen hat. Würde die Meldung bei der
Polizeibehörde des Wohnortes erfolgen, so kann es Vorkommen,
daß der Gewerbetreibende z. B. in einem Vorort von Berlin wohnt,
aber in Berlin selbst das Gewerbe ausübt und eine Meldung am
Wohnort würde zur Ueberwachung des Betriebes zwecklos sein.
Ebenso halte ich auch die von mir in Vorschlag gebrachten Ab-
ändernngen hinsichtlich der Abmeldung für zweckmäßiger.
Nachdem durch den Erlaß vom 28. Juni 1902 in den ein¬
zelnen preußischen Regiemngs-Bezirken durch Polizei-Verord¬
nungen die Meldepflicht derjenigen Personen, welche, ohne appro¬
biert zn sein, die Heilkonde gewerbsmäßig betreiben, angeordnet
ist, hat nun die Erfahrung weiter gelehrt, daß Kurpfuscher die
bei dem zuständigen beamteten Arzt erfolgte Anmeldung vielfach
zn Beklamezwecken benutzt haben, indem sie sich die Bezeichnung
„kreisärztlich angemeldet* oder „anerkannt* nsw. beilegten und
dadurch den Anschein zn erwecken suchten, als sei ihr Gewerbe
staatlich anerkannt und sie selbst wären solche Medizinalpersonen.
Es steht zn erwarten, daß sich nach der für Deutschland nun¬
mehr allgemein vorgeschriebenen polizeilichen Anmeldung ähnliche
Vorgänge wiederholen werden, weshalb es angezeigt sein dürfte,
dem § 1 den Zusatz hinznzufügen, daß aus der polizeilichen An¬
meldung nicht die Berechtigung folgt, sich „staatlich oder poli¬
zeilich gemeldet*, oder „behördlich konzessioniert, oder zugelassen*
zn bezeichnen, oder sich ähnliche Bezeichnungen hinsichtlich der
Persönlichkeit bei den Ankündigungen und auf den Verordnungen
beizulegen, durch welche das Publikum in einen Irrtum darüber
versetzt werden kann, daß der Betreffende nicht im Besitz der
inländischen staatlichen Anerkennung (Approbation) zur Ausübung
der Heilkunde ist.
Ebenso ist es noch erforderlich, am Schloß des § 1 besonders
zn vermerken, daß von den Bestimmungen des § 1 die nach den
Konventionen zwischen dem Deutschen Reich und den angrenzenden
nicht deutschen Staaten zur Ausübung des Heilgewerbes in den
Grenzbezirken zngelassenen nicht inländisch approbierten Medi¬
zinalpersonen ausgenommen sind.
Noch mehr wie im § 1 tritt im § 2 des Entwurfs die Not¬
wendigkeit hervor, die Beteiligung des zuständigen Amtsarztes
bei der Ueberwachung des Kurpfuschereigewerbes gesetzlich
44 Dr. Dtttschke: Vorläufiger Entwurf des BeicbfgesetzM, betr. die Aueflbnag
festzalegfeD. Die hier fflr den Enrpfascher vorgesehene Bnchffthmng
soll znr Kontrolle der gesamten Tätigkeit der Pfuscher dienen
nnd seine Leistungen, sowie seine Zuverlässigkeit beleuchten, nm
erforderlichenklls ein strafrechtliches Verfahren zn ermCglichen.
Zur wii'ksamen Ausübung dieser Kontrolle sind aber eingehende
ärztliche, insbesondere gerichtsärztliche Kenntnisse
erforderlich, über welche wohl der beamtete Arzt verfügt, nidit
aber die Polizeibehörde.
M. H.! Man darf nicht versressen, daß das Wenige, was
bisher im Kampfe gegen das Pfuschertnm erzielt worden ist, allein
dank der sachverständigen Tätigkeit und Mitwirkung der be*
amteten Aerzte erreicht wurde, nnd es gehört wahrlich kein
großer prophetischer Blick dazu, um behaupten zu können, daß
von der zukünftigen Tätigkeit der Amtsärzte die ganze Wirkung
des Knrpfuschereibekämpfungsgesetzes abhängig sein wird und
mit der Tätigkeit der beamteten Aerzte das ganze
desetz steht und fällt! In den praktischen Aerzten werden
die Kreisärzte stets gern willkommene Helfer im Kampfe gegen
die Kurpfuscherei erblicken, die wirksame Vertretung aber vor
Gericht nnd den Verwaltungsbehörden wird immer in den Händen
der beamteten Aerzte bleiben, nnd sie werden dieser wichtigen
Aufgabe, welche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes den bis¬
herigen Kreis ihrer Tätigkeit bedeutend erweitern wird, nur dann
gerecht werden können, wenn sie selbst nicht, wie die prakti¬
schen Aerzte, auf Privatpraxis angewiesen sind, und demzufolge
nicht als Konkurrenten der Kurpfuscher angesehen werden müssen,
sondern wenn sie ganz unabhängig als Beamte dastehen! Es ist
daher erforderlich, schon jetzt im Gesetz die Grenzen der amts¬
ärztlichen Tätigkeit genau abzustecken, nm die Mitwirkung der
Medizinalbeamten bei Durchführung des Gesetzes nicht von dem
mehr oder minder ausgeprägten Verständnis der Polizeibehörden
für ihre Zuziehung abhängig zn machen. Nicht nur bei der An¬
meldung der Kurpfuscher, der Prüfung ihrer Geschäftsbücher
muß der beamtete Arzt beteiligt werden, sondern von seiner Mit¬
wirkung wird es auch abhängen, ob einem Pfuscher der Gewerbe¬
betrieb wegen gesundheitsschädlichen Betriebes oder schwindel¬
hafter Ausbeutung untersagt werden kann, nnd ob die erfolgten
Ankündigungen geeignet erscheinen, Täuschung hervorzurufen!
Es ist daher erforderlich, im § 2 vorzuschreiben, daß die
Gewerbetreibenden der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art verpflichtet
sind, der Polizeibehörde des Betriebsortes und dem zuständigen
beamteten Arzt bezw. Tierarzt über ihre Vorbildung nnd
seitherige Tätigkeit Auskunft zu erteilen, nnd zwar nicht „auf
Erfordern* und nur „soweit sie mit dem Gewerbebetriebe in Zu¬
sammenhang stehen*, sondern stets. Ebenso sind die Geschäfts¬
bücher der Polizeibehörde des Betriebsortes und dem zuständigen
beamteten Arzt oder Tierarzt alljährlich zu einem
von der Polizeibehörde zn bestimmenden Termin, sonst
jederzeit auf Verlangen vorzulegen.
Da nach dem letzten Absatz des § 2 der Bnndesrat zu be-
der Heilkande darch nicht approbierte Personen n. den GeheimmittelTerkehr. 45
stimmen hat, in welcher Weise die Geschäftsbücher zu führen
sind, so mag hier der Wunsch ansgesprochen werden, die Ein-
richtang derselben so zu gestalten, daß ihre Ansiüllnng auch die
Handhabe zn einem gerichtlichen oder yerwaltnngsrechtlichen
Eingreifen bietet. Zn diesem Zweck empfiehlt es sich vielleicht,
nicht die Angabe der gestellten Diagnose zn fordern, sondern
vorzuschreiben, daß eine Bezeichnnng der Krankheits-
erscheinnngen zn erfolgen hat, znmal ja besonders dieNatnr-
heilknndigen nicht eine Diagnose stellen, sondern nnr die ein¬
zelnen Erankheitserscheinnngen behandeln.
Eine wesentliche Beschränknng der Tätigkeit der die Heil-
knnde gewerbsmäßig ansttbenden nicht approbierten Personen
bieten ohne Frage die Bestimmnngen des § 3 des Entwnrfes; in¬
dessen scheinen mir diese Beschränknngen noch nicht weit genng
zn gehen, da sie die notwendigsten Fordernngen, welche
die öffentliche Gesnndheitspflege stellen mnß, nicht
voll berücksichtigen. Sagen doch die Erlänternngen zn dem Ge-
setzentwnrf selbst, daß grnndsätzlich davon anszngehen ist,
daß jede Erankenbehandlnng dnrch Enrpfnscher nnznverlässig ist
nnd daß nicht fachmännisch ansgebildete Personen die erforder¬
liche Znverlässigkeit nicht besitzen. Dieser Grnndgedanke des
ganzen Gesetzentwnrfes mnß, wenn man nnter den gegebenen
Verhältnissen anch von einem radikalen Enrpfnschereiverbot ab¬
sieht, doch noch eine größere Berücksichtignng im § 3 finden, als
dies im Entwnrf geschehen ist.
Besonders denke ich hierbei an Ziffer b des § 3 nnd halte
den Znsatz „nnd deren Folgeznstände“ hinter Syphilis für
dnrchans erforderlich. Vor einer Versammlnng von Sachverständigen
erübrigt es sich für mich, daranf hinznweisen, welche enorme
gesnndheitliche nnd anch volkswirtschaftliche Bedentnng die Be-
handlnng der Geschlechtskrankheiten gerade dnrch Enrpfnscher hat,
nnd welche Fälle von Unglück, das sich meist erst in späteren
Jahren doknmentiert, wenn die ersten dentlichen Erscheinnngen
der Lustsenche geschwnnden sind, nach einer nicht sachgemäßen
Behandlnng Geschlechtskranker dnrch Enrpfnscher heranf be¬
schworen wird. Es mnß das Verbot der Behandlnng dnrch Enr¬
pfnscher weiter anch anf die „Franenkrankheiten**, ins¬
besondere den „Gebärmntterkrebs'^ erweitert werden. Was
nützen sonst die Bestrebnngen nnserer Gynäkologen, welche in
den letzten Jahren so kraftvoll einsetzten, nm die Franenwelt
über die frühzeitige anssichtsvolle Operationsmöglichkeit des Gebär-
mntterkrebses antzuklären, was frommen alle Fortschritte der
modernen Diagnostik nnd Operationstechnik, wenn nach wie vor
diese nnglücklichen Franen dnrch die Behandlnng gewissenloser
Quacksalber, die nur für ihren Geldbentel arbeiten, einem frühen
Siechtum entgegengetrieben werden!
Für erforderlich erachte ich es ferner in Uebereinstimmnng
mit sämtlichen beamteten Aerzten nnd der lanten Enndgebnng
der ärztlichen Presse, sowie des Danziger Aerztetages, daß der
letzte Absatz des § 3, der nnr die Möglichkeit der Unter-
46 Dr. Dütscbke: Vorläufiger Entwurf des BeicbsgesetzeS) betr. die Austtboog
sagang der Behandlung gemeingeffthrlicher oder solcher
übertragbaren menschlichen oder Tierkrankheiten
dnrch Eurpfnscher bietet, bezüglich deren doi’ch Landesrecht
eine Anzeigepflicht eingefflhrt ist, eine yollständige Umarbeitimg
erfährt, indem hier ein direktesVerbot ebenso aasgesprochen
wird, wie dies fflr Fernbehandlang geschehen ist. In den Ans-
ffthrangsbestimmangen za dem Reichsseuchengesetz und den ein¬
zelnen Landesseachengesetzen ist mit Recht stets aaf die Wichtig^-
keit des schnellen Erkennens der ersten Fälle dieser Krankheiten
fflr die Seuchenbekämpfung hingewiesen. Dieses Erkennen ist
vielfach, wie bei Cholera, Typhus, Genickstarre, Diphtherie, Rotz
usw., nur mit Hilte der Bakteriologie möglich, deren Be¬
herrschung nur Sache der Aerzte und Tierärzte Meibt. Mit
Freude ist es zu begrüßen, daß sich heute, dank den Anregungen
der Zentralbehörden, über ganz Deutschland ein Netz von bak¬
teriologischen Untersuchungsstationen aasbreitet, die nicht nur ein
ehrendes Zeichen dentscher Wissenschaftlichkeit und Opferwillig-
keit darstellen, sondern auch ein wertvolles Mittel im Kampfe
gegen die ansteckenden Krankheiten bilden und dazu beitragen,
die ersten Fälle solcher übertragbaren Menschen- und Tierkrank-
heiten rechtzeitig zu erkennen, um sodann den ersten aut-
glimmenden Funken zu löschen, bevor er zum verherenden Brande
jäh emporgelodert ist! Wenn aber erst, wie es im Entwurf
heißt, im ferneren Verlauf der genannten Krankheiten deren
Behandlung durch Laien untersagt werden kann, so wird hier¬
durch meist infolge unterlassener rechtzeitiger Vorbengungs-
anordnungen ein großer Schaden fflr das Gemeinwohl entstanden
sein und das Verbot zu spät kommen. Wir alle, m. H., die
wir als Mediziaalbeamte mitten im praktischen Leben stehen,
haben leider gar zn oft erfahren müssen, welche ungeheuere Ver-
breltnng Typhuserkrankungen z. B. nehmen können, wenn sie un¬
erkannt von Laien behandelt werden, und wir wissen, daß diese
Fälle die Ursache mancher Kontaktfälle und zahlreicher sich
daraas entwickelter Epidemien geworden sind. Es ist daher eine
dringende Forderung der öffentlichen Gesundheitspflege, die Be-
handlnag ansteckender Krankheiten durch nicht approbierte Per¬
sonen generell zu untersagen.
Ich verhehle mir dabei allerdings nicht, daß von den nicht
approbierten Krankenbehandlern dann voraussichtlich sehr häufig
der Ein wand erhoben werden wird, sie hätten die behandelte
Krankheit nicht für eine ansteckende oder übertragbare gehalten.
Solche Vorgänge aber, von sachkundiger Seite vor Gericht be¬
handelt, werden weiteren Kreisen die Unzuverlässigkeit und Un¬
fähigkeit des Kurpfuschers eher vor Augen führen und in der
Folge geeignet sein, den Tätigkeitskreis dieser Personen immer
mehr einzuschränken.
Wenn von verschiedenen Seiten ferner der Ein wand erhoben
wird, daß ein nicht approbierter Krankenbehandler bei seiner
eigenartigen Bildung doch kaum in der Lage sein könne, wie ein
Arzt eine ansteckende Krankheit oder ein Krebsleiden zu erkennen,
der Heilkande durch nicht approbierte Personen u. den Gehcimmittelrerkehr. 47
und daher die Behandlong dieser Krankheiten man^rels richtiger
Erkennung nicht abzulehnen brauche, so muß demgegenüber
immer wieder darauf hingewiesen werden, daß, wer den Drang
and die Fähigkeiten in sich verspürt, gewerbsmäßig die Heilkunde
anszuüben, auch die Konsequenzen hierzu ebenso wie jeder appro¬
bierte Arzt auf sich nehmen muß, und daß, wer die Fähigkeit
besitzt, Tripper, Schanker und Syphilis zu diagnostizieren nnd
diese von seiner Behandlung anszuschließen, auch befähigt sein
muß, eine ansteckende Krankheit zu erkennen. Es ist eine offen¬
bare Inkonsequenz, die Behandlung eines Trippers zu verbieten
und die Behandlung von Typhus und Diphtherie, wenn auch be¬
dingt, zu gestatten.
Im übrigen möchte ich auch nicht unterlassen darauf hin*
zuweisen, daß bereits nach § 14 des Gesetzes vom 30. Juni 1900,
betr. Bekämpfung der gemeingefährlichen Krankheiten, die Ab¬
sonderung kranker Personen derart zu erfolgen hat, daß
der Kranke mit anderen, als mit den zu seiner Pflege bestimmten
Personen, dem Arzt und dem Seelensorger, nicht in Berührung
kommt. Der Persönlichkeit des Kurpfuschers ist hier nirgends
Erwähnung geschehen; es muß derselbe hier also schon von der
weiteren Behandlung zurücktreten und kann nicht erst auf An¬
regung der Polizeibehörde veranlaßt werden, die Behandlung auf-
zngeben, will man hier nicht künstlich einen Gegensatz bezw.
Widersprach konstruieren.
Der Forderung des Deutschen Aerztetages weiter, den Kur-
pfuschern im § 3 die Abgabe von Mitteln oder Gegen¬
ständen zu verbieten, die zur Verhütung, Linderung oder
Heilung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen
oder Tiere dienen sollen, habe ich mich gern angeschlossen nnd
in meinen Abänderungsvorschlägen zum § 3 einen entsprechenden
Zusatz gemacht. Ich verhehle mir dabei aber nicht, daß es einiger
Mühe bedürfen wird, diese Forderung rechtlich zu begründen im
Hinblick auf eine Entscheidung des Preußischen Kammergerichts
vom 7. Mai 1900, welche zum Ausdruck bringt, daß nach § 6
Abs. 2 der Reichs-Gewerbeordnung durch Kaiserliche Verordnung
bestimmt wird, welche Apothekerwaren nnd Mittel dem freien
Verkehr überlassen sind. Sache der Herren Juristen wird es sein,
hier eine Uebereinstimmung zu erzielen, da das Verbot der Ab¬
gabe dieser Mittel ohne Frage geeignet erscheinen muß, die Kur¬
pfuscherei einzuschränken.
Dahingegen halte ich die weiter vom Deutschen Aerztetage
gegebene Anregung, in das geplante Reichsapothekengesetz ein
Verbot der Anfertigung von Kurpfuscherrezepten auf-
zunehmen, für undurchkhrbar. Es ist die notwendige Folge der
nach der Gewerbeordnung einmal erfolgten staatlichen Duldung
der Kurpfuscher, daß denjenigen Personen, welche sich an nicht
approbierte Heilgewerbetreibende wenden, anch die Möglichkeit
geboten wird, daß die ihnen übergebenen schriftlichen Verord¬
nungen der Kurpfuscher in der Apotheke ansgeführt werden können,
vorausgesetzt, daß diese Verordnungen keine Mittel enthalten.
48 Dr. Dtttschke: Vorläafiger Eatwarf des Beichsgesetzas, betr. die Aasftbaog
die nur auf ärztliches Rezept hin von den Apotheken abgegeben
werden dürfen. Wäre ein solches Verbot angängig, so würde mit
einem Schlage die Earpfnscherei bedeutend eingedämmt.
Der von mir weiter zum § 3 gemachte Zusatz des Verbots
der Ankündigung von Sprechstunden außerhalb des gemel¬
deten Betriebsortes durch die im § 1 genannten Gewerbetreibenden
bedarf keiner weiteren Erklärung.
§ 4 des Entwurfes, der von der Untersagung der gewerb¬
lichen Tätigkeit der im § 1 erwähnten Personen handelt, hat hin¬
sichtlich des ersten Absatzes eine allgemeine Zustimmung in der
bisherigen Kritik gefunden, während die folgenden Absätze wegen
ihrer abschwächenden Wirkung und zu milden Tendenz vielfadi
bemängelt worden sind. Mit Genugtuung ist es zu begrüßen,
daß nicht das Vorhandensein von Tatsachen zur Unter¬
sagung des Betriebes erforderlich ist, sondern daß es genügt,
wenn die Tatsachen die „Annahme“ begründen, daß die Ge¬
sundheit geschädigt wird, oder wenn die Annahme besteht, daß
Kranke schwindelhaft ansgebeutet werden, so daß also juristisch
die Tatbestandsmerkmale des Betruges nicht erbracht zu sein
brauchen.
Erheblich abgeschwächt wird aber der § 4 später durch
Abs. 4, wonach die Wiederaufnahme des Gewerbebetriebes wieder
gestattet werden kann, sofern seit der Untersagung mindestens
ein Jahr verflossen ist. M. E. sollte man diese Bestimmung ent¬
weder ganz streichen oder nur auf die Fälle beschränken, in
denen die Untersagung wegen Uebertretungen, nicht wegen Ver¬
gehen erfolgt war. Als selbstverständlich ist es anzusehen,
daß vor Untersagung der gewerblichen Tätigkeit der beamtete
Arzt oder Tierarzt zu hören ist, der auch berechtig ist, einen
Antrag auf Untersagung des Betriebes zu stellen. Einer näheren
Bezeichnung in dem Entwurf bedarf es noch, welche Behörde
für die Untersagung des Gewerbebetriebes zuständig ist
Der non folgende § 5 handelt, ebenso wie die §§ 7 und 11
von der Beschränkung und Untersagung des Verkehrs
mit Geheimmitteln. Wer seine Fassung liest, wird es
begreiflich Anden, daß hier seitens der Vertreter der Fabrikation
von Geheimmitteln eine lebhafte Agitation einsetzen mußte, um
diesen üppig blühenden Industriezweig in der Folge vor zu
empflndlichen Schädigungen zu wahren. Aber gerade diese leb¬
hafte Agitation liefert auch den besten Beweis dafür, daß man
in jenen Kreisen eine besondere Wirksamkeit der Bestimmung^
befürchtet, und daß somit ihr Zweck erreicht wird.
Der „Deutsche Verein für den Schutz des gewerblichen
Eigentums“ hat gegenüber dem Entwurf die Forderung des
gewerblichen Rechtsschutzes aufgestellt und verlangt, daß
demjenigen, der sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von
Heilmitteln befasse, der gleiche Schutz auf Wahrung und An¬
erkennung seiner geistigen Tätigkeit gewährt werden müsse, wie
jedem anderen Gewerbetreibenden. Vor allem wird aus jenen
Kreisen die Forderung laut, daß der Kommission, welche bei dem
der Heilkonde durch nicht approbierte Pereonea n. den OehefanmlttelTeikebr. 49
Kaiserlichen Gesundheitsamt gebildet wird, und welche der Bundes*
rat gntachtlich anhOrt, ob eine Beschränkung oder Untersagung
des Verkehrs geboten ist, ein Vertreter der chemischen
Industrie nnd ein Vertreter des gewerblichen Bechts-
schntzes angehbren. Der Wunsch, einen Vertreter der chemi¬
schen Indnstrie in der Kommission zn haben, wird mit dem Hin¬
weis darauf begrOndet, daß die in der Kommission yertretene
Pharmazie hente in vielen Dingen im lebhaften Gegensätze
materieller Interessen mit der chemischen Indnstrie stehe. Ebenso
verlangt man eine Definition des Begriffes ,Geheimmittel“. Wie
ich mir schon vorher zn bemerken gestattete, sehe ich es gerade
als einen Vorzug des Entwurfes an, daß er eine Definition des
Begriffes „Geheimmittel“ nicht gibt; im Übrigen deutet § 7 Ziff. 3
des Entwurfes, entsprechend den Auslegungen des Preußischen
Kammergerichtsnrteils, den Geheimmittelbegriff an. Wollte man
nur einen Teil der Wünsche erfüllen, welche Herr Patentanwalt
Dr. Ephraim-Berlin zu dem Gesetzentwurf in der Zeitschrift
„Die chemische Indnstrie“ anführt, so würde das geradezu einer
Prämiierung der Geheimmittelfabrikation gleichkommen nnd jeden¬
falls das, was der Beichsgesetzentwnrf verhindern will, groß
ziehen nnd zn ungeahnter Blüte bringen! Die Handhabung der
Bestimmungen des § 5 muß eine möglichst weitgehende sein, damit
alle von der überaus geschäftigen Geheimmittelindnstrie immer
wieder in den Handel gebrachten neuen Mittel oder alten Mittel
mit neuen Namen getroffen werden können. Als zweckmäßig
würde ich es nur noch ansehen, wenn außer dem „Vertrieb“ anch
das „Anpreisen“ untersagt würde und demgemäß am Schluß des
Abs. 1 des § 5 die Worte „oder angepriesen“ hinzugefügt
werden; denn wenn anch von den Fabrikanten auf der Umhüllung
des Geheimmittels eine täuschende Reklame vermieden wird, so
kann doch solche noch durch Zeitungsanzeige, Flugblätter oder
anders recht wirkungsvoll erfolgen.
Im Interesse einer sicheren Durchführung der Bestimmungen
des § 5 muß sich der Wunsch geltend machen, daß die Listen
der verbotenen Mittel nnd Gegenstände, welche der
Bnndesrat durch die beim Kaiserlichen Gesundheitsamt einzn-
richtende Kommission anfstellen läßt, auf dem Laufenden erhalten
werden, und ihre Abänderungen oder Ergänzungen in nicht allzu
großen Zwischenräumen erfolgen.
Die nun folgenden Paragraphen handeln von den Straf¬
bestimmungen. § 6 bestimmt zunächst die Strafen für eine
unzulässige Beklame. Hier dürfte iu dem Satze „wer
wissentlich unwahre Angaben macht“ das Wort „wissentlich“
zu streichen sein, da hiermit gegen Kurpfuscher überhaupt nichts
zn machen ist. Vor Gericht wird der Kurpfuscher immer von
der Wirksamkeit seiner Mittel nnd Behandlungsweise überzeugt
sein; es wird deshalb nur in den seltensten Fällen der Nach¬
weis gelingen, daß er „wissentlich“ seine Klientel getäuscht hat,
wie ^es erst jüngst im „Aerztlichen Vereinsblatt“ der ans
Hagen in Westfalen berichtete Fall des Ferrosol-Fabrikanten,
4
50 Dr. Dülachke: Votlftafiger Eotwnrf des Beichsgeietzes, betr. die Anaftbong
Hanptmann der Landwehr Stahlschmidt, zeigt. Bleiben nnr die
„unwahren Angaben* übrig, so ist es eben Sache des Richters und
des Sachyerst&ndigen, die objektive Unwahrheit dieser Angaben
festznstellen.
Ebenso würde in dem letzten Satz des § 6 das „wissent¬
lich* zn streichen und zn sagen sein: „dasselbe gilt, wenn solche
unwahren Angaben gemacht werden*. Dahingegen wire hinter
den Worten „wer unwahre Angaben macht* die Einfügung des
Satzes „oder mit seinem Wissen machen läßt* recht wfins^ens-
wert, da viele Eorpfnscher bezahlte Agenten halten, welche Bro¬
schüren schreiben nnd Dankschreiben sowie Erfolgbestätigiuigen
veranlassen and bei der jetzigen Fassung des § 6 durch ihre
Reklame ungehindert für den Kurpfuscher arbeiten können.
Der § 7 des Entwurfes, der von den öffentlichen An¬
kündigungen nnd Anpreisungen, die mit der Kurpfuscherei
nnd dem Ueheim- bezw. Heilmittelverkehr in Verbindung stehen,
handelt, hat ein besonderes Interesse für die Presse nnd ist hier
vielfach scharfen Angriffen ansgesetzt gewesen, zuletzt noch auf
der Hauptversammlung des Vereins deutscher ZeitnngsVerleger
am 25. Juni in Danzig. Hier ist beschlossen worden, eine An¬
gabe an den Herrn Reichskanzler zu machen und darin vor aUem
den Wunsch ausznsprechen, daß der Begriff „Geheimmittel* näher
definiert und die Liste der Geheimmittel in möglichst kurzen Ab¬
ständen, wenn möglich wöchentlich, veröffentlicht werde.
Im § 7 wird es zweckmäßig sein, der Ziffer 1 den Zusatz
hinzuznfügen „oder Fernbehandlung vermittelt oder ver¬
anlaßt*; ebenso ist in Ziffer 2 hinter „Geschlechtskrankheiten*
noch zn setzen „und Frauenkrankheiten*.
Nicht unterlassen möchte ich hinsichtlich Ziffer 2 des § 7
darauf hinznweisen, daß in ärztlichen Kreisen die Befürchtung
laut geworden ist, die jetzige Fassung der Ziffer 2 könne unter
Umständen geeignet sein, die Volksgesundheit zn schädigen, indem
hierunter auch Mittel fallen, welche bestimmt und geeignet sind,
geschlechtliche Infektionen zu verhüten. Aerztlicherseits wird
hervorgehoben, daß diese Gegenstände zur Verhütung von Ge-
schlechtskranUieiten (Präservativs) eine größere RoUe im Ge¬
schlechtsverkehr spielen, als allgemein angenommen wird, nnd daß
durch ihre Benutzung tatsächlich Infektionen verhütet werden.
Würde nun durch das Verbot der öffentlichen Ankündigung und
Anpreisung solcher Mittel der Bezug derselben erschwert oder
gar verhindert, so sei eine Zunahme der Geschlechtskrankheiten
zn befürchten. Ich muß es dahin gestellt sein lassen, ob man
diesen Bedenken eine Bedeutung beilegen will; denn der Verkam!
dieser Mittel ist ja nach wie vor gestattet, und diejenigen Per¬
sonen, welche sich solcher Mittel bedienen, werden diese nach wie
vor zu erhalten wissen.
Frölich bleibt es, ob das im § 7 Ziffer 8 erlassene Verbot
erforderlich istP Der § 6 des Entwurfs schützt schon genügend
gegen zahlreiche, auf Täuschung ausgehende Anpreisung«!, be¬
sonders wenn hier, wie vorgeschlagen, das Wort „wissentlich*
der Heilkunde durch nicht approbierte Personen n. den OeheimmittelTerkehr. 51
fortfällt. Es bleibt auch gleich, ob die Bestandteile der Mittel
bei der Ankündigung bekanntgegeben oder geheimgehalten werden;
die Hauptsache ist immer, ob den Mitteln gewisse, ihnen nicht
znkommende Wirknngen, Erfolge nsw. in prahlerischer Weise
angedichtet werden, nnd hierfür bietet § 6 schon eine wirk¬
same Handhabe.
Was sodann den letzten Absatz des § 7 anbelangt, welcher
die Ankündignng der unter Nr. 2 nnd 3 aofgeführten Mittel, Gegen¬
stände and Verfahren außer Strafe läßt, falls diese Ankündigungen
oder Anpreisungen in ärztlichen, tierärztlichen oder pharmazeuti¬
schen Fachschrifcen erfolgen, so hegen ängstliche Gemüter die
Befürchtung, daß sich sehr bald findige Geheimmittelfabrikanten
zusammentun werden, welche unter dem Mantel der Wissenschaft¬
lichkeit undin Form einer Fachzeitschrift eigeneOrgane erscheinen
lassen werden, die nur solche Anzeigen enthalten. Ich halte diese
Befürchtung nicht für begründet, da der Begriff „Fachpresse*
ein tatsächlicher ist, dessen Vorhandensein in jedem Einzel¬
fall vom Richter nachzoprüfen bleibt; dieser wird aber als Fach¬
schrift nur solche Schriften gelten lassen können, die lediglich
fachliche Dinge behandeln nnd nur für Angehörige des Fa^es
bestimmt sind.
Entsprechend den zu § 8 empfohlenen Zusätzen, würden im
§ 8 nunmehr auch diese Zusätze unter die angedrohte Strafe
fallen.
Die im § 9 Abs. 1 festgesetzte Strafe für unterlassene
Anmeldung halte ich für zu gering; denn einem „berühmten*
Kurpfuscher, der sich der Anmeldepfiicht und den übrigen Pflichten
entzieht und bald hier, bald dort sein Zelt aufschlägt, macht es
gar nichts aus, eine Geldstrafe von 150 Mark zu zahlen; diese
Summe bildet vielleicht einen Teil einer einzigen Tageseinnahme.
Wird die unterlassene Anmeldung nicht unter hohe Strafe gestellt,
so werden die Kurpfuscher nicht davor zurückschrecken, sich
dieser Pflicht möglichst zu entziehen und die Kontrolle gestaltet
sich dann äußerst schwierig. Welche geringe Rolle das Geld bei
berühmten Kurpfuschern spielt, haben wir ja erst jüngst bei dem
bekannten William Scott gesehen, der die gesteUte Kantion von
100000 Mark lieber verfallen ließ, als daß er sich weiteren Un¬
annehmlichkeiten bei Gericht aassetzte.
Um den § 10 des Entwurfs noch wirksamer zu gestalten,
vor allem um auch die Zeitungsredakteure wegen Aufnahme
der öffentlichen Ankündigungen verbotener Mittel
wirksamer zur Bestrafung zu bringen, empfiehlt sich noch nach
dem Vorschlag von Reissig-Hamburg am Schluß des Abs. 1
des § 10 der Zusatz: „oder die öftentliche Ankündigung in periodi¬
schen Druckschriften, Volkskalendem und ähnlichen Reklameorten
zuläßt oder vermittelt, desgleichen, wer Bücher, Schriften und
Zeitschriften Öfientlich anpreist oder anpreisen läßt, in denen zur
Verletzung solcher gesetzlichen Bestimmungen angereizt wird, die
zur Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten getroffen
worden sind.* Durch diese Ergänzung würde man einen großen
4*
52 Dr. DQtschke: Vorliofiger Entwarf des Bdchsgesetus, betr. die AasHbang
Teil der natorheilkandlichen Schriften, in denen ja mit Vorliebe
die Absperrmaßreg^eln, DeeinfektionBVorschriften und dergL wer-
bOhnt werden, treffen können.
Eine bessere Wirkung des § 12 scbließlicb ist za erhoffen,
wenn vor das Wort „gleichgeachtet" am Ende dieses Paragraphen
noch eingeiftgt wflrde: „der öffentliche Hinweis auf Bficher and
Schriften, in denen die durch dieses Gesetz betroffenen Mittel,
Gegenstände oder Verfahren empfohlen werden"; denn bei der
jetzigen Fassung dieses Paragraphen gehen die Agenten der Kur¬
pfuscher und Geheimmittelfabrikanten, welche in den Zeitungen
Deckannoncen und Dankschreiben yeröffentlichen, straffrei aus.
Ebenso werden solche Annoncen in Kalendern und Volksböchem
vielfach gefunden, welche bei Beschreibungen von bestimmten
Krankheiten, Krebs, Tuberkulose, Beinschäden usw. die Aufmerk¬
samkeit des Publikums auf bestimmte Geheimmittel lenken.
Im § 13 wird hinter Ziffer 1 zweckmäßig die Strafbestimmung
für die vorgeschlagene Untersagung der Beilegung der Bezeich¬
nung „staatlich, polizeilich usw. gemeldet" (vergl. § 1 vorletzten
Absatz der Abänderungsvorschläge) eingef>, ebenso hinter
Ziffer 2 das nicht rechtzeitige Vorlegen der Geschäftsbttcher mit
unter Strafe gestellt, wie dies schon vom Deutschen Aerztetag
vorgeschlagen ist.
Um eine noch deutlichere Trennung zwischen approbierten
und nicht approbierten Personen zum Ausdruck zu bringen, wflrde
im § 15 anstatt Ausflbung der „Heilkunde" zu setzen sein
Ansflbung des „Heilgewerbes"«
Zur Vermeidung von Mißverständnissen erscheint es mir
auch nötig, dem § 15 hinzuzuffigen, daß die landesrechtlichen
Sonderbestimmungen hinsichtlich der Apotheker, welche diesen
die Ausflbung der Heilkunde untersagen, unberflhrt bleiben.
M. H.I Ich bin am Ende meiner Ausfflhrungen angelangt
nnd habe sowohl diejenigen Wflnsche und Abänderungsvorschläge,
welche ich in der jttngsten Publizistik, die schnell einen ziemlich
g^ßen Umfang angenommen hat, als beachtenswert fand, als auch
die Ergänzungen und Zusätze, die sich mir selbst, besonders vom
Standpunkt des Medizinalbeamten aus, als nötig und
wflnschenswert aufdrängten, an zutreffender Stelle flbersichtlich
zusammenzustellen versucht. Wenn auch ein großer Teil dieser
Abänderungsvorschläge Aber den ursprflngUchen Rahmen des Elnt-
wurfs hinausgeht, so soll diese freimfltig geflbte Kritik nicht etwa
dazu beitragen, in Ihren Augen den Wert dieses vortrefflichen
Entwurfes herabzusetzen, nein, die Zusammenstellung der vor¬
getragenen Abänderungsvorschläge ist nur dem aufrichtigen
Wunsche entsprangen, die Wirkungen des znkflnftigen Gesetzes,
da eben nach Lage der Verhältnisse ein vollständiges Knr-
pfuschereiverbot in absehbarer Zeit nicht zu erreichen sein wird,
möglichst weitgehend zu gestalten und die Maschen des Gesetzes
immer enger zusammenzuziehen, um die gröbsten Ausschreitungen
des Pfuschertums und des Geseimmittelschwindels zu beseitigen.
Wir, m. H., als Medizinalbeamte wissen, daß mit dem
der Heilkiinde darch niebt approbierte Peraonen n. dea GebeimmittelTerkebi. 68
Inkrafttreten des EnrpfaschereibekämpfnngsgeBetzes die beamteten
Aerzte vor neue und bedentnngsvolle Aufgaben gestellt werden,
und ich betone es nochmals, daß es von der Tätigkeit der Medi-
zinatbeamten in Zukunft wesentlich abhängen wird, mit welchem
Erfolge das Gesetz dnrchgef&hrt werden wird; deshalb haben
wir nicht nur yon unserem Standpunkt aus, sondern yor allem
im Interesse des Gemeinwohles den dringenden Wunsch,
daß die Kompetenzen des Medizinalbeamten yon yomherein gleich
gesetzlich so festgelegt werden, daß ihm ein wirksames Ein*
greifen und Mitarbeiten ermöglicht und garantiert ist, und er nicht
yon dem mehr oder minder ausgeprägten Verständnis der Polizei¬
behörden fftr seine erforderliche Zuziehung abhängig ist. Der
beamtete Arzt, der gleichsam der getreue Eckart seines Kreises
ist, wenn es gilt, die Verbreitung und Uebertragung ansteckender
Krankheiten yon seines Kreises Grenzen femzuhalten, hat andi
die Pflicht, beyor der Entwurf dem Reichstag zugeht, noch einmal
seinen Wamnngsruf eindringlich ertönen zu lassen, um die nicht
approbierten Heilgewerbetreibenden yon der Behand¬
lung ansteckender und Übertragbarer Krankheiten
ganz ansznschalten; denn er weiß aus eigener Erfahrung,
welche Ausdehnung ansteckende Krankheiten gewinnen können,
wenn sie nicht rechtzeitig erkannt werden, und wenn die wohl¬
erprobten sanitätspolizeilichen Maßnahmen zu spät einsetzeni
Ob der Entwurf mit dem yom Aerztetag und den deutschen
Medizinalbeamten zu machenden Abändernngsyorschlägen die Zu¬
stimmung des Reichstages Anden wird, ruht in der Zukunft Schoße
und ist zurzeit noch nicht abzusehen. Jedenfalls aber deuten die
bisherigen Preßerzeugnisse und yerschiedenen Beurteilungen des
Entwurfs darauf hin, daß es yoranssichtlich großer Anstrengungen
bedürfen wird, um die zum Teil aus Unyerstand, Eigennutz und
Feindschaft gegen die ärztliche Wissenschaft und ihre Vertreter
erhobenen Einwände zu entkräften. Besonders hat sich ja in dieser
Beziehung die wohlorganisierte Presse der „Naturheilkundigen*
hervorgetan, welche einen erbitterten Kampf durchzuführen ge¬
sonnen ist, um die „Kurierfreiheit, ein heiliges Gut des deutschen
Volkes,“ diesem ungeschmälert zu erhalten.
Als ein gfinstiges Zeichen fflr das Zustandekommen des Ge¬
setzes betrachte ich es aber, daß gerade heute, wo der Preußische
Medizinalbeamtenverein das Fest seines 25jährigen Bestehens
feiert, ein großer Teil der deutschen Medizinalbeamten nochmals
seine warnende und beratende Stimme zu dem Entwurf erhebt!
Der Preußische Medizinalbeamtenverein hat unter der bewährten
und zielbewußten Leitung seines langjährigen ersten Vorsitzenden,
sowie unter der kraftvollen und weitsichtigen Führung des jetzigen
Leiters des Vereins so manche Anregungen auf dem gesamten Ge¬
biete der öffentlichen Gesundheitspflege, der Volkswohlfahrt und
der gerichtlichen Medizin gegeben, die von den Staatsbehörden
wegen ihrer Zweckmäßigkeit gern aufgegriffen, dann in die Praxis
übertragen worden ist, daß wir uns der berechtigten Hoffnung
hingeben dürfen, man werde an maßgebender Steile die von den
54 Dr. Dfltscbke: Vorl&ofiger Entwarf des BeicbsgeMtzes, betr. dieAosflbang
deutschen Medizinalbeamten an dem Entwurf geübte Kritik
nicht unbeachtet lassen.
Wir Medizinalbeamte, die wir uns frei Ton Eigennutz wissen,
die wir keine Schädigung unserer persönlichen Interessen durch
die Kurpfuscher zu gewärtigen haben, weil unsere amtlichen
Pflichten uns keine Zeit zur Ansflbnng ärztlicher Praxis lassen,
sind im Aerztestand in erster Linie berechtigt, an eine Kritik des
vorliegenden Entwurfes heranzntreten und die Wünsche zu äußera,
welche zur wirksamen Durchführung des Gesetzes erforderlich
erscheinen! So geht denn mein, und ich bin überzeugt, Ihrer
aller Wunsch dahin, daß sich im Beichstag für die Annahme des
Elntwarfs mit den heute von mir vorgeschlagenen Abänderungen
und Ergänzungen eine genügende Majorität Anden möge, und hier¬
mit der Medizinal- und Sanitätspolizei eine wertvolle Wafte in
die Hand gegeben werde, durch welche es zum Heile der leiden¬
den Menschheit gelingen wird, die gröbsten Auswüchse des Kur¬
pfuschertums und des deheimmittelnnwesens zu beseitigen I
(Lebhafter Beifall.)
Der Gesetzentwurf und die von dem Herrn Beferenten
gemachten Abänderungsvorschläge haben folgenden Wortlaut:
»Vorläuflger Entwurf eines Gesetzes, betr. die Ausübung
der Heilkunde durch nicht approbierte Personen und den
Oeheimmitteiverkebr."
§ 1 .
Personen, welche sich gewerbsmäßig mit der Behandlung
von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden an Menschen oder
Tieren befassen, ohne die entsprechende staatliche Anerkennung
(Prüfungszen^is, Approbation) erbracht zu haben, sind verpflichtet,
spätestens mit dem Beginn des Gewerbebetriebes der Polizei¬
behörde f ihres Wohnortes unter Angabe ihrer Wohnung und Ge¬
schäftsräume schriftlich Anzeige zu erstatten.
Die Anzeige ist von Personen, die das Gewerbe bei dem
Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits betreiben, spätestens inner¬
halb vierzehn Tagen zu erlassen.
fElne Veränderung des Wohnortes, der Wohnung oder der
Geschäftsräume, desgleichen die Aufgabe oder Einst^ung des
Betriebes ist in gleicher Weise, spätestens binnen vierzehn Tagen
anzuzeigen.
§ 2 .
Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art sind
verpflichtet,f der Polizeibehörde ihres Wohnortes über ihre per¬
sönlichen Verhältnisse, soweit sie mit dem Gewerbebetriebe im
Zusammenhang stehen, insbesondere über ihre Vorbildung und
ihre seitherige Tätigkeit auf Erfordern Auskunft zu erteilen.
der Heilkande durch nicht approbierte Personen u. den Qebeimmittelrerkehr. 55
AbändenuigsTorsohläge.
Zar Ueberschrift: „Heilgewerbe* statt „Heilkande*.
Za § 1.
Za Abs. 1. t* • • Polizeibehörde des Betriebsortes
und dem dort zuständigen beamteten Arzt bezw. Tier*
arzt ... za erstatten.
, Za Abs. 3. fBioe Veränderang des Betriebsortes ist
binnen einer Woche bei der. Polizeibehörde des alten
und des neaen Betriebsortes, die Aenderang der Wohnang
oder der Geschäftsräome, sowie die Aafgabe oder Einstellong des
Betriebes binnen 14 Tagen bei der Polizeibehörde des alten
Betriebsortes anzazeigen.
Zasatz: Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬
treibenden ist es verboten, aas dieser erfolgten Anmeldung die
Berechtigung herzaleiten, sich als „staatlich, polizeilich oder be¬
hördlich asw. gemeldet* oder „zagelassen* za bezeichnen.
Ausgenommen von den Bestimmangen des § 1 bleiben die
nach den Konventionen zwischen dem Deutschen Reich und den
angrenzenden nicht deutschen Staaten zur Ausübung des Heil¬
gewerbes in den Grenzbezirken zugelassenen, nicht inländisch
approbierten Medizinalpersonen.
§ 2 .
Zu Abs. 1. ... f sind verpflichtet, der Polizeibehörde des
Betriebsortes und dem zuständigen beamteten Arzt bezw.
Tierarzt über ihre Vorbildang und seitherige Tätigkeit Aus¬
kunft za erteilen („auf Erfordern* fällt weg, desgl. „soweit sie
mit dem Gewerbebetriebe in Zusammenhang stehen*).
56 Dr. DOtschke: Yorläofiger Entwurf den Beiclugesetzes, betr. die Ansllbaiig
Sie sind ferner verpflichtet, Geschäftsbficher zu führen,t
die der Polizeibehörde f eef Vwlangen vorznlegen sind.
In welcher Weise die Geschufbsbflcher zn fahren nnd wie
lange sie anfznbewahren sind, bestimmt der Bnndesratt
§ 3.
Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Personen ist bei der Ans-
flbnng ihres (^werbebetriebes verboten:
an Menschen und Tieren:
a) eine Behandlung, die nicht auf Gmnd eigener Untersnchnng
der zn Behandelnden erfolgt (Fembehandlnng);
an Menschen:
b) die Behandlung von Tripper, Schanker, Syphilis,
c) die Behandlung unter Anwendung von Betänbnngsmitteb,
die Aber den Ort der Anwendung hinauswirken;
d) die Behandlung mittels Hypnose.
e) die Behandlung mittels mystischer Verfahren.
Durch Beschli^ des Bundesrats kann die Anwendung der
unter c bis e genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die
Anwendung anderer als der unter c bis e genannten Verfahren
bei Menschen und Tieren untersagt werden.
Behandelt einer der im § 1, Abs. 1 bezeichneten Gewerb^
treibenden eine Person an einer gemeingefährlichen Krankheit
(Beichsgesetz, betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Kn^<
heiten vom 30. Juni 1900 — R.-G.-B1. S. 306 —) oder an einer
solchen flbertragbaren Krankheit, bezflglich deren durch Landes¬
recht eine Anzeigepflicht eingeführt ist, oder ein Tier an einer
der Anzeigepflicht unterli^enden übertragbaren Seuche, so kann
die Polizeibehörde die weitere Behandlung nntersagen.t
der HeUkande durch nicht approbierte Personen n. den GehefanmittelTerkehr. 57
Zu Abs. 2. ... f die der Polizeibehörde des Betriebsortes,
bezv. dem zaständigen beamteten Arzt oder Tierarzt
alljährlich zn einem von der Polizeibehehörde zn
bestimmenden Termin, sonst jederzeit ant Verlangen Tor*
znlegen sind.
f Zusatz zn Abs. 8: Behnfe Dnrchftthmng einer wirksamen
Kontrolle ist es erwünscht, yorznschreiben, di^ in die Geschäfts*
bttcher außer den Personalien der behandelten Personen anch
deren Angaben über ihr Leiden, die Bezeichnung der Erankheits-
erscheinungen, Beginn und Dauer der Behandlung, Behand¬
lungsweise und die erhaltene Vergütung einzutragen sind. Die
Zahl der Seiten der Geschäftsbücher ist von der Polizeibehörde
des Betriebsortes bei der Anmeldung unter Beidrücknng des
Amtssiegels in dem Geschäftsbnche zu vermerken.
§ 8 .
Zn Abs. 1: a) wie im Entwurf.
an Menschen:
b) die Behandlung von Tripper, Schanker, Syphilis und deren
Folgezuständen;
c) die Behandlung von Frauenkrankheiten;
d) die Behandlung an einer gemeingefährlichen
Krankheit (Beichsgesetz betr. die Bekämpfung gemeingefähr¬
licher Kranheiten vom SO. Juni 1900. Beichsgesetzbl. S. 806)
oder an einer solchen übertragbaren Krankheit, be¬
züglich deren durch Landesrecht eine Anzeigepflicht
eingeführt ist;
e) die Behandlung unter Anwendung von Betäubungsmitteln,
die über den Ort der Anwendung hinauswirken;
f) die Behandlung mittels Hypnose, Suggestion und der¬
gleichen Verfahren;
g) die Behandlung mittels mystischer Verfahren.
Durch Beschluß des Bundesrates kann die Anwendung der
unter e—g genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die An¬
wendung anderer, als der unter e—g genannten Verfahren bei
Menschen und Tieren untersagt werden.
Behandelt einer der im § 1, Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬
treibenden ein Tier an einer der Anzeigepflicht unterliegenden
übertragbaren Seuche, so kann die Polizeibehörde nach zuvoriger
Anhörung des beamteten Tierarztes die weitere Behandlung unter¬
sagen; sie muß es, falls der beamtete Tierarzt es für nötig
erachtet.
Zusätze zn § 3. Die Abgabe von Mitteln oder Gegen¬
ständen, die zur Verhütung, Lindemng oder Heilung von Krank¬
heiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere dienen
sollen, ist den im § 1 bezeichneten Personen verboten.
Ebenso ist ihnen das Ankündigen oder Ankündigenlassen
des Abhaltens von Sprechstunden außerhalb ihres der Polizei¬
behörde gemeldeten Betriebsortes untersagt.
68 Dr. OfttBchke: Vorläufiger Entwarf des Bdchsgeeetses, betr. dieAaitinug
§ 4.t
Den im § 1 Abs. 1 bezeidmeten Personen ist der Gewerbe¬
betrieb zn nntersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die
imnahme begrftnden, daß durch die Ausübung des Gewerbes das
Leben der behandelten Menschen oder Tiere gefährdet oder dermi
Gesundheit geschädigt wird, oder daß Kunden schwindelhaft aus-
gebentet werden-f
Der Betrieb kann nntersagt werden, wenn der Gewerbe¬
treibende wegen einer strafbaren Handlung, die mit der Ausübung
des Gewerbes in Verbindung steht, rechtskräftig verurteilt ist,
bei Uebertretung jedoch nur im Falle wiederholter Verurteilung.
Der Betriebt kann auch dann untersagt werden, wenn dem
Gewerbetreibenden wegen eines nicht unter Abs. 2 fallenden Ver¬
brechens oder Vergehens die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt
sind, jedoch nicht über die Dauer des Ehrverlustes hinaus.
f Ist die Untersagung erfolgt, so kann die Landes-Zentral¬
behörde oder eine andere von ib^ zn bestimmende Behörde die
Wiederaufnahme des Gewerbebetriebes gestatten, sofern seit der
Untersagung mindestens ein Jahr verflossen ist.
Der Bescheid, der die Untersagung ansspricht, kann im
Wege des Rekurses gemäß §§ 20, 21 der Gewerbeordnung an-
gelochten werden.
Die Landesregierungen können bestimmen, daß die Anfechtung
im Verwaltnngsstreitverfahren zu erfolgen hat Die Einlegung
von Rechtsmitteln hat keine anfschiebende Wirkung.
§ 5.
Durch Beschluß des Bnndesrats kann der Verkehr mit ein¬
zelnen Mitteln oder Gegenständen, die zur Verhütung, Linderung
oder Heilung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der
Menschen oder Tiere dienen sollen,f) beschränkt oder nntersagt
werden, wenn von deren Anwendung eine Schädigung der Ge¬
sundheit zu befürchten ist, oder wenn sie in einer auf Täuschung
oder Ausbeutung der Abnehmer abzielenden Weise vertrieben
werden.
Soweit der Bandesrat den Verkehr mit einzelnen Gegen¬
ständen oder Mitteln untersagt hat (Abs. 1), ist deren Einfuhr
verboten.
Zur Mitwirkung bei Ausübung der dem Bandesrate nach
Abs. 1 zustehenden Befugnis wird bei dem Kaiserlichen Gesund-
heitsamte eine Kommission gebildet. Die Kommission besteht aus
Beamten, welche die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren
Verwaltungsdienste besitzen, und aus Sachverständigen aus dem
Gebiete der Medizin, der Tierheilkunde und der Pharmazie. Die
Mitglieder werden vom Reichskanzler ernannt. Dieser ernennt
auch den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter aus der Zahl der
Mitglieder. Die Ernennung der Sachverständigen erfolgt auf die
Dauer von fünf Jahren.
Vor der Beschlußfassung des Bandesrats hat die Kommission
sich gutachtlich darüber zu äußern, ob eine Beschränkung oder
der HeUkoiide dnrdi nieht «pprobiexte Persosen xl den GebeimnittelTerkelir. 69
§ 4 .
f Zusatz zu § 4: Angabe, irelehe Behörde den Gewerbe¬
betrieb zu untersagen hat.
Zusatz zu Abs. 1: fDie Untersagung des Gewerbebetriebes
erfolgt nach Anhörung des zuständigen beamteten Arztes oder
Tierarztes, der auch berechtigt ist, einen Antrag auf Untersagung
des Betriebes zu stellen.
Zn Abs. 3: fDer Betrieb ist ferner dann zu untersagen
wenn . . . (anstatt «kann auch untersagt werden*).
Zu Abs. 4: fist die Untersagung wegen wiederholter
Uebertretungen erfolgt, so kann die Landes-ZentralbehOrde
oder nsw.
Abs. 5 und 6. Wie im Entwurf.
§ 5 .
Zusatz im Abs. 1: f dienen sollen «und angepriesen wer¬
den,* beschränkt . . .
60 Dr. Dfttfohke: Vorllnflger Entwurf dei Bdclugefetzcs, betr. die Aurtbnng
Uatersagnng des Verkehrs geboten sei. Die Kommission beschließt
in der Zusammensetzung von fünf Mitgliedern, unter denen min¬
destens drei Sachverständige sein mflssen.
Die Kommission hat dem Verfertiger oder andere Beteiligte,
soweit dies ausifthrbar ist, zur Wahrung ihrer Interessen GMegen-
heit zu geben.
Im fibrigen wird die Einriditnng der Kommission und das
Verftüiren vor derselben durch den Bnndesrat geregelt.
§ 6 .
Mit Gefilngnisf bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis
zu dreitausend Mark oder mit einer von diesen Strafen wird be¬
straft, wer in öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen,
welche die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten,
Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere zum Giegen-
Stande haben, wissentlich unwahre Angaben macht f, die geeignet
sind, Täuschungen über den Wert oder Erfolg der angekündigten
oder angepriesenen Mittel, Gegenstände oder Verfahren hervor-
znrnfen. Dasselbe gilt, wenn solche wissentlich f unwahre Angaben
gemacht werden in bezug auf die Person des Verfertigers oder
Urhebers oder über die die Veröffentlichung veraiüassende Person
oder über die Erfolge einer dieser Personen.
§ 7 .
Mit Gefängnis f bis zu sechs Monaten und mit Gnldstrafe
bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit einer dieser Strafen
wird bestraft
1. wer sich in öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen
zur Fernbehandlungt (§ 3, lit a) erbietet;
2. wer öffentlich ankündigt oder anpreist Mittel, Gegenstände
oder Verfahren, die zur Verhütung, Linderung oder Heilung
von Geschlechtskrankheiten f zur Behebung geschlecht¬
licher Schwäche oder zur Hervorrufong geschlechtlicher
Erregung, sowie zur Verhütung der Empfängnis oder
zur Beseitigungf der Schwangerschaft dienen sollen;
3. wer öffentlich ankündigt oder anpreist Mittel, Gegenstände
oder Verfahren, die zur Verhütung, Linderung oder Heilung
von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der Menschen
oder Tiere dienen sollen, sofern die Bestandteile oder die
Gewichtsmengen der Gegenstände oder Mittel oder die
wesentliche Art des Verfahrens bei der Ankündigung oder
Anpreisung geheim gehalten oder verschleiert werden.
Die Vorschriften unter Nr. 2 und 3 finden keine Anwendung,
soweit die Ankündigung oder Anpreisung in ärztlichen, tierärzt¬
lichen oder pharmazeutischen Fachschrifton erfolgt.
§ 8
Mit der gleichen Strafe (§ 7) werden bestraft Gewerbe¬
treibende der im § 1 Abs. 1 bezeiclmeten Art, die
1. vorsätzlich den Vorschriften des § 3, Abs. 1 f oder einer
gemäß § 3, Abs. 2, 3 oder § 4 ergangenen Untersagung
zuwider handeln;
der Heilkunde durck nicht approbierte Personen n. den GeheimnüttelTerkehr. 61
§ 6 .
f Mit Gefängnis von ... bis za einem Jabr and mit 6eld>
strafe von ... bis za dreitaosend Mark.
DaS' Wort wissentlich** ist za streichen and dafftr der
Zasatz za machen f^oder mit seinem Wissen machen läßt,**
die geeignet sind asw.
Das Wort f,wissentlich** ist za streichen.
§ 7 .
f Mit Gefängnis von . . .bis za sechs Monaten and mit
Geldstrafe von ... bis za eintaosendfflnfhnndert Mark oder . . .
Zasatz za Ziffer 1: Fembehandlang erbietet, oder fFern-
behandlang vermittelt oder veranlaßt.
Zusätze za Ziffer 2: f Geschlechtskrankheiten and Fraaen-
krankheiten.
fBeseitigong von MenstraationsstOrnngen and Schwan¬
gerschaft dienen sollen.
Ziffer 3 fällt weg (vergl. § 6).
§ 8 .
Za Abs. 1, Ziff. 1 t§ ^ ^^8. 1, 4 and 5 statt Abs. 1.
62 Dr. Dntsehke: Vorl&afiger Entwarf des Bdohsgesetses, betr. die Ansftbug
2. vorsfttzlich sich za den nacht § 1 unter b, c, d
und e oder nach § S, Abs. 2 verbotenen Handlangen in
öffentlichen Ankttndigangen oder Anpreisangen erbieten.
Ist eine der unter 1 bezeichneten Handlangen aas Fahrlässig*
keit begangen, so tritt Gefängnisstrafe f bis zu drei Monaten and
Geldstrafe bis za sechshundert Mark oder eine dieser Strafen ein.
§ 9 -
Mit Geldstrafet bis zu einhundertondfftnfzig Mark oder mit
Haft wird bestraft, wer gegen Entgelt Menschen oder Tiere wegen
einer Krankheit, eines Leidens oder eines Körperschadens be*
handelt, ohne dazu staatlich anerkannt za sein and ohne eine
entsprechende Anzeige nach § 1 erstattet zu haben.
Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Be¬
handlung wegen Gefahr im Verzage fibemommen und nur so lange
fortgeffihrt worden ist, bis Hilfe von einer staatlich anerkannten
Person geleistet werden konnte.
Ist die Behandlung eine solche, die den im § 1, Aba. 1 be¬
zeichneten Gewerbetreibenden nach § 3 verboten ist, so kann
neben der Strafe auf Einziehang der zar Behandlung gebrauchten
oder dazu bestimmten Gegenstände erkannt werden, sofern sie
dem Täter oder einem Teikehmer gehörmi.
§ 10 .
Mit Geldstrafe f bis zu einhandertandfönfzig Mark oder mit
Haft wird bestraft, wer Mittel oder Gegenstände, die vom Bandesrat
gemäß § 5 dem Verkehr entzogen oder Verkehrsbeschränkungen
unterworfen worden sind, entgegen diesen Anordnungen einffihrt,
feilhält, zum Verkaufe vorrätig hält oder verkauft oder sonst an
andere fiberläßt oder öffentlich ankfindigt oder anpreist.f
Neben der Strafe kann auf Einziehung der verbotswidrig
eingeffihrten, feilgehaltenen, zum Verkauf vorrätig gehaltenen
Mittel oder Gegenstände erkannt werden, sofern sie dem Täter
oder einem Teilnehmer gehören.
§ 11 .
Ist in den Fällen §§ 9 und 10 die Verfolgung oder die Ver¬
urteilung einer bestimmten Person nicht ausffihrbw, so kann auf
die Einziehung selbständig erkannt werden.
§ 12 .
Der öffentlichen Ankfindigung oder Anpreisung im Sinne
dieses Gesetzes wird die Verbreitung von Empfehlungen, £2rfolg-
bestätigungen, gutachtlichen Aeußernngen, Danksagungen und
ähnlichen MitteUungen in einem großen Kreise von Personenf
gleichgeachtet. g ^3
Mit Geldstrafet bis zu einhundertundffinfzig Mark oder mit
Haft werden bestraft Gewerbetreibende der im § 1, Abs. 1 be¬
zeichneten Art, die
1. die im § 1 vorgeschriebene Anzeige nicht rechtzeitig
erstatten oder die gemäß § 2, Abs. 1 von ihnen geforderte
Auskunft fiber ihre persönli^en Verhältnisse verweigern
oder unrichtig erteilen if
der Heilkonde durch nicht approbierte Peraonen n. den Geheimmittelrexkehr. 63
Za Abs. 1, Ziff. 2: f § 3 Abs. 1 b—g statt Abs. 1 unter b,
c, d und e.
f G^efängnisstrafe von ... bis zn drei Monaten nnd Geld¬
strafe von ... bis zn sechshnndert Mark oder . . .
§ 9 .
f Mit Geldstrafe von ... bis zu (höherer Satz, als im Ent-
woi'f angegeben).
§ 10 .
fMit Geldstrafe von ... bis zn
Zusatz zu Abs. 1: fMit der gleichen Strafe wird bestraft,
wer die öffentliche Ankündigung in periodischen Dmckscbriften,
Volkskalendem nnd an ähnlichen Reklameorten zuläßt oder ver¬
mittelt, desgleichen, wer Bücher, Schriften nnd Zeitschriften
öffentlich anpreist nnd anpreisen läßt, in denen zur Verletzung
gesetzlicher Bestimmungen angereizt wird, die zur Verhütung der
Verbreitung ansteckender Krankheiten getroffen worden sind
(Reissig).
Wie im Entwurf.
§ 11 .
§ 12 .
Zusatz: Vor das Schlußwort ^gleichgeachtet* ist nochein-
zufflgen „sowie der öffentliche Hinweis auf Bücher nnd
Schriften, in denen die durch dieses Gesetz betroffenen
Mittel, Gegenstände oder Verfahren empfohlen werden".
§ 13.
f Mit Geldstrafe von ... bis einhundertfünfzig Mark (höhere
Strafe, als im Entwurf vorgesehen).
Zu Ziffer 1. Zusatz hinter „erteilen*:
f oder gegen die Bestimmung des § 1 Abs. 4 (Abänderungsvor¬
schlag) verstoßen.
64 Dr. Dütsehke: VorlloAger Entwoif dea Eeichagesetzes, betr. die AnsHbiiiig
2. die Geschäftsbflcher, deren Fftbmng oder Aafbewahmng
ihnen obliegt, nicht oder nicht in der Tom Bandesrate
vorgeschriebenen Weise oder unrichtig führen oder ver*
heischen oder vernichten oder der znstftndigen Behörde
auf deren Verlangen f nicht vorlegen.
§ 14.
Welche Behörde in jedem Bandesstaat nnter der Bezeichnong
Polizeibehörde za verstehen ist, wird von der Zentralbehörde des
Bandesstaates bekannt gemadit.
§ 16.
Die landesrechtlichen Voi Schriften, welche die Ansübang der
Heilkundet durch nicht approbierte Personen, sowie die Aokfindi-
gang and Anpreisung von Mitteln, Gegenstftnden and Verfahren
der in diesem Gesetze bezeichneten betreffen, werden auf*
gehoben, t
§ 16.
Dieses Gesetz tritt am.in Kraft.
Vorsitzender: Ich eröffne die Diskassion, and zwar zu¬
nächst über den Entwarf und das Referat im allgemeinen.
Hem Ereiflust Dr. Pflani-Berlin: M. H. I Mit den eben gehörten Au*
mhrungen des Herrn Beferenten und den yon ihm aofgestellten Leitsätzmi,
glaabe ich, dürfen wir uns im allgemeinen wohl einyerstanden erklären. leh
will daher, am nicht za sehr in Einzelheiten einzagehen, einige Bedenken mehr
formaler Natar hier anberücksichtigt lassen, kann es mir aber nicht versagen,
einige noch nicht erwähnten Ergänsangen, die ich auch teilweise in der za
einer wahren Hochflat angeschwollenen Literatar bisher noch nicht gefonden
habe, hier in Vorschlag za bringen.
Za dem § 8 des Entwurfes hat der Herr Referent bereits nnter d) hin-
zagefügt: den in § 1, Abs. 1 bezeichneten Personen za verbieten:
„die Behandiang an einer gemeingefährlichen Krankheit oder aa einer
solchen übertragbaren Krankheit, bezüglich deren durch Landesrecht eine An*
zeigepdicht eingeführt ist."
Wenn der vorgeschlagene Absatz im Gesetze in dieser Form Annahme
findet, so ist za erwarten, daß die Earpfascher bei etwa eingeieitetem ge¬
richtlichen Verfahren den Ein wand erheben werden, daß sie z. B. Scharlach für
Masern oder BOteln gehalten hätten, damit nach den bisher gemachten Er-
fahrangen vor Gericht aach Glaaben finden and eine Freisprechung erzielea
werden. Aus diesem Grande halte ich hier einen weiteren Zusatz für erforder¬
lich, etwa in der Art, daß die Behandiang aller mit Haataasschlägen
einhergehenden Krankheiten den in Bede stehenden Personen anier-
sagt wird. Dieser Zusatz wäre auch erforderlich za einer wirlmamen Darch-
führang des aoter b) in diesem Paragraphen auf geführten Verbotes der
handlang von Schanker and Syphilis. Aach hier würde der Einwand, daß der
betreffende Earpfascher die Krankheit nicht für Syphilis oder SchsAker go-
halten habe, bei einem gänzlichen Verbot für alle mit Haataasschlägen ein¬
hergehenden Krankheiten ihm vor Gericht wohl nichts nützen.
Ferner erscheint mir das Verbot der Behandiang des Trippers in
dieser allgemeinen Fassung des Entwurfes und auch in der vom Beferenten
vorgeschlagenen Ergänzung, der den Zusatz empfohlen hat: „und deren Folge-
zaständen“ — so sehr m aach mit diesem Zasati einverstanden bin —
trotz dieser Ergänzung noch nicht wirksam genag. Ist es doch schon für
den Arzt oft schwer, ohne Hilfe des Mikroskops, besonders beim Wdbe,
eine richtige Diagnose za stellen, so daß der eventuell erhobene Einwaad
des Karpfaschers, daß er die Krankheit nicht für Tripper, soadem fb
harmlosen Harnröhrenkatarrh oder Aasfloß gehalten habe, bei dem Biditar
der Heilkande durch nicht approbierte Personen u. den Geheimmitteirerkehr. 65
Ziffer 2. Zusatz hinter „deren Verlangen“:
foder zn den vorgeschriebenen Terminen nicht vorlegen.
§ 14.
Wie im Entwurf.
§ 16 .
f Anstatt Ausübung „der Heilkunde“ Ansübung „des Heil*
gewerbes“.
Zusatz als 2. Absatz.
t Unberührt hiervon bleiben die landesrechtlichen Sonder-
bestimmnngen für die Apotheker, die diesen die Ausübung der
Heilknnst untersagen.
moist Glnuben linden wird. Dnhm mttßte eine Erweiterung des Begrilb
„Tripper* durch den Tieileicht in BGnmmem zn setzendenZnsnti: „AusfiuB
aus den männlichen oder weiblichen Geschlechtsteilen* hier
vorgeoommen werden. Dann konnte allerdings der Zusatz, der sich auf die
weibiichen Geschlechtsteile besieht, lortbleiben, wenn, wie es von dem Herrn
Beferenten Torgeschlagen wird, die Behandlung aller Frauenkrankheiten Ober¬
haupt verboten wird.
Hinter dem in § 8 des Entwurfs unter e), in den Leitsätzen unter g)
aufgeftthrten Verbot der Behandlung mittels mystischer Verfahren halte ich,
um den gerade hier in Berlin neuerdings besonders zahlreich anftretenden
Magnetopathen, ebenso wie den Gesundbetern, das Handwerk zn legen, den
Zusatz etwa in Klammem „(Gesundbeter, Magjietopathen und der¬
gleichen)* fOr erforderlich, da sonst erst durch gerichtliche Entscheidunffon
festgestellt werden müßte, ob die genannten Methoden auch wirklich zu den
mystischen Verfahren zu rechnen sud, was wohl sicherlich zunächst von den
beteiligten Kurpfuschern und ihren Bechtsanwälten bestritten werden wird.
Ich komme nun zu § 4, durch den bestimmten Personen bei gewissen
Voraussetzungen der Gewerbebetrieb untersagt wird und untersagt werden
kann. Hier halte ich die Einreihung der Geisteskranken und Trunk¬
süchtigen beim Ausschluß von der Krankenbehandlnng im Öffentlichen
Interesse für dringend geboten. Wir haben in Berlin mehrfach die Erfahrung
gemacht, daß Personen, welche wegen Geistesschwäche oder Geisteskrankheit
entmündigt sind oder in einem gegen sie anhängig gemachten Strafverfahren
auf Grund des § 61 des Beichsstrafgesetzbuches freigeeprochen wurden, bezw.
fdne Einstellung des Verfahrens erzielt haben, ruhig die Heilkunde weiter aus-
üben, ohne diä Urnen dieses auf Grund der derzeitigen gesetzlichen Be¬
stimmungen in wirksamer Weise untersagt werden kann. Ich wUl hier nur
einen interessanten FaU ans der letzten Zeit erwähnen, der einen Heilkundigen
betraf, der hier im Tiergarten w^en Exhibitionismus sistiert wurde und bei
seiner Vernehmung den für diese FäUe charakteristischen Einwand erhob, daß
er von der ganzen Sache nichts wisse. Bei der gerichtsärztlichen Untersuchung
wurde festgesteUt, daß es sich hier vermutlich um einen epileptischen Dämmer¬
zustand gehandelt habe, für den die Voraussetzungen des § 51 B. St. G. als
vorliegend erachtet werden mußten, so daß die EinsteUung des Verfahrens
erzielt wurde. Dieser Mann, der sich durch ein fast eia Meter hohes und eat-
3 rechend breites BeUameschUd ansaeicbnet, auf dem er sich zur Behandlung
ier möglichen Krankheiten anbietet, behandelt noch nach wie vor kranke
Personen, unter ihnen auch besonders Frauen, ohne daß es jetzt mOgUch ist,
ihm das Gewerbe in wirksamer Welse zu untersagen. Wenn einmal gesagt
6
66 Diskiunoa za dem Vortrage: Vorläufiger Entwarf des Beiclugeeetiee,
worden ist, daß jeder Kranke, der wisse, daß er za einem nicht approbi^ten
HeilkttDStier gehe, dieses mit seinem eigenen Gewissen abmachen mftsse 'and.
hierin eber staatlichen BeTormnndang nicht bcdfirfe, so hat m. B. der Staat
doch die Pfiicht, das Pablikam vor Karpfaschern dieser Art za schätzen,^deren
Geisteszustand bm nicht rorher bekannt sein kann.
Aus dieser Erwägung halte ich b § 4 einen weiteren Zusatz* etwa
folgender Art für unbedingt erforderlich:
aDenjenigen b § 1, Abs. 1 bezeichneten Personen, welche gemäß § 1906
des B. G. B. unter vorläufige Vormundschaft gestellt oder wegen Geisteskrank*
heit, Gebtesschwäche oder Tronksncht nach § 6, Ziffer 1 und 8 des B. G. B.
entmündigt sbd, bt während der Dauer der Bevormundung und Entmündigung,
solchen Personen, bei denen b ebem Strafverfahren die Voraussetzung des
§ 51 des Beidisstrafgesetzbuches ab vorliegend anerkannt worden bt, djauernd
der Gewerbebetrieb zu untersagen.**
Ich verkenne allerdings hierbei nicht, daß bereits im § 4, Abs. 1, der
da sagt, «den usw. Personen bt der Gewerbebetrieb zu untersagen, wenn Tat¬
sachen vorliegen, welche die Annahme begründen, daß durch die Ausübung des
Gewerbes das Leben der behandelten Menschen oder Tiere gefährdet oder
deren Gesundheit geschädigt wird“ — ich sage, ich verkenne nicht, daß hier
vielleiobt — vielleicht — schon eine Handhabe gegeben bt, gegen gebtes-
kranke und trunksüchtige Eurpfuscher vorzugeben. Ich bezweifle aber, ob in
allen Fällen, in denen die Untersagung des Gewerbebetriebes dieser Personen
erforderlich erschemt, dieser Absatz auch wirklich ausreichend sein wird.
Was nun den Geheimmittelverkehr betrifft, der in § 5 geregelt
wird, so halte ich es für erforderlich, auch die besonders vom Aaslande her
in auffälligen äußeren Formen betriebene, auf die Eitelkeit der Menschen
spekulierende Reklame — ich erinnere z. B. an die Inserate mit der üeber-
Schrift: «Wie werde ich energbcb P“, an die Inserate über Badiopathie, an die
Empfehlung der Apparate zur Verlängerung der Körpergröße, an die Mittel
gegen Magerkeit, Korpulenz, zur Erzielung einer üppigen Büste usw. — v<m
dem in diesem Paragraphen ausgesprochenen Verbot zu treffen, möchte daher
Vorschlägen, im Absatz 1 des § 5 Unter „Heilung“ den Zusatz „Beseiti¬
gung“, sowie Unter „Körperschäden“ die Worte „und Mängel“ eia-
zufügen. Ferner müßte, um die zahllosen, zur Umgehung der gesetzlichen
Bestimmungen in neuester ^eit ab „Nähr- und Kräftigungsmittel“ angepriesenen
sdiwindelhaften Reklame- und Gebeimmittel ebenfalb unter dieses Verbot zu
hrbgen, bbter den Worten „der Menschen oder Tiere“ im Absatz 1 der Zusatz
gemacht werden „sowie als Nähr- und Kräftigungsmittel bei
krankhaften Zuständen“. Sbngemäß müßten diese für den § 5 vor-
gesebiagenen Ergänzungen auch im § 6 und im § 7, Abs. 8 Pbtz finden.
Uebrigens bt für diese Ziffer des § 7 von dem Herrn Referenten die gänzliche
Streichung empfohlen worden; ich glaube aber, daß wir doch woU Wert
darauf legen müssen, daß diese Gegenstände, Mittel, Methoden usw., wenn sie
nun einmal angepriesen werden, auch zu gleicher Zeit die Angabe der Bestand¬
teile enthalten. Es bt z. B. der Uebersicht halber schon wichtig, wenn man
weiß, dieses unter irgendebem Namen angepriesene Mittel besteht aus harm¬
loser Kamille und dergleichen. Ich muß daher sagen, daß ich mich mit einer
Streichung dieses unter Ziffer 8 aufgeführten Zusatzes doch nicht emver-
standen erklären kaim.
Wie wichtig dieser Zusatz, betreffend die „Nährmittel“, bt, das be-
weben die in letzter Zeit vielfach an das Uesige PoUzeipräsidium gerichteten
Anfragen, ob dieses oder jenes Mittel, das nur ein „Nährmittel“ darstellen
solle, woU dem freien Verkehr überlassen oder Uer öffentlich angekündigt
werden darf. Wenn wir uns dann Angaben über die Zusammeasetsung der
Mittel machen lassen, so haben wir in sehr vielen Fällen gesehen, daß es sidi
nicht bloß um eb rebes Nährmittel, sondern um eb Arzneimittel handelt.
So wurde b diesen Tagen eb „Nährmittel“ ausschließlich für Tuberkulose b
hiesigen Zeitungen angepriesen, das u. a. glyzerinphosphorsanre Salze und
Perubabam enthält, abo gewbsermaßen doch ab eb spezifisches Arzneimittel,
aber unmöglich als eb Nährmittel angesehen werden kann. Man sieht hieraus,
wie nötig der von mir vorgesohlagene Zusatz bt, damit aUe Hbtertüren der
Gehelmmittelhändler nach Möglichkeit abgeschlossen werden.
betr. die Aasfibang der Heilkunde durch nicht approbierte Personen usw. 67
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Im § 7 ist das Anbieten zur Fernbehandiung für jedermann mit
Strafe bedroht, und in den Erl&uterungen zu diesem Paragraphen ist ans*
drttcklich bemerkt, daß die beabsichtigte Folge u. a. auch die sei, daß das
öffentliche Anbieten der Fernbehandiung seitens approbierter Aerzte in Zukunft
dann strafbar wäre. M. H., ob die Gerichte diesen Ausführungen angesichts
der gewählten üeberschrilt des Entwurfs folgen werden — denn die üeber*
Khrift lautet: „Vorläufiger Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ausübung
der Heilkunde durch nicht approbierte Personen und den Geheimmittelverkehr*—
ob, sage ich, die Gerichte diesen Ausführungen folgen werden, scheint mir
doch sehr zweifelhaft nach den Erfahrungen, die mit den die Meldepflicht der
Kurpfuscher regelnden, auf Grund des Ministerialerlasses vom 28. Juni 1902
erlassenen Polizeiverordnnngen gemacht worden sind. Ist doch, wie bereits
in dem von Herrn Geh. Med.-Bat Dr. Wehmer und mir für die Festschrift
verfaßten Beferat näher ansgeführt wurde, die Anwendung des Ankündigungs-
Verbots für gewisse Inserate auf Leute, die sich nicht mit Ausübung der H^-
künde befassen, also Geheimmitteltabrikanten, mit Bücksiebt auf die üeber-
Schrift von den Gerichten für unzulässig erklärt worden, und nur in denjenigen
Bezirken, wo diese Verordnungen keine Deberschrift haben, z. B. in Minden
(Vorsitzender: Das ist gerade deshalb absichtlich geschehen!) oder wo sie, wie
in Berlin, ausdrücklich den Zusatz haben: „sowie betreffend Ankündigung von
Arzneimitteln usw.*, ist ihre Anwendung auch auf alle Anpreisungen, also
auch auf solche von Leuten, die nicht £e Heilkunde ausüben, vom Kammer¬
gericht (am 15. März 1906) ausdrücklich für zulässig erachtet worden. Dem¬
gemäß empfiehlt es sich, dem Entwurf in der Ueberschrift die Worte „sowie
Erbieten zur Fernbehandiung und dergleichen* hinznznfügen,
wenn die in § 7 unter Ziffer 1 angedrohte Strafandrohung auch auf den Arzt
sioh erstrecken soll, was ja an und für sich sehr wünschenswert erscheint.
Schließlich möchte ich noch erwähnen, daß es sich empfelen dürfte, im
letzten Absatz des § 7 ebenso wie die tierärztlichen auch die zahnärzt¬
lichen Zeitschriften, wenigstens für die unter Nr. 8 aufgeführten Mittel,
auszunehmen.
Hiermit wären in der Hauptsache die Vorschläge erschöpft, die ich für
die weitere Ausgestaltung des vorliegenden Gesetzentwurfes für unbedingt not¬
wendig erachte, wenn dieses Gesetz den Behörden eine wirksame Handhabe
zur Bekämpfung der Kurpfuscherei und des Geheimmittelunwesens bieten solL
Eine weitere Begrenzung des den Kurpfuschern verbleibenden Gebietes halte
ich im Gegensätze zu dem Herrn Beferenten nicht für opportun; denn ich ver¬
hehle mir nicht, daß der Entwurf zweifellos um so weniger Anklang bei den
Volksvertretern finden wird, je mehr das Gebiet eingeengt wird, das den nicht
approbierten Heilkundigen schließlich noch verbleibt. Darum habe ich auch
abgesehen von den Vorschlägen über die Ausdehnung des Kurierverbotes auf
alle mit Hantausschlägen e^hergehenden Krankheiten und die Untersagung
des Gewerbebetriebes für Geisteskranke und Trunksüchtige, mich in der Haupt¬
sache nur darauf beschränkt, mehr Vorschläge erläuternder Art, wenigstens für
den die Kurpfuscherei betreffenden Teil des vorliegenden Gesetzentwurfes, zu
machen. (BeifaU.)
Herr Beg.-und Med.-Bat Dr. Bluber-Köslin: M. H.! Die großen Vor¬
teile, die der Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kurpfuscherei bietet, ver¬
kenne ich nicht; aber meiner Ansicht nach trifft er eine ganze Beihe von Per¬
sonen nicht. § 1 sagt: „Personen, welche sich gewerbsmäßig mit der Be¬
handlung usw. „befassen“, und § 9 hebt die Strafen hervor und sagt „mit
Geldstrfäe usw. wird bestraft, wer gegen Entgelt Menschen oder Tiere usw.
behandelt.* Ea ist aber sehr schwierig, die Personen zu bestimmen, die ge¬
werbsmäßig behandeln. Nach der Bechtsauffassung sind darunter solche Per¬
sonen zu verstehen, die gewohnheitsmäßig Krankheiten behandeln, und zwar
gegen Entgelt. Danach würden also alle Personen, die Kranke gewohnheits¬
mäßig in großer Ausdehnung behandeln, aber nicht gegen Entgelt, durch den
Gesetzentwurf gar nicht getroffen. Als ich in Düsseldorf war, habe ich den
Kampf gegen den Lehmpastor Felke auf genommen; es schloß sioh daran eine
S anze Menge Gerichtsverhandlungen, in denen es außerordentlich schwer war,
ea Begriff der Gewerbsmäßigkeit nachzuweisen. Der Angeklagte hatte zwar
eine Menge Geld bekommen, es aber immer zu wohltätigen Zwecken und
6 *
)
(
I
68 DIsknsaioB za dem Yortrage: VorUaflger Entwarf des BdehsgeseUez,
zaderen Saehen rerwandt; jedenfalls erkannte der Bichter den Begriff gewerbe*
mlfflg nicht an.
Ich habe dabei noch eine ganz andere Art von Earpfaechem im Sinne,
die speziell in Hinterpommern ihr Wesen treiben, das sind die Hebammen-
S fnscherinnen. Da sitzt aof dem Lande eine alte kloge Frao, die statt
er Hebamme za Entbindongen zagezogen wird. Sie beschränkt sich nicht
blofi darauf, den Leib mit Qinsefett oder Schweinefett einzareiben, sondern
macht aach Manipalationen an den Geschlechtsteilen und untersacht. Es ist
dann kein Wander, wenn spater die Entbandene an Eindbettfieber erkrankt.
Auch solchen Frauen gegenüber ist es sehr schwer, die Gewerbsmißigkeit
Bachzawelsen. Nach dem Gesetzentwurf werden diese Personen rollstindig
straflos ansgehen. Im § 9 wird weiter gesagt: ,Diese Bestimmnng findet keine
Anwendong, wenn die Behandlung wegen Gefahr im Verzage übernommen and
nor so lange fortgeführt worden ist. bis Hilfe Ton einer staatlich anerkannten
Person geleistet werden konnte.* Aber, m. H., das ist ebenfalls sehr schwer
nachzaweisen I Man kann allerdings |egen diese Pfoscherinnen aof drderlei
Weise Torgehen, zankchst auf Grand einer Ankla^ wegen fahrlässiger Tütong.
Ich habe nun vor karzem einen solchen Fall zur Kenntnis bekommen, wo eine
Eorpfoscherin die Ereißende behandelt hatte and diese gestorben war. Dem
Gericht wurde Anzeige erstattet, and von diesem die gerichtliche Sektion der
Leiche angeordnet; leider aber so spät, daß wegen Fäulnis die Todesorsache
nicht festgestellt werden konnte. Die Frau gjng demzufolge straffrei aus.
Sdbst wenn die Aerzte, wie in diesem Falle, ihr Gutachten dahin abgeben,
daß durch Nichtanwendung von Earbol oder anderen Desinfektionsmitteln, dureh
nnsaohgemäße Behandlung and unsachgemäßes Eingreifen der Tod herbeigeführt
sei, wird sich leider immer ein ärztlicher Sachverständiger finden, der die
fikkrankung auf Selbstinfektion zurückführt und dadurch eine Freir^rechong
der betreffenden Pfascherin herbeiführt. Also damit ist nicht viel anzofangen.
Zweitens kann die Pfascherin auf Grund des § 147,1 der Beichsgewerbe*
ordnang bestraft werden, der die Ausübung eines selbständigen Betriebes oder
eines ständigen Gewerbes ohne Eonzession oder ohne Genehmigung verbietet.
Auch dn Muiisterialerlaß vom 20. Februar 1871 weist darauf hin, daß eine
Person, die Hebammenpfuscherei treibt, auf Grund dieses Paragraphen zu be¬
strafen ist. Es ist aber in dem Erlaß ausdrücklich gesagt: ,gewerbsmäßig*.
Die Frau kann nur bestraft werden — wir haben soldie Fälle gehabt — wenn
sie Geld und Geldgeschenke bekommen hat, and das wird meistens Oe-
heimnis bleiben.
Ein dritter Weg endlich ist mittelst einer Polizeiverordnung möglich.
Nach einem Erkenntnis des Eammergerichts vom 28. November 1903 ist nim-
lioh eine Polizeiverordnung rechtsgültig, welche vorschreibi, daß solche Per¬
sonen sofort nach der Anknnft für Herbeiholung einer Hebamme oder eines
Arztes Sorge tragen müssen und bis zu deren Ankunft sich jeglicher geburts¬
hilflichen Tätigkeit zu enthalten haben. Aber auch hiermit wird man nidit
weit kommen; denn die Pfascherin wird immer sagen, es sei eine Notlage
gewesen, und keine Zeit gewesen, zur Hebamme zu schicken.
Also die ganze Ausübung der Eurpfuscherei, namentlich die Hebammen-
pfuscherei, ohne Entgelt wird durch das Gesetz nicht getroffen. Ich mefaie
deshalb, entweder müßte das Wort „gewerbsmäßig* genauer präzisiert oder
dahin erweitert werden, daß auch die gewohnheitsmäßige Ausübung der Eur-
pfosoherei, die über den Wohnort und den Sitz des Betreffenden hinaasgeht,
zu bestrafen ist. Jedenfalls mOohte ich diesen Vorschlag zur Etwägong
anheimgeben.
Herr Ob.-Med.-Bat Dr. v« Gossmann-Stuttgart: H. H.I Darf ich znr
formellen Geschäftsbehandlong beantragen, daß die dnzelnen Paragraphen nach
der Beihe besprochen werden, di^ auo der Herr Vorsitzende die einzelnen
Paragraphen aufruft und derjenige, der dazu etwas zu sagen wünscht, sieh
meldet. Ich befürchte, daß sonst die Diskussion za sehr auseinanderlaaiea
könnte. Ich hätte z. B. auch einige Anträge za stellen, die ich dann aber
lieber bei den betreffenden Paragraphen, wenn sie znr Beeprechong stehen,
stellen möchte, als jetzt bei der all^emeiaen Besprechong. Wenn diese Be¬
handlung jedoch nicht beliebt wird, dann würde kh mir das Wwt erbitten,
um auch cdnige Punkte zu bespreeben.
betr. die Auttbiuig der Heilkonde dorcli nicht approbierte Personen nsw. 69
Vorsitzender: Ich habe zonächet nur die Generaldisknesion
erbffaet; bei dieser kann jedoch anch anf Einzelheiten eingegangen
werden, wie dies tatsächlich schon von den beiden Vorrednern
geschehen ist. Es ist hier non ein Antrag eingegangen, bei
dessen Annahme sich eine Spezialdisknssion überhaupt erübrigen
würde. Der Antrag lautet:
,Die Versarnndang erklärt sich mit den Abändemngs'Vor¬
schlägen des Herrn Referenten einverstanden und überlult dem
Vorstand die Berücksichtigong der in der Diskussion sonst
gemachten Vorschläge und zutage getretenen Gesichtspunkte.*
Ich möchte diesen Antrag gleich mit zur Diskussion
stellen und mit Rücksicht darauf Herrn Kollegen y. Gnssmann
empfehlen, die von ihm beabsichtigten Vorschläge schon jetzt zu
machen.
Herr Ob.*Med.*Bat Dr. T* Goasmann-Stuttgart: M. H.I Zu dem § 8g,
dem neuea Vorschläge wegen der Behandlung mittels mystischer ver¬
fahren, haben unsere Tier&rzte mit Recht darauf aufmer^am gemacht, daß
uerade von den tierärztlichen Kurpfuschern diese mystischen Ver-
»hren ungeheuer viel geObt werden, und daß dadurch das Publikum um eine
Menge Gdd betrogen wird. Ich schlage deshalb vor, in Klammem eine De*
fioition hinzuzusetzen, und zwar: „Benandiung durch Auflegen oder
Bestreichen mit den H&nden, Besprechen nsw." Hier konnte dann
anch, wie bereits von anderer Seite vorgeschlfgen ist, das ..Gesnndbeten*
hineingefttgt werden. Dementsprechend wird auch von den Tierärzten verlang,
und das Wttrttembergische Medizinalkolleginm hat diesem Verlangen Bedit
gegeben, daß bei dieser mystischen Behandlung ausdrücklich anch Se Tiere
hineinbezogen werden und nicht bloß die Menschen, wie dies bei der jetzigen
Fassung der Fali ist. Es solite demnach ausdrücklich gesagt werden, daß auch
das mystische Verfahren bei Tieren den Kurpfuschern verboten ist.
Zn dem gleichen Paragraphen hätte ich ferner einen redaktionellen Vor¬
schlag zu machen. Ich bin selbstverständlich — ich glaube, ich brauche das
nicht extra zu versichern — dafür, daß den Kurpfuschern ihr Handwerk mOg*
lidist gelegt wird. Aber nachdem nun einmal das Knrpfnschereiverbot nicht
beliebt worden ist, und meines Erachtens mit Becht, wird man nicht zu weit
gehen dürfen in der Frage, welche Krankheiten den Kurpfuschern zur Behänd*
lung verboten sein sollen, und so mOchte ich den Antrag stellen oder bitten,
es bei dem Passus 3 b, wo es heißt, die Behandlung von Tripper, Schanker
und Syphilis, zu belassen, also die Worte, die der Herr Referent zugefügt
wissen will „und deren Folgezuständen“ und ebenso die Behandlung von Frauen¬
krankheiten wegznlassen. (Widersprach.) Beides, die Folgezustände der
Syphilis und die Frauenkmnkheiten, sind zu unbestimmte Begriffe und würden
in der Rechtsbehandlnng solcher KurpfnscherfäUe eine große Verwirrung an*
richten. Ich würde es entschieden für besser halten, wenn man es einfach bei
der Ziffer 8 b belassen würde.
Endlich habe ich noch zu § 5, Absatz 1 einen Antrag zu stellen oder
eine Anregung zu geben. Hier werden die Mittel und Gegenstände besprochen,
die zur Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten usw. dienen
soUen. Da möchte ich eingefttgt wissen „oder welche den Körper zu
besonderen Leistungen befähigen sollen“. Auch diese Einfügung,
die wir im Medizinalkolleginm beschlossen und beantragt haben, verdankt ihren
Ursprung den Tierärzten. Die Tierärzte erklären, und gewiß mit Recht, daß
gerade solche Mittel, die zur Kräftigung und zur Hebung der Verdauung des
Viehs vertrieben werden, in einer ganz ungeheuren Masse in das Publikum
kommen und dieses in der schamlosesten Weise ausbenten. Sie sagen mit
Becht, diese Viebpulver, Milchpulver, Mastpulver usw. werden massenhaft ver¬
trieben, sie sind absolut wertlos und also Ausbeutungsmittel erster Größe. Es
wäre also höchst erwünscht, wenn diese Mittel mit einbegriffen werden könnten.
Sie werden aber nach der jetzigen Fassung durch den Paragraphen nicht ge*
70 Dükamion za dem Vorträge: Vorliofiger Entwarf des Eeiebsgesetzes,
troffen, zomsl es in der Begrfindnng dazu beißt, daß die ErSfUgongsmittel
aasgescblossen sein sollen. leb scblage desbdb vor, daß im § 5, Abs. 1 dn>
nefttgt wird: Mittel nsw., „oder welche den EOrper zn besonderen Leisinngea
bef&higen sollen".
Herr Kreisarzt Dr. Hoehe-Potsdam: M. H., nor zwei Punkte, auf die ick
aufmerksam maehen wollte; ich mOchte dabei anknttpfen an das, was Herr
EoUege Pflanz gesagt hat Uber die Krankheiten, die mit Exanthemen ein-
hergehen. Was fttr diese gilt, maß m. E. auch ffir alle fieberhaften Er*
kranknngen gelten, die mit entzttndlichen Brscheinnngen im Bachen
einhergenen. Ich sab nealich bei einem gewerbsmäßigen Earpfnscher eine
Krankenliste von täglich bis ca. 80 Patienten. Auf jeder Seite standen so
und so viele Fälle von Halsentzttndang. Wie viele Fälle von Masern, Schar*
lach and Diphtherie darnnter sind, war nicht festzostellen; gemeldet bat der
Betreffende noch niemals einen Fall von InfektionskrankWten. Bs müßten
auch diese verdächtigen Halsentzündnngen der Behandlung durch den Kur*
pfuscher entzogen werden.
Ebenso müßte bei den übrigen Krankheiten, die unter die Senchengesetze
fallen, anch schon der Verdacht die Behandlung des Kurpfnschers aus*
schließen, speziell gilt dies vom Typhus. Wissen wir doch alle, daß sehr viele
praktischen Aerzte nie eine prompte Typhnsdiagnose stellen, sondern immer
nur die Möglichkeit, den Verdacht auf l^hus zageben, der nicht anz^e-
pfliebtig ist. Die Karpfaseber werden erst recht nie das Vorhandensein dieser
Erkrankangen zageben. Also müßte bezüglich derselben auch schon der Ver*
dacht die Behandlang darch einen Karpfaseber aasschließen.
Vorsitzender: Wünscht sonst noch jemand das Wort? —
Dann schließe ich die allgemeine Besprechung und gebe, ehe wir
in die spezille Diskassion eintreten, dem Herrn Referenten das
Schlußwort.
Beg.* u. Med.*Bat Dr. Dfltsehke*Erfurt (Schlußwort): Wenngleich mir
Idder ein großer Teil der Ausführungen des Herrn Obermemzinalrat v. Ouss*
mann entgangen ist, weil ich während seines Vortrages einen sehr ungünstigen
Platz im Saale hatte und ihn nicht verstehen konnte, so glaube ich ihm doch
so weit richtig gefolgt za sein, daß er eine genaaere Definition des Begriib
der mystischen Verfahren wünschte, eine Forderang, der ich nur zostimmea
kann. Ebenso bin ich Herrn Kollegen Pflanz ffir seine weiteren Anregungen
dankbar, im besonderen halte ich den von ihm angedeateten Zusatz Absatz 3,
§ 7, Ankündigang in „zahnärztlichen Zeitschriften" für beachtenswert. Dahin*
gegen möchte ich davor warnen, hinsichtlich des Verbotes der Kurpfoscher*
behandlang solcher Krankheiten, welche unter das Senchengesetz fallen, zu
sehr in die Einzelheiten hineinzasteigen; denn ich habe selbst die Erfahrong
bei Ausarbeitung der Abänderungsvorschläge gemacht, als ich die einzelnen
Krankheiten unter ihren Krankheitserscheinungen zosammenzastellea
versuchte, um eine möglichst wirksame Handhabe gegen die Kurpfuscher zu
haben, daß ein solches Verzeichnis zu weitgehend wird und sich der Sachver*
ständige selbst dann nur schwer zurecht findet; ich habe deshalb ganz davon
Abstand genommen. Wenn wir in das Verbot, wie es vorbin angeregt wurd^
z. B. „fieberhafte Halsentzündungen mit Belag" aufnehmen, so müssen wir
ebenso die verschiedenen Haatausschläge mit Fieber und anderes mehr unter
Verbot der Behandlang stellen, und das erschwert die Handhabung des Ge*
setzes, weshalb ich bitte, es in dieser Berdehung bei meinen Vorschlägen zu
belassen.
Dahingegen würde ich es dankbar begrüßen, wenn die Versammlung die
von dem Herrn Vorsitzenden vorgetragene Besolntion annähme und dem Vor*
Stande die weiteren Anregungen und Gesichtspunkte, die in der Aussprache
zutage getreten sind, zur Berücksichtigung überließe.
Vorsitzender: M. H.I Wir haben ans jetzt über den mit¬
geteilten Antrag schlüssig za machen, darch dessen Annahme, wie
ich bereits hervorgehoben habe, eine Spezialdiskassion fortfallen
würde. Durch die Annahme des Antrages würden Sie dem Vor*
betr. Aasttbang der Heilkande darch nicht approbierte Peraonea nsw. 71
Stande gleichsam eine Vollmacht fftr die weitere Behandlung der
Angelegenheit geben, namentlich mit Rücksicht darauf, welche von
den in der Diskussion gemachten Vorschlägen den maßgebenden
Körperschaften znr Erwägung und weiteren Veranlassung mitzn*
teilen sind. Ich mochte hierzu gleich bemerken, daß m. E. die meisten
Vorschläge, die vom Herrn Ober-Med.-Rat Dr. v. Gnssmann,
sowie von dem Herrn Kollegen Dr. Pflanz gemacht sind, Be¬
achtung verdienen, desgleichen die Forderung des HeiTn Kollegen
Räuber betreffs schärferer Präzisierung des Wortes „gewerbs-
mässig'^. Dagegen glaube ich nicht, dass der Vorschlag des Herrn
Kollegen Dr. v. Onssmann, den vom Referenten gemachten
Zusatz zu § 3 b zu streichen, die Zustimmung der Versammlung
finden würde.
Ich frage nnn, ob von anderer Seite noch ein anderer Antrag
gestellt wird, oder ob noch jemand das Wort zu dem Antrag er¬
greifen will.
Es ist dies nicht der Fall. Dann bringe ich den Antrag
znr Abstimmung, nnd bitte diejenigen Herren, ^e für den Antrag
sind, sich von ihren Plätzen zu erheben.
(Es bleibt niemand sitien; der Antrag ist einstimmig angenommen.)
Es liegt mir nun noch die Pflicht ob, dem Herrn Referenten
für seine ausserordentlich interessanten, sacbgemässen Aus¬
führungen den herzlichsten Dank der Versammlung ansznsprechen.
Der reiche Beifall, den seine Ausführungen hervorgemfen haben,
ist der beste Beweis für das grosse Interesse, das sie in der
Versammlung gefunden haben.
M. H.! Es sind inzwischen eine große Anzahl Telegramme
sowohl von Medizinalbeamtenvereinen, als von Vereinsmitgliedem
eingegangen, in denen dem Verein zu seinem heutigen Jubiläum
die herzlichsten Glückwünsche gesandt werden und der Wunsch
für einen schönen Verlauf unserer Festversammlnng wie für
das fernere Gedeihen des Vereins ausgesprochen wird. Ich
will Sie nicht länger durch das Verlesen aller dieser Glück¬
wünsche anfhalten, gestatten Sie mir nur zwei davon zu ver¬
lesen, das eine von Herrn Prof. Dr. Haberda in Wien, das
folgendermassen lautet:
„Aas Anlaß der Jabelfeier beglückwünsche ich den Preußischen Medi*
ziaalbeamtenvcrein, seinen Vorstand und alle Mitglieder aufs herzlichste
zu seinen Erfolgen auf dem Gebiete der Wissenschaft und der Förderung
der Standesinteressen der Medizinalbeamten, nnd drücke die Hoffnung ans,
daß der Verein auch in Zukunft blühe, gedeihe und von gleich segens¬
reichem Einfluß sein möge wie bisher.“
(Braro I)
Das andere Telegramm stammt von unserem Kollegen Prof.
Dr. Ziemke in Kiel, der uns seinen Glückwunsch in Versen ge¬
sendet hat, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte:
,Der Medizinalbeamtenverein
Möge blühen, wachsen und gedeihn:
Bapmnnd, der ihn stets forsch regiert,
Heut auch ein donnernd Hoch gebührt!
72
Schloß der SlUong des ersten Tages.
Der dieses mit, sitst festgebaant
Beim Sohwnrgerioht am (^tseestraad.
Daher per Draht der Wflnsche viel
Und allseits grftßead Ziemke«Kielt*
(Bravo 1)
M. H. I Sie werden eich wohl damit emyeretanden erklftren,
daß ich allen, die nneeree Vereins hente so frenndlich g^edacht
haben, in Ihrem Namen den herzlichsten Dank ansspreche.
(Allseitige Znstimmang.)
Ich schliesse die heutige Sitzung.
Schluss: 3*/« Uhr.
Nachmittags 6 Uhr htnd im Hotel «Prinz Albrecht* das
Festessen statt, das jedenfalls den Höhepunkt der Jnbil&iimsfeier
bildete. Nicht weniger als 240 Teilnehmer hatten sich in den
Festsftlen des Prinz Albrecht-Hotels eingefhnden; von allem
Anfang an und bis znm Schluß herrschte eine so g^obene Stim¬
mung, wie sicherlich noch bei keinem derartigen Festessen des
Vereins. Sein Verlauf war demzufolge ein wahrhaft glftnzender.
Außer Se. Exzellenz dem Herrn Kultusminister Dr. Holle, hatte
der Verein die Ehre, Herrn ünterstaatssekretär Exzellenz Wever
und Herrn Ministerialdirektor Förster, sämtliche Vortragenden
medizinisch-technischen Räte der Medizinal-Abteilung sowie fast
alle vorhergenannten Vertreter der Bundesregierungen und Medi¬
zinalbeamtenvereine auch hier in seiner Mitte begrüßen zu können.
Daß es außer dem Toast auf Se. Majestät den Kaiser und
König, der von Se. Exzellenz dem Herrn Kultusminister ansge¬
bracht wurde, nicht an manchen Festreden gefehlt hat, brandit
wohl nicht erst versichert zu werden; die verschiedenen Hochs
— auf die Qäste, insbesondere auf Se. Exzellenz den Herrn
Kultusminister (Vorsitzender), auf den Prenssischen Medizinal¬
beamten-Verein (Med.-Bat Dr. Köstlin-Stuttgart) und später
nochmals der Senior der Anwesenden (Geh. San.-Bat Dr. Wallichs-
Altona), auf den Vorsitzenden (Geh. Med.-Bat Dr. Fielitz), auf
die übrigen Vorstandsmitglieder und die Stifter (Vorsitzender),
auf die Damen (Med.-Bat Dr. Leppmann) — fanden alle be¬
geisterten Wiederhall. Nicht minder grossen Beifall fand eine
von dem Kollegen Gerichtsarzt Dr. Marx-Berlin verfasste
humoristische „Neue Zeitschrift für Medizinalbeamte: M. Z. am
Abend* mit einer lyrischen Beilage, deren Austeilung mit einem
Prolog erfolgte, gesprochen von der lüs Zeitnngsfräulein ans
Minden sich einführenden Tochter eines Berliner Kollegen. Die
Festnnmmer enthält übrigens ein wohlgelnngenes Gruppenbild
von sämtlichen Vorstandsmitgliedern. Nach dem Festessen liess
sich Se. Exzellenz der Herr Kultusminister die Vertreter aus den
einzelnen Bundesstaaten durch den Vorsitzenden vorstellen und
unterhielt sich mit jedem einzelnen in der liebenswürdigsten Weise.
Der Schluß des Tages bildete ein frohbewegtes Zusammen¬
sein im Restaurant «Weihenstephan* (Friedrichsstr. 176/177).
Zweiter Sitznngstag.
Mittvooh, den 80. September, Tormittags 9V> Ubr
Im Preusslsohen Abgeordnetenhaus«.
Vorsitzender: M. H.I Ehe wir in die heutige Tagesord¬
nung treten, gestatten Sie mir, Herrn Landgerichtsrat Peltasohn-
Berlin zu begrttssen, und ihm unseren verbindlichsten Dank nicht
blos dafür anszusprechen, dass er heute unserer Einladung Folge
gdeistet hat, sondern auch dafür, dass er die Interessen der
Medizinalbeamten im Abgeordnetenhause wiederholt in warmer
Weise wahrgenommen hat.
I. Oer gegeiwärtige Stiad lad Viert der
Krimiaalaitkropolosie.
Herr Geriditsarzt und Privatdozent Dr. Straneh-Berlin:
Der Vortragende schildert, wie zur Zeit der Gründung des Me^-
zinalbeamten-Vereins von Italien aus die Lehren Lombrosos
ihren Weg in die Kulturstaaten nahmen und die wissenschaftliche
Welt damals in stärkstem Maße bewegten.
Es lohnt sich nach einem so laugen Zeitabschnitt zu prüfen,
wie denn gegenwärtig der Stand jener Lehre sei, welcher Wert
in wissenschaftlicher oder praktischer Weise ihr beizumessen sei.
Redner gab zunächst einen knappen Ueberblick über den
Inhalt jener Lehre vom „geborenen Verbrecher** und berichtete
über die große Anzahl von kritischen Forschungen und Nach¬
prüfungen.
Aus der reichen Fülle der von Lombroso und seiner Schule
als charakteristisch für den Verbrecher angesprochenen Merkmale
demonstrierte der Vortragende die interessantesten und bedeut¬
samsten an einer großen Anzahl anatomisch-anthropologischer
Objekte, vornehmlich an sehr wertvollem Schädel- und Knochen¬
material, an Ohrmuscheln, Händen und Füßen.
74 Dr. Strauch: Der gegeuwärtlge Stand und Wert der Eriminalanthropologie.
Die Präparate and Schädel stammten her von Terbreehe-
rischen Earopäern, von primitiven YOlkem nnd zam Teil von
Tieren, besonders anthropoiden Affen.
Aaßerdem warden die angeblichen Verbrechermerkmale an
einer Reihe von Wandtafeln veranschaalicht.
Es war aaf diese Weise den Zuhörern Gelegenheit geboten,
sich noch einmal persönlich ein Urteil ttber die Dignität der ein¬
zelnen Lombrososchen Stigmata zu bilden, zumal da zugleich
berichtet wurde, wie einwandfreie Forscher nnd berühmte Anthro¬
pologen, besonders Rudolf Vir chow, die einzelnen Befunde ge¬
deutet haben.
Nach Ansicht des Vortragenden hat sich zwar die Lehre so,
wie sie Lombroso damals verkündete, als unhaltbar erwiesen
und ist jetzt als widerlegt anzusehen.
Aber trotzdem ist das Lebenswerk Lombrosos ein gro߬
artiges und sehr bedeutendes, denn erst durch ihn hat man ge¬
lernt, die körperliche und seelische Eigenart der Verbrecher zu
studieren, auch ihnen gegenüber zu individualisieren, in dem Ver¬
brecher nicht allein diesen, sondern vor allem auch den Menschen
anzusehen.
Darch jenes genaue Studium der von Lombroso angegebenen
Verbrechermerkmale ist tatsächlich erst der Grund zu der über¬
aus wichtigen Lehre von der körperlichen nnd geistigen Minder¬
wertigkeit einzelner Menschen gelegt und die Forschung in der
Richtung angebahnt worden.
Hierin sieht der Vortragende das Hauptwerk und das dauernde
Verdienst Lombrosos.
Die längeren Ausführungen wurden schließlich in folgende
Leitsätze zusammengefaßt:
1 Am verbrecherischen Menschen — im Sinne der Eriminal¬
anthropologie — beobachtet man die von Lombroso angegebenen
Befunde tatsächlich sehr häufig.
2. Es gibt trotzdem keinen für den Verbrecher charakte¬
ristischen Typus (Tipo criminale), wie ihn Lombroso annahm.
3. Die Befunde am Verbrecher beruhen teils auf pathologi¬
schen, auch bei nicht verbrecherischen Menschen vorkommenden
Störungen, teils auf angeborenen Merkmalen (tatsächlich bisweilen
atavistischen).
In ihrer Gesamtheit beweisen sie aber jedenfalls einen all¬
gemein minderwertigen Organismus des Individuums.
4. Lombrosos großes Verdienst ist es somit, durch den
Nachweis, daß unter Rechtsbrechern sich vielfach solche gininder-
wertigen'^ ludividuen finden, als Erster die Aufmerksamkeit auf
„Minderwertigkeit*' einzelner Menschen hingelenkt nnd ein ernstes
Studium dieses Zustandes angebahnt zu haben.
5. Körperliche Minderwertigkeit ist oft mit geistiger Minder¬
wertigkeit vergesellschaftet und bedingt zuweilen sogar eine solche.
6. Die Diagnose geistiger Minderwertigkeit soll sich aber
nicht allein auf die körperlichen Befunde anfbauen, hierzu gehört
vielmehr eine genaue, eingehende seelenärztliche Untersuchung
und Prüfung im einzelnen Falle.
Dr. Lochte: Psychologie der Aassage.
75
7. Die körperlich and gfeietig minderwertigen Individuen
unterliegen infolge mangelhafter Widerstandsfähigkeit besonders
leicht dem Anreiz zum Verbrechen, und ist gerade bei ihnen das
soziologische Moment (v. Liszt) ein ganz wesentlicher und be>
dentsamer Faktor.
8. Besserang der sozialen Lage und die modernen Be-
strebnngen der Rassenhygiene könnten die Entstehung minder¬
wertiger Individnen besc^änken und damit die Zahl der Ver¬
brecher vermindern.
(Lebhafter Beifall.)
Vorsitzender: Ich eröffne die Diskussion:
H. Qeh. Med.-Bat Prot Dr. Strassmann-Berlin: Die Fragea, die Herr
Kollege Strauch hier angeschnitten and in eingehender Weise erOrtert hat,
sind so ninfangreich, daß es sich vielleicht empfiehlt, wenn wir von einer
Diskussion darüber heate absehen (Zostimmung). Das ganze Gebiet der Hin*
derwertigkeit würde allein eine so ausgedehnte Diskussion erfordern, wenn es
nur einigermaßen erschöpfend hier behandelt werden soll, daß uns die Zeit dazu
fehlen würde. Ich glaube deshalb, es ist am zweckmäßigsten, wir nehmen
diese interessante Darstellung und die außerordentlich lehrreiche Demonstra*
tioa hier nur zur Kenntnis.
VorsitzoDder: Sind die Herren damit einveretandenP
(Allseitige Zustimmung.)
Dann bleibt mir nur noch übrig, dem Herrn Kollegen
Strauch unseren verbindlichsten Dank für seinen hochinteressanten
Vortrag und die damit verbundenen nicht minder interessanten
Demonstrationen ansznsprechen.
II. Psychslojie der Asssase.
H. Prof. Dr. med. Lochte, Kreisarzt in Göttingen: M. H.!
Wir wenden nns mit dem 2. Vortrage einem speziellen Zweige
der Kriminalanthropologie zu, nämlich der Anssagepsychologie.
Das Thema hatte ich gehofft auf dem internationalen Kongreß in
Budapest im nächsten Jahre behandeln zu dürfen; nachdem mir
aber jetzt durch den Vorstand des Preußischen Medizinalbeamten-
Vereins die Möglichkeit zur Anssprache an dieser Stelle gegeben
war, habe ich die Gelegenheit mit Freuden ergriffen; denn es
handelt sich um ein außerordentlich interessantes nnd wichtiges
Gebiet, nicht nnr in theoretischer, sondern auch in praktischer
Beziehung.
Die Anssagepsychologie stellt die Fordemng, in ihren Konse¬
quenzen von richterlicher Seite anerkannt zn werden. Vor wenigen
Tagen sind die Reformvorschläge zum Strafprozeß erschienen. So
ist denn der Zeitpunkt ein außerordentlich günstiger, in die Er-
örternng über dieses Thema einzntreten. Um so mehr glaubte
ich, die Psychologie der Aassage hier behandeln zn sollen, als ein
Medizinalbeamter überhaupt das Wort dazu noch nicht ergriffen
hat. Die Arbeit, die bisher geleistet ist, mhte ansscbließlich in
76
Df. Lochte.
den Hftnden der Peyehologen, der Psychiater und Jorieten, nnd
doch mflssen wir alle, die wir häufig pro foro als Gutachter tAtig
sind, das allergrößte Interesse an dem Gegenstände nehmen.
Zwei PniJcte will ich bei der Betrachtung yon vomherein
ausscheiden: einmal die Aussage der Kinder und ferner die be>
wußte Lttge.
Mit dieser Beschränkung wollen wir zunächst an die
Psychophysiologie nnd dann an die Psychopathologie der
Aussage herangehen. Wenn wir die Fehler der Aussage kennen,
wird es sich dann fragen, wie wir denselben am besten steuern
können.
Sie werden alle von dem bekannten v. Lißtschen Versuch
gehört haben, mit dem wir gleich mitten in unser Thema hinein*
kommen. Im kriminalistischen Seminar in Berlin wurde im Winter
1901/02 folgender Versuch gemacht:
Geheimrat t. Li6t fra^ nach einer Debatte Aber das Referat Aber
Ta'rdea Buch, ob jemand nodi etwas zur Sache in bemerken bitte; es er¬
hebt sich ein Herr und inßert: ich mOcbte Tardes Lehre noch kurz rom
Standpunkt der christlichen Moralphilosophie aus betrachten. Ein anderer
Herr fällt ein: nDas fehlte gerade noch“. Daran knApft sich ein Wortwechsel,
in dessen Verlauf einer der Herren einen Bevolrer zieht, dessen MAndung er
anf die Stirn des Geners richtet ▼. Lißt schlägt auf den erhobenen Atbl
D ieser senkt sich und als er sich in der Hohe der Herzgegend des K. beAndet,
knackt der Hahn. Außer den Handelnden wußte Niemand etwas davon, daß
es sich um einen psychologischen Versuch handelte, der ledig^ch dazu dienen
sollte, die Wahrnehmungen nnd Aussagen der anwesenden Zeugen zu unter¬
suchen.
Solche Versuche sind auch von anderer Seite ansgeffihrt
worden; ich erwähne speziell denjenigen von Gramer nnd
Weber:
Mitten in der Diskussion Aber dnem wissenschaftlichen Vortrag im
forensisch-psycholo^chen Verein in QOttingen erschallt vor der TAr des Saales
Lärm nnd Wortwechsel, zwei Personen in auffallendem EostAm, der eine als
Klown, der andere als Neger verkleidet, springen in den Saal, sie kommen
miteinander ins Handgemenge, beide stürzen zu Boden, der eine ruft: «Jetzt
habe ich deinen Fez, brauner Schuft,“ der andere: «Ich schieße dich tot ver¬
fluchter Schweinehund,“ dann springen sie beide anf und verschwinden durch
eine andere Tür. Der Vorgang dauerte 16—20 Sekunden. Er sollte V* Stunde
später beschrieben werden.
Die Wiedergabe des Vorganges, welche der Wahrheit am nächsten
kam, enthielt noch 16 **/o Auslassungen nnd 4**/o Fidschangaben; von der
Mehrzahl der Beobachter wurde ungefähr die Hälfte der sich abspielendeu
Vorgänge Abersehen oder falsch angegeben. Einer der anwesenden Herrn
äußerte ungefähr: «Ich war Aber die StOmng so empOrt daß ich Aberhaupt
nichts aussagen kann.“
Was besonders an diesem zweiten Versuch interessiert, das
war die Aufgabe fftr einen unbeteiligten Herrn, ans der Gesamt¬
heit der Fragebogen mit ihren Antworten eine Schilderung des
Vorgangs zu geben. Er sollte also etwa wie ein Untersuchungs¬
richter unparteiisch die Zengenaussagen prfifen nnd würdigen.
Es gelang diesem völlig unbeteiligten Herrn, den Vorgang wenig¬
stens in seinen gröberen Zügen richtig zu rekonstruieren und
auch ein ziemlich richtiges Bild von dem Aussehen der beiden
Akteure zu erhalten.
Da es sich in diesen Versuchen um komplizierte bewegte
Psychologie dmr Aussage. 77
Szenen handelte, ist man dann dazu ttbergegangen, einfache Bild-
yersnche anznstellen.
Man ließ z. B. ca. 1 Minitte lang ein Bild anschanen, das eine Bauern*
stabe darstellte. In der Mitte befand sieh ein Tisch, an dem der Bauer and
ein Kind saß. die Banersfrau steht seitw&rts mit einer Schüssel in den Händen
und scheint dieselbe oben aal den Tisch setzen za wollen. Ein Hand, eine
Wiege mit einem Kinde, ein Bett, Bilder etc. yerToUständigen das Inyentar
des Emmers. Oder man ließ das Bild eines angelnden Staben, oder eines
mit Garben beladenen Wagens and dessen ländli<mer Umgebung ansehen und
stdlte dann yerschiedene Fragen. Wieyiel Personen sind auf dem Bilde, wie
sind sie geUeidet osw. Oder man stellte Saggestiyfragen, z. B. bezüglich
des ersten Bildes: Ist nicht ein Schrank aal dem Bildef Steht nicht eine
Vase auf dem Schranke oder Gläser? osw.
Uebereinstimmend ergab sich, daß die in den selbstgelertigten Berichten
geschilderten Situationen richtigere waren, als die za Protokoll ebes Ver*
nehmenden gegebenen.
Der Fehlerprozentsatz in den selbstgelertigten Berichten bewegte sich
zwischen 6 and 10**/<>> der der Vorhüro swürnhen 90 und SO**/».
Dieser Erfahmng entspricht auch in gewissem Sinne die
Vorschrift der §§68 Str.*Pr.*0. und 896 Z.’Pr.*0., in denen es
heißt:
aDor Zeuge ist za yeranlassen, dasjenige, was ihm yon dem Gegenstände
der Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben. Zar Auf*
klärang oder veryoUständigug der Aassage, some zur Erforschung des
Grundes, auf welchem die Wissenschaft des Zeugen beruht, sind nüügenlalls
weitere Fragen zu stellen.*
Das Gesetz geht also davon ans, daß, wenn der Zeuge den
Vorgang ans sich heraus und ohne Zwischenfragen des Ver¬
nehmenden selbst schildert, der Vorgang richtiger dargestellt
wird, als wenn der Zeuge immer nur auf bestimmte Fragen des
Vernehmenden bestimmte Antworten gibt.
Durch die Fragestellung entsteht sehr leicht eine Sng-
geriernng des zu Vernehmenden.
Woran liegt es nun, daß die Aussagen z. T. so fehlerhalte
sind? Wir müssen suchen, uns die einzelnen fiüschenden Momente
zu vergegenwärtigen. Wenn wir sie kennen, wird es sich dann
fragen, ob wir sie ausschalten kßnnen.
Zunächst kommt die Art und Weise in Betracht, wie
der Vorgang sich abgespielt hat.
Wenn der Vorgang sich mit großer Geschwindigkeit abge¬
spielt hat, ist es selbstverständlich für den Beobachter nicht
möglich, jede einzelne Phase desselben scharf aufzufassen und
nachher im DOtail zu beschreiben. Unser Auge sieht nur immer
eiuen einzelnen Punkt scharf, alles übrige in Zerstrennngskreisen.
Wir können also nicht gleichzeitig mehrere Gegenstände mit dem
Auge fixieren; macht sich diese Schwierigkeit schon bei ruhenden
Objekten geltend, so tritt sie noch deutlicher in die Erscheinung bei
bewegten und vollends, wenn die Bewegungen sehr schnelle sind.
Zahlreiche Taschenspielerkunststücke beruhen lediglich auf Ge¬
schwindigkeit, es ist nur beim Anschauen derselben unmöglich,
die einzelnen Phasen der Handlung zu beschreiben. In ähnlicher
Weise wird bei größerer Kompliziertheit des Vorganges die Be¬
obachtung und folgeweise die Wiedergabe erschwert.
78
Dr. Lochte.
Von Bedentong ist ferner der Zeitraum, der seit der Beob¬
achtung verflossen ist; je weiter die letztere in der Vergangenheit
zurflckliegt, um so schwerer ^d es uns im allgemeinen werden,
genaue ^gaben zu machen, weil mit der Länge der Zeit die
Erinnerung allmählich verblaßt.
Ein zweiter fälschender Faktor liegt in der körperlichen
und seelischen Artung des Beobachters.
Wenn jemand schwerhörig oder taub ist, wenn jemand
schwachsichtig oder farbenblind ist, so wird er nur mangelhafte
Angaben Aber das Geschehene machen können.
Nur wenigen, die mit normaler Sehkraft ausgestattet sind,
ist es möglich, Personen, die sie einmal flüchtig sahen, in charak¬
teristischer Haltung, Kleidung, Gesichtsausdrnck hinterher treffend
ans dem Gedächtnis aufznzeichnen. Von dem Maler Makart er¬
zählt man sich, daß er Blumen wahrheitsgetreu malen konnte,
wenn er auch nur einen flüchtigen Blick auf das Urbild ge¬
worfen hatte.
Mozarts Ohr konnte Vs Viertelten auf der Violine scharf
unterscheiden. Ueber ein leises wahrgenommenes Geräusch wer¬
den wir von einem Musiker voraussichtlich eine bessere Auskunft
erhalten, als von einem Kesselschmied, dessen Ohr durch den
Lärm des Betriebes allmählich stumpf geworden ist
Das fuhrt uns auf die Bedeutung des Berufes und weiter
auf den Grad der allgemeinen Bildung.
Der aufmerksame Beobachter vor Gericht weiß, wie Über¬
zeugend, klärend, Richtung gebend die Zeogenaussagen dann sind,
wenn aus ihnen Bildung, d. h. üeberlegung, Sdbstkritik, Sach¬
kenntnis hervorlenchtet.
Naturgemäß erfordern diese Eigenschaften auch eine gewisse
Gewandtheit des Ausdruckes.
Der Richter muß unter allen Umständen diesen Eigenschaften
des Zeugen Rechnung tragen.
Drittens bildet die Disposition der wahrnehmenden
Person einen höchst beachtenswerten Faktor.
In Betracht kommt der jeweilige Grad der körperlichen und
geistigen ErmUdung, die Frage ferner, ob sie unter Einwirkung
einer geringen Menge von Alkohol stand oder nicht. Es wUrde von
großem Interesse sein, Wirklichkeitsversnche, wie die geschilderten,
an Leuten vorzunehmen, die eine mehrstündige ermüdende Fu߬
wanderung oder ein schwieriges Examen hinter sich haben.
Von wesentlicher Bedeutung ist die Aufmerksamkeit
Es ist ein großer Unterschied, ob wir mit der Seknndenuhr in der
Hand auf dem Sportplätze auf das Ergebnis eines Wettrminens
warten, oder ob wir in völlige Weltvergessenheit versunken die
Gegenwart vergessen.
Von erheblichem Einfluß sind auch die Affekte. Nicht mit
Unrecht sagt man von ihnen, daß sie den Menschen blind machen;
das gilt nicht nur von Zorn und Wut, sondern auch von Haß und
Liebe, von Jubel und tiefstem Schmerze.
Psychologie der Aussage.
79
Im Archiv für Kriminalaothropologie von Hans O r o fi ist ein interessanter
Fall mitgeteilt, in dem ein Mann sich abends nach einem heftigen Streit von
seiner Fraa entfernt und das Wirtshaus aufsucht. Alsbald erfahrt er, dafi
eine Frau sich in einem nahen Qew&sser ertränkt hat. Die Frau wird als
Leiche ans Land gezogen. Der Mann macht Wiederbelebungsversuche, jammert
lebhaft ttber den Tod seiner Frau, der er bei der herrschenden Dunkelheit
mit der Lampe ins Gesicht leuchtet. Schließlich nimmt er den Trauring von
der Hand der Leiche und die Wertsachen an sich. Als er nach Haus kommt,
findet er seine Frau lebend vor. Unter dem Einfiuß des Affektes hatte er nicht
bemerkt, dafi die aus dem Wasser gezogene Leiche gar nicht die seiner Frau
gewesen war.
Ftlhrt die Disposition des Beobachtenden schon an und für
sich za einer Trftbang der Wahmehmnng) so wird vollends die
Bichtigkeit der Darstellung zweifelhaft, wenn der Wahmehmende
ans seinen Wahrnehmnngen Schlfisse zieht, ohne dies dem Ver-
nehmenden kenntlich za machen.
Was in der Hirnrinde sich von den Wahmehmongen fixiert,
das ist eine bestimmte Beihe von Sinnenseindrttcken, solche
des Anges, des Ohres, des Geruchs, des Geschmacks,
des Geffihls.
Alle diese Erinnerungsbilder klingen ffir gewöhnlich gleich¬
zeitig an, wenn wir dieselbe Bose, denselben Apfel, dieselbe Per¬
son wiedererkennen. Sie können aber auch sämtlich angeschlagen
werden, wenn z. B. nur der Duft einer Bose das Zimmer durch-
strömt, oder wenn wir aus der Ferne eine könstliche Blume sehen
oder auch nur etwas ähnliches, ln solchen Fällen liegt es unge¬
mein nahe, daß der Zeuge eine an sich richtige, aber unvoll¬
ständige Beobachtung durch subjektive Zutaten und Schlüsse er¬
gänzt. Darauf beruht eine der Hauptschwierigkeiten in der
Bekognition von Personen und Sachen.
Diese Schwierigkeiten wachsen natürlich, wenn es sich um
bewegte Vorgänge handelt.
So ist darauf aufmerksam gemacht worden, wie verschieden sich nach
den Berichten der Augenzeugen die Ermordung des rassischen Ministers
Plehwe abspielte.
Aehnliche Schwierigkeiten ergaben sich bei der Feststellnng da Einzel¬
heiten des Attentates Caserios auf den Präsidenten Oarnot.
Personen, die das Attentat auf die unglückliche Kaiserin Elisabeth
angesehen hatten, konnten die Einzelheiten der Tat hinterher nicht mehr genau
schildern.
Wie es mit den Wahrnehmungen durch das Auge geht, geht
es auch mit denen des Gehörs.
Wer, in seine Arbeit vertieft, eine gelegentliche Frage be¬
antwortet, wird hinterher sehr leicht behaupten, überhaupt nicht
gefragt zu sein. Wer nur halb hinhört, wird die Frage mißver¬
stehen, und wer im Affekt ist, mehr aus der Antwort heranshören,
als hineingelegt wurde.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch das Experiment von
V. Lißt erwähnen, nm dazutun, wie schwer es ist, Gehörtes
wiederzageben. v. Lißt berichtet folgendes:
Ein praktischer Strafrechtsfall als Aussage des Angeklagten wurde
vor einer ersten Gruppe von ZuhOrem vorgetragen, dann von einem ^eser
Zuhürer vor einer zweiten Gruppe, weiter von einem Mkgllede dieser zweiten
80
Dr. Lochte.
Qrnppe tot einer dritten and endlich ron einem Mitdiede dieser dritten Gmppe
Tor einer vierten sofort weitererzihlt. Die 8. Wiedergabe ergab bereits eine
vollständige Entstellang des Falles im ganzen wie in iülen seinen wesentlidien
Einzelheiten and somit eine vernichtende «Kritik der Zeagen von Hären*
sogen*.
Wenn dieses Ergebnis bei wissenschaftlich gebildeten Leuten
an einem joristisch klaren Falle mSglich ist, so braucht man eich
ftber das, was Klatsch nnd Fama gelegentlich zn leisten Ter*
mögen, nicht zn wandern.
Viertens würden es StOningen der Erinnerung sei^ die
za falschen Aussagen Anlaß geben. Vor allem ^ielt, wie wir
oben bemerkten, &e Zeit die Bolle der Fälscherin. Eindrücke,
die wenig hafteten, werden schließlich yergessen. Phantasie¬
gebilde ersetzen diesen Verlast. So kann es kommen, daß Wahr¬
heit and Phantasie schwer za onterscheiden sind, ja es könnmi
Tollkommen neae Gebilde in der Erinnerang entstehen, die mit dem
ursprünglich Wahrgenommenen wenig oder nichts gemein haben.
Je eindracksToUer der Vorgang war, am so eher werden
werden wir ihn in der Kegel im Gedächtnis behalten.
Wir dürfen diesen Abschnitt nicht schließen, ohne daraaf
hinzaweisen, daß Ton Mensch za Mensch gelegentlich ein kaum
faßbarer psychischer Einfluss aasgeht, der Ton grosser Bedentong
für die Aussage ist. Ich meine die Suggestion. Dieser Ein-
flass fladet sich in allen Abstufungen Ton der interesselosen
Gleichgültigkeit zam gewinnenden Zauber einer Persönlichkeit
bis zur faszinierenden Gewalt, mit der sie uns beherrscht. Die
Sicherheit des Auftretens, das Prägnante der Sprache, das
Schlüssige des Urteils wirken mit zwingender Gewalt auf die
Umgebung ein. Wo die Suggestion Fass gefasst hat, da stcJit
auch die Aussage im Banne dieser Gewalt. Weiter gehörm
hierher: Die Beeinflussung der Zeagen durch Mitteilungen der
Presse, durch Polizeiberichte, durch VeröffenUichung Ton Porträts
der Angeschuldigten, die Aussetzung Ton Prämien.
Von jeher hat man dahin gestrebt, SuggestiTfragen tot Ge¬
richt zu Termeiden. Schon bei Uipianus findet sich eine daraaf
zielende Stelle (vgl. Moll). Die gleiche Forderung Sterns ist
daher durchaus berechtigt.
Den grössten Einfluss übt die Suggestion auf die Massen
aus. Ich brauche nur an das bekannte Buch «Die Völker¬
psychologie“ Ton Stell zn erinnern; ferner an die Arbeiten
Ton Sighele, Weber, Gaupp etc. Weltnmwälzende Taten,
die französische Revolution sind unter Mitwirkung der Suggestion
der Masse geschehen. Auf religiösem Gebiete nenne i^ den
FiageUantismus, die Einderkreuzzüge, die Hezenprozesse. Auf
kriminellem Gebiete kann die religiöse Suggestion eine wesent¬
liche Bolle bei den sog. Ritaalmorden spielen, wie das der Xantener
Knabenmord, der Prozeß Tisza Eßlar, der Polnaer Mord, der
Konitzer zeigen. Ueberall spielte hier religiöser Fanatismos hin¬
ein. Unter diesen Einflüssen entstehen die objektiy falschen Aus¬
sagen. Die genannten Prozesse lehren, wie si(± in der Vorstellang
der Zeagen der Vorgang immer plastischer ausgestaltet.
Pdychologie der Aussage.
81
Soviel Aber diesen physiologischen Teil.
Wir kommen damit zur Psychopathologie der Aus¬
sage. Die pathologisch veränderte Aussage ifihrt nns auf das
Gebiet der Zeugnisfähigkeit der geistig abnormen Personen.
Wir wollen hier scheiden zwischen denjenigen Aussagen, die
durch körperliche Leiden beeinflußt sind, und denjenigen der
Geisteskranken in engerem Sinne. Von den ersteren sind die
Folgezustände der Kopfverletzungen am wichti^ten. Wenn
ich diese Einteilung vornehme, so geschieht das allein aus prakti¬
schen Gründen. Ich bin mir natürlich sehr wohl bewußt, daß
die Mehrzahl der hier erwähnten Fälle zur Domäne des Nerven¬
arztes gehören. Zunächst spielt die Amnesie eine wesentliche
Bolle. Ich kann die Bedeutung derselben für die Beurteilung der
Aussage nicht besser kennzeichnen, als durch Hinweis auf den
1897 von Ziehen beschriebenen Fall:
Ziehen hatte die Aufgabe, die Angaben eines Hannes, der eine schwere
Kopfverletzung mit Zertrümmerung der Hirnsubstanz auf der linken Seite des
Schädels erlitten hatte, auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen. In Frage kam:
1. Liegt eine allgemeine Gedächtnisschwäche vor? Dieselbe konnte ausge¬
schlossen werden. 2. Liegen Erinnerungsdefekte auf dem Gebiete des GehOrs-
und Gesichtssinnes vor? Auch diese kamen nicht in Frage. Die Unzuver¬
lässigkeit der Zahlenvorstellnngen — der Hann konnte sein Alter z. B. nicht
richtig angeben, kleine Aufgaben nicht lOsen — mußte auf die Verletzung des
Sprachzentrums zurttckgeftthrt werden. Vor allem mußte erOrtert werden:
3. Sind die Angaben über den Hergang des räuberischen üeberfails durch die
Phantasietätigkeit des Verletzten beeinflußt und 4. spielen Einflüsterungen
anderer Personen im weitesten Sinne eine Bolle? Es konnte nacbgewiesen
werden, daß der Elinflaß dieser beiden Quellen gleich Null zu setzen war und
Ziehen kam zu dem Schluß, es ist sehr wahrscheinlich, daß der Vorgang Im
Walde sich so abgespielt hat, wie H. jetzt aussagt
Das ist eine Feststellung, wie sie bedeutungsvoller kaum
gedacht werden kannn. Allerdings wird man nicht in allen
Fällen za einem solchen klaren Urteil kommen können, wie der
andere Falll desselben Autors zeigt :^)
Es handelte sich um eine außerordentlich schwere Schädel- und Oehim-
verletzung, im Schlafe erhalten bei einem mehrfachen nächtlichen Mord.
Wenige Stunden danach war die Verletzte imstande zu antworten; es zeigte
sich aber ein lang anhaltender Dämmerzustand, in dem sie durch ihre Angaben
den Verdacht auf eine gänzlich unschuldige Person lenkte, welche längere
Zeit in Untersuchungshaft zubringen mußte, zumal manche Angaben den ^t-
sachen entsprachen, während andere sich als deutliche Erinnerungsfälschongen
erwiesen.
lu diesem Falle mußte angenommen werden, daß bestimmte
Fragen suggestiv gewirkt hatten; Ziehen verlangt daher mit Recht
für solche Fälle, daß die verletzten Personen in den ersten Tagen
möglichst wenig den Fragen berufener und unberufener Personen
ausgesetzt werden, und nicht nur die Antworten, sondern auch
die Fragen schriftlich zu Protokoll gebracht werden. Ein gewiß
sehr beherzigenswerter Bat.
Nun, die retrograde Amnesie ist ja dem Gerichtsarzte
*) Ziehen: Ueber die Zuverlässigkeit der Angaben der verletzten
Person über die Vorgänge bei einer von ihr erlittenen schweren Schädelver-
letzung. Korrespondenzblatt des allgem. ärztl. Vereins in Thüringen 190011;
ref. in Hans Groß Archiv, 1902, 8. Baud, pag. 228.
6
82
Dr. Lochte.
nicht anbekannt. Weitere F&Ue der Art hat Adler (Viertel-
jahresschriit f. gerichtl. Med. 1899) mitgeteilt. Wir beobachten
sie nicht blos bei Eopfverletzangen, sondern z. B. anch bei Unter-
brechnng des Bewoßtseins darch Erstickung, vor allem bei Er¬
hängten and Ertrunkenen. Brie hat in der ärztlichen Sachver¬
ständigen-Zeitong 1904 einen Fall mitgeteilt, wo ein Trinker,
der die eigene Tochter verfährt hatte, nach einem Selbstmord¬
versuch durch Erhängen absolut keine Erinnerung an die straf¬
bare Handlang hatte. Er wurde trotzdem verurteilt, da er die
Tat nicht in einem Zustande des § 51 Str.-U. B. begangen hatte.
Später hat Siegwart*) über eine Schwangere berichtet,
die sich erhängte und die bewußtlos auijgefanden und gerettet
wurde; bei dieser bestand keine Amnesie.
H. H. Ich will in die Amnesiefrage hier nicht näher ein-
dringen, sondern nur soviel sagen, daß solche Fälle in der Be-
urteUung der Glaubwürdigkeit der bestehenden Amnesie zur Vor¬
sicht mahnen.
Neben dem Verlust der Erinnerung kommen dann bei den
Kopfverletzungen die Störungen der Sprache in Betracht.
Die Sprache ist die große Vermittlerin alles dessen, was uns
innerlich bewegt und beschäftigt. Wo die Sprache gestOrt ist,
müssen notgedrungen Bedenken entstehen, ob das Ifickenhait und
schwerverständlich Vorgebrachte Glauben verdient In dem
ersten Ziehenschen Falle bestand lediglich eine Störung im
motorischen Apparat der Sprache. Die Angaben des Verletzten
konnten daher als glaubwürdig gelten.
Einen ähnlichen Fall erzählt Gramer:
Ein 63 jähriger Mann wird morgens in seinem Blute schwimmend uf-
gefonden mit motor. Aphasie und starker Neigung sum Perseverieren. Da
auf die Frage, ob ihn sein Sohn Hermann geschlagen hätte, jedesmal die
Perseveration unterbrochen wurde und mit Neigen des Hauptes eine Bejahung
erfolgte, wurde — wie sich später ergab — mit vollem Becht ein Einfluß
kranuaiter Momente nicht angenommen.
Ich selbst habe zweimal in Zivilsachen Gutachten über die
Geschäftsfähigkeit von Aphasischen erstattet.
In dem einen Falle handelte es sich um einen Kranken mit motoiiscber
Aphasie. Der 60jährige Herr hatte, als er von einem Wege nach Hanse
kam, auf dem Treppen flur einen Schlaganfall erlitten. Das erste Zeichen des¬
selben war, daß er den Knopf der elektrischen Klingel an der Tflr nicht finden
konnte; gleichseitig war das rechte Bein und der rechte Arm schwach ge¬
worden. Der rechte Mundwinkel hatte sich verzogen. Die Sprache, die an¬
fangs wesentlich gestOrt war, kehrte allmählich wieder, nur das Schreiben
fiel dem Kranken schwer. In diesem Falle lag nach der eingetretenen Besserung
kein Grund vor, den Kranken als verhandlnngsunfähig zu bezeichnen.
In dem anderen Falle handelte es sich um ehre sensorische Aphasie.
Der bisher stets gesunde 59jährige Mann hatte sich in einem Kellerraum, der
durch einen Kochofen erwärmt wurde, zum Schlafen niedergelegt. Als der
Ofen durchglüht schien, war die Klappe des Ofenrohres geschlossen worden.
Abends um 9 Uhr erwachte der Mann, stand auf und zog s^ an; nun fiel der
Umgebung die völlig unverständliche Sprache auf. Die sensoriaehe Aphasie
0 Im Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten; 1907, Band 42,
pag. 249.
Psychidogie der Aassege. 88
mit doppelseitiger homonymer Hemianopsie war Folge einer KohlendonetTer*
giftong.
In diese Grnppe vorwiegend somatischer Störungen gehören
weiter die Fieberdelirien, die zur Wahnbildnng nnd somit
znr Anssagegefftlschnng Anlaß geben kOnnen. Vom Fleck*
fieber, von der Variola, besonders vom Typhus sind solche
StOrnngen bekannt
Carschmann erzählt yon einem typhnskranken jungen Schmiede*
gesellen, der yon der Meinung nicht loslassen konnte, eine gtttige Dame habe
Uim ylel Qeld geschenkt und dieses hinter einem Schranke im Saale für ihn
aufgehoben. Noch als der Kranke längst das Bett yerlassen hatte, körperlich
aufierordentlich gediehen war und geistig yOllig klar war, blieb er inbezng auf
seine Wahnidee nur halb überzeugt. Er schämte sich, dayon zu sprechen,
aber immer wieder in einem unbewachten Augenblick schielte er yeriangend
nach der verheißungsvollen Schrankecke.
y. Krafft Ebings) erwähnt einen Notarschreiber, der angeklagt war,
seinem Herrn eine Summe yon 1700 fr. veruntreut zu haben. Er leugnete be¬
harrlich. Während der Untersuchung erkrankte er an Typhus. In seinem
Delirium ruft er wiederholt: „Dieb — ich habe gestohlen — Bankbillette 1700
— eine Qefängnis - Guillotine — entehrt — her mit dem Bichter — haltet den
Dieb — ich bin ein Dieb — verhaftet mich." Wieder genesen hatte er keine
Erinnerung für die Zeit seines Deliriums nnd bebarrte dabei, unschuldig zu sein.
Der EUchter legte den Sachverständigen die Frage vor, ob im T^hnsdelir
gemachte Aussagen yon gerichtlichem Belang sein konnten, was diese verneinten.
Der Angeklagte wurde freigelassen.
Die Ursachen dieser wahnhaften Aeoßernngen sind wohl
nicht im Fieber, sondern in den im Blnte keimenden Bakterien¬
giften sn Sachen, von denen ans ja bekannt ist, daß sie eine
das Nervensystem schädigende Wirkaag besitzen können.
Von den Vergiftangen sind ans z. T. ähnliche Wirkungen
bekannt. Ich erinnere an den Morphinismas, Eokainismns, an das
Blei, das CO, vor allem an den Alkohol. In einem mir bekannt
gewordenen Falle hatte ein Mann die Anzeige erstattet, daß ein
Dieb über die Dächer mehrerer Häaser entflohen sei nnd sich in
einem Schornstein verborgen halte. Man alamierte die Fener-
wehr; das Sachen nach dem Diebe war aber vergeblich, denn
der Anzeigende litt, wie sich alsbald heransstellte, an einem be¬
ginnenden Dcliriam tremens.
Wir beflnden ans damit bereits mitten im Gebiet der Grenz-
znstände. Za diesen rechnen wir bekanntlich die Epilepsie,
den Alkoholismns, die Hysterie, die Degeneration, die
tranmatische Degeneration, die Nenrasthenie nnd die
Hirnsyphilis (Gramer).
Die falschen Aassagen, darch die diese Personen gefährlich
werden können, sind nicht so selten; jeder beschäftigte Ge¬
richtsarzt wird besonders bei Alkoholisten, Degenerativen and
Epileptikern über eine größere Easaistik verfflgen.
Speziell möchte ich den Fall eines Epileptikers ei’wähnen,
der wegen Mißhandlung and dadurch bedingter Arbeitsonfähigkeit
*) Dar Fall ist von Dr. Liebrecht und mir mitgeteilt in den Sitzungs¬
berichten der biologischen Abteilung der ärztlichen Vereins ln Hamburg am
25. AprU 1905.
*) Lehrbuch der gerichtlichen Psychopatologie; 1875, pag. 292.
6 *
84
Dt. Lochte.
eiaen Prozeß gegen einen Gefftngnisbeamten ffthrte. Er besehrieb
mit Toller Dentlichkeity wie er vorgefBlirt worden sei; er sei
einige Stufen znm Amtszimmer hinanigetttbrt worden, dann hätte
er plötzlich einen heftigen Schlag gegen den Hinterkopf erhalten
und sei bewußtlos hingestttrzt. Als er zu sich gekommen sei,
hätte er in seiner Zelle gelegen und hätte zahlreiche blaue Flecke
am Körper gehabt. Es war in diesem Falle zweifellos, daß der
Kranke den Eintritt des epileptischen Anfalles mißdeutet hatte.
Wenn wir dann zu den SeelenstOrnngen im engeren
Sinne übergehen, so wollen wir uns nur kurz Tergegenwärtigen,
daß sowohl vor, während, wie nach Ablauf einer ^lenstOrnng
krankhaft beeinflaßte Aussagen verkommen, die dem ärztlichen
Gutachter ebenso wie den Polizeiorganen und dem Richter ge¬
legentlich Schwierigkeiten bereiten können.
In meine Sprechstunde kam ein 89jähriger Beamter, der ein Atteat
seineB Hansarztee brachte, das auf Neurasthenie lautete. DerBeamteer«
z&hlte Ton seiner mifiUchen dienstlichen Stellong, seine Autorität werde unter¬
graben, man achte nicht auf seine Instruktion, die Funktionen als Bureaa-
Torsteher seien ihm wesentlich boschnitten worden, er werde schlecht behan-
.delt. Er hege die Hoffnung aut eine Disziplinarnntersuchung, dann werde
Licht in die Sache kommen. Die Untersuchung des groAen, Torzeitig gealtert
anssehenden Mannes ergab nichts regelwidriges, speziell auch nichts seitens des
Nerrensystems. Der Mann fuhr fort, sich fortgesetzt in üblen AeDßerongen
und Verdächtigungen gegen seine Vorgesetzten zu ergehen. Es wurde 8chlie&>
lieh das Diszipiinarrerfahren gegen ihn ein geleitetet. Als ich nach Verlauf
eines Jahres den Mann wiedersah — er war aus anderen Ursachen in Halt
genommen worden, — litt er an ausgeprägter Paralyse. Erst mit Hilfe der
amtlichen Feststellungen gelang es in diesem Falle, darüber Klarheit zu
schaffen, daß die Ans(muldigangen des Mannes gegen seine Vorgesetzten sämt¬
lich unbegründet waren. Sie mußten als Prodrome der später nm Ausbruch
kommenden Paralyse angesehen werden.
Außer den neurasthenischen Seelenstörungen sind es ge¬
legentlich Angstznstände bei Trinkern oder Melancholischen, die
zu falschen Anzeigen, mitunter zu Selbstanzeigen führen. Meyer
in Königsberg hat dafür Beispiele mitgeteilt. Ch. Vallon^) be¬
richtet folgendes:
Ein 21 jähriges Mädchen wendet sich an einen Polizeibeamten und mel¬
det, sie hätte vor 10 Tagen heimlich geboren und ihr Kind erstickt. Ausffthr-
lich erzählt sie, wie die bestehende Schwangerschaft nicht sehr auffallend
wesen sei. Montag am 19. April abends, zwei Stunden nachdem sie sich zu
Bett gelegt, hätte sie die ersten Wehen gespürt, in der Mitte des Zimmers
hätte sie geboren, dann das Kind mit einem Kopfkissen erstickt. Es sei eiu
reifer Knabe gewesen, sie hätte ihn zunächst im Garten vergraben, später
aber wieder ausgesdiarrt und an einer verlassenen Stelle vor der Stadt T<m
neuem beerdigt. Am 80. April hatte die Person die Anzeige gemacht, erst
am 22. Mai wurde festgestellt, daß es sich um eine vielfach vorbestrafte, geistes¬
schwache Person gehandelt hatte, die lediglich aus Sensationslust und ans dem
Wunsche heraus, von sich reden zu machen, diese Geschichte erfunden hatte.
Es ist bekannt, welche Schwierigkeiten hysterische Per¬
sonen, insbesondere solche, die das Bild dmr Pseudologia phantastica
bieten, ferner Querulanten und die Fälle von induziertem IrreaeiB
(iolie ä deux) den Behörden gelegentlich machen.
Daß auch unter dem Einfluß von Residuen einer ftbm^
standenen Geistesstörung falsche Aussagen zustande kommen, ht
*) ännalos d’ hyglene publique; 1898, Tome 89, p. 179.
Pflychologie der Ausege. 85
za bekannt, als daß ich darauf noch besonders hinzaweisen
brauchte.
Ganz besonders ist an dem bereits von Gramer ausge*
sprochenen Satz festzuhalten, daß bei geisteskranken Individuen
die Zeugenaussagen mit der allergrößten Vorsicht anfznnehmen
sind und ihnen nur dann wirklicher Wert beigemessen werden
kann, wenn es nachgewiesen ist, daß sie von krankhaften Mo*
menten nnbeeinfloßt abgegeben wurden.
Damit mochte ich die Betrachtungen über die Psychopatho¬
logie der Aussage schließen.
Was folgt nnn ans diesen Ausführungen für
die richterliche Vernehmung von Zeugen und für die
Beweiswürdignng, und wie können die vorgetragenen
Uebelstände nach Möglichkeit gemindert werden?
Hier kommt vor allen Dingen die Tätigkeit des Bichters
in Betracht. Die Aussagen bilden das Material, mit dem er ar¬
beitet. Aus den Aussagen baut sich die Rekonstruktion des Vor¬
ganges auf. Wie der Baumeister die Technik der Herstellung
und die Tragfähigkeit des Baumaterials berücksichtigen mnß, so
ähnlich der Richter bezüglich der Erzielung und der Wertung
der Aussagen.
Wir haben gesehen, wieviel wertvoller die zusammenhängende
Darstellung der Zeugen ist, als das Verhör. Es dürfte sich ferner
empfehlen, daß der Richter den Zeugen bei der Vernehmung
darauf aufmerksam macht, daß er bei der Erzählung kenntlich
macht, was er selbst gesehen hat, und was er nur vom Hören¬
sagen weiß.
Handelt es sich um schwachsinnige Personen, die einer zu¬
sammenhängenden Darstellung des Vorganges nicht fähig sind, so
kann es verkommen, daß das Ergebnis in unsachgemäßer Weise
zu Protokoll kommt. Es kann dies dadurch geschehen, daß^eine
Aussage, die zögernd, unvollständig und lückenhaft gegeben wurde,
nach dem Diktat des Richtera einen logischen Inhalt, eine gram¬
matische Konstruktion und einen Wortschatz zeigt, der der be¬
schuldigten geistesschwachen Person vollkommen fremd ist und
dem Leser ein durchaus verkehrtes Bild der Persönlichkeit^gibt.
ln solchen Fällen würde es zweckmäßig sein, Frage und Antwort
stenographisch zu protokollieren (Ungar).
Der geschilderte Einfluß des Ablaufes der Zeit auf die
Richtigkeit der Zeugenaussage macht es wünschenswert, daß die
Zeugenvernebmung sobald als möglich nach dem Vorgänge er¬
folgt, und daß der Untersuchungsrichter, falls eine Voruntersuchung
geführt wird, sich bald nach erlangter Kenntnis an Ort und Stelle
begibt und alle in Betracht kommenden Zeugen vernimmt. Bei
dem häuflg gemachten Einwand der sinnlosen Trunkenheit könnte
durch schnelle Vernehmung der Wirte und anderer Personen
dieser Punkt alsbald klargestellt werden; dasselbe gilt in Betreff
des Alibibeweises. Der Richter muß den Einfluß der Suggestion
vermeiden.
86
Dr. Loebte.
Bezüglich der Beweiswflrdigiuig irird sich der Biehter so¬
wohl in der Vomntersnchang, wie in der Hanptyerhandlnng weiser
Vorsicht befleißigen und die Möglichkeit der objektiyen Un¬
richtigkeit eines nach bestem Wissen und Gewissen abgegebenen
nnd auch beeidigten Zeognisses trotz alledem im Ange bebaltmi
müssen.
Eine sehr wesentliche Bolle wird hier notgedrungen die
Glaubwürdigkeit des Zengen spielen. Es illnstrieren dies,
wie ich glaube, auf das dentlichste die eingangs geschilderten
Wirklichkeitsyersnche.
Sind nur wenige nnd zwar ungenügend anssagende Zeugen
yorhanden, so ist selbstyerstandlich eine genügende Bekonstmküon
des Vorganges unmöglich. Der Cramer-Webersche Versuch
lehrt anderseits, daß es bei Vernehmung einer Anzahl znyer-
lässiger Zeugen sehr wohl gelingt, ein annähernd richtiges
Bild des Vorganges wiederzugewinnen.
Noch ein Punkt ist yon richterlichem Interesse:
Die Tatsache, daß zwischen Wahrheit nnd Lüge sich ein
breites Gebiet unbewußter Erinnemngsfälschungen einschiebt,
daß die Aufforderung an die Versnchsteilnehmer, die beeidigungs-
fähigen Teile ihrer Aussage herauszusuchen, nur eine Herab¬
setzung, nicht eine Beseitigung des Fehlerprozentsatzes zur Folge
hatte, scheint dem Biehter die Möglichkeit zu nehmen, Falscheide,
die durchaus in die Breite des Normalpsychologischen gehören,
yon solchen zu unterscheiden, die auf strafbarer Fahrlässigkeit
beruhen (Stern). Stern stellt daher die Forderung auf, der
«fahrlässige Falscheid* könne nicht als straffälliges Delikt be¬
trachtet werden. Dazu möchte ich bemerken, daß die Staats¬
anwaltschaft schon jetzt sehr yorsichtig mit Erhebung der An¬
klage in solchen Fällen yerfährt. Es lehrt dies die Statistik.
Danach fanden 1906 nur 885 Verurteilungen, 1907 sogar nur 298
Verurteilungen wegen fahrlässigen Falscheides statt; gewiß eine
minimale Zahl im Verhältnis zu der großen Zahl yon Zeugen,
die täglich yor preußischen Gerichten yernommen wird, nnd im
Verhältnis zu den zahlreichen falschen Bekundungen, die bei
jeder, auch bei der beeidigten Zeugenyernebmnng täglich unter¬
laufen. üebrigens wird die Absebaflung der Strafbarkeit des fahr¬
lässigen Falscheides auch yon gewichtigen juristischen Autoritäten
befürwortet. Die Entscheidung wird man nicht yom Ezperimentier-
fische ans stellen können, sondern es wird die praktische Er¬
fahrung des Bichters maßgebend sein müssen.
Um nun eine möglichst sichere Basis für die Benrteünng
der Zeugenaussagen zu erhalten, ist yon seiten der Experimental¬
psychologie der Vorschlag gemacht worden, die Zeugen einer
psychologischen Prüfung zu unterziehen.
Schon 1895 forderte Mc. Eean Cattle die Feststellung
des Präzisionsindex yon Zeugen durch experimentelle Messungen.
Man hat eigene Untersuchungszimmer in den Gerichten einrichten
wollen (Elanssmann), um dort an bekleideten Gliederpuppen
in Lebensgröße die Bekognitionsfähigkeit des Zeugen zu prüfen.
Psychologi« der Aussage.
87
Der Prttfling wire vor einen rotierenden Stereoskopnppnint, einen
sogenannten Bevolrerapparat an bringen, an dem seine Fähigkeit au unter-
suchen wäre, Physiognomien au unterscheiden, um festanstellen, wieriel
Zeit er braucht, sich eine Physiognomie einauprägen. Die HOrlähigkeii des
Zeugen, die Biechlähigkeit, die Fähigkeit des ^ätaens von Baum und Zeit,
konnte untersucht werden. Alle diese Unter Buchungen würden von einem Ans-
Sagepsychologen anausteilen sein.
Sehr treffend bemerkt m. E. Sonntag zn diesem Vorschlag,
daß außer dem Gericht doch wohl anch dem Verteidiger ein
Psychologe beigegeben werden mfißte. Es würde dann der Fall
eintreten, daß der Bichter statt über die Glaubwürdigkeit der
Zeugen über die der Psychologen zn entscheiden hätte. Für ver¬
fehlt halte ich diesen Vorschlag deshalb, weil es für die Bichter
ganz besonders anf Menschenkenntnis und auf die Glaub¬
würdigkeit des Zeugen ankommt Die Frage nach seiner Hör-,
Seh-, Biechfähigkeit wird nötigenfalls der Gerichtsarzt vor¬
zunehmen in der Lage sein. Sollte es sich aber um spezielle
Fragen, der Schätzung der Entfernung, ob jemand von einer
bestimmten Stelle aus etwas sehen konnte, wieviel er beobachten
konnte nsw., handeln, so wird dann meist ein Lokalaugenschein
erforderlich sein und eine Wiederholung der Vorgänge nach den
Angaben des Angeklagten oder des Zeugen. So wurde im
Polnaer Mordprozeß festgestellt, daß der Zeuge auf 700 m den
Beschuldigten nicht erkennen nnd weiter im Tisza Eszlar-
Prozeß, daß Moritz Scharf durch das Schlüsselloch der Synagoge
die Tötung des Mädchens überhaupt nicht sehen konnte.
Man hat ferner gesagt, „der Pädagogik wird nunmehr die
Aufgabe erwachsen, durch einen etwa dem Anschauungsunterricht
ähnlichen und ihm anzugliedemden „Erinnernngsunterricht* die
Aussagefähigkeit zu üben nnd durch ständigen Hinweis anf ihre
Schwächen nnd deren Ursachen die Treue der Aussagen zn
steigern (Lipmann).
Es lehrt Ja nun die alltägliche Erfahrung, daß ungebildete
Leute häufig sehr apodiktisch ihre Aussagen vor Gericht abgeben,
und daß, je gebildeter nnd einsichtiger der Mensch ist, er um so
vorsichtiger mit seinem Urteil und seinen Schlüssen sein wird.
Bekannt ist die vorsichtige Einleitung einer Aussage des
Wiener Philosophieprofessors Dr. Mül ln er. Er sagte:
„Ich kann meine Aussage nur unter dem Vorbehalte der subjektiven
Bicbtigiceit machen, da ich der Ansicht bin, du3 niemand in der Lage ist,
einen Vorgang, der sich unvermutet vor ihm abspielt, nach Ablauf einiger
Zeit mit Sicherheit objektiv richtig darznstellen. ^ tritt da eine Beihe psy¬
chischer Unterstrbmungen auf, die es bewirkt, daß nur innerliche Qedanken-
bilder, logische Schlüsse und subjektive Empfindungen mit dem wirklich
Erlebten za einem neuen Bilde vermengt werden, das dem Vorgang keineswegs
objektiv genau entspricht. Ich kann daher nur angeben, daß . . .*
(Voss. Zeitung vom 12. Oktober 1903.)
Glaubt man nun wirklich, daß man durch methodisch¬
pädagogische UebuDg bessere Aussagen erzielen wird? Man wird
vorsichtigere, aber nicht genauere erreichen. Die Aussagepsycho¬
logie dürfte überhaupt nur soweit in die Schule gehören, als dem
Kimle gelegentlich gezeigt werden kann, wie mangelhaft wir mit
88
Dr. Lochte.
oDBeren Sinnen im aligemeinen wahrnebmen, nnd wie bänfig ans
die Erinnemng trügt. Darauf binznweisen, wird sich öfter Ge¬
legenheit in der Schule bieten. Auch in dem Sinne dürfte der
Schule ein Einfluß einzuräumen sein, als der Grad der allgemeinen
Bildung von wesentlichem Einfluß auf die Zeugenaussagen ist.
Das Wichtigste aber bleibt, daß das Kind zur Wahrheitsliebe
erzogen wird, daß es lernt, vor Gericht darf überhaupt nicht
gelogen werden. Alles weitere gehört nicht in die Schule.
Wenn wir nun prflfen, in welcher Weise der Entwurf zur
Strafprozeßordnung die Wünsche der Psychologen und Psychiater
berücksichtigt, so interessiert am meisten der Abschnitt über
Zengnispfllcht und Eidesleistung. Da heißt es in der Begründung
(S. 150:
„Es handelt sich in erster Linie dämm, das Uebermaß der Eides¬
leistungen einnnsohrinken, das die Bedeutung des Eides herab-
drttckt nnd in Verbindung mit der wenig sweckmäßigen Art, wie gegen¬
wärtig die Eidesabnabme geregelt ist, die Zahl der Falscbeide rer*
mehrt . . . . Der Entwurf bestimmt, daß in allen Sachen, die yor den
Amtsgerichten yerhandelt werden, die Vereidigung in unterbleiben
hat, soweit.und daß sie auch in anderen Sachen untere
bleiben kann, wenn alle Beteiligten über die ünerhebliebkeit eines Zeug¬
nisses einyerstanden sind, etc.“
Wenn demnach der Entwurf auch von anderen Motiven
geleitet wird, so glaube ich doch, können wir die Verminderung
der E ide nur mit Freuden begrüßen. Es treffen in diesem Punkte
die Wünsche der Psychologen und Psychiater mit denjenigen der
Juristen durchaus zusammen.
M. H.l Die Psychologie des Verbrechens und des Ver¬
brechers ist gegenwärtig Gegenstand eifrigster Bearbeitung, weil
wir wissen, daß wir ohne diese Kenntnis das Verbrechen nicht
an der Wurzel angreifen, nicht nachdrücklich bekämpfen können.
Aus der methodischen Untersuchung des körperlichen und
geistigen Zustandes des Bechtsbrechers entwickelt sich die junge
Wissenschaft der Kriminalanthropologie. Als einen wichtigen
Zweig derselben haben wir heute die Anssageforschnng kennen
gelernt. Wir Medizinalbeamte müssen auf diesem Felde mitfort-
schreiten nnd mitarbeiten, sonst sind wir den uns anvertranten
großen Aufgaben auf gerichtlichem und sozialem Gebiete nicht
gewachsen.*)
(Lebhafter Beifall.)
Die von dem Referenten aufgestellten Leitsätze hatten
folgenden Wortlaut:
1. Die eiperimentelle Psychologie hat nachgewiesen,'' daß,
abgesehen von der bewußten Falschaussage, ein breites Gebiet
*) Literaturyerseichiiio.
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stehende Beform der Strafprozeßordnnng. IV. Haaptyersammlang des Deatschea
Medizinalbeamtenyereins in Heidelberg 1905.
J.Bresler: Die pathologische Anschnldigong. Joristisch-psychiatrische
Grenzfragen; 1907, Bd. V, H. 8 .
Psychologie dec Aauege.
89
normalpsycholog^scher Anffassangs-, Erinnernogs* nnd Avssage-
f&lschangen bestellt, mit dem bei jeder Zengenvemehmniig ge¬
rechnet werden mnß. Aach der Eid bietet keine OewAlv fttr
Fehlerlosigkeit der Aussage (Stern). Diese Feststelinng bean-
A. C r am eT: Gerichtliche Psychiatrie. Jeaa 1908; Verlag tob G. Fischer.
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1906. Verlag tou Hayns’ Erben.
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Verlag tob J. A. Barth.
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1894; Verlag Ton Koehler.
Cb. Vallon: Ali6n6e auto-accnsatrice. Annales d’hygiOne publique et
de mOd. 16gale; 1898, Tome 89.
W. Weygandt: Beitrag zur Lehre tob den psychischen Epidemien.
Halle 1905; Verlag Ton Mar ho Id.
E. Walffen: Psychologie des Verbrechers. Qroß>Lichterfelde 1908;
Verlag tob Langenscheidt.
Der Xantener Knabenmord Tor dem Schwurgericht za CleTe. 4.—14. Jali
1892.. Berlin 1898. Croubach, Stenograph. Bmoht.
90
Dr. LockU.
spracht in der Praxis flir die FiUe Bedentonf, in denes nnr ein
oder wenigrs — nngenflgend aassagende Zeagen Torhanden sind.
Der Cramer-Webersehe Versneh lehrt anderseits, daß es
bei Vernehmoog einer Reihe Ton zuTerlissigen Zeogen Mhr vohl
gelingt, ein annähernd richtiges Bild des Y organges zu rekonstruieren.
2. Der Forderung eines Aassage-Unterrichts in der Schale
kann nicht beigestiount irerden, noch weniger der Bestellang Ton
Gerichtspsychologen.
3. Beachtenswert ist der Vorschlag, in geeigneten Fällen
die Fragen des yernehmenden Richters and ^e Aassagen des
Zeagen stenographisch za protokollieren.
4. Sowohl durch körperliche, wie dordi seeUsdie Er¬
krankungen kann die Aussage störend beeinfloßt werden.
Unter den körperlichen Erkrankungen spielen die Eopf-
yerletzangen (Amnesie und Sprachstörungen), die Infektionskrank¬
heiten (z. B. Typhas) nnd Intoxikationen eine Rolle.
Vor, während nnd nach Ablauf einer Seelenstörang werden
gelegentlich krankhaft beeinflußte Aussagen produziert, die die
Behörden irreführen können.
5. Der Zengenanssage eines Geisteskranken kann nur dann
ein Wert beigemessen werden, wenn es nachgewiesen ist, daß sie
unbeeiaflaßt yon krankhaften Momenten abgegeben ist ((3ramer).
6. Die im Entwarf zur Strafprozeßor^ung yorgesehene all¬
gemeine Einschränkung der Eide kommt den Wflnschen der Psycho¬
logen, wie der Irrenärzte entgegen.
Vorsitzender: Ich eröffne die Diskussion.
Prol Dr. W. Stern • Breslau: M. H1 Ich mochte zuaichat mefaia Dank
dafür aussprechcD, daß es mir, dem Nichtfachmann, in diesem Krdse erlaubt
ist, hier ein Wort zu sagen. Aber der Herr Vorredner war ja schon so Ireondlich,
darauf hinzuweisen, in welchem Sinne auch ich beteiligt bin an diesen aussage*
psychologischen Forschungen; ich mOchte daher Ton dem Standpunkt des
Experimental - Psychologen, der sich mit dem eben erwähnten Gebiet beschäftigt
hat, nnr noch einige Punkte kurz erwähnen.
Ich möchte Toraasscbicken, daß sich unsere psychologische Tätigkeit
wesentlich auf die Erforschung des normalen Indmdniums in seiner ganzen Breite
erstreckt bat nnd auch anf die Untersnehnng des Kindes, während die so
dankenswerte Ergänzang des vorhin gehörten Vortrages auch die patholc^isch
bedingte Anssagefälschnng mit hineingenommen hat. Aber das Wichtige, was
wir Hormalpsychologen ancb Ihnen wobl zu bieten haben, ist das Besnliat,
daß Tieileicbt der Begriff des Pathologischen gerade in bezog auf die Er*
inncrangatäaschangen and Aassagefälscbongen zuweilen zu eng genommen
worden ist. Die normale Täaschongsmöglicbkeit der Erinnernng ist breiter
— das haben gerade unsere Experimente an Gebildeten und Ungebildeten, an
Erwachsenen und Kindern gezeigt — als man bis daÜn gemeiniglich geglaubt
hat, and so manche Anssagefälschnng nnd ErinnerangstaasebnFg, die vielleicht
der Psychiater gern schon als eine pathologische ansprechen möchte, mag noch
in das Gebiet des Normalen fallen. Auf die vielen emzelnen Fehlerqnellsn,
die bereits der Herr Vortragende Ihnen so klar auseinaadergesetzt hat, möchte
(Fortsetzang des LitteraturVerzeichnisses).
Tb. Ziehen: Psychiatrie. Leipzig 1902; Verlag von HirzeL
Tb. Ziehen: 0oergatachten Ober die Zuverläsngkeit der Angaben
eines Aphasiseben über die Vorgänge bei der seiner Aphasie zngmnde liegen*
den .SchädelVerletzung (Raubmordversuch) Vierteljahrsschrift für geriichUiche
Medizin und öffentliches Sanitätswesen; 1897, dritte Folge, XIV. BA, 8.1—19.
Psychologie der Avssago.
«1
ich hier sicht weiter dogehes, sonders nur noch kurz sn des praktischen
Fordemsgen Stellnng nehmen, die am Schlosse des Vortrages erwähnt worden.
Gewiss ist es eine der Haoptsachen, daß der Vernehmende erkennt, in
wie hohem Maße die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit der zn Stande kommenden
Aossage von der Art seines eigenen Fragens mitbedingt wird. Diese Erkenntnis
sollte vielleicht nicht nnr ans der Psychologie aUmihlich hineindringen in die
Seele der Richter, sondern anch in das Gesetz Anfnahme finden; nnd insofern
scheint mir der Entworf zor Strafprozeßordnong noch ergänzongsbedttrftig so
sein. Er ttbernimmt ja aos der bisher geltenden St. P. 0. die eine grondlegende
Forderong, deren psychologische Richtigkeit ja vorhin nacbgewiesen worden
ist — daß zoerst eine zosammenbängende Berichterstattong des Zengen statt«
finden solle, da sie so viel korrekter ist, als das aof Befragen erfolgende Verhfir.
Aber innerhalb des VerhOrs hängt non sehr viel davon ab, wie die Fragen
gestellt werden. Herr Professor Lochte hat einige solcher Soggestivfragen
erwähnt, z. B.: ,Ist nicht ein Schrank in dem Zimmer gewesen?“ während
in WirUichkeit kein Schrank dagewesen ist. Wenn wir ons non vergegen«
wärtigen, wie im allgemeinen inqoiriert wird, dann stellt sich die Zahl dieser
Soggestivfragen, „die eine bestimmte Antwort schon näher legen als eine
andere,“ nnd somit eine vorgefaßte Meinong des VerhSrenden verraten, als
aoßerordentlich häufig herans; die nichtsnggestive Frage dagegen ist relativ
sdten. Das ist sehr bedaoerlich, denn in der Tat hat die Frage: „Welche
Farbe hatte das Kleid?“ psychologisch eine ganz andere Wirknng aof den
Zeogen, namentlich aof einen beeinfloßbaren Zeogen, als die Frage: „War das
Kleid nicht brann ?“ Die Forderong, die in älteren Strafprozeßordnnngen schon
einmal bestanden hat, die aber merkwttrd^erweise verloren gegangen ist, daß
Soggestivfragen zo vermeiden sind, sollte noch in das nene Gesetz
anfgenommen werden.
Eine besondere starke Form der Snggestion ist die Konfrontation. Nehmen
Sie einmal einen onerwachsenen Zengen, ein Kind an, an dem ein Sittlichkeits-
Vergehen vorgekommen ist. Wird non dem Kinde ein Verdächtiger gegen«
flbergestellt ond die Fraee vorgelegt: „Erkennst Do den Mann wieder, der
das an Dir gemacht hat ?“ so ist das eine Suggestion von so starker Wirknng,
daß schon eine große Kraft des Geistes dazo gehört, darauf nicht Ja“ zn
antworten. Einem Kinde, ttberhaopt einem beeinfioßbaren Menschen liegt die
Zostimmong, das Jasagen, sehr viel näher als das Neinsagen oder das Ans«
drucken eines Zweifels. Der unselbständige Mensch empfindet die Frage schon
als einen Befehl: Do sollst „ja“ antworten, da sollst eine znstimmende Antwort
erteilen, selbt wenn es garnicht so vom Richter gemeint worden ist; so
ist denn in der Tat eine solche Konfrontation von höchster soggestiver Wirkung.
Um sie zo verhindern, sollte im Gesetz die sog. Wahlkonfrontation
gefordert oder doch empfohlen werden, daß der Verdächtige unter mehreren
anderen Personen dem Zeugen vorgelUhrt wird, und der Zeuge gefragt wird:
„Ist unter den anwesenden Personen derjenige, den Dn damals gesehen hast ?*
So ist diese Fragestellnng viel weniger suggestiv, ond eine nun erfolgende
Rekognition ist jedenfalls sehr viel beweiskrUtiger als die aof Einzelkonfron«
tation hb.
Das wäre also ebe Forderong, die ich noch ffir die allgemeine Zeugen«
vornehmong zur Ergänzung der Strafprozeßordnong Vorschlägen möchte.
Kin anderes Gebiet, das der Herr Vortragende ausdrücklich bei Seite
ließ, nämlich die Vernehmung von Jugendlichen, bedurfte noch eber besonderen
Diskussion. EUer mußte Überhaupt völlig von dem bbberigen Brauch abgegangen
werden. Es ist sehr merkwürdig, daß der Strafprozeßentwnrf, der ein so
warmes Herz fUr die Jugendlichen zeigt, indem er doch die Jugendgerichte
in weitestem Umfange einftthren will, zunächst nur auf die jugendlichen
üebeltäter Rücksicht nimmt, aber nicht die jugendlichen Zeugen erwähnt.
Und doch mußten auch sie ganz anders behandelt werden ab die Erwachsenen.
Gegenwärtig bt es so, daß sie Monate hbdurch vor Polizei, Untersuchongs«
richter ond Gerichtshof und in zahlreichen häuslichen Unterhaltungen immer
wieder das in Betracht kommende Ereignis dnrebspreeben mUssen. Das bt
ethisch bedenklich, denn oft handelt es sich um Ereignisse, die im Interresse
des seelischen Gleichgewichts des Kbdes möglichst schnell vergessen werden
zollten (Vergewaltigong, Mißhandlong); außerdem bt es paycludogbch bedenUicb,
9B
Dr. Lochte: Piyohologie der Anesege.
denn in der lugen Zwieebenieit stflrmen aoTiel fUBchende RInfiaeu nnf de*
Kindee Erinnerang ein, d*B die sehliefllicbe Anenge der Huptrerhudlug
garoioht mehr die Gewähr der Richtigkeit hat. Dieeu Verhiltniaeen gegeattber
möchte ich die Forderang stellenf dafi Kinder und jogudliche Zeogu nvr
einmal, nnd zwar möglichst nnmittelbar nach dem Erlebnis,
durch eine besonders daittr geeignete an te rs ach ungs richterliche
Persönlichkeit Temommen wfirden. Oer Jugendrichter, der jetzt eingeführt
wird, müßte auch die Funktion Temehmen, jagendliche Zeugen als Unter-
sachongsrichter endgültig za übernehmen. Das — womöglich stuographhsch
aafgenommene — Protokoll seiner Vernehmung hätte dun in der Hauptrer*
hudJug als Ersatz der persönlichen Vemebmnng zu dienen.
Guz kurz nur noch zum Schluß die Punkte, die Herr Prof. Lochte
erwähnte, um eine Verbesserung der Aussagen berlmizulühren. Da meine i^
doch, du mu einer Aussage-Pädagogik nicht so kühl gegenüber stehu soltte.
Als Tor mehr als hundert Jahren die Forderug aufgestellt wurde, der Mensch
müsse «auchauen“ lernen, da wurde oft gesagt, du kun er ja doch tou selbst;
er brauche doch nicht erst zu lemu, wie er sieht nnd hört; wir wissen aber
jetzt längst, daß der Anschauungsunterricht Ton größtem Segen ist. Aehnlichu
^t für du, wu hier verlugt wird; es ist gleichsam eine Ergänzung du
Auchanugsnnterrichts: ein Erinneningsnntericht, eine Uebnng der Fähigkeit,
nicht nur beim Beobachten sich klar zu werden, was beobachte ich? sondern
nach der Beobachtung sich klu zu werden: wu habe ich beobachtet? Es ist diu
eine Forderung, die sieh sehr wohl ohne buonderu Unterrichtszweig dem
Anschauungsunterricht, dem naturwissenschaftlichen Unterricht usw. an¬
gliedern kun.
Und dun die psychologischen Sachverständigul Leider hat Klauss-
mann in einer sehr fenilletonistischen Manier sdion vor Jahru die Sache
verfahren. Die Art, wie er du damals forderte, war in der Tat geeignet, so,
wie u Herr Prof. Lochte heute tat, die Vorschläge humoristisch au behudeln.
Aber ich meine, die Idee einer psychologischen Zeugenprflfung,
die natürlich nur in du notwendigsten Fällu vorguommu werdu dürfte,
verdient eine ernsthaftere Erörterung. Nehmu wir einmal u, u hudelte
sich darum, festzustellen, ob ein Zeuge in hohem Maße uggutibel ist, ob er
durch Lektüre, durch Hörensagen, durch MassenfuaUsmus, durch Fragutellug
usw. besonders beeinflußbar ist; da sind wir jetzt am Werke geuue u-
perimeotelle Methodu herauszuarbeiten, die ein ungefäbru Bild davon gebu,
ob der Prüfling sugeestibel ist oder sehr widerstudsfafaig gegu Suggutioau,
ob er imstude ist, Zeiten zu schätzen oder Bäume zu schätzu, ob er ein gutn
Gedächnis hat und anderes mehr. Du läßt sich psychologl^ untersuchen.
Freilich müssen dazu psychologischgeschulteGutachter herugezogu
werden. Damit komme Ich zu einer letzten Forderang, die gerade ja wohl
auch für diesen Kreis besonders wichtig ist: daß diejenigen Persönlichkeiten,
die mit den Zeugen zu tun haben, also die Untersuchungsrichter, die Richter
und auch die gerichtlichen Medizinalbeamten psychologische Sa^verständige
seien. Nicht wir Psychologen wollen in den Gerichtssaal kommu, um ^
Sachverständige gehört zu werden; sondern der Wunsch ist, daß unsere Gesichts¬
punkte znm selbstverständlichen Ont derjenigen werden, die mit der Zeugen-
Vernehmung zu tun haben. Und ich meine, daß der Richter selbst oder der
Gerichtsarzt oder der psychiatrische Sachverständige In exakter Weise die
Aussagefähigkeit eines Zeugen zu prüfen im Stande sein solle; du — werdu
Sie mir zngeben — ist eine Forderung, die sich höru läßt, die nicht so a limine
abzuweisen ist, wie es der Herr Vortragende getan hat. So zeigt sich denn
hier ein Arbeitsgebiet, auf dem sich der ezperimutelle Facbpsychologe uzd
der am Gericht beschäftigte Medizinalbeamte zur gegenseitigu Aufklärnzg
die Hand reichen könnu.
(Beifall).
Vorsitzender: M. H.! Die Zeit ist schon soweit Twge-
Bchritten, dass, wenn noch von mehrfacher Seite zu diesem
Vortrage das Wort zu ergreifen gewünscht wird, es sich em¬
pfehlen wflrde, zunächst die in Aassicht genommene Panse ein-
treten zn lassen ond die Diskussion nach dieser fortznsetzen.
Bericht der EassenreviBoren. Voistandewah]. Besehlnfl Aber deaSÜftiugefonds. 98
Ich frage deshalb, ob noch mehrere Herren zur Sache sprechen
wollen. Das ist nicht der Fall; es meldet sich Niemand mehr
zam Wort. Dann erteile ich dem Herrn Referenten das Schloss*
wort — oder verzichten Sie daranfP
(Heiterkeit; Zomi: SaggestiTe Frage.)
Herr Prof. Dr. Loehte-OCttingen: Jch veriichte.
(Heiterkeit.)
Vorsitzender: Das ist sehr liebenswürdig, wenn ich anch
glaube, dass die Anwesenden sicher noch sehr gern ein Schloss*
wort angehört hätten. Jedenfalls sind wir aber dem Herrn Vor¬
tragenden für seine vorzüglichen Ausführungen den herzlichsten Dank
schuldig, was ich hier noch besonders zum Ausdruck bringen
möchte, obwohl Sie es ja bereits durch Ihren reichen Beifall
getan haben.
(Paue.)
Nachdem Herr Kreis* n. Gefängsnisarzt Dr. Marx-Berlin
ein nach seinen Anweisungen hergestelltes Taschenmikroskop
demonstriert und zur Benutzung bei Obduktionen empfohlen hatte,
wird übergegangen zu
III. Bericht der Kassenrevisorei. Vorstandsvrahl.
Beschluss über den Stmnnssfonds.
Herr Kreisarzt Med.-Rat Dr. Hermann-Bitterfeld: Die
Rechnung nebst Belegen ist von den Kassenrevisoren geprüft.
Die Ausgaben und Einnahmen sind ebenso wie der Kassenbestand
für richtig befunden; dem Kassenführer kann demzufolge Ent¬
lastung erteilt werden.
Vorsitzender: Will jemand das Wort hierzu ergreifen?
— Es ist dies nicht der Fall; dann darf ich wohl annehmen, daß
Sie mit dem Antrag der Kassenrevisoren auf ErteUnng der Ent¬
lastung des Schriftführers einverstanden sind.
(AUaeitige ZostiiimiaBg.)
Ich handle aber sicherlich anch in Ihrem Einverständnis,
wenn ich dem Kollegen Fielitz unseren herzlichsten Dank dafür
ausspreche, daß er die mit der Kassenführung verbundene schwere
Arbeit im vergangenen Jahre wieder übernommen hat. Seine
Arbeit ist dadurch nicht unwesentlich vermehrt, daß leider immer
noch ein größerer Teil von den Kollegen mit dem Beitrage
im Rückstände bleibt. Ich bitte in dieser Hinsicht prompter
zu sein; der Schrift- und Kassenfübrer wird jedenfalls künftighin
bei allen denjenigen Mitgliedern, die bis zum 1. April den Bei¬
trag noch nicht eingesandt haben, diesen durch Postvorschnß
erheben, damit die Restanten aus seinem Kassenbnche verschwinden.
Wir kommen jetzt zur Vorstands wähl.
Herr ^eisarit Geh. Med.-Bftt Dr. Wledoer-Eottbiu: Wir kOnnea uns
die Sache wohl dadurch Tereinfacheo, daß wir oneeren VorstaDd, der sich ja
non schoQ seit Jahren in seiner jetzigen Zasammensetznng bewahrt hat —
nur ein Mitglied ist seit karaem hinzagetretcn — per Akklamation wieder
94 Bericht der SaBsenreTlaoreo. VoretMidsweU. BeschlaB Aber deaStUtugBfoods.
wählen and damit auch Heim Beg.* a. Med.-Bat Dr. r. Hake, der im Torigea
Jahre kooptiert ist.
(Alleeilige Zastimmniig ond Beifall.)
Vorsitzender: H. H.I Die Akklamation ist satznngfBgemSß
nur dann znlässigy wenn Niemand Widersprach erhebt. Ich frage,
ob ein solcher erhoben wird? Es geschieht nicht; damit wfirde
der jetzige Vorstand einstimmig wiedergewählt sein.
Im Namen des Vorstandes spreche ich Ihnen den yerbind-
lichsten Dank ans für das Vertranen, das Sie nns durch die
Wiederwahl kondgegeben haben. Wir nehmen diese gern an nnd
werden ans jedenfalls bemühen, aach in dem kommenden Viertel*
jahrhnndert allen Ihren Wünschen, soweit es in nnseren Kräften
steht, gerecht za werden and ans Ihr Vertrauen in gleichem
Maße wie bisher zu erhalten, damit das schOne Verhältnis
zwischen Vorstand and Vereinsmitgliedem stets angetrübt bestehen
bleibt.
(BeifaU.)
M. H.! Wir wollen ans nanmehr korz über die weitere
Behandlang des Stiftangsfonds schlüssig machen. Der Vor¬
stand schlägt Ihnen zanächst yor, daß Herr Kollege Schlüter, der
diese Angelegenheit bisher so außerordentlich gat geführt hat,
den Stiftangsfonds auch weiter yerwaltet, und dass dessen Ver-
waltang yon derjenigen der Vereinskasse getrennt bleibt. Weiter¬
hin schlägt er yor, den Vorstand mit der Ausarbeitung der
Satzungen zu beauftragen und ihn za ermächtigen, hierbei nicht
nor den Kollegen Schlüter, sondern auch noch ein paar andere
Vereinsmitglieder zazaziehen, die eine große Erfahrong in solchen
Fragen sowie das nötige Interesse dafür haben. Gleichzeitig
bittet der Vorstand, yielleicht schon heute die etwaigen Wünsche
in bezug auf die Satzungen und den weiteren Aasbaa des Stif¬
tangsfonds za äußern, damit diese später berücksichtigt werden
können.
H. Med.-Bat Kreisarzt Dr. He 7 aaeher>Qraadenz: M. H.I Ich mSehta
nicht gerade einen Vorschlag fttr die Satzongen machen, sondern mir nur einige
Worte za dem Fonds selbst gestatten.
Ais die Anregang zar Sammlang dieses Fonds gegeben warde, da wurde
sie wohl Ton fast allen Kollegen mit großer Freade begrüßt. In diese Freude
wurde aber auf einigen Beztrksversammlungen Wermut geträufelt, die dn
Bedürfnis für einen solchen Fonds nicht anerkannten und dies damit begründet^
daß der Staat ja eigentlich die Verpflichtung habe, für alle die Fälle dn-
zutreten, die wir bei der Anregang zu diesem Fonds im Auge batten. Viel¬
leicht hat dies dazu beigetragen, daß das Ergebnis unserer Sammlang nicht
so gut ausgefallen und meiner Ansicht nach recht minimal geblieben int. Als
ich gestern die Zahl hörte, die Herr Kollege Schlüter vorlas, fragte ich
mich zunächt, was fangen wir mit dem Fonds an, der nur 700 Mark Zinneu
bringt? M. H., damit können wir eigentlich gar nichts anfangen! Gegenüber
der Behanptang, daß der Staat eintreten muß, darf ich mir erlauben, darauf
hinzuweisen, daß es Fälle gibt, in denen der Staat weder eintreten kann noch
darf. Es gibt z. B. Fälle — ich habe solche erlebt —, daß ein jonger Kolleg
stirbt, bevor er Pensionsberechtigung hat; dann bleibt die Frau, wenn aie
nicht zufällig Vermögen hat, oder wenn es nicht der Gatte gehabt hat, in deu
dürftigsten Verhältnissen zurück. Sie kann mit ihren Kindern eventuell iu
ein tieferes soziales Niveau herabsinken; denn der Staat kann höchstens gerfage
Gnadenuntersttttzungen gewähren, die sich schon mehr als Almoeen charakteri-
Bericht der EwseBreTiaoren. VorsUndswelü. Beschloß Uber den SÜflangsfoods. 95
Bieren. Ich erinnere weiter daran, daß ein Kollege dorch eine schwere Krank«
heit in Siechtnm geraten kann, kostspielige Koren dorchmachen muß osw.,
oder daß ein Kollege stirbt, ehe seine Kinder yersorgt sind, mitten in der
Aosbildong und anderseits schon so alt sind, daß sie kein WaisengeJd mehr
erhalten. Das sind alles Fälle, in denen man hellen und zwar großsttgig
hellen mochte nnd müßte.
Denken sie lerner, m. H., um noch aal einen anderen Ponkt an kommen,
an unseren Bobert Koch, der seine bahnbrechenden üntersnchongen als
simpler Kreispbyaikos in Wollstein begonnen hat. So viel ich weiß, ist er
damals kein vermögender Hann gewesen and wird vielleicht in jener Zeit, wo
er den Grund zu seinem großen Forschnngswerk legte, nicht Irei von flnan*
ziellen Sorgen gewesen sein. Wio schön würde es sein, wenn anch für solche
Fälle ein Fonds da ist, der es ermöglicht, einen Kollegen, der sieb mit wissen«
scbaftlichen Arbeiten beschäliigt, zu unterstützen, ihm die Mittel zur Be«
Bchaffnng kostspieliger Instrumente oder zu Belsen nnd dergleichen zu
gewähren. Zu allen diesen Zwecken reicht selbstverständlich der bisherige
Fonds nicht aus. Da habe ich mir nun gedacht, daß wir unser Jubiläum nicht
in würdigerer, schönerer Weise feiern kOnnen, als daß wir uns verpflichten,
daß jeder von uns alljährlich 20 Mark zu dem Fonds beisteuert. M. H., wir
sind 900 Mitglieder; gibt jeder von uns 20 Mark — ich habe diesen Optimis«
mns, daß jedes Mitglied unseres Vereins die 20 Mark entbehren kann —, so
haben wir alljährlich 18000 Mark verfügbar. Wenn von dieser Summe all«
jährlich 9000 Mark zu unserem Fonds thesauriert nnd 9000 Mark alljährlich
za den Zwecken verwendet werden, die ich hier angedeutet habe, m. EL, ich
glaube, so wäre dies eine so schOne Jubiläumsfeier, daß nnsere Nachkommen
mit Freude und mit Dank sich unserer und dieser Feier erinnern würden. Ich
mochte deshalb heute den Antrag stellen, daß jeder von uns, sagen wir für
die nächsten 10 Jahre, jährlich 20 Mark zahlt; der Kollege Schlüter wird
als ausgezeichneter Finanzmann mit ihrer Einziehung beauftragt; dann sollen
Sie sehen, was Großartiges und Schönes wir leisten kOnnen.
(Lebhafter Beifall)
Versitzender t M. H., so dankenswert der Antrag des Kollegen
Heynacher ist, und so sehr er eigentlich — ich mache daraus gar kein
Eehl — meinen Intentionen entspricht, so kOnnen wir m. E. heute doch nicht
darüber abstimmen und ihn zum Beschluß erheben. Wir Anwesenden könnten
uns ja zu einem jährlichen Beitrag von 20 Mark verpflichten, aber diese Ver«
pflichtung anch auf die abwesenden Mitglieder durch Beschluß auszusprechen,
würde doch bedenklich sein. Der Vorstand wird den Antrag bei seiner wei«
teren Beratung in Erwägung ziehen; seine Anregung in der heutigen Sitzung
nnd der lebhafte Beifall, den er bei Ihnen gefunden hat, ist jedenfalls von
Wert nnd wird hofientlich nicht ohne Einfluß auf die übrigen Mitglieder sein.
Sympathischer würde mir eine fakultative Verpflichtung sein, die jedem Mit«
glied die Beitragszahlung freistellt, der Beitragszahler dann aber anch ein
Vorzugsrecht an ünterstützungen aus dem Fonds für sich und seine Familie
erwirbt.
M. H.l Für so minimal wie der Herr Kollege Heynacher schätze
ich übrigens den Fonds nicht. Aller Anfang ist schwer l Nach den ersten
Zeichnungen der 70 Vereinsmitglieder, die den Verein begründet und die
Anregung zur Gründung des Fonds gegeben haben, hatte ich allerdings
auch geglaubt, daß wir nicht 18000 Mark, sondern annnähenid 100000 Mark
zusammenbringen würden. Ich bin in dieser Beziehung aber in meinem Op«
timismus getäuscht worden; trotzdem bin ich noch immer so optimistisch, an«
zunehmen, daß aus dem Anfang, den wir nun haben, anch allmählich ein
größeres Kapital wird. Vergegenwärtigen Sie sich doch, m. H., die in anderen
Vereinen vorhandenen derartigen Fonds, die vielfach eine erhebliche Höhe er¬
reicht haben. Fast alle sind sie aus kleinen Summen — noch kleineren als
18000 Mark — hervorgegangen und dann in verhältnismäßig kurzer Zeit
bedeutend angewachsen. Der Fonds maß nur immer wieder den Mitgliedern
des Vereins in Erinnerung gebracht werden, und zwar bei jeder Gelegenheit,
damit Sie ihn nicht vergessen. Vielleicht könnten wir ein Eintrittsgeld er¬
heben (Zustimmung) und dieses an den Fonds abführen.
Jedenfalls möchte ich den Kollegen Heynacher bitten, für heute von
96
Dr. Qatkneclit.
leinen Antrag Abstand an nehmen; er wird ans gldchwohl ton sehr daakes-
werter Anregung sein.
Herr Hed.-Bat Dr. HeyMeher*Oraadeas: Obgleich der Herr Vor«
sitzende etwas Wasser in meinen Wein gegossen hat, bin ich selbstrerstindlich
damit einverstanden, wenn mein Antrag sonlchst nur eine Anregung netn soU,
in der Vorausssetzang, daß er nicht unter den Tisch AUt, sondern ihm spiter
Folge gegeben wird.
Tonitsendert Dafür brauchen Sie doch keine Bange zu haben. Ich
habe bis jetzt immer den Beweis geliefert, daß nichts unter den Tisch fillL
Herr Med.-Bat Dr. Heynaeher-Grandenz: Ja, dann bin ich einver¬
standen. Aber es muß recht nachdrücklich den Kollegen eingeschirft werden,
daß wir alle dafür begeistert waren, uns wirklich einmal für die Zuknnft
ordentlich zu besteuern.
Vorsitzender: Da Niemand mehr das Wort wünscht, kann
ieh wohl annehmen, daß Sie mit dem Vorschläge des Vorstandes
einverstanden sind.
(Allseitige Zustimmung.)
M. H.I Ich mochte aber zum Schloß nochmals an alle
Herren Kollegen, die keine eigene Familie haben und deren Ver¬
mögen eventuell später an entfernte nnd ihnen möglicherweise
ganz unbekannte Verwandte fallen würde, die Bitte richten, den
Stiftungsfonds unseres Vereins nicht zu vergessen nnd rechtzeitig
ein Testament zu machen. Der Verein ist gern erbotig, die
Kosten für die notarielle Aufnahme eines solchen Testamentes
ans seiner Kasse zu bestreiten, nnd ich selbst würde mich
außerordentlich freuen, wenn wir recht oft, womöglich schon in
diesem oder dem nächsten Jahre in diese Lage kommen würden.
(Heiterkeit und Beifall.)
IV. MediziRalteanter md ärztliche Praxis.
H. Kreisarzt Dr. Gatknecht-Belgard: If. H.! Als die
großen Fortschritte der Medizin, insbesondere der Gesundheits¬
pflege, eine Reorganisation des staathchen Medizinalwesens in
Preußen erforderten, da war es die Absicht der Staatsregiemng
nnd auch des Herrn Medizinalministers, die neu zu schwenden
Medizinalbeamten, die Kreisärzte, als reine Beamte mit voller Be¬
soldung und allen den Bezägen, wie sie die sonstigen staatlichen
Beamten erhalten, anzustellen.
Allein diese großzügige und weitaasschauende Idee fand
nicht den Beifall des Abgeordnetenhauses. Die überwiegende
Mehrheit der Landtagsabgeordneten war der Meinung, eine Loe-
lOsung der Kreisärzte von der Privatpraxis dürfe unter keinen
Umständen erfolgen, da der Kreisarzt dann den Zusammenhang
mit seiner Wissenschaft verlOre, ohne Privatprazis nicht auf der
wissenschaftlichen Höhe bleiben kOnne nnd ferner, daß die Aus¬
übung der ärztlichen Praxis auch noch insofern einen Vorteil bOte,
als er dadurch mit der Bevölkerung in enger, dauernder Fühlung
bleibe.
Medizinalbeamter nnd ärztliche Praziz.
97
So kam es nan, nm mich der eigenen Worte unseres sehr
verehrten Herrn Ministerialdirektors Dr. Förster zu bedienen,
daß der Kreisarzt, wie wir ihn im Ereisarztgesetz erhalten haben,
ein nicht vollbesoldeter Beamte geworden ist, d. h. ein Beamter,
der von Staatswegen nur eine halbe Besoldung bezieht, im übrigen
aber darauf angewiesen ist, die Mittel zur Bestreitung seines
Lebensunterhaltes aus den Einnahmen der ärztlichen Praxis zu
beziehen.
Allerdings erkannte man im Abgeordnetenhanse später, daß
man sich in einem ganz gewaltigen Iirtnm befanden hatte. Zu¬
nächst stellte sich sehr bald heraus, daß die amtlichen Gebühren
der Kreisärzte, deren Höhe bei der Bemessung der Pension ma߬
gebend ist, sich nicht auf 2000 Mark, wie angenommen war,
sondern nur auf 500 Mark beliefen. Weiterhin ergab sich, daß
man im Gegensatz zu der üeberschätzuog der amtlichen Ein¬
künfte den Umfang der amtlichen Tätigkeit viel zu gering an¬
geschlagen hatte. Die Amtsgescbäfte häuften sich infolge der
neuen Gesetzgebung auf dem Gebiete des Gesundheitswesens
derartig und gewannen gleichzeitig so an Bedeutung, daß man
einsah, daß die Besoldung eine durchaus unzulängliche sei. Von
allen Seiten unseres Parlaments — und das wollen wir mit
Freuden und dankbar anerkennen — wurde daher der Buf laut,
die nicht vollbesoldeten Kreisärzte besser zu stellen und eine
Reform ihrer ganzen Einkommens- und Pensionsverhältnisse ein-
zuleiten. Auch hat die Regierung die Notwendigkeit des weiteren
Ausbaues ihrer Stellung nach dieser Seite hin vollständig an¬
erkannt. Aber das unglückselige Wort, daß der Kreisarzt im
Interesse seiner Stellung und Fortbildung Privatpraxis treiben
müsse, ist doch unwidersprochen geblieben. Auch hat dieser Ans¬
sprach, der E[rei8arzt könne nur durch Privatpraxis im Zusammen¬
hang mit seiner Wissenschaft bleiben, für den Laien so etwas
Selbstverständliches nnd so etwas Ueberzeugendes an sich, daß
nfhn an seiner Richtigkeit gar nicht zu zweifeln wagte. Und so
ist das Wort gewissermaßen zu einem Schlagwort, zu einer Art
Dogma geworden; nach wie vor herrscht beim Publikum sowohl,
als auch bei einem großen Teil der Abgeordneten die Meinung,
die Praxis sei für den Kreisarzt unentbehrlich.
Nun, m. H., wir stehen jetzt wieder vor einer neuen Stufe
der Entwicklung, indem man bei dem neuen Beamten-Besoldungs-
gesetz resp. der Aufbesserung der Beamtengehälter auch die Ver¬
hältnisse der Kreisärzte, insbesondere ihre Pensionsverhältnisse
und Dienstaufwands - Entschädigung und ihr sonstiges Gehalt zu
regeln resp. zu verbessern beabsichtigt. Und da ist es wohl am
Platze, noch einmal das Verhältnis der Medizinalbeamten zur
Privatpraxis zu erörtern resp. die Frage einer genauen Unter¬
suchung zu unterziehen, welchen Einfluß die Privatpraxis
auf die Tätigkeit resp. wissenschaftliche Ausbildung
des Kreisarztes ausübtP
Wenn wir uns zunächst mit der Behauptung befassen, die
ärztliche Privatpraxis diene in erster Linie dazu, daß der Kreis-
7
98
Dr. Qntknecht.
arzt mit seinen Kreiseingesessenen dadurch in fortwährende in¬
time Berührung käme, so kann diese Ansicht kurzerhand durch
den Hinweis daranl als eine durchaus irrtümliche zurückgewiesen
werden, daß der Kreisart doch nur Privatpraxis an dem Orte
seines Wohnsitzes resp. in nächster Nähe desselben ausüben kann,
daß er aber mit den zahli’eichen sonstigen Einwohnern seines
Bezirks, etwa in 90 v. H., durch Privatpraxis schon der räum¬
lichen Entfernung wegen überhaupt nicht in Berührung kommt
Meistenteils wird er auch nicht gerade am Ort seiner bisherigen
Tätigkeit Kreisarzt, sondern kommt, wie bei seiner Versetzung,
in ganz neue, unbekannte Privatverhältnisse hinein, so daß von
einer Praxis, resp. Berühi'ung mit der Bevölkerung oft Jahre lang
keine Bede sein kann. Dagegen führt gerade seine amtliche
Tätigkeit, seine Dienstreisen, die Ortsbesichtigungen, die genauen
Ermittelungen über vorgekommene ansteckende Krankheiten ihn
fortwährend und meist sehr intim mit den Einwohnern seines
Bezirks zusammen; und da die Tätigkeit des Kreisarztes, wie
ich schon in früheren Vorträgen ausgeiührt habe, eine mehr auf¬
klärende und belehrende als anorduende sein muß, so ist gerade
diese Art seiner Tätigkeit doch vielmal mehr geeignet, ihn mit
den Bedürfnissen und Verhältnissen des Publikums in Berührung
zu bringen, als es irgendeine Privatpraxis imstande ist. Also,
m. H., die Privatpraxis bringt den Kreisarzt höchstens
in einem änsserst geringen-Bezirk, d. h. in der Nähe
seines Amtssitzes, mit dem Publikum in Berührung;
znr Anbahnung eines intimen Verhältnisses oder zur
Erlangung der Kenntnisse über die Bedürfnisse seines
großen Bezirks hilft sie ihm aber gar nichts; dazu
hilft ihm nur seine amtliche Tätigkeit.
Wie steht es nun mit der wissenschaftlichen Förde¬
rung der Kreisärzte resp. dem Konnex mit seiner medizinischen
Wissenschaft, die gerade durch die Privatpraxis so sehr
gefördert weiden sollP Was umfaßt denn eigentlich d*ie
kreisärztliche Tätigkeit, was sind ihre Aufgaben?
Diese Frage erscheint zuerst albern, und doch wird es Urnen
wohl gerade so gegangen sein wie mir: daß nämlich diese Frage:
wozu sind Sie eigentlich da? was haben Sie denn zu tun? sehr
häufig, besonders auf dem Lande, an einen gerichtet wird; oft
sogar von Leuten, denen man nach ihrem Bildungsgrad Zutrauen
sollte, daß sie sieh diese Frage selber beantworten könnten. Ein
Zeichen, einer wie ausgebreiteten ünbekanntschaft sich unsere
Arbeit zurzeit noch erfreut; dabei ist sie doch eine so um¬
fassende geworden, daß man heutzutage mit Becht sagen kann:
es gibt kaum noch irgendwelche persönliche oder allgemeine An¬
gelegenheit, in welcher nicht gelegentlich der Kreisarzt um Bat
angegangen würde.
Im großen und ganzen können wir die kreisärztliche Tätig¬
keit in bestimmte Gruppen einteilen:
Da ist zunächst die gerichtsärztliche Tätigkeit.
Nun, m. H., über diese können wir mit wenigen Worten hinweg-
Medizinalbeamter and drztliclie Praxis.
99
^ehen. Diese Tätigkeit ist so abgesondert von der ganzen übrigen
Medizin und liegt so weit außerhalb der Privatprazis, daß der
praktische Arzt mit ihr in nur äußerst seltenen Ausnahmen in
Berührung kommt, und daß die Ausübung der ärztlichen Praxis
auch nicht das allergeringste bietet, welches zur Bereicherung
der gerichtsärztlichen Kenntnisse des Kreisarztes dienen könnte.
Ein tüchtiger Gerichtsarzt wird man nur durch lange
gerichtsärztliche Praxis, nicht durch ärztliche
Privatpraxis.
Ein weiterer wichtiger Zweig der Tätigkeit der Medizinal-
beamten ist ihre Mitwirkung auf dem Gebiet der Sani¬
tätspolizei. Sie haben die An- und Abmeldung der Aerzte
entgegenzunehmen und bestimmte vorgeschriebene Listen über das
gesamte Medizinalpersonal zu führen. Ihnen steht die Dienst¬
aufsicht über das niederärztliche Personal (Heilgehilen und Heb¬
ammen, das in Apotheken beschäftigte Personal, die Leichenschaner,
Desinfektoren etc.), die Dienstaufsicht über den Geschäftsbetrieb
der Apotheken, Drogen- und Gifthandlangen, die Ueberwachung
der Kurpfuscher, die Dienstaufsicht über öffentliche und private
Heilanstalten, die Armenhäuser, Kindergärten, Schalen, die Auf¬
sicht über Geisteskranke, Idioten, Gebrechliche etc. zu. Alles
das sind Geschäfte, mit denen der praktische Arzt in
seiner Tätigkeit gar nichts zu tun hat, und auf die
die ärztliche Praxis auch nicht den geringsten Ein¬
fluß aasüben kann. Um z. B. eine Apotheke zu revidieren,
nützen mir die Kenntnisse eines praktischen Arztes absolut nichts;
wohl aber muss ich dazu die Apothekengesetze, insbesondere die
Apotheken-Betriebsordnung kennen. Was hilft mir die Kenntnis
von allen möglichen Symptomen, die irgendeine Vergiftung hervor-
rufen, bei der Revision von Gifthandlangen P Hierzu muss ich
die gesetzlichen Bestimmungen über den Verkehr mit Giften etc.
ausserhalb der Apotheken kennen. Was ich also als Medizinal¬
beamter auf dem Gebiete der Sanitätspolizei brauche, das ist vor
allen Dingen das volle Vertrautsein mit den diesbezüglichen ge¬
setzlichen Bestimmungen. Diese lerne ich aber durch die Privat¬
praxis nicht.
Aehnlich liegen die Verhältnisse auf dem Gebiet der eigent¬
lichen Hygiene. Die Tätigkeit der Medizinalbeamten auf diesem
Gebiet gipfelt vornehmlich darin, daß er dafür der technische Be¬
rater der zuständigen Behörde ist. Er hat hygienische Mißstände
festzustellen, zu untersuchen und die Abstellung derselben bei
den zuständigen Behörden anzuregen und zu fördern. Um dies
zu können, muss er auch ein tüchtiges, hygienisches Wissen haben.
Nun ist aber das Studium der Hygiene ein ganz besonderer, be¬
stimmter Zweig der Medizin, und der Kreisarzt soll gewisser¬
maßen der Spezialarzt für Hygiene sein. Man verlangt aber
heute von Spezialärzten, daß sie sich vornehmlich mit ihrem Ge¬
biet beschäftigen und das Gebiet der übrigen praktischen Medizin
möglichst ungeschoren lassen. Ebenso sollte man von dem Spezial¬
arzt für Hygiene verlangen, daß er auf diesem seinem Gebiet
7*
100
Dr. Oatkaeeht
bleibt und die übrige praktische Medizin in Rohe läßt. Tatsäch*
lieh bietet ihm die Ansttbnng der Praxis auch nichts, was ani
diesem Gebiet zur Bereicherung seiner Kenntnisse dienen könnt^
denn die praktische Medizin hat ganz andere Aufgaben, als die
Hygiene. Ihr alleiniger Zweck ist, Krankheiten zu erkennen und
zu heilen; der Zweck der Hygiene ist aber, Krankheiten zu yer-
hflten. Allerdings kann gesagt werden, wenn jemand Krankheiten
verhüten wiU, insbesondere die ansteckenden, so ist es ja unbe¬
dingt erforderlich, daß er diese Krankheiten zu erkennen vermag,
daß er weiß, wie sie weiter verlaufen, daß er jeden Augenblick be¬
urteilen kann, in welchem Stadium sie sich befinden; er muß ferner
wissen, woraus solche Eirankheiten entstehen, und muß auch genau
darüber unterrichtet sein, wie sie sich weiter verbreiten. Alles
dies sind Kenntnisse, die man in erster Linie, abgesehen von dem
ursprünglichen Studium, durch die Praxis, die langjährige Beob¬
achtung am Krankenbette lernt. Nun, m. H., dieser Einwnrf ist
durchaus richtig. Wer Krankheiten nicht in der Praxis erkennen
gelernt hat, der kann sie auch nicht bekämpfen; wer nicht gelernt
hat, Masern von Scharlach zu unterscheiden, würde mit seinen
Anordnungen bald Fiasko machen. Vergegenwärtigen wir uns
aber doch einmal den Bildungsgang, den ein Kreisarzt durch-
gemacht hat, bevor er Kreisarzt geworden ist: Er hat sein
Staatsexamen zunächst als praktischer Arzt gemacht, wie jeder
andere. Hat er dann 2 Jahre nach dem Ehramen die Praxis ans¬
geübt, kann er sich zu dem kreisärztlichen Examen melden. Mit
dem Bestehen dieses zweiten Examens allein hat er aber noch
nicht die Anwartschaft auf Anstellung als Kreisarzt erlangt,
sondern er muß erst 5 Jahre in der Praxis gestanden hab^.
Allein auch dann erfolgt noch keine Anstellung, sondern es ver¬
gehen Jahre, ehe man so weit kommt. Nun, m. H., wer 5 bis
10 Jahre lang in einer grossen Praxis gestanden hat, dem kann
man wohl zumuten, dass er auf seinem Gebiet die Krankheiten
nach allen Seiten hin kennen gelernt hat und sie beherrscht. Wer
während dieser langen Tätigkeit das noch nicht gelernt hat,
der ist zum Kieisarzt nicht zu gebrauchen und wird es dann
auch nicht lernen, wenn er als Kreisarzt noch so viel Praxis
treibt. Sollte aber diese geschilderte praktische Ausbildung noch
nicht genügend erscheinen, nun, m. H., dann weise ich darauf
hin, dass wir doch eine Reihe ganz kleiner Bezirke, etwa 25 Proz.
der Gesamtzahl, haben, in denen, wie ich später zeigen werde,
der Kreisarzt Zeit hat, Privatpraxis zu treiben; mag man doch
die neu anzustellenden Kreisärzte prinzipiell erst in £ese kleinen
Stellen senden, um zu sehen, ob sie sich praktisch bewähren, und
die mittleren und grösseren solchen Kreisärzten anvertrauen, die
, sich in den kleinen Stellen praktisch bewährt haben.
Dasselbe gilt nun auch von dem letzten grossen Gebiet der
amtsärztlichen Tätigkeit, nämlich sein Wirken als Gutachter,
und zwar nicht nur als Gutachter im direkt staatlichen Interesse,
sondern auch insbesondere als Gutachter in seiner Eigenschaft
als Vertrauensarzt der Landes Versicherungsanstalten, der zahl-
MediziiialbeaiiiteT und ftntliche Pfaxis.
101
reichen Bernfsgenossenschaften oder sonstigen Korporationen. Ge>
wisS) m. H., nm ein ordentliches, sachgemässes Gutachten abzn-
geben, mnss er über ein grosses, nicht nur theoretisches, sondern
anch praktisches Wissen verfflgen, wie er es nur durch lang¬
jährige Arbeit in der Praxis dranssen erwerben kaon. Er mnss
nicht nur sämtliche Methoden der Technik gründlich beherrschen
nnd klare Schlüsse ans ihnen ziehen können, sondern anch fort¬
während mit den neuesten Errungenschaften ant dem Gebiete der
Diagnostik unterrichtet sein. Diese Fertigkeit lässt sich allein
durch lange Praxis erringen, nicht durch das theoretische Bücher¬
studium. Aber, wie ich vorhin schon ansführte, wir Kreisärzte
haben alle Jahre lang fortwährend in der Praxis gestanden
nnd uns diese Fertigkeit angeeignet; wir können diese Fertigkeit
anch nicht verlieren, denn als Kreisarzt übe ich sie ja täglich,
auch wenn ich keine Privatpraxis treibe.
Worin besteht denn eigentlich die ärztliche Privatpraxis?
Nun, m. H., das A nnd 0 der ärztlichen Praxis, die Grundlage
nnd der Inbegriff der ganzen ärztlichen Tätigkeit ist doch die
Untersuchung des Kranken, mit einem Wort, die Diagnose.
Das simple Bezeptschreiben oder bestimmte Fertigkeiten sind
doch nur ein Ausfluss der Diagnose. Wer keine Diagnose stellen
kann, d. h. wer nicht untersuchen kann, kann kein praktischer
Arzt sein. Diesen Inbegriff der ganzen praktischen Medizin,
nämlich die Untersuchung des Kranken, den haben wir Kreisärzte
aber nicht nur vor unserer Anstellung ausgeübt, sondern den üben
wir täglich weiter durch unsere amtliche Beschäftigung. Unsere
Untersuchung muß sogar eine viel exaktere nnd genauere sein, als
die des praktischen Arztes; wir müssen oft spezialistische Unter-
suchnngsmethoden anwenden oder auf deren Anwendung dringen
in Fällen, wo wir den Befund anderer Aerzte als Obergutachter
nachznprttfen haben. Wir kommen tagtäglich mit allen möglichen
ansteckenden Krankheiten zusammen, mehr als jeder andere prak¬
tische Arzt, indem wir von jedem gemeldeten Fall aus dem Bezirk
Kenntnis erhalten und uns zur Bekämpfung bei gefährlichen
Krankheiten bei jedem einzelnen, bei mindergefäbrlichen bei
groppenweisem Auftreten an Ort nnd Stelle begeben nnd den
Kranken zur Bestätigung der Diagnose untersuchen müssen. Wir
stehen also mitten drin in der ärztlichen Praxis, bleiben in fort¬
währendem Zusammenhang mit der ganzen Medizin rein durch
unsere amtliche Tätigkeit, ohne dass wir Praxis treiben.
Die Ausübung der ärztlichen Praxis ist demnach
für den Medizinalbeamten völlig überflüssig. Sie hat
weder Einfluss auf seine Fortbildung, noch auf die
Ausdehnung seiner wissenschaftlichen Kenntnisse.
Unbedingt notwendig ist sie nur zur Vorbereitung auf die Kreis¬
arztstelle. Ohne eine solche praktische Vorbereitung kann ein
Kreisarzt unmöglich seine Stellung ausfüllen, und nur solche Leute
sollten zu Kreisärzten ernannt werden, die die ganze Praxis in
all ihren Zweigen hinter sich haben, die in jedem Sattel der
Medizin gerecht und befestigt sind. Nach ihrer Anstellung könnmi
102
Dr. Gntknecht.
sie dagegen die Praxis beiseite lassen, da sie mit dem Pnbliknm
nnd i^er Wissenschaft danemd in inniger Bertthrnng gehalten
werden, nnd ihre amtliche Tätigkeit allein geeignet ist, um sie
stets anf der wissenschaftlichen Höhe zn halten.
Allein, m. H., wir können noch viel weiter gehmi and sagen:
Die Ausübung der ärztlichen Praxis ist für den Medizinal¬
beamten nicht nnr überflüssig, sie ist ein direktes Hinde¬
rungsmittel für seine amtliche Tätigkeit. Unsere
deutsche Beamtenschaft ist in der ganzen Welt berühmt, and
andere Völker beneiden uns um sie. Was Deutschland nnd
Prenssen in der Welt geworden ist, verdankt es nicht zum ge¬
ringsten Teil gerade auch seiner Beamtenschaft. Die Pflichttreue,
die Unparteilichkeit, Uneigennützigkeit, Unbestechlichkeit sind
Eigenschaften, die bei der deutschen Beamtenschaft traditionell
geworden sind, und ohne die man sich einen deutschen Beamten
gar nicht vorstellen kann. Fragen wir uns, wie kommt es, daß
gerade bei uns diese Eigenschaften im Gegensatz zu anderen
Völkern besonders entwickelt sind, so Anden wir die Ursache
darin, daß der deutsche Beamte von je her so gestellt worden
ist, daß er völlig unabhängig war. Dieses Prinzip, die absolute
Unabhängigkeit des Beamten zu wahren, namentlich der höheren
Beamten, ist bei dem Kreisarzt durchbrochen worden, indem man
ihn zwingt, von den Leuten sein Geld zu erwerben, über die er
amtliche Funktionen aasüben soll, resp. welche er zum bestimmten
Ziel führen soll. Wir sind eine Beamtenkategorie, die, wenn sie
Gedeihliches wirken soll, nicht nur einer gewissen Popularität,
sondern auch einer gewissen Autorität bedarf. Wie es mit unserer
Popularität bestellt ist, habe ich bereits ausgeführt; nnd die
Autorität? Wie soll ein Beamter Autorität erlangen, der fort¬
während durch seine Privattätigkeit in Kollision mit den Pflichten
seines Amtes kommt? Der Kreisarzt ist allein befugt, für seinen
Bezirk amtsärztliche Zeugnisse auszustellen, bei denen ab¬
solute Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit vorausgesetzt wird.
Wenn er Praxis aasübt, so kommt er häufig in die Lage, über
seine Privat-Patienten Gutachten zur Vorlage bei den Behörden
auszufertigen. Kann man ihn unter diesen Umständen immer als
ganz unbefangen ansehen? Der Kreisarzt hat das niederärztliche
Personal zu überwachen, die Hebammen, Heilgehilfen, und wenn
sie ihre Befugnisse überschreiten oder ihre Pflicht nicht tun, das
Erforderliche zu veranlassen. Ist es da nicht natürlich, daß eine
Hebamme ihren Kreisarzt vornehmlich zu Geburten heranzieht,
um bei der Nachprüfung besser behandelt zu werden? Könnte
sich nicht ein Apotheker veranlasst sehen, gerade deswegen den
Kreisarzt zu konsultieren, um bei der Revision glimpflicher von
ihm behandelt zu werden? Zahlreiche Gewerbetreibende, Fleischer,
Bäcker, Kaufinannsgeschäfte etc. unterliegen der Aufsicht des
Kreisarztes; auch hat er ein Auge auf die Wohnungsverhältnisse
zu werfen. In welche Schwierigkeiten gerät er da nicht bei
Durchführung von notwendigen, oft kostspieligen, gesundheitlidien
Maßnahmen, wenn er gleichzeitig Hausarzt ist. Uebt er Prtxia
Medizioalbeanter and ärztlicbe Praxis.
103
bei Grundbesitzern oder Großindnstriellen ans, die ihm vielleicht
Tausende einbringt, so liegt die Gefahr nahe — es ist sogar nnr
menschlich und entschnldbar —, dass er da bei Vorhandensein von
sanitären Mißständen unangebrachte Nachsicht walten lässt. Bei
dieser Kollision derPflichten ist es nicht verwunder¬
lich, wenn er in der Achtung des Pnbliknms nicht die
Stellnng einnimmt, die eben ffirsein Amt absolntnot-
wendig ist. Ich kann daher Wodtke nnr beistimmen, wenn er
sagt: dem Publikum imponiere keineswegs dieser Zentaur von
nicht vollbesoldetem Kreisarzt, der znr Sichemng seiner wirt¬
schaftlichen Existenz mit vier Beinen in der Privatpraxis steht,
gleichzeitig aber als hochanfgeriehteter, streng objektiver Beamter
und Gesetzeswächter obrigkeitlichen Anspruch erheben will!
M. H.! Es hieße Eden nach Athen tragen, wenn ich diese
zahlreichen Schädigungen unserer ganzen Stellung dnrch die
Privatpraxis noch weiter anfzählen wollte; die Sachen sind ja
bekannt und schon hundertmal erwähnt. Insbesondere hat Becker
in seinem Vortrage: „Der amtsärztliche Dienst in Bayern“ diesen
Punkt eingehend geschildert. Aber eine schwere Schädigung
muß doch noch besonders hervorgehoben werden: Das ist die
schiefe Stellnng, in die wir zu nnserenKollegen, den
praktischen Aerzten, dadurch geraten. Sie wissen ja alle
recht gut, wie sehr wir bei der Durchiährung sanitätspolizeilicher
Massnahmen, namentlich bei der Seuchenbekämpfung, anf die Mit¬
wirkung der praktischen Aerzte angewiesen sind. Tritt der Medi¬
zinalbeamte aber den praktischen Aerzten nicht nnr als Amtsarzt,
sondern auch als ein wichtiger Konkurrent, der ihnen das Brot
wegnimmt oder schmälert, gegenüber, dann ist es mit dem regen
Verkehr und den guten Beziehungen, in welchen er mit Urnen
nach der Dienstanweisung stehen soll, vorbei. Der amtliche Ver¬
kehr wird dann anf das unumgänglich Notwendige beschränkt;
er erhält von manchen wichtigen Vorkommnissen in seinem
Bezirk überhaupt nicht oder zu spät Kenntnis; und wird erst die
Anzeigepflicht schlaff gehandhabt, oder werden seine Anordnungen
gar abfällig, womöglich heimlich kritisiert, so steht es mit der
Seuchenbekämpfung schlecht. Grade die Unterhaltung von guten
Beziehungen zu den praktischen Aerzten halte ich für un¬
bedingt notwendig, um Gedeihliches wirken zu können. Die Auf-
rechterhaltnng dieser Beziehungen ist aber anf die Dauer unmöglich,
solange der Kreisarzt Privatpraxis ansübt, d. h. als Konkurrent
den anderen Aerzten gegenübersteht. AUe die vielen hässlichen
Szenen, die in ärztlichen Vereinen vorgekommen sind, die Ani¬
mosität gegen die Kreisärzte resp. die Medizinalbeamten, die
hänüg in den Organen des Leipziger Verbandes zutage getreten
ist, wären wohl nicht vorgekommen, wenn die Kreisärzte schon
längst aus der Privatpraxis herausgenommen wären.
Wir können nun zum Schluß noch weitergehen: Die Aus¬
übung der ärztlichen Praxis ist nicht nnr für die Kreisärzte und
deren Tätigkeit schädlich, sie ist auch bei einer gewissen¬
haften Dienstführnng in größeren und mittleren Be-
104
Dr. Gatknecht.
zirken geradezu unmöglich! Man bat den Einwand
erhoben, daß die meisten Kreisärzte durch ihre amtliche Tätigkeit
gar nicht vollständig in Anspruch genommen werden, sondern
noch genflgend Zeit ttbrig haben, um sich durch ärztliche Praxis
eine erhebliche Nebeneinnahme zu verschaffen. Auf die Hinfällig*
keit hat schon Rapmund wiederholt hingewiesen. In schlagender
Weise bewiesen hat sie aber besonders Wodtke, der auf 6rund
einer Umfrage, welche der Vorstand des Medizinalbeamtenvereins
veranstaltet hatte, feststellte, dass 75 Prozent der Kreisärzte keine
Privatpraxis mehr austtben kOnnen, und dass man auf die amtliche
Tätigkeit des Kreisarztes durchschnittlich 7,2 Stunden pro Tag
rechnen mflsse. Es hat sich damals bereits nachweisen lassen,
daß eine Verdoppelung der kreisärztlichen Tätigkeit gegenüber
den Voraussetzungen bei dem Inkrafttreten der Medizinalreform
eingetreten sei. Nun ist inzwischen aber das preussische Seuchen¬
gesetz mit seinen Bestimmungen gekommen. Es sind g&nz neue
Ansprüche gestellt worden auf dem Gebiete der Säuglingspflege,
der Fürsorge für Tuberkulöse und Krüppel, der üeberwachung des
Desinfektionswesens, Organisation des Samariter-Dienstes und
Krankentransportwesens etc., so daß wir wohl nicht fehlgehen,
wenn wir die Amtstätigkeit des nicht vollbesoldeten Kreisarztes
durchschnittlich auf 8—9 Stunden bemessen. Insbesondere weise
ich auch hier noch darauf hin, daß unsere Tätigkeit vornehmlich
eine belehrende und anfklärende sein soll. Aber gerade diese
Belehrung erfordert sehr viel Zeit und Arbeit! Und
wie aufreibend die amtliche Tätigkeit dieser Beamten ist, das
geht ans den Ra pm und sehen Feststellangen hervor, wonach der
Abgang der Kreisärzte durch den Tod schon im Alter von 56,7
Jahren erfolgt. Verbraucht sind sie durchschnittlich im Alter von
59,58 Jahren, dienstunfähig bei 68,2 Jahren, während z. B. das
Durchschnittsalter der Richter bei Ausscheiden aus dem Amte auf
62,20 Jahre, für die Verstorbenen auf 60, für die Pensionierten
auf 67 Jahre berechnet ist. Es ist ja auch von sämtlichen
Rednern am 17. April 1907 im Abgeordnetenhause anerkannt
worden, dass die Entwicklung der kreisärztlichen Tätigkeit und
der ganzen kreisärztlichen Verhältnisse weit über den Rahmen
des Kreisarztgesetzes hinausgegangen ist, und auch von dem
Vertreter der Königlichen Staatsregiernng, Herrn Ministerial¬
direktor Dr. Förster, ist anerkannt, daß heute eine ganze Reihe
von nicht vollbesoldeten Kreisärzten wegen der Fülle der ihnen
obliegenden Dienstgeschäfte Privatpraxis weder treibe noch treiben
könne. So besteht denn heute die gewiss einzig da¬
stehende Anomalie, dass der Staat die volle Arbeits¬
fähigkeit einer Kategorie von Beamten in Anspruch
nimmt und sie dafür nur halb besoldet und ihnen
durch weitere Häufung der Dienstgeschäfte auch die
Möglichkeit nimmt, durch private Tätigkeit die
nötigen Mittel zur Erhaltung ihres Lebensunter¬
haltes zu verdienen! Unsere feste und vertrauensvolle Hoff¬
nung, daß dieses Mißverhältnis schon im Interesse der Würde des
Medizinalbeunter nod bzUiehe Praxis.
105
Staates bald beseitiget werden würde, ist bisher nicht erfüllt
worden.
Non kann man znr Entschnldigenng sagen: Ihr Kreisärzte
wollt mit Gewalt ans der Privatpraxis heraus nnd müßt doch
darüber klar sein, daß der Staat, selbst wenn er eure Wünsche
bezüglich der Beamtenstellnng erfüllt, euch ein höheres, besseres
Gehalt, bessere Pensionsverhältnisse gewährt, doch niemals euch
soviel aufbessern kann, dass er euch die bisherigen Einnahmen
aus der Privatpraxis ersetzt, deun dazu sind die letzteren doch
zu erheblich. Nun, m. H., dieser Einwand ist richtig! Daß wir
nach Aufgabe der Privatpraxis niemals die Einnahmen haben
werden, wie sie der praktische Arzt erzielt, ist klar; aber die
Beamtenstellnng ist eben soviel mehr wert, dass wir gern auf die
größeren Gelder verzichten. Das Ansehen nnd die gesellschaft-
Uche Stellung des Beamten in unserem Vaterland, die Sicherheit
seines Einkommens, der staatliche Schutz seiner Arbeit, die Für¬
sorge für die Hinterbliebenen, das sind alles in unseren Augen
so erstrebsame Momente, dass wir gern auf die grösseren Ein¬
nahmen verzichten. Endlich aber kommt noch eins hinzu, was uns
die volle Beamtenstellnng erwünscht sein lässt, nnd das ist mehr
ein idealer Grund: Der kreisärztliche Beruf ist ja ein überaus
arbeitsvoller, aber auf der anderen Seite auch ein wunder-
schöner Beruf, wohlgeeignet, dem nach Betätigung strebenden
Mann volle innere Befriedigung zu gewähren. Wer viele Jahre
lang, wie wir alle, in der Praxis gestanden hat, der sehnt sich
danach, sein Wissen und Können zum Heile seiner Mitmenschen
auch auf grössere Kreise auszudehnen, mit zu denen zu gehören,
die durch ihre Arbeit ihre Mitmenschen vor Unheil schützen
nnd sie durch Anregung seinerseits zu Zielen führen, die ihnen
körperliches und geistiges Wohlergehen für die kurze Zeit ihres
Erdenwallens gewährleisten. Hierin liegt die große Anziehungs¬
kraft, welche der oft sehr schwere nnd verantwortungsvolle Beruf
des Medizinalbeamten auf die Aerzte ansübt, nicht die Aussicht
auf irgendwelchen Geldgewinn; und deswegen können wir zum
Schluß mit Sicherheit voranssetzen: Werden unsere Wünsche nach
Vollbesoldnng nnd reiner Beamtenstellung erfüllt, nimmt uns der
Staat unter der Gewährleistung der nötigen Mittel zu einer standes¬
gemäßen Lebensführung aus der Privatpraxis heraus, dann erhält
er eine Beamten - Kategorie von grosser Arbeitskraft nnd Arbeits¬
freudigkeit, eine Beamtenschar, die an Pflichttreue, Gewissen¬
haftigkeit nnd Königstreue keiner anderen im preussischen Staate
nnd Deutschen Reiche nachsteht!
(Allseitiger, lebhafter Beifall, Händeklatschen.)
Die von dem Referenten anfgestellten Leitsätze'hatten
folgenden Wortlaut:
1. Die Voraussetzungen, die bei dem Erlaß nnd bei der
Durchführung des Kreisarztgesetzes als maßgebend angesehen
sind, haben sich in der Folgezeit namentlich in bezug auf den
Umfang der amtlichen Tätigkeit des Kreisarztes und in bezug
106
Schluß der Sitsong.
aaf die ihm belassene Befag^nis, ärztliche Priratpraxis ansznfiben,
als anzntreffend erwiesen.
2. Es ist eine irrtümliche Ansicht, daß für die amtliche
Tätigkeit des Kreisarztes die gleichzeitige Ansübnng ärztlicher
Privatpraxis unerläßlich sei; im Gegenteil, eine solche ist nicht
bloß überflüssig, sondern direkt hinderlich für die Dienstobliegen*
heiten; außerdem gefährdet sie die für seine amtliche Stellung
unbedingt erforderliche Unabhängigkeit
3. In größeren und mittleren Kreisen haben sich die Amts¬
geschäfte des Kreisarztes derart gehäuft, daß ihm keine Zeit und
Möglichkeit zur Ausübung ärztlicher Privatpraxis verbleibt.
Es besteht demnach hier die einzig dastehende Anomalie, daß
der Staat die volle Tätigkeit eines Beamten in Anbruch nimmt,
ohne ihn voll zu besolden.
Eine schleunige Abstellung dieses Mißstandes ist nicht bloß
im Interesse der Medizinalbeamten, sondern auch im öffentlichen
Interesse geboten.
Torsitzender: Es ist hier ein Antrag eingegangen, daß
wir^unserer Zustimmung zu diesen Ausführungen des Kollegen
Gutknecht, die Sie schon durch Ihren lebhaftesten Beifall
bekundet haben, in keiner besseren Weise Ausdruck geben
können, als daß wir von jeder Diskussion Abstand nehmen (Bei¬
fall) um durch eine weitere Erörterung diesen nachhaltigen Ein¬
druck, den die Ausführungen auf uns gemacht haben, und den sie
hoffentlich nach außen an maßgebenden Stellen machen werden,
in keiner Weise zu beeinträchtigen (Beifall). Ich frage Sie, ob
Sie damit einverstanden sind.
(Allseitige Zostimmang.)
Dann bitte ich Sie aber auch, sich von Ihren Plätzen zu
erheben, um dem hochverehrten Referenten für seine vorzüglichen
Ausführungen, die uns doch sicher alle ans vollem Herzen ge¬
kommen sind, unseren verbindlichsten Dank auszusprechen.
(Oie Anwesenden erheben sich.)
M. H.! Wir sind am Schlüsse unserer Jnbilänmssitzung.
Wenn wir jetzt auf diese zurückblicken, so glaube ich, d^
keiner unter uns ist, der nicht sagen wird, es ist die schönste
Sitzung gewesen, die der Preussische Medizinalbeamten-Verein
bisher erlebt hat! Wir können auf diese Sitzung mit berechtigten
Stolz und mit besonderer Genugtuung zurückblicken. Möge
sie uns stets als solche in Erinnerung bleiben; möge sie allen
künftigen Versammlungen stets als Vorbild dienen, dann wird
es um den Preußischen Medizinalbeamtenverein auch jcMierzeit
gut bestellt sein!
(Lebhafter BeilalL)
Ich schließe die Sitzung.
Schloss: 2V» Uhr nachmittags.
Schluß der Sitzung.
107
Nach Schluß der Sitzung Tereinigten sich die noch in Berlin
verbliebensn Mitglieder mit ihren'Damen^zn einem gemeinschaft¬
lichen Mittagessen im Weinrestaurant des Zoologischen
G-artens. Für den Abend hatte der Herr Generalintendant des
Königlichen Schauspiel- und Opernhauses in liebenswürdiger
Weise eine große Anzahl von Billets dem Verein unentgeltUch
zur VerfOgung gestellt; nach Schluss des Theaters trafen sich
die Kollegen wiederum im „Weihenstephan“.
Mitglieder^Verzeiehnis
des
Deutschen Medizinalbeamten^Vereins
Abgeschlossen am 1. Dezember 1908.*)
A. Ktaigreioh Pr«iim«&.
Proyins Ostpreimeii.
1. Dr. Arlart, prakt. Arzt in Pillkallen, staatsärztl. approb.
2. - Asoher, Kreisassistenzarzt und Assistent der Königlichen Impf-
anstalt in Königsberg (Pr.).
3. - Behrendt, Med.-Rat, Kreisarzt in Tilsit.
4. - Berneiok, prakt. Arzt in Gilgenburg, staatsärztl. approb.
5. - Börschmann, Kreisarzt in Bartenstein (Ostpr.).
6. - Gzygan, Kreisarzt in Ragnit.
7. - V. Decker, Kreisarzt in Osterode (Ostpr.).
8. - Deokner, Kreisarzt in Heydekrug.
9. - Doepner, Regierungs- u. Med.-Rat in Königsberg (Pr.)2)
10. - Eberhardt, Med.-Rat, Kreisarzt in Allenstein.
11. - Ehrhardt, leitender Arzt in der Heil- und Pflegeanstalt für
Epileptische in Carlshof (Post Rastenburg), staatsärztl. approb.
12. - Engel, Kreisarzt in Labiau.
13. - Engelien, Kreiswundarzt a. D. in Bartenstein (Ostpr.).
14. - Fischer, Kreisassistenzarzt in Willenberg.
*15. - Forstreuter, Med.-Rat, Kreisarzt u. Direktor der KönigL Impf¬
anstalt in Königsberg (Pr.).
16. - Franz, Kreisarzt in Heinrichswalde.
17. - Gallien, Kreisassistenzarzt in Gilgenburg.
18. - Gessner, Kreisarzt in Memel.
19. - Heidenhain, Med.-Rat, Kreisarzt in Insterburg.
20. - Heimbuoher, Kreisassistenzarzt in Kaukehmen.
21. - Hilbert, prakt. Arzt in Sensburg, staatsärztl. approb.
22. - Holz, Kreisassistenzarzt in Prostken (Ostpr.).
23. - Hoppe, Oberarzt an der Provinzial-Heil- und Pllegeanstalt
Allenberg (Post: Wehlau), staatsärztl. approb.
24. - Hurwitz, prakt. Arzt in Memel, staatsärztL approb.
25. - Israel, Med.-Rat, Kreisarzt in Fiscbhausen.
26. - y. J a n k 0 w s k i, Kreisassistonzarzt in Bialla (Ostpr.).
27. - Janssen, Regierungs- imd Med.-Rat in Gumbinnen.
28. - Kahlweiss, Med.-Rat, Kreisarzt in Braunsberg.
*) Die Namen der Teilnehmer an der XXV. Haupt-(Jubiläums-)
Versammlung des Preußischen Medizinalbeamtenvereins sind mit einem
♦ bezeichnet.
*) Inzwischen verstorben.
MitgliederverEeiohnis.
109
29. Dr. Katerbau, Geh. Med.-Rat, Reg.-u.Med.-Rata.D. in Königsberg (Pr.).
30. - Katluhn, Kreisarzt in Angerburg.
31. - Kehler, Kreisassistenzarzt und Assistent am Medizinal-Unter-
suohungsamt in Gumbinnen.
32. - Kirohbaoh, prakt. Arzt in Lappienen, staatsärztl. approb.
33. - Klix, Kreisarzt in Darkehmen.
34. - Krause, Kreisarzt imd Vorsteher des Medizinal-Untersuohungs-
amtes in Gumbinnen.
35. - Lemhöfer, Kreisarzt in Preuss. Holland.
*36. - Lemke, Kreisarzt in Sensburg.
37. • Liedtke, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Tilsit.
38. - Lösener, Oberstabs- u. Regts.-Arzt i. Königsberg (Pr.), staats¬
ärztl. approb.
39. - Müller, prakt. Arzt in Johannisburg (Ostpr.), staatsärztl. approb.
40. - V. Petrykowsky, Kreisarzt in Ortelsburg.
41. - Plooh, Kreisarzt in Gumbiimen.
42. - Pulewka, Kreisarzt in Heilsberg.
43. - Puppe, Med.-Rat, a. o. Prof., Geriohtsarzt, Mitglied des Pro¬
vinzial-Medizinalkollegiums und Direktor des geriohtlioh-
medizinisohen Instituts in Königsberg (Pr.).
44. - Rimeok, Kreisarzt in Pr. Eylau.
*45. - Romeick, Kreisarzt in Mohnmgen.
46. - Sährendt, Kreisarzt in Rastenburg.
47. - Sohawaller, Kreisarzt in Pillkallen.
48. - Scheu, prakt. Arzt in Heydekrug, staatsärztl. approb.
49. - Sohmidt, Kreisarzt in Gerdauen.
50. - Sohiller, Med.-Rat, Kreisarzt in Wehlau.
*61. - Sohüler, Kreisarzt in Goldap.
62. - Schutze, Med.-Rat, Kreisarzt in Rössel.
53. - Schultz, Kreisarzt in Stallupönen.
54. - Solbrig, Reg.- tmd Med.-Rat in Allenstein.
55. - Springfeld, Reg.- u. Med.-Rat in Königsberg (Pr.).
56. - Stumm, Med.-Rat, Kreisarzt und ständiger Hilfsarbeiter bei der
Königl. Regierung in Königsberg (Pr.).
57. - Thomalla, Kreisarzt in Johannisburg (Ostpr.).
58. - Vossius, Med.-Rat, Kreisarzt in Marggrabowa.
59. - Wasserfall, Oberarzt im Feldart.-Reg. 73, z. Z. kommandiert
zur Prov.-Heil- u. Pflegeanstalt Allenberg (Post Wehlau).
GO. - Weimann, leitender Arzt des Kreislazaretts in Tapiau, staats¬
ärztl. approb.
61. - Winter, Med.-Rat, Prof. u. Direktor der Univ. - Frauenklinik
in Königsberg i. Pr., Mitglied des Prov.-Medizinalkollegiums.
62. - Witting, Kreisarzt in Königsberg (Pr.).
*63. - Wollermann, Med.-Rat, Kreisarzt in Heiligenbeil.
64. - Wollermann, Kreisarzt in Lyok.
65. - Zelle, Kreisarzt in Lötzen.
PraTlns Westprenssen.
66. Dr. B a n i k, Kreisarzt in Sohloohau.
67. - Birnbaoher, Kreisarzt in Danzig.
110
Mitgliederverzeichnis.
()8. Dr. Bremer, Kreisarzt in Bereut.
*69. - Brinn, Kreisarzt in Pr. Stargard.
70. - Danielewski, prakt. Arzt in Hoohstüblau, staatsärztl. approb.
71. - Derbe, Kreizarzt in Dirsohau.
*72. - Eschrioht, Med.-Rat, Kreisarzt in Danzig.
73. - Feige, Kreisarzt in Marienburg (Westpr.).
74. • Gehrke, Kreisarzt in Putzig.
*75. - Hahn, Kreisarzt in Stuhm (Westpr.).
*76. - V. Hake, Regierungs- u. Med.-Rat in Marienwerder.
77. - Hasse, Med.-Rat, Kreisarzt in Matow (Westpr.).
78. - Hasse, Med.-Rat, Kreisarzt in Neustadt (Westpr.).
79. - Hennemeyer, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Zoppot.
*80. - Heynaoher, Med.-Rat, Kreisarzt in Graudenz.
81. - H 00 hmann, prakt. Arzt in Marienburg (Westpr.), staatsärzG appr.
*82. - Hopmann, Kreisarzt in Briesen.
*83. - Howe, Kreisarzt in Culm.
84. - van Hu eilen, Spezialarzt f. Chirurgie in Thom, staatsärztl. approb.
85. - Jorns, Kreisarzt in Rosenberg (Westpr.).
86. - Kaempfe, Med.-Rat, Kreisarzt in Karthaus (Westpr.).
*87. - Kasten, Kreisarzt in Marienwerder.
88. - König, Kreisarzt in Könitz.
89. - Köstlin, Direktor der Prov.-Hebammen-Lehranstalt in Danzig.
90. - Liedke, prakt. Arzt in Thom, staatsärztL approb.
91. - Maillefert, prakt. Arzt in Gulm, staatsärzU. approb.
*92. - Matz, Geh. Med.-Rat, Kreisaizt in Deutsoh-Krone.
*93. - Ocker, Kreisarzt in TuoheL
94. - Post, Kreisarzt in Strasburg (Westpr.).
95. - Richter, Med.-Rat, Kreisarzt in Ellbing.
*96. - Schlee, Kreisarzt in Neumark (Westpr.)
97. - Schulz, prakt. Arzt in Schlochau, staatsärztl. approb.
*98. - Seemann, Reg.- imd Med.-Rat in Danzig.
99. - Speiser,ElreisassistenzarztinSierakowitz(Kr.Kai*thaus,Westpr.).
100. - Steg er, Eireisarzt in Thorn.
101. - Thomas, Kreisassistenzarzt und Leiter der Medizinal-Unter-
suchungsstelle in Marien werder.
*102. - Wagner, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohwetz (Weichsel).
103. - W i 1 c k e, Kreisassistenzarzt in Prechlau.
104. - Zadow, prakt. Arzt in Deutsch-Krone, staatsärztl. approb.
105. - Zinkeisen, prakt. Arzt in Czersk, staatsärztl approb.
Berlin mit den Stadtkreisen
Charlottenbnrgf Schdneberg, Blxderfi WUmersderf nnd Liehtenberg.
*106. Dr. Abel, Geh. Med.-Rat und vertragender Bat in der Medizinal¬
abteilung des Kultusministeriums.
107. - Adler, Arthur, Spezialarzt für innere und Nervenkrankheiten,
staatsärztl. approb.
108. - Arnheim, prakt. Arzt in Rixdorf, staatsärztl approb.
*109. - Asohenborn, Geh. San.-Rat, Hilfsarbeiter in der Med. Abtei¬
lung des Kultusministeriums.
*110. - Becker, Geh. Medizinalrat, Kreisarzt a. D.
Mitgliederverzeiohuis.
111
111. Dr. von Boltenstern, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
*112. - Bürger, Assistent am Institut für Staatsarzneikunde, staats¬
ärztl. approb.
•113. - BUtow, Med.-Rat, Kreisarzt in Charlottenburg.
*114. - Dietrich, Geh. Ober-Med.-Rat u. vertragender Rat in der
Med.-Abteilung des Kultusministeriums.
115. - Dietrich, Kreisarzt des Eireises Rixdorf.
•llb. - Do eher t, Kreisassistenzarzt in Charlottenburg u. HUlfsarbeiter
in der Medizinalabteilrmg des Kultusministeriums.
*117. - Ebinger, Assistenzarzt an der städt. Heil- u. Pflegeanstalt
Herzberge, Liohtenberg b. Berlin, staatsärztl. approb.
*118. - Elten, Med.-Rat, Kreisarzt des Kreises Teltow.
119. - Fränkel, Arthur, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
*120. - Fränokel, Paul, in Cbarlottenburg, Assistent am Institut für
Staatsarzneikunde.
121. - Friedemann, Julius, San.-Rat in Sohö'neberg, staatsärztl. approb.
*122. - Gaffky, Geh. Ober Mod.-Rat u. Prof., Direktor des Instituts für
Infektionskrankheiten in Berlin.
*123. - Granier, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt.
124. - Guttstadt, Geh. Medizinalrat, Professor in Wilmersdorf.
125. - Heilgendorff, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
126. • Herzberg, Siegfried, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
*127. - Hoffmann, Med.-Rat, Geriohtsarzt und dirigierender Arzt
des Untersuchungsgefängnisses.
*128. - HUttig, Oberstabsarzt a. D., Kreisarzt.
*129. - Jacobson, Med.-Rat, Kreisarzt.
130. - Kaup,HygienikerandorZentralstellefürYolkswohlfahrtinBerlin.
131. - Keller, Arzt am Strafgefängnis in Plötzensee, staatsärztl. approb.
*132. - Kirchner, Prof., Geh. 0b.-M6d.-Rat u. Vortragender Rat i. d.
Med.-Abteilung des Kultusministeriums.
*133. - V. Kobyletzki, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohöneberg.
*134. - Leers, Assistent am Institut für Staatsarzneikundc, staats¬
ärztl. approb.
135. - Lehnsen, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
*136. - Lentz, Abteilungsvorsteher bei dem Institut für Infektions¬
krankheiten in Charlottenburg.
•137, - Leppmann, Med.-Rat, Kreisarzt u. Strafanstaltsarzt.
*138. - F. Leppmann, prakt, Arzt, staatsärztl. approb.
*139. - Lindemann, Kreisarzt.
140. - Loewenthal, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
141. - Mann, Kreisassistenzarzt in Liohtenberg b. Berlin.
•142. - Marx, Gerichtsarzt und Gefänguisarzt.
143. - Moeli, Geh. Med.-Rat, Prof. u. Direktor der städtischen Heil-
und Pflegeanstalt Herzberge, Lichtenberg b. Berlin.
*144. - Nesemann, Regierungs- u. Med, - Rat.
146. - N 011 e, prakt. Arzt in Charlottenburg, staatsärztl. approb.
*146. - N 0 w a 0 k, Kreisassistenzarzt.
*147. - Pape, Kreisphysikus a. D, und San.-Rat.
♦148. - Pflanz, Kreis.irzt u. ständ. Hilfsarbeiter beim Polizeipräsidium.
*149, - Pfleger, Gerichtsarzt u. Med.-Rat.
112
Mitgliederverzeiohnifl.
150. Dr. Röckl, Geh. Rog.-Rat in Grunewald (Bz. Berlin).
*151. • Rogowski, Med.-Rat, Kreisarzt.
162. - Rüge, Geh. Med.-Rat u. Mitglied des Prov.-Medizinal-Kollegiiinis.
163. - Salomon, Geh. Med.-Rat, Honorar-Professor an der tech¬
nischen Hochschule in Charlottenburg.
*164. - Schenk, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
*165. - Sohmidtmann, Prof., Geh. Ober-Med.-Rat u. vertragender
Rat in der Med.-Abt. des Kultusministeriums (Nickolassee).
156. - Sohönstadt, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
157. - Schröder, Elmil, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
*168. - Schulte, E., Assistenzarzt an der städtischen Irrenanstalt
Herzberge, Lichtenberg b. Berlin.
*169. - Schulz, Rud. in Charlottenburg, Kreisarzt fUr Niederbamim.
*160. - Schulz, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt, Direktor d. Kgl. Impfanstalt.
*161. - .Stein, Hans, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
*162. - Störmer, Med.-Rat, Mitglied des Prov.-MedizinalkoUegiums
und Gerichtsarzt.
*163. - Strassmann, Geh. Med.-Rat, a. o. Professor, Gerichtsarzt u.
Direktor des Instituts fUr Staatsarzneikunde.
*164. - Strauch, Gerichtsarztu. Privatdozent für geriohtliohe Medizin
und Staatsarzneikunde.
165. - Strecker, prakt. Arzt, staatsärztl. approb.
*166. - Stiller, Med.-Rat, Kreisarzt.
167. - Viereck, Oberarzt beim 4. Garde-Reg. zu Füll, staatsärztl.
approbiert.
168. - Wagner, Gustav, San.-Rat in Sohöneberg, staatsärztl. approb.
*169. - W e h m e r, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat.
*170. - Weidanz, HUlfsarbeiter im Kaiserl. Gesimdheitsamte.
*171. - W e i s s e n b o r n, Med.-Rat, Kreisarzt.
172. - Wutzdorff, Geh. Regierungsrat u. Direktor im Kaiserlichen
Gesundheitsamte.
Provinz Brandenburg.
*173. Dr. Aust, Kreisarzt in Nauen.
174. - Bar nick, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Frankfurt 8./0.
*175. - Braeutigam, Med.-Rat, Kreisarzt in Königsberg (Neumark).
176. - Brasch, prakt. Arzt in Wannsee bei Berlin, staatsärztl. approb.
177. - Daliohow, prakt. Arzt in Neudamm, staatsärztL approb.
178. - Ernst, Assistenzarzt an der Landes-Heil- und Pflegeanstalt
in Neu-Ruppin, staatsärztl. approb.
*179. - Friedrich, Med.-Rat, Kreisarzt in Landsberg (Warthe).
180. - Gäthgens, prakt. Arzt in Kriescht (Elr. Oststemberg), staats¬
ärztl. approb.
*181. - Gebauer, prakt. Arzt in Wittenberge, staatsärztl. approb.
*182. - Geisseler, Kreisarzt in Friedeberg (Neumark).
183. - Gott Schalk, Med.-Rat, Kreisarzt in Rathenow.
184. - Gottsohalk, Kreisarzt in Elalau.
*185. - Grossmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Freienwalde (Oder).
186. - Günther, Kreisarzt in Krossen.
Mitgliederverzeiohnis.
ns
*187. Dr. Hafemann, Kreisarzt in Luokau.
*188. - Heinze, Kreisarzt u. Vorsteher des Medizinal-Untersuchungs¬
amtes bei der Königl. Regierung in Potsdam.
*189. - Hey er, Kreisarzt in AugermUnde.
*190. - Ho ehe, Kreisarzt in Potsdam.
*191. - Jaenioke, Med.-Rat, Kreisarzt in Spandau.
192. - Jungmann, Med.-Rat. Kreisarzt in Guben.
193. - König, Med.-Rat, Kreisarzt in Soldin.
194. - Kr ahn, prakt. Arzt in Landsberg (Warthe), staatsKrztl. approb.
196. - Kuhnt, Med.-Rat, Kreisarzt in Beeskow.
196. - Lähr, 6., 2. Arzt der Irrenanstalt Sohweizerhof bei Zehlendorf,
staatsärzÜ. approb.
197. - Leopold, leitender Arzt an der Heilstätte Blankenfelde bei
Berlin, staatsärztl. approb.
198. - Lummerz he im, prakt. Ärztin Forst i.L., staatsärztl. approb.
199. - Maire, prakt. Arzt in FUrstenberg a./0., staatsärztl. approb.
*200. - Meyen, Med.-Rat u. HUlfsarbeiter bei der Kgl. Regierung in
Potsdam.
*201. - Meyer, H., Eireisarzt in Belzig.
202. - Neumann, prakt. Arzt in Landsberg (Warthe), staatsärztl.
approb.
203. - Neumann, Assistenzarzt an der Landes-Irrenanstalt in Neu-
Ruppin, staatsärztl. approb.
*204. - Nickel, Med.-Rat, Kreisarzt in Perleberg.
*205. - Podlewski, Kreiswundarzt a. D. in Oderberg (Mark).
*206. - Prawitz, Med.-Rat, Kreisarzt in Brandenburg.
207. - Priester, Med.-Rat, Kreisarzt in Reppen.
208. - Rank, prakt. Arzt in Amswalde, staatsärztl. approb.
209. - Rau oh, prakt. Arzt in Vetsohau, staatsärztl. approb.
210. - Rosenthal, prakt. Arzt in Tegel, staatsärztl. approb.
*211. - Roth, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Potsdam.
212. - Rudolphy, prakt. Arzt in Bobersberg, staatsärztl. approb.
*213. - Sander, Geh. Med.-Rat u. Direktor der städtisohen Heil- und
Pflegeanstalt in Dalldorf, Post Wittenau (Bz. Berlin), Mitglied
des Prov.-Med.-Kollegiums.
214 - Schäfer, Med.-Rat, Kreisarzt in Frankfurt a./0.
216. - Schäfer, Med.-Rat, Kreisarzt in Sorau (Niederlausitz).
*216. - Sohlieben, Kreisarzt in Zielenzig.
217. - Sohimmel, prakt. Arzti.Straußbergb.Berlin,staatsärztl. approb.
218. - SohlUter, Med.-Rat, Kreisarzt in Amswalde.
*219. - Schmidt, Assistenzarzt an der städtisohen Irrenanstalt in
Dalldorf, Post Wittenau (Bz. Berlin), staatsärztl. approb.
*220. - Schneider, Kreisarzt in Prenzlaa
221. - Seeger, Kreisarzt in LUbben.
222. - Siehe, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Zülliohau.*)
223. - Steffen, prakt. Arzt in Spremberg, staatsärztL approb.
*224. - Struntz, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Jüterbog.
226. - yoigt, Kreisarzt in Templin.
1) Inzwischen verstorben.
8
114
Mitgliedorverzeiohnis.
226. Dr. Wiedemann, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Neu-Ruppin.
*227. - Wiedner, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Cottbus.
228. - Wiese, Med.-Rat, Kreisarzt in Spremberg.
*229. - Wilhelm, Kreisarzt in Kyritz (Prignitz).
ProTlu Pommern.
*230. Dr. A r b e i t, Med.-Rat, Kreisarzt in Stargard.
231. - Be bla, Geh. Med.-Rat, Reg.- und Med.-Rat in Stralsund.
*232. - Behrend, Med.-Rat, Kreisarzt in Kolberg.
233. - Beumer, Geh. Med.-Rat, a. o. Professor, Kreisarzt u. Direktor
des geriohtl. med. Instituts in Greifswald.
234. - Birkholz, Kreisarzt in Stolp (Pommern).
236. - Brinkmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Dramburg.
236. - de Camp, Kreiswimdarzt a. D. u. San.-Rat in Lauenburg.
237. - Dieterich, Med.-Rat, Kreisarzt in Demmin.
238. • Frank, Kreisarzt in Bublitz.
239. - Frank, prakt. Arzt in Bergen (Rügen), staatsärztl. approb.
240. - Frey er, Geb. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Naugard.
*241, - Frey er. Geh. Med.-Rat, Kreisarzt u. Mitglied des Provinzial-
Medizinalkollegiums, Direktor der Königlichen Impfanstalt
in Stettin.
242. - Gerloff, Med.-Rat, Kreisarzt in Stralsund.
243. - Gross, Kreisarzt in Greifenhagen.
*244. - Gundlaob, Kreisarzt in UekermUnde.
*246. - Gutkneoht, Kreisarzt in Belgard (Persante).
246. - Hassenstein, Med.-Rat, Kreisarzt in Greifenberg.
247. - Hechler, Kreisassistenzarzt und Assistent am Medizinal-Unter-
suohungsamt in Stettin.
248. - Howitz, prakt. Arzt in Dramburg, staatsärztl. approb.
*249. - HUlsmeyer, Kreisarzt in BUtow.
260. • Kindt, prakt. Arzt in Greifswald, staatsärztl approb.
261. - Kirstein, Kreisarzt und Vorsteher des Medizinal-Unter-
suohungsamtes in Stettin.
262. - Kurpjuweit, Kreisarzt in SwinemUnde.
263. - Landgrebe, Med.-Rat, Kreisarzt in Neustettin.
264. - Lemoke, Med.-Rat, Kreisarzt in Grimmen.
266. - Lewin, prakt. Arzt in Neustettin, staatsärztl. approb.
266. - Lewinsky, Kreisassistenzarzt in Stettin.
*267. - M a n k e, Kreisarzt in Sohlawe.
268. - Margulies, prakt. Arzt in Kolberg, staatsärztl. approb.
269. - Merklin, San.-Rat u. Direktor der Provinzial-Irrenanstalt in
Treptow (Rega).
260. - Neumeister, Med.-Rat, chirur. Medizinalassessor bei dom
Prov.-Medizinalkollegium in Stettin.
261. - Palleske, Kreisassistenzarzt in Stralsund.
*262. - Ohrloff, Med.-Rat, Kreisarzt in Anklam.
263. - Poddey, Kreisarzt in Lauenburg i./P.
*264, - Räuber, Regienmgs- u. Med.-Rat in Cöslin.
266. - R i e 0 k, Kreisarzt in Labes.
Mitgliederverzeiohnis.
115
266. Dr. Sachs, San.-Rat in Pollnow, staatsärzü. approb.
267. - Sarganeok, Med.-Rat, Kreisarzt in Cöslin.
268. - Schirmer, Kreisarzt in Naugard.
*269. - Schlutter, Med.-Rat, Kreisarzt in Pyritz.
270. - Schröder, prakt. Arzt in Pasewalk, staatsärztL approb.
*271. > Schulze-Barnim, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Pror.-Medi-
zinalkoUegiums und Kreisarzt in Stettin.
272. - Schnitze, Professor u. Direktor der psychiatrischen Klinik in
Greifswald.
273. - Settegast, Med.-Rat, Kreisarzt in Bergen (Rügen).
274. - Siemens, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-Hedizinalkolle-
giums und Direktor der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt
in Lauenburg.
275. - Vanselow, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Stettin.
*276. - Voigt, Med.-Rat, Kreisarzt in Cammin (Pommern).
277. - Wanke, Kreisarzt in Rummelsburg.
ProTÜur Posen.
*278. Dr. Bekker, Kreisarzt in Wongrowitz.
279. - V. Blomberg, Freiherr, San.-Bat, Oberarzt an der Provinzial-
Heil- u. Pflegeanstalt Dziekanka b. Gnesen, staatsärztl. approb.
*280. - Boehnoke, Kreisarzt in Witkowo.
281. - Bosse, prakt. Arzt in Kosten, staatsärztl. approbiert.
282. - Brüggemann, Med.-Rat, Kreisarzt in Bromberg.
283. - Buddee, Kreisarzt in Neutomisohel.
284. - Cohn, Med.-Rat, Kreisarzt in Jarotsohin.
285. - Glauss, Kreisarzt in Posen.
286. - Dembozaok', Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Krotosohin.
287. - Doersohlag, Kreisarzt in Strelno.
288. - Friedrich, Kreisarzt in Sohubin.
289. - Gebhardt, Med.-Rat, Kreisarzt in Fraustadt.
290. • Guttwein, prakt. Arzt in Ritsohenwalde, staatsärztl. approb.
291. - Haaok, Kreisarzt in Gnesen.
292. - Harmsen, Oberstabs- und Repmentsarzt in Rawitsoh, staats¬
ärztl. approb.
293. - Hartisoh, Kreisarzt in Gostyn.
294. - Herrmann, Kreisarzt in Obomik.
295. - Huebner, Kreisarzt in Posen (West).
296. - Jäokel, Kreisarzt in Samter.
297. - Jaster, Regierungs- u. Med.-Rat in Bromberg.
298. - Kleinert, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Rawitsoh.
*299. - Knospe, Kreisarzt in Schildberg.
3(X). - Kosohel, Kreisarzt in Filehne.
301. - Krause, prakt. Arzt in ünruhstadt, staatsärztl. approb.
302. - Kunau, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-MedizinalkoUegiums
in Posen.
303. - Lange, prakt. Arzt in SohneidemUhl, staatsärztl. approb.
804. - Larass, Kreisassistenzarzt in Posen.
305. - Lasohke, Kreisarzt in Schroda.
8*
116
Mitgliederverzeiohnis.
806. Dr. L e h m a n n, Med.-Rat, Kreisarzt in Posen.
307. - Lehmann, Kreisarzt in Sohmiegel.
*308. - Lewerenz, Kreisarzt in Kolmar (Posen).
309. - Lissner, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Kosten.
310. - V. Mach, Kreisarzt in Bromberg.
311. - Mauß, prakt. Arzt in Usch, staatsärztl. approb.
*312. - Mennioke, Kreisarzt in Znin.
318. - Michaelsohn, Med.-Rat, Kreisarzt in Meseritz.
314. - Paulisoh, Kreisarzt in Hohensalza.
315. > Peschei, Kreisarzt in Birnbaum.
316. - Plot he, Kreisarzt in Pieschen.
317. > Pusoh, Eireisassistenzarzt und Leiter der Medizinal-Unter-
suohungsstelle in Bromberg.
318. - Rosenbaum, Stabs- und Bataillonsarzt in Rawitsoh, staatsärztl.
approb.
819. - Rubensohn, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Graetz.
*320. - Sandbop, Kreisarzt in Kosohmin.
321. - Sauberzweig, Kreisarzt in Wirsitz.
322. - Schlag, Kreisarzt in Ostrowo (Bz. Posen).
323. - Sohmidt, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Posen.
324. - Sohmidt, Kreisarzt in Wresohen.
825. - Sohmidt, Kreisarzt in Adelnau.
326. - Sieber, Kreisassistenzarzt in Sohokken.
*327. - Steiner, Kreisarzt in Czarnikau.
*328. • Straube, Kreisarzt in Schwerin (Warthe).
*329. - Telsohow, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohrimm.
*330. - Troger, Kreisarzt in Kempen (Bez. Posen).
331. - Wege, Kreisarzt in Mogilno.
332. - Wegner, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in lässa.
333. - Wernioke, Geh. Med.-Rat, Prorektor der Akademie, Mitglied
des Prov. - Medizinalkollegiums, Prof, und Direktor des hygi¬
enischen Instituts in Posen.
334. - Wessling, Kreisarzt in Wollstein (Bez. Posen).
335. - Win ekler, III. Arzt an der Provinzial-Heil-und Pflegeanstalt
in Owinsk, staatsärztl. approb.
ProTtiii ScUesien.
336. Dr. Adler, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Brieg.
337. - Bergmann, prakt. Arzt in Neumarkt (Sohl.), staatsärztl. approb.
338. - Bleich, Eireisarzt in Hoyerswerda.
339. - Blumenreich, prakt. Arzt in Sohrau (Ob.-Sohl.), staatsärztl.
approb.
340. - Boretius, Kreisarzt in Rybniok.
341. - Boss, Kreiswundarzt a. D. in Falkenberg (Ob.-Sohl.).
342. - Brieger, prakt. Arzt in Gosel, staatsärztl. approb.
343. - Broeokerhoff, prakt. Arzt in Freiburg (Sohl.), staatsärztl.
> approb.
*344. - Br oll, Med.-Rat, Kreisarzt in Pless.
*345. - Cimbal, Med.-Rat, Eireisarzt in Neisse.
*346. - Coester, Med.-Rat, Elreisarst in Königshiitte (Ob.-Sohl.).
Mitgliederyerzeiohnis.
117
347. Dr.
848. -
349. -
•350. -
351. -
*362. -
*363. -
364. -
•366. -
•366. -
367. -
*36a -
*369. -
360. -
361. -
862. -
363. -
364. -
366. -
366. -
367. -
368. -
369. -
370. -
371. -
372. -
373. -
374. -
•375. -
376. -
377. -
378. -
*379. -
380. -
381. -
•382. -
383. -
384. -
•385. -
386. -
387. -
388. -
389. -
390. -
391. -
•392. -
Diering, prakt. Arzt in Eieferstädtel, staatsärztl. approb.
Dirska, Med.-Rat, Kreisarzt in Namslau.
Du da, E[reisarzt in Nimptsoh.
Dybowski, Med.-Rat, Kreisarzt in Waldenburg i. Sohl.
Erbkam, Med.-Rat, Kreisarzt in Jauer.
Erdner, Med.-Rat, Kreisarzt in Görlitz.
Finger, Med.-Rat, Kreisarzt in MUnsterberg (Sohles.).
Platten, Reg.- u. Med.-Rat in Oppeln.
Flügge. Geh. Med.-Rat, ord. Professor u. Direktor des hygie-
nisohen Instituts in Breslau.
Frey, Kreisarzt in Lublinitz (Obersohl.).
Fried Ifinder, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Lublinitz(Ob.-Sohl.).
Furoh, Ejreisarzt in Gross-Wartenberg.
V. Gizyoki, Kreisarzt in Brieg (Bez. Breslau).
Hassenstein, Med.-Rat, Kreisarzt in Sagan.
Hausohild, Med.-Rat, Kreisarzt in Breslau.
Heidelberg, Med.-Rat, Kreisarzt in Reiohenbaoh.
Heinze, Kreisarzt a. D. in Friedeberg (Queis).
Hirsohfeld, Med.-Rat, Kreisarzt in Glogau.
Hoppe, Med.-Rat, Kreisarzt in Gleiwitz.
Horn, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Löwenberg.
Keintooh, Kreisarzt in Grottkau.
KI e w e, Stabsarzt a. D. u. Kreisassistenzarzt in Hirsohberg (Sohl.)
Kley, Kreisarzt in Kreuzburg (Obersohl.).
KlingmUller, Kreisarzt in Strehlen.
Kloss, Kreisarzt in Striegau.
Köhler, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Landeshut.
Krau, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohweidnitz.
Kühn, Med.-Rat, Kreisarzt in Ratibor.
Kutzki, Kreisarzt in Steinau (Oder).
Laohmann, Kreisarzt in Oels (Sohles.).
Langner, Kreisarzt in Frankenstein (Sohles.).
la Roohe, Med.-Rat, Kreisarzt in Beuthen (Ob.-Sohl.).
Leder, Med.-Rat, Kreisarzt in Lauban.
Lemke, Kreisarzt und Vorsteher des Medizinal-Untersuohungs-
amtes in Liegnitz.
Lemke, prakt. Arzt in Domb (Er. Kattowitz), staatsärztl. appr.
Leske, Kreisarzt in Liegnitz.
Lesser, Geriohtsarzt, a. o. Professor u. Direktor des geriohtl.
med. Instituts in Breslau.
Liohtwitz, Med.-Rat, Kreisarzt in Ohlau.
Ludwig, Med.-Rat, Kreisarzt in Habelsohwerdt.
Lustig, Med.-Rat, Kreisarzt in Grünberg.
Mäder, Kreisarzt in Neumarkt (Sohles.).
Malis oh, prakt. Arzt in Batibor, staatsärztl. approb.
Marmetsohke, prakt. Arzt in Breslau, staatsärztl. approb.
Martini, Geriohtsarzt in Breslau.
Matthes, Med.-Rat, Kreisarzt in Breslau.
Mewius, Med.-Rat, Kreisarzt und Direktor der Königl. Impf¬
anstalt in Oppeln.
118
Mitgliederverzeichnis.
393. Dr. Meyer, Kreisarzt in Muskau.
894. - Meyer. Ereisassistenzarzt in Liegnitz.
395. - Mühlenbaoh, Med.>Rat, Kreisarzt in Wohlau.
*396. - Nauwerok, Med.-Rat, Kreisarzt in Guhrau.
397. - Nobler, Kreisarzt in Glatz.
*398. - Neumann, Kreisarzt in Leobsobütz.
399. - Neu mann, Geb. San.-Rat, Kreispbysikus a. D. in Glogau.')
*400. - Oebbeoke, Stadtarzt in Breslau.
401. - Ostermann, Kreisassistenzarzt und Leiter der Medizinal-
Untersuobungsstelle in Breslau.
402. - Otto, Geb. Med.-Rat, Kreisarzt in Neurode.
*403. - Paulini, Med.-Rat, Kreisarzt in Militsob (Bez. Breslau).
404. - Philipp, Geb. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat a. D. in Liegnitz.
405. - Pi et ru 11a, San.-Rat in Streblen (Sobles.), staatsärztl. approb.
406. - Reimer, Stadtarzt in Görlitz.
407. - Reinkober, Med.-Rat, Kreisarzt in Trebnitz.
408. - Repetzki, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Gleiwitz.
409. - Rieger, Kreisarzt in Breslau.
410. - Rotber, Med.-Rat, Kreisarzt in Falkenberg (Ob.-Sobl.).
411. - Salzwedel, Geriobtsarzt in Gleiwitz.
412. - Sobablowski, Assistent am bygienisoben Institut in Breslau.
413. - So bi Hing, Kreisarzt in Freistadt.
*414. - Sobmidt, Med.-Rat, Kreisarzt in Neustadt (O.-Sobl.)
415. - Sobneider, Med.-Rat u. Hilfsarbeiter bei der Königl. Regierung
in Breslau.
416. - Soboltz, Kreisarzt in Goldberg.
417. - So bolz, prakt. Arzt in Görlitz, staatsärztl. approb.
*418. - Sobreber, Kreisarzt in Bunzlau.
419. - Sobröder, Elreisarzt in Sprottau.
*420. - Sobröder, Med.-Rat, Kreisarzt in Kattowitz (Ob.-Sobl.).
421. - Schubert, prakt. Arzt in Schweidnitz, staatsärztl. approb.
422. - Sohultz-Sohultzenstein, Kreisarzt u. HUlfsarbeiter bei der
Königl. Regierung in Oppeln.
423. - Schweitzer, Kreisassistenzarzt in Kattowitz (Ob.-SchL).
424. - Skrzeozek, San.-Rat u. Kreiswundarzt a. D. in Orzesohe.
*425. - Steinberg, Kreisarzt in Hirsohberg (Sobles.).
426. - Steiner, Kreisarzt in Rosenberg (Ob.-Sobl.).
427. - Süssmann, Knappsohaftsarzt in Hultschin, staatsärztl. approb.
428. - Telke, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Breslau.
429. - Thiene 1, Kreisarzt in Gross-Strehlitz.
430. - Tookuss, prakt. Arzt in Kreuzburg (Ob.-Sobl.), staatsärztl.
approb.
431. - Traoinski, Med.-Rat, Kreisarzt in Zabrze.
432. - Wagener, 0., Kreisarzt in Lüben.
433. - Wagner, Med.-Rat, Geriobtsarzt in Beuthen (Ob.-Sobl.).
434. • Weozereok, Kreisarzt in Tamowitz.
435. - Wende, prakt. Arzt in Kreuzburg (O.-Sohl.), staatsärztl. approb.
436. - Woda, prakt. Arzt in Pitsohen, staatsärztl. approb.
‘) Inzwischen verstorben.
Mitgliederverzeiohnis.
119
437. Dr. W 0 1 f f, Me<l.-Rat, Kreisarzt in Gosel.
438. • Wolffberg, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Breslau.
439. - Wrobel, prakt. Arzt in Zalenze, staatsärztl. approb.
ProTliu Saehsen*
*440. Dr. Benin de, Kreisarzt in Liebenwerda.
441. - y. Buohka, Oberarzt an der Proyinzial-Heil- u. Pflegeanstalt
in Alt-Soherbitz, staatsärztl. approb.
442. - Bundt, Kreisarzt in Querfurt.
443. - Burmeister, Eireisarzt und Vorsteher des Medizinal-Unter-
suohimgsamtes in Magdeburg.
*444. - Curtius, Kreisarzt in Grosskamsdorf (Kr. Ziegenrück).
445. - Dahlmann, Med.-Rat, Mitglied des Prov. - Medizinalkollegiums
u. Direktor der Prov.-Hebammen-Lehranstalt in Magdeburg.
446. - Deneke, Regierung^ u. Med.-Rat in Magdeburg.
*447. - DUtsohke, Reg.- u. Med.-Rat in Erfurt.
*448. - Ebhardt, Med.-Rat, Kreisarzt in Langensalza.
449. - Eilers, Med.-Rat, Kreisarzt in Sohleusingen.
*450. - Fielitz, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Halle (Saale).
451. - Fränkel, Geh. Med.-Rat, ord. Professor, Mitglied des Prov.-
Medizinalkollegiums und Direktor des hygienischen Instituts
in Halle (Saale).
452. - Friedei, Kreisarzt in Wernigerode.
453. - Fries, Geh. San.-Rat und Direktor der Prov.-Heil- u. Pflege-
austalt in Nietleben (Saalkreis).
*454. - Geissler, Med.-Rat, Kreisarzt in Torgau.
*455. - Hübler, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Nordhausen.
456. - Hau oh, Med.-Rat, Kreisarzt in Eisleben.
*457. - Herr mann, Med.-Rat, Kreisarzt in Bitterfeld.
458. - Her ms, Med.-Rat, Kreisarzt in Burg (Bz. Magdeburg).
459. - Heydloff, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Erfurt.
460. - Hildebrandt, Privatdozent für Pharmakologie und geriobtL
Medizin in Halle (Saale). •
461. - Hirsoh, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat a. D. in Magdeburg.
*462. - Holthoff, Kreisarzt in Salzwedel.
463. - Hoppe, Oberarzt an der Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt in
Uchtspringe, staatsärztl. approb.
464. - V. Ingersleben, Kreisarzt in Osohersleben.
*465. - J a n e r t, Med.-Rat, Kreisarzt in Seehausen (Altuiark).
466. - Kalkoff, Med.-Rat, Kreisarzt in Kö'lleda.
467. - Kef er stein, Gerichtsarzt in Magdeburg.
468. - Keller, Frauenarzt in Halle (Saale), staatsärztl. approb.
*469. - Kluge, Med.-Rat, Eireisarzt in Wolmirstedt.
*470. - Koppen, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Heiligenstadt.
*471. - Kornalewski, Med.-Rat, Kreisarzt in Delitzsch.
472. - Krämer, Kreisarzt in Worbis.
*473. - Kühn, Med.-Rat, Kreisarzt in Calbe (Saale).
474 - Mantey, prakt. Arzt in Elsterwerda, staatsärztl. approb.
476. - M e y e, Med.-Rat, Kreisarzt in Mansfeld.
476. • Moritz, Med.-Rat, Kreisarzt in Halberstadt.
120
Mitgliederrerzeiohnu.
477. Dr. Müller, Kreisarzt in Herzberg (Elster).
478. • Müller, prakt. Arzt in Sohleusingen, staatsärztl. approb.
*479. - Pantaer, Kreisarzt in Sangerhausen.
*480. • Pfeffer, Kreisarzt in Genthin.
481. - Plange, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Stendal.
*482. - Probst, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Gardelegen.
483. - Reip, San.-Rat, Kreisphysikus a. D. in Arendsee (Altmarki.
484. - Risel, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt u. Direktor der Königl. Impf-
anstalt in Halle (Saale).
486. - Rothmaler, prakt. Arzt in Gerbstedt, staatsärztl. approb.
486. - S oh ade, Kreisarzt in Neuhaldensleben.
*487. - Sohaffranek, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Zeitz.
488. - Sohmidt, prakt. Arzt in Weissenfels, staatsärztl. approb.
489. - Sohneider, Med.-Rat, Kreisarzt in Merseburg.
490. - Sohröder, Kreisarzt in Weissenfels.
491. - Schulz, a. o. Professor, Geriohtsarzt u. Direktor des gerichtl.
med. Instituts, in Halle (Saale).
492. - Schulze, prakt. Arzt in Liebenwerda, staatsärztl approb.
493. - Seiffert, Med.-Rat, Kreisarzt in Mülhausen (Thür.).
494. - Steinkopff, Med.-Rat, Kreisarzt in Naumburg (Saale).
495. - Strassner, Geh. Med.-Rat, Kreis- u. Stadtarzt, Mitglied de$
Prov.-Medizinalkollegiums in Magdeburg.
496. - Strübe, San.-Rat u. Kreiswundarzt z. D. in Halle (Saale).
*497. - Thilow, Kreisarzt in Wanzleben (6z. Magdeburg).
498. - Ulrich, prakt. Arzt in Erfurt, staatsärztl. approb.
499. - Wachs, Med.-Rat, Kreisarzt in Wittenberg.
600. - Weidenmüller, Arzt an der Provinzial-Heil-u. Pflegeanstalt
in Uohtspringe, staatsärztl. approb.
501. - Weinreioh, Kreiswundarzt a. D. in Merseburg.
502. - Wodtke, Regierungs- u. Med.-Rat in Merseburg.
Provliii SeUeswlf•Holstein.
503. Dr. Bahrs, Med.-Rat, Kreisarzt in Sonderburg.
504. - Bartels, Kreisarzt in Husum.
505. - Bertheau, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Schleswig-
606. - Bookendahl, Med.-Rat, Kreisarzt in Kiel
507. - Bruhn, Med.-Rat, Kreisarzt in Segeberg.
608. - Busch, prakt. Arzt in Ratzeburg, staatsärztl approb.
*ö09. - Cimbal, leitender Arzt der AbteUung für Geisteskranke am
städtischen Krankenhause in Altona (Elbe), staatsärztl. approb.
510. - Gold, Med.-Rat, Kreisarzt in Meldorf.
511. - von Fisoher-Benzon, Med.-Rat, Kreisarzt in Flensburg.
512. - Halling, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Glückstadt.
513. - Hansen, Med.-Rat, Kreisarzt in Hadersleben.
514. - Herford, Stadtassistenzarzt in Altona.
515. - Horn, Med.-Rat, Kreisarzt in Tondem.
516. - H u n n i u s, Med.-Rat, Kreisarzt in Wandsbek.
517. - Jahn, Kreisphysikus a. D. in Kappeln (Schlei).
518. - Knuth, Kreisarzt in Apenrade.
519. - Kr am er,''prakt. Arzt in Schleswig, staatsärztl approb.
Mitgliederverzeiohnis.
121
520. Dr. Krefting, Kreisarzt in Plön.
621. • Erosz, San.>Rat in Horst (Holstein), staatsörztl. approb.
622. - Lttbbe, prakt. Arzt in Wüster, staatsärztl. approb.
528. - V. Meurers, Med.-Rat, Kreisarzt in Rendsburg.
524. - Neidhardt, Med.-Bat, Geriohtsarzt in Altona (Elbe).
526. - Paulsen, Jens, prakt. Arzt in Ellerbeck, staatsärztl. approb.
626. • Pentz, prakt Arzt in Kiel, staatsärztl. approb.
627. - Pfannenstiel, Geh. Med.-Rat, Prof. u. Direktor der Universi¬
täts-Frauenklinik in Kiel, Mitglied des Prov.-Med.-Eollegiums.
628. - R ei mann, Kreisarzt in Neumttnster.
629. - Rohwedder, Kreisarzt in Ratzeburg.
530. - Sohow, Kreisarzt in Neustadt (Holstein).
631. - Sohröder, Stadtarzt in Altona (Hübe).
532. - Sohütt, BIreisarzt in Eckemförde.
533. - Siok, Kreisassistenzarzt in Oldesloe.
534. - Suadioani, Med.-Rat, Kreisarzt in Schleswig.
*635. - Walliohs, Geh. San.-Rat, Kreisphysikus a. D. in Altona.
636. - Wenok, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Pinneberg.
537. - Ziemke, a.0. Professor, Geriohtsarzt u. Direktor des geriohtl.
med. Instituts in Kiel.
Provliis Hannover*
*638. Dr. Arbeit, Regierungs- u. Med.-Rat, in Hüdesheim.
539. - Baohmann, Kreisarzt in Harburg (Elbe).
640. - Barth, Med.-Rat. Kreisarzt in Bassum.
541. - Beoker, Med.-Kat, Kreisarzt in HUdesheim.
642. - Behrens, prakt. Arzt in Hüdesheim, staatsärztl. approb.
643. - Bitter, Stadtarzt in Osnabrück.
544. - Brandt, Med.-Rat, Geriohtsarzt in Hannover.
546. - BrUokmann, prakt. Arzt in Goslar, staatsäi'ztl. approb.
646. - Brummund, Kreisarzt in Stade.
547. - Buohholtz, Med.-Bat, Kreisarzt in Einbeck.
*548. - BUnting, Kreisarzt in Stolzenau.
649. - Gramer, Geh. Med.-Rat, ord. Prof. u. Direktor der Prov.-Heil-
u. Pflegeanstalt, der psyohiatr. Universitäts-Klinik u. der
Poliklinik für psych. und Nervenkranke in Göttingen.
660. - Dempwolff, Geh. San.-Rat, Kreisphysikus a. D. in Har¬
burg (Elbe).
551. - Denokmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Burgdorf (Hann.).
552. - Dieckmann, prakt. Arzt in SohUttorf, staatsärztl. approb.
*553. - Dohrn, Kreisarzt und Direktor der Königl. Impfanstalt in
Hannover.
664. - Dreves, Med.-Rat, Kreisarzt in Hannover-Linden.
555. - Eichhorst, Kreiswundarzt a. D. in Ottersberg (Hann.).
566. - Ehrhorn, prakt. Arzt in Hannover-Herrenhausen, staatsärztl.
approb.
557. - Elten, Med.-Rat, Kreisarzt in Freiburg (Elbe).
658. - V. Esmaroh, Geb. Med. Rat, Professor u. Direktor des hygie¬
nischen Instituts in Göttingen.
559. - Gaebde, Med.-Rat, Kreisarzt in Blumenthal (Hann.).
122
Mitgliederreneiohnis.
660.
Dr.
561.
•
502.
-
563.
-
564.
-
666.
-
666.
-
667.
-
56a
-
569.
-
670.
-
571.
-
672.
-
573.
•574.
-
576.
-
576.
-
577.
678.
-
679.
-
•580.
-
581.
582.
-
•5ai.
•
584.
-
585.
-
*586.
-
587.
588.
-
689.
-
590.
-
591.
-
692.
-
593.
-
694.
-
595.
-
596.
-
597.
-
•598.
-
699.
-
600.
-
601.
-
602.
-
603.
•
Ger lach, Assistenzarzt an der Prov.-Heil- und Pflegeanstalt
in Hildesheim.
Gerlaoh, Kreisarzt in Ilfeld.
Grote, prakt. Arzt in Vienenburg, staateärztl. approb.
Guertler, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Hannover.
Guttmann, Kreisassistenzarzt in Ottemdorf.
Heil mann, Med.-Rat, Eireisarzt in Melle.
Heiniohen, prakt. Arzt in Hannover, staatsärztl. approb.
Helwes, Kreisarzt in Diepholz.
Herya, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Hannover.
Hesse, Med.-Rat, Kreisarzt in Lünebxirg.
Hillenberg, Elreisarzt in Springe.
Holling, Med.-Rat, Kreisarzt in Soegel.
HUpeden, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-Medizinalkolle¬
giums in Hannover.
Huntemueller, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Hoya.
Itzerott, Med.-Rat, Kreisarzt in üelzen.
Kahle, Kreisarzt in Dannenberg.
Kanzler, San.-Rat u. Badearzt in Bad Rothenfelde (Teutoburger¬
wald), staatsärztl. approb.
Kessler, Geh. San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Salzgitter.
Kr ecke, prakt. Arzt in Bersenbrück, staatsärztL approb.
Krohne, Reg.- und Med.-Rat in Stade.
Krüger, Kreisarzt u. Vorsteher des Medizinal-üntersuchungs-
amtes in Hannover.
Kuhlemann, prakt. Arzt in Uslar, staatsärztl. approb.
Langerhans, Med.-Rat, Kreisarzt u. Direktor derHebammon-
lehranstalt in Celle.
Lemmer, Med.-Rat, Kreisarzt in Alfeld (Leine).
Liedig, Kreisarzt in Lingen.
Lindemann, prakt. Arzt in Hildesheim, staatsärztl. approb.
Lochte, a. o. Professor, Kreisarzt u. Direktor des gerichtl.-
med. Instituts in Göttingen.
Lotze, Med.-Rat, Kreisarzt in Osterode (Harz).
Mansholt, Kreisarzt in Leer (Ostfrsld.).
Matth es, Kreisarzt in Wilhelmshaven.
Meyer, Med.-Rat, Kreisarzt in Hannov. Münden.
Meyer, Kreisarzt in Gifhorn.
Müller, Kreisarzt in Rotenburg (Hannover).
Müller, Kreisarzt in Northeim (Hann.)
Müller, prakt. Arzt in Gross-Rhüden, staatsärztl. approb.
Nieper, Med.-Rat, Kreisarzt in Goslar.
N i e w e r t h, prakt. Arzt in Hildosheim, staatsärztl. approb.
Nothnagel, Kreisarzt, Oberstabsarzt a. D. in Lehe.
Noller, Geh. Med.-Rat, Regierungs- u. Med.-Rat in Lüneburg.
Ocker, Kreisarzt in Verden (Aller).
Offenberg, Med.-Rat, Kreisarzt in Osnabrück.
Oliv et, prakt Arzt in Northeim (Hann.), staatsärztl. approb.
Opitz, Kreisarzt u. Vorst, des Med.-Untersuohungsamtes in Stade.
Petermö’ller, Med.-Rat, Kreisarzt in Meppen.
Mitgliederverzeiobnis.
123
604. Dr. Picht, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Nienburg (Weser).
*605. - Pieoonka, Kreisarzt in Peine.
606. - Flinke, Kreisarzt in Hannover.
607. - Prang, Kreisassistenzarzt am Medizinal - Untersuohungsamt in
Hannover.
608. - Proelss, Kreisarzt in Bremervörde.
609. - Quentin, Kreisarzt in Bentheim.
610. - Reinhold, Prof., Med.-Rat und Mitglied des Prov.-Medizinal¬
kollegiums in Hannover.
611. - Riehn, Med.-Rat, Kreisarzt in Clausthal.
612. - Ritter, Kreisarzt in Geestemünde.
618. - Ro ehrig, prakt. Arzt in Duderstadt (Eiohsf.), staateärztl. approb.
614. - Rump, Med.-Rat, Kreisarzt in Osnabrück.
615. - Sohmalfuss, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-Medizinal-
kollegiums in Hannover.
616. - Schmidt, prakt. Arzt in Hoya, staatsärztl. approb.
617. - Schnelle, Med.-Rat, Kreisarzt in Hildesheim.
618. - Sohrader, prakt. Arzt in Moringen (Solling), staatsärztl. approb.
619. - Siemon, prakt. Arzt in Hannov. Münden, staatsärztl approb.
620. - Sommerlad, prakt. Arzt in Hannover, staatsärztl approb.
*621. - Sorge, Kreisarzt in Lüchow.
622. - Speokmann, prakt. Arzt in Schneverdingen, staatsärztl approb.
623. - Staokemann, Kreisarzt in Walsrode.
624. - Steinebaoh,'Med.-Rat, Kreisarzt in Hameln.
625. - Strangmeyer, Kreisarzt in Quakenbrüok.
626. - S tuoke, prakt. Arzt in Bramsohe (b. Osnabrück), staatsärztl appr.
*627. - Tergast, Med.-Rat, Kreisarzt in Emden.
628. - Th ölen, Med.-Rat, Kreisarzt in Papenburg (Ems).
629. - Vellguth, prakt. Arzt in Kirchtimke, staatsärztl approb.
630. - Wagner, Kreisarzt in Aurioh.
631. - Wegener, prakt. Arzt in Clausthal, staatsärztl approb.
632. - Wegener, prakt. Arzt in Riemsloh (Bez. Osnabrück), staats¬
ärztl. approb.
633. - Weithoener, Kreisassistenzarzt in Zeven.
634. - Wieohers, San.-Rat, Kreisphysikus a. D. in Gronau (Hannov.).
635. - Will ms, prakt. Arzt in Kirchweyhe, staatsärztl approb.
*636. - Winter, Med.-Rat, Kreisarzt in Norden.
Provinz Westfalen.
637. Dr. Angenete, Kreisarzt in Lübbecke.
638. - Benthaus, Med.-Rat, Kreisarzt in Paderborn.
639. - Besserer, Kreisarzt, Med.-Assessor beim Prov.-Medizinalkolle-
gium und Vorsteher des Medizinal-Untersucbungsamtes in
Münster (Westf.).
640. - Bethge, Kreisassistenzarzt in Gelsenkirohen.
641. - Biokhoff, prakt. Arzt in Dortmund, staatsärztl approb.
642. - Bliesener, Kreisarzt in Bochum.
643. - Boegershausen, Kreisarzt in Lüdinghausen.
644. - Br an dis, prakt. Arzt in Bielefeld, staatsärztl approb.
124
MitgliederverzeichniB.
(>46. Dr. Brümmer, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov. - Medizinalkolle'
giums in Münster (Westf.).
646. - Claus, Med.-Rat, Kreisarzt in Warburg.
*647. - Deutsch, prakt. Arzt in Neuhaus (Westf.), staatiärtzl. approb.
648. - Dickel, Oberarzt an den v. Bcdelschwingschen Anstalten in
Bethel bei Bielefeld, staatsärztl. approb.
649. - Dieminger, prakt. Arzt in Merklinde (Kr. Dortmund), staats¬
ärztl. approb.
650. - Dörrenberg, Med.-Rat, Kreisarzt in Soest.
651. - Dorsch, Stadtassistenzarzt in Dortmund.
652. - Felgenträger, Kreisassistenzarzt in Recklinghausen.
653. - Finger, Reg. und Med.-Rat in Arnsberg.
654. - Friedei, Kroisarzt in Schwelm.
655. - Georg, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Paderborn.
656. - Gerlaoh, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov. - Medizinalkolle¬
giums u. Direktor der Prov.-Irrenanstalt in Münster (Westf.).
657. - Graeve, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Hagen (Westf.).
658. - Graeve, prakt. Arzt in Iserlohn, staatsärztl. approb.
659. - Gruchot, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Hamm (Westf.).
660. - Guder, Med.-Rat, Kreisarzt in Laasphe.
661. - Hageraann, Kreisarzt in Dortmund.
662. - Hagemeier, Kreisarzt in Lippstadt.
663. - Heising, Med.-Rat, Kreisarzt in Borken (Westf.).
664. - Helming, Med.-Rat, Kreisarzt in Ahaus.
665. - Hensgen, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Siegen.
*666. - Heyne, Kreisarzt in Beckum.
667. - Hillebreoht, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Vlotho.
668. - vom Hofe, Med.-Rat, Kreisarzt in Altena (Westf.).
669. - Kasemeyer, Med.-Rat, Kreisarzt in Burgsteinfurt.
670. - Kluge, Med.-Rat, Kreisarzt in Höxter.
671. - Köttgen, Stadt- u. Kreisarzt in Dortmund.
*672. - Krummaoher, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Münster
(Westf.).
673. - Laureck,prakt.Arzt inSohalke-Gelsenkirohen, staatsärztl.appr.
674. - Liebetrau, Slreisassistenzarzt in Hagen (Westf.).
675. - Limper, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Gelsenkirohen.
*676. - Löer, Kreisarzt in Büren (Westf.).
677. - LUttig, Med.-Rat, Kreisarzt in Brilon.
678. - Mann, kommiss. Direktor der Prov.-Hebammenlehranstalt in
Paderborn.
679. - Mertens, Oberarzt an der Provinzial-Heil- xmd Pfiegeanstalt
in Lengerioh (Westf.), staatsärztl. approb.
680. - Meyer, San.-Rat in Olpe, staatsärztl. approb.
681. Meyer, Augenarzt in Hagen (Westf.), staatsärztL approb.
682. - Nauok, Med.-Rat, Kreisarzt in Hattingen (Ruhr).
683. - Nünninghoff, Med.-Rat, Kreisarzt in Bielefeld.
684 - Petermöller, prakt. Arzt in Oelde, staatsärztL approb.
685. - Pollack, Kreisarzt in Hörde.
*686. - Rapmund, Prof., Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Minden
(Westf.).
MitgliederverzeiohniB.
125
687. Dr. von Recklinghausen, Kreisarzt in Tecklenburg.
*688. - Rheinen, Med.-Rat, Kreisarzt in Herford.
689. - Roh erg, prakt. Arzt in Orevon (Westf.), staatsärztl. approb.
690. - Röper, Geh. Mod.-Rat, Kreisarzt in Arnsberg (Westf.).
691. - Rubarth, Geh. San.-Rat, 73irektor der Prov.-Heil- u. Pflege¬
anstalt in Niedermarsberf;.
692. - Sartorius, Rioh., Arzt an der Heil- und Pflegeanstalt Apler¬
beck (Kr. Hörde), staatsärztl. approb.
693. - Sohäffer, prakt. Arzt in Altena (Westf.), staatsärztl. approb.
694. - V. Soheibner, Chefarzt der Heilstätte Ambrook bei Hagen
(Westf.), Post Dahl (Kr. Hagen), staatsärztl. approb.
695. - Sohlautmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Münster (Westf.).
*696. - Schlüter, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Gütersloh.
697. - Schmidt, Kreisarzt in Warendorf.
698. - Soholand, Kreisarzt in Olpe.
699. - Schulte, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Hörde.
700. - Spanoken, Med.-Rat, Kreisarzt in Mesohede.
701. - Steinhaus, Stadtassistenzarzt in Dortmund.
*702. - Stühlen, Kreisarzt in Gelsenkirohen.
703. - Sudhoelter, Med.-Rat, Kreisarzt in Minden (Westf.).
704. - Tenholt. Geh. Med. - Rat, Chefarzt der Heilstätte Bering-
hausen hei Meschede.
705. - Többen, Med.-Rat, Kreisarzt in Recklinghausen.
706. - Többen, leitender Arzt der Irrenabteilung bei der König¬
lichen Strafanstalt in Münster (Westf.).
707. - V. Trzaska, Kreisarzt in Iserlohn.
708. - Voigt, prakt. Arzt in Holzwickede, staatsärztl. approb.
709. - Wolff, Kreisarzt und ständiger Hülfsarbeiter bei der Königl.
Regierung in Arnsberg (Westf.).
710. - Wollenweber, Kreisassistenzarzt in Bochum.
711. - Wolters, Kreisarzt in Coesfeld.
712. - Zumwinkel, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Gütersloh.
Prorlnz Hessen-Nassau.
713. Dr. Beinhauer, Med.-Rat, Kreisarzt in Höchst (Main).
714. - Bellinger, Kreisarzt in Usingen.
715. - Börner, Oberstabsarzt a. D. u. Kreisarzt in Eschwege.
716. - Cauer, Kreisarzt in Schlüchtern (Bez. Cassel).
717. - Coester, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Rinteln.
*718. - Drei sing, Med.-Rat, Kreisarzt in Cassel.
719. - Eichenberg, Med.-Rat, Kreisarzt in Hanau.
720. - Ewers, Kreisarzt in Hersfeld.
721. - Fab er, Med.-Rat, Kreisarzt in Rotenburg (Fulda).
722. - Floeok, Kreisarzt in Montabaur.
723. - Frank, Prof., Kreisassistenzarzt u. Leiter der Medizinalunter¬
suchungsstelle in Wiesbaden.
724. - Friedländer, Hofrat, Bes. d. Privatanstalt Hohe Mark (Taunus)
725. - Fromm, Kreisarzt in Frankfurt (Main).
726. - Frotsoher, Arzt an der Landes-Heil- und Pflegeanstalt in
Weilmünster (Oberlahnkreis), staatsärztl. approb.
126 Mitgliedorverzeiohnis.
727. Dr. Führer, Geh. San.-Rat, Kreisphjsikus a. D. in Wolfhagen
(Bz. Cassel).
728. - Qleitsmann, Geh. Med.>Rat, Kreisarzt in Wiesbaden.
729. - Grau, Med.-Rat, Kreisarzt in Gelnhausen.
730. - Hadlioh, Oberarzt ira Inf,-Regt. Nr. 81 in Frankfurt (Main),
staatsürztl. approb.
731. - Hans, Hospitalarzt in Limburg (Lahn), staatsärztl. approb.
732. - Heinemann, Med.-Rat, Kreisarzt in Cassel.
733. - Hildebrand, a. o. Professor u. Direktor des geriohtl. med.
Instituts, Kreisarzt in Marburg.
734. - Holthausen, Oberarzt am Landeshospital in Haina (Kloster),
staatsärztl. approb.
735. - Hüter, prakt. Arzt in Gelnhausen, staatsärztl. approb.
736. • Jannsen, Kreisarzt in Westerburg.
737. - Kahl, Kreisarzt in MelsTingen.
738. - KäBtner,prakt.ÄrztinSteinbaoh-Hallenberg,staat8ärztl.approb.
739. - Kimpen, Med.-Rat, Kreisarzt in Rüdesheim (Rhein).
740. - Klingelhöffer, (ieh. Med.-Rat, Kreisarzt in Frankfurt (Main)-
Saohsenhausen.
741. - König, San.-Rat, Stadtarzt in Frankfurt (Main).
742. - Kranepuhl, Kreisarzt in Rinteln.
743. - Krause, Geh. Med.-Rat und Mitglied des Prov.-Medizinalkolle*
giums in Cassel.
744. - Lambert, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Melsungen.
745. - Malous, Elreisassistenzaxzt in HUnfeld.
746. - Mannes, prakt. Arzt in St. Goarshausen, staatsärztl. approb.
747. - Marx, Med.-Rat, Kreisarzt in Fulda.
748. - Mayer, Med.-Rat, Kreisarzt in St Goarshausen.
749. - Meder, Direktor der Königl. Impfanstalt in Cassel.
750. - Mencke, Geh. Med.-Rat, Eireisarzt in Weilburg.
761. - Mumm, Geh. San.-Rat, Kreisphys. a. D. in Gelnhausen.
752. - Oberstadt, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Langenschwalbach.
753. - Petsohull, Kreisarzt in Diez.
754. - Pfeiffer, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Wiesbaden.
755. • Pilf, Kreisassistenzarzt in Wiesbaden.
*756. - Rookwitz, Reg.- und Med.-Rat in Cassel.
757. - Roselieb, Kreisarzt in Wolfhagen (Bz. Cassel).
758. - Roth, Med.-Rat, Geriohtsarzt in Frankfurt (Main).
759. - Sch aus, Kreisarzt in Marienberg (Westerwald).
760. - Sohauss, Med.-Rat, Kreisarzt in Dillenburg.
761. - Sc herb, Kreisarzt in Fritzlar.
762. - Schotten, Med.-Rat und Mitglied des Pro7.-MedizinalkoUgiums
in Cassel.
763. - Sohuchhardt, prakt Arzt in Haohenbuig (Westerwald),
staatsärztl. approb.
764. - Schultz, Kreisarzt in Hofgeismar.
765. - El. S i m 0 n, prakt. Arzt in Frankfurt (Main), staatsärztl. approb.
*766. - Sonntag, Kreisarzt in Witzenhausen.
767. - Stadtfeld, prakt. Arzt in Wiesbaden, staatsärztl. approb.
*768. - S1611 z i n g, Kreisarzt in Ziegenhain (Bez. Cassel).
Mitgliederveneiohnis.
127
769. Dr. Tenbaum, Kreisarzt in Biedenkopf.
770. - vonTessmar, Mod.-Rat, Kreisarzt in Limburg (Lahn).
771. - Tuczek, Geh. Med.-Rat u. Professor in Marburg, Mitglied des
Medizinalkollegiums für die Provinz Hessen-Nassau.
*772. - yahle, Kreisarzt in Frankenberg (Hessen-Nassau).
778. - Werner, Kreisarzt in Schmalkalden.
774. - Wittioh, Kreisassistenzarzt in Cassel.
*775. - Wolf, Kreisassistenzarzt in Marburg.
776. - Ziehe, Med.-Rat, Kreisarzt ln Hombiirg v. d. H.
RheinproTlnz und HohensoUern.
777. Dr. Albert, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Meisenheim.
778. - Altendorf, Med.-Rat, Kreisarzt in Prüm.
779. - Asohaffenburg, Prof, der Psychiatrie in Cöln.
780. - Bachem, Kreisarzt in Euskirchen.
781. - Bahr, Kreis- u. Stadtarzt in Duisburg.
782. - Baizar, Kreisarzt in Heddesdorf (Kreis Neuwied).
783. - Baum, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Aachen.
784. - Berg, Gerichtsarzt in Düsseldorf.
786. - Berger, Kreis- u. Stadtarzt in Krefeld.
786. - Borntraeger, Geh. Med.-Rat, Reg.-u. Med.-Rat in Düsseldorf.
787. - Braun, Kreisarzt in Wetzlar.
788. - Braun, Geh. Med.-Rat, Geriohtsarzt in Elberfeld.
789. - Brookhaus, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Godesberg.
790. - Burkart, prakt. Arzt in Mülheim (Ruhr), staatsärztl. approb.
791. - Burkharth, Oberamtsarzt in Gammertingen (HohenzoUern).
792. - Garp, Med.-Rat, Kreisarzt in Wesel.
793. - Clären, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Bonn.
794. - Glarfeld, prakt. Arzt in Solingen, staatsärztl. approb.
795. - Clauditz, Kreisarzt in Remscheid.
796. - D a h m, Leiter des bakteriologischen Laboratoriums in Duisburg.
797. - Daske, Stadtassistenzarzt in Düsseldorf-Grafenberg.
798. - Dennemark, Oberarzt im Inf.-Regt. Nr. 39 in Ehrenbreitstem,
staatsärztl. approb.
799. - Ehlers, Kreisassistenzarzt in Trier.
800. - Eickhoff, Med.-Rat, Kreisarzt in Siegburg.
801. - Engels, Kreisarzt in Gummersbach.
802. - Esch-Waltrup, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Cöln.
803. - Falkenbach, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Mayen.
*804. - V. Fewson, Baron, Kreisarzt in Ahrweiler.
805. - Finkler, Geh. Med.-Rat, ord. Professor und Direktor des hygie¬
nischen Instituts in Bonn.
806. - Fischer, Kreisassistenzarzt in Essen (Ruhr).
807. - F 0 c k e, prakt. Arzt in Düsseldorf, staatsärztl. approb.
808. - Frech, Kreisassistenzarzt a. D. in Koblenz.
809. - Fr icke, Stadtassistenzarzt in Duisburg.
810. - Fritsch, Geh. Ober-Med.-Rat u. ord. Professor in Bonn, Mit¬
glied des MedizinalkoUegiiuns für die Rheinprovinz.
- Gasters, Kreis- u. Stadtarzt in Mühlheim (Ruhr).
811.
128
Mitgliederyeraeiohnis.
812. Dr. Grape, Kreisassistenzarzt und Leiter der Medizinal«Unter-
suohungsstelle in Sigmaringen.
818. - Grisar, Geh. Med.>Rat, Reg. u. Med.-Rat in Koblenz.
814. - Heinriohs, Med.-Rat, Kreisarzt in Jttlioh.
816. * Herbst, Kreisarzt in Kempen (Rhein).
816. - Herlitzius, Kreisarzt in Erkelenz.
817. • Herting, Direktor der Prov.-Heil- u. Pflegeanstalt in Galk-
hausen (Post Langenfeld, Rhld.)
818. - Hilgermann, Kreisarzt und Vorsteher des Medizinal - Unter-
suohungsamtes in Goblenz.
819. - Hillebrand, Kreisarzt in Bergheim (Erft).
820. - Hoechst, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Wetzlar.
821. - Hofaoker, Kreisarzt in Düsseldorf.
822. - Hoffa, Theodor, prakt. Arzt in Barmen, staatsärztl. approb.
823. - Hoffmann, Med.-Rat, Kreisarzt in Trier.
824. - Hohn, Leiter des hakteriolog. Laboratoriums in Essen (Ruhr).
825. - Isfort, Kreisarzt in Call.
826. - Jannes, Arzt des Kreispflegehauses in Esohweiler.
827. > Joesten, Josef, prakt. Arzt in (^In-Ehrenfeld, staatsärztl.
approb.
828. - Kessel, Kreisarzt in Rheinbaoh.
829. - Kettler, Geriohtsarzt in Duisburg.
830. - Kirohgässser, Kreisarzt in Koblenz.
831. - Kirsch, prakt. Arzt in Ehipen, staatsärztl. approb.
832. • Klare, Kreisassistenzarzt in Saarbrücken.
833. - Klein, Kreisarzt in St. Goar.
834. - Klein, Geriohtsarzt in Essen (Ruhr).
835. - Knepper, Kreisarzt a. D. imd Vertrauensarzt der Landes*
Versicherungsanstalt in Düsseldorf.
836. - Ko epp e, Med.-Bat, Kreisarzt in Zell (Mosel).
837. - Kohlmann, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Koblenz.
838. - Krause, Kreis- u. Stadtarzt in München-Gladbach.
839. - Krautwig, Beigeordneter in C5ln.
840. - Kriege, Kreis- u. Stadtarzt in Barmen.
841. • Kruse, a. o. Professor in Bonn.
842. - Kypke-Burohardi, Kreisarzt in Bitburg (Bz. Trier).
843. - Ledermann, Med.-Rat, Kreisarzt in Saarlouis.
844. - Lehmann, Kreisarzt in BemkasteL
846. - Lehnen, prakt. Arzt in Gerolstein, staatsärztl. approb.
*846. - Lembke, Kreisarzt in Kreuznach.
847. - Linok, Kreisarzt in Mörs.
848. - Litterski, Med.-Rat, EZreisarzt in Mayen.
*849. - Lohmer, Kreisassistenzarzt in Cöln.
850. - Longard, San.-Rat, Geriohtsarzt a. D. imd Direktor des Fürst
Carl - Landeshospitals in Sigmaringen.
851. - Marx, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Bonn.
852. - Mayer, Kreiswimdarzt a. D. in Simmern.
853. - Meder, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Altenkirohen (Westerwald).
854. - Meder, Kreisarzt u. Direktor der Königlichen Impfanstalt in
Cöln.
Mitgliederverzeiohnis.
129
855. Dr.
856. -
857. -
858. -
859. -
860. -
861. -
862. -
•863. -
864. -
866 . -
866 . -
867. -
868 . -
869. -
870 -
871. -
872. -
873. -
874. -
875. -
876. -
877. -
878. -
*879. -
880. -
881. -
882. -
883. -
884. -
885. -
886 . -
887. -
888 . -
889. -
890. -
891. -
892. -
893. -
894. -
896. -
896. -
897. -
898. -
Meerbeok, Kreisarzt in Mülheim (Rhein).
Meyer, Med.-Rat, Kreisarzt in Lennep.
Michels, Med.-Rat, Kreisarzt in Adenau.
Müller, prakt. Arzt in Mettmann, staatsärzÜ. approb.
Müller, Aug., prakt. Arzt in Münohen-Gladbaoh, staatsärztl.
approb.
Neuhaus, San.-Rat und leitender Arzt d. Dep.-Anstalt für
Geisteskranke in Düsseldorf.
Niemeyer, Med.-Rat, Elreisarzt in Neuss.
Orthmann, Oberarzt in Cöln-Lindenthal.
Paffrath, Med.-Rat, Kreisarzt in Cleve.
Peren, Kreisarzt in Montfoie.
Peretti, San.-Rat u. Direktor der Heil- u. Pflegeanstalt in
Düsseldorf - Grafenberg.
Petersen, Kreisphysikus a. D. in Düsseldorf.
Plempel, Geriohtsarzt in Cö'ln.
Pollitz, Direktor der Königl. Strafanstalt in Düsseldorf.
Prigge, Assistent an der bakteriol. Untersuohungsanstalt in
Saarbrücken, staatsärztl. approb.
Püllen, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Grevenbroich.
Racine, Med.-Rat, Kreisarzt in Essen (Ruhr).
Rathmann, Kreisarzt und ständiger Hilfsarbeiter bei der
Königl. Regierung in Düsseldorf-Grafenberg.
Reokmann, Kreisarzt in Geldern.
Renner, prakt. Arzt in Neuss, staatsärztl. approb.
Ri ecken, Med.-Rat, Kreisarzt in Malmedy.
Reeder, Med.-Rat, Kreisarzt in Vohwinkel.
Roller, Med.-Rat, Kreisarzt in Trier.
Rühs, Stadtassistenzarzt in Barmen.
Rusak, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Göln.
Schelowsky, prakt. Arzt in Sterkrade, staatsärztl. approb.
Schlecht, Regierungs- u* Med.-Rat in Trier.
Sohlegtendal, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Aachen.
Schmidt, Kreisarzt in Neunkirohen (Bez. Trier).
Schmitz, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Aachen.
Sohrakamp, Med.-Rat, Stadt- u. Kreisarzt in Düsseldorf.
Schrammen, prakt. Arzt in Cöln, staatsärztl. approb.
Schubert, Med.-Rat, Kreisarzt in Göln.
Schulz, Geh. Med.-Bat, Kreisarzt a. D. in Koblenz.
Schumacher, Kreisassistenzarzt in Trier.
Schwabe, Kreisarzt in Saarbrücken.
Sohwass, Geh. Med.-Rat u. Hofrat, Regier.- u. Med.-Rat in
Sigmaringen.
Söhle, Kreisarzt in WaldbröL
Stauss, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Heohingen.
Steinbaoh, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Beuel.
Stoffels, Kreisarzt in Wipperfürth.
Stoffels, prakt. Arzt in Mörs, staatsärztl. approb.
Thiele, Med.-Rat, Kreisarzt in Goohem.
Thoma, San.-Rat, Kreiswundarzt a. D. in Aachen.
9
130
Mitgliederverzeiohnis.
899. Dr. Thywissen, prakt. Arzt in Neuss, staatsärztl. approb.
900. - Tietz, Kreisarzt in St. Wendel.
901. - Ueberholz, Kreisarzt in Wittlich.
902. - Ungar, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Prov.-MedizinalkollegiuiDs,
Geriohtsarzt u. a. o. Prof, in Bonn.
903. - Vieson, Med.-Rat, Kreisarzt in Merzig.
904. - Volkmuth, Med.-Rat, Kreisarzt in Saarburg.
*905. - Vollmer, Kreisarzt in Simmem.
906. - Waohendorff, prakt. Arzt in Stolberg (Rhl.), staatsärztl.
approb.
*907. - W e X, Med.-Rat, Kreisarzt in Düren (Rhld.).
9U8. - Windheuser, Kreisarzt in Daun.
909. - Wirsch, Med.-Rat, Kreisarzt in Bonn.
910. - Wirtz, Kreisassistenzarzt in Cöln.
911. - Wolff, Med.-Rat, Kreisarzt in Elberfeld.
912. - Woltemas, Med.-Rat, Kreisarzt in Solingen.
918. - Zibell, Kreisarzt u. Vorsteher der Medizinal-Untersuehungs-
stelle in Düsseldorf.
914. - Zillessen, Kreisarzt in Heinsberg (Rhld.).
Ausserdem:
915. Dr. Adam, Stabs- u. Bataillonsarzt in Diedenhofen.
916. - Bürger, prakt. Arzt in Mehlis (Thüringen), staatsärztl approb.
*917. - Kühnemann, Oberstabs- und Regimentsarzt in Straßburg
(Elsaß), staatsärztl. approb.
918. - Mosebaoh, prakt. Arzt in Idar, staatsärztl. approb.
919. - Neuhaus, Oberstabsarzt a. D., Bezirksarzt in Gera.
920. - Neumann, Leiter der bakteriologischen Untersuchung.sstelle
in Idar.
921. - Peters, Kreisarzt a. D. in Hamburg.
*922. - Schulze, prakt. Arzt in Zerbst, staatsärztl approb.
928. - Symanski, Leiter des bakteriologischen Untersuohuugsamts
in Metz, staatsärztl. approb.
M. KAnigTeleh Bayern.
924. Dr. Alafberg, Bezirksarzt in Ludwigshafen (Rh.).
925. - Angerer, Bezirksarzt in München.
926. - V. Angerer, k. Geh. Rat, üniversitätsprofessor, Generalarzt
ä la stiite des Sanitäts-Corps in München.
927. - Appel, Bezirksarzt in Straubing.
928. - Aschenbrenner, Bozirksarzt in Gerolzhofen.
939. - Auer, Bezirksarzt in Bad Aibling.
930. - Aumüller, Bezirks- u. Krankenhausarzt in Roding.
931. - Bald, Bezirksarzt in Weissenburg (Bayern).
932. - Barthel, Theod., Nervenarzt in Nürnberg, staatsärztl. approb.
933. - Bauer, Karl, bezirksärztl Stellvertreter u. Bahnarzt in Nord¬
halben.
934. - Bauer, Philipp, Bezirksarzt in Neunburg v. Wald.
985. - Baumann, Landgerichtsarzt in Fürth (Bayern).
Mitglioderverzeiohnis.
131
936. Dr. Baumgart, Bezirksarzt in Miltenberg.
937. - Bayerl, Landgerichtsarzt in Deggendorf.
938. - Bayersdörfer, prakt. Arzt in Neustadt (Hardt), staatsärzti.
approb.
939. - Becher, prakt. Arzt in Schöllkrippen (Ufr.), staatsärzti. appr.
940. - Beck, Med.-Rat u. Bezirksarzt in Eichstätt.
941. - Becker, Karl, prakt. Arzt in Speyer, staatsärzti. approb.
942. - Becker, Karl, Bezirksarzt, Bahnarzt u. Geföngnisarzt in MUnohen.
943. - Becker, Georg, Bezirksarzt in Kirchheimbolanden.
944. - Behr, Valentin, prakt. Arzt in WUrzburg, staatsärzti. approb.
946. - B eisei e, Hans, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Tutzing, staatsärzti. appr.
946. - Beltinger, prakt. Arzt in Nördlingen, staatsärzti. approb.
947. - Bergmann, Bezirksarzt in Staffelstein.
948. - Bernhuber, Franz, Krankenhausarzt in Altötting, staatsärzti.
approb.
949. - Betz, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Beilngries, staatsärzti. approb.
950. - Beyer, Bezirksarzt in Cham.
951. - Bi hl er, Bezirksarzt u. Gefängnisarzt in MUnohen.
952. - Bisohoff, Bezirksarzt in Elrlang^n.
953. - Bit ton, Bezirksarzt in Forchheim (Bayern).
954. - Blaohian,k. Oberarzt der Kreisirrenanstalt in Wemeck.
955. - Bl an alt, Bezirksarzt in WUrzburg.
956. - Bleser, prakt. Arzt in Alzenau, staatsärzti. approb.
957. - BlUmm, Joh. Ed., Bezirksarzt in Neustadt (Saale).
958. - BlUmm, Hermann, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Obernburg.
959. - Boeoale, Bezirksarzt in Stadtamhof.
960. - Böhm, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Augsburg.
961. - Borger, Bahnarzt in Helmbrechts, staatsärzti. approb.
962. - Boy4, prakt. Arzt in Kirchheimbolanden, staatsärzti. approb.
963. - Brand, Bezirksarzt u. Medizinabrat in FUssen.
964. - Braun, Adolf, prakt. Arzt in Bergtheim bei WUrzburg, staats¬
ärzti. approb.
965. - Braun, Friedrich, Bezirksarzt in Eulmbaoh.
966. - Braun, Lorenz, Bezirksarzt in Königshofen.
967. - Braun,Rud., prakt. Arzt in Markt Sugonheim, staatsärzti. approb.
9(38. - Bredauer, Bezirksarzt in Wolfratshausen.
9(39. - Breunig, Bezirksarzt in Mainburg.
970. - Brinsteiner, Bezirksarzt in Landsberg (Lech).
971. - BrodfUhrer, Krankenhausarzt in Schliersee (Oberb.).
972. - Bruglocher, Reg.- u. Kreismedizinalrat in Ansbach.
973. - Brusius, bezirksärztlioher Stellvertreter in Erbendorf.
974. - Bschorer, Bezirksarzt in Neustadt (Aisch).
975. - Bub, Bezirksarzt in Augsburg.
976. - BUller, Bezirksarzt in Stadtsteinach.
977. - Bullinger, prakt. Arzt in Burgkundstadt, staatsärzti. approb.
978. - Bunz, prakt. Arzt in Regensburg, staatsärzti. approb.
979. - Burgl, Landgeriohtsarzt, Hausarzt bei denGeriohtsgefängnissen
in Nürnberg.
980. - Burkart, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Rosenheim.
981. - Burkhardt, londgeriohtl. Phys.-Assistent in Nürnberg.
9*
132
Mi bglioderverzeiobnis.
982.
Dr.
98.3.
•
984.
-
985.
•
986.
-
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08&
-
989.
-
990.
-
991.
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992.
-
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994.
•
996.
-
996.
997.
-
998.
-
999.
1000.
-
1001.
-
1002.
-
1003.
-
1004.
•
1006.
-
1006.
-
1007.
-
1008.
-
1010.
-
1011.
-
1012.
-
1013.
-
1014.
-
1015.
-
1016.
_
1017.
-
1018.
-
1019.
-
1020.
-
1021.
-
1022.
-
CI essin, Oskar, prakt. Arzt in GlanmUnohweiler, staatsSrztl.
approb.
V. Dall’Armi, Bezirksarzt in München.
Dehler, Oberarzt der Abteilung für körperliche Kranke der
Kreisirrenanstalt in Frankenthal (Pfalz), staatsärztL approb.
Demuth, Reg.- u. Kreis - Med.-Rat in Speyer.
Deppisch, bezirksärztl. Stellvertreter in Pottenstein.
Desing, prakt. Arzt in Mömsheim, staatsärztl. approb.
Detzel, Bezirksarzt in Rookenhausen.
Diel mann, prakt. Arzt in Schweinfurt, staatsärztl approb.
Dietrich, bezirksärztl. Stellvertreter, Bahnarzt u. Postarzt in
Amstein.
Dietsch, Bezirksarzt in Hof (Saale).
Dischinger, prakt. Arzt u. Bahnarzt in München, staatsärztl.
approb.
Döderlein, prakt. Arzt in Reiohelsdorf b.Nürnberg, staatsärztl.
approb.
Doepke, prakt Arzt in Bamberg, staatsärztl. approb.
Dörfler, Spezialarzt für Chirurgie in Regensburg, staatsärztl.
approb.
Dollmann, Ohrenarzt in München, staatsärztL approb.
Dorffmeister, Reg.- u. Kreis-Med.-Rat in Regensburg.
Dorsch, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Donauwörth, staatsärztl.
approb.
Dreyfuss, prakt. Arzt in Kaiserslautem, staatsärztl. approb.
Drossbaoh, Bezirksarzt in Waldmünohen.
V. Ebner, Freiherr, Schularzt u.Physikatsassistent in Nürnberg.
Eccard, Direktor der Kreisirrenanstalt in Frankenthal (Pfalz).
Eckert, Fritz, prakt. Arzt in Oberhausen bei Augsburg,
staatsärztl. approb.
Edenhofer, Bezirksarzt in Regen (Nordbayera).
Eder, Bezirsarzt in Grafenau.
Egger, Reg.- u. Kreis-Med.-Rat in Würzburg.
Eisenhofer, Bezirksarzt in Parsberg.
Eller, prakt. Arzt in Grünstadt, staatsärztl. approb.
Endres, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Blertissen (Schwaben).
Entres, Josef, Landgeriohtsarzt in Weiden.
Enzensberger, Bezirksarzt in Kemnath.
Erdt, Landgeriohtsarzt in München.
Ernst, prakt. Arzt in Hof (Saale), staatsärztl. approb.
Erras, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Kolbermoor, staatsärztl.
approb.
Ertl, Bezirksarzt in Landau (Isar).
Esohwig, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Laufen.
Faber, Bezirksarzt und Landgeriohtsarzt in Zweibrüoken.
Federsohmidt, Bezirksarzt in Dinkelsbühl.
Feyerle, Bezirksarzt in Hilpoltstein.
Fiedler, prakt. Arzt in Landstuhl, staatsärztL approb.
Fink, bezirksärztlioher Stellvertreter in Regenstauf.
MitgliederyeneichniB.
133
1023. Dr. Fischer, Distriktskrankenhausarzt in Hutthurm.
1024. - Fleisohmann, Anstaltsarzt in Lichtenau (Mittelfranken),
staatsSrztl. approb.
1025. - Flierl, Bezir^arzt u. Bahnarzt in Schweinfurt.
1026. - Fortner, Bezirksarzt in Bad Tölz.
1027. - Frank, Bezirksarzt in Zweibrlloken.
1028. - Franke, Hans, prakt. Arzt in Weißenburg (Bayern), staatsärztl.
approb.
1029. - Frantz, Richard, bezirksärztl. Stellvertreter in Grttnstadt.
1030. - Frickhinger, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Schrobenbausen.
1031. - Fritz, Oberarzt der Ereis-lrrenanstalt in Bayreuth.
1032. - Fuchs, Bezirksarzt in Dingolfing.
1033. - Gaggell, Bezirksarzt a. D. in Trulben (Pfalz).
1034. - Gaill, Bezirksarzt a. D. in München.
1035. - Gast, prakt. Arzt in Immenstadt, staatsärztl. approb.
1036. - Gebhardt, Bezirksarzt in Yieohtaoh.
1037. • Geiger, bezirksärztlicher Stellvertreter in Hemau.
1038. - Gernand, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Alzenau.
1039. - Gernert, Mich., prakt. Arzt in Nürnberg, staatsärztl. approb.
1040. - Gessele, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Traunstein, staatsärztl.
approb.
1041. - G i e r e r, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Wendelstein, staatsärztl. appr.
1042. - Glauning, Physikatsassistent in Nürnberg.
1043. • Glenk, prakt. Arzt in Buohloe, staatsärztl. approb.
1044. - Gmehling, Bezirksarzt in Burglengenfeld.
1045. - Göttling, Direktorder Entbindungsanstalt und Hebammen-
sohule in Bamberg.
1046. - Götz, Herrmann, prakt. Arzt in Aichaoh, staatsärztl. approb.
1047. > Götz, Karl, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Nördlingen.
1048. - Gopppelt, prakt. Arzt in Treuohtlingen, staatsärztl. approb.
1049. - Goy, Bezirksarzt imd Med.-Rat in Ochsenfurt.
1050. - Grab, prakt. Arzt in Hengersberg, staatsärztl. approb.
1051. - Grahamer, Jakob, Bezirksarzt in Memmingen.
1052. - Grahamer, Karl, Bezirksarzt in Rottenburg (Neckar).
1053. - V. Grashey, Geheimer Rat, Referent im Staatsminist, d. Innern
u. Vorsitzender des Obermedizinal-Ausschusses in München.
1054. - Grasmann, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Regensburg.
1055. - Grassl, Bezirksarzt in Lindau (Bodensee).
1056. - Grassier, Bezirksarzt in Berchtesgaden.
1057. - Greiner, Bezirksarzt in Amberg.
1058. - Grimm, prakt. Arzt in Eklenkoben, staatsärztl. approb.
1059. - Gros, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Sobwabmünohen.
1060. - Grüb, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Freising.
1061. - Grub er, Bezirksarzt, Bahnarzt u. Gefängnisarzt in München-
Giesing.
1062. - Grundier, Bezirksarzt in Neumarkt (Oberpfalz).
1063. - Günther, Bezirksarzt in Höchstadt a. Aisch.
1064. - Gutermann, prakt. Arzt in Unterthingau, staatsärztl. approb.
1065. - Haass, bezirksärztl.Stellvertr. u. Bahnarzt in Altdorf b. Nürnberg.
1066. • Härtl, Hofarzt u. Bezirksarzt in Wasserburg (Inn).
134
MitgliedcrvorzeioluiiB.
1067. Dr. Hagen, bezirksSrztl. Stellvertreter und Oberstabsarzt a. D. in
Windsheim.
1068. - Hahn, prakt. Arzt in Niederkirohen b. Kaiserslautem, staats-
ärztlioh approb.
1069. - Handsohuch, Bezirksarzt in Homburg (Pfalz).
1070. - Harder, Bezirksarzt in Nürnberg.
1071. - Hartmann, Bezirksarzt in Pfaffenhofen a. Ilm.
1072. - Hausladen, prakt. Arzt in Schäftlarn, staatsärztl. approb.
1073. - Hausmann, Bezirksarzt in Daohau.
1074. - Heilmaier, Oskar, prakt. Arzt in Würzburg, staatsärztl. appr.
1075. - Heinsen, Nervenarzt in Augsbimg, staatsärztl approb.
1076. - Heiss, Adolf,* Krankenbausarzt in Starnberg, staatsärztl appr.
1077. - Heissler, Bezirksarzt in Neuburg (Donau).
1078. - Held, Heinr., Bezirksarzt u. Hausarzt a. Zuohth. in Straubing.
1079. - Helmerioh, bezirksärztl Stellvertreter in Sesslach.
1080. - Henkel, Bezirksarzt in München.
1081. - Hennig, bezirksärztl. Stellvertreter in Winnweiler.
1082. - Hermann, Friedrich Anton, Landgeriohtearzt in München.
1083. - Herrmann, Franz, Bezirksarzt in Germersheim.
1084. - Hertel, prakt. Arzt in Hagenbaoh (Pfalz), staatsärztl. approb.
1085. - Hess, Med.-Rat, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Wunsiedel.
1086. - Heydner, prakt. Arzt in Obemzenn, staatsärztl approb.
1087. - Hinker, bezirksärztl Stellvertreter in Rotthalmünster.
1088. - Hook, prakt. Arzt in Wö'rth a. Main, staatsärztl. approb.
1089. - Hoeohstätter, bezirksärztl Stellvertreter und Bahnarzt in
Stadtprozelten.
1090. - Hörmann V. Hörbaoh, Med.-Rat, Bezirksarzt in Speyer.
1091. - Hoerrner, Bezirksarzt in St. Ingbert
1092. - Hösch, Hugo, Oberarzt am Distrikts - Krankenhaus in Pasing.
1093. - Hösch, Paul, Assistenzarzt am Distriks-Krankenhaus in Pasing.
1094. - V. Hösslin, Landgeriohtsarzt in Landau (Pfalz).
1095. - Hofmann, Franz, Bezirksarzt in Würzburg.
1096. - Hofmann, Heinr., prakt. Arzt in Hilpoltstein, staatsärztl
approb.
1097. - Hofmann, Moritz, Prof., Med.-Rat u. Landgerichlsurzt in
München.
1098. - Hofmann, Theod., Bezirksarzt in Mellrichstadt.
1099. - Hofmeister, prakt. Arzt in Schleifiheim, staatsärztl. approb.
1100. - Hohenberger, prakt. Arzt in Sommeraoh, staatsärztl approb.
1101. - Hollaender, prakt. Arzt in Arzberg (Bz. Amt Wunsiedel).
staatsärztl. approb.
1102. - Horeld, Hausarzt an der Gefangenanstalt in Sulzbacb.
staatsärztl. approb.
1103. - Huber, Franz, Krankenhaus- u. Bahnarzt in Fladungen.
1104. - Huber, Richard, prakt. Arzt in Brand b. Markt-Redwitz,
staatsärztl. approb.
1105. - Hug, Bezirksarzt in Donauwörth-Yohenstrauss.
1106. - Illing, bezirksärztlicher Stellvertreter in Markt - Erlbach.
1107. - Imhof, prakt. Arzt in Schellenberg, staatsärztl. approb.
1108. - Jourdan, prakt. Arzt in München, staatsärztl approb.
1109. - Kablert, prakt. Arzt in Hof (Saale), staatsärztl. approb.
Mitgliedei'verzeiohnis.
135
1110. Dr. K a r 1, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Deggendorf, staatsärztl. approb.
1111. - Karrer,^Med.-Rat u. Direktor der Kreisirrenanstalt in Klingen-
mUnster.
1112. - Kaspar, Bahnarzt in München, staatsärztl. approb.
1113. - Kaufmann, Veit, Hofrat u. Bezirksarzt a. D. in Bad Dürkheim
1114. - Kaufmann, Sally, prakt. Arzt in Bad Dürkheim, staatsärztl.
approb.
1115. - Keller, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Heimenkiroh, staatsärztl.
approb.
1116. - Kern, prakt. Arzt in Pirmasens, staatsärztl. approb.
1117. - Kersohensteiner, prakt. Arzt in Neubeuern (Inn), staats-
ärztlioh approb.
1118. - Ketterl, Peter, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Cham, staatsärztl.
approb.
1119. - Kienningers, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Sonthofen.
1120. • Kihn, Bezirksarzt in Marktheidenfeld.
1121. • Kirsoh,Christian, prakt. Arzt u.Bahnarzt in Aubing b.München,
staatsärztl. approb.
1122. - Klemz, Landgeriohtsarzt in Memmingen.
1123. - Klingel, prakt. Arzt u. städt. Schularzt in Nürnberg.
1124. - Kn ehr, Heinrich, Nervenarzt in Nürnberg, staatsärztl. approb.
1125. - Knorz, prakt. Arzt u. Krankenhausarzt in Prien, staatsärztl.
approb.
1126. - Koch, Phil., prakt. Arzt in Waldmohr (Pfalz), staatsärztl. approb.
1127. - Köhl, prakt. Arzt in Naila, staatsärztl. approb.
1128. • Körber, Medizinalrat, Bezirks-u. Zuohthausarzt in Würzburg.
1129. - Krämer, Bezirksarzt in Naila.
1130. - Kraus, Landgeriohtsarzt in Sohweinfurt.
1181. - Krembs, prakt. Arzt und Bahnarzt in Schongau, staatsärztl.
approb.
1132. - Kreuz, bezirksärztl. Stellvertreter u. Bahnarzt in Dettelbach.
1133 - Kröhl, bezirksärztl. Stellvertreter in Schesslitz.
11.-14. - Kühn, Bezirksarzt und Landgeriohtsarzt in Frankentbal (Pfalz).
11JJ5. - Kufuer, Landgeriohtsarzt in Passau.
1136. - KundmUller, Bezirksarzt in Hofheim.
1137. - Kundt, Direktor der Kreisirrenanstalt in Deggendorf.
1138. - Lacher, Hofrat u. prakt. Arzt in Berchtesgaden, staatsärztl.
approb.
1139. - Landgraf, Hofrat u. Krankenhausarzt in Bayreuth.
1140. -j},Lauer, Bezirksarzt in Riedonburg.
1141. - Lechleuthner, Karl, prakt. Arzt in Rosenheim, staatsärztl.
approb.
1142. - Lehner, prakt. Arzt in Frankenthal (Pfalz), staatsärztl. appr.
1143. - Leonpacher, Mod.-Rat u. Landgeriohtsarzt in Traunstein.
1144. - Löffler, Bezirksarzt in Bamberg.
1145. - Löhe, prakt. Arzt in Dinkelscherben bei Augsburg, staats¬
ärztl. approb.
1146. - Lottner, Bezirksarzt in Griesbach (Niederbayem).
1147. - Luckinger, Landgeriohtsarzt u. Bahnarzt in Regensburg.
1148. - Lust, Bezirksarzt in Kaufbeuren.
136
Mitgliederverzoiohnis.
1149. Dr. Lutz, Hans, Bezirksarzt in Liohtenfels.
1160. - Lutz, Emst, prakt. Arzt in Sohnaitsee b. Traunstein,
staatsSrztl. approb.
1161. - Maar, Bezirksarzt in Hammelburg.
1162. - Mädl, prakt. Arzt in Kempten, staateärztl. approb.
1163. - Mangelsdorff, Bezirksarzt in GemUnden a. M..
1164. - Mann, Bezirksarzt in Pirmasens.
1166. • Martins, prakt. u. Krankenhausarzt in Eulmbaoh, staatsärztl.
approb.
1166. - Marz eil, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Elitzingen.
1167. - Mayer, Franz Xaver, Bezirksarzt in Pfarrkirchen.
1168. - Mayer, Landgeriohtsarzt u. Med.-Kat in Amberg.
1169. > Mayer,Garl, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Rothenburg ob d. Tauber.
1160. • Mayer, Wilhelm, prakt. Arzt in München, staatsärztl. approb.
1161. • Mayr, Ludwig, prakt. Arzt in Ismaning b. München, staats-
Krztlich approb.
1162. • Medious, Franz, prakt. Arzt imd Bahnarzt in Bobingen,
staatsärztl. approb.
1163. - Meixner, prakt. Aizt in Liohtenfels, staatsärztl. approb.
1164. - V. Merkel, Gottlieb, Ober-Med.-Rat u. Bezirksarzt a. D. iu
Nürnberg.
1165. - Merkel, Hermann, Privatdozent für geriohtL Medizin und
Suppleant des Medizinalkomites in Elrlangen.
1166. - Merkel, Sigmund, Physikats-Assistent in Nürnberg.
1167. - Miller, Bezirksarzt in Ingolstadt.
1168. - Minderlein, Friedr., prakt. Arzt in Oittenheim, staatsärztl.
approb.
1169. - Moeges, Bezirksarzt ln Tirschenreuth.
1170. • Müller, Jos. Ludwig, prakt. Arzt in Berg a. Laim, Staat särzt.
approb.
1171. - Müller, Julius, Bezirksarzt in Aiohaoh.
1172. - Müller, M., bezirksärztl. Stellvertr. u. Bahnarzt in Riedenburg.
1178. - M ü t z e 1, prakt. Arzt in Krumbach (Schwab.), staatsärztl. approb.
1174 - Neidhardt, Bezirksarzt in Zusmarshausen.
1176. - Neumüller, Bezirksarzt in Wertingen.
1176. - Niokles, Heinrich, prakt. Arzt in Hirsohaid, staatsärztl. approb.
1177. • Niedermair, Bezirksarzt in Karlstadt.
1178. - N 0 d e r, Pet., Bezirksarzt u. Bahnarzt in Mindelheim.
1179. - No der, Anton, prakt. Arzt in Türkheim, staatsärztl. approb.
1180. - Nothaass, Bezirksarzt u. Ba hn arzt in Günzburg.
1181. - Oberhofer, Michael, Krankenhausarzt in Hollfeld, staats¬
ärztl. approb.
1182. > Obermayr, Bezirksarzt in Ansbach.
1183. - Oberweiler, Bezirksarzt in Elsohenbaoh.
1184. - Oohsenkühn, Jos., bezirksärztl. Stellvertreter in Sohwandorf.
1186. - Osohmann, Georg, Bahnarzt in Hammelburg, staatsärztl.
approb.
1186. - Osohmann, Max, bezirksärztl. Stellvertreter in Euerdorf
(Unterfranken).
1187. - Ott, Bezirksarzt in Garmisoh.
MitgliederverzeiohniB.
0
137
1188. Dr. Pallikan, Paul, PhysikatsassiBtent in MUnohen,
1189. - Palmedo, bezirksärztl. Stellvertreter u. Bahnarzt in Roth
bei Nürnberg.
1190. • Petritsohek, Jos., Spezialarzt für Chirurgie in Mttnohen»
staatsärztl. approb.
1191. - Pfeiffer, k. Landgeriohtsarzt u. Bahnarzt in Hof (Saale).
1192. - Piokl, Langeriohtsarzt in Eiohstätt.
1193. - PI aut h, Bezirksarzt in Kusel (Pfalz).
1194. - y. Pracher, bezirksSrztl. Stellvertreter in Tegernsee.
1195. - Preisendoerfer, Bezirksarzt in Lohr.
1196. - Probst, prakt. Arzt in Untergriesbach, staatsärztl. approb.
1197. - Pürokhauer, Reg.- u. Kreismedizinalrat in Bayreuth.
1198. - Putsoher, Bezirksarzt in Sohongau.
1199. - Raab, Otto, Bezirksarzt in Soheinfeld.
1200. - Raab, Wilhelm, Bezirksarzt in Sohwabaoh.
1201. - Rauh, Bezirksarzt in Erding.
1202. - Rausoh, prakt. Arzt in ZweibrUoken, staatsärztl. approb.
1203. - Regler, Landgerichtsarzt in Landshut.
1204. - ReiohoId,bezirksärztl.Stellvertr. u.Bahnarzt InLauf a.Pegnitz.
1206. - Reinhardt, Bahnarzt u. Krankenhausarzt in Weiden, staats¬
ärztl. approb.
1206. - Renner, Bezirksarzt in ZweibrUoken.
1207. - Riegel, Landgeriohtsarzt u. Med.-Rat in Kempten (Algäu).
1208. - Rittmayer, Gg. Fr., Bezirksarzt in Rehau.
1209. - Roger, Regienmgs- u. Kreismedizinalrat in Augsburg.
1210. - Rohm er, Bezirksarzt in Bergzabern.
1211. - Roth, Friedrich, Med.-Rat, Bezirksarzt u. Direktor des städti¬
schen Krankenhauses in Bamberg.
1212. - Roth, Jos. Herrn., Polizei- u. Bahnarzt in Bamberg.,
1213. - Roth, Max, Med.-Rat u. Bezirksarzt a. D. in Nümbeig.
1214. - Rothhammer, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Steingaden, staats¬
ärztl. approb.
1215. - Rott, Wilhelm, Bezirksarzt in MUhldorf (Oberbayem).
1216. - RUdinger, bezirksärzti. Stellvertreter in Weissenborn.
1217. - Runok, Physikatsassistent u. Bahnarzt in Ludwigshafen.
1218. - Russ, bezirksärztl. Stellvertreter in Eltmann.
1219. - Saok, Wilhelm, prakt. Arzt in Oberhausen (Bez.-Amt Zwet-
brUoken), staatsärztl. approb.
1220. - Salomon, prakt. Arzt in Waldmohr, staatsärztl. approb.
1221. - Schäfer, Bezirksarzt u. Hausarzt a.d. Gefangenanstalt in Sulzbach.
1222. - Sohalkhauser, Landgerichtsarzt in Augsburg.
1223. - Scharff, prakt. Arzt in Wunsiedel, staatsärztl. approb.
1224. - Schelle, prakt. Arzt in Kempten (Algäu), staatsärztl approb.
1225. - Schenk, bezirksärztl. Stellvertreter in Babenhausen.
1226. - Soheppaoh, prakt. Arzt in Donauwörth, staatsärztl. approb.
1227. - Schirmer, Bezirksarzt in Ebern.
1228. - Schlier, Bezirksarzt in Lauf a. Pegnitz.
1229. - Sohmeifiner, prakt. Arzt in Volkaoh a. Main, staatsärztl.
approb.
1230. • Sohmid, Anton, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Vilshofen.
138
Mitgliedervoraeichnis.
1231. Dr.
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1270. -
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1274. -
1275. -
1276. -
Sohmid, Johann, Bezirksarzt in Altötting.
Sohmid, Otto, prakt. Arzt in Freising, staatsärztL approb.
Schmid, Michael, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Passau.
Sohmid, Valentin, prakt. Arzt in Augsburg, staatsärztl. apprcb.
Schmidt, Eduard, prakt. Arzt in Edesheim, staatsärztl. approb.
Schmidt, Felix M., Bezirksarzt in Neustadt (Waldnaab).
Schmidt, Georg, Bezirksarzt in Nabburg (Pfalz).
Schmidt, Peter, Bezirksarzt in Hersbruck.
Schmitt,J osef, Hausarzt d. Gefangenanstalt in Laufen (Oberbay.).
Schmitt, Josef, Bezirksarzt in Vohenstrauss.
Schmitz, Bezirksarzt in Starnberg.
Schneller, Bezirksarzt in Berneok.
Schön, Bezirksarzt in Pegnitz.
S 0 h ö p p, Max, Bezirksarzt in Kronach.
Sohöppner, Earl, bezirksärztl. Stellvertreter in ReiohenhalL
Sohöppner, Ludwig, Bezirksarzt in Friedberg (Bayern).
Schrank, Bezirksarzt in Ebersberg.
Sohröfl, prakt. Arzt in Wertingen, staatsärztl. approb.
Schrön, prakt. Arzt in Warmensteinaoh bei Bayreuth, staats¬
ärztl. approb.
Schub, Bezirksarzt in Wegscheid (Niederbayern).
Schütz, Bezirksarzt in Vilsbiburg.
Schultz, Eduard, prakt. Arzt in Landau (Pfalz), staatsärztl. appr.
Schuster, Physikatsassistent in Augsburg.
Schwarz, Ernst, prakt. Arzt in Memmingen, staatsärztl. approb.
Schweinberger, M., Bezirksarzt in Traimstein.
Schwink, Landgeriohtsarzt in Ausbaob.
Seelos, Bezirksarzt in Markt-Oberdorf (Schwaben).
Seiderer, Bahnarzt in Ingolstadt, staatsärztl. approb.
Seil, Josef, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Dillingen (Donau).
Sendtner, Bezirksarzt in München.
Sitzberger, Alois, Bezirksarzt in Eggenfelden.
Solch, Bezirksarzt in Münchberg (Oberfrankeu).
Solbrig, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Bayreuth.
Spaet, Franz, Bezirksarzt in Fürth (Bayern).
Späth, Josef, Med.-Rat, Bezirksarzt in Landshut.
Spenkuch, Bezirksarzt in Neustadt (Haardt).
Spiegel, prakt. Arzt in Oberhausen bei Augsburg, staatsärzil.
approb.
Spies, Bezirksarzt in Bad Dürkheim.
Stadler, prakt. Arzt in Dinkelsbühl, staatsärztl. approb.
S t a p p e 1, Wilbelm, prakt. Arzt in Langquaid, staatsärztl. approb.
Stark, prakt. Arzt in Neustadt (Haardt), staatsärztl approb.
Stark, Emil, Stadtarzt in Fürth (Bayern).
SteicUele, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Uffenheim.
Steidle, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Kempten (Algäu), staats¬
ärztl. approb.
Steigeimann, Lud., prakt. Arzt in Rhodt (Pfalz), staatsärztl.
approb.
S t e i n d 1, prakt. Arzt u. Anstaltsarzt in Rennertshofen, staats¬
ärztl, approb.
Milgliodorverzeichnis.
139
1277. Dr. Steinhuber, Eczirkearzt u. Bahoarzt in Freyung-Wolfstein
1278. - Steininger, Bezirksarzt in Brückenau.
1279. - Stengel, Hans, Physikatsassistent in Würzburg.
1280. - Steudel, prakt. Arzt u. Babnarzt in Rebau.
1281. - Stickl, Bezirksarzt u. Bahnarzt in Rain (Schwaben), Hausarzt
der Gefangenanstalt Niedersohönenfeld.
1282. - Stömmer, Otto, Bezirksarzt in Ebermannstadt.
1283. - Stritzl, prakt. Arzt in Dorfen, staatsärztl. approb.
1284. - Stummer, bezirksärztl. Stellvertreter in Prien.
1285. - Stumpf, Universitäts-Prof. u. Landgeriohtsarzt in Würzburg.
1286. - Thiel, prakt. Arzt in Karlstadt, staatsärztl. approb.
1287. - Tischler, Bezirksarzt in Deggendorf.
1288. - Frhr. v.Thon-Dittmer, BahnarztinPressath, staatsärztl. appr.
1289. - Trzetziak, bezirksärztl. Stellvertreter u. Krankenhausarzt in
Volkach.
1290. - üebl, prakt. Arzt in Vohenstrauß, staatsärztl. approb.
1291. - UH mann, Landgeriohtsarzt u. Med.-Rat in ZweibrUoken.
1292. - Utz, Christian, Reg.- u. Kreis-Med.-Rat in Landshut.
1293. - Utzsohneider, prakt. Arzt in Rottenbuoh, staatsärztl. approb.
1294. - Vanselow, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Kissingen.
1295. - Vogl, prakt. Arzt in Kottern, staatsärztl. approb.
1296. - Vogler, Bezirksarzt in Krumbaoh (Schwaben).
1297. - Vogt jun., Heinrich, prakt. Arzt in Kandel, staatsärztl. approb.
1298. - Voll, bezirksärztl. Stellvertreter in Weismain.
1299. - Waibel, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Kempten (Algäu).
1300. - Wan der, prakt. Arzt u. Bahnarzt in Peissenberg, staatsärztl.
approb.
1301. - Wann er, Hans, bezirksärztl. Stellvertreter in Weiler (Algäu).
1302. - Weber, Emanuel, Bezirksarzt in Kelheim.
1303. - Weber, Jakob, prakt. Arzt in Burghaslaoh, staatsärztl. approb.
1304. - Weber, Jakob, prakt. Arzt in Kaiserslautem, staatsärztl. approb.
1305. - Weber, Klemens, Bezirksarzt in Kötzting.
1306. - Weckerle, Bezirksarzt in Mallersdorf.
1307. - Weigl, prakt. Arzt u. Schularzt in München, staatsärztl. appr.
1308. - Weikard, Bezirksarzt in Neu-Ulm.
1309. - W e i s s, August, Landgeriohtsarzt in Bayreuth.
1310. - Weis8, Theobald, Bezirksarzt in Miesbaoh.
1311. - Welte, prakt. Arzt in Saal (Saale), staatsärztl. approb.
1312. - Werner, Paul, bezirksärztlicher*Stellvertreter, üeisenfeld
b. Pfaffenhofen.
1313. - Wetzel, Bezirksarzt in Nürnberg.
1314. - Weygandt, aussorord. Prof, in Würzburg.
1315. - Wiedemann, Bezirksarzt in Teuschnitz (Oberfranken).
1316. - Wiest, Franz, prakt. Arzt u. Krankenhausarzt in Lenggries,
staatsärztl. approh.
1317. - Wild, prakt. Arzt in Endorf, staatsärztl. approb.
1318. - Winsauer, Babnarzt und Hofarzt in Kleinheubach, staatsärztl,
approb.
1319. - Winterstein, Wilh., prakt. Arzt u. Bahnarzt in Brückenau,
staatsärztl. approb.
140
MitgUederverzeiohnis.
1320. Dr. Wirsohing, Bezirksarzt in Waldmohr.
1321. - Wollen weher, Landgeriohtearzt in Neubarg (Donau).
1322. - Würth, Fritz, prakt. Arzt in Jettingen, staatsärztl. approb.
1323. - Wunder, bezirksärztl. Stellvertreter in Wolfstein.
1824. - Wurm, Stepban, bezirksärztl. Stellvertr. in Haag (Oberbayem).
1325. - Zängerle, prakt. Arzt in Landshut, staatsärztl. approb.
1326. - Zahn, Med.-Rat, Landgeriohts- u. Bezirksarzt in Kaiserslautern.
1327. - Zantl, Bezirksarzt in Weilheim.
1328. - Zeitler, Conrad, Med.-Rat, Bezirksarzt und Arzt an der
Königl. Strafanstalt in Erbrach.
1329. - Zeitler, Fritz, prakt. Arzt in Wörth (Donau), staatsärztl. appr.
1330. - Zinn, Landgeriohtsarzt u. Med.-Rat in Bamberg.
1331. - Zoellner, Bezirksarzt in Bruok-Fürstenfeld.
1332. - Zorn, Friedrich, prakt. Arzt in Memmingen, staatsärztl. approb.
1333. - Zorn, Ludwig, prakt. Arzt in Frankenthal (Pfalz), staatsärztl.
approb.
1834. - Zweoker, bezirksärztl. Stellvertreter in Waldflschbach.
1335. - Zwioknagl, Max, prakt. Arzt in Deggendorf, staatsärztl.
approb.
O. Xdnlgraloli Baolui«ii.
1336. Dr. Boeters, Bezirksarzt in Döbeln.
1337. - Böttcher, Anstaltsbezirksarzt in Hohnstein (Sächs. Schweiz).
1338. - Brink, Bezirksarzt in Frankenberg (Sachsen).
1339. • En dl er, Bezirksarzt in Dippoldiswalde.
*1340. - Erler, Bezirksarzt u. Ober-Med.-Rat in Meissen.
1341. - Facilides, San.-Rat u. Geriohtsarzt in Plauen (Vogtland).
1342. - Fickert, Bezirksarzt in Marienberg (Sachsen).
*1343. - Flinzer, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Plauen (Vogtland).
1344. - Gelbke, Med.-Rat u. medizinischer Beirat bei der KreLs-
hauptmannsohaft in Chemnitz.
1345. - Geyer, Landgeriohtsarzt in Zwiokau (Sachsen).
1346. - Harms, Bezirksarzt in Annaberg (Erzgeb.),
1347. - Hauffe, Stadtbezirksarzt in Chemnitz.
1348. - Hertzsoh, Bezirksarzt in Borna (Bz. Leipzig).
1349. - H e s s e, Obermedizinalrat u. Bezirksarzt in Dresden-Strehlen.
1350. - Holz, Bezirksarzt in Osohatz.
1351. - Kind, Med.-Rat, Bezirksarzt in Grimma.
1352. - Klotz, Bezirksarzt in Roohlitz.
1353. - Kookel, a. 0 . Professor u. Direktor des Instituts für g^ricbtl.
Medizin in Leipzig.
1354. - Lehmann, Chefarzt der Piersonsohen Privat-Heilanstalt
in Coswig (Sachsen).
1355. - Lehmann, Obermedizinalrat u. Direktor der städtischen HeQ-
und Pflegoanstalt in Dösen bei Leipzig, Post: Probstheide.
1356. - v. Mücke, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Zittau (Sachsen).
1357. - Müller, Anstaltsbezirksarzt in Stollberg (Ehzgeb.).
1358. - Nowaok, Prof., Stadtbezirksarzt in Dresden.
1359. - Oppeit, Bezirksarzt in Zwickau (Sachsen).
1360. - Petzholdt, Bezirksarzt in Grossenhain.
1361. • Perthen, Bezirksarzt u. Med.-Rat. in Oelsnitz (Vogltl.).
Mitgliederyerzeiohnu.
141
1362. Dr. Pö'tter, Stadtbezirksarzt in Leipzig.
1363. - Reohholtz, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Freiberg (Sachsen).
1364. - Richter, Geriohtsassistenzarzt in Leipzig.
1365. - Sauer, Bezirksarzt in Eamenz (Sachsen).
1366. - Schmidt, stellvertretender Bezirksarzt in Oelsnitz (Vogtl.).
1367. - Siegel, Stadt- u. Bezirksarzt u. Geh. Med.-Rat in Leipzig.
1368. - V. Stieglitz, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Löbau (Sachsen).
1369. - Streit, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Bautzen.
1370. - Thiersch, San.-Rat, Assistent des Bezirksarztes in Leipzig.
1371. - Tietze, Bezirksarzt in Schwarzenberg (Sachsen).
1372. • Weber, Geheimer Rat und Direktor der Heil-u. Pflegeanstalt
in Sozmenstein, Post: Pirna.
1373. - Wengler, Bezirksarzt in Glauchau.
1374. - Zehlert, Bezirksarzt in Chemnitz.
D. X5algr«lo]i Württombwrf.
1376. Dr. Andrassy, Oberamtsarzt in Böblingen.
1376. - Baur, Oberamtsarzt in Blaubeuren.
1377. - Bilfinger, Oberamtsarzt in Neokarsulm.
1378. - Blezinger, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Cannstadt.
1379. - Breit, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Stuttgart.
1380. - Bubenhofer, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Vaihingen (Enz).
1-381. - Camerer, Med.-Rat u. Mitglied des Medizinalkollegiums in
Stuttgart.
1382. - Giess, stellvertretender Stadtdirektionsarzt u. San.-Rat in
Stuttgart.
1383. - Cuhorst, Oberamtswtmdarzt in Ktinzelsau.
1384. - Draohter, Oberamtsarzt in Crailsheim.
1385. - Engelhorn, Oberamtsarzt und Med.-Rat in Göppingen.
1386. - Essig, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Ravensburg.
1387. - F a u s e r, San.-Rat u. dirig. Arzt am BUrger-Hospital in Stuttgart.
1388. - Finokh, Oberamtsarzt in Tettnang.
1389. - F o e h r jr., Oberamtsarzt in Marbach.
1390. - Fricker, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Nagold.
1391. - Gastpar, Stadtarzt in Stuttgart.
1392. - Gaupp, Oberamtsarzt in Schorndorf.
1393. - Gaupp, Oberamtswundarzt in Göppingen.
1394. - Georgii, Oberamtsarzt in Geislingen (Steige).
1395. - Gnant, Oberamtsarzt in Neresheim.
*1396. - V. Gussmann, Obermedizinalrat und Mitglied des Medizinal-
Kollegiums in Stuttgart.
1397. - Haag, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Heilbronn (Neckar).
1398. - Habermaas, San.-Rat, leitender Arzt der Anstalt für
Schwachsinnige und Epileptische in Stetten (Remsthal).
1399. - Härlin, Oberamtsarzt in Neuenbürg.
1400. - Hardt, Distriktsarzt in Löwenstein, staatsärztl. approb.
1401. - Hartmann, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Herrenberg.
1402. - Heller, Oberamtsarzt in Backnang.
1403. - Herrmann, Oberamtsarzt in Sulz (Neckar).
1404. - Höring, Oberamtsarzt u. Hofrat in Weinsberg.
142
Mitglioderv erzeiohnis.
1405.
Dr.
1406.
-
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*1409.
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•
1441.
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1442.
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1444.
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1445.
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1446.
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1447.
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1448.
Hopf, Oberaintsarzt u. Med.-Rat in Balingen.
Jäger, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Ulm (Donau).
Kemmler, Med.-Rat, Direktor der Königl. Heil- u. Pflf*ge-
anstalt in Weinsberg.
Kern, Oberamtsarzt in KUnzelsau.
Köstlin, Stadtdirektionsarzt u. Med.-Rat in Stuttgart.
Kooh, Oberarzt an der Königl. Heil- u. Pflegeanstalt in
Zwiefalten.
Kohlhaas, Med.-Rat u. Mitglied des Medizinal-KoUegiuni.s in
Stuttgart.
Kommerell, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Waiblingen.
Kräbmer, Oberamtswundarzt in Geislingen (O.-A. Geislingen).
Krause, Oboramtsarzt u. Med.-Rat in Kirohheim-Teck.
Kreuser, Med.-Rat und Direktor der Königl. Heil- u. Pflege-
austalt in Winnental, Post Winnenden (Württ.).
Kur rer, Oberamtsarzt in Horb (Neckar).
Lang, Oberamtsarzt u. Hofrat in Besigheim.
Lang, Oberamtswundarzt in Rottweil.
Lieb, Oberamtsarzt in Freudenstadt.
Ludwig, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Leonberg (Württ.).
Luib, Oberamtsarzt in Mergentheim.
Lutz, Oberamtsarzt in Saulgau.
Maisch, Oberamtsarzt in Oehringen.
Majer, Oberamtsarzt a. D. u. Med.-Rat in Heilbronn (Neckar).
Mayer, Oberamtswundarzt in Tettnang.
Mayer, Viktor, Oberamtsarzt in MUnsingen (Württ.).
Miss mahl, Oberamtsarzt in Riedlingen (Württ.).
Müller, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Calw.
Müller, Oberamtsarzt in Oberndorf (Neckar).
Muntsoh, Stadt- imd Distriktsarzt in Wiesonsteig.
Mutsohler, Oberamtsarzt in Aalen (Württ.).
Oesterlen, Prof., Med.-Rat u. Oberamtsarzt a. D. in Tübingen.
Palmer, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Biberaoh (Riss).
Paulus, Oberamtsarzt in Heidenheim (Brenz).
Pfäfflin, Oberamtsarzt in Urach.
Pfeilsticker, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Gmünd (Schwab.).
Pfleiderer, Oberamtswund- u. Stadtarzt in Knittlingen.
Ray, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Ehingen.
Rank, Med.-Rat, Direktor der Königl. Heil- u. Pflegeanstalt in
Weissenau, Post: Ravensburg.
V. Rembold, Medizinaldir. des Med.-Kollegiums in Stuttgart.
Rembold, Oberamtsarzt in Waldsee (Württ.).
R 0 m b e r g, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Nürtingen.
Russ, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Rottweil.
Sattler, Oberamtswimdarzt in Cannstadt.
Sautter, Oberamtswimdarzt in Laupheim.
Soheef, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Rottenburg (Neckar).
Soheurlen, Ober-Med.-Rat und Mitglied des Medizinalkolle¬
giums in Stuttgart.
Schmid, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Brackenheim.
MitgliederverzoiohniB.
143
1449. Dr. Schmidt, Oberamtswundarzt in Rottonburg (Neckar).
14Ö0. - Schott, Oberarzt an der Königl. Heil- u. Pflegeanstalt in
Weinsberg.
1451. - Schüler, fürstl. Leibarzt in Wolfegg, staatsärztl. approb.
1462. - Sohwartzköpf, prakt. Arzt in Stuttgart, staatsärztl. approb.
1453. - Seeger, Oberamtsarzt in Welzheim.
1454. - Sigel, prakt. Arzt in Stuttgart, staatsärztl. approb.
1455. - Siegmundt, Oberamtsarzt in Spaichingen.
1456. - Späth, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Esslingen (Neckar).
1457. - Staudenmeyer, Oberamtsarzt in Langenbiurg.
1458. - Steinbrüok, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Reutlingen.
1459. - Stell, Oberamtsarzt in Tübingen.
1460. - SUsskind, Oberamtsarzt in Hall (Schwäbisch).
1461. - Teuffel, Oberamtsarzt in Gaildorf.
1462. - Votteler, Oberamtsarzt in Esslingen (Neckar).
1463. - Waloher, Med.-Rat, Direktor der Landes-Hebammen-Lehr-
anstalt in Stuttgart.
1464. - Walz, Med.-Rat u. Mitglied des Med.-Kollegiums in Stuttgart
1465. - Weissensieder, Oberamtsarzt in Maulbronn.
1466. - Werfer, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Ellwangen.
1467. - Zeller, Oberamtsarzt u. Med.-Rat in Ludwigsburg.
E. Chrondiersofftiim Baden.
1468. Dr. Baader, Bezirksarzt und Med.-Rat in St. Blasien.
1469. - Bau mann, Bezirksassistenzarzt in Walldürn (Baden).
*1470. - Becker, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Offenburg (Baden).
1471. - Brenzinger, Bezirksarzt und Med.-Rat in Buchen (Baden).
1472. - Compter, Bezirksarzt und Med.-Rat in Rastatt.
1473. - Dörner, Bezirksarzt in Adelsheim.
1474. - Ernst, Bezirksassistenzarzt in Gernsbach (Murgt.).
1475. - Greiff, Ober - Mod. - Rat in Karlsruhe (Baden).
1476. - Guttenborg, Bezirksassistenzarzt in Freiburg (Breisgau).
1477. - Hauser, Ober-Med.-Rat in Karlsruhe (Baden).
1478. - Heinemann, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Konstanz.
1479. - Henrioi, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Schwetzingen.
1480. - Herzog, Bezirksarzt in Weinheim (Bergstraße).
1481. - Hoohe, Geh. Hofrat, Professor u. Direktor der psychiatrischen
Klinik in Freiburg (Breisgau).
1482. - Holl, Bezirksarzt in Heidelberg.
1483. - Kaiser, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Karlsruhe (Baden).
1484. - Kamm, Bezirksaizt in Breiten.
1485. - Klebe, Geh. Med.-Rat u. Bezirksarzt in Bruchsal.
1486. - Kr0eil, Bezirksarzt u. Geh. Hofrat in Lahr (Baden).
1487. - Kugler, Med.-Rat u. Bezirksarzt in Mannheim.
1488. - Kürz, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Heidelberg.
1489. - Lefholz, Bezirksarzt in Säokingen.
1490. - Manz, Bezirksarzt in Triberg.
1491. - Mayer, Bezirksarzt in Sohopfheim.
1492. - Meess, Bezirksarzt in Bonndurf.
144
Mit^liederverzeiohnis.
1493.
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1632.
1533.
1534.
1636.
1636.
1537.
1538.
Dr. Mittermaier, Geh. Med.-Rat in Heidelberg.
- Nitka, ßezirksassistenzarzt in Mannheim.
- Popp, Bezirksarzt in Staufen (Breisgau).
- Rehmann, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Pforzheim.
- Rittstieg, Bezirksarzt in Breisach.
- Schleid, Bezirksarzt in Wiesloch.
- Sohmid, Bezirksarzt in Mefikirch.
• Schneider, Bezirksarzt in Achem (Baden).
- Schottelius, Professor u. Geh. Hofrat in Freiburg (Breisgau).
- Seitz, Bezirksarzt in Eberbach (Baden).
- Stark, Bezirksarzt u. Med.-Rat i. Lörrach.
- Stöcker, Bezirksarzt in Tauberbisohofsheim.
- Thomann, Bezirksarzt in Wertheim.
- Themen, Bezirksarzt in Wolfaoh.
- Walther, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Ettenheim.
- Warth, Med.-Rat und Bezirksarzt in MUllheim (Baden).
- Wippermann, Med.-Rat und Bezirksarzt in Mosbach (Baden).
- Wörner, Bezirksarzt in Ueberlingen a./l.
- Wohlfahrt, Bezirksarzt in Btthl (Baden).
- Zix, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Mannheim.
F. ChroMhersofftum HeiMii.
Dr. Baiser, Kreisarzt u. Med.-Rat in Mainz.
- Best, Kreisassistenzarzt in Darmstadt.
- Drescher, Kreisassistenzarzt in Mainz.
- Fertig, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Worms.
- Fresenius, Kreisassistenzarzt in Worms.
- Gr OOS, Eireisarzt u. Med.-Rat in Bensheim.
- Haber körn, Kreisarzt u. Med.-Rat in Giessen.
- Hauser, Geh. Ob.-Med.-Rat in Darmstadt.
- Heinrioy, Kreisarzt in Lauterbaoh (Hessen).
- Jaup, Kreisassistenzarzt in Hirsohhom (Neckar).
- Koeniger, Kreisarzt in Schotten.
- Kossel, Prof, der Hygiene in Giessen.
- Langermann, Kreisassistenzarzt in Giessen.
- Lehr, Med.-Rat u. Kreisarzt in Darmstadt.
- Lindenborn, Kreisarzt u. Med.-Rat in Oross-Gerau.
- Nebel, Kreisarzt in Friedberg (Hessen).
- Neidhart, Geh. Obermedizinal-Rat in DarmstadL
- PfannmUller, Med.-Rat u. Kreisarzt in Offenbaoh (Main).
- SohSffer, Kreisarzt u. Med.-Ratin Alzey.
- Sohäffer, Med.-Rat, Kreisarzt in Bingen (Rhein).
- Schwan, Kreisarzt in Dieburg.
- Stigell, Kreisarzt u. Med.-Rat in Oppenheim.
- Wal ge r, Kreisarzt in Erbach (Odenwald).
- Walther, Prof, und Lehrer an der Hebammen • Lehranstalt in
Giessen.
- Wengler, Kreisarzt in Alsfeld.
- Wiessner, Kreisarzt u. Med.-Rat in Büdingen (Oberhessen).
Mitgliederyeraeiohiiüi.
14ö
O» Orosshersogtftmer ICaoUeiibiiri^-Boliwttrln n. Meoklonbvrflr’
Strellte.
1539. Dr. D u g g e, Kreisphysikus u. San.-Rat in Rostook (Meoklb.).
1540. - Elfeldt, Kreisphysikus u. San.-Rat in Gadebusoh.
1541. - Günther, Kreisphysikus n. San.-Rat in Hagenow (Meoklb.).
1542. - Havemann, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Parohim.
1543. - Kausoh, Direktor der Kaltwasserheilanstalt in Feldberg
(Meoklb.), pro physio. approb.
1544. - Mozer, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Malohin.
1545. - Müller, Geh. Med.-Rat u. Medizinal-Referent bei dem Justiz¬
ministerium (Abt. f. Medizinal - Angelegenheiten) in Sohwerin
(Meoklb.).
1546. - Mulert, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Waren.
*1547. - Roggenbau, Ober-Med.-Rat in Neustrelitz.
1548. - Sohrakamp, Physikus u. Med.-Rat in Schö'nberg (Meoklb.).
1549. - So hu oh ar dt. Geh. Med.-Rat u. Professor in Gehlsheim, Post:
Oehlsdorf (Meoklb.), Mitglied der Mediz.-Kommission.
1550. - Stephan, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Güstrow.
1551. - Unruh, Ejreisphysikus u. Med.-Rat in Wismar.
1.552. - Viereck, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Ludwigslust.
1553. - Wilhelm, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Schwerin (Meoklb.).
B. Groaahenoflrtiun Oldenburg.
1554. Dr. Barnstedt, Amtsarzt in Oldenburg (Grhzgt.).
1555. - Giesler, Physikus u. Med.-Rat in Eutin.
1556. - Lübbers, Amtsarzt u. Med.-Rat in Löningen.
*1557. - Heinz, Amtsarzt in Vechta.
1558. - Möhlfeld, Amtsarzt in Delmenhorst.
1559. - Ritter, Geh. Ober-Med.-Rat, Mitglied des Med.-Kollegiums
in Oldenburg (Grhzgt.).
1560. - Sohlaeger, Landphysikus u. Landgeriohtsarzt in Oldenburg
(Grhzgt.).
1561. - Schmidt, Landesarzt u. Med.-Rat in Idar.
I. Qroeahenogtnm Saohsen-Welnuur.
1562. Dr. Brauns, Med.-Rat u. Bezirksarzt in Eisenach.
1563. - Giese, a. 0 . Professor u. Bezirksarzt in Jena.
*1564. - Gumprecht, Prof. u. Med.-Rat in Weimar.
1566. - Knopf, Bezirksarzt u. Med.-Rat in Weimar.
1566. - Löber, Bezirksarzt in Vaoha.
1567. - Meunier, Bezirksarzt in Creuzburg (Werra).
1568. - Michael, Bezirksarzt in Ilmenau.
1569. - R ö h 1 e r, Bezirksarzt in Apolda.
1570. - Rüdel, Bezirksarzt in Weimar.
1571. - Stapff, Bezirksarzt in Dermbach (Feldabahn).
1572. - Staroke, Med.-Rat u. Bezirksarzt in Vieselbach.
1573. - We de mann, Med.-Rat, Landgerichts-u. Bezirksarzt i. Eisenach.*)
1574. - Werner, prakt. Arzt in Blankenhain (Thür.), itaatsärztl. approb.
’) Inzwischen verstorben.
in J
146
MitgliederveneiohniB.
K. K«noftiim Anlislt.
1576. Dr. Esleben, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Bemburg.
1576. • Fitzau, Kreisphysikus in Ballenstedt.
1577. • Klauder, pri^t. Ärztin Dessau, staatsärztL approb.
1578. - Oehmke, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Dessau.
*1579. - Richter, Reg.- u. Geh. Med.-Rat in Dessau.
1580. - Robitzsoh, Kreisphysikus u. Geh. Med.-Rat in Zerbst.
1681. - Weinberg, Kreisphysikus in Göthen (Anhalt).
Zm Benogtiim Bnnuwehwelif.
1582. Dr. Beokhaus, Physikus u. San.-Rat in Königslutter.
1688. - Diederiohs, prakt. Arzt in Holzminden, staatsärztL approb
1584. - Ehrlich, prakt. Arzt in Stadtoldendorf, staatsärztL approb.
1585. - Engel, Physikus in Wolfenbüttel.
*1586. - Engelbreoht, Med.-Rat u. Mitglied des Landesmedisinal-
kollegiums in Braunsohweig.
1587. - Kloeppel, San.-Rat u. Physikus in Blankenburg (Harz).
1588. - Müller, Rcb., Physikus in Braunsohweig.
1589. - Niemann, Physikus u. San.-Rat in Holzroinden.
1590. - Roth, Stadtphysikus u. San.-Rat in Braunsohweig.
159t. - Sohrader, San.-Rat u. Physikus in Vechelde.
1592. - S e u 1 k e, Physik, u. San.-Rat in Eischershausen (Kr. Holzminden).
1593. - Zimmer, Physikus und San.-Rat in Gandersheim
M. Hanoirtiua BAOhMa-Altanbiirg.
1694. Dr. Beyer, Bezirksarzt in Altenburg (S.-A.).
1696. - Hesse, Bezirksarzt in Eisenberg (S.-A.).
1596. - Kutsohbach, Bezirksarzt u. San.-Rat in Kahla.
1597. - Lorentz, Bezirksarzt u. San.-Rat in Lucka (S.-A.).
1598. - Ntttzennadel, Med.-Rat in Altenburg (S.-A.).
V. flaehsaa-Oobiirs-Ootluu
1599. Dr. Franke, Amtsphysikus in Waltershausen.
1600. - Kessler, prakt. Arzt in Gotha, staatsärztl. approb.
1601. - K 0 m p e, San.-Rat in Friedriohroda, staatsärztl. apqrob.
1602. - Liebmann, Amtsphysikus und Med.-Rat in Neustadt
• Herzgt. Coburg).
*1603. - Philipp, Geh. Regierungs- u. Ober-Med.-Rat in Gotha.
1604. - Sterzing, Stadtphysikus u. Med.-Rat in Gotha.
1605. - S t U1 e r, Amtsphysikus in Ohrdruf.
1606. - Waldvogel, Med.-Rat u. Amtsphysikus in Coburg.
O. Benogtiun Saobsan-Melnlagmi.
1607. Dr. Berthot, Physikus u. San.-Rat in Hildburghausen.
1608. - Freyburg, San.-Rat, Physikus in Meiningen.
1609. - Leubusoher, Prof., Reg.- und Geh. Med.-Rat in Meiningen.
1610. - Helmkampf, Physikus u. San.-Rat in Saalfeld (Saale).
1611. - Sohöningh, Physikus in Gräfenthal.
1612. - Wegener, Physikus in Salzungen.
MitgliederverseiohniB.
1 47
P. FüntMtiun B«ium Ut«r« Ual#.
1618. Dr. Lösoher, Physikus in Remptendorf.
1614. - Soheube, Geh. Med.-Rat, Med.-Referent u. Physikus in Greiz.
Q. FAntnatiim Rohm J4ii|r«r« Ual«.
1615. Dr. Franz, Bezirksarzt in Sohleiz.
1616. - Neuhaus, Oberstabsarzt a. D. u. Bezirksaizt in Gera.
B. Fflrftnatiim Upp«.
1617. Dr. Garius, Amtswundarzt in Detmold.
1618. - Gottsohalk, San.-Rat u. Physikus in Salzuflen.
1619. - Overbeck, Geh. Med.-Rat in Lemgo.
1620. - Theopold, Physikus u. San.-Rat in Blomberg (Lippe).
1621. - Volkhausen, Med.-Rat u. Physikus in Detmold.
8. Fflrsto&tnm Solutiiiiibiirg-Llpp«.
1622. Dr. Burohard, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Büokebwrg.
1628. - Lambrecht, Kreisphysikus u. Med.-Rat in Stadthagen.
1624. - Ridder, Geh. Med.-Rat in BUokeburg.
T. Fflnrtantum Bohwanburg-Budolatedt.
1625. Dr. Biedermann, Polizeiarzt in Rudolstadt.
1626. - G r a e f 1, Geh. San. - Rat u. Physikus in Frankenhausen (KyfiTh.).
1627. - Rosendorf, Bezirksphysikus in Leutenberg.
1628. - Rost, Regierungs- u. Geh. Med.-Rat in Rudolstadt.
1629. - Sorge, Bezirksphysikus in Königsee (Thür.).
U. Fdretentnm 8ohw«nbiirg-8oiidershaiu«ii.
1680. Dr. Bayer, Geh. Med.-Rat, vortrag. Rat im Ministerium u. Bezirks¬
physikus in Sondershausen.
*1631. - Müller, Bezirksphysikus u. Med.-Rat in Gehren (Thür.).
1632. - Osswald, Bez.-Physikus u. Med.-Rat in Arnstadt.
V. Fdrateatom Wald«ok.
1633. Dr. Hartwig, Kreisphysikus u. San.-Rat in Gorbaoh.
1634. - Krüger, Kreisphysikus in Bad Wildungen.
1635. - Seebohm, Geh. Hofrat u. Kreisphysikus a. D. in Pyrmont.
1636. - Vogt, prakt. Arzt in Arolsen, staatsäratl. approb.
W. Fni« «nd HaiuNurt&dta.
1637. Dr. Becker, stellvertr. Geriohtsarzt in Bremen.
1638. - Berkhan, Amtsphysikus in Bergedorf.
1639. - Gronemeyer, leitender Arzt am St. Joseph-Hospital und
stellvertr. Kreisarzt in Bremerhaven.
1640. - Falk, Kreisarzt in Bremerhaven.
1641. - Harmsen, prakt. Arzt in Hamburg-Winterhude, staatsärztl.
approb.
1642. - Heinrich, Hafenarzt in Bremerhaven, staatsärztl. approb.
1643. - Heuduok, Hafenarzt-Assistent in Hamburg.
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1676.
1676.
1677.
Mitgliederveneiohnis.
Dr. Kister, Abteilungsvorsteher am hygienischen Institut in
Hamburg.
- Maes, Polizeioberarzt und Mitglied des Medizinalkollegiums
in Hamburg.
- Nooht, Prof. u. Med.-Rat in Hamburg.
- Otto, Geriohtsarzt in Hamburg.
- Peltzer, Hafenarzt in Bremen.
- Revenstorff, Oberarzt am Hafenkrankenhause in Hamburg,
staatsSrztl. approb.
• Riedel, Physikus u. Me(L-Rat in Lttbeok.
- Sannemann, Reg.-Rat u. Hafenarzt in Hamburg.
- Sieveking, Physikus u. Mitglied des Medizinalkollegiums in
Hamburg.
- S p ä t h e, Arthur, prakt. Arzt in Hamburg, staatsärztL approb.
- Tiedemann, prfd^t. Arzt in Bremen, staatsärztl. approb.
- T j ad e n, Prof., Geschäftsführer des Gesundheitsamts u. Direktor
der bakteriologischen Instituts in Bremen.
X Belohsland EfaHuw-Lothriiigeii.
Dr. de Bary, Reg- u. Med.-Rat in Sablon (Kr. Metz).
- Belin, Kreisarzt in Straßburg (Eis).
- Biedert, Prof. u. Geh. Ober Med.-Rat in Straßburg (Eis.).
- Eyles, Kreisarzt in Metz.
- Giß, Kreisarzt in Diedenhofen.
- Haag, Kreisarzt in Rappoltsweiler.
- Hecker, Reg.- und Med.-Rat in Straßburg (Eis.).
- H o e f f e 1, Geh. Med.-Rat u. Kreisarzt in Buchsweiler (Unter-Els.i.
- Holtzmann, Reg.- u. Med.-Rat, Landesgesundheitsinspektor
in Straßburg (Eis.).
- Käst er, Med.-Rat und Kreisarzt in Metz.
- Krimke, Kreisarzt in Sohirmeok.
- Mohrmann, Assistent an der bakteriologischen Unter-
suohimgsstelle in Diedenhofen.
- Messer, Kreisarzt in Mühlhausen (Eis.).
- Mttller-Herrings, Reg.- u. Med.-Rat in Colmar (Eis.).
- Pawolleok, Geh. Med.-Rat u. Landesmedizinalrat in Strass-
burg (Eis.).
- Ransohoff, Direktor der staatl. Irrenanstalt in Stephansfeld.
Post: Brumath.
- Sorgius, Kreisarzt in Sohiltigheim.
- Sohäohe, Kreisarzt in SaargemUnd.
- Spiegel, Kreisarzt u. Med.-Rat in Gebweiler.
- Sutter, Kantonalarzt in St. Avold.
- Winter, prakt. Arzt in Sennheim, staatsärztl. approb.
- Wollenberg, Professor und Direktor der psychiatr. Klinik in
.Straßburg (Eis.).
Ausserdem:
- W e 8 0 h e, Geh. Med.-Rat in Charlottenburg.
1678.